Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 12, 2020: 119 – 129

Der Fichtelberg im Erzgebirge – ein bedeutender Rastplatz der „Nördlichen Ringdrossel“ Turdus torquatus torquatus während des Heimzuges in Mitteleuropa

Jens Hering und Dieter Saemann

The Fichtelberg in the Ore - an important stop-over site in for the ‘Northern’ Ring Ouzel Turdus torquatus torquatus during spring migration. – For more than 100 years, ornithologists have focussed on the breeding occurrence of the ‘Alpine’ Ring Ouzel Turdus torquatus alpestris on the Fichtelberg in the upper . In comparison, little deliberate atten- tion has been given to the passage of the ‘Northern’ Ring Ouzel T. t. torquatus in thiswatershed region. Gatherings of more than ten individuals were considered exceptional. Since 2016, ongoing studies have demonstrated that the few larger flocks were probably not isolated cases. ‘Northern’ Ring Ouzels stop over regularly on the Fichtelberg, and indeed in significantly greater numbers, from the beginning of April to the beginning of May during spring migration. Maximum numbers lie between 40 and 60 in- dividuals with a clear dominance of the nominate form, and a high proportion of males. The Fichtelberg is therefore one of the most important steppingstones in Central Europe for the species during migration to the Fennoscandian breeding grounds. Several areas of concentration have been determined along the southern slopes, permitting the identification of a connection as far as the Czech stop-over sites on the Keilberg/Klínovec and nearGottesgab/BožíDar. These are ski slopes and meadows located between 1,000 m und 1,214 m AMSL. Due to increasing tourist activity in the Fichtelberg area, the production of a professionally grounded usage and conservation plan, including a detailed steering concept for visitors, is urgently required for the protection of the breeding and migrating Ring Ouzels. Key words: Turdus torquatus torquatus, spring migration, Ore Mountains.

1 Einleitung jahrsnachweisen vor, die hauptsächlich im Rahmen von Brutzeituntersuchungen ange- Das Brutgeschehen der „Alpenringdrossel“ fallen sind. Ursache dafür ist die Überschnei- Turdus torquatus alpestris1 am Fichtelberg dung von Durchzug und Brutzeit (Holupi- im oberen Erzgebirge steht schon seit über rek 1979, Holupirek et al. 1998, Saemann 100 Jahren im Fokus der Ornithologen (u. a. & Hering 2014). Die Aussage, dass in Sach- Heyder 1916, 1941, 1952, 1962 , Holu- sen meist Einzelvögel oder kleine Trupps bis pirek 1970, 1977, 2004, Saemann 1976, zehn Individuen rasten (Holupirek et al. 2009, 2012, Saemann & Hering 2014, 1998), wurde bis in die jüngste Zeit auch für 2015, Teply 2017), wogegen dem Durchzug den Fichtelberg angenommen (Saemann & der „Nördlichen Ringdrossel“ T. t. torquatus1 Hering 2014). So galten größere Ansamm- in dieser Kammregion keine vergleichbar lungen wie 25 Ind. am 5.5.1955 und 20 Ind. gezielte Aufmerksamkeit geschenkt wurde. am 13.4.1963 im Zechengrund sowie ca. 20 Die Kenntnis zum Durchzugs- und Rast- Ind. am 13.4.1963 am Fichtelberg als Aus- geschehen basiert weitgehend auf Zufallsbe- nahmeerscheinungen (Grummt 1957, Hey- obachtungen. Trotz alledem lagen bis in die der 1962, Holupirek 1979, Holupirek et jüngste Vergangenheit eine Reihe von Früh- al. 1998). Dass es sich hierbei jedoch sehr

1 Zur aktuellen deutschen Namensgebung siehe Barthel & Krüger (2018) und Barthel et al. (2018). 120 Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 12, 2020 wahrscheinlich um keine Einzelfälle gehan- Ind. am 8.4. an der Schanze und unterhalb delt hat und dass „Nördliche Ringdrosseln“ des Gipfels an der Schwebebahn-Bergstation am Fichtelberg auf dem Heimzug regelmä- gezählt (J. Hering, Abb. 1). Mit mindestens ßig und sogar in wesentlich höherer Indivi- 60 Ind. (sehr wahrscheinlich noch mehr) gab duenzahl rasten, zeigen die Untersuchungen es am 17.4.2018 zwischen 19.00 und 20.15 der letzten Jahre. Uhr einen neuen Rekordwert. Im Anschluss an die Nahrungssuche flogen die Drosseln 2 Ergebnisse gemeinsam in Richtung Ortsrand Oberwie- 2.1 Aktuelle Beobachtungen senthal, um dann wieder in die Gehölze an der Schanze und am Hinteren Fichtelberg Die Feststellung von mindestens 40 Ind. am zurückzukehren (J. Hering, E. Fuchs, D. 15.4.2016 zwischen 16.30 –17.15 Uhr am Kronbach). Eine hohe Präsenz war ebenso Südosthang des Fichtelberges (J. Hering, am 19.4.2018 in den frühen Morgenstunden J. Voigt in Hallfarth et al. 2016) war nachweisbar. Circa 40 –50 Ind. suchten nahe der Auslöser für intensivere Untersuchun- der Schanze intensiv nach Regenwürmern gen zum Rastgeschehen auf diesem Erzge- (Abb. 2–5). Auch 2019 und 2020 rasteten im birgsgipfel. Nach der Nahrungsaufnahme April wieder Ringdrosseln in Anzahl am Süd- zwischen Schneefeldern auf der kurzgrasi- osthang, so beispielsweise am 18.4.2019 7,5 gen Abfahrtspiste nahe der Großen Fichtel- Ind. (J. Hering, J. Voigt) und am gleichen bergschanze flogen die Ringdrosseln mehr Tag ein Jahr später mindestens 15 Ind. an der oder weniger zusammen in dort angrenzen- Schanze sowie mindestens 13 Ind. unterhalb de Gehölze (Picea abies, Pinus mugo, Sorbus der Schwebebahn-Bergstation (J. Hering). aucuparia) und in Richtung Hinterer Fich- Ebenso auf tschechischer Seite, insbeson- telberg (auch Kleiner Fichtelberg genannt). dere beidseitig der Auffahrt zum Keilberg/ Es wurde hauptsächlich die Nominatform Klínovec und am Ortsrand von Gottesgab/ erkannt. Bereits an den Vortagen konnten Boží Dar wurden in den letzten Jahren nen- hier schon kleinere Trupps beobachtet wer- nenswerte Rastzahlen registriert. So konnten den (J. Hering, D. Kronbach, T. Hall­ beispielsweise am Keilberg und in Gottesgab farth, R. Spangenberg). Im darauffolgen- am 14.4.2014 insgesamt 30 Ind. (J. Frouz) den Frühjahr wurden maximal insgesamt 18 und in Gottesgab am 24.4.2015 wie auch am

Abb. 1 Rastende „Nördliche“ Ringdrosseln zwischen Schneefeldern auf der Abfahrtspiste nahe der Großen Fichtelbergschanze. – Foto: J. Hering (8.4.2017). Hering & Saemann: Der Fichtelberg im Erzgebirge – ein ... Rastplatz der „Nördlichen Ringdrossel“... 121

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Abb. 2–5. Abb. 2. Männliche „Nördliche“ Ringdrossel am Südosthang des Fichtelberges. Abb. 3. Weibliche „Nördliche“ Ringdrossel am Südosthang des Fichtelberges. Abb. 4-5. Regenwürmer sind sehr wahrscheinlich die Hauptnahrung der Ringdrossel auf dem Heimzug im Fichtelberggebiet, links Männchen der „Nördlichen Ringdrossel“, rechts Weibchen der Nördlichen Ringdrossel“ – Fotos: J. Glässer (19.4.2018).

13.4.2018 jeweils 16 Ind. beobachtet werden eine wichtige Rolle spielen, doch liegt hierzu (V. Teplý). noch nicht ausreichend Datenmaterial vor. Konzentrationsgebiete sind am Fichtelberg In den meisten Fällen waren die zwischen die Skipisten und Wiesen einschließlich und auf den Schneefeldern nach Nahrung angrenzender Gehölze in der Umgebung suchenden Ringdrosseln offenbar nicht ver- der Großen Fichtelbergschanze, unterhalb gesellschaftet. Nur gelegentlich erfolgte die der Schwebebahn-Bergstation, am Hinte- Nahrungssuche mehr oder weniger zusam- ren Fichtelberg und im Zechengrund (Abb. men mit Rabenkrähen Corvus corone, Mis- 6 –10). Regelmäßig genutzte Stellen, aller- teldrosseln Turdus viscivorus, Amseln Turdus dings mit weniger nachgewiesen Individuen, merula, Wacholderdrosseln Turdus pilaris, befinden sich am Berggasthof Neues Haus Singdrosseln Turdus philomelos und Rotdros- und am Hotel Sachsenbaude. Vom Zechen- seln Turdus iliacus sowie Staren Sturnus vulga- grund aus besteht zudem eine direkte Ver- ris, Hausrotschwänzen Phoenicurus ochruros, bindung zu den in Tschechien befindlichen Alpenbraunellen Prunella collaris (13.4.2016, Wiesen an der Keilbergauffahrt und am J. Hering, D. Kronbach in Hallfarth et Ortsrand von Gottesgab. Alle diese Gebie- al. 2016), Heckenbraunellen Prunella modu- te liegen ca. zwischen 1.000 m und 1.214 m laris, Bachstelzen Motacilla alba, Wiesenpie- NN. Sehr wahrscheinlich werden auch das pern Anthus pratensis, BuchfinkenFringilla großflächige Grünland im oberen Schindel- coelebs und Bergfinken Fringilla montifringil- bachtal und auf tschechischem Territorium la. Die aktuellen wie auch alle bisher bekannt die Keilbergkuppe mit ihren Abfahrtspisten gewordenen Heimzug-Rastzahlen von zehn 122 Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 12, 2020

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Abb. 6–10. 6. Lage der Nahrungshabitate der Ringdrossel auf dem Heimzug im Fichtelberggebiet. Über 20 Individuen (rot): A – Große Fichtelbergschanze und Hinterer Fichtelberg, B – unterhalb Schwebebahn-Bergstation, C – Zechengrund; unter 20 Individuen (gelb): D – Neues Haus, E – Sach- senbaude, F – Oberes Schindelbachtal (Google Earth, 2018). Abb. 7. Ein bevorzugtes Nahrungshabi- tat am Fichtelberg – kurzgrasige Skipisten mit Schneefeldern an der Großen Fichtelbergschanze; die Nahrungsflächen erstrecken sich talwärts bis an den Ortsrand von . – Foto: J. Hering (13.4.2016). Abb. 8. Skipiste westlich der Großen Fichtelbergschanze; als Nahrungshabitat werden derartige Flächen bis zum Gipfel genutzt. – Foto: J. Hering (8.4.2020). Abb. 9-10. Skipisten mit Schneefeldern unterhalb der Schwebebahn-Bergstation sind ein regelmäßig genutztes Nahrungshabitat im Frühjahr. – Fotos: J. Hering (8.4. und 18.4.2020). Hering & Saemann: Der Fichtelberg im Erzgebirge – ein ... Rastplatz der „Nördlichen Ringdrossel“... 123 und mehr Individuen im Fichtelberggebiet Besonders freilaufende Hunde waren stets werden in Tabelle 1 genannt. ein akuter Störfaktor. Auf das extrem scheue Verhalten und Flüchten in angrenzende Ge- hölze in diesem Gebiet wird bereits in älte- 2.2 Phänologie ren Quellen hingewiesen (Fischer 1954, Grummt 1957). Der Heimzug erstreckt sich am Fichtelberg von Anfang April bis Anfang Mai. März- beobachtungen fehlen, was sicher auf die 2.3 Unterartenfrage Schneelage und die zu dieser Zeit weitgehend fehlenden Nahrungsflächen zurückzuführen Eine klare Zuordnung der beiden in Mit- ist (Saemann & Hering 2014). Bei den frü- teleuropa vorkommenden Unterarten der hesten Nachweisen handelt es sich um zwei Ringdrossel (T. t. torquatus, T. t. alpestris) singende Ind. am 2.4.1990 nahe der vorde- ist im Gelände oft nicht zweifelsfrei möglich ren Tellerhäuser Straße in 1.090 m NN (W. (Glutz von Blotzheim & Bauer 1988). Dick in Holupirek 1979), zwei Nahrung Zudem gibt es auch Übergangsformen, die suchende Männchen der Nominatform am eine sichere Bestimmung nach Unterart 3.4.2019 nahe der Vierenstraße im oberen nicht immer erlauben. Deutlich wird das Schindelbachtal (J. Hering, D. Kronbach) auch bei der Sichtung der Beobachtungs- sowie zwei Männchen und einem Weibchen meldungen aus dem Fichtelberggebiet. Im der Nominatform am 5.4.2018 auf einer Gegensatz zur intensiven Diskussion be- schneefreien Stelle am Ortsrand von Ober- treffs der Unterartenzugehörigkeit der am wiesenthal in Richtung Fichtelbergschan- Fichtelberg brütenden Ringdrosseln (Holu- ze (J. Hering). Der Hauptdurchzug findet pirek 1977, 1982, 1990, 2004), haben sich Mitte April statt, obwohl es in manchen Jah- bei rastenden Individuen bisher nur wenige ren auch davor und in der zweiten Aprilhälf- Beobachter geäußert (Tab. 1). Sicher spielen te zu größeren Rastansammlungen kommt. hier aber auch die oft ungünstigen Wetterbe- Die Maximalzahlen liegen zwischen 40 und dingungen (starker Wind, Nebel) eine Rolle, 60 Individuen. Sehr wahrscheinlich liegt gleich der Situation auf der Brockenkuppe die Zahl rastender Ringdrosseln aber noch (Hellmann 2013). Speziell ab 2016 wur- höher, da in der Regel immer nur an einer de entsprechend der Möglichkeiten auf die Stelle und maximal an zwei Stellen gezählt Unterartenfrage geachtet, wobei sich wie er- wurde. Zur Aufenthaltsdauer wie auch zum wartet eine klare Dominanz der „Nördlichen Ausklang des Heimzuges gibt es bisher kein Ringdrossel“ abzeichnet. Aufgrund der ge- verwertbares Datenmaterial. schilderten Beobachtungsumstände ist auch Die von anderen Rastplätzen her bekann- die Geschlechterzuordnung nicht selten pro- te Störungsanfälligkeit der „Nördlichen blematisch. Die ausgewerteten Beobachtun- Ringdrossel“ (Hellmann 2013, Anger et gen lassen jedoch wie an anderen deutschen al. 2019) konnte aktuell auf den Skipisten bekannten Rastplätzen einen höheren Anteil und auf Grünland am Fichtelberg bestätigt an Männchen erkennen (s. Dierschke et al. werden. Die Fluchtdistanz bei menschlicher 2011, Hellmann 2013, Rost 2013). Annäherung lag nicht selten bei 80 –100 m. 124 Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 12, 2020

Tab. 1. Heimzug-Rastzahlen der Ringdrossel im Fichtelberggebiet, ab 10 Individuen.

Jahr Datum Ort Anzahl Beobachter, Quelle 1914 16.04. Lehne des Fichtel- 10 gleichzeitig u. einmal 8 Nah- Heyder (1916), (1941) berges rung suchend, abends 1953 30.04. Zechengrund 10 zusammen, darunter alpest- Fischer (1954) ris, mittags 1955 03.05. Zechengrund Ca. 12 in Fichten Grummt (1957) 04.05. Zechengrund 3 ♂, 9 ♀ Nahrung suchend Grummt (1957) 05.05. Zechengrund Ca. 25, überwiegend ♀, zweifel- Grummt (1957), Holu- los alles alpestris, morgens pirek (1970) 1963 13.04. Fichtelberg ca. 20 U. Schuster in Holu- pirek et al. (1998) 1978 30.04. Fichtelberg Mindestens 12, 2 davon sangen W. Stengel, F. Hoyer, u. einige mit Revierverhalten E. Strauss in Holupi- rek (1982) 2000 20.04. Fichtelbergkuppe 19 einzeln oder in kleinen M. Olias, E. Fuchs in Trupps, 9 ♂ sangen, alles al- Holupirek (2004) pestris 2015 17.04. Fichtelberg 7 ♂, 3 ♀ A. Dittmann in Flö- ter et al. (2019) 2016 13.04. Große Fichtelberg- 12 zusammen im Trupp nahe J. Hering, D. Kron- schanze, Berglift- Schanze zwischen Schneefel- bach station dern Nahrung suchend, größ- tenteils torquatus, vermutlich 1 ♂ u. 1 ♀ alpestris, auch 1x unterhalb Schwebebahnstation, 14.30-16.30 Uhr 14.04. Fichtelbergkuppe Mindestens 19 (vermutlich noch T. Hallfarth mehr), vom Panoramahotel aus oberhalb der Großen Fichtel- bergschanze, 9.00 Uhr 14.04. Große Fichtelberg- 21, ca. 2/3 ♂, 1/3 ♀, verteilt R. Spangenberg schanze Nahrung suchend zwischen Schneefeldern, 18.30 Uhr 15.04. Große Fichtelberg- Mindestens 40, s. Text J.Hering, J. Voigt in schanze Hallfarth et al. (2016) 17.04. Große Fichtelberg- 20 auf Schneefeldern Nahrung E. Flöter schanze suchend u. auf Bäumen rastend Hering & Saemann: Der Fichtelberg im Erzgebirge – ein ... Rastplatz der „Nördlichen Ringdrossel“... 125

Jahr Datum Ort Anzahl Beobachter, Quelle 23.04. Große Fichtelberg- 12 oberhalb Schanze u. Schneise T. Hallfarth schanze Richtung Hinterer Fichtelberg 2017 08.04. Große Fichtelberg- 18, darunter mindestens 5 ♀, 1-2 J. Hering schanze, Berglift- singend in Fichten, Mehrzahl bei station Schanze, überwiegend ♂, alles torquatus, Nahrung suchend bei Starkregen, 12.45-14.00 Uhr 14.04. Große Fichtelberg- 16 zwischen Schneeresten E. Flöter schanze Nahrung suchend, mindestens 2 alpestris, mittags 2018 17.04. Große Fichtelberg- Mindestens 60, s. Text J. Hering, E. Fuchs, D. schanze Kronbach 18.04. Fichtelberg 12 V. Teplý 19.04. Große Fichtelberg- 40-50 in Morgendämmerung J. Gläser, J. Hering, J. schanze vom Hinteren Fichtelberg kom- Anger mend; 34 zw. Schneefeldern Nahrung suchend, fast alles torquatus, 6.00-7.30 Uhr; 10 zw. Schneefeldern Nahrung suchend, 8.30 Uhr 2019 11.04. Große Fichtelberg- 7 ♂, 4 ♀ unterhalb Schanze, T. Hallfarth schanze alles torquatus 18.04. Große Fichtelberg- 7 ♂, 5 ♀, zwischen Schneefel- J. Hering, J. Voigt schanze dern Nahrung suchend, alles torquatus, 6.00-7.30 Uhr 2020 08.04. Große Fichtelberg- 9 nahe Schanze, 6.20 Uhr aus J. Hering schanze, Berglift- Gehölzen kommend, bis 7.45 station Uhr Nahrung suchend zwischen Schneefeldern, 8.00 Uhr 2 unter- halb Bergliftstation 13.04. Große Fichtelberg- 22, alles torquatus T. Hallfarth schanze 18.04. Große Fichtelberg- Mindestens 15 nahe Schanze J. Hering schanze, Berglift- u. mindestens 13 unterhalb station Bergliftstation zwischen Schnee- feldern Nahrung suchend, alles torquatus, 6-7.30 Uhr 126 Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 12, 2020

3 Diskussion während des Zuges auf dem Weg in die Brut- gebiete, die in Fennoskandien liegen (Glutz Die aktuellen Beobachtungsergebnisse er- von Blotzheim & Bauer 1988). weitern die Kenntnis zum im Frühjahr statt- Auch anderenorts in den Hochlagen des findenden Durchzugs- und Rastgeschehen sächsisch-böhmischen Mittelerzgebirges gibt im Fichtelberggebiet. Der Durchzugszeit- es mehr oder weniger stark frequentierte raum für den Heimzug passt weitgehend zu Heimzugrastgebiete (Holupirek 1979, Sa- den Literaturangaben für Gesamtdeutsch- emann & Hering 2014), wobei jedoch die land (Bairlein et al. 2014) und speziell zu dort festgestellte Truppstärke und Stetigkeit dem Geschehen in anderen deutschen Mit- nicht an diejenigen vom Fichtelberg heran- telgebirgen (Hellmann 2013, Rost 2013, reichen. Die Gebiete, in denen zehn oder Anger & Förschler 2019). Die alljährlich mehr Individuen beobachtet wurden, sind in festgestellten Truppgrößen sprechen für eine Tabelle 2 genannt. hohe Bedeutung des Fichtelberges als Rast- Hinsichtlich des Schutzes der verschie- platz für die „Nördliche Ringdrossel“. Ver- denen Rastplätze am Fichtelberg werden vor gleichbare Rastzahlen werden in Deutsch- allem die in den letzten Jahren stattgefunde- land nördlich der Alpen nur noch auf der nen Bauaktivitäten in Gehölzen und auf Ski- Brockenkuppe in Sachsen-Anhalt, im Grin- pisten am Südosthang des Fichtelberges als denschwarzwald in Baden-Württemberg und äußerst problematisch angesehen (Abb. 11). auf Helgoland registriert (Dierschke et al. Als extrem störend ist auch die zunehmende 2011, Hellmann 2013, Anger & Försch- Frequentierung der im Frühjahr abtauenden ler 2019). Der Fichtelberg zählt somit zu Skihänge durch Spaziergänger zu werten. Die den wichtigen Trittsteinen in Mitteleuropa Begängnis, und dabei auch mit Hunden, setzt

Abb. 11. Baumaßnahmen wie hier auf der Skipiste an der Großen Fichtelbergschanze entwerten den Lebensraum der Ringdrossel. – Foto: J. Hering (11.8.2019). Hering & Saemann: Der Fichtelberg im Erzgebirge – ein ... Rastplatz der „Nördlichen Ringdrossel“... 127

Tab. 2. Ausgewählte Frühjahrsdaten der Ringdrossel aus dem sächsisch-böhmischen Mittelerzgebirges, ab 10 Individuen (ohne Fichtelberg).

Jahr Datum Ort Anzahl Beobachter, Quelle 1967 23.04. Südlich Satzung 12 auf Viehweide, H. Nestler in Grössler et al. nur ♂♂ (1971) u. Holupirek (1979) 1971 09.04. Südlich Satzung 10 in Eberesche G. Baldauf, W. Enzmann in u. auf feuchter Saemann (1973), Holupirek (1979) Wiese 1981 26.04. Südlich Satzung 9 ♂, 3 ♀ H. Strassburg in Archiv D. Saemann 1982 04.05. Nahe Hengstererben 30 L. Klabník in Holupirek (1990) (Hřebečná) 1985 20.04. Südlich Satzung 13 R. Giller in Archiv D. Saemann 2008 19.04. Seifen (Rýžovna) 8-10 auf Wiese, J. Hering in Saemann & Hering nur torquatus (2014) 2014 14.04. Gottesgab (Boží Dar) 18 J. Frouz 14.04. Keilberg (Klínovec) 12 J. Frouz 2015 17.04. Südlich Satzung Mindestens 11 R. Giller in Archiv D. Saemann 24.04. Gottesgab (Boží Dar) 16 V. Teplý 2016 09.04. Gottesgab (Boží Dar) 12 V. Teplý 16.04. Satzung, unterhalb 16 T. Barthel Hirtstein 2017 02.04. Gottesgab (Boží Dar) 12 V. Teplý 08.04. Gottesgab (Boží Dar) 12 V. Teplý 2018 13.04. Gottesgab (Boží Dar) 16 V. Teplý oft schon in den frühen Morgenstunden ein. zum Unterartenanteil und zur Geschlechter- Dies betrifft neben den rastenden „Nördli- verteilung gesammelt werden. Dabei wären chen Ringdrosseln“ ebenso die lokalen Brut- umfassende Fotodokumentationen wie auch vögel. Aufgrund ihrer Seltenheit ist die „Al- der Netzfang am Schlafplatz hilfreich. penringdrossel“, deren einziges sächsisches Brutgebiet sich am Fichtelberg befindet, in Dank. Wir danken Joachim Anger (Zwö- der Roten Liste Sachsen als vom Aussterben nitz), Peter H. Barthel (Einbeck-Drüber), bedroht eingestuft (Steffens et al. 2013). Michael Hellmann (Halberstadt), Thomas Demzufolge bedarf es dringend der Erarbei- Hallfarth (Niederwürschnitz) und Vladi- tung eines fachlich fundierten Nutzungs- und mir Teplý (Ostrov) für ergänzende Hinweise, Schutzzonenkonzeptes einschließlich einer Jan Gläser (Drebach) für die Fotos, Niels detaillierten Besucherlenkung für das Fichtel- Sigmund (Chemnitz) für die Kartenerstel- berggebiet auf der Grundlage der bestehenden lung sowie Heidi Hering (Limbach-Ober- gesetzlichen Bestimmungen. frohna) und Petra Saemann (Chemnitz) für Weitere vertiefende Untersuchungen, ins- anderweitige Hilfe. besondere zur Rastdauer, Lokalisierung der Tagesruhe- und Schlafplätze und zum Nah- rungshabitat, vor allem auch während des Zusammenfassung bisher nahezu unbekannten Wegzuges, sind in den kommenden Jahren im Fichtelbergge- Seit über 100 Jahren steht das Brutgeschehen biet geplant. Zudem sollen ergänzende Daten der „Alpenringdrossel“ Turdus torquatus al- 128 Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 12, 2020 pestris am Fichtelberg im oberen Erzgebirge Barthel, P. H., E. Bezzel, T. Krüger, M. Pä- im Fokus der Ornithologen. Dagegen wurde ckert & F.D. Steinheimer (2018): Artenliste dem Durchzug der „Nördlichen Ringdros- der Vögel Deutschlands 2018: Aktualisierung sel“ T. t. torquatus in dieser Kammregion und Änderungen. – Vogelwarte 56: 205 –224. keine vergleichbar gezielte Aufmerksamkeit Dierschke, J., V. Dierschke, K. Hüppop, O. Hüppop & K. F. Jachmann (2011): Die Vogel- geschenkt. Ansammlungen von mehr als welt der Insel Helgoland. – Helgoland. zehn Individuen galten als Ausnahmeerschei- Flöter, E., T. Hallfarth, W. Heim, D. Kron- nungen. Insbesondere seit 2016 laufende bach, M. Ritz, R. Spangenberg, J. Ulbricht Untersuchungen haben nun gezeigt, dass es & M. Zischewski (2019): Ornithologische Be- sich bei den wenigen größeren Trupps sehr obachtungen 2015 in Sachsen. – Vögel in Sach- wahrscheinlich um keine Einzelfälle gehan- sen 5: 4 –134. delt hat. „Nördliche Ringdrosseln“ rasten am Fischer, W. (1954): Ringdrosseln, Turdus tor- Fichtelberg regelmäßig auf dem Heimzug von quatus L., am Fichtelberg. – Beitr. Vogelkd. 3: Anfang April bis Anfang Mai und das sogar 308 –309. Glutz von Blotzheim, U. N. & K. M. Bau- in wesentlich höherer Individuenzahl. Die er (1988): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Maximalzahlen liegen zwischen 40 und 60 Bd. 11. – Wiesbaden. Individuen mit klarer Dominanz der Nomi- Grössler, K., K. Tuchscherer, D. Saemann natform und hohem Anteil männlicher Vögel. & W. Weise (1971): Beobachtungsbericht Der Fichtelberg zählt somit zu den wichtigen 1967, Teil 2 (Hühner – Sperlingsvögel). – Ac- Trittsteinen in Mitteleuropa während des Zu- titis 5: 1– 68. ges in fennoskandische Brutgebiete. Es wur- Grummt, W. (1957): Zur Vogelfauna des Fich- den mehrere Konzentrationsgebiete am Süd- telberggebietes unter Berücksichtigung der osthang ermittelt, die eine Verbindung bis hin Vertikalverbreitung der Vögel im Erzgebirge. – zu tschechischen Rastplätzen am Keilberg/ Beitr. Vogelkd. 6: 11–16. Hallfarth, T., T. Seifert & R. Seifert (2016): Klínovec und bei Gottesgab/BožíDar erken- Schneesperling Montifringilla nivalis und Al- nen lassen. Es handelt sich hauptsächlich um penbraunelle Prunella collaris 2016 in Sach- zwischen 1.000 m und 1.214 m NN liegende sen. – Mitt. Ver. sächs. Ornithol. 11: 371–376. Skipisten und Wiesen. Aufgrund zunehmen- Heyder, R. (1916): Ornis Saxonica. – J. Orni- der touristischer Aktivitäten im Fichtelbergge- thol. 64: 165 –228, 277–324, 429 – 488. biet bedarf es zum Schutz der dort brütenden – Das Verschwinden der Ringdrossel, Turdus und rastenden Ringdrosseln dringend der torquatus alpestris (Brehm), aus dem Erzgebir- Erarbeitung eines fachlich fundierten Nut- ge. – Mitt. Ver. sächs. Ornithol. 6: 133 –143. zungs- und Schutzzonenkonzeptes einschließ- – (1952): Die Vögel des Landes Sachsen. – Leipzig. – (1962): Nachträge zur sächsischen Vogelfau- lich einer detaillierten Besucherlenkung. na. – Beitr. Vogelkd. 8: 1–106. Hellmann, M. (2013): Durchzug und saisonale Präsenz der Ringdrossel Turdus torquatus auf Literatur dem im Harz von 1993 bis 2013. – Ornithol. Jber. Mus. Heineanum 31: 1–20. Anger, F. & M. I. Förschler (2019): Durchzug Holupirek, H. (1970): Die Vögel des hohen Mit- und Rastverhalten der Nordischen Ringdros- telerzgebirges. – Beitr. Vogelkd. 15: 105 –182. sel Turdus torquatus torquatus im Grinden- – (1977): Die Ringdrossel, Turdus torquatus, hat schwarzwald (Baden-Württemberg). – Orni- wieder im Erzgebirge gebrütet. – Ibid. 23: thol. Beob. 116: 217–226. 161–176. Bairlein, F., J. Dierschke, V. Dierschke, V. – (1979): Über den Zug der Ringdrossel durch Salewski, O. Geiter, K. Hüppop, U. Köppen den Bezirk Karl-Marx-Stadt. – Veröff. Mus. & W. Fiedler (2014): Atlas des Vogelzuges. Naturkd. Karl-Marx-Stadt 10: 76 – 82. Ringfunde deutscher Brut- und Gastvögel. – – (1982): Ringdrossel-Nachlese. – Beitr. Vogelkd. Wiebelsheim. 28: 249 –251. Barthel, P. H. & T. Krüger (2018): Artenlis- – (1990): Zum Fortbestand der Fichtelbergpopu- te der Vögel Deutschlands. – Vogelwarte 56: lation der Ringdrossel, Turdus torquatus L. – 171–203. Ibid. 36: 212–216. Hering & Saemann: Der Fichtelberg im Erzgebirge – ein ... Rastplatz der „Nördlichen Ringdrossel“... 129

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