Plenarprotokoll 16/172

Deutscher

Stenografischer Bericht

172. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Inhalt:

Wahl von Herrn Professor Manfred Wilke (SPD) ...... 18203 A als Mitglied des Beirats bei der Bundesbe- Daniela Raab (CDU/CSU) ...... auftragten für die Unterlagen des Staats- 18204 B sicherheitsdienstes ...... 18187 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- Tagesordnungspunkt 6: nung ...... 18187 B Große Anfrage der Abgeordneten Jürgen Absetzung der Tagesordnungspunkte 21 und Trittin, (Bremen), Volker 46 e ...... 18189 C Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zur China-Politik der Bundesregierung Tagesordnungspunkt 5: (Drucksachen 16/7212, 16/9513) ...... 18205 D a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs in Verbindung mit eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) Zusatztagesordnungspunkt 4: (Drucksachen 16/6140, 16/9737) ...... 18189 C Antrag der Abgeordneten Hellmut b) Beschlussempfehlung und Bericht des Königshaus, Dr. , Christian Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Frak- geordneten Mechthild Dyckmans, Birgit tion der FDP: Die Regierungsverhandlun- Homburger, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), gen mit China zur Neuorientierung der weiterer Abgeordneter und der Fraktion Entwicklungszusammenarbeit und zur der FDP: GmbH-Gründungen beschleu- Förderung der chinesischen Zivilgesell- nigen und entbürokratisieren schaft nutzen (Drucksachen 16/671, 16/9737) ...... 18189 D (Drucksache 16/9745) ...... 18205 D , Bundesministerin Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ BMJ ...... 18190 A DIE GRÜNEN) ...... 18206 A Mechthild Dyckmans (FDP) ...... 18191 B (CDU/CSU) ...... 18207 D Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) ...... 18193 C Dr. (FDP) ...... 18209 C Sabine Zimmermann (DIE LINKE) ...... 18196 A (SPD) ...... 18211 B (BÜNDNIS 90/ Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) ...... 18212 C DIE GRÜNEN) ...... 18198 A Erich G. Fritz (CDU/CSU) ...... 18214 A (SPD) ...... 18199 D Dr. h. c. , Staatsminister Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) ...... 18201 D AA ...... 18215 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Hellmut Königshaus (FDP) ...... 18216 C ten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände- rung des Europaabgeordnetengesetzes (CDU/CSU) ...... 18217 B und eines … Gesetzes zur Änderung des Johannes Pflug (SPD) ...... 18218 B Abgeordnetengesetzes (Drucksachen 16/9300, 16/9570) ...... 18221 D Christoph Strässer (SPD) ...... 18219 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag Tagesordnungspunkt 46: der Abgeordneten (Augs- burg), , Marieluise a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter brachten Entwurfs eines Gesetzes zur und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE steuerlichen Gleichbehandlung der Auf- GRÜNEN: 20 Jahre nach Halabja – Un- tragsforschung öffentlich-rechtlicher terstützung für die Opfer der Giftgas- Forschungseinrichtungen (Hochschul- angriffe forschungsförderungsgesetz – HFFördG) (Drucksachen 16/8197, 16/9150) ...... 18222 B (Drucksache 16/5726) ...... 18221 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des b) Erste Beratung des von den Fraktionen der Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag CDU/CSU und der SPD eingebrachten der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Entwurfs eines Gesetzes zur Zusammen- Nachtwei, , weiterer führung der Regelungen über befrie- Abgeordneter und der Fraktion BÜND- dete Bezirke für Verfassungsorgane des NIS 90/DIE GRÜNEN: NATO-Gipfel Bundes für Kurswechsel in Afghanistan nutzen (Drucksache 16/9741) ...... 18221 B (Drucksachen 16/8501, 16/9431) ...... 18222 C c) Antrag der Abgeordneten , d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ulrike Höfken, Nicole Maisch, weiterer Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- Abgeordneter und der Fraktion BÜND- entwicklung NIS 90/DIE GRÜNEN: Forschung für den ökologischen Landbau ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten (Drucksache 16/9345) ...... 18221 B Klaus Hofbauer, Dirk Fischer (Ham- burg), Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), d) Antrag der Abgeordneten weiterer Abgeordneter und der Frak- (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, tion der CDU/CSU sowie der Abge- weiterer Abgeordneter und der Fraktion ordneten Heinz Paula, Uwe der FDP: Verlängerung der Hauptunter- Beckmeyer, Sören Bartol, weiterer Ab- suchungsintervalle für Oldtimer mit geordneter und der Fraktion der SPD: H-Kennzeichen Zwölf-Tage-Regelung in Europa (Drucksache 16/9480) ...... 18221 C wieder einführen f) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- – zu dem Antrag der Abgeordneten schung und Technikfolgenabschätzung Patrick Döring, Horst Friedrich (Bay- gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: reuth), , weiterer Ab- Technikfolgenabschätzung (TA) geordneter und der Fraktion der FDP: Mediennutzung und eLearning in Schulen Wiedereinführung der Zwölf-Tage- Sachstandsbericht zum Monitoring Regelung in Europa unterstützen „eLearning“ (Drucksache 16/9527) ...... 18221 C (Drucksachen 16/9076, 16/7861, 16/9739) 18222 D g) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- e) Beschlussempfehlung und Bericht des schung und Technikfolgenabschätzung Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Technikfolgenabschätzung (TA) Bundesregierung: Verordnung zum Zielgruppenorientiertes eLearning für Schutz des Klimas vor Veränderungen Kinder und ältere Menschen durch den Eintrag bestimmter fluorier- Sachstandsbericht zum Monitoring ter Treibhausgase (Chemikalien-Klima- „eLearning“ schutzverordnung – ChemKlimaschutzV) (Drucksache 16/9528) ...... 18221 C (Drucksachen 16/9446, 16/9517 Nr. 2, 16/9731) ...... 18223 A f)–p) Tagesordnungspunkt 47: Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- a) Zweite und dritte Beratung des von den schusses: Sammelübersichten 431, 432, Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und 433, 434, 435, 436, 437, 438, 439, 440 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- und 441 zu Petitionen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008 III

(Drucksachen 16/9616, 16/9617, 16/9618, , Bundesminister 16/9619, 16/9620, 16/9621, 16/9622, BMU ...... 18237 C 16/9623, 16/9624, 16/9625, 16/9626) . . . . 18223 B Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU) ...... 18240 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Dieter Grasedieck (SPD) ...... 18241 A a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu der Verordnung der Bundesregie- Tagesordnungspunkt 7: rung: Einhundertsiebte Verordnung zur a) – Zweite und dritte Beratung des von Änderung der Ausfuhrliste – Anlage den Fraktionen der CDU/CSU und der AL zur Außenwirtschaftsverordnung – SPD eingebrachten Entwurfs eines (Drucksachen 16/9211, 16/9391 Nr. 2.1, Gesetzes zur Änderung des Bundes- 16/9698) ...... 18224 C kindergeldgesetzes b) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- (Drucksachen 16/8867, 16/9792) . . . . 18241 D schusses: Übersicht 11 über die dem – Zweite und dritte Beratung des von der Deutschen Bundestag zugeleiteten Bundesregierung eingebrachten Ent- Streitsachen vor dem Bundesverfas- wurfs eines Gesetzes zur Änderung sungsgericht des Bundeskindergeldgesetzes (Drucksache 16/9782) ...... 18224 C (Drucksachen 16/9615, 16/9792) . . . . 18242 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des – Bericht des Haushaltsausschusses ge- Rechtsausschusses: zu den Streitsachen mäß § 96 der Geschäftsordnung vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 16/9793) ...... 18242 A 2 BvE 2/08 und 2 BvR 1010/08 (Drucksache 16/9783) ...... 18224 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen d)–m) und Jugend Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 442, 443, – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin 444, 445, 446, 447, 448, 449, 450 und 451 Deligöz, Markus Kurth, Brigitte zu Petitionen Pothmer, weiterer Abgeordneter und (Drucksachen 16/9767, 16/9768, 16/9769, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 16/9770, 16/9771, 16/9772, 16/9773, NEN: Kinderzuschlag weiterent- 16/9774, 16/9775, 16/9776) ...... 18225 A wickeln – Fürsorgebedürftigkeit und verdeckte Armut von Erwerbs- tätigen mit Kindern verhindern und Zusatztagesordnungspunkt 6: bekämpfen Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion – zu der Unterrichtung durch die Bun- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der desregierung: Bericht über die Aus- Bundesregierung zur unrechtmäßigen Ein- wirkungen des § 6 a des Bundeskin- leitung radioaktiver Lauge in das ehema- dergeldgesetzes (Kinderzuschlag) lige Salzbergwerk Asse II sowie über die gegebenenfalls not- Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ wendige Weiterentwicklung dieser Vorschrift DIE GRÜNEN) ...... 18226 A Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (Drucksachen 16/8883, 16/4670, 16/9792) 18242 A (CDU/CSU) ...... 18227 A c) Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Hans-Heinrich Sander, Minister Jörn Wunderlich, , weiterer (Niedersachsen) ...... 18228 A Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Armut trotz Arbeit vermeiden – Jörg Tauss (SPD) ...... 18229 B Benachteiligung Alleinerziehender Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) ...... 18230 B beim Kinderzuschlag beenden (Drucksache 16/9746) ...... 18242 B Dr. (CDU/CSU) ...... 18231 B Ingrid Fischbach (CDU/CSU) ...... 18242 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 18232 C Ina Lenke (FDP) ...... 18244 A Christoph Pries (SPD) ...... 18233 D Wolfgang Spanier (SPD) ...... 18245 B Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) ...... 18234 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) ...... 18246 D Klaus Hagemann (SPD) ...... 18236 B Ingrid Fischbach (CDU/CSU) ...... 18248 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Jörn Wunderlich (DIE LINKE) ...... 18248 C Tagesordnungspunkt 9: Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ a) Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. DIE GRÜNEN) ...... 18248 D Kolb, Dr. Karl Addicks, , weiterer Abgeordneter und der Wolfgang Spanier (SPD) ...... 18249 B Fraktion der FDP: Flexibler Eintritt in die Rente bei Wegfall der Zuverdienst- (CDU/CSU) . . . . . 18250 B grenzen Ingrid Fischbach (CDU/CSU) ...... 18250 D (Drucksache 16/8542) ...... 18275 A Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär b) Antrag der Abgeordneten Irmingard BMFSFJ ...... 18252 A Schewe-Gerigk, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Ina Lenke (FDP) ...... 18252 D Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kurs halten bei der Erwerbsintegration (DIE LINKE) ...... 18253 C von älteren Beschäftigten – Teilrenten Miriam Gruß (FDP) ...... 18254 C erleichtern (Drucksache 16/9748) ...... 18275 A Christel Humme (SPD) ...... 18255 A Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 18275 B Ina Lenke (FDP) ...... 18255 C Dr. (CDU/CSU) ...... 18276 B (CDU/CSU) ...... 18256 D Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) ...... Wolfgang Spanier (SPD) ...... 18257 B 18279 C Anton Schaaf (SPD) ...... 18280 C (SPD) ...... 18258 D Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ Ina Lenke (FDP) ...... 18259 C DIE GRÜNEN) ...... 18282 B Caren Marks (SPD) ...... 18259 D Tagesordnungspunkt 10: Tagesordnungspunkt 8: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Erste Beratung des von den Abgeordneten eines Gesetzes zur Modernisierung Joachim Stünker, , der gesetzlichen Unfallversicherung Dr. Lukrezia Jochimsen und weiteren Abge- (Unfallversicherungsmodernisierungs- ordneten eingebrachten Entwurfs eines Drit- gesetz – UVMG) ten Gesetzes zur Änderung des Betreu- (Drucksachen 16/9154, 16/9788) ...... 18283 C ungsrechts (Drucksache 16/8442) ...... 18260 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales Joachim Stünker (SPD) ...... 18260 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Kauch (FDP) ...... 18262 A Markus Kurth, , , weiterer Abgeordneter Markus Grübel (CDU/CSU) ...... 18263 B und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die gesetzliche Unfallver- Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) ...... 18264 D sicherung fit für die Dienstleistungs- Maria Eichhorn (CDU/CSU) ...... 18265 D gesellschaft machen Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ – zu dem Antrag der Abgeordneten DIE GRÜNEN) ...... 18266 B Heinz-Peter Haustein, Dr. Heinrich L. Kolb, , weiterer Abge- Dr. Carola Reimann (SPD) ...... 18267 B ordneter und der Fraktion der FDP: Mehr Wettbewerb und Kapitalde- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ckung in der Unfallversicherung (FDP) ...... 18268 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Julia Klöckner (CDU/CSU) ...... 18269 B Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Dr. , weiterer Ab- Joachim Stünker (SPD) ...... 18270 C geordneter und der Fraktion DIE Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ LINKE: Keine Leistungskürzungen DIE GRÜNEN) ...... 18271 B bei der gesetzlichen Unfallversiche- rung Christoph Strässer (SPD) ...... 18272 B (Drucksachen 16/9312, 16/6645, 16/5616, Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU) ...... 18273 D 16/9788) ...... 18283 D 18260 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: tion Die Linke mit den Stimmen des restlichen Hauses (C) Ich schließe die Aussprache. abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf: Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Erste Beratung des von den Abgeordneten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeskin- Joachim Stünker, Michael Kauch, Dr. Lukrezia dergeldgesetzes. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Jochimsen und weiteren Abgeordneten einge- Frauen und Jugend empfiehlt unter Nr. 1 seiner Be- brachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur schlussempfehlung auf Drucksache 16/9792, den Ge- Änderung des Betreuungsrechts setzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/8867 in Kenntnis der Unterrichtung – Drucksache 16/8442 – durch die Bundesregierung auf Drucksache 16/4670 in Überweisungsvorschlag: der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, Rechtsausschuss (f) die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim- Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage- Ausschuss für Gesundheit gen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition bei Ge- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die genstimmen der Opposition angenommen. Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Dritte Beratung Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Joachim Stünker, SPD-Fraktion. Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent- Joachim Stünker (SPD): wurf ist damit in dritter Beratung mit den Stimmen der Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenom- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen men. heute Nachmittag – ich möchte sagen: endlich – den Ge- Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs- setzentwurf einer Gruppe von 209 Kolleginnen und Kol- antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/9812. Wer legen aus vier Fraktionen dieses Hauses vorstellen, mit stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dem wir den Umgang mit Patientenverfügungen im Be- dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag treuungsrecht verbindlich regeln wollen. ist bei Gegenstimmen der FDP mit den Stimmen des Man kann die getroffene Regelung in einem Satz wie (B) restlichen Hauses abgelehnt. folgt zusammenfassen: Falls ein Patient entscheidungs- (D) Wir setzen die Abstimmungen über die Beschluss- unfähig ist, hat der behandelnde Arzt eine vorgelegte Pa- empfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, tientenverfügung zu respektieren, sofern diese aktuell Frauen und Jugend auf Drucksache 16/9792 fort. und auf die gegebene Situation anwendbar ist. Ich wie- derhole: sofern sie aktuell und auf die gegebene Situa- Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss, den Gesetzent- tion anwendbar ist. wurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/9615 zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes für erledigt zu Viele sagen: Es ist doch alles klar, wir brauchen diese erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Regelung nicht. Der Präsident der Bundesärztekammer Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss- hat erst vor wenigen Tagen in einem Zeitungsinterview empfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses an- gesagt: genommen. Wir haben Klarheit – und diese wird durch ein Ge- Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner setz nicht noch klarer werden. Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Ich denke, in dieser Frage ist gar nichts klar. Gerade das Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/8883 teilweise babylonische Stimmengewirr, das wir im Vor- mit dem Titel „Kinderzuschlag weiterentwickeln – Für- feld der heutigen Debatte in den Medien erlebt haben, sorgebedürftigkeit und verdeckte Armut von Erwerbstä- macht mit Nachdruck deutlich: Vieles ist nicht klar. tigen mit Kindern verhindern und bekämpfen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt Lassen Sie mich einige Beispiele nennen. Immer wie- dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung der heißt es, wir wollen die aktive Sterbehilfe nicht be- ist mit den Stimmen der SPD, der CDU/CSU und der fördern. Dazu kann ich nur sagen: Unser Gesetzentwurf FDP bei Gegenstimmen des Bündnisses 90/Die Grünen hat mit aktiver Sterbehilfe überhaupt nichts zu tun. und bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenom- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, men. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/9746 mit dem Ti- Tötung auf Verlangen bleibt nach § 216 des Strafgesetz- tel „Armut trotz Arbeit vermeiden – Benachteiligung Al- buches strafbar, und kein Mensch will diese Grenze leinerziehender beim Kinderzuschlag beenden“. Wer überschreiten. Wenn ein Mensch eine bestimmte medizi- stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Ent- nische Behandlung für sich ausschließt, nicht möchte, haltungen? – Der Antrag ist bei Gegenstimmen der Frak- dass sie an ihm vorgenommen wird, und sie seinem Wil- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008 18261

Joachim Stünker (A) len entsprechend unterlassen wird, ist das keine aktive gung niedergelegt haben, haben sich ganz individuell in (C) Sterbehilfe. diesem verfassungsrechtlichen Rahmen bewegt. Diese Entscheidung hat der Staat zu respektieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, NEN) der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Es wird immer gesagt – so war es auch heute Morgen GRÜNEN) im Fernsehen zu verfolgen –, die Rechtsprechung des Wie kann das Grundrecht auf Selbstbestimmung ge- Bundesgerichtshofes verlange für die Rechtsverbindlich- währleistet werden, wenn sich der Bürger infolge einer keit einer Patientenverfügung, dass eine sogenannte in- schweren Krankheit nicht mehr äußern kann? Da eine fauste Prognose vorliegt, das heißt, dass der Sterbepro- Patientenverfügung vor Zeiten niedergelegt worden ist, zess bereits begonnen hat. Viele Ärzte und viele andere stellt sich die – entscheidende – Frage: Will der Patient Menschen, die das heute Morgen gehört haben, werden noch, dass gemacht wird, was er einmal aufgeschrieben da erschrocken gewesen sein. Denn die Praxis ist eine hat? Im Grunde ist das – entschuldigen Sie den Aus- ganz andere, und die Rechtsprechung des Bundesge- druck – ein Sonderfall von Kommunikation. Wodurch richtshofes – das ist in der Rechtswissenschaft einhellige lässt sich das direkte Gespräch zwischen Arzt und Pa- Meinung – besagt das eben nicht. tient, das ja nicht mehr stattfinden kann, ersetzen? Es wird behauptet, wir wollten mit diesem Gesetzent- Für die Umsetzung und die Überprüfung der schriftli- wurf das Sterben regeln. Meine Damen und Herren, wir chen Verfügung haben wir in dem Ihnen vorliegenden wollen nicht das Sterben regeln, wir wollen lediglich Gesetzentwurf klare Regeln definiert. Lassen Sie mich Rechtssicherheit schaffen, wie mit Patientenverfügungen diese Regeln kurz erläutern. Für eine Patientenverfü- umzugehen ist. gung soll die Schriftform erforderlich sein. Die Patien- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, tenverfügung ist vom Arzt und vom Betreuer oder der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Bevollmächtigten gemeinsam auszulegen. Jede Patien- GRÜNEN) tenverfügung ist zu interpretieren; es gibt keinen Auto- matismus, dass das, was in der Patientenverfügung steht, Denn rechtstatsächlich betrachtet haben wir Unklarheit. eins zu eins umgesetzt wird. Der in der Patientenverfü- Unklarheit bedeutet Rechtsunsicherheit. Ich meine, die gung niedergelegte Wille ist nur dann umzusetzen, wenn Menschen verlangen in einem Rechtsstaat, dass der Ge- er auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu- setzgeber Rechtssicherheit schafft – übrigens nicht nur trifft – was zu prüfen ist. Arzt und Betreuer oder Bevoll- für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für die mächtigter müssen dies einvernehmlich feststellen. (B) Ärzte, die ja Tag für Tag mit Patientenverfügungen um- Wenn sie es nicht einvernehmlich feststellen können, (D) gehen müssen. wenn Uneinigkeit bleibt, muss letzten Endes das Vor- 9 bis 10 Millionen Menschen in unserem Land haben mundschaftsgericht entscheiden. Aktuelle Lebensäuße- bereits eine Patientenverfügung verfasst. Diese Men- rungen des Patienten sind zu beachten; sie müssen Vor- schen wollen, dass ihr Wille im Hinblick auf ihr Lebens- rang haben vor dem, was in der Patientenverfügung ende bindend beachtet wird. niedergelegt ist. Eine Patientenverfügung soll jederzeit formlos widerrufbar sein. Gibt es keine Patientenverfü- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, gung oder trifft der niedergelegte Wille nicht die aktuelle der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Lebens- oder Behandlungssituation, müssen Arzt und GRÜNEN) Bevollmächtigter den mutmaßlichen Patientenwillen er- mitteln. Das ist das, was in der Praxis täglich geschieht. Die Menschen haben ein verfassungsrechtlich verbrief- tes Recht darauf, dass ihr Wille beachtet wird: Anhand dieser Fragen, die zu regeln sind, eine Grund- Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Un- satzdebatte über Leben oder Tod zu beginnen, ist in mei- versehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletz- nen Augen unangemessen. Das sollte der Gesetzgeber lich. im Ergebnis nicht mitmachen. So steht es in Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes. Diese Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir werden die- Garantie der Selbstbestimmung vermag auch die wie sen Gesetzentwurf in der parlamentarischen Beratung auch immer geartete Lebensschutzpflicht des Staates mit Sachverständigenanhörungen nach der Sommer- nicht zu relativieren, geschweige denn zu negieren. pause sicherlich sehr gründlich beraten können. Es ist uns ja teilweise vorgeworfen worden, wir würden nun (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und voreilig und zu schnell handeln. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE Über seine leiblich-seelische Integrität bestimmen zu GRÜNEN]: Zu Recht!) können, gehört zum ureigenen Bereich der Personalität des Menschen. In diesem Bereich ist man aus der Sicht Ich darf Ihnen nur sagen: Diesen Gesetzentwurf gibt es des Grundgesetzes frei, seine Maßstäbe zu wählen, nach bereits seit einem Jahr. Im Koalitionsvertrag aus dem ihnen zu leben, nach ihnen zu entscheiden. Der Einzelne Jahre 2005 steht, dass wir in dieser Legislaturperiode hat ein Recht auf Leben, aber nicht die Pflicht zu leben. entsprechend vorangehen wollen. Ich glaube, wenn wir Die Menschen, die ihren Willen in einer Patientenverfü- in dieser Legislaturperiode noch eine Entscheidung 18262 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Joachim Stünker (A) herbeiführen wollen, dann müssen wir uns in der Tat be- Einen Gegensatz zwischen der Vorsorgevollmacht (C) eilen. und der Debatte über Patientenverfügungen aufzuma- chen, wie das die Kollegin Künast gestern leider getan Schönen Dank. hat, grenzt schon an Verdummung der Leute; denn auch (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der Bevollmächtigte kann heute nicht jede Behandlungs- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE beschränkung verfügen. Er ist an die gleiche Reichwei- GRÜNEN) tenbeschränkung gebunden, die es auch bei der Patien- tenverfügung gibt.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Meine Damen und Herren, bereits 2004 und 2006 ha- Ich gebe dem Kollegen Michael Kauch, FDP-Frak- ben die Liberalen als einzige Fraktion einen Antrag zur tion, das Wort. Stärkung von Patientenverfügungen in den Deutschen Bundestag eingebracht. Bereits in der vergangen Wahl- (Beifall bei der FDP) periode hat die Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ die Pros und Kontras genau ab- Michael Kauch (FDP): gewogen und eine Empfehlung abgegeben. Bereits vor einem Jahr haben wir in diesem Parlament eine Orientie- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das rungsdebatte geführt. Deshalb ist es völlig abwegig, Sterben ist Teil des Lebens. Wir sprechen heute über die wenn nun von der Fraktionsführung der CDU/CSU in Selbstbestimmung von Patientinnen und Patienten und Person von Herrn Röttgen gesagt wird, alles gehe zu müssen erkennen, dass das ein Baustein für ein men- schnell. Nein, die Menschen im Land warten seit vier schenwürdiges Leben bis zuletzt ist, aber eben nur ein Jahren darauf, dass dieses Parlament endlich eine Ent- Baustein. Deshalb haben wir in der vergangenen Woche scheidung trifft. beispielsweise auch sehr intensiv über die palliativmedi- zinische Versorgung von Patientinnen und Patienten ge- (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, sprochen. Wir brauchen mehr Qualität in der Pflege, wir der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE brauchen ein Gesundheitssystem, mit dem wir nicht se- GRÜNEN) henden Auges rationieren, wir brauchen mehr Zuwen- dung für Sterbende, und wir brauchen gerade auch für Leitbild der Liberalen ist das Bild eines Menschen, die Menschen, die zu Hause sterben wollen, eine profes- der auch in existenziellen Fragen so frei wie möglich sionelle und leidmindernde Palliativmedizin, und zwar über sein Leben entscheiden kann. Wir geben der Selbst- nicht nur in den Großstädten, sondern auch in der Flä- bestimmung im Zweifel Vorrang vor anderen Überle- (B) che. gungen, seien sie auch noch so fürsorglich motiviert. (D) Das ist die eigentliche Trennlinie in der Debatte über Pa- (Beifall im ganzen Hause) tientenverfügungen: Die eine Seite nimmt fürsorglichen All diese Maßnahmen sind aber keine Gegensätze zu Paternalismus auch mit Zwangsbehandlungen in Kauf, einer Politik für mehr Patientenautonomie. Beides ge- die andere Seite vertraut auf die Kraft und die Urteilsfä- hört zusammen: das Angebot der Gesellschaft für eine higkeit des Menschen. optimale Versorgung und die Freiheit des Einzelnen, be- Um es klar zu sagen: Wir haben keine naive Vorstel- stimmte Behandlungen auch ablehnen zu können. Für- lung von Selbstbestimmung. Beim Verfassen einer Pa- sorge in Fremdbestimmung ist so schlecht wie Selbstbe- tientenverfügung besteht eine gewisse Unsicherheit. stimmung ohne Fürsorge; denn durch die moderne Man weiß nicht genau, was in Zukunft sein wird. Der Medizin wurden viele Möglichkeiten geschaffen, die voraus verfügte Wille ist immer schwächer als der aktu- man sich vor 50 Jahren nicht vorstellen konnte. Für viele ell verfügte. Was aber ist die Alternative? Die Alterna- Menschen ist das ein großes Geschenk, für manche ist tive zum voraus verfügten Willen der eigenen Person ist das aber eben auch eine Qual. Ob es eine Qual oder ein die Entscheidung eines Dritten. Die Alternative ist im Geschenk ist, kann niemand anderer als der Einzelne Zweifel eine Fremdbestimmung auch unter Inkaufnahme selbst entscheiden. einer Zwangsbehandlung. Das ist aus meiner Sicht nicht (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, akzeptabel; auch für die große Mehrheit meiner Fraktion der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE ist das keine Lösung. GRÜNEN) Eine Begrenzung der Reichweite auf irreversibel zum Niemand muss Patientenverfügungen abfassen. Es ist Tode führende Erkrankungen liefert den Patienten einer völlig in Ordnung, wenn man sagt: Ich habe einen Be- möglicherweise fehlerhaften ärztlichen Prognose aus. vollmächtigten, der das im Falle des Falles für mich ent- Ob beim Wachkoma, in der Notfallmedizin oder bei reli- scheiden soll. Wer aber klar weiß, was er will und was er giösen Behandlungsbeschränkungen: In all diesen Fällen nicht will, dessen Patientenverfügung muss geachtet führt eine Reichweitenbegrenzung dazu, dass Menschen werden. Das darf vom Staat nicht in Abrede gestellt wer- entgegen ihrem explizit geäußerten Willen zwangsbe- den. handelt werden. Eine Reichweitenbegrenzung bedeutet – um sich das in der Praxis vorzustellen –, dass gegen (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, den Willen des Patienten Magensonden gelegt, Sehnen der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE zerschnitten und Antibiotika verabreicht werden. Das GRÜNEN) hat mit Selbstbestimmung nichts zu tun. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008 18263

Michael Kauch (A) (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, ursprünglichen Fassung eingebracht. Sie hatten Zeit er- (C) der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE beten, um Ihren Gesetzentwurf zu überarbeiten. GRÜNEN) (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ Was haben wir Liberalen in den Gesetzentwurf einge- DIE GRÜNEN]: Es lag aber ein Jahr dazwi- bracht? Erstens haben wir durchgesetzt, dass eine Pa- schen!) tientenverfügung nur dann Gültigkeit hat, wenn der ge- setzliche Vertreter des Patienten genau geprüft hat, ob Auch meine Gruppe hatte sich noch Zeit erbeten. Die sie noch dem aktuellen Willen des Patienten entspricht. Absprache wurde leider nicht eingehalten. Viel Zeit ge- Zweitens haben wir durchgesetzt, dass auch nonverbale winnen wir aber nicht, weil die Sommerpause bevor- Äußerungen, etwa von Demenzkranken, berücksichtigt steht. werden und im Zweifel pro vita entschieden wird. Drit- (Beifall bei der CDU/CSU) tens haben wir durchgesetzt, dass Angehörige und Pfle- gekräfte in den Prozess einbezogen werden, damit sie Bei der Bewertung einer Patientenverfügung geht es gegebenenfalls das Vormundschaftsgericht anrufen kön- im Wesentlichen darum, ob der voraus verfügte Wille ei- nen. nes Patienten und der aktuelle Wille gleich sind. Im Nor- malfall kommt dem Gespräch zwischen Arzt und Patient Die Sicherungen, die dieser Gesetzentwurf bringt, eine große Bedeutung zu. Der Arzt oder die Ärztin stellt sind sehr stark. die Diagnose und erläutert dem Kranken die Krankheit. Der Patient hat die Möglichkeit, Rückfragen an den Arzt Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: zu richten. Der Arzt merkt schnell, ob der Patient ver- Herr Kollege Kauch. standen hat, welches Krankheitsbild er aufweist und wie die Krankheit möglicherweise verläuft. Michael Kauch (FDP): Wenn sich der Patient über seinen Gesundheitszustand Deshalb bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf, gegebe- im Klaren ist, dann zeigt ihm der Arzt Behandlungsmög- nenfalls in geänderter Fassung, zuzustimmen. lichkeiten, verbunden mit möglichen Konsequenzen, Chancen und Risiken, auf. Danach – möglicherweise Vielen Dank. nach einer Bedenkzeit, in der der Patient Rücksprache (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, mit Angehörigen oder einem weiteren Arzt halten kann – der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE entscheidet sich der Patient für oder gegen die Behand- GRÜNEN) lung. Dann kann der Arzt noch einmal nachfragen, wenn er den Eindruck hat, dass dem Patienten möglicherweise (B) moderne oder zeitgemäße Behandlungsmethoden, zum (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Beispiel eine gute Schmerztherapie, nicht bekannt wa- Ich gebe dem Kollegen Markus Grübel, CDU/CSU- ren. Die Entscheidung des Patienten, sein aktueller Wille Fraktion, das Wort. ist selbstverständlich bindend. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei der Patientenverfügung sieht das anders aus: Dem Arzt liegt ein Schriftstück mit einer Unterschrift vor. Er Markus Grübel (CDU/CSU): kann nicht nachfragen. Der Patient kann seine Ausfüh- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rungen auch nicht mehr erläutern und interpretieren. Es Wir haben letzte Woche an dieser Stelle über bessere gibt in Deutschland rund 200 gängige Musterformulare Rahmenbedingungen für Schwerstkranke und Sterbende für Patientenverfügungen. Kein Arzt kann wirklich wis- gesprochen. sen, ob der Patient das richtige Formular beispielsweise aus dem Internet heruntergeladen hat oder eher zufällig (Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Einige waren unter www.patientenverfuegung.de eine Patientenverfü- nicht da!) gung erhalten und unterschrieben hat. Wir waren uns einig, dass aktive Sterbehilfe oder Ähnli- (Jörg Tauss [SPD]: Ein dünnes Argument!) ches keine Antwort einer menschlichen Gesellschaft auf die Frage von Leiden und Krankheit sein kann. Die Ant- Meine kurze Darstellung zeigt – das ist unstreitig –, wort darauf liegt vielmehr in der Palliativmedizin und dass der aktuelle und der voraus verfügte Wille eben Hospizarbeit, wobei eine gute Versorgung in der Fläche, nicht gleich sein müssen. Das, was ich vor einem Jahr, sowohl ambulant als auch stationär, notwendig ist. vor fünf Jahren, vor zehn Jahren oder vor fünfzehn Jah- ren festgelegt habe, ist möglicherweise etwas anderes als (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das, was ich aktuell will. Palliativmedizin und Hospizarbeit sind noch junge Teile (Jörg Tauss [SPD]: Mit dem Argument dürfte des Gesundheitswesens. In diesen Bereichen hat sich in ja nie ein Testament gelten!) Deutschland in den letzten Jahren sehr viel getan. Inso- fern war es richtig, die Diskussion über das Thema Pa- Herr Stünker, in dem von Ihnen unterstützten Gesetzent- tientenverfügung nicht zu früh zu führen. Wir hatten ver- wurf wird von einem sehr elitären Ansatz, von sehr gut einbart, das Thema erst nach der Sommerpause zu disku- informierten Menschen ausgegangen. Aber nur wenige tieren. Ihr Gesetzentwurf, Herr Stünker, wurde nach der Menschen verfügen über hervorragende medizinische ersten Debatte, die der Orientierung diente, nicht in der und rechtliche Kenntnisse und können so eine mögli- 18264 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Markus Grübel (A) cherweise eintretende Sterbesituation umfassend vorbe- es eine qualifizierte Patientenverfügung für diejenigen, (C) reiten. die sich sehr intensiv mit der Sache befasst haben, die sich medizinisch und rechtlich haben beraten lassen, de- (Zuruf von der SPD: Sind sie zu dumm?) ren Urheberschaft und Einwilligungsfähigkeit festge- – Sie sind nicht zu dumm. Aber viele Menschen trauen stellt wurde und deren Patientenverfügung nachweisbar sich nicht zu, eine Entscheidung zu treffen. regelmäßig aktualisiert wurde, sodass man weiß, dass sie weitgehend dem aktuellen Willen entspricht. Diese qua- (Joachim Stünker [SPD]: Dann lassen sie es! lifizierte Patientenverfügung wird für einen kleineren Dann machen sie keine! Es zwingt sie doch Teil der Menschen sein, für diejenigen, die sich mit der keiner!) Sache intensiv befassen und die Hürden überwinden Ich sehe ein weiteres Problem in Ihrem Gesetzent- wollen. wurf. Der Lebensschutz ist nicht ausreichend berück- In dem vorliegenden Gesetzentwurf und in den sichtigt. In der Verfassung gibt es das Gebot, für einen anderen Gesetzentwürfen, die wir alle kennen, manifes- schonenden Ausgleich zwischen den Werten Selbstbe- tieren sich Grundüberzeugungen. Ich selber trage den stimmung und Lebensschutz zu sorgen. Das ist Aufgabe Bosbach-Entwurf mit, weil eine Reichweitenbegrenzung des Gesetzgebers. meiner Grundüberzeugung entspricht. Aber genauso wie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- in vielen anderen ethischen Fragen müssen wir manch- neten der SPD) mal Kompromisse eingehen und die eigenen Grundüber- zeugungen mit denen der anderen in einen Ausgleich Wir bekommen einen solchen Ausgleich entweder über bringen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das be- eine Reichweitenbegrenzung – ich verweise auf die En- schriebene zweistufige Verfahren eine Mehrheit sowohl quete-Kommission und den Bosbach-Entwurf – oder in der Gesellschaft als auch hier im Hause findet, weil über starke Sicherungsmittel hin, dass Menschen nicht es beide Interessen abbildet und das Risiko minimiert, irrtümlich oder deshalb, weil sie nicht einwilligungsfä- dass Menschen versehentlich aufgrund einer radikalen hig waren, eine Patientenverfügung unterschreiben, die Patientenverfügung, die sie gar nicht wollten, nicht be- ihnen schadet. handelt werden und sterben, weil sie die Konsequenzen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nicht abgesehen haben. neten der SPD) Herzlichen Dank. Herr Stünker, ich sehe bei Ihrem Entwurf die Gefahr, dass ein Mensch irrtümlich eine Patientenverfügung un- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE (B) terschreibt und dass dann die Behandlung einer heilba- (D) ren Krankheit eingestellt wird. Ein falsches Kreuz bei ei- GRÜNEN) ner Multiple-Choice-Patientenverfügung, und schon ist es geschehen. Ein falscher Baustein aus einer Gruppe Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: von Bausteinen, und schon ist es geschehen. Das falsche Das Wort hat die Kollegin Dr. Lukrezia Jochimsen, Formular am Schriftenstand mitgenommen und unter- Fraktion Die Linke. schrieben, und schon ist es geschehen. Ich selber habe als Notar viele Beratungen, in denen es um Patientenver- (Beifall bei der LINKEN) fügungen ging, durchgeführt und war jedes Mal erstaunt, wie unterschiedlich der gleiche Satz von verschiedenen Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Menschen interpretiert wird. Daher sind Patientenverfü- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gungen ohne Reichweitenbegrenzung eine ganz scharfe Es geht in unserem Gesetzentwurf nicht um eine radikale Waffe, die der Mensch gegen sich selber richtet. Weiß Patientenverfügung. Die große Mehrheit der Bevölke- der Arzt, der Betreuer oder der Bevollmächtigte wirk- rung – alle Umfragen, die wir kennen, deuten darauf lich, ob der Wille geändert ist, ob der Betreffende einwil- hin – wünscht sich ein Rechtsinstitut der Patientenverfü- ligungsfähig war oder ob er die Sätze richtig verstanden gung, wie wir es jetzt diskutieren, schon seit langer Zeit. hat? Wer nicht mehr einwilligungsfähig ist, mit dem kann man keine Gespräche mehr führen und dem kann (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- man auch keine Rückfragen stellen. Das ist die Kritik an neten der SPD und der FDP – Julia Klöckner Ihrem Entwurf. [CDU/CSU]: Welche Umfragen?) Ich kann mir vorstellen, dass wir möglicherweise ei- Über ein Jahr ist es her, dass wir hier zum ersten Mal nen Kompromiss finden müssen, weil weder Ihr Gesetz- über die Patientenverfügung debattiert haben. Damals entwurf noch andere Gesetzentwürfe eine Mehrheit ha- habe ich gesagt: Es geht um eine Kernfrage der durch ben, weder hier im Haus noch in der Gesellschaft. Ich das Grundgesetz geschützten Würde und Freiheit des In- kann mir folgenden Kompromiss vorstellen: Es gibt eine dividuums und um das Recht auf Selbstbestimmung über einfache Patientenverfügung mit einer Reichweitenbe- den eigenen Körper. Deswegen ist es eine Aufgabe für schränkung, die ethisch weitgehend unproblematisch ist. uns alle, in unserem Land endlich die rechtliche Mög- Hier müssen wir keine hohen Hürden aufbauen, was Be- lichkeit dafür zu schaffen, selbstbestimmt sterben zu ratung, Aktualisierung sowie Überprüfung der Urheber- können. Ich habe versprochen, dass sich die Linksfrak- schaft und der Einwilligungsfähigkeit betrifft. Das ist tion aktiv an dieser zu leistenden gesetzgeberischen An- quasi eine Volkspatientenverfügung. Des Weiteren gibt strengung beteiligen wird. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008 18265

Dr. Lukrezia Jochimsen (A) Heute spreche ich hier für 24 Abgeordnete meiner Leichte Lösungen lassen sich in dieser Situation nicht (C) Fraktion, die den Gruppenantrag nach ausführlicher Dis- finden. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonfe- kussion des Für und Widers namentlich mit eingebracht renz und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen haben. 24 Abgeordnete entsprechen fast der Hälfte unse- Kirche haben uns in einem Brief auf Folgendes hinge- rer Fraktion. Das macht deutlich, dass es auch in unseren wiesen: Reihen andere Positionen gibt, auch noch die der Unent- schlossenheit. Es ist heute ja auch die erste Lesung zu In der Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes diesem Gesetz. ist der Mensch darauf angewiesen, dass andere Menschen sich seiner annehmen; das gilt gerade in Wir 24 aber sind uns einig, dass es höchste Zeit wird, Zeiten der Krankheit und Hinfälligkeit. das Rechtsinstitut Patientenverfügung rechtlich zu ver- ankern und zum Schutz der Betroffenen verfahrensrecht- Genau dies stellen wir in den Mittelpunkt unserer liche Regelungen zu treffen. Patientenverfügungen sind Überlegungen, wenn wir unter Punkt 2 der Begründung nichts Neues. Seit Jahren gibt es sie als grundsätzlich erklären: verbindliche Dokumente, in denen schriftlich festgelegt ist, welche Therapie sich der Verfügende wünscht und Da sich der nicht mehr einwilligungsfähige Patient welche er ausschließt. in der Regel nicht mehr äußern kann, ist ein Dialog Es wird geschätzt, dass mehr als 8 Millionen Bürger (Zuruf von der CDU/CSU) und Bürgerinnen – das wurde schon gesagt – diese Wil- lenserklärung bereits verfasst haben. Wie viele davon – hören Sie doch einmal zu – tatsächlich geachtet und wie viele missachtet werden, (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ich höre die ganze wissen wir nicht. Ein Blick in Zeitungen oder Fernseh- Zeit zu! Das ist ja das Schlimme!) dokumentationen lässt Schreckliches vermuten, und zwar weit über Einzelfälle hinaus. zwischen den an der Behandlung Beteiligten erfor- So wies die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung derlich, in dem über die Vornahme ärztlicher Maß- am 15. Juni dieses Jahres unter der Überschrift „Sterben nahmen entschieden wird. Dieser Prozess hat so verboten“ in einem Dossier auf den massenhaften Ein- weit wie möglich die Durchsetzung des zu einem satz von Magensonden hierzulande hin. Ich zitiere: früheren Zeitpunkt geäußerten Patientenwillens zu sichern. Gleichzeitig muss er die sich aus Artikel 2 Die Zwangsernährung Sterbender wird in Deutsch- Abs. 2 des Grundgesetzes ergebende Pflicht des land schleichend zum medizinischen Standard … Staates umsetzen, das Leben und die körperliche Etwa 140 000 Ernährungssonden werden jedes Jahr Unversehrtheit des Menschen zu schützen. Dies be- in Deutschland gelegt, zwei Drittel davon bei Be- (B) wohnern von Pflegeheimen. deutet keinen Widerspruch. Die staatlichen Ver- (D) pflichtungen richten sich nicht gegen den Men- Es geht also um fast 100 000 Fälle künstlicher Ernäh- schen und seine selbstbestimmte Entscheidung, rung in Pflegeheimen jedes Jahr. auch wenn diese sich gegen lebensverlängernde (Zuruf von der LINKEN: Ein Skandal!) oder gesundheitserhaltende Maßnahmen richtet. Vielmehr gewährleisten der Dialog zwischen den Wenn das so ist – niemand hat diese Angaben bisher de- an der Behandlung Beteiligten und im Konfliktfall mentiert oder auch nur berichtigt –, dann wäre es allein das vormundschaftsgerichtliche Verfahren, dass der schon wegen dieses Zustandes aus meiner Sicht wichtig, Patientenwille sorgfältig ermittelt wird. dass sich Menschen per Patientenverfügung wehren kön- nen und der Gesetzgeber sie endlich schützt. Dieser abwägende Dialog, an dem der Patient durch (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- seine Verfügung mitbeteiligt ist, soll durch das neue neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- Recht ermöglicht werden. Das ist im ureigensten Inte- SES 90/DIE GRÜNEN) resse der Kranken, aber auch der Ärzte, Betreuer und Angehörigen. Viel wird ihnen in den Situationen zwi- Von welchem Grundsatz lassen wir uns bei diesem schen Leben und Tod abverlangt. Da haben sie ihrerseits Gesetzentwurf leiten? Vom Grundsatz, dass der Mensch das Recht, sicher zu wissen, was ihre Patienten, ihre An- während seines gesamten Lebens Anspruch auf Achtung gehörigen wollen. seines Selbstbestimmungsrechts hat und dass dieses Selbstbestimmungsrecht nicht mit dem Verlust der Ein- willigungsfähigkeit endet, dass also Entscheidungen, die Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: im Zustand der Einwilligungsfähigkeit getroffen werden, Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der auch später für diejenigen bindend sind, die dann die Kollegin Eichhorn? Entscheidungen treffen müssen: Ärzte, Betreuer, Ange- hörige. Das ist eine schwere Aufgabe und eine schwie- rige Gratwanderung. Aber schwerste Krankheit, Sterben Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): und Tod stellen uns vor schwere Aufgaben und nötigen Ja, bitte. uns schwierige Gratwanderungen ab. Darüber können wir uns hier nicht einfach hinwegsetzen. Maria Eichhorn (CDU/CSU): (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Frau Kollegin, Sie haben gerade den Brief der Bi- neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- schöfe zitiert. Ich habe den Brief als Kritik an Ihrem Ge- SES 90/DIE GRÜNEN) setzentwurf verstanden. 18266 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Maria Eichhorn (A) (Zuruf von der CDU/CSU: So habe ich ihn herzkranke Frau ihre Medikamente nicht nimmt. Sie (C) auch gelesen! – Zuruf von der SPD: Ja, ist er würden doch nicht ernsthaft an eine Zwangsbehandlung auch!) denken. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie den Brief als (Markus Grübel [CDU/CSU]: Habe ich auch Unterstützung Ihrer Position verstehen? nicht gesagt!) In einer modernen Gesellschaft muss man es tolerie- Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): ren, dass sich Menschen in einer Weise verhalten, die Überhaupt nicht! Ich habe zitiert, ganz viele von uns als absolut unverantwortlich erach- (Markus Grübel [CDU/CSU]: Auszugsweise!) ten. Aber das ist so. Alles andere ist entweder eine sehr traditionelle Gesellschaft mit sehr festgefügten Normen, dass die Bischöfe uns gesagt haben: Menschen sind auf die gnadenlos durchgesetzt werden, oder letztendlich ein die Fürsorge anderer angewiesen. Anschließend habe ich Polizeistaat. unsere Begründung zitiert, die genau dieses bis in den Kern beschreibt. Es geht um einen Dialog. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der GRÜNEN]: Es zählt aber nicht die Begrün- FDP) dung, sondern der andere Teil eines Gesetzes!) Meine Damen und Herren, ein Arzt hat einmal zu mir Es geht um andere. Genau dieses habe ich beschrieben gesagt: Wo früher das Wohl des Patienten galt, gilt heute und aufgenommen. nur noch der Wille. Er sagte das, lieber Josef Winkler, mit dem Ausdruck resignativer Traurigkeit, weil er die (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Orientierung am Patientenwillen als Absage an die Ver- Über eine Tatsache wollen wir nicht hinwegtäuschen: antwortung des Arztes und an die Möglichkeiten der mo- Mit der rechtlichen Anerkennung von Patientenverfü- dernen Medizin begriff. gungen allein schaffen wir nicht humanere Bedingungen Tatsächlich hat sich die Kultur der medizinischen Be- für Sterben und Tod. Wir haben hierüber in der vergan- handlung in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren genen Wochen diskutiert; darauf ist mehrfach hingewie- und Jahrzehnten verändert. Hatten unsere Eltern viel- sen worden. Dafür ist eine neue Medizin und vor allem leicht noch zum Arzt gesagt: „Ja, wenn Sie meinen, Herr ein anderes gesellschaftliches Bewusstsein notwendig, Doktor“, so sagt der Mensch heutzutage: „Ich will wis- das Verantwortung und Fürsorge für Kranke und Ster- sen, welche Alternativen es gibt, Herr bzw. Frau Doktor, bende nicht ausblendet. Aber: Abbau von Ängsten und (B) und ich will mich für die Alternative entscheiden, die für (D) Unsicherheit – das kann dieses neue Recht schaffen, und mich richtig ist.“ Das ist mitnichten eine Absage an die das ist nicht wenig. Kompetenzen des Mediziners; im Gegenteil: Es macht Kürzlich hat der Vorstand der Deutsche-Hospiz-Stif- die Rolle des Arztes anspruchsvoller. Denn er oder sie tung Eugen Brysch das so formuliert: sollte Alternativen beschreiben können, und er oder sie sollte gesprächsfähig sein. In einer Situation, in der sich Wir erleben in der Praxis täglich, dass die Men- der Betroffene nicht mehr äußern kann, spielen diese schen, die bei uns Rat einholen, künstliche Ernäh- Anforderungen an die ärztliche Kunst eine wichtige rung kategorisch ablehnen. Dahinter steht die Angst Rolle; denn auch dann muss der Arzt Alternativen be- vor einem jahrelangen Dahinvegetieren, vor einem schreiben können, zum Beispiel ob Akutmedizin oder Leben ohne Lebensqualität, das nur durch die Ma- eine palliative Behandlung die Wahl ist, wie wichtig Le- gensonde aufrechterhalten wird. Dieser Angst gilt bensverlängerung sein könnte, was Lebensqualität heißt es zu begegnen. und wo ein möglicher Zielkonflikt zwischen den beiden Wohl wahr! Darum votieren wir 24 Abgeordnete der liegt. So schwierige Fragen können und sollen zwei le- Linksfraktion für diese Gesetzesänderung. bendige Menschen erörtern. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der Das kann der Arzt und die Ärztin und zum Beispiel SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE die mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattete Ehefrau GRÜNEN) sein. Die Entscheidung, die der Patient nicht mehr tref- fen kann, liegt dann bei ihr. Es ist eine eigene Entschei- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: dung von ihr, es ist nicht die des Betroffenen. Ich glaube, Ich gebe das Wort der Kollegin Birgitt Bender, Bünd- diese Möglichkeit will hier niemand abschaffen. Aber nis 90/Die Grünen. die andere Möglichkeit ist die eines Gesprächs zwischen Arzt und Betreuerin, die gemeinsam versuchen, eine Pa- tientenverfügung auf die gegebene Situation anzuwen- Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): den. Ich muss sagen: Ich verstehe die Kolleginnen und Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollegen nicht, die eine solche Vorabfestlegung und das Kollege Grübel, bei Ihren Ausführungen habe ich mich Gespräch darüber als etwas Obszönes zu brandmarken gefragt, ob Sie Ihre Idee, man müsse den Menschen im- versuchen. mer vor sich selber schützen, zu Ende gedacht haben. Ich frage Sie ganz ohne polemische Absicht, was Sie denn (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wer tut das wohl tun würden, wenn Sie feststellen, dass eine schwer denn?) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008 18267

Birgitt Bender (A) Das Argument, man könne nicht wissen, ob man in einer ren Seite haben viele Ärzte Angst vor rechtlichen Konse- (C) existenziellen Krise oder in der Situation des Sterbens quenzen, wenn sie auf bestimmte lebenserhaltende Maß- noch so denke wie zuvor, mag zutreffen. Ich habe zwar nahmen verzichten. Hier muss endlich Rechtssicherheit einiges für die These übrig, dass der Mensch so stirbt, geschaffen werden. wie er gelebt hat, das heißt, dass Grundhaltungen, die das Leben bestimmt haben, auch dann noch gelten, Die Debatte um Patientenverfügungen ist nicht ein- fach irgendeine politische Debatte. Es ist ein hoch emo- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tionales Thema, das grundlegende Fragen nach dem aber ich gestehe ihnen zu: Es ist ein Risiko. Wir haben Umgang mit Krankheit und Sterben aufwirft. Das sind aber Verfahrensweisen in dieser Gesellschaft, wie wir Fragen, die jeder hier im Hause auch für sich selbst nach Menschen beistehen, denen wir eine eigene Entschei- seinem eigenen Gewissen entscheiden muss. Ich finde, dung nicht zutrauen. Ich meine etwa Entscheidungen im dass Parteipolitik bei diesem Thema nichts verloren hat. Namen des Kindeswohls. Wenn Eltern überfordert sind, Deshalb wird der vorgelegte Entwurf auch von Parla- dann tritt das Gericht ein. Einem unmündigen Kind mu- mentariern aus verschiedenen politischen Lagern getra- ten wir keine existenzielle Entscheidung zu. Aber ein er- gen. Die Ernsthaftigkeit der Stammzelldebatte hat ge- wachsener sterbender Mensch ist kein Kind, und Patien- zeigt, dass es der Sache durchaus dienlich ist, wenn tenwohl kann nicht heißen, dass andere sagen, was für Parteipolitik in diesem Hause für kurze Zeit einmal diesen Menschen gut ist. keine Rolle spielt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE der LINKEN) GRÜNEN und der Abg. Sabine Leutheusser- Schnarrenberger [FDP] – Zuruf von der SPD: Vielmehr kann immer nur der eigene Wille maßgebend Das könnte auch mal längere Zeit sein!) sein, soweit er zuvor geäußert wurde. Alles andere würde bedeuten, dass die Begegnung auf Augenhöhe, Ich unterstütze den Stünker-Entwurf, weil er das die sich in der modernen Medizin herausgebildet hat, Selbstbestimmungsrecht des Menschen ins Zentrum wieder durch die überlegene Autorität des Halbgottes in stellt. Kann ein Patient sich nicht mehr äußern, muss der Weiß oder eventuell in Schwarz, wenn es um die Rich- in der Patientenverfügung festgelegte Wille gelten, und terrobe geht, ersetzt wird. zwar unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Wenn ich mich bei vollem Bewusstsein gegen eine Be- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: handlung entschließe – sei es medizinisch auch noch so (B) Frau Kollegin Bender, ich muss Sie an Ihre Zeit erin- unsinnig; die Kollegin Bender hat ein entsprechendes (D) nern. Beispiel gebracht –, darf mich auch heute niemand ge- gen meinen Willen behandeln. Dieses Recht auf Selbst- Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): bestimmung darf meiner Überzeugung nach nicht mit Ein abschließender Satz, Frau Präsidentin. – Wer eine dem Verlust der Äußerungsfähigkeit enden. Patientenverfügung aufsetzt, geht auch ein Risiko ein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Aber wir sollten der Anmaßung widerstehen, den Men- FDP sowie der Abg. Birgitt Bender [BÜND- schen vor solchen Risiken bewahren zu wollen. Ich NIS 90/DIE GRÜNEN]) finde, diese Entscheidnungsmöglichkeit gehört zu einer freiheitlichen Gesellschaft. Patientenverfügungen sind Vorausverfügungen; das (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ist bereits angeklungen. Natürlich ist eine Vorausverfü- SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und gung nicht mit einer aktuellen, bei vollem Bewusstsein der LINKEN) in der Arztpraxis oder im Krankenhaus getroffenen Ent- scheidung gleichzusetzen. Dieser Problematik trägt der vorliegende Entwurf jedoch ausreichend Rechnung. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Carola Denn entgegen vielfachen Behauptungen soll nicht Reimann, SPD-Fraktion. einfach das, was in der Patientenverfügung steht, ohne Prüfung übernommen werden. In der konkreten Erkran- (Beifall bei der SPD) kungssituation des Patienten müssen Arzt und Betreuer bzw. Bevollmächtigter feststellen, ob die Patientenverfü- Dr. Carola Reimann (SPD): gung, erstens, auf die aktuelle Lebenssituation und Be- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und handlungssituation zutrifft, ob sie, zweitens, für diese Herren! Ich freue mich, dass wir heute über die Patien- Situation eine Entscheidung über die anstehende ärztli- tenverfügung diskutieren. Das Thema bewegt viele che Maßnahme enthält und ob sie, drittens, noch dem ak- Menschen. In Gesprächen und in den durchweg gut be- tuellen Willen des Patienten entspricht. suchten Veranstaltungen zu diesem Thema ist das sehr deutlich zu spüren. So groß das Interesse ist, so groß ist Diese Hürden sind für mich entscheidend, denn sie aber auch die Verunsicherung vieler. Viele Menschen verlangen von den Verfassern von Patientenverfügun- fragen sich, ob ihre Ärzte ihre Patientenverfügung im gen, dass sie sich präzise schriftlich äußern und ihre Ver- Krankheitsfall wirklich befolgen werden. Auf der ande- fügung regelmäßig aktualisieren, wenn sie sicherstellen 18268 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Dr. Carola Reimann (A) wollen, dass ihre Verfügung von Arzt und Betreuer oder die dann möglichst bald zu der dringend erforderlichen (C) Bevollmächtigtem als auf die aktuelle Situation zutref- gesetzlichen Regelung führen soll. fend gewertet werden kann. Danke schön. Dies setzt meiner Meinung nach auch voraus, dass der Verfasser sich vorab umfassend informiert. Denn nur (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, dann ist er in der Lage, eine solche Verfügung überhaupt der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE entsprechend zu verfassen. Mir ist wichtig, dass diese GRÜNEN) Vorausverfügung eine informierte und reflektierte Ent- scheidung ist. Es ist eine sehr persönliche Entscheidung, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: die mit Multiple Choice nichts zu tun hat. Das Wort hat die Kollegin Sabine Leutheusser- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, Schnarrenberger, FDP-Fraktion. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der FDP) Bei einer Vorausverfügung stellt sich natürlich immer die Frage, inwiefern man jetzt über eine Extremsituation Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): in der Zukunft entscheiden kann, die man noch nie erlebt Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- hat. Wer kann garantieren, dass man in dieser Situation legen! Professor Borasio, Inhaber eines Stiftungslehr- nicht doch eine andere Einstellung zu lebenserhaltenden stuhls für Palliativmedizin am Klinikum Großhadern in Maßnahmen hat? – Das kann natürlich keiner. Aber soll München, gehört zu den Ärzten, die sich ausdrücklich man daraus schlussfolgern, dass es besser ist, andere für eine Regelung zur Verbindlichkeit einer Patienten- über das eigene Schicksal entscheiden zu lassen? – verfügung aussprechen. Im Kreise seiner Kolleginnen Nein! und Kollegen, sowohl in der Ärzteschaft als auch unter den Pflegekräften, wirbt er dafür, weil er in seiner Arbeit (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP auf der Palliativstation am Klinikum Großhadern täglich und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN so- erlebt, dass es ganz schwierige Situationen eines viel- wie der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE leicht würdelosen Siechtums geben kann, wenn zu ei- LINKE]) nem Zeitpunkt, zu dem man sich noch damit befassen kann, für die Situation der Entscheidungsunfähigkeit Natürlich kann ich mich vorab nur schwer in mögli- nicht Vorkehrungen getroffen worden sind und die ei- che Extremsituationen hineinversetzen. Man löst dieses gene Vorstellung zu diesem schwierigen Prozess eines Dilemma aber nicht auf, indem man diese Entscheidung (B) zeitlich nicht vorhersehbaren Siechtums nicht näher be- (D) einer zweiten Person, zum Beispiel dem Arzt, allein stimmt worden ist. überlässt. Auch mein Arzt kennt die Situation nicht, denn auch er oder sie hat sie nicht erlebt oder durchlebt. Professor Borasio sagt zu Recht: Im Moment, ohne Aber im Gegensatz zu meinem Arzt kenne ich beim Ver- ein Gesetz, ist die Rechtsunsicherheit riesengroß, vor al- fassen der Verfügung, die freiwillig ist, mich und meine lem bei den Menschen, die durch öffentliche Berichter- Einstellung zu Krankheitsbehandlung, Lebensverlänge- stattung, etwa in Form von Zeitungsberichten, aber auch rung und Lebenserhaltung sehr genau, und zwar besser im eigenen Umfeld immer stärker erleben, mit welch als jeder andere. großen Schwierigkeiten es verbunden sein kann, den (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Willen eines Menschen, der sich nicht mehr äußern LINKEN sowie der Abg. Birgitt Bender kann, in dieser schwierigen Phase durchzusetzen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Professor Borasio weiß, dass auch Ärzte in einer Aus diesem Grund ist es richtig, dass Patientenverfügun- schwierigen und unsicheren Lage sind. Sie können nicht gen als Ausdruck des freien Willens ohne Reichweiten- die gesamte BGH-Rechtsprechung in ihren Verästelun- beschränkungen, aber mit genauer individueller Prüfung gen kennen, was die Frage angeht, wie sich Ärzte zu ent- verbindlich sein sollen. scheiden haben. Wir diskutieren bereits seit Jahren über eine gesetzli- Von daher ist es in meinen Augen notwendig, dass wir che Regelung für Patientenverfügungen. Ich halte dies nach guter Orientierungsdebatte vor einiger Zeit jetzt in angesichts des sensiblen Themas auch für gerechtfertigt. Gesetzesberatungen eintreten. Dazu liegt ein Entwurf Allerdings sollten wir nun, nach erneuter monatelanger vor, der ganz konkrete Formulierungen zum Betreuungs- Verschiebung, langsam zum Ziel kommen. recht im Bürgerlichen Gesetzbuch enthält. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der der SPD, der LINKEN und des BÜNDNIS- Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]) SES 90/DIE GRÜNEN) Es gab genügend Zeit zur Positionierung. Neben dem Alle, die sagen, wir machten es uns zu einfach, sollten Stünker-Entwurf stehen noch einige andere Vorschläge zur Kenntnis nehmen: Unser Gesetzentwurf baut auf der im Raum. Ich hoffe sehr, dass die heutige Debatte Start- höchstrichterlichen Rechtsprechung der letzten Jahre punkt für eine zügige und abschließende Diskussion ist, auf. Das war unser Maßstab. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008 18269

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (A) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten zin sein. Es ist auch verständlich, warum zum Beispiel (C) der SPD, der LINKEN und des BÜNDNIS- eine Frau in ihre Patientenverfügung schrieb – ich zitiere –: SES 90/DIE GRÜNEN) „Ich möchte nie an Schläuchen liegen und nie eine PEG- Sonde bekommen.“ Ich hielt diese Patientenverfügung Wir alle haben aber nicht jeden Tag das Grundgesetz einer 70-jährigen Frau in meiner Sprechstunde in den oder diese Rechtsprechung unter dem Arm. Wir können Händen. Sie sagte noch einmal zu mir: „Ich will nicht auch nicht erwarten, dass alle anderen diese Vorschriften auf einer Intensivstation an diesen piependen Apparaten kennen. Deshalb müssen wir Regelungen schaffen. mit diesen ganzen Schläuchen liegen. Ich möchte auch In § 1901 a BGB – das steht in Art. 1 des Gesetzent- nicht künstlich durch eine PEG-Sonde ernährt werden wurfs – regeln wir in sorgfältiger Form, dass die Patien- müssen, sondern sterben können.“ Man kann mitfühlen, tenverfügung eine sicherere Grundlage – im Hinblick wovor sich diese Dame fürchtete, welche Angst und auf Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit bekommt. welche Sorgen sie hatte. Wir haben es uns nicht leicht gemacht und nicht mal Sie betonte in diesem Gespräch auch noch einmal: eben so eine einfache Regelung hingeschrieben, sondern „Frau Klöckner, ich lege Wert darauf, dass mein Wille wir machen ganz deutlich, welche Aufgabe der Betreuer umgesetzt wird, der dort drinsteht.“ Das war, liebe Kol- oder der Bevollmächtigte – wir nennen beide – hat. leginnen und Kollegen, bevor sie erfuhr, dass man auch Denn wir wissen: Eine Patientenverfügung kann noch so bei einer einfachen Blinddarmoperation an Schläuchen sorgfältig überlegt sein – es können Situationen eintre- liegt. Das war, bevor sie erfuhr, dass eine PEG-Sonde ten, die davon nicht erfasst sind; es ist auch möglich, auch vorübergehend gelegt werden kann, um notwen- dass man keine klare Meinung herauslesen kann. Genau dige Arzneien besser verabreichen zu können. da liegt die Aufgabe des Betreuers. Er sieht, wo die Ver- Die Dame hat diese Patientenverfügung zerrissen, fügung nicht greift. Wir legen hiermit fest: Wenn die Vo- weil, wie sie selber sagte, sie fürchtete, dass ihr eigenes raussetzungen, die wir benennen, nicht vorliegen, muss schriftliches Wort lebensbedrohlich sein könnte. der Wille durch den Betreuer oder durch andere ermittelt werden. (Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut!) Das ist ein ganz großer, ein ganz wichtiger Schritt. Er Sollte der Stünker-Entwurf Gesetz werden, sollte der wird erwartet. Große Teile der Bevölkerung hoffen da- schriftliche Wille des Patienten grundsätzlich unter allen rauf, dass wir uns dieser Erwartungshaltung mutig stel- Umständen gelten, sollte dieser niedergeschriebene len. Deshalb unterstützen wir, die große Mehrheit der Wille unabhängig von Art, Umfang und Stadium der Er- FDP-Fraktion, den Entwurf und freuen uns auf konstruk- krankung Wirkung erhalten, dann wäre diese Dame, tive Beratungen nach der Sommerpause. hätte sie an Schläuchen liegen müssen, hätte sie eine (D) (B) PEG-Sonde erhalten müssen Vielen Dank. (Dirk Manzewski [SPD]: Ist doch Quatsch! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Sie hat das Ding doch zerrissen!) der SPD, der LINKEN und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) und wäre sie nicht mehr ansprechbar gewesen, vielleicht schon tot. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Das ist Nächste Rednerin ist die Kollegin Julia Klöckner, doch eine Karikatur, was Sie da darstellen!) CDU/CSU-Fraktion. Solche Irrtümer möchten wir verhindern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Julia Klöckner (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist der Grund der heutigen Auseinandersetzung? Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Dass wir alle sterben müssen? Wohl kaum; denn keiner Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der von uns wird so vermessen sein, zu meinen, das verhin- Kollegin Jochimsen? dern zu können. Es geht aber darum, wie wir sterben werden. Julia Klöckner (CDU/CSU): Nein, sie war ja eben dran, und ich möchte gerne wei- Vorab: Eines ist ganz klar, nämlich dass wir nicht alle termachen. möglichen Eventualitäten des Lebens und Sterbens in ein Gesetz fassen können. Machen wir uns auch nichts (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Zur vor: Den Tod können wir überhaupt nicht regeln. Das zerrissenen Patientenverfügung hätte ich den Bürgerinnen und Bürgern zu versprechen, wäre si- schon gern eine Frage gestellt!) cherlich nicht lauter. – Ich gehe aber gerne auf den Zwischenruf ein: Sie hat (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sie deshalb zerrissen, weil wir darüber gesprochen hatten NEN]: Macht auch keiner!) und sie auch mit ihrem Hausarzt darüber gesprochen hatte. Klar ist: Leiden will keiner am Lebensende und auch nicht Opfer einer nicht enden wollenden Apparatemedi- (Joachim Stünker [SPD]: Das ist es doch!) 18270 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Julia Klöckner (A) Hätte diese Dame aber nicht den Weg in die Sprech- Julia Klöckner (CDU/CSU): (C) stunde gefunden und nicht daraufhin mit einem Arzt ge- Lieber Herr Stünker, Sie dürfen. sprochen, sondern diese Patientenverfügung als solche bei sich gehabt, dann wäre ihr genau dieser gerade be- Joachim Stünker (SPD): schriebene Irrtum unterlaufen. Das ist kein Irrtum, den Liebe Frau Kollegin Klöckner, ich glaube, wir sollten man einfach vom Tisch wischen kann, sondern ein sol- dieses Thema weiter sachlich behandeln. cher Irrtum kann tödlich sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD, der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich eine solche Äußerung, wo immer sie gestanden haben mag Bedenke das Ende und auch, was ein Gesetz im und wer das auch geschrieben haben mag, nie gemacht schlimmsten Falle anrichten kann. Allein was im Gesetz habe? Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! steht, ist nämlich entscheidend, und nicht, was darüber Schönes gesagt worden ist. Julia Klöckner (CDU/CSU): Zurück zu meiner eben erwähnten Dame: Wenn sie Wenn Sie das so sagen, dann wird das wohl stimmen. bei Bewusstsein ist, kann sie mit dem Arzt reden und sich beraten und auch aufklären lassen. Joachim Stünker (SPD): Allein der Wortgebrauch, Frau Kollegin, wäre nicht Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: mein Niveau. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Danke schön. Kollegin Schieder? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Julia Klöckner (CDU/CSU): des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nein, ich würde jetzt gerne meine Rede zu Ende brin- gen. Julia Klöckner (CDU/CSU): Lieber Herr Stünker, eine Vertreterin Ihres Gesetzent- (Dirk Manzewski [SPD]: Sie hat aber noch wurfs hat eben gesagt: Es ist ein Lebensrisiko, es kann nicht geredet!) passieren, und dann soll man das auch hinnehmen. Das geht etwa in die gleiche Richtung. (B) Deshalb halte ich es für ziemlich haarig, unberaten ei- (D) nen vermeintlichen Willen zum Lebensabbruch durchzu- (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) setzen – den Willen eines Patienten, der gar nicht wusste, was in einer bestimmten Krankheitssituation Wenn Sie behaupten, Sie hätten das nicht gesagt, dann wirklich Sache ist. nehme ich das zurück. Ich verweise nur darauf, dass es im Internet so steht. Wir können uns nachher gern noch Herr Stünker sagte einmal – ich habe das dem Presse- einmal darüber unterhalten. spiegel entnommen –, wenn das so ist, dann habe der Pa- tient eben Pech gehabt. Herr Stünker, ein zentraler Konstruktionsfehler und meiner Meinung nach der ethische Schwachpunkt in die- (Joachim Stünker [SPD]: Nein!) sem Gesetzentwurf ist, dass eine Patientenverfügung, die auf Behandlungsabbruch zielt, unabhängig von Art und Pech zu haben – – Stadium der Erkrankung verbindlich sein soll. Damit (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wird der Bereich erlaubter Sterbehilfe überschritten. NEN]: Das ist doch unglaublich, was Sie da Wenn es auf die Art und das Stadium einer Erkrankung erzählen!) gar nicht mehr ankommt, dann ist das meiner Meinung nach der Grund, warum wir einen anderen Gesetzent- – Ich zitiere ja nur das, was im Internet gestanden hat. wurf und einen neuen Kompromiss brauchen. Wenn er es nicht so gesagt hat – – Wir möchten die Sterbehilfe auf Sterbende beschrän- (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ken. Die meisten von uns denken bei Sterbehilfe eigent- NEN]: Woher zitieren Sie denn?) lich an unheilbar Krebskranke, an hochbetagte Men- schen, denen unnötige Operationen erspart werden – Ich habe es aus dem Internet herausgeholt. Wenn Sie sollen. Wenn die Patientenverfügung über Sterbehilfe- nach den Begriffen „Stünker“ und „Pech“ googeln, dann situationen hinaus dazu dienen soll, jederzeit den eige- finden Sie das. nen Tod anordnen zu können, (Joachim Stünker [SPD]: Woher haben Sie das (Widerspruch bei der SPD) wirklich?) dann kommt das der verbotenen aktiven Sterbehilfe und Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: auch dem Töten auf Verlangen bedenklich nahe. Frau Kollegin Klöckner, jetzt würde der Herr Kollege Vertreter dieses Gesetzentwurfes haben gesagt, dass Stünker gerne eine Zwischenfrage stellen. natürlich kein dummes Zeug, das in einer solchen Pa- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008 18271

Julia Klöckner (A) tientenverfügung steht, umgesetzt werden soll. Aber wer wenn er nicht künstlich ernährt werden will. Dafür (C) bestimmt denn, was dummes Zeug ist und was nicht? braucht es in erster Linie den Blick, das Hinsehen, in zweiter Linie vielleicht eine Patientenverfügung. Wir schulden meiner Meinung nach den Betroffenen, den Betreuern, den Angehörigen und den Ärzten – auch Können wir wirklich sagen, dass all das, wovor diese Sie sagen dies – Rechtsklarheit über die Wirkung einer Menschen Angst haben, mit dem Gesetzentwurf über die gültigen Patientenverfügung. Eine gesetzliche Regelung Patientenverfügung, der heute hier vorliegt, anders wird? sollte sicherstellen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gestärkt wird, aber ohne dass bei der Umset- (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Sagen zung einer Verfügung das Wohl der Patienten völlig be- wir doch gar nicht!) langlos wird. Insofern halten wir es auch für unverständ- Helfen Paragrafen, einige Blätter Papier, das zu definie- lich oder nicht nachvollziehbar, dass zum Beispiel im ren, was hier Selbstbestimmung genannt wird? Nach un- Stünker-Entwurf die Angehörigen keine Rolle spielen, serer letzten Debatte hier im Plenum haben viele Kolle- dass sie nicht automatisch gehört werden sollen. ginnen und Kollegen sehr zweifelnd gefragt: Was (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- können wir an dieser Stelle eigentlich überhaupt regeln? NEN]: Das stimmt überhaupt nicht! – Jerzy Auch mich hat diese Frage sehr umgetrieben. Sterben ist Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das eben kein Wenn-dann-Schema. Irgendetwas ankreuzen, Gegenteil steht im Gesetzentwurf!) was dann Sicherheit, ja Rechtssicherheit versprechen soll, Planbarkeit suggeriert, die niemals zu erlangen ist – Das Problem beim Stünker-Entwurf ist: Im Begrün- wird das dem Sterben gerecht? dungsteil ist vieles sehr sensibel formuliert; aber letztlich gilt das, was im Gesetz steht. Das Gesetz ist das Ent- Nein, es geht nicht darum, Menschen vor sich selbst scheidende und nicht das, was in der Begründung steht zu schützen. Das würde meinem Begriff, meiner Vorstel- oder was Sie über Ihr Gesetz sagen. lung von Freiheit völlig widersprechen. (Dirk Manzewski [SPD]: Gesetze haben ausgelegt (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zu werden! Der Wille ist entscheidend!) NEN]: Na endlich sagt das mal einer!) Es geht darum, zu Selbstbestimmung zu verhelfen, auch Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: wenn man dieser Selbstbestimmung in diesem Augen- Frau Kollegin Klöckner, ich muss Sie an Ihre Rede- blick selbst keinen Ausdruck geben kann. zeit erinnern. Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (B) Julia Klöckner (CDU/CSU): neten der SPD und der FDP) (D) Wir sind der Meinung, dass wir beides im Blick ha- Selbstbestimmung bedeutet immer auch Selbstver- ben sollten: Selbstbestimmung, aber auch die Schutz- fügbarkeit. Ehrlich gesagt: Die Vorstellung, ich müsste funktion des Staates. Das sind Mindeststandards einer mich im Leben immer an das halten, was ich einmal für humanen Gesellschaft. Leben braucht Liebe, und auch mich beschlossen habe, erschreckt mich schon morgens Sterben braucht Liebe und deshalb eine menschenwür- beim Aufstehen. dige Begleitung. Dazu kann es keine Alternative geben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Besten Dank. neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) der SPD und der LINKEN – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss doch auch niemand!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich gebe das Wort der Kollegin Katrin Göring- Etwas Neues, etwas anderes zu denken, ein unge- Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen. kanntes Gefühl plötzlich und ganz ohne Erwartung – all das sind doch Dinge, die wir im Alltag normal, sogar Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- spannend und wünschenswert finden. Und trotzdem: Es NEN): bleibt die sehr verständliche Angst, ausgeliefert zu sein. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie entsteht die Sicherheit, dass mit mir nicht ge- „Verurteilt zum Leben“ und „Sterben verboten“ sind die schieht, was ich ganz bestimmt nicht wollte und auch Überschriften dieser Tage. Wahrscheinlich sind es nicht nicht wollen würde? Ich bin überzeugt, diese Sicherheit umsonst zwei juristische Begriffe. Man hat in Deutsch- entsteht auch mit Patientenverfügungen, aber vor allem land heute keine Angst vor dem Tod. Man hat Angst vor mit dem Gespräch, mit dem Eingebettetsein in die Men- dem Sterben – es ist darüber gesprochen worden –; man schen und in die Vorgänge, die im Leben eine Rolle ge- hat Angst vor würdelosem Sterben, vor Schläuchen, spielt haben. Dieses sollten wir nicht ausschließen, liebe Neonlicht, Beatmungsmaschinen und ganz besonders Kolleginnen und Kollegen, vor künstlicher Ernährung. Es ist die Angst, ohne eine Hand zu sein, ohne den Blick, der den Menschen wirk- (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lich meint, der fragt: Was will er oder sie tatsächlich? NEN]: Tun wir auch nicht! – Birgitt Bender Die zusammengekniffenen Lippen sind wahrscheinlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will doch das allerbeste Zeichen für das, was jemand möchte, auch niemand!) 18272 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Katrin Göring-Eckardt (A) sondern fördern, indem wir die Vertrauensperson stär- (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie (C) ken. Dieser Vertrag, um den es hier geht, ist kein Vertrag, bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE der widerrufbar ist. GRÜNEN)

(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Frau Göring-Eckardt, ich meine, Sie haben eine sehr NEN]: Natürlich ist er das! Aber selbstver- zutreffende Definition des Begriffes „Selbstbestim- ständlich!) mung“ vorgenommen. Allerdings glaube ich, dass Sie Genau deswegen geht es eben nicht um Paternalismus. diese mit Ihrer letzten Bemerkung gleich wieder zerstört Dieser Vertrag ist einer, bei dem das Kleingedruckte erst haben. Denn es geht hier nicht darum, dass irgendje- danach entsteht. mand gezwungen werden soll, irgendetwas anzukreuzen, dass irgendjemand getrieben wird, irgendetwas zu ma- (Joachim Stünker [SPD]: Es gibt kein Kleinge- chen. drucktes!) (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Die Frage danach, ob man jemandem zur Last fällt, bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE wird viele Menschen, die Patientenverfügungen schrei- GRÜNEN) ben, umtreiben und treibt sie schon heute um. Nein, es muss niemand eine Patientenverfügung unterschreiben; Das ist absolut nicht der Fall. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der Ich definiere allerdings Selbstbestimmung so – ich SPD und der LINKEN) glaube, das ist die zutreffende Definition –: Für denjeni- gen, der, ohne von irgendjemandem dazu gezwungen aber auch wenn dies niemand muss, fühlen sich heute worden zu sein, beschreiben will, wie er sich sein Leben viele dazu getrieben, gezwungen oder zumindest impli- am Lebensende vorstellt, muss ich gesicherte Rahmen- zit aufgefordert. bedingungen schaffen, damit er dies kann, und ich muss gewährleisten, dass dieser Wille auch eingehalten wird. (Widerspruch bei der SPD) Ich finde, das sollten wir berücksichtigen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin, auch Sie muss ich an die Zeit erinnern. Das ist Selbstbestimmung, und dafür treten wir in dieser (B) Auseinandersetzung ein. (D) Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist aber nur Ihre Definition!) Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Ich will an dieser Stelle sagen: Nein, es geht nicht darum, jeman- – Lesen Sie einmal alle Entscheidungen des Bundesver- den vor sich selbst zu bewahren. Es geht nicht darum, fassungsgerichts zu Art. 2 nach! Lesen Sie einmal alle liebe Birgitt Bender, die Freiheit einzuschränken, son- Urteile des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in dern es geht darum, die Freiheit auch in dem Augenblick diesem Zusammenhang nach! Dann bekommen Sie viel- zu bewahren, in dem ich ihr nicht mehr selber mit den ei- leicht einen anderen Eindruck. genen und normalen Mitteln zum Ausdruck verhelfen kann. Um diese Freiheit und um diese Art von Empathie Ich will auch zur Frage der Notwendigkeit einer Re- in unserer Gesellschaft geht es. gelung etwas sagen. Nach meiner Wahrnehmung gibt es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keinen anderen Bereich oder nur sehr wenige Bereiche, und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordne- in denen aus der Mitte der Gesellschaft Ansprüche an ten der SPD und der LINKEN) den Gesetzgeber so gestellt worden sind wie zur Rege- lung dieses Sachverhalts. Wir tun gut daran, dies zur Kenntnis zu nehmen und hier eine Regelung zu schaffen, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: die transparent und nachvollziehbar ist und die letztend- Ich gebe das Wort dem Kollegen Christoph Strässer, lich die Rechtssicherheit schafft, die wir in diesen Fra- SPD-Fraktion. gen brauchen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Christoph Strässer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wehre mich ganz massiv dagegen, dass hier so ge- Ich glaube, wir sind nach drei, vier, fünf Jahren sehr in- tan wird, als bestehe ein Gegensatz zwischen der gesetz- tensiver Diskussion zu diesem Thema in einem Stadium lichen Regelung einer Verfügung eines einzelnen Men- der Gesetzesberatung, das viele Beiträge, die ich heute schen einerseits und der Betreuung sowie der hier gehört habe, nicht angemessen erscheinen lässt. Das Verbesserung der Palliativmedizin andererseits. Das ist möchte ich vorab sagen. genau nicht der Fall. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008 18273

Christoph Strässer (A) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Das Betreuungsrecht ist das maßgebliche Recht, (C) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. wenn es um die Regelung geht, was ein Betreuer oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]) ein Bevollmächtigter in einer solchen Situation tun darf bzw. tun muss. Damit komme ich noch einmal auf das Wir wollen Klarheit schaffen. Deutschland – das war in Selbstbestimmungsrecht zurück. den letzten Jahren immer wieder ein Thema – liegt an letzter Stelle, was den Bereich Palliativmedizin angeht. (Abg. Dr. Stephan Eisel [CDU/CSU] meldet Wir haben Nachholbedarf bei den Hospizbewegungen. sich zu einer Zwischenfrage) Für die Ärzte, für die Pflegerinnen und Pfleger und für – Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu. – Was all die Menschen, die tagtäglich mit dem Sterben zu tun von den beiden großen Kirchen formuliert worden ist, ist haben und die Angst haben, zu handeln, weil sie nach ih- aus meiner Sicht eine Fehlinterpretation. Wir sagen rer Meinung mit einem Bein im Gefängnis stehen, wol- nicht, dass es nur um das Selbstbestimmungsrecht geht. len wir Rechtssicherheit schaffen. Sie sollen keine Sorge Wir sind allerdings der Meinung, dass das Selbstbestim- um ihre persönliche Integrität haben und nicht Handlun- mungsrecht die zentrale Auslegungsrichtlinie für die Er- gen durchführen müssen, die ihnen zum Nachteil gerei- forschung des Willens eines Patienten ist. Es ist nicht das chen. Genau das wollen wir. einzige, aber das wesentliche Instrument, mit dem der Wille des Patienten erforscht werden kann, damit der (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Arzt oder der Betreuer zu einer entsprechenden Ent- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. scheidung kommen kann. Ich glaube, das ist eine zumut- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]) bare Entscheidung – auch unter ethischen Aspekten. Die zentrale Frage, um die es geht, ist: Was darf und Ich hoffe – ich wäre sehr froh darüber –, dass wir in muss in einer Patientenverfügung verbindlich für den dieser Diskussion in Zusammenarbeit mit Sachverstän- Fall geregelt werden, dass ein Patient entscheidungsun- digen zu einer verantwortbaren Entscheidung kommen, fähig wird? Wir haben hier schon Beispiele gehört, die die letztendlich das Leben des Menschen in den Mittel- aus meiner Sicht sehr klar sind. Wenn jemand, der ent- punkt stellt. Denn in Deutschland ist Folgendes noch un- scheidungsfähig ist, formuliert, dass er keine lebenser- terentwickelt: Der Tod und das Sterben sind Bestandteile haltenden Maßnahmen will, dann ist jeder Eingriff, den des Lebens. Jeder Mensch hat letztendlich darüber zu der Arzt vornimmt, eine Körperverletzung. Ich kann entscheiden, wie er dies gestalten will. Dafür sollten wir nicht akzeptieren – damit komme ich auf mein Verständ- eine vernünftige Regelung finden, und das ist im Mo- nis des Begriffes „Selbstbestimmung“ zurück; ich ment der Stünker-Entwurf. (B) glaube, das ist das vorherrschende Verständnis –, dass Herzlichen Dank. (D) diesem Patienten gesagt wird, dass der in einer bestimm- ten Situation von ihm geäußerte und schriftlich niederge- (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie legte Wille in dem Augenblick endet, in dem er nicht bei Abgeordneten der FDP und des BÜND- mehr entscheidungsfähig ist. Das ist nach meiner Mei- NISSES 90/DIE GRÜNEN) nung das Ende der Selbstbestimmung eines Patienten, was die Regelung eines ganz konkreten Sachverhaltes Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: angeht. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Dr. Hans Georg Faust, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. (Beifall bei der CDU/CSU) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]) Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Ich will noch auf einen Punkt eingehen, den man Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rechtlich vielleicht schärfer formulieren müsste. Es ist Die Diskussion über eine Patientenverfügung macht der mutmaßliche Wille angesprochen worden, der zu er- deutlich, dass wir uns an der Grenze dessen befinden, mitteln ist. Es ist zum Teil gesagt worden – das halte ich was gesetzlich normierbar ist. Deshalb muss man in ei- auch rechtlich für falsch –, wir können es deshalb nicht ner gesetzlichen Regelung behutsam vorgehen. Sie muss schärfer formulieren, weil der Wille des Betreuers im der Vielfalt der Situationen am Ende des Lebens Rech- Zentrum steht. Nein, es geht darum – das gilt schon seit nung tragen, und man muss sich in ihr klar zu dem mehr als 120 Jahren; überall wird es praktiziert –, den Grundsatz bekennen, dass jedes Leben seinen Wert hat. Willen des Betreuten zu ermitteln. Die Förderung der Hospizbewegungen und der Palliativ- medizin ist Ausdruck dieser Erkenntnis. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- Im Ringen um eine gesetzliche Regelung müssen wir geordneten der FDP und der Abg. Julia den Patientenwillen, Fürsorge und Schutz sorgsam aus- Klöckner [CDU/CSU]) tarieren. Für die Vielfalt der Lebens- und Sterbensfor- men – das ist ungleich schwieriger – müssen wir dann Es geht nicht um den Willen des Betreuers oder des Be- ein verantwortungsvolles Vorgehen zulassen. Sterben ist vollmächtigten, sondern um den Willen desjenigen, der eben, wie der Präsident der Bundesärztekammer, Profes- sich nicht mehr äußern kann. sor Hoppe, sagt, nicht normierbar. 18274 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Juni 2008

Dr. Hans Georg Faust (A) Ich bin dem Kollegen Stünker und den anderen Auto- möchte nie an Schläuchen hängen“ wird hier sicher nicht (C) ren des vorgelegten Gesetzentwurfes dankbar – dankbar genügen können. dafür, dass sie Stellung bezogen haben. Ich begegne die- ser Position mit Respekt und begrüße ausdrücklich, dass (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sie, wie dies auch in allen anderen Entwürfen aus diesem NEN]: Richtig!) Hause, die ich kenne, der Fall ist, die aktive Sterbehilfe ablehnen. Dennoch scheint der Wille des Patienten, bei zunehmend geringeren Überlebenschancen diese Behandlung nicht Dennoch scheint mir der Ansatz dieses Gesetzent- mehr erfahren zu müssen, so verständlich zu sein, dass wurfs nicht tragfähig zu sein; denn er berücksichtigt man auch als Arzt an eine Umsetzung denken muss. nicht die Vielfalt der individuellen Situationen am Le- bensende. Jedes Leben ist einzigartig – vom Anfang bis Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden diese zum Ende. Das bedeutet, dass auch jeder Krankheitsver- Fragen lösen müssen. Wir werden auch tagtäglich auftre- lauf individuell ist ebenso wie die persönliche Einstel- tende Fragen, wie zum Beispiel die Entscheidung, ob lung und das persönliche Empfinden. eine PEG-Sonde bei einem nichteinwilligungsfähigen, dementen Patienten gelegt wird oder nicht, regeln müs- Gerade für den nichteinwilligungsfähigen Patienten sen; denn mit dem Legen einer PEG-Sonde nimmt die muss eine Lösung geschaffen werden, die das Arzt-Pa- Krankheit eines Menschen schlagartig einen ganz ande- tienten-Verhältnis in seinem Wert belässt, eine Lösung, ren, verlängerten und manchmal sehr unwürdigen Ver- die die Vertrauensperson des Patienten und, wenn es lauf. nicht anders geht, auch das Vormundschaftsgericht mit einbezieht. Ich gehe davon aus, dass wir im Verlauf des Gesetz- gebungsverfahrens zu einer von der Gesellschaft akzep- (Beifall der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU]) tierten Lösung kommen werden. Eine Frage, die in je- dem Fall geklärt werden muss, ist die nach der Rolle des Dieser Individualität wird der heute debattierte Entwurf Vormundschaftsgerichtes und den Voraussetzungen, un- nicht gerecht. Die einseitige Konzentration auf das vorab ter denen es angerufen werden kann. Ich bin der Auffas- Verfügte lässt keinen ausreichenden Raum für alle Betei- sung, dass das Vormundschaftsgericht nur dann, wenn ligten, individuell, sorgfältig und fürsorglich den aktuel- Arzt und Betreuer oder Bevollmächtigter unterschiedli- len Willen des einwilligungsunfähigen Patienten zu er- cher Auffassung sind, den Inhalt der Patientenverfügung mitteln und entsprechend zu handeln. klären und festlegen sollte, ob eine Behandlung durchzu- führen oder abzubrechen ist. (B) Ich betone: Wichtig ist in diesem Zusammenhang, (D) dass durch eine Patientenverfügung kein Automatismus (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und in Gang gesetzt wird. der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das bei uns geregelt!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der LINKEN und des BÜNDNIS- Erst die moderne Medizin hat uns die Möglichkeit ge- SES 90/DIE GRÜNEN – Christoph Strässer geben, auch im hohen Alter oder bei schweren Erkran- [SPD]: Das sagen wir auch!) kungen Leben zu erhalten. Diese Fähigkeit kann dazu Jeder Einzelfall muss individuell und gründlich bewertet führen, dass das Sterben nicht mehr als ein natürlicher und auch der Stand des medizinisch-technischen Fort- Prozess, sondern als eine Kette von Entscheidungen über schritts muss berücksichtigt werden. Ärzte, Betreuer die Beendigung von lebensverlängernden medizinischen oder Bevollmächtigte müssen sich mit jeder einzelnen Maßnahmen bis hin zum Verzicht auf solche Maßnah- Patientenverfügung intensiv auseinandersetzen. Sie alle men empfunden wird. Es ist uns aber gegeben, durch ei- haben die Pflicht, beim Entscheidungsunfähigen sorgfäl- nen klugen gesetzlichen Rahmen und individuelle, von tig zu ermitteln, ob der in der Patientenverfügung geäu- mitmenschlicher Verantwortung geprägter Sorge einem ßerte Wille mit der aktuellen Gesamtsituation überein- vorab verfügten Willen am Lebensende die Geltung und stimmt. Umsetzung zu verschaffen, die sich der Verfasser ge- wünscht hat. Nehmen wir einen Patienten auf der Intensivstation, der nach einem Unfall bewusstlos ist und aufgrund eines (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Schockzustandes sowohl ein Lungen- wie auch ein Nie- neten der SPD, der FDP, der LINKEN und des renversagen hat. Er wird beatmet und mit der künstli- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) chen Niere behandelt. Dies ist eine lebensbedrohliche, aber nicht unumkehrbar zum Tode führende Situation. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Jede weitere hinzutretende Komplikation, wie zum Bei- Ich schließe die Aussprache. spiel ein Versagen des Gerinnungssystems, mindert die Überlebenschancen dieses Patienten. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- wurfs auf Drucksache 16/8442 an die in der Tagesord- Wie konkret muss die Situation beschrieben sein, da- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es mit der Wille des Patienten zum Abbruch der Intensivbe- dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. handlung umgesetzt wird? Die kurze Formulierung „Ich Dann ist die Überweisung so beschlossen.