.

DEUTSCHLAND

im „Widerstand“ (FDP-Fraktionschef wählten Volksvertretungen wird es kaum Parteien ) gegen das DDR- anders aussehen. Regime. Besonders zäh ist das Beharrungsver- Die bürgerlichen Parteien nahmen mögen der „Unionsfreunde“ (DDR-Jar- sich 1989/90, was sie kriegen konnten. gon)inder CDU. Jörg Schwäblein, Frak- Verläßliche Die CDU schluckte neben der Block- tionschef der CDU in Thüringen, kanzel- partei Ost-CDU noch die Demokrati- te vergangene Woche im Landtag die sche Bauernpartei (DBD), die FDP ne- PDS als „Partei des Schießbefehls“ ab. Stützen ben den Liberaldemokraten (LDPD) Als Schwäblein noch zu DDR-Zeiten Er- die Nationaldemokraten (NDPD). Bei- satzkandidat für den Rat des Bezirks Er- Aus dem Glashaus kritisiert Helmut de Neuzugänge im christlich-liberalen furt war, hat er die Führungsrolle der Kohl die Nähe der SPD zur PDS: In Lager waren 1948 von abkommandier- SED mit Schwung verteidigt. ten Kommunisten gegründet worden, Eine verläßliche Stütze des Systems seiner eigenen Partei sind reichlich um Bauern oder Alt-Nazis in der wer- war auch der CDU-Bundestagsabgeord- Ex-DDR-Größen heimisch. denden DDR zu binden. nete , 38, aus Frankfurt Die neuen Brüder und Schwestern an der Oder. Mit 18 Jahren trat er in die wurden im Wendejahr 1990 von treuen Bauernpartei ein und machte eine steile ür hatte sich Hel- Vasallen der SED-Regenten zu Christ- Funktionärskarriere. Als Nachfolger von mut Kohl am Dienstag voriger Wo- oder Freidemokraten umgerubelt. Günther Maleuda, der heute für die PDS Fche Frohsinn verordnet. Wann im- Von den 67 ostdeutschen CDU-Abge- antritt, übergab er die DBD an die Uni- mer der Saarländer in der SPD-Troika ordneten im sind nach einer on. Heute, so die Welt, ist er der einzige im Bundestag zur „politischen Schluß- SPD-Aufstellung 39 alte Blockflöten. Parlamentarier aus der zerstrittenen abrechnung“ mit der Regierung ansetz- Lothar de Maizie`re, der sich 1991 aus brandenburgischen CDU, „dem der te, lachte der Amtsinhaber. Wie nett, Bonn zurückzog, war seit 1956 Mitglied Kanzler in Sachfragen sein Ohr leiht“. Entgegen einer Empfehlung sei- nes Landesverbands will der Leip- ziger Rolf Rau noch einmal in den Bundestag. Rau, vor der Wende CDU-Bezirkschef in Leipzig, gilt in Bonn als Experte für Woh- nungspolitik und genießt das Ver- trauen der Basis im Wahlkreis. Vergessen ist, daß Rau noch im Wende-Herbst die Reihen zur SED schloß. Im November 1989 wollte der Mann, der später „durch das Studium der Werke von Ludwig Erhard“ neue Ant- worten fand, weiterhin den „So- zialismus aufbauen“. Ein strammer Verfechter des al- ten Systems strebt von Rostock aus nach Bonn. Günter Kamm, Chef der CDU-Mittelstandsverei- nigung in Mecklenburg-Vorpom-

W. STECHE / VISUM mern, brachte es in der DDR zu Parteifreunde de Maizie`re, Kohl (1990): „Schande für Deutschland“ einem Direktorenposten bei der Tankstellenkette Minol. Als West- wie niedlich, dieser Herausforderer, der Ost-CDU und ihr letzter Vorsitzen- Reisekader durfte Kamm den Rostok- sollte das bedeuten. der. Kohls geschaßter Verkehrsmini- ker SED-Oberbürgermeister beispiels- Doch plötzlich war es vorbei mit lu- ster Günther Krause war Kreisvorsit- weise zur Kieler Woche begleiten. Sei- stig. Den wahlwirksamen Vorwurf, die zender in Bad Doberan, der sächsische ner Partei diente der Unionsfreund zeit- SPD mache gemeinsame Sache mit der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus weilig als hauptamtlicher Kreissekretär. PDS (Kohl: „Eine Schande für Deutsch- Reichenbach war der SED als CDU- Ulrich Fickel war vor der Wende Che- land“), hatte Lafontaine zurückgege- Bezirksvorsitzender gefällig. miedozent an der Pädagogischen Hoch- ben: „CDU und FDP haben sich in Von den 14 FDP-Direktkandidaten, schule Erfurt/Mühlhausen und bewies – schamloser Weise die alten kommunisti- die sich in Sachsen-Anhalt für den so seine Beurteilungen – „täglich sein schen Kader der DDR-Blockparteien Bundestag bewerben, gehörten 10 zu- ganzes Engagement für unseren einverleibt“, noch heute funktioniere vor einer Blockpartei an. Der FDP- sozialistischen Arbeiter-und-Bauern- das „Zusammenspiel der alten Kamera- Spitzenkandidat im benachbarten Thü- Staat“. Auch die Staatssicherheit, so be- den“. ringen, , trat legen Unterlagen, hatte viel Lob für ihn Die prächtige Laune des Kanzlers war 1961, im Jahr des Mauerbaus, der übrig. Als LDPD-Kreisvorsitzender sei dahin. Einige der angesprochenen LDPD bei und arbeitete zeitweilig im Fickel „von seiner politischen Wirksam- Blockflöten verließen empört das Ple- Bildungsausschuß des Bezirksvorstands keit her weit höher einzuordnen als viele num. Gera. SED-Mitglieder“. Der aufgewärmte Antikommunismus Auch in den CDU-Fraktionen der So hatte die Stasi Großes mit der von CDU, CSU, aber auch FDP hat ei- Länderparlamente haben die Blockflö- Blockflöte vor. Nach den geplanten ne Schwachstelle. Deren Parteifreunde ten das Sagen. Im alten sächsischen Kommunalwahlen 1990 sollte „Reserve- im Osten waren nun einmal nicht von Landtag stellen sie mehr als zwei Drit- kader“ Fickel eventuell LDPD-Chef Anfang an aufrechte Demokraten und tel der Abgeordneten. In den neuge- und stellvertretender Vorsitzender des

26 DER SPIEGEL 37/1994 . BIERSTEDT / OSTWESTBILD FDP-Minister Fickel Lob von der Stasi O. JANDKE / CARO FDP-Staatssekretär Günther „Bündnispartner der Arbeiterklasse“

Rates des Bezirks Erfurt werden. Dann kam die Wende, heute ist Fickel als FDP-Mann Wissenschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident Thü- ringens. Auch Joachim Günther war als LDPD-Kreissekretär im sächsischen Oelsnitz und „freiwilliger Helfer der Volkspolizei“ ein treuer Diener seines Staates DDR und gehorsamer „Bünd- nispartner der Arbeiterklasse“. Zum Dank durfte er 1977 ein Fernstudium an der Akademie für Staats- und Rechts- wissenschaft Potsdam-Babelsberg be- ginnen. „Nach Abschluß des Studiums“, er- klärte LDPD-Funktionär Günther, wol- le er „eine Wahlfunktion im Staatsappa- rat übernehmen“. Es kam noch besser: Der gewendete Günther, inzwischen FDP-Mitglied, stieg zum sächsischen Parteichef auf, ist ein Spitzenmann der Ost-Liberalen und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium. Y

DER SPIEGEL 37/1994 27