Stephan Fugger

Le Tigre – Queere und feministische Lebensidentitäten in Sub- und Populärkultur

DIPLOMARBEIT zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Philosophie

Publizistik und Kommunikationswissenschaft Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Fakultät für Kulturwissenschaften

Begutachterin: Ao. Univ. – Prof. Dr. Brigitte Hipfl Institut: Medien- und Kommunikationswissenschaft

November 2008 Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet. Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt. Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Ort, Datum Unterschrift

Vorwort

Einerseits bin ich als Musiker Teil der Sub- und Populärkultur.

Andererseits sehe ich mich als Student der Kulturwissenschaften verpflichtet, drohende Demokratiedefizite zu kommentieren, zu recherchieren und zu kritisieren. Diese beiden Teile von mir zu verbinden, lag für mich auf der Hand.

Ziel dieser Arbeit ist es, Sub- und Populärkultur mit all ihrer Kreativität und ihrem künstlerischen Potential wissenschaftlich zu erörtern und zu veranschaulichen.

Danksagung

Allen voran möchte ich mich bei meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Traute und Hans Fugger, bedanken. Sie haben mich in den Jahren meines Studiums immer unterstützt und gefördert. Ihre Geduld und Ihr Zutrauen haben mich immer wieder ermutigt, alle Höhen und Tiefen zu meistern.

Eine große Hilfe und Unterstützung während meines Studiums und besonders bei dieser Arbeit war meine Freundin Sarah. Ihr seelischer Beistand, ihr Einfühlvermögen und ihre Geduld haben mich letztendlich zum Ziel geführt.

Besonderer Dank gilt meiner Betreuerin Ao. Univ. – Prof. Dr. Brigitte Hipfl, die mir mit ihrer wissenschaftlichen Kompetenz eine große Stütze war.

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Inhaltsverzeichnis

Le Tigre - Queere und feministische Lebensidentitäten in Sub- und Populärkultur 1

1 lived experience von ungleichen Geschlechterverhältnissen in der Punk und Hardcore Kultur 1

3 Methode - Die Cultural Studies 6

4 Forschungsmodell – Der Circuit of Culture - Der Kreislauf der Kulturen 9

5 Begriffsdefinitionen 11

5.1 Kultur im Sinne der Cultural Studies 11

5.2 Populärkultur 12

5.3 Subkultur – Im ständigen Kampf um Bedeutung mit der Populärkultur 13 5.3.1 Subkultur: Junge Alte & Alte Junge in Graceland 14

5.4 Identität 18 5.4.1 Identitätspolitik 20

6 Die Geschichte der Riot Grrrls - Revolution Grrrl Style in the Beginning an Now 20

6.1 Revolution Grrrl Style Now! Die Neuerfindung von Punk und Feminismus 21

6.2 Versuch einer Definition von Riot Grrrl 21

6.3 Olympia vs. Washington DC 24 6.3.1 Ausschluss von Frauen in der DC Hardcore- und Punkszene 25

7 Le Tigre – Die Band 30

8 Konsum- Gebrauch 33

8.1 Lust im Raum youtube 37

8.2 Inhalt des Musikvideos „Deceptacon“ von Le Tigre 40 8.2.1 Von der Konsumation zur Produktion 41

9 Produktion - Die Auflösung des patriarchalen Technikdiskurses 46

10 Regulierung 52

10.1 Regulierungstheorie 55 II

10.2 Die De-Regulierung von dominanten Geschlechtsbildern 56 10.2.1 Die De-Regulierung von Geschlechtsidentität 56

11 Repräsentation 60

11.1 Zwei Systeme von Repräsentation 62 11.1.1 Mentale Repräsentation 63 11.1.2 Sprache (language) 63

11.3 Theorien der Repräsentation 64 11.3.1 Der konstruktivistische (soziologische) Ansatz 64 11.3.2 Innerhalb des konstruktivistischen Ansatzes 65 11.3.2.1 Semiotik 65 11.3.2.2 Diskurse 66

11.4 Le Tigre und der Körper Diskurs 67

11.5 Die visuelle Repräsentation von Le Tigre über Pressefotos 76

11.6 Le Tigre – Der Tiger: Ein semiotischer Blick auf den Bandnamen 79

11.7 Wider dem „male gaze“ 79

11.8 Queer Interventions – Repräsentation im Video „Keep on livin“ 81 11.8.1 Kameraführung 83 11.8.2 Schnitt 83 11.8.3 Beleuchtung 83 11.8.4 Repräsentative Codes 84 11.8.5 Ideologische Codes 84

12 Identity - Identität 85

12.1 Identität und Repräsentation 90

12.2 Geschlechts- und Identitätspolitik bei Le Tigre 92

13 Fazit 93

14 Literatur 95

14.1 Internet 98

14.2 Zeitschriften 99

III

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Circuit of Culture 10

Abbildung 2 Die Bühne von Le Tigre 46

Abbildung 3 Zeichnung des Monitormischpultes von Mary Alafetich 47

Abbildung 4 JD Samson 71

Abbildung 5 Le Tigre: JD Samson, , 76

Abbildung 6 The codes of television 82

Abbildung 7 Feminism 89

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Le Tigre - Queere und feministische Lebensidentitäten in Sub- und Populärkultur

1 lived experience von ungleichen Geschlechterverhältnissen in der Punk und Hardcore Kultur

„der Kontext ist alles und alles ist kontextuell. (Grossberg, 1999, S.60)

„Meiner Ansicht nach beschäftigen sich die Cultural Studies mit den historischen Formen des Bewusstseins oder der Subjektivität, oder den subjektiven Formen, in denen und durch wir leben, oder – eine etwas gefährliche Verkürzung, wenn nicht gar Reduktion – mit der subjektiven Seite der gesellschaftlichen Seite. Diese Definitionen übernehmen und glossieren einige von Marxens einfachen Abstraktionen, die ihren Wert auch heute nicht verloren haben.“ (Johnson, 1999, S.143-144)

Punk und Musik; Kurz gesagt Punkmusik bestimmen seit meiner frühen Jugend mein Leben. Punkkultur ist ein Teil meiner Identität. Sie hat dazu beigetragen wie ich denke, fühle, handle und mich kleide. Ich möchte gleich anfangs darauf hinweisen, dass es mir bewusst ist, dass es schon 1978 zu einer Vereinnahmung des Punks durch die Kulturindustrie (the Great Rock´n`Roll Swindle der Sex Pistols) gekommen ist. Wenn ich von Punk und Hardcore spreche, meine ich damit jedoch die Subkultur der Punk und Hardcoremusik, die politisch motiviert ist und sich von der Kulturindustrie und der dominanten Ideologie nicht vereinnehmen lassen will. Nach meiner Auffassung von Punk und Hardcore Kultur befindet sich diese in einem ständigen Kampf um Macht und Bedeutung. 2

Diese Arbeit hätte auch eine Arbeit über die Protestkultur in der Bewegung des Punkrocks werden können, doch waren es immer marginalisierte Gruppe zu denen ich mich hingezogen gefühlt habe. Im Laufe meines Studiums habe ich eine Seminararbeit über mediale Identitätsräume geschrieben. In einem Interview mit Ursula, einer Aktivistin vom feministischen Phoolan Devi Kollektiv aus Wien, machte sie mich auf die Rolle der Frau im Hardcore aufmerksam, was mich zu dem Schluss kommen ließ, dass Frauen in der Punk und Hardcore Bewegung, trotz all ihren Anspruches auf political correctness, eine untergeordnete Rolle haben. Auf der Suche nach einem für mich passenden Thema für diese Arbeit, blätterte ich in meiner SPEX Sammlung. Ich stieß bei meiner Recherche auf einen Artikel mit der Band Le Tigre. Dieser Artikel rief mir meine Gedanken über die Rolle der Frau im Punk und Hardcore wieder in Erinnerung. Wo waren all die Frauen bei den Konzerten? Wieso kamen kaum Frauen zu den Konzerten? Und Wieso spielen kaum Frauen in Punk/HC-Bands? Ist der vorherrschende Diskurs über Sexualität in der Punk- und Hardcore Kultur von einer heteronormativen Ideologie geprägt? Wo hat das Queere seinen Platz in dieser Subkultur? Gibt es überhaupt queere Identitäten in dieser Subkultur? Und wenn ja, werden diese auch in der Punk- und Hardcorekultur marginalisiert, stigmatisiert und/oder tabuisiert? Diese und weitere Frage stellten sich mir unweigerlich. Durch den Artikel über Le Tigre, begann ich mich mit dieser Band näher zu beschäftigen. Ich las ihre Texte, hörte ihre Musik und war begeistert. Drei Frauen, die ihre Instrumente beherr(!)schen, kluge Lyrics schreiben, politisch aktiv sind, ihre politische Meinung in ihrer Musik und im Alltag äußern, Punkattitüde besitzen und das alles in einem avantgardistisch, queeren Gewand präsentieren. Le Tigre sind ein Phänomen. Sie sind Teil einer Gegenkultur in der Kultur des Punks, die selbst als Gegenkultur bezeichnet werden kann, und haben es geschafft nicht in alten Mustern zu verharren. Durch die Dominanz und Allmacht der Männer in der Punk und Hardcorekultur war der einzige Schluss, der den Frauen über blieb, einen eigenen (Frei)Raum zu gestalten und zu schaffen.

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„Optimistisch betrachtet, ist Macht jedoch niemals in der Lage, sich selbst zu totalisieren. Es gibt immer Sprünge und Risse, die zu Geburtsstätten von Veränderungen werden können.“ (Grossberg, 1999, S.62)

Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand. Und doch oder vielmehr gerade deswegen liegt der Widerstand niemals außerhalb der Macht.“ (Foucault, 1983, S.96) Le Tigre waren die kurzweilige Antwort auf meine Frage wo die Frauen und das queere im Punk/HC (und im Indierock) waren. Frauen mussten sich mit der Riot Grrrl Bewegung ihren eigenen ideologischen Freiraum schaffen. „Revolution Grrrl Style Now!“ war in den 90ern die Kampfansage der Riot Grrrl Bands an ihre männlichen Kollegen in der Musik und die Gesellschaft. Wenn ich mich frage, wo die Frauen im Punk/HC in meinem Leben waren, die ich hörte, kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass auch in meiner Plattensammlung, nur eine Band und eine Songwriterin waren in der Frauen eine Rolle spielten. Einerseits waren das L7, die Grrrl Punk machten. Andererseits war das Patti Smith Konzert 2001 in Laibach/Ljubljana ein einschneidendes Erlebnis für mich. Der Live Auftritt von Patti Smith hatte mich stark beeindruckt. Ich sah eine Frau, die während ihrer Performance Gedichte aus ihren Büchern vorlas. Einem Fan, der sie währenddessen fotografierte, nahm sie die Kamera weg. Beim letzten Song sprang Patti Smith mit dem Mikrophon in der Hand, zur Verwunderung des männlichen Wachmanns, in das Publikum und rannte die Stiegen des Laibacher Amphitheaters Krizanke hinauf. Ich sah eine unangepasste, zornige Frau, die nicht dem vorherrschenden weiblichen Ideal entsprach. In diesem Moment wusste ich: „Patti Smith ist Punk“. Es ist mir bewusst, dass ich mir mit dem von mir gewählten Thema keine leichte Aufgabe gestellt habe. Von Seiten der FeministInnen könnte mir vorgeworfen werden, dass ich, indem ich diese Arbeit schreibe wenig oder gar schlimmer, gar nichts zu einer feministisch/queeren Gegenkultur beitragen könne, da mir mit dieser Arbeit vorgeworfen werden könnte, dass ich mich schützend vor Frauen stelle und somit nichts anderes tue als patriarchale Denkstrukturen und –muster zu bestätigen und zu 4

wiederholen. Dieser Tatsache bin ich mir vollends bewusst. Und ich werde versuchen dies tunlichst zu vermeiden. Vielmehr geht es mir in dieser Arbeit darum, zu zeigen, dass feministischer und queerer Aktivismus, kreativ ist und pleasure bereiten kann. Zugleich will ich helfen das Vorurteil über einem antiquierten und verbissenen Feminismus abzubauen. Oder wie es die Herausgeberin Sonja Eismann in der Einleitung zu dem popfeministischen Aufsatzband „Hot Topic“ formuliert:

„Sicher, es gibt tolle Bands, female DJs, Ladyfeste, Zines und ab und zu schafft es auch eine feministisch denkende Person, einen Artikel in ein größeres Medium zu schmuggeln. Doch im Großen und Ganzen herrschen bei der Mehrheit der Frauen (und Männer) nach wie vor Unkenntnis und Berührungsängste bezüglich des tabuisierten »F-Wortes« vor.“ (Eismann, 2008, S.11)

Weiters kann mir vorgeworfen werden, dass ich indem ich die Band Le Tigre, insbesondere Kathleen Hanna, anführe, Gefahr laufen könnte, sie (die queer/feministischen AktivistInnen) als Madonnen darzustellen. Madonnen, die unantastbar und zugleich leere Sinn- und Abziehbilder sind und somit ebenfalls keinen Beitrag zu einer Gegenkultur in einer dominanten patriarchalen Kultur leisten können, da dies wiederum patriarchale Rollen- und Denkmuster bestätigen und wiederholen würde. Auch dieser Tatsache bin ich mir bewusst. Deshalb ist die Wahl der Forschungsmethode auf die Cultural Studies gefallen in denen es, m.E. nach, darum geht, bestehende Macht und Geschlechterverhältnisse zu analysieren und zu kritisieren und Formen von empowerment aufzuzeigen. 5

2 Hot Topics – Die Forschungsfragen

„hot topic is the way that we rhyme hot topic is the way that we rhyme one step behind the drum style one step behind the drum style...“ (Le Tigre/Hot Topic, 1999)

Die hot topics, sprich brennenden Themen, die ich in meiner Forschungsarbeit beantworten möchte sind: Wie schaffen Le Tigre eine Gegenkultur zu der dominanten Ideologie? Wie schaffen es Le Tigre, eine queere Identität bei den Subjekten zu konstituieren? Welche produktiven und subversiven Möglichkeiten schafft der Text Le Tigre für nicht dominante bzw. marginalisierte Gruppen? Wie entsteht empowerment von queeren und feministischen Identitäten im Zusammenhang mit Le Tigre und der Riot Grrrl Bewegung? In welchen Medien entsteht Raum für feministische und queere Gegenkultur? Diese Fragen möchte ich in den folgenden Kapiteln klären. In Kapitel 3 möchte ich noch näher darauf eingehen, wieso mir die Cultural Studies als hinreichende Forschungsmethode erscheinen. In Kapitel 4 gehe ich auf das von mir gewählte Modell des circuits of culture ein und werde beleuchten, wieso ich mich für meine Analyse für dieses Modell entschieden habe. In Kapitel 5 werden die Begriffe Populärkultur, Subkultur und Identität geklärt. Weiters wird in diesem Kapitel geklärt, wie es mit der Rolle der Frau in der Musik aussieht. Im darauf folgenden Kapitel wird auf die Entstehung der Riot Grrrl Bewegung eingegangen, da die Band Le Tigre m.E. als Fortsetzung und Weiterentwicklung der Riot Grrrl Bewegung zu verstehen ist. In den Kapiteln 8, 9, 10, 11 und 12 werden anhand der Punkte Konsumation, Produktion, Regulierung, Repräsentation und Identität die medial vermittelten Geschlechterverhältnisse, Bedeutungen und Ideologien von Le Tigre beleuchtet. Im 6

Fokus meiner Betrachtung stehen Webpräsenz, Songtexte, Fotos der Band und Musikvideos. Im letzten Kapitel wird ein Fazit gegeben. Sowie der derzeitige Stand von Queerecore und Dyke Bands beleuchtet.

3 Methode - Die Cultural Studies

„Cultural Studies setzen an und können betrieben werden, wo es um Bedürfnisse geht, und nicht um Moden.“ (Lutter/Reisenleitner, 2002, S.11)

Die Methode der Cultural Studies und insbesondere die Beschäftigung mit dem kaum oder nur sehr schwer analysierbaren Schlagwort Kultur, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Obwohl oder gerade weil Plattenfirmen durch illegale Downloads Verlusteinbußen zu beklagen haben, an kulturellen Einrichtungen immer mehr der Sparstift angesetzt wird, PolitikerInnen einen Verlust oder die Auflösung der nationalen Identität und der damit zusammenhängen nationalen Kultur befürchten, transnationale Unternehmen erkannt haben, dass zur Profitmaximierung im Zuge der Globalisierung auch kulturelle Aspekte berücksichtigt werden müssen, wird die Frage nach Kultur, wie Kultur funktioniert und was Kultur ist, ein immer wichtiger werdender Aspekt in den (kritischen) Kulturwissenschaften. Grossberg fasst den Erfolg der Cultural Studies genauer. Er sieht „das Erstarken der Randgruppen; das Entstehen eines hegemonialen Konservatismus; die Mediatisierung der Kultur und die Globalisierung des Kapitals; die theoretischen Exzesse der »kritischen Theorie« (im Sinne der Verwendung des Begriffs in den USA); das Scheitern der traditionellen »linken« politischen Institutionen und Bewegungen; die Krise der Geisteswissenschaften (und der Sozialwissenschaften), welche eine zum Teil selbst produzierte Krise nicht nur des Wertes, sondern der Repräsentation ist; und der sich verändernde Charakter der intellektuellen 7

Kultur selbst ...; die zunehmende »Hybridisierung« (oder Postmodernisierung) sowohl der kulturellen Praktiken als der Populationen und Identitäten“ (Grossberg, 1999, S.47) als Faktoren für den Erfolg der Cultural Studies. Im Zuge dieser Entwicklungen haben sich die Universitäten immer mehr mit kulturellen Fragen beschäftigt, was zu einem weiteren Erstarken der Cultural Studies führte.

„In universities and colleges throughout the land, a subject called ‘cultural studies’ has emerged as higher education’s most upwardly mobile discipline. A brief glance at contemporary higher education curricula reveals its onward march in courses in semiotics appearing in management schools, and seminars on television and popular culture developing in sites stretching from sociology to modern languages and literature.“ (du Gay, Hall et al., 1997, S.1)

Doch was sind die Cultural Studies genau? „Cultural Studies kann als intellektuelle Praxis benannt werden, die beschreibt, wie das alltägliche Leben (everyday life) durch und mit Kultur definiert wird, und die Strategien für eine Bewältigung seiner Veränderung anbietet.“ (Lutter/Reisenleitner, 2002, S.9) Einerseits sind die Cultural Studies eine intellektuelle Praxis zur Erforschung des alltäglichen Lebens, andererseits als Strategie zur Veränderung des Alltages anzusehen. Die Cultural Studies dienen nicht nur zur reinen Theoretisierung eines von Kultur und medial geprägten Lebens. Die Cultural Studies sollen auch zu sozialem empowerment und zu einer Veränderung bzw. Demokratisierung führen, wo Demokratiedefizite zu beobachten sind. Ziel meiner Arbeit ist es, marginalisierte und medial hauptsächlich ironisch dargestellten, queeren Identität darzustellen und zu analysieren. In dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass es auch widerspenstige queere Identitäten und Lebensformen gibt. Weiters ist in den Massenmedien eine homophobe und/oder sexistische Darstellung von Menschen zu beobachten. Diese hegemonialen, patriarchalen Diskurse sollen aufgezeigt werden, und ideologische Freiräume sollen geschaffen oder zumindest aufgezeigt 8

werden. Es soll dargestellt werden wie Le Tigre, eine Gegenkultur zu der dominant hegemonialen, patriarchalen Ideologie schaffen. „Darüber hinaus sollen, sowohl gesellschaftliche Unterdrückung und erfahrenes Leid öffentlich problematisiert werden, als auch die Freiheit bedrohende ideologische und ökonomische Strukturen aufgezeigt und kritisiert werden.“ (Winter, 2001, S.9) Denn eine der wichtigsten Ziele der Cultural Studies nach Hall ist die Demokratisierung der Gesellschaft. Es stellt sich unweigerlich die Frage: „Was kann mit den Cultural Studies untersucht werden?“ Und wieso habe ich mich als Forschungsinstrument für die Cultural Studies entschieden?

„Alle gesellschaftlichen Praxen können in bezug auf die in ihnen geleistete Arbeit subjektiv, aus einer kulturellen Perspektive, betrachtet werden. Das gilt für Fabrikarbeit, gewerkschaftliche Organisation, oder das Leben im und um den Supermarkt genauso wie für offensichtliche Zielobjekte wie die Medien ... und ihre ... Konsumweisen.“ (Johnson, 1999, S.146)

Zu den gesellschaftlichen Praxen gehört es u.a. Musik zu hören, sich im WWW über Bands zu informieren, sich auf Youtube Musikvideos anzusehen und vielleicht sogar einen Kommentar zu posten, auf Konzerte zu gehen, Musikzeitschriften zu lesen und in manchen Fällen die Rolle des Musikrezipienten/der Musikrezipientin zu verlassen und selbst Musik zu machen. Durch die steigende Digitalisierung, die auch nicht vor der Musikindustrie halt gemacht hat, wird es immer einfacher selbst Musik zu produzieren. Im Internet besteht die Möglichkeit, sich Programme zum Musikmachen herunter zu laden, die Kapazität von den Rechnern die im Handel angeboten werden, kann mit den Anforderungen, die die Programme stellen, mithalten und Apple hat mit Garage Band ein Programm für Homerecording auf jeden Rechner vorinstalliert. Weiters möchte ich in dieser Arbeit zeigen, dass Musikhören mehr ist als akustische Berieselung. Durch den Eintritt in die Riot Grrrl Bewegung eröffnen sich für den Hörer/die Hörerin neue Welten. Eine Welt, in der Ideologien vorherrschen, die abseits 9

des Mainstreams liegen. Ich gehe davon aus, dass durch den Konsum von feministisch queerer Musik eine widerspenstige Gegenkultur entstehen kann, und, dass man/frau sich einer dominanten patriarchalen und heteronormativen Ideologie widersetzen kann. Ich gehe auch davon aus, dass sich in Populär- und Subkultur widerspenstige Identitäten bilden können. Dies äußert sich m.E. nach in Form von Ladyfesten, Netzwerken (sozialer wie digitaler Art), Grrrl Zines, (pop)feministischer und queerer Literatur, bei Konzerten und bei der Rezeption von Songs.

4 Forschungsmodell – Der Circuit of Culture - Der Kreislauf der Kulturen

„Die Untersuchung jener Strategien, vermittels derer untergeordnete Subkulturen im Widerstand zu den Mächtigen ihre eigenen Bedeutung schaffen, ist gegenwärtig einer der produktivsten Forschungszweige der Cultural Studies.“ (Fiske, 2001, S.43)

Um die Studie über Le Tigre darzustellen habe ich mich für das Modell des circuits of culture (den Kreislauf der Kulturen) entschieden. Der circuit of culture, der auf Richard Johnson zurückgeht, wurde von Paul du Gay, Stuart Hall, Linda Janes, Hugh Mackay und Keith Negus, weiterentwickelt. Im Buch „Doing Cultural Studies – The Story of the Sony Walkman“ (1997) gehen Hall et al. auf die Geschichte des Sony Walkmans als kulturelles Artefakt ein und analysieren diesen mithilfe des circuit of culture.

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Abbildung 1 Circuit of Culture, Quelle: Hall et al. (1997:3)

Die fünf Hauptelement des Kreislaufs der Kulturen sind Repräsentation, Identität, Produktion, Konsum und Regulation „through which any analysis of a cultural artefact must pass if it is to be adequately studied...“ (du Gay, Hall et al., 1997, S.3) Da ich die Band als kulturelles Artefakt ansehe, möchte ich in meiner Studie den Kreislauf der Kulturen auf diese anwenden. In den fünf Punkten möchte mich den Machtrelationen und Bedeutungen, die produziert werden, analytisch nähern. Im Fokus meiner Untersuchung stehen die Punkte Repräsentation und Identität, da ich vom Text Le Tigre als sinn- und identitätsstiftendes kulturelles Artefakt ausgehe und die Bedeutungen, die in ihrer medialen Repräsentation als Metapher für den Kampf um Bedeutung sehe. Weiters gehe ich davon aus, dass ungleiche Geschlechterverhältnisse im Text Le Tigre produziert und repräsentiert werden, somit diskursiv gemacht werden und die Ideologie einer heteronormativen Sexualität angegriffen wird. Denn:

„Cultural Studies verstehen Kultur als eine Arena umkämpfter Bedeutungen, als einen Raum, in dem bestimmte Institutionen (wie etwa die Medien) als sozial legitimierte Einrichtungen Bedeutungen produzieren und in Umlauf setzen.“ (Hipfl, 2004) 11

Um ein kulturelles Artefakt ausreichend zu analysieren müssen alle fünf Punkte des Kreislaufs der Kulturen in denen Machtrelationen und Bedeutungen produziert werden, berücksichtigt werden (vgl. du Gay, Hall et al., 1997, S.3-4).

5 Begriffsdefinitionen

In den folgenden Punkten sollen grundlegende Begriffe definiert werden.

5.1 Kultur im Sinne der Cultural Studies

Der Begriff Kultur spielt in den Cultural Studies eine zentrale Bedeutung. Die Cultural Studies dürfen jedoch nicht auf ein Verständnis von kritischer Kultur reduziert werden. Kultur im Verständnis der Cultural Studies ist mehr als die Summe der „hohen“ und „niedereren“ Künste. Raymond Williams sieht Kultur als „a whole way of life“. John Fiske fasst den umfassenden Begriff der Kultur folgendermaßen zusammen:

„Kultur meint also nicht die ästhetischen Produkte des menschlichen Geistes, die als Bollwerk gegen die Flut des niedrigen industriellen Materialismus und der Vulgarität dienen, sondern vielmehr eine Lebensweise in einer industriellen Gesellschaft, die sämtliche Bedeutungen dieser sozialen Erfahrungen umfasst.“ (Fiske, 2001, S.17)

Ein weiteres wichtiges Merkmal von Kultur ist: „Kultur ist ideologisch.“ (Fiske, 2001, S.19)

Im Verständnis der Cultural Studies ist Ideologie nicht im Verständnis des marxistischen „falschen Bewusstseins“ zu sehen. Dies würde nämlich bedeuten, dass es 12

ein wahres Bewusstsein geben müsse, welches sich von einer proletarischen Gesellschaft realisieren lassen könnte. Im Laufe der Geschichte hat sich gezeigt, dass der Kapitalismus sich nicht zerstört hat, sondern die Kräfte und Widerstände gegen ihn in sich aufgenommen hat. Aus diesem Grunde ist eine Gesellschaft ohne Ideologie zu bezweifeln (vgl. Fiske, 2001, S.19).

5.2 Populärkultur

Populärkultur wird oft unterstellt, dass sie flach, kritiklos und kein widerständiges Potential in sich trägt. Es wird auch noch immer davon ausgegangen, dass Populärkultur ein Produkt der Kulturindustrie ist und somit keine andere Eigenschaft hat die Massen zu besänftigen. Um den Begriff der Populärkuktur zu definieren, möchte ich mich auf Fiske beziehen, der sich auch weigert, die Menschen als Kulturtrottel zu bezeichnen. Für Fiske ist Populärkultur: „the active process of generating and circulating meanings and pleasures within a social system...“ (Fiske, 1995, S.23) Demnach ist Populärkultur ein aktiver Prozess, der von den Leuten gestaltet werden kann. Es ist Fakt, dass viele populäre Kulturprodukte nur zur reinen Unterhaltung dienen. „Ein Stern“ von Nik P. ist in den Augen vieler HörerInnen sicher nichts weiter als ein flaches Lied, dessen widerspenstiges Potential bei Null liegt. Doch darf nicht vergessen werden, dass die Gesellschaft aus Subjekten besteht, deren Identität unendlich divers ist. Doch „gehen die Cultural Studies von existierenden gesellschaftlichen Machtverhältnissen aus, welche die Populärkultur zu einem Ort kultureller Kämpfe machen.“ (Winter, 2001, S.7) Populärkultur ist demnach mehr als reines Opium für das Volk. Die „Volksdroge“ Populärkultur ist oft unrein. Sie kann widerspenstiges Potential in sich tragen. Populärkultur ist demnach ein Ort kultureller Kämpfe.

Und eben diese Machtverhältnisse bekommen immer wieder Risse. So hat es beispielsweise Clara Lucia geschafft, sich 2008 bei den Amadeus Awards gegen eine 13

hauptsächlich männliche Konkurrenz durchzusetzen. Clara Lucia ist eine junge Songwriterin deren musikalische Wurzeln in der Riot Grrrl Kultur sind. Sie hat 2008 den FM4 Amadeus Award gewonnen. Live Übertragung und ein mitreisende Live Performance inklusive. Beth Ditto, Sängerin der Dyke Band The Gossip hat es auf das Cover von NME geschafft und hat bei den MTV European Awards 2008 eine Nominierung vorgetragen. Beth Ditto ist zur Pop Ikone aufgestiegen.

5.3 Subkultur – Im ständigen Kampf um Bedeutung mit der Populärkultur

Den Cultural Studies wird oft vorgeworfen, sie beschäftigen sich hauptsächlich mit Populärkultur (vgl. Winter, 2001, S.14). Doch ist dies nicht ganz richtig. Dies haben u.a. die Studien von Clarke, Hebdige und Angela McRobbie bewiesen. Sie haben sich in ihren Untersuchungen subkulturellen Phänomenen wie Punk und Mods zugewandt. Ich möchte auch auf den Begriff der Subkultur eingehen, da ich davon ausgehe, dass dieser auch einen wichtigen Teil der Riot Grrrl Kultur ausmacht. Teil der Ideologie in der Punk und Riot Grrrl Subkultur ist es, so gut es geht, sich nicht von der Kulturindustrie vereinnahmen zu lassen. Eine widerständige Praxis ist es hierbei, nicht bei einem Major Plattenlabel unter Vertrag zu sein. Le Tigre waren bei ihren ersten zwei Alben auf dem queeren Independent Label Mister Lady Records. Ihr drittes und letztes „This Island“ erschien auf Le Tigre Records und STRUMMER RECORDINGS einem Sublabel von Universal. Der Schritt von Le Tigre auf ein Major zu wechseln hat in der Community für heftige Kontroversen und Diskussionen gesorgt. Der „Sell-Out“ Vorwurf und die DIY und Independent Ideologie zu „verraten“ wurde hierbei besonders stark. Besonders Kathleen Hanna, die für viele als Leitfigur, einer politischen Bewegung gilt, gelangte ins Kreuzfeuer der Kritik. Als politische Punk Band auf ein Majorlabel zu wechseln gilt auch heute noch, obwohl Adornos Kritik an der Kulturindustrie in vielen Punkten widerlegt worden ist (besonders von den VertreterInnen der Cultural Studies), noch immer als Verrat an der Punk Ethik. 14

5.3.1 Subkultur: Junge Alte & Alte Junge in Graceland

„Freitagabend, Altbau, 4.Stock Wir nennen es Party Wir betreten die Haupthalle durch den Westflügel Luft ist geschwängert mit Lügen wie: Man ist immer so alt wie man sich liebt Da ist man dann besser dabei Und jeder Satz fängt an mit "eigentlich..." Und endet nicht Das ist Graceland, Baby Keiner wird erwachsen Die kleinen, dicken Kinder auf der Suche nach Kuchen Graceland, Baby Man ist tot oder jung Nur die halbe Welt wartet auf den nächsten Hüftschwung Nur:

Wir würden alle sofort von vorn anfangen Wir hatten Songs, Sex Alles wie immer nur jünger Wir würden alle sofort von vorn anfangen Elvis has left the Kartenhaus...“

(Kettcar, Graceland, Sylt, 2008)

Elvis hat das Kartenhaus verlassen. Er ist nicht tot. Der Mythos „Jugend“ ist noch immer am leben und scheinbar nicht tot zu kriegen. Der Mythos von der ewigen Jugend 15

ist zum diskursiven Element in der Populärkultur geworden. Auch Jarvis Cocker, Sänger der POP Band Pulp, hat den Altersdiskurs, der im Kampf um Bedeutung mit dem Jugendwahndiskurs steht, aufgenommen. Frank Schirrmacher hat in der Einleitung in seinem Buch „Das Methusalem Komplott“ (2004), dass durchaus als moralischen Fingerzeig für sich laut Schirrmacher in der Überalterung befindlichen Gesellschaft von Ageism geplagt im Jugendwahndiskurs befindlichen Gesellschaft genannt werden kann, PULP´s Song „Help the aged“ (1998) zitiert. Der Refrain lautet: „Help the aged, one time they were just like you...“ In diesen Song plädiert Jarvis Cocker auf ironische Weise für mehr Verständnis bei „den“ Jungen. Denn eines Tages werden auch sie alt sein. So wird, m.E. nach, auch der Begriff Subkultur immer noch mit Jugend in Bezug gebracht. Eine Literatursuche in der Bibliothek zu dem Thema Subkultur ergibt hauptsächlich Treffer im Zusammenhang mit dem Begriff Jugend. Doch lässt sich der Begriff Subkultur wirklich nur auf Jugend beschränken? Wo fängt Jugend an und wo endet sie wieder? Und besuchen nicht auch ältere Menschen Konzerte? Und hören subkulturelle Musik? Ich gehe davon aus, dass Subkultur nicht immer mit Jugend in Verbindung steht. Ich gehe vielmehr davon aus, dass die sich in der Subkultur befindlichen Subjekte zur einer erwachsenen Jugend gehören. Die Grenzen von Jugend und Erwachsenen verschwimmen meiner Meinung nach zunehmend.

„Ich möchte Teil eine Jugendbewegung sein... Ich möchte mich auf Euch verlassen können Lärmend mit Euch Durch die Straßen rennen...“ (Tocotronic, Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein, 1995)

Der Sänger, Dirk von Lowtzow von Tocotronic, sang 1995 darüber, dass er mit 24 Jahren Teil einer Jugendbewegung sein möchte. Im Alltagsverständnis wäre die Sturm und Drang Zeit in diesem Alter längst vorbei. Der Erfolg der Band hat ihnen Recht gegeben. Auch das Goethe Institut in Sibirien hat Tocotronic ihre Texte abgenommen. 16

2004 wurden sie vom Goethe Institut für vier Konzerte eingeladen. 2008 lautet die neue Single von Tocotronic „Für immer jung“. Der Begriff Jugend ist ein umgangssprachlicher Begriff und beinhaltet eine von Kindheit und Erwachsenenleben unscharf getrennte Linie. Für die Jugendsoziologie ist es jedoch unabdingbar zu definieren wer als Jugendlicher gilt und wer nicht. In den verschiedenen Fachdisziplinen gibt es mehrere Bedeutungsinhalte über die Jugend. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in der Gegenwartsgesellschaft Jugend um eine nicht festlegbare Alters- und Sozialgruppe handelt (vgl. Schäfers/Scherr, 2005, S.18). Mehrere Gründe für ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Jugend und Erwachsenen sind zu nennen. • Jugend ist ein gesellschaftliches Phänomen. • Jugend gilt als Ideal, das auch im Erwachsenenalter angestrebt wird (vgl. Schäfers/Scherr, 2005, S.20-21). Dagegen kann kein singulärer Zeitpunkt bzw. kein soziales Ereignis mehr angegeben werden, mit dem das Ende der Jugendphase eindeutig angezeigt wird (vgl. Schäfers/Scher, 2005, S.21). Weiters ist gerade in Bezug auf Subkultur zu nennen ist:

„...die Beobachtung, dass die Zugehörigkeit zu Jugendkulturen gelegentlich erst Mitte des dritten Lebensjahrzehntes endet. Diese Beobachtung ist ein Hinweis darauf, dass sich inzwischen auch Erwachsene an jugendkulturellen Stilen und Moden orientieren.“ (Schäfers/Scherr, 2005, S.22)

Die VertreterInnen der Cultural Studies sehen jedoch Subkultur immer an Jugend gebunden. Sie definieren Subkultur in Abgrenzung zu „ihrer“ Erwachsenen Kultur. „Subcultures must exhibit a distinctive enough shape and structure to make them identifiably different from their ‘parent’ culture. (Clarke/Hall et al., 1975, S.100) Dieser Eigenschaft von Subkultur kann ich nur begrenzt zustimmen. Denn aus heutiger Sicht ist die Trennung bzw. die Grenze zwischen den Erwachsenen und den Jugendlichen nicht mehr eindeutig. Jedoch stimme ich Clarke/Hall et al. in dem Punkt zu, dass 17

Subkulturen „must be focused around certain activities, values, certain uses of material artefacts, territorial space etc.“ (Clarke/Hall et al., 1975, S.100) Jugendliche Subkulturen entstehen auf dem Terrain von sozialem und kulturellem Leben. Einige Subkulturen tauchen in bestimmten geschichtlichen Momenten auf. Sie werden sichtbar, können identifiziert und bezeichnet werden. Sie beherrschen die öffentliche Bühne für eine Zeit, um dann wieder zu verschwinden oder sich aufzulösen, so dass sie ihre Unterscheidbarkeit verlieren (vgl. Clarke/Hall et al., 1975, S.101). Mit der Subkultur der Riot Grrrls hat es sich ähnlich verhalten. Als sie in den Neunzigern populärer wurden, schien es, als ob sie mit der geringer werdender Popularität der Grunge Bewegung verschwunden wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Sie haben ihre Unterscheidbarkeit umgewandelt. Mit dem Aufkommen der Verwendung von elektronischen Elementen in der Punk und Indie Kultur, sind heutige Bands wie Le Tigre und the Gossip nicht mehr als „reine“ Riot Grrrl Punk einzustufen, denn die Riot Grrrl Musik hatte ihre Wurzeln Punk und war sehr gitarrenlastig. Aus ideologischer Sicht nehmen die heutigen Riot Grrrls Anliegen von Schwulen und Lesbenbewegungen in ihr politisches Konzept mit auf. Die Band Gossip wird beispielsweise als Dyke Band bezeichnet. Clarke/Hall et al. kann auch vorgeworfen werden, dass in ihren Studien zu Subkultur Weiblichkeit vernachlässigt haben.

„Very little seems to have been written about the role of girls in youth cultural groupings. They are absent from the classic subcultural ethnographic studies, the pop histories, the personal accounts and the journalistic surveys of the field.“ (McRobbie/Garber, 1975, S.112)

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Sie stellen die berechtigten Fragen:

„How do we make sense of this invisibility? Are girls really not present in youth subcultures? Or is it something in the way this kind of research is carried out that renders them invisible?“ (McRobbie/Garber, 1975, S.112)

5.4 Identität

Da Identität ein zentraler Aspekt meiner Arbeit ist, möchte ich mein Verständnis von Identität erläutern. Weiters ist der Begriff in den Cultural Studies von zentraler Bedeutung.

„Es [Anm. d. Verf. das Konzept von Identität] hat für die Theoriebildung der Cultural Studies im Zusammenhang mit Konzepten der Subjektkonstruktion und Prozessen bzw. Wirkungsweisen des Unbewußten, vor allem unter dem Einfluß der psychoanalytisch informierten feministischen und der kritischen Kulturforschung besondere Bedeutung gewonnen.“ (Lutter/Reisenleitner, 2002, S.83)

Ich vertrete wie Hall die These einer modernen Identität, und schließe mich Hall´s Meinung an, „daß moderne Gesellschaften im späten zwanzigsten Jahrhundert durch einen besonderen Typ strukturellen Wandels transformiert würden, der die kulturelle Landschaft von Klasse, Geschlecht, Sexualität, Ethnizität, ›Rasse‹ und Nationalität, in der wir als gesellschaftliche Individuen verortet sind, fragmentiere.“ (Hall, 1999, S.394) Weiters schließe ich mich Hall´s Ansicht an, „dass jede gesicherte oder essentialistische Konzeption der Identität, die seit der Aufklärung den Kern oder das Wesen unseres Seins zu definieren und unserer Existenz als menschliche Subjekte zu begründen hatte, der Vergangenheit angehört.“ (Hall, 1999, S.394) 19

Hall beschreibt drei Konzepten von Identität, wobei ich mich in dieser Arbeit auf das Konzept des postmodernen Subjekts beziehe 1. Konzept des Subjekt der Aufklärung 2. Konzept des soziologischen Subjekts 3. Konzept des postmodernen Subjekts (vgl. Hall, 1999, S.394)

Das Subjekt der Aufklärung war mit dem Vermögen der Vernunft, des Bewusstseins und der Handlungsfähigkeit ausgestattet, dessen Zentrum aus einem inneren Kern bestand. Dieser blieb von Geburt an identisch. Bei dem Konzept des soziologischen Subjekts veränderte sich dieser innere Kern mit dem Beginn der Moderne. Der innere Kern war nicht mehr autonom und wurde im Verhältnis zu signifikanten Anderen geformt. Dieses Konzept beruht auf dem symbolischen Interaktionismus und geht auf deren Begründer G.H. Mead und G.C. Cooley zurück. Bei Mead und Cooley entsteht Identität durch einen ständigen Dialog mit anderen Identitäten durch einen Selbstentwurf von kulturellen Identitäten. Identität gibt den Subjekten einen Platz in der Gesellschaft. Subjekte erfahren in diesem stabilisierenden Prozess eine Vereinheitlichung und werden vorhersehbar. Aus heutiger Sicht driften jedoch die einst vorhersehbaren, einheitlichen und stabilen Identitäten auseinander. Sie erfahren eine Fragmentierung (vgl.Hall, 1999, S.394-396). In der Postmoderne ist „Der Prozeß der Identifikation selbst, in dem wir unsere kulturellen Identitäten entwerfen,... offener, variabler und problematischer geworden.“ (Hall, 1999, S.396) Das postmoderne Subjekt hat keine gesicherte, wesentliche oder anhaltende Identität. Das postmoderne Subjekt ist widersprüchlich und ändert sich ständig und ist historisch und nicht biologisch definiert (vgl. Hall, 1999, S.396). Mit Halls Worten zusammengefasst: „Die völlig vereinheitlichte, vervollkommnete, sichere und kohärente Identität ist eine Illusion.“ (Hall, 1999, S.396) 20

5.4.1 Identitätspolitik

Das Thema, das ich behandle, ist ein Thema, das der Identitätspolitik zugeordnet werden kann.

„Als Ausgangspunkt von Identitätspolitik gelten die politischen Ansprüche unterdrückter oder marginalisierter sozialer Gruppen, wie sie etwa in der antirassistischen und der feministischen Bewegung und im Kampf gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben artikuliert werden.“ (Lutter/Reisenleitner, 2002, S.86)

6 Die Geschichte der Riot Grrrls - Revolution Grrrl Style in the Beginning an Now

„A riot grrrl history is an insight into a provocative moment in modern day feminism, youth resistance and popular culture.“ (Downes, 2007, S.13)

Ausgehend von Olympia vollzog Riot Grrrl seinen Siegeszug und konnte sich bis heute als Gegenkultur etablieren. Waren früher Bikini Kill und Brat Mobile, die Aushängeschilder der Riot Grrrl Kultur, sind es heute Bands wie the Gossip, the Pipettes, uvm.

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6.1 Revolution Grrrl Style Now! Die Neuerfindung von Punk und Feminismus

„For the first time in history valley girls were feared.“ (Ditto, 2007, S.8)

Anfang der Neunziger Jahre hatte Riot Grrrl Musik an Popularität zugelegt. Zu den Begründerinnen der Riot Grrrl Bewegung zählen Bikini Kill und Bratmobile. Riot Grrrl Musik ist stilistisch der Punkmusik zuzuordnen. Was Riot Grrrl Bands von anderen All Girl Bands differenziert ist, dass sie politisch und feministisch sind. Riot Grrrl Musik dient nicht nur der reinen Unterhaltung. Riot Grrrl ist mehr als eine musikalische Ausdrucksform. Riot Grrrl fängt nicht beim ersten Anschlag eines Gitarrenakkordes auf und endet mit dem letzten gespielten Ton eines Musikstückes. Riot Grrrl ist eine politische Bewegung. Sie wurde und wird in Wohnzimmern, in Proberäumen, in Cafes, bei Demos, beim Plaudern mit der Freundin/dem Freund, in der Schule, auf der Universität, in der Küche, am Kopierer, am Schreibtisch,... betrieben. Kurz gesagt, Riot Grrrl kann als kulturelle Praxis des Alltags beschrieben werden. Bei Riot Grrrl sollen Freiräume für Frauen in der von Männern dominierten Gesellschaft und Punkkultur geschafft werden. Ein wichtiger Aspekt ist die Bildung von Netzwerken.

6.2 Versuch einer Definition von Riot Grrrl

Die kulturelle Praxis des Phänomens Riot Grrrl zu beschreiben, ist keine leichte Aufgabe. Da davon auszugehen ist, dass Kultur und die darin sich darin befindlichen Subjekte sich in einem ständigen Kampf um Bedeutung befinden, ist die Kultur der Riot Grrrls auch in einem ständigen Kampf um Bedeutung mit der dominanten Ideologie. Deshalb ist es auch schwierig, nicht die Bedeutung der dominanten Kultur zu 22

übernehmen. Wobei nicht vergessen werden kann, dass frau/man nie frei von der dominanten Ideologie ist. Das Bild der dominanten Kultur bezeichnet Riot Grrrl als • Mode, • Phase, • Punk, • Tod, • gewalttätig, • männerhassend und letztlich als • Versagen (einer Bewegung) (vgl. Downes, 2007, S.12).

Diese Definition würde ein männlich dominiertes Bild von Kultur bestärken; einer Kultur, in der Frauen eine untergeordnete Rolle haben. Es stimmt zwar, dass im Zuge der Riot Grrrl Bewegung ein neues Bewusstsein über weibliche Mode entstand. Riot Grrrl jedoch auf ein modisches Phänomen zu reduzieren, führt zu nichts anderem als patriarchale Denkmustern zu bestätigen. Um nicht in die Falle einer dominanten Kultur zu tappen, schließe ich mich Downes Verständnis von Riot Grrrl, als radikale Bewegung, Philosophie und kulturellen Katalysator, der Frauen weltweit mit Lebensinspiration und Ermutigung ausstattet, an (vgl. ebenda, S.13).

Weiters ist Riot Grrrl eine Kultur, die traditionelle Bilder vom Mädchen Sein, Feminismus, Konsum und Kultur negiert. Riot Grrrl ermöglicht eine Erweiterung von neuen Generationen von kulturellen ErzeugerInnen und AktivistInnen (vgl. ebenda, S.12) Durch Riot Grrrl kam es zu einer Bedeutungsverschiebung in der dominanten Kultur und dem Empfinden, der sich darin befindlichen Frauen. Frauen und Mädchen traten aus ihrer passiven Rolle heraus und erkannten, dass sie auch Teil einer Kultur sein können und diese auch in ihrem Verständnis formen und verändern können.

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„Women and girls found their own voices and power in music, art, literary and political discourses. Riot Grrrls began to rewrite and figure out for themselves what it means to be a girl, a feminist an activist, a musician or an artist.“ (ebenda, S.12-13)

Der wichtigste Punkt hierbei ist, dass die vorherrschende Bedeutung mit einer neuen Bedeutung besetzt worden ist. Frauen sind aus der traditionellen Rolle herausgetreten. Frauen haben durch einen Akt von empowerment erkannt, wie und dass sie ihre Umwelt verändern können. Durch Riot Grrrl veränderte sich die marginalisierte Gruppe von Mädchen und Frauen in der Punk- und Hardcore Subkultur. Eine kulturelle Praktik, um die Anliegen von Riot Grrrl zu verbreiten, ist die DIY Ethik. DIY (Do it Yourself) ist eine Taktik, um aus den dominanten Mustern der kapitalistischen Produktion und Reproduktion auszutreten. Dies geschieht durch das Entwerfen von Flyern, Fanzines, ... Diese werden in den meisten Fällen auf Kopierern vervielfältigt. Die DIY Ethik besagt, dass jede/jeder Teil einer widerständigen Bewegung sein kann und, dass man/frau aus dem kapitalistischen Kreislauf ausbrechen kann. Die DIY Ethik geht auf die Sitationistische Internationale zurück. Durch Taktiken wie dem detournement soll eine Gegenkultur und ein kritisches Bewusstsein geschaffen werden. In den 60-70ern wurden die Praktiken der Sitationistischen Internationale von den radikalen Sozial-, Menschenrechts- und Anti-Kriegsbewegungen aufgenommen. Auch feministische, Frauenbefreiungs- und LGBTGQ Gruppierungen nahmen die DIY Ethik als kulturelle Praxis auf. Währende der zweiten Welle im Feminismus kam es zu einem Erstarken der Produktion und Distribution von unabhängigen Medien. Feministische- und Lesbenkollektive schufen ihre eigene Musikkultur, die als womyn’s music bekannt wurde, zu dem beispielsweise von Frauen geführte Labels und Verteilernetzwerke zählten. In den 80ern und 90ern entstanden Gruppen, wie die AIDS Coalition to Unleash Power (ACTUP), Guerilla Girls, Queer Nation die Lesbian Avengers. Die Guerilla Girls machten Aktionen in straighten Bars um auf Homophobie 24

und den Marginalisierung in der Gesellschaft aufmerksam zu machen (vgl. ebenda, S.13-14) Aus diesem Erbe entstand Riot Grrrl. „Riot Grrrl sougt to build upon this rich legacy of politicised DIY cultural subversion to expose and resist the contradictory and marginalised experiences of modern-day girlhood.“ (ebenda, S.14)

6.3 Olympia vs. Washington DC

„I’ve always felt Olympia is a female town. Olympia is ‘she’ and DC is a ‘he’. (McLure in Downes, 2007, S.14)

Es bedarf der Darstellung eines kulturellen und lokalen Kontextes, um das Aufkommen von Riot Grrrl in Olympia zu begründen. M. E. nach gab es vier Punkte in Olympia, das ein Erstarken von feministischen und queeren Anliegen und letztlich die Riot Grrrl Kultur ermöglichte. Erstens ist die Tatsache zu nennen, dass Olympia über ein feministisch orientiertes kulturelles Kapital verfügt. „On the edges lies the liberal Evergreen College, known for its artistic, alternative and radical freethinking individuals.“ (ebenda, S.14) Einerseits gab es ein College, das alternative Lebensentwürfe befürwortete. Andererseits gab es in Olympia starke Frauen in der Kunst. „For instance, in the early 1980s Olympia was the home of a collectively owned store called Girl City in which artists such as Stella, Dana Squires and Julie Fay created art and performances.“ (ebenda, S.15) Der zweite Punkt, der verantwortlich für ein Aufkommen einer Gegenkultur ist, ist ein bestimmtes Medium: das Radio. „ Lois Maffeo hosted an influential women-centered rock radio show on KAOS, Olympia’s community radio station whose policy dictated that 80 per cent of music broadcast had to be independent.“ (ebenda, S.15) Die dritte Bedingung für das Ermöglichen der Riot Grrrl Kultur ist ein Label und eine Band: K Records und Beat Happening.

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„Beat Happening, inspired by bohemian ideals, created lo-fi twee-pop music an revelled in a celebration of amateurship, cuteness and innocence, a set of ideas that was later mockingly termed ‘love rock’... Beat Happening encouraged its audiences to build supportive non competitive communities, creating an atmosphere and message that opened up creative opportunities and possibilities for many women and girls who were later involved in riot grrrl.“ (ebenda, S.15)

Viertens ist die männlich dominierte Punk und Hardcore Kultur von Washington DC ein Grund für das Aufkommen der Riot Grrrl Kultur. „In contrast, the independent punk scene in Washington, DC, was invested in a more aggresive fast-paced aesthetic, which championed technical ability: DC hardcore.“ (ebenda, S.16) In Olympia entwickelte sich eine Punk Ästhetik, die besagte, dass jede/jeder ein Instrument spielen kann. In DC hingegen entwickelte sich Anfang der 80er der Stil des Hardcore, wo auf spielerische Virtuosität wert gelegt wurde.

6.3.1 Ausschluss von Frauen in der DC Hardcore- und Punkszene

Zu einem der Ursprungsstädte der Punk und Hardcore Kultur gehört Washington DC. Die Punk und Hardcore Szene in Washington DC war zu ihrer Anfangszeit in den frühen Achtzigern, wie in den meisten anderen Städten, männlich dominiert. Mark Andersen beschreibt dies folgendermaßen: „Pickering [Anm. d. Verf. Amy, einer der wenigen Frauen in der DC Szene] war eine der treuesten HarDCore-Fans, aber durch die Gewalt in der Szene fühlten sie und die andere junge Frauen sich ausgeschlossen. Bei Hardcore-Shows trennten Slamdancen und Stagediven die Jungs von den Mädchen.“ (Andersen, 2006, S.103). Dies war Anfang der 80er als in Washington DC das Slamdancen immer populärer wurde. „Noch 1979-80 kamen fast so viele Frauen wie Männer zu Hardcore-Shows, aber bis Ende 1981 waren Anhänger wie Pickering, Connolly oder Janelle Simmons rar.“ (ebenda, S.104) Durch die Dominanz von 26

Männern in der Szene und der Gewalt bei den Shows kam es zu einer Ausschließung von Frauen. „»Ich fand Slamdancen scheiße«, erinnerte sich Anne Bonafede, ebenfalls langjähriger Punkfan. »Es war zu sehr auf Männer ausgerichtet. Mit dem Aufkommen von Minor Threat und SOA fühlte ich mich langsam von der Szene ausgeschlossen. Ich war immer gerne zu Shows gegangen und hatte getanzt, aber das hatte sich inzwischen geändert, denn jetzt konnte man sich dabei wirklich ernsthaft verletzen. «“ (ebenda, S.104). Die einzige Möglichkeit von Frauen war, sich dem männlichen Gehabe anzupassen. „Die Frauen, die weiterhin zu Hardcore-Shows gingen, mussten das unter den von ihren männlichen Genossen gestellten Bedingungen tun. »Wir versuchten uns wie Jungs zu benehmen«, so Pickering“. (ebenda, S.104) Als weitere Praktik gegen die männliche Dominanz gründete sich daraufhin die erste Frauenband CHALK CIRCLE in DC.

„Alle meine männlichen Freunde spielten damals in Bands, also wusste ich, dass ich das auch konnte, darum ging es doch bei der ganzen Punk- Philosophie. Es trug zu meiner feministischen Entwicklung bei, nicht durch die Typen zu leben, sondern selbst etwas auf die Beine zu stellen. CHALK CIRCLE halfen mir dabei, mit meiner Ausgrenzung innerhalb der Hardcore- Szene umzugehen.“ (Bonafede zit. in Andersen, 2006, S.104)

In einem von Männern dominierten Raum kam es zu sexistischen und widerständigen Aussagen gegenüber CHALK CIRCLE: „Eine Frauenband zu sehen, war sehr ungewöhnlich«, so Bonfade. »Das hatte definitiv sehr viel damit zu tun, dass wir nicht ernst genommen wurden. Es gab damals eine Unmenge an schlechten Männerbands, aber die wurden nie so runtergemacht wie CHALK CIRCLE. « “. (ebenda, S.104) In Mark Andersens Buch „Punk DC“ gibt es einen widersprüchlichen Teil. In Kapitel „waiting room“ bezeichnet er FIRE PARTY als die erste HarDCore Band, die aus weiblichen Mitgliedern bestand (vgl. ebenda, S.233). FIRE PARTY entwickelten ein feministisches Bewusstsein, in einem von Männern dominierten Raum: „Sängerin Amy Pickering, Gitarristin Natalie Avery, Bassistin Kate Samworth und Drummerin Nicky 27

Thomas rissen eine unsichtbare Barrikade ein, die besagte, dass »[auf der Bühne keine Röcke erlaubt] seien.“ (ebenda, S.233) In einem Essay beschreibt Kim Colletta die Lage der Frau in DC: “Es gibt wenige Frauen in Bands, Männer haben seit Anbeginn den Großteil der Organisation von Shows und das Booking der Bands übernommen. Frauen beobachten das Geschehen normalerweise eher vom Rande aus, tanzen nicht und nehmen auch nicht aktiv an Live- Shows teil. Durch die Involvierung in diese Subkultur rebellierten viele Frauen gegen ihre traditionelle Rolle in der Gesellschaft, doch sind sie immer noch in der subkulturellen Ideologie männlicher Überlegenheit gefangen.“ (Colletta in Andersen, 2006, S.234) Trotz der männlichen Dominanz gab es auch widerspenstige Frauen in der DC Szene. Neben FIRE PARTY gab es THE PIN-UPS, THE NIKE CHIX und THE FURIES und BROKEN SIREN. BROKEN SIREN hatten politische Texte und sprachen das Thema Homophobie an. Die Mitglieder von BROKEN SIREN standen zu ihrer Bi- und Homosexualität (vgl. Andersen, 2006, S.236-237). Die Punk Szene in DC war stark politisch motiviert. Die Positive Force Gruppe war und ist bis heute die stärkste politische Gruppe.

„It was within this politicised punk community that women began to voice their contradictory experiences of feeling disenfranchised from their own alternative communities.“ (Downes, 2007, S.17)

Die Positive Force Community schuf ideologischen Raum für einen feministischen Diskurs in der männlich dominierten DC Szene. Frauen machten ihre Anliegen publik. Beispielsweise in form von „ group discussions that focussed on gender difference and sexism within the DC punk community for the June issue oh the political punk fanzine Maximum Rock ‘n’ Roll. This experience laid the background for the issues that became the agenda of riot grrrl.“ (ebenda, S.17) Die Folge von Sexismus in Washington DC waren angry grrrl zines, wo Frauen über ihre Frustration schrieben. Die Zines schufen für Frauen einen sicheren Raum, wo 28

Frauen und Mädchen die erfahrene kulturelle Abwertung diskutieren, untersuchen und sich dieser widersetzen konnten. Medial vermittelte Tobi Vail im feministischen Punk Zine „Jigsaw“, Donna Dresch im queer girl Zine „Chainsaw“ und Laura McDougell im „sister nobody“ zwei Anliegen: 1. Andere Mädchen zu treffen (mit ihnen in Kontakt zu treten) 2. Feminismus zu artikulieren Die Folge der Zines war, dass Brieffreundschaften und Kontakte zu gleich gesinnten Frauen entstanden. So wurden Kathleen Hanna und Kathi Wilcox durch Jigsaw auf Tob Vail aufmerksam. Ein weiterer ausschlaggebender Punkt für die Gründung von Bikini Kill, war die politische Band Nation Of Ulysses, die Vail stark inspirierte (vgl. ebenda, S.18-22). „The band was Bikini Kill, the movement was riot grrrl and the ideology was for Revolution Girl Style Now!“ (ebenda, S.22) Molly Neumann und Allison Wolfe beschlossen ihre Frühlingsferien 1990 zusammen in DC zu verbringen. Im Haus von Nation of Ulysses fanden sie einen Ort zum Proben. DC wurde zu einem immer wichtiger werdenden Treffpunkt für die AktivistInnen von Riot Grrrl. Im Sommer fanden sich Bikini Kill, Bratmobile, Vertreterinnen von Revolution Girl Style Now und die Schreiberinnen von angry grrrl zine in DC zusammen. Rassenunruhen (race riots) im Mai 1991 waren der ausschlaggebende Punkt für die Entstehung des Namen Riot Grrrl. Im Büro von Molly Neumanns Vater entstand der Name Riot Grrrl als sie mit Allison Wolfe einen Namen für ein wöchentlich erscheinendes Zine suchten. Aus dem wöchentlichen Ritual des Zine Schreibens entstanden Treffen für Frauen (vgl. ebenda, S.24-26). Mit Riot Grrrl wurde eine neue Form des Widerstandes geboren. Dem Feminismus wurde eine neue Bedeutung zugeführt. Neue Wege von feministischem Aktivismus entstanden:

„Riot grrrl also proposed a different way of conceptualising feminist activism, to move away from traditional state-focused protests like marches, rallies and petitions, towards an idea of cultural activism which incorporated everyday cultural subversions like creating, film, zines, music and communities as a part of feminist activism.“ (ebenda, S.27) 29

1992 griffen die Massenmedien das Phänomen Riot Grrrl auf. „However, the coverage also removed and/or ridiculed the radical and political aspects of riot grrrl, sensationalising it as an aggressive anti-men subculture or commdifying the movement into a genre of (bad) music or (anti-)fashion style.“ (ebenda, S.30) Die Reaktion der Riot Grrrl AktivistInnen auf das falsche und/oder oberflächliche konstruierte Bild von Riot Grrrl war ein Medien Boykott. Ein positiver Effekt der Medienaufmerksamkeit war, dass die Konzerte von Bratmobile und Heavens to Betsy sehr gut besucht waren und Riot Grrrl eine größere Gruppe von Menschen erreichten. Ein weiterer Effekt war, dass Riot Grrrl ein globales Phänomen wurde. England und Australien wurden auf das Phänomen Riot Grrrl aufmerksam (vgl. ebenda, S.30-35). In Groß-Britannien war die Infrastruktur für Riot Grrrl noch nicht gegeben. „Unlike America, with its DIY legacy of K Records, SST and Dischord enabling independent punk production, Britain lacked a coherent DIY punk infrastrucuture. British riot grrrl had to start from the scratch , with a whole girl-oriented network and infrastructure to build.“ (ebenda, S.35) Das Riot Grrrl Aushängeschild Groß-Britanniens wurden Huggy Bear. Doch auch sie erfuhren Kritik in den Massenmedien. Ihnen wurde vorgeworfen die Medien zu manipulieren, elitär zu sein und Gender Ungleichheiten zu kreieren. Mitte der 90er kam es zu einer kulturindustriellen Vereinnahmung von Riot Grrrl durch die Populärkultur. Die Spice Girls machten ihren Siegeszug von Groß-Britannien aus in die ganze Welt. In Amerika spiegelten Fiona Apple, Alanis Morrisette und Lisa Loeb ein angepasstes weibliches Rollenbild der Frau wider. In der Populärkultur war Mitte der 90er eine männliche Dominanz in der Indie Musik und dem Erfolg von Nirvana, Oasis, REM, Green Day und Blur zu beobachten. Die Riot Grrrl Netzwerke zerbrachen und mussten sich neu definieren.

„Feminist cultural activism burned away within new terms and projects, to embrace race, class, sexualities, size, queer and trans issues and communities to produce a more sophisticated politicised cultural assault on gender binaries and boundaries.“ (ebenda, S.42) 30

Das „Queere“ wird Mitte der Neunziger in Riot Grrrl immer bedeutender.

„In 1995, Ed Varga began putting on queer community building shows under the name Homocore Minneapolis, which eventually morphed into a series of large-scale festivals in Olympia called Homo-a-go-go held in 2002, 2004 and 2006. The DIY queer festival Queeruption began in South London in 1998 abd has since been held annually at various locations worldwide, for instance in New York, Tel Aviv, Barcelona and Vancouver.“ (ebenda, S.42)

„New bands like Le Tigre, Sleater Kinney, The Gossip, and the Butchies emerged and records labels like Mr Lady, Candyass, Kill Rock Stars, Slampt, Spazoom and Chainsaw continued to support music created by women and queers.“ (Downes, 2007, S.42) Mit der Zeit änderte sich auch die musikalischen Einflüsse auf die MusikerInnen: „The availability of new technologies of music production and expansion of musical styles enabled bands like Le Tigre, Scream Club and Chicks on Speed to explore the possibilities of feminist music crossing over hip hop and electro boundaries. (Downes, 2007, S.42)

7 Le Tigre – Die Band

Die Entstehungsgeschichte von Le Tigre basiert auf Freundschaft und dem Wunsch politische Musik zu mache. Nach dem Split von Bikini Kill veröffentlichte Kathleen Hanna ein Solo Album unter dem Namen Julie Ruin. Als Kathleen Hanna nach New York zog suchte sie Musikerinnen, um das Projekt Julie Ruin live der Öffentlichkeit zu präsentieren. Johanna Fateman schenkte ihr bei einem Bikini Kill Konzert eine Ausgabe ihres Fanzines Snarla; beiden wurden daraufhin Freundinnen. , eine Videokünstlerin, produzierte das Video „Aerobicide“ für Julie Ruin. Sadie Benning 31

drückte den Wunsch aus, Julie Ruin bei Live Auftritten mit Visuals zu unterstützen. In New York arbeiteten währenddessen Kathleen Hanna und Johanna Fateman am Material zu Julie Ruin. Dieses Material schickten sie zu Sadie Benning nach Chicago, die daraufhin nach New York kam, um mit Kathleen Hanna und Johanna Fateman, an dem Material weiter zu arbeiten. Aus dieser Zusammenarbeit entstand das erste Le Tigre Album. Als Unterstützung für die Visuals nahm Le Tigre JD Samson als Roadie mit auf Tour, die nach dem Ausstieg von Sadie Benning, vollständiges Mitglied von Le Tigre wurde. (vgl. URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/fact/fact.html,[23.6.2008])

Kailer und Bierbaum definieren das Musikprojekt Le Tigre folgendermaßen:

„le tigre . musikprojekt und album mit den drei protagonistinnen kathleen hanna, sadie benning (videofilmerin) und johanna fateman (künstlerin und art-zine-produzentin von artaud-mania und my need to speak on the subject of jackson pollock).“ (Bierbaum/Kailer, 2002, S. 279)

Le Tigre ist ein Musikprojekt, bei dem die Rollen der Musikerinnen, nicht fixiert sind. Ihre Arbeitsweise ist demokratisch geordnet:

„The structure of our collaboration varies from song to song with each of us taking the lead on beat making, lyric writing, video editing, etc at various times. We each play all different kinds of instruments on stage and while we are recording in the studio.“ (URL, http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/fact/fact.html,[23.6.2008])

Ironie spielt bei der Produktion und der Präsentation von Le Tigre und der Vermittlung ihren politischen Ansichten eine große Rolle. So antworten Le Tigre auf die Frage, was für eine Art von Musik sie machen, folgend:

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„ When pulled over by the Texas highway patrol searched, and questioned individually, each member of Le Tigre answered this question (without prior knowledge of the other responses or hesitation) "we play feminist punk electronic music." (URL, http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/fact/fact.html, [23.6.2008])

Le Tigre haben seit ihrer Gründung drei Full Lenght Alben veröffentlicht. Ihr erstes selbst betiteltes Album „Le Tigre“ erschien 1999 auf dem feministisch queeren Label Mr. Lady Records. Dieses Album zählt zu den Klassikern der Independent Musik. Darauf enthalten sind ihre bekanntesten Tracks „Deceptacon“ und „Hot Topic“. Ihr zweites Album „Feminist Sweepstakes“ erschien ebenfalls auf Mr. Lady Records. Mit dem Wechsel auf ein Major Label kam es unweigerlich zu einem ideologischen Streitfall „Indie vs. Major“. Le Tigre geben zwei Gründe für den Wechsel auf ein Majorlabel an. Erstens die finanzielle Lage als Künstlerin. Kathleen Hanna erläutert ihre Lage im Spex:

„...ich habe seit 15 Jahren keinerlei Sicherheiten, keine Krankenversicherung, nichts. Und es geht nicht einfach nur um Geld, es geht nicht nur um Luxus, um ’ne zusätzliche Cola oder so was, wir verdienen sowieso nichts mit all dem. Letztlich ist uns alles über den Kopf gewachsen, jede von uns hat zehn Jobs gleichzeitig gemacht. Wir brauchten einfach mehr Unterstützung.“ (Spex, 12/2004, S.50)

Der zweite Grund war, dass ihr altes Label Mr Lady Records keine Platten mehr veröffentlichte. In einem Interview mit der Popfeministin und Musikjournalistin Sonja Eismann spricht JD darüber:

„Als wir rausgefunden haben, dass Mr. Lady keine neuen Platten mehr rausbringen wird, mussten wir uns quasi neu erfinden - das, was wir gekannt 33

und worauf wir uns immer verlassen hatten, gab es nun nicht mehr. Wir haben zwei Jahre damit verbracht, über die Situation zu sprechen und nachzudenken und verschiedenste Labels zu treffen - Indies, Majors, Unterlabels. Nach einer Weile haben wir uns entschieden, weil wir hofften, dass die Leute jetzt bereit wären - that there were more converted people to preach to!“ (URL: http://www.plastikmaedchen.net/stories/636/, [19.8.2008])

Neben den Alben erschien 1999 die 7inch Platte „Hot Topic“ auf Mr. Lady Records. 2001 erschien die EP „From the Desk of Mr. Lady auf Mr. Lady Records. 2002 erschien ein Album mit Remixes von Le Tigre, das „Remix“ genannt wurde, auf Mr. Lady Records. Für die CD Peace not War Compilation (2004) steuerten Le Tigre den Track „New Kicks“ zu. Als Single Auskopplung zu This Island erschien „After Dark“ CD- Singel und für Plattenliebhaber eine 12inch Platte.

2007 haben sich Le Tigre entschieden eine Pause zu machen. Auf den News Seite ihrer Homepage geben sie ein Statement über die Auflösungsgerüchte ab: „It's true that the three of us have taken an extended break from all things Le Tigre.“ (URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/html_newspop/newsflash.html, [19.8.2008]) Ihr letzter Eintrag vom 3.1.2008 auf ihrer News Seite spendet Hoffnung für die Fans von Le Tigre: „JD & Jo are doing a DJ tour as MEN (their new side-project) with Hey Willpower!“ (URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/html_newspop/newsflash.html, [19.8.2008])

8 Konsum- Gebrauch

Es wäre ein Trugschluss oder eine Vereinfachung, den Fokus bei der Analyse eines kulturellen Produkts, auf die Produktion und dessen Distribution zu legen. Es wäre auch falsch von der Annahme auszugehen, dass KonsumentInnen „Kulturtrottel“ sind, die alles kaufen, sofern es populär ist und schön anzusehen/hören wäre. Diese Sicht von 34

populärer Kultur und ihren KonsumentInnen geht auf den Aufsatz „Kulturindustrie“ von Adorno und Horkheimer zurück. Adorno und Horkheimer gehen von einem passiven Publikum aus, das sich täuschen lässt.

„Die Verkümmerung der Vorstellungskraft und Spontaneität des Kulturkonsumenten heute braucht nicht mehr auf psychologische Mechanismen erst reduziert werden. Die Produkte selber, allen voran das charakteristische, der Tonfilm, lähmen ihrer objektiven Beschaffenheit nach jene Fähigkeiten. Sie sind so angelegt, daß ihre adäquate Auffassung zwar Promptheit, Beobachtungsgabe, Versiertheit erheischt, daß sie aber die denkende Aktivität des Betrachters verbieten, wenn er nicht die vorbeihuschenden Fakten versäumen will.“ (Adorno/Horkheimer, 1988, S.134)

Wie Adorno und Horkheimer geht auch Guy Debord geht von einer passiven Akzeptanz des Publikums aus. Guy Debord geht in seinem Buch „The Spectacle of Society“ (1983) von einem passivem Konsumenten/einer passiven Konsumentin aus, die von einem inszenierten Blendwerk, dem Spektakel, zu zügellosem Konsum verführt werden. Guy Debord definiert das Spektakel, welches ein passives Publikum erfordert, folgend:

„The spectacle presents itself as something enormously positive, indisputable and inaccesible. It says nothing more than „that which appears is good, that which is good appears.“ The attitude which it demands in principle is passive acceptance which in fact it already obtained by its manner of appearance without reply, by its monopoly of appearance.“ (Debord, 1983, S. 12)

Nicht alles „kulturindustriell“ Produzierte, wird vom Publikum gekauft; sei es noch so bis ins kleinste Detail geplante und perfekt aufbereitet. Das lässt sich am Beispiel des letzten Madonna illustrieren. Für Guy Debord wäre die Inszenierung ein perfektes Beispiel für das Spektakel; ebenso wie für Adorno und Horkheimer. 35

Zurzeit ist Madonna mit ihrem neuen Album „Hard Candy“ in den Charts erfolgreich. Madonna zählt zu den erfolgreichsten Sängerinnen. Als Co Sänger für die neue Single hat sich Madonna Justin Timberlake geholt. Als Produzent fungiert Timbaland, der derzeit weltweit der erfolgreichste Produzent ist. Dennoch ist die vermeintlich todsichere Mischung bei den KonsumentInnen nicht aufgegangen. Von MusikkritikerInnen wurde das Album und die Single stark kritisiert. In Deutschland wurde Madonnas Single „4 minutes“ nach einer Woche von der Spitze der Charts verdrängt. Es stellt sich unweigerlich die Frage, wieso das Produkt Madonna, das trotz aller bis ins kleinste Detail Durchdachtheit, nicht den gewünschten Erfolg bei den KonsumentInnen hatte. Eine Erklärung dafür wäre die Annahme eines aktiven Konsumenten/KonsumentIn, der nicht alles konsumiert, was im Spektakel der Gesellschaft produziert wird.

Produktion und Konsumation von kulturellen Artefakten ist aus Sicht der Cultural Studies kein dualer Prozess, der sich auf die Distribution und Produktion beschränken lässt. Vielmehr ist die Produktion von kulturellen Artefakten ein kreisförmiger Prozess. Neben der Konsumation und der Produktion wirken die Momente Repräsentation, Identität und Regulation auf ein kulturelles Artefakt ein. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Ansicht über die passive Rolle des Konsumenten/der Konsumentin geändert. Vielmehr wird von den VertreterInnen der Cultural Studies von einer aktiven und kreativen KonsumentInnenrolle ausgegangen. Aus Sicht der Cultural Studies wird Konsum nicht als negativ angesehen. Im Gegenteil: „Consumption is seen as an active process and often celebrated as pleasure, and the consumer has even become elevated (by some on both left and right) to the status of citizen, the principal means whereby we participate in the polity.“ (Mackay, 1997, S.2)

Mackay spricht hier die Lust (pleasure) des Konsumenten/der Konsumentin an. Dieser Begriff geht auf Fiske (2000) zurück. Fiske zählt zu den wichtigsten VertreterInnen der Annahme, dass KonsumentInnen eine aktive Rolle in der Popularkultur einnehmen. Er widerspricht den VertreterInnen der Massenkulturtheorie: 36

„Popularkultur wird von innerhalb und unterhalb geschaffen, nicht von außerhalb oder von oben her auferlegt, wie dies die Massenkulturtheoretiker behaupten.“ (Fiske, 2000, S.15) Fiske leugnet eine ungleiche Verteilung von Macht nicht, und dass es marginalisierte, unterdrückte Gruppen gibt. „Popularkultur wird von verschiedenen Formationen unterdrückter oder entmachteter Menschen aus den sowohl diskursiven wie materiellen Ressourcen hergestellt, die von jenem sozialem System geliefert werden, das sie entmachtet.“ (Fiske, 2000, S.14) Der springende Punkt an Fiskes Ansatz ist, dass Popularkultur wegen der Unterdrückung und Entmachtung der Menschen etwas Widerspenstiges ist.

„Die Ressourcen - Fernsehen, Schallplatten, Kleidung, Videospiele, Sprache – befördern die Interessen der ökonomisch und ideologisch Herrschenden; sie beinhalten Kraftlinien, die hegemonial sind und zum Vorteil des Status Quo arbeiten. Aber die hegemoniale Macht ist allein wegen des Widerstandes notwendig oder gar möglich, deshalb müssen diese Ressourcen auch oppositionelle Kraftlinien mittragen, die von den Leuten, die ihrerseits im sozialem System unterschiedlich situiert sind, auf unterschiedliche Weise aufgenommen und aktiviert werden.“ (Fiske, 2000, S.15)

Dass KonsumentInnen von Le Tigre (natürlich auch von anderen populären Texten) Möglichkeiten haben, selbst zu ProduzentInnen zu werden und Widerstand im hegemonialem System schaffen können, möchte ich nun in diesem Punkt mithilfe der Analyse der Internetplattform youtube illustrieren.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Musikvideos und Live Performances von KünstlerInnen stark inszeniert werden. Die KonsumentInnen jedoch als passive Kulturtrottel darzustellen, wäre eine Vereinfachung, die in ethnografischen und semiotischen Studien von Fiske widerlegt wurde.

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„Dabei verkennt die [Anm. d. Verf. linke] Theorie jedoch, wie standhaft die Leute sich dem System verweigern, begreift nicht ihre unzähligen Vermeidungstaktiken und Widerstandsmanöver, ihr hartnäckiges Festhalten an ihrem Gespür für Unterschiede, ihre Weigerung, die Position des Komplizen einzunehmen, die die bürgerliche Ideologie ihnen mit fortwährender Insistenz aufdrängt.“ (Fiske, 1999, S.241)

Da davon auszugehen ist, dass die dominante Ideologie sich in einem ständigen Kampf um Bedeutung mit der Ideologie der Subordinierten befindet, teile ich Fiske’s Meinung:

„Wo immer die Beherrschten den Disziplinar- und Kontrollmechanismen des Machtblocks zu entgehen oder zu widerstehen suchen, eröffnen sich Räume.“ (Fiske, 1999, S.243)

8.1 Lust im Raum youtube

Einer dieser Räume, in der die dominante Ideologie angegriffen werden kann, ist die Internetplattform youtube. Auf dieser Internetplattform können UserInnen sich kostenlos Videos ansehen, Videos hoch laden, und die Videos mit Kommentaren beurteilen bzw. in Form von Kommentaren die Videos mit anderen NutzerInnen diskutieren.

Die Internetplattform kann von UserInnen zum Konsum von Musikvideos benutzt werden. Youtube ist ein Raum in dem UserInnen den Disziplinar- und Kontrollmechanismen entgehen können. UserInnen können die kapitalistisch produktiven Mechanismen umgehen. Die Anmeldung bei youtube ist kostenlos. Auch die Konsumation der Videos ist kostenlos. Es gibt zwar Kontrollmechanismen auf youtube, die rassistische und sexuell explizite Inhalte von Videos verhindern sollen. 38

Dies wird aber zum größten von den UserInnen selbst gesteuert. Denn die BenutzerInnen haben die Möglichkeit Videos zu melden, die bedenkliche Inhalte beinhalteten. Weiters können die UserInnen die Videos bewerten und über Kommentare über die Videos diskutieren. Eine Suche nach dem Song „Deceptacon“ (1999) von Le Tigre ergibt 502 Treffer. Dazu zählen mehrere Originalvideos. Die Mehrheit der Deceptacon Videos sind jedoch selbst produzierte Videos des Originals. Zum Teil sind es Videos, die UserInnen zeigt wie sie vor der Webcam zu Hause zum Song Deceptacon tanzen und singen. Zum Teil sind es auch Videos, die von UserInnen im Pastiche Stil aufwendig selbst gestaltet worden sind. Ein Video, das aus der Masse der „Deceptacon“ Videos hervor sticht, ist von der Userin/dem User twa23. Der User/die Userin (die geschlechtliche Identität wird durch den Usernamen auf youtube nicht preisgegeben) twa23 hat nach eigenen Angaben seine Abschlussarbeit als Neuinterpretation von „Deceptacon“ auf youtube veröffentlicht. Diese Neuinterpretation zeigt wie kreativ UserInnen nach dem Konsum des Videos und des Songs Deceptacon sein können. Das Video twa23 unterscheidet sich inhaltlich komplett vom Original. Das Video wurde am Computer gestaltet. Graphische Elemente, Fotografien und Sprechblasen sorgen für Dramatik und Unterhaltung. Das Video zeigt eine Welt, die bunt ist. Das Video ist eine lustvolle Interpretation des Songs Deceptacon. Anstatt eine Kopie des Originals zu gestalten, hat twa23 etwas ganz Neues geschaffen. Bei der Darstellung der einzelnen MusikerInnen hat twa23 eine geschlechtsneutrale Darstellung gewählt. Einzig die Darstellung der „Sängerin“ kann sexuell konnotiert werden. Die Sängerin, die im Video ihren Mund zum Gesang bewegt, wird durch einen roten Schmollmund dargestellt, der an den Mund von Marylin Monroe oder den der frühen Madonna erinnert. Der Kopf der Sängerin ist jedoch Mikrofon. Der Oberkörper des Keyboardspielers wird durch ein Keyboard, der Oberkörper der Gitarristen durch eine Gitarre dargestellt. Was twa23 durch die Darstellung schafft, ist es, die dominante Vorstellung von Popstars umzukehren, wenn nicht gar zu parodisieren. Üblicherweise wird ein hierarchisches Verhältnis über die Repräsentation zwischen Publikum und Popstar hergestellt. Die dominante Vorstellung von „Stars“ in Musikvideos ist hierarchisch. Meist wird der 39

Popstar als unantastbar für das Publikum dargestellt. Twa23 rückt den Popstar in den Hintergrund, stellt ihn/sie als Gegenstand (beispielsweise als Mikrofon) dar. Der Fokus in twa23 Musikvideos liegt eindeutig im gesellschaftskritischen Text von Deceptacon. Wenn Kathleen Hanna „Yr just a parrot when yr screaming and yr shouting „More crackers please, more crackers please“ singt, stellt dies twa23 mit einem dem Text singendem Papagei dar, während es im Hintergrund Kekse regnet. Ist einerseits die Produktion eines neuen Videos ein Anzeichen für die Lust an der Konsumation und Produktion der RezipientInnen, so sind andererseits die Kommentare zu dem Video von twa23 ein Anzeichen für einen aktiven Rezipienten/aktive Rezipientin. Die UserInnen, die Kommentare zu der Neuinterpretation von Deceptacon, abgeben, sind durchwegs positiv und zeigen, wie viel Lust sie bei der Konsumation von twa23 Video hatten:

„Großartig, gefällt mir wirklich sehr!“ (xylosegermany) URL: http://www.youtube.com/watch?v=-SyBR-M2YvU [20.9.2008] „thats awesome!! great job!“ (mjradkliffe) URL: http://www.youtube.com/watch?v=-SyBR-M2YvU [20.9.2008] „ this song is fuckn' AWESOME love it! i give it a 110% even more!“ (dorky05) URL: http://www.youtube.com/watch?v=-SyBR-M2YvU [20.9.2008]

Dies ist ein kleiner Ausschnitt von den 35 Kommentaren zu dem Video von twa23. Keines der Kommentare ist beleidigend. Keiner der Kommentare ist sexistisch oder schwulenfeindlich. Genderstereotypen wie produzierender Mann/konsumierende Frau scheinen bei youtube aufgehoben zu werden. Wer sich hinter dem User/der Userin verbirgt ist nicht klar bzw. spielt keine Rolle.

Die Beispiele von youtube zeigen, dass Konsum zwar an Produktion gebunden ist. Diese zwei Bedingungen sind jedoch reziproke Prozesse. Der Konsum des Musikvideos hört nicht nach der Besichtigung bzw Konsumation auf. UserInnen gehen kreativ damit 40

um und kreieren etwas Neues. Sie schaffen ihre eigenen Musikvideos. Der Konsument wird ganz in Sinne von Walter Benjamin zum Produzent (1974).

8.2 Inhalt des Musikvideos „Deceptacon“ von Le Tigre

Das Deceptacon Video von Le Tigre ist ein avantgardistisches DIY Video. Es ist unter einfachen Umständen gedreht worden. Auf narrativer Ebene wurde das Video stark reduziert. Dramatik und Erzählweise beschränken sich auf das Wesentliche. Das Video erzählt keine Geschichte mit einem klaren Anfang und einem klaren Ende. Auf dramatische Elemente, die die Geschichte spannend gestalten, wurde weitestgehend verzichtet. Vielmehr ist das Video mit einem abstrakten Bild vergleichbar. Die möglichen Lesarten des Videos wurden offen gelassen.. Der Inhalt des Videos lässt sich folgend beschreiben: Das Video hat nur einen Erzählstrang. Meine Lesart des Videos: Die Protagonisten in den braunen Overalls tanzen eine Aerobic Choreographie vor. Diese kann als Parodie über den Fitnessdiskurs interpretiert werden. Im Video ist ein Raum mit weißen Wänden und einer roten Wand, an der eine Leiter lehnt, zu sehen. Der Boden des Raumes besteht aus hellbraunem Linoleum. Der Raum wird mit dem kalten Licht einer Neonlampe beleuchtet. In der Totalen sind zwei Figuren zu sehen. Sie tragen braune Overalls, dunkle Sonnenbrillen, in der rechten Hand einen Arbeiterhandschuh und rote Turnschuhe. Mit dem Einsetzen der Musik beginnen beide Figuren mit einer Tanzchoreografie, die an Aerobicübungen erinnern. Die Kamera ist statisch auf die tanzenden Figuren gerichtet. Bei Sekunde 1:07 wechselt die Kamera in eine Großaufnahme und wechselt bei 1:18 zurück in die Totale. Bei 2:19 ziehen sich die Figuren zuerst gegenseitig die Ärmel der Overall und dann selbst die Hosenbeine aus. Ärmel und Hosenbeine sind mit Klettverschluss versehen, was an eine Performance von Strippern erinnert. Bei Sekunde 2:26 wechselt die Kameraeinstellung in die Großaufnahme und wechselt bei 2:27 sofort wieder in die Amerikanische. Bei 2:35 wechselt die Kameraeinstellung wieder in die Halbtotale. Bezüglich der Schnitte und Kameraeinstellung gesagt, werden, dass im 41

Vergleich zu anderen Musikvideos sehr wenige Schnitte und Einstellungen verwendet wurden. Die Kamera ist immer statisch auf die Figuren gerichtet. Das Video endet damit, dass die zwei Figuren zusammenbrechen. Die dominante Darstellung von Weiblichkeit wird in „Deceptacon“ umgedreht. Üblicherweise sind es Männer, die singen und Frauen kommen als Nebendarstellerinnen in den Videos vor. In „Deceptacon“ wird das umgedreht. Die zwei Protagonisten im Video werden nicht eindeutig als männlich/eindeutig weiblich dargestellt. Ein brauner Overall macht die Protagonisten zu geschlechtlich uneindeutig dargestellten Figuren aus einem Arkade Computerspiel. Der sexuelle Subtext in diesem Video ist scheinbar nicht vorhanden. Er wird vermieden. Das Video entspricht der DIY Technik. Als Technik für die Repräsentation von Le Tigre und ihrer DIY Ethik wird die Sprache der Einfachheit verwendet. Die Musik von Le Tigre läuft im Hintergrund und hat auf den Ablauf des Videos keinen Einfluss. Die Musikerinnen kommen in keiner Sequenz vor. Indem die MusikerInnen sich ganz aus dem Video genommen haben, haben sie erreicht, dass die RezipientInnen mehr in den Vordergrund rücken, um sich als aktiver Teil des Konsumationsprozesses zu erkennen. Der Konsument/Die Konsumentin wird Teil des Medienspektakels. Dass der Konsument/Die Konsumentin teil des Medienspektakel wird, belegen die selbst produzierten Musikvideos auf youtube. Die Vorstellung einer passiven Kulturkonsumentin wird durch die kreativen Praktiken auf youtube widerlegt. Dennoch darf nicht vernachlässigt werden, dass nicht alle Menschen Zugang zu youtube haben. Für die Nutzung des Raumes youtube sind materielle Ressourcen notwendig. Nicht jede/jeder verfügt über einen Computer und einen Internetzugang, um sein/ihr kreatives Potenzial zu nutzen. Für die Produktion von Musikvideos ist auch technisches Wissen notwendig, über das nicht alle Menschen verfügen.

8.2.1 Von der Konsumation zur Produktion

Auf youtube wird sichtbar, dass viele UserInnen aus der passiven KonsumentInnenrolle heraus treten. Junge Frauen fühlten sich empowered/ermächtigt die Hauptrolle in ihrem 42

eigenen Musikvideo zu übernehmen. Der Konsument/Die Konsumentin wird zu ProduzentIn. Viele junge Frauen haben den Tanz imitiert, der das Video von Deceptacon bestimmt. UserInnen geben an, dass das Erlernen der Choreographie viele Stunden in Anspruch genommen hat. Auch körperliche Anstrengungen wurde in kauf genommen. Zwei Beispiele wurden hier, stellvertretend für die unzähligen Tanzimitationen des Deceptacon Videos, ausgewählt. Das erste Video ist von supersnooper8

(URL: http://www.youtube.com/watch?v=7NR2j_zNm6Q [20.9.2008]). Hierbei handelt es sich um eine Eigeninterpretation von Deceptacon. Drei junge Frauen haben hier ein eigenes Musikvideo gestaltet, mit einem eigenen Erzählstrang. Dieses Video zeigt drei junge Frauen bei ihren alltäglichen Handlungen. Sie nehmen sich nicht sehr ernst. Sie haben sichtlich Spaß bei ihrer Darbietung. Sie klettern auf Bäume, schaukeln, tanzen und albern herum, während sie ihre Lippen synchron zu dem Song bewegen. Als Drehorte dienten ihnen Plätze aus ihrer Umgebung. Sie drehten auf dem Spielplatz, ihrem Kinderzimmer und in ihrem Elternhaus. Im Vorspann sind die drei Namen der drei Protagonistinnen zu sehen. Im Abspann ist zu sehen, dass die drei Frauen auch die Produzentinnen des Videos sind. Jede Protagonistin kommt in dem Video gleich oft vor. Wie Le Tigre schaffen sie unter sich ein demokratisches Verhältnis. Männer kommen in dem Video gar nicht vor. Die drei jungen Frauen erschaffen ihr Video ohne die Präsenz von Männlichkeit. Sie entziehen sich somit dem patriarchalen Diskurs. Sie zeigen, dass auch Frauen mit Technik umgehen können. Sie zeigen, dass der patriarchale dominante Diskurs, der Männer als Produzenten und Frauen als Konsumenten darstellt, aufgehoben werden kann. Die drei jungen Frauen zeigen, wie lustvoll es sein kann von der Konsumentinnenrolle in die Produzentinnenrolle zu wechseln.

„i'm really excited to see young girls interested in feminism!“ sleepwalksidewalk URL: http://www.youtube.com/watch?v=7NR2j_zNm6Q&feature=related [20.9.2008]

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„Beautiful! I love your video, Le Tigre would be proud!“ PanikDream URL: http://www.youtube.com/watch?v=7NR2j_zNm6Q&feature=related [20.9.2008]

Diese zwei Kommentare zeigen, dass die drei jungen Frauen ein feministisches Video gedreht haben. Ob sie sich dessen bewusst sind spielt keine Rolle. Sie haben sich der dominanten Ideologie entzogen und gezeigt, dass sie ein Video ohne Männer drehen können. Die drei jungen Frauen haben ein DIY Video gedreht, ganz gleich wie es Riot Grrrls und Le Tigre proklamieren. Die drei jungen Frauen wurden von KonsumentInnen der „Kulturindustrie“ zu Produzentinnen von Popularkultur im Sinne von John Fiske: „Popularkultur wird von den verschiedenen Formationen unterdrückter oder entmachteter Menschen aus den sowohl diskursiven wie materiellen Ressourcen hergestellt, die von jenem sozialem System geliefert werden, das sie entmachtet“ (Fiske, 2000, S.14) Zu den entmachteten Menschen zählen junge Mädchen. Sie haben in der Gesellschaft meist eine untergeordnete Rolle. Man(n) würde ihnen nicht zutrauen ein Video selbst zu produzieren. Sie schaffen einen Gegendiskurs zur dominanten Ideologie. Als materielle Ressource ist die Nutzung der ihnen zur Verfügung stehenden Technik zu nennen. Als diskursive Ressource ist der Erzählstrang ihres Videos zu nennen. Das zweite Video, dass ich ausgewählt habe ist von der Userin iamthewalruss

[URL: http://www.youtube.com/watch?v=WcogCYVQi_c&feature=related [20.9.2008]. Dieses Video zählt zu den Videos, in denen die Choreographie aus dem Deceptacon Video nachgetanzt wird. Das Video von iamthewalruss zeigt zwei junge Frauen wie sie in ihrem Zimmer die zuvor einstudierte Choreographie tanzen.

„you girls did such a good job on this im extremley impressed“ theyattack URL http://www.youtube.com/watch?v=WcogCYVQi_c&feature=related [20.9.2008]

„Yeah, great, you must have practiced a lot. You made some, but it's best fanmade around.“ Ragnarok URL http://www.youtube.com/watch?v=WcogCYVQi_c&feature=related [20.9.2008]

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Die Kommentare der UserInnen zeigen, dass es auf youtube soziale Praktik ist sich gegenseitig zu ermächtigen. Durch den Konsum von Le Tigre wurden UserInnen ermuntert, zu tanzen. Durch den Tanz können Frauen sich von Männern abgrenzen. Sie können Raum für sich und ihr Körperempfinden entdecken. Tanzen zählt bei vielen jungen Frauen zur Alltagspraxis. Tanzen kann mehr als körperliche Betätigung interpretiert werden. In der einstudierten Choreographie schaffen Mädchen es, sich von sozialen Restriktionen auszuschließen:

„Girls often spend hours with girlfriends practising cheerleading routines, synchronised swimming moves, jump-rope patterns. Choreographed movement provides a critical bond between girls and a means for negotiating social restriction on the presentation and signification of their female bodies.“ (Lewis, 1993, S.140)

Durch die Choreographie erlangen die Mädchen ein neues, anderes Körpergefühl. Im Tanz von Deceptacon empfinden Frauen (und Männer) pleasure. Sie können ihre Form von Sexualität ausleben. Sie können ihren Körper kennen lernen. Der weibliche Körper ist der Raum, über den nur sie bestimmen können. Die Tatsache, dass hauptsächlich Frauen in den Videos tanzen, begründen McRobbie et al (1989) damit, dass Tanz im 20. Jahrhundert dem Weiblichen zugeschrieben wird. Mit dem Aufkommen der Moderne und den damit zusammenhängende kapitalistischen Produktionsbedingungen wird Tanz, der als etwas naturalistisches, sinnliches angesehen wird, dem Weiblichen zugeschrieben, während mit dem Prozess der Arbeit und der Vernunft mit Männlichkeit assoziiert wird. Ein weiterer Punkt dafür, dass Tanz mit Weiblichkeit verbunden wird, ist, dass der Begriff Arbeit und Ökonomie Freizeit und Lust, übergestellt wurde. Tanz wurde zur trivialen Freizeitaktivität, als etwas, dass eher dem Weiblichen angepasst wurde. Die Auflösung der Gemeinschaft hatte auch auf das gemeinsame Tanzritual und das damit zusammen hängende Werben um Frauen Einfluss, was bei Männern Unbehagen erzeugt hat. Da Frauen immer mehr die Rolle der häuslichen Pflegerin zukam, wurde die Chance von sexuellem Ausdruck und Spiel 45

limitiert. Tanz war in diesem Falle Chance für Aktivität und freien Ausdruck von sinnlichem Erlebnis. Als letzter Punkt ist anzugeben, dass der weibliche Körper als Spektakel immer stärker in den Blick von medialen Texten gelangte (vgl. Lewis, 2006, S.308). Auffallend bei der Sichtung der produzierten Tanzvideos ist, dass hauptsächlich Frauen den Tanz erlernt haben. Dies bestätigt McRobbies (1989) Annahme, dass Tanz heutzutage hauptsächlich eine Form von weiblichem Vergnügens ist. 46

9 Produktion - Die Auflösung des patriarchalen Technikdiskurses

Abbildung 2 Die Bühne von Le Tigre

Quelle: URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/gear/gear.html [20.9.2008]

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Abbildung 3 Zeichnung des Monitormischpultes von Mary Alafetich

Quelle: [URL http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/gear/gear.html [20.9.2008]

„OK, NOW THAT YOU KNOW ALL OF OUR SECRETS, START YOUR OWN FEMINIST ELECTRONIC BAND AND COME KICK OUR ASSES!!! Love, LT“

In dem nächsten Punkt Produktion soll gezeigt werden, wie Le Tigre einen Gegendiskurs zum dominanten Technikdiskurs schaffen. In der dominanten Vorstellung wird Technik dem Männlichen zugeschrieben. Le Tigre schaffen einen Gegendiskurs, indem sie immer wieder betonen, dass sie alles selbst produzieren. Sie betonen, dass sie die ProduzentInnen ihre Kunst sind. Über ihre Homepage illustrieren sie, wie sie einen Gegendiskurs zur dominanten Ideologie schaffen. Die geschieht auf der Gear‘n’Stuff Seite von Le Tigre. Im ersten Abschnitt führe ich die Monitormischerin Mary Alafetich, die ihren Arbeitsalltag erläutert, an. In zweiten Punkt zeige ich, wie Le Tigre ihre Produktionsmittel erklären. In dem „Gear‘n’Stuff“ Abschnitt der Le Tigre Homepage erläutert Mary Alafetich ihre Vorgehens- und Arbeitsweise als Monitormixerin. Mary arbeitet in einer männlichen Domäne, der Tontechnik: 48

„ I am responsible for the sound on stage, what the band hears of themselves during the show. This is delivered to the band via stage monitors, or wedges, which are usually arranged in front of each band member.“ URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/gear/gear.html [20.9.2008]

Mary erläutert einen Arbeitstag und gibt Tipps, worauf es bei der Arbeit als Tontechnikerin ankommt. Sie gibt auch Insiderwissen weiter:

„Changes in the room temperature, humidity and body mass can change how sound behaves dramatically on and off the stage.“ URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/gear/gear.html [20.9.2008]

Weiters lüftet sie das Geheimnis, wie eine Rückkopplung entsteht.

„Feedback occurs when you have a loop of a source sound. For instance, Kathleen sings into her vocal mic, I make that sound come through her wedges. At some point, if I turn it up quite loud, the vocal from the wedges comes through the microphone again, creating that loop of feedback. The feedback may be caused by one or many frequencies; my job is to cut out the offending frequencies without turning the vocal down, so that Kathleen can still hear herself well and doesn’t sound like she’s trapped inside a crystal ball.“ URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/gear/gear.html [20.9.2008]

Wie Mary Alafetich über Technik spricht und ihr Wissen weitergibt, erzeugt eine widerspenstige Bedeutung des patriarchalen Technikdiskurses. Der patriarchale Technikdiskurs erfährt so eine widerständige Bedeutung. Da davon auszugehen ist, dass hauptsächlich Frauen Le Tigre Fans, sind, können sie empowerment erfahren. Sie können ermutigt werden sich hinter ein Mischpult zu setzen und/oder eine eigene Band zu gründen. 49

Was Le Tigre auf ihrer Homepage tun, indem sie Mary Alafetich anführen ist, das hierarchische Verhältnis zwischen KünstlerIn und den ArbeiterInnen, die am künstlerischen Schaffensprozess beteiligt sind, aufzulösen. Es erscheint uns als normal, dass die Kunst der Künstlerin/des Künstlers im Vordergrund steht und soziale Beachtung findet. Bei näherer Analyse des Produktionsprozesses wird klar, dass dieser kollektives Handeln voraussetzt. Die „Theorie von Kunst als einer Form kollektiven Handelns“ (Becker, 1997, S.23) bezieht sich auf den Künstler uns Kunstsoziologen Howard S. Becker. Dieser geht davon aus, dass für das Schaffen von Kunst, kollektives Handeln notwendig ist. Er geht davon aus, dass „alle Kunst, die wir kennen, von komplizierten Netzwerken der Kooperation abhängig ist.“ (Becker, 1997. S.24) Er stellt die Berechtigte Frage: Wer als KünstlerIn am Kunstschaffungsprozess definiert wird, und wer nicht? Er ist der Meinung:

„Die Kunstwelten unterscheiden sich in der Art, wie sie den Titel „Künstler“ vergeben und in den Mechanismen, die darüber entscheiden, wer den Titel „Künstler“ erhält und wer nicht.“ (Becker, 1997, S.25)

Er betont den sozialen Charakter von Kunst. „Kunst ist sozial, da sie von Menschen geschaffen wird, die miteinander in Netzwerken kooperieren“ (Becker, 1997, S.37) Dieser soziale Charakter trifft auch auf die Kunst von Le Tigre zu. Von Bedeutung ist jedoch auch, wie von KünstlerInnen der Produktionsprozess repräsentiert wird. Im Falle von Le Tigre kommt es zu einem Bruch mit der dominanten Ideologie. Durch das Anführen der MitarbeiterInnen kommt es zu einer Demokratisierung der Produktion von Kunst. Dadurch kann es beim Konsumenten zu empowerment kommen. Aus Genderperspektive können auch Frauen, die allzu oft in der Rolle des Fans gesehen werden, eine neue Perspektive erlangen. Auch sie können mehr als „nur“ Fans sein. Sie können aktiv am Produktionsprozess von Kunst beteiligt sein, der patriarchal dominiert ist. 50

Im zweiten Teil der GearnStuff Seite erklären Le Tigre, mit welchen Equipment sie im Studio und bei live Performances arbeitet.

„Please note: the point here is not to endorse any specific products and it is certainly not to argue for any kind of retro-tech 80’s old-schoolism. We advocate artistic risk-taking with no prescribed starting point or budget while acknowledging that tedious periods of technical overhaul and demoralizing encounters with male authoritarianism have paved the path of our self-education. Also, the following isn’t really the best way to answer the question “how should I get started?” or “what should I buy?” It’s more like a case study.“ URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/gear/gear.html [20.9.2008]

Die meisten Musikgruppen machen um die Produktion ihrer Kunst und ihrer Musikstücke ein Geheimnis. Wissen ist Macht und um Macht wird ständig gerungen. Das Wissenskapital wird nicht mit der Öffentlichkeit geteilt. Bei Le Tigre verhält es sich konträr. Da ihr Musikprojekt teil einer feministisch queeren Politik ist, wird das Wissen um den Entstehungsprozess ihrer Kunstprodukte mit der Öffentlichkeit geteilt. Aus Sicht der MusikerInnen besteht eine Abtrennung zwischen KünstlerIn und RezipientIn. Bei der Riot Grrrl Kultur geht es um empowerment. Le Tigre ermutigen Frauen, sich von der dominanten Bedeutung, dass Frauen mit technischen Geräten nicht umgehen könnten, zu befreien. Le Tigre vermitteln dem Technikdiskurs eine neue Bedeutung, indem sie ihre technischen Produktionsmitteln auf ihrer Homepage der Öffentlichkeit zugänglich machen. Was auf der Homepage von Le Tigre zu beobachten ist, ist eine Verschiebung der dominanten Verhältnisse von ProduzentInnen und KonsumentInnen. Die KonsumentIn/Der Konsument wird durch die Veröffentlichung der Produktionsmittel zur ProduzentIn „umfunktioniert“ (Benjamin, 1974). Benjamin, der sich in seiner Rede auf Brecht bezieht und ihn als ersten Intellektuellen anführt, der für eine Veränderung des Produktionapparates eintrat, fordert „den Produktionsapparat nicht zu beliefern, ohne ihn zugleich, nach Maßgabe des Möglichen, im Sinne des Sozialismus zu verändern.“ (Benjamin, 1934, S.691). Rosa Reitsamer wendet Brechts und Benjamins 51

Überlegungen auf die Popularkultur an. Benjamins Forderungen haben nichts an Aktualität eingebüßt:

„Diese Forderung erfährt eine praktische Umsetzung, wenn ProduzentInnen zur Produktion anleiten und KonsumentInnen die Position von ProduzentInnen einnehmen.“ (Reitsamer, 2005, S.1)

Genau diese Umfunktionierung von KonsumentInnen- auf ProduzentInnenseite ist durch den Konsum von der Homepage und dem Text Le Tigre möglich. Die Homepage und der Text Le Tigre können nach Bourdieu als Felder der kulturellen Produktion definiert werden. „Sie [Anm. d. Verf. die Felder der kulturellen Produktion] versuchen Funktionsgesetzen zu folgen und Machtbeziehungen zu etablieren, die sich von jenen der Politik und der Ökonomie unterscheiden.“ (Reitsamer, 2005, S.1) Ein Beispiel für die Etablierung von politischer Macht, wäre der Versuch der Zerstörung des Technik Mythos. Die negative Konnotation, bzw. das Belächeln von Frauen und Technik soll eine neue Bedeutung erfahren. Durch den Konsum der Homepage und den Text Le Tigre können Frauen (und Männer) erfahren, wie es funktioniert Musik zu produzieren. Sie erfahren eine Affirmation MusikproduzentInnen zu werden.

Eine Aushebelung der Ökonomie der kapitalistischen Produktionsweisen ist ebenso möglich. Die Konsumation der Homepage ist kostenlos. So kann frau sich kostenlos Wissenskapital, das sonst nur in elitären MusikerInnen zugänglich ist und gegen Entgelt weitergegeben wird, aneignen.

„Auch hier ist also für den Autor als Produzenten der technische Fortschritt die Grundlage seines politischen. Mit anderen Worten: erst die Überwindung jener Kompetenzen im Prozeß der geistigen Produktion, welche, der bürgerlichen Auffassung zufolge, dessen Ordnung bilden, macht diese Produktion politisch tauglich; und zwar müssen die 52

Kompetenzschranken von beiden Produktivkräften, die sie zu trennen waren, vereint gebrochen werden.“ (Benjamin, 1934, S.693)

Ein Bruch in den Kompetenzschranken, ist heute durch das WWW möglich. Die Trennung von Autor und Produzent ist durch das WWW als kulturelles Feld möglich. Der Musiker Hans Eisler sah in den dreißiger Jahren in dem Rationalisierungsprozess der Musik durch Schallplatten, Tonfilm und Musikautomaten einen Rationalisierungsprozess, der die Reproduktion von Musik auf eine kleiner werdende Spezialistengruppe reduzierte (vgl. Benjamin, 1934, S.694). Dieser Prozess ist durch die Möglichkeiten des WWW verhindert worden. Der Konsument/Die Konsument hat nun die Möglichkeit, Teil dieser Spezialistengruppe zu werden. Jede/Jeder kann durch das Internet zum Spezialisten/zur Spezialistin werden. Ob H.M. Enzensberger, Berthold Brecht und Walter Benjamin ihre Visionen erfüllt gesehen hätten, oder ob sie das Internet als Bewusstseinsmaschine oder als Teil der Kulturindustrie ansehen würden, bleibt unbeantwortet. Kritik an den Möglichkeiten des Internets ist, dass nicht alle Menschen Zugang zum Internet oder einen Computer haben. Es bleibt den westlichen Industrieländern vorbehalten, Affirmation aus dem Internet zu beziehen.

10 Regulierung

Unser Leben ist an unendlich viele Regeln gebunden. Regulierungen betreffen unseren gesamten Alltag; den Arbeitsalltag, den Medienalltag,...kurz gesagt unser ganzes Leben. So sind auch kulturelle Artefakte nicht von Regulierungen ausgeschlossen. Regulierung wird in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Politik kontrovers diskutiert. Mit dem Aufkommen des Kapitalismus als unangefochtenes globales Wirtschaftssystem stieg der Druck auf Staaten die Industrie zu privatisieren und Grenzen für den freien Handel und die Kommunikation abzubauen. Nationalstaaten mussten sich immer mehr 53

die Frage stellen, wie sie ihre nationale Autonomie und die Interessen und Rechte ihrer BürgerInnen schützen sollten. In manchen Bereichen wurde De-Regulierung zurückgewiesen. Ein Beispiel dafür sind die 1993 stattfindenden GATT Verhandlungen der EU mit den USA über die De-Regulierung von Film- und Fernsehhandel. Die EU bekämpfte in den Gatt Verhandlung, den Vorschlag der USA Filmhandel zu de- regulieren. Die EU ist der Meinung, dass audiovisuelle Medien Kunst seien; und damit gefördert werden muss. Die USA forderte die Streichung der Förderung und forderte Film als Ware zu deklarieren. In Frankreich, Kanada und anderen Ländern besteht die Furcht, dass durch die De-Regulierung der audiovisuellen Medien die europäische Kultur geschwächt werden könnte (vgl. Thompson, 1997, S.1). Festgehalten werden muss, dass „cultural regulation and de-regulation raise issues broader than matters of free trade and transnational communication.“ (ebenda, S.1) Denn:

„The production and consumption of cultural representations affects the construction of identities – national, ethnic, religious, occupational, familial, sex and gender. Modern societies are increasingly pluralistic and multicultural, composed of groups holding very different cultural meanings, values and tastes. Meanings regulate and organize conduct and practices – they help to set the rules, norms and conventions by which social life is ordered and governed.“ (ebenda, S.1)

Regulierung ist kontextabhängig und kann sich, einerseits auf Regierungspolitik und Regulierungen, im Zusammenhang mit deren Wechsel, deren Anschaffung und deren Prozessen von De-Regulierung, andererseits in einem allgemeinem Verständnis auf die Reproduktion von gewissen Mustern und die Ordnung von bedeutenden Praktiken (was erscheint uns als „natürlich“ und „normal“), beziehen (vgl. ebenda, S.3). Da davon auszugehen ist, dass um Bedeutung ständig gerungen wird, kommt es unweigerlich zur Verschiebung von Machtstrukturen.

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„Regulation does not mechanically reproduce the status quo. It is a dynamic process that is often contested, and while the outcome is likely to be affected by economic pressures and power structures, we will argue that it also depends on the specific circumstances and on the creative actions of individuals and groups.“ (ebenda, S.3)

Diese kreativen Handlungen von Individuen und Gruppen soll in den nächsten Kapiteln analysiert werden. Le Tigre ist eine dieser Gruppen, die auf kreative Weise, eine hegemoniale Geschlechtsidentität in Frage stellt. Sexualität ist einer der Drehpunkte von Macht. Auf dem geschlechterpolitischen Terrain wird um den Diskurs was „normale“ Sexualität und was „nicht normale“ Sexualität ist, gekämpft. Das hegemoniale Bild von „natürlicher“ Sexualität entspricht der monogamen Mann/Frau Beziehung. Im Gegensatz dazu kämpfen Schwulen und Lesbenbewegungen um soziale Anerkennung und um ihre Rechte. Diesen Kampf um Bedeutung gehen auch Le Tigre ein. Ihre Kampfansage beginnt mit der Infragestellung von gesellschaftlich konstruiertem Geschlecht. Beispielsweise in dem Song On-Guard (2002) vom Album „Feminist Sweepstakes. Die letzten Textzeilen lauten:

„On Guard)Are you a girl or a boy?

(On Guard)Are you a girl or a boy?

(On Guard)Are you a girl or a boy?

(On Guard)Are you a girl or a boy?

ENGUARDE ENGUARDE ENGUARDE ENGUARDE...... “ (Le Tigre, On-Guard, 2002) 55

10.1 Regulierungstheorie

Kulturelle Regulierung basiert auf Marxens Ansätzen, dass die ökonomische Produktionsweise Kultur in jeder Epoche und Periode determiniert. Marx zeigte, dass er sich dem reziproken und komplizierten Verhältnis zwischen Ökonomie und Kultur bewusst war. Gramsci nahm Marxens Überlegungen auf und entwickelte daraus die Regulierungstheorien. In seinem Artikel über den Fordismus beschrieb er den Wechsel der Produktions- und Konsumationsweise, der die moralische Regulierung beinhaltete (vgl. Thompson, 1997, S.15). Zu dieser moralischen Regulierung gehört die Kleinfamilie. Die Kleinfamilie ist zum gesellschaftlichen Standard der Akkumulation von Finanzkapital geworden. Zu der moralischen Hegemonie der Kleinfamilie gehört ein monogames Mann/Frau Verhältnis. Die sexuelle Identität der beiden ist eindeutigen und klaren Regeln unterworfen. Heteronormative Muster bleiben bestehen:

„...moral regulation attempts to ‘normalize‘ historically and socially specific norms forms of behaviour as universal. Where moral regulation is successful, people accept certain forms of identity, practice and association as ‘natural’ or ‘inevitable’ and reject other forms as ‘deviant’ or ‘impossible’.“ (Thompson, 1997, S.16)

Die Familie wird oft als natürliche, anstrebenswerte Einheit angesehen. Schwulen- und Lesbenpärchen- oder -Ehen werden als unvorstellbar, von der Norm abweichend oder einfach nur als unmöglich angesehen.

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10.2 Die De-Regulierung von dominanten Geschlechtsbildern

Homosexuelle Gruppen sind Minderheiten und werden oftmals an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Sie sind aus gesellschaftlicher Sicht Vorurteilen, stereotypen Bildern von Schwulen und Lesben und gesetzlichen wie moralischen und Regulierungen ausgesetzt. In den Massenmedien sind Schwulen- und Lesbenbewegungen eine Randgruppe und sind deshalb in ihnen oft unterrepräsentiert. Da ich von einem Kampf um Bedeutung und einer umkämpften Geschlechtsidentität ausgehe, möchte ich in folgendem Kapitel zeigen, wie das kulturelle Artefakt Le Tigre eine Gegenkultur zur dominanten Kultur herstellt.

10.2.1 Die De-Regulierung von Geschlechtsidentität

Politischen AktivisitInnen kann oft eine übertriebene Ernsthaftigkeit und Verbissenheit im Kampf um Bedeutung vorgeworfen werden. Die Band Le Tigre geht einen anderen Weg. Über die Methode der Parodie versuchen sie Geschlechtsidentitäten auf parodistische Weise zu hinterfragen. Wenn es um Regulierung geht, wird in erster Linie vermutlich an marktwirtschaftliche und/oder staatliche Regulierung und/oder an medienrechtliche Regulierung gedacht. Da ich jedoch davon ausgehe, dass Ökonomie untrennbar mit Kultur verbunden ist, will ich den Aspekt der moralischen Regulierung von gleichgeschlechtlicher Sexualität am Beispiel von Le Tigre analysieren und aufzeigen auf welche Weise der Text Le Tigre eine Gegenkultur zu heteronormativen dominanten Kultur erzeugt. Regulierung ist im Zusammenhang mit Sub(Kultur) ein bedeutender Aspekt, da Geschlecht und Gender in einem ideologischen Spannungsfeld liegen. Durch sich stets verändernden soziokulturellen Elemente von Produktion, Konsumation, Repräsentation, und Identität unterliegt die Konstruktion von Geschlecht und Identität Regulierungen. 57

Le Tigre schaffen mit dem Song „Keep on livin“ einen Gegendiskurs zu heteronormativer Sexualität. Ihre Auffassung von „normaler“ Sexualität ist die einer gleichgeschlechtlichen sexuellen Identität. Die Bedeutung von „normaler“ Sexualität erfährt eine neue Bedeutung. Der dominante patriarchale Sexualitätsdiskurs wird mit einem queeren Sexualitätsdiskurs ersetzt. Die uneindeutige Geschlechtsidentität, die im Spannungsfeld zu der heteronormativen Geschlechtsidentität liegt, wird durch Le Tigre de-reguliert; mit einer neuen Bedeutung versehen; die schwul/lesbische Sexualität erfährt empowerment. Der Text zu keep on livin´:

„You hide inside, so not okay (keep on, keep on livin') What if you remember more today? (keep on, keep on livin') The phone keeps ringing, there's too much to say (keep on, keep on livin') You tell them to go when you wish they would stay (keep on, keep on livin')

You gotta keep on (keep on livin!) You gotta keep on (keep on livin!) You gotta keep on (keep on livin!) You gotta keep on (keep on livin!)

Disproportionate reactions just won't fade (keep on, keep on livin') Every dude you see puts you in a rage (keep on, keep on livin') Or stupid shit keeps making you cry (keep on, keep on livin') Your friends are worried you won't tell them why (keep on, keep on livin')

You gotta keep on (keep on livin!) You gotta keep on (keep on livin!) You gotta keep on (keep on livin!) You gotta keep on (keep on livin!)

Look up to the sky sky sky Take back your own tonight You'll find more than you see It's time now now get ready So you can taste that sweet sweet cake and Feel the warm water in a lake (y'know) What about the nice cool breeze and Hear the buzzing of the bumble bees Live past those neighborhood lives and 58

Go past that yard outside and Push thru their greatest fears and live past your memories tears cuz You don't need to scratch inside just please Hold onto your pride So don't let them bring you down and Don't let them fuck you around cuz Those are your arms that is your heart and No no they can't tear you apart cuz

This is your time this is your life and This is your time this is your life and This is your time this is your life and This is your time this is your life and....

You gotta keep on(keep on livin!) Gotta keep on(keep on livin!) You gotta keep on(keep on livin!) Gotta keep on(keep on livin!) You gotta keep on(keep on livin!) Gotta keep on(keep on livin!) You gotta keep on(keep on livin!) You gotta keep on(keep on livin!)

Bleib am Leben egal was auch geschehen sein mag, ist die Kernaussage von Le Tigre´s „keep on livin“. Der Text wurde von Kathleen Hanna und JD Samson geschrieben. Kathleen Hanna verarbeitet in „keep on livin“ die Erfahrung des sexuellen Missbrauches in ihrer Kindheit. JD Samson erzählt über die Erfahrung nach ihrem Outing. So unterschiedlich die zwei Themen auch sind, hat der Text ein große Gemeinsamkeit: sein/ihr Leben in die Hand zu nehmen; nicht von außen regeln zu lassen. Um mich dem Text analytisch zu nähern, möchte ich mich auf Fiske (1992) und seine These von produzierbaren (producerly texts) Texten beziehen. Fiske bezieht sich bei seinen Analysen von Popularkultur auf Barthes und seinen Erklärungen zu Texten. Barthes geht von lesbaren (readerly) und schreibbaren (writerly) texts aus. Es kann gesagt werde, dass „a readerly text invites an essentially passive, receptive, disciplined reader who tends to accept its meanings as already made.“ (Fiske, 1992, S.103) Dem gegenüber steht der writerly text, „which challenges the reader contantly to rewrite it, to make sense of it. It foregeounds its own textual constructedness and invites the reader to participate in the construction of meaning.“ (Fiske, 1992, S.103) Ein Beispiel für einen 59

writerly text wäre ein Avantgarde Text. Ausgehend von Barthes Überlegungen baute Fiske die Textarten um den producerly text aus:

„The category of the producerly is needed to describe the popular writerly text, a text whose writerly reading is not necessary difficult, that does not challenge the reader to make sense of it, does not faze the reader with its sense of shocking difference both from other texts and from the everyday.“ (Fiske, 1992, S.103-104)

Ein producerly hat die „leichte“ Lesbarkeit und dennoch die Offenheit eines writerly Textes. Der springende Punkt ist, dass der Leser/die Leserin, die in der dominanten Ideologie eingebettet ist, dennoch eine widerspenstige Lesart entwickeln kann. Der produzierbare Text ist widersprüchlich. Er beinhaltet die dominante, wie eine widerspenstige Lesart:

„it containes, while attempting to repress them, voices that contradict the one it prefers; it has loose ends that escape its control, its meanings exceed its own power to discipline them, it gaps are enough for whole new texts to be produced in them – it is, in a very real sense, beyond its own control.“ (Fiske, 1992, S.104)

Der Text zu keep on livin ist ein produzierbarer Text. Dieser Text ist einerseits lesbar (readerly), leicht zu lesen und ist andererseits ideologisch offen. Der Titel „keep on livin“ beinhaltet die Phrase: „bleib am leben“. Durch die unzähligen Lebensratgeber wird die dominante Leseart am leben zu bleiben, vermittelt. In schwierigen Lebenssituationen geben diese Rat, wie man/frau am besten am leben bleibt; sich der dominanten Ideologie fügt. Le Tigre nehmen diesen am Lebens zu bleiben Diskurs auf. Lebensratgeber sind Teil der Disziplinarmechanismen. Sie sind in die hegemoniale Ideologie eingebettet und enthalten dennoch widerspenstige Ideologie. Nach eigenen Angaben wollen sie mit dem Song ihre Krisen vermitteln. JD die ihres Outing. Kathleen Hanna ihres sexuellen Missbrauches. 60

Auf phonetischer Ebene klingt der Song vertraut. Der Song ist einfach aufgebaut und enthält Elemente der Punkmusik. Durch das Schlagzeug wird die Monotonie betont, was für Eingängigkeit sorgt. Diese Stilelement können bei der Hörerin/beim Hörer eine Vertrautheit schaffen, da sie Teil der Popularkultur sind. Die Popularität bei diesem Song entsteht durch die Verwendung von populären Elementen, sei es auf phonetischer, textueller und oder symbolischer Ebene. Dadurch kann der Hörer/die Hörerin pleasure Lust erfahren. Lust am Leben zu bleiben. Le Tigre gehen in Keep on livin den Kampf um Bedeutung ein. Sie de-regulieren Geschlechtsidentität auf der kleinsten Stufe dem Körper. Sie weichen ideologischer Kontrolle aus. Nur indem Le Tigre sich in einem hegemonialen Feld betätigen, können sie Lust hervorrufen.

11 Repräsentation

Bei diesem Punkt im Circuit of Culture geht es um die Frage wie Le Tigre sich darstellen. Le Tigre tun (und haben es getan) dies über ihren Internetauftritt, Pressefotos, ihren Texten, ihren Schallplatten, auf Live Konzerten und in ihren Videos. Dabei ist das kulturelle Artefakt Le Tigre in verschiedenen Ideologien, Bedeutungen, Diskursen und hegemonialen Prozessen eingebettet. Der Text Le Tigre befindet sich in einem ständigem Kampf um Bedeutung. Als politisch motivierte Künstlerinnen Gruppe ist es offensichtlich, dass sie über ihre Repräsentation Gegendiskurse zu einer dominanten Ideologie erzeugen. Hillmann beschreibt im „Wörterbuch der Soziologie“ (2007) Repräsentation folgend:

„(von lat. repraesentatio = Vertretung, Darstellung), Bezeichnung a) für die symbolhafte Darstellung und Wiedergabe von bestimmten Werten und Verhaltensformen;“ (Hillmann, 2007,S.747)

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Hillmanns Definition von Repräsentation ist im Verständnis der Cultural Studies unvollständig. Hillmann kann zugestimmt werden, dass es sich bei Repräsentation um die symbolhafte Wiedergabe von bestimmten Werten und Verhaltensformen handelt. Wie, d.h. über welchen Kanal Repräsentation stattfindet, wird in Hillmanns Definition vernachlässigt. Weiters bleibt bei Hillmanns Definition unerwähnt, dass sich das Subjekt in einem ständigen Kampf um Bedeutung befindet. Die Cultural Studies gehen davon aus, dass das Subjekt in verschiedene Diskurse und Ideologien eingebettet ist. Das Subjekt befindet sich in einem Netzwerk der Mikrophysik der Macht. Deshalb möchte ich in diesem Punkt, Stuart Halls Verständnis von Repräsentation darstellen und später Foucault’s Sicht von Repräsentation im Sinne von Hall anführen. Stuart Hall stellt den Zusammenhang zwischen Kultur und Repräsentation und die damit zusammenhängende Produktion von Bedeutung, über Sprache her. Sprache ist zentral „to meaning and culture and has always been regarded as the key repository of cultural values and meaning.“ (Hall, 1997, S.1) Sprache ist also die Fundgrube, über die das Subjekt kulturelle Werte und Bedeutung erfährt und vermittelt. Sprache ist, in Halls Verständnis, mehr als das, was im Alltag darunter verstanden wird.

„Language is able to do this because it operates as a representational system. In language, we use signs and symbols – wether they are sounds, written words, electronically produced images, musical notes, even objects – to stand for or represent to other people our concepts, ideas, and feelings are represented in a culture. Representation through language is therefore central to the processes by which meaning is produced.“ (Hall, 1997, S.1)

Sprache fungiert als Medium über das unsere Konzepte, Ideen und Gefühle in einer Kultur repräsentiert werden. Sprache ist in diesem Prozess wichtig, da dadurch Bedeutung produziert wird. Der Begriff der Bedeutung ist zentral für das Verständnis von Repräsentation. In diesem Zusammenhang soll noch einmal das Verständnis von Kultur erwähnt werden. „Culture...is not so much a set of things – novels and paintings or TV 62

programmes and comics – as a process, a set of practices.“ (ebenda S.2) Im Zuge des cultural turn ist das Verständnis von Kultur ein Prozess und eine Menge von Praktiken. Kulturelle Praktiken sind in diesem Zusammenhang wichtig, da „ it is participants in a culture who give meaning to people, objects and events. Things ‘in themselves’ rarely if ever have any one, fixed and unchanging meaning.“ (ebenda S.3) So kann jemand beim Hören einer Le Tigre CD verschiedene Assoziationen und Gefühle empfinden. Für eine Hörerin/Einen Hörer kann die Konsumation der Musik reine Entspannung sein. Jemand anderer kann damit seine/ihre Bindung an die feministische Bewegung bestätigt sehen und ihre/seine Identität kann ein Gefühl von empowerment erfahren. Jemand anderer kann sich in seiner sexuellen Identität durch die Repräsentation der Butch Identität von JD Samson verwirrt fühlen. Ein anderer/Eine andere kann sich durch die Uneindeutigkeit der Repräsentation von (Zwei-) Geschlechtlichkeit bestärkt fühlen, da er/sie sich in derselben Lage befindet. Eine Promotorin/Ein Promotor kann beispielsweise die uneindeutige geschlechtliche Repräsentation von Le Tigre dazu nutzen, um das „Produkt“ Le Tigre am Markt zu positionieren. In den Worten von Hall zusammen gefasst bedeutet dies: „It is by our use of things, and what we say, think and feel about them – how we represent them – that we give them a meaning.“ (ebenda S.3)

11.1 Zwei Systeme von Repräsentation

Nach Hall gibt es zwei Systeme, die im Prozess der geistigen Produktion von Bedeutung involviert sind. Dieser Prozess funktioniert über Sprache.

„It [Anm. d. Verf. die Repräsentation] is the link between concepts and language which enables us to refer to either the ‘real’ word of objects, people or events, or indeed to imaginary world of fictional objects, people and events.“ (Hall, 1997, S.17)

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11.1.1 Mentale Repräsentation

Mentale Repräsentation ist ein System „by which all sorts of objects, people and events are correlated with a set of concepts or mental representations which we carry all in our heads.“ (ebenda, S.17) Dies ist eine vereinfachte Definition eines äußerst komplexen Prozesses. Denn wir schaffen es, uns ein Bild von abstrakten Dingen wie Freundschaft, Tod, Gott, Engeln ... zu machen. Um die Gewichtigkeit von Bedeutung in diesem System zu verdeutlich, soll dies mit Halls Worten noch einmal verdeutlicht werden:

„Meaning depends on the relationship between things in the world – people, objects and events, real or fictional – and the conceptual system, which can operate as mental representations of them.“ (ebenda S.18)

Dennoch darf nicht ausgeschlossen werden, dass jede/jeder von uns ein anderes Konzept von Dingen im Kopf hat. Es ist anzunehmen, dass jeder/jede von uns die Welt verschieden interpretiert. Die Fähigkeit untereinander zu kommunizieren ist gegeben, da wir ähnliche Konzepte im Kopf haben. In diesem Fall können wir davon sprechen, dass wir derselben Kultur angehören (vgl. ebd., S.18)

11.1.2 Sprache (language)

Im Zusammenhang mit Repräsentation ist Hall der Meinung, dass Sprache zur Bedeutungskonstruktion notwendig ist. Um Bedeutungen und Konzepte auszutauschen, bedarf es einer gemeinsam geteilten Sprache. „Language is therefore the second system of representation involved in the overall process of constructing meaning.“ (ebd., S.18) Zu dem System einer gemeinsamen Sprache gehören Zeichen, die Bedeutung mit sich tragen. Diese machen das Bedeutungssystem unserer Kultur aus.

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11.3 Theorien der Repräsentation

Es gibt drei Theorien der Repräsentation, wobei sich für die Cultural Studies der konstruktivistische Ansatz als der Fruchtbarste erwiesen hat. Neben den konstruktivistischen Ansatz gibt es den abbildenden (mimetischen) Ansatz und den subjektivistischen Ansatz.

11.3.1 Der konstruktivistische (soziologische) Ansatz

Der konstruktivistische Ansatz geht davon aus, dass Repräsentation ein Prozess ist, in dem „neither things in themselves nor the individual users of language can fix meaning in language...we construct meaning, using representational systems – concepts and signs.“ (ebenda S.25) Der Gegensatz zu der abbildenden Theorie und der intentionalen Theorie in diesem Ansatz ist, dass Bedeutung nicht als fixiert angesehen werden kann. Hall fasst den konstruktivistischen Ansatz folgend zusammen:

„It is social actors who use the conceptual systems of their culture and the linguistic and other representational systems to construct meaning, to make the world meaningful and to communicate about that world meaningfully to others.“ (ebenda S.25)

Der zentrale Aspekt beim konstruktivistischen Ansatz ist, dass das Subjekt Bedeutung produziert. Sprache und die Bedeutung von Zeichen sind nichts Natürliches oder Gottgegebenes. Bedeutung entsteht im alltäglichen Prozess der Kommunikation und kann nicht fixiert werden. Bedeutung ist kontextabhängig und unterliegt ständigen Veränderungen.

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11.3.2 Innerhalb des konstruktivistischen Ansatzes

Innerhalb des konstruktivistischen Ansatzes sind der semiotische und der diskursive Ansatz zu verorten.

11.3.2.1 Semiotik

Semiotik ist die Wissenschaft von den Zeichen. Sie zählt zu den konstruktivistischen Theorien. Der Sprachwissenschafter Ferdinand de Saussure gilt als einer der wichtigsten VertreterInnen der Semiotik. Für Saussure ist die Produktion von Bedeutung von Sprache abhängig. Sprache ist ein System von Zeichen zu dem Klänge, Bilder, geschriebenen Wörter, Malerei, Fotografien, usw. zählen. Diese Zeichen funktionieren in einem Sprachsystem, wenn sie dazu dienen Ideen auszudrücken oder zu kommunizieren. Diese Ideen und Vorstellungen müssen wiederum in ein System von Konventionen eingebettet sein. Saussure unterteilt das Zeichen in zwei Elemente. Das erste Element ist das Bezeichnende und das damit korrespondierende zweite Element ist das Bezeichnete. Bezeichnendes und Bezeichnetes Zeichen befinden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis im Prozess der Produktion von Bedeutung. Das Verhältnis zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem wird von kulturellen und linguistischen Codes fixiert, welcher Repräsentation aufrechterhält. Saussure geht von der Arbitrarität der Zeichen aus. Für Saussure sind Zeichen Anhänger eines Systems, die durch das Verhältnis zu einem anderen Anhänger des Systems definiert werden. So lässt sich beispielsweise das Konzept von „Vater“ schwer ohne das Gegenstück „Mutter“ vorstellen. Gerade dieser Unterschied in der Sprache ist, nach Saussure, fundamental für die Produktion von Bedeutung (vgl. ebenda, S.31).

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11.3.2.2 Diskurse

Der Ansatz der Semiotik von Barthes und Saussure eignet sich zur Analyse von kulturellen Praktiken, jedoch kann der Semiotik vorgeworfen werden, dass das Subjekt in diesem Ansatz vernachlässigt wird. „In the semiotic approach, the subject was displaced from the centre of language.“ (ebenda S.42) Die Fragen über wie viel Macht und Wissen ein Subjekt verfügt und welchen Prozessen der Macht das Subjekt ausgesetzt ist, wird in diesem Ansatz vernachlässigt. „Models of representation, these critics argued, ought to focus on these broader issues of knowledge and power.“ (ebenda S.42) Michel Foucault’s Blick richtet sich deshalb auf den historischen Kontext und die Diskurse, Wissens- und Machtgefüge in die das Subjekt eingebettet ist.

„Foucault’s work was much more historically grounded, more attentive to historical specifities, than the semiotic approach. As he said, ‘relations of power, not relations of meaning’ were his main concern.“ (ebenda S.42)

Über Diskurse determinierte Foucault das Subjekt in seinem historischen Kontext. „What interested him were the rules and practices that produced meaningful statements and regulated discourse in different historical periods.“ (Hall, 1997, S.44) Das Konzept des Diskurses darf nicht auf Sprache reduziert werden. „It attempts to overcome the traditional distiction between what one says (language) and what one does (practice).“ (ebenda S.44) Nach Foucault konstruiert der Diskurs das Thema. Eine eindeutige Definition vermeidet Foucault in seinen Schriften. In „Archäologie des Wissens“ (1973), nähert Foucault sich einer Definition von Diskurs. So ist nach Foucault unter dem Begriff Diskurs „eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören“ (Foucault, 1973, S.156), zu verstehen. 67

Der Diskurs ist nichts Neutrales. Diskurse zirkulieren nicht frei in der Gesellschaft. Foucault geht davon aus, dass „in jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert und kanalisiert wird.“ (Foucault, 2007, S.11) Diskurse sind Orte des Kampfes und womit gekämpft wird: „er [Anm. der Verf. Der Diskurs] ist derjenige, worum und womit man kämpft; er ist die Macht deren man sich zu bemächtigen sucht.“ (Foucault, 2007, S.11) Für Foucault gibt es drei Ausschließungsmechanismen: 1. Verbote 2. Die Dichotomie Wahnsinn/Vernunft 3. Der Wille zur Wahrheit (vgl. Foucault, 2007, S.11-17)

Im Willen zur Wahrheit liegt das Begehren nach Macht: „So bietet sich unseren Augen eine Wahrheit dar, welche Reichtum und Fruchtbarkeit ist, sanfte und listig universelle Kraft. Und wir übersehen dabei den Willen zur Wahrheit – jene gewaltige Ausschließungsmaschinerie.“ (Foucault, 2007, S.17) Für Foucault bestimmt der Wissenschaftsdiskurs was wahr und was nicht wahr ist. Der Diskurs definiert und produziert die Objekte unseres Wissens. Erst über den Diskurs kann über ein Thema bedeutungsvoll geredet und nachgedacht werden. Der Diskurs beeinflusst wie Ideen in Praktik umgesetzt wird und regelt das Handeln von anderen (vgl. Hall, 1997, S.44). Der Diskurs regelt unser eigenes Verhalten und das Verhalten von anderen. Dazu gehört auch wie wir über ein Thema reden. Der Diskurs lässt sich nicht auf ein Thema beschränken.

11.4 Le Tigre und der Körper Diskurs

„Die Geschlechtsidentitäten können weder wahr noch falsch, weder wirklich noch scheinbar, weder ursprünglich noch abgeleitet sein. Als glaubwürdiger Träger solcher Attribute können sie jedoch gründlich und radikal unglaubwürdig gemacht werden.“ (Butler, 1991, S.208)

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Dieses Zitat von Judith Butler spricht die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlecht an. Was sie hier in diesem Zitat anspricht, ist dass es keine „wahre“ Geschlechtsidentität gibt, obwohl die dominante Ideologie schwule und lesbische Identitäten bestraft, unterwirft und ausschließt. Der wichtigste Punkt, den Butler hier anspricht ist, dass Geschlechtsidentitäten unglaubwürdig gemacht werden können. Geschlechtsidentitäten sind in heteronormative Ideologie eingebettet. Jedoch gibt es Räume, in denen das Subjekt sich dieser demokratiefeindlichen Ideologie widersetzen kann. Le Tigre greifen den geschlechterpolitschen und den Sexualitätsdiskurs in ihrer Repräsentation auf. In dem gesellschaftlichen Ausschließungsmechanismus des Verbots sind nach Foucault zwei Bereiche, deren Raster besonders eng ist: „die Bereiche der Sexualität und der Politik. Offensichtlich ist der Diskurs keineswegs jenes transparente und neutrale Element , in dem die Sexualität sich entwaffnet und die Politik sich befriedet, vielmehr ist er ein bevorzugter Ort, einiger ihrer bedrohlichsten Kämpfe zu entfalten“ (Foucault, 2007, S.11)

Auf dieses geschlechterpolitische, umkämpfte Terrain begeben sich Le Tigre. Ein Auszug aus dem Song Dyke March 2001 von dem Album Feminist Sweepstakes illustriert dies: „...... There is no one telling us where to stand or where to be.....Resist, Resist, Shout it out...... “ (Le Tigre: Dyke March/2001)

Sie stellen die Forderung sich zu wehren, widerspenstig zu sein; die Forderung der gesellschaftlichen Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen (laut) auszurufen; einen queeren Willen zur Wahrheit zu etablieren. Der Dyke March kann als ideologischer Freiraum betrachtet werden. Den Beherrschten eröffnen sich Räume den Disziplinar- und Kontrollmechanismen des Machtblocks zu entgehen oder zu widerstehen. M.E nach kommt es zu einer Veränderung der Repräsentation von Körpern. An vielen Beispielen ist zu sehen, dass die Bedeutung von Männlichkeit und Weiblichkeit nichts Fixes ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass Weiblichkeit und Männlichkeit 69

sozial konstruiert wird. Judith Butler hat die Theorie entwickelt, dass das biologische Geschlecht sozial konstruiert wird. Repräsentation sieht sie einerseits „als operativen Term in einem politischen Prozess, der versucht, die gesellschaftliche Sichtbarkeit und Legitimität auf die Frauen als politische Subjekte auszudehnen“, andererseits „die normative Funktion der Sprache, die das, was hinsichtlich der Kategorie „Frauen“ als „wahr“ gilt.“ (Butler, 1991, S.16) Butler, geht davon aus, dass die „Kategorie“ Frau diskursiv produziert wird:

„Die Bereiche der politischen und der sprachlichen „Repräsentation“ legen nämlich vorab die Kriterien fest, nach denen die Subjekte selbst gebildet werden, so daß nur das repräsentiert werden kann, was als Subjekt gelten kann.....Bevor die Repräsentation erweitert werden kann, muß man erst die Bedingungen erfüllen, die notwendig sind, um überhaupt Subjekt zu sein.“ (ebd., S.16)

Butler hinterfragt das biologische Geschlecht. Sie beharrt nicht auf der Formel „Biologie ist Schicksal“:

„Wenn wir jedoch den kulturell bedingten Status der Geschlechtsidentität als radikal unabhängig vom anatomischen Geschlecht denken, wird die Geschlechtsidentität zum freischwebenden Artefakt. Die Begriffe Mann und männlich können dann ebenso einfach einen männlichen und einen weiblichen Körper bezeichnet wie umgekehrt die Kategorie Frau und weiblich.“ (ebd., S.23)

Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Dichotomie von Weiblichkeit und Männlichkeit sich zunehmend auflöst. Eine klare Trennung der zwei Geschlechter besteht nicht mehr. Le Tigre brechen mit der Tradition der eindeutigen Zweigeschlechtlichkeit. Über ihre Repräsentation zelebrieren sie das Queere. Für sie ist die Uneindeutigkeit von 70

Geschlechtlichkeit etwas Normales. Sie zählt zu ihrer Alltagskultur; es ist ihr Wille zur Wahrheit. JD Samson von Le Tigre repräsentiert ihre sexuelle Identität als Butch Identität. Sie/Er posiert stolz auf Pressefotos. Sie/Er macht aus ihrer lesbischen Sexualität kein Geheimnis. Über ihre Repräsentation schaffen Le Tigre Raum für queere Identitäten. Im Kontext von Le Tigre wird das „unnatürliche“ Queere zum Alltagsdiskurs. Auf ihre Homepage erzählt JD ihre Erfahrung ihre Coming Out:

„Coming out is greatly affected by a few super important elements surrounding a person who is traveling on this life-changing journey. And for everyone, we are crawling through different holes, and trudging upon many a mountain. Depending on whether there is a supportive environment or not, the coming out process can be painful, and excruciating. Yet no matter how it seems at the time, it is always a sincere recognition of oneself, and an extreme declaration of individual.“ JD Samson URL http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/gear/gear.html [20.9.2008]

Das Queere wird im Kontext von Le Tigre nicht lächerlich gemacht. Deshalb schließe ich mich Judith Halberstam´s Sicht von queeren Subkulturen an:

„Queer subcultures produce alternative temporalities by allowing their participants to believe that their futures can be imagined according to logics that lie outside of those paradigmatic markers of life experience-namely, birth, marriage, reproduction, and death.“ (Halberstam, 2005, S.2)

Dass der Körper einer transgender Person als ein „falscher“ empfunden werden kann, liegt darin dass es kein außerhalb der Macht gibt. Die Repräsentation des Queeren bringt die eigene Identität ins Wackeln. Es kommt zu einem „Unbehagen der Geschlechter“ (Butler, 1991). Queere Repräsentationen werden in den Medien und im Alltag oft tot geschwiegen. Es sieht aus als ob ein gesamt gesellschaftlicher 71

Verdrängungsprozess stattfinden würde. Das heteronormative Bild der Familie ist hingegen Alltagskultur.

Abbildung 4 JD Samson

Quelle: URL http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/keep/keep.html [20.9.2008]

Durch die Repräsentation von JD Samson von Le Tigre ist zu beobachten, dass sie/er Lust an ihrem Körper empfindet. In Abbildung 4 wird diese Bedeutung bildlich vermittelt. Sie/Er lächelt entspannt in die Kamera. Er/Sie ist auf allen Bildern und Videos in männlicher Kleidung zu sehen. Sie vermittelt, dass es ein außerhalb des heteronormativen des heteronormativen Diskurses gibt. Im Song „Keep on Livin“ singt sie/er die Sätze: „Go past that yard outside and Push thru their greatest fears..“

Sie fordert den Rezipienten/die Rezipientin auf hinaus zu gehen; die moralische Grenze des heteronormativen Diskurses zu überschreiten. Sie spricht auch davon, dass dieser Schritt mit Einschränkungen und Ängsten verbunden ist. Dennoch lohnt es sich, seiner/ihrer Meinung nach, den Schritt zu wagen und die ideologische Grenze zu durchbrechen. 72

Besonders deutlich wird das der Le Tigre Homepage. Dort sind fast alle Songtexte abrufbar. Zu dem Song „Keep on Livin“ wurde eine eigene Seite gestaltet. Darin erläutern Kathleen Hanna und JD Samson die Entstehungsgeschichte zu „Keep on livin“. In dem Song geht es über zwei Formen des Outings. Kathleen Hanna beschreibt den sexuellen Missbrauch, den sie in ihrer Kindheit erfahren hat. JD Samson beschreibt detailliert die Schwierigkeiten ihres Outings. In einem Statement spricht darüber sich seiner Vergangenheit bewusst zu werden: „I think it is really important to look past your present life and your possibly painful history (without forgetting about it) and realize all of the beautiful places and people that there are waiting for you out in this world.“ URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/song/song.html (24.10.2008) Sie/Er spricht darüber wie schwierig es sein kann sich zu outen. Dennoch ist der ideologische Raum, der sich durch ein Outing öffnet, positiv konnotiert. Im letzten Teil ihres Statements zählt sie vier Beratungsstellen auf, an die sich Menschen fragend wenden können. JD nennt abschließend 8 Websites an die sich Hilfesuchende wenden können. Unter dem Titel „JD´s Lesbian Utopia“ hat JD einen Kalender publiziert. (vgl. URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/html_newspop/morenews.html (24.10.2008) In diesem Kalender zeigt JD eine lesbische/queere Reise quer durch Amerika in einem Wohnwagen. Der Titel „Utopia“ steht für die lesbisch/queere Utopie. Dieser Utopie sind ideologische Grenzen gesetzt. Lesbisch/Queere Lebensbeziehungen sind von moralischen Regulierungen betroffen, dennoch können Freiräume geschaffen werden. In der Bildserie zeigt sie, wie viel Lust es machen kann seine/ihre Sexualität auszuleben. Sie zeigt eine Welt in der queere Menschen nicht von Ausgrenzung und sozialer Stigmatisierung betroffen sind. Das Titelbild zeigt beispielsweise wie JD in seinem/ihrem Butch Look lässig über eine Wiese schlendert. Diese Szene vermittelt etwas Romantisches. Dieses Bild vermittelt Freiheit. Dieser Eindruck entsteht durch den ernsten, nachdenklichen Blick in die Sonne. JDs Konstruktion ihrer Butch Identität entsteht durch die unrasierten Beine, das weiße Unterhemd und dem Strohhut. Sie stellt ihre Butch Identität stolz zur Schau. Dies ist ein Beispiel für eine widerspenstige Sexuelle Identität. Die Darstellung von JD ist positiv. Sie versteckt sich nicht. Spricht offen über ihre Sexualität. Dies ist ein Beispiel, wie sich der Diskurs über Transgender Identitäten ändern kann. Im Raum um Le Tigre wird das „Unnatürliche“ 73

mit einer neuen Bedeutung besetzt. Das „Unnatürliche“ ist in ihrem Kontext natürlich. Die Bedeutung von „natürlicher“ Sexualität, erfährt eine neue Bedeutung. Le Tigre zeigen, dass auch ein anderer Umgang mit dem Queeren möglich ist. Sie outen sich öffentlich und thematisieren ihre politischen und queeren Ansichten in ihren Texten; auf ihrer Homepage gibt es Anleitung zu queeren Empowerment. JD Samson zeigt offen ihre Butch Identität. Sie wird spielerisch ins künstlerische Gesamtkonzept der Band eingebaut. Le Tigre geben Raum für eine queere Identität. Hier wird das queere nicht ins Lächerliche gezogen, sondern ist Alltagspraxis.

JD Samson sorgt für Unbehagen der Geschlechter über ihre/seine Repräsentation. Beispielsweise durch das Tragen eines Oberlippenbartes. Die Brüste, die als anatomisches Merkmal der Kategorie Frau gelten, versteckt JD. Der Bart gilt als biologisches Merkmal der „Kategorie“ Mann. Die Uneindeutige Repräsentation von Geschlechtsidentität löst Unbehagen aus. JD sorgt für Verwirrung. Auf der Internetseite des Jugend- und Alternativsenders FM4 wird in einem redaktionellem Internetbeitrag das Album „New Kicks“ von Le Tigre vorgestellt und das darauf folgenden Live Auftritt der Band angekündigt. URL: http://fm4.orf.at/connected/181904/main [20.9.2008] Die Beiträge auf der FM4 Homepage können von den UserInnen kommentiert und diskutiert werden. Auf einem Bild in dem Beitrag sind Johanna Fateman und JD Samson zu sehen, wie sie im FM4 Studio zu Gast sind. In der Diskussion kommentieren die UserInnen einerseits den Ausverkauf der Band und andererseits die Geschlechtsidentität von JD Samson. cystem7 kommentiert das Bild der beiden MusikerInnen folgendermaßen:

„der in der Mitte hat schmutz über der oberlippe“ URL: http://fm4.orf.at/connected/181904/main [20.9.2008]

Dieser Kommentar wird nach einer Stunde von UserInnen kommentiert und diskutiert.

Paranoidandroid22 schreibt: 74

„DER ist angeblich aber wirklich eine Frau...“ utehoelzl schreibt: „“der“ in der mitte ist tatsächlich eine frau. olala“ fluch kommentiert wiederum: „madame moustache, wie edle ritter haarige gespielinnen einst zu nennen pflegten.(obwohl das wort gespielinen in diesem forum natürlich gesetzlich ganz viel verboten ist).“ utehoelzl erwidert auf diesem Kommentar: „von mir verboten ;)“ eleon fragt: „was hat der mut zum magnum-schnauzer mit feminismus zu tun?“ auf diese Frage beendet der User/die Userin blumenau mit der Frage und Feststellung: „vielleicht nährt er den neid bartloser zwergenmännchen?“ URL: http://fm4.orf.at/connected/181904/main [20.9.2008]

Die Diskussion über die biologische und gesellschaftlich konstruierte Geschlechtsidentität von JD Samson beginnt mit einem abwertenden Kommentar über JD Samson. cystem7 nimmt wahrscheinlich an, dass JD ein „er“ ist. paranoid22 spricht in seiner/ihrer Antwort die Uneindeutigkeit von Geschlechtern an. Mit den Worten „angeblich“ was eine Vermutung ausdrückt und „wirklich“. Dies tut sie/er mit dem unter Anführungszeichen gestellten „der“ kommentiert utehoelzl wiederum, dass sie/er sich sicher ist, dass „er“ eine „sie“ ist, und schafft mit dem unter Anführungszeichen gestellten der, eine hierarchiefreie Basis, da das Wort der in diesem Zusammenhang eine negative Bedeutung hat. Die von eleon gestellte Frage, was der Oberlippenbart mit Feminismus zu tun hat, beantwortet blumenau. Indem blumenau die Bedeutung von sozial konstruierten Geschlecht anspricht. JD wird als männlich bezeichnet, und gleichzeitig spricht blumenau, das Kommentar von cystem7 an, indem er cystem7 als Zwergenmännchen bezeichnet. Ein Schluss, der bei der Diskussion gezogen werden kann, ist dass zu sehen wie Geschlecht, biologisch und gesellschaftlich, diskursiv erzeugt wird. Eine Eindeutigkeit, die Binarität, von den Kategorien „Mann“ und „Frau“ besteht nicht. Die Worte 75

„angeblich“, „wirklich“ und „bartloser zwergenmännchen“ spiegeln einerseits die Fortführung der Binarität von den Kategorien „Mann“ und „Frau“ wider, andererseits wir durch den zynischen Gebrauch des Aussage „bartloses zwergenmännchen“ diese Binarität wieder aufgehoben. Judith Butler geht von einer diskursiven Performanz von Geschlecht (biologisch und gesellschaftlich) aus. Sie sagt, dass dies heteronormative Zwangsmuster aufrechterhält: „Diese im allgemein konstruierten Akte, Gesten und Inszenierungen erweisen sich als performativ, als das Wesen oder die Identität, die sie angeblich zum Ausdruck bringen, vielmehr durch leibliche Zeichen und andere diskursive hergestellte und aufrechterhaltene Fabrikationen /Empfindungen sind.“ (Butler, 1991, S.200) Wenn davon ausgegangen wird, dass durch Performanz heterosexuelle Normen aufrechterhalten werden können, muss es auch Orte des Widerstandes geben. Ein solcher umkämpfter Raum ist JD Samson.

„Wenn dagegen die „Ursache“ des Begehrens, der Gesten und Akte im „Selbst“ des Akteurs anzusiedeln ist, werden die politischen Regulierungen und Disziplinierungsverfahren, die diese scheinbar kohärente Geschlechtsidentität hervorbringen, der Sicht entzogen.“ (Butler, 1991, S.200-201).

In der Repräsentation der Butch Identität kommt es zu De-Regulierung von heteronormativen Mustern.

„Die kulturellen Praktiken der Travestie, des Kleidertauschs und der sexuellen Stilisierung der butch/femmes – Identitäten parodieren sehr häufig die Vorstellungen von einer ursprünglichen oder primären geschlechtlich bestimmten Identität. In der feministischen Theorie wurden diese parodistischen Identitäten entweder, was die Travestie betrifft und den Kleidertausch betrifft, als Herabsetzung der Frauen oder, im Fall der lesbischen butch/femmes Identitäten , als unkritische Aneignung einer 76

stereotypen Geschlechterrolle verstanden, die aus dem Repertoire der Heterosexualität stammt.“ (Butler, 1991, S.202)

11.5 Die visuelle Repräsentation von Le Tigre über Pressefotos

Abbildung 5 Le Tigre: JD Samson, Kathleen Hanna, Johanna Fateman

Quelle: SPEX (12/2004:48-49)

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Pressefotos sind eines der wichtigsten Medien, über die sich Musikgruppen in Massenmedien repräsentieren. Pressefotos sollen die Aufmerksamkeit der Leserin/des Leser auf den Artikel ziehen. Pressefotos von Bands sind ein eigenes Stilmittel, um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Bandfotos haben hohe ästhetische Ansprüche. Bandfotos sind fester Teil des Produktions- und Präsentationskultur von MusikerInnen. Pressefotos werden vom System Journalismus verlangt. Die Sprache dieses Bildes ist die der Fotografie und die der Mode. In diesem System von Zeichen gibt es Codes, die Konventionen unterliegt. Zu diesen Konventionen zählt, dass das Bild der Ästhetik eines Pressefotos entspricht. Es ist weder unter- noch überbelichtet. Alle drei Bandmitglieder sind klar erkennbar. Wenn wir dieses Bild ansehen, können wir feststellen, dass es sich um eine Band handelt In einem Pressefoto präsentiert sich eine Band der Öffentlichkeit. In einem Pressefoto geschieht nichts zufällig; ein Schnappschuss wird kaum als Pressfoto verwendet werden. Der springende Punkt: In Pressefotos werden Bedeutungen vermittelt:

In diesem Bild sind es: 1. queere Subkultur 2. Feminismus 3. DIY Ästhetik

Dieses Foto arbeitet mit der Sprache der Mode. Es vermittelt Eleganz, Selbstvertrauen, Widerspenstigkeit und geschlechtliche Uneindeutigkeit. Alle drei KünstlerInnen tragen Kleidung, die von demselben Designer/derselben Designerin kreiert wurde. Als Oberbekleidung tragen Johanna und JD Hemden. Kathleen Hanna trägt eine Bluse. Die Oberbekleidung ist bei allen drei Künstlerinnen aus demselben Stoff gemacht. Als Unterbekleidung tragen alle weiße Bekleidung; Johanna und JD Hosen; Kathleen Hanna einen Rock. Die Band arbeitet mit einem uniformähnlichen Styling. Somit wird die Band als einheitliche Gruppe sichtbar. Indem die Band dasselbe Outfit trägt, hebt sie sich von der Masse der Nicht-KünstlerInnen ab. Künstler und Nicht-KünstlerIn werden in Konzept der Differance hergestellt. Der Künstler/Die KünstlerIn wird dadurch unterscheidbar. 78

Ein Signifikant in diesem Bild ist das Hemd mit Krawatte von Johanna Fateman. Das Signifikat zu dem Signifikant „Hemd mit Krawatte“ ist Männlichkeit. In der dominanten Vorstellung tragen hauptsächlich Männer Hemd und Krawatte. Krawatten werden meist mit Männlichkeit konnotiert. Hier kommt es durch das Tragen zu einem Bruch mit der dominanten Ideologie. Eine Frau wird Trägerin eines männlich konnotierten Kleidungsstückes. Das in der dominanten Vorstellung männliche Zeichen Hemd und Krawatte wird arbiträr. Es verliert seine feste Bindung. Wie erwähnt gehört zur der Riot Grrrl Kultur meist die soziale Praxis der DIY Ästhetik. Dies wird durch die Signifikanten der Kleidung vermittelt. Die Kleidung, die, die Musikerinnen tragen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit von einer Modedesignerin/einem Modedesigner produziert. Die Bluse von Kathleen Hanna ist an den Bünden nicht „sauber“ vernäht. Der konventionelle Code der Mode, würde besagen, dass die Bluse unfertig aussieht. Der Mode Code in der Riot Grrrl Kultur ist ein anderer als der in der dominanten Vorstellung. In der Riot Grrrl Kultur haben „unfertigen“ Kleidungsstücken eine positive Bedeutung. Durch die DIY Ästhetik der Bluse und der anderen manuell gefertigten Kleidung vermitteln le Tigre Kapitalismuskritik. Die dominante Vorstellung von weiblicher Ästhetik hinterfragen Kathleen Hanna und Johanna Fateman mit ihren Schuhen. Durch hohe Absätze wirken Beine länger, was für Männer erotisch wirken kann. Die weißen Ballerina-Schuhe haben keine Absätze. Die Beine wirken somit nicht länger Die queere Bedeutung erhält die Band durch JD Samson. Er/Sie trägt Kleidung, die eigentlich Männern zugeschrieben wird. Die Brille die JD Samson trägt, entspricht nicht der gängigen Vorstellung einer Frau. Weiters ist der Oberlippenbart in der dominanten Vorstellung von Weiblichkeit ein absolutes Tabu. Üblicherweise versuchen Frauen, den Bartwuchs mit allen Mitteln zu verhindern. JD lässt ihren weiblichen Bart wachsen, um männlich zu wirken. An diesem Beispiel wird ersichtlich, wie Weiblichkeit und Männlichkeit konstruiert werden kann. JD konstruiert über ihre Repräsentation Männlichkeit. Durch diese Repräsentation wird die herrschende Vorstellung der Differenz zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit aufgehoben. JD widersetzt sich mit ihrer Repräsentation heteronormativen Ideologie. 79

11.6 Le Tigre – Der Tiger: Ein semiotischer Blick auf den Bandnamen

Le Tigre kommt aus dem Französischen und bedeutet der Tiger. Die Wahl des Namens, für eine feministische und queere Band, scheint nicht ohne Grund gewählt. Signifikant ist der Le Tigre. Das mit dem Signifikanten korrespondierende Signifikat ist, der einer großen Raubkatze. Wird das Zeichen Le Tigre, das aus Signifikanten und Signikat besteht, weiter gefasst, können weitere Konzepte und Bedeutungen aus dem Zeichen assoziiert werden. Denotation zu Le Tigre lautet: größte, lebende Raubkatze, die zu den Säugetieren zählt und hauptsächlich in Asien verbreitet ist. Konnotationen zu Tiger sind: kraftvoll, elegant, tödlich, schön, gefährlich, gefährdet, graziös, schnell, lautlos,... Der Name der Band Le Tigre kann demnach als etwas interpretiert werden, dass sich zur Wehr setzen kann. Mit dem Konzept des Tigers wird auch Eleganz und Schönheit verbunden. Der Tiger kann Menschen gefährlich werden. Der Tiger ist ein Tier, das von den Menschen versucht wird zu beherrschen. Es ist bekannt, dass der Tiger ein wildes Tier ist und ist daher unberechenbar ist.

11.7 Wider dem „male gaze“

In populären Videos werden Frauen oft als „Objekte“ der Begierde dargestellt. Aus radikal feministischer Sicht wird diese Form der Repräsentation von weiblichen Körpern als negativ betrachtet. Nach Fiske und Bechdolf ist der male gaze/der männliche Blick etwas, durch das Männer Macht über Frauen ausüben können (vgl. Mikos/Neumann-Braun, S.4). In dem Musikvideo „After Dark“ (2005) von Le Tigre ist eine oppositionelle Darstellung von Weiblichkeit zu erkennen. Die Darstellung von Frauen ist in diesem Video kaum bis gar nicht sexuell konnotierbar. Die Möglichkeit eines male gaze ist in diesem Video kaum gegeben, da das Gesicht der Darstellerin, die, die linke Bildhälfte 80

beherrscht, computertechnisch mit einer gelben Maske verdeckt wird. Haare, Augen, Wangen, Lippen und Mund sind für den Betrachter/die Betrachterin nicht sichtbar. Die Darstellerin, die sitzend telefoniert, wird immer seitlich von Kopf bis zur Hüfte dargestellt. Die Brüste werden durch die Haltung ihrer linken Hand verdeckt. Durch diese Darstellung wird dem Betrachter/der Betrachterin die Möglichkeit eines male ganzes entzogen. In diesem Video dominiert die künstlerische Ästhetik, die durch eine DIY Collagen- Technik präsentiert wird. Der Ansatz geht von einem „starken“ Mann und einer „schwachen“ Frau aus. Dies bestätigt patriarchale Denkmuster, die von einer „schwachen“ Frau ausgeht. David Gauntlett’s Kritik, an Mulvey’s Ansatz aus ihrem Aufsatz „Visual pleasure and narrative cinema, 1975“, des male gaze knüpft an die Frage, wenn es einen male gaze gibt, besteht dann nicht auch die Möglichkeit eines female gazes (vgl. Gauntlett, 2006, S.39)?

„There is value in the idea that women come to learn to view themselves and other women come to learn to view themselves and other women through the ‘male ganze’, given the dominance of male-produced media; but to deny the ‘female gaze’ altogether does little service to women.“ (Gauntlett, 2002, S.39)

Dass Frauen, durch die Darstellung von weiblicher Sexualität empowerment erfahren können hat Fiske in seinen Studien zu Madonna gezeigt. Fiske argumentiert, dass es durch die Identifikation mit Madonna zu Lust, Empowerment und Widerstand kommen kann. Fiske sagt jedoch, dass die Videos von Madonna nicht nach dem Prinzip der Ursache-Wirkung funktionieren. „Die Belohnung, und daher die Motivation dafür, Bedeutungen und Relevanzen zu erzeugen, ist eine Form von semiotischer Lust, die Lust am Text. Der Umstand, daß diese Bedeutungen relevant sind, bedeutet daß diese Macht – Lust über die Grenze zwischen Text und Alltagsleben transferiert werden kann...“ (Fiske, 2000, S.149) 81

Werden diese widerspenstigen Bedeutungen und Relevanzen von den RezipientInnen erzeugt, kann dies zu empowerment führen. Diese mikropolitischen Veränderungen sind nicht offensichtlich sichtbar. Dennoch ist eine langsame Veränderung der Subjektpositionen zu beobachten. Das Subjekt ist nicht den „Verführungen“ der Kulturindustrie „ausgeliefert“. Es gibt Möglichkeiten für widerständige Subjektpositionen.

11.8 Queer Interventions – Repräsentation im Video „Keep on livin“

Musikvideos sind längst Populärkultur. Durch Musikvideos präsentiert sich eine Band dem Publikum. KünstlerInnen stellen ihre Form von Kunst in der Mischung aus visuellen Bildern und Tönen dar. In diesem Abschnitt möchte ich einen detaillierten Blick auf das Video und die darin liegenden Codes ansehen. Dabei soll das Modell von Fiske zu Analyse verwendet werden.

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Abbildung 6 The codes of television, Quelle: Fisk (1987:5)

Im Code Modell von Fiske kann gezeigt, werden durch welche soziale Codes ein, im Fernsehen gezeigtes, Ereignis verschlüsselt ist. In diesem Video ist eine junge Frau afro - amerikanischer Herkunft zu sehen, die Angst vor einem Coming Out ihrer lesbischen Sexualität hat. Nach einem Streit mit ihrem Vater flüchtet sie in den Wandschrank, in dem sie eine völlig andere Welt, eine Welt in der das Queere „normal“ ist, vorfindet. Das Video „Keep on Livin“ (2001) wurde in Zusammenarbeit mit der Non-Profit G/B/L/TS/T/Q Youth Gruppe Paper Tiger Television gedreht und produziert (vgl.[ URL: http://www.letigreworld.com/sweepstakes/flash_site/song/song.html (24.102008)]. 83

11.8.1 Kameraführung

Zu den technischen Codes gehört die Kameraführung. Durch die verschiedenen Einstellungen und Filmtechniken kann die Dramaturgie beeinflusst und Gefühle erzeugt werden. In den ersten Szenen betritt der Vater der Tochter das Zimmer. Die junge Frau wird in der Halbnahen und Halbtotalen gefilmt. Dies vermittelt uns ein sympathisches Gefühl für die Heldin. „The normal camera distance in television is mid-shot to close- up, which brings the viewer into an intimate, comfortable relationship with the characters on screen.“ (Fiske, 1987. S.7) Im gesamten Video wird die Heldin in der Halbnahe oder im Close-Up gezeigt. Der Bösewicht ist in diesem Video der Vater. Er wird von den RezipientInnen als dieser erkannt, da er in Nahaufnahme gezeigt wird. Fiske sagt, dass „Extreme close-ups become a codified way for representing villainy.“ (ebd. S.7)

11.8.2 Schnitt

Zu den weiteren technischen Codes gehört die Schnitttechnik. Fiske ist der Meinung, dass den HeldInnen mehr Zeit zusteht als den Bösewichten (vgl.ebd. S.8). Dies ist auch in diesem Video zu beobachten. Der Bösewicht ist 10 Sekunden von insgesamt 3 Minuten 24 Sekunden zu sehen. Die Szene als die Heldin den Schritt zum Wandschrank wagt, wird durch abhakte Einzelbilder dargestellt. Dies kann für die Ängste gegenüber ihrem Schritt zum Outing stehen. Diese Szene vermittelt die Unsicherheit und Ängste der jungen Frau.

11.8.3 Beleuchtung

Auf eine professionelle Beleuchtung wurde in diesem Video verzichtet. Einerseits da die ProduzentInnen vermutlich über ein geringes Budget verfügen, andererseits entspricht das Video ganz dem DIY Ethos. 84

Während die Heldin in ihrem Zimmer sitzt, ist die Beleuchtung leicht gedämmt. Sobald sie den Raum hinter dem Kasten betritt (und somit ein neues Leben beginnt), wirkt die Beleuchtung heller und freundlicher. In der letzten Szene wird ein Stroboskop Effekt eingesetzt. Dadurch wirkt die Szene nicht real. Sie gleicht eher einem Traum.

11.8.4 Repräsentative Codes

Einer der repräsentativen konventionellen Codes ist die Erzählung (narrative). Das Video hat einen klaren Anfang und ein klare Ende. Die Heldin ist die Tochter eines Vaters, der mit ihrer sexuellen Identität nicht klar kommt. Nach dem unausweichlichen Konflikt, flüchtet die Heldin in eine andere Welt. Dieses Erzählmuster ist aus Geschichten wie „Alice im Wunderland“ bekannt. Wer in dem Video handelt, ist ebenfalls ein repräsentativer Code. Im patriarchalen Diskurs sind es meist Männer, die handeln und Frauen, die zusehen. In diesem Video wird die patriarchale Bedeutung von „Held“ mit Weiblichkeit versehen. Die junge Frau wird als jemand dargestellt, der handelt und seine Probleme ohne väterliche Hilfe löst.

11.8.5 Ideologische Codes

Die ideologischen Codes zeigen, wie Ideologie arbeitet. Fiske bezieht sich hier auf den „Subjekt in der Ideologie Begriff“ von Althusser. Fiske sagt: „in making sense of program in this way we are indulging in an ideological practice ourselves, we are maintaining and legitimating the dominant ideology, and our reward for this easy pleasure of the recognition of the familiar and ist adequacy.“ (ebd., S.12) Aus ideologischer Sicht vermittelt die Nutzung der DIY Technik Nähe und Vertrautheit. Das Outing wird als etwas Alltägliches repräsentiert. 85

Der Bösewicht wird männlich dargestellt. Er repräsentiert das Familienoberhaupt, er steht symbolisch für die Institution der Familie. Die Dramaturgie in dem Video entsteht durch den Konflikt zwischen Vater und Tochter. Das Outing der Tochter stellt für den Vater eine Bedrohung dar. Die Institution Familie ist bedroht. Als die Heldin das Zimmer verlässt und eine neue Welt erblickt, werden Sekundenweise Ausschnitte von Demonstrationen gegen Homosexuelle gezeigt. Der erste Ausschnitt zeigt einen Polizisten, der vor einer überdimensionalen Bibel marschiert. In der rechten Hand trägt er einen Schlagstock, der als Phallus interpretiert werden kann. Der Polizist steht für die patriarchale Staatsgewalt. Die Bibel symbolisiert die Institution Kirche, die heteronormative Muster aufrechterhält. Wie bei dem Bösewicht werden die Ausschnitte, die bedrohlich wirken sollen sehr kurz gezeigt. Darauf folgende Einblendungen von queeren Straßenfesten, werden länger eingeblendet.

12 Identity - Identität

„Das Subjekt in der Spätmoderne ist nicht einfach entfremdet, es ist >zerstreut<.“ (Hall, 1999, S.407)

Identität ist ein weiterer Punkt im Kreislauf der Kulturen. Ein kulturelles Artefakt ist neben Regulierung, Produktion, Konsumation und Repräsentation immer mit verschiedenen Identitäten ausgestattet.

„Identities are produced, consumed, and regulated within culture – creating meanings through symbolic systems of representation about the identity positions we might adopt.“ (Woodward, 1997, S.2)

Das kulturelle Artefakt Le Tigre unterliegt demnach der Produktion, dem Konsum und der Regulierung in unserer Kultur. Die Bedeutungen, die entstehen während der Text Le 86

Tigre unserer Kultur ausgesetzt ist, setzen voraus, dass Identitätspositionen eingenommen werden. Wir identifizieren uns ständig mit populärkulturellen Personen. Junge Mädchen produzieren beispielsweise Homepages von Popstars wie Britney Spears und identifizieren sich auf solchen Homepages mit ihr. Jeder/Jede von uns kennt wahrscheinlich das Gefühl, ein Lied zu hören und den Text mitzusingen und sich zu denken: „Genauso fühle ich mich auch oft“. Popstars wie Madonna sind auf dem repräsentativen Sprachsystem der Mode Trendsetter. Menschen kleiden sich wie sie. Sie wollen wie Madonna aussehen. Das Image von PopmusikerInnen wird verwendet, um es von anderen unterscheidbar zu machen. Prince wird in den Massenmedien als androgynes Wesen dargestellt. Seine geschlechtliche Identität erscheint nicht als eindeutig männlich/eindeutig weiblich. Der Popstar Prince muss der Rolle des unantastbaren Stars entsprechen. Er präsentiert sich als etwas „Anderes“. Er arbeitet in der Repräsentation mit dem Unterschied; der differance. Prince stellt über die Uneindeutigkeit seiner geschlechtlichen Identität ein hierarchisches Verhältnis zu seinem Publikum her. Er wird so zu einem unantastbaren Star. Identität beschäftigt sich in erster Linie mit der Frage „Wer bin ich?“. Die Beantwortung dieser Frage wird seit Menschengedenken von PhilosphInnen versucht zu beantworten. Die Ansätze, Theorien über den Begriff Identität sind unüberschaubar. Der Begriff der Identität ist abstrakt und scheinbar kaum zu begreifen. Dennoch möchte ich mein Verständnis von Identität in Verbindung mit den Cultural Studies klar stellen. Ich beziehe mich in meinem Verständnis von Identität auf Stuart Hall dessen Position von davon ausgeht, „daß moderne Identitäten dezentriert, zerstreut und fragmentiert sind.“ (Hall, 1999, S.393) Die Dezentrierung Theorie des Subjekts geht nach Hall auf fünf historische Beitragen der Gesellschaftstheorie zurück: Den Marxismus, Freuds Entdeckung des Unbewussten, Saussure´s Sprachsystem, Foucault und sein Verständnis der Disziplinarmacht und dem Feminismus. Der Feminismus als soziale Bewegung und theoretische Kritik stellte die Trennung zwischen Privatem und Öffentlichen in Frage. Sexualität, Familie, häusliche Arbeitsteilung und Kindeserziehung wurden (und werden) öffentlich thematisiert und kritisiert. Der Feminismus politisierte Subjektivität, Identität und die Prozesse der 87

Identifikation. Mit der Veränderung der sozialen Stellung ging eine Hinterfragung von sexuellen und geschlechtlichen Identitäten einher. Die Frage nach der Geschlechterdifferenz war das Produkt der Veränderung der Vorstellung von Mann und Frau als Teil derselben Menschheit (vgl. Hall, 1999, S.407-414). Obwohl der Feminismus heute als soziale Bewegung für viele KritikerInnen angezweifelt wird, ist in der Sub- und Popkultur eine Identifizierung mit feministischen sozialen Praktiken zu beobachten: „Die gegenwärtige feministische (Pop-)-Kulturproduktion steht im Gegensatz zum postfeministischen Mythos (Hall 2003), dass Feminismus obsolet sei und dass sich junge Mädchen und Frauen nicht mehr damit identifizieren.“ (Erharter/Zobl, 2006, S.17) Drei soziale Praktiken stehen im Vordergrund für feministische AktivistInnen: „...in Grrrl Zines, selbstständig produzierten feministisch orientierten Magazinen, in Musiknetzwerken und der Verbreitung von Ladyfesten, selbstorganisierte feministische Festivals, zu sehen.“ (Erharter/Zobl, 2006, S.17) (Feministischen) Identitäten unterliegen ständigen Veränderungen. Sie können nicht fixiert werden. Die Entwicklung von Identitäten ist ein fließender, sich stets verändernder Prozess. Dies entspricht einem anti-essentialistischen Konzept von Identität.

„Thus identity is not an essence but a continually shifting description of ourselves so that the meaning of identity categories – Britishness, blackness, masculinity etc. – are held to be subject to continual deferral through the never-ending processes of supplementary or differance.“ (Barker, 2004, S.94)

Der Einfluss des Feminismus ist in dieser Arbeit zentral. Denn gerade die VertreterInnen der Riot Grrrl Kultur berufen sich immer wieder auf das Konzept, dass das Private politisch ist. Sie vertreten den Ansatz, dass Geschlechterpolitik im Privaten ansetzen soll. Sie sind der Meinung, im Privaten gibt es Möglichkeiten für Veränderung und empowerment. 88

„This ethos of re-writing an re-working politicised ideas also applied to riot grrrl itself which was intended to remain a loose philosophy, made in such a way so people could take it on for their own identity and kind of change it by fleshing it out with their own ideas. Riot grrrl manifestos were added to, rewritten an re-worked to encompass a range of different issues and identities.“ (Downes, 2007, S.27)

Ein Beispiel, dass ein (!) Verständnis von Riot Grrrl wiedergibt ist von Susan Corrigan. 89

Abbildung 7 Punk Rock Feminism, Quelle: Downes (2007:40) 90

Corrigan spricht in ihrem feministischen Punkrock Manifest mehrere Subjekt Positionen an. Sie fordert Autonomie für das Subjekt. Für sie bedeutet eine PunkrockfeministIn zu sein, eine aktive Produzentin zu sein. (fanzines, magazines, music, films...) Ihr Verständnis von feministischem Punkrock zeigt, wie zerstreut und vielfältig Punk Rock Identitäten sein sollen. Ihr Verständnis einer Punkrock Feministin ist anti-essentialistisch: „yeah a stripper can be a feminist.“

12.1 Identität und Repräsentation

Identität und Repräsentation sind zusammenhängende Momente im Kreislauf der Kulturen. Über Repräsentation können sich RezipientInnen mit Texten identifizieren.

„Representation as a cultural process establishes individual and collective identities and symbolic systems provide possible answers to the question: who am I?; what could I be?; who do I want to be? Discourses and systems of representation construct places from which they can speak.“ (Woodward, 1997, S.14)

Ohne den Moment der Repräsentation wäre es dem Subjekt nicht möglich, sich mit Texten zu identifizieren. „Representation includes the signifying practices and symbolic systems through which meanings are produced and which position us as subjects.“ (ebenda S.14) Zu den bezeichnenden Praktiken bei Le Tigre zählt beispielsweise, wie die Produkte (Videos, Schallplatten,...) am Markt positioniert werden. Wie Le Tigre positioniert werden, geschieht nicht zufällig. RezipientInnen haben die Möglichkeit verschiedene Subjektpositionen einzunehmen. Ein symbolisches System von Le Tigre ist beispielsweise die Musik. Ihre Mischung aus Electronic- und Gitarrenmusik vermittelt eine Abwehrhaltung; Widerspenstigkeit. Ihre Musik ist laut und teilweise aggressiv. In Interview im Popmagazin Spex spricht Kathleen Hanna die Identität als Band an. 91

„Bei weitem Teilen des Albums ging es erst gar nicht darum, sich explizit politisch zu äußern. Es geht vor allem um unsere Identität als Band – und dazu gehört auch, dass wir in den letzten Jahren in einem Land gelebt haben, wo eine rechtskonservative Herrscherpersönlichkeit Anspruch auf die Welt erhebt, was wir beängstigend finden.“ (Spex, 12/2004, S.50)

In diesem Abschnitt werden mehrere Subjektpositionen von Kathleen Hanna und Le Tigre deutlich. Einerseits spricht sie explizit, dass es Teil ihrer Identität als politische Band ist, sich politisch zu äußern. Es ist Teil ihrer symbolischen Praxis als MusikerInnen, sich als widerspenstige Band zu präsentieren. Andererseits spricht sie von einer Identitätskrise: „was wir beängstigend finden.“. Die dominante Ideologie, der Staatsapparat, führt zu einer Krise ihrer Identität als Band. In diesem Satz ist zu sehen, dass Identitäten umkämpft sind und niemals fixiert werden können und, dass es kein außerhalb der Macht gibt. Im Spex Artikel werden Machtbeziehungen, die auf Le Tigre einwirken angesprochen:

„Auch die inhaltlichen Verschiebungen, die Le Tigre auf This Island vollziehen, haben weniger mit freien Entscheidungen denn mit Sachzwängen zu tun: Die Identitätspolitik der Vorgängeralben ist über weite Stecken [sic] zugunsten einer „Krisenpolitik“ im Sinne stärkerer Auseinandersetzungen mit „realpolitischen“, d.h. akuten außen- wie innenpolitischen Issues und der Frage, welchen Einfluss diese auf die eigene Lebenswelt haben, in den Hintergrund getreten. Minutenlang versucht uns eine ziemlich zermürbt wirkende Kathleen Hanna zu verdeutlichen, wie sehr sie sich als Bürgerin eines Landes mit einer derart Intellektuellenfeindlichen und homophoben Regierung wie der Bush-Administration tagtäglich auf diffuse Weise beschnitten und bedroht fühlt, und wie viel Kraft es sie in den letzten Jahren gekostet hat, immer wieder dasselbe „Nein“ zu formulieren zu müssen und sich gleichzeitig vollkommen ohnmächtig zu fühlen.“ (Spex, 12/2004, S.50) 92

Dieser Abschnitt aus Spex zeigt wie dezentriert das Subjekt ist. Kathleen Hanna fühlt sich ohnmächtig. Sie erkennt, dass sie als Subjekt in die Welt in die sie hineingeboren wurde nur eine beschränkte Handlungsmacht hat.

12.2 Geschlechts- und Identitätspolitik bei Le Tigre

„Backstage, everybody wants a piece of JD“ (Le Tigre, „Punker Plus“, 2004)

Wie der Textausschnitt aus dem Song Punker Plus von Le Tigre zeigt, läuft das Queere Gefahr zu einem reinen Kunstprodukt zu werden. Der Song Punke Plus handelt über den Alltag einer Punkband auf Tour. Der Text illustriert, dass das Leben auf Tour oberflächlich und anstrengend ist. Dazu gehört, dass eine Band Groupies hat. Kritik kann hier angebracht sein, wenn JD nur als Kunstprodukt wahrgenommen wird, von dem jeder ein Stück haben will. Sinfeld ist der Meinung, dass das was als schockierend und verstörend empfunden wird, schnell Teil des Medienspektakels von Morgen werden kann. Die Drag Kunst ist bei einem reaktionären, wie bei einem radikalem Publikum populär. Wie kunstvoll die Performance auch sein mag, wird die dominante Kultur nicht zwingend von ihr verändert (vgl. Segal, 1997, S.216). Darin liegt das Problem bei widerspenstigen (Geschlechts)Identitäten. Werden diese zu einem Kunstprodukt, verlieren sie an ihrem widerspenstigen Potential. Dennoch gehe ich nicht von einer kompletten Vereinnahmung von „schockierenden und verstörenden“ Identitäten aus, da ich von einem ständigen Kampf um Bedeutung ausgehe.

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13 Fazit

„Guitarists like Leslie Mah of Tribe 8 as well as vocalists like Kathleen Hanna of Le Tigre and Beth Ditto of The Gossip all articulate the powerful potential of a queer feminity that served as an undercurrent to much of the riot grrrl feminism and is readable as radical style in queer punk. The recent explosion of dyke punk bands like Bitch and Animal, The Butchies, Le Tigre, The Need, The Haggard, and Tribe 8 also challenges the conventional understandings of punk als male dominated and queercore as a largely gay male phenomenon.“ (Halberstam, 2005,S.166-167)

Obwohl von einer Dominanz einer heteronormativen Ideologie gesprochen werden kann, ist ein Queering in der Musik zu beobachten. The Gossip feiern Erfolge. Auf populärer Ebene schaffen die Scissor Sisters große Erfolge. Das jüngste Beispiel für ein sanftes, populäres Queering ist der Nummer Eins Hit „I kissed a girl and I liked it“ von Katy Perry. In der Männerdomäne Hardcore kommt es zu Brüchen mit heteronormativen Mustern. Ein Queering ist zu beobachten. Als bekannteste Queercore Band ist derzeit Limp Wrist zu nennen, die offen zu ihrer Homosexualität stehen. Einer ihrer bekanntesten Songs lautet: „I love Hardcore boys.“ Das ernste, martialische Gehabe von Black Flag, Gorilla Biscuits und Youth of Today wird von Bands wie Black Fag, Gayrilla Biscuits und Youth of Togay auf ironische Weise mit einer queeren Bedeutung versehen. Susan Driver, die eine qualitative Studie über zeitgenössische queere Musik gemacht hat, kam zu dem Schluss, dass das Hörerinnenverhalten bei den Frauen, die sie interviewt hat, sehr divers ist:

„For many girls, clear divisions and categories are impossible to formulate, and they prefer to list queer artists in heterogeneous ways, jumping between folkie singers Tegan and Sara, diasporic Asian electro artist MIA, raunchy pop star Peaches, soul-inspired Meshell Ndegeocello, transgender rapper Catastrophe, heavy metal feminist vibes of Skin in Skunk Anansie, queer 94

hip hop innovations of Deep Dickoollective, upbeat party mixes of Lesbiens on Ecstasy, and the hardcore sounds of Tribe 8.“ (Driver, 2007, S.200)

Die Identifizierung verläuft nicht zwangsweise über queere Inhalte. Dies bestätigt, dass das postmoderne Subjekt keine gesicherte, anhaltende Identität hat. Musik wird zur Schlüsselstelle, durch die eine queere Gegenkultur gelebt werden kann. Driver kommt in ihrer Studie zu dem Schluss, dass gerade über (queere) Musik Freiräume geschaffen werden:

„Music becomes a pervasive presence in their in their everyday lives from home to school to work to nightclubs to cyberspace, it crisscrosses private and public spheres of experience, travelling with marginalized young people across multiple physical and imaginary spaces. This temporal and spatial flow marks a unique quality of musical enjoyment.“ (Driver, 2007, S.198) Driver´s Studie ergab, dass durch Musik eine sinnstiftende und lustbringende Gegenkultur entstehen kann:

„Music´s ability to cross boundaries, to be a potential source of personal pleasure and subversion, even in the most restrictive and hostile locations, is especially useful for fostering counter-public queer cultures that validate and nurture youth.“ (ebd, S.198)

Fans von queerer Musik ziehen keine klare Trennlinie zwischen straighter und queerer Musik. Vielmehr kommt es zu einer Vermischung von queerer und straighter Musik. Obwohl der queere Sexualitätsdiskurs in Sub- und Populärkultur immer größeren Anklang findet, darf dies nicht ohne Kritik hingenommen werden. Judith Halberstam kritisiert die negative Seite, wenn queere Subkultur vom Mainstream vereinnahmt wird: „...when television stations show an interest in dyke subculture like drag kings, this is cause for both celebration and concern. On the one hand, the mainstream recognition 95

and acknowledgement of a subculture has the potential to alter the contours of dominant culture...But on the other hand, most of the interest directed by mainstream media at subcultures is voyeristic and predatory.“ (Halberstam, 2005, S.156-157) Dass queere Subkultur durch den Mainstream auf voyeuristisches Element reduziert wird, kann nicht geleugnet werden. An diesem Punkt müssen Medien- und KulturkritikerInnen ansetzen. In diesem Sinne möchte ich mich Halberstam´s Forderung anschließen: „The more intellectual records we have of queer culture, the more we contribute to the project of claiming for the subculture the radical cultural work that either gets absorbed into or claimed by mainstream media.“ (ebd. S.159) Die Forschungen von Susan Driver haben gezeigt, wie lebendig HörerInnen von queerer Musik sind und, dass sie kritisches Bewusstsein haben und reflexiv ihre Identitäten konstituieren.

14 Literatur

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14.1 Internet

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99

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