kontraste Presse- und Informationsdienst für Sozialpolitik

SPE KTRUM

FUSSBALL UND GESELLSCHAFT SPEKTRUM BUCHTIPPS VERANSTALTUNGEN

5 Juni 2008 INHALT

Fußball und Gesellschaft

Baron Rothschild, das Wunderteam und Cordoba 4

Fankultur in den Stadien 8

“Wir sind es, die Emotionen leben, das kann man nicht kaufen” 10

Fanmeile, Hopfengebräu und Abseitsregel 12

Die Euro 2008 und ihre Auswirkung auf polizeiliche Befugnisse 13

Ein kurzer Versuch über Fußballstars 17

Hat Fußball eine integrative Funktion? 20

Spektrum

Berufsverläufe in der Altenfachbetreuung 25

Schrumpfende Städte 28

EU-Gelder zur Förderung junger Frauen 30

Neue Väter 32

Buchtipps 33

Veranstaltungen 35 EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser! pierungen wie die “Hooligans” von eher friedlichen Fangruppen wie den “Kutten” und den “Ultras”. Letz- Vielleicht sind sie Fußball-Fan. Möglicherweise hängt tere zelebrieren eine kreative Form der Fankultur mit- Ihnen das Thema Fußball aber längst zum Hals raus. tels aufwändiger Choreographien, riesiger Spruch- Denn die EURO 08 ist ja momentan überall: kein banner oder des Abbrennens bengalischer Feuer. Die Fernseher, den man einschaltet, kein Radio, das man Ultras verstehen sich selbst als Gegengewicht gegen aufdreht, keine Zeitung, die man aufschlägt, keine die fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs. Plakatwand, auf die man blickt, ohne damit konfron- tiert zu werden. Also ein ziemlicher medialer Overkill Denn diese greift immer mehr um sich. Gab es bis in - enervierend insbesondere für diejenigen, die mit die 1960er Jahre noch starke lokale und milieuspezi- Fußball wenig bis gar nichts am Hut haben. fische Bindungen zwischen den Akteuren am Platz und ihren Fans - man denke etwa an Betriebsmann- Wir haben deshalb auch ein wenig gezögert, uns die- schaften wie Böhler Kapfenberg oder Alpine Dona- ses Themas anzunehmen - es letztlich aber doch witz -, so haben sich Fußballspiele seitdem zu mit getan: Zu verlockend erschien die Gelegenheit, an- multipler Firmenwerbung unterlegten medialen lässlich der Europameisterschaft im eigenen Land ge- Events gewandelt, deren Protagonisten zu “Akteuren sellschaftliche Phänomene, Trends, Problem- und in einer internationalen Unterhaltungsbranche” ge- Konfliktlagen einmal aus einer anderen Perspektive, worden sind (vgl. Beitrag Reder). Aber nicht nur das: gespiegelt durch den (Fußball-)Sport und das Ge- Immer öfter steigt ein Großinvestor in einen Verein schehen drumherum, in den Blick zu nehmen. ein, den er dann nach seinen eigenen strategischen Zielen ausrichtet. Da können - wie im Fall SV Salz- Die männliche Dominanz beispielsweise ist im Fuß- burg - die Vereinsfarben schon einmal ausgetauscht ball immer noch stark ausgeprägt, sowohl was das und durch die Firmenfarben ersetzt werden. Natür- aktive wie das passive Engagement (als Fan oder Zu- lich können aufgrund der Investitionen sportliche Er- schauerIn) betrifft. Allerdings hat sich auch hier folge erzielt werden. Bleiben diese aber irgendwann schon einiges geändert - wenn man z.B. bedenkt, aus und zieht sich der Investor daraufhin zurück, dass es im Austrofaschismus verboten war, Sport- hinterlässt er häufig eine schwer zu schließende Fi- plätze für “Damenwettspiele” zur Verfügung zu stel- nanzierungslücke, Konkurs und/oder Abstieg in eine len und dass noch in den 1950er Jahren Frauenfuß- untere Spielklasse sind dann in der Regel die Folge ball vom Deutschen Fußballbund untersagt wurde, (vgl. Beitrag Mitter). Nationale wie internationale weil weiblicher “Körper und Seele unweigerlich Scha- Beispiele hierfür gibt es genug und Parallelen zum den” daran erleiden würden (vgl. Beitrag John). Mitt- Geschehen in (anderen Bereichen) der Wirtschaft lerweile gibt es - seit 25 Jahren - hierzulande eine of- sind offenkundig. fizielle Frauen-Bundesliga, rund 7.000 Frauen sind aktuell als Spielerinnen gemeldet. Und auch was den Engagierte Fangruppierungen fordern einen Verein, Fußballkonsum betrifft, ist die Zahl der Zuschauerin- der nicht bloß Firmeninteressen abdeckt, sondern an nen sowohl im Stadion wie vor dem Fernseher zuletzt den Bedürfnissen seiner AnhängerInnen ausgerichtet deutlich gestiegen. Dass Fußballplätze immer noch ist. Identitätsstiftende Symbole wie Vereinsname und Orte sind, an denen Männer noch “richtige Männer” -farben müssen erhalten bleiben, aber auch eine Mit- sein zu können glauben und entsprechende Verhal- sprache bei Stadionumbauten, eigene Freiräume und tensweisen an den Tag legen (vgl. Beitrag Lamberg), faire Kartenpreise werden eingefordert (vgl. ebd.). soll aber auch nicht verschwiegen werden. Trotz aller Schattenseiten hat Fußball auch eine inte- grative Funktion, auf lokaler Ebene, generationen-, Das Verhalten der Fans ist jedoch auch von anderen teilweise auch schichten- und kulturenübergreifend. Faktoren geprägt: Negative Alltagserfahrungen, indi- Diese sollte nicht ökonomischen Interessen zuliebe viduelle wie gesellschaftliche Frustrationen, xeno- leichtfertig aufs Spiel gesetzt, sondern im Gegenteil phobe Reaktionen etc. entladen sich nicht selten weiter ausgebaut werden, meint während eines Fußballspiels. Alle Fans in einen Topf zu werfen, wäre aber verkehrt. Robert Danninger un- Ihre terscheidet in seinem Beitrag gewaltbereitere Grup- Kontraste-Redaktion

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Baron Rothschild, das Die oberösterreichische Fußballgeschichte soll in Bad Ischl begonnen haben, wo sich im Sommer 1908 wie Wunderteam und Cordoba jedes Jahr viele Wiener Feriengäste einfanden. Einige von ihnen wollten Fußball spielen, schließlich war das Michael John zur Geschichte des österreichi- in der Hauptstadt längst üblich. Man suchte einen schen Fußballsports Gegner und wurde im eben gegründeten Linzer Sport- klub (LSK) fündig. 57 Jahre bevor der LSK als LASK die „Alles was ich über die Moral der Menschen weiß, österreichische Meisterschaft gewann, verloren die verdanke ich dem Fußball.“ Schwarz-Weißen ihre allererste Partie deutlich mit Albert Camus (1913–1960) 1:11 gegen die Wiener Sommerfrischler. Wenig später setzte es in Steyr gegen die ebenfalls aus Wien stam- menden „Rambler“ ein 0:13. Es fanden sich jedoch in Der Soziologe Norbert Elias bezeichnete den Fußball- der näheren Umgebung bald gleichwertige Gegner. sport aus global-historischer Perspektive als „Motor Fußball zu spielen, wurde immer beliebter. der Zivilisierung“. Aggression werde dabei sublimiert und in einem Spiel gebunden. Diese Überlegung er- Fußball in der Ersten Republik gibt sich aus einem über Jahrhunderte laufenden Nach dem Ersten Weltkrieg begann eine neue Ära, Überblick. In Europa spielte man im Mittelalter Fuß- Fußball wurde zum Breitensport und zum Massener- ball in Form des Soule der Franzosen und des Calcio eignis. Die Bundeshauptstadt war damals unbestrit- der Italiener, das in Florenz, Venedig und Siena ge- ten das Zentrum des Fußballsports, da in der obersten spielt wurde. Im deutschsprachigen Raum existierten Liga nur Wiener Mannschaften spielten. 1924 wurde in Spätmittelalter und Frühneuzeit ebenfalls fuß- in Österreich als erstem kontinentaleuropäischem ballähnliche Volksspiele. In England wurde das Fuß- Land der Professionalismus eingeführt. Das Spiel er- ballspiel an den höheren englischen Schulen während hielt damit eine unerhörte Popularität, Wien der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgenommen, (vormals Amateure), Rapid Wien und Hakoah Wien doch gab es auch hier Vorläufer, die ins Mittelalter wurden damals als die „großen“ Mannschaften ange- zurückreichten. sehen. 1925 wurde Hakoah (hebr. Kraft) österreichi- scher Meister der Professionals. Erstmals hatte eine Die Anfänge in der Kaiserzeit jüdische Mannschaft in Europa eine nationale Mei- Ab den 1860er Jahren wandelte sich das Spiel vom sterschaft gewonnen. Auch Austria Wien wurde mit volkstümlichen, informell organisierten Sport zum dem Judentum verbunden, galt als liberaler Kaffee- Spiel mit festem, schriftlichem Regelwerk. In England haus- und Intellektuellenverein. entstand das moderne Fußballspiel, es gilt als Stammland dieses Sports. Im Jahre 1894 gründeten in Am 22. August 1926 konstituierte sich der neue “All- Wien lebende Engländer den First Football gemeine Österreichische Fußball-Bund” (ÖFB). Hinter Club als ersten eingetragenen österreichischen Fuß- diesem dürren Faktum verbarg sich eine Neuorgani- ballverein (in den Grenzen des heutigen Österreich, in sation des österreichischen Fußballsports. Der neue Prag war bereits 1892 eine Fußballsektion gegründet Fußball-Bund agierte nunmehr getrennt von den Ar- worden). Den traditionsreichen Fußballverein „Vien- beiter-Fußballvereinen, die 1919-24 im VAS (Verband na“ gibt es bis heute. Als Mentor firmierte Baron Nat- der Arbeiter- und Soldatensportvereinigungen Öster- haniel Rothschild, in den Gärten des Bankiers spielten reichs), 1924-26 im VAFÖ (Verband der Amateurfuß- als erste die bei ihm angestellten englischen Gärtner ballvereine Österreichs) und danach im ASKÖ (Arbei- ebenso wie englische Unternehmer, Manager, Ange- terbund für Sport und Körperkultur) organisiert stellte. Als Klubfarbe wurde Blau-Gelb gewählt, die waren. Zwischen beiden Gruppierungen fand ab 1926 Farben des Stalles Rothschild in der Freudenau. Das kein Sportbetrieb mehr statt, auch Auswahl- und Bankhaus Rothschild übernahm das Protektorat über sonstige Wettkämpfe waren in der Regel nicht mehr den neuen Verein, Baron Rothschild die anfallenden möglich; die frühere Praxis, sich gegenseitig Fußball- Kosten. Ein Satzungsparagraph des Fußballverbandes plätze zur Verfügung zu stellen, hatte ein Ende. Ab schloss anfangs „Arbeiter, Handwerker und Taglöh- 1927 wurde von den Arbeiterfußballern verlangt, in ner“ vom aktiven Spiel aus. In Österreich war Fußball Zeitschriften des wechselnd als ´bürgerlich´ oder ´un- damals in erster Linie ein eher bürgerlich geprägtes politisch´ bezeichneten ÖFB keine Informationsnoti- Spiel. Rapid Wien wurde 1899 gegründet und Austria zen mehr zu veröffentlichen, “da ein solcher Wider- Wien (Amateure) 1910. spruch auf die Dauer nicht möglich ist.” Damit hatte

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die politische Polarisierung während der Ersten Repu- und der Vortäuschung von Normalität. Zunehmend blik auch den Fußballsport erreicht, dies kann durch- nahmen nicht-zivile Mannschaften an Bedeutung zu, aus als Vorbote von 1934 gedeutet werden. der letzte Fußballmeister von „Oberdonau“ bestand aus Spielern der SS-Verbände im KZ Mauthausen. Viele Fußballer stammten damals aus Zuwandererfa- milien, die in Böhmen, Mähren oder Ungarn behei- Nach 1945 – „I werd narrisch“: Von matet waren. In Ungarn, Österreich und der Tsche- Lausanne über Wembley nach Cordoba choslowakei wurde nach einem ähnlichen System Die Rolle des Sports beim Aufbau der Österreich-Iden- gespielt, man sprach von „Donaufußball“. Ein typi- tität in der Zweiten Republik war von großer Bedeu- scher Vertreter war der Stürmer Matthias Sindelar tung. Die österreichischen Fußballer waren erfolgreich, (1903–1939). Er wuchs in Wien in einer tschechi- in den frühen 1950er Jahren sprach man von einem schen Arbeiterfamilie auf. Der untergewichtige Spie- zweiten „Wunderteam“. Justizminister Josef Gerö war ler erhielt den Spitznamen „der Papierene“ und war als ÖFB-Präsident einer der Garanten dieses Erfolges. der Star des österreichischen Nationalteams. Die Na- Österreich schlug 1950 Schottland in Glasgow sensa- tionalmannschaft der Jahre 1931 bis 1934 wurde tionell vor eigenem Publikum. 1954 gelang der bis wegen ihrer Erfolge „Wunderteam“ genannt. Den heute größte Erfolg. Nach dem 7:5 Sieg in der „Hitze- Österreichern gelang es, Schottland 5:0 zu schlagen, schlacht von Lausanne“ gegen die Schweiz und dem Deutschland 5:0 und 6:0, die Schweiz 8:1 und Un- 3:1 gegen Uruguay erreichte die Nationalmannschaft garn 8:2, selbst den späteren Weltmeister Italien 2:0. mit Ernst Happel, Ernst Ocwirk und Kurt Schmid den Die größten Erfolge des „Wunderteams“ wurden dritten Platz bei der WM 1954. Seit Mitte der 1950er während einer tiefen Wirtschaftskrise errungen, es Jahre wurden Fußballspiele im Fernsehen übertragen, herrschte Arbeitslosigkeit und große soziale Un- was dem Spiel eine neue Dimension verlieh. gleichheit. Die Stars waren auf der Gasse aufge- wachsen, hatten auf der „Gstettn“ Fußball erlernt. In der Saison 1949/50 war aber zweifelsohne mit der Dies lässt an Brasilien denken, wo großartige Fußbal- Gründung der Österreichischen Staatsliga ein ent- lerfolge auch mit Armut und Diskriminierung ver- scheidender Impuls zur Verbreiterung des Spitzen- bunden waren. Österreich hatte damals eines der be- sten Nationalteams der Welt. Als Matthias Sindelar Ausstellung “Fußball – Geschichten und einige Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Welt- Geschichte” kriegs früh verstarb, ging symbolisch auch eine Ära des Fußballsports in Österreich zu Ende. Kaum eine andere Sportart zieht mehr Men- schen in ihren Bann als der Fußballsport. Millio- Tore für Hitler nen von Fans verfolgen an den Wochenenden Die Fußballhochburg Österreich wurde 1938 zur regionale, nationale und internationale Spiele reichsdeutschen Provinz, zum Gau XVII des Reichs- auf Sportplätzen, im Stadion, Radio oder Fern- sportverbandes. Der Professionalismus wurde als „jü- dische Geschäftemacherei“ abgeschafft. 1938 schloss sehen. Fußball kann ein Grund für schlaflose man Hakoah aus der Meisterschaft aus, Austria Wien Nächte, ewige Freundschaften und erbitterte wurde unter kommissarische Verwaltung gestellt und Streitereien sein. Spielpläne und Ergebnisse in „Ostmark“ umbenannt. Jüdische Sportler wurden prägen das Leben von Fußballfans. von den Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben oder Die Ausstellung thematisiert die Fußballge- ermordet. Es folgte eine Neuordnung des Ligabe- schichte Österreichs und im Besonderen die triebs, Mannschaften aus den ehemaligen Bundeslän- dern spielten nun in der sogenannten „“. Von Entwicklung dieses Sports in Oberösterreich. Anfang an wurde der Fußballsport in den Dienst na- Das Verhältnis von Frauen zum Fußball wird do- tionalsozialistischer Propaganda gestellt. Dies funk- kumentiert und dargestellt, warum es so ist, wie tionierte nur teilweise. In Wien wurden von den Fuß- es ist. Auch den Stars und dem Starkult wird ballplätzen wiederholt antideutsche Ausschreitungen nachgegangen sowie dem fußballbegeisterten gemeldet. Während die Wehrmacht in die Sowjet- Menschen schlechthin. union einmarschierte, errang Rapid 1941 in Berlin Die Ausstellung wird im Schlossmuseum Linz bis sensationell mit einem 4:3 Sieg gegen Schalke den reichsdeutschen Meistertitel. Bis zum Kriegsende 20. Juli gezeigt. Kurator ist Michael John. diente der Fußballsport der Unterhaltung der Massen Informationen: www.schlossmuseum.at

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sports gesetzt worden. Gleichzeitig hat die Ein- nicht im gesellschaftlichen Freiraum statt, sondern führung des Österreichischen Sporttotos für eine so- man kann ihn auch als Folie begreifen, auf der sich lidere Finanzbasis des Sportgeschehens gesorgt. Die soziale, politische und kulturelle Entwicklungen ab- Regionalisierung des österreichischen Fußballsports zeichnen oder auf die kollektive Sehnsüchte und Kon- setzte sich in der Folge kontinuierlich fort und führte flikte projiziert werden. Körperliche Auseinanderset- im Jahre 1965 dazu, dass mit dem LASK erstmals eine zungen und Aggressivität sind im Rahmen dieses Bundesländermannschaft den österreichischen Mei- Kampfsports weder etwas Neues noch ein speziell stertitel errang. Der Gewinn des Meistertitels durch österreichisches Phänomen. Es gibt sie weltweit, einen Linzer Verein stellte eine Sensation dar, er kam meist sind es (junge) Männer, die persönliche, soziale, überraschend erst im letzten Ligaspiel zustande und politische oder nationale Gegensätze auf den Fuß- leitete einen Paradigmenwechsel ein. Den definitiven ballplätzen austragen. Im Wiener Illustrierten Sport- Verlust der Wiener Hegemonie, als fünf Jahre lang blatt vom 2. Jänner 1920 wurde etwa das Sportge- kein Wiener Verein den Titel erringen konnte, brach- dicht „An den Rowdy“ veröffentlicht: ten die Erfolge von Wacker Innsbruck (Vizemeister „Du bist der Herr auf grünem Rasen, 1967 und 1968, Meister 1971 bis 1973 sowie 1975 und vogelfrei diverse Nasen, und 1977). 1974 wurde VÖEST Linz unter Trainer Se- kein Wachmann störet Dein Beginnen, nekowitsch überraschend Meister, 1975 Vizemeister. ganz ungestraft darf Blut dort rinnen.“ (Auszug) Für die beiden Landeshauptstädte waren die Meister- titel symbolisches (wenngleich auch ökonomisches) Im Wien der 1930er Jahre waren die Ausschreitungen Kapital, da die genannten Fußballvereine für die Ver- auf dem Fußballplatz meist antisemitisch gefärbt. ortung von lokaler und regionaler Identität von Gewalt ist immer auch kontext-bezogen, antideut- großer Bedeutung waren. sche, gewalttätige Manifestationen in den NS-Jahren hatten auch subversive, mit Resistenz verbundene Über die 1960er und 1970er Jahre waren Österreichs Komponenten. Top-Fußballer international durchaus erfolgreich. 1965 überraschte das Nationalteam in London mit Im internationalen Vergleich war es hingegen in den einem 3:2 Sieg gegen den späteren Weltmeister Eng- Stadien der Zweiten Republik meistens relativ ruhig. land, Anton Fritsch wurde durch zwei Tore als „Wem- Tragödien wie in Ghana, Peru und der Türkei, im Hey- bley-Toni“ weit über Österreichs Grenzen bekannt. sel Stadion in Brüssel oder auf den englischen Plätzen 1968 wurde das erste Länderspiel außerhalb Wiens in Hillsborough, Bradford und Sheffield hatten eine ausgetragen, 1971 gelang in Linz ein 6:0 gegen Ir- andere Größenordnung als in Österreich üblich. land. In den 1970er Jahren spielte das Team mit Natürlich gab es auch bei Spielen in Österreich immer wechselndem Erfolg. Selbstbewusste österreichische wieder Auseinandersetzungen. In Europa versucht Spieler, aber auch Trainer wie Helmut Senekowitsch, man seit einiger Zeit, das Problem durch Maßnahmen überzeugten auch auf der internationalen Bühne. der Affektkontrolle in den Griff zu bekommen: Sitz- 1978 schlug Österreich bei der WM in Argentinien in plätze in den Stadien, aktive Fanbetreuung, Alkohol- der Stadt Cordoba durch eine Sonderleistung verbot und Eingangskontrollen. Ein Teil der Maßnah- Deutschland mit 3:2. Edi Fingers „I werd narrisch“- men besteht aus großen Polizeiaufgeboten und ande- Kommentar nach dem Siegestor der Österreicher ren ordnungspolitischen Eingriffen, um Ausschreitun- wurde zur Legende. Der Sieg wurde zum Erfolg Davids gen zu vermeiden. Mit der massiven Affektkontrolle gegen Goliath stilisiert und fügte sich zum Zeitgeist. verändert sich das Spiel jedoch auch seinem Charak- Österreich verstand sich als neutrale, weltpolitisch ter nach, der Akzent verlagert sich vom Kampfspiel nicht unbedeutende Nation. meinte da- stärker hin zum medialen Event. mals nach dem Sieg über seine Motivation: „Wenn ich einen Deutschen sehe, werde ich zum lebendigen Auf der Suche nach Erfolgen – die neuere Rasenmäher“. Entwicklung In den 1980er und 1990er Jahren konnte die öster- Gewalt in den Stadien reichische Nationalmannschaft nicht mehr an die bis- Schon seit Jahrzehnten wird das Thema Gewalt beim herigen Erfolge anknüpfen. Ein Tiefpunkt wurde 1990 Fußballspiel intensiv diskutiert. Scheinbar wider- mit der 0:1 Niederlage gegen die Färöer-Inseln er- spricht dies der These von Norbert Elias, der einen zi- reicht, ein weiterer mit dem 0:9 gegen Spanien im vilisierenden Charakter des modernen Sports per se Jahre 1998. Die letzte Teilnahme einer österreichi- annimmt. Nun findet der Fußballsport allerdings schen Mannschaft an einem Fußball-Großereignis

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datiert ebenfalls ins Jahr 1998 zurück, als Österreich fußball-Union“, eine Ligameisterschaft durchzu- an der WM in Frankreich teilnahm. Dieser Bilanz ste- führen. Der Österreichische Fußballverband gab dar- hen Erfolge der Klubmannschaften Austria Salzburg, aufhin 1936 einen Erlass bekannt, in dem Vereinen, Rapid und Austria Wien in den internationalen die dem Verband unterstanden, verboten wurde, Mannschaftsbewerben gegenüber. Zudem konnten in Sportplätze für Damenwettspiele zur Verfügung zu jüngster Vergangenheit österreichische Jugend- und stellen. Während der Jahre des Nationalsozialismus Juniorenmannschaften einige Erfolge für sich verbu- war an eine Fortentwicklung weiblicher Positionen in chen, wie etwa das Vordringen ins Halbfinale der U- männerdominierten Sportarten ebenfalls nicht zu 20 WM im Jahre 2007. „Das Fußball-Wunder“ titelte denken. ein Wochenmagazin nach dem erfolgreichen Ab- In den Notzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg konnte schneiden der Nachwuchsspieler in Kanada. Einer der man über Frauensport wenig lesen: Fußball wurde so- Stars dieses Teams, der Jungstar Ruben Okotie, ist ein fort wieder zum Männersport Nummer Eins, Frauen Zuwanderer, wie viele junge Fußballspieler. Dies ent- blieben ausgeschlossen. Allerdings fanden 1948 in spricht der gesellschaftlichen Entwicklung Öster- Wien einige Frauenfußballmatches statt. Nach langen reichs in den letzten 20 Jahren. Nach dem sog. Bos- Jahren nahm 1957 erstmals eine österreichische man-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (1995), das Mannschaft an der inoffiziellen Frauen-WM in Berlin zu einer weiteren Öffnung des Spielermarkts führte, teil. Inoffiziell deswegen, da etwa in Deutschland kann man von einem zusätzlichen Engagement aus- Frauenfußball seit 1955 vom Deutschen Fußball Bund ländischer Spieler sprechen. (DFB) untersagt worden war, weiblicher „Körper und In Österreich hat unlängst die hohe Politik die Fuß- Seele erleiden unweigerlich Schaden“, hieß es in einer ball-Europameisterschaft 2008 als „Jahrhunderter- Grundsatzentscheidung. Der Frauenfußball kam da- eignis, das größte Sportereignis, das jemals in der Ge- durch in eine schwierige Position. Auch auf Österreich schichte Österreichs stattgefunden hat“ bezeichnet. hatte das DFB-Verdikt Auswirkungen, der Sport Österreich müsse sich bei dieser EURO 2008 von sei- wurde nicht anerkannt. Aktive Spielerinnen und ner besten Seite präsentieren. Dies zeigt, dass der Funktionärinnen galten vorerst als „Wilde“ und wur- Sportart selbst, ungeachtet der Tatsache, dass von den vom österreichischen Verband nicht akzeptiert. einer markanten Leistungskrise zu sprechen ist, nach Die erste Frauenfußballmeisterschaft wurde in Öster- wie vor hohe Bedeutung zugemessen wird. An der reich erst 1972/73 ausgespielt, eine Reihe von Linze- Gesamtbilanz einer Krise haben auch positive Einzel- rinnen können als Pionierinnen angesehen werden. ergebnisse von Vereinsmannschaften wenig verän- Seit der Saison 1982/83 gibt es in Österreich eine of- dert. In der aktuellen FIFA-Weltrangliste (Mai 2008), fizielle Frauen-Bundesliga. Etabliert ist Frauenfußball die die Ergebnisse der letzten vier Jahre berücksich- damit in Österreich noch nicht geworden, nach der tigt, rangiert Österreich hinter wenig traditionsrei- letzten ÖFB-Erhebung sind rund 7.000 Frauen als chen Fußballnationen wie Oman, Äquatorial-Guinea, Spielerinnen gemeldet, das sind etwa zwei Prozent Armenien und Island auf Platz 101, knapp vor Libyen aller Aktiven. Geld fließt in diesen Sport nur spärlich. und Neuseeland. Deutschland ist auf Platz 5 zu fin- In der höchsten Spielklasse, der Frauenliga, agiert den, der mit Österreich von der Größe her vergleich- derzeit ein Klub aus Oberösterreich, und zwar Union bare Staat Tschechien auf Platz 6. Kleinmünchen. Dieser Klub ist achtfacher öster- Frauen und der Fußballsport reichischer Meister im Frauenfußball. Die ehemalige Kleinmünchen-Spielerin (und spätere Trainerin) Ger- Mit gesellschaftlich-kultureller Traditionalität lässt trude Stallinger trug den Dress von Bayern München sich erklären, dass im Österreich der 1920er und und ist zurzeit Österreichs Rekordinternationale. 1930er Jahre Frauen nur unter großen Schwierigkei- ten zum Fußballspielen kamen und ein regulärer Frauenfußballgeschichte geschrieben hat auch der Spielbetrieb eigentlich nicht stattfand. 1923 rief in 1968 gegründete Rekordmeister USC Landhaus aus Wien der Nationalspieler Ferdinand Swatosch zur Wien-Floridsdorf. Auch dieser Klub hat lange Zeit das Gründung eines Damenteams auf. 150 Spielerinnen Spielgeschehen in Österreich mitbestimmt. Zurzeit meldeten sich. Ein Jahr später wurde der Damenfuß- dominiert SV Neulengbach das Frauenfußball-Ober- ballklub „Diana“ gegründet. Es fanden daraufhin haus, die Niederösterreicherinnen wurden zuletzt mehrere Matches statt. Im klerikal-autoritären Sy- fünf Mal en suite Meister. Das Interesse am Frauen- stem des „Ständestaates“ (1934-38) entwickelte sich fußball hat in letzter Zeit auch in Österreich etwas dennoch der Versuch der „Österreichischen Damen- zugenommen. Große internationale Erfolge blieben

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dem Nationalteam wie den Vereinen bislang ver- Roman Horak/Wolfgang Maderthaner, Mehr als ein Spiel. wehrt. Die führenden Nationen dieses Sports sind Fußball und populare Kulturen im Wien der Moderne, derzeit neben den USA der regierende Weltmeister Wien 1997. Deutschland sowie Norwegen, China, Brasilien und Michael John, Österreich (Zur Kultur- und Sozialge- schichte des Fußballsports). In: Christiane Eisenberg Schweden. Frauenfußball hat mittlerweile internatio- (Hg.), Fußball, soccer, calcio. Ein englischer Sport auf nal einen ziemlichen Boom erlebt, es werden Europa- seinem Weg um die Welt, München 1997, S. 65-93. und Weltmeisterschaften durchgeführt, seit 1996 ist Michael John/Franz Steinmaßl (Hg.), „....wenn der Rasen Frauenfußball eine olympische Disziplin. brennt.“ 100 Jahre Fußball in Oberösterreich, Grünbach 2008. Michael John Eva Kreisky/Georg Spitaler (Hg.), Arena der Männlichkeit. Über das Verhältnis von Fußball und Geschlecht, Frank- Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte furt am Main 2006. Johannes Kepler Universität Linz Barbara Liegl/Georg Spitaler, Legionäre am Ball, Wien 2008. Literatur (Auswahl) Matthias Marschik, Vom Herrenspiel zum Männersport. Rosa Diketmüller, Kick it like Beckham. Frauenfußball und Die ersten Jahre des Wiener Fußballs, Wien 1997. Geschlechterrollen im Sport thematisieren. In: Sport- Matthias Marschik (Hg.), Sternstunden der österreichi- pädagogik. Seelze (2004), Heft 3, S. 46-49. schen Nationalmannschaft, Wien 2008.

Fankultur in den Stadien mittlerweile die Kuttenfans ersetzt hat: die Ultras. Auf die letzten beiden Gruppierungen, Hooligans und Fankultur ist heutzutage europa- und weltweit Be- Ultras, möchte ich im Folgenden kurz eingehen. standteil der Massen-, Alltags- und Jugendkultur. Hooligans Gleichzeitig ist der Fußball zu einem immensen Wirt- schafts- und Medienfaktor geworden und diese Ent- Die Herkunft des Begriffs „Hooligan“ ist nicht eindeu- wicklung geht am Fan nicht spurlos vorbei. Im Fuß- tig geklärt, fest steht jedoch, dass er 1898 erstmals in ball und auf den Rängen im Stadion spiegeln sich die einer englischen Tageszeitung gebraucht wurde und Spannungen und Konflikte der heutigen Gesellschaft seit ca. 1960 in England bzw. 1980 im deutschen wider. Negative Alltagserfahrungen, sozialer Frust, Sprachgebrauch im Zusammenhang mit gewalttäti- Arbeitslosigkeit, Fremdenangst und –feindlichkeit gen Fußballfans Verwendung findet. sowie dumpfe Ignoranz jeglicher Art entladen sich Hooligans kommen aus allen gesellschaftlichen während eines Fußballspiels. Grundsätzlich gilt in Schichten, wobei sich in den Randbereichen ein jedem Land die Regel, dass es sich bei der Atmosphäre größerer Anteil der sozialen Mittel- und Oberschicht in den Stadien um ein gesellschaftlich fest veranker- zeigt, während im Kernbereich das Arbeitermilieu tes Stimmungsbild handelt, das sich im Fußballfan- vorherrscht. Grundsätzlich sind die Hooligans als ty- umfeld potenziert widerspiegelt. pische Pubertätsgruppe zu sehen. Während das Ein- Lange Zeit waren die Fankurven in Europas Stadien stiegsalter in den Anfängen bei ca. 19 Jahren lag, durch lokale Jugendgruppen besetzt, die sich in Fan- liegt es heute häufig schon bei ca. 14 Jahren. Den Ab- clubs organisierten. Auffallend war ihr äußeres Er- sprung schaffen die meisten im Alter von etwa 25 scheinungsbild, durch (meist) Jeansjacken, die mit Jahren, wobei nach dem Ausstieg typische Mittelklas- verschiedenen Aufnähern des bevorzugten Vereins sewerte angestrebt werden. selbst gestaltet wurden. Aufgrund dieser Jacken wird Vom äußeren Erscheinungsbild her sind Hooligans diese Fangruppierung auch als „Kutten“ bezeichnet. sehr darauf bedacht, unauffällig auszusehen. Um Mitte der 80er Jahre spaltete sich die Fanszene. sich von den „normalen“ Fans abzugrenzen und Während ein Teil als friedliche Kuttenfans erhalten auch nicht sofort die Aufmerksamkeit der Polizei zu blieb, bildeten sich aus dem zweiten Teil neue, ge- erregen, bevorzugen sie einfache, aber meist teure waltbereite Fangruppen, die sich unter dem Namen Kleidung. Dieser kostspielige und modische Klei- Hooligans etablierten. Mitte der 90er Jahre hat sich dungsstil ist eine wesentliche Ursache dafür, dass eine weitere Szene in den Fußballstadien gebildet, die die Hooligans „in“ wurden und auch für Jugendliche

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aus „besserem Haus“ bzw. Mädchen akzeptierbar Durch eine nahezu perfekte Überwachung der Sta- und attraktiv wurden. dien, den verstärkten Einsatz von szenekundigen Po- lizeibeamten und den freizügigen Einsatz von mehr- Ihr Selbstverständnis und ihr Selbstbewusstsein jährigen Stadionverboten wurden die Hooligans in schöpfen die Hooligans vorrangig aus dem Ruf, den den letzten Jahren sehr wirksam aus den Stadien ver- ihnen und ihren Gruppen Gewaltaktionen einbringen. trieben. Ihre Auseinandersetzungen finden jetzt meist Vor allem das Stärkegefühl, das das Auftreten in der abseits des Stadions, an so genannten Drittorten, Gruppe vermittelt, und die Anonymität, die sie dem statt, wobei diese Treffen meist per Mobiltelefon mit einzelnen bietet, führen zu einer hohen Aggressions- dem Gegner vereinbart werden. bereitschaft. Hooligans verstehen ihre Kämpfe mehr als Wettkampf denn als Krieg. Das Regelwerk für ihre Ultras Auseinandersetzungen bildet ein Ehrenkodex, der Seit einigen Jahren drängt eine neue Form der Fan- unter anderem beinhaltet, dass keine Unbeteiligten kultur in die Stadien: die Ultras. Auch sie wollen sich angegriffen werden, keine Waffen zum Einsatz kom- mit den Fans des Gegners messen, im Gegensatz zu men, am Boden liegende Gegner nicht weiter den Hooligans allerdings nicht in Form von gewalt- attackiert werden, sich auf beiden Seiten in etwa die tätigen Auseinandersetzungen, sondern durch Kreati- gleiche Anzahl an Personen befindet und gegensei- vität und Stimmgewalt. Durch aufwändige Choreo- tige Anzeigen bei der Polizei abgelehnt werden. graphien, überdimensionale Spruchbanner sowie Die Einhaltung dieses Kodex ist mittlerweile aller- durch das Abbrennen bengalischer Feuer und farbigen dings sehr fraglich geworden, da sich vor allem die Rauchpulvers zeigen die Ultras eine kreative Form der jüngeren Hooligans nicht mehr daran halten und Fankultur, wobei sowohl die Inszenierungen wie auch auch häufig Waffen einsetzen. Waren dies in den die Gruppe selbst im Mittelpunkt stehen. 90er Jahren häufig Distanzwaffen wie Gaspistolen Entstanden sind die Ultras Ende der 60er Jahre in Ita- oder Reizgassprays, findet man heute auch Schutz- lien aus einer linksgerichteten Protestbewegung. Aus kleidung, wie z.B. Zahnschutz oder Schienbeinscho- dieser politischen Demonstrationskultur entstammen ner, oder mit Sand gefüllte Handschuhe, um die auch die Spruchbanner, Doppelhalter1 und die Mega- Schlagkraft zu erhöhen. Politisch gesehen sind Hooli- phone, die ins Stadion mitgenommen wurden. gans eher im rechten Bereich anzusiedeln, wobei ihnen der ideologische Background fast durchgängig Aus demografischer Sicht ähneln die Ultras sehr stark fehlt und sich auch häufig Ausländer in ihren Reihen den Hooligans. Der überwiegende Teil der Gruppen ist befinden. zwischen 16 und 24 Jahre alt. Durch Faktoren wie Ak- tion, Spaß und das Ausleben der eigenen Kreativität Wenn der Rasen brennt ... haben die Ultras eine enorme jugendkulturelle Be- deutung und auch hohe Zuwachsraten. Durch die Die Gründung des LASK 1908 bedeutete auch zum Teil offene Struktur der Gruppen wird es vielen den Beginn des organisierten Fußballs in Ober- Jugendlichen ermöglicht, sich mit der Szene zu iden- österreich. Der Sammelband beleuchtet die Ge- tifizieren. Die Zugehörigkeit wird meist durch ent- schichte des Fußballs in diesem Bundesland aus sprechende Kleidung symbolisiert, wobei fast jede verschiedenen Perspektiven. Insbesondere Gruppierung ein individuelles, selbst entworfenes haben viele fußballbegeisterte Literaten Texte Sortiment besitzt. beigesteuert. Zahlreiche Berichte und Reporta- Die Ultras sehen sich selbst als phantasievolles und gen sind dem Fußball im Unterhaus gewidmet, beabsichtigtes Gegengewicht zur fortschreitenden behandelt werden ebenso der Frauenfußball, die Kommerzialisierung des Fußballs. Viele der Gruppen Fan-Szene sowie jene Bereiche, aus denen der treten gegen die Wandlung des Fußballs zur reinen Fußball seine Leidenschaft und seine Faszina- TV-Ware, die „Versitzplatzung“ der Stadien, den ver- tion bezieht. stärkten Einfluss der Sponsoren auf die Vereine und eine Eventkultur à la USA auf. Während man in Öster- Erich Hackl, Peter Huemer, Rudolf Habringer: reich kaum Gruppen findet, die sich politisch dekla- ... wenn der Rasen brennt ... rieren, ist im Ursprungsland Italien das Gegenteil der 100 Jahre Fußball in Oberösterreich Fall: Ca. zwei Drittel der italienischen Ultras sind dem Verlag Franz Steinmaßl, Grünbach 2008 rechten Lager zuzuordnen, während das verbleibende 330 Seiten, EUR 29,50 Drittel dem linken Lager angehört.

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Seitens der Vereine steht man den Ultras meist sehr wird sie wohl auch zu einer Vertreibung vieler Ju- kritisch gegenüber, weil sie zwar einerseits als bele- gendlicher aus den Stadien führen. bendes Element im Stadion geschätzt werden, ande- rerseits aber wegen ihres immer größer werdenden Robert Danninger Einflusses auf die Stimmung im Stadion gefürchtet werden. Durch die Vertreibung der Hooligans aus den Stadien rückten die Ultras auch in den Focus der lo- Der Beitrag basiert auf der Diplomarbeit mit dem Titel kalen Ordnerdienste bzw. der Polizei. Die für die ge- „Fußball und Gewalt – Problemfans in ausgewählten eu- walttätigen Hooligans entwickelten Kontrollinstan- ropäischen Ländern“ (Betreuerin: Prof. Irene Dyk, Johannes Kepler Universität Linz 2008) zen werden nun auf die eigentlich friedlichen Ultras angewendet und die Gruppen werden so in einen vor- gefertigten Rahmen gezwängt. Die geplante Auswei- Anmerkung 1 Doppelhalter sind Fahnenstangen, in deren Mitte sich tung der repressiven Maßnahmen (insbesondere in ein Transparent befindet. Diese werden mit beiden Hinblick auf Großereignisse wie die Euro 08) führt zu Händen in die Höhe gehalten – daher der Name Dop- einer Kriminalisierung und Ausgrenzung der bislang pelhalter. als positiv betrachteten Fankultur und mittelfristig

„Wir sind es, die Emotionen trennten Bereich, sammelten sich Jugendliche, die die eigene Mannschaft lautstark und auch optisch (durch leben, das kann man nicht so genannte Choreographien) unterstützen wollten. Diese Fans entdeckten im Zuge ihres Engagements kaufen“ zunehmend vereinspolitische Belange für sich und Fans und der moderne Fußball definierten so einen Verein, der an den Bedürfnissen seiner Fans ausgerichtet sein soll. So traten vor allem traditionsbehaftete Eigenschaften wie Vereinsname, Emotion, Leidenschaft, Treue – alles Begriffe, die eng Farben, das Stadion oder dessen Geschichte in den mit dem Massenphänomen Fußball in Verbindung Mittelpunkt. Diese Eigenschaften und unverwechsel- stehen und gerade auch in der Werbung im Zuge der baren Merkmale zu bewahren, ist heute eines der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz zentralen Anliegen im so genannten Kampf gegen immer wieder gebraucht werden. Sei es von Coca den modernen Fußball. Cola, McDonalds oder anderen Großsponsoren, die diesen Sport ob seines enormen Kundenpotentials für Herz statt Kommerz! sich entdeckt haben. Aber was ist dieser moderne Fußball eigentlich? Wel- che Veränderungen bringt er mit sich und woran Die Aktivitäten der Fans nehmen zu stoßen sich seine Kritiker? „Klassenkampf in Hüttel- Zuschauer und Fans stellen ein wesentliches Merkmal dorf – Working Class Football against Red Bull“ stand von Popularität dar. Besucherzahlen im 4- bis 5stelli- auf Transparenten des Fankerns von Rapid Wien im gen Bereich sind selbst in der höchsten österreichi- Herbst 2006 in Wien zu lesen. Red Bull, ein Konzern, schen Liga keine Seltenheit und mit der Ausweitung der sich im Sommer 2005 beim SV Salzburg ein- von Sportübertragungen im TV hat sich der Fußball kaufte, sorgte in deren Fanszene für große Aufre- einem noch viel größeren und vor allem anonymen gung. Nicht nur der Name wurde mit dem bekannten Publikum erschlossen. Eine Trennung in Zuschauer, zu Sponsornamen versehen, sondern auch die Vereins- definieren als passive Konsumenten, die nach Unter- farben. haltung streben, und Fans, die den Verein aktiv im Stadion und auch außerhalb (durch Aktivitäten in „Wir erkannten unseren Verein nicht wieder, ich sag Fanclubs und Dachverbänden) unterstützen, ist an doch auch nicht plötzlich im Kaffeehaus: „Bitte einen 1 dieser Stelle besonders wichtig. Denn in den 90er kleinen Roten mit Zucker, oder?“ brachten es Vertre- Jahren nahm die Organisation und Teilhabe von Fans ter der ins Leben gerufenen Initiative Violett-Weiß am Vereinsleben deutlich zu. In der Fankurve, einem auf den Punkt. Eine Kampagne, die großes öffentli- zumeist auch baulich vom Rest des Stadions ge- ches Interesse nach sich zog und wie oben in Hüttel-

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bauten im Zuge der Weltmei- sterschaft 2006 wurde auf den Fankern zumeist vergessen, heute findet sich dieser inmit- ten von Familien und passiven Konsumenten wieder, die keine starke Bindung zum Verein aus- weisen. Einstieg mit Folgen Die Folgen des Engagements eines Großinvestors sind zu- meist erst bei dessen Ausstieg wahrnehmbar. Vereine stürzen dann in eine tiefe Finanzie- rungslücke, aus der sie in vielen Fällen aufgrund fehlender ei- genständiger Strukturen nicht mehr herausfinden, da die Zu- wendungen eines Investors oft Fans protestieren gegen die Kommerzialisierung des Fußballs. Foto: Helmut Mitter einen erheblichen Anteil am Gesamtbudget stellen und Ver- dorf beschrieben zu zahlreichen Solidaritätsbekun- träge mit teuren Spielern nicht umgehend ohne mo- dungen in ganz Europa führte. Die fundamentalen Ei- netäre Folgen gekündigt werden können. So hat die genschaften des Vereins wurden in seinen Grundfe- Zahl der Konkursanträge in den letzten Jahren deut- sten erschüttert. Dabei sind die handelnden Personen lich zugenommen. auf dem Spielfeld oder Funktionäre nicht der zentrale Ansatzpunkt, sondern die Eigenschaft, dass ein Un- Die Leidtragenden sind dabei wieder die Fans, denen ternehmen, ein Großinvestor den Verein mehrheitlich der Gang in Amateuerligen aufgrund von Insolvenzen übernimmt und ihn nach seinen eigenen strategi- nicht erspart bleibt. „Wir sind es, die Emotionen schen Firmeninteressen ausrichtet. leben, das kann man nicht kaufen und schon gar nicht über Lautsprecher einspielen, wann werden die Dabei handelt es sich aber um kein österreichspezifi- das da oben endlich begreifen“,4 ist ein Fan des SK sches Problem. Parolen wie „reclaim the game“ – „hol Rapid vor dem Heimspiel seines Vereins gegen dir das Spiel zurück“ oder „Herz statt Kommerz“ sind Wacker Innsbruck erzürnt, ehe er den Fansektor be- auch in Fußballstadien über den gesamten Kontinent tritt, um seine Mannschaft lautstark zu unterstützen. verteilt zu lesen. „Wir wollen einen Sport, wo Fanin- Klassenkampf im Fußball? teressen im Vordergrund stehen. Dazu gehört die Mit- sprache bei Stadionumbauten, ein eigener Raum für Transparente und Fahnen, eine gerechte Behandlung Helmut Mitter gegenüber der Exekutive, faire Kartenpreise im Fan- sektor und die Möglichkeit, Emotionen auszuleben“,2 Der Autor ist Gründer des Fanclubs „Green Lions Rapid“ bringen es die Initiatoren der Kampagne „Die Kurve (www.greenlions.at). gehört uns“ in Österreich auf den Punkt. In diesem Rahmen trafen sich Vertreter aller Fankurven und ar- Anmerkungen beiteten Aktionstage aus. 1 Vgl. URL: http://www.violett-weiss.at/e-cards.php, Ein Problem, das vor allem in Deutschland auftritt, ist Stand 23.05.2008 jenes der Stehplätze. „Bei uns ist die Zahl der Gäste 2 Vgl. URL: www. http://www.greenlions.at/index2.htm, auf den VIP-Tribünen fast genauso groß wie die Zahl Stand 23.05.2008 3 Zitat stammt aus einem persönlichen Gespräch mit der Fans, die im Fansektor Platz haben. Dabei sind das einem Matchbesucher, der anonym bleiben möchte. meist nur Geschäftspartner großer Sponsoren, die 4 Zitat stammt aus einem persönlichen Gespräch mit 3 ihre Karten gratis erhalten“, beschreibt ein Münch- einem Matchbesucher, der anonym bleiben möchte. ner die Situation beim FC Bayern. Bei Stadionneu-

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Fanmeile, Hopfengebräu und der Unterschied schon wegspülen lassen. Im Vorfeld des Großereignisses wird die „Ökonomiemühle“ ange- Abseitsregel worfen und alles Mögliche, aber auch Unmögliche unter dem Heading von Fußball vertrieben und ver- Nichts zu ernstes über ein ernstes Thema kauft. Da gehört das Panini-Pickerl eher schon zur guten alten Tradition und viel wird bei diversen Kaf- Zuerst der Fall Kampusch, dann Amstetten: interna- feetratscherln diskutiert über das Album von der WM tionale Medien berichten einmal mehr über die Ab- 90 (für viele in meiner Altersgruppe das erste Panini- 3 gründe aus der österreichischen Provinz, und dem album) und über die Frisuren diverser Spieler. Der nicht genug, ein paar Wochen später erschlägt ein Pickerltausch für das Panini-Album gehört somit zum Mann fünf seiner Familienmitglieder mit der Axt. Be- alltäglichen Anblick auch abseits der Schulhöfe, ob- fürchtungen werden geäußert, dass das Image Öster- wohl schon festgehalten werden muss, dass die An- 4 reichs nachhaltigen Schaden genommen hätte, die zahl von 535 bis zum Letzten ausgereizt wurde. politisch Verantwortlichen überlegten ob einer Char- meoffensive, und das wenige Wochen, bevor der eu- Klischees über Geschlechterrollen ropäische Fußball in unserem kleinen Lande Einzug Ein wiederkehrendes Phänomen bei solchen Fußball- hält. Die Kameralinsen der internationalen Presse ereignissen stellt auch die medial beschworene Un- richten sich auf die Alpenrepublik und wie es der Teu- wissenheit der Hälfte der Bevölkerung hinsichtlich fel will, muss „uns“ das grade jetzt passieren. Wenn der Abseitsregeln dar. Männer bekommen die Fuß- wir auch schon keine Fußballweltmeister sind, sind ballregeln schon in die Wiege gelegt, wohingegen wir bekanntlich Weltmeister im Verdrängen und dem Frauen, offensichtlich bedingt durch einen geneti- Vorspielen einer schönen heilen Welt.1 Also schieben schen Defekt, die einfachsten Fußballregeln nicht wir die negativen Schlagzeilen beiseite und konzen- verstehen können. Wenn dann frau über Thierry 5 trieren wir uns auf das gesellschaftliche Ereignis des Henry, Frederik Lyungberg oder Fernando Morientes Jahres: Der europäische Fußball gastiert in Österreich spricht, wird ihr unterstellt, dass sie sich nur aufgrund – natürlich auch ein wenig bei den Eidgenossen, die der körperlichen Vorzüge dieser Männer für Fußball vielleicht die bessere „Schoggi“ und den besseren interessiere. Fußballplätze sind Orte, an denen sich Käse herstellen und deren Fußballnationalteam viel- sehr hartnäckig Klischees über Geschlechterrollen leicht auch ein wenig mehr kann als das „unsere“, halten. Dort können Männer noch richtige Männer aber den „Gemütlichkeitspunkt“ werden sie uns nicht sein, schreien, schimpfen, Becher werfen, toben, je- streitig machen können. Sicherlich haben „uns“ die doch können dort auch Gesten beobachtet werden, Deutschen mit ihrem „Fußball bei Freunden“ einiges welche überhaupt nicht zum Bild „des richtigen Man- vorgelegt, jedoch nichts, was wir mit „unserer nes“ passen. Wenn das eigene Team gewinnt oder ein Freundlichkeit und unserem Schmäh“ nicht in die Ta- Tor geschossen wird, aber auch wenn ein Spiel unter sche stecken könnten. großer Dramatik verloren geht, dann ist es plötzlich legitim, dass auch die hartgesottensten Kerle weinen. Ökonomiemühle Nicht nur Tränen sieht man am Platz, sondern auch Die Gazetten und Zeitungen sind voll von Analysen Umarmungen, Küsse – soviel körperliche Nähe zwi- und Berichten über Fußball. Bierkapseln sind ge- schen Männern ist verwunderlich, jedoch wird ver- schmückt mit den unterschiedlichen Flaggen aus Eu- sucht, mit häufig getätigten homophoben Äußerun- ropa, ein positiver Nebeneffekt, denn wer hat sich vor gen diese Bedenken zu zerstreuen. der EM schon Gedanken gemacht über die Flagge von Bosnien-Herzegowina oder von Albanien. Jetzt wird Arenen unserer Zeit beim Öffnen des obligatorischen Bieres fachgesimpelt Der Fußball ist viel mehr als 22 Menschen, die einem über den jeweiligen Wissenstand zu den einzelnen Ball nachlaufen; er bietet viele Betätigungsfelder Ländern (da soll noch einer sagen, Fußball trage nicht auch für uns Soziolog/innen. In wissenschaftlichen zur Allgemeinbildung bei). Okay, das mit dem Bier hat Zeitschriften wird jetzt aufgrund der EM vermehrt auch einen kleinen Wermutstropfen; da soll der/die über Geschlechterkonstruktionen am Fußballplatz ge- verwöhnte österreichische Biertrinker/in in der „Fan- schrieben, über den gelebten Rassismus – auch unter meile“ nur mehr das Hopfengebräu C.2 trinken dürfen, „Linken“ ist es am Platz plötzlich opportun, den aber was für Liverpool gut ist, kann auch uns nicht Schieri als „Schwarze Sau“ zu beschimpfen – über die schaden, und in großen Mengen genossen, wird sich ausgeprägte Homophobie und über die Verschachte- lung von Fußball und Politik.

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Fußballplätze sind die Arenen unserer Zeit. Geld, Österreich, welches um Zuerkennung des Staatsvertra- Macht, ein wenig Blut und Emotionen, alles kommt ges und Souveränität ringt. Die NS-Vergangenheit wird hier zusammen, weswegen Fußball auch so fasziniert. bewusst ausgeblendet, vielmehr wird eine Schanigar- Also in diesem Sinne, ich freue mich schon auf die tenromantik heraufbeschworen und die gute öster- reichische Gemütlichkeit besungen. Spiele, mit meinem unvollständigen Panini-Album 2 Carlsberg, einer der größten Brauereikonzerne Europas, unter Arm (also vergesst meinen Aufruf nicht) und ist einer der sechs Hauptsponsoren der EM. eine Flasche C. in der Hand! 3 Da haben die Krocher wohl einige Vorbilder gefunden: Sigrid Lamberg Der Krocha ist an und für sich ein junger Mensch, wel- cher sich durch Neonkapperl, Markenfummeln und Fokuhila-Matten definiert. Laut Internet-Quellen liebt Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut er/sie Techno-Musik und verwendet Selbstbräuner, für Frauen- und Geschlechterforschung der Johannes Kep- damit er/sie beim abendlichen “einikrochen” in der ler Universität Linz und Fan von Blau-Weiß Linz. Disco den gruppendynamischen Anforderungen ent- spricht. Anmerkungen 4 Übrigens, wenn irgendwer Pickerl zum Tauschen hat, 1 Der Film 1. April 2000 beispielsweise verdeutlich dies der möge sich mit mir in Verbindung setzen! eindrucksvoll: Der 1952 gedrehte Film wurde von der ([email protected]) österreichischen Bundesregierung in Auftrag gegeben 5 Die Auswahl dieser Spieler erfolgte rein zufällig. und finanziert. Er spielt im Jahr 2000 und zeigt ein

Die Euro 2008 und ihre und polizeilichen Änderungen sollen im vorliegenden Beitrag kurz dargestellt und gewürdigt werden. Auswirkung auf polizeiliche Ausgangslage Befugnisse Großveranstaltungen (von Sportveranstaltungen bis zu religiösen Treffen oder internationalen Kongres- Österreich ist im Eurofieber. Werbung und Berichter- sen) gelten als generell gefährlich. Sie sind stets auch stattung in den Medien lassen keine Zweifel offen: Treffpunkt von (mehr oder minder organisierter) Be- „WIR sind EURO!“ Die Sorgen, ob Österreich „eurofit“ gleitkriminalität wie z.B. Diebstählen oder illegaler ist, sind in den letzten Wochen in den Hintergrund Prostitution. Darüber hinaus kommt es häufig zu getreten. Stolz wird in den Medien unter anderem einer „psychologischen Enthemmung in der Masse“. davon berichtet, dass die Euro den größten Polizei- Durch die vorhandene „Anonymität“ lassen sich Teil- einsatz in der österreichischen Geschichte verlangt. nehmerInnen zu Verhaltensweisen hinreißen, die sie Dabei ist freilich nur an die Präsenz der Einsatz- unter normalen Umständen kaum setzen würden. kräfte, um allfällige Probleme zu verhindern, ge- Weiters sind Großveranstaltungen eine „Bühne für dacht, und nicht an eine bestimmte Intensität von Botschaften“, von Transparenten bis zu mehr oder Polizeiverhalten. minder politisch motivierten Anschlägen. Angemes- Trotz dieser Eu(ro)phorie werden bisweilen auch die sene strafrechtliche Reaktionen sind gegen Rechts- Gefahren für die Bevölkerung, die die Euro mit sich verstöße bei Großveranstaltungen nur eingeschränkt bringen wird, hervorgehoben: Von potentiellen Zielen möglich, weil die Verdächtigen zum Zeitpunkt von für Terroristen ist dabei ebenso die Rede wie von ver- Strafverfahren und Strafvollzug häufig nicht mehr mehrten Taschendiebstählen usw. Diesen Gefahren greifbar sind und sich eine Übernahme der Strafver- entgegenzuwirken wurde unter anderem dadurch ver- folgung durch die Heimatstaaten schwierig gestaltet. sucht, dass verschiedene Änderungen von strafrechtli- Vor diesem Hintergrund kann selbstverständlich auch chen und sicherheitspolizeilichen Vorschriften vorge- von einem beträchtlichen Gefährdungspotential nommen wurden. Der Staat will durch entsprechende durch die Euro 08 ausgegangen werden, zumal es in polizeiliche und gerichtliche Kompetenzen hinrei- Europa nach wie vor nicht überwundene Nationalitä- chend auf Vorfälle während der Euro gerüstet sein, tenkonflikte gibt, die sich vielleicht im Zusammen- mitunter auch, um die Bevölkerung hinreichend beru- hang mit Fußballspielen entladen könnten. Weiters higen zu können. Die wesentlichsten strafrechtlichen gibt es in Europa eine so genannte „Hooligan-Szene“,

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die zu Gewaltbereitschaft neigt und diese gerne bei Die strafrechtliche Haftung von Fußballfans Großveranstaltungen auslebt. Begünstigt werden Untersucht man Verhaltensweisen von Fußballfans Ausschreitungen bei Fußballspielen schließlich noch mit Blick auf eine strafrechtliche Verantwortung, ist dadurch, dass Fußball ein sehr gewaltbetonter Sport zu differenzieren. Zum einen geht es um die individu- ist, bei dem es zu einer hohen Identifikation zwischen elle Verantwortung einzelner Fans. Diese können z.B. Mannschaft und Fans kommt. Zudem besteht bei im Zuge von Ausschreitungen Körperverletzungen (§§ Fußballspielen die Tendenz zu einem „rechtsfreien 83 ff StGB) oder Sachbeschädigungen (§§ 125 f StGB) Raum“, weil Handlungen auf dem Fußballplatz (wie verursachen. Darüber hinaus geht es um die Verant- z.B. die gefährliche Bedrohung eines Schiedsrichters) wortung von Fangruppen. Zwar werden auch in sol- als gleichsam „milieubedingte Unmutsäußerungen“ chen Fällen Einzelpersonen zur Verantwortung gezo- nicht strafrechtlich geahndet werden. Grobe Fouls gen, aber nicht, weil sie ein individuelles Rechtsgut oder Tätlichkeiten auf dem Spielfeld, die mitunter zu eines anderen verletzt, sondern weil sie an einem all- schweren Körperverletzungen führen, gelten als so- gemein gefährlichen Verhalten einer Gruppe teilge- zial adäquates Risiko und werden nicht strafrechtlich nommen haben. geahndet. Dies führt mitunter dazu, dass auch Fans – angestachelt durch bestimmte Stimmungen und Um hier eine hinreichende Handhabe gegen Fußball- Spielszenen – zu Rechtsverstößen neigen. fans zu haben, wurde anlässlich der Euro 2008 die Bestimmung über den Raufhandel geändert. Wer an Das Verhalten der Polizei befindet sich generell – und einer Schlägerei oder einem Angriff mehrerer in so auch im Hinblick auf Sportgroßveranstaltungen – einem Sicherheitsbereich bei einer Sportgroßveran- im Spannungsfeld zwischen Prävention und Repres- staltung (§ 36b SPG) tätlich teilnimmt, ist schon sion. Zum einen ist es ihr Ziel, strafbare Handlungen wegen dieser Teilnahme mit Freiheitsstrafe bis zu zu verhindern (Prävention). Das rechtliche Instrumen- einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessät- tarium dafür befindet sich im Wesentlichen im Si- zen zu bestrafen (§ 91 Abs 2a StGB). Es kommt also cherheitspolizeigesetz (SPG). Zum anderen wird die nicht darauf an, dass der an der Schlägerei Teilneh- Polizei auch eingesetzt, um die Strafverfolgungs- mende einen anderen verletzt, sondern es reicht die behörden (Staatsanwaltschaften und Gerichte) bei Teilnahme an der Schlägerei. Die Körperverletzung der Reaktion auf strafbare Verhaltensweisen zu un- kann zu einer eigenständigen Strafbarkeit führen. Der terstützen (Repression), speziell um Sachverhalte Gesetzgeber war hier jedoch insofern umsichtig, als aufzuklären und Beweise zu liefern. Die relevanten es sich bei dieser Erweiterung der Strafbarkeit um Strafbestimmungen finden sich überwiegend im eine „eurobegrenzte Strafnorm“ handelt, für die er Strafgesetzbuch (StGB), die zur Rechtsdurchsetzung bereits anlässlich ihrer Veränderung beschlossen hat, erforderlichen Instrumentarien in der Strafprozess- dass sie mit 31.12.2008 wieder außer Kraft tritt. ordnung (StPO). Als weitere mögliche Strafbestimmung für Fangruppen, die anlässlich der Euro unver- ändert blieb, kommt Landfriedensbruch (§ 274 StGB) in Betracht. Danach kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (bei führender Teilnahme bis zu drei Jahren) bestraft werden, wer wissentlich an einer Zusammenrottung einer Menschenmenge teilnimmt, die darauf abzielt, dass unter ihrem Einfluss ein Mord (§ 75 StGB), ein Totschlag (§ 76 StGB), eine Körperverlet- zung (§§ 83 bis 87 StGB) oder eine schwere Sachbeschädigung (§ 126 StGB) begangen werde. Bisweilen wurden Aus- schreitungen von Fußballfans bereits in der Vergangenheit unter diese Strafbe- stimmung subsumiert. Für das Strafverfahren reichen die Straf- Foto: Rainer Sturm. Quelle: pixelio.de drohungen bei den genannten Bestim-

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mungen, um gegen Verdächtigte wegen Tatbege- großveranstaltungen begangen haben und von denen hungs- bzw. Wiederholungsgefahr auch die Untersu- aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass chungshaft zu verhängen (vgl. § 173 Abs 2 Z 3 StPO). sie auch in unmittelbarem Zusammenhang mit künf- Insofern wird die Strafverfolgung auch im Dienste der tigen Sportgroßveranstaltungen solche Verwaltungs- Prävention eingesetzt, weil festgenommene Verdäch- übertretungen begehen werden, im Vorfeld solcher tige während dieser Zeit keine neuerlichen Straftaten Großereignisse von der Sicherheitsbehörde vorgela- begehen können. Freilich muss die Untersuchungs- den werden, um über das rechtskonforme Verhalten haft angemessen sein im Hinblick auf Tatverdacht, bei solchen Veranstaltungen nachweislich belehrt zu vorgeworfene und zu befürchtende Tat. werden. Polizeiliche präventiv-rechtliche Dritte Neuerung ist schließlich die so genannte „Mel- Gegenstrategien deauflage“ (§ 49c SPG). Hat jemand im Zusammen- hang mit einer nicht länger als zwei Jahre zurücklie- Damit es gar nicht zu strafbaren Handlungen kommt, genden Sportgroßveranstaltung unter Anwendung gibt es präventivrechtliche Befugnisse im Bereich der von Gewalt einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Sicherheitspolizei. Auch diese wurden anlässlich der Gesundheit oder fremdes Eigentum begangen oder Euro 2008 geändert. Sie sind aber insofern keine eu- hat er im Ausland einen vergleichbaren Sachverhalt robegrenzten Normen, als sie nach der Euro nicht verwirklicht oder gegen ein Betretungsverbot nach § wiederum außer Kraft treten. Möglicherweise hofft 49a Abs 2 SPG verstoßen, ist die Polizei ermächtigt, der Gesetzgeber auf den Zuschlag für weitere Sport- ihm mit Bescheid aufzuerlegen, zu einem bestimmten großveranstaltungen in naher Zukunft. Zeitpunkt in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Ist aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere bestimmten Sportgroßveranstaltung bei der Sicher- wegen der zu erwartenden Teilnahme gewaltbereiter heitsbehörde oder einem Polizeikommando persönlich Personen an einer Sportgroßveranstaltung, zu be- zu erscheinen, wenn Tatsachen die Annahme recht- fürchten, dass es bei dieser zu einer allgemeinen Ge- fertigen, er werde im Zusammenhang mit dieser fahr für die Gesundheit mehrerer Menschen oder für Sportgroßveranstaltung einen gefährlichen Angriff Eigentum in großem Ausmaß kommt, sind die Sicher- gegen Leben, Gesundheit oder fremdes Eigentum set- heitsbehörden ermächtigt, mittels Verordnung den zen. Damit werden solche Personen faktisch gehin- Veranstaltungsort und einen Bereich im Umkreis von dert, zu bestimmten Zeiten (z.B. zum Matchzeitpunkt) höchstens 500 Metern um diesen Veranstaltungsort an bestimmten Orten (z.B. Stadion oder Fanbereich) zum Sicherheitsbereich zu erklären (§ 49a Abs 1 SPG). zu sein. Zur Erfüllung der Meldeauflage ist auch eine Es kann also eine so genannte „Bannmeile“ um Sta- zwangsweise Vorführung vor die Sicherheitsbehörde dien, Fanbereiche usw. geben. Innerhalb dieser zulässig (§ 49c Abs 3 SPG). „Bannmeile“ darf die Polizei eine Person, von der auf Darüber hinaus sind mit 1. Jänner 2008 weitere Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen Neuerungen im Bereich des SPG in Kraft getreten, vorangegangener gefährlicher Angriffe gegen Leben, ohne dass dabei ein direkter Bezug zur Euro 2008 be- Gesundheit oder Eigentum im Zusammenhang mit stehen würde. Hervorzuheben ist etwa die Ermittlung vergleichbaren Sportgroßveranstaltungen, anzuneh- und Verarbeitung von Daten eines Telefonanschlusses men ist, dass sie gefährliche Angriffe unter Anwen- oder von IP-Adressen1 bei konkreter Gefahrensitua- dung von Gewalt begehen werde, aus dem Sicher- tion und Erforderlichkeit zur Erfüllung der SPG-Auf- heitsbereich wegweisen und ihr das Betreten dessel- gaben (§ 53a Abs 3a SPG) sowie die Auskunft über ben verbieten (§ 49a Abs 2 SPG). Somit können be- Standortdaten und die Verwendung von IMSI-Cat- stimmte Fans erst gar nicht in den Bereich dieser chern2 (um herauszufinden, welcher Teilnehmer sich Bannmeile hineingelassen werden, um die Sicherheit hinter einer Teilnehmernummer verbirgt) bei gegen- zu erhöhen, wobei freilich auf Grund ausdrücklicher wärtiger Gefahr für Leben oder Gesundheit eines gesetzlicher Anordnung eine zwangsweise Durchset- Menschen (§ 53a Abs 3b SPG). All diese Maßnahmen zung des Betretungsverbots unzulässig ist. bedürfen – im Unterschied zu diesen Möglichkeiten Um dafür sorgen zu können, dass bestimmte Fans und im Dienste der Strafjustiz – keiner richterlichen Ge- Fangruppen über die rechtlichen Möglichkeiten Be- nehmigung, sondern dürfen von der Polizei autonom scheid wissen, wurde die so genannte „Gefährdungs- durchgeführt werden. Auch wenn es am direkten ansprache“ eingeführt (§ 49b SPG). Demnach können Bezug zur Euro 2008 fehlt, ist davon auszugehen, Personen, die bereits bestimmte Verwaltungsübertre- dass aufgezeigte Bedrohungsszenarien bewusst dazu tungen in unmittelbarem Zusammenhang mit Sport-

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gewählt wurden, um – gleichsam auf dem Trittbrett tischen Verständnis gehören auch einheitliche Grund- der Euro 2008 – polizeiliche Befugnisse zu erweitert. rechte und –werte, wie sie z.B. in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert sind. Folgt Faktische polizeiliche Gegenstrategien man diesem Gedanken, sind an das konkrete polizei- Die faktischen polizeilichen Gegenstrategien lassen liche Handeln strenge Maßstäbe anzulegen. Ein sich zusammenfassen auf den alten Grundsatz: „Die hohes Maß an Meinungsfreiheit, ohne dass gleich die Polizei – dein Freund und Helfer.“ Das Bild der freund- Ordnungshüter einschreiten, gehört ebenso dazu wie lichen und hilfsbereiten Exekutive soll bei Fans und eine anständige Behandlung von Randalierern und Bevölkerung beim Gedanken an die Euro 2008 haften ein faires Verfahren gegen ausschreitende Gruppen. bleiben. So steht auch die Einsatzphilosophie der Po- Österreich will diesbezüglich vorbildlich sein. lizei unter dem Motto: ] 1. Stufe: Dialog Zusammenfassende Würdigung ] 2. Stufe: Deeskalation Wenn man sich bei aller Eu(ro)phorie die Frage stellt, ob die Euro 2008 ein Fluch oder ein Segen ist, so fällt ] 3. Stufe: Durchsetzung angesichts der geschaffenen polizei- und strafrecht- Da Österreich die Probleme nicht allein bewältigen lichen Rahmenbedingungen die Antwort gemischt kann, wird auf eine enge internationale Kooperation aus. Zunächst gilt es hervorzuheben, dass Österreich gesetzt, ganz im Dienste der Prävention. Bereits vor um die Euro froh sein sollte (sonst wäre unser Team Ort sollen bestimmte Fangruppen über die öster- wahrscheinlich nicht dabei). Sie wird ein sportliches, reichischen Gesetze informiert werden, um Gesetzes- wirtschaftliches, kulturelles Highlight sein. Die für verstöße erst gar nicht entstehen zu lassen (Präven- diese Großveranstaltung unbedingt notwendigen Ein- tion). Darüber hinaus wird Österreich direkt durch schränkungen der Freiheit im Dienste der Sicherheit ausländische Sicherheitskräfte im Rahmen der inter- sind zu akzeptieren und werden auch allgemein ak- nationalen Kooperationen unterstützt. So werden zeptiert. Insofern halten sich die anlässlich der Euro ausländische Kräfte ohne Exekutivbefugnisse in durchgeführten Gesetzesänderungen im Rahmen. Als Österreich im Einsatz sein, und das nicht nur zivil, Wermutstropfen bleibt allerdings, dass bestimmte er- sondern in ihrer nationalen Polizeiuniform. Beglei- weiterte polizeiliche Befugnisse nach der Euro im tend soll durch diese Maßnahme den Fans unter psy- Rechtsbestand verbleiben und die Stimmung rund um chologischen Gesichtspunkten auch vermittelt wer- die Euro 2008 zum Anlass für eine Verstärkung der den, dass in Österreich ähnliche Gesetze wie in den Polizeibefugnisse genützt wird. Dies sollte liberal Heimatstaaten gelten und keineswegs ein rechtsfreier denkende Menschen nachdenklich stimmen und Be- Raum vorhanden ist. strebungen zum Rückbau dieser Normveränderungen Großes Vorbild für die Euro 2008 ist auch für die Po- – nach der Euro 2008 – nicht verstummen lassen. lizei die WM 2006 in Deutschland. Insofern will man eine „EM der Freundlichkeit und Freundschaft“, und Alois Birklbauer das sowohl in den Stadien als auch in den Public-Vie- wing-Bereichen. Darüber hinaus soll es eine „EM der Der Autor ist Assistenz-Professor am Institut für Straf- Friedlichkeit“ sein, zumindest was die Darstellung in rechtswissenschaften der Johannes Kepler Universität Linz. den Medien betrifft. Insofern hat die Polizei die Me- Kontakt: [email protected] dienarbeit als wichtigen Bestandteil einer (präventi- ven) Polizeiarbeit neu entdeckt. So wie kaum jemand Anmerkungen zum Zeitpunkt der WM 2006 in Deutschland mitbe- 1 Eine IP-Adresse (Internet-Protocol-Adresse) dient zur kommen hat, dass es vor dem Spiel Deutschland eindeutigen Adressierung von Rechnern und anderen gegen Polen keineswegs friedlich zuging, weil die Geräten in einem IP-Netzwerk. Allen am Internet teil- nehmenden Rechnern wird eine IP-Adresse zugeteilt. Medien nicht darüber berichtet haben, dass es rund Die IP-Adresse entspricht funktional der Rufnummer in um das genannte Spiel 419 Festnahmen gab, so will einem Telefonnetz. Quelle: http://de.wikipedia.org man eine ähnliche Medienpolitik auch in Österreich 2 IMSI-Catcher sind Geräte, mit denen die auf der Mo- betreiben, um deeskalierend zu wirken und nicht bilfunk-Karte eines Mobiltelefons gespeicherte Interna- durch das Bild vom „Schlachtfeld Euro“ gewaltbereite tional Mobile Subscriber Identity (IMSI) ausgelesen und Fans anzuziehen. der Standort eines Mobiltelefons innerhalb einer Funk- zelle eingegrenzt werden kann. Auch das Mithören von Die Euro 2008 soll weiters eine „EM in einem demo- Handy-Telefonaten ist möglich. Quelle: http://de.wiki- kratischen geeinten Europa“ sein. Zu einem demokra- pedia.org

16 Juni 2008 kontraste FUSSBALL UND GESELLSCHAFT

Ein kurzer Versuch über sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen 1 Mannschaft, ist verwirrend weniger auf Grund der Fußballstars gewählten Terminologie als vielmehr, weil schon den Regeln zufolge ein Fußballspiel ohne gegnerische Wolfgang Reder über die Bedeutung einzelner Mannschaft nicht möglich ist. Mit anderen Worten: (herausragender) Spieler im Mannschafts- Ohne gegnerische Mannschaft gibt es kein Fußball- sport Fußball spiel. Unterschiede zwischen Sennetts Darstellung des Starsystems auf der Bühne und den Stars auf dem grünen Rasen können insofern ausgemacht werden, Stars und Öffentlichkeit als der Fußballsport dem Zuschauer wohl kaum jene In seinem Buch „Verfall und Ende des öffentlichen Le- emotionale Zurückhaltung in der Öffentlichkeit auf- bens. Die Tyrannei der Intimität“ beschrieb Richard erlegt wie beispielsweise dem von Sennett beschrie- Sennett, wie mit dem Ende des Ancien Regime und benen, zunehmend verstummenden Theaterbesucher dem Anwachsen der Städte die Angst vor dem „Frem- des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Denn sind - an- den“ sowie die Angst, als fremd „entdeckt zu werden“, ders als in einer mitunter schwer zu decodierenden einsetzte und schließlich die Glaubwürdigkeitscodes, Theatervorstellung - die Handlungsmuster, Grenzen ja die Geselligkeit der öffentlichen Sphäre schlechthin und Gegnerschaften klar abgesteckt, etabliert sich erodieren ließ. Eine bis dahin vergleichsweise voraus- also eine, wie Sennett es nennt, „destruktive Gemein- setzungslose Kommunikation im öffentlichen Raum schaft“, war und ist es zumindest in der Öffentlichkeit sei durch eine quälende Suche nach einem „wahren des Fußballplatzes risikolos, Gefühle zu zeigen.2 Selbst“ und durch die Angst um die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft ersetzt worden. Korrespondierend mit Smells like Team Spirit – Fußball als immer defensiver werdenden Grundhaltungen wäre Mannschaftssport dabei auch das äußere Erscheinungsbild der Men- Beim Fußballsport als einem ritualisierten Kampfspiel schen, vormals bunt, verspielt und in gewissem Sinne gab und gibt es stets Stars und große Gefühle. Ei- „kommunikativ“, in eine forcierte Uniformität abge- gentlich ist Fußball ein Mannschaftssport, bei dem glitten. Die Menschen wären immer ängstlicher dar- kein einzelner Spieler, kein Star, wie außergewöhnlich auf bedacht gewesen, von den anderen als der ange- seine Fähigkeiten auch sein mögen, den kollektiven strebten Referenzgruppe zugehörig erkannt zu wer- Charakter dieses Sports vollständig vergessen machen den und hätten sich in der Folge in der Öffentlichkeit kann. Zwar forcieren ökonomische Vermarktungs- auch mit spontanen Gefühlsäußerungen immer mehr und mediale Vermittlungsstrategien zunehmend die zurückgehalten und die Selbstkontrolle gesteigert. So Heraushebung einzelner Spieler und ihrer Qualitäten. sollte Sennett zufolge verhindert werden, durch Doch fanden und finden immer wieder auch spontane „Ausrutscher“ in den Verdacht der Unzu- berühmte Mannschaften als Ensembles Eingang in gehörigkeit zur Gemeinschaft zu geraten. Im gleichen die kollektiven Erinnerungen. Zu den legendären Ausmaß, wie diese defensiven Tendenzen Einzug ge- Mannschaften zählen - neben vielen anderen - das halten hätten, so Sennett weiter, hätte der „Star“ auf österreichische Wunderteam der frühen 1930er Jahre der (Theater-)Bühne eben deshalb an symbolischem oder Ungarns Aranycsapat, also jene „Goldene Elf“, Gewicht gewonnen, weil er scheinbar im Übermaß die im Zeitraum zwischen 1950-1954 nur ein Spiel das zu tun vermochte, was der „gewöhnliche“ verlor – allerdings das wahrscheinlich wichtigste, Mensch auf der Straße vermeintlich nicht mehr im- nämlich das WM-Finale 1954 in Bern gegen die BRD. stande war: nämlich Gefühle zu zeigen und so als Ist von bemerkenswerten Teams die Rede, so muss „Vorbild“ den vorgestellten Kristallisationspunkten auch das Weiße Ballett von Real Madrid genannt der imaginierten Gemeinschaft eine lebendige An- werden – eine Mannschaft, die in den 1950er Jahren schaulichkeit zu verschaffen. das Kunststück vollbrachte, den Europapokal der Lan- Diese von Sennett angesprochene Vorbild- bzw. Stell- desmeister gleich fünfmal hintereinander zu gewin- vertreterfunktion des/der Stars lässt sich zweifellos nen. Schließlich wäre die brasilianische Seleção von auch bei den Fußballstars auf dem grünen Rasen be- 1970 anzuführen, die das WM-Turnier in Mexiko obachten – nicht zuletzt weil vor allem die von Sen- wohl so überlegen wie selten eine Mannschaft für nett ins Feld geführte identitätsorientierte Identifika- sich entscheiden konnte. tion des/der anderen beim Fußballspiel allgegenwär- Oft genug wird dieser Mannschaften anhand einzel- tig ist. Sartres Satz, beim Fußballspiel verkompliziere ner, schillernder, ja herausragender Protagonisten er-

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innert. Doch eigentlich verdeckt dies wesentliche und schoss für den Verein in über 1000 Partien mehr Aspekte des Fußballsports. Denn nicht nur jene als 1000 Tore. Mannschaften, welche eher mit kämpferischen Mit- Auch in der Karriere des niederländischen Weltstars teln versuchen, dem Spiel ihren Stempel aufzu- Johan Cruyff spielte der lokale Kontext eine große drücken, bedürfen eines hohen Grades an mann- Rolle. Aufgewachsen in unmittelbarer Nachbarschaft schaftlicher Geschlossenheit. Auch Teams, die über zum Trainingsgelände von Ajax Amsterdam, blieb er eine Reihe hervorragender Einzelkönner verfügen, dem Club lange Zeit verbunden, bis er schließlich in können nur mit „team spirit“ wirklich Großes auf dem der Saison 1973/74 zum FC Barcelona wechselte, wo Platz vollbringen. So verführt die dichotome Gegen- er auf Anhieb zum Publikumsliebling avancierte. überstellung von „Kollektiv“ und „Startruppe“ oft zu Diese „Liebe“ beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit, vereinfachenden Vorstellungen. Denn egal, ob der wie der dem katalanischen Schutzheiligen Sant Jordi Fußball eher gekämpft oder eher gespielt wird: Letzt- geschuldete Name seines Sohnes sowie das spätere lich gilt die Erkenntnis, dass das (erfolgreiche) Ganze langjährige wie erfolgreiche Engagement als Trainer mehr ist als die Summe der einzelnen Teile. bewiesen. Local and global Heroes – die Stars auf Solche Loyalitäten kann man durchaus auch heute grünem Rasen noch finden, wenngleich sie tendenziell doch eher im Unbeschadet seines kollektiven Charakters hatte der Abnehmen begriffen sind. Zweifellos gibt es in der ak- Fußballsport als „Ballett“ auf grünem Rasen aber tuellen Situation internationale Stars mit lokalen immer auch seine „Startänzer“. Große Namen wie Bindungen. Auch werden Verbundenheit und Treue Pelé, Alfredo di Stefano, Ferenc Puskas, Johan Cruyff zum Club hoch geschätzt. Dies kann aber die Tatsa- oder Franz Beckenbauer werden zu Recht mit großen che nicht verdecken, dass die großen Fußball- Momenten der Fußballgeschichte assoziiert. Und von berühmtheiten mehr und mehr zu Akteuren in einer prominenten Ausnahmen abgesehen waren - vor internationalen Unterhaltungsbranche geworden allem bis in die späten 1960er Jahre - auch interna- sind. tional bekannte Fußballidole ihrem jeweiligen Verein In Österreich war nach 1945 im Fußballsport über lokale oder milieuspezifische Bindungen verbun- zunächst etwas zu bemerken, was verschiedene den. Dies hatte auf den symbolischen Gehalt der Sporthistoriker als schleichende „Austrifizierung“ des Spieler als „Repräsentanten“ ihrer Anhänger auf dem Fußballs bezeichnet haben.4 War der Sport um das Spielfeld eine nicht unerhebliche Auswirkung. „So- runde Leder zunächst fest in Wiener Hand, so brach lange der soziale Kontakt zwischen den Akteuren auf sich nach 1945 nicht zuletzt mit der zunehmenden dem Rasen und den Zuschauern noch funktionierte, Einberufung auch von Spielern aus den Bundeslän- konnte man im Fußballstadion noch etwas davon dern in die Nationalmannschaft langsam aber sicher spüren vom Geist des wilden Volksfußballs, als die eine „Verösterreicherung“ Bahn. Beim in sportlicher Dorfgemeinschaft denjenigen als ‚Ballhelden’ feierte, Hinsicht überschätzten, identifikatorisch aber unge- der sich im rauen Spiel am besten hatte behaupten mein bedeutsamen Sieg Österreichs gegen die BRD können. Noch zu Zeiten eines Stanley Matthews oder 1978 bei der WM in Argentinien standen nicht nur eines Uwe Seeler waren die Spieler wirklich Vertreter Spieler aus Wien und den Bundesländern auf dem ihrer Anhänger. Seeler konnte noch ‚Uns Uwe’ sein, Feld. Vielmehr mutierte „Cordoba“ zu einem „my- weil ihn etwas mit dem Publikum verband.“3 Dabei thisch überlagerten Symbol einer spezifisch antideut- umfasste auch hier der Begriff des Stars viele Facet- schen nationalen Identität.“5 Zweifellos verlief der ten und ließ Raum für Entwicklungen. Geschichten Prozess der „Austrifzierung“ nicht linear. Nach der von Spielern wie Bernhard „Bert“ Trautmann, der, als traumatischen Halbfinalniederlage bei der WM 1954 Deutscher bei Manchester City zunächst skeptisch gegen die BRD beispielsweise hatten manche öster- aufgenommen, 1956 als „Brave Bert“ englische Fuß- reichischen Tageszeitungen außerhalb Wiens noch ballgeschichte schrieb, zeigen, dass lokale Kontexte explizit von einer „Wiener Nationalmannschaft“ ge- manchmal offen und durchlässig waren. Gleichzeitig schrieben, „ehe nach Ende des Turniers das öster- waren diese Bindungen stark genug, um beispiels- reichische Ausscheiden mit der ‚moralischen Kondi- weise Spieler vom Kaliber eines Franz Beckenbauer tion der Wiener Raunzer’ in Verbindung gebracht oder eines Pelé lange Zeit bei ihren „Stammclubs“ zu wurde.“6 Immerhin wurde der nationale Kontext halten. Pelé beispielsweise, der einzige, der es als immer wichtiger. Spieler je schaffte, dreimal Fußball-Weltmeister zu werden, kickte etwa zwanzig Jahre beim FC Santos

18 Juni 2008 kontraste FUSSBALL UND GESELLSCHAFT

Das bedeutete umgekehrt aber nicht, dass die lokalen sein Auftritt im Viertelfinale gegen England. Obwohl Kontexte deshalb unwichtig wurden. Denn gleichzei- er sein erstes Tor mit der Hand erzielt hatte, entlockte tig mit diesen Vorgängen bewahrten sich manche „lo- sein zweites selbst dem englischen Kommentator kale Helden“ eine Strahlkraft, welche die vermeintli- Worte ehrlicher Anerkennung. Tatsächlich wurde es in che Enge des Kontextes zu transzendieren vermochte. einer Internetabstimmung zum Tor des Jahrhunderts Helmut Köglberger etwa, Mitglied jener LASK-Mann- gewählt. Maradona hatte sich selbst ein Denkmal ge- schaft, die 1965 das Double gewinnen konnte, war setzt, dem auch seine späteren Eskapaden nichts an- nicht nur in Linz, sondern auch später bei der Wiener haben konnten. So haben ihm schließlich viele Fuß- Austria ein Publikumsliebling. Insgesamt wurde er ballfans ihre Referenz erwiesen. Publikationen, die dreimal nationaler Meister und zweimal Torschüt- ihm Tribut zollen, sind Legion. Als außergewöhnlich zenkönig. Er spielte im Nationalteam und war auch darf dabei die Idee zweier argentinischer Sportjour- zuweilen dessen Kapitän. 1969 erhielt er den Bronze- nalisten gelten, die - mit viel Augenzwinkern - kur- nen Schuh als Auszeichnung für den drittbesten Tor- zerhand eine „Kirche Maradonas“ ins Leben riefen: die schützen Europas. Seine Popularität machte sich Iglesia Maradoniana, eine Kirche, die über eigene Ge- nicht zuletzt auch dadurch bemerkbar, dass im Linzer bote, eigene Feiertage, eigene Riten verfügt. Doch ob Stadion aus mehr als zehntausend Kehlen dutzende nun mit oder ohne Augenzwinkern: Was bleibt, ist die Male der Kampfruf „Heli“ ertönte. Und auch als Willy Hommage an den Star auf dem grünen Rasen. Kreuz 1978 nach der erfolgreichen WM von Feyeno- ord Rotterdam zum SK VÖEST wechselte, war dies Wolfgang Reder eine Sensation, welche die Massen ins Linzer Stadion zog. Schon das erste Training des damals 29-Jährigen war ein lokales Ereignis. Ins Herz geschlossen wurde Der Autor studierte Soziologie und ist derzeit Dissertant der Mann aus Kaisermühlen dabei nicht nur auf am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Jo- Grund seines Könnens und seiner Umgänglichkeit, hannes Kepler Universität Linz. Mitarbeit in verschiedenen Forschungsprojekten, zuletzt bei der Ausstellung „Fußball. sondern auch wegen seiner unbändigen Einsatzbe- Geschichten und Geschichte“ im Linzer Schlossmuseum. reitschaft. Kreuz, als offensiver Mittelfeldspieler österreichischer Torschützenkönig von 1971, war auf Anmerkungen Grund seiner Kämpferqualitäten einer der maßgebli- 1 Dieser Beitrag orientiert sich an dem vom Autor verfas- chen Garanten des Erfolges in Argentinien gewesen. sten Aufsatz, der unter dem Titel „Stars und Mann- Tatsächlich erreichte er 1979 mit dem SK VÖEST den schaften auf grünem Rasen“ in „Fußball, Geschichten zweiten Platz in der österreichischen Meisterschaft. und Geschichte. Begleitheft zur Ausstellung im Schlos- Die Konzentration auf Stars, so kann man resümieren, smuseum Linz“, Linz 2008, veröffentlicht wurde. 2 Ein von Sennett erwähnter ähnlich gelagerter Kontext, ist wesentlicher Bestandteil des Fußballspiels. Sie der Menschen in dichotome Lager aufspaltete und macht manches greifbar und verständlich, überdeckt damit eine „destruktive Gemeinschaft“ schuf, wäre zum oder verzerrt hingegen anderes, was nicht durch das Beispiel die Reaktionen der französischen Öffentlichkeit Starkonzept erfasst werden kann. Dabei ist das Ver- im Zuge der Dreyfus-Affäre. Auch hier standen sich hältnis von Star und Mannschaft höchst facetten- zwei Lager gegenüber und auch hier war es legitim, ja reich. Das wird vielleicht am Beispiel Diego Marado- geboten, Gefühle zu zeigen. Vgl. Richard Sennett, Ver- nas deutlich. Maradona gilt als einer der besten Fuß- fall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der baller, die je gelebt haben. Die Verehrung, die ihm Intimität, Frankfurt/Main, 2002, 306ff. immer noch entgegengebracht wird, nimmt mitunter 3 Christoph Brausenwein, Vergnügen für die Gentlemen. Fußball, 213, In: Hans Sarkowicz, Schneller, höher, wei- religiöse Züge an. Schon als jugendlicher Nachwuchs- ter. Eine Geschichte des Sports, Frankfurt/Main 1999, spieler wusste er ganze Fußballstadien mit seinen 204-218. Zauberkunststücken zu begeistern. Zwar wurde er 4 Vgl. dazu beispielsweise Robert Hummer, Cäsar, Hugol vom argentinischen Trainer Cesar Luis Menotti als zu und ein Baby. Eine kurze Geschichte des Fußballs in jung für den Einsatz bei der WM 1978 im eigenen Oberösterreich, 12-19. In: Fußball. Geschichten und Land befunden. Auch konnte er 1982 in Spanien den Geschichte. Begleitheft zur Ausstellung im Schlossmu- Titelverlust nicht verhindern. Doch 1986 in Mexiko seum Linz, Linz 2008. schlug schließlich seine große Stunde, als er mit einer 5 Robert Hummer, Immer wieder Österreich. Fußball und trotz Jorge Burruchaga und Jorge Valdano doch eher nationale Integration, 1945-1978, unveröffentlichte Diplomarbeit, Salzburg 2006, 105. mittelmäßigen argentinischen Mannschaft fast im 6 Ebd., 96. Alleingang Weltmeister wurde. Legendär war dabei

kontraste Juni 2008 19 FUSSBALL UND GESELLSCHAFT

Hat Fußball eine integrative deckenden Medienberichterstattung eignet sich Fuß- ball als Gesprächsstoff auch für Personen, die das Ge- Funktion? schehen lediglich oberflächlich verfolgen. „Ver- wandte, Bekannte, kommen auf einmal wieder von Cornelia Prochaska und Harald Pannagl vom Nichts ins Reden, in Gespräche, treffen sich vielleicht Forschungsinstitut SORA haben in ihrer Studie zufällig am Fußballplatz“, so ein Innsbrucker Diskus- „Come together – EURO 2008“ unter anderem sionsteilnehmer. untersucht, inwieweit der Fußballeuropamei- Personen, die ein tiefergehendes Interesse an Fußball sterschaft 2008 und dem Fußballsport in haben – sei es aktiv, sei es passiv – verbindet Fußball Österreich generell eine verbindende Wirkung durch die Zusammenarbeit zur Erreichung eines ge- zukommen. meinsamen Zieles. Für viele Fokusgruppenteilnehme- rInnen ist genau dieser Punkt jener, der die Attrakti- Im Auftrag von „2008 – Österreich am Ball“ hat das vität von Fußball – und Mannschaftssportarten ganz sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut SORA die allgemein – ausmacht. Insbesondere wegen des der- Stimmungslage vor der Fußballeuropameisterschaft zeit dominierenden Individualismus’ sei „als Ausgleich 2008 und den sozialpsychologischen Hintergrund zu ein Mannschaftssport immer gefragt,“ betonte ein Fußball und Ballsport erhoben. Dazu wurden fünf Teilnehmer aus Salzburg. moderierte Gruppendiskussionen (sog. Fokusgruppen) Im Zuge der Individualisierung haben sich traditio- in den vier österreichischen Austragungsstädten nelle Gemeinschaften immer mehr aufgelöst, wo- durchgeführt. Zwei Fokusgruppen fanden in Wien durch verbleibende oder neue Gemeinschaften, so statt und je eine in Innsbruck, Salzburg und Klagen- Prochaska und Pannagl, einen Status als „paradise furt. Die Zusammensetzung der Diskussionsteilneh- lost“ erhalten. Sie gewähren ein Gefühl von Zu- merInnen wurde nach soziodemographischen Unter- gehörigkeit und Sicherheit in einer zunehmend insta- scheidungsmerkmalen segmentiert: Es diskutierten in bilen und unsicheren Welt. Im Zuge von Sportveran- je einer Gruppe Frauen über 35 Jahren, Männer über staltungen kann dieses „Wir-Gefühl“ erlebt werden. 35 Jahren, Frauen unter 35 Jahren, Männer unter 35 Verstärkt wird es durch gemeinsame Aktionen, wie Jahren sowie Männer mit Migrationshintergrund kollektives Singen, Tanzen oder auch die Welle: unter 35 Jahren untereinander. Die AutorInnen haben „Wenn die Welle kommt, stehn alle auf, ob man will die relevanten Ergebnisse der Diskussionen zudem oder nicht. Also das ist dann so eine automatische mit der wissenschaftlichen Fachliteratur in Beziehung Reaktion, wo man mitmacht,“ berichtete ein Teilneh- gesetzt. mer mit Migrationshintergrund. Dieses Gefühl kann im Zuge der EURO 2008 nicht nur im Stadion erlebt Gemeinschaftsgefühl und Ausgrenzung werden, sondern auch überall dort, wo Gelegenheiten Der Großteil der FokusgruppenteilnehmerInnen freut zum Public Viewing geschaffen werden. Das schließt sich auf ein multikulturell begangenes Fest im Zuge auch den Wirt ums Eck mit ein. der EURO 2008. Dies nährte die Vermutung, dass Fuß- ball eine verbindende Funktion hat. Allerdings stellte Prinzipiell kann Fußball einen wichtigen, sozial ver- sich für die AutorInnen die Frage, ob und wenn ja in- bindenden Einfluss auf die Bevölkerung haben. Die wiefern dieser Sport eine über die Dauer der Europa- Faszination dieses Sportes wird von Personen unter- meisterschaft hinausgehende integrative Wirkung schiedlichen Alters, sozialer Schicht sowie Kultur hat, zum Beispiel in Bezug auf das Zusammenleben und/oder Nationalität geteilt, wie auch die von SORA mit Personen migrantischen Hintergrunds. Sie gingen durchgeführte Studie zeigt. Für einige Personen daher den Fragen nach: macht gerade diese Vielfalt der Fans einen guten Teil des Charmes des Fußballs aus. Theoretisch „stellt der ] Wen verbindet Fußball? Fußballsport somit ein ideales Werkzeug im Kampf ] In welcher Art und Weise verbindet Fußball diese gegen jegliche Art von Diskriminierung dar“, so Phi- Personen? lippe Karlik in seiner Analyse der Funktionen des Fuß- Unterschiede in der Beantwortung dieser Fragen ballsports in Österreich (Diplomarbeit, Univ. Graz zeigten sich je nachdem, ob man sich aktiv für Fuß- 2005). Zu beachten ist dabei jedoch, dass sich jedes ball engagiert, also selbst spielt, oder passiv, indem Kollektiv nicht nur durch die Gemeinschaft seiner man Fußballspiele entweder live oder über die Me- Mitglieder auszeichnet, sondern gleichzeitig auch dien konsumiert. Aufgrund der nahezu flächen- durch die Abgrenzung gegenüber Außenstehenden.

20 Juni 2008 kontraste FUSSBALL UND GESELLSCHAFT

Um die Identität des Kollektivs nicht zu gefährden, selbst als Fußballfans oder zumindest als ein wenig finden nur Personen mit bestimmten Eigenschaften an Fußball interessiert bezeichneten. In der Studie Einlass in die Fangemeinschaft, während andere aus- fanden diese jedoch nur als Freundin bzw. Frau des geschlossen werden: Dies geschieht häufig auf der Fußballinteressierten Erwähnung. Basis von Dimensionen wie Geschlecht, soziale Schicht, Generation und Ethnizität. Auseinandersetzung mit Männlichkeit Weibliches Fan-Sein beinhaltet zwangsläufig eine Gestiegenes weibliches Interesse Auseinandersetzung mit Männlichkeit, da Fußball Die einschlägige Literatur bestätigt einhellig, dass männlich geprägt ist. Die Strategien dieser Auseinan- Fußball eine von Männern dominierte Sportart ist, dersetzung reichen vom Ignorieren über Adaptieren ganz gleich, ob es sich um passives oder aktives und Ironisieren bis zum Herausfordern und Bekämp- Sportengagement handelt. Allerdings werden die fen männlichen Fanverhaltens, das Frauen mitunter Grenzen in beiden Bereichen, insbesondere jedoch im diskriminiert. Nicole Selmer und Almut Sülze sehen in passiven, zunehmend durchlässiger – wie auch die der Adaption männlichen Fanverhaltens eine Chance, von SORA durchgeführte Studie belegt. „unweibliches“ Verhalten wie Schimpfen, Schreien usw. auszuleben. Was den Fußballkonsum betrifft, stiegen in den letz- ten Jahren die Zuschauerinnenzahlen sowohl im Sta- Allerdings ist ein gewisses Maß an Fachwissen Vor- dion wie auch vor dem Fernseher. Eva Kreisky spricht aussetzung, um von den männlichen Fans akzeptiert von „einer Art Feminisierung des Fußballevents“, weil zu werden. Dieses wird den Männern meist automa- SponsorInnen neue Zielgruppen ansprechen wollen. tisch unterstellt, Frauen hingegen meist ebenso auto- Prochaska und Pannagl vermuten, dass das gestie- matisch abgesprochen. Selmer und Sülze weisen gene weibliche Interesse an Fußball einerseits und zudem darauf hin, dass Frauen, die sich an das männ- das Anpassen von Fußballevents an „weibliche“ Vor- liche Fanverhalten anpassen, frauenfeindliche Struk- lieben andererseits sich gegenseitig beeinflussen, turen herunterspielen oder zumindest akzeptieren, zumal auch die Aussagen der Fokusgruppenteilneh- um das Gemeinschaftserlebnis nicht zu gefährden. merInnen in diese Richtung weisen. So gab ein Groß- Was das aktive Fußballengagement von Frauen und teil der Teilnehmerinnen an, selbst gerne und oft Fuß- Mädchen betrifft, wurde mehrheitlich ein vermehrtes ball zu schauen und die vergangene Weltmeister- Fußballinteresse von Mädchen vor allem unter der schaft in Deutschland mitverfolgt zu haben. Sie jüngeren Generation konstatiert. Eine Diskutantin be- freuen sich auch auf die EURO 2008 und wollen ihr in richtete beispielsweise von ihrer 13-jährigen Schwe- irgendeiner Weise – sei es im Stadion, in der Fanzone ster, die seit zwei Jahren begeistert Fußball im Verein oder zu Hause vor dem Fernseher – auch bei- wohnen. Ein familienfreundliches Stadion bzw. ein gewaltfreier Raum ist dabei jedoch eine we- sentliche Voraussetzung, um vermehrt weibli- ches Publikum anzusprechen. Ein unter den Teilnehmerinnen der Fokusgruppen weit verbreitetes Motiv, sich für Fußball zu inter- essieren, ist der Bezug zu männlichen Familien- angehörigen, die sich ihrerseits für den Sport aktiv und/oder passiv engagieren. Viele Frauen haben Fußball spielende Söhne (in geringerer Anzahl auch Töchter) und/oder Männer bzw. Le- bensgefährten, die sie entweder zu eigenen Spie- len begleiten oder mit denen sie sich Fußball- spiele anderer Mannschaften – live oder im Fern- sehen – anschauen. Da sie in diesem Fall ledig- lich als Begleitpersonen wahrgenommen werden, wird ein eigenständiges weibliches Interesse an Fußball überdeckt. Die SORA-AutorInnen führen in diesem Zusammenhang eine Schweizer Studie an, in der sich 47 Prozent der befragten Frauen Foto: Jessica Conrad. Quelle: pixelio.de

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spielt: „Und sie ist nicht das einzige Mädchen, son- genfurter Familienvater Stadienbesuche als Familien- dern da sind wirklich eine Handvoll Mädchen dabei.“ ausflug gestaltet. Eine weitere Teilnehmerin spielt selbst Fußball, die Fußball ist ein Sport, der von frühesten Kindesbeinen Tochter einer anderen absolviert im Moment die Aus- an gespielt wird, wobei der erste Kontakt meist in- bildung zur Schiedsrichterin und ein Mann erzählte nerfamiliär hergestellt wird, wenn (Groß-)Eltern mit davon, dass er mit seiner Tochter gerne den Ball über den (Enkel-)Kindern spielen. Auf Vereinsbasis den Rasen rollen lässt. gehören dann zumindest Abgesehen von den per- “Fußball wird teilweise als letzte Domäne (aber nicht ausschließ- sönlichen Erfahrungen der Männer gesehen. D.h. obwohl sich lich) im Kindheits- und der Fokusgruppenteil- Jugendalter die TrainerIn- nehmerInnen ist Frauen- Frauen zunehmend für Fußball interessie- nen einer anderen Gene- fußball auch auf der Ho- ren, ist dieser Sport immer noch in einem ration an als die Spiele- mepage des Österreichi- hohen Maß männlich dominiert. Und rInnen. Nicht selten über- schen Fußballbundes manche Frauen gehen davon aus, dass nehmen SpielerInnen, die (www.oefb.at) vertreten, ihre aktive SpielerInnen- was die AutorInnen als Männer ein Interesse daran haben, dass karriere beenden, andere Zeichen der steigenden das auch so bleibt.” Aufgaben innerhalb ihres Anerkennung desselbigen Vereins. werten. Auf Klubebene wird Frauenfußball in Österreich seit 1982/83 ausge- Soziale Segregation tragen. Allerdings bezweifeln die Diskutantinnen aus Dass es Fußball ermöglicht, über soziale Schichten Wien, dass sich auch Männer Frauenfußball ansehen hinweg miteinander in Verbindung zu treten, erachtet oder sich dafür interessieren. Fußball wird teilweise der Großteil der FokusgruppenteilnehmerInnen als als „letzte Domäne der Männer“ gesehen. D.h. obwohl nicht gegeben. Besonders oft fanden in den Diskus- sich Frauen zunehmend für Fußball interessieren, ist sionen die VIP-Lounges Erwähnung, die soziale dieser Sport immer noch in einem hohen Maß männ- Schichten ganz eindeutig, weil für alle sichtbar, von- lich dominiert. Und manche Frauen gehen davon aus, einander trennen. In der Gruppe der Wiener mit mi- dass Männer ein Interesse daran haben, dass das auch grantischem Hintergrund wurde allerdings rege dis- so bleibt. kutiert, ob eine verbindende Wirkung des Fußballs über soziale Schichten hinweg nicht doch möglich Was insbesondere Frauen in Bezug auf Fußball und sei. So konnte sich ein Teilnehmer dieser Gruppe vor- Männer positiv hervorheben, ist, dass der Sport Män- stellen, dass sich im Stadion soziale Schichten direkt nern einen Raum bietet, in dem sie ihre Emotionen begegnen. Mit dieser Meinung steht er jedoch nicht ausleben können. Von Männern, die dies praktizieren, nur in seiner Fokusgruppe, sondern über alle Fokus- während sie Fußballspielen zusehen, weiß fast jede/r gruppen hinweg alleine da. FokusgruppenteilnehmerIn zu berichten - und das nicht nur in Bezug auf destruktive Gefühle, sondern Auf Ebene des passiven Fußballengagements wird le- auch auf positive: „Wenn a Tor fällt, dann küssen sich diglich da eine verbindende Wirkung gesehen, wo El- da Leute, die sich gar nicht kennen“, berichtete eine tern ihren vereinsmäßig spielenden Kindern zusehen: Teilnehmerin mit Migrationshintergrund. „Also da ist jetzt, weiß ich nicht, bei der U12 oder bei der U10, der Universitätsprofessor mit dem Schichtar- Generationsübergreifende Funktion beiter, die sind beste Freunde, weil die Kinder ge- Die Frage, ob Fußball Generationen verbindet, kann meinsam Fußball spielen. Ja, also das ist natürlich auf Basis der SORA-Studie eindeutig bejaht werden. schon was, was vielleicht sonst – schwieriger viel- Eine generationsübergreifende Funktion nimmt Fuß- leicht wäre, dass man die zwei auf einen Haufen ball dabei in erster Linie innerfamiliär ein, wie das kriegt“, meinte ein Teilnehmer aus Salzburg. Beispiel einer Innsbrucker Teilnehmerin zeigt: „Mein Und auf Ebene des aktiven Fußballengagements Mann ist Fußballtrainer, mein Sohn spielt in der Tiro- konnte sich eine Wiener Diskutantin eine schichten- ler Auswahl, meine Tochter macht jetzt den Schieds- übergreifende Funktion am ehesten bei offenen Spie- richter, ich mach Aerobic für Fußballer“. Und ein Wie- len vorstellen, welche sie aus dem Prater kennt. Doch ner mit migrantischem Hintergrund meinte diesbe- selbst in diesem Fall wäre eine verbindende Wirkung züglich: „Bei uns, da wird nur über Fußball g‘red‘t. Na lediglich auf die Dauer des Spieles beschränkt. wirklich. Die Mama redet auch mit“, während ein Kla-

22 Juni 2008 kontraste FUSSBALL UND GESELLSCHAFT

Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit Grundsatzprogramm gegen Rassismus und Frem- und Rassismus im Fußball dendfeindlichkeit zu entwickeln. Hieraus ent- standen “Football against Racism in Europe” FairPlay (FARE) - ein Netzwerk von Organisationen aus Die österreichische Initiative “FairPlay. Viele Far- mehreren Ländern Europas - und ein Aktionsplan. ben. Ein Spiel.” wurde 1997 im Rahmen des EU- Das FARE-Netzwerk hat sich dem Kampf gegen Jahres gegen Rassismus mit Unterstützung der Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Fußball Europäischen Kommission und des BKA-Sport ge- in ganz Europa verschrieben und will durch koor- startet. FairPlay führt seitdem mit Verbänden, dinierte Aktionen und gemeinsame Anstrengun- Vereinen, Fanclubs, MigrantInnen- und Jugend- gen auf lokaler und nationaler Ebene all diejeni- organisationen Aktivitäten gegen Diskriminie- gen zusammenbringen, die interessiert sind, die rung im österreichischen Fußball und Sport Diskriminierung im Fußball zu bekämpfen. durch. Heute hat das Netzwerk aktive Partner in mehr Unter den Titeln “FairPlay goes Education” und als 37 Ländern und arbeitet auf allen Ebenen des “EUROSCHOOLS 2008” ist FairPlay zudem im Fußballs, mit Fans, Spielern, Organisationen von Schulbereich aktiv. Gefördert von der Österreichi- Migranten und ethnischen Minderheiten und mit schen Entwicklungszusammenarbeit setzt Fair- Verbänden, einschließlich der UEFA und der FIFA. Play einen weiteren Schwerpunkt auf Öffentlich- Es hat auch Mitglieder innerhalb des aktiven keits- und Bildungsprojekte im Bereich Sport und Fußballs, zum Beispiel Profiklubs und Spielerge- Entwicklung. werkschaften. Durch Unterstützung und Förde- rung von Basisgruppen und die Bündelung der FARE Stimmen der Zuschauer und Fans fungiert FARE als Dachorganisation für diejenigen, die sich in Im Februar 1999 fand auf Anregung von Fan- ganz Europa gegen Rassismus und Diskriminie- gruppen aus verschiedenen Regionen Europas rung einsetzen. eine Konferenz in Wien statt, an der auch Fuß- ballverbände und Spielergewerkschaften teilnah- Quellen: http://fairplay.vidc.org; http://www.fa- men, um eine gemeinsame Strategie und ein renet.org

Nationale Identifikation Bei der Wiener Gruppe mit migrantischem Hinter- Fußballgroßereignisse wie Europa- und Weltmeister- grund stieß es auf großes Unverständnis, dass die schaften bringen Menschen unterschiedlicher Länder ÖsterreicherInnen nicht stark genug hinter „ihrer“ zusammen. Ob daraus eine verbindende Wirkung er- Mannschaft stehen. Die Teilnehmer dieser Gruppe wächst, ist jedoch eine andere Frage. Dagegen äußerten beinahe einhellig den Wunsch, dass die Tür- spricht, dass die Mannschaften in erster Linie aufein- kei Europameister werden soll. Das heißt auch, dass ander treffen, um im Wettkampf gegeneinander an- sie die österreichische Nationalmannschaft nicht als zutreten. Gemeinschaftsgefühl wird dabei über das „ihre“ Mannschaft betrachten. nationale Resultat hergestellt. Fußball trennt in dieser Hinsicht Menschen unter- Im Zuge der von SORA durchgeführten Fokusgruppen schiedlicher Kultur und/oder Nationalität, dies muss kommt diese Einstellung darin zum Ausdruck, dass sich jedoch nicht unbedingt mit nationalistischem Gedan- der Großteil der TeilnehmerInnen wünscht, dass das kengut in Verbindung stehen, wie eine Teilnehmerin Land, dem sie verbunden sind, den Sieg davon tragen der Wiener Gruppe ausführte. Sie erzählte von Serben soll. Dieser Wunsch besteht selbst dann, wenn eine und Kroaten, die schon vor längerer Zeit nach Öster- Zielerreichung, wie im Falle Österreichs, von den Dis- reich gekommen sind und sich regelmäßig zum Fuß- kutantInnen selbst als sehr unwahrscheinlich angese- ballspielen treffen, um “ein Stück Heimat“ zu erleben. hen wird. Ist das favorisierte Land jedoch ausgeschie- den, besteht für die meisten Personen die Möglichkeit, Ausleben von Aggressionen sich mit einem anderen Team zu solidarisieren. Die Frustrations-Aggressions-Hypothese besagt, dass Aggressionen immer dann auftreten, wenn Personen

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in ihren Bestrebungen, ein bestimmtes Ziel zu errei- kutanten sicher, dass Rassismus im Fußball keine chen, in irgendeiner Weise entmutigt oder behindert Chance habe. Entsprechende Gruppierungen wollten werden. Ein trieb- und instinkttheoretischer Ansatz sich zwar „etablieren im Fußball“, sie würden aber geht davon aus, dass ein gewisses Potential an Ag- „von den anderen wirklich nicht mehr zugelassen (...), gressivität jeder Person innewohnt, die moderne Ge- sie haben echt keinen Meter“. Und das sei das Tolle sellschaft jedoch kaum mehr Räume bietet, wo diese am Fußball, befand ein Klagenfurter Diskussionsteil- ausgelebt werden dürfen. Das Fußballstadion stellt nehmer. dabei eine der wenigen Ausnahmen dar. Dass in einem Fußballteam Personen unterschiedli- Ein besonders hohes Gewaltpotential wird bei jenen cher kultureller und nationaler Herkunft miteinander Personen verortet, die sich außerordentlich stark mit spielen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, be- ihrer Mannschaft identifizieren und deren Selbst- merkten alle FokusgruppenteilnehmerInnen. Aller- wertgefühl durch eine Niederlage der favorisierten dings gehen nur wenige davon aus, dass dieses Wis- Mannschaft stark beschädigt wird. Eine Möglichkeit, sen auch einen positiven Einfluss auf den alltäglichen sich ihrer Identität zu versichern und sie auch ge- Umgang mit Personen migrantischen Hintergrunds genüber anderen zu behaupten, ist die Anwendung hat, da kultureller und/oder nationaler Hintergrund von Gewalt gegenüber Fans und Spielern der gegne- im Zuge der Rezeption eines Fußballspieles nicht re- rischen Mannschaft. Besonders starken Zündstoff lie- flektiert werden. Das einzige was zählt, wurde mehr- fern dabei Spiele, in denen Mannschaften von Län- fach erwähnt, sei die Leistung der Spieler. dern aufeinander treffen, deren zwischenstaatliche Beziehungen durch Konflikte in der Vergangenheit Aktives Fußballengagement verbindet und/oder Gegenwart (stark) belastet sind. Eine eindeutig stärkere kulturen- und nationenver- bindende Wirkung sahen die Fokusgruppenteilneh- Auch die Fokusgruppenteilnehmer der Klagenfurter merInnen im aktiven Fußballengagement. Sowohl im Gruppe sahen in diesen Faktoren den Hauptgrund, Profi- als auch im Amateur- und Freizeitfußball set- wieso es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt. zen sich die Mannschaften aus Personen mit und sol- Das Fußballspiel dient als Flucht aus tristen Lebens- chen ohne österreichischer Staatsbürgerschaft zu- umständen, wird unter Umständen zum einzigen Le- sammen. Prochaska und Pannagl weisen zudem dar- bensinhalt, nimmt jedenfalls einen sehr großen auf hin, dass auch ein nicht unbeträchtlicher Teil Raum im Leben dieser Fans ein, wodurch wiederum jener Personen, die über die österreichische Staats- das Identifikationspotential mit der Mannschaft bürgerschaft verfügen, einen migrantischen Hinter- steigt. Die StudienautorInnen weisen aber darauf grund aufweist – die sogenannte zweite bzw. dritte hin, dass das Vorhandensein von Aggressionen nicht Generation. automatisch mit deren Ausleben in Form von kör- perlicher Gewalt einhergehen muss. Aggressionen Den größten verbindenden Effekt sahen die Fokus- können z.B. durch körperliche Verausgabung im gruppenteilnehmerInnen im gemeinsamen Spiel von Zuge sportlicher Aktivitäten auch friedlich ausgelebt Kindern: „Denen ist das wurscht, ob der dunkel oder werden. ob der schwarz ist oder ob der hell ist. (...) Nach fünf Minuten spielen sie so, als würden sie sich zehn Jahre Rassismus und Anti-Rassismus kennen,“ berichtete eine Teilnehmerin, die sich wün- Prochaska und Pannagl verweisen weiters auf die In- schen würde, dass „das bei Erwachsenen auch so itiative FairPlay, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, gehen würde“. auf Rassismus und andere Formen der Diskriminie- rung in Zusammenhang mit Fußball in Österreich aufmerksam zu machen sowie ihnen entgegenzuwir- Quelle: Cornelia Prochaska / Harald Pannagl: ken. Jedes Jahr finden Aktionswochen statt, in die Euro 2008 – Come together. Die verbindende Wirkung auch das Publikum miteinbezogen wird. FARE (Foot- der Fußballeuropameisterschaft 2008 und des Fuß- ball against Racism) verfolgt ähnliche Ziele auf eu- ballsports in Österreich. Sonderauswertung einer ropäischer Ebene (siehe Kasten). qualitativen SORA-Studie; SORA - Institute for Social Research and Analysis, www.sora.at In der Klagenfurter Gruppe wurde von Aktionen be- Informationen zur Europameisterschaft 2008 und zu richtet, im Zuge derer Fans Transparente mit Anti- den Begleitmaßnahmen findet man unter: Rassismus-Botschaften in das Fußballstadion mitge- www.fussballverbindet.at bracht hatten. In dieser Gruppe waren sich einige Dis-

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Berufsverläufe in der allem aber mit dem Inkrafttreten der oberösterreichi- schen Alten- und Pflegeheimverordnung 1996 und Altenfachbetreuung dem darin festgelegten Mindestpersonalschlüssel stieg der Bedarf an Fachkräften im Betreuungs- und Bei einer Pressekonferenz wurde Mitte Mai Pflegebereich kontinuierlich an. Parallel dazu wurden die Studie „Berufsverläufe und Tragfähigkeit auch im Bereich der Mobilen Betreuung und Hilfe in der Altenfachbetreuung“ präsentiert, die vermehrt entsprechend ausgebildete Personen nach- von Mitarbeiterinnen des Instituts für Gesell- gefragt. Dies führte dazu, dass die Absolventen/in- schafts- und Sozialpolitik erstellt wurde. Auf- nenzahlen der regulären Lehrgänge zur Altenfachbe- traggeber war das Institut für Sozial- und treuung nicht mehr ausreichten, den Personalbedarf Wirtschaftswissenschaften (ISW) der Arbei- zu decken. terkammer Oberösterreich. Die Ergebnisse Bis zu diesem Zeitpunkt bildeten die Altenbetreu- könnten Anlass für eine Imagekorrektur des ungsschule des Landes (ABS), das BFI und die Ge- Pflegeberufs sein. sundheits- und Krankenpflegeschulen der Gespag, des AKH und einzelner Ordenskrankenhäuser in Zu- sammenarbeit mit der Altenbetreuungsschule Alten- Seit über 30 Jahren werden in Oberösterreich Frauen fachbetreuer/innen aus. Weiters gab es noch Lehr- und Männer speziell für die Altenarbeit ausgebildet, gänge an den Fachschulen für Altendienste und Pfle- berichtete der oberösterreichische Soziallandesrat gehilfe der Caritas, der Diakonie und der HBLA Steyr. Josef Ackerl. 1976 startete der erste Lehrgang als Ba- sismodul für Altenhelfer/innen in der Fachschule für Unterschiedlich dabei waren vor allem die Rahmen- Sozialberufe der Caritas der Diözese Linz. Die Einsatz- bedingungen für die Lehrgangsteilnehmer/innen: leitung der Caritas-Familienhilfe stellte damals fest, Während sie in den Gesundheits- und Krankenpflege- dass ihre Familienhelferinnen zunehmend in Haus- schulen eine kostenlose Ausbildung und ein monatli- halte alter Menschen gerufen wurden. Die Einsätze ches Taschengeld erhielten und darüber hinaus sozi- wurden für eine vorübergehende Pflege verlangt, als alversichert waren, konnten sie in der Landesschule aushilfsweise Unterstützung für die Angehörigen (ABS) lediglich kostenlos die Schule besuchen, im BFI oder für eine generelle Betreuung älterer Menschen. und an den Fachschulen (außer in Steyr) war und ist Da aber die Arbeit für alte Menschen enorm viel psy- ein Schulgeld zu bezahlen. Interessierte arbeitsu- chische und physische Kraft erfordert, wurden Initia- chende Personen waren aufgrund der Vorschriften des tiven für eine professionelle Ausbildung der Betreu- AMS ebenso von der Ausbildung ausgeschlossen wie ungspersonen gesetzt. Auf die ersten Basismodule der lebenserfahrene Interessent/innen, die sich beruflich Fachschule der Caritas folgte später das BFI mit vier- neu orientieren wollten, die Ausbildung aber auf- semestrigen Lehrgängen für “Altenhilfe” in allen Re- grund fehlender Existenzsicherung nicht besuchen gionen Oberösterreichs. konnten. 1992 wurden - erstmalig in Österreich - per Landes- Um dieses Manko zu beheben und interessierten ar- gesetz mit dem/der “Altenbetreuer/in” und dem/der beitsuchenden bzw. sich umorientierenden Personen “Altenfachbetreuer/in” Berufsbilder für die Arbeit für die Möglichkeit zu einer Ausbildung für die Alten- und mit älteren Menschen festgelegt. Das Berufsbild fachbetreuung zu geben, wurden vom AMS Outplace- des/der “Altenfachbetreuer/in” ist nun, mehr als 15 ment- und Implacementstiftungen wie der Qualifizie- Jahre später, Basis für eine österreichweit einheitliche rungsverbund (2000), die Altenheim-Implacement- Regelung: Seit Herbst 2007 gibt es das einheitliche stiftung (2001) und die Diakonie-Implacementsstif- Berufsbild des/der Sozialfachbetreuers/in im Rahmen tung (2005) eingerichtet. Im Rahmen verschiedener einer Art. 15-a-Vereinbarung, am 8. Mai 2008 hat der oberösterreichischer Beschäftigungspakte wurden oberösterreichische Landtag das entsprechende Sozi- hierfür Mittel von Seiten des Landes Oberösterreich alberufegesetz beschlossen. zur Verfügung gestellt, durch ein Schulungsarbeitslo- sengeld bzw. DLU (Deckung des Lebensunterhalts) Vermehrte Nachfrage nach Fachkräften führt trug das AMS zur Existenzsicherung der Lehrgangs- zu neuen Ausbildungsangeboten teilnehmer/innen bei. Diese Maßnahmen waren mit Aufgrund der demographischen Entwicklung und der ausschlaggebend dafür, dass in den letzten 14 Jahren Notwendigkeit, mehr Pflege- und Betreuungsange- über 8.500 Personen in Oberösterreich zu Altenfach- bote für ältere Menschen ins Leben zu rufen, vor betreuer/innen ausgebildet wurden.

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Schwierige Suche nach Ausbildungswilligen der Studie „Berufsverläufe und Tragfähigkeit in der Landesrat Ackerl geht alleine aufgrund der demogra- Altenfachbetreuung“ vor. Diese basieren auf einer Be- phischen Entwicklung von einem steigenden Bedarf fragung der Absolventen/innen des Lehrgangs Alten- an Mitarbeiter/innen in diesem Bereich aus, weshalb fachbetreuung. Bei der Stichprobe (rund 3.000 von man von einem „garantiert zukunftssicheren Beruf“ insgesamt mehr als 7.000 Personen) wurden sämtli- sprechen könne. “Trotzdem hat es sich aus unter- che Ausbildungsgänge aller kooperierenden Ausbil- schiedlichen Gründen bereits in der Vergangenheit oft dungsträger einbezogen. Die Rücklaufquote betrug als schwierig herausgestellt, Ausbildungswillige zu 31,4 Prozent. Auch eine qualitative Befragung von finden – eine Tendenz, die sich in der mittelfristig ab- ausgewählten Altenfachbetreuer/innen sowie von Ex- zeichnenden Zukunft sogar wieder verstärken pertInnen wurde durchgeführt. könnte,” sagte Ackerl. Eine der Ursachen hierfür or- Wenig überraschend wurden 90 Prozent der Fragebö- tete Ackerl in der Tatsache, dass der Bund bei vielen gen von Frauen ausgefüllt. Bemerkenswerter sind für interessierten Um- und Wiedereinsteigerinnen bzw. – die Autorinnen dagegen sind die Motive für die Be- einsteigern die Finanzierung des Lebensunterhalts für rufswahl: Immerhin drei Viertel wollten ihren „Traum- die Dauer der Ausbildung verweigere. “Und das, ob- beruf“ verwirklichen. Ein wichtiges Motiv ist auch die wohl er sich dadurch in der Folge viele Kosten erspa- als gut empfundene Vereinbarkeit von Beruf und Fa- ren könnte, weil die Erfahrungen eben zeigen, dass milie. Möglich sei sowohl das Arbeiten in der näheren die derart Ausgebildeten in der Regel auf dem neuen Umgebung wie auch in Teilzeit, wobei anzumerken Arbeitsplatz bleiben.” ist, dass 62 Prozent der Befragten mehr als 30 Stun- Die oft kolportierte Meinung, im Altenbetreuungs- den pro Woche arbeiten. Der Beruf eröffne auch gute und -pflegebereich herrsche ein reger Mitarbeiter/in- Wiedereinstiegsmöglichkeiten. Der Anteil der Spät- nenwechsel, ist also aufgrund der Erfahrungen zu re- einsteigerinnen (mit 40 oder darüber) liegt bei einem lativieren: Wer wechselt, wechselt in den meisten Drittel. Knapp die Hälfte hat die Ausbildung zwischen Fällen in eine andere Angebotsform, jedoch nicht den 25 und 40 gemacht. Beruf. In gut einem Fünftel aller Heime fand im letz- Vier von fünf Befragten würden die Ausbildung wei- ten Jahr überhaupt kein Mitarbeiter/innenwechsel terempfehlen. 93 Prozent geben an, mit der Ausbil- statt. Trotzdem sei die Meinung, dass die Fluktuati- dung (eher) zufrieden zu sein. Die Ausbildung führt onsrate in der Altenfachbetreuung besonders hoch generell zu einer hohen Erwerbsbeteiligung. 96 Pro- ist, immer noch weit verbreitet. Dies und die in Me- zent der Befragten geben an, dass sie seit dem Ende dienberichten dargestellte Kritik über zu hohe Drop- der Ausbildung erwerbstätig sind bzw. waren. Neun Out-Quoten und die nicht auf den Bedarf abge- von zehn würden sich wieder für die gleiche Ausbil- stimmte Ausbildung sind für Ackerl weitere Ursachen, dung entscheiden. warum es immer noch schwierig ist und sukzessive sogar wieder schwieriger wird, Ausbildungswillige für Wie Landesrat Ackerl bereits erwähnte, gibt es kaum eine Berufstätigkeit in der Altenfachbetreuung zu Personen, die den Beruf gewechselt haben (nur 4%). finden. Immerhin 82 Prozent aller, die nach Ausbildungsbe- ginn erwerbstätig sind bzw. waren, sind zum Befra- Ackerl verwies auf die Ergebnisse der von Christine gungszeitraum noch immer in der Altenpflege tätig. Stelzer-Orthofer und Helga Kranewitter vom Institut So sind jene, die ihre Ausbildung bereits 1994 abge- für Gesellschafts- und Sozialpolitik durchgeführten schlossen haben, im Durchschnitt seither 12,6 Jahre Studie, welche „die Gerüchte rund um die Berufsver- erwerbstätig, davon 10,9 Jahre unmittelbar in der Al- läufe und die Tragfähigkeit in der Altenfachbetreu- tenfachbetreuung. Diejenigen, welche die Ausbildung ung“ entkräften würden. Der oberösterreichische So- 1998 abgeschlossen hatten, blieben durchschnittlich ziallandesrat hofft, „dass wissenschaftlich fundierten 8,4 Jahre (von neun möglichen) in Beschäftigung, Aussagen mehr Glauben geschenkt wird als Legenden davon 7,4 Jahre in der Altenfachbetreuung. Eine ge- ohne Hintergrund“, denn in der gegenwärtigen Situa- wisse Fluktuation gab es innerhalb der Profession tion wäre für ihn „ein zumindest korrektes Image zwischen verschiedenen Arbeitgebern. Viele der Be- schon äußerst hilfreich.” fragten waren übrigens auch bereits früher in der Al- tenpflege beschäftigt, etwa als Pflegehelferinnen. Ausbildung führt zu hoher Erwerbsbeteiligung Zum Vergleich führte Stelzer-Orthofer eine Studie des Christine Stelzer-Orthofer (Johannes Kepler Univer- Instituts für Berufs- und Erwachsenenbildungsfor- sität Linz) stellte in der Folge die zentralen Ergebnisse schung (IBE) an, in der erhoben wurde, dass mehr als

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haben“. Er erachtet zudem die Pflege rund um die Uhr Altenpflege gestern - heute - morgen in den eigenen vier Wänden als „Minderheitenpro- gramm“, da es „für den Großteil der Arbeitnehmerin- Unter dem Motto “Schreiben Sie über Ihren be- nen und Arbeitnehmer nicht erschwinglich“ sei. ruflichen Alltag! Ihre Erfahrungen sind uns wichtig” hat die Arbeiterkammer OÖ alle in der Kalliauer wies darauf hin, dass sich die Arbeiterkam- Altenpflege beschäftigten Oberösterreicherin- mer schon länger mit den Herausforderungen einer nen und Oberösterreicher zum Geschichte- älter werdenden Gesellschaft beschäftige und bereits eine Reihe von Aktivitäten für die Beschäftigten in Schreiben eingeladen. Das Ergebnis mit 31 Er- Alten- und Pflegeheimen gesetzt habe, teilweise in zählungen liegt nun als Buch mit dem Titel „Das Kooperation mit der Universität Linz, mit dem Land Alter ist kein lauerndes Monster“ vor. Herausge- Oberösterreich und/oder mit der Arge Alten- und berin ist die Arbeiterkammer OÖ, in Kooperation Pflegeheime OÖ. mit der Sozialabteilung des Landes und der Jo- Zu diesen Aktivitäten zählen beispielsweise Work- hannes Kepler Universität Linz. shops für Mitarbeiter/innen der Mobilen Pflege: Im Das Buch (A5-Format, 112 Seiten) kann bei der Rahmen der Workshops „Zukunft denken“ soll einer- Arbeiterkammer OÖ unter der Telefonnummer seits das Geleistete und das vorhandene Know-how 050 / 6906-2412 oder per E-Mail unter hoch- sichtbar gemacht und entsprechend gewürdigt wer- [email protected] bestellt werden. den. Andererseits soll der Blick in die Zukunft in der Mobilen Altenpflege und -betreuung gerichtet wer- den. Die Beschäftigten sollen die Gelegenheit zum die Hälfte der Lehrabsolventen/innen drei bis vier Austausch bekommen, um möglichst viel voneinander Jahre nach Lehrabschluss nicht mehr im erlernten zu lernen. Beruf arbeiten. Die Arbeiterkammer hat weiters Beschäftigte einge- Insgesamt zeigte sich eine positive Einstellung zum laden, über ihren Berufsalltag zu schreiben. Resultat Beruf. Mehr als 90 Prozent gaben an, dass sie einen war das Lesebuch „Das Alter ist kein lauerndes Mon- interessanten Beruf haben. Und zwei Drittel der Be- ster“ (siehe Kasten). Mit Hilfe dieser Berufsbiografien fragten glauben, dass sie auch nach fünf Jahren noch wird versucht, im Rahmen von Pressekonferenzen in der direkten Betreuung und Pflege alter Menschen und Lesungen in den Bezirken eine wertschätzende tätig sein werden. Späteinsteigerinnen sind dabei zu- Auseinandersetzung mit dem Thema „Veränderte friedener als Früheinsteigerinnen. Denn Befragte, die Identität und Professionalität in der Altenpflege“ an- ihre Ausbildung im Alter bis 25 begonnen haben, den- zuregen. ken häufiger über Alternativen nach. Die Autorinnen ziehen daraus den Schluss, dass der Beruf des/der Al- Image soll an die Realität angepasst werden tenfachbetreuers/in eine gewisse Reife verlangt und Schließlich werden von der AK Workshops für insofern als Lehrberuf nur bedingt geeignet ist. (Der- Führungskräfte in Alten- und Pflegewohnheimen zeit liegt die untere Altersgrenze für eine Ausbildung sowie Beratung und Prozessbegleitung zum Thema zum/zur Altenfachbetreuer/in bei 17 Jahren). Dienstplangestaltung angeboten. Der Aufbau von Netzwerken rund um mobile und stationäre Alten- Tragfähiges Berufsfeld pflege in Oberösterreich soll zur Verbesserung der Ar- Ähnlich wie Landesrat Ackerl betonte ISW-Präsident beitsbedingungen der Beschäftigten beitragen. Für Johann Kalliauer, dass die gängige Behauptung von AK-Präsident Kalliauer sind die Ergebnisse der oben der hohen Personalfluktuation und der kurzen Berufs- angeführten Studie ein klarer Auftrag, in diesem verweildauer in den Pflegeberufen durch die reprä- Sinne weiter zu arbeiten und das Image des Pflege- sentative Studie klar widerlegt werde. Das Gegenteil berufs an die Realität anzupassen. sei der Fall: Im Vergleich zu anderen Berufen sei „ge- rade das Berufsfeld der Altenfachbetreuung ein be- sonders tragfähiges“. Quelle: Unterlagen zur Pressekonferenz in Linz zum Ausländische Pflegekräfte sind für Kalliauer „maximal Thema „Berufsverläufe und Tragfähigkeit in der Al- eine Übergangslösung, weil viele Pflegerinnen in ihre tenfachbetreuung“ vom 20. Mai 2008. Die gleichna- Heimatländer zurückkehren werden, wenn sich die mige Studie wird voraussichtlich ab Ende August Löhne dort in etwa an unser Niveau angepasst unter www.isw-linz.at einsehbar sein.

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Schrumpfende Städte Die Raumbilder der altindustriellen Städte gelten als „rückständig“, was die Neuansiedlung von Betrieben Krisenentwicklung und Entwicklungspoten- insofern erschwert, als sie für die Arbeitskräfte der ziale eines neues Städtetyps neuen Wachstumsindustrien zu wenig attraktive Wohn- und Arbeitsorte sind.

Die grundlegenden Forschungen der Stadtsoziologen Die ökonomischen Schrumpfungsprozesse bewirken Hartmut Häussermann und Walter Siebel (Häusser- nicht nur das Entstehen einer hohen Sockelarbeitslo- mann/Siebel 1987; Häussermann/Läpple/Siebel 2008) sigkeit, sondern lösen auch gravierende soziodemo- identifizieren die „schrumpfende Stadt“ als relativ grafische Folgewirkungen aus. Während besser quali- jungen und spezifischen Stadtentwicklungstypus, der fizierte und jüngere Arbeitskräfte ihre individuellen durch eine Erosion der ökonomischen Basis und aus Arbeitsmarktprobleme durch Migration bewältigen, Migrationsverlusten und Geburtenrückgängen resul- sind ältere und weniger qualifizierte Personen nach tierende Bevölkerungsverluste charakterisiert ist. Arbeitsplatzverlusten zu Immobilität gezwungen. In Schrumpfungsprozesse verschärfen die Ungleichhei- den traditionellen Arbeiterquartieren erfolgt eine ten zwischen den Städten mit der Folge einer Polari- Konzentration von mit den Konsequenzen von Lang- sierung des einheitlichen Wachstumsmodells der zeitarbeitslosigkeit konfrontierten Haushalten. Da Stadt. Prosperierende Städte entwickeln sich zu La- private Vermieter kaum noch Modernisierungen und sten schrumpfender Städte, deren Benachteiligungen Instandsetzungen an ihren Wohnungen vornehmen, kein temporäres Phänomen sind, sondern sich struk- setzt der Verfall der Wohnbausubstanz ein. turell verfestigen. Der Auslöser städtischer Schrump- Für die Kommunen bedeutet der Verlust von Betrie- fungsprozesse ist der ökonomische Strukturwandel, ben eine signifikante Abnahme des Gewerbesteuer- der mit Beginn der 1970er Jahre signifikante Arbeits- aufkommens, die durch Rückgänge der Einkommen- platzverluste insbesondere in der produzierenden In- steuer infolge der Abwanderung zahlungskräftiger dustrie induziert. Die Schwerpunkte der Arbeitsplatz- Haushalte ergänzt wird. Arbeitsplatz- und Bevölke- krise liegt bei jenen Industriebranchen, die der klassi- rungsverluste bewirken zum Teil erhebliche Woh- schen fordistischen Massenproduktion zuzurechnen nungsleerstände, die zu einem fiskalischen Problem sind und unter Konkurrenzdruck durch die Schwellen- werden, wenn sich eine „kritische Masse“ des Woh- länder geraten, die traditionelle Industriestandorte nungssektors im Eigentum kommunaler Wohnungs- durch komparative Kostenvorteile in den „reifen“ In- gesellschaften befindet. Die Mindereinnahmen an dustriebranchen erfolgreich konkurrenzieren. Zur Si- Mieten aufgrund von Wohnungsleerständen belasten cherung ihrer Profitabilität reagieren die Unterneh- unmittelbar die kommunalen Budgets. Die Summe men mit der Verlagerung ausgereifter Produkte an die dieser Entwicklungen manifestiert sich in einer peripheren Standorte. äußerst prekären kommunalen Finanzsituation Insbesondere „altindustrielle“ Städte sind von diesen schrumpfender Städte. Restrukturierungsprozessen betroffen, da ihre Bran- Mit den sozioökonomischen und demografischen chenstruktur durch einen hohen Anteil an ausgereif- Wandlungsprozessen verändern sich die Nutzungs- ten Produkten gekennzeichnet ist. Der signifikante strukturen städtischen Bodens grundlegend. Die Ent- Arbeitsplatzverlust dieser Städte ist nicht allein die stehung großflächiger Industriebrachen führt zu Konsequenz von zahlreichen Produktionsverlagerun- Funktions- und Nutzungsverlusten von innenstadtna- gen, sondern hängt auch damit zusammen, dass die hen Flächen. Revitalisierungsprozesse scheitern, weil Beschäftigungsgewinne in den „neuen Wachstumsin- in schrumpfenden Städten ein struktureller Mangel dustrien“ (aus der Mikro-, Informations- und Biotech- an kaufkräftiger Nachfrage für die betreffenden nologie) relativ gering bleiben. Unternehmen dieser Grundstücke herrscht, oder gelingen nur mit Unter- Wachstumszweige orientieren sich an speziellen stützung durch erhebliche öffentliche Finanzhilfen. Standortbedingungen, die ihnen altindustrielle Stadt- regionen üblicherweise nicht bieten können. Zudem Anforderungen an die Stadtentwicklung in werden Betriebsansiedlungen durch die Verhaltens- schrumpfenden Städten muster innovationsresistenter lokaler Milieus (unter Schrumpfungsprozesse sind keine temporären Er- anderem der örtlichen Unternehmerschaft) erschwert, scheinungen mehr, die kommunalpolitischen Akteu- die in erster Linie an Erhalt und Modernisierung der ren ein kurzfristiges „Durchtauchen“ erlauben, son- traditionellen Industriestrukturen interessiert sind. dern vielmehr verfestigte strukturelle Problemlagen,

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Gegenwärtig sind die Städte nicht mehr mit der An- forderung konfrontiert, Wachstum zu organisieren und zu kanalisieren, sondern einen politischen Um- gang mit Schrumpfungsprozessen zu definieren. Die meisten schrumpfenden Städte reagieren auf den Wandel mit Strategieansätzen und Maßnahmen, die darauf abzielen, Wachstums- und Investitionspoten- ziale im lokalen Kontext zu generieren, und folgen in- sofern dem traditionellen wachstumszentrierten Mu- ster stadtpolitischer Intervention. In der kommunal- politischen Praxis manifestiert sich diese Orientierung in einer forcierten Standortpolitik, der von der Wirt- schaftsförderung über die Kulturpolitik bis hin zum Städtebau sämtliche stadtpolitischen Felder unterge- ordnet werden. Standortprofilierung erfolgt durch großangelegte städtebauliche Projekte oder spekta- kuläre Großveranstaltungen wie Messen (zur „Festi- valisierung der Stadtpolitik“ vgl. Häussermann/Siebel 1993). Großprojekte scheinen schrumpfenden Städ- ten vor dem Hintergrund einer ungünstigen fiskalpo- litischen Entwicklung und eines sinkenden Arbeits- platzangebotes die Chance auf ökonomische Impulse, Foto: Hansjörg Seckauer die Umsetzung kommunaler Entwicklungsperspekti- mit denen die betroffenen Städte erst konkrete Um- ven und die Demonstration stadtpolitischer Hand- gangsweisen entwickeln müssen. Trotz reduzierter lungsfähigkeit zu bieten. Zunehmend engagieren sich kommunalpolitischer Handlungsspielräume, die sich europäische Städte in der Planung und Durchführung aus der Parallelität von sinkendem Steueraufkommen von Großprojekten, die Freizeitaktivitäten, Dienstlei- und steigenden Kosten des ökonomischen und sozia- stungen und Wohnungsangebote im obersten Preis- len Strukturwandels ergeben, herrscht zumindest in segment auf ungenutzten Industriebrachen bündeln. Mittel- und Nordeuropa weitgehend Konsens, die Dennoch sind Großereignisse und –projekte für die Stadtentwicklung auch zukünftig nicht vollständig Kommunen insofern rentabel, als dadurch hohe öf- dem Markt zu überlassen, sondern gezielte Steuerun- fentliche Fördermittel für die städtischen Haushalte gen vorzunehmen. Traditionelle Stadtentwicklungs- lukriert werden können. Doch müssen aufgrund von politik richtete sich auf die Bewältigung demografi- Eigenmittelanforderungen zugleich beträchtliche scher und ökonomischer Wachstumsprozesse durch Steuer- und Finanzmittel verplant werden. Großpro- eine räumlich orientierte städtische Anpassungspla- jekte beinhalten zudem langfristige Festlegungen, die nung. Dazu zählten die Bereitstellung zusätzlicher keine substanzielle Korrektur mehr erlauben, wenn Flächenangebote für neue Wohn- und Gewerbenut- ein „point of no return“ erreicht ist. Zudem bewirken zungen, Investitionen in die technische Infrastruktur sie fast durchgehend, dass in Phasen sinkender Steu- oder der Aus- und Umbau der innerstädtischen Stadt- eraufkommen freiwillige kommunale Leistungen in quartiere. Mit der zunehmenden Verschlechterung den Bereichen Kultur und Soziales reduziert werden. der Daseinsbedingungen in den expandierenden Städten beginnt (in den 1960er Jahren) eine Umori- Eine vorläufige Bilanzierung der Effekte dieser stadt- entierung der Stadtentwicklungspolitik mit dem Ziel politischen Strategien für das lokale ökonomische der Steuerung und Begrenzung städtischer Wachs- Wachstum erweist sich zwar als schwierig, allerdings tumsprozesse. Neue Instrumente der Stadtentwick- warnen eine Reihe sozialwissenschaftlicher Untersu- lungspolitik zielen darauf ab, Kosten und Nutzen des chungen vor einer Unterschätzung ihrer Effekte. Als ökonomischen Wachstums gleichmäßiger zu verteilen Kernproblem erweist sich, dass wachstumsgenerie- und einen Ausgleich verschiedener sozialer Gruppie- rende Strategien nur funktionieren, wenn keine in- rungen in unterschiedlichen Stadtquartieren zu be- tensive Konkurrenz zwischen den Kommunen besteht. wirken. Stadtpolitik vollzieht sich bis in die 1990er Doch investieren schrumpfende Städte in sehr ähnli- Jahre hinein unter den Rahmenbedingungen eines che Projekte, sodass aufgrund des entstehenden allgemeinen ökonomischen Wachstumspfades. Überangebotes die erhofften ökonomischen Wachs-

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tumsimpulse nicht eintreten oder marginal bleiben. ökonomische Strukturen, kulturelle Milieus und ur- Städtebauliche Großprojekte, die private Investoren bane Lebensstile etablieren als in jenen Städten, die anziehen, lassen sich im Regelfall nur in Kommunen weiterhin dem ökonomischen Wachstumspfad folgen mit günstigeren wirtschaftlichen Wachstumsperspek- (ebd.,120 f). Nicht zuletzt deshalb bleibt die Frage tiven realisieren. Wo ein allgemeines Klima ökonomi- nach Strategien und Instrumenten der Stadtpolitik, schen Erfolges fehlt, das die Nachfrage nach Büro-, die sozioökonomische und demografische Schrump- Immobilien und Gewerbeflächen deutlich stimuliert, fungsprozesse als langfristiges politisches Problem bleibt eine wachstumsorientierte kommunale Pla- begreifen, weiterhin auf der politischen Agenda. nung letztlich funktions- und wertlos. Häussermann und Siebel prognostizierten bereits Harald Stöger gegen Ende der 1980er Jahre, dass eine auf Wachs- Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik tum abzielende lokale Politik schrumpfenden Städten letztlich wenig Erfolgsperspektiven biete und die sich Literatur eröffnende Chance auf eine andere Form von Urba- H. Häussermann/W. Siebel, Neue Urbanität, nität verdecke (vgl. Häussermann/Siebel 1987). Pro- Frankfurt/Main 1987. zesse des Schrumpfens sollten ihrer Einschätzung H. Häussermann/W. Siebel, Festivalisierung der Stadtpoli- nach nicht als Ausdruck irreversiblen Niedergangs, tik. Stadtentwicklung durch große Projekte, Opladen sondern als Chance auf neue Ausprägungen von Ur- 1993. banität begriffen werden. In längerfristiger Perspek- H. Häussermann/D. Läpple/W. Siebel, Stadtpolitik. Frank- tive könnten sich in schrumpfenden Städten andere furt/Main 2008.

EU-Gelder zur Förderung schen ist, sich mit der eigenen geschlechtsspezifi- schen Sozialisation auseinanderzusetzen. Der gleich- junger Frauen berechtigte Zugang und die gleichberechtigte Mit- wirkung von Frauen und Männern in allen Bereichen, Im Rahmen des Europäischen Projektes „Wo- der Abbau der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung mentor - European Federation of Mentors for und die Neubewertung von Arbeit bilden eine wich- Girls and Young Women“ hat das Projektbüro tige Basis zur Überwindung von bestehenden Rol- für innovative Sozialpolitik im April zu einem lenklischees und -zuschreibungen und zur Schaffung Workshop nach Graz geladen. Es trafen sich von mehr Demokratie in der Gesellschaft. Vertreterinnen aus dem Jugend-, Mädchen-, Emanzipatorische Mädchenarbeit Frauen- und Wirtschaftsbereich, um über Ziel emanzipatorischer und parteilicher Mädchenar- Rahmenbedingungen, Philosophie, Arbeits- beit ist es daher, angelerntes Rollenverhalten zu hin- ansätze und Schwierigkeiten zu diskutieren. terfragen, das Selbstwertgefühl der Mädchen zu stär- ken und sie dabei zu unterstützen, ihre Fähigkeiten Partizipation ist Basis und Fundament jeder Demo- und Stärken wahrzunehmen. Es handelt sich hier um kratie. Eine funktionierende Demokratie braucht einen arbeitsintensiven Prozess, bei dem es um die daher die Beteiligung und Mitbestimmung aller Men- differenzierte Weiterentwicklung bestehender Ar- schen und Rahmenbedingungen, die dieses Engage- beitsansätze, aber auch um die Entwicklung neuer ment ermöglichen. Dazu gehört in erster Linie die Strategien geht. Herausbildung authentischer Persönlichkeiten, die ”Parteiliche Mädchenarbeit” - so der aus der Jugend- genügend Stärkung erfahren, Selbstvertrauen ent- arbeit übernommene Begriff - stellt sich auf die Seite wickelt und ihren Platz in der Gesellschaft gefunden der Mädchen und sieht ein Defizit nicht in der Zu- haben, um sich aktiv und kreativ an gesellschaftli- gehörigkeit zum weiblichen Geschlecht, sondern in chen Prozessen zu beteiligen und eigene Vorstellun- der Möglichkeit der Selbstverwirklichung aller An- gen einzubringen. gehörigen dieses Geschlechts. Den Mädchen und jun- Ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einem gen Frauen soll vor dem Hintergrund der auf sie ein- emanzipierten und differenziert denkenden Men- prasselnden stereotypen und einengenden Erwartun-

30 Juni 2008 kontraste SPEKTRUM

gen die Möglichkeit gegeben werden, ihre autonomen ] Miteinbeziehung der relevanten Umwelt – Druck und individuellen Bedürfnisse und Interessen zu ent- von den Mädchen nehmen! decken, zu formulieren und schließlich als Teil ihrer ] Gender-Bewusstsein auch für Familie, Freund/ geschlechtsbezogenen Identität bewusst zu leben. innen, Arbeitgerber/Innen, etc. Projekt „Womentor“ ] Mehr Sensibilität und Beachtung in der Öffent- Im Projekt „Womentor - European Federation of Men- lichkeit für die Anliegen und Schwierigkeiten von tors for Girls and Young Women“ geht es darum, jungen Frauen Mädchen- und Frauenförderungseinrichtungen und Nach wie vor rangiert Österreich bei der Frauenquote Mentorinnen aus ganz Europa miteinander in Kontakt im naturwissenschaftlich-technischen Bereich im eu- zu bringen, einen Austausch über die vielfältigen me- ropäischen Vergleich weit hinten. Als besonders hin- thodischen Ansätze und praktischen Erfahrungen ein- derlich wurden noch immer vorhandene konservative zuleiten und Strukturen zur nachhaltigen Schaffung Strukturen genannt. Ebenso heißen Betriebe und Un- eines solchen Kompetenznetzwerks zum Thema ternehmen Mädchen und junge Frauen wenig will- Mädchenförderung auszuarbeiten. Im Projekt „Wo- kommen. Und tendenziell werden auch im techni- mentor“ haben sich insofern 16 Organisationen aus schen Bereich den Frauen eher unbeliebte und 13 Europäischen Ländern zu einem thematischen schlecht bezahlte Jobs überlassen. Netzwerk zusammengefunden, um kulturelle Unter- schiede und gesellschaftliche Kontexte der Förderung Aufbau eines thematischen Netzwerks von Mädchen und jungen Frauen zu debattieren. Mittels weiterer Treffen der Expertinnen auf nationa- ler Ebene und internationaler Treffen, zu denen auch Workshop in Graz Betroffene und andere im Bereich der Mädchenförde- Beim letzten, im April abgehaltenen Workshop wurde rung tätige Menschen eingeladen werden, sowie trotz zum Teil steigender Budgets Geld– und Ressour- einer Webplattform wollen die Initiatorinnen eine cenmangel als dringendstes Problem genannt, aber Verbindung zwischen Projekten, die sich mit diesem auch die fehlende Bereitschaft, Erkenntnisse aus der Thema beschäftigen, schaffen, die Qualität der Unter- Arbeit mit jungen Frauen in das Bildungswesen zu in- stützungssysteme verbessern und zu einer gemeinsa- tegrieren, wurde kritisiert. Die geladenen Expertinnen men Nutzung der diesbezüglichen Erfahrungen bei- regten zudem folgende Punkte an: tragen. Durch den Aufbau eines thematischen Netz- werks soll der Grundstein für die weitere Zusammen- ] Die Förderung soll viel früher beginnen. Vorge- arbeit gelegt werden, die die beteiligten Gruppen schlagen wird eine geschlechtsspezifische Betreu- stärken und den langfristigen Austausch sichern soll. ung in Kinderkrippen und Kindergärten. ] Qualifizierung zu geschlechtssensiblen Die internationale Abschlusskonferenz mit Ergebnis- Pädagog/innen präsentation findet von 14. bis 18. Oktober 2008 in Graz statt. Die digitale Vernetzung des Projekts er- Mädchen können mehr! folgt über die Plattform http://www.womentor.eu an- hand eines frei zugänglichen Datenpools. Ein userIn- Unter diesem Titel hat das Arbeitsmarktservice nen-freundliches Journal lädt zur Diskussion und Be- (AMS) eine neue Broschüre aufgelegt, die teiligung am Projektverlauf ein und steht allen Inter- Mädchen umfassende Tipps für die Berufswahl essierten offen, ebenso eine europaweite Übersicht bietet. Ziel ist es, jungen Frauen mittels Tests, über Einrichtungen im Bereich der Förderung von Checklisten und positiven Fallbeispielen neue Mädchen und jungen Frauen. Wege und Chancen in zukunftsorientierten Be- Projektträger ist der Verein „Projektbüro für innova- rufen aufzuzeigen. Denn immer noch lernt fast tive Sozialpolitik“, eine NPO/NGO mit Sitz in Graz, die die Hälfte aller weiblichen Lehrlinge Einzelhan- (internationale) Kooperations- und Forschungspro- delskauffrau, Bürokauffrau oder Friseurin. jekte sowie Interventionsmaßnahmen zur Verbesse- Die Broschüre ist für alle Interessierten unter rung der gesellschaftlichen Situation, insbesondere für benachteiligte Personengruppen durchführt. www.arbeitszimmer.cc zum Download im Inter- net abrufbar sowie in den Berufsinfozentren des AMS erhältlich. Quelle: Gerlinde Hacker, Projektbüro für innovative Sozialpolitik, Graz, Projektleiterin „Womentor“

kontraste Juni 2008 31 SPEKTRUM

Neue Väter tungen tatsächlich entspricht. Abel hat eine entspre- chende Typologie entwickelt: Die traditionellen Rollenverteilungen in den ] Die oberflächlich-engagierten Väter haben das Familien haben sich in den letzten Jahrzehn- geringste Bedürfnis danach, viel Zeit mit ihren ten verändert. Viele Väter möchten mehr Zeit Kindern zu verbringen. Sie haben keinen ausge- mit ihren Kindern verbringen und sich den prägten emotionalen Zugang zu ihrem Kind, was neuen Anforderungen der Gesellschaft stellen, ihren traditionellen Männlichkeitsvorstellungen so das zentrale Ergebnis der Diplomarbeit der geschuldet ist. Wittenberger Erziehungswissenschaftlerin Je- ] Die unsicher-ambivalenten Väter lassen sich annette Abel. deutlich mehr auf ihre Vaterschaft ein, sprechen aber zum großen Teil den Müttern die Hauptrolle zu. Ihre Handlungen widersprechen ihren Auffas- Der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ein- sungen zur Vaterrolle und zu den Geschlechterrol- setzende soziale Wandel im familiären Bereich be- len. trifft insbesondere die Mutter- und Vaterrollen. Die traditionelle Familie mit ihrer klaren Rollenverteilung ] Die aktiv-involvierten Väter lassen sich am stärks- wird seitdem in Deutschland, wie auch in vielen an- ten als “neue Väter” identifizieren. Bei ihnen exis- deren industrialisierten Ländern, von vielfältigen tieren nahezu keinerlei Auffassungen über eine neuen Partnerschafts- und Familienformen abgelöst. geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Sie versu- Gerade die jüngeren Väter wollen ihre Familie nicht chen, aktiv Möglichkeiten zu schaffen, um sich für mehr nur finanziell versorgen, sondern auch mitver- ihre Kinder zu engagieren. Sie sind die einzigen, antwortlich für die alltägliche Betreuung und Erzie- die ihr Berufsleben nicht vor ihre Kinder stellen hung sein und so eine enge, emotionale Beziehung zu und eine Beziehung zum Kind haben, die der Mut- ihren Kindern aufbauen. ter-Kind-Beziehung entspricht. Während andere Väter oft erst auf Drängen der Mütter kindbezo- Gewandeltes Rollenverständnis genen Aktivitäten nachgehen, werden Väter die- Heute lassen sich viele Väter zwischen 25 und 40 ses Typs von sich aus aktiv für ihr Kind, beispiels- Jahren in der Gestaltung ihrer Vaterschaft vom Rol- weise indem sie es ins Bett bringen. lenbild des “neuen” Vaters beeinflussen. Um heraus- Jeannette Abel hat herausgefunden, dass die Umset- zufinden, wie Väter mit der neuen Rollenvorstellung zung der gesellschaftlichen Rollenerwartungen vor umgehen, hat Jeannette Abel im Zuge ihrer Diplom- allem durch die jeweiligen biographischen Erfahrun- arbeit “Die Wahrnehmung des neuen Vaterbildes bei gen, die Erwartungen der Partnerin und Mutter des jungen Vätern - eine qualitative Studie” eine empiri- Kindes sowie die aktuellen Lebensbedingungen, und sche Untersuchung durchgeführt. hier vor allem die Berufstätigkeit des Vaters, die Va- Mittels qualitativer Interviews stellte sie heraus, dass terschaftsvorstellungen und damit die Gestaltung der Väter eine alltäglichere und auch intensivere Bezie- Vaterschaft beeinflussen. hung zu ihren Kindern haben, als dies bei ihren eige- Neue Ansprüche mittlerweile fest verankert nen Vätern der Fall war. Sie befragte elf Väter, die “Der Umstand, dass die Mehrheit der im Rahmen die- zwischen 27 und 37 Jahre alt waren. Diese gewann ser Arbeit interviewten Väter den aktiv involvierten sie durch Anzeigen in Zeitungen, Aushänge in diver- und damit den neuen Vätern zugeordnet werden kön- sen Einrichtungen und persönliche Kontakte im wei- nen, ist beachtlich. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeu- teren Bekanntenkreis. Alle Befragten möchten ein gen davon, dass die Ansprüche an eine aktive Vater- partnerschaftliches Verhältnis zu ihren Kindern auf- schaftsgestaltung mittlerweile fest in unserer Gesell- bauen. Es gab keinen Vater, der seine Vaterschaft tra- schaft verankert sind”, so Abel. Eine rein traditionelle ditionell gestaltet, im Sinne des reinen materiellen Vaterschaft zu praktizieren, sei unter den gegenwär- Versorgens der Familie. tigen Bedingungen somit kaum mehr möglich. Abstufungen bei der Umsetzung Bei der Umsetzung des “neuen” Vaterbildes gibt es Quelle: Carsten Heckmann: Rolle des “neuen” Vaters deutliche Unterschiede dahingehend, wie stark die auf dem Prüfstand. Pressemitteilung der Martin-Lu- Gestaltung der Vaterschaft den neuen Rollenerwar- ther-Universität Halle-Wittenberg vom 27.03.2008

32 Juni 2008 kontraste BUCHTIPPS

Analyse wegweisender Werke zur legt der Band auf eindrucksvolle Weise, welchen brei- Erwachsenenbildung ten Bedeutungsgehalt Bildungsprozesse haben. “Bildung” ist eines der Schlüsselworte der Gegenwart. Ralf Koerrenz, Elisabeth Meilhammer, In Rankings wird sie vermeintlich gemessen, gewich- Käthe Schneider (Hg.): tet und verglichen, in Schule und Hochschule vermit- Wegweisende Werke zur Erwachsenenbildung telt und lebenslang soll sie aufgesogen werden. Dass Verlag IKS Garamond, Jena 2007, edition Paideia Bildung jedoch weit mehr ist als Ausbildung und der 613 Seiten, EUR 48,00 (D) Appell zu lebenslangem Lernen, zeigt sich nicht zu- letzt, wenn man sich der Geschichte dieses Schlüssel- worts zuwendet. “Insbesondere anhand der Frage, wie Beteiligungsprozesse in der Bildung im Erwachsenenalter über die Zeiten hinweg Kinder- und Jugendhilfe verstanden wurde, kommt die Eigenheit von Bildung In der Kinder- und Jugendhilfe ist es sowohl rechtlich jenseits ökonomischer Anpassung und Verwertbarkeit als auch fachlich ein Standard, die Adressaten an des Menschen in Blick”, ist Ralf Koerrenz von der Frie- allen sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. drich-Schiller-Universität Jena überzeugt. Der Erzie- hungswissenschaftler und seine Kolleginnen Elisabeth Diese Beteiligung von Adressaten ist eine notwendige Meilhammer und Käthe Schneider haben jetzt den Anforderung in pädagogischen Handlungsfeldern. Al- Sammelband “Wegweisende Werke zur Erwachsenen- lerdings stellt dies insbesondere die Fachkräfte in der bildung” herausgegeben, um diese Perspektive zu Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der erzieheri- schärfen. schen Hilfen immer wieder vor die schwierige Auf- gabe, einerseits Hilfe anzubieten und andererseits Den HerausgeberInnen geht es darum, die aufkläreri- Kontrolle auszuüben. sche Leitidee von Bildung im Gedächtnis zu halten: Bildung geht mit einem vernunftgeleiteten Gebrauch Die aktuelle Studie einer Wissenschaftlerin des Deut- von Freiheit einher und steht damit gerade im Ge- schen Jugendinstituts widmet sich den besonderen gensatz zu einem nur zweckorientierten Lernen. Herausforderungen in diesem Spannungsfeld. Das Buch setzt sich in seinem ersten Teil theoretisch mit In der Einleitung definieren die HerausgeberInnen den Voraussetzungen für Beteiligungsprozesse in den Begriff der Erwachsenenbildung als einen breit pädagogischen Zusammenhängen auseinander und angelegten Prozess, bei dem es darum geht, Wissen entwickelt bestehende Theorien zu Beteiligung bezo- und Kompetenzen zu erweitern und zu erhalten, die gen auf die Kinder- und Jugendhilfe weiter. eigene Lebensführung zu verbessern und die Persön- lichkeit zu entwickeln. Insofern ist die Erwachsenen- Im Hauptteil werden auf der Basis einer qualitativen bildung mit vielfältigen Gebieten verbunden, die von Studie die Schwierigkeiten und Ansatzpunkte für eine der Politik über Beruf, Kultur und Kunst bis zur Reli- Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten be- gion reichen. schrieben. Die empirische Grundlage dafür bilden leitfadengestützte Interviews mit Jugendlichen, El- In den Analysen der “Wegweisenden Werke zur Er- tern, Fachkräften aus Jugendämtern und Fachkräften wachsenenbildung” widmen sich die Autorinnen und aus stationären Einrichtungen. Die Ergebnisse werden Autoren Texten aus sieben Jahrhunderten mit höchst thematisch bezogen auf die jeweilige Sicht der Fach- unterschiedlichen Adressaten: von der geschlossenen kräfte und die der Adressaten dargestellt. Mönchsgesellschaft bis hin zum Bildungsbürgertum oder der breiten Öffentlichkeit. Die kommentierten Weitere Kapitel befassen sich mit Beteiligung bei der Werke stehen exemplarisch für die Vielfalt der Zu- Hilfeplanung, im Alltag in stationären Hilfen und bei gänge zur Erwachsenenbildung: Sie sind Medien der der Beendigung von Hilfen. Das Buch ist für Fach- Selbstbildung und Aufklärung, setzen die Erwachse- kräfte, Studierende und WissenschaftlerInnen ge- nenbildung in Beziehung zu den existentiellen Le- schrieben und kann für diese eine wichtige Arbeits- bensfragen und nehmen Stellung zu ihren Gegen- grundlage darstellen. warts- und Zukunftsaufgaben. Die Auswahl der 41 Liane Pluto: besprochenen Werke reicht von der “Pampaedia” des Partizipation in den Hilfen zur Erziehung Johann Amos Comenius aus dem 17. Jahrhundert Eine empirische Studie über Goethes Bildungsromane bis hin zum EU-”Me- München: Deutsches Jugendinstitut 2007 morandum über Lebenslanges Lernen”. Insgesamt be- 304 Seiten, EUR 24,00 (D)

kontraste Juni 2008 33 BUCHTIPPS

Gedenkschrift für Egon Matzner geschnitten ist. Die Strategien sind vielfältig und in- Egon Matzner war ein über die Grenzen Österreichs dividuell – vom gemeinsamen Bewältigen des Alltags hinaus geschätzter Wirtschaftswissenschafter, der oder körperlicher Herausforderungen wie beim Klet- sich aber nicht auf die Ökonomie beschränkte. Er war tern bis zur Integration am Arbeitsplatz und dem Sozialwissenschafter mit ökonomischer Fundierung, Ausstieg aus dem Milieu. aber auch ein politischer Denker und ein weitblicken- Eine Möglichkeit, die den Jugendlichen in ihrer Ent- der Intellektueller. Seine wissenschaftliche Neugier wicklung und bei der Bewältigung von Krisen helfen und seine soziale Phantasie haben seine Weggefähr- kann, ist das Jugendintensivprogramm. Es zeigt, dass ten und Studenten beeindruckt und inspiriert. oft “weite Wege” nötig sind, um das Naheliegende zu Die in der vorliegenden Gedenkschrift erörterten finden. In dem nun vorliegenden Buch “1000 Meilen Sichtweisen und Ideen verweisen auf das reiche gei- gegen den Strom” werden neben wichtigen theoreti- stige Erbe, das er hinterlassen hat. Die Beiträge der 30 schen Grundlagen vor allem erprobte Konzepte und Autorinnen und Autoren setzen sich mit Person und aufschlussreiche Erfahrungen wie auch entschei- Werk Egon Matzners auseinander. Der Bogen ausge- dende Grenzen aus zehn Jahren intensiver Arbeit ge- wählter Themen reicht dabei von Grundsatzfragen der schildert. Wirtschaftspolitik, der Wissenschaftstheorie und des Martina Gasser (Hg.): Wohlfahrtsstaates über Herausforderungen in ausge- 1000 Meilen gegen den Strom wählten öffentlichen Aufgabenbereichen bis hin zu Neue Wege im Umgang mit Jugendlichen und deren Stadt- und Regionalplanung, Globalisierung, Trans- Eltern in chronifizierten Krisen formationsländer und Entwicklungszusammenarbeit. Ziel-Verlag Augsburg, Reihe Praktische Wilfried Schönbäck, Wolfgang Blaas, Erlebnispädagogik. Johann Bröthaler (Hg.): 256 Seiten, EUR 24,80 (D) Sozioökonomie als multidisziplinärer For- schungsansatz. Eine Gedenkschrift für Egon Matzner Springer Verlag, Wien/New York 2008 350 Seiten, EUR 59,95

Arbeit mit Jugendlichen in akuten Krisen Vor 10 Jahren startete das Vorarlberger Insti- tut für Sozialdienste (IfS) unter dem Namen “Jugendintensivprogramm” (JIP) ein europa- weit einmaliges sozialpädagogisches Projekt. Das IfS-Jugendintensivprogramm arbeitet mit Jugendlichen, die in akuten Krisen stecken, sich nicht mehr an die “Spielregeln” der Eltern halten, immer öfter mit dem Ge- setz in Konflikt geraten, durch ihr Verhalten Eltern verzweifeln lassen. Diese jungen Men- schen sowie deren Eltern werden darin un- terstützt, zu ihren Stärken und Ressourcen Zugang zu finden, diese auszubauen und später selbstbestimmt für ihre Lebenspla- nung zu nützen. Sozialpädagogisches Handeln bedeutet, eine gemeinsame Zielsetzung zu entwickeln, die das Vorgehen bestimmt und für jeden Ju- gendlichen in jeder Situation individuell zu-

34 Juni 2008 kontraste VERANSTALTUNGEN

Verteilungsgerechtigkeit im Schatten der Globalisierung Bei der Veranstaltung des ISW Linz referieren Eckhard Hein (Hans Böckler Stiftung), Dierk Hirschel (DGB), Johann Kalliauer (AK OÖ), Dorothea Schmidt (ILO Genf) und Herbert Walther (WU Wien). Termin und Ort: 27. Juni 2008, ab 9.00 Uhr, BFI/BBRZ Linz, Raum K1, Grillparzerstraße 50 Information: www.isw-linz.at

Öffnung von Arbeitsmärkten und Bildungssystemen Schwerpunktthema der heuer erstmals stattfindenden Österreichischen Konferenz für Berufsbildungsforschung ist die Öffnung der Arbeitsmärkte mit ihren Begleiterscheinungen verstärkter Mobilitäts- und Migrationsprozesse. Diese Prozesse und die möglichen Reaktionen der Bildungssysteme darauf werden bei der Konferenz analysiert und diskutiert. Termin und Ort: 3. - 4. Juli 2008, Museum Arbeitswelt Steyr, Wehrgrabengasse 7, 4400 Steyr Information: www.berufsbildungsforschung-konferenz.at

Globale Armutsbekämpung – ein Trojanisches Pferd? 25. Internationale Sommerakademie des Österreichischen Zentrums für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK). Refe- rentInnen sind u.a.: Dieter Senghaas (Uni Bremen), Franz Nuscheler (Uni Duisburg-Essen), Josef Hader (Kabaret- tist und Schauspieler), Elmar Altvater (Freie Universität Berlin), Gudrun Harrer (Der Standard), Franz Küberl (Ca- ritas), Annette Scheiner (ORF). Termin und Ort: 6. – 11. Juli 2008, Burg Schlaining, 7461 Stadtschlaining, Burgenland Information/Anmeldung: Thomas Roithner, ÖSFK Büro Wien, Tel. 01 / 79 69 959, Fax 01 / 79 65 711 e-mail: [email protected]; Web: http://www.aspr.ac.at/sak.htm

IKT-Forum für und mit Menschen mit Behinderungen Das ExpertInnen- und AnwenderInnenforum widmet sich der Verstärkung des Know-How-Transfers und der Dis- kussion neuer Möglichkeiten, Chancen, Gefahren, Rahmenbedingungen und Anforderungen neuester IKT-Ent- wicklungen für Menschen mit Behinderungen. Termin und Ort: 7. – 8. Juli 2008, Johannes Kepler Universität Linz Information/Anmeldung: www.iktforum.at

Das umkämpfte Kind zwischen Familie, Bildungsinstitutionen und Gesellschaft Bei der 57. Internationalen Pädagogischen Werktagung Salzburg beleuchten ExpertInnen in Vorträgen und Ar- beitskreisen die Realität von Familie, Kindergarten, Schule, außerschulischer Betreuung und Medien. Termin: 14. - 18. Juli 2008 Ort: Große Universitätsaula Salzburg, Altstadt, Zugang Furtwänglerpark Information: Tel. 0662/8047-7511: E-Mail: [email protected]

Den Neoliberalismus aushebeln – 10 Jahre Globalisierungskritik Bei der 7. Sommerakademie des globalisierungskritischen Netzwerkes ATTAC wird das konstatierte Brüchigwer- den der neoliberalen Hegemonie unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Auch Alternativen und gesell- schaftliche Perspektiven werden diskutiert. Termin und Ort: 16. – 20. Juli 2008, AK Steyr, Redtenbachergasse 1a, 4400 Steyr Information/Anmeldung: www.attac.at/soak08

kontraste Juni 2008 35 KONTRASTE Presse- und Informationsdienst für Sozialpolitik

Erscheinungsort Linz, P.b.b. Verlagspostamt Linz. Wenn unzustellbar, zurück an die Redaktion KONTRASTE: Johannes Kepler Universität Linz, Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik, Altenbergerstr. 69, 4040 Linz

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Wir freuen uns über zugesandte Manuskripte, die Redaktion behält sich jedoch das Recht auf Kürzung und Entscheidung über die Veröf- fentlichung vor. Redaktionsschluss ist jeweils der 20. des Vormonats. Namentlich gekenn- zeichnete Beiträge können, müssen aber nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben.

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