politischen Gegners waren es noch viel mehr. So wurde Lennon schon bald nach seiner Übersiedlung nach New York 1971 von der US-Bundespolizei FBI überwacht; FBI-Chef J. Edgar Hoover persönlich schrieb ans Weiße Haus, ein „früheres Mit- glied der Gesangsgruppe Beatles“ fördere ultralinke Gegner der Republikaner. Vor allem Lennons Unterstützung radi- kaler Vietnamkriegsgegner erzürnte Hoo- ver, aber auch, wie das FBI streng ver- merkte, dass „das Subjekt“ ein „starker Rauschgiftkonsument“ sei. Hoovers Agen- ten folgten dem Popstar und seiner Frau in irische Bars und zu Konzer-

G. LARRAIN / CONTACT / AGENTUR FOCUS / AGENTUR / CONTACT G. LARRAIN ten, schrieben neue Songtexte mit und re- Mutmaßlicher IRA-Unterstützer Lennon (1971 mit Yoko Ono): „Die Regierung ist mir egal“ cherchierten sogar, dass ein Lennon-Ge- fährte Diskussionen mit dem Ausruf „Right faschistisch oder kommunistisch ist“), sei- on“ zu unterbrechen pflegte. Der Gefähr- IDOLE ne Neigung zu symbolischen Aktionen te war ein Papagei. („Bed-In“) war berüchtigt. Hinzu kam ein Zu den Zielen des übereifrigen Staats- Bomben statt politisches Klima, das überall in der west- schützers Hoover zählte die Wiederwahl lichen Welt die Staatsmächte in die Para- von US-Präsident 1972 (er- noia trieb. folgreich) sowie Lennons Ausweisung aus Blumen Kein Wunder: In Deutschland spendete den USA (gescheitert). Und noch eine Nie- Anfang der siebziger Jahre der gelernte derlage mussten die geheimniskräme- Geheimdienst-Posse um einen Bankkaufmann Tom Koenigs, später Grü- rischen Bundespolizisten am Ende ein- nen-Promi und heute Uno-Verwaltungsbe- stecken: Ihre Aktionen blieben nicht ge- toten Popstar: Der Ex-Beatle und auftragter im Kosovo, sein Erbe („Irgend- heim. Nach 14 Jahren Rechtsstreit er- Friedensbarde was zwischen 500000 und fünf Millionen kämpfte 1997 der kalifornische Geschichts- soll mit Geldspenden die IRA und Mark“) dem Vietcong sowie chilenischen professor Jon Wiener die Herausgabe von Trotzkisten unterstützt haben. Widerstandsgruppen; die Vietnamesen, so Lennons FBI-Akte; Wiener machte jetzt die Legende, bedankten sich immerhin mit ein Buch über diesen Fall von „Rock’n’Roll ie Beatles haben sich schon lange in einer Lampe. In England agitierte die Watergate“, Titel: „“*. Schall und Rausch aufgelöst; übrig Schauspielerin Vanessa Redgrave für die Zehn Dokumente aus Lennons Akte hält Dgeblieben sind – nach der Ermor- trotzkistische Workers’ Revolutionary Par- das FBI allerdings nach wie vor unter Ver- dung von John Lennon 1980 – drei gealterte ty und sympathisierte mit der PLO. Und in schluss – weil sie Informationen einer „aus- Multimillionäre und viele Legenden. der feinen New Yorker Park Avenue gab ländischen Regierung“ enthalten, deren Am vorletzten Wochenende kam eine der Stardirigent Leonard Bernstein eine Nachfolgerin bis heute Geheimhaltung neue Geschichte dazu, eine ziemlich häss- Party zu Ehren der militanten Schwarzen- wünsche. Gemeint ist die britische Regie- liche diesmal. Wenn sie stimmt, hat die Organisation Black Panthers. „Ach, wie rung des früheren Freizeit-Rocksängers Popwelt jetzt einen Heiligen weniger. verzweifelt sie nach weißen Haushilfen für Tony Blair, denn auch der englische Ge- „Lennon unterstützte die IRA“, titelte vor- die Party gesucht haben“, ätzte der Jour- heimdienst MI5 hatte offenbar Lennon hin- vergangenen Sonntag der britische „Ob- nalist Tom Wolfe. terhergeschnüffelt. server“. Postum muss sich der Musiker den Mag dieses zur Schau gestellte Engage- Der MI5-Aussteiger David Shayler will Vorwurf gefallen lassen, er habe unter an- ment für die gut gemeinte Sache heute selt- in einer Akte von Lennons IRA-Unter- derem die IRA und britische Trotzkisten sam genug erscheinen, die Reaktionen des stützung gelesen haben – weitere Zeugen, mit angeblich 45000 britischen Pfund un- die seine Version stützen, gibt es bislang terstützt. Heute entspreche diese Summe nicht. Und auch das Bezirksgericht in Los 400 000 Pfund, rechnete die „Sunday Angeles, vor dem Buchautor Wiener auf Times“ vor, fast 1,3 Millionen Mark. Dass Freigabe der letzten Lennon-Aktenstücke die IRA – sie hatte sich Anfang der siebzi- klagt, wartet noch auf Shaylers schriftliche ger Jahre gespalten in einen politischen Zeugenaussage. Doch nicht nur deshalb ist Arm (Sinn Fein) und die bis heute aktive mit einer endgültigen Entscheidung in die- Untergrundarmee – dafür keine Blumen ser Sache erst in einigen Jahren zu rechnen gekauft haben dürfte, liegt auf der Hand. – auch das FBI hat gute Anwälte. Friedensbarde Lennon, Schöpfer der Bis dahin bleiben Widersprüche. Wäh- -Hymne „“, als rend Lennons Witwe Yoko Ono beteuert, Großsponsor einer später mörderischen ihr John habe „der IRA kein Geld gege- Vereinigung – wie viele Spendengeschich- ben“, hält man bei der Sinn-Fein-Partei ten klingt diese These so absurd, dass sie eine Spende des Ex-Beatles immerhin für schon wieder stimmen könnte. Denn Len- „nicht unmöglich“. nons politische Überzeugungen waren stets Deutlicher hat sich bislang nur John mehr von Gefühlen als von Sachkenntnis Lennon selbst geäußert: „Wenn ich die geprägt („Mir ist es egal, ob die Regierung Wahl habe zwischen der IRA und der bri- tischen Armee“, erklärte der Musiker nach

UPI / CORBIS / PICTURE PRESS UPI / CORBIS PICTURE dem Massaker am nordirischen Blutsonntag * Jon Wiener: „Gimme Some Truth. The John Lennon Martin Wolf, FBI Files“. University of California Press, Berkeley; 360 PLO-Aktivistin Redgrave (1977) 1972, „bin ich für die IRA.“ Axel Frohn Seiten; 17,95 Dollar. Die Staatsmacht in die Paranoia getrieben

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