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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Carolinea - Beiträge zur naturkundlichen Forschung in Südwestdeutschland

Jahr/Year: 1990

Band/Volume: 48

Autor(en)/Author(s): Matthes Willi, Schmidt Konrad

Artikel/Article: Zwei für die Fauna der Bundesrepublik Deutschland neue "Riesenschlupfwespen" (Megarhyssa gigas und M. perlata, , Ichneumonidae) 139-144 ©Staatl. Mus. f. Naturkde Karlsruhe & Naturwiss. Ver. Karlsruhe e.V.; download unter www.zobodat.at carolinea, 48 (1990): 139-144, 2 Abb., 2 Farbtaf.; Karlsruhe, 30.10.1990 139

Zwei für die Fauna der Bundesrepublik Deutschland neue „Riesenschlupfwespen“ (Megarhyssa gigas und M. perlata, Hymenoptera, Ichneumonidae)

Kurzfassung 1955, vgl. Schmidt & Z mudzinski 1983) und aus Südbay­ Aus dem Stamm einer toten Feldulme (Ulmus minor) wurden die ern: Tegernsee (Kriechbaumer 1889) und Berchtesga­ Schlupfwespen Megarhyssa gigas (LAXMANN 1770) und M. den (Heinrich 1949). perlata (CHRIST 1791) gezogen. Als Wirt wurde die Holzwespe Die drei übrigen Arten M. gigas (Laxmann 1770), M. per­ (FABRICIUS1787) festgestellt. Damit sind al­ lata (Christ 1791) und M. superba (Schrank 1781) sind le vier in der Westpaläarktis verbreiteten Megarhyssa-Arten im Gebiet der BRD nachgewiesen. Die Bedeutung des Fundgebie­ Parasiten von Tremex fuscicornis und Tremex magus, tes, eines Restes der Hartholzaue des Rheines bei Bobenheim- die sich beide in Laubhölzern entwickeln. Eine sichere Roxheim südlich von Worms, wird diskutiert. Über vergebliche Determination ist erst seit Noskiewicz (1957, 1958) Bemühungen um eine Unterschutzstellung dieses Altholzbe­ möglich (vgl. auch Constantineanu & M ustata 1968, standes seit 1950 (!) und über seine Zerstörung wird berichtet. Kasparyan 1981). Wie zahlreich diese drei Megarhyssa-Arten noch zu Be­ Abstract ginn unseres Jahrhunderts in einigen Gebieten der heu­ Megarhyssa gigas and M. perlata (Hymenoptera, Ichneumo­ nidae) two new species for the area of the Federal Republic tigen DDR waren, zeigt B ischoff (1916), dem 125 SS of Germany. und 133 $9 Vorlagen, die aus der Rostocker Heide, The Ichneumonids Megarhyssa gigas (LAXMANN 1770) and M. Schwerin, dem Finkenkrug bei Berlin, Strausberg, Bad perlata (CHRIST 1791) were reared from the stem of a dead field Freienwalde und aus Thüringen stammten. Geregelte elm ( Ulmus minor). The Siricid Tremex fuscicornis (FABRICIUS Forstwirtschaft hat hierfür Ordnung gesorgt, so daß nur 1787) was ascertained as the host. In the area of the FRG all the noch ein neuerer Fund bekannt wurde: 1 S 22. 5.1952 four western-palearctic Megarhyssa-specles are established Dessau leg. Heidenreich (Noskiewicz 1958). now. The ecological importance of the locality, a rest of the hard­ Von den „klassischen Fundplätzen“ liegt uns folgendes wood lowland forest of the Rhine near Bobenheim-Roxheim south of Worms, is discussed. Fruitless efforts to protect this Material vor: mature forest since the year 1950 (!) and its destruction are re­ Megarhyssa gigas (Laxmann 1770) ported. 2 c?c?, 1 9 Rostocker Heide 7. 1913 leg. Friese . Megarhyssa perlata (Christ 1791) Autoren 1 6 Finkenkrug (bei Berlin) 1.6. 1916 leg. B o llow . W illi Matth es , Mittelstraße 36, D-6712 Bobenheim-Roxheim, 1 S Berlin Erlenkl(after?) 9. 6. leg. Schirmer . (Schir­ Prof. Dr. KONRAD SCHMIDT, Zoologisches Institut der Universi­ mer sammelte etwa 1900-1920 in Berlin und Umge­ tät Karlsruhe, Kornblumenstraße 13, D-7500 Karlsruhe 1. bung.) Megarhyssa superba (Schrank 1781) 1. Einleitung 2 SS, 1 9 Rostocker Heide 7. 1913 leg. Friese . 1 9 Döl. Heide 1900. (2. Zettel): Rob . Schmidt ex coli. Die vier westpaläarktischen Arten der Gattung Mega­ Staudinger . Sehr wahrscheinlich darauf ist Haupt rhyssa gehören weltweit zu den größten Schlupfwes­ (1913) zu beziehen. Er schreibt:,,. . im Jahr 1900 in pen. Die Weibchen von Megarhyssa gigas (L axmann der Dölauer Heide (bei Halle/S.) gefangen. Leider 1770) werden einschließlich Legebohrer bis 12,5 cm fehlt das genaue Fangdatum.“ lang. Als Wirte kommen wohl ausschließlich Holzwes­ Zwei Fundmeldungen aus dem Gebiet der BRD sind auf penlarven (Siricidae) in Betracht (O ehlke 1967, A ubert diese Artengruppe zu beziehen: 1969, Kazmierczak 1981). Xiphydria camelus (Xiphy- 1) „Thalessa clavata F., häufig (!) Frankfurter Wald; driidae, ) und der Heldbock Cerambyx cerdo auch von Herren Gebrüder Stern aus Holz erzogen“ (Cerambycidae, Coleoptera) sind so schlecht belegt, (Jaennicke 1868). daß sie von der Liste der Wirte gestrichen werden soll­ Gut dazu paßt die Notiz bei Brauns (1879), daß „Sirex“ ten. (= Tremex) fuscicornis F. bei Frankfurt a. M. von v. Hey ­ Bei Nadelholz bewohnenden Holzwespen ( Sirex juven- den und Stern (!) festgestellt worden sei. Welche der cus und Urocerus gigas) schmarotzt Megarhyssa drei bei T remex parasitierenden Megarhyssa-Arten emarginatoria (T hunberg 1822). Im Gebiet der BRD Jaennicke (1868) vorlag bzw. Vorlagen, ist nicht mehr kennen wir diese Art aus dem Schwarzwald (zuletzt festzustellen, da die Sammlung Jaennicke verschollen ©Staatl. Mus. f. Naturkde Karlsruhe & Naturwiss. Ver. Karlsruhe e.V.; download unter www.zobodat.at 140 carolinea, 48 (1990)

ist (vgl. Schmidt 1969). In der Sammlung v Heyden , die chen zur Begattung zur Stelle zu sein (Heatwole st al. 1962). im Senckenberg-Museum aufbewahrt wird, befindet Nach Strojny (1956) soll die Begattung bei Megarhyssa perla- sich keine Megarhyssa (Kopelke briefl. Mitt.). ta sogar schon während des Ausschlüpfens, während das Ab­ domen des 9 noch im Holz steckt, erfolgen. Bei Megarhyssa 2) ,,Thalessa citraria Ol. 1 6 Worms.“ (Habermehl nortoni (CRESSON 1864) findet die Kopulation statt, bevor das 1917). Weibchen das Holz verlassen hat (NUTTAL 1973, zitiert nach Dieses Tier wird im Senckenberg-Museum Frankfurt GAULD & BOLTON 1988). Nach KAZMIERCZAK (1981) trifft dies a. M. verwahrt und trägt das Etikett „Roseng. 14. 9. 07“ für alle europäischen Megarhyssa-Arten zu. Nach der Kopula­ (= „im sog. Rosengarten bei Worms“ Habermehl tion interessieren sich die 6 6 nichtmehrfürdieses 9. Indersel­ [1904]: 21). Wir haben dieses Tier überprüft. Es ist 1 6 ben Weise wie die 6 6 mit den nach unten gerichteten Fühler­ von Megarhyssa superba (Schrank 1781). spitzen auf das Holz tippend versuchen die begatteten 9 9 Holz­ Bau und Funktion der für Megarhyssa charakteristi­ wespenlarven aufzuspüren, um sie mit einem Ei zu belegen. schen „Gelenkhautblase“ , die beim senkrechten An­ Wie ist das von W. MATTHES dokumentierte merkwürdige Zu­ sammenspiel des Megarhyssa gigas 6 mit „seinem“ 9 zu er­ setzen des Legebohrers auf das Holz zwischen dem 7 klären? (vgl. Abb. 5). Ob das Holz an dieser Stelle, einem Riß im und 8. Hinterleibssegment ausgestülpt wird, haben Bau­ Holz, zufällig sowohl nach einer Wirtslarve als auch nach einem mann (1923) und Abott (1934) beschrieben (vgl. Abb. ausschlüpfenden Megarhyssa 9 „roch“ ? Oder ist das postko­ 2). Die Untersuchungen der Biologie der mitteleuropäi­ pulatorische Verhalten der 6 6 von Megarhyssa gigas anders schen Megarhyssa-Arten von Strojny (1956) und Kaz- als das von Megarhyssa perlata (STROJNY 1956) und der drei mierczak (1981) sind polnisch geschrieben und enthal­ nordamerikanischen von HEATWOLE et al. (1962) beobachteten ten nur eine kurze englische Zusammenfassung. Sehr Megarhyssa-Ahen? Da die von K. SCHMIDT überprüften Aufnahmen zunächst keine interessant sind auch die Verhaltensbeobachtungen an eindeutige Artbestimmung zuließen, an der Bedeutung der Fun­ den drei nordamerikanischen Megarhyssa-Arten, die de jedoch kein Zweifel bestand, wurde der für die Eiablage be­ bei (Linnaeus ) parasitieren, von Heat - nützte Stammabschnitt nach der Fortpflanzungsperiode gebor­ wole et al. (1962). gen und unter einem Schnakengitter im Freien aufbewahrt. Die­ se Maßnahme erwies sich als erfolgreich, da im Mai und Juni Herzlichen Dank schulden wir Herrn Dr. K. P. KOPELKE, 1987 Imagines der bisher in der Bundesrepublik noch nicht fest­ Senckenbergmuseum Frankfurt a.M., für die Zusendung von gestellten Schlupfwespenarten Megarhyssa gigas und M. per­ ,,Thalessa citraria“ aus der coli. HABERMEHL und die Durchsicht lata schlüpften und zwar sowohl 6 6 als auch 9 9. Nun konnten der coli. v. HEYDEN auf Megarhyssa derg/gas-Gruppe. Das Fo­ auch die Fotos (Abb. 3 -5 ) sicher der Art Megarhyssa gigas zu­ to der Abbildung 7 wurde von Herrn W. MÜLLER, Zoolog. Institut geordnet werden. der Universität Karlsruhe, angefertigt, dem auch an dieser Stelle 1) Megarhyssa gigas (LAXMANN 1770) (Abb. 3 -5 ) herzlich gedankt sei. Alle übrigen Fotos: W. MATTHES. 1 6 18. 5., 2 6 6 25.5.; 1 9 24.5., 1 9,10.6., 1 9,14.6.1987 Die cJ 6 messen 2,3-3,6 cm, die 9 9 einschließlich Legebohrer 8,0-12,3 cm. 2. Fundumstände 2) Megarhyssa perlata (CHRIST 1791) (Abb. 6) 1 6 9- 6., 1 9,23. 6.1987. Das 6 mißt etwa 3,2 cm, das 9 ein­ Am 26.7 1986 beobachtete W. MATTHES im „Heyl’schen Wäld­ schließlich Legebohrer 5,9 cm. chen“ bei Bobenheim-Roxheim südlich von Worms auf dem ge­ Damit sind alle vier in der Westpaläarktis vertretenen Mega­ fällten Stamm einer zum Teil rindenlosen Feldulme (Ulmus mi- rhyssa- Arten durch Sammlungsexemplare belegt im Gebiet der nor) ein Insekt (Abb. 3). Daß es sich um das 6 einer großen Bundesrepublik Deutschland nachgewiesen! Schlupfwespenart handelte, wurde erkennbar, als der Partner Nachdem im Jahre 1988 keine weiteren Tiere geschlüpft waren, sich in unmittelbarer Nähe niederließ und den auffallend langen haben wir im Januar 1989 das Holz gespalten, um nach Spuren Legebohrer zwischen den sich heftig bewegenden Fühlern des der Wirte zu suchen. Außer zwei im Holz abgestorbenen und 6 senkrecht auf das Holz setzte (Abb. 5). Ein entsprechendes stark verpilzten 9 9 von Megarhyssa gigas (LAXMANN) fanden Verhalten wurde bisher noch bei keiner Megarhyssa-Ah beob­ wir zwei ebenfalls von Pilzen überwucherte Imagines von Tre­ achtet. Da die Einstichstelle für die Eiablage auf der nach unten mex fuscicornis (FABRICIUS 1787) (vgl. Abb. 7) und eine Tre- gerichteten Stammseite lag, mußte das 9 mit dem Rücken nach mex-Puppe. So hat sich auch in diesem Falle Tremex fuscicor­ unten den Legebohrer in das Holz einführen. Die Abbildungen nis zweifelsfrei als Wirt sowohl von M. gigas als auch von M. perlata erwiesen. sind um 180° gedreht und geben daher nicht die tatsächliche Position wieder. Die Larven von Tremex fuscicornis leben polyphag in abster­ Es gelangen mehrere Blitzlichtaufnahmen, die jedoch nur die bendem Laubholz. Folgende einheimische Gehölze sind als Vorbereitungsphase der Eiablage festzuhalten vermochten Futterpflanzen bekannt: Birke (Betula spp.), Hainbuche ( Carpi- (Abb. 4, 5). Die beiden Schlupfwespen waren gegen Störungen nus betulus), Rotbuche (Fagus sylvatica), Pappel (Populus sehr empfindlich. Dreimal innerhalb einer Stunde wurden beide spp.), Eiche (Quercus spp.), Weide (Salix spp.) (EICHHORN Partner jeweils zu Beginn des Eiablagevorganges gestört. Sie 1982), Spitzahorn (Acerplatanoides) (STROJNY 1956), Walnuß verschwanden jedesmal im Blätterdach des Waldrandes. Auf­ (Juglans regia) (BETTAG mündl. Mitt.). Durch unsere Untersu­ fallend war, daß nach jeder Störung das 6 zuerst wieder an die chung wird diese Liste um die Feldulme (Ulmus minor) ver­ ursprüngliche Stelle zurückkehrte, dem dann das 9 im Abstand mehrt. von etwa einer Minute folgte. Über das Erkundungsverhalten der Megarhyssa-Männchen ist folgendes bekannt: Die 6 6 versuchen, die aus dem Holz aus­ 3. Bedeutung des Fundgebietes schlüpfenden 9 9 wohl mit Hilfe ihrer Riechsensillen auf den Fühlern zu orten, um sofort nach dem Ausschlüpfen der Weib­ Das Heyl’sche Wäldchen gehört zum Landgut Nonnen­ ©Staatl. Mus. f. Naturkde Karlsruhe & Naturwiss. Ver. Karlsruhe e.V.; download unter www.zobodat.at

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not bei Bcbenheim-Roxheim, südlich von Worms. Es ist Erstnachweis für Rheinland-Pfalz der Rest einer Hartholzaue, eines wohl ursprünglichen (Niehuis 1983) Ulmen-Eschenauwaldes (Fraxino-Ulmetum), der sich in der Entwicklung zu einem Eichen-Hainbuchenwald Tenebrioides fuscus - Rote Liste BRD - 2 (Stellario-Carpinetum) befindet (N. H ailer briefl.). Bis in Ostomidae (Flachkäfer) „stark gefährdet“ die 50er Jahre hielt sich ein plenterwaldartiger Bestan­ Brauner Finsterkäfer desaufbau aufgrund einer extensiven im „Mittelwaldsy- Erstnachweis f. Rheinhessen-Pfalz stem“ betriebenen Bewirtschaftungsweise (L. C. Frhr. v. (N iehuis 1983) H eyl f briefl.). Eine Pflanzenaufnahme von A. M atthes (1979) enthält Pycnomerus terebrans - Rote Liste BRD - 2 in der Baumschicht unter anderen folgende Arten: Colydiidae (Rindenkäfer) Esche ( Fraxinus excelsior), Feldulme ( Ulmus minor), Dornschienen-Rindenkäfer Stieleiche ( Quercus robur), Bergahorn ( Acer pseudo- Erstnachweis f. Rheinhessen-Pfalz platanus). In der Strauchschicht kommt z. B. die Hasel­ (Niehuis 1983) nuß ( Corylus avellana) dazu, die Stieleiche fehlte. Mai­ glöckchen ( Convallaria majalis), Blaustern (Scilla bifo- Colydium elongatum - Rote Liste BRD - 2 lia) und Einbeere ( Paris quadrifolia) bilden an verschie­ Colydiidae (Rindenkäfer) denen Stellen dichte Bestände. Länglicher Fadensaftkäfer Bis in die Gegenwart hinein dominierten zahlreiche 150- Erstnachweis für Rheinhessen bis 250jährige kräftige Stieleichen, von denen eine be­ (Niehuis 1983) trächtliche Anzahl mehr oder weniger stark vom Großen Eichenbock (Cerambyx cerdo) - Rote Liste BRD 1 (G ei ­ Der Anwesenheit des Großen Eichenbockes als Ni­ ser 1984) - befallen war (B ettag et al. 1980, N iehuis schenbereiter für holzbewohnende Insekten ist eine 1983). Darüber hinaus existierten im Bestand einige, ähnlich wichtige ökologische Bedeutung beizumessen, wahrscheinlich natürlich gealterte, noch aufrecht ste­ wie sie den Spechten, insbesondere dem Schwarz­ hende Baumleichen der Stieleiche. specht (Dryocopus martius), zukommt, der in alten aus­ Stein (1981) hat in seiner beachtenswerten Arbeit das gereiften Wäldern Starkholzbestände besiedelt und ei­ „Biotopschutzprogramm Altholzinseln im hessischen ne Schlüsselfunktion für eine ganze Reihe von Nachfol­ Wald“ auf die herausragende biologische Bedeutung gearten - Insekten, Vögel, Säuger - ausübt (Stein von Altholzbeständen hingewiesen, die im Kreislaufge­ 1981). Wie die Altholz bewohnenden Käfer sind auch schehen natürlicher Lebensvorgänge des Ökosystems die Holzwespen solche Nischenbereiter. In dem von uns Wald eine unverzichtbare Rolle spielen. Das Heyl’sche gezwingerten Feldulmen-Holzblock fanden wir in alten Wäldchen bildete eine solche Altholzinsel, da die zum Fraßgängen ausgeschlüpfter Tremex fuscicornis 5 Ne­ großen Teil noch vitalen, wenn auch anbrüchigen Altei­ ster der Grabwespengattung Passaloecus (Sphecidae) chen, am Beginn eines ökologischen Reifestadiums mit den charakteristischen Nestverschlüssen aus Pflan­ standen, das heißt, sie beherbergten eine „vielfältige, zenharz und mit als Larvennahrung eingetragenen mit fortschreitendem Zerfall wechselnde, arteigene Le­ Blattläusen. bensgemeinschaft“ (Arbeitskreis Forstliche Landes­ Unter den 70 von W. M atthes für das Heyl’sche Wäld­ pflege 1987). chen ermittelten Vogelarten waren alle einheimischen Soweit wir wissen, wurde dieser ca. 20 ha große Altholz­ Spechte - Zwerg- ( Picoides minor), Mittel- ( Picoides bestand entomologisch noch nicht systematisch unter­ medius), Bunt- (Picoides major), Grau- (Picus canus), sucht. Es sind Stichprobenuntersuchungen bekannt, Grün- (Picus viridis) und Schwarzspecht (Dryocopus die der Biologe K. M üller , Worms, vorgenommen hat. martius) als Brutvögel vertreten. Sie ergaben auf Anhieb bemerkenswerte Funde, vor al­ Der Fund der beiden Megarhyssa-Arten sowie der lem von Käfern, die als „Urwaldrelikte“ eine bodenstän­ Nachweis der erwähnten „Urwaldrelikte“ dokumentie­ dige Lebensweise führen und auf Reliktstandorte, wie ren die herausragende Bedeutung dieses Lebensrau­ sie das Heyl’sche Wäldchen darstellt, zurückgedrängt mes. Sie verleihen diesem ursprünglichen Altholzbe­ sind. An Beispielen seien genannt: stand, Rest der entlang des gesamten rheinland-pfälzi­ schen Rheingrabens fast vollständig zerstörten Hart­ Trichoferus pallidus - Rote Liste BRD - 1 holzaue, das Prädikat höchster Schutzwürdigkeit. Cerambycidae (Bockkäfer) „vom Aussterben bedroht“ Bleicher Alteichen-Nachtbock Erstnachweis für Rheinland-Pfalz 4. Naturschutz (N iehuis et al. 1979) Bereits Ende der 50er Jahre (!) empfahl H. Schneider , Lichenophanes varius - Rote Liste BRD - 1 Kreisbeauftragter für Naturschutz, in einem an das Bostrychidae (Bohrkäfer) Landratsamt Frankenthal gerichteten Antrag, das Dunkelflügeliger Holzbohrer „Heyl’sche Wäldchen“ , sowie andere weitgehend na­ ©Staatl. Mus. f. Naturkde Karlsruhe & Naturwiss. Ver. Karlsruhe e.V.; download unter www.zobodat.at 142 carolinea, 48 (1990)

turnahe Landschaftsbestandteile des ca 400 ha großen ihn ordnungsgemäß pflegen und verjüngen - eine For­ Landgutes Nonnenhof als Naturschutzgebiet auszuwei­ derung, die auch der Gesetzgeber ausdrücklich erhebt. sen, da es „dringend geboten sei, dieses Kleinod in un­ Wir halten uns dabei selbstverständlich an das von der serer ohnedies schon unverantwortlich ausgeräumten Forstbehörde genehmigte und mit ihrer Hilfe erstellte Landschaft zu erhalten und vor etwaigen Zugriffen zu Forsteinrichtungswerk.“ bewahren“ . In diesem Spannungsfeld zwischen ökologischem Ge­ Anlaß dazu war der Beginn der Läuterung und Durchfor­ bot, konservativem Selbstbewußtsein, der Ignoranz der stung des Altholzbestandes mit dem Ziel der Verjün­ Forstbehörde gegenüber dem Sonderstatus dieses Re­ gung. Bereits 1980 waren mehr als vier Fünftel der ge­ liktstandortes und der jahrelangen Verzögerungsstrate­ samten Waldfläche „aus den Bemühungen der letzten gie der Entscheidungsträger auf allen Verwaltungsebe­ 30 Jahre neu hervorgegangen“ (L.C. Frhr. v. H eyl t nen mußten die Bestrebungen der Naturschutzverbän­ briefl.) (Abb. 1). de auf der Strecke bleiben. Um eine totale Ausräumung zu verhindern, bemühten Das 1980 zwischen dem Waldbesitzer und dem seiner­ sich die beiden Landespflegeverbände Bund für Um­ zeit designierten Umweltminister von Rheinland-Pfalz welt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und Gesell­ ausgehandelte Stillhalteabkommen sah vor, bis zur Klä­ schaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland- rung eines Finanzierungskonzeptes, alle noch zu die­ Pfalz (GNOR) um einen Nutzungsverzicht der noch ver­ sem Zeitpunkt vorhandenen Eichen zu schonen. Diese bliebenen Alteichen. Zum damaligen Zeitpunkt - Ende Vereinbarung wurde nicht eingehalten. In den folgen­ der 70er Jahre - wäre auf der Basis der noch vorhande­ den Jahren wurden viele Alteichen gefällt (Abb. 2), so nen Bestände eine kleinräumige, flächenhafte Biotop­ daß dem beabsichtigten Altholzinselprojekt, dem ersten vernetzung und wahrscheinlich eine Existenzsicherung in Rheinland-Pfalz, die biologische Grundlage weitge­ der Waldlebensgemeinschaft möglich gewesen. hend entzogen worden ist. Frhr. v. H eyl , der Besitzer des Waldes, erläuterte indes­ Zwar konnten die Landespflegeverbände 1987 die Aus­ sen mit Schreiben vom 25. 1. 1980 die Notwendigkeit weisung von 17 Alteichen als Naturdenkmale erreichen. der Verjüngungsmaßnahmen: „Wir dürfen aber unse­ Diese erfüllen jedoch keineswegs die Voraussetzungen ren Wald auch nicht einfach absterben und tatenlos sei­ einer sich selbst regulierenden, zur Weiterentwicklung, nem Untergang zutreiben lassen. Dazu gehört, daß wir Dauerhaftigkeit und damit zum Überleben fähigen Waldlebensgemeinschaft.

Abbildung 1. Geläuterter Bestand mit 250 Jahre alter Stieleiche. Brutbaum u.a. von Wespenbussard {P e rn is a p ivo ru s), Schwarzmilan (Milvus migrans), W aldkauz (Strix aluco), Mittel- und Kleinspecht (Picoides medius und m ino r). Aufnahme 4. 1. 1985. ©Staatl. Mus. f. Naturkde Karlsruhe & Naturwiss. Ver. Karlsruhe e.V.; download unter www.zobodat.at

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Abbildung 2. Gefällte Alteichen. Aufnahme 27. 12. 1986.

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Kriechbaumer , J. (1889): Meine diesjährigen in Tegernsee ge­ neumon gigas Laxmann 1770 und Linnaeus 1758 auf machten Erfahrungen über den Fang der Rhyssa- und merksam machte, danken wir auch an dieser Stelle sehr Ephialtes-Arten sowie einiger anderer Holzinsekten. - Ento- herzlich. mol. Nachr., 15: 313-316; Dresden. MATTHES, A. (1979): Landschaftsveränderungen bei Boben- heim-Roxheim. - Staatsexamensarbeit Geograph. Inst. Univ. Literatur Freiburg; Freiburg i. Br. NlEHUlS, M. (1978): Bemerkungen zum Thema Altholzinseln. - TOWNES, H., MOMOI, S. & TOWNES, M. (1965): A catalogue and Natursch. Ornithol. Rheinland-Pfalz, 1 (1): 99-106; Landau. reclassification of the Eastern Palearctic Ichneumonidae. - Mem. Amer. Ent. Inst., 5:1-661; Ann Arbor. NlEHUlS, M. (1983): Bemerkenswerte Käferfunde in der Pfalz und benachbarten Gebieten. 7. Beitrag zur Kenntnis der Käfer der Pfalz. - Pfälzer Heimat, 34 (1): 25-37; Speyer. Niehuis , M., Schim mel , R., V o g t, W. (1979): Funde sehr selte­ ner Käfer in der Pfalz und in unmittelbar benachbarten Gebie­ ten (3. Teil). - Pfälzer Heimat, 30 (1): 4-10; Speyer. NOSKIEWICZ, J. (1957): Remarques sur les espèces du groupe de Megarhyssa superba SCHRK. en Silesie (Hymenoptera, Ichneumonidae). - Polsk. Pismo. Ent., 26 (1956): 321-330; Wroclaw. NOSKIEWICZ, J. (1958): Rhyssini Schlesiens (Hym., Ichneumo­ nidae). - Polsk. Pismo. Ent., 28: 91-108; Wroclaw. NUTTAL, M. J. (1973). Pre-emergence fertilization of M ega­ rhyssa nortoni (Hymenoptera, Ichneumonidae). - New Zea- land Entomologist, 5: 112-117 OEHLKE, J. (1967): Westpaläarktische Ichneumonidae 1: Ephialtinae. - Hymenopterorum Catalogus (nova editio) Pars 2. 49 S.; 's-Gravenhage. SCHMIDT, K. (1969): Zur Kenntnis der Grabwespenfauna des Rhein-Main-Gebietes (Hymenoptera, Sphecidae). - Senck. biol., 50: 159-169; Frankfurt a.M. SCHMIDT, K., ZMUDZINSKI, F. (1983): Beiträge zur Kenntnis der badischen Schlupfwespenfauna (Hymenoptera, Ichneumoni­ dae) 1. Xoridinae, Acaenitinae, Pimplinae (Poemini, Rhyssi­ ni). - Andrias, 3: 97-103; Karlsruhe. STEIN, J. (1981 ): Biotopschutzprogramm Altholzinseln im hessi­ schen Wald. - Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspfl. Bad.-Württ., 20: 91-110; Karlsruhe. STROJNY, W. (1956): Thalessa perlata CHRIST and Thalessa superba Schrank (Hymenoptera, Ichneumonidae) - parasi­ tes of larvae of Tremex fuscicornis F. (Hymenoptera, Sirici- dae). - Acta Parasitol. Polonica, 4: 819-837; Warszawa.

Nachtrag

M eg arh yssa histrio (Christ 1791 ) Nomen revocatum. Bei der Benennung der Megarhyssa-Arten folgten wir den Katalogen von O ehlke (1967) und A ubert (1969). Der Name Megarhyssa gigas ist aber präokkupiert und muß ersetzt werden. Ichneumon gigas Laxmann 1770 und die Holzwespe Ichneumon (heute Urocerus) gigas L innaeus 1758 sind primäre Homonyme. Daher muß Me­ garhyssa gigas (L axmann 1770) den nächstgültigen Na­ men Megarhyssa histrio (C hrist 1791 ) erhalten (vgl. die Beschreibung von 3 und ? bei Noskiew icz 1957). DerTy- pus von Ichneumon histrio C hrist 1791 ( 3 „Deutsch­ land“) ist verloren (Townes et al. 1965). Die Deutung von C hrist’s Beschreibung und Abbildung durch N oskiewicz (1957) ist nicht ganz zweifelsfrei, sollte aber unbedingt auch weiterhin akzeptiert werden.

Herrn Dr. K. H orstmann , Zoologisches Institut der Uni­ versität Würzburg, der uns auf die Homonymie von Ich­ ©Staatl. Mus. f. Naturkde Karlsruhe & Naturwiss. Ver. Karlsruhe e.V.; download unter www.zobodat.at

carolinea, 48 (1990): Matthes & Schmidt: Ichneumonidae Tafel 1

Abbildung 3. Megarhyssa gigas 8 am Stamm einer gefällten Abbildung 4. Megarhyssa gigas 2 bohrt Im Stamm einer gefäll­ Feldulme (Ulmus minor). Im Holz die kreisrunden Schlupflöcher, ten Feldulme. Die charakteristische „Gelenkhautblase“ zwi­ wie sie sowohl Tremex als auch Megarhyssa beim Ausschlüp­ schen dem 7. und 8. Hinterleibssegment kann am Beginn des fen nagen. Aufnahme 26. 7. 1986. Bohrvorganges das basale Drittel des Legebohrers aufnehmen. Aufnahme 26. 7. 1986.

Abbildung 5. Megarhyssa gigas 8 und 2 am Stamm einer gefällten Feldulme. Die Fühler des 8 haben Kontakt mit dem Legebohrer des 2. Aufnahme 26. 7. 1986. ©Staatl. Mus. f. Naturkde Karlsruhe & Naturwiss. Ver. Karlsruhe e.V.; download unter www.zobodat.at carolinea, 48 (1990): Matthes & Schmidt: Ichneumonidae Tafel 2

Abbildung 7. Im Brutbaum abgestorbene Imago von Tremex fusdcornis. Die Leiche ist bis auf die Cuticula vollständig von Pilzen ver­ daut. Das den Holzwespenpanzer außen überwuchernde Pilzmyzel wurde sorgfältig abpräpariert.