Wir machen mit.

Der Nationale Integrationsplan Neue Wege – Neue Chancen

Der Nationale Integrationsplan Neue Wege – Neue Chancen

Inhalt

Vorwort von Bundeskanzlerin 7

Einleitung von Staatsministerin Maria Böhmer 9

1. Erklärung des Bundes zum Nationalen Integrationsplan 12

2. Beitrag der Länder zum Nationalen Integrationsplan 22

3. Beitrag der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände 31

4. Ergebnisse der Arbeitsgruppen 35

Einleitung 35

4.1. Themenfeld 1: „Integrationskurse verbessern“ 37 1. Bestandsaufnahme 37 2. Zielbestimmungen 39 3. Vereinbarungen von Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen 43 Mitglieder 45

4.2. Themenfeld 2: „Von Anfang an deutsche Sprache fördern“ 47 1. Unterstützung von Sprachentwicklung und Spracherwerb durch die Eltern 48 2. Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespfl ege 52 3. Durchgängige sprachliche Bildung im Übergang Kindergarten – Schule 55 Mitglieder 58

4.3. Themenfeld 3: „Gute Bildung und Ausbildung sichern, Arbeitsmarktchancen erhöhen“ 61 Auftrag 61 Ergebnisse 62 1. Integration und Bildung 62 2. Integration und Ausbildung 70 3. Integration und Arbeitsmarkt 77 Mitglieder 84

4.4. Themenfeld 4: „Lebenssituation von Frauen und Mädchen verbessern, Gleichberechtigung verwirklichen“ 87 1. Themenschwerpunkt: Integration durch Recht 88 2. Themenschwerpunkt: Partizipation 94 3. Themenschwerpunkt: Gesundheit, Sexualaufklärung, Altenhilfe 99 Mitglieder der Unterarbeitsgruppe 1 106 Mitglieder der Unterarbeitsgruppe 2 107

4 4.5. Themenfeld 5: „Integration vor Ort unterstützen“ 109 Vorbemerkungen 109 1. Themenschwerpunkt 1: Kommunale Gesamtkonzepte 110 2. Themenschwerpunkt 2: Wohnen und Wohnumfeld im Quartier 112 3. Themenschwerpunkt 3: Schule und Bildung im Quartier 116 4. Themenschwerpunkt 4: Lokale Ökonomie 118 5. Themenschwerpunkt 5: Indikatoren, Monitoring, Evaluierung 121 Mitglieder 124

4.6. Themenfeld 6: „Kultur und Integration“ 127 1. Themenschwerpunkt: Kulturelle Bildung 128 2. Themenschwerpunkt: Kulturinstitutionen 132 3. Themenschwerpunkt: Integration als Querschnittsthema der Kulturpolitik und Kulturverwaltung 134 Mitglieder 137

4.7. Themenfeld 7: „Integration durch Sport – Potenziale nutzen, Angebote ausbauen, Vernetzung erweitern“ 139 1. Strukturelle und personelle Voraussetzungen für die Nutzung des Sports als „Integrationsmotor“ 139 Anlage 1 147 Anlage 2 148 Mitglieder 154

4.8. Themenfeld 8: „Medien – Vielfalt nutzen“ 157 1. Themenfeld: Medien und Integration 157 Mitglieder 170

4.9. Themenfeld 9: „Integration durch bürgerschaft liches Engagement und gleichberechtigte Teilhabe stärken“ 173 1. Bestandsaufnahme 173 2. Zielbestimmungen 174 3. Maßnahmen zur Umsetzung und gegenseitige freiwillige Selbstverpfl ichtungen 174 4. Standards für Integrationsprojekte 180 5. Evaluation 180 Mitglieder 181

4.10. Themenfeld 10: „Wissenschaft – weltoffen“ 183 1. Der Auftrag 183 2. Empfehlungen 184 3. Die Attraktivität und Internationalität des Studien- und Wissenschaftsstandortes Deutschland stärken 185 4. Integration voranbringen: Potenziale von Bildungsinländern und zugewanderten Hochqualifi zierten besser erschließen und fördern 192 5. Migrations- und Integrationsforschung stärken: Faktoren gelingender Integration untersuchen, Datenbasis verbessern 196 Mitglieder 199

5 6 Vorwort von Bundeskanzlerin Vorwort Angela Merkel

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Deutschland ist ein weltoffenes Land. Hier leben rund Integration ist eine Schlüsselaufgabe unserer Zeit, die 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. auch durch den demografi schen Wandel immer mehr Die meisten von ihnen haben längst ihren Platz in an Bedeutung gewinnt. Deshalb hat die Bundesre­ unserer Gesellschaft gefunden. Dennoch wissen wir gierung dieses Thema zu einem Schwerpunkt ihrer aber auch um deutliche Integrationsdefi zite bei einer Arbeit gemacht. Mit dem Nationalen Integrationsplan leider noch zu großen Zahl von Menschen. Dazu zäh­ wollen wir in Zusammenarbeit mit allen staatlichen len nicht zuletzt mangelhafte deutsche Sprachkennt­ Ebenen und im Dialog mit engagierten Persönlich­ nisse und Schwächen in Bildung und Ausbildung. Das keiten und Verbänden die Integration in unserem sind Defi zite, die in einer relativ hohen Arbeitslosig­ Land Schritt für Schritt verbessern. keit und sogar in gesellschaftlicher Abschottung zum Ausdruck kommen. Unsere Gesellschaft wird reicher und menschlicher durch Toleranz und Offenheit in unserem Zusam­ Integration gelingt nicht automatisch, sie kann auch menleben. Integration geht daher uns alle an – die nicht einfach „von oben“ verordnet werden. Nur mit Menschen aus Zuwandererfamilien genauso wie die einem umfassenden systematischen Ansatz in der Bürgerinnen und Bürger, die schon lange hier leben. Integrationspolitik kann es gelingen, die Fähigkeiten Integration kann nur miteinander gelingen. Es liegt und Potenziale der Menschen aus Zuwandererfami­ an uns, das gemeinsame Haus Deutschland als liebens­ lien gezielt zu fördern – Potenziale, die wichtig für den und lebenswerte Heimat verstehen und erfahren zu gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wirtschaft­ können. liche Zukunft unseres Landes sind.

Es gilt, ein gemeinsames Verständnis von Integration zu entwickeln. Selbstverständlich gehört dazu die Anerkennung der Rechtsordnung Deutschlands und der grundgesetzlich geschützten Werte. Wer dau­ Angela Merkel erhaft bei uns leben und vielfältige Chancen ergrei­ Bundeskanzlerin fen will, die sich in unserem Land bieten, kommt nicht umhin, die deutsche Sprache hinreichend zu beherrschen.

7 8 Einleitung von Staatsministerin Vorwort Maria Böhmer

Fünf Jahrzehnte sind seit der ersten Anwerbung Im vergangenen Jahr hat die Bundeskanzlerin zum ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ersten Integrationsgipfel eingeladen. Was im Juli vergangen. Sie kamen als „Gastarbeiter und Gastar­ 2006 als Zusammenkunft im Bundeskanzleramt beiterinnen“, erst allein, dann mit ihren Familien. Sie begann, hat in den vergangenen Monaten eine leb­ wollten und sollten auf Zeit bleiben, dann entschieden hafte Entwicklung in unserer Gesellschaft ausgelöst. sich viele von ihnen für ein Leben in Deutschland. Deutschland ist auch integrationspolitisch in einer Viele haben so eine neue Heimat in unserem Land Aufbruchstimmung. Im Kreis von Migrantinnen und gefunden. Viele sind aber auch Fremde geblieben, sie Migranten, von Vertretern und Vertreterinnen der empfanden ihr Leben in Deutschland dann oft als Bundesregierung, der Länder und Kommunen, der Jahre unerfüllter Hoffnungen und Lebenschancen. Kultur, des Sports, der Wissenschaft, der Medien und des bürgerschaftlichen Bereichs, der Kirchen und In den späteren Jahrzehnten veränderte sich die Sozialpartner haben wir uns damals darauf verstän­ Zuwanderung. Nun kamen Menschen aus anderen digt, gemeinsam einen Nationalen Integrationsplan Gründen nach Deutschland – und konnten häufi g zu erarbeiten. auch bleiben. Mit den politischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa kamen viele Deutsche in das Ganz bewusst wollten wir dabei neue Wege gehen, Land ihrer Vorfahren zurück. orientiert an zwei Leitlinien:

Fünfzehn Millionen Menschen aus 200 verschiedenen 1. Integration muss gelebt werden. Sie lässt sich nicht Staaten leben heute in unserem Land. Unsere Gesell­ verordnen, weder der Minderheit noch der Mehr­ schaft hat sich auch durch das Zusammenleben mit heit der Menschen in unserem Land. Miteinander ihnen kulturell, wirtschaftlich und politisch stark entsteht, wenn Menschen sich willkommen und verändert. Dieser Prozess ist nicht neu: Deutschland heimisch fühlen, wenn sie teilhaben an unserer hat als europäisch gewachsene Kulturnation stets Gesellschaft, im Beruf wie im Privaten, und wenn vielfältige Einfl üsse von außen aufgenommen, die sie Anerkennung für ihre Leistungen erfahren. wir heute ganz selbstverständlich als Teil unseres Und zum Miteinander gehört, dass sich Menschen Landes und seiner Kultur betrachten. Dennoch hat es gegenseitig mit Respekt begegnen. lange gedauert, bis diese Entwicklung als das verstan­ den wurde, was sie ist: Eine Wirklichkeit, die viele Erste Leitlinie unserer Integrationspolitik ist Chancen eröffnet, aber auch die Gefahr gesellschaft­ deshalb: Direkt und vertrauensvoll mit den Menschen licher Spannungen birgt. Eine Wirklichkeit, die eine aus Zuwandererfamilien zusammenarbeiten und die zukunftsweisende und nachhaltige Integrationspoli­ gemeinsame Zukunft gestalten. tik erfordert.

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2. Bund, Länder und Kommunen sichern wichtige der Erklärung der Ministerpräsidenten vom 14. Juni Voraussetzungen für das Gelingen von Integration. 2007 liegt nunmehr auch ein von allen Ländern getra­ Der Staat garantiert Sicherheit, gewährleistet den gener Beitrag zum Nationalen Integrationsplan vor. Zugang zu Bildung und fördert die Eingliederung in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Allein kann In Kapitel 3 formulieren die Kommunalen Spitzenver­ der Staat die gesamtgesellschaftliche Aufgabe bände ihren Beitrag zu den Handlungsfeldern der Integration aber nicht erfüllen. Dies gelingt nur, Integration. Die Spitzenverbände wollen damit ihre indem jede und jeder – zugewandert oder einhei­ Mitglieder unterstützen, Integrationsbemühungen misch – praktisch und konkret Verantwortung fortzuführen und auszubauen. übernimmt: im Beruf und im Sport, in der Kultur, den Medien, der Wissenschaft und der Nachbar­ Entsprechend dem Kabinettbeschluss der Bundesre­ schaft im Stadtteil. Nur so kann auf Dauer ein Klima gierung vom 12. Juli 2006 wurden Arbeitsgruppen zu entstehen, das Migrantinnen und Migranten ermu­ zehn Themenfeldern der Integrationspolitik einge­ tigt, sich ganz selbstverständlich als Teil unserer richtet mit Vertretern der Migrantinnen und Mig­ Gesellschaft zu verstehen. ranten, des Bundes, der Länder, der Kommunen und vielen nichtstaatlichen Akteuren – jede ein kleiner Die zweite Leitlinie unserer Integrationspolitik lautet Themengipfel der Integration. Sie haben ab Oktober daher: Von jeder und jedem Selbstverpfl ichtungen in 2006 getagt und Ende März 2007 ihre Ergebnisse seinem und ihrem Verantwortungsbereich einfordern, vorgelegt. Ihre Berichte zeigen die vielen gemein­ denn alle können etwas zum Gelingen von Integration samen Überzeugungen, aber auch die intensiven in Deutschland beitragen. und konstruktiven Diskussionen über richtige Ziele und geeignete Wege. Der Bund hat diese Arbeits­ Getragen vom Sachverstand und Engagement aller gruppen jeweils moderiert; er hat sich aber auch – Mitwirkenden liegt jetzt der Nationale Integrations­ wie andere Beteiligte – mit Selbstverpfl ichtungen plan vor, eine Strategie in neuer Form. So facetten­ eingebracht. Das Ergebnis: Fast 170 Seiten mit Analy­ reich das Thema ist, so verschieden sind die jeweiligen sen und konkreten Maßnahmen, facettenreich und Kapitel. aus unterschiedlichen Perspektiven formuliert. Die Arbeitsgruppenberichte werden im Kapitel 4 vollstän­ In Kapitel 1 defi niert die Bundesregierung ihre integra­ dig wiedergegeben – ein Zeichen des Respekts und tionspolitischen Grundsätze und hebt die zentralen des Danks gerade auch an die mitwirkenden Migran­ Maßnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich hervor. tinnen und Migranten. Viele weitere Maßnahmen des Bundes enthalten die Berichte zu den einzelnen Themenbereichen.

Kapitel 2 dokumentiert die gemeinsame Position der Länder. Ihre föderale Zuständigkeit für Bildung und Sprachförderung, Kultur und Medien weist den sech­ zehn Ländern entscheidende Verantwortung zu. Mit

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Die zehn Themenfelder der sechs Arbeitsgruppen Es waren zwölf lebhafte, bewegende Monate, in denen waren: ich als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung die Arbeiten am Nationalen Integrationsplan gesteu­ 1. Integrationskurse verbessern ert und koordiniert habe. Bestätigt hat sich in dieser Zeit: Integrationspolitik ist niemals nur technisch und 2. Frühkindliche Bildung: Von Anfang an deutsche niemals nur abstrakt. Sie erfordert einen nüchternen Sprache fördern Umgang mit den Realitäten und darf Defi zite nicht tabuisieren. Vor allem aber darf sie niemals das Wich­ 3. Gute Bildung und Ausbildung sichern, tigste vergessen: Es geht um einzelne Menschen, jede Arbeitsmarktchancen erhöhen und jeder mit eigenen Bedürfnissen, eigenen Ansich­ ten, eigenem Willen, eigener Motivation und Seelen­ 4. Lebenssituation von Frauen und Mädchen lage. Wer einmal erkannt und verstanden hat, dass verbessern, Gleichberechtigung verwirklichen alle Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben, eine gemeinsame Zukunft haben werden, der kennt 5. Integration vor Ort unterstützen auch das politische Ziel: Dass diese Zukunft gut wird.

6. Integration durch bürgerschaftliches Die positive Resonanz aus allen Teilen Deutschlands Engagement und gleichberechtigte Teilhabe zur Arbeit am Nationalen Integrationsplan zeigt: stärken Diese Einsicht ist angekommen. Wir sind bereit, Neues anzustoßen und gemeinsam auf den Weg zu bringen. 7. Kulturelle Pluralität leben – interkulturelle Kompetenz stärken Mein besonderer Dank gilt allen, die in den Arbeits­ gruppen mitgewirkt haben – insbesondere den 8. Integration durch Sport – Potenziale nutzen, Migrantinnen und Migranten – für ihre Expertise, Angebote ausbauen, Vernetzung erweitern ihr Engagement, besonders aber für ihre Bereitschaft, konkret zur Umsetzung des Nationalen Integrations­ 9. Medien – Vielfalt nutzen plans beizutragen. Dank gilt auch den Teilnehmer­ innen und Teilnehmern des Jugendintegrations­ 10. Wissenschaft – weltoffen forums mit der Bundeskanzlerin im Mai 2007 für ihren Blick in die Zukunft. In den Arbeitsgruppen konnten nicht alle Organi­ sationen, Institutionen und Verbände ihre Beiträge Ein herzlicher Dank allen Beteiligten für die sehr gute, rechtzeitig abstimmen und einbringen. Selbstver­ zielorientierte Zusammenarbeit. pfl ichtungen, die uns ergänzend übermittelt worden sind, fi nden sich mit einem entsprechenden Hinweis versehen jeweils in den Berichten der Arbeitsgruppen. Maria Böhmer Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin

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Erklärung des Bundes zum Nationalen Integrationsplan

1. Zuwanderung und Integration 2. Eine Aufgabe von nationaler sind Teil unserer Geschichte Bedeutung

Unser Land blickt auf eine lange und prägende Bund, Länder und Kommunen haben vielfältige Migrationstradition mit zahlreichen Beispielen Anstrengungen zur Integrationsförderung unternom­ erfolgreicher Integration zurück. Mit dem Ende des men. Gleichwohl haben Integrationsprobleme in den Zweiten Weltkriegs wurden Millionen deutscher zurückliegenden Jahren teilweise zugenommen. Die Flüchtlinge und Vertriebener in unsere Gesellschaft Abhängigkeit des Bildungserfolges von sozialer Her­ integriert. Später fanden über vier Millionen Deutsche kunft und Migrationshintergrund in Deutschland ist als Aussiedlerinnen und Aussiedler Aufnahme. Fünf im internationalen Vergleich besonders ausgeprägt. Jahrzehnte sind seit der ersten Anwerbung auslän­ Zudem gelingt es hier offensichtlich weniger gut als discher Arbeitskräfte vergangen. Ihnen folgten seither in anderen Staaten, Schülerinnen und Schüler mit Millionen Menschen, die als Arbeitnehmerinnen, Migrationshintergrund systematisch und konsequent Arbeitnehmer und Familienangehörige oder aus beim Erwerb der Landessprache zu unterstützen. humanitären Gründen in unser Land kamen, aufge­ Gerade in Teilen der zweiten und dritten Generation nommen wurden und häufig hier geblieben sind. Die­ der Zugewanderten besteht erheblicher nachholender sen historischen Erfahrungsschatz werden wir sehr Integrationsbedarf. viel stärker als bisher für einen positiven und pragma­ tischen Umgang mit Zuwanderung und Integration Teile der zugewanderten Bevölkerungsgruppen nutzen. beherrschen nur ungenügend Deutsch, sie schneiden in Bildung und Ausbildung schwächer ab und sind Heute leben in Deutschland rund fünfzehn Millionen häufi ger arbeitslos. Zudem akzeptieren einige die Menschen, die einen Migrationshintergrund haben. Grundregeln unseres Zusammenlebens nicht; dies gilt Dies ist fast ein Fünftel der Bevölkerung in unserem auch hinsichtlich der Rechte von Frauen. Wir müssen Land. Bei den unter 25-Jährigen ist es sogar mehr als verhindern, dass fehlende Perspektiven und man­ ein Viertel. Mehr als die Hälfte der Menschen mit gelnde Akzeptanz, die eine große Zahl jugendlicher Migrationshintergrund besitzt die deutsche Staats­ Zugewanderter verspüren, in gesellschaftspolitische angehörigkeit. Viele sind in Deutschland geboren. Sackgassen führen. Eine „verlorene Generation“ darf nicht entstehen. Für die Zukunft aller Menschen in Sehr viele Migrantinnen und Migranten haben längst unserem Land wird es von entscheidender Bedeutung ihren Platz in unserer Gesellschaft gefunden. Sie sind sein, dass alle bereit und willens sind, diese Schwierig­ erfolgreich und tragen mit ihren Fähigkeiten und Leis­ keiten zu beheben. Sonst droht aus einem Miteinander tungen zum Wohlstand und zur gesellschaftlichen ein Nebeneinander zu werden. und kulturellen Vielfalt des Landes bei. Zu Recht verdienen sie dafür Anerkennung und Respekt. Integration ist daher eine Aufgabe von nationaler Bedeutung. Grundlage ist neben unseren Wertvorstel­ Angesichts des demografi schen Wandels und des lungen und unserem kulturellen Selbstverständnis wachsenden weltweiten Wettbewerbs um die besten unsere freiheitliche und demokratische Ordnung, Köpfe müssen wir auch zukünftig Zuwanderung wie sie sich aus der deutschen und europäischen gezielt für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschichte entwickelt hat und im Grundgesetz ihre Interessen Deutschlands nutzen. Auch dafür ist eine verfassungsrechtliche Ausprägung fi ndet. nachhaltige Integrationspolitik dringend erforderlich.

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Integration kann nicht verordnet werden. Sie erfor­ Organisationen von Migrantinnen und Migranten dert Anstrengungen von allen, vom Staat, der Gesell­ bilden Brücken zwischen Frauen und Männern, schaft, die aus Menschen mit und ohne Migrations­ Kindern und Familien mit Migrationshintergrund hintergrund besteht. Maßgebend ist zum einen die und der einheimischen Bevölkerung. Sie können als Bereitschaft der Zuwandernden, sich auf ein Leben in Kulturmittler den Migrantinnen und Migranten die unserer Gesellschaft einzulassen, unser Grundgesetz Notwendigkeit eigener Integrationsbemühungen und unsere gesamte Rechtsordnung vorbehaltlos zu nahebringen. Das gilt beispielsweise für den Sprach­ akzeptieren und insbesondere durch das Erlernen der erwerb, das zivilgesellschaftliche Engagement, den deutschen Sprache ein sichtbares Zeichen der Zuge­ frühen Besuch von Kinderbetreuungseinrichtungen hörigkeit zu Deutschland zu setzen. Dies erfordert und die Elternbeteiligung. Sie können der einhei­ Eigeninitiative, Fleiß und Eigenverantwortung. Auf mischen Gesellschaft und der Politik die Probleme, Seiten der Aufnahmegesellschaft benötigen wir dafür denen sich Migrantinnen und Migranten ausgesetzt Akzeptanz, Toleranz, zivilgesellschaftliches Engage­ sehen, vermitteln. Es ist der richtige Weg, wenn Bund, ment und die Bereitschaft, Menschen, die rechtmäßig Länder, Kommunen und der nichtstaatliche Bereich bei uns leben, ehrlich willkommen zu heißen. Von Migrantinnen, Migranten und ihre Organisationen allen Beteiligten werden Veränderungs- und Verant­ stärker in Planung und Gestaltung von Integrations­ wortungsbereitschaft gefordert. maßnahmen einbeziehen.

Erfolgreiche Integrationspolitik weckt und nutzt 3. Auf neuen Wegen zu einer Potenziale. besseren Integration Erfolgreiche Integrationspolitik setzt auf die vielfäl­ Damit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen auf tigen Fähigkeiten, die Leistungen und das Engage­ Dauer friedlich zusammenleben, sind große Anstren­ ment der Migrantinnen und Migranten. Sie vermeidet gungen erforderlich. Der Bund geht dabei neue Wege Klischees und sieht Probleme als Herausforderungen einer aktivierenden und nachhaltigen Integrations­ und Chance zur weiteren Entwicklung von Politik und politik, die die Potenziale der Zugewanderten erkennt Gesellschaft. Ob Migrantinnen und Migranten ihre und stärkt und nicht allein auf Defi zite fokussiert. Kompetenzen zur Geltung bringen können, hängt Diejenigen Migrantinnen und Migranten, die sich auch von den sozialen Bedingungen und Barrieren ab, einer Integration dauerhaft verweigern, müssen auch auf die sie treffen. mit Sanktionen rechnen. Unsere Integrationspolitik setzt insbesondere auf ein modernes Zuwanderungs­ Um die Potenziale von Kindern und Jugendlichen recht und den institutionalisierten Dialog mit Mig­ mit Migrationshintergrund zu erschließen, brauchen rantinnen und Migranten gerade auch im Rahmen diese die Chance auf bestmögliche Bildung. Gezielte des Nationalen Integrationsplans und der Deutschen Sprachförderung im Kindergarten und in der Schule Islamkonferenz. verbessert von Anfang an die Aussicht auf Schulerfolg, Ausbildung, einen erfolgreichen Berufseinstieg und Mit ihrem Positionspapier „Gutes Zusammenleben – damit auf soziale Anerkennung. Um diesen Prozess klare Regeln“ vom 12. Juli 2006 hat die Bundesregie­ zu unterstützen, muss der Anteil der Beschäftigten rung eine Plattform für den integrationspolitischen mit Migrationshintergrund in allen Bereichen der Dialog im Rahmen des Nationalen Integrationsplans öffentlichen Verwaltung und Dienstleistungen erhöht geschaffen. Auf dieser Grundlage bestimmt sie fol­ werden, z. B. in Kindertagesstätten und Schulen, in gende Leitlinien ihrer Integrationspolitik: den Behörden, sei es bei der Familien- und Jugendhilfe oder bei der Polizei. Erfolgreiche Integrationspolitik heißt Dialog und enge Zusammenarbeit. Erfolgreiche Integrationspolitik sieht die Schlüssel­ rolle von Frauen mit Migrationshintergrund. Der Nationale Integrationsplan ist das Ergebnis einer engen und konstruktiven Zusammenarbeit mit Mig­ Es sind gerade die Frauen, die in Beruf und Familie, rantinnen und Migranten. Unser Prinzip war und ist: aber auch mit ihrem sozialen, gesellschaftlichen und Wir sprechen mit Migrantinnen und Migranten, nicht politischen Engagement die Integration der nächsten über sie. Beim Integrationsgipfel, in den Arbeitsgrup­ Generation entscheidend prägen. pen und den vielen begleitenden Veranstaltungen des Forums Integration waren und sind Migrantinnen Deshalb müssen wir die Potenziale von Frauen und und Migranten als aktive Partnerinnen und Partner Mädchen stärken. Ihre Möglichkeiten zur sozialen, beteiligt. gesellschaftlichen und politischen Teilhabe müssen verbessert werden. Dies sollte so früh wie möglich auch in Schule und Ausbildung beginnen.

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Integrationspolitische Maßnahmen müssen gezielt Weise Konzepte und Leitlinien für die Integration vor auf die spezifi schen Bedürfnisse von Frauen und Ort entwickelt. Einzelmaßnahmen müssen allerdings Mädchen mit Migrationshintergrund zugeschnitten noch besser aufeinander abgestimmt werden, und die werden. Dies gilt auch für bislang oftmals weniger mannigfaltigen Aktivitäten müssen zielgenauer wer­ beachtete Bereiche wie zum Beispiel Gesundheitsprä­ den. Der Nationale Integrationsplan steht für eine sol­ vention, Sexualaufklärung und Altenhilfe. che umfassende Bündelung in der Integrationspolitik.

So wird zugleich die Gleichberechtigung der Alle staatlichen Ebenen wie auch die anderen Träger Geschlechter, die im Grundgesetz an zentraler Stelle von Integrationsmaßnahmen bejahen die Notwendig­ verankert ist, gestärkt und im Alltag verwirklicht. keit, Integrationsmaßnahmen noch deutlich besser aufeinander abzustimmen und zu vernetzen. So müs­ Häusliche Gewalt, einschließlich spezifi scher Formen sen Verbundprojekte zwischen Trägern von Kultur-, von Gewalt wie etwa Genitalverstümmelung und Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, Kinder- und Zwangsverheiratung, betreffen Frauen und Mädchen Jugendhilfe, Sprachkursen, Arbeitsmarktmaßnahmen mit Migrationshintergrund vielfach in besonderer vor Ort in den Kreisen, Städten und Gemeinden geför­ Weise. Stärkere Prävention und verbesserter Schutz dert und ausgebaut werden. sind unerlässlich. Als Querschnittsaufgabe ist Integration auf staatlicher Erfolgreiche Integrationspolitik baut auf eine Seite immer eine Mehrebenenpolitik: Der Bund hat aktive Bürgergesellschaft. die Initiative zur Erarbeitung des Nationalen Inte­ grationsplans ergriffen. Dabei war es ein besonderes Integration ist nicht allein Aufgabe des Staates. Sie Anliegen, Länder und Kommunen eng einzubinden. erfordert eine aktive Bürgergesellschaft, in der mög­ Sie sind unter anderem für die Schlüsselthemen schu­ lichst viele Menschen Verantwortung übernehmen lische Bildung und frühkindliche (Sprach-)Förderung und Eigeninitiative entwickeln. Deshalb war an der in Kindertageseinrichtungen, Kulturpolitik und die Erarbeitung des Nationalen Integrationsplans ein konkreten Integrationsleistungen vor Ort zuständig. breites Spektrum der Gesellschaft beteiligt: Migran­ tinnen und Migranten, die Sozialpartner, die Wirt­ Der Bund wird die im Handlungsfeld Sprachförderung schaft, die Kirchen und Religionsgemeinschaften, bereits durchgeführte Feststellung der bestehenden die Wohlfahrtsverbände, Sportorganisationen, die Integrationsangebote von Bund, Ländern, Kommu­ Medien, die Kultur, die Stiftungen, bundesweit tätige nen und privaten Tägern im Rahmen des bundes­ Verbände und Vereine und Vertreter der Wissen­ weiten Integrationsprogramms nach § 45 AufenthG schaft. Neben wichtigen Funktionsträgern haben auch in anderen Handlungsfeldern fortsetzen und auch Einzelperspersönlichkeiten ihre Kenntnisse und Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Integra­ Erfahrungen eingebracht. tionsangebote vorlegen. Bei der Arbeit am Integrati­ onsprogramm werden die Vorgaben des Nationalen Erfolgreiche Integrationspolitik gewinnt Kraft aus Integrationsplans umgesetzt. der Verantwortung und dem Engagement aller Beteiligten. Erfolgreiche Integrationspolitik muss zielgerichtet erfolgen. Nachhaltig, wirksam und konkret wird der Nationale Integrationsplan, weil sich alle Akteure und Akteu­ Unsere Gesellschaft braucht eine zielgerichtete rinnen mit eigenen Beiträgen beteiligen. Verbind­ Integrationspolitik im Sinne der Chancengleichheit. lichkeit erlangt er durch die rund 400 Selbstver­ Dadurch wird sichergestellt, dass Förderprogramme, pfl ichtungen, die alle Mitwirkenden in und für ihren Angebote und Infrastrukturen systematisch ausge­ Zuständigkeitsbereich eingegangen sind (vgl. für die richtet werden, um Migrantinnen und Migranten zu Länder Kapitel 2, für die Kommunalen Spitzenver­ erreichen. Es braucht Gesamtkonzepte, die sich vom bände Kapitel 3, die Selbstverpfl ichtungen des nicht­ Kindergarten bis in die Erwachsenenarbeit erstrecken staatlichen Bereichs und die vollständigen Selbstver­ und bei denen alle an einem Strang ziehen. pfl ichtungen des Bundes enthält Kapitel 4). Migrantinnen und Migranten in Deutschland bilden Erfolgreiche Integrationspolitik ist keine homogene Gruppe. Deshalb sind Förderkon­ Querschnittsaufgabe auf allen Ebenen. zepte gezielt an den Einzelnen, ihren Fähigkeiten, Fer­ tigkeiten und ihrem Integrationsbedarf auszurichten. Bund, Länder und Kommunen verpfl ichten sich zu Erfolgreiche Integrationspolitik setzt gerade dort, wo einer aktivierenden und nachhaltigen Integrations­ es um Teilhabe geht, auf leicht zugängliche Informa­ politik. Schon jetzt befassen sich sämtliche Ressorts tions- und Beratungsangebote. der Bundesregierung jeweils auch mit intergrations­ politischen Themenstellungen. Darüber hinaus haben die Länder und zahlreiche Kommunen in vielfältiger

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Erfolgreiche Integrationspolitik orientiert sich an 4. Maßnahmen des Bundes Fakten. Im Rahmen seiner Zuständigkeiten leistet Deshalb müssen Forschung, Statistik und unser der Bund folgende Beiträge zum Nationalen Wissen um die Rahmenbedingungen gelingender Integrationsplan: Integration deutlich verbessert werden. Mehr als die Hälfte der Menschen mit Migrationshintergrund hat Integration durch Bildung einen deutschen Pass. Daher muss neben der Unter­ scheidung nach Staatsangehörigkeit auch der Migra­ Bildung ist der entscheidende Schlüssel zur sozialen, tionshintergrund als Kriterium für die Planung und kulturellen und wirtschaftlichen Integration. Hier Überprüfung von Integrationspolitik herangezogen liegt eine Herausforderung, die die Zukunft unseres werden. Landes bestimmt und die öffentlich an Ergebnissen statt an Zuständigkeitsdebatten gemessen wird. Dabei Erfolgreiche Integrationspolitik muss sich an sind die Länder für die Bildung und Bund und Länder klaren Indikatoren messen lassen. gemeinsam für die Feststellung der Leistungsfähig­ keit des Bildungswesens im internationalen Vegleich Diese müssen fortentwickelt und zur Grundlage einer zuständig. Unser Land braucht das Potenzial der regelmäßigen Berichterstattung und Evaluation Kinder und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien. werden. Ihr Bildungserfolg ist eine Investition in die Zukunft unseres Landes, denn die Menschen, die in Deutsch­ Erfolgreiche Integrationspolitik gelingt auf land leben, sind unsere wichtigste Ressource. sicherer fi nanzieller Grundlage. Das Erlernen der deutschen Sprache und der sichere Im Finanzplanungszeitraum wird die Bundesregie­ Umgang mit ihr ist eine der wichtigsten Vorausset­ rung einen Betrag von rund 750 Millionen Euro p. a. zungen für den schulischen und berufl ichen Erfolg für unmittelbare Integrationsförderung bzw. für Maß­ und damit für gesellschaftliche Integration. Eine indi­ nahmen mit primärer Zweckbestimmung Integrati­ viduelle Sprachförderung soll in Zusammenarbeit mit onsförderung in Einzelplänen der Bundesressorts zur den Eltern erfolgen. Sie muss im frühen Kindesalter in Verfügung stellen. den Kinderbetreuungseinrichtungen beginnen und durch die gesamte Bildungslaufbahn hinweg gewähr­ Daneben wird der Bund auch weiterhin eine große leistet werden. Zahl mittelbar integrationsfördernder Maßnahmen fi nanzieren. Insbesondere ihre allgemeinen Förder­ Das erfordert ein Bildungssystem, das Chancen programme in der Familien-, Bildungs- und Arbeits­ eröffnet, Potenziale entwickelt und Bildungserfolge marktspolitik – wie z. B. die fi nanzielle Unterstützung nicht von sozialer Herkunft abhängig macht. Alle der Länder bei der Einrichtung von Ganztagsschulen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen sollen ihre durch das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung Potenziale entfalten können. Sie sollen gleichwertige und Betreuung“, die fi nanzielle Unterstützung Bildungschancen haben und gesellschaftlich, kultu­ beim Tagesbetreuungsausbaugesetz und der Betreu­ rell und wirtschaftlich teilhaben. Dazu wird der Bund ungsangebote für Kinder unter drei Jahren sowie im Rahmen seiner Kompetenzen die Länder in ihren Arbeitsförderungsmaßnahmen, kommen gerade Bemühungen um die Verbesserung der Bildungser­ auch Menschen aus Zuwandererfamilien zugute. Die folge von Migrantinnen und Migranten unterstützen, Bundesregierung wird die vorhandenen Förderpro­ unter anderem durch folgende Maßnahmen: gramme überprüfen und gegebenenfalls so aus­ richten, dass sie ihren Nutzen in der Zielgruppe der ■ Um Kindertageseinrichtungen als Orte der Integra­ Migrantinnen und Migranten noch besser erreichen. tion und der Sprachförderung so früh wie möglich nutzen zu können, ist ein bedarfsgerechtes und Weiteres Vorgehen qualitätsorientiertes Angebot in ganz Deutschland erforderlich. Der Bund strebt gemeinsam mit Län­ Bis Ende 2008 wird die Bundesregierung eine Zwischen­ dern und Kommunen den entsprechenden Ausbau bilanz zur Umsetzung des Nationalen Integrations­ der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren plans ziehen. Das Forum Integration der Bundesregie­ auf eine Versorgungsquote von durchschnittlich rung wird weitergeführt. 35 Prozent bis zum Jahr 2013 an. Der Bund wird sich an den Ausbaukosten maßgeblich beteiligen. Dieser Ausbau zielt auch auf Kinder mit Migrations­ hintergrund und wird positive Effekte für die frühe Sprachförderung haben. Der Bund unterstützt die Länder bei der Einrichtung von Ganztagsschulen durch das Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ mit einem Gesamtvolumen von

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4 Mrd. Euro bis zum Jahr 2009. Ganztagsschulen dass mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund tragen insbesondere auch zur Verbesserung von bessere Schul- und Studienabschlüsse machen. Bildungschancen und Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien bei. Integration durch Sprache – Die Integrationskurse des Bundes ■ Der Bund spricht sich dafür aus, Haushaltsmittel, die aufgrund der demografi schen Entwicklung und Sprache ist Voraussetzung von Integration. Integra­ des Rückgangs der Bildungsteilnehmerinnen und tion kann nur gelingen, wenn Zugewanderte mit den -teilnehmer frei werden, für die Verbesserung der Lebensverhältnissen in Deutschland so weit vertraut Bildung zu nutzen. gemacht werden, dass sie ohne Hilfe und Vermitt­ lung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen ■ Der Bund wird ein Konzept zur allgemeinen Lebens selbstständig handeln können. Zu diesem Sprachförderung in Tageseinrichtungen entwi­ Zweck führt der Bund mit den seit dem 1. Januar 2005 ckeln, das gerade auch für Kinder mit Migrations­ gesetzlich eingeführten Integrationskursen erstmals hintergrund eine erfolgreiche Förderung beim einheitliche Sprach- und Orientierungskurse für Erlernen der deutschen Sprache gewährleistet. Zuwanderer durch. Sie sind vom Umfang her gesehen die größte integrationspolitische Einzelmaßnahme ■ Um die durchgängige, individuelle Sprachförde­ des Bundes. Gleichzeitig wurde ein bundesweites rung von der Kindertageseinrichtung bis in die System der zielgerichteten individuellen Begleitung Berufsbildung zu ermöglichen, fördert der Bund des Integrationsprozesses aufgebaut. Die Nachfrage die Forschung zu Verfahren der Sprachstandsfest­ nach den Kursen ist hoch. Innerhalb der ersten zwei stellung. Sie sollen die Entwicklung von individu­ Jahre haben knapp 250.000 Personen einen Integra­ ellen Förderplänen für Schülerinnen und Schüler tionskurs besucht, mehr als die Hälfte davon leben sowie von Fortbildungskonzepten für die Leh­ schon länger in Deutschland. Eine im Dezember renden im Bereich Sprachförderung ermöglichen. 2006 vorgelegte Evaluation der Integrationskurse hat zugleich Vorschläge zur qualitativen Verbesserung ■ Gemeinsam mit zehn Bundesländern unterstützt der Integrationskurse entwickelt. Mit der Evaluation der Bund die Entwicklung einer Gesamtkonzeption der Kurse ist das Sprachniveau B1 des Gemeinsamen sprachlicher Bildung und Förderung von Kindern Europäischen Referenzrahmens für Sprachen als Min­ und Jugendlichen mit Migrationshintergrund destvoraussetzung für einen erfolgreichen weiteren durch das Programm FörMig. Integrationsprozess bestätigt worden. Ziel muss sein, dass weit mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer als ■ Zur Verringerung der Zahl von Schulabbrüchen bisher dieses Niveau erreichen. führt der Bund ein Modellprogramm „Schulverwei­ gerung – Die 2. Chance“ mit lokalen Projektpart­ Eine wesentliche Voraussetzung, um die Wirksam­ nerinnen und -partnern durch, das sich vor allem keit der Kurse zu erhöhen, ist daher die stärkere auf Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen Ausrichtung der Integrationskurse auf den Erfolg konzentriert. Ziel ist, Schulverweigerinnen und der Teilnehmenden. Um möglichst allen den erfolg­ -verweigerer wieder in die Schulen zu integrieren reichen Abschluss zu ermöglichen, werden die und ihre Chancen auf einen Schulabschluss zu Stundenkontingente bedarfsgerecht ausgeweitet und verbessern. das Kursangebot qualitativ verbessert. Hierzu gehört auch eine qualifi zierte Kinderbetreuung im Rahmen Der Bund unterstützt die Länder in der Bildungsfor­ der Integrationskurse, insbesondere bei Eltern- und schung und bei der Entwicklung von Konzepten und Frauenintegrationskursen. Instrumenten, u. a. zu Fragen der Integrationsver­ besserung (z. B. der Sprachstandsfeststellung und der ■ Der Bund verpfl ichtet sich dazu, das Angebot an interkulturellen Bildung). Ergebnisse internationaler Integrationskursen zeitnah und fl ächendeckend Vergleichsstudien und regelmäßig von Bund und Län­ auszubauen. Insbesondere wird er prüfen, inwie­ dern unterstützte nationale Bildungsberichte liefern weit die Handlungsansätze zur Steigerung des Daten, auf deren Basis Fortschritte in der Integration Kurserfolgs, zur Qualifi kation der Lehrkräfte, zur von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Optimierung des Kursmanagements, eines zielfüh­ Bildungssystem beurteilt werden können. Für den renden Finanzierungssystems und zur Nachhaltig­ langfristigen Erfolg Deutschlands als Wissensgesell­ keit der Integrationskurse in das Sprachkurssystem schaft ist es unverzichtbar, die Potenziale von jungen überführt werden können. Migrantinnen und Migranten, die das deutsche Schulsystem durchlaufen haben (Bildungsinländer) ■ Der Bund verpfl ichtet sich entsprechend der verstärkt zu erschließen und aktiv dazu beizutragen, Konzeption der migrationsspezifi schen Beratungs­ dienste, auf eine stärkere Kooperation zwischen Migrationserstberatung bzw. Jugendmigrations­ diensten und Sprachkursträgern hinzuwirken.

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■ Der Bund plant, die Wirksamkeit und Nachhaltig­ ■ sich in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich der keit der Integrationskurse auf repräsentativer Basis öffentlichen Verwaltungen und Betriebe für eine zu messen. Erhöhung der Zahl von Auszubildenden mit Migra­ tionshintergrund einsetzen, Integration in Ausbildung und Erwerbsleben ■ die Förderung ausländischer Auszubildender mit Der Bund legt in seiner Arbeitsmarktpolitik einen Berufsausbildungsbeihilfe und BAföG ausweiten, besonderen Schwerpunkt auf integrationsfördernde insbesondere für Jugendliche mit Aufenthaltsrecht Maßnahmen. und Bleibeperspektive,

Bildung und Ausbildung sind zentrale Faktoren für ■ jungen Frauen mit Migrationshintergrund, denen die gesellschaftliche Integration von Migrantinnen Vorbilder bei der berufl ichen Orientierung oft und Migranten. Sie entscheiden mit über gleichbe­ fehlen, beispielsweise mit dem Projekt „network.21“ rechtigte Teilhabe am politischen, kulturellen und ein Mentoringprogramm zur individuellen Arbeits­ wirtschaftlichen Leben und somit auch über Beschäf­ markt- und Berufsorientierung anbieten. tigungschancen und die Höhe des Einkommens. Um den Zugang junger Menschen mit Migrationshinter­ Über den Erfolg in wesentlichen Bereichen der grund zu Ausbildung und Beruf zu verbessern, wird Integration wird auf dem Arbeitsmarkt entschieden. der Bund seine Aktivitäten weiter bündeln. Er setzt Integration gelingt am besten dort, wo Menschen aus sich dafür ein, das Berufswahlspektrum zu erweitern, Zuwandererfamilien aktiv im Erwerbsleben stehen. öffentliche Unterstützungsangebote passgenau ein­ Wirtschaft und Verwaltung werden künftig vermehrt zusetzen und zielgruppenorientiert weiter zu entwi­ auf Personen mit Migrationshintergrund und gezielt ckeln. Er forciert insbesondere Maßnahmen, die die auf Personal mit spezifi schen sprachlichen und Zahl der Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche interkulturellen Kenntnissen angewiesen sein. Eine mit Migrationshintergrund erhöhen. Hierzu wird der deutliche Verbesserung der Arbeitsmarktintegration Bund unter anderem ist daher sowohl aus sozial- und gesellschaftspoli­ tischen als auch aus volkswirtschaftlichen Gründen ■ gemeinsam mit den Partnern des Ausbildungs­ dringend geboten. Die Beschäftigungschancen von paktes das Engagement zur berufl ichen Inte­ Migrantinnen und Migranten müssen verbessert, gration von bildungs- und ausbildungswilligen arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Angebote jungen Menschen mit Migrationshintergrund zur Beratung, Information und Kommunikation an intensivieren, ihre Bedürfnisse angepasst und ihre betriebliche Inte­ gration gezielt gefördert werden. ■ mit dem „Sonderprogramm des Bundes zur Ein­ stiegsqualifi zierung Jugendlicher (EQJ-Programm)“ ■ Das Beratungs- und Informationsnetzwerk „Inte­ die Bemühungen der Partner im Ausbildungspakt gration durch Qualifi zierung“ (IQ) entwickelt im fl ankieren und das erfolgreiche Programm auf Auftrag der Bundesregierung und in Zusammenar­ 40.000 Plätze aufstocken und verlängern. Gerade beit mit der Bundesagentur für Arbeit und nicht­ für junge Menschen mit Migrationshintergrund staatlichen Trägern neue Strategien zur Verbesse­ hat sich EQJ als Brücke in Ausbildung erwiesen. rung der Arbeitsmarktsituation von Migrantinnen und Migranten, Aussiedlerinnen und Aussiedler ■ die Initiative „Aktiv für Ausbildungsplätze“ sowie anerkannten Flüchtlingen. Nach Abschluss gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und der laufenden Evaluierung wird der Bund prü­ Handelskammertag (DIHK) und deutsch-auslän­ fen, inwieweit erfolgreiche Handlungsansätze dischen Unternehmerverbänden durchführen und Instrumente in das Regelsystem der aktiven mit dem Ziel, bis zum Jahr 2010 bis zu 10.000 neue arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen überführt Ausbildungsplätze in Unternehmen mit Inhabe­ und verstetigt werden können. rinnen und Inhabern ausländischer Herkunft zu gewinnen, ■ Der Bund wird sich weiterhin für die Ausbildung, Integration und Förderung von Bewerbern aus ■ mit dem Ausbildungsstrukturprogramm allen Bevölkerungsgruppen einsetzen, um umfas­ JOBSTARTER, einschließlich der „Koordinierungs­ sende Chancengleichheit zu gewährleisten. stelle Ausbildung in ausländischen Unternehmen“ (KAUSA), einen Beitrag zur Unterstützung der ■ Der Bund ist sich seiner Rolle als Arbeitgeber regionalen Ausbildungsangebote und zur Verbes­ bewusst. Er wird im Rahmen seiner Möglichkeiten serung der Ausbildungssituation zu leisten, von der auch den Anteil des Personals mit Migrationshin­ besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund tergrund nach Eignung, Leistung und Befähigung profi tieren, erhöhen. Er strebt an, dass dabei sprachliche und interkulturelle Kompetenzen angemessen berück­ sichtigt werden.

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■ Der Bund unterstützt die Initiative der deutschen ■ Der Bund wird die Förderung von Maßnahmen zur Wirtschaft „Diversity als Chance – Die Charta Qualifi zierung zugewanderter Akademikerinnen der Vielfalt der Unternehmen in Deutschland“. Er und Akademiker für den Arbeitsmarkt fortführen wird dazu eine Kampagne und Wettbewerbsreihe und zielgruppenspezifi sch weiterentwickeln. „Vielfalt am Arbeitsplatz/Vielfalt als Beschäfti­ gungsressource“ durchführen, die darauf zielt, die Frauen und Mädchen Arbeitsmarkt- und Ausbildungsintegration von Migrantinnen und Migranten und ihre Berück­ Fast die Hälfte der in Deutschland lebenden Men­ sichtigung in der betrieblichen und öffentlichen schen mit Migrationshintergrund sind Frauen und Einstellungs- und Personalpolitik zu verbessern. Mädchen. Daher muss die Integrationspolitik beson­ ders auch die Frauen als Adressatinnen im Blick haben. ■ Der Bund wird mit der Umsetzung des ESF-Bundes­ Sie sind zugleich auch zentrale Stützen und Motoren programms für die Förderperiode 2007 bis 2013 ein für eine aktive Integrationspolitik. Migrantinnen besonderes Augenmerk auf migrationspolitische kommt in ihrer Rolle als Mütter eine Schlüsselstel­ Aspekte richten und den Nationalen Integrations­ lung für die Integration der nächsten Generation zu. plan durch eine Reihe zusätzlicher Maßnamen Viele Mädchen mit Migrationshintergrund erbringen unterstützen. gute Leistungen in der Schule und beherrschen die deutsche Sprache. Trotzdem fehlt ihnen oftmals die ■ Die berufsbezogene Förderung der deutschen Spra­ Möglichkeit, ihre Potenziale nutzbringend einzuset­ che im Rahmen des ESF-Programms wird ab Mitte zen. Der Bund wird seine Bemühungen fortsetzen, 2007 ausgeweitet. Sie soll die Integrationskurse des die Potenziale der Migrantinnen in ihren vielfältigen Bundes arbeitsmarktbezogen ergänzen und steht Lebensentwürfen zu stärken und die Frauen und Mäd­ künftig allen Personen mit Migrationshintergrund chen in ihren Möglichkeiten zur gesellschaftlichen zur Verfügung. und politischen Teilhabe zu unterstützen.

Integration in der Wissenschaft ■ Wesentliche Beiträge zur Integration von Frauen sind die Ausweitung der Stundenkontingente für Das deutsche Wissenschaftssystem – Hochschulen die Integrationskurse für Eltern und Frauen, die und Forschungsorganisationen – steht in vielen Berei­ Verpfl ichtung der Kursträger zum Nachweis einer chen für gelingende Integration. Wissenschaft lebt qualifi zierten Kinderbetreuung, die Verbesserung von Weltoffenheit und kooperativem Wettbewerb. In der Förderung ausländischer Auszubildender und Deutschland sind die mehr als 180.000 ausländischen Studierender durch Berufausbildungsbeihilfe und Studierenden und hochqualifi zierten Wissenschaftle­ BAföG sowie die Prüfung von Erleichterungen bei rinnen und Wissenschaftler willkommen. der Berufsausübung wie etwa im Falle der Ertei­ lung der Approbation. ■ Der Bund unterstützt die Integration in der Wis­ senschaft, damit weltweit die Besten gewonnen ■ Der Bund wird den Dialog mit Migrantinnen und werden und Deutschland als Studienstandort und Programme zur Stärkung der Migrantinnen und als Land der Ideen international gut positioniert ist. ihrer Partizipation in Staat und Gesellschaft fort­ setzen sowie deren Organisationen künftig stärker ■ Der Bund setzt auf die verstärkte Förderung in die Planung und Durchführung von Vorhaben begabter und hochbegabter Bildungsinlände­ einbeziehen. rinnen und -inländer und Ausländerinnen und Aus­ länder im Studium und in der Wissenschaft – vor Zwangsverheiratungen zerstören Lebensperspektiven allem durch Erweiterung der migrantenspezi­ und verletzen die Betroffenen auf schwerwiegende fi schen Fördermöglichkeiten in der Ausbildungs­ Weise in ihren Menschenrechten. Der Bund wird und Begabtenförderung. fortfahren, Zwangsverheiratungen zu bekämpfen und den Betroffenen zu helfen. Dazu sind vor allem ■ Der Bund unterstützt die Migrations- und eine verbesserte Information und Aufklärung über Integrationsforschung. Menschen- und Frauenrechte und über Zwangsverhei­ ratung notwendig sowie sichere Zufl uchtsorte. ■ Der Bund begrüßt das Engagement der Länder, vor Ort zur Verbesserung des Studienerfolges ■ Der Bund wird im Rahmen seiner Zuständigkeiten ausländischer Studierender und zu deren besserer mit einer Online-Beratung für Betroffene und pro­ Auswahl, Betreuung, Studienverlaufskontrolle fessionell Helfende ein niedrigschwelliges Bera­ und Beratung an Hochschulen beizutragen: er tungsangebot als Modellprojekt erproben. unterstützt diese Aktivitäten im Rahmen von Mittlerorganisationen.

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■ Der Bund wird zeitnah die empirische Erkenntnis­ ■ Der integrierte sozialräumliche Ansatz des Pro­ lage zu Umfang und Ausmaß von Zwangsverheira­ gramms „Soziale Stadt“ erfordert die fachübergrei­ tung verbessern. fende Bündelung von Fachpolitiken und Maßnah­ men. Das Zusammenwirken der Beteiligten erfolgt ■ Der Bund wird seinen Beitrag leisten, um zur auch auf Bundesebene durch Programmkoordi­ Sicherung von Zufl uchtstätten in erforderlicher nation und einen breiten Informationstransfer Zahl, zu einer verlässlichen Vernetzung zwischen über bestehende Handlungsmöglichkeiten und den Beratungsstellen in Bund und Ländern und zur Förderungen. gesicherten Finanzierung der Hilfen zu kommen. ■ Darüber hinaus führt der Bund das Programm Integration vor Ort „Beschäftigung, Bildung und Teilhabe vor Ort“ in den Programmgebieten der Sozialen Stadt durch, Integration fi ndet vor Ort statt. Das unmittelbare in das Mittel des Europäischen Sozialfonds einfl ie­ Wohnumfeld hat eine zentrale Funktion im Integra­ ßen. Dadurch wird die gezielte sozialräumliche tionsprozess. Es ist Lebensmittelpunkt und Kontakt­ Bündelung mit Maßnahmen der Beschäftigungs­ feld für die Zugewanderten und die einheimische und Qualifi zierungsförderung verstärkt. Es ist Bevölkerung. Für das soziale Zusammenleben und die beabsichtigt, dieses Programm für die Förderperi­ Chancen der Integration sind daher die Lebensbedin­ ode 2007 bis 2013 mit einem höheren Finanzvolu­ gungen vor Ort, die Gestaltung des Wohnumfeldes men weiterzuentwickeln. und die öffentlichen und privaten Infrastrukturange­ bote wichtige Rahmenbedingungen. ■ Monitoring und Evaluation werden im Programm „Soziale Stadt“ auch im Hinblick auf Integrations­ Der Bund würdigt ausdrücklich die Integrationsleis­ maßnahmen als feste Bestandteile des förderfä­ tungen der Kommunen. Sie haben Integration als higen Stadtteilentwicklungskonzepts verankert. wichtige Zukunftsaufgabe erkannt und vielfach früh­ Der Erfahrungsaustausch u. a. über die Transfer­ zeitig kommunale Handlungskonzepte entwickelt. stelle des Programms „Soziale Stadt“ wird verstärkt. Der Beitrag der kommunalen Spitzenverbände zum Nationalen Integrationsplan zeigt, dass die Städte, ■ Im Modellprogramm „Migration/Integration und Kreise und Gemeinden ihren Gestaltungsauftrag Stadtteilpolitik“ des Experimentellen Wohnungs- wahrnehmen und bereit sind, ihr großes Potenzial zur und Städtebaus der Bundesregierung werden Integration von Menschen aus Zuwandererfamilien weiterführende städtebauliche Strategien und einzusetzen. Es besteht Einigkeit, dass Integration ein Handlungsansätze zur Förderung der Integration Anliegen der gesamten Kommune ist und fachüber­ von Migrantinnen und Migranten in der Praxis greifende Gesamtkonzepte notwendig sind. begleitet und erprobt.

Besonderer Handlungsbedarf besteht in benachteilig­ Kulturelle Integration ten Stadtteilen, in denen häufi g auch viele Zugewan­ derte leben. Zentrales Handlungsinstrument für die Kultur ist eine wesentliche Grundlage unseres Zusam­ Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen menlebens und verbindet Menschen unterschied­ in solchen Wohnquartieren ist das Bund-Länder-Pro­ licher Herkunft. Die Gestaltung der Zuwanderungs­ gramm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbe­ gesellschaft ist auch eine kulturelle Herausforderung. darf – Soziale Stadt“. Die Förderung der bundesweit Dabei ist der angemessene Umgang mit kultureller 450 Stadtteile in fast 300 Gemeinden kombiniert Vielfalt eine notwendige und von vielen noch zu bauliche Investitionen mit ergänzenden Maßnahmen erlernende Kompetenz. Der Bund intensiviert seine zur Verbesserung der sozialen Lebenslagen der Quar­ Aktivitäten zur kulturellen Integration von Zugewan­ tiersbewohnerinnen und -bewohner. derten und legt einen Schwerpunkt auf die kulturelle Bildung. Zur Unterstützung der kulturellen Integra­ ■ Der Bund stellt für Maßnahmen im Programm tion wird der Bund unter anderem „Soziale Stadt“ jährlich Finanzhilfen zur Verfügung. Er fi nanziert ein Drittel des Programmvolumens, ■ eine interministerielle Arbeitsgruppe „Kultur und Länder und Kommunen zusammen die weiteren Integration“ einsetzen, um das Thema als ressort­ zwei Drittel. Mit diesem Programm wird auch die übergreifende Schwerpunktaufgabe zu behandeln. Integration von Migrantinnen und Migranten unterstützt. Dabei können aus Mitteln des Pro­ ■ den Gedanken der Integration in seine Förder­ gramms in Modellvorhaben zusätzliche Maßnah­ grundsätze aufnehmen und diesen Zielen, wo er men zur sozialen Integration gefördert werden. Die selbst Träger von kulturellen Projekten ist, Rech­ Förderung soll fortgeführt und insgesamt auf dem nung tragen. derzeitigen Niveau verstetigt werden.

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■ beim International Council of Museums (ICOM) die Integration durch Medien Gründung einer Arbeitsgemeinschaft „Museum – Migration – Kultur – Integration“ anregen. Medien prägen die öffentliche Wahrnehmung von Zugewanderten und wirken meinungsbildend in der ■ im Rahmen der halbjährlich stattfi ndenden Frage der Integration. Ihnen kommt deshalb eine Deutsch-Französischen Ministerräte und im besondere Verantwortung zu. Die öffentlichen und Rahmen des „Europäischen Jahrs für den interkul­ privaten Medien haben weitreichende Maßnahmen turellen Dialog 2008“ den Erfahrungsaustausch zur gesellschaftlichen Integration von Migrantinnen und die Regierungskooperation mit Frankreich und Migranten ergriffen. Dafür gebührt ihnen aus­ und Großbritannien zu kulturpolitischen Maß­ drücklich Dank. Eingedenk der Unabhängigkeit der nahmen der Integration und kulturellen Bildung Berichterstattung und Programmgestaltung sowie intensivieren. der medienpolitischen Zuständigkeit der Länder unterstützt der Bund die Medien in ihrem integrati­ Integration durch Sport onspolitischen Beitrag, unter anderem durch folgende Maßnahmen. Sport trägt in großem Maße dazu bei, dass sich Men­ schen unterschiedlicher Herkunft freundschaftlich ■ Der Bund unterstützt die Entwicklung integra­ und fair begegnen. Sport wirkt als Integrationsmotor. tiver und innovativer Programmformate für das Fernsehen im Rahmen von Ideenwerkstätten mit Die Sportvereine und -verbände leisten bereits seit Produzentinnen und Produzenten, Programmpla­ vielen Jahren ganz selbstverständlich einen großen nerinnen und -entwicklern. Er kooperiert hierzu Beitrag zur Integration von Zugewanderten. Der mit dem Grimme-Institut, der Civis-Medienstif­ Bund würdigt und unterstützt das große Engage­ tung, der Deutschen Welle und der Bundesinitia­ ment des Sports zur Integration von Menschen aus tive Integration und Fernsehen. Zuwandererfamilien. ■ Der Bund prüft im Rahmen der Ernst-Reuter-Ini­ Sportangebote für Zugewanderte müssen für Zuge­ tiative des Auswärtigen Amtes die Förderung der wanderte sozial, kulturell, sprachlich und örtlich Zusammenarbeit deutscher und türkischer Medien, erreichbar und attraktiv sein. Zielgruppengerechte etwa in Form von Workshops oder einer deutsch­ Angebote spielen vor allem für Mädchen und Frauen türkischen Fernsehkonferenz von hochrangigen aus Zuwandererfamilien eine wichtige Rolle. Offene Programmverantwortlichen. Angebote vor Ort bieten neben den Vereinen einen guten Einstieg. Integration durch bürgerschaftliches Engagement

■ Der Bund fi nanziert seit 1989 das Programm Integration ist ohne die vielfältigen Aktivitäten der „Integration durch Sport“. Durch das Programm Zivilgesellschaft nicht möglich. Bürgerschaftliches konnten in den vergangenen 18 Jahren zahlreiche Engagement schafft sozialen Zusammenhalt und Erkenntnisse über die Integrationspotenziale des wirkt als erfolgreicher Katalysator für Integration. Die Sports gewonnen werden. Der Bund will auf diesen konkrete Erfahrung, gleichberechtigt teilzuhaben Erfahrungen aufbauen und die Wirksamkeit des und Gesellschaft mitgestalten zu können, ist identitäts­ Programms „Integration durch Sport“ in Zukunft stiftend und stärkt die eigene Handlungskompetenz. noch erhöhen. Er wird hierzu eine umfassende Das Engagement von Menschen aus Zuwandererfa­ wissenschaftliche Evaluierung des Programms milien in Vereinen, Verbänden, Organisationen und durchführen. Institutionen der Aufnahmegesellschaft sowie in Mig­ rantinnen- und Migrantenorganisationen bereichert ■ Daneben besteht eine große Anzahl anderer Inte­ unsere vielfältiger werdende Gesellschaft. grationsprojekte im Sport. Um den Erfahrungsaus­ tausch zwischen den unterschiedlichen Program­ Engagement braucht aber auch Anerkennung und men zu erhöhen und die Vernetzung der Projekte gezielte Förderung. Der Bund wird hierzu seine Politik zu fördern, wird der Bund eine Informationsplatt­ stärker auf die Förderung gleichberechtigter Teilhabe form zur Dokumentierung der verschiedenen über­ von Migrantinnen und Migranten sowie von deren regionalen und regionalen Angebote einrichten. Organisationen ausrichten.

■ Der Bund unterstützt die Anstrengungen des orga­ ■ Er wird eine angemessene Mitwirkung von Migran­ nisierten Sports zur interkulturellen Öffnung durch tinnen und Migranten bzw. entsprechender Orga­ seine Öffentlichkeitskampagne „Forum Integration. nisationen gewährleisten, und zwar im Rahmen Wir machen mit.“ von Bundesprogrammen, vom Bund geförderten Infrastruktur- und Netzwerkprojekten, von Aus­ schreibungen sowie bei der Besetzung von Beiräten und Fachgremien.

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■ Er wird die stärkere interkulturelle Öffnung und Vernetzung zu einem Förderkriterium für Infra­ strukturprojekte gestalten bzw. in Förderverein­ barungen verankern. Institutionell geförderte Einrichtungen sollen angehalten werden, ihre Personalentwicklungskonzepte und Projektmaß­ nahmen für die gleichberechtigte Beteiligung von Migrantinnen und Migranten zu öffnen.

■ Gleichberechtigte Teilhabe zu gewährleisten ist ein Prozess, der vor allem die Unterstützung und Qua­ lifi zierung von Migrantenorganisationen erfordert. Der Bund wird fachliche Hilfe für Migrantenorga­ nisationen als Träger von Projekten anbieten und hierfür die Bildung von Netzwerken von Migran­ tenorganisationen unterstützen.

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Beitrag der Länder zum Nationalen Integrationsplan

Gemeinsam für mehr Integration Bund, Länder und Kommunen tragen in der Integra­ tionspolitik gemeinsam Verantwortung. Weder der Im Bewusstsein um die hohe Bedeutung von Integra­ Bund noch die Länder oder Kommunen allein können tion für den Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit eine erfolgreiche Integrationspolitik gewährleisten. unserer Gesellschaft legen die Länder ihren gemein­ Nur die Kooperation von Bund, Ländern, Kommunen samen Beitrag zum Nationalen Integrationsplan vor. und Zivilgesellschaft sowie die Vernetzung der Ange­ Die Länder haben in den zurückliegenden Jahren bote bieten Gewähr für eine effektive, praxisnahe und integrationspolitische Gesamtkonzepte und Leitlinien bürgerorientierte Integrationspolitik. beschlossen, die ihre vielfältigen Einzelmaßnahmen bündeln und aufeinander abstimmen. Sie haben Die Länder stellen sich ihrer Verantwortung für das dabei auch Diskussionsprozesse auf Landes- und kom­ Gelingen von Integration in der Zusammenarbeit mit munaler Ebene angestoßen und gestaltet, an denen dem Bund, den Kommunen und der Zivilgesellschaft. Zuwanderinnen und Zuwanderer sowie gesellschaft­ In allen Ländern wird Integrationspolitik als zentrale liche Gruppen und Organisationen beteiligt waren gesellschaftliche Zukunftsaufgabe für die Bundesre­ und sind. publik Deutschland verstanden.

Die Länder danken der Bundeskanzlerin für die Initi­ Integration fi ndet vor Ort statt. In den Gemeinden, ative zum Nationalen Integrationsplan. Mit der Einla­ Städten und Stadtteilen entscheidet sich, ob die dung zum Integrationsgipfel am 14. Juli 2006 ist ein Integration von Menschen mit Zuwanderungsge­ von allen staatlichen Ebenen und der Zivilgesellschaft schichte gelingt. Hier werden Chancen und Probleme geführter Diskussionsprozess eingeleitet worden, den sichtbar. In den Kommunen liegt die Basis für ein es in dieser Breite und Intensität bisher in Deutschland friedliches und gleichberechtigtes Miteinander aller nicht gegeben hat. am Gemeinwesen Beteiligten. Die Länder würdigen die vielfältigen Leistungen, die die Kommunen bereits Dieser Dialog hat zu einer verbesserten Verständi­ erbracht haben und werden deren Weiterentwicklung gung über die Ziele und zentralen Inhalte der Integra­ gemeinsam mit ihnen gestalten. Der Beitrag der Bun­ tionspolitik geführt. Dabei spielen die Einbeziehung desvereinigung der kommunalen Spitzenverbände der Zugewanderten und ihrer Organisationen in die zum Nationalen Integrationsplan zeigt, dass die Kom­ Arbeit der Arbeitsgruppen und deren aktive Beteili­ munen sich ihrer Verantwortung bewusst und bereit gung eine wesentliche Rolle. Ihr Engagement hat in sind, ihre Gestaltungspotenziale zur Integration von besonderer Weise die Arbeit am Nationalen Integrati­ Menschen mit Migrationshintergrund auch weiterhin onsplan geprägt. einzusetzen. Die Länder erwarten, dass der Beitrag der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenver­ Die Länder sprechen allen Teilnehmerinnen und bände Bestandteil des Nationalen Integrationsplans Teilnehmern der Arbeitsgruppen ihren Dank und ihre wird. Anerkennung für die geleistete Arbeit aus. Die Länder werden die Abschlussberichte der Arbeitsgruppen Übereinstimmend sind die Länder der Auffassung, für die weitere Gestaltung ihrer Integrationspolitik dass Integrationspolitik konsequent als Querschnitts­ nutzen und den eingeschlagenen Weg des Dialogs aufgabe verstanden und entsprechend organisiert aktiv fortsetzen. und koordiniert werden muss. Integrationspolitik ist mehr als die Summe fachpolitischer Maßnahmebün­ del. Integration betrifft alle Bereiche der Landespoli­ tik und muss in allen Ressorts wahrgenommen wer­

22 den. Die Länder haben in den zurückliegenden Jahren sem Positionspapier fi nden diese Begriffe synonym auf die gewachsene Bedeutung der Integration mit Verwendung. der Anpassung ihrer Verwaltungsstrukturen reagiert. Die Länder halten neben der engen Zusammenarbeit Die Länder bekennen sich einvernehmlich zu einem mit dem Bund und der Zivilgesellschaft die Verste­ umfassenden Verständnis von Integrationspolitik. tigung des Dialogs zwischen den Ländern für unab­ Sie werden sich weiterhin der Aufgabe stellen, die dingbar. Sie verfolgen damit das Ziel, die jeweiligen bestehenden vielfältigen Einzelmaßnahmen zur Erfahrungen mit guter wie mit misslingender Praxis Integrationsförderung besser aufeinander abzustim­ auszutauschen und dort, wo es sinnvoll und möglich men, in schlüssige Gesamtkonzepte einzubetten und ist, gemeinsame Strategien zu entwickeln. Verantwortlichkeiten klar festzulegen. Dabei gilt für die Länder das Prinzip „Einheit im Ziel – Vielfalt der Deshalb verpfl ichten sich die Länder, nach der Wege“. gemeinsamen Arbeit am Nationalen Integrationsplan ihre Zusammenarbeit weiter auszubauen und einen In den 16 Ländern gibt es im Hinblick auf die Zuwan­ regelmäßigen Austausch über Programme und Maß­ derung und die sich daraus ergebenden Anforde­ nahmen der Integrationspolitik im Sinne von „guter rungen an die Integration unterschiedliche politische, Praxis“ sicherzustellen. soziale und infrastrukturelle Gegebenheiten, aus denen sich eine Vielfalt von integrationspolitischen Die für Integration zuständigen Ministerinnen und Ansätzen entwickelt hat. Minister/Senatorinnen und Senatoren der Länder werden im Zuge der Umsetzung des Nationalen Integrationspolitik beinhaltet zwei große unter­ Integrationsplans und zur Erörterung aktueller schiedliche Aufgabenkomplexe. Die eine große integrationspolitischer Fragen auch künftig zusam­ Aufgabe, der sich alle Länder stellen, liegt darin, in menkommen. Sie beauftragen die Länder Nordrhein- Deutschland Weltoffenheit, Toleranz und ein fried­ Westfalen und Schleswig-Holstein, im 1. Quartal 2008 liches Miteinander zu festigen. Die andere liegt vor zu einer entsprechenden Zusammenkunft einzuladen, allem für die westdeutschen Länder in der nach­ in der neben der Vorstellung guter Praxis aus den holenden Integration. Hier lebt die überwiegende 16 Ländern auch Form und Verfahren der zukünftigen Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund, Zusammenarbeit besprochen werden. darunter viele Familien aus bildungsfernen Schich­ ten der früheren „Gastarbeiter“-Anwerbeländer. Für Die Verantwortung für Integration ist in den Ländern deren Zukunftschancen, die ihrer Kinder und damit unterschiedlich ressortiert. Unabhängig davon beste­ unseres Landes sind erhebliche Anstrengungen vor hen in Bezug auf die administrative Organisation der allem in der Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Integrationspolitik zwischen den Ländern Parallelen. erforderlich. In vielen Ländern sind koordinierende Gremien (Kabi­ nettsausschuss, Staatssekretärsausschuss, Interminis­ Zwischen den Ländern bestehen Unterschiede terielle Arbeitsgruppe Integration) gebildet worden, sowohl im Hinblick auf die Größe der zugewanderten die die bessere Verzahnung und Steuerung der Aktivi­ Bevölkerung und ihre Zusammensetzung als auch täten der betroffenen Ressorts sicherstellen sollen. im Hinblick auf die vorhandene integrationspoli­ tische Infrastruktur und die integrationspolitischen Über die interministerielle Vernetzung hinaus sind Maßnahmen. Diese Spannbreite und Vielfalt ist ein in mehreren Ländern unterschiedlich zusammen­ Ergebnis und eine Stärke des föderalen Aufbaus der gesetzte Beiräte tätig, die unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland. Gleichwohl haben sich Landesregierungen Vertreterinnen und Vertreter die Länder auf gemeinsame Eckpunkte der Integra­ der Zivilgesellschaft – unter anderem aus Wirtschaft, tionspolitik geeinigt und hierzu am 7. Juli 2006 eine Gewerkschaften, Wissenschaft, Freier Wohlfahrts­ Entschließung im Bundesrat gefasst. Unterschiede pfl ege, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Mig­ bestehen auch hinsichtlich der Begriffl ichkeiten, die rantenselbstorganisationen etc. – in einen strukturier­ in den Ländern Verwendung fi nden. Alle Länder ten Dialogprozess einbinden. setzen sich dafür ein, dass die vielschichtige Zuwan­ derungswirklichkeit auch sprachlich abgebildet wird Darüber hinaus sind in einigen Ländern Beauftragte und man nicht mehr alleine auf die Unterscheidung für Integration, Ausländer und Aussiedler tätig. Zum zwischen Ausländern und Deutschen zurückgreift. Teil werden die auf Landesebene gebildeten Dachor­ Die Länder sind bestrebt, eine Bezeichnung zu fi nden, ganisationen der kommunalen Ausländer- oder Inte­ die sowohl den Aspekt der Herkunft als auch den grationsbeiräte fi nanziell unterstützt, zum Teil sollen der Zugehörigkeit beinhaltet. Je nach Land wird mit die existierenden Partizipationsmöglichkeiten für den Begriffen „Zuwanderinnen/Zuwanderer“, „Men­ Zuwanderinnen und Zuwanderer in Ausländer- oder schen mit Migrationshintergrund“ oder „Menschen Integrationsbeiräten weiterentwickelt werden, um mit Zuwanderungsgeschichte“ gearbeitet. In die­ Beteiligung zu fördern und eine bessere Einbindung in die kommunalen Strukturen zu erreichen.

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Eine Feststellung der und Empfehlungen für die Die Länder legen übereinstimmend einen beson­ Weiterentwicklung der vielen durchgeführten inte­ deren Schwerpunkt auf Bildung und den frühzei­ grationspolitischen Programme und Maßnahmen tigen Erwerb der deutschen Sprache bereits im werden im Rahmen des bundesweiten Integrations­ Elementarbereich. programms nach § 45 Aufenthaltsgesetz erarbeitet, in dem die Länder aktiv mitarbeiten. Die Länder werden integrative Sprachförderkonzepte inhaltlich weiterentwickeln. Dazu gehört auch eine Integration ist nach Überzeugung der Länder kein möglichst frühzeitige Feststellung des Sprachstandes einseitiger Prozess der Anpassung, sondern setzt die für alle Kinder. Bereitschaft zum ehrlichen Dialog auf Seiten der Zuwanderinnen und Zuwanderer und der aufneh­ Gerade in den letzten Jahren ist in allen Ländern menden Gesellschaft voraus. Die Länder verstehen das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die integrati­ unter Integration weit mehr als ein freundliches onspolitischen Herausforderungen gewachsen, die Nebeneinander von Menschen. Integration setzt eine mit der Entwicklung hin zu religiöser Vielfalt in der Kultur des gegenseitigen Respekts voraus. Bevölkerung verbunden sind. Die Länder sind sich der besonderen Verantwortung bewusst, die in ihrer Dabei gilt der Grundsatz des Förderns und Forderns. Kulturhoheit gründet. Sie streben daher einen struk­ Dies bedeutet, dass sich Zugewanderte und ihre turierten und kontinuierlichen Dialog insbesondere Familien mit ihren Fähigkeiten und Potenzialen für mit Organisationen der Muslime an. ihre Teilhabe einsetzen und dazu Integrationsange­ bote annehmen. Sie erhalten ihrerseits Solidarität Die Länder leisten unter hohem fi nanziellem Einsatz und Unterstützung der Aufnahmegesellschaft, wenn erhebliche Anstrengungen und bieten viele allge­ sie sich aus eigener Kraft nicht ausreichend helfen meine und spezifi sche Integrationshilfen an. Nach können. übereinstimmender Auffassung der Länder ist die vorhandene Infrastruktur leistungsstark und trägt Die Länder sehen die größten Hemmnisse für gelin­ maßgeblich zur Verbesserung der Integration der gende Integration in den fehlenden Kenntnissen der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bei. deutschen Sprache, einer sozialräumlichen Segrega­ tion und im Rückzug in eigenethnische Strukturen. Im Folgenden legen die Länder ihre gemeinsamen Die Folgen sind Schwierigkeiten in der Schule, bei der Positionen zu den wesentlichen Handlungsfeldern Ausbildung, hohe Arbeitslosigkeit sowie ein Erstarken der Integrationspolitik für den Nationalen Integra­ integrationsfeindlicher, zum Teil religiös motivierter tionsplan vor. Umfang und Zeitpunkt der Realisie­ Strömungen. rung der hier genannten politischen Absichten und Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt der von Die Länder stimmen darin überein, dass Integra­ den Landesparlamenten zur Verfügung gestellten tionspolitik nicht nur eine staatliche Aufgabe ist, Haushaltsmittel. sondern auf die aktive Mitarbeit der Organisationen der Zivilgesellschaft ebenso angewiesen ist wie auf die individuelle Bereitschaft zur Integration bei den Integration vor Ort Zugewanderten. Integration entscheidet sich vor Ort! Begegnungen Die Länder erwarten von allen Menschen in diesem von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund Land ein klares Bekenntnis zum Grundgesetz und fi nden in Nachbarschaften in den Städten und den Verfassungen der Länder sowie die Akzeptanz Gemeinden, Stadtvierteln und Quartieren statt. In der in unserem Land geltenden Grundrechte und den Kommunen zeigt sich, ob Integration gelingt Grundwerte, insbesondere Demokratie, Rechtsstaat, oder misslingt. Erfolge der Integration – aber auch die Wahrung der Menschenwürde, Selbstbestimmung Probleme – sind hier am deutlichsten spürbar. Inte­ und die Gleichberechtigung von Frau und Mann. gration muss daher am Wohnort, in den örtlichen Verwaltungen, am Arbeitsplatz, in den Schulen, in Integration kann nur dann gelingen, wenn sich auch den Kindertagesstätten und unter Mitwirkung der die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen Zuwanderinnen und Zuwanderer gestaltet werden. den Zugewanderten öffnen und der Zuwanderungs­ realität Rechnung tragen. Die Länder streben deshalb Sozialräumliche Entwicklung die interkulturelle Öffnung ihrer Verwaltung an, zu der sowohl Qualifi zierungsmaßnahmen für alle Die Länder würdigen ausdrücklich die Kommunen öffentlich Bediensteten als auch Bemühungen zur als zentrale integrationspolitische Akteure. Kreis­ Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrations­ freie Städte, Kreise und Gemeinden stellen sich mit hintergrund gehören (siehe auch S. 27 „Länder als großem personellem und fi nanziellem Engagement Arbeitgeber“). der Aufgabe der Integration. Dabei stellen die Län­

24 der fest, dass sich die Integrationserfordernisse in Frühzeitige Förderung in der Kindertagesstätte den verschiedenen Kommunen je nach gegebener setzt ein quantitativ und qualitativ bedarfsgerechtes Sozialstruktur sowie der Zahl und Zusammensetzung Betreuungsangebot voraus. Mit Blick auf die Sprach­ der zugewanderten Bevölkerung sehr unterschiedlich förderung streben die Länder an, das Thema sprach­ darstellen. Für das Gelingen der Integration ist die liche Bildung als Querschnittsaufgabe im Rahmen der Bewältigung der Probleme sozialräumlicher Konzent­ dort geleisteten Bildungsarbeit in die Konzepte der ration zugewanderter Menschen entscheidend. Beson­ Kindertagesstätten zu implementieren. ders wichtig für die sozialräumliche Entwicklung sind die Programme der Europäischen Union, des Gemeinsame oder eng aufeinander abgestimmte Bundes und der Länder zur integrierten Stadtentwick­ Bildungs- und Erziehungspläne für Kindertagesstät­ lung. Hier werden die Länder darauf hinwirken, dass ten und Grundschulen sind in allen Ländern bereits die verbesserten Fördermöglichkeiten noch stärker erarbeitet oder in der Erarbeitung. Die enge Abstim­ als bisher für Maßnahmen der Integration genutzt mung zwischen den Fördermöglichkeiten der Kin­ werden. dertagesstätte und den Erwartungen beim Eintritt in die Grundschule hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Verfahren zur Sprachstandsfeststel­ Integration durch Bildung lung oder Beobachtungen zum Sprachstand vor der Einschulung und eine sich anschließende Förderung Bildung ist die wichtigste Ressource für gelingende im Bedarfsfall werden zwischenzeitlich in allen Län­ Integration. Zum Kernbereich des staatlichen Erzie­ dern durchgeführt bzw. sind in Planung. Die Länder hungs- und Bildungsauftrags gehört es, für alle streben zusätzliche Fördermaßnahmen für Einrich­ Heranwachsenden das Recht auf allgemeine und tungen an, die ganz überwiegend oder zu einem berufl iche Bildung zu sichern, die freie Entfaltung hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund der Persönlichkeit zu fördern und die Kinder und besucht werden, um eine wirksame kompensatorische Jugendlichen individuell und umfassend auf das Sprachförderung zu ermöglichen. gesellschaftliche und berufl iche Leben vorzubereiten. Es besteht Einigkeit zwischen den Ländern, dass die Die Länder streben an, den Erfolg dieser Maßnahmen Einlösung dieses Verfassungsauftrages gerade auch kontinuierlich zu prüfen und in einen Informati­ gegenüber Schülerinnen und Schülern mit Migrati­ onsaustausch auf der Grundlage länderbezogener onshintergrund gewährleistet werden muss. Auf der Berichte im Rahmen der nationalen Berichterstattung Grundlage der bisherigen Beschlüsse der Jugend- und einzutreten mit dem Ziel, Erkenntnisse über Beispiele der Kultusministerkonferenz vertreten die Länder die guter Praxis zu gewinnen. Zur Umsetzung der sprach­ nachfolgenden Positionen. lichen Fördermaßnahmen ist eine Qualifi zierung der Erzieherinnen und Erzieher unerlässlich. Die Länder Frühzeitige Förderung in Kindertagesstätten prüfen gegenwärtig unterschiedliche Maßnahmen, dieses Qualifi zierungsgebot umzusetzen. Sie ver­ Die Länder haben sich bereits auf einen gemein­ pfl ichten sich, ihre jeweiligen Entscheidungen in den samen Rahmen zur Ausformung und Umsetzung des regelmäßigen Informationsaustausch aufzunehmen. Bildungsauftrages der Kindertageseinrichtungen im Elementarbereich verständigt. Dieser wird durch die Sprachförderung/Mehrsprachigkeit in den Schulen in allen Ländern vorliegenden Bildungs- und Orientie­ rungspläne auf Landesebene konkretisiert, ausgefüllt Über die herausragende Bedeutung der deutschen und erweitert. Innerhalb dieses gemeinsamen Rah­ Sprache als Unterrichts- und Verkehrssprache besteht mens gehen die Länder eigene, den jeweiligen Situati­ Einigkeit. Es besteht ebenfalls Einigkeit darüber, onen angemessene Wege der Ausdifferenzierung und allen Kindern, die Defi zite in der deutschen Sprache Umsetzung. Im Vordergrund der Umsetzungsbemü­ aufweisen, die Förderung zukommen zu lassen, die hungen im Elementarbereich steht die Vermittlung ihnen eine gleichberechtigte Teilnahme an Unterricht grundlegender Kompetenzen und die Entwicklung und Bildung ermöglicht. Die Länder verstehen dies und Stärkung persönlicher Ressourcen. als Aufgabe aller Lehrerinnen und Lehrer und aller Fächer. Sie streben an, in ihrem jeweiligen Zuständig­ Sprachliche Bildung gehört wesentlich zur Erfüllung keitsbereich dafür Sorge zu tragen, dass sprachunter­ des Bildungsauftrages der Kindertageseinrichtungen. stützende Maßnahmen in allen Schulformen und auf Sprachförderung setzt daher ganzheitlich und an den allen Schulstufen durchgeführt werden, wenn ent­ individuellen Bedürfnissen des Kindes an. Sie muss in sprechender Bedarf besteht. Gleichzeitig verpfl ichten die Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt sie sich, in den kommenden fünf Jahren die notwen­ eingebunden sein, wenn sie erfolgreich sein will. Sie digen Fortbildungsmaßnahmen anzubieten, die es muss daher möglichst früh und regelmäßig beginnen allen Lehrkräften ermöglichen, ihren Sprachbildungs­ sowie systematisch aufgebaut sein. auftrag im Unterricht wahrzunehmen. Neben dem

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Erwerb der deutschen Sprache erkennen die Länder und der schulischen Arbeit, zum Beispiel in Schulpro­ die Bedeutung der Mehrsprachigkeit für alle Kinder grammen, fi nden. und Jugendlichen an. Dies schließt die Herkunfts­ oder Familiensprachen der Kinder und Jugendlichen Verbesserung des Schulerfolgs und der mit Migrationshintergrund ein. Es sind geeignete Durchlässigkeit des Schulsystems Maßnahmen zu identifi zieren, die das Prinzip der Mehrsprachigkeit im Schulalltag angemessen veran­ Unabhängig von den Unterschieden zwischen den kern. Die Länder verpfl ichten sich, auf der Grundlage Ländern ist die Anzahl der Wiederholer, der Schul­ der nationalen Bildungsberichterstattung in einen abbrecher und der Schulabgänger ohne Abschluss kontinuierlichen Meinungsaustausch zur Förderung an deutschen Schulen insgesamt zu hoch. Davon der Mehrsprachigkeit einzutreten. besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und innerhalb dieser Gruppe Elternarbeit wiederum die Jungen und jungen Männer. Die Länder sind sich seit den ersten Ergebnissen der PISA-Studie Die Länder schätzen die Bedeutung der Elternarbeit dieser Situation sehr bewusst und haben gemeinsame zur Unterstützung integrativer Arbeit in der Schule prioritäre Handlungsfelder entwickelt, um diesem hoch ein. Sie sind daran interessiert, dass gerade die Zustand abzuhelfen. Kurzfristige Erfolge sind an die­ Arbeit mit Eltern, die eine Zuwanderungsgeschichte ser Stelle nicht zu erwarten, da hier auch eine mentale aufweisen, verstärkt wird. Die Länder streben eine Umstellung von einer nur leistungsbezogenen auf gemeinsame Erklärung zur Elternarbeit vor allem eine auch den individuellen Förder- und Stützaspekt mit Migrantenverbänden an. Die Länder prüfen die stärker berücksichtigende Schulkultur greifen muss. Möglichkeit des Einsatzes und der Qualifi zierung ehrenamtlicher mehrsprachiger Elternbegleiterinnen Die Länder werden die eingeleiteten Maßnahmen und Elternbegleiter als sprachliche und kulturelle zur Verbesserung der Erfolgsquoten in ihren Schulen Brücke zwischen Familien mit Migrationshintergrund, kontinuierlich auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen Kindertagesstätten und anderen Institutionen. Sie und darüber im Rahmen der nationalen Bildungsbe­ setzen sich für die Einführung systematischer und richterstattung regelmäßig berichten. Sie verfolgen zielgerichteter Elternansprache und -information ein, gemeinsam das Ziel, innerhalb der kommenden fünf die die Themen frühe Förderung, frühzeitiger Kinder­ Jahre die Abbrecher- und Wiederholerquoten deutlich tagesstättenbesuch und Sprachentwicklung umfassen. zu senken und die Angleichung der Quoten von Kin­ dern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an Ganztagsschulen den Gesamtdurchschnitt aller Schülerinnen und Schü­ ler zu erreichen. Einzelne Länder werden dazu Ziel­ Ganztagsschulen ermöglichen mehr Zeit für Lernen, vereinbarungen mit ihren Schulen schließen, andere Bildung und Erziehung. In der Ganztagsschule liegt werden andere Maßnahmen erproben. Über die Wirk­ insbesondere für Kinder aus sozial benachteilig­ samkeit dieser Maßnahmen tauschen sich die Länder ten oder bildungsfernen Elternhäusern eine große regelmäßig aus. Gleichzeitig ist es gemeinsames Ziel Chance, sprachliche, kulturelle und soziale Defi zite aller, die Durchlässigkeit der bestehenden Schulsys­ aufzuarbeiten. Die Länder legen in regelmäßigen teme aktiv zu fördern. Auch hier werden künftig die Abständen einen statistischen Bericht über die Ent­ Übergangsquoten von Kindern und Jugendlichen mit wicklung der allgemein bildenden Schulen in Ganz­ Migrationshintergrund systematisch erfasst werden tagsform vor. mit dem Ziel, ihre Zahlen an die des Durchschnittes aller anderen Kinder und Jugendlichen anzugleichen. Die Länder werden das von der Bundesregierung fi nanziell unterstützte Ganztagsschulprogramm im Schule als Ort der Integrationsförderung beschlossenen Umfang bis zum Jahre 2009 fortsetzen und den Anteil der Schulen mit ganztägigen Angebo­ Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen sind ten kontinuierlich erhöhen. Darüber hinaus ver­ die Orte, an denen Integration am erfolgreichsten pfl ichten sie sich, über das Ganztagesangebot regel­ praktiziert wird. Dennoch vollzieht sich Integration mäßig im Rahmen der Bildungsberichterstattung zu nicht automatisch. Sie erfordert ein hohes Maß an berichten. Bereitschaft, Zeit, Anstrengungsbereitschaft und Offenheit von allen Seiten. Die Länder sind sich Kooperation bewusst, dass Schulen mit einem hohen Anteil an Kin­ dern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund Die Länder sprechen sich zur verbesserten Förderung auch einen höheren Aufwand betreiben müssen, um der Kinder für die Kooperation von Kindertagesstät­ Integrationsarbeit im erforderlichen Umfang leisten ten und Schulen aus. Diese Zusammenarbeit soll Auf­ zu können. Es besteht deshalb Einigkeit, dass für diese nahme in die Konzepte der Jugendhilfeeinrichtungen Schulen auch spezifi sche Mittel bereitgestellt werden, sei es durch Senkung der Frequenzen, Erhöhung des

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Lehrpersonals oder Unterstützung der Lehrkräfte Erschließung wissenschaftlichen Nachwuchses durch sozialpädagogische Fachkräfte der Jugendhilfe. Diese Schulen benötigen besonders qualifi ziertes Deutschland steht im Wettbewerb um die „besten Personal. Dem kann zum einen durch Kräfte, die über Köpfe“. Zur Sicherung und Weiterentwicklung des besondere interkulturelle Kompetenzen verfügen Ideenstandortes Deutschland sowie angesichts des (z. B. Integrationslotsen), zum anderen durch eine demografi schen Wandels müssen die Potenziale der Erhöhung des Anteils von Lehrkräften, Erzieherinnen hier aufgewachsenen Menschen mit Migrationshin­ und Erziehern oder Sozialarbeiterinnen und Sozi­ tergrund und der zugewanderten Hochqualifi zierten alarbeitern mit Migrationshintergrund Rechnung noch besser erschlossen und gefördert werden. Dabei getragen werden, sowie auch durch eine konsequente gilt es, das große Potenzial der Begabungen besser Fortbildung. Module zum Erwerb interkultureller auszuschöpfen; Bildungsinländer sollen noch stärker Kompetenzen sind in den neuen Standards für die für den Erwerb der Hochschulreife und zur Aufnahme Ausbildung der Lehrkräfte bereits festgeschrieben. Die eines Studiums motiviert werden. Länder werden die dort beschriebenen Maßnahmen zügig umsetzen. Die Länder halten es außerdem für erforderlich, dass Studierende aus dem Ausland so unterstützt wer­ Berufl iche Bildung und berufsbildende Schulen den, dass ihre Erfolgsquoten verbessert werden. Dies betrifft sowohl Unterstützung beim Erlernen der Jugendliche mit Migrationshintergrund haben große deutschen Sprache und bei der Pfl ege der deutschen Schwierigkeiten beim Übergang in das duale Ausbil­ Sprachpraxis als auch Unterstützung durch Beratungs-, dungssystem. Berufsorientierung in der allgemein Betreuungs- und Coachingprogramme. bildenden Schule hat hier insbesondere die Aufgabe, starren, gender-bedingten Berufswahlentschei­ Kulturelle Bildung dungen zukunftsorientierte Alternativen entge­ genzusetzen. In den berufsbildenden Schulen ist in Kulturelle Bildung unterstützt den Integrationspro­ besonderer Weise für die Ausbildung der Fach- und zess. Die Länder begreifen es als besondere Chance, Berufssprache Sorge zu tragen. Die Länder schenken in der Zeit einer immer offeneren Weltgesellschaft diesem Aspekt der berufsbezogenen Sprachförderung im eigenen Land verschiedene Kulturen erleben zu besondere Aufmerksamkeit. Sie werden den Umfang können. Die Offenheit für die jeweiligen kulturellen und die Wirksamkeit der bisher durchgeführten Maß­ Leistungen dient dem wechselseitigen Verständnis nahmen ebenso überprüfen wie die Qualifi zierung und Respekt. Dieser Gedanke muss in allen Feldern des Personals hinsichtlich der besonderen Heraus­ kultureller Bildung Eingang fi nden. Die Länder forderungen in Klassen mit einem hohen Anteil an werden dies insbesondere in den Konzepten der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. staatlichen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen berücksichtigen. Die Länder sind sich bewusst, dass auch berufsbil­ dende Schulen mit einem hohen Anteil Jugendlicher mit Migrationshintergrund Unterstützung benötigen, Integration in das Erwerbsleben um Integrationsarbeit im erforderlichen Umfang leisten zu können. Es besteht Einigkeit, dass auch für Für die gesellschaftliche Integration ist Erwerbstätig­ diese Schulen spezifi sche Mittel bereitgestellt werden, keit von zentraler Bedeutung. Obwohl es sich bei der sei es durch Senkung der Frequenzen, Erhöhung des Arbeitsmarktpolitik überwiegend um eine Bundes­ Anteils von Lehrkräften mit Migrationshintergrund zuständigkeit handelt, leisten die Länder hierzu auf oder die Unterstützung der Lehrkräfte durch Schulso­ vielfältige Weise ihren Beitrag. zialarbeit oder durch Kräfte mit besonderen interkul­ turellen Kompetenzen, wie z. B. Integrationslotsen. Arbeitsmarktprogramme Sprachfördermaßnahmen werden auch in den beruf­ lichen Schulen angeboten, wenn der Bedarf besteht. Eine personen- und unternehmensorientierte Beschäf­ Die Mehrsprachigkeit der Jugendlichen gewinnt in tigungsförderung und Qualifi zierung der Menschen der Phase der Ausbildung eine besondere Bedeutung. mit Migrationshintergrund hat zum Ziel, eine Sie soll, wo immer dies möglich ist, berufsbezogen effektive und passgenaue Vermittlung in den Ausbil­ weiterentwickelt werden und zu einer Stärkung der dungs- und Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Länder Auszubildenden in ihren künftigen Arbeitsbereichen begrüßen die Möglichkeiten, die der Europäische führen. Sozialfonds zur berufl ichen Integration eröffnet. Die Länder unterstützen die Integration in den Arbeits­ markt im Rahmen ihrer Möglichkeiten insbesondere durch landesspezifi sche Arbeitsmarktprogramme.

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Länder als Arbeitgeber Integrationskurse

Die Länder sind sich auch ihrer Rolle als Arbeitgeber Die Länder tragen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten bewusst. Sie wirken im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Möglichkeiten zur Steigerung des Erfolgs der darauf hin, den Anteil des Personals mit Migrations­ Integrationskurse bei. Sie unterstützen den Erfolg hintergrund unter Berücksichtigung von Eignung, der Integrationskurse dadurch, dass sie auf eine Befähigung und Leistung zu erhöhen. Sie streben an, verbesserte Zusammenarbeit von Ausländerbehörden, dass dabei Sprach- und interkulturelle Kompetenzen Arbeitsgemeinschaften/Optionskommunen, Integra­ angemessen berücksichtigt werden. tionskursträgern, den Regionalkoordinatoren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und der Ausbildungschancen migrationsspezifi schen Beratungsdienste hinwirken.

Die Länder haben sich im „Nationalen Pakt für Frühzeitige Teilnahme an Integrationskursen Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“ verpfl ichtet, für ein verbessertes Übergangsmanagement von der Ihr erklärtes Ziel ist es, integrationsbedürftige Schule in den Beruf einzutreten, Ausbildungsreife und Zugewanderte frühzeitig an die Integrationskurse Berufsorientierung in der allgemein bildenden Schule heranzuführen. In die Netzwerkbildung sollen auch angemessen vorzubereiten und hierbei insbesondere Kindertagesstätten, Schulen, Einrichtungen der die Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei ihrer Jugendhilfe und Einrichtungen im Sozialraum (Woh­ Suche nach einem Ausbildungsplatz zu unterstützen. nungsunternehmen) eingebunden werden, damit Dazu gehört der verstärkte Einbezug der Praxis in auch „Altzugewanderte“ einen besseren Zugang zu den Schulalltag und die Einrichtung von Praxis- bzw. Integrationskursen bekommen. Kooperationsklassen zur frühzeitigen Förderung leis­ tungsschwacher Schülerinnen und Schüler. Nachhaltigkeit der Integrationskurse

Zur Qualifi zierung und Vermittlung von Jugendlichen Die Länder teilen die Auffassung, dass integrations­ in Praktika, Ausbildung und Arbeitsmarkt werden kursergänzende Maßnahmen für die Nachhaltigkeit Netzwerke und Kooperationen zwischen Verwaltung, der Sprachförderung und insbesondere die Einbin­ Schulen, Jugendeinrichtungen, örtlichen Gewer­ dung in den Arbeitsmarkt notwendig sind. Sie tragen betreibenden, Arbeitsagenturen, Arbeitsgemein­ im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Erfolg derartiger schaften/Optionskommunen und anderen Akteuren als Verbund- und Begleitprojekte bezeichneten Maß­ (z. B. Migrantenselbstorganisationen, Unternehmens­ nahmen bei. verbände von Zugewanderten und Medien) initiiert und unterstützt. Frauen und Mädchen Anerkennung ausländischer Abschlüsse Rechte stärken Die Länder halten es für erforderlich, dass die von den Zugewanderten im Ausland erworbenen Schul-, Die Länder würdigen den Einsatz der vielen zugewan­ Bildungs- und Berufsabschlüsse volkswirtschaftlich derten Frauen für die Integration in Familie, Beruf, besser genutzt werden. Dies kann ggf. auch Teilan­ Nachbarschaft und Gesellschaft. Sie erkennen die erkennungen und gezielte Nachqualifi zierungen Leistungen an, die insbesondere die Mädchen mit einschließen. Migrationshintergrund in Schule, Ausbildung und Beruf erbringen. Die Länder sehen die Chancen, die Existenzgründungs- und Ausbildungspotenziale darin für die Mädchen selbst und die Gesellschaft liegen. Sie sehen deshalb ihre Aufgabe darin, Rechte Die Länder sehen bei den Menschen mit Migrations­ und Chancen der Mädchen und Frauen auf volle hintergrund große Potenziale zur Selbstständigkeit gleichberechtigte Partizipation nachhaltig zu stärken. und betrieblicher Existenzgründung. Sie wollen ihre Die Länder unterstützen das Selbstbestimmungsrecht Informations- und Beratungsangebote – dort wo das der Mädchen und Frauen. Sie stärken sie darin, ihre bislang noch nicht geschehen ist – stärker auf diese Potenziale auszuschöpfen. Zielgruppe ausrichten. Die Länder werden dafür werben, dass verstärkt Betriebe von Inhaberinnen Rechte schützen und Inhabern mit Zuwanderungsgeschichte für die Ausbildung gewonnen werden. Sofern Mädchen und Frauen in der Entfaltung ihrer Rechte und Potenziale, insbesondere auf freie Berufs- und Partnerwahl gehindert werden, sehen sich die Länder in der Verantwortung für geeignete Maßnahmen der Prävention, Krisenintervention und Unterstützung.

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Gesundheit Vor allem gemeinsames bürgerschaftliches Engage­ ment von Menschen mit und ohne Migrationshinter­ Die Gesundheit steht im Mittelpunkt des persönlichen grund fördert die gegenseitige Akzeptanz und den Interesses jedes Menschen. Das Gesundheitssystem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Bürgerschaftliches steht für alle Bevölkerungsgruppen unabhängig von Engagement beruht auf freiwilliger Selbstverpfl ich­ ihrer Herkunft offen. Dennoch nutzen bildungsferne tung, öffentlicher Verantwortungsübernahme und und sozial schwächere Menschen mit Migrationshin­ Vernetzung. Es wirkt identitätsstiftend und stärkt die tergrund die Angebote der Gesundheitsvorsorge und individuelle Handlungskompetenz. der Gesundheitsversorgung weniger als andere. Die Länder sind sich einig, dass das freiwillige Engage­ Interkulturelle Öffnung ment von und für Zugewanderte aller Altersgruppen in klassischen Vereinen, Verbänden, Kirchen und Die Länder setzen sich dafür ein, die Teilhabe von Religionsgemeinschaften sowie in den Migrantenselb­ Menschen mit Migrationshintergrund am Gesund­ storganisationen in erheblichem Maße zur sozialen heitssystem auch durch dessen interkulturelle Öff­ Stabilität beiträgt. Gemeinsames bürgerschaftliches nung zu verbessern. Insbesondere sollen der Zugang Engagement von Menschen mit und ohne Migrations­ zu gesundheitlichen Angeboten, das Gesundheits­ hintergrund ermöglicht es zugleich der Aufnahmege­ wissen und die Gesundheitskompetenzen verbessert sellschaft mit zunehmender Vielfalt umzugehen und werden. Die Länder werden Projekte und Initiativen Veränderungen zu bewältigen. zum Abbau von Zugangsbarrieren unterstützen und mit Kooperationspartnern zielgruppenspezifi sche Kultur der Anerkennung Angebote weiter entwickeln und umsetzen. Die Länder fördern eine Kultur der Anerkennung. Dies gilt auch im Hinblick auf Angebote für zugewan­ Dies kann durch die Würdigung des herausragenden derte Menschen mit Behinderungen. Engagements Einzelner ebenso erfolgen wie durch die Auszeichnung gelungener Integrationsprojekte. Weiterhin achten die Länder darauf, dass der Sachver­ Ältere Menschen mit Zuwanderungsgeschichte stand engagierter Bürger auf dem Gebiet der Integra­ tion durch die Berufung in geeignete Gremien, wie Zugangsbarrieren abbauen zum Beispiel Landesintegrationsbeiräte oder Kommis­ sionen, einbezogen ist. Die Anzahl und der Bevölkerungsanteil älterer Men­ schen mit Migrationshintergrund werden in Zukunft Die Länder halten eine Öffnung zum interkulturellen deutlich steigen. Gleichzeitig fi nden viele von ihnen Dialog bei Vereinen, Verbänden, Kirchen, Religions­ keinen Zugang zu Angeboten für Seniorinnen und gemeinschaften und Migrantenselbstorganisationen Senioren, zu Pfl egediensten und -einrichtungen, für notwendig. obwohl die Angebote auch ihnen offen stehen.

Die Länder werden ihre Anstrengungen fortsetzen, Integration durch Sport den Zugang älterer Menschen mit Migrationshin­ tergrund zu diesen Angeboten zu verbessern, zum Die Länder sind sich einig darin, dass dem Sport eine Beispiel durch gezielte Information oder durch Förde­ herausragende Integrationskraft zukommt. Sie heben rung kultursensibler Arbeitsweisen in der Seniorenar­ in ihren Integrationskonzepten und -leitlinien die beit und der Pfl ege. Bedeutung des Sports nachdrücklich hervor. Sport vermittelt Teamgeist, Fairness und Akzeptanz. Er hilft, Vorurteile abzubauen und schafft Brücken zwischen Integration durch bürgerschaftliches Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Engagement und gleichberechtigte Teilhabe Herkunft. Sportliche Leistungen vermitteln soziale Anerkennung und vielfältige Erfolgserlebnisse. Die Der soziale Zusammenhalt moderner Gesellschaften Sportförderung ist besonders geeignet, einen wirk­ kann durch wirtschaftliches Handeln auf Märkten samen Beitrag zur Bekämpfung von Gewalt und einerseits sowie durch das Handeln von Politik und Rechtsextremismus zu leisten. staatlicher Verwaltung andererseits allein nicht gewährleistet werden. Sozialer Zusammenhalt Sportförderung braucht die breit gefächerten Formen des bürger­ schaftlichen Engagements. Die Arbeit der vielen Die Länder fi nanzieren insbesondere für den Breiten­ zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen sport den Bau, die Sanierung und Modernisierung von prägt in besonderer Weise das soziale Gefüge in den Sportstätten. Darüber hinaus unterstützen die Länder Ländern und Kommunen. Sie schafft die Vorausset­ den Sport weiterhin in vielfältiger Weise, zum Beispiel zung für gelingende Integration. durch Beteiligung bei der Förderung des Programms

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„Integration durch Sport“. Die vorhandenen Struk­ Integrationsmonitoring turen der Integrationsförderung können von einer besseren Vernetzung mit den Sportvereinen erheblich Datenqualität profi tieren. Diese Vernetzung wollen die Länder stär­ ker vorantreiben. Integration benötigt Indikatoren, die eine Beobach­ tung und Beschreibung von Zuwanderungs- und Inte­ grationsprozessen sowie die Beurteilung der Wirk­ Medien samkeit von Fördermaßnahmen ermöglichen. Die in den vorhandenen Statistiken übliche Differenzierung Die Medien tragen eine hohe Verantwortung für den in Deutsche und Ausländer ist für die Erfassung des gesellschaftlichen Integrationsprozess. Sie wirken Standes der Integration nur noch eingeschränkt meinungsbildend auch für die Wahrnehmung von aussagekräftig. Seit 2005 stehen mit dem Mikrozensus Zuwanderung und Integration. Sie bieten den gesell­ erweiterte Möglichkeiten der statistischen Bestands­ schaftlichen Gruppen eine Plattform und können aufnahme zur Verfügung. Dadurch wird es möglich, Vorurteile bestätigen, aber auch aufklärend wirken. neben der Staatsangehörigkeit auch den Migrati­ onshintergrund zu erfassen. Die Länder streben an, Programmangebote und Strukturen diese neue Datenqualität (dort wo sie valide Aussagen erwarten) in ihre Integrationssteuerung einfl ießen zu Die Länder sind der Auffassung, dass den Medien, ins­ lassen. Die Länder werden dem Thema Integrations­ besondere den öffentlich-rechtlichen Medien, mehr monitoring im Rahmen der Entwicklung des bundes­ denn je eine zentrale Querschnittsaufgabe bei der weiten Integrationsprogramms verstärkte Aufmerk­ Integration zukommt. Die Ministerpräsidenten haben samkeit widmen. deshalb ARD und ZDF im Oktober 2006 gebeten, bis Juni 2007 Vorschläge zu erarbeiten, wie Programman­ gebote und -strukturen weiterentwickelt und umge­ Schlussbemerkung setzt werden können, um einen zusätzlichen Beitrag für die Integration zu leisten. Die Länder werden diese Integration ist für den Zusammenhalt und die Vorschläge nach Vorlage auf Umsetzung prüfen. Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Die Länder zeigen mit ihrem Beitrag zum Nationalen Integrationsplan, dass sie sich dieser Herausforderung in großer Geschlossenheit und mit hohem Einsatz stellen.

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Beitrag der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände

Vorbemerkung Selbstverpfl ichtung der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ verbände begrüßt den mit dem Nationalen Integra­ Für eine Fortsetzung und Verstärkung kommunaler tionsgipfel begonnenen Dialog und ist bereit, einen Integrationsprozesse verpfl ichtet sich die Bundesver­ Beitrag zu einer weiteren Verbesserung der Integra­ einigung der kommunalen Spitzenverbände, tion von Menschen mit Migrationshintergrund und zum Abbau noch bestehender Integrationsdefi zite zu ■ der Mitgliedschaft Anregungen und Informationen leisten. z. B. durch Erfahrungsaustausch und Best Practice zu liefern und damit Städte, Kreise und Gemeinden sind sich ihrer großen Verantwortung bei der Integration bewusst. Sie sind ■ deren Integrationsbemühungen zu begleiten, aufgefordert und bereit, ihre Gestaltungspotenziale zur Integration von Menschen mit Migrationshin­ ■ die Mitgliedschaft mit Empfehlungen zu unterstüt­ tergrund auch weiterhin einzusetzen. In einigen zen und Kommunen verfügen annähernd 30 Prozent der Bevölkerung über einen Migrationshintergrund. ■ als Sprachrohr kommunale Änderungsbedarfe Diese Entwicklung wird sich – auch angesichts der gegenüber Bund und Ländern vorzubringen, demografi schen Entwicklung – in den nächsten Jahr­ zehnten fortsetzen und gibt Anlass, Integrationsbe­ um so gemeinsam einen Beitrag für die Nachhaltig­ mühungen fortzuführen und weiter zu optimieren. keit der Integrationsbemühungen zu leisten.

Gelungene Integration setzt nicht nur eine integra­ tionswillige Aufnahmegesellschaft voraus, sondern 1. Integration als kommunale auch die Bereitschaft der Menschen mit Migrations­ Querschnittsaufgabe hintergrund zur Integration. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ Mit dem Integrationsgipfel ist es gelungen, dem Inte­ verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren grationsthema auch auf Bundesebene den notwen­ Mitgliedsverbänden, digen Stellenwert zu verleihen. Schon seit etlichen Jah­ ren gehen die Kommunen die Aufgabe der Integration ■ der Integration eine hohe kommunalpolitische an und haben einen wichtigen Beitrag für Integration Bedeutung beizumessen, und den gesellschaftlichen Frieden geleistet. Zahl­ reiche gute Beispiele zeugen in vielfältiger Weise von ■ Integration als ressortübergreifende Aufgabe in gelungenen Integrationsmaßnahmen vor Ort. Diese der Kommunalverwaltung zu verankern und ihrer Vielfalt ist ein Beleg für das Potenzial der kommu­ Bedeutung entsprechend anzusiedeln, nalen Selbstverwaltung, die es auch für die Zukunft zu erhalten gilt. ■ kommunale Gesamtstrategien, die den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen angepasst sind, zu entwi­ ckeln und fortzuschreiben.

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2. Unterstützung lokaler Netzwerke 5. Sprache und Bildung

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren Mitgliedsverbänden, Mitgliedsverbänden,

■ sich für eine stärkere Vernetzung der gesellschaft­ ■ als Lotsen Zuwanderer bei der Wahrnehmung von lichen, politischen und wirtschaftlichen Akteure Bildungsangeboten des Bundes und der Länder einzusetzen und erforderlichenfalls Vernetzungen (z. B. durch Information über entsprechende zu initiieren, Angebote) zu unterstützen und zu den Angeboten hinzuführen, ■ dabei im Rahmen ihrer Möglichkeiten als zen­ traler Akteur zur Koordinierung und Abstimmung ■ durch kommunale Maßnahmen das Bildungsange­ der verschiedenen Integrationsbemühungen bot zu ergänzen und aufzutreten. ■ diese Angebote mit denen des Bundes und der Län­ der zu vernetzen. 3. Interkulturelle Öffnung der Verwaltung

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ 6. Berufl iche Integration verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren Mitgliedsverbänden, Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren ■ den Anteil von Menschen mit Migrationshinter­ Mitgliedsverbänden, grund in den Verwaltungen zu erhöhen, ■ als Träger von Aufgaben nach dem SGB II die beruf­ ■ Mitarbeiter in der Weise fortzubilden, dass dem liche Integration von Menschen mit Migrationshin­ Ziel der Kundenfreundlichkeit und dem Bedarf tergrund mit ihren fl ankierenden Maßnahmen zu an interkultureller Kompetenz in der Verwaltung unterstützen, noch wirkungsvoller Rechnung getragen werden kann. ■ auch in ihrer Rolle als Arbeitgeber einen unmit­ telbaren Beitrag zur berufl ichen Integration zu leisten. 4. Gesellschaftliche Integration durch Partizipation und bürgerschaftliches Engagement 7. Sozialräumliche Integration

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren Mitgliedsverbänden, Mitgliedsverbänden,

■ bürgerschaftliches Engagement von, für und mit ■ in Sozialräumen mit Integrationsdefi ziten durch Migranten zu unterstützen und zu fördern, Quartiersmanagement und Netzwerkbildung das Zusammenleben zwischen den Bevölkerungsgrup­ ■ Menschen mit Migrationshintergrund stärker an pen zu fördern, den Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen in den unterschiedlichsten Bereichen des sozialen ■ mit niedrigschwelligen sozialen und kulturellen und politischen Lebens zu beteiligen und Angeboten die Lebensqualität im und die Identifi ­ kation mit dem Quartier zu stärken, ■ dabei auch für die Einbeziehung der weiblichen Migrationsbevölkerung einzutreten, ■ von Förderinstrumenten zur Stärkung benach­ teiligter Quartiere wie z. B. das Bund-Länder-Pro­ ■ die Kompetenzen der Zuwanderer als Multi­ gramm „Soziale Stadt“ und die Programme des plikatoren und Konfl iktmoderatoren stärker Europäischen Sozialfonds (ESF) stärker Gebrauch zu einzubeziehen. machen.

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8. Förderung lokaler ethnischer Ökonomie 10. Information und Evaluation

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren Mitgliedsverbänden, Mitgliedsverbänden,

■ im Rahmen kommunaler Wirtschaftsförderungs­ ■ über die vor Ort verfügbaren Integrationsangebote konzepte der zunehmenden Bedeutung der eth­ in geeigneter Weise zu informieren, nischen Ökonomie Rechnung zu tragen, ■ im Interesse der Effektivität der lokalen Integrati­ ■ in der Bevölkerung und der Verwaltung das onspolitik und eines wirkungsvollen Ressourcen­ Bewusstsein für das Potenzial der ethnischen einsatzes ihre Integrationsbemühungen zu doku­ Ökonomie zu wecken und für den kommunalen mentieren, zu evaluieren und ggfl s. zu optimieren. Wirtschaftsstandort zu nutzen. Angesichts der sehr unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort in den mehr als 12.000 9. Stärkung des Engagements gegen deutschen Kommunen können die Empfehlungen Fremdenfeindlichkeit der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände nur den Rahmen bilden, der Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ an die örtlichen Verhältnisse – insbesondere verbände empfi ehlt ihrem Mitgliedsbereich/ihren unter Berücksichtigung der Haushaltslage der Mitgliedsverbänden, jeweiligen Kommune – angepasst werden muss.

■ auch weiterhin energisch extremistische und fremdenfeindliche Bestrebungen zu bekämpfen und Fremdenfeindlichkeit in allen Ausprägungen entgegenzutreten,

■ örtliche Netzwerke gegen Extremismus und für Toleranz zu unterstützen.

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Ergebnisse der Arbeitsgruppen – Einleitung

Zur Erarbeitung des Nationalen Integrationsplans hat Der Bund hat seine Eigenbeiträge in den Arbeitsgrup­ die Bundesregierung sechs Arbeitsgruppen – jeweils penberichten formuliert und fasst die Schwerpunkte durch ein Bundesministerium koordiniert – zu zehn seiner Maßnahmen in der Erklärung des Bundes zum Themenfeldern eingesetzt. Hier waren alle Beteilig­ Nationalen Integrationsplan, verabschiedet im Bun­ ten, ausdrücklich einschließlich der Migranten und deskabinett am 11. Juli 2007, zusammen (Kapitel 1). Migrantinnen, gleichberechtigt eingebunden. Denn es ging darum, gemeinsam einen Prozess in Gang Die 16 Länder haben die Ergebnisse der Arbeitsgrup­ zu setzen hin zu besserer Integration. In intensiven pen ausgewertet und zur Grundlage ihres gemein­ Beratungen haben die Arbeitsgruppen Bestandsauf­ samen Beitrags zum Nationalen Integrationsplan nahmen, Zielbestimmungen und integrationsför­ gemacht, der am 14. Juni 2007 von der Ministerpräsi­ dernde Maßnahmen formuliert und jeweils in einem dentenkonferenz verabschiedet wurde. In diesen Bei­ Abschlussbericht zusammengefasst. 376 Vertrete­ trag sind überdies über die Arbeit der Arbeitsgruppen rinnen und Vertreter aus Staat und Gesellschaft haben hinaus Selbstverpfl ichtungen der Länder eingefl ossen, sachkundig und engagiert mitgewirkt, darunter in die sich auf deren integrationspolitische Zusammen­ jeder Arbeitsgruppe auch Migrantinnen und Mig­ arbeit und die Strukturen der Integrationspolitik ranten ebenso wie Angehörige der Länder, der Kom­ beziehen (Kapitel 2). munen und wichtiger gesellschaftlicher Gruppen. Die Kommunalen Spitzenverbände haben die in den Die Bundesregierung hat von Anfang an besonde­ Arbeitsgruppenberichten enthaltenen Anregungen ren Wert auf verbindliche Zusagen aller Beteiligten und Empfehlungen in ihrer Erklärung zum Natio­ gelegt. Dieses Ziel wurde teilweise in den Arbeitsgrup­ nalen Integrationsplan berücksichtigt (Kapitel 3). pen, teilweise in nachgelagerten Verfahren erreicht. Die Berichte dokumentieren neben zahlreichen Diese Darstellung der staatlichen Maßnahmen in Handlungsempfehlungen und Projektideen der getrennten Kapiteln entspricht der grundgesetz­ Arbeitsgruppen authentisch rund 400 sehr konkrete lichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Selbstverpfl ichtungen vor allem von Akteuren der Ländern. Der Nationale Integrationsplan setzt dieser Zivilgesellschaft, die unmittelbar im Rahmen der Aufgabenverteilung entsprechend auf eine noch Arbeitsgruppen abgegeben wurden. Naturgemäß bessere Vernetzung von Bund, Ländern und Kommu­ haben die in den Arbeitsgruppenberichten darge­ nen im Interesse einer erfolgreichen Integration der stellten Selbstverpfl ichtungen unterschiedliche dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen aus Reichweite und Bedeutung. Jede einzelne ist von Zuwandererfamilien. Belang und als konkreter Beitrag zur Integration sehr willkommen. Daher werden die Texte nachfolgend unverändert wiedergegeben.

In den Berichten der Arbeitsgruppen ist zwischen Handlungsempfehlungen und bindenden Selbstver­ pfl ichtungen unterschieden.

35 36 Themenfeld 1: 4.1. „Integrationskurse verbessern“

1. Bestandsaufnahme Mit den Integrationskursen wurden bei gleichzei­ tiger Zusammenführung der Zielgruppen und der Förderprogramme zum ersten Mal auch Standards 1.1. Einordnung der Integrationskurse in die hinsichtlich der fachlichen und administrativen Aus­ Integrationspolitik in Deutschland gestaltung der Kursangebote festgeschrieben. Dazu gehörten zum einen die Zulassung von Kursträgern Mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwan­ nach klar bestimmten Qualitätskriterien, vor allem derungsgesetz wurden erstmalig staatliche Integra­ aber auch die Einführung sprachdidaktischer Vorga­ tionsangebote für Zuwanderer (Ausländer, Spätaus­ ben zur einheitlichen inhaltlichen Ausgestaltung der siedler, Unionsbürger) einheitlich gesetzlich geregelt. Kurse. Dabei wurden erstmals auch Zwischen- und Das Kernstück der Anstrengungen zur Förderung Abschlusslernziele festgelegt sowie zur Optimierung der Integration bilden seitdem die Integrationskurse. und Überprüfung der Zielerreichung standardisierte Sie stellen ein Grundangebot zur Integration dar Einstufungs-, Zwischen- und Abschlusstests, die sich für rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebende an europäischen Standards orientierten, in die Kurs­ Ausländer. Ziel des Integrationskurses ist es, Zuge­ praxis eingeführt. wanderte mit den Lebensverhältnissen in Deutsch­ land so weit vertraut zu machen, dass sie ohne Hilfe Darüber hinaus sieht das Konzept für die Integrations­ und Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten kurse eine Differenzierung der Teilnehmenden nach des täglichen Lebens selbstständig handeln können. ihren Lernvoraussetzungen und Lernbedürfnissen, Der Integrationskurs umfasst daher einen 600-stün­ ein Anforderungsprofi l an die Qualifi kation von im digen Sprachkurs – bestehend aus einem Basis- und Integrationskurs tätigen Lehrkräften und ein Angebot Aufbausprachkurs gleicher Länge – zur Vermittlung zur Qualifi zierung des pädagogischen Personals vor. ausreichender deutscher Sprachkenntnisse, welche mit einer Sprachkompetenz entsprechend dem Niveau Dieser Prozess, der eine völlig neue Qualität in der B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens Sprachförderung etablierte, wurde begleitet durch für Sprachen (GER) festgelegt wurden, und einem den gleichzeitigen Aufbau eines Systems der Hilfe, 30-stündigen Orientierungskurs. Dieser dient der Ver­ Beratung und Kontrolle, das im fl ächendeckenden mittlung von Grundkenntnissen der Rechtsordnung, Einsatz von Regionalkoordinatoren des Bundesamtes der Kultur und der Geschichte Deutschlands. für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bun­ desamt) seinen Ausdruck fand und von Anbeginn auf Seiten der Kursträger von großer Zustimmung getragen wurde.

37 4.1. 1.2. Die bisher erreichten Ergebnisse in Zahlen

Flächendeckung durch hohe Trägerdichte ca. 1.800 zugelassene Träger

Hoher Grad der Teilnehmererreichung 360.000 ausgestellte Teilnahmeberechtigungen, rund 250.000 Teilnehmer in 16.850 Kursen

Hoher Anteil von Frauen 65 Prozent der Teilnehmenden sind Frauen

Erreichung des Kursziels ca. 45 Prozent der Kursabsolventen bestanden die Abschlussprüfung Zertifi kat Deutsch (B1)

Zugelassene Lehrkräfte nach § 15 Abs. 1 IntV ca. 4.240 Lehrkräfte ohne weiteren Qualifi zierungsbedarf

Zugelassene Lehrkräfte nach § 15 Satz 3 IntV ca. 7.700 Lehrkräfte mit Ausnahmegenehmigung

Bisher qualifi zierte Lehrkräfte ca. 1.000 (davon 500 kurz vor Beendigung)

Akkreditierung von Einrichtungen zur Lehrerqualifi zierung 8 akkreditierte Einrichtungen, 8 im Akkreditierungsverfahren

1.3. Bewertung der Ergebnisse 1.4. Ergebnisse der Evaluation der Integrationskurse Nach dem Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbs­ tätigkeit und die Integration von Ausländern (Auf­ Gleichwohl verweist der Evaluationsbericht auch auf enthaltsgesetz – AufenthG) hat die Bundesregierung noch nicht optimal gestaltete Verfahrensabläufe und dem Deutschen zum 1. Juli 2007 einen markiert Verbesserungsbedarf. Erfahrungsbericht zur Durchführung und Finanzie­ rung der Integrationskurse vorzulegen. Als Grund­ Das Gutachten von Rambøll Management fasst die lage dafür hatte das Bundesministerium des Innern Möglichkeiten zur Optimierung des Systems in sieben (BMI) die Evaluation der Integrationskurse nach dem Handlungsfeldern zusammen: Zuwanderungsgesetz sowie ein Gutachten zu mög­ lichen Verbesserungspotenzialen ausgeschrieben, das seit Dezember 2006 vorliegt und unter der Adresse Handlungsfeld 1 „Erfolgskontrolle und Steuerung www.bmi.bund.de/EvaluierungIntegrationskurse der der Integrationskurse“: Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde (Evalua­ Rambøll Management rät, verpfl ichtende Abschluss­ tion und Gutachten von Rambøll Management). Der tests einzuführen sowie ein zielführendes Control­ Abschlussbericht der Evaluation zeigt, dass sich das lingsystem einzurichten. Integrationskurssystem etabliert und in weiten Teilen Deutschlands bewährt hat. Es bietet allen Zuwande­ Handlungsfeld 2 „Verbesserung des Kurserfolgs“: rern eine systematische und qualitativ hochwertige Rambøll Management empfi ehlt u. a., durch eine Förderung, die nicht nur einen Beitrag zur sprach­ Flexibilisierung der Stundenkontingente die Zielerrei­ lichen, sondern insgesamt auch einen wichtigen chung des Sprachniveaus B1 zu verbessern sowie den Beitrag zur sozialen Integration zu leisten verspricht. Qualitätswettbewerb unter den Trägern zu stärken.

Es kann festgestellt werden, dass die Umsetzung der Handlungsfeld 3 „Aufwertung des Integrationskurse in die Praxis seit 2005 zu einer Orientierungskurses“: deutlichen qualitativen Verbesserung der deutschen Zur Aufwertung des Orientierungskurses wird die Integrationspolitik geführt hat (Rambøll Manage­ Entwicklung eines Curriculums, eines standar­ ment, Evaluationsbericht 2007, S. i), zu deren zentra­ disierten Tests und die Schulung von Lehrkräften len Instrument die Integrationskurse seitdem gewor­ vorgeschlagen. den sind. Handlungsfeld 4 „Kursdurchführung“: Im Vergleich der Integrationsbemühungen der Die Sicherstellung eines fl ächendeckenden und europäischen Länder nimmt Deutschland mit dem bedarfsgerechten Kursangebots ist bezüglich der Flä­ System der Integrationskurse einen vorderen Platz ein, chendeckung erfüllt. Laut Gutachten kann durch eine sowohl hinsichtlich der Anzahl der geförderten Stun­ Optimierung des Zugangs bestimmter Zielgruppen den pro Teilnehmer als auch mit dem Sprachlernziel und eine Erleichterung der Teilnahme die Bedarfsge­ auf dem Niveau B1 des GER. rechtigkeit gesteigert werden.

38 4.1. Handlungsfeld 5 „Nachhaltigkeit“: auf Seiten der Kursträger als auch des Bundesamtes Rambøll Management empfi ehlt, die Nachhaltigkeit einher. Einige Verfahren sind aus Sicht von Rambøll u. a. durch eine verbesserte Verzahnung mit der Management für die Umsetzung nicht notwendig. Arbeitsmarktförderung, eine gezielte Einbettung in Darüber hinaus wird die Entwicklung von Online- kommunale Integrationsstrategien sowie durch eine Lösungen angeregt. verbesserte Kooperation mit den Migrationsbera­ tungsdiensten weiter zu steigern. Handlungsfeld 7 „Finanzierungsmodalitäten“: Rambøll Management empfi ehlt in diesem Zusam­ Handlungsfeld 6 „Reduzierung des menhang die Einführung eines Gutscheinsystems, Verwaltungsaufwands“: welches den administrativen Aufwand verringert Die Umsetzung der Integrationskurse geht mit einem und durch eine stärkere Erfolgsorientierung positive nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand sowohl Anreize für die Qualität der Kurse schafft.

2. Zielbestimmungen und der Inhalte der Tests, zur Entwicklung von Ver­ fahren der Qualitätskontrolle sowie zur Fortentwick­ Eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen zur lung des Integrationskurskonzepts“ eingerichtet. Verbesserung der weiteren Ausgestaltung der Inte­ grationskurse betreffen das Aufenthaltsgesetz, die „Verordnung über die Durchführung von Integrations­ 2.1. Steigerung des Kurserfolges kursen für Ausländer und Spätaussiedler“ (Integrati­ onskursverordnung – IntV) bzw. den Bundeshaushalt. Das zentrale Ziel der Integrationskurse, Zugewan­ Der Gesetzentwurf zur Umsetzung aufenthalts- und derten ausreichende deutsche Sprachkenntnisse zu asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vermitteln, wird zurzeit von nur etwa der Hälfte aller beinhaltet die stärkere Erfolgsorientierung bei der Kursabsolventen erreicht. Das vorgesehene Niveau Bestimmung des Kursziels, die direkte Verpfl ichtungs­ B1 wird im GER als erste Stufe der selbstständigen möglichkeit durch die Träger der Grundsicherung Sprachverwendung ausgewiesen. Um den Anforde­ für Arbeitsuchende nach dem SGB II, die Möglichkeit rungen einer Integration zu genügen, die auf Chan­ der Teilnahme von deutschen Staatsangehörigen mit cengleichheit und Teilhabe basiert, stellt das Sprach­ besonderem Integrationsbedarf sowie eine Konkreti­ niveau B1 eine zwingende Mindestvoraussetzung für sierung der Sanktionsmöglichkeiten. die weitere Integration dar.

Die haushaltsmäßige Ausgestaltung der Integrations­ Ziel der weiteren Arbeit muss es sein, die Quote der kurse ist dem Haushaltsverfahren vorbehalten. Zielerreichung des Niveaus B1 wesentlich zu steigern. Allerdings ist für Zugewanderte selbst durch Sprach­ Es ist Ziel dieses Berichts, eine Optimierung der Inte­ kompetenz in der Verkehrssprache allein noch nicht grationskurse durch die im Weiteren aufgeführten die grundsätzliche Voraussetzung gegeben, in „allen Vorschläge zu erreichen. Dabei stellt die folgende Auf­ Angelegenheiten des täglichen Lebens selbstständig listung keine abschließende Aufzählung dar, sondern handeln“ zu können. Dem Orientierungskurs, der konzentriert sich auf Aufgabenschwerpunkte. Grundkenntnisse der deutschen Geschichte, der Rechtsordnung und Kultur vermitteln soll, kommt Prüfstein aller Verbesserungen muss jedoch in jedem daher eine hohe Bedeutung zu, die jedoch noch nicht Fall das Aufrechterhalten bzw. gegebenenfalls der durchgängig zum Tragen kommt. Ausbau eines zeitnahen und fl ächendeckenden Ange­ bots an Integrationskursen sein. Der Integrationskurs Einführung verpfl ichtender Tests soll bundesweit Maßstäbe für die Integration setzen ■ Der Einstufungstest soll aufgrund seiner Bedeu­ und möglichst viele Migrantinnen und Migranten tung für die Einordnung des Teilnehmers in das erreichen. richtige Modul des Integrationskurses noch diffe­ renzierter gestaltet und durchgängig zur zutref­ Um die sich daran anschließenden Schlussfolge­ fenden Einstufung aller Teilnehmer eingesetzt rungen zugleich wissenschaftlich zu fundieren und werden. Dazu muss der Test einerseits mit einer dabei praktikabel zu gestalten, wird der Bund bei hohen Treffsicherheit den Sprachstand feststellen seinem weiteren Vorgehen auf die Bewertungskom­ und anderseits auch eine Prognose zum Lernweg mission als bewährtes und zuverlässiges Beratungs­ ermöglichen. Bei der Einstufung soll eine Emp­ und Arbeitsinstrument zurückgreifen. Die Bewer­ fehlung abgegeben werden, ob eine Teilnahme tungskommission wurde entsprechend § 21 IntV „zur an einem Jugendintegrationskurs oder an einem Bewertung von Lehrplänen, Lehr- und Lernmitteln Frauenintegrationskurs erfolgen soll.

39 4.1. ■ Zum Erhalt und zur Steigerung der Lernmotivation ➤ Die Eltern- und Frauenintegrationskurse sollen der Teilnehmenden und auch, um ein detailliertes ein zusätzliches Modul von 300 Stunden umfas­ Bild über den Grad der Zielerreichung der Inte­ sen, um in besonderem Maße familien- und grationskurse zu erhalten, soll der Abschlusstest frauenspezifi sche Themen aufgreifen und auf verpfl ichtend für alle Teilnehmer durchgeführt Bildungsfragen eingehen können. Zur Sicherung werden. Dabei soll eine skalierte Sprachprüfung der Teilnahme müssen Kursträger, die Eltern- auf den Niveaustufen A2 bis B1 nach dem GER zum und Frauenintegrationskurse anbieten möchten, Einsatz kommen. eine qualifi zierte Kinderbetreuung nachweisen.

■ Bis zum Vorliegen des skalierten Sprachtests bzw. ➤ Für Teilnehmende, die nicht oder nicht aus­ bis zu seinem fl ächendeckenden Einsatz im Jahr reichend lesen und schreiben können, soll ein 2009 soll für das Jahr 2008 durch die Bewertungs­ Alphabetisierungskurs von 300 Unterrichtsstun­ kommission eine Regelung entwickelt werden, den dem Integrationskurs vorgeschaltet werden die möglichst auch eine Bestätigung des Niveaus (Sonderkurs). A2 zulässt. Da das Niveau A2 nicht anhand des Punktenachweises der Zertifi katsprüfung Deutsch ➤ Für Teilnehmende, die das Ziel B1 schneller als nachgewiesen werden kann, soll übergangsweise in 600 Unterrichtsstunden erreichen können, eine Regelung in Form des Einsatzes einer A2 Prü­ soll ein entsprechendes Konzept vorgehalten fung gefunden werden. werden (Sonderkurs-Intensivsprachkurs). Für die Teilnahme an einem Intensivsprachkurs sind Flexibilisierung der Stundenkontingente und entsprechende Anreize zu schaffen. Begrenzung der Teilnehmerzahlen Zur Steigerung des Kurserfolges, hier vornehmlich der Erreichung des Sprachlernziels B1, sollen bedarfs­ Nachqualifi zierung der Lehrkräfte spezifi sche und fl exible Stundenkontingente bis zu Qualität der Lehre setzt eine Förderung der Lehrkräfte einer maximalen Höhe von 900 Unterrichtsstunden voraus. Diese umfasst sowohl die Sicherung der fach­ vorgesehen werden. Eine Begrenzung auf eine ver­ lichen Qualität als auch das Bemühen um angemes­ tretbare Teilnehmerzahl unter 25 Teilnehmern wird sene Honorare. Lehrkräfte, die gegenwärtig noch auf angestrebt. Basis einer Ausnahmegenehmigung arbeiten (§ 15 Abs. 3 IntV), sollen daher beschleunigt nachqualifi ­ ■ Allgemeiner Integrationskurs (Grundangebot) ziert werden können, damit die Zeit der Übergangs­ Für Teilnehmende, die ordnungsgemäß am Inte­ regelung verkürzt und schon vor dem Jahr 2010 Kurse grationskurs teilgenommen haben, das Lernziel B1 ausnahmslos mit entsprechend qualifi zierten Lehr­ aber nachweislich in 600 Stunden nicht erreichen, kräften durchgeführt werden können. soll ein zusätzliches Stundenkontingent von bis zu 300 Stunden vorgehalten werden. Es ist dabei unabdingbar, dass Lehrkräfte in Inte­ grationskursen selbst über sprachliche Fähigkeiten ■ Integrationskurse für spezielle Zielgruppen und Son­ verfügen, die dem einwandfreien Gebrauch der deut­ derkurse schen Sprache in Wort und Schrift entsprechen. Dafür Integrationskurse für spezielle Zielgruppen (§ 13 haben die Kursträger bei der Auswahl der Lehrkräfte IntV) und Sonderkurse sollen dem spezifi schen Sorge zu tragen. Bei begründetem Zweifel soll der Förderungsbedarf der jeweiligen Zielgruppe Rech­ zuständige Regionalkoordinator den Nachweis dieser nung tragen. Dabei ist der Umfang der Förderung Fähigkeiten verlangen können (mindestens Sprachni­ innerhalb der einzelnen Zielgruppen noch geson­ veau C1). dert festzulegen. Aufwertung des Orientierungskurses Der Orientierungskurs vermittelt Grundkenntnisse zu ➤ Der Jugendintegrationskurs soll ein zusätzliches Rechtsordnung, Kultur und Geschichte Deutschlands, Modul von 300 Stunden umfassen, das dazu wodurch ihm eine hohe Bedeutung für den Integrati­ dient, gezielt auf die Aufnahme von Ausbildung, onserfolg insgesamt, insbesondere aber auch für die Studium oder Berufstätigkeit vorzubereiten. Entscheidung über die Erteilung der Niederlassungs­ Träger, die solche Kurse anbieten, sollen Berufs­ erlaubnis zukommt. Darüber hinaus ist ein ausgewo­ praktika und nach dem Kurs Ausbildungsplätze genes Verhältnis zwischen Wissensvermittlung und oder weitere Qualifi zierungsmaßnahmen Bezug zur Lebenswelt und sozialen Verantwortung anbieten oder dahin vermitteln können. Dies der Migrantinnen und Migranten herzustellen. Um soll in Abstimmung bzw. Zusammenarbeit mit diesem Anspruch gerecht zu werden, sollen zeitnah den Agenturen für Arbeit und den Trägern der ein einheitliches Curriculum, ein standardisierter Grundsicherung für Arbeitsuchende erfolgen. Abschlusstest sowie ein bedarfsgerechtes Angebot zur

40 4.1. Lehrkräftequalifi zierung erarbeitet und in die Praxis trägern eingeführt werden. Eine Möglichkeit wäre in eingeführt werden. Eine Ausweitung des Stunden­ diesem Zusammenhang, die Zulassung entweder an umfangs für den Orientierungskurs soll angestrebt die Trägerzulassung des jeweiligen Bundeslandes oder werden. an das Vorhandensein eines anerkannten Qualitäts­ sicherungssystems zu knüpfen. Eine Neuregelung Begleitung der Integrationskurse muss allerdings sicherstellen, dass es auch weiterhin Mit der Einführung der Integrationskurse ist die für kleine Träger attraktiv bleibt, eine Zulassung zu bisherige, in den Kursen des Sprachverbandes Deutsch erwerben und somit die Trägervielfalt erhalten bleibt. und in den Kursen nach dem ehemaligen Garan­ Eine abschließende Empfehlung soll durch die Bewer­ tiefonds für den Schul- und Berufsbildungsbereich als tungskommission erarbeitet werden. integraler Bestandteil enthaltene, sozialpädagogische Begleitung durch den Kursträger entfallen. § 45 Satz 1 Weitere Kriterien, die bei einer Trägerzulassung AufenthG regelt, dass der Integrationskurs insbeson­ zu berücksichtigen sind, wären die Festsetzung dere durch ein migrationsspezifi sches Beratungsan­ eines angemessenen Honorars für die eingesetzten gebot ergänzt werden kann (bzw. künftig ergänzt Lehrkräfte, die Vernetzung des Integrationskurses werden soll). mit Bildungsangeboten in den Bereichen Beruf und Gesellschaft, die Zusammenarbeit mit Agenturen für Die Mehrzahl der Kursträger arbeitet mit der Migra­ Arbeit, den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsu­ tionserstberatung (MEB) und/oder den Jugendmigra­ chende, MEB und JMD, die Vernetzung mit anderen tionsdiensten (JMD) zusammen. Wie der Abschluss­ Trägern vor Ort, die Vernetzung mit anderen Kurs­ bericht und das Gutachten von Rambøll Management trägern zur Reduzierung unnötiger Wartezeiten für jedoch aufzeigen, ist die sozialpädagogische Beglei­ angemeldete Teilnehmer sowie die Einhaltung einer tung der Teilnehmenden der Integrationskurse durch vorgegebenen maximalen Teilnehmerzahl in den die MEB und JMD noch nicht vollständig und fl ächen­ Integrationskursen. deckend eingerichtet und erfolgt vielfach noch durch die Lehrkräfte der Integrationskurse. Zum Instrumentarium der Qualitätssicherung gehört auch, dass bei Regelverstößen die Zulassung widerru­ Ziel einer verbesserten Zusammenarbeit muss es fen werden kann. künftig sein, die sozialpädagogische Begleitung ver­ stärkt auf die Beratungsdienste zu verlagern. Auf der Als eine konkrete Qualitätsoffensive des Bundes Grundlage von Kooperationsvereinbarungen sollen sollen die Regionalkoordinatoren des Bundesamtes eine verstärkte Präsenz der Berater in den Kursen zur Erfüllung dieser Aufgaben noch besser fachlich und Sprechzeiten für Berater in den Räumlichkeiten weitergebildet werden. Es wird eine zügige Qualifi zie­ der Kursträger erreicht werden. Dies wird zu einer rung empfohlen. erheblichen Entlastung der Lehrkräfte der Integrati­ onskurse führen, und die Übernahme der sozialpäda­ Qualitätswettbewerb unter den Trägern gogischen Begleitung durch das geschulte Beratungs­ Die Qualität der einzelnen Kursträger soll erfasst und personal von MEB und JMD wird zur Steigerung der auch für Außenstehende erkennbar sein. Dazu soll Beratungsqualität beitragen. ein Qualitätswettbewerb etabliert werden, der durch stärkere Vor-Ort-Kontrollen der Kurse durch die Regi­ Da die Kursträger indes den konkreten Kontakt zu den onalkoordinatoren, die Möglichkeit von Sanktionen Teilnehmern haben, sollen auch künftig Kursträger sowie durch eine Befristung der Trägerzulassung auf über sozialpädagogische Kompetenzen verfügen. Mit drei Jahre bestimmt ist. Kursträger, die mehr als ein einer besseren Ausstattung der Kurse geht das Ziel Jahr keinen Integrationskurs durchgeführt haben, einher, dass sich hier die Leistungen der Kursträger sollen ihre Zulassung verlieren. Weiterhin sollen wich­ nicht grundsätzlich verschlechtern dürfen. tige qualitätsbestimmende Merkmale, wie maximale Teilnehmerzahlen, die Erreichung des Kursziels B1, die Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen 2.2. Optimierung des Kursmanagements Trägern vor Ort und die Nähe zum Arbeitsmarkt, eine stärkere Berücksichtigung beim Trägerwettbewerb Verstärktes Controlling und Qualitätssicherung fi nden. Das Controlling der Integrationskurse soll durch verbesserte Zugriffsmöglichkeiten des Bundesamtes Verwaltungsaufwand begrenzen optimiert werden. Unter Beachtung der Belange des Datenschutzes ist zu prüfen, ob ein entsprechender Datenaustausch zwi­ Neben einem konsequenten Controlling zur Steue­ schen allen Akteuren möglich ist, um noch schneller rung der Prozesse und deren qualitativer Bewertbar­ auf Ausländer mit Integrationsbedarf aufmerksam keit soll als weiteres Qualitätssicherungsinstrument machen zu können. Der Verwaltungsaufwand soll der Integrationskurse eine stärker an defi nierten durch elektronische Datenübermittlung vereinfacht Qualitätskriterien ausgerichtete Zulassung von Kurs­ und grundsätzlich reduziert werden. Die Meldewege

41 4.1. sollen zentral über das Bundesamt an die Ausländer­ Rambøll Management als nicht ausreichend bewertet. behörden laufen; dies betrifft vor allem Meldungen Vor allem die Höhe der Lehrkräftehonorare sei seit über Fehlzeiten und Abbrüche von Teilnehmern. Einführung der Integrationskurse erheblich zurück­ Weiterhin soll angestrebt werden, Pfl ichten, die gegangen. Daher soll die Festlegung neuer Stunden­ unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen, strikt sätze dem Qualitätsgedanken entsprechend gestaltet einzudämmen. Ein möglicher Weg dazu wäre die werden. Abschaffung der Eigenbeitragsrückerstattung bei Fehlzeiten. Weiterhin sollte das Erfassen von Fehl­ Sonderbedarfe, wie besondere Ansprüche an die zeiten und Kursabbrüchen neu organisiert werden. Organisation, die maximale Teilnehmerzahl und die Qualifi zierung einer Lehrkraft, sind bei der Finanzie­ Im Hinblick auf die Umsetzung der gesetzlichen rung der Kurse (z. B. Alphabetisierungs-, Jugend- und Neuregelungen ist zu prüfen, welche alternativen Intensivkurse sowie Frauenkurse mit Kinderbetreu­ Verfahren eine spürbare Entlastung für die beteilig­ ung) entsprechend zu berücksichtigen. ten Akteure (Bundesamt, Kursträger) bringen. Als geeignetes Vorgehen wird die Methode des Planspiels Finanzierungsverfahren empfohlen. Neben einer ausreichenden Finanzierung soll ein effi zientes und transparentes Finanzierungsverfahren Zugang zu den Integrationskursen etabliert werden, das einen möglichst minimalen Die Berechtigung von Migrantinnen und Migranten Verwaltungsaufwand benötigt und gleichzeitig eine zur Teilnahme an Integrationskursen ist im AufenthG, gute Planungsgrundlage für die Kursträger darstellt. im Bundesvertriebenengesetz und in der IntV unter­ Hierfür sind verschiedene Verfahren denkbar: die schiedlich geregelt. Diese Unterschiedlichkeit soll Kreditfi nanzierung, die regionale Ausschreibung von möglichst durch eine einheitliche Frist, bis wann der Kursen durch das Bundesamt, das Gutscheinsystem Teilnehmende den Kurs abgeschlossen haben muss, mit fl exiblen Stundenkontingenten sowie das Verfah­ ersetzt werden. ren per personenbezogener Berechtigungskarte, die sowohl für die Teilnehmerregistrierung als auch für Kinderbetreuung verstärken die Abrechnung und für die Personenkontrolle bei Die Sicherstellung kursbegleitender Kinderbetreuung den Prüfungen eingesetzt werden kann. Vorrangig ist eine wesentliche Voraussetzung, um insbesondere soll es dabei darum gehen, das gegenwärtige Abrech­ Müttern die Kursteilnahme zu ermöglichen und um nungssystem zu optimieren. Kursabbrüche zu vermeiden. Die qualifi zierte Kinder­ betreuung im Rahmen der Integrationskurse, ins­ Obgleich sich Rambøll Management in seinem besondere der Eltern- und Frauenintegrationskurse, Gutachten für das Gutscheinsystem ausgesprochen soll durch den Einsatz von Fachkräften auch einen hat, ist unter Berücksichtigung aller Stellungnahmen Beitrag zur sozialen Integration der Kinder leisten. Bei zum Gutachten nochmals zu prüfen, welches System Teilzeitkursen sollen weiterhin fl exible Lösungen auch den größten Nutzen bringt. Diese Analyse soll zeitnah ohne Fachpersonal ermöglicht werden. abgeschlossen werden.

Zur verstärkten Wahrnehmung der Integrations­ angebote bzw. der fl ankierenden Kinderbetreuung 2.4. Nachhaltigkeit der Integrationskurse sollen Kindertageseinrichtungen, Einrichtungen der fördern Jugendhilfe, Kursträger, MEB und JMD sowie Regio­ nalkoordinatoren des Bundesamtes stärker zusam­ Integration in den Arbeitsmarkt durch menarbeiten, wobei auch auf die örtliche Infrastruk­ Verbundprojekte tur zurückgegriffen werden soll. Um den mit dem Integrationskurs begonnenen Inte­ grationsprozess zu vertiefen, sollen weiterführende Maßnahmen systematisch an den Integrationskurs 2.3. Zielführendes Finanzierungssystem anschließen und dabei vor allem die Integration in den Arbeitsmarkt fördern (Verbundprojekte). Die Ausreichende Finanzierung neu aufzunehmenden Kriterien bei der Trägerzulas­ Die Höhe der Förderung eines Teilnehmers pro Stunde sung sollten daher bereits berücksichtigen, inwie­ (Stundensatz) ist die zentrale Frage eines zielführen­ fern Träger die Vernetzung des Integrationskurses den Finanzierungssystems, von dem in hohem Maße mit Bildungsangeboten in den Bereichen Beruf und auch die Unterrichtsqualität abhängt. Dabei soll der Gesellschaft und die Zusammenarbeit mit den Agen­ Zusammenhang zwischen dem Anforderungsprofi l turen für Arbeit und Trägern der Grundsicherung an das pädagogische Personal und den gezahlten für Arbeitsuchende ausüben (vgl. auch Punkt 2.2. Mindesthonoraren sowie der Leistungsmotivation Stärkeres Controlling durch das Bundesamt). Ziel der der Lehrkräfte berücksichtigt werden. Der Stunden­ Maßnahmen soll sein, durch Verbundprojekte und satz von 2,05 Euro wurde durch die Evaluation von Vernetzung die Anbindung der Integrationskurse an

42 4.1. die Berufsausbildung und Arbeitsmarktförderung zu Migrationserstberatung (MEB) und Jugend­ stärken und die Zusammenarbeit mit den Agenturen migrationsdienst (JMD) als Grundpfeiler der für Arbeit sowie den Trägern der Grundsicherung für Integration stärker einbeziehen Arbeitsuchende zu intensivieren. Neben dem Integrationskurs stellen die neu gestaltete MEB und der JMD Grundpfeiler der neuen Integrati­ Diese Zielsetzung gilt insbesondere für Jugendinte­ onspolitik des Bundes dar. Zusammen bilden sie das grationskurse, um die Zielgruppe der Jugendlichen integrationspolitische Grundangebot, bestehend mit Migrationshintergrund möglichst rasch in den aus Sprachförderung und zielgerichteter individu­ Arbeitsmarkt zu integrieren. Daher sollen Jugend­ eller Begleitung des Integrationsprozesses. Um das integrationskurse vornehmlich an Praktika zur Potenzial dieses Grundangebotes der Integration voll Berufseingliederung gebunden werden. auszuschöpfen, ist eine ständige Abstimmung und Zusammenarbeit vor Ort unerlässlich. Dazu sollte die Netzwerkarbeit vor Ort Kooperation zwischen MEB bzw. JMD und den Kursträ­ Der Integrationskurs als Kernangebot der Integration gern intensiviert werden und einen systematischen soll fest in das Integrationsprogramm und die allge­ und konzeptionellen Charakter tragen. meinen Integrationsanstrengungen vor Ort verankert werden. Dazu bedarf es einer verstärkten Netzwerk­ Messung des nachhaltigen Integrationserfolgs arbeit aller am Prozess beteiligten Akteure. Das Ziel des Integrationskurses ist es, den Grundstein einer erfolgreichen Integration aller Teilnehmer in Bei den vermehrten Anstrengungen zur stärkeren die deutsche Gesellschaft zu legen. Dazu wird ein Kooperation und Vernetzung vor Ort sollen die Regi­ Grundangebot zum Spracherwerb und zum Erwerb onalkoordinatoren des Bundesamtes aufgrund ihrer von Wissen und Kenntnissen aus den Bereichen Position eine zentrale Rolle spielen. Die Gesamtkoor­ Rechtsordnung, Geschichte und Kultur bereitgestellt dination der Integrationsförderung sollte auf kommu­ und der Erfolg dieses Angebotes mit einem Abschluss­ naler Ebene geleistet werden. Gute Beispiele in vielen test überprüft. Um die Qualität der Integrationskurse Kommunen und Gemeinden, wie z. B. in der Stadt langfristig optimieren zu können, soll neben der Stuttgart, sollen verallgemeinert werden. konsequenten Überprüfung des Kursziels mit dem Abschlusstest verpfl ichtend für alle Teilnehmer aber auch der nachhaltige Erfolg des Kurses in der Lebens­ welt der Teilnehmer gemessen werden. Dazu ist beim Bundesamt geplant, die Wirksamkeit und Nachhaltig­ keit der Integrationskurse auf repräsentativer Basis zu erforschen (Integrationspanel).

3. Vereinbarungen von Maßnahmen Die Länder, Kommunen und der Sachverstand der und Selbstverpfl ichtungen Kursträ ger und Experten werden über die Bewer­ tungskommission mit einbezogen.

3.1. Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen ■ Der Bund verpfl ichtet sich zur Aufrechterhaltung des Bundes bzw. zum Ausbau eines zeitnahen und fl ächende­ ckenden Angebots an Integrationskursen. Insbe­ In § 43 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ist ausgeführt, dass „der sondere wird er prüfen, inwieweit die Handlungs­ Integrationskurs vom Bundesamt für Migration und empfehlungen zur Steigerung des Kurserfolgs, zur Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt“ wird und Qualifi kation der Lehrkräfte, zur Optimierung des es sich dazu privater und öffentlicher Träger bedie­ Kursmanagements, zur Umsetzung eines zielfüh­ nen kann. Weiterhin heißt es in § 43 Abs. 4 AufenthG, renden Finanzierungssystems und zur Nachhaltig­ dass die Bundesregierung ermächtigt wird, „nähere keit der Integrationskurse in das Integrationskurs­ Einzelheiten des Integrationskurses … durch eine system überführt werden können. Rechtsverordnung zu regeln.“ ■ Die kostenrelevanten Vorschläge werden im Hin­ Damit liegt für die Integrationskurse sowohl die blick auf die Finanzierbarkeit im Rahmen des Haus­ fi nanzielle Zuständigkeit beim Bund als auch die haltsaufstellungsverfahrens 2008 thematisiert. Zuständigkeit bzw. die Ermächtigung, die näheren Einzelheiten auszuführen. Insofern ist es Aufgabe ■ Die Bewertungskommission, die gemäß § 21 IntV des Bundes, die unter Punkt 2 ausgewiesenen Emp­ eingerichtet worden ist, soll den Prozess der Verbes­ fehlungen auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen und serung und der weiteren Ausgestaltung der Inte­ umzusetzen. grationskurse fachlich und praxisnah begleiten.

43 4.1. diese auch weiterhin mit einem auf die Bedürfnisse ■ Der Bund verpfl ichtet sich entsprechend der der Migranten abgestimmten fl ankierenden Kurs­ Konzeption der migrationsspezifi schen Beratungs­ angebot zu unterstützen. dienste, auf eine stärkere Kooperation zwischen MEB bzw. JMD und Integrationskursträgern ■ Die Umsetzung der Integrationskurse gelingt hinzuwirken. besonders gut, wenn die Kommunen hierbei eine aktive Rolle übernehmen. Daher sollte nach Mög­ ■ Der Bund plant, die Wirksamkeit und Nachhaltig­ lichkeit eine Vor-Ort-Steuerung der Integrationsför­ keit der Integrationskurse auf repräsentativer Basis derung von den Kommunen geleistet werden. zu messen.

3.3. Vorschläge für Maßnahmen und Selbst­ 3.2. Vorschläge für Maßnahmen und verpfl ichtungen der nichtstaatlichen Selbst verpfl ichtungen der Länder und Institutionen und Organisationen Kommunen ■ Die nichtstaatlichen Institutionen und Organisa­ ■ Einhellig sprechen sich die Länder dafür aus, im tionen regen an, dass sich alle Kursträger an einem Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten Qualitätswettbewerb beteiligen und empfehlen, zur Steigerung des Erfolgs der Integrationskurse eine Kampagne zur Mobilisierung und Motivie­ beizutragen. rung von Menschen mit Migrationshintergrund zu starten, die schon lange in Deutschland leben, aber ■ Die Arbeitsgruppe regt an, dass die Ausländer­ noch nicht über ausreichende Deutschkenntnisse behörden die ihnen durch das Aufenthaltsgesetz verfügen. übertragenen Aufgaben zur Integrationsförderung stärker als bisher wahrnehmen. ■ Die Mitgliedsverbände der Bundesarbeitsgemein­ schaft der Freien Wohlfahrtspfl ege (BAGFW) stellen ■ Die Länder unterstützen die Wirksamkeit der Inte­ ein nachhaltiges Angebot an Integrationskursen grationskurse dadurch, dass sie auf eine verbesserte zur Verfügung. Zusammenarbeit von Ausländerbehörden, Arbeits­ gemeinschaften bzw. zugelassenen Trägern im ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW werden die Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Integrationskursteilnehmer unterstützend mit den Regionalkoordinatoren des Bundesamtes, der Beratung und sozialpädagogischen Angeboten MEB und JMD hinwirken (Netzwerkbildung). Ihr begleiten. erklärtes Ziel ist es, integrationsbedürftige Zuwan­ derer frühzeitig an die Integrationskurse heranzu­ ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW sichern eine führen bzw. sie bei ihrer Integration zu begleiten. enge Kooperation mit den Integrationskursträgern und den Diensten der Migrationserstberatung (MEB) ■ Die Arbeitsgruppe regt an, in die Netzwerkbildung sowie der Jugendmigrationsdienste (JMD) zu, um auch die Zusammenarbeit mit Kindertagesstät­ den Zugang der Integrationskursteilnehmer zu den ten, Schulen, Einrichtungen der Jugendhilfe und Angeboten der MEB und den JMD und die Beratung Einrichtungen im Sozialraum (Wohnungsunter­ der Teilnehmer zu gewährleisten. nehmen) aufzunehmen bzw. zu verstärken, um die verpfl ichtenden Stellen schneller auf Altzuwande­ ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW werden neben rer mit erhöhtem Integrationsbedarf aufmerksam den Integrationskursen und der Beratung alle zu machen. Gleichzeitig kann erreicht werden, Maßnahmen mit dem Ziel fördern, den Teilneh­ Teilnehmern mehr Sprachpraxis zu ermöglichen. menden die Aneignung der deutschen Sprache zu erleichtern, damit sie diese Kenntnisse in der Praxis ■ Die Länder teilen die Auffassung, dass integrati­ anzuwenden in der Lage sind. onskursergänzende Maßnahmen für die Nach­ haltigkeit der Sprachförderung und insbesondere ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW als Träger von die Einbindung in den Arbeitsmarkt notwendig Integrationskursen bieten an, die Kurse sowie das sind. Sie unterstützen derartige als Verbund- und gesamte Angebot an Integrationsmaßnahmen auf Begleitprojekte bezeichnete Maßnahmen und set­ der Grundlage des umfassenden Verständnisses zen hierfür im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigene von Integration, wie es in den „Gemeinsamen Mittel oder Mittel des Europäischen Sozialfonds ein. Grundprinzipien“ der EU für die Politik der Inte­ gration von Zuwanderern von 2004 niedergelegt ■ Auch die Kommunen sprechen sich dafür aus, im ist, nachhaltig fortzuentwickeln. Interesse der Nachhaltigkeit der Integrationskurse

44 4.1.

Mitglieder

Leitung: Bundesministerium des Innern , MdB Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Fateme Attarbashi Vertreterin der Migranten Martha Aykut Landeshauptstadt Stuttgart Prof. Dr. Hans Barkowski Friedrich-Schiller-Universität Jena Dr. Alois Becker Katholisches Büro Akademie Klausenhof Klaus-Jürgen Budweg Bundesministerium der Finanzen Veronika Dicke Innenministerium des Landes Schleswig Holstein Dr. Doris Dickel Arbeitstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Christa Dieckmann Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt Prof. Dr. Konrad Ehlich Ludwig-Maximilians-Universität Gerhard Gleichmann VDP Bundesverband Deutscher Privatschulen , MdB Deutscher Bundestag Dr. Christoph Hauschild Bundesministerium des Innern (Koordination) Angelika von Heinz Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Amadeus Hempel Interkulturelle Bildung Hamburg e. V. (IBH) Irina Holzmann Vertreterin Spätaussiedler Helmut Huber Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Prof. Barbara John Senatsschulverwaltung Berlin Franz Kiefer Bundeszentrale für politische Bildung Jürgen Kockmann Leiter der Steinfurt Arbeitsförderung Kommunal (STARK) Dr. Gerold Lehnguth Bundesministerium des Innern Beate Mohammad Begegnungs- und Fortbildungszentrum für muslimische Frauen Ulrich Mohn Deutscher Städte- und Gemeindebund Monika van Ooyen Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Klaus Ritgen Deutscher Landkreistag Dr. Katharina von Ruckteschell Goethe-Institut e. V. Erwin Schindler Bundesamt für Migrantion und Flüchtlinge Dr. Bernd Schlüter Mitglied des Vorstandes Diakonisches Werk der EKD – Vertreter der BAGFW Dr. Matthias Schmidt Bundeskanzleramt Jürgen Schröder Bundesministerium für Arbeit und Soziales Rüdiger Veit, MdB Deutscher Bundestag Mareike Bartels Deutscher Städtetag Dr. Erich Zehnder Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz

45 46 Themenfeld 2: 4.2. „Von Anfang an deutsche Sprache fördern“

Rund ein Fünftel aller in Deutschland lebenden Die integrationspolitischen Erwartungen und Forde­ Menschen sowie jedes dritte Kind unter sechs Jah­ rungen richten sich daher vor allem auf eine kontinu­ ren haben einen Migrationshintergrund. In vielen ierliche und systematische Förderung der deutschen städtischen Ballungsgebieten der westlichen Bun­ Sprache. Die sprachliche Bildung ist eine durchgän­ desländer gilt dies bereits für mehr als 40 Prozent gige gemeinsame Aufgabe der an der Erziehung und der Kinder und Jugendlichen. Zwei Drittel der Kinder Bildung beteiligten Personen und Institutionen. Sie und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind in beginnt in der Familie und wird ergänzt und fort­ Deutschland geboren. geführt in Tageseinrichtungen für Kinder und den nachfolgenden Bildungsinstitutionen. Die Eltern sind Viele Kinder und Jugendlichen mit Migrationshinter­ in allen Phasen der sprachlichen Bildung wichtig grund sind erfolgreich in Schule, Ausbildung, Beruf und in ihrer elterlichen Verantwortung von Anfang und Gesellschaft und in Deutschland gut integriert. an gefordert. Die Mehrsprachigkeit der Kinder ist im Viel zu viele aber haben hierbei Schwierigkeiten. Prozess sprachlicher Bildung als Chance zu verstehen Ein wesentlicher Grund dafür liegt in nicht ausrei­ und zu nutzen. chenden Kenntnissen der deutschen Sprache, Sprach­ kompetenz ist eine der wichtigsten Voraussetzungen Ziel aller Maßnahmen ist die Verbesserung der für den schulischen und berufl ichen Erfolg und für Integration und der Bildungschancen von Kindern die gesellschaftliche Integration. mit Migrationshintergrund – insbesondere durch die Unterstützung und Förderung der Sprachentwicklung Sprachentwicklung ist ein wesentlicher Teil der von Anfang an und durch ausreichende Gelegen­ Persönlichkeitsentwicklung, Sprachförderung ein heit, so früh wie möglich gute Deutschkenntnisse zu zentraler Bereich der frühen Bildung. Sprachförde­ erwerben. rung legt wichtige Grundlagen für Chancengleichheit insbesondere mit Blick auf den Übergang von der Bund, Länder, Kommunen und nichtstaatliche Orga­ Kindertageseinrichtung in die Grundschule. Die Pisa- nisationen und Institutionen sind gleichermaßen Studie und der OECD-Bericht zur Politik der frühkind­ gefordert, Verantwortung für die Verbesserung der lichen Betreuung, Bildung und Erziehung in Deutsch­ Bildungschancen und der Integration von Kindern mit land unterstreichen die Bedeutung der sprachlichen Migrationshintergrund zu übernehmen und dabei Fähigkeiten für den kindlichen Bildungs- und Ent­ den Blick insbesondere auf die frühe Sprachförderung wicklungsprozess. Kinder mit Migrationshintergrund zu richten. Dieser Prozess muss von allen Beteiligten haben oft wenig Gelegenheit, bereits in den ersten in gemeinsamer Verantwortung gestaltet werden. Lebensjahren Deutschkenntnisse zu erwerben.

47 4.2. In der frühesten Phase des Erstspracherwerbs eines positive Effekt der natürlichen Aneignung der deut­ Kindes spielen die unmittelbaren Bezugspersonen, schen Sprache erheblich gesteigert werden. vor allem die Eltern, eine entscheidende Rolle für die Sprachentwicklung des Kindes. Durch eine sprach­ Das letzte Kindergartenjahr bereitet als Brückenjahr anregende und intensive Interaktion mit dem Kind auf die Schule vor und bietet insbesondere für Kinder unterstützen sie die natürliche Sprachentwicklung mit Zuwanderungsgeschichte/Migrationshintergrund des Kindes und helfen ihm so, sich die Sprache als die Chance rechtzeitig vor der Einschulung ihre menschliches Kommunikationsmittel anzueignen. Kenntnisse in der deutschen Sprache zu vertiefen. Der Der gute Erwerb der Muttersprache – der Sprache, die Übergang vom Kindergarten in die Grundschule muss von den Eltern und Bezugspersonen mit dem Kind daher so gestaltet sein, dass für die Kinder eine konti­ gesprochen wird – ist eine wesentliche Voraussetzung nuierliche und nachhaltige Förderung gewährleistet für die Entwicklung von Sprachkompetenz, auch für ist und ihr schulischer Erfolg gute Voraussetzungen den Erwerb der Sprache des Aufnahmelandes, hier erfährt. also des Deutschen. Kinder können auch problem­ los von Anfang an mit mehr als einer Erstsprache Auch die Kindertagespfl ege hat die Aufgabe der Bil­ aufwachsen, wenn ihnen ausreichender sprachlicher dung, Erziehung und Betreuung von Kindern. Deshalb Input geboten wird. können auch Tagesmütter bei der frühen Sprachför­ derung eine wichtige Rolle übernehmen, jedenfalls Es ist wichtig und sinnvoll, Strukturen zu schaffen, unter der Voraussetzung, dass sie selbst die deutsche die für Kinder, die zuhause nicht deutsch sprechen, Sprache gut beherrschen. bereits im Kleinkindalter eine intensive Begegnung mit der deutschen Sprache ermöglichen. Die frühe Begegnung und Kommunikation mit deutschen Kin­ Vor diesem Hintergrund ergeben sich entlang der dern und Erwachsenen ist für die Entwicklung eines Biographie eines Kindes drei Handlungsfelder früher späteren kompetenten Umgangs mit der deutschen sprachlicher Bildung bzw. Sprachförderung, die von Sprache sehr bedeutsam. besonderer Bedeutung sind:

Tageseinrichtungen für Kinder stellen einen sehr 1. Unterstützung von Sprachentwicklung und Sprach­ guten Rahmen für solche Begegnungen dar, ihr erwerb durch die Eltern früher Besuch bietet daher besondere Chancen. Durch gezielte Maßnahmen in Kindertageseinrichtungen – 2. Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen frühe systematische und verlässliche Sprachförde­ rung, Unterstützung der Sprachentwicklung durch 3. Durchgängige sprachliche Bildung im Übergang qualifi zierte Erzieherinnen und Erzieher – kann der Kindergarten – Grundschule

1. Unterstützung von Sprach­ Die Mehrzahl der Eltern mit Migrationshintergrund entwicklung und Spracherwerb ist am Bildungserfolg ihrer Kinder interessiert, sie nehmen ihre Verantwortung für ihr Kind aktiv durch die Eltern wahr. Wie gut ein Kind gefördert wird, ist jedoch von der Handlungs- und Erziehungskompetenz der Spracherwerb beginnt bereits unmittelbar nach der Eltern abhängig, die von ihrem sozialen Status und Geburt. Kinder lernen in der Regel die Grundstruktu­ vom Bildungsbewusstsein erheblich beeinfl usst ren der in ihrer Familie gesprochenen Sprache „bei­ wird. Dabei wissen Eltern oftmals zu wenig über den läufi g“, d. h. durch implizite unbewusste Prozesse. Sie Spracherwerb. So ist ihnen häufi g nicht bekannt, dass erwerben so die Grundlagen für das spätere explizite es beispielsweise bei mehrsprachig aufwachsenden Lernen weiterer Sprachen. Kindern in bestimmten Entwicklungsphasen zu Sprachmischungen kommen kann, die für die weitere Eltern sind in der frühkindlichen Phase eines Kindes Entwicklung gänzlich unproblematisch und durchaus in der Regel die wichtigsten Bezugspersonen für entwicklungsgerecht sind. Auch wissen sie oft nicht, ihre Kinder und spielen eine zentrale Rolle für deren wie sie ihre Kinder bei der Sprachentwicklung zielge­ sprachliche, kognitive, emotionale und soziale Ent­ richtet unterstützen können. Auch deutsche Eltern wicklung. Für die Sprachentwicklung ist entscheidend, verfügen – ebenso wie Eltern mit Migrationshinter­ dass Eltern in den ersten Jahren viel und variations­ grund – oft nicht über ein sicheres Verständnis ihrer reich mit ihren Kindern sprechen, und zwar in der Rolle beim Spracherwerb der Kinder. Sprache, über die sie selbst geläufi g verfügen.

48 4.2. Für Migranteneltern wird die Erziehung und Beglei­ tung ihrer Kinder oftmals erschwert durch eigene Ver­ Aktionsprogramm „Frühe Hilfen für Eltern und ständigungsprobleme im sozialen Umfeld und damit Kinder und soziale Frühwarnsysteme“: verbundene Verunsicherung und Informationsdefi zite Ziel des Aktionsprogramms ist, Kinder vor allem bezüglich des hiesigen Bildungssystems, der Bedeu­ durch die Stärkung der Erziehungskompetenz ihrer tung eines frühen Besuchs einer Kindertageseinrich­ Eltern wirksam vor Gefährdungen zu schützen. Durch tung und guter Deutschkenntnisse für den Schulerfolg. eine bessere Verzahnung von Leistungen der Gesund­ Häufi g herrschen auch kulturell bedingt andere heitshilfe und der Kinder- und Jugendhilfe sollen Vorstellungen über die Erziehungs- und Bildungsauf­ Risiken für die kindliche Entwicklung und Defi zite gaben von Eltern, von Kindertageseinrichtungen und bei der Förderung durch die Eltern frühzeitig erkannt Schulen. Unterstützungs- und Orientierungsangebote und die erforderlichen Hilfen rechtzeitig eingeleitet erreichen Eltern von Kindern unter drei Jahren und werden. Das Programm soll zur gesunden physischen von Kindern, die keine Kindertageseinrichtung besu­ und psychischen Entwicklung von Kindern bis zu drei chen, oftmals nicht im gewünschten Maße. Jahren und zur sozialen Integration ihrer Familien beitragen. Es sichert somit eine wichtige Basis für Ein guter Spracherwerb und eine kontinuierliche Spra­ den erfolgreichen Spracherwerb auch der Kinder mit chentwicklung von Anfang an in der Familie ist daher Migrationshintergrund. ein wichtiges Ziel. Die erzieherische Kompetenz der Eltern muss durch ihre intensive Ansprache unter­ Stärkere Implementierung des Themas stützt werden. Angebote zur Elternbildung für eine Integration und Sprachförderung von Kindern mit verbesserte Wahrnehmung und Förderung des Ent­ Migrationshintergrund in der Initiative Lokale wicklungspotenzials ihrer Kinder müssen von Anfang Bündnisse für Familien: an zur Verfügung stehen. Dazu müssen vielfältige Die von der Bundesregierung Anfang 2004 gestartete Strukturen erhalten und geschaffen werden, unter Bundesinitiative Lokale Bündnisse für Familien will anderem in der Familienbildung, in der Kindertages­ Akteure in den Kommunen anregen, sich aus Politik, betreuung und im Gesundheitswesen. Für Kinderärz­ Verwaltung, Unternehmen, Kammern, Gewerk­ tinnen und -ärzte sowie für therapeutische Fachkräfte schaften, Kirchen, Verbänden und Institutionen bedarf es einer spezifi schen Qualifi kation zur Dia­ Verbündete zu suchen, um gemeinsam durch kon­ gnostik bei mehrsprachigen Kindern. Sie müssen befä­ krete Projekte auf der lokalen Ebene die Lebens- und higt sein, Eltern Handlungsempfehlungen zur Ent­ Arbeitsbedingungen für Familien zu verbessern. Die wicklung von kindlicher Mehrsprachigkeit zu geben, Infrastruktur der Lokalen Bündnisse soll stärker als die den Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung bisher genutzt werden, um Eltern mit Migrationshin­ entsprechen. Bezüglich der Kindertagesbetreuung tergrund zu erreichen, die frühe Förderung der deut­ bedarf es eines quantitativen und qualitativen Aus­ schen Sprache als Thema zu etablieren und für einen baus, so dass die Eltern optimal unterstützt und die frühzeitigen Besuch von Kindertageseinrichtungen Kinder entwicklungsgerecht gefördert werden. zu werben. Von den bisher bundesweit existierenden rund 370 Bündnissen weist bisher nur ein kleinerer Teil Integration als wichtiges Handlungsfeld aus. Bis 1.1. Selbstverpfl ichtungen der Ende 2007 soll die Zahl der Lokalen Bündnisse auf 455 Bundesregierung ausgeweitet werden und das Thema Integration in den Bündnissen an Bedeutung gewinnen. Geplant ist, ESF-Programm für sozial benachteiligte Familien dass der regelmäßig erscheinende Newsletter und die mit und ohne Migrationshintergrund zur Förde­ Website der Bündnisinitiative Handlungsfelder zum rung und Integration benachteiligter Kinder: Thema Integration wie z. B. die Sprachförderung von Als Beispiel für entsprechende Programme kann Kindern mit Migrationshintergrund oder ihrer Eltern „Opstapje“ stehen. „Opstapje“ ist ein Hausbesuchspro­ stärker aufgreifen. gramm und zielt auf die frühe Förderung von Kindern aus sozial benachteiligten Familien – auch Migranten­ Implementierung des Themas Integration und familien – durch die Stärkung der Elternkompetenzen. Sprachförderung von Kindern mit Migrations­ Der niederschwellige und aufsuchende Charakter des hintergrund als Handlungsschwerpunkt im Programms sind die Schlüsselfaktoren für die Erreich­ Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser: barkeit der Familien und die Kontinuität der Pro­ Mehrgenerationenhäuser als aktive und aktivierende grammteilnahme. Im Rahmen des Programms soll die Zentren neuer Art für Personen aller Altersstufen wol­ Elternkompetenz zur Wahrnehmung und Förderung len das Potenzial der familiären Netzwerke bewahren, des Entwicklungspotenzials ihrer Kinder gestärkt, stärken und in einer modernen Form unterstützen. auf die Bedeutung einer guten Sprachentwicklung Mehrgenerationenhäuser verstehen sich als Informa­ hingewiesen und für den Besuch von Kindertagesein­ tions- und Dienstleistungsplattform für alle Genera­ richtungen geworben werden. Das Programm soll ab tionen und stellen Angebote für Kinder und Eltern 2008 beginnen. bereit. Die Mehrgenerationenhäuser sollen stärker (Status: beantragt) als bisher genutzt werden, Eltern mit Migrationshin­

49 4.2. 1.2. Vorschläge für Selbstverpfl ichtungen der tergrund zu erreichen, zur Stärkung der Elternkom­ Länder und der Kommunen petenzen beizutragen und für einen frühen Besuch von Kindertageseinrichtungen zu werben. Sie werden In den Ländern und Kommunen sind in den letzten selbst Angebote zum Erwerb der deutschen Sprache Jahren bereits viele Maßnahmen ergriffen worden, für Kinder und Eltern mit Migrationshintergrund im um das Angebot zur Unterstützung von Familien aus­ Stadtteil anbieten. Bis Ende 2007 soll in jedem Land­ zubauen und zu verbessern. kreis und in jeder kreisfreien Stadt mindestens ein Mehrgenerationenhaus gefördert werden. Bis Ende Mit Blick auf die Sprachförderung verpfl ichten sich 2008 sollen 25 Prozent der Häuser den Programm­ die Länder und die Kommunen: schwerpunkt Integration defi niert haben. ■ den Schwerpunkt Sprachförderung für Kinder Qualifi zierung der Kinderbetreuung im Rahmen mit Migrationshintergrund in die Integrati­ der Integrationskurse des Bundes: onskonzepte der Länder und Kommunen zu Die qualifi zierte Kinderbetreuung im Rahmen der implementieren; Integrationskurse, insbesondere der Eltern- und Frauenintegrationskurse, soll durch den Einsatz von ■ die Möglichkeit des Einsatzes und der Qualifi zie­ qualifi zierten Fachkräften auch einen Beitrag zur rung ehrenamtlicher mehrsprachiger Elternbeglei­ sozialen Integration der Kinder leisten. Damit wird terinnen und Elternbegleiter als sprachliche und die Betreuungszeit nützlich und anregend gestaltet kulturelle Brücke zwischen Migrantenfamilien, und der Spracherwerb der Kinder unterstützt und Kindertageseinrichtungen und anderen Instituti­ erleichtert werden. Zur verstärkten Wahrnehmung onen zu unterstützen. Die Schaffung fester Anlauf­ der Integrationskursangebote bzw. der fl ankierenden stellen für die ehrenamtlichen mehrsprachigen Kinderbetreuung sollen Kindertageseinrichtungen, Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter innerhalb Einrichtungen der Jugendhilfe und Ausländerbehör­ der bestehenden Strukturen wird angestrebt. den stärker zusammenarbeiten. Der Bund wird auch in Zukunft Mittel für die Kinderbetreuung im Rah­ ■ sich für die Stärkung bzw. die Einführung sys­ men der Integrationskurse zur Verfügung stellen. tematischer und zielgerichteter – auch mutter­ sprachlicher – Elternansprache und -information Implementierung des Themas Integration von Geburt an einzusetzen, die die Themen frühe und Sprachförderung von Kindern mit Förderung und Sprachentwicklung umfassen; Migrationshintergrund in ein bundesweites Projekt „Lesestart – von Anfang an!“ ■ niedrigschwellige Angebote für Kinder und ihre Das von der Bundesregierung kofi nanzierte Modell­ Familien zu unterstützen; die den gezielten und projekt „Lesestart – von Anfang an!“, das derzeit im intensiven Kontakt mit der deutschen Sprache Freistaat Sachsen durchgeführt und wissenschaftlich ermöglichen. Dabei soll die institutionalisierte begleitet wird, soll nach erfolgreicher Durchführung Kooperation zur Entwicklung von Handlungskon­ bundesweit in enger Zusammenarbeit mit den Län­ zepten gefördert werden, und zwar die Koopera­ dern implementiert werden, wobei es auch insbeson­ tion von Kindertageseinrichtungen, Grundschulen, dere einen Schwerpunkt auf Kinder und Familien der örtlichen Jugendhilfeplanung, der Familien­ mit Migrationshintergrund legen wird. Die Leseso­ bildung und -hilfe, den Migrantenorganisationen zialisation in der Familie entscheidet über die per­ und anderen verantwortlichen Akteuren vor Ort, sönlichen Lesebiographien heranwachsender Kinder. die die unterschiedlichen örtlichen Bedingungen Nur in einem Drittel aller Haushalte mit Kindern im berücksichtigen, klassischen „Vorlesealter“ wird heute vorgelesen. Im Umkehrschluss heißt dies: dass zwei Drittel aller Fami­ ■ Maßnahmen zur Unterstützung eines frühen lien auf eine elementare Frühförderung ihrer Kinder Besuchs von Kindertageseinrichtungen zu fördern; verzichten. Ausgehend von der Annahme, dass eine intensiv betriebene Leseförderung in der im Eltern­ ■ die Migrantenorganisationen in die Arbeitsgemein­ haus gesprochenen Sprache dazu führt, niedrige Bil­ schaften nach § 78 SGB VIII einzubeziehen. dungsstände auszugleichen, soll das o. g. Projekt einen Beitrag für den erfolgreichen Spracherwerb auch der Kinder mit Migrationshintergrund leisten.

50 4.2. 1.3. Selbstverpfl ichtungen der nichtstaatlichen thematisch an den Entwicklungsphasen eines Institutionen und Organisationen Kindes und beschäftigen sich auch mit Sprachent­ wicklung und Sprachförderung. Der Vertrieb der ■ Die freien Träger der Wohlfahrtspfl ege Elternbriefe erfolgt bundesweit. Der Vertrieb der Elternbriefe soll erweitert und systematisiert wer­ ➤ richten die Arbeit und Konzepte in ihren Einrich­ den. Zusätzlich sollen für weitere Migrantengrup­ tungen stärker und durchgängig auf die The­ pen mehrsprachige Elternbriefe zum Thema Sprach­ men Sprachentwicklung und Sprachförderung entwicklung und Sprachförderung erstellt werden. unter Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit, Deutsch als Zweitsprache und interkulturelle ■ Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) Pädagogik aus; führt u. a. in Zusammenarbeit mit der Förderation der Türkischen Elternvereine in Deutschland eine ➤ verpfl ichten sich, die Themen Sprachentwick­ Bildungsoffensive für Eltern türkischer Herkunft lung und Spracherwerb und die Rolle und durch. Ziel der Kampagne, in deren Rahmen es Aufgabe der Eltern verstärkt in den Beratungsge­ auch eine Medieninitiative und ehrenamtliche sprächen der Migrationsdienste (Migrationserst­ Bildungsbotschafter geben wird, ist die Motivie­ beratung, Migrationsdienste, Integrationsagen­ rung, Qualifi zierung und Aktivierung dieser Eltern, tur, Jugendmigrationsdienste) zu thematisieren, damit sie sich stärker für die Bildung ihrer Kinder einsetzen und sich in den Bildungseinrichtungen ➤ sagen zu, in ihren niedrigschwelligen Gruppen­ aktiv beteiligen. Das Thema Sprachförderung wird angeboten für Frauen und junge Familien einen dabei eine wichtige Rolle spielen. Die Bildungs­ Schwerpunkt auf die Rolle und Aufgabe der offensive richtet sich sowohl an Eltern von Schul­ Eltern beim kindlichen Spracherwerb zu legen, kindern und soll auf Eltern von Kindern unter sechs Jahren ausgeweitet werden. ➤ sichern zu, dass im Rahmen der Interkulturellen Öffnung der sozialen Dienstleistungen auch die ■ Italienische Migrantenvereine unterstützen Kinder familienbildenden und -unterstützenden Dienst­ und Jugendliche durch ergänzenden muttersprach­ leistungen der Freien Träger für die Zielgruppe lichen Unterricht und durch allgemeine Förder­ der Migranteneltern weiterentwickelt werden; angebote. Ein Teil dieser Förderung richtet sich hierzu beziehen die Freien Träger familienunter­ an Kinder in Kindertageseinrichtungen, in denen stützende Maßnahmen wie beispielsweise HIPPY, frühe Sprachförderung geleistet wird. Die Zusam­ Opstapje, Griffbereit und Rucksack sowie „Mama menarbeit mit Eltern wird mit dem Ziel gefördert, lernt Deutsch“ ein. Eltern über die Bedeutung eines frühen Besuchs einer Kindertageseinrichtung und zu anderen ■ Die Migrantenorganisationen nutzen ihre Netz­ Bildungseinrichtungen zu informieren. werke vor Ort stärker und zielgerichteter zur Eltern­ information über die Sprachentwicklungsbedarfe ■ Die RAA (Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung der Kinder und zur Stärkung der Elternkompetenz. von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfa­ Sie tun dies im Verbund mit staatlichen und nicht­ milien) in Nordrhein-Westfalen stellen in Koope­ staatlichen Partnern. ration mit und unterstützt durch die Freudenberg- Stiftung in Weinheim bundesweit methodische ■ Die örtlichen Netzwerke, Verbände und Instituti­ Anleitung, mehrsprachige Materialien und onen beziehen Migrantenfamilien gezielt ein und Hinweise zur fachlichen Schulung zur Umsetzung unterstützen die alltäglichen Sprachkontakte von des Konzeptes „Griffbereit“ (zweisprachige Eltern­ Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, Kind-Gruppen für Eltern mit ihren 1- bis 3-jährigen z. B. in Stadtteilvereinen, Sportvereinen, musi­ Kindern zur Verfügung, angebunden beispiels­ kalischen Förderangeboten und bei kulturellen weise an eine Kindertageseinrichtung oder eine Begegnungen. Familienbildungsstätte).

■ Kinderärzte, sozialpädiatrische Zentren und Logo­ Der Bund der Spanischen Elternvereine in der pädinnen und Logopäden beraten Migrantenfami­ Bundesrepublik Deutschland hat nach Abschluss lien regelmäßig und kontinuierlich zur kindlichen der Arbeiten an diesem Bericht folgende Sprachentwicklung, Mehrsprachigkeit und Deutsch Selbstverpfl ichtungen nachträglich eingebracht: als Zweitsprache. Ihre Verbandsorganisationen setzen sich in den übergeordneten Gremien für die ■ Der Bund der Spanischen Elternvereine in der Bun­ Elternberatung und Elternpartizipation ein. desrepublik Deutschland verpfl ichtet sich, auch in den kommenden Jahren Fortbildungsprogramme ■ Die türkisch-deutschen Elternbriefe (ANE) des für Migranteneltern im Bereich Sprachförderung Arbeitskreises Neue Erziehung e. V. orientieren sich durchzuführen.

51 4.2. 2. Sprachförderung in Kindertages­ Angesichts der wachsenden Zahl von Kindern mit Mig­ einrichtungen und in Kinder­ rationshintergrund stehen die Kindertageseinrich­ tungen als Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, tagespfl ege aber auch die Kindertagespfl ege, vor einer großen Herausforderung. Kindertageseinrichtungen sind Kinder können sich jederzeit – von Anbeginn ihres zentrale Orte für die frühkindliche Sprachförderung. Lebens an oder auf der Basis einer Erstsprache – eine Dabei ist zu beachten, dass die Rahmenbedingungen zweite oder dritte Sprache aneignen. Bereits vor dem in den Kindertageseinrichtungen, insbesondere die dritten Lebensjahr können sich Kinder unterschied­ Gruppengröße, der Erzieher- Kind-Schlüssel, ein hoher lichster Erstsprachen die Grundlagen einer zweiten Geräuschpegel und ungünstige sprachliche Gruppen­ Sprache erschließen. Dies gelingt bei Kindern, die zusammensetzungen, eine angemessene Förderung ihren primären Spracherwerb mit einer anderen Spra­ von Kindern mit besonderem Förderbedarf erschwe­ che als Deutsch begonnen haben, insbesondere dann ren. Auch die Ausbildung der Fachkräfte trägt der The­ in der Regel sehr gut, wenn der implizite Spracher­ matik nicht überall ausreichend Rechnung. werb der frühkindlichen Phase durch das explizite Lernen möglichst früh ab dem Eintritt in eine Kinder­ Gelingende Ansprache und die Zusammenarbeit mit tageseinrichtung aktiv unterstützt wird. den Eltern mit Migrationshintergrund ist nicht in allen Kindertageseinrichtungen Selbstverständlich­ Frühe Sprachförderung ist dann erfolgreich, wenn keit. Maßnahmen zur Stärkung der Elternkompetenz, die Zusammenhänge des Spracherwerbs mit den die Einbeziehung der Eltern in den Sprachförder­ kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklungs­ prozess und verlässliche institutionenübergreifende prozessen der Kinder berücksichtigt werden und die Kooperationsstrukturen aller an der Bildung und unterschiedlichen Förderelemente einem integrierten Erziehung von Kindern beteiligten Akteure fehlen Sprachförderkonzept folgen. Dabei ergänzen sich situ­ vielfach. ative Sprachförderangebote und strukturierte, syste­ matisch aufgebaute, kontinuierliche Förderkonzepte. Die aktuelle Situation stellt hohe Anforderungen an die Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen. Eine pädagogische, auf den Erkenntnisse der Sprach­ Die Notwendigkeit einer umfassenden sprachlichen erwerbsforschung basierende Sprachdiagnostik, die Bildung und von Erziehungs- und Bildungspartner­ die valide Einschätzung des Sprachstandes ermöglicht schaften mit den Eltern, die geprägt sind von einer und mit Blick auf die Entwicklungsprozesse und die Wertschätzung der Kompetenzen der Kinder und Mehrsprachigkeit des Kindes angewendet, interpre­ Eltern sowie der kulturellen Vielfalt als Ressource, tiert und dokumentiert wird, erlaubt die Feststellung ist nicht allen Erzieherinnen und Erziehern bewusst. des individuellen konkreten Förderbedarfs. Mehrspra­ Die Fachkräfte sind Sprachvorbild für die Kinder und chigkeit, vorhandene Sprach- und Kommunikations­ Hauptakteure bei der Zusammenarbeit mit Eltern. fähigkeiten und unterschiedliche kulturelle Erfah­ Ihre Kenntnisse über Sprachentwicklung, die Zielspra­ rungen in der Familie prägen die Sprachentwicklung che Deutsch, sprachliche Regelsysteme und über die von Kindern mit Migrationshintergrund und sind Zusammenhänge von Sprache, Kognition und sozialer zugleich die Basis für weiteres Lernen. Kompetenz sind zentrale Voraussetzungen für eine professionelle Sprachförderung. Im Bundesdurchschnitt besucht die Hälfte der Drei- und Vierjährigen aus Familien mit Migrationshinter­ In vielen Ländern werden Überlegungen angestellt grund den Kindergarten, bei den Vier- und Fünfjäh­ oder sind bereits in die Tat umgesetzt, die deutsche rigen sind es etwas über achtzig Prozent. Wie bei Sprache bei Kindern mit Migrationshintergrund deutschen Familien besuchen Migrantenkinder von gezielter zu fördern. Da die Maßnahmen jedoch in der Eltern aus bildungsfernen Milieus seltener Betreu­ Regel erst vor wenigen Jahren in die Wege geleitet ungseinrichtungen. In vielen Tageseinrichtungen für wurden, liegen Erkenntnisse über die Effektivität der Kinder in einigen städtischen Ballungsgebieten bilden Maßnahmen bisher kaum vor. Kinder mit Zuwanderungsgeschichte die größte Gruppe, wobei die individuellen Situationen der Kin­ Gute Deutschkenntnisse aller Kinder zu Schulbeginn der je nach Nationalität, kulturellem Hintergrund und sind eines der herausragenden Ziele früher Sprachför­ sprachlicher Situation in den Familien sehr vielfältig derung in Kindertageseinrichtungen. Zwingend erfor­ sind. Wenn Kinder nicht ausreichende Gelegenheit derlich ist hierbei die Verfügbarkeit eines ausreichend haben, Deutsch zu hören und sich auf Deutsch zu großen Angebots an Betreuungsplätzen und die artikulieren, kann kein Spracherwerb stattfi nden. Die Sicherstellung eines ausreichenden Sprachangebots. gute Entwicklung von Deutschkenntnissen gelingt Benötigt werden gute verlässliche Instrumente zur unter diesen Umständen also nicht „von alleine“, nur pädagogischen Sprachdiagnostik, Beobachtungs- und eine aktive Förderung bringt die anzustrebenden Dokumentationsverfahren des sprachlichen Verhal­ Fortschritte. tens von Kindern als Grundlage der Förderung sowie Maßnahmen zur Sprach- und Entwicklungsförderung

52 4.2. in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertages­ pfl ege. Dies bedeutet zugleich eine entsprechende Bund in enger Zusammenarbeit mit den Ländern Schwerpunktsetzung in der Aus-, Fort- und Weiter­ ein Projekt zur Entwicklung eines pädagogischen bildung des pädagogischen Personals. Gute pädago­ Förderkonzepts für unter Dreijährige durchführen, gische Diagnose- und Sprachförderkompetenz der das auch von Tagespfl egepersonen angewendet Fachkräfte muss unabdingbar gewährleistet sein. Die werden kann. Sprachliche Entwicklung und die Elternkompetenz und Elterninitiative im Hinblick auf Entwicklung interkultureller Kompetenz sind die Wahrnehmung der Potenziale und die Förderung Querschnittsthemen des Konzeptes. Das Projekt ist ihrer Kinder muss gestärkt werden. Ein früher Besuch in Vorbereitung. einer Kindertageseinrichtung als Chance gerade auch für Kinder mit Migrationshintergrund muss Weiterentwicklung des Projekts „Sprachliche unterstützt werden. Die interkulturelle Öffnung der Förderung in der Kindertageseinrichtung“: Einrichtungen ist zu gewährleisten. ■ Das Projekt „Sprachliche Förderung in der Kinder­ tageseinrichtung“ richtet sich an alle Kinder im Um Kindertageseinrichtungen als Orte der Integra­ Kindergartenalter. Ziel ist die Entwicklung von tion und der Sprachförderung so früh wie möglich didaktischen Materialien, die die systematische nutzen zu können, bedarf es vor allem eines bedarfs­ Verknüpfung von Sprache und Bildungsangeboten gerechten institutionellen Angebots in ganz Deutsch­ zum Inhalt haben. Dieses Konzept wird gezielt um land. Ungedeckter Bedarf besteht in den alten Bundes­ Möglichkeiten erweitert, die sprachliche Förde­ ländern insbesondere für Kinder im Alter unter drei rung von mehrsprachigen Kindern förderlich Jahren. Dieses Defi zit betrifft auch Ballungsgebiete zu gestalten. Speziell zu diesem Zweck stellt die mit einem hohen Anteil von Familien mit Migrati­ Bundesregierung für das bereits laufende Projekt, onshintergrund. Der von der Bundesregierung und dessen Ergebnis im Juli 2008 erwartet werden, Mit­ den Ländern avisierte bedarfsgerechte und qualitäts­ tel zur Verfügung. orientierte Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren auf ca. 35 Prozent Versorgungsquote Weiterentwicklung des Curriculums bis zum Jahr 2013 als gemeinsame Anstrengung von „Qualifi zierung in der Kindertagespfl ege“: Bund, Ländern und Gemeinden ist ein wesentlicher ■ Das Curriculum „Qualifi zierung in der Kinder­ Baustein einer am Wohl des Kindes orientierten tagespfl ege“ soll erweitert werden um den Aspekt Kinder- und Jugendpolitik, die auch für Kinder mit der sprachlichen Förderung von kleinen Kindern, Migrationshintergrund erhebliche positive Effekte in gerade auch solcher mit Migrationshintergrund. Bezug auf frühe Sprachförderung erzielen wird. Auch Das Curriculum wird den wesentlichen Orientie­ die Kindertagespfl ege soll dazu wesentlich beitragen. rungsrahmen für ein ESF-Programm zur Quali­ fi zierung von Tagespfl egepersonen bilden, das Ende 2007 beginnt und das die Bundesregierung 2.1. Selbstverpfl ichtungen der unterstützen wird. Bundesregierung Medieninitiative zur Sprachförderung für Kinder Quantitativer und qualitativer Ausbau der im Kindergartenalter: Betreuung von Kindern unter drei Jahren: ■ In Zusammenarbeit des Bundes und einer Fern­ ■ Der Bund strebt ein bedarfsgerechtes und quali­ sehanstalt sollen innovative Fernsehsendungen tätsorientiertes Angebot für die Kinder unter drei für Kinder mit Migrationshintergrund entstehen. Jahren an, das es bisher nur in den neuen Bundes­ Begleitend dazu werden Materialien für Eltern und ländern gibt. Ziel ist es, bis 2013 eine Versorgungs­ Angebote der Fortbildung für Erzieherinnen und quote von ca. 35 Prozent zu erreichen. Dadurch Erzieher entwickelt. ergeben sich auch für Kinder mit Migrationshin­ tergrund neue Fördermöglichkeiten, auch bei der Unterstützung von Programmen zur Evaluation sprachlichen Bildung. Der angestrebte Ausbau ist von Sprachförderung von Kindern mit nur zu erreichen in gemeinsamer Anstrengung von Migrationshintergrund Bund, Ländern und Gemeinden. ■ Der Bund wird gemeinsam mit den Bundeslän­ dern Forschungsvorhaben wie beispielsweise das Entwicklung eines pädagogischen Förderkonzepts Programm FörMig unterstützen, die Erkenntnisse für Tageseinrichtungen für Kinder unter drei über die Effektivität der in den Bundesländern Jahren: ergriffenen Maßnahmen zur Sprachförderung von ■ Die Betreuung für Kinder unter drei Jahren wird Migranten erbringen können. derzeit deutlich ausgebaut. Um eine qualifi zierte und professionelle Arbeit der in den Tageseinrich­ tungen tätigen Personen zu unterstützen, wird der

53 4.2. 2.2. Vorschläge für Selbstverpfl ichtungen der beitragen, beispielsweise durch Verfahren externer Länder und der Kommunen Evaluation oder standardisierter Sprachstandserfass­ ungs- und Beobachtungsverfahren; hier geht es ins­ In dem 2004 von der Jugendministerkonferenz (JMK) besondere um sog. Sprachkompetenztests, die für und der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlos­ alle Kinder spätestens ein Jahr vor der Einschulung senen gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe bzw. im Alter von vier Jahren verbindlich sein sollen; Bildung in Kindertageseinrichtungen haben sich die Länder über die Ausformung und Umsetzung des ■ den Kindertageseinrichtungen Rahmenbedin­ Bildungsauftrags der Kindertageseinrichtungen im gungen zu ermöglichen (bspw. Kleinere Gruppen, Elementarbereich verständigt. Dieser Rahmen wird sprachlich gut durchmischte Kindergruppen, durch die in allen Ländern vorliegenden Bildungs­ interkulturelle Öffnung, mehr Personal bei hohem pläne auf Landesebene konkretisiert, ausgefüllt und Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund), die erweitert. Innerhalb des gemeinsamen Rahmens für eine individuelle altersgerechte Sprachförde­ gehen die Länder eigene, den jeweiligen Situationen rung von Kindern förderlich sind; angemessene Wege der Ausdifferenzierung und Umsetzung. Im Vordergrund der Umsetzungsbemü­ ■ die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erziehe­ hungen im Elementarbereich steht die Vermittlung rinnen und Erziehern in den Bereichen „Kenntnisse grundlegender Kompetenzen und die Entwicklung über den Zweitsprachenerwerb“, „pädagogische und Stärkung persönlicher Ressourcen. Sprachstandsdiagnostik und pädagogische Sprach­ förderkompetenz“ zeitnah zu verbessern und Sprachliche Bildung gehört wesentlich zur Erfüllung fl ächendeckend anzubieten; des Bildungsauftrags der Kindertageseinrichtungen. Sprachförderung setzt daher ganzheitlich und an den ■ die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern in individuellen Bedürfnissen des Kindes an. Sie muss in einem modularisierten System zu verbessern, das die Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt praxisgerecht ist; im Rahmen der europäischen eingebunden sein, wenn sie erfolgreich sein will. Harmonisierung ist – zunächst für Leitungs­ Sprachförderung zielt auf Nachhaltigkeit. Sie muss kräfte – eine Ausbildung auf dem Bachelor-Niveau daher möglichst früh und regelmäßig beginnen und anzustreben; systematisch aufgebaut sein. Es gilt aber auch: Für Sprachförderung ist es nie zu spät. ■ landesspezifi sche Rahmenpläne für die Bildung im Kindergarten auf Kinder unter drei Jahren auszu­ Mit Blick auf die Sprachförderung verpfl ichten sich weiten und im Hinblick auf Sprachentwicklung die Länder und Kommunen: und Sprachförderung zu konkretisieren;

■ zu einem bedarfsgerechten und qualitätsorien­ ■ zusätzliche Fördermaßnahmen für Einrichtungen, tierten Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder die ganz überwiegend oder zu einem hohen Anteil unter drei Jahren; von Kindern mit Migrationshintergrund besucht werden, um eine wirksame kompensatorische ■ das Thema sprachliche Bildung als Querschnitts­ Sprachförderung zu ermöglichen. aufgabe in die Konzepte der Kindertageseinrich­ tungen im Rahmen der dort geleisteten Bildungsar­ beit zu implementieren; 2.3. Selbstverpfl ichtungen der Institutionen und Organisationen ■ zur fl ächendeckenden Einführung verbindlicher pädagogischer, wissenschaftlich begleiteter ■ Die Verbände der Freien Wohlfahrtspfl ege Verfahren zur Sprachstandserfassung und Doku­ mentation, die eine kontinuierliche Beobachtung ➤ sagen zu, die Aufgabe der sprachlichen Bildung der Kinder und konkrete Förderempfehlungen für alle Kinder in den Konzepten der Kinder­ für jedes einzelne Kind erlauben; dabei muss die tageseinrichtungen weiter zu entwickeln und Situation mehrsprachiger Kinder Berücksichtigung hinsichtlich der Spracherwerbsprozesse von fi nden; Migrantenkindern weiter zu konkretisieren;

■ die fl ächendeckende Verbreitung von Förderange­ ➤ sichern zu, dass die Sprachförderung als boten, die an den Ergebnissen der Sprachstandser­ Bildungsauftrag in die jeweiligen Qualitätskon­ fassungen ansetzen und hierauf aufbauen; zepte der Träger eingebunden wird,

■ die Entwicklung und Anwendung von Instru­ ➤ legen Wert auf eine entsprechende Qualifi ­ menten zu unterstützen, den verantwortlichen zierung der Erzieherinnen und Erzieher und Akteuren vergleichende Maßstäbe ermöglichen werden – soweit möglich – Erzieherinnen und und auf diese Weise zur Qualitätsverbesserung Erzieher mit Migrationshintergrund einstellen,

54 4.2.

➤ verstärken ihre Anstrengungen, Fachkräfte mit ■ Deutsche Stiftungen spielen in der Förderung von Migrationshintergrund für die Ausbildung zu Kindern und Familien mit Migrationshintergrund gewinnen, soweit sie Ausbildungsstätten für eine wichtige Rolle. Mit innovativen und modell­ Erzieherinnen und Erzieher unterhalten, haften operativen Projekten sowie der Finan­ zierung beispielgebender Programme können ➤ bemühen sich darum, dass in ihren Kinderta­ Stiftungen im politischen und fachlichen Prozess gesstätten Kinder mit Migrationshintergrund wichtige Anregungen für Neuerungen geben. entsprechend ihren Bedarfen berücksichtigt werden, ■ Die RAA (Regionale Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfa­ ➤ sichern zu, den Prozess der Interkulturellen Öff­ milien) in Nordrhein-Westfalen stellen in Koope­ nung auch in ihren Kindertageseinrichtungen ration mit und unterstützt durch die Freudenberg umzusetzen. Stiftung in Weinheim bundesweit methodische Anleitung, mehrsprachige Materialien und Hin­ ■ Die freien Träger von Kindertageseinrichtungen weise zur fachlichen Schulung zur Umsetzung des beteiligen sich aktiv und befördernd an Kooperati­ Konzeptes Rucksack Kita zur Verfügung, ein Eltern­ onen zwischen allen an der Erziehung und Bildung bildungs- und Sprachförderprogramm für vier- bis der Kinder beteiligten Akteure. Die Einbindung von sechsjährige Kinder, das angebunden an eine Kin­ Muttersprachlern in die Arbeit der Einrichtungen dertageseinrichtung die Arbeit mit Familien mit ist in vielen Fällen sinnvoll. So können z. B. zentrale der Sprachförderung in der Bildungseinrichtung Anliegen der Erzieherinnen und Erzieher besser in vernetzt. den kulturellen Kontext der Familien mit Zuwande­ rungsgeschichte übermittelt werden. ■ Die Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung e. V. hat es sich zum Ziel gesetzt, Kinder und Eltern ■ Die Migrantenorganisationen befördern den Pro­ mit Migrationshintergrund besonders im Bereich zess der Integration, indem sie eine positive Einstel­ Frühpädagogik und Grundschule zu fördern. Sie lung gegenüber der Notwendigkeit eines möglichst engagiert sich durch verschiedene Projekte im frühen Deutscherwerbs bei den von ihnen vertre­ Bereich der Förderung von Kindern und Eltern tenden Bevölkerungsgruppen fördern, auf einen mit Migrationshintergrund und plant gemeinsam frühzeitigen Besuch einer Kindertageseinrichtung mit Partnern die Weiterführung und Ausweitung hinwirken und Konzepte zur elterlichen Bildung des Sprachförderprojektes frühstart. Geplant sind unterstützen und empfehlen. außerdem neue Projekte im Bereich der Gewalt- und Suchtprävention, besonders für Kinder im Kin­ ■ Migrantenorganisationen wirken aktiv als Brücken dergarten- und Grundschulalter und deren Eltern, zwischen Familien und Institutionen. bei denen migrationsspezifi sche Aspekte und der Bereich der Sprachförderung zum Tragen kommen.

3. Durchgängige sprachliche Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule Bildung im Übergang ist eine Schlüsselsituation für alle Kinder, in der sie in einem kurzen Zeitraum verdichtete Entwicklungs­ Kindergarten – Schule anforderungen zu bewältigen haben. Da Sprachent­ wicklung und Sprachförderung zentral bedeutsam Die individuellen Entwicklungs- und Lernprozesse für die Chancengerechtigkeit in der Schule sind, muss eines Kindes, auch bei der sprachlichen Bildung, der Kindergarten seine Sprachfördermöglichkeiten werden in Kindergarten und Schule entsprechend den voll ausschöpfen und schulische Sprachförderung am jeweiligen Bildungs und Erziehungszielen unter­ individuellen Entwicklungsstand des Kindes ansetzen. stützt und gefördert. Kindergarten, Schule und Eltern Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und Grund­ tragen gemeinsam die Verantwortung, um für Kinder schulen sind oft nicht genügend qualifi ziert zur Erfas­ eine weitestgehende Kontinuität ihrer Entwicklungs­ sung individueller sprachlicher Entwicklungsstände und Lernprozesse zu gewährleisten. Ihre verbindliche von Kindern und zur sachgerechten abgestimmten Zusammenarbeit „auf gleicher Augenhöhe“ ist daher Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sprachförderung. unerlässlich. Tatsächlich bestehen in der Praxis hier Sie benötigen verlässliche Kommunikations- und noch erhebliche Reibungsverluste und Optimie­ Dokumentationsformen zur wirksamen Zusammen­ rungsmöglichkeiten, die insbesondere für Kinder aus arbeit. Sprachförderung ist eine Querschnittsaufgabe Familien mit Migrationshintergrund Risiken entste­ in Kindertageseinrichtung und Schule. Die Qualifi zie­ hen lassen. rung des Personals muss darauf zielen, dass die Fach­

55 4.2. kräfte sich gegenseitig sachgerecht über die Sprach­ kenntnisse und -defi zite der Kinder informieren und Bildungshäuser für die Altersgruppe der Drei- bis zusammenarbeiten. Zehnjährigen zur inhaltlichen Verzahnung von Kindergarten und Grundschule in enger Absprache Der Kindertageseinrichtung kommt im Hinblick auf mit den Ländern vorgesehen. die Sprachförderung neben dem Elternhaus und in Ergänzung der elterlichen Erziehung eine wichtige Forschungsvorhaben zur Sprachstandsfeststellung schulvorbereitende Aufgabe zu. Es sind alle Mög­ ■ Die Bundesregierung fördert auf der Grundlage lichkeiten zu nutzen, den Übergang im Sinne eines eines Referenzrahmens zur altersspezifi schen ganzheitlichen Bildungsangebots zu gestalten, das Sprachaneignung sowohl Forschungsvorhaben zur ab dem fünfte Lebensjahr beitragsfrei sein sollte. Die Weiterentwicklung bestehender Sprachstandsfest­ Sicherung der Qualität von Bildung, Erziehung und stellungsverfahren als auch die Neuentwicklung Betreuung ist dabei von entscheidender Bedeutung. von Sprachstandsfeststellungsverfahren einschließ­ lich individueller Förderpläne für Schülerinnen Die gemeinsame Gestaltung des Übergangs durch und Schüler sowie Fortbildungskonzepte für die Kindergarten, Schule und Eltern beinhaltet die Lehrenden, um durchgängige, individuelle Sprach­ Abstimmung über ein gemeinsames pädagogisches förderung von der Kindertageseinrichtung bis in Verständnis, zu Methoden und Sprachförderkon­ die Berufsbildung als Grundlage zu ermöglichen. zepten ebenso wie die Zusammenarbeit mit den Eltern. Die gemeinsame Gestaltung gewährleistet die Bildung-Beratung-Erziehung individuelle Sprachförderung eines Kindes im Sinne ■ Mit dem Aufbau des Internetportals BIBER fördert einer kontinuierlichen Bildungsbiographie. Kinder­ die Bundesregierung bis 2010 medienbasierte Qua­ garten und Grundschule müssen die Motivation und lifi zierungsangebote für pädagogisches Personal Offenheit eines Kindes für seine weitere sprachliche von Kindertageseinrichtungen und Grundschu­ Entwicklung als gemeinsame Aufgabe sichern. len, u. a. um Fach- und Beratungskompetenzen beim Einsatz neuer Medien zur Unterstützung von Ziel ist zu erreichen, dass die Förderung der Grund­ Sprach- und Leseförderungsprozessen zu vermit­ schule am individuelle Entwicklungsstand des einzel­ teln. BIBER unterstützt Kindertageeinrichtungen nen Kindes anknüpft. Die Brückenfunktion des letzten und Schulen durch eine virtuelle Arbeitsplattform Kindergartenjahres ins Schulsystem muss gestärkt bundesweit dabei, sich miteinander zu vernetzen und die Übergänge müssen optimiert werden. Dabei und miteinander zu kooperieren. Ziel ist es, den muss insbesondere der Sprachförderbedarf von Kin­ Erfahrungsaustausch zur pädagogischen Praxis dern mit Migrationshintergrund im Blick bleiben. Die insbesondere zwischen Erzieherinnen/Erziehern verbindliche und kontinuierliche Zusammenarbeit und Lehrkräften, aber auch den Eltern zu fördern von Kindergarten, Grundschule und Eltern als Erzie­ und damit zur Entwicklung und Festigung eines hungs- und Bildungspartner ist unerlässlich und soll neuen Bildungsverständnisses für den Elementar­ fester Bestandteil von Regelungen und Programmen bereich und die Primarstufe zu leisten. sein. Die Kooperations- und Vernetzungstrukturen der örtlichen schulischen und außerschulischen Ins­ Programm „Lernende Regionen – Förderung von titutionen und Akteure sind im Sinne einer kontinu­ Netzwerken“/Lernwelt Essen im Essener Konsens/ ierlichen Sprachförderung im Übergang Kindergar­ KinderLernwelt – Kita und Grundschule machen ten – Grundschule auf eine verlässliche Basis zu stellen. Kinder stark – Gemeinsame Bildungsverantwor­ tung für drei- bis zehnjährige Kinder entwickeln und verstetigen: 3.1. Selbstverpfl ichtung der Bundesregierung ■ Das Programm verfolgt die frühzeitig einsetzende und passgenaue Sprachförderung für Kinder mit Zusammenarbeit/Lebenslanges Lernen Migrationshintergrund und deutsche Kinder, um ■ Erfolgreiches Lernen der Kinder bedingt erfolg­ bestmögliche Voraussetzungen für den Wechsel reichen Spracherwerb und setzt voraus, dass in die Schule zu schaffen. Durch Kommunikation diejenigen, die letztlich die Verantwortung für und Kooperation mit den Grundschulen soll die die Gestaltung von Bildungsprozessen überneh­ früh begonnene Förderung fortgeführt werden, men – die Eltern, Erzieherinnen und Erzieher und so dass die Kinder in den Förderangeboten keinen Lehrkräfte – noch intensiver als bisher zusam­ Bruch erleben. Durch regelmäßige Entwicklungs­ menarbeiten. Die Herausforderung besteht darin, gespräche werden die Eltern über die Förderung hierfür die geeigneten Rahmenbedingungen zu ihrer Kinder informiert und einbezogen. Das Pro­ schaffen. Die Bundesregierung beabsichtigt daher gramm richtet sich an bereits länger in Deutsch­ die Einrichtung eines Forschungsschwerpunkts land lebende und einheimische Kinder und stellt „Bildung in der frühen Kindheit“. In diesem Rahmen im Rahmen der Förderung „Lernende Regionen“ ist die Konzept- und Instrumentenentwicklung für Fördermittel bereit.

56 4.2. 3.2. Vorschläge für Selbstverpfl ichtungen der ■ Maßnahmen zur gemeinsamen Fortbildungen von Länder und der Kommunen Erzieherinnen und Erziehern und Grundschulleh­ rerinnen und Grundschullehrern – mit dem Blick Mit dem Beschluss der Jugendministerkonferenz (JMK) auf die Sprachförderung der Kinder in Kindertages­ und der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2004 einrichtungen und auf eine kontinuierliche Gestal­ „Stärkung und Weiterentwicklung des Gesamtzusam­ tung des Übergangs Kindergarten – Grundschule menhangs von Bildung, Erziehung und Betreuung“ umzusetzen; haben sich die Länder über die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe geeinigt. Mit Blick auf ■ Erzieherinnen und Erzieher sowie Grundschul­ die Sprachförderung verpfl ichten sich Länder und lehrerinnen und Grundschullehrer im Hinblick Kommunen: auf ihre gemeinsamen Aufgaben im Bereich der Sprachförderung unter Berücksichtigung von ■ die Motivation der Eltern mit Migrationshinter­ „Deutsch als Zweitsprache“ und Mehrsprachigkeit grund, ihr Kind eine Kindertageseinrichtung besu­ gemeinsam fortzubilden. chen zu lassen, zu stärken, den Übergang zwischen den beiden Bildungseinrichtungen Kindergarten und Grundschule zu verbessern und so dazu bei­ 3.3. Selbstverpfl ichtungen der Institutionen zutragen, dass frühkindliche Bildung „auf gleicher und Organisationen Augenhöhe“ mit der Grundschule erfolgt; im Sinne eines solchen übergreifenden Bildungsprozesses ■ Die Verbände der Freien Wohlfahrtspfl ege imple­ kann die Beitragsfreiheit ab dem fünftem Lebens­ mentieren ebenso wie die Grundschulen die plan­ jahr förderlich sein; volle und abgestimmte Gestaltung des Übergangs Kindergarten – Grundschule in ihren Sprachför­ ■ bei Sprachstandserfassungsverfahren, sofern derkonzepten und pädagogisch-methodischen diese bei der Einschulung eingesetzt werden, Ansätzen. auf den Verfahren der Kindertageseinrichtung aufzubauen; ■ Die Verbände der Freien Wohlfahrtspfl ege sichern ebenso wie die Grundschulen die verbindliche ■ wissenschaftlich abgesicherte Materialien zur Kooperation zwischen Kindergarten, Grundschule, Dokumentation der Sprachentwicklung einzuset­ Horten, Eltern, außerschulischen Angeboten und zen, die die Kinder unter Berücksichtigung des anderen beteiligten Akteuren zu. Datenschutzes biographisch von einer Bildungsein­ richtung in die nächste begleiten; ■ Migrantenorganisationen informieren die Eltern zu Fragen des Übergangs Kindertageseinrich­ ■ sich für die strukturierte und verbindliche Koope­ tung – Grundschule und der schulvorbereitenden ration von Kindertageseinrichtungen, Grundschu­ Aufgabe des letzten Kindergartenjahres. Sie moti­ len und Horten einzusetzen. Die verbindliche und vieren Eltern mit Migrationshintergrund zur part­ strukturierte Kooperation von Kindertageseinrich­ nerschaftlichen Elternmitarbeit und unterstützen tungen und Schulen soll Aufnahme in die Konzepte Eltern aktiv bei der Gestaltung des Übergangs. der Jugendhilfeeinrichtungen und der schulischen Arbeit, z. B. in Schulprogrammen, fi nden;

■ die erforderlichen fi nanziellen Mittel für das päda­ gogische Personal zur Verfügung zu stellen, damit diese ihre besonderen Aufgaben im Übergang von der Kindertagesseinrichtung zur Grundschule erfüllen können; die Kommunen stellen sicher, dass die Vorgaben umgesetzt werden;

57 4.2.

Mitglieder

Leitung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Dr. Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Eva Maria Welskop-Deffaa Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berin Alpbek Föderation Türkischer Elternvereine Deutschland

Monika Baumgarten Pestalozzi Froebel Haus, Fachschule für Sozialpädagogik Berlin

Dr. Doris Bollinger Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales Bremen

Bernt-Michael Breuksch Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein- Westfalen

Rainer Brückers Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt e. V.

Silvia Burrini Caritaswerk Ludwigshafen

Wolfgang Dichans Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Kirsten Dick Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Dr. Christof Eichert Gemeinnützige Hertie-Stiftung

Dr. Hans Eirich Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen

Dr. Havva Engin Pädagogische Hochschule Karlsruhe

Prof. Dr. Lilian Fried Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Pädagogik der frühen Kindheit

Dr. Edgardis Garlin Zentrum für kindliche Mehrsprachigkeit e. V.

Friedlinde Hasenkrug Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland

Gundel Hessemer Arbeitskreis Neue Erziehung e. V.

Dr. Hans Rudolf Leu Deutsches Jugendinstitut

Prof. Dr. Gudula List Heilpädagogische Fakultät der Universität zu Köln

Uwe Lübking Deutscher Städte- und Gemeindebund

Dr. Michael Maier-Borst Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Gabriele Meier-Darimont Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Heike Pape Deutscher Städtetag

Maria Ringler Verein binationaler Familien und Partnerschaften e. V.

Mehtap Sanli Projekt Frühstart „Deutsch und interkulturelle Erziehung im Kindergarten“

Katharina Schäfer-Olejnik Bundesministerium des Innern

Antje Scharsich Bundesministerium für Bildung und Forschung

Thomas Schmidt Bundeskanzleramt

Dr. Guiseppe Scigliano Comitato degli Italiani all’Estero, Hannover

Dr. Monika Springer-Geldmacher Hauptstelle Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien Nordrhein-Westfalen

Marie-Luise Tigges Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e. V.

Prof. Dr. Rosemarie Tracy Universität Mannheim

Ilse Wehrmann Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder

Manfred Willhöft Deutscher Landkreistag

58 4.2.

59 60 Themenfeld 3: 4.3. „Gute Bildung und Ausbildung sichern, Arbeitsmarktchancen erhöhen“

Auftrag große Bandbreite des gesellschaftlichen, wirtschaft­ lichen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens Die Integration von Zuwanderern ist eine der großen vertreten. Die gesellschaftspolitische Zielsetzung der politischen und gesellschaftlichen Herausforde­ Verbesserung der Integration von Migrantinnen und rungen in Deutschland. Mit dem Integrationsgipfel Migranten und ihren Familien, die der Erarbeitung vom 14. Juli 2006, an dem Migrantinnen und Mig­ eines Nationalen Integrationsplans zugrunde liegt, ranten sowie Vertreter aller politischen Ebenen und kann nur erfolgreich verfolgt werden, wenn alle hier­ gesellschaftlichen Gruppen teilgenommen haben, für relevanten Akteure einbezogen und dazu gewon­ setzte die Bundesregierung den Auftakt zu einem nen werden. Dies sind fortlaufenden Dialog, als dessen Abschluss ein Natio­ naler Integrationsplan mit klaren Zielen, konkreten ■ die Menschen mit Migrationshintergrund selbst Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen als Grund­ und ihre Familien, lage einer nachhaltigen Integrationspolitik erarbeitet werden soll. ■ die Organisationen der Bildung, Wissenschaft und Ausbildung, die Träger der dualen Ausbildung Zur Vorbereitung des Nationalen Integrationsplans sowie die Unternehmen, wurde im September 2006 unter Leitung des Bundes­ ministers für Arbeit und Soziales die Arbeitsgruppe ■ Politik und Staat, die durch Recht, die Bereitstel­ „Gute Bildung und Ausbildung sichern, Arbeitsmarkt­ lung von Geld und das Aufl egen von Programmen chancen erhöhen“ (Themenfeld 3) eingerichtet, die auf verschiedenen Ebenen die Bedingungen der den Auftrag erhielt, konkrete Vorschläge zur Ver­ Integration verbessern können, und besserung der Bedingungen für Integration auf den Handlungsfeldern Bildung, Ausbildung und Arbeits­ ■ die zivilgesellschaftlichen Organisationen der Mig­ markt auszuarbeiten. Damit behandelte die Arbeits­ ranten, freien Träger, Gewerkschaften und Unter­ gruppe einen der Schlüsselbereiche für das Gelingen nehmerverbände etc., die durch ihr unterstüt­ sozialer Integration von Menschen mit Migrationshin­ zendes Hineinwirken in die Gemeinschaften der tergrund und ihrer Familien. Migrantinnen und Migranten ebenso wie in Schule, Ausbildung und Arbeit Prozesse der Integration Im Zeitraum von September 2006 bis März 2007 und die Überwindung von Barrieren zu befördern fanden sechs Sitzungen der Arbeitsgruppe statt. Der vermögen. Arbeitsgruppe gehörten 45 Mitglieder an, die eine

61 4.3. Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe und ihre Die Bereiche Bildung, Ausbildung und Arbeit sind Agenda entsprachen diesen Ausgangsüberlegungen. systematisch analysiert worden. Nach einer Bestands­ aufnahme des Ist-Zustandes der Integration wurden Die Beratungen der Arbeitsgruppe erfolgten in Problembereiche identifi ziert, Zielsetzungen benannt außerordentlich konstruktiver und kooperativer und erforderliche Veränderungen und Maßnahmen Atmosphäre und waren von der gemeinsamen Zielset­ zusammengestellt. Es war nur aufgrund der großen zung aller Mitglieder geprägt: Menschen mit Migra­ Disziplin der Teilnehmenden möglich, das anspruchs­ tionshintergrund sind mit allen Kräften in Bildung, volle Programmpensum der Arbeitsgruppe in dem Ausbildung und Arbeitsmarkt zu integrieren, keinem eng gesetzten Zeitrahmen tatsächlich zu bewältigen. Kind und Jugendlichen dürfen wegen seines aufent­ haltsrechtlichen Status Bildungschancen verweigert Hiermit legt die Arbeitsgruppe ihren Abschlussbe­ werden. Eine umfassende Integrationspolitik bedarf richt vor. Er enthält eine Vielzahl konzeptioneller auch eines entsprechenden rechtlich-organisato­ Handlungsvorschläge und selbstverpfl ichtender rischen Rahmens, ausländer- und sozialrechtliche Maßnahmen der jeweiligen Akteure zur Verbesserung Hürden, die die Realisierung von Maßnahmen des der Integrationsbedingungen in den Kernbereichen Nationalen Integrationsplans erschweren oder verhin­ Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt. Der Bericht dern, werden zu überprüfen sein. Die ökonomischen wurde in großem Einvernehmen aller Mitglieder der und kulturellen Potenziale von Zuwanderung sowie Arbeitsgruppe am 23. März 2007 verabschiedet. die differenzierten Kompetenzen und Leistungen der Migrantinnen und Migranten sind anzuerkennen. Parallel zum Abschlussbericht dokumentiert die Arbeitsgruppe die einzelnen schriftlichen Diskussi­ onsbeiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem gesonderten Band.

Ergebnisse von Förderkursen für Deutsch und von außerunter­ richtlichen Integrationsmaßnahmen bis zum Ausbau von Ganztagsschulen mit erweiterten Förderangebo­ 1. Integration und Bildung ten. Im Rahmen des Investitionsprogramms „Zukunft Bildung und Betreuung“ stellt der Bund den Ländern im Zeitraum 2003 bis 2009 insgesamt vier Milliarden 1.1. Bestandsaufnahme Euro für den Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen zur Verfügung. Im Zusammenhang mit dem 2005 in Für die soziale Integration von Migrantinnen und Kraft getretenen Tagesbetreuungs-Ausbaugesetz hat Migranten haben die Bereiche Bildung und Erziehung, der Bund den Kommunen Spielräume von jährlich Ausbildung und Arbeit sowie Familie eine wesentliche 1,5 Milliarden Euro für die Schaffung von 230.000 Bedeutung. Das Gelingen oder Misslingen der Integra­ qualifi zierten Betreuungsplätzen für Kinder unter tion in diesen Kernbereichen beeinfl usst die Integra­ drei Jahren zusätzlich eröffnet. tionschancen von Menschen mit Migrationshinter­ grund insgesamt und damit ihre Lebenschancen. Gleichwohl ist die Abhängigkeit des Bildungserfolges von sozialer Herkunft und Migrationshintergrund in Der Nationale Bildungsbericht 2006 hat dargelegt, Deutschland im internationalen Vergleich besonders dass mehr als ein Viertel der Kinder und Jugendlichen ausgeprägt. Zudem gelingt es hier offensichtlich im bildungsrelevanten Alter bis 25 Jahre in Deutsch­ weniger gut als in anderen Staaten, Schülerinnen land über einen Zuwanderungshintergrund verfügt und Schüler mit Migrationshintergrund systematisch (27,2 Prozent). In der Altersgruppe der unter Sechs­ und konsequent beim Erwerb der Verkehrssprache zu jährigen beträgt der Anteil fast ein Drittel. Die große unterstützen. Untersuchungen zeigen auf, dass die Heterogenität dieses Personenkreises nach Status und Beherrschung der deutschen Sprache vorrangig ist Zeitpunkt der Zuwanderung sowie nach ethnischer für den Schulerfolg und alle weitere darauf aufbau­ Zugehörigkeit und räumlicher Konzentration bedeu­ ende Teilhabe im berufl ichen und gesellschaftlichen tet eine große Herausforderung für die Integration Bereich. dieser Gruppe von etwa sechs Millionen Kindern und Jugendlichen in das Bildungssystem. Im Elementarbereich hat sich die Nutzung von Kin­ dertageseinrichtungen bei Kindern mit Migrations­ Bund, Länder und Kommunen haben vielfältige hintergrund in der Altersgruppe der über vierährigen Anstrengungen zur Integrationsförderung unternom­ weitgehend dem Anteil deutscher Kinder angeglichen. men: von sprachlicher Frühförderung in Kindertages­ In den jüngeren Altersgruppen bestehen hingegen stätten, Ausbau der Sprachdiagnostik, Einrichtung noch deutliche Unterschiede und nur ein Fünftel

62 4.3. der zweijährigen Kinder mit Migrationshintergrund ist dieser Anteil mit 20 Prozent eines Altersjahrgangs besucht eine Kindertageseinrichtung. Insbesondere besonders groß. bei Kindern mit Migrationshintergrund verbessert aber der möglichst frühzeitige Einbezug in die Förde­ Auf der Ebene des Unterrichts und der gezielten rung durch Kindertageseinrichtungen ihre späteren Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Mig­ Bildungschancen wesentlich. rationshintergrund liegen bislang kaum gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vor, welche Bereits am Ende der Primarstufe ist ein erheblicher Maßnahmen besonders wirksam sind. Zusätzlicher Leistungsrückstand bei Schülerinnen und Schülern Forschungsbedarf besteht hier zur Wirksamkeit mit Migrationshintergrund gegenüber ihren Mitschü­ unterschiedlicher Sprachförderungskonzepte sowie lerinnen und Mitschülern zu erkennen, der im inter­ zum Transfer erfolgreicher Ansätze der Integrations­ nationalen Vergleich besonders ausgeprägt ist. Eine förderung in den Schulalltag und zur Frage, wie die frühzeitige Aufteilung auf Schulformen erschwert interkulturellen Kompetenzen von Jugendlichen mit im weiteren Verlauf eine Integration und die Erfolgs­ Migrationshintergrund als positive Elemente in die chancen von Kindern aus sozial benachteiligten und Unterrichtsgestaltung eingebracht werden können. zugewanderten Familien. Kindern mit Migrationshin­ Dies schließt eine Weiterentwicklung der Curricula tergrund wird in der Grundschule signifi kant seltener mit ein. Zudem besteht erheblicher Qualifi zierungs­ eine Übergangsempfehlung zum Besuch von Real­ bedarf in der Aus- und Weiterbildung aller Lehrkräfte schulen und Gymnasien mit auf den Weg gegeben. Sie und des anderen pädagogischen Personals, um eine erhalten in der Grundschule bei gleichen Leistungen systematische und konsequente Vermittlung der Spra­ im Durchschnitt etwas schlechtere Noten. In der che in Wort und Schrift sowie eine Sprachförderung Sekundarstufe I lässt sich keine Benachteiligung bei über die gesamte Schuldauer hinweg und auch im der Leistungsbewertung feststellen. Fachunterricht zu gewährleisten.

Die Bildungsbeteiligung der Schülerinnen und Auf Seiten der betroffenen Schülerinnen und Schüler Schüler aus zugewanderten Familien ist in der und ihrer Eltern stellen eine oftmals überdurch­ Sekundarstufe I deutlich ungünstiger als jener ohne schnittlich hohe Lernmotivation und vergleichsweise Migrationsbiografi e. So besuchten im Jahr 2000 von positive Einstellung zur Schule wichtige Anknüp­ den 15-Jährigen ohne Migrationshintergrund knapp fungspunkte für alle Versuche zur Verbesserung der 17 Prozent eine Hauptschule und etwa 33 Prozent ein Bildungssituation der Kinder und Jugendlichen und Gymnasium, während in derselben Altersgruppe mit zur Überwindung von sozialen und innerfamiliären Zuwanderungshintergrund 32 Prozent in der Haupt­ Bildungsbarrieren dar. Auch in ihrer Mehrsprachig­ schule und 25 Prozent im Gymnasium waren. Für keit liegt ein hohes Potenzial. Kinder mit Migrationshintergrund liegt eine entschei­ dende Hürde für den Übergang in die Sekundarstufe I in der Beherrschung der deutschen Sprache: Bei glei­ 1.2. Zielbestimmungen cher Leseleistung reduziert sich die Benachteiligung dieser Gruppe erheblich. Gleichwohl besteht eine Entsprechend dieser Ausgangslage werden im Natio­ Ungleichheit der Chancen. nalen Integrationsplan Maßnahmen vereinbart, die sich auf folgenden Zielebenen bewegen: Schulen mit hohem Migrationsanteil arbeiten häufi g in einem sozialen Umfeld, das durch eine relative Deutschland braucht ein Bildungssystem, das Isolation und Ausgrenzung sozialer und ethnischer Chancen eröffnet, Potenziale entfaltet und Gruppen geprägt ist. Dauerhafte Segregation hat Bildungserfolge nicht von sozialer Herkunft Einfl uss auf das Lernverhalten und die Lernleistung. abhängig macht Es gibt Hinweise auf ein beträchtliches Ausmaß der Bildung in der allgemein bildenden Schule muss das Segregation: So zeigt PISA 2000, dass bundesweit etwa nötige Rüstzeug für eine sich anschließende beruf­ jede fünfte Hauptschule unter sehr problematischen liche Ausbildung (betrieblich, schulisch, akademisch) Bedingungen arbeitet. Jeder vierte Jugendliche mit vermitteln. Dazu gehören insbesondere die Kultur­ Migrationshintergrund besucht in der Sekundarstufe I techniken (Lesen, Schreiben, Rechnen), soziale Kom­ eine Schule, in der Schülerinnen und Schüler mit Mig­ petenzen und eine fundierte Berufsorientierung. rationshintergrund die Mehrheit stellen. Zum Kernbereich des staatlichen Erziehungs- und Bil­ Segregation wirkt sich auch auf Schulabschlüsse dungsauftrags gehört es, für alle Heranwachsenden in aus. Der Leistungsrückstand von Jugendlichen mit Deutschland das Recht auf allgemeine und berufl iche Migrationshintergrund gegen Ende der Schulpfl icht Bildung zu sichern, die freie Entfaltung der Persön­ ist in kaum einem PISA-Teilnehmerstaat so groß wie in lichkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern und Deutschland. Insgesamt verlassen doppelt so viele aus­ die Kinder und Jugendlichen in Orientierung an dem ländische Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Ziel der Chancengleichheit auf das gesellschaftliche Abschluss wie deutsche. Bei den ausländischen Jungen und berufl iche Leben vorzubereiten. Die Einlösung

63 4.3. dieses Verfassungsauftrages muss gerade auch gegen­ Vorrangig ist, die hohe Lernmotivation der Schüle­ über Schülerinnen und Schülern in benachteiligten rinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zu Lebenszusammenhängen gewährleistet werden. nutzen, die Misserfolgsquote deutlich zu senken und den Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migra­ Die Vermittlung von Bildung als entscheidendem tionshintergrund an weiterführenden Bildungsgän­ Schlüssel für eine gelingende Integration muss nach­ gen zu erhöhen. Maßnahmen zur Überwindung der haltig über ausreichende Ressourcen verfügen kön­ Koppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg nen, um den gewachsenen Bildungsanforderungen werden insbesondere die Bildungssituation von Mig­ zu entsprechen. Die mittel- und langfristig aufgrund rantinnen und Migranten verbessern. Es geht darum, der demografi schen Entwicklung und der damit ver­ eine frühzeitige Auslese möglichst zu vermeiden, bunden rückläufi gen Schülerzahlen frei werdenden längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen und Mittel sind für die Verbesserung der schulischen und die Durchlässigkeit innerhalb des Bildungssystems berufl ichen Bildung zu nutzen. aktiv zu steigern.

Bildung ist die wichtigste Ressource in Deutschland. Schulen verbessern – Benachteiligungen und Daher müssen konsequent die vorhandenen Poten­ Segregation aktiv begegnen ziale und Fähigkeiten aller Individuen genutzt und Der Entwicklung von Schulsituationen, in denen verbessert werden. Die noch immer bestehende Segregation und verschiedene Aspekte der Benach­ Koppelung der Bildungschancen und -verläufe mit teiligung kumulieren, muss entschlossen entge­ Merkmalen sozialer, sprachlicher und ethnischer gengewirkt werden. Besonders problematisch sind Herkunft muss durch ein konsequent auf individuelle Hauptschulen mit sehr geringen Übergangsquoten, Förderung gerichtetes Bildungssystem überwunden in denen die Schülerschaft oft in mehrfacher Weise werden. benachteiligt ist. Sofern sich diese belastenden Rah­ menbedingungen kurzfristig nicht verändern lassen, Bildung muss im frühen Kindesalter beginnen, um benötigen die betroffenen Schulen in erheblichem die Integrationschancen wirkungsvoll zu verbessern. Ausmaß zusätzliche Ressourcen und Unterstützung. Im Sinne einer systematischen und frühzeitigen Das lokale Bildungsmanagement der Kommunen Förderung gilt es, Kindertagesstätten als besonderen sowie dauerhafte Begleit- und Unterstützungssysteme Lernort weiterzuentwickeln und die Abstimmung mit können hier zur Qualitätsverbesserung beitragen. dem allgemeinen Bildungswesen zu intensivieren, ohne den spezifi schen sozialpädagogischen Anspruch Eine frühe individuelle Förderung sowie der deutliche zu vernachlässigen. Zur Erhöhung der Quote des Krip­ Ausbau von Ganztagsschulangeboten mit hoher päd­ pen- und Kindertagesstättenbesuches von Kindern agogischer Qualität schaffen neue Möglichkeiten der mit Migrationshintergrund insbesondere im Alter bis gezielten Förderung und schulischer Angebote zur zu vier Jahren sind der quantitative und qualitative Verbesserung der Bildungs- und Integrationserfolge. Ausbau entsprechender vorschulischer Bildungs- und In der Ganztagsschule liegen insbesondere für Kinder Betreuungsangebote erforderlich. Die Verpfl ichtung aus sozial benachteiligten oder bildungsfernen Eltern­ zum Besuch vorschulischer Einrichtungen mit der häusern große Chancen, Defi zite zu überwinden und Vollendung des dritten Lebensjahrs ist grundsätzlich sprachliche, kulturelle und soziale Fähigkeiten zu anzustreben. entwickeln.

Sprachsicherheit im Deutschen ist die entscheidende Eine bessere schulische Vorbereitung auf die Arbeits­ Voraussetzung für schulischen und vielfach auch welt durch Einbeziehung arbeitsweltbezogener berufl ichen Erfolg. Die kontinuierliche, systematische Inhalte ab der achten Klasse ist unverzichtbar. Zur und explizite Förderung der deutschen Sprache in Umsetzung beitragen können Kooperationen mit Wort und Schrift muss daher unabdingbar über die Betrieben und Unternehmen und mit den Gewerk­ gesamte Schullaufbahn hinweg und auch im Fachun­ schaften. Zur Verbesserung der Berufsorientierung terricht gewährleistet werden. Erforderlich hierfür ist und Beratung ist zudem eine stärkere Einbeziehung die sprachdidaktische Qualifi zierung und Weiterbil­ von Organisationen und Institutionen der Zivilgesell­ dung der Lehrkräfte aller Schulstufen und Fächer als schaft in den Schulablauf von erheblicher Bedeutung. vordringliche Aufgabe. In den kommunalen Netzwerken für Bildung, Integra­ tion und berufl iche Perspektiven müssen die Schulen Mehrsprachigkeit unter Einschluss der Herkunfts­ zentrale Akteure sein. sprache stellt daneben ein wichtiges Potenzial für das Individuum und die Gesellschaft insgesamt dar, das Potenziale der Jugendlichen fördern – Eltern­ es zu fördern gilt. Es sind geeignete Maßnahmen zu beteiligung verbessern und Eigenverantwortung erproben, wie der Mehrsprachigkeit im Schulalltag stärken angemessen Rechnung getragen werden kann, bei­ Die Förderung der Kinder und Jugendlichen mit Mig­ spielsweise durch bilinguale Schulformen. rationshintergrund schließt an ihre kulturellen und sprachlichen Erfahrungen an. Künftig wird es darauf

64 4.3. ankommen, noch mehr an ihre Stärken und Potenzi­ gabe der Förderung von Kindern und Jugendlichen in ale, z. B. ihre hohe Lernmotivation und ihre Fähigkeit, sprachlich und kulturell heterogenen Gruppen muss Sprachen zu lernen, anzuknüpfen. Die institutionelle systematisch erfolgen und integraler Bestandteil der Förderung der Kinder ist zu verstetigen. Ausbildung sein. Insbesondere kommt es darauf an, die Aus- und Fortbildung zu den Bereichen Förder­ Besonders hohe Bedeutung zur Unterstützung inte­ diagnostik, Sprachförderung, individuelle Förderung grativer Arbeit in der Schule kommt der Zusammen­ und Beurteilung von Fähigkeiten und Leistungen zu arbeit mit den Eltern zu. Gerade die Kooperation mit intensivieren und interkulturelle Kompetenz als Basis­ Eltern, die einen Migrationshintergrund aufweisen, kompetenz des pädagogischen Personals zu sichern. gilt es durch bessere Bildungsmöglichkeiten und Wie erfolgreich Kinder mit Migrationshintergrund aktive Einbeziehung in die schulischen Abläufe zu ver­ sind, hängt nicht nur von ihren Sprachkenntnissen stärken. Die notwendige Eigenverantwortung kann ab. Über ihren Bildungserfolg entscheiden auch die dadurch gestärkt, und Rückzugstendenzen entgegen­ Anerkennung ihrer besonderen Bidungsvorausset­ gewirkt werden. zungen und das Vertrauen der Lehrerinnen und Lehrer in die Fähigkeiten dieser Schülerinnen und Viele Eltern mit Migrationshintergrund sind bereit, Schüler. Entscheidend für den Bildungserfolg ist auch in erheblichem Maße in die Bildung ihrer Kinder zu der Abbau von stigmatisierenden Vorurteilen und investieren. Diese Bereitschaft sollte verstärkt genutzt Diskriminierungen. und, wo sie nicht vorhanden ist, gefördert werden, um sie als Partnerinnen und Partner für Bildung und Erziehung zu gewinnen und zu qualifi zieren. Ent­ 1.3. Vereinbarung von Maßnahmen und sprechende Informations-, Beratungs- und Bildungs­ Selbstverpfl ichtungen angebote sollten verstärkt werden, beispielsweise auch ergänzt um Sprachkursangebote der Schulen Zur Verfolgung dieser vereinbarten Ziele verpfl ich­ für Eltern. Darüber hinaus gilt es, Migrantenorgani­ ten sich die nachfolgend genannten Akteure der sationen stärker als Dialogpartnerinnen, Brückenbau­ Arbeitsgruppe „Gute Bildung und Ausbildung sichern, erinnen oder Bildungspaten auch zur Überwindung Arbeitsmarktchancen erhöhen“, im Rahmen ihrer familiärer Bildungsbarrieren zu beteiligen. jeweiligen Verantwortung folgende Maßnahmen als erste Schritte anzugehen bzw. zu unterstützen: Unterricht verbessern – Bildungsforschung intensivieren Kontinuierliche Sprachförderung für Kinder und Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der Jugendliche mit Migrationshintergrund sollte in der Bundesregierung (bzw. in der Regelungs­ Kindertagesstätte beginnen und über die gesamte zuständigkeit des Bundes) Schullaufbahn angeboten werden. Die Förderung der deutschen Sprache muss systematisch auch im ■ Um allen Kindern, Jugendlichen und Erwachse­ Fachunterricht stattfi nden und setzt eine adäquate nen die Möglichkeit zu geben, ihre Potenziale zu Qualifi zierung der Lehrkräfte durch entsprechende entwickeln, ihnen gleichwertige Bildungschancen Angebote in der Aus- und Weiterbildung voraus. und umfassende gesellschaftliche und kulturelle Bereits angewandte Maßnahmen der Sprachför­ Teilhabe zu sichern, den künftigen Fachkräftebe­ derung sollten systematisch auf ihre Wirksamkeit darf decken zu können und international konkur­ geprüft und erfolgreiche Ansätze wissenschaftlich renzfähig zu bleiben, spricht sich die Bundesregie­ weiterentwickelt, verbreitet und umgesetzt werden. rung dafür aus, Haushaltsmittel, die aufgrund der demografi schen Entwicklung und des Rückgangs Um Fragen der Förderung des Bildungserfolgs von der Bildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer Menschen mit Migrationshintergrund stärker als frei werden, für die Verbesserung der Bildung zu bisher an gesicherten Erkenntnissen erfolgreicher nutzen. Integration orientieren zu können, ist zusätzliche und fl ankierende Forschung notwendig, beispielsweise im ■ Die Bundesregierung unterstützt die Einrichtung Bereich des (Schrift-)Spracherwerbs und der interkul­ von Ganztagsschulen auch als wirksame Maß­ turellen Bildung. nahme zur Integration und wird das Investitions­ programm „Zukunft Bildung und Betreuung“ zur Darüber hinaus ist bei der Personalrekrutierung fi nanziellen Unterstützung des kontinuierlichen durch geeignete Maßnahmen der Werbung und Ein­ Ausbaus bis zum Jahre 2009 im vereinbarten stellung darauf hinzuwirken, dass deutlich mehr Per­ Umfang fortsetzen. sonen mit Migrationshintergrund für pädagogische Berufe gewonnen, qualifi ziert und eingestellt werden. ■ Zur Verringerung der Zahl von Schulabbrüchen führt die Bundesregierung ein Modellprogramm Die Qualifi zierung von pädagogischem Personal in „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ mit ESF-Förde­ Kindertageseinrichtungen und Schulen für die Auf­

65 4.3. verpfl ichtet sich, den Erfolg dieser Maßnahmen rung und lokalen Projektpartnerinnen und -part­ kontinuierlich zu prüfen und einen regelmäßigen nern durch, das sich vor allem auf Schülerinnen Informationsaustausch über Erkenntnisse und und Schüler an Hauptschulen konzentriert, um best practice einzuleiten. Für die Umsetzung der dauerhafte Verweigerinnen und Verweigerer wie­ sprachlichen Fördermaßnahmen prüfen die Länder der in die Schulen zu integrieren und ihre Chancen gegenwärtig Maßnahmen zur Qualifi zierung der auf einen Schulabschluss zu verbessern. Erzieherinnen und Erzieher. Sie verpfl ichten sich, ihre Entscheidungen in den regelmäßigen Informa­ ■ Die Bundesregierung wird im außerschulischen tionsaustausch aufzunehmen. Bereich bei „Schulen ans Netz“ ein Portal „LIFT – Lernen, Integrieren, Fördern, Trainieren“ unter­ ■ Es besteht Einigkeit darüber, allen Kindern, die stützen, das für Jugendliche Angebote zur Entwick­ Defi zite in der deutschen Sprache aufweisen, die lung von Medien- und Selbstlernkompetenzen, zur Förderung zukommen zu lassen, die ihnen eine Sprachförderung und zur interkulturellen Bildung gleichberechtigte Teilnahme an Unterricht und bereitstellt. Ziel ist die Förderung von Basiskom­ Bildung ermöglicht. Diese Aufgabe betrifft die petenzen, die für die Beschäftigungsfähigkeit und Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer. Die Kultus­ die Integration von Jugendlichen grundlegende ministerinnen und -minister verpfl ichten sich, Bedeutung haben. Zielgruppe sind insbesondere dass sprachunterstützende Maßnahmen in allen Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Schulformen und auf allen Schulstufen durch­ geführt werden, wenn entsprechender Bedarf ■ Im Rahmen der Gestaltung der neuen Gemein­ besteht. Gleichzeitig verpfl ichten sie sich, in den schaftsaufgabe von Bund und Ländern gemäß kommenden fünf Jahren die notwendigen Aus­ Artikel 91 b Abs. 2 GG unterstützt die Bundesregie­ bildungs- und Fortbildungsmaßnahmen vorzuse­ rung die Länder in den Bereichen Konzept- und hen, die es zukünftig allen Lehrkräften ermögli­ Instrumentenentwicklung und Bildungsforschung cht, ihren Sprachbildungsauftrag im Unterricht u. a. zu Fragen der Integrationsverbesserung und wahrzunehmen. interkulturellen Bildung. ■ Neben dem Erwerb der deutschen Sprache aner­ ■ Im Rahmen der Bildungsberichterstattung wird kennt die Kultusministerkonferenz die Bedeu­ über Fortschritte in der Integration von Jugend­ tung der Mehrsprachigkeit für alle Kinder und lichen mit Migrationshintergrund im Bildungssys­ Jugendlichen. Dies schließt die Herkunfts- oder tem regelmäßig Bericht erstattet. Familiensprachen der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein. Es sind geeignete Maßnahmen zu identifi zieren, die das Prinzip Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der der Mehrsprachigkeit im Schulalltag angemessen Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs­ verankern. Die Länder werden nach Abschluss zuständigkeit von Ländern und Kommunen) der laufenden Evaluierung des Modellprogramms „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Länder: Migrationshintergrund (FörMig)“ prüfen, inwieweit ■ Bildung als hohes gesellschaftliches Gut und ent­ erfolgreiche Handlungsansätze und Instrumente scheidender Schlüssel für eine gelingende Inte­ in das Regelsystem überführt werden können. Die gration muss über ausreichende fi nanzielle Mittel Kultusministerkonferenz verpfl ichtet sich, auf der verfügen können, um den gewachsenen Bildungs­ Grundlage der nationalen Bildungsberichterstat­ anforderungen zu entsprechen. Die Kultusminis­ tung in einen kontinuierlichen Meinungsaustausch terinnen und -minister werden sich in den Haus­ zur Förderung der Mehrsprachigkeit einzutreten. haltsberatungen ihrer Länder nachdrücklich dafür einsetzen, die demografi ebedingt frei werdenden ■ Die Kultusministerkonferenz ist daran interessiert, Mittel im Schwerpunkt für die Verbesserung von dass die Zusammenarbeit mit Eltern, die einen Mig­ Bildung zu nutzen. rationshintergrund aufweisen, verstärkt wird. Zur Unterstützung dieser Zusammenarbeit werden sich ■ Die Kultusministerkonferenz unterstützt jede die Ministerinnen und Minister in ihrer Zuständig­ Anstrengung, die zu einem quantitativen und keit für eine Verstetigung der Elternkurse einset­ qualitativen Ausbau der Betreuungsangebote in zen und sich gemeinsam mit den Migrantenver­ Kindertagesstätten führt. Eng aufeinander abge­ bänden um fi nanzielle und personelle Grundlagen stimmte Bildungs- und Erziehungspläne für Kitas für entsprechende Elterninitiativen bemühen. Die und Grundschulen sind in allen Ländern erstellt Kultusministerkonferenz strebt eine gemeinsame oder in Erarbeitung. Sprachtests vor der Einschu­ Erklärung mit Migrantenverbänden zur Zusam­ lung mit anschließender Förderung im Bedarfsfall menarbeit mit den Eltern an. werden zwischenzeitlich in allen Bundesländern durchgeführt. Die Kultusministerkonferenz

66 4.3. ■ Die Kultusministerinnen und -minister werden ■ Die Kultusministerinnen und -minister sind sich das von der Bundesregierung fi nanziell unter­ bewusst, dass Schulen mit einem hohen Anteil an stützte Ganztagsschulprogramm im beschlossenen Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter- Umfang bis zum Jahre 2009 fortsetzen und den grund auch einen höheren Aufwand betreiben Anteil der Ganztagsschulen kontinuierlich erhöhen. müssen, um Integrationsarbeit im erforderlichen Die Kultusministerkonferenz legt in regelmäßigen Umfang leisten zu können. Es besteht Einigkeit, Abständen einen statistischen Bericht über die dass für diese Schulen auch spezifi sche Mittel Entwicklung der allgemein bildenden Schulen in bereitgestellt werden, sei es durch Senkung der Ganztagsform vor. Daraus geht hervor, dass der Frequenzen, Erhöhung des Lehrpersonals oder Anteil der Schulen in Ganztagsform in allen Schul- Unterstützung der Lehrkräfte durch Schulso­ arten zugenommen hat, insbesondere aber im zialarbeit. Diese Schulen benötigen besonders Bereich der Grundschule. Darüber hinaus verpfl ich­ qualifi ziertes pädagogisches Personal. Dies wird ten sich die Ministerinnen und Minister, über den zum einen durch eine erhöhte Einstellung von erwünschten pädagogischen Erfolg der ganztä- Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern oder gigen Angebote regelmäßig zu berichten. Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen mit Migra­ tionshintergrund angestrebt, zum anderen durch ■ Unabhängig von den Unterschieden zwischen eine konsequente Fortbildung. Module zum Erwerb den Bundesländern ist die Anzahl der Wiederho­ interkultureller Kompetenzen sind in den neuen ler, der Schulabbrecher und der Schulabgänger Standards für die Ausbildung der Lehrkräfte bereits ohne Abschluss an deutschen Schulen insgesamt festgeschrieben. Die Kultusministerkonferenz wird zu hoch. Davon besonders betroffen sind Kinder sich dafür einsetzen, dass die dort beschriebenen und Jugendliche mit Migrationshintergrund und Maßnahmen zügig umgesetzt werden. innerhalb dieser Gruppe wiederum die Jungen und jungen Männer. Die Kultusministerkonferenz Kommunen: ist sich seit den ersten Ergebnissen der PISA-Studie Die kommunalen Spitzenverbände befi nden sich der- dieser Situation sehr bewusst und hat gemeinsame zeit noch im intensiven Austausch mit ihren Mitglie­ prioritäre Handlungsfelder entwickelt, um diesem dern und werden ihren Beitrag im weiteren Verfahren Zustand abzuhelfen. Kurzfristige Erfolge sind an darstellen. dieser Stelle nicht zu erwarten, da hier auch eine mentale Umstellung von einer nur leistungsbezo- Entsprechend der Beratungen in der Arbeitsgruppe genen auf eine auch den individuellen Förder- und wären u. a. folgende Aspekte zu berücksichtigen: Stützaspekt stärker berücksichtigende Schulkultur greifen muss. ■ quantitativer und qualitativer Ausbau der Kinder­ ganztagsbetreuung – frühe Förderung für Kinder ■ Die Kultusministerinnen und -minister haben sich darauf verständigt, die eingeleiteten Maßnahmen ■ Kommunales Schulmanagement/Vermeidung von zur Verringerung der Misserfolgsquoten in ihren Segregation Schulen kontinuierlich auf deren Wirksamkeit hin zu überprüfen und darüber regelmäßig zu berich- ■ Ausbau Ganztagsschulen ten. Sie verfolgen gemeinsam das Ziel, innerhalb der kommenden fünf Jahre die Abbrecher- und ■ Ausbau Jugendsozialarbeit Wiederholerquoten deutlich zu senken und die Angleichung der Quoten von Kindern und Jugend- ■ Kommunale Netzwerke für Bildung, Integration lichen mit Migrationshintergrund an den Gesamt- und berufl iche Perspektiven durchschnitt aller Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Einzelne Länder werden dazu Zielver­ einbarungen mit ihren Schulen schließen, andere Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen werden andere Maßnahmen erproben. Über die der nichtstaatlichen Institutionen und Wirksamkeit dieser Maßnahmen werden die Organisationen Länder sich regelmäßig austauschen. Gleichzeitig ist es gemeinsames Ziel aller Kultusminister und Organisationen von Menschen mit Kultusministerinnen, die Durchlässigkeit der beste- Migrationshintergrund: henden Schulsysteme aktiv zu fördern. Auch hier ■ Migrantenorganisationen und Elternverbände werden künftig die Übergangsquoten von Kindern beteiligen sich intensiv daran, Bildung und Qua­ und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sys­ lifi zierung einen höheren Stellenwert zu geben tematisch erfasst werden mit dem Ziel, ihre Zahlen und die Bildungsorientierung in Migrantenfami­ an die des Durchschnittes aller anderen Jugend­ lien zu stärken. Ziel ist es, ein bewusstes und gut lichen anzugleichen.

67 4.3. informiertes Begleiten der Jugendlichen durch ihre Bedarf. Künftig soll zudem angeboten werden, Eltern zu erreichen, um Kindern und Jugendlichen diese Förder- und Sprachangebote in Kooperation die volle berufl iche Integration in Deutschland zu mit Ganztagsschulen mit einem hohen Anteil an ermöglichen. italienischen Kindern (mind. zwölf) auch interes­ sierten deutschen und anderssprachigen Kindern ■ Die Organisationen von Migrantinnen und Mig­ als zusätzliches Angebot zu eröffnen. Als neues ranten sind bereit, durch entsprechende Vertrau- Instrument wird von italienischer Seite das Konzept enspersonen vor Ort aktiv Verantwortung als des „Tandemunterrichtes“ an Schulen erprobungs- Dialogpartnerinnen oder Bildungspaten zu über­ weise gefördert, wobei ein Teil des Regelunterrichts nehmen und als Vermittlerinnen zu wirken. der Klassenlehrer und Klassenlehrerinnen von muttersprachlichen Lehrkräften auf italienisch ■ Die Türkische Gemeinde in Deutschland führt begleitet wird. eine breit angelegte Bildungskampagne mit dem Ziel durch, die Beteiligung türkischstämmiger Wirtschaft: Eltern- und Schülervertreter und -vertreterinnen ■ Die Wirtschaft setzt sich kurzfristig für ein obliga­ in den Schulen deutlich zu steigern, den Anteil von torisches, beitragsfreies Vorschuljahr mit Sprach- Schulabgängerinnen und Schulabgängern ohne förderung in Kindertagesstätten ein, mittel- und Abschluss zu halbieren und die Zahl türkischstäm­ langfristig für einen obligatorischen Kindertages­ miger Schüler und Schülerinnen mit Mittlerem stättenbesuch ab drei Jahren. Einzelne Unterneh- Abschluss und mit Abitur deutlich zu verbessern. men und Verbände fördern heute bereits entspre­ chende gute Praxisbeispiele. ■ Im Rahmen dieser Kampagne für mehr Teilhabe und Bildungserfolg innerhalb der türkischstäm- ■ Das bundesweite SCHULEWIRTSCHAFT-Netzwerk, migen Bevölkerung soll das Bildungsbewusstsein das im Rahmen von 450 regionalen Arbeitskreisen durch Kooperation mit türkischsprachigen Medien Schulen und Betriebe zusammen bringt, vermit­ vermehrt werden, Eltern-Akademien in allen telt jeder interessierten Schule einen Partner- Bundesländern gegründet und 100 Bildungsbot­ betrieb. Ziel ist insbesondere eine verbesserte schafterinnen und -botschafter der Türkischen Ausbildungsreife, vor allem Berufsorientierung, Gemeinde in Deutschland als Multiplikatorinnen von Schülerinnen und Schülern auch mit Migra­ und Vermittler in den Bundesländern ernannt und tionshintergrund. Organisiert werden u. a. Schü­ qualifi ziert werden. ler- und Lehrerpraktika, Betriebserkundungen, gemeinsame Projekte. Die Wirtschaft setzt sich ■ Der Bund Spanischer Elternvereine stellt seine für ein breites Angebot an Praxisklassen ein, die Erfahrungen und Arbeitsmethoden in der För­ leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler derung von Mehrsprachigkeit und Schulerfolg individuell fördern und durch Betriebspraktika an von Migrantenkindern auch Migrantinnen und eine Ausbildung heranführen. Migranten aus anderen Ländern und ihren Organi­ sationen zur Verfügung. Die Deutsch-Hellenische ■ Betriebe informieren gezielt auch Schülerinnen Wirtschaftsvereinigung engagiert sich ebenfalls und Schüler und Eltern mit Migrationshintergrund für die Pfl ege und Förderung der bi- und multilin­ durch Veranstaltungen und Betriebserkundungen gualen Erziehung in Deutschland. über betriebliche Ausbildungsmöglichkeiten und Ausbildungsvoraussetzungen. Betriebe stellen Men- ■ Das CGIL-Bildungswerk e. V. wird die Erfahrungen torinnen und Mentoren – gerade auch solche mit seiner erfolgreichen schulischen Integrationsarbeit Migrationshintergrund als direkte Vorbilder – zur durch das Projekt „JUMINA – Junge Migranten in Verfügung, die Schülerinnen und Schüler informie- Ausbildung“ zur weiteren Realisierung anderen ren und im Unterricht auftreten. Schulämtern und Kommunen zur Verfügung stel­ len. Die Einrichtung einer Koordinationsstelle ist Gewerkschaften: fester Projektbestandteil, um Schulen, Schulämter, ■ Der DGB und die Gewerkschaften setzen sich für kommunale Einrichtungen, Betriebe, Kammern, interkulturelle Bildung sowie für eine verstärkte Arbeitsagenturen, Migrantenorganisationen, Schü- Toleranz- und Menschenrechtsbildung in allen lerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund Bildungseinrichtungen ein. Damit können Vor- und deren Eltern zu vernetzen. urteile abgebaut, Sensibilität gegenüber Minder­ heiten geschaffen und Integrationsmöglichkeiten ■ Der italienische Staat fördert über seine Konsulate verbessert werden. Gemeinsam mit Jugendverbän­ und Migrantenvereine Kinder und Jugendliche durch ergänzenden muttersprachlichen Unterricht und allgemeine Förderkurse nach Lernstand und

68 4.3. den führen sie, über die in einigen Bundesländern Stiftungen: bestehenden Netzwerke für Demokratie und Cour­ ■ Die Stiftung Mercator führt gemeinsam mit einer rage, Projektschultage und Fortbildungsveranstal­ Reihe von Partnerinnen und Partnern bundes­ tungen für Lehrkräfte durch. weit ein Projekt „Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund“ an ■ Der DGB und die Gewerkschaften setzen sich für 35 Standorten durch, das sich sowohl an Schüle­ die Einbeziehung arbeitsweltbezogener Inhalte in rinnen und Schüler der Sekundarstufe I + II, wie den Unterricht ein. Sie fördern Kooperationen zwi­ auch an Lehramtsstudierende und Förderlehrkräfte schen Schule und Arbeitswelt. Sie werden sich mit richtet. Projektziele sind sowohl die sprachliche ihren Kompetenzen in die – von der Arbeitsgruppe und fachliche Förderung junger Migrantinnen und vorgeschlagenen – kommunalen Netzwerke für Migranten als auch die sprachdidaktische Aus­ Bildung, Integration und berufl iche Perspektiven bildung des künftigen Lehrpersonals. Der für die einbringen. Migrantenjugendlichen kostenfreie individuelle Förderunterricht umfasst zwei bis vier Stunden pro ■ Der DGB und die Gewerkschaften teilen die Woche und kombiniert sprachliche mit fachlichen Auffassung der Arbeitsgruppe, allen Kindern und Lerninhalten. Die Stiftung Mercator stellt für dieses Jugendlichen – unabhängig vom aufenthalts­ Projekt 10 Millionen Euro zur Verfügung. rechtlichen Status – einen uneingeschränkten Zugang zu Bildungseinrichtungen zu gewähren. ■ Wirtschaftsnahe Stiftungen fördern gezielt auch Sie setzen sich dafür ein, dass Beschäftigte in den Schülerinnen und Schüler mit Migrationshinter­ Bildungseinrichtungen nicht verpfl ichtet werden grund, insbesondere hinsichtlich ihrer Sprach­ dürfen, den Aufenthaltsstatus abzufragen oder kompetenzen. Der Deutsche Arbeitgeberpreis für diesen an die Ausländerbehörden weiter zu leiten Bildung prämiert jedes Jahr Schulen, Hochschulen, und die Aufnahme in die Bildungseinrichtung zu Berufsschulen und Betriebe mit besonders heraus­ verweigern. ragenden Bildungsleistungen und macht diese als gute Beispiele bekannt. 2006 lag der Schwerpunkt ■ Der DGB und die Gewerkschaften setzen sich für bei der Förderung internationaler Kompetenzen. ein ganzheitliches Bildungskonzept ein, von der frühkindlichen Förderung bis hin zur Weiterbil­ Träger der Jugendsozialarbeit: dung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeit­ ■ Die Träger der Jugendsozialarbeit streben die nehmer. Sie entwickeln dazu Konzepte und führen Erhöhung des Anteils an Mitarbeiterinnen und Kampagnen (z. B. Offensive Bildung der IG BCE) Mitarbeitern mit Migrationshintergrund auch in durch. der Schulsozialarbeit an, um gemeinsam mit den Lehrenden die individuelle und soziale Entwick­ ■ Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft lung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund (GEW) unterstützt die integrationspolitischen in allen Maßnahmen besser fördern zu können. In Themen und Zielsetzungen auch in ihren Publika­ Modellprojekten an zwölf Standorten untersuchen tionen und wird auf eine rasche und umfassende die Jugendmigrationsdienste, welche Zugangs­ Weiterbildung der Lehrkräfte und sozialpäda­ wege und Methoden die Eltern besser in die gogischen Fachkräfte und der Erzieherinnen Schullaufbahn der Jugendlichen einbinden können. und Erzieher im Hinblick auf interkulturelle und sprachliche Kompetenzen dringen. Sie setzt sich Freie Wohlfahrtspfl ege: dafür ein, dass Lehrkräfte, die diesen Unterricht ■ Die Mitgliedsverbände der Bundesarbeitsgemein­ erteilen, vergütungsrechtlich nicht schlechter schaft der Freien Wohlfahrtspfl ege BAGFW setzen gestellt werden und damit wegen ihrer oder der sich für eine möglichst frühzeitige Förderung aller Nationalität ihrer Schülerinnen und Schüler nicht Kinder mit Migrationshintergrund ein. Dabei geht diskriminiert werden dürfen. es nicht allein um die Förderung der Sprachkompe­ tenz. Die Mitgliedsverbände der BAGFW setzen sich ■ Die GEW wird Multiplikatorinnen und Multiplika­ für einen quantitativen und qualitativen Ausbau toren für bundesweite Fortbildungsprogramme zu der Angebote für Bildung, Erziehung und Betreu­ interkulturellen Themen ausbilden und weiterhin ung für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr ein. über ihre Stiftung Vorhaben der Migrationsfor­ schung unterstützen, entsprechende Erkenntnisse ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW engagieren über ihre Publikationen verbreiten und sich dafür sich im Rahmen ihrer Jugendsozialarbeit – in den einsetzen, dass sie Eingang in die Aus-, Fort- und Jugendmigrationsdiensten, in der Schulsozialarbeit Weiterbildung für pädagogische Berufe fi nden. und in ihren Maßnahmen des betreuten Wohnens – sowie ihren Patenschaftsprojekten beim Übergang

69 4.3. der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Angeboten junger Migrantinnen und Migranten von Schule zu des Übergangssystems, die zu keinem anerkannten Ausbildung/Beruf. Berufsabschluss führen, ist im letzten Jahrzehnt um 44 Prozent auf knapp eine halbe Million gestiegen. ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW sagen zu, dass Ausländische Jugendliche sind im Übergangssystem die Jugendberufshilfe und die Jugendsozialarbeit stark überrepräsentiert. Angesichts der in den alten der Verbände die Bildungsanstrengungen von Bundesländern noch bis zum Jahr 2011 steigenden jugendlichen Migranten weiter begleiten und Schulentlasszahlen – und des Bestandes an Jugend­ unterstützen werden. lichen, deren Ausbildungsplatzsuche in den Vorjahren erfolglos war – ist eine Entspannung dieser Situation ■ Um informelle Bildungsprozesse bei Jugendlichen am Ausbildungsmarkt kurzfristig nicht zu erwarten. mit Migrationshintergrund zu stärken und ihre soziale Teilhabe zu unterstützen, werden sich Die Situation für ausländische Jugendliche am Ausbil­ die Mitgliedsverbände der BAGFW verstärkt dungsmarkt hat sich in den zurück liegenden Jahren bemühen, diese Jugendlichen in die Jugendver­ zusehends verschärft: Im Jahr 2005 hatten nur noch bandsarbeit und die Tätigkeit von Jugendinitiativen 67.600 Auszubildende eine nichtdeutsche Staatsange­ einzubeziehen. hörigkeit, 1994 waren es noch 126.000. Zwar war im gleichen Zeitraum auch die Zahl der ausländischen Jugendlichen rückläufi g, mit 16,3 Prozent in den ausbildungsrelevanten Jahrgängen war der Rückgang aber deutlich geringer. Ihr Anteil an den Auszubil­ 2. Integration und Ausbildung denden halbierte sich innerhalb von elf Jahren von 9,8 Prozent im Jahr 1994 auf 5,3 Prozent im Jahr 2005 (alte Länder). Fanden im Jahr 1994 noch 34 Prozent der 2.1. Bestandsaufnahme Jugendlichen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in den ausbildungsrelevanten Altersjahrgängen einen Die berufl iche Ausbildung hat eine sozial wie öko­ Ausbildungsplatz im dualen System, so waren es im nomisch wichtige Schlüsselstellung zwischen all­ Jahr 2005 nur noch 23,7 Prozent. Die Ausbildungsbe­ gemeinem Bildungssystem und dem Arbeitsmarkt. teiligung von deutschen Jugendlichen lag im selben Berufl iche Ausbildung ist wesentliche Basis für eine Jahr bei 57,5 Prozent. Besorgniserregend ist die Tatsa­ erfolgreiche Integration in Erwerbstätigkeit und für che, dass 41 Prozent der Altersgruppe der 25- bis unter die wirtschaftliche Nutzung aller Potenziale von Men­ 35-Jährigen in der Bevölkerung mit Migrationshinter­ schen mit Migrationshintergrund. grund keinen berufl ichen Bildungsabschluss haben (Personen ohne Migrationshintergrund 15 Prozent). Für Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit Mig­ Dieser Nachteil für die berufl iche Integration fordert rationshintergrund ergeben sich an dieser Schwelle die Politik zur Bündelung strategischer Gegenmaß­ zwei Problemkreise, die das Gelingen ihrer Integra­ nahmen auf. tion erschweren: Zum einen wirken die im Kapitel Integration und Bildung beschriebenen Mängel so, In der Ausbildungsförderung hat sich in den zurück­ dass ihre Ausgangsposition für einen Übergang in liegenden Jahrzehnten ein komplexes System unter­ Ausbildung deutlich schlechter ist als die der Jugend­ schiedlicher öffentlich fi nanzierter Hilfen zum Über­ lichen ohne Migrationshintergrund. Zum anderen gang in Berufsausbildung entwickelt, das häufi g nur verschärft der seit Jahren anhaltende Angebotsman­ noch für Expertinnen und Experten zu überschauen gel am Ausbildungsmarkt den Wettbewerb unter den ist. Während das Segment berufsvorbereitender Bil­ Bewerberinnen und Bewerbern. In der Folge vergrö­ dungsmaßnahmen vor Kurzem übersichtlicher gestal­ ßert sich der Nachteil geringerer formaler Schulab­ tet und von Verzögerungen und inhaltlichen Über­ schlüsse, es wirken aber auch mögliche Vorbehalte bei lappungen befreit wurde, hat die angespannte Lage der Einstellungsentscheidung stärker als in einer aus­ am Ausbildungsstellenmarkt zusätzliche Maßnah­ geglichenen Marktsituation. So weisen verschiedene mearten an der Übergangsschwelle zwischen Schule Untersuchungen darauf hin, dass Jugendliche mit und Ausbildung entstehen lassen. Hier ist dringend Migrationshintergrund trotz gleicher Schulabschlüsse eine auf Straffung gerichtete Gesamtkonzeption des oder Leistungen in Mathematik geringere Chancen Systems der Übergangshilfen geboten, die Reibungs­ haben eine Ausbildungsstelle zu bekommen. Je höher verluste beim Einsatz der Maßnahmen vermeidet, die der Schulabschluss, desto größer ist die Differenz bei Transparenz erhöht und langfristig auf die Einglie­ den Chancen. derung der berufl ichen Integrationsförderung in das Gesamtsystem von Bildung und Ausbildung gerichtet Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund mündet ist. Gerade betriebliche Angebote überzeugen durch jeder zweite mit Hauptschulabschluss und jeder vierte ihre praxisnahe und bedarfsgerechte Ausgestaltung mit Realschulabschluss zunächst in einer schulischen beim Übergang in Ausbildung oder Beschäftigung. oder berufsvorbereitenden Maßnahme. Die Zahl Insbesondere betriebliche Einstiegsqualifi zierungen

70 4.3. belegen dies mit überdurchschnittlich hohen Über­ an die Betriebe ändern und daher die Einstellung von gangsquoten in Ausbildung (auch bei den Jugend­ mehr Personal mit interkultureller Kompetenz und lichen mit Migrationshintergrund) und einer Steige­ Mehrsprachigkeit auch Chancen eröffnet. Daher ist rung der Ausbildungsleistung bei den teilnehmenden es erforderlich, Qualifi zierungen zur interkulturellen Betrieben. Solche Angebote müssen daher gestärkt Kompetenz in den entsprechenden Berufsausbildungs­ werden. und Weiterbildungsregelungen vorzusehen.

Auch Maßnahmen, die frühzeitig bereits in der Schule Ein zweiter Ansatzpunkt ergibt sich dort, wo poten­ ansetzen, haben sich als erfolgreich für den Übergang zielle Ausbildungsbetriebe aus Unsicherheit von der von der Schule in Ausbildung erwiesen. Hierzu gehö­ Einstellung von Auszubildenden mit Migrations­ ren z. B. die Modelle der Praxis- bzw. Kooperationsklas­ hintergrund absehen. Betriebliche Rekrutierungs­ sen, die durch eine individuelle Förderung leistungs­ strategien und Auswahlverfahren berücksichtigen schwacher Schülerinnen und Schüler und betriebliche noch zu wenig die Ressourcen der Jugendlichen mit Praktikumsphasen einen Schulabschluss sicherstellen Migrationshintergrund. Hier ist die Kompetenz des und die Aussichten auf einen Ausbildungsplatz deut­ Ausbildungspersonals im Umgang mit diesem Per­ lich verbessern. sonenkreis zu stärken. Dafür sollen insbesondere die öffentlichen Angebote zur Stabilisierung betrieblicher Ausbildungsverhältnisse und zur Absicherung des 2.2. Zielbestimmungen Ausbildungserfolges intensiver genutzt werden.

Entsprechend dieser Ausgangslage werden im Natio­ Horizonte der Berufswahl und der Ausbildungs­ nalen Integrationsplan Maßnahmen vereinbart, die beteiligung von Jugendlichen mit Migrations­ sich auf folgenden Zielebenen bewegen: hintergrund erweitern Schulisch erworbene Zertifi kate können an der Zahl der Ausbildungsmöglichkeiten für Schwelle zur Ausbildung nur noch hilfsweise nachge­ Bewerberinnen und Bewerber mit Migrations­ bessert werden, insbesondere dann, wenn ein forma­ hintergrund erhöhen ler Schulabschluss ganz fehlt. Auf Seiten der Ausbil­ Das Fehlen von Ausbildungsstellen hat bereits zu dungsbewerberinnen und -bewerber ergeben sich zahlreichen Anstrengungen und einigen Erfolgen bei Einschränkungen aber auch jenseits ihrer schulischen der Erhöhung des Ausbildungsplatzangebotes geführt. Abgangszeugnisse. Es ist wichtig, ihren Blickwinkel Alle Maßnahmen zur Erhöhung des Gesamtangebotes für das Berufswahlspektrum zu erweitern und damit verbessern auch die Chancen von Jugendlichen mit die frühzeitige Orientierung auf eine eigenständige Migrationshintergrund, weil eine Verminderung des Berufs- und Erwerbsbiographie zu richten, insbeson­ Konkurrenzdrucks die oben beschriebenen Nachteile dere bei jungen Frauen mit Migrationshintergrund. tendenziell in ihrer Wirkung abschwächt. Alle Maß­ Wesentliche Ansätze für diese Zielbestimmung nahmen zur Erhöhung des Gesamtangebotes müssen ergeben sich im Zusammenwirken von Schule, Berufs­ unverändert und wenn möglich verstärkt auch in den beratung, Migrationsberatung und Elternhaus. Eine kommenden Jahren fortgesetzt werden. Die Erfah­ intensive und den Adressatenkreis bewusst und früh­ rungen aus dem Ausbildungspakt werden berücksich­ zeitig ansprechende Berufsorientierung bereitet den tigt. Möglichkeiten zur Ausweitung des Angebotes an Boden für ermutigende und den Horizont erweiternde Ausbildungsstellen für Bewerberinnen und Bewerber Beratungsgespräche. mit Migrationshintergrund ergeben sich aus zwei Handlungsansätzen: Die aktive Beteiligung der Eltern bei der Erschließung einer möglichst breiten Berufswahlpalette kann Zum einen gilt es, Ausbildungsbetriebe, die noch nicht insbesondere in Familien mit Migrationshintergrund oder in zu geringem Maße Ausbildungschancen für positive Wirkung entfalten. Hier gilt es, unter Einbe­ junge Menschen mit Migrationshintergrund eröffnen, ziehung der ethnischen Medien und Kommunikati­ für eine Ausweitung ihres Angebotes zu gewinnen. onswege, die geeigneten Formen der Kommunikation Hier sind auch Unternehmerinnen und Unternehmer und Information über das komplexe Ausbildungssys­ mit eigenem Migrationshintergrund anzusprechen, tem in Deutschland zu fi nden und Selbstvertrauen zu die bisher nicht ausbilden, aber auch – insbesondere vermitteln, um der häufi g vorhandenen Skepsis über größere – Unternehmen, die nur einen geringen die eigenen Möglichkeiten zur berufl ichen Integra­ Anteil von Auszubildenden mit Migrationshinter­ tion entgegen zu wirken. Hierfür ist auch die Kompe­ grund eingestellt haben. tenz der Maßnahmeträger im Umgang mit jugend­ lichen Migrantinnen und Migranten zu stärken und Zum andern besteht im Öffentlichen Dienst diesbe­ die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen züglich Nachholbedarf. Für alle privaten und öffent­ zu optimieren. Bei der Entwicklung neuer und der lichen Ausbildungsbetriebe gilt, dass sich durch die Fortentwicklung bestehender Berufsbilder sind die zunehmende Vielfalt der Bevölkerung und die weitere Kompetenzen von Menschen mit Migrationshinter­ Internationalisierung der Märkte die Anforderungen grund als Potenziale mit einzubeziehen.

71 4.3. Öffentliche Übergangshilfen passgenau einsetzen und zielgruppenorientiert weiter entwickeln verbänden eine Initiative „Aktiv für Ausbildungs- Die öffentlich fi nanzierten Maßnahmen der Aus­ plätze“ durch. Ziel ist es, bis zum Jahr 2010 bis zu bildungsförderung müssen sowohl für Jugendliche 10.000 neue Ausbildungsplätze in Unternehmen und ihre Eltern als auch für die ausbildenden und an mit Inhaberinnen und Inhabern ausländischer Ausbildung interessierten Betriebe transparent sein. Herkunft zu gewinnen. Als Initialzündung fi nden Sie müssen die Vermittlung zwischen beiden Seiten bis Frühjahr 2007 in acht Großstädten Regionalkon­ unterstützen, insbesondere dort, wo es gilt, vorhan­ ferenzen statt. dene Schwächen auf der Seite der Bewerberinnen und Bewerber zu kompensieren und Unsicherheiten über ■ Die Bundesregierung fördert in ihrem neuen ESF- die Erfolgsaussichten auf der Seite der Ausbildungs­ geförderten Programm „Jobstarter“ die Gewinnung betriebe abzubauen. Hierfür ist konsequent auch die zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze sowie Kompetenz der Maßnahmeträger zum Umgang mit die Verbesserung der regionalen Ausbildungsstruk­ jugendlichen Migrantinnen und Migranten zu stärken turen. Dabei werden besonders kleine und mittlere und die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisati- Unternehmen einbezogen. Die Gewinnung von onen zu intensivieren. Deutschland muss die Poten- Unternehmen mit Inhaberinnen und Inhabern ziale aller Jugendlichen nutzen und alle verfügbaren ausländischer Herkunft, die bisher wenig oder gar Mittel zu diesem Zweck effektiv und effi zient einset­ nicht ausbilden, wird mit der „Koordinierungs­ zen. Erforderlich sind mehr fl ankierende Unterstüt­ stelle Ausbildung in Ausländischen Unternehmen“ zungsangebote für betriebliche Berufsvorbereitung (KAUSA) als eigener Programmbereich in das neue und Ausbildung, um betriebliche Qualifi zierungsan- Förderprogramm integriert. Der Etat für dieses gebote für leistungsschwächere Jugendliche verstärkt Programm wird noch einmal aufgestockt. generieren zu können. Auch müssen frühzeitig För­ derinstrumente eingesetzt werden, um Schulabbruch ■ Die Bundesregierung wird öffentlichkeitswirksame zu verhindern und die Übergangschancen in Ausbil- Gemeinschaftsveranstaltungen mit Menschen mit dung zu verbessern. Die fl ächendeckende Einführung Migrationshintergrund (Betriebsinhaberinnen von Praxis- bzw. Kooperationsklassen zur Förderung und Betriebsinhabern, Jugendlichen, Eltern, leistungsschwacher Schüler ist zu prüfen. Vertreterinnen und Vertretern von Migranten­ gruppen) zur Erhöhung des Angebotes betrieb­ licher Ausbildungsplätze in Migrantenbetrieben 2.3. Vereinbarung von Maßnahmen und und für Jugendliche mit Migrationshintergrund Selbstverpfl ichtungen durchführen. Durch entsprechende Begleitung und Publikation in den Medien, die bevorzugt von Zur Verfolgung dieser vereinbarten Ziele verpfl ich- Migrantinnen und Migranten genutzt werden, soll ten sich die nachfolgend genannten Akteure der ein entsprechender Multiplikationseffekt erzielt Arbeitsgruppe „Gute Bildung und Ausbildung sichern, werden. Arbeitsmarktchancen erhöhen“, im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortung folgende Maßnahmen als ■ Die Bundesregierung wird sich in ihrem Rege­ erste Schritte anzugehen bzw. zu unterstützen: lungszuständigkeitsbereich (Bundesressorts und nachgeordnete Behörden) für eine systematische Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der Erhöhung der Zahl von Auszubildenden mit Migra- Bundesregierung (bzw. in der Regelungs­ tionshintergrund einsetzen und den Gesamtanteil zuständigkeit des Bundes) und der Bundesagentur der Ausbildungsplätze an den sozialversicherungs­ für Arbeit (BA) pfl ichtig Beschäftigten des Bundes auf sieben Prozent festschreiben. Bundesregierung: ■ Die Bundesregierung wird sich gemeinsam mit der ■ Die Bundesregierung plant zwei Aktivitäten in Wirtschaft im „Nationalen Pakt für Ausbildung der Nachfolge ihrer Förderpolitik zur berufl ichen und Fachkräftenachwuchs“ schwerpunktmäßig Qualifi zierung für Zielgruppen mit besonderem für die Verbesserung der Ausbildungsplatzsitu- Förderbedarf (BQF-Programm). Dabei werden ation von Jugendlichen einsetzen. Von den von zwei Schwerpunkte mit besonderem migrati­ der Wirtschaft zugesagten 60.000 neuen Ausbil­ onsspezifi schen Gewicht gesetzt: Zum einen die dungsplätzen sowie 40.000 Plätzen im Rahmen Verbesserung des Übergangs von der Schule in die des Sonderprogramms zur Einstiegsqualifi zierung Ausbildung durch die Kooperation aller Akteure im sollen Jugendliche mit Migrationshintergrund in regionalen Kontext und die Abstimmung entspre­ besonderem Maße profi tieren. chender Maßnahmen. Zum anderen die Nachquali­ fi zierung junger un- und angelernter Erwachsener. ■ Die Bundesregierung führt gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und deutsch-ausländischen Unternehmer­

72 4.3.

■ Der ESF-geförderte regionale Modellansatz „Beruf­ ■ Die Bundesregierung wird die Förderung aus­ liche Qualifi zierungsnetzwerke für Migrantinnen ländischer Auszubildender mit Berufsausbil­ und Migranten (BQN)“ ist mit dem Schwerpunkt dungsbeihilfe und BAföG ausweiten, insbeson­ eines gezielten und frühen Übergangsmanage­ dere für Jugendliche mit Aufenthaltsrecht und ments Schule – Beruf auf weitere Regionen zu Bleibeperspektive. übertragen. ■ Im Zusammenhang mit einer Ausweitung von ■ Die Bundesregierung stockt das erfolgreiche Berufsorientierungsmaßnahmen sollen Mento- Sonderprogramm zur Einstiegsqualifi zierung, das rinnen und Mentoren Jugendliche bereits ab der gemessen am Gesamtanteil in der Bevölkerung achte Klasse der Hauptschule bis zur Verfestigung überdurchschnittlich von Jugendlichen mit Migra­ einer Ausbildungsaufnahme bedarfsgerecht tionshintergrund genutzt wird, auf 40.000 Plätze begleiten. auf und stellt die Förderung dieser Zahl auch für die kommenden drei Jahre sicher. ■ Für junge Frauen mit Migrationshintergrund, denen Vorbilder bei der berufl ichen Orientierung ■ Das ESF-Modellprogramm „Kompetenzagenturen“ oft fehlen, bietet das Projekt „network.21“ ein Men­ wendet sich an Jugendliche, die besonders gra­ toringprogramm zur individuellen Arbeitsmarkt- vierende Probleme haben, nach der Schule einen und Karriereorientierung an. Dabei sollen unter berufl ichen Anschluss zu fi nden und vom beste­ anderem die interkulturellen Kompetenzen als henden System der Hilfsangebote nicht erreicht spezifi sche Ressource für die Eingliederung in den werden. Case Manager organisieren ein für die Arbeitsmarkt genutzt werden. individuelle Lebenssituation der oder des Jugend­ lichen „maßgeschneidertes“ Angebot von Hilfen ■ 2007 und 2008 wird an zwölf Standorten ausbil­ aus unterschiedlichen Bereichen. Die im Jahr 2006 dungsorientierte Zusammenarbeit mit Eltern als ausgewählten Kompetenzagenturen werden 2007 besonderer, neuer Baustein im Jugendmigrations­ auf insgesamt 200 ausgeweitet. dienst erprobt. Zielsetzung des Modellvorhabens ist es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie über ■ Die Bundesregierung fördert im Rahmen eines die bisher geleistete Zusammenarbeit mit Eltern ESF-geförderten Programms „Lernende Regio­ hinaus eine „ausbildungsorientierte Elternarbeit“ nen – Förderung von Netzwerken“ den Auf- und die Erziehungskompetenz der Eltern wirkungsvoll Ausbau bildungsbereichs- und trägerübergreifen­ unterstützt und damit die schulische und beruf- der Netzwerke auf regionaler Ebene, insbesondere liche Integration der Kinder und Jugendlichen zur Verbesserung des Übergangs von der Schule in gefördert werden. Ausbildung und Beruf sowie zur gezielten Förde­ rung von Migrantinnen und Migranten. ■ Im Rahmen des jährlichen Berufsbildungsbe­ richts wird über Fortschritte in der Integration ■ Die Bundesregierung wird die Festschreibung von von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Qualifi kationen interkultureller Kompetenz in Ausbildung regelmäßig Bericht erstattet. Maßnah- Regelungen der Erstausbildung und Weiterbildung men der Partner im „Nationalen Pakt für Ausbil­ anstreben. dung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland 2007 – 2010“ werden im Rahmen der Bilanzierung ■ Die Bundesregierung, die Wirtschaft und die BA durch die Agenturen für Arbeit und die Kammern prüfen die Aufnahme binationaler Programme in in ihrer Umsetzung beobachtet. das Arbeitsförderungsrecht. Bundesagentur für Arbeit: ■ Die Bundesregierung wird die Aufnahme orga­ ■ Anhand von Leistungsbeschreibungen ausgewähl­ nisatorischer Unterstützung betrieblicher Ausbil­ ter ausbildungsmarktpolitischer Instrumente wird dungsvorbereitung und Ausbildung zugunsten von die Bundesagentur für Arbeit mit dem Netzwerk benachteiligten Jugendlichen in das Arbeitsförde­ „Integration durch Qualifi zierung“ spezifi sche Qua­ rungsrecht vorschlagen. litätsanforderungen an Maßnahmen für Menschen mit Migrationshintergrund diskutieren. Dabei wird ■ Die Bundesregierung legt ein aus ESF-Mitteln auch die Frage der Qualitätssicherung erörtert. gefördertes dreijähriges Programm „Passgenaue Parallel dazu wird auch der Erfahrungshinter- Vermittlung Auszubildender an ausbildungswil­ grund der Gemeinschaftsinitiative EQUAL genutzt. lige kleine und mittlere Unternehmen“ auf. Damit Zur Abrundung der Entwicklungsarbeit werden sollen auch die Ausbildungsbereitschaft von Fachleute aus Agenturen mit hohen regionalen Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhabern und Migrationsanteilen beitragen. die Ausbildungsstellenchancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund erhöht werden.

73 4.3. (KMK) hat sich darauf verständigt, diesem Aspekt ■ Die BA intensiviert die Zusammenarbeit im der berufsbezogenen Sprachförderung besondere Netzwerk mit den Migrantenorganisationen, den Aufmerksamkeit zu schenken. Sie wird den Umfang Jugendmigrationsdiensten (JMD), den Migrations­ und die Wirksamkeit der bisher durchgeführten erstberatungen (MEB), dem Netzwerk IQ, den Maßnahmen ebenso überprüfen wie die Qualifi ­ Regionalkoordinatoren (ReKos) des Bundesamts zierung des Personals hinsichtlich der besonderen für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie den Herausforderungen in Klassen mit einem hohen Jugendämtern und den kommunalen Angeboten. Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

■ Die BA wirkt darauf hin, dass die Geschäfts­ ■ Die Kultusministerinnen und -minister sind sich führungen der ARGEN/Agenturen für Arbeit in bewusst, dass auch berufsbildende Schulen mit getrennter Trägerschaft den Zuweisungsprozess einem hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen zum Integrationskurs nachhaltig verfolgen und mit Migrationshintergrund Unterstützung benö­ ergänzende Sprachförderung mit Komponenten tigen, um Integrationsarbeit im erforderlichen wie praxisbezogenem Unterricht oder berufsorien- Umfang leisten zu können. Es besteht Einigkeit, tiertem Praktikum als Bestandteil verbinden. dass auch für diese Schulen spezifi sche Mittel bereitgestellt werden, sei es durch Senkung der Fre- ■ Die BA wird die außerbetriebliche Ausbildung quenzen, Erhöhung des Lehrpersonals oder Unter- Benachteiligter auf mindestens gleicher Höhe wie stützung der Lehrkräfte durch Schulsozialarbeit. 2006 fortsetzen und berufsvorbereitende Bildungs- Diese Schulen benötigen besonders qualifi ziertes maßnahmen auf hohem Niveau fortführen. pädagogisches Personal. Dies wird zum einen durch eine erhöhte Einstellung von Lehrkräften ■ Die BA wird im Herbst 2007 zur weiteren Ent­ oder Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen mit lastung des Ausbildungsmarktes und zur Ver- Migrationshintergrund angestrebt, zum anderen besserung der Situation von Jugendlichen mit durch eine konsequente Fortbildung. Migrationshintergrund einmalig zusätzlich zur ursprünglichen Planung 7.500 außerbetriebliche ■ Sprachfördermaßnahmen werden auch in den Ausbildungsplätze für diesen Personenkreis bis berufl ichen Schulen angeboten, wenn der Bedarf zum Ende der Ausbildung fi nanzieren. besteht. Gleichzeitig gilt analog zu den allgemein bildenden Schulen der Sprachbildungsauftrag für ■ Die BA wird ausbildungsbegleitende Hilfen auswei­ die Lehrkräfte aller Fächer und ebenso die Ver­ ten, insbesondere auch zugunsten Jugendlicher mit pfl ichtung der Kultusministerinnen und -minis- Migrationshintergrund. ter, die entsprechenden Fortbildungsangebote bereitzustellen. Die Erfahrungen des Modellpro- ■ Die BA wird bei Bedarf die betriebliche Einstiegs­ gramms FÖRMIG zur Sprachförderung am Über­ qualifi zierung im Falle von lernbeeinträchtigten gang von der Schule in den Beruf werden dabei und sozial benachteiligten Jugendlichen mit sozial­ berücksichtigt. pädagogischer Begleitung fl ankieren. ■ Die Mehrsprachigkeit der Jugendlichen gewinnt in ■ Die BA verstärkt ihr Angebot an Informationsma­ der Phase der Ausbildung eine besondere Bedeu­ terial in den Herkunftssprachen und macht dies tung. Sie soll, wo immer dies möglich ist, berufs­ über Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der bezogen weiterentwickelt werden und zu einer Migrationsberatung bekannt. Stärkung der Auszubildenden in ihren künftigen Arbeitsbereichen führen. ■ Die BA wird bei vorliegender Kofi nanzierung zur Verbesserung der Berufsorientierung und Ausbil­ ■ Die Kultusministerkonferenz hat sich im „Natio­ dungsreife von Schulabgängerinnen und Schulab­ nalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenach­ gängern die frühzeitige und verstärkte Berufsorien­ wuchs“ verpfl ichtet, für ein verbessertes Über­ tierung ausweiten. gangsmanagement von der Schule in den Beruf einzutreten, Ausbildungsreife und Berufsorientie­ rung in der allgemein bildenden Schule angemes- Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der sen vorzubereiten und hierbei insbesondere die Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs- Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei ihrer zuständigkeit von Ländern und Kommunen) Suche nach einem Ausbildungsplatz zu unter­ stützen. Dazu gehört der verstärkte Einbezug der Länder: Praxis in den Schulalltag und die Einrichtung von ■ In den Berufl ichen Schulen ist in besonderer Weise Praxis- bzw. Kooperationsklassen zur frühzeitigen für die Ausbildung der Fach- und Berufssprache Förderung leistungsschwacher Schülerinnen und Sorge zu tragen. Die Kultusministerkonferenz Schüler.

74 4.3. Entsprechend der Beratungen in der Arbeitsgruppe wäre zudem folgender Aspekt zu berücksichtigen: betriebliche Ausbildung anzustreben. Dabei sollen Jugendliche mit Migrationshintergrund ■ Länder als Arbeitgeber: Erhöhung der Zahl von in besonderem Maße profi tieren. Auszubildenden mit Migrationshintergrund ■ Die Industrie- und Handelskammern bieten eine Kommunen: spezielle Ausbildungsberatung für ausländische Die kommunalen Spitzenverbände befi nden sich der- Unternehmen und führen Ausbildungsinformati­ zeit noch im intensiven Austausch mit ihren Mitglie­ onsveranstaltungen für ausländische Jugendliche dern und werden ihren Beitrag im weiteren Verfahren durch. darstellen. ■ Die Handwerkskammern schulen ihre Ausbil- Entsprechend der Beratungen in der Arbeitsgruppe dungsberater zur gezielten/bedarfsorientierten wäre u. a. folgender Aspekt zu berücksichtigen: Beratung von Unternehmern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. ■ Kommunen als Arbeitgeberinnen: Erhöhung der Zahl von Auszubildenden mit Migrations­ ■ Die Industrie- und Handelskammern sowie die hintergrund Handwerkskammern bewerben die neuen Möglich­ keiten des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) für eine Teilabsolvierung der Ausbildung im Ausland und Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen unterstützen die Unternehmen bei entsprechenden der nichtstaatlichen Institutionen und Fragestellungen. Organisationen ■ Die Industrie- und Handelskammern nutzen Organisationen von Menschen mit die Möglichkeiten des neuen EU-Berufsbil- Migrationshintergrund: dungsprogramms zur Durchführung von ■ Die Deutsch-Hellenische Wirtschaftsvereinigung Verbundausbildungen. (DHW) motiviert durch eine gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit griechische Unterneh­ ■ Die Arbeitgeberverbände setzen sich für die merinnen und Unternehmer zur Ausbildungsbetei­ verstärkte Nutzung betrieblicher Maßnahmen ligung. Über die Aktivitäten und Erfahrungen des zur Berufsvorbereitung und von Maßnahmen zur Jobstarter-Projektes NEOXEKINIMA wird gleich- Einstiegsqualifi zierung Jugendlicher (EQJ) ein, an zeitig die Ausbildungsbeteiligung griechischer denen bereits überdurchschnittlich Jugendliche Unternehmen erhöht. Die DHW wird sich bei mit Migrationshintergrund teilnehmen. erfolgreicher Durchführung dieses Projektes für die Nachhaltigkeit und den Transfer bundesweit ■ Die BDA wirbt bei Betrieben für die verstärkte einsetzen. Berücksichtigung der Fähigkeiten von Migran­ tinnen und Migranten, z. B. ihrer interkulturellen ■ Gemeinsames Ziel all dieser Akteure ist die För­ Kompetenzen und der oft vorhandenen Mehrspra­ derung besserer schulischer Leistungen und eine chigkeit, bei der Auswahl künftiger Auszubildender. anschließend höhere Beteiligung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund an der berufl ichen ■ Die BDA wirbt bei Betrieben für die verstärkte Ausbildung. Nutzung fl ankierender Förderangebote (Sprach­ förderung, sozialpädagogische Begleitung, Stütz- Wirtschaft: unterricht) und von Mentorinnen und Mentoren ■ Die Wirtschaft setzt sich das im „Nationalen Pakt in der Berufsvorbereitung und Ausbildung junger für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Menschen mit Migrationshintergrund. Deutschland 2007 – 2010“ vereinbarte Ziel, wäh­ rend der Dauer dieses Paktes ■ Die BDA wirbt bei Betrieben für die verstärkte Nutzung von „Tandems“ aus Auszubildenden mit ➤ im Durchschnitt pro Jahr 60.000 neue Ausbil­ Migrationshintergrund, die Unterstützungsbedarf dungsplätze einzuwerben, haben, und leistungsstarken Auszubildenden. Dies befördert auch die Vermittlung interkultureller ➤ jährlich 30.000 neue Ausbildungsbetriebe einzu­ Kompetenzen. werben und ■ Die BDA wirbt dafür, dass Betriebe gezielt Zusatz­ ➤ jährlich 40.000 Plätze für betrieblich durchge­ qualifi zierungen anbieten, insbesondere berufsbe­ führte Einstiegsqualifi zierungen bereitzustellen zogenen Sprachunterricht, Auslandspraktika oder und eine weiterhin hohe Übernahmequote in grenzüberschreitende Ausbildung, um die inter­

75 4.3. kulturellen Kompetenzen von Auszubildenden zu Das Programm wird in den kommenden Jahren fördern. Die Zusatzqualifi kationen werden doku­ fortgesetzt werden. mentiert. Es wird geprüft, ob auch ausländische Abschlüsse und Zertifi kate erworben werden ■ Mit Unterstützung der Betriebsräte werden Initia­ können. tiven einzelner Großbetriebe (Automobilindustrie, FRAPORT) fortgesetzt, um Jugendlichen ohne ■ Die Vertretungen der Arbeitgeber- und der Arbeit- Schulabschluss einen Einstieg ins Berufsleben zu nehmerseite unterstützen im Verwaltungsrat der ermöglichen. BA alle Vorhaben in Beratung, Vermittlung und Förderung, die auf eine stärkere Integration von ■ Der DGB und die Gewerkschaften setzen sich für Menschen mit Migrationshintergrund in den eine Verbesserung der Qualität der Maßnahmen Ausbildungsmarkt zielen. Einbezogen werden der Berufsvorbereitung ein. Der DGB unterstützt auch die gemeinsam in den Verwaltungsrat der BA die erfolgreiche Arbeit der „Berufl ichen Qualifi zie­ eingebrachten Vorschläge zur Neuausrichtung der rungsnetzwerke für Migrantinnen und Migranten Förderpraxis der BA und die Aufnahme binatio­ (BQN)“ und strebt eine Übertragung des Modellan­ naler Ausbildung für Migrantinnen und Migranten satzes auf weitere Regionen an. in das Arbeitsförderungsrecht. ■ Der DGB und die Gewerkschaften wollen dazu Gewerkschaften: beitragen, dass Diskriminierung und strukturelle ■ Der DGB und die Gewerkschaften setzen sich Benachteiligung bei der Auswahl von Jugendlichen für ein ausreichendes Angebot an qualifi zierten unterbleiben. Sie unterstützen die Betriebs- und Ausbildungsstellen ein, das sich an den Schul- Personalräte darin, Diskriminierungen bei der abgängerzahlen orientiert und die Altbewerber Einstellung von Jugendlichen entgegen zu wirken mit einbezieht. Zur Umsetzung haben sie mit den und z. B. betriebliche Vereinbarungen zur Gleich- Arbeitgeberverbänden der Bauwirtschaft eine behandlung abzuschließen. Das DGB-Bildungswerk, Umlagefi nanzierung auf tarifvertraglicher Ebene die IG Metall, Verdi und die IG BCE führen hierzu eingeführt. Weitere Tarifvereinbarungen zur Erhö- Seminare und Beratungen zur Sensibilisierung von hung der Ausbildungskapazitäten bestehen bei- Personalverantwortlichen sowie von Betriebs- und spielsweise im Einzelhandel und in der Eisen- und Personalräten durch. Stahlindustrie. Mit dem Tarifabschluss für die Che­ mische Industrie kann der 2003 abgeschlossene ■ Der DGB und die Gewerkschaften setzen sich dafür Tarifvertrag „Zukunft durch Ausbildung“ bis 2010 ein, dass ausländische Jugendliche unabhängig fortgesetzt und die Zahl der Ausbildungsplätze für von ihrem Aufenthaltsstatus einen gleichrangigen 2007 und 2008 weiter erhöht werden. Zugang zum Berufsbildungssystem erhalten. Dazu beraten und informieren sie Personalverantwort­ ■ Über betriebliche Kooperationen und Verein­ liche sowie Betriebs- und Personalräte über die barungen der Tarifvertragsparteien wirken die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Aufnahme Gewerkschaften daran mit, dass Jugendliche mit einer Ausbildung im Dualen System. schlechten Startchancen eine qualifi zierte Ausbil­ dung absolvieren können. Anders als die Maßnah­ ■ Der DGB und die Gewerkschaften treten im Rah­ men im Rahmen des Ausbildungspakts zielen die men der Selbstverwaltung der Bundesagentur für von den Gewerkschaften unterstützten Programme Arbeit dafür ein, dass zusätzliche Ausbildungs­ auf Jugendliche ohne Schulabschluss. Beispielhaft plätze, gerade für Jugendliche mit Migrations­ ist das von IG Metall und Südwestmetall gemein­ hintergrund, geschaffen werden. Darüber hinaus sam getragene Projekt PIA (Projekt zur Integration setzen sie sich dafür ein, dass die rechtlichen in den ersten Arbeitsmarkt), mit dem lernschwä- Rahmenbedingungen zur Teilnahme verbessert, cheren Jugendlichen und Jugendlichen aus sozial und ausbildungsbegleitende Hilfen verstärkt in schwierigen Verhältnissen eine Ausbildung im Anspruch genommen werden. gewerblich-technischen Beruf ermöglicht wird, fl ankiert durch eine intensive sozialpädagogische ■ Der DGB und die Gewerkschaften wollen erreichen, Begleitung. dass junge Erwachsene, die bislang keine Ausbil­ dung absolvieren konnten, eine „zweite Chance“ ■ In der chemischen Industrie haben die Sozialpart­ zum Abschluss einer vollqualifi zierenden Ausbil­ ner ein tarifvertragliches Förder- und Integrati­ dung erhalten. onsprogramm „Start in den Beruf“ vereinbart, das Jugendliche an eine betriebliche Ausbildung heran­ führt. Bisher konnten 80 Prozent der Jugendlichen in eine Berufsausbildung übernommen werden.

76 4.3.

■ Die GEW wirbt dafür, dass das Ausbildungsangebot ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW streben an, auch durch voll qualifi zierende Ausbildungsgänge Jugendliche mit Migrationshintergrund für die in berufl ichen Schulen verbessert wird und berufs­ Besetzung ihrer Ausbildungsplätze in ihren sozi­ schulische Ausbildungszeiten in einer Ausbildung alen Diensten und Einrichtungen und Fachschulen im dualen System anerkannt werden. zu motivieren und überprüfen ihre Einstellungspo­ litik, damit mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Träger der Jugendsozialarbeit: mit Migrationshintergrund berücksichtigt werden. ■ Die Träger der Jungendsozialarbeit verstärken ihre Kooperation mit Migrantenorganisationen. Die ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW engagieren sich Jugendmigrationsdienste initiieren und begleiten verstärkt in Netzwerken zur Förderung der beruf­ die interkulturelle Öffnung der Träger. lichen Integration Jugendlicher mit Migrationshin­ tergrund. Dabei wird Wert darauf gelegt, Migran­ ■ Die Träger der Jugendsozialarbeit streben die tenorganisationen in die Arbeit dieser Netzwerke Erhöhung des Anteils an Mitarbeiterinnen und mit einzubeziehen. Mitarbeitern mit Migrationshintergrund und die Berücksichtigung der Jugendlichen mit Migrations­ ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW engagieren sich hintergrund in allen Maßnahmen an. durch entsprechende Angebote bei der Qualifi zie­ rung von Migrantinnen und Migranten, insbeson­ Freie Wohlfahrtspfl ege: dere beim berufsbezogenen Spracherwerb (Equal, ■ Die Mitgliedsverbände der Bundesarbeitsgemein­ ESF-BA-Programm). schaft der Freien Wohlfahrtspfl ege BAGFW setzen sich für Chancengleichheit und für den Abbau aus­ ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW setzen sich grenzender Mechanismen sowie von Vorbehalten dafür ein, dass Menschen mit Migrationshinter­ ein. Sie tragen zum Abbau von Fehlvorstellungen grund, die in ihren Diensten und Einrichtungen bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund Arbeitsgelegenheiten nach SGB II innehaben, auch bei. in ihrer sprachlichen Qualifi zierung gefördert werden.

3. Integration und Arbeitsmarkt weise ungünstige Startpositionen am Arbeitsmarkt erlangt haben, wie in den beiden vorhergehenden Kapiteln zu Bildung und Ausbildung bereits dargelegt 3.1. Bestandsaufnahme wurde.

Über wesentliche Bereiche der Integration wird auf Die Datenlage zur Analyse der Situation von Men­ dem Arbeitsmarkt entschieden. Die Erfahrung zeigt, schen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeits­ dass Integration am besten dort gelingt, wo Menschen markt ist noch nicht ausreichend. Dies betrifft die mit Migrationshintergrund aktiv im Erwerbsleben Erfassung von Daten zum Erwerbsverhalten und zur stehen. Berufl iche Tätigkeit und Stellung sowie die Arbeitslosigkeit, aber auch die Daten zur Beteiligung die Höhe des Erwerbseinkommens hängen stark an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und ihren voneinander ab und entscheiden über die Möglichkeit Erfolgen. Häufi g muss auf das Merkmal nichtdeut­ einer eigenständigen Lebensplanung. Die Perspektive scher Staatsangehörigkeit zurückgegriffen werden, auf eine stabile Berufs- und Erwerbsbiographie, die mit dem die Gesamtgruppe der Menschen mit Mig­ Wertschätzung im familiären und gesellschaftlichen rationshintergrund aber weder ausreichend erfasst Umfeld und die Einbeziehung in betriebliche Abläufe noch differenziert werden kann. und kollegiale Teams sind weitere wesentliche Inte­ grationsfaktoren, die mit dem ausgeübten Beruf eng In den vergangenen fünfzehn Jahren hat sich die verbunden sind. In der Geschichte der arbeitsmarkt­ Beschäftigungssituation von Menschen mit Migra­ orientierten Zuwanderung ist diese Integration in tionshintergrund deutlich verschlechtert. So ist die Arbeit und Gesellschaft millionenfach gelungen. Men­ Erwerbsbeteiligung der Menschen mit ausländischer schen mit Migrationshintergrund haben dennoch Staatsangehörigkeit gesunken und ihre Arbeitslosen­ häufi g höhere Zugangshürden zu überwinden. Sei es, quote ist etwa doppelt so hoch wie die der Deutschen. dass sie als Zugewanderte in Tätigkeiten mit geringe­ Ausländische Beschäftigte sind vom Strukturwandel ren formalen Qualifi kationsanforderungen beschäf­ sehr viel stärker betroffen als deutsche: Sie sind stark tigt sind, sei es, dass sie als Kinder aus Familien mit vertreten in Branchen und Berufen, in denen Arbeits­ Zuwanderungsgeschichte auf ihrem Weg durch das plätze abgebaut werden und fi nden sich seltener im Bildungs- und Ausbildungssystem in Deutschland teil­ öffentlichen Dienst. In wachsenden Zweigen des

77 4.3. Dienstleistungssektors sind sie häufi ger auf Einfachar­ Die Beschäftigungschancen von Menschen mit beitsplätzen tätig. Die Probleme auf dem Arbeitsmarkt Migrationshintergrund verbessern verdichten sich insbesondere bei Älteren, Frauen und Das Qualifi kationsprofi l von Menschen mit Migrati­ Jugendlichen mit Migrationshintergrund. onshintergrund kann aus unterschiedlichen Gründen ihre Beschäftigungschancen beeinträchtigen. Ihnen Eine Hauptursache für diese Situation liegt in den können nichtformale und formale Qualifi kationen durchschnittlich geringeren Bildungs- und Ausbil­ fehlen, die sowohl ihre Allgemeinbildung als auch dungsabschlüssen, insbesondere im deutlich erhöhten ihre berufl iche Ausbildung betreffen. Diese Probleme Anteil von Personen ohne abgeschlossene Berufsaus­ müssen im Kern in den dem Arbeitsmarkt vorge­ bildung. Demgegenüber stehen wachsende Qualifi ­ lagerten Bereichen von Bildung und Ausbildung kationsanforderungen bei der Neueinstellung von angegangen werden. Im Bereich des Arbeitsmarktes Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die beruf­ liegt die Verantwortung für Angebote der berufl ichen liche Integration von Personen mit Migrationshinter­ Weiterbildung. grund bezeichnet ein besonders dringliches Problem. Die bisher geringere Beteiligung von Menschen mit Bei betrieblichen und bei öffentlich fi nanzierten Maß­ Migrationshintergrund an Maßnahmen der beruf­ nahmen zur Weiterbildung soll darauf hingewirkt lichen Weiterbildung weist daher umso mehr auf werden, dass die bisher unzureichende Förderung von bestehenden Handlungsbedarf hin. Menschen mit Migrationshintergrund deutlich gestei­ gert wird, insbesondere bei Angeboten für gering Angesichts der Befunde zur Arbeitsmarktsituation Qualifi zierte. Weiterbildung soll das Qualifi kations­ auch qualifi zierter Menschen mit Migrationshinter­ profi l der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an grund ist jedoch kaum fraglich, dass Bildungsdefi zite die sich verändernde Nachfrage anpassen und erhält hierfür als einzige Erklärung nicht ausreichen. Vor somit wachsende Bedeutung angesichts längerer dem Hintergrund der anhaltend hohen Unterbeschäf­ Lebensarbeitszeiten und des steigenden Innovations­ tigung spielen nicht nur die persönlichen Vorausset­ tempos in vielen Wirtschaftszweigen. Für Erwerbstä­ zungen, sondern möglicherweise auch gesellschaft­ tige und Arbeitsuchende mit Migrationshintergrund liche Wahrnehmungen eine Rolle im Auswahlprozess ist der Ausbau deutscher Sprachkenntnisse von fun­ und müssen bei der Gestaltung integrationspoli­ damentaler Bedeutung. Aber auch bei der fachlichen tischer Maßnahmen mit berücksichtigt werden. Weiterbildung ist zu überprüfen, ob die Methoden der Vermittlung den besonderen Voraussetzungen und Eine deutliche Verbesserung der Arbeitsmarktin­ Bedürfnissen dieser Zielgruppe entsprechen. tegration von Menschen mit Migrationshintergrund ist sowohl aus sozial- und gesellschaftspolitischen als Jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund, auch aus volkswirtschaftlichen Gründen dringend die ohne Berufsabschluss erwerbstätig sind, soll eine geboten. Wirtschaft und Verwaltung werden künftig zweite Chance zur modularen und berufsbeglei­ in vermehrtem Umfang auf Personen mit Migrati­ tenden Nachqualifi zierung eröffnet werden. onshintergrund angewiesen sein. Bei der Nachfrage nach Arbeitskräften zeichnet sich punktuell bereits Ausgangspunkt für eine passgenaue Förderung ein Mangel an geeigneten Fachkräften ab, und zur berufl ichen Integration ist die Erstellung eines immer mehr Unternehmen benötigen Fachkräfte mit individuellen Bewerberprofi ls unter Einbeziehung länderspezifi schen sprachlichen und interkulturellen des besonderen kulturellen und sprachlichen Kapitals Kenntnissen. Dasselbe gilt für den öffentlichen Dienst. der oder des Arbeitssuchenden mit Migrationshinter­ Die demografi sche Entwicklung und die Internatio­ grund. Unabhängig von ihrer formalen Anerkennung nalisierung der Märkte werden diesen Bedarf weiter als Berufsabschlüsse sollen formelle und informelle anwachsen lassen; er wird sich allein durch eine Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigt werden, gesteuerte Zuwanderungspolitik nicht lösen lassen. um in Bewerbungsverfahren die Potenziale von Auch deshalb ist die Erhöhung und bessere Nutzung Migrantinnen und Migranten transparent zu machen. des heimischen Erwerbspersonenpotenzials erforder­ Aufbauend auf dieser Kompetenzanalyse sollen hier lich, das die in Deutschland lebenden Personen mit zudem Beratungsangebote, Angebote zur Nachquali­ Migrationshintergrund einschließt. fi zierung und zur Prüfungsvorbereitung den Prozess der formalen Anerkennung unterstützen.

3.2. Zielbestimmungen Angebote zur Beratung, Information und Kommunikation an die Bedürfnisse von Menschen Entsprechend dieser Ausgangslage werden im Natio­ mit Migrationshintergrund anpassen nalen Integrationsplan Maßnahmen vereinbart, die Angebote zur intensiven Beratung und Information sich auf folgenden Zielebenen bewegen: müssen für Menschen besonders zugeschnitten sein, die sich in Deutschland und seinem gewachsenen Sys­ tem von Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt neu zurechtfi nden müssen. Das betrifft sowohl jene, die

78 4.3. selbst neu eingereist sind, als auch deren in Deutsch­ Die jüngsten Bemühungen der Bundesagentur für land geborene Nachkommen, da in diesen Familien Arbeit und der Träger der Grundsicherung für Arbeit­ das Wissen über Berufe und Wege der Aus- und suchende um eine individuellere Betreuung bieten Weiterbildung nicht in gleichem Maße präsent sein eine gute Grundlage für die spezifi sche Unterstützung kann wie in Familien, die schon seit vielen Genera­ von Arbeitsuchenden mit Migrationshintergrund. Das tionen unterschiedliche Modelle der Erwerbsarbeit Instrument des individuellen Fallmanagements ist auf in Deutschland selbst erlebt oder in ihren sozialen seine Effektivität bei Ratsuchenden mit Migrations­ Netzwerken kennengelernt haben. hintergrund zu überprüfen und gegebenenfalls anzu­ passen. Die Befunde zur unzureichenden Beteiligung Die Angebote der Politik, der öffentlichen Verwaltung von Menschen mit Migrationshintergrund insbeson­ und der Wirtschaft zur Information und Beratung dere an Maßnahmen zur Qualifi zierung erfordern sind um spezifi sche Elemente zu erweitern, die die eine effektivere Steuerung der Geschäftsprozesse und besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Migra­ des Instrumenteneinsatzes. Die öffentliche Arbeits­ tionshintergrund berücksichtigen. Dort wo modell­ förderung muss die Bemühungen der Erwerbstätigen hafte Ansätze vorhanden sind, ist nach einer Effek­ mit Migrationshintergrund und der Arbeitgeberinnen tivitätskontrolle die Möglichkeit einer nachhaltigen und Arbeitgeber in Wirtschaft und Verwaltung wirk­ Verstetigung zu prüfen. Beim Einsatz von Medien ist sam unterstützen. sicherzustellen, dass Menschen mit Migrationshin­ tergrund auch erreicht werden und Zugang zu den Die Datenlage zur Situationsanalyse und zur Informationen haben. Auch durch mehrsprachige Politikberatung verbessern Publikationen und Anzeigen werden die Menschen Das statistische Merkmal „nichtdeutsche Staatsan­ mit Migrationshintergrund direkt informiert und gehörigkeit“ erfasst nicht die gesamte Gruppe der aufgeklärt. Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere nicht die Spätaussiedler. Die Datenlage zum Erwerbs­ Die betriebliche Integration von verhalten und zur Arbeitslosigkeit aller Menschen mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mit Migrationshintergrund, aber auch die Daten zu ihrer Migrationshintergrund gezielt fördern Beteiligung an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen Wirtschaft und Verwaltung haben ein hohes Interesse und zu den Erfolgen dieser Maßnahmen muss verbes­ daran, die Potenziale von Menschen mit Migrations­ sert werden; hierfür ist es notwendig, den Migrations­ hintergrund zu nutzen. Deshalb wird angestrebt, die hintergrund so differenziert wie möglich zu erfassen. Instrumente der Personalgewinnung und Personal­ entwicklung so einzusetzen und weiterzuentwickeln, dass die Integration auch in den Betrieben und 3.3. Vereinbarung von Maßnahmen und Verwaltungen verbessert wird und Chancen, die sich Selbstverpfl ichtungen aus Belegschaften mit unterschiedlichen Erfahrungen und kulturellen Profi len ergeben, wirklich genutzt Zur Verfolgung dieser vereinbarten Ziele verpfl ich­ werden können. Die Vielfalt der Mitarbeiterinnen und ten sich die nachfolgend genannten Akteure der Mitarbeiter mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten Arbeitsgruppe „Gute Bildung und Ausbildung sichern, und Talenten eröffnet Chancen für innovative und Arbeitsmarktchancen erhöhen“, im Rahmen ihrer kreative Lösungen, wie sie zum Beispiel die „Charta jeweiligen Verantwortung folgende Maßnahmen als der Vielfalt“ defi niert. Im Sinne von Diversity Manage­ erste Schritte anzugehen bzw. zu unterstützen: ment gehört hierzu das Ziel, mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund zu gewin­ nen und sie in ihrem berufl ichen Fortkommen gezielt Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen zu fördern. Insbesondere passgenaue Angebote der der Bundesregierung (bzw. in der Weiterbildung auf allen Qualifi kationsebenen sind Regelungszuständigkeit des Bundes) und der hierfür zu entwickeln. Auch das betriebliche Bildungs­ Bundesagentur für Arbeit (BA) personal muss für diese Anforderungen sensibilisiert und vorbereitet werden. Betriebliche Vereinbarungen Bundesregierung: sowie die Medien und Prozesse der internen Kommu­ ■ Das Beratungs- und Informationsnetzwerk „Inte­ nikation sollen diese Arbeit gezielt unterstützen. gration durch Qualifi zierung“ (IQ) entwickelt im Auftrag der Bundesregierung und in Zusammenar­ Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen beit mit der Bundesagentur für Arbeit und nicht­ an die Bedürfnisse von Menschen mit staatlichen Trägern neue Strategien zur Verbes­ Migrationshintergrund anpassen serung der Arbeitsmarktsituation von Migranten, Angesichts der genannten Befunde zu den besonderen Aussiedlern und anerkannten Flüchtlingen. Nach Schwierigkeiten von Menschen mit Migrationshin­ Abschluss der laufenden Evaluierung wird die tergrund bei ihrer Integration in den Arbeitsmarkt Bundesregierung prüfen, inwieweit erfolgreiche kommt den öffentlich fi nanzierten Maßnahmen Handlungsansätze und Instrumente in das Regel­ der Arbeitsmarktpolitik besondere Bedeutung zu.

79 4.3.

system der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maß­ ■ Die Bundesregierung evaluiert die Auswirkungen nahmen überführt bzw. in ihrer Angebotsstruktur des Sozialgesetzbuchs II auf die Lage erwerbs­ ergänzend zu Maßnahmen der Träger der Grund­ fähiger Menschen mit Migrationshintergrund. sicherung und der Agenturen für Arbeit verstetigt Konsequenzen und Effekte der SGB II-Regelungen werden können. sollen im Hinblick auf Erwerbstätigkeit, Beschäf­ tigungs- und Ausbildungsfähigkeit sowie soziale ■ Die Bundesregierung unterstützt die Unterneh- Stabilisierung für Personen mit Migrationshin­ mensinitiative „Diversity als Chance – Die Charta tergrund im Rahmen eines Forschungsvorhabens der Vielfalt der Unternehmen in Deutschland“. Mit untersucht werden. der Charta-Unterschrift verpfl ichten sich die Unter­ zeichnenden, die Vielfalt der Gesellschaft auch in ■ Die ethnische Ökonomie hat eine nicht zu unter­ ihrer Beschäftigtenstruktur abzubilden. Damit schätzende arbeitsmarktpolitische Bedeutung. Die übernehmen private Unternehmen und öffentliche Bundesregierung konzentriert ihre ESF-geförder- Einrichtungen auch im eigenen Interesse eine ten Coaching-Angebote in diesem Bereich künftig besondere soziale Verantwortung. bei der KfW, die mit regionalen Anlaufstellen für Existenzgründerinnen und -gründer zusammen­ ■ Die Bundesregierung wird die Verbreitung der arbeitet. Spezifi sche Gründungsberatungen für Charta der Vielfalt in den Bereichen Großunter- Personen mit Migrationshintergrund haben sich nehmen, kleine und mittlere Unternehmen und bewährt und werden verstärkt in diese Angebote öffentliche Einrichtungen aktiv begleiten und in einbezogen. den Jahren 2007 und 2008 eine ESF-fi nanzierte Kampagne und Wettbewerbsreihe „Vielfalt am ■ Personen mit Migrationshintergrund leben viel­ Arbeitsplatz/Vielfalt als Beschäftigungsressource“ fach konzentriert in städtischen Problemgebieten. durchführen. Diese zielt darauf, die Arbeitsmarkt- Zur Ankurbelung der lokalen Ökonomie fördert der und Ausbildungsintegration von Migrantinnen ESF im Rahmen des Bundesprogramms „Soziale und Migranten und ihre Berücksichtigung in der Stadt“ beschäftigungsorientierte Projekte. betrieblichen und öffentlichen Einstellungs- und Personalpolitik zu verbessern. Das Bundesminis­ ■ Der Bund ist sich seiner Rolle als Arbeitgeber terium für Arbeit und Soziales, die Bundesagentur bewusst. Er wird im Rahmen seiner Möglichkeiten für Arbeit und das Bundesamt für Migration und auch den Anteil des Personals mit Migrationshin- Flüchtlinge haben sich bereits mit ihrem Beitritt tergrund nach Eignung, Leistung und Befähigung zur Charta verpfl ichtet, Vielfalt anzuerkennen und erhöhen. Er strebt an, dass dabei sprachliche und wertzuschätzen sowie ein Arbeitsumfeld zu schaf­ interkulturelle Kompetenzen angemessen berück­ fen, das frei von Vorurteilen ist. sichtigt werden.

■ Die Bundesregierung wird mit der Umsetzung Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: des ESF-Bundesprogramms für die Förderperiode ■ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2007 bis 2013 den Nationalen Integrationsplan (BAMF) wird ein Konzept zur berufl ichen Integra­ durch eine Reihe zusätzlicher Maßnamen beson­ tion zugewanderter Akademikerinnen und Akade­ ders unterstützen. miker zu den Schwerpunktthemen Anerkennungs­ verfahren von Bildungs- und Berufsabschlüssen ■ Die berufsbezogene Förderung der deutschen Spra­ (u. a. in Zusammenarbeit mit der Kultusminister­ che im Rahmen des ESF-Programms wird ab Mitte konferenz) sowie zur fachlichen und sprachlichen 2007 ausgeweitet. Sie soll die Integrationskurse Nachqualifi zierung erarbeiten. des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ergänzen und steht künftig allen Personen ■ Darüber hinaus wird das BAMF ein zielgruppenspe­ mit Migrationshintergrund zur Verfügung. Die zifi sches Konzept zur berufl ichen Eingliederung Bundesagentur für Arbeit wirkt darauf hin, dass zugewanderter Ärztinnen und Ärzte aus den Nach- die Geschäftsführungen der ARGEN/Agenturen für folgestaaten der ehemaligen Sowjetunion erstellen Arbeit in getrennter Trägerschaft den Zuweisungs­ und ggf. die Handlungsvorschläge modellhaft prozess zum Integrationskurs nachhaltig verfolgen erproben und in die Regelangebote der Integrati­ und ergänzende Sprachförderung mit Komponen­ onsförderung überführen. ten zur Berufsorientierung und zur Weiterbildung implementieren. ■ Das BAMF wirkt über seine Regionalkoordinatoren und die Strukturen der bundesgeförderten Migrati­ ■ Ein Schwerpunkt im geplanten XENOS-Nachfol­ onserstberatung aktiv darauf hin, dass alle beteilig­ geprogramm wird sich gezielt an Menschen mit ten Institutionen/Organisationen in der jeweiligen Migrationshintergrund richten (ab 2008). Region dauerhaft für eine Koordinierung und

80 4.3. Kooperation im Bereich der Integrationsförderung Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der gewonnen und in ein Netzwerk eingebunden wer­ Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs­ den. Die Migrationserstberatung wird in diesem zuständigkeit von Ländern und Kommunen) Zusammenhang auch aktiv dazu beitragen, eine kontinuierliche, systematische Zusammenarbeit Länder: mit den Agenturen für Arbeit/ARGEN/Optionskom­ Bislang liegen hierzu noch keine Selbstverpfl ich­ munen zu erreichen. tungen der Länder vor. Entsprechend der Beratungen in der Arbeitsgruppe wären folgende Aspekte zu Bundesagentur für Arbeit: berücksichtigen: ■ Die Bundesagentur für Arbeit richtet eine bundes­ weite Informationsplattform (BA-MediaNet) ein, in ■ Länder als Arbeitgeber: Einstellungspraxis im der die erfolgreichsten Praxisbeispiele modellhaft Öffentlichen Dienst überprüfen – gezielte Personal­ allen Dienststellen der BA zur Verfügung gestellt rekrutierung innerhalb der Personengruppe mit werden. Die Angebote vor Ort sind damit transpa­ Migrationshintergrund, um geänderten Anforde­ rent und machen es den Agenturen für Arbeit und rungen an die Erbringung öffentlicher Dienstleis­ Arbeitsgemeinschaften leichter zu entscheiden, ob tungen und dem Fachkräftebedarf angesichts der die vorhandenen Angebote genutzt werden. demografi schen Entwicklung zu entsprechen.

■ Die BA wird den Personenkreis mit Migrations­ Kommunen: hintergrund bei der Förderung nach dem Pro­ Die kommunalen Spitzenverbände befi nden sich der­ gramm „Weiterbildung gering Qualifi zierter und zeit noch im intensiven Austausch mit ihren Mitglie­ Älterer in Unternehmen“ (WeGebAU) besonders dern und werden ihren Beitrag im weiteren Verfahren berücksichtigen. darstellen.

■ Die BA verstärkt ihr Angebot an Informationsma­ Entsprechend der Beratungen in der Arbeitsgruppe terial in den Herkunftssprachen und macht dies wären u. a. folgende Aspekte zu berücksichtigen: über Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Migrationsberatung bekannt. Das Angebot wird ■ Kommunen als Arbeitgeberinnen: Einstellungspra­ auch den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsu­ xis im Öffentlichen Dienst überprüfen – gezielte chende zur Verfügung gestellt. Personalrekrutierung innerhalb der Personen­ gruppe mit Migrationshintergrund, um geän­ ■ Die BA setzt das Prinzip der Chancengleichheit im derten Anforderungen an die Erbringung öffent­ Rahmen ihrer Personalpolitik bei der Rekrutierung licher Dienstleistungen und dem Fachkräftebedarf und Qualifi zierung des Personals um. Die indivi­ angesichts der demografi schen Entwicklung zu duellen, vielfältigen Kompetenzen und Potenziale entsprechen. bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BA (z. B. Fremdsprachen, besondere Berufserfahrung, ■ Kommunale Wirtschaftsförderung und Existenz­ interkulturelle Fähigkeiten) werden im Rahmen gründungsberatung für Migrantinnen und Mig­ der Personalentwicklung identifi ziert, gefördert ranten aufeinander abstimmen. und gezielt eingesetzt. Konzepte hierzu werden durch die Personalabteilung und die Hochschule der BA vorbereitet.

■ Die BA wird im Jahr 2007 in mehreren Medienkoo­ perationen das Thema „Integration von Menschen mit Migrationshintergrund“ thematisieren.

■ Die BA wird Eingliederungsbilanzen vorlegen, die eine verbesserte Analyse im Hinblick auf die Inte­ gration von Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt und in der Arbeitsmarktpoli­ tik ermöglichen.

81 4.3. Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen spezifi schen Kompetenzen von Migrantinnen und der nichtstaatlichen Institutionen und Migranten und deren Potenziale stärker in die Organisationen betrieblichen Abläufe einzubeziehen.

Organisationen von Menschen mit ■ In der „Vereinbarung zwischen der Bundesregie- Migrationshintergrund: rung und den Spitzenverbänden der deutschen ■ Die Deutsch-Hellenische Wirtschaftsvereinigung Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit (DHW) plant für das Jahr 2007 eine „IG-Interes­ von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ sengemeinschaft für Ausbildung und Qualifi zie­ haben die Spitzenverbände der deutschen Wirt­ rung“ in den Regionen Köln und Düsseldorf. Diese schaft zugesagt, ihren Mitgliedern betriebliche Maß- Gemeinschaft hat das Ziel, griechische Unterneh­ nahmen zur Verbesserung der Chancengleichheit merinnen und Unternehmer in allen Belangen der von Frauen und Männern sowie zur Familienfreund- Unternehmensführung zu unterstützen. Die „IG“ lichkeit zu empfehlen. Dies schließt die Förderung ist eine Lobbygemeinschaft für griechische Unter­ von Frauen mit Migrationshintergrund ein. nehmen und steht in Kooperationen mit Wirt­ schaftspartnerinnen und -partnern der Regionen, ■ Die Industrie- und Handelskammern sowie die den deutschen und griechischen Behörden sowie Handwerkskammern beraten Erwachsene mit der griechischen und deutschen Presse. Migrationshintergrund, die einen Berufsabschluss nachholen wollen und bieten bei Bedarf Informati- ■ Das CGIL-Bildungswerk e. V. wird die binationalen onsmaterialien in ausländischer Sprache an. und bilingualen Qualifi zierungsmaßnahmen für Arbeitslose mit Migrationshintergrund in Zusam­ ■ Die Industrie- und Handelskammern bewerben menarbeit mit deutschen Bildungseinrichtungen verstärkt ihre Fortbildungs- und Prüfungsangebote, auf weitere Bundesländer erweitern (z. B. Import/ die Migrantengruppen für eine Verbesserung ihrer Export-Assistent Deutschland/Italien und Deutsch- Beschäftigungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt nut­ land/Türkei). In diesen Projekten arbeitet Fachper­ zen können, wie z. B. der IHK-Fremdsprachenkor­ sonal mit eigener Migrationserfahrung zusammen respondent oder die Gaststättenunterrichtungen. mit deutschem Fachpersonal an einer positiven Entwicklung der vorhandenen Humanressourcen ■ Die Handwerkskammern bieten integrative Fort­ von Menschen mit Migrationshintergrund zur bildungsprüfungsangebote zur Verbesserung der Überwindung der Arbeitslosigkeit. Beschäftigungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt auch für Personen mit Migrationshintergrund an. Wirtschaft: ■ Die Industrie- und Handelskammern entwickeln ■ Die Industrie- und Handelskammern werden ihre Leistungen zur Anerkennung von im Ausland stärker noch als zuvor das IHK-Serviceangebot für erworbenen Qualifi zierungen fort. Dazu gehören Gründerinnen und Gründer mit Migrationshinter­ vor allem die gutachterlichen Stellungnahmen zu grund bewerben, und auch speziell zugeschnittene ausländischen Zeugnissen. Services anbieten, z. B. Veranstaltungen in tür­ kischer Sprache. Sie leisten interessierten Unterneh- ■ Die Industrie- und Handelskammern sowie die merinnen und Unternehmern Unterstützung im Handwerkskammern werben bei den Unterneh- Hinblick auf außenwirtschaftliche Fragestellungen. men für die Chancen, die sich durch die Einstellung von Erwerbspersonen mit Migrationshintergrund ■ Die Handwerkskammern beraten im Rahmen ihres ergeben, insbesondere auch durch die Kenntnis Angebots Personen mit Migrationshintergrund, die von ausländischen Märkten und Kulturen und der ein Unternehmen gründen wollen und bieten in entsprechend relevanten Sprachkenntnisse, und Zusammenarbeit mit KAUSA Informationsmaterial geben Hilfestellung und Informationen bei der Ein- in den Sprachen der Herkunftsländer an. stellung und Beschäftigung ausländischer Arbeit­ nehmerinnen und Arbeitnehmer. ■ Die BDA unterstützt im Verwaltungsrat der Bun­ desagentur für Arbeit zielgerichtete, nach Wirkung ■ Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitge­ und Wirtschaftlichkeit gesteuerte Vorhaben zur berverbände (BDA) setzt sich bei ihren Mitgliedern Beratung, Vermittlung und Förderung, die auf eine dafür ein, dass die Initiative zur Förderung von stärkere Integration von Menschen mit Migrations- Vielfalt in den Unternehmen „Charta der Vielfalt“ hintergrund in den Arbeitsmarkt zielen. Eingang in die Praxis der Betriebe fi ndet, um den personalwirtschaftlichen Ansatz des Diversity Management stärker zu etablieren und so die

82 4.3.

Gewerkschaften: ■ Die vom DGB unterstützten EQUAL-Projekte haben ■ Der DGB und die Gewerkschaften fördern die deutlich gemacht, dass eine nachhaltige Arbeits- Partizipation von Migrantinnen und Migranten in marktintegration von Flüchtlingen und geduldeten Betrieben und Verwaltungen und unterstützen die Drittstaatsangehörigen möglich ist, sofern die Beschäftigten, unabhängig von Nationalität und aufenthaltsrechtlichen Hindernisse abgebaut wer- Herkunft, bei der Durchsetzung ihrer Interessen. den. DGB und die Gewerkschaften setzen sich dazu Erfolgreiche Maßnahmen (z. B. Ausländerförder­ für eine umfassende Bleiberechtsregelung ein, die programm der IG Metall, Erstellung von Wahlun­ unabhängig von der Sicherung des Lebensunter­ terlagen zur Betriebsratswahl in den wichtigsten halts einen sicheren Aufenthalt und einen gleich- Sprachen) zur Vertretung der ausländischen rangigen Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt. Beschäftigten in den Betriebsräten werden fortge­ setzt. Gewerkschaften bieten Seminare zur Aus- Freie Wohlfahrtspfl ege: und Fortbildung von Betriebs- und Personalräten ■ Mit ihren migrationsspezifi schen Beratungs- und an, in denen die Integration ausländischer Beschäf- Qualifi zierungsangeboten unterstützen die Mit­ tigter und deren Gleichstellung integraler Bestand­ gliedsverbände der Bundesarbeitsgemeinschaft teil ist sowie Seminare, die sich spezifi sch mit der der Freien Wohlfahrtspfl ege BAGFW die berufl iche betrieblichen Migrationsarbeit auseinander setzen. Orientierung, Qualifi zierung, Ausbildungs- bzw. Migrantinnen und Migranten sind zudem mit Arbeitsplatzsuche von Menschen mit Migrations­ eigenen Strukturen in die gewerkschaftliche Arbeit hintergrund. So haben Jugendliche im Rahmen der integriert; es bestehen Ausschüsse auf den verschie- Berufsbildungswerke die Möglichkeit eine qualifi ­ denen Ebenen sowie ein umfangreiches Bildungs­ zierte Ausbildung zu erhalten. und Beratungsangebot der Gewerkschaften. ■ Die Mitgliedsverbände der BAGFW setzen sich für ■ Der DGB und die Gewerkschaften setzen sich für die weitere interkulturelle Öffnung ihrer Dienste die Schaffung von Chancengleichheit und Gleich- und Einrichtungen ein. Sie berücksichtigen dies bei behandlung, als wesentliche Voraussetzungen für ihrer Personalpolitik und unterstützen diesen Pro- die Integration von Beschäftigten mit Migrations­ zess durch Fortbildungen. Migranten können sich hintergrund, ein. Dazu fördern die Gewerkschaften darauf verlassen, dass sie in unseren Einrichtungen den Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur die sozialen Dienstleistungen erhalten, die für sie Gleichbehandlung und zum Schutz vor Diskrimi­ richtig und wichtig sind. nierung. Im Rahmen der Umsetzung des Allgemei­ nen Gleichbehandlungsgesetzes werden sie die Betriebs- und Personalräte bei der Überprüfung von Einstellungsverfahren und Personalentschei­ dungen unterstützen.

■ Eine hohe Qualifi kation der Beschäftigten ist eine wichtige Grundlage zur Sicherung der Beschäf­ tigung und verringert das Risiko arbeitslos zu werden. Daher haben die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren Tarifverträge bzw. Vereinba­ rungen zur Weiterbildung abgeschlossen. Wegen der bislang niedrigen Beteiligung von Gering­ qualifi zierten und Migrantinnen und Migranten setzen sich die Gewerkschaften für den Ausbau der Maßnahmen für diesen Personenkreis ein.

■ Der DGB und die Gewerkschaften engagieren sich im Rahmen der Selbstverwaltung der Bundesa­ gentur für Arbeit dafür, dass gering qualifi zierte Migrantinnen und Migranten verstärkt auch in die Qualifi zierungsmaßnahmen der Bundesagen­ tur für Arbeit einbezogen werden. Bislang wenig berücksichtigte Kompetenzen und Erfahrungen von Migrantinnen und Migranten sollen in den Eingliederungsprozessen stärker berücksichtigt werden.

83 4.3.

Mitglieder

Leitung: Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Franz Müntefering, MdB Bundesminister für Arbeit und Soziales

Heinrich Tiemann Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Verbände/Institutionen

Heinrich Alt Mitglied des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit

Irina Bernstein Bundesverband der Deutsch-Russischen Unternehmer in Deutschland e. V.

Ludwig Georg Braun Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Dr. Günter Lambertz (Vertretung)

Annelie Buntenbach Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Phedon Codjambopoulo Vizepräsident der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung e. V. Christina Alexoglou-Patelkos (Vertretung)

Marianne Demmer stellvertretende Vorsitzende des Hauptvorstandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Ilse Falk, MdB stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Wolfgang Fehl Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk, Netzwerk „Integration durch Qualifi zierung“

Dr. Reinhard Göhner Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Peter Clever (Vertretung) Arbeitgeberverbände

Barbara Graf Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit, Fachbereich Migration

Dr. Hans-Carsten Hansen BASF AG. Leiter des Kompetenzzentrums Human Resources Dr. Linda von dem Bussche (Vertretung)

Hildburg Kagerer Schulleiterin der Ferdinand-Freiligrath-Oberschule Berlin-Kreuzberg

Cüneyt Kandemir Verband Türkischer Unternehmer u. Industrieller in Europa e. V. ATIAD/Prof. Recep Keskin

Otto Kentzler Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks Prof. Dr. Friedrich Esser (Vertretung)

Annabel von Klenck Geschäftsführerin der Stiftung Mercator

Burhan Kocaslan Sieger der Berliner Landesbestenehrung in IHK-Berufen

Kenan Kolat Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland e. V.

Phuong Kollath Verein „Dièn Hóng“ Gemeinsam unter einem Dach, Rostock

Franco Marincola Vorsitzender des CGIL-Bildungswerkes e. V.

Dr. Peter Neher Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Präsident der Roberto Alborino (Vertretung) Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspfl ege

Wolfgang Rhode Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

Vicente Riesgo Alonso Bund der Spanischen Elternvereine

Kemal Şahin Präsident der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer

Michael Vassiliadis Mitglied des Geschäftsführenden Hauptvorstandes der IG Bergbau, Chemie, Energie

84 4.3.

Wissenschaft

Prof. Dr. Michael Bommes Universität Osnabrück, Direktor des Instituts für Migrationsforschung und interkulturelle Studien IMIS

Prof. Dr. Ingrid Gogolin Universität Hamburg, Institut für international und interkulturell vergleichende Erziehungswissenschaft

Prof. Dr. Klaus Klemm Universität Duisburg-Essen, Leiter der Arbeitsgruppe Bildungsforschung/ Bildungsplanung

Prof. Petra Stanat Ph.D., Universität Erlangen-Nürnberg, Empirische Unterrichtsforschung, Leiterin des Zentralinstituts für Lehr-Lernforschung

Länder

Prof. Dr. Ulrich Goll Justizminister und Integrationsbeauftragter der Landesregierung Baden- Christian Storr (Vertretung) Württemberg

Günter Piening Beauftragter des Senats für Integration und Migration des Senats Berlin

Maria Weber Beauftragte der Landesregierung für Migration und Integration im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz

Gabriele Weber Sächsisches Staatsministerium für Kultus

Ute Erdsiek-Rave Präsidentin der Kultusministerkonferenz (bis 31. Dezember 2006) Dr. Angelika Hüfner (Vertretung)

Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner Präsident der Kultusministerkonferenz (ab 1. Januar 2007)

Kommunen

Klaus Hebborn Deutscher Städtetag Bettina Heinrich (Vertretung)

Uwe Lübking Deutscher Städte- und Gemeindebund

Dr. Irene Vorholz Deutscher Landkreistag

Beratend beteiligt

Heinz Ackermann Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Dr. Dagmar Beer-Kern Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Dr. Christoph Hauschild Bundesministerium des Innern

Elmar Hönekopp Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Prof. Dr. Eckhard Klieme Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung DIPF

Präsident Manfred Kremer Präsident des Bundesinstitutes für Berufsbildung BiBB Bent Paulsen (Vertretung)

Peter Munk Bundesministerium für Bildung und Forschung

Dr. Karsten Roesler Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Sabine Schulte-Beckhausen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Die Arbeitsgruppe wurde unterstützt von Dieter Hanz, Karl-Heinz Kohn und Cornelia Petrowsky aus der Projektgruppe Soziale Sicherheit und Migration des BMAS unter Mitwirkung der Abteilungen I, II, V und VI des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Jörg Trautner BMAS, Redaktion

85 86 Themenfeld 4: 4.4. „Lebenssituation von Frauen und Mädchen verbessern, Gleichberechtigung verwirklichen“

Von den derzeit 15,3 Millionen in Deutschland leben­ munalen Spitzenverbände, von Verbänden der juris­ den Menschen mit Migrationshintergrund sind fast tischen Berufe, gesetzlichen Krankenversicherungen die Hälfte Mädchen und Frauen. Viele von ihnen sind und Wohlfahrtsverbänden, von Dachverbänden und gut integriert, viele – gerade Frauen und Mädchen aus anderen Organisationen der Migrantinnen und Mig­ der zweiten und dritten Migrationsgeneration – orien­ ranten, Beratungsstellen für Migrantinnen und Mig­ tieren sich mehr an modernen, partnerschaftlichen ranten sowie Expertinnen und Experten mit und ohne Rollenleitbildern als an tradierten, patriarchalisch Migrationshintergrund. Außerdem waren Landesjus­ geprägten. Viele von ihnen tragen elterliche Verant­ tizverwaltungen für die Justizministerkonferenz und wortung; oftmals sind gerade sie es, die die Integra­ das jeweilige Vorsitzland der Konferenz der Gleichstel­ tion der nächsten Generation prägen. lungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senato­ rinnen, -senatoren der Länder einbezogen. Die Potenziale der Migrantinnen sollten genutzt wer­ den. Ohne angemessene Berücksichtigung der Rolle Aus der Vielzahl der im Rahmen des Arbeitsauftrages von Frauen und Mädchen im Integrationsprozess, möglichen Themenstellungen konnten in der zur Ver­ ihrer besonderen Probleme und ihrer spezifi schen fügung stehenden Zeit nur einige exemplarisch auf­ Bedürfnisse kann Integration nicht gelingen. Allen gegriffen werden. Auf der Grundlage eines Tableaus Arbeitsgruppen, die gemeinsam auf diesen Natio­ von Fragestellungen, die für Migrantinnen gerade nalen Integrationsplan hin arbeiteten, oblag es, die heute von besonderer Bedeutung sind, haben sich im Belange der Migrantinnen im Rahmen ihres jewei­ Zuge der Beratungen die im Folgenden dargestellten ligen Handlungsauftrages mit zu beleuchten. Ergän­ thematischen Schwerpunkte ergeben. Die Arbeits­ zend hatte die Arbeitsgruppe 4 den Auftrag, weitere gruppe hat dabei bewusst auch solche Themenfelder Aspekte des Themenfeldes „Lebenssituation von behandelt, die bisher andernorts noch nicht breiter Frauen und Mädchen verbessern, Gleichberechtigung diskutiert worden sind und erst nach Fortführung der verwirklichen“ zu erörtern. begonnenen Aufarbeitung in ein breites Bündel von Maßnahmen münden können. Die Arbeitsgruppe 4 wurde vom Bundesministerium für Justiz koordiniert und in Zusammenarbeit mit Insbesondere von Seiten der Migrantinnen und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen Migranten in der Arbeitsgruppe 4, aber auch der und Jugend durchgeführt. Teilgenommen haben beteiligten Beratungsstellen und Verbände, wird neben Vertreterinnen und Vertretern weiterer Bun­ Handlungsbedarf weit über das der Gruppe gesteckte desressorts und des Bundesamts für Migration und Themenfeld hinaus geltend gemacht. Migrantinnen Flüchtlinge Abgeordnete des Deutschen Bundestages, sehen sich in allen Bereichen des täglichen Lebens Vertreterinnen und Vertreter der Länder und der kom­ mit Vorurteilen konfrontiert, die ihnen gleichbe­

87 4.4. rechtigte Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben in 1. Themenschwerpunkt: Deutschland und den gleichberechtigten Zugang Integration durch Recht etwa zu Bildung, Beruf und Gesundheits- und sozialen Regeldiensten durch die Verfl echtung von Benach­ Schutz vor Gewalt im persönlichen Umfeld, teiligungen aufgrund des Geschlechts, der Herkunft Zwangsverheiratung, Information und Beratung sowie eventuell der Religion erschweren. Tatsächliche Als Schwerpunkt der Arbeit haben sich aus dem der Gleichstellung muss noch verwirklicht, Antidiskrimi­ Gruppe zugrunde liegenden Thementableau die The­ nierungsregelungen müssen durchgesetzt werden. In menfelder Schutz vor Gewalt im persönlichen Umfeld allen Lebensbereichen besteht Bedarf zur Verbesse­ im Allgemeinen und vor Zwangsverheiratung im rung der Information der Migrantinnen, aber auch Besonderen herausgebildet; weitere Themen vertieft der Information über sie, ihre besondere Rolle im zu erörtern war in der Kürze der Zeit nicht möglich. Integrationsprozess und ihre spezifi schen Bedürfnisse Die Teilnehmenden hoffen jedoch, einen Impuls und Probleme. Der Ausbildung und konsequenten geben zu können für vergleichbar offene und kons­ Umsetzung von Kultursensibilität kommt in allen truktive Diskussionen über Möglichkeiten zur Verstär­ Bereichen besondere Bedeutung zu. kung der Integrationsleistung des geltenden Rechts auch außerhalb des Nationalen Integrationsplans. Das weitgehende Ausklammern ausländerrechtlicher Fragestellungen aus den Arbeiten am Nationalen Integrationsplan wurde in der Arbeitsgruppe 4 von 1.1 Bestandsaufnahme vielen bedauert und aus den Reihen der nichtstaatli­ chen Teilnehmenden wiederholt kritisiert. Aus ihrer In den vergangenen Jahren ist unter unterschied­ Sicht wären insbesondere vertiefte Erörterungen lichen Aspekten darüber diskutiert worden, ob die und Bewertungen der im Rahmen der Arbeiten am geltende Rechtslage der spezifi schen Situation von ‚Richtlinienumsetzungsgesetz‘ diskutierten Ände­ Migrantinnen in unserer Gesellschaft und ihren rungen des Ausländerrechts wünschenswert gewesen. besonderen Problemen ausreichend Rechnung trägt. Einige merkten an, ein nationales Integrationskon­ Ausgangspunkt war häufi g die Medienberichter­ zept müsse auch und gerade die Migrantinnen und stattung über tragische Fälle von Gewalt. Sie haben Migranten in den Blick nehmen, die nur geduldet und einer breiteren Öffentlichkeit bewusst gemacht, dass gar illegal in Deutschland aufhältig seien. Migrantinnen innerhalb des gesamtgesellschaft­ lichen Problems innerfamiliärer Gewalt gegen Frauen Viele der Teilnehmenden äußerten den Wunsch, den spezifi schen und besonders massiven Formen von begonnenen konstruktiven Gesprächsprozess nach Gewalt und Zwang ausgesetzt sind. Diese stehen im Abschluss der Arbeitsgruppe 4 fortzuführen. Widerspruch zu unserer Rechtsordnung. Wirksam werden können allerdings nur Gesetze, die bekannt sind und durchgesetzt werden können. Grundvoraus­ setzung dafür ist die Information der Migrantinnen Unterarbeitsgruppe 1 über ihre rechtlichen Möglichkeiten und bestehende ‚Integration durch Recht; Beratungs- und Hilfsangebote.

Partizipation‘ Häusliche Gewalt einschließlich spezifi scher Formen von Gewalt (wie etwa Genitalverstümmelung) und Grundlage der Unterarbeitsgruppe 1 war eine Zwangsverheiratung betreffen Migrantinnen viel­ Annäherung an die integrativen Möglichkeiten der fach in besonderer Weise. Besonders betroffen sind deutschen Rechtsordnung und die Mitwirkung der die Frauen und Mädchen, die noch am Anfang des Migrantinnen an der Gestaltung der Gesellschaft Integrationsprozesses stehen, daneben aber auch und durch das Recht. Unter dem Oberthema ‚Integration gerade Migrantinnen, deren Lebenseinstellung und durch Recht‘ wurden bestimmte Themen zur Diskus­ Lebensweise nicht mehr den von Kultur und Sitten sion gestellt und insbesondere die Frage nach Inte­ der ehemaligen Heimat der Eltern geprägten Erwar­ grationshemmnissen in Teilbereichen des deutschen tungen in Familie und sozialem Umfeld entsprechen. Zivil- und Strafrechts und möglichen Handlungsopti­ Opfer sind auch Männer, deren Familien die Zwangs­ onen zu ihrer Überwindung aufgeworfen. Im Bereich verheiratung als erzieherische Maßnahme einsetzen der ‚Partizipation‘ wurden die Möglichkeiten zur wollen. Betroffen sind außerdem Lesben und Schwule, Verbesserung der Teilhabe der Migrantinnen an den bei denen Eltern mit der Zwangsverheiratung eine gesellschaftlichen und politischen Prozessen disku­ heterosexuelle Lebensweise durchsetzen wollen. tiert, die ihrerseits Normen und Werte maßgeblich mitgestalten.

88 4.4. Zum Schutz von Migrantinnen vor häuslicher Gewalt Religion – und deshalb konkret auch mit dem Islam – und Zwangsverheiratung kann das Aufenthaltsrecht in Verbindung gebracht. Zwangsverheiratung kommt beitragen. In diesem Zusammenhang wurden die aber keineswegs nur in muslimischen Familien vor. Voraussetzungen eines eigenständigen Aufenthalts­ rechts nachziehender Ehefrauen, das Erlöschen der Auf Bundesebene liegt in Bezug auf den Aspekt Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich sechs Monate „Gewalt gegen Migrantinnen“ bislang nur eine einzige nach Verlassen der Bundesrepublik Deutschland und Studie mit quantitativen Ansätzen vor. Auch der die Forderungen nach einem Recht auf Wiederkehr Zweite Periodische Sicherheitsbericht der Bundesre­ thematisiert. Von einigen wurde auf die mit einem gierung vom November 2006 mahnt – im Zusammen­ unsicheren Aufenthaltsstatus verbundene besondere hang mit der Problematik eines etwaigen erhöhten Gefährdungslage für Frauen und ihren Wunsch nach Opferrisikos der ausländischen Bevölkerung – weitere einer reellen und möglichst dauerhaften Bleibepers­ Forschung an. Es deutet einiges darauf hin, dass Tür­ pektive aufmerksam gemacht. In Stellungnahmen kinnen eine relativ hohe Viktimisierungsgefährdung von Nichtregierungsorganisationen wurden die im im Bereich körperlicher und sexueller Gewalt vor­ Rahmen der Arbeiten am ‚Richtlinienumsetzungs­ rangig durch den Partner aufweisen. Eine insgesamt gesetz‘ diskutierten Maßnahmen wie der Ausschluss noch höhere Gewaltbetroffenheit weisen Flüchtlings­ des Ehegattennachzugs für Zwangsverheiratete sowie frauen auf. Frauen mit unsicherem Aufenthaltsstatus zusätzliche Voraussetzungen für den Ehegatten­ scheinen zusätzlich von psychischer und struktureller nachzug wie ein Mindestalter und der Nachweis von Gewalt betroffen zu sein. Die bisherigen Befunde Sprachkenntnissen kritisch hinterfragt. Eine vertiefte signalisierten einen speziellen Unterstützungs- und Diskussion der aufenthaltsrechtlichen Aspekte, die Hilfebedarf. aus Sicht vieler Teilnehmender hätte zielführend sein können, erfolgte mit Blick auf das insoweit fehlende Auch über das Ausmaß von Zwangsverheiratungen Mandat der Gruppe nicht. sind deutschlandweit keine gesicherten Daten verfüg­ bar. Eine Verbesserung der empirischen Grundlage Zwangsverheiratung ist bereits nach geltendem wäre für die effi ziente Bekämpfung der Zwangsver­ Recht eine Straftat. Seit 2005 ist die Zwangsverhei­ heiratung einschließlich der Bedarfsermittlung für ratung ausdrücklich als besonders schwerer Fall der Beratungsangebote und Schutzeinrichtungen auf Nötigung (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu kommunaler und Landesebene hilfreich und könnte fünf Jahren) erfasst. Die Sinnhaftigkeit eines neuen, zudem einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung eigenen Straftatbestandes Zwangsverheiratung ist, entgegenwirken, wonach Zwangsverheiratung aus­ insbesondere zwischen den Migrantinnen, kontrovers schließlich ein Problem des Islam und eine Vielzahl diskutiert worden. Die Befürworter beziehen sich auf der muslimischen Frauen zwangsverheiratet seien. eine erwartete Signal- und Sensibilisierungswirkung insbesondere auch in Bezug auf Behörden und Justiz. Unverzichtbar sind Information und Aufklärung. Die Gegner und Skeptiker verweisen auf das Stigma­ Neben staatlich initiierten oder unterstützten Infor­ tisierungspotenzial einer einseitig auf das Strafrecht mationskampagnen muss Aufklärung durch die Orga­ fi xierten Diskussion, auf die Gefahr, dass dadurch die nisationen der Migrantinnen und Migranten selbst ausländerrechtliche Seite des Problems aus dem Blick erfolgen. Insbesondere Männer mit Migrationshinter­ zu geraten drohe und auf Umgehungsmöglichkeiten. grund sind auf diese Weise besser erreichbar als allein Zunächst einmal müsse die Wirkung der letzten mit behördlicher oder staatlicher Aufklärung. Nur Strafrechtsänderung (Anzeigeverhalten von Opfern, wenn auch die spezifi sche Situation und die Probleme Anzahl und Ergebnisse von Strafverfahren) ausge­ zugewanderter Männer und Jungen berücksichtigt wertet werden. Es besteht Einigkeit in dem Befund, werden, kann es zu einer nachhaltigen Verbesserung dass ein eigener Straftatbestand die tatsächlichen der Situation von Migrantinnen und einem Abbau von Probleme der Betroffenen nicht lösen und die erfor­ Gewalt kommen. derlichen Präventions- und Kriseninterventionsmaß­ nahmen nicht ersetzen kann. Problematisch sind das Fehlen von geeigneten Schutz­ einrichtungen in verschiedenen Bundesländern Es wurden Befürchtungen geäußert, dass die öffent­ für gewaltbetroffene Migrantinnen mit erhöhtem liche Debatte über Zwangsverheiratungen der Schutzbedarf, für die die Betreuungs- und Sicherheits­ Integration insbesondere der Migrantinnen und Mig­ standards der Frauenhäuser nicht ausreichen, der ranten mit muslimischem Hintergrund geradezu ent­ Mangel an überregionalen Zufl uchtsstätten sowie die gegenwirke, weil sie vor dem Hintergrund erheblicher Finanzierung bereits bestehender Einrichtungen. Für Informationsdefi zite in der Mehrheitsgesellschaft zu junge Männer fehlen solche Angebote bisher gänzlich. einem „Generalverdacht“ gegen Ehen zwischen Mus­ Die verbreitete Pro-Kopf-Finanzierung (über ein­ limen (Kriminalitätsverdacht) geführt habe. Einigkeit zelfallbezogene Tagessätze) führt wegen der häufi g bestand darin, dass gerade in diesem Feld Präzision zeitraubenden Antragsverfahren, der oft ungeklärten erforderlich ist: Traditionell patriarchalische Famili­ örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Behörden enstrukturen werden zwar lebensweltlich häufi g mit und bei jungen Volljährigen, die nicht aufgenommen

89 4.4. werden können, sofern das Jugendamt eine Kostentra­ Frauenspezifi sche Angebote für Migrantinnen bereits gung abgelehnt hat, zu Problemen. Für die Betreuung im Zeitpunkt der Zuwanderung könnten sicherstellen, von Kindern und Jugendlichen erweist es sich als dass zielgruppenorientiert unmittelbar, etwa über problematisch, dass fast alle Hilfen von der Beantra­ die Rechte der Frauen, informiert wird. Auch müssen gung durch die Eltern abhängig sind. Einzelfallbezo­ präventive Einrichtungen, wie beispielsweise Mäd­ gene Finanzierung und ggf. Residenzpfl icht führen chentreffs erhalten bzw. geschaffen und eine konse­ bei Migrantinnen mit unsicherem oder fehlendem quente Sozialarbeit im Sinne einer niedrigschwelligen Aufenthaltsstatus zu besonderen Schwierigkeiten. präventiven und offenen Jugendarbeit gewährleistet werden. Aus dem Kreis der Teilnehmenden wurde eine stärkere Wahrnehmung von Integrationsaufga­ 1.2 Zielbestimmungen ben durch die Ausländerbehörden angeregt.

Ziel ist es, die Migrantinnen über ihre grundlegenden Wenn Migrantinnen bereits Opfer geworden sind, Rechte gerade auch in ihrem häuslichen Umfeld zu müssen sie Rahmenbedingungen vorfi nden, die effi zi­ informieren und sie durch geeignete Beratungs- und enten Schutz gewähren. Unterstützungsangebote in die Lage zu versetzen, von ihrem Selbstbestimmungsrecht tatsächlich Gebrauch Wirkungsvoller Schutz setzt auch voraus, dass alle pro­ zu machen. Die Erkenntnis, dass bestimmte Rege­ fessionell mit solchen Sachverhalten befassten Stellen lungen und Normen, denen sie in ihrem familiären insbesondere bei Behörden, Polizei und Justiz sich der Umfeld unterworfen sind, mit Grundvorstellung der besonderen Sicherheits- und Problemlagen bewusst Rechtsordnung des Landes, in dem sie leben, nicht ver­ sind und diese bei ihren Maßnahmen berücksichtigen einbar sind, ist wesentliche Voraussetzung dafür, sich können. Im Kontext der gebotenen Fortbildung und aus Zwängen und Gewaltbeziehungen zu lösen und Sensibilisierung unter anderem von Richtern und etwa das Recht auf freie Partnerwahl durchzusetzen. Staatsanwälten soll auf regionale Angebote der Län­ Durch geeignete präventive Maßnahmen muss der der besonderes Augenmerk gelegt werden. Gewalt im persönlichen Umfeld und Zwangsverheira­ tungen entgegengewirkt werden. Opfer häuslicher Gewalt und von Zwangsverheiratung, die Aufnahme in einer Schutzeinrichtung gefunden Erforderlich sind verbesserte empirische Erkennt­ haben und versteckt („legal unsichtbar gemacht“) nisse, die nicht nur Aufschluss über den quantitativen werden müssen, sind zu ihrem effektiven Schutz Umfang des Problems erbringen können, sondern besonders darauf angewiesen, dass der Datenschutz auch darüber, welche Bevölkerungsgruppen aus (etwa bei Krankenkassen, Arbeits- und Einwohner­ welchen Gründen davon betroffen sind. Angeführt meldeämtern) auch und gerade im Verhältnis zu werden hier immer wieder etwa die sozialen Verhält­ ihrer Familie strikt beachtet wird. Generell sind beim nisse, ein religiöses Verständnis, patriarchalische Vollzug bestehender Gesetze ausreichende Kenntnisse Familienstrukturen, der Rekurs auf archaische Famili­ und angemessener Umgang mit den besonderen envorstellungen in Folge der Unsicherheit der Migra­ Problemen der Migrantinnen bei den unmittelbar tionssituation und die Zugehörigkeit zu einer kleinen involvierten Berufsgruppen erforderlich. Im Rahmen religiösen oder ethnischen Minderheit. von Polizeieinsätzen bei häuslicher Gewalt ist etwa der Einsatz neutraler Dolmetscherinnen und Dolmet­ Daneben bedarf es der Information der (potenziellen) scher sachgerecht. In diesen Fällen ist es nicht immer Opfer und der Täter (u. a. zur Entwicklung von sinnvoll, den Mann aus der Wohnung zu weisen, son­ Unrechtsbewusstsein) und einer verstärkten Öffent­ dern im Einzelfall erfolgversprechender, das Opfer in lichkeitsarbeit etwa durch Informationskampagnen. einem Frauenhaus unterzubringen. Bei einer umfassend angelegten Aufklärungskam­ pagne sollten die einseitige Konzentration auf das Schließlich brauchen Opfer von Gewalt und Zwangs­ Thema Zwangsverheiratung sowie stigmatisierende verheiratung sichere Zufl uchtsorte. Eine überregio­ Zuschreibungen vermieden und das Selbstbestim­ nale Organisation von Kriseneinrichtungen ist – im mungsrecht der Frauen sowie deren Recht auf freie Hinblick darauf, dass Frauen häufi g gerade außerhalb Partnerwahl in den Mittelpunkt gestellt werden. des Ortes der Geschehnisse versteckt werden müssen – zu empfehlen. Anstelle einer Tagessatzfi nanzierung Des Weiteren ist eine quantitative und qualitative sollte jedenfalls eine bestimmte Anzahl von Frauen­ Verbesserung des Beratungsangebotes insbeson­ häusern und sonstigen geeigneten Zufl uchtsstätten dere im Bereich niedrigschwelliger Angebote sowie für von häuslicher Gewalt und Zwangsverheiratung aufsuchender Beratungsstrategien mit Sprachmittle­ Betroffene durch eine generelle institutionelle För­ rinnen und -mittlern erforderlich. Neben der interkul­ derung gesichert werden. Wünschenswert ist dabei turellen Öffnung der Regelberatungsangebote und eine bundesländerübergreifende Kooperation und der Kooperation von Frauenhilfeeinrichtungen mit Finanzierung. Die Entscheidung über Aufnahme und Migrationsberatungsstellen und Regeldiensten sind Aufenthaltsdauer in einer Schutzeinrichtung sollte spezielle kultursensible Beratungsangebote nötig. vom konkreten Schutz- und Unterstützungsbedarf

90 4.4. und nicht von der Kassenlage der Finanzierungsträger abhängen. Von den Möglichkeiten des SGB VIII sollte Hilfen aufklärt. Er ist ein niedrigschwelliges zielführend Gebrauch gemacht werden. Informationsinstrument und soll praktische Hilfen und Anleitungen geben, was bei einer konkreten Hilfreich wären die interkulturelle Öffnung vorhan­ Bedrohung getan werden kann. dener Strukturen, die bessere Zusammenarbeit und Vernetzung aller Akteure sowie die zusätzliche Bereit­ ■ Sensibilisierung der Beraterinnen und Berater der stellung von Fördermitteln. Migrationserstberatung und der Frauenkursleite­ rinnen für die Themen Zwangsverheiratung und Gewalt im persönlichen Umfeld: Das Bundesamt 1.3 Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen für Migration und Flüchtlinge wird prüfen, wie Beraterinnen und Berater der Migrationserstbera­ Es wurden die folgenden Maßnahmen und Selbstver­ tung und Kursleiterinnen der niederschwelligen pfl ichtungen zum Themenfeld eingebracht: Frauenkurse durch Thematisierung in den Fortbil­ dungsveranstaltungen und Vernetzung mit den Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der entsprechenden Stellen in die Lage versetzt werden Bundesregierung (bzw. in der Regelungs­ können, Ratsuchende zu den Themen Zwangsver­ zuständigkeit des Bundes) heiratung und Gewalt im persönlichen Umfeld an entsprechend qualifi zierte Beratungsstellen ■ Unter Federführung des Bundesministeriums für weiterzuvermitteln. Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird der Beginn: 3. Quartal 2007 ‚2. Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämp­ fung von Gewalt gegen Frauen‘ erarbeitet, der ■ Die Beauftragte der Bundesregierung für Migra­ einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung von tion, Flüchtlinge und Integration wird prüfen, in Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Migra­ welcher Weise die Bundesregierung durch ihre tionshintergrund legt. In diesem Rahmen sollen Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen einer Imagekam­ Maßnahmen gegen Zwangsverheiratungen auf­ pagne zu einem Abbau von Stereotypen und Vorur­ genommen werden. Der Sicherung der Datenlage teilen gegenüber Migrantinnen in der Mehrheits­ zum Thema Gewalt gegen Migrantinnen insgesamt gesellschaft beitragen kann. Eine entsprechende wird u. a. zentrale Bedeutung beigemessen. Imagekampagne wäre unter Einbeziehung der Verbände der Migrantinnen zu entwickeln. ■ Um die Datenlage und die bisher fehlende wissen­ Beginn: 3. Quartal 2007 schaftliche Aufarbeitung des Themas zu verbessern, wird im Auftrag des Bundesministeriums für Fami­ ■ Zur Unterstützung der Akteurinnen und Akteure auf lie, Senioren, Frauen und Jugend eine Studie zu einer allen staatlichen und nichtstaatlichen Ebenen, die bundesweiten Evaluierung von Praxisarbeit im Bereich sich mit der Integration von Migrantinnen und Mig­ Zwangsverheiratung bis Mai 2007 erstellt. ranten befassen, wird die Beauftragte der Bundesre­ Zudem wird bis Ende Mai 2007 in Zusammenarbeit gierung für Migration, Flüchtlinge und Integration mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte die Einrichtung einer Webseite ‚Integration‘ initiieren ein Reader zum Thema Zwangsverheiratung entste­ und unterstützen, auf der über vorhandene Maßnah­ hen. In dem Reader sollen Zwischenergebnisse men und Best-Practice-Beispiele aus allen Feldern aus der Praxisevaluation präsentiert werden und der Integrationspolitik informiert wird. Beiträge von Autoren und Autorinnen, die schon Zeitschiene: ab 3. Quartal 2007 im Themenbereich Zwangsverheiratung gearbeitet haben, aufgenommen werden. In diesen Beiträgen soll auf Phänomene und Ursachen der Zwangsver­ Vorschläge für Maßnahmen und Selbstverpfl ich­ heiratung, Aspekte der Genderdimension, recht­ tungen der Länder und Kommunen (bzw. in liche Rahmenbedingungen und auf Präventions­ der Regelungszuständigkeit von Ländern und und Interventionsmöglichkeiten eingegangen Kommunen) werden. Aus diesen Arbeiten heraus sollen die Defi nitionen Der integrationspolitische Beitrag der Länder zum und Fragestellungen für eine größere qualitative Nationalen Integrationsplan wird noch erarbeitet. Die und quantitative Studie entwickelt werden. Kommunalen Spitzenverbände befi nden sich derzeit noch im intensiven Austausch mit ihren Mitgliedern ■ Mit Förderung des Bundesministeriums für Familie, und werden ihren Beitrag im weiteren Verfahren Senioren, Frauen und Jugend wird noch im Jahre darstellen. 2007 ein Nothilfe-Flyer entwickelt, der Migran­ tinnen, die von Zwangsverheiratung bedroht oder ■ Vorgeschlagen wurde die Erörterung einer bundeslän­ betroffen sind, über ihre Rechte und verfügbare derübergreifenden Kooperation und gemeinsamen Finanzierung von geeigneten Zufl uchtsstätten/

91 4.4. Schutzeinrichtungen für von häuslicher Gewalt/ Zwangsverheiratung betroffene bzw. bedrohte durchzuführen, die Migrantinnen über ihre Rechte und andere stark gefährdete Migrantinnen mit aufklärt. Dazu sollen in den regionalen Gruppen erhöhtem Schutzbedarf, für die die Betreuungs­ des Verbands Informationsveranstaltungen in und Sicherheitsstandards der Frauenhäuser nicht türkischer und/oder deutscher Sprache stattfi nden. ausreichen. Ziel soll sein, mangelnde Kenntnisse über recht­ liche Möglichkeiten und Ansprüche durch ziel­ ■ Im Rahmen einer Maßnahme zu möglichen Proble­ gruppenorientierte Informationsveranstaltungen men bei der Anwendung des SGB VIII bei der Unter­ zu beheben. stützung von von Zwangsverheiratung Betroffenen Zeitschiene: 2008 bis 2009 und Bedrohten soll in einer Arbeitsgemeinschaft festgestellt werden, ob und welche Defi zite beste­ ■ „ihre Freiheit – seine Ehre.“ ist ein Aktionsbündnis der hen und wie diese behoben werden können. Die Migrantenselbstorganisationen in NRW und des Arbeitsgruppe soll ggf. Empfehlungen für die kom­ Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen munale Ebene formulieren. An der Arbeitsgruppe und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, nehmen eine Vertreterin oder ein Vertreter des das sich gegen Gewalt im Namen der Ehre einsetzt. Deutschen Städtetages, des Bundesministeriums Im Mittelpunkt der Kampagne steht eine Post­ für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und von kartenaktion, die gemeinsam von den Migranten­ Papatya – Kriseneinrichtung für junge Migran­ selbstorganisationen und dem Integrationsminis­ tinnen in Berlin teil. Es ist möglich, den Teilnehmer­ terium entwickelt wurde. Der Bundesverband der und Teilnehmerinnenkreis noch zu erweitern. Die Migrantinnen in Deutschland e. V. ist dem Aktions­ Mitwirkung einer Vertreterin/eines Vertreters der bündnis angeschlossen und wird sich an Aktionen Länder ist wünschenswert. im Rahmen der Kampagne weiterhin beteiligen.

■ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. wird Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen zweisprachige Informationsblätter/Info-Mails für die der nichtstaatlichen Institutionen und angeschlossenen Moscheegemeinden zu den The­ Organisationen men Zwangsverheiratung und häusliche Gewalt erstellen, wobei hier jeweils zwei Bereiche abge­ ■ Das Deutsche Institut für Menschenrechte bietet auf deckt werden, und zwar Anfrage in Zusammenarbeit mit Experten/-innen a) der rechtliche Rahmen in der Bundesrepublik zielgruppenspezifi sche Workshops zum Thema und die existierenden Beratungs- und Unterstüt­ Zwangsverheiratung als Menschenrechtsthema an. zungsmöglichkeiten, Informationen über Ver­ Die Workshops bauen auf den Erfahrungen zweier anstaltungen (Vorträge, Diskussionsgruppen) zu bereits durchgeführter Veranstaltungen auf. Die diesen Themen. Angebote richten sich an Berufsgruppen, die mit b) die Aussagen, die die Religion zu diesem Thema von Zwangsverheiratung und anderen Formen trifft (Verbot der Zwangsehe, Forderung von part­ innerfamiliärer Gewalt Betroffenen und Bedrohten nerschaftlichem Verhalten in der Ehe, Aushalten in Kontakt kommen, wie z. B.: von Ungerechtigkeit ohne selbst ungerecht zu wer­ den, Umgang mit Älteren Unterstützung, Verant­ ➤ Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und wortlichkeit vor Gott bzgl. der eigenen Gesundheit). Ausländerbehörden Es wird angeregt, diese Themen innerhalb der Freitagspredigten zu thematisieren. ➤ Schule, Jugend- und Sozialämter ■ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. wird ➤ Justiz und Polizei das Gespräch mit Behörden und Justiz suchen und die Möglichkeiten prüfen, Informationen über Zeitschiene: fortlaufend die Aussagen der Religion zu rechtlich relevanten Themen bzw. Themen, die für Behörden und ■ TERRES DES FEMMES e. V. wird voraussichtlich ab Justiz von besonderem Interesse sind, an diese August 2008 Weiterbildungsangebote zu frauen­ heranzutragen.1) spezifi schen Teilaspekten von Integration und Frauen-/ Menschenrechten in Kooperation mit verschiedenen ■ Papatya – Kriseneinrichtung für junge Migrantinnen Bildungsträgern und dem Deutschen Institut für in Berlin wird sich weiterhin als Stimme und Lobby Menschenrechte vorhalten. für die von ihr betreute Gruppe von Mädchen und

■ Der Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland 1 Die Möglichkeiten eines solchen Dialogs werden auch Gegenstand der Beratungen im Rahmen der Deutschen Islam­ e. V. plant, eine breit angelegte Informationskam­ konferenz sein, die auf Einladung von Bundesinnenminister pagne „Frauen haben Rechte“ zu entwickeln und Dr. Wolfgang Schäuble seit September 2006 tagt.

92 4.4. jungen Frauen, die von familiärer Gewalt betroffen Hilfeangebote bei häuslicher Gewalt immer noch sind, einsetzen. Sie wird insbesondere auch in der zu wenig verbreitet ist, sollen Frauenhäusern Praxis gewonnene Erkenntnisse über Zugangs­ verschiedene, in unterschiedlichen Kontexten hürden ins Hilfesystem und durch Institutionen einsetzbare Informationsmaterialien an die Hand veränderbare Probleme bei der Entwicklung einer gegeben werden. So werden sich Materialien z. B. selbstbestimmten Lebensperspektive in die Fachöf­ an Betroffene, an das soziale Umfeld und an Koope­ fentlichkeit bringen. Hierzu wird Papatya an einer rationspartnerInnen richten. In der äußeren und Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Handlungs­ sprachlichen Gestaltung sollen diese Materialien richtlinien für Behörden teilnehmen (s.o.). die Schutz- und Hilfeangebote des Frauenhauses auch Frauen nahe bringen, die dazu bisher keinen ■ Papatya – Kriseneinrichtung für junge Migrantinnen Zugang hatten. Um auch und gerade Migrantinnen wird alles Nötige dafür unternehmen, dass die seit zu erreichen, sollen zumindest die Basisinformati­ drei Jahren erprobte interkulturelle Onlineberatung onen in verschiedene Sprachen übersetzt werden. für gewaltbetroffene junge Migrantinnen weiter­ hin erhalten bleiben kann und verpfl ichtet sich ■ „Prävention von häuslicher Gewalt“ ist Querschnitts­ deshalb, sich um die Weiterfi nanzierung der dazu aufgabe. Das Begegungs- und Fortbildungszentrum nötigen Personalstellenanteile zu bemühen. muslimischer Frauen e. V. in Köln – BFmF e. V. – wird Kosten: ca. 50.000 Euro pro Jahr im Rahmen der Kurse, Beratungen und sonstiger Veranstaltungen an seiner Einrichtung die Gewalt­ ■ Papatya – Kriseneinrichtung für junge Migrantinnen problematik thematisieren und das BFmF e. V. mit wird außerdem bestehende europaweite Kontakte seinen kultursensiblen Beratungsangeboten als zum Schutz junger Migrantinnen pfl egen und Anlaufstelle für Migrantinnen in Not bekannt erweitern und die Erfahrungen und Erkenntnisse machen. aus anderen europäischen Einwanderungsländern immer wieder auch in die deutsche Fachdebatte ■ Darüber hinaus wird das Begegnungs- und Fortbil­ einbringen. dungszentrum muslimischer Frauen e. V. – im Rah­ men seiner Möglichkeiten – Polizeidienststellen ■ Papatya – Kriseneinrichtung für junge Migrantinnen und sozialen Einrichtungen seine Unterstützung verpfl ichtet sich überdies zur bundesweiten Koopera­ als Kulturmittlerin in Fällen häuslicher Gewalt tion und Vernetzung mit anderen Organisationen im bereitstellen. Im Falle einer fi nanziellen Förde­ Anti-Gewalt-Bereich. rung könnte BFmF e. V. diese Hilfestellung, welche immer häufi ger von staatlichen Stellen angefragt ■ Frauenhauskoordinierung e. V., Frankfurt/Main, wird wird, besser gewährleisten. im Rahmen der fortlaufenden Aktivitäten und Maß­ nahmen der Lebenslage von Migrantinnen weiterhin ■ Über türkische Medien, wie Privatsender (Türk­ besondere Aufmerksamkeit widmen. Migrantinnen­ show, Samanyslu TV, TGRT, Kanal Avrupa, ATV), spezifi sche Aspekte werden sowohl im Rahmen von Rundfunk, Printmedien und das Internet wird das Informationsmaterialien und Stellungnahmen als Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer auch im Rahmen von Fachtagungen und Veranstal- Frauen e. V. versuchen, eine größere Zahl türkischer tungen berücksichtigt. Migrantenfamilien in Deutschland für das Problem der häuslichen Gewalt zu sensibilisieren. Bei ent­ ■ In der Reihe der von der Frauenhauskoordinierung sprechender Finanzierung bestünde die Möglich­ e. V. herausgegebenen „Rechtsinformationen für keit, die Sender für eine kontinuierliche Aufklärungs- Frauen in Frauenhäusern mit Anspruch auf ALG II arbeit mittels türkischer Medien zu gewinnen und nach dem SGB II“ wird sich die nächste Ausgabe auf eine bessere Information türkischer Migrantinnen die besonderen Probleme und Leistungsansprüche in Deutschland sicherzustellen. Die Einrichtung von Migrantinnen beziehen. Sie wird im Herbst eines Beratungstelefons, dessen Nummer während 2007 fertiggestellt. der Sendungen eingeblendet bliebe, könnte eine solche regelmäßige Aufklärungsarbeit ergänzen. ■ Frauenhauskoordinierung e. V. wird das vorliegende „Rechtsinfo: Migrantinnen – Aufenthaltsrecht in ■ Das Begegungs- und Fortbildungszentrum musli- Härtefällen nach § 19 AuslG“ von 1999, eine Arbeits­ mischer Frauen e. V. wird seine Aufklärungsarbeit in hilfe für Frauenhausmitarbeiterinnen, im Jahre Moscheegemeinden ausbauen. Es wird seine Kon­ 2008 vollständig überarbeitet neu aufl egen. takte zu Moscheegemeinden intensivieren, um dort Veranstaltungen zum Thema Gewalt anzu­ ■ Frauenhauskoordinierung e. V. plant außerdem für bieten und unsere Einrichtung als Anlaufstelle für 2008/09 ein „Medienpaket Frauenhäuser“. Ange- Fragen zu familieninternen Konfl ikten und Gewalt sichts der Tatsache, dass Wissen über Schutz- und vorzustellen. Die Aufklärung von potenziellen

93 4.4. Opfern und Tätern in muslimischen Kreisen soll Gewalt betroffene oder bedrohte Frauen qualifi ­ im Rahmen einer solchen Kooperation ermöglicht ziert unterstützen können. werden. Einerseits soll ein Unrechtsbewusstsein bei Männern entwickelt und geschärft werden. Ande­ ➤ sind Träger zahlreicher Schutzeinrichtungen rerseits werden Frauen über ihre Rechte und über für von Gewalt betroffene Frauen (Frauenhäuser Möglichkeiten und Anlaufstellen informiert. etc.), die auch von Migrantinnen in Anspruch genommen werden. Die Verbände der BAGFW ■ Die Muslimische Akademie in Deutschland bereitet werden die Vernetzung und verstärkte Koopera­ derzeit Module für Imamfortbildungen vor. Im tion dieser Einrichtungen mit Migrationsdiensten Rahmen der Fortbildungen für Seelsorgerinnen und fördern, um betroffenen Frauen mit Hilfe geeig­ Seelsorger sowie weitere Multiplikatorinnen und neter Maßnahmen (z. B. Familienberatung, Medi­ Multiplikatoren islamischer Gemeinden verpfl ichtet ation, Konfl iktprävention, Sprachkursen) Wege sich die Akademie, Maßnahmen zur Sensibilisierung aus dem gewaltgeprägten Umfeld zu eröffnen. und Schulung zu den Themen familiäre Konfl ikte und häusliche Gewalt zu entwickeln. ■ Der Deutsche Juristinnenbund (djb) hat nach Zeitrahmen: ab Herbst 2007 Abschluss der Arbeiten an diesem Bericht folgende Selbstverpfl ichtungen nachträglich eingebracht: ■ Die Mitgliedsverbände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspfl ege e. V. – BAGFW ➤ Die Mitglieder der Fachkommissionen des Deut­ schen Juristinnenbundes (djb), insbesondere ➤ werden sich verstärkt um die Aufklärung von die Mitglieder der Kommission Gewalt gegen Migrantinnen über familienrechtliche, sozial- und Frauen und Kinder, übernehmen gegen Erstat­ aufenthaltsrechtliche Fragen incl. ihrer recht­ tung der Aufwendungen Fortbildungsaufgaben lichen Möglichkeiten bei Konfl ikten bemühen im Rahmen regionaler und überregionaler und für eine entsprechende Qualifi zierung ihrer Informationsveranstaltungen für insbesondere Mitarbeitenden sorgen. von Gewalt betroffene Migrantinnen und deren Kinder und/oder die in diesem Zusammenhang ➤ setzen sich dafür ein, dass das Grundrecht auf in Migrantenverbänden tätigen Professionellen Ehe und Familie auch für hier lebende Migran­ im Rahmen von deren Fortbildung. tinnen zur Anwendung kommt. Sie unterstützen Zeitdauer: zunächst drei Jahre Migrantinnen dabei, in Deutschland mit ihrer Kosten: ca. 20.000 Euro pro Jahr je nach Familie zusammen leben zu können und werden Anforderungshäufi gkeit gesetzliche Regelungen daraufhin überprüfen, inwieweit diese dem Recht auf Familienleben ➤ Mitglieder des Deutschen Juristinnenbundes entgegenstehen. übernehmen einjährige Patenschaften und Tuto­ renaufgaben für Berufskolleginnen, die Frauen ➤ streben an, ihre Unterstützungs- und Beratungs­ mit Migrationshintergrund aus dem Bereich angebote für von Gewalt bedrohten oder betrof­ Justiz, Anwaltschaft und Wirtschaftswissen­ fenen Migrantinnen auszubauen. Sie halten eine schaften sind oder sich in Ausbildung zu diesen Verbesserung der aufenthalts- und sozialrecht­ Bereichen befi nden. Für die Dauer der Paten­ lichen Stellung der von Gewalt betroffenen/oder schaft wird für diese Kolleginnen der Beitrag zur von Zwangsheirat betroffenen oder bedrohten Mitgliedschaft im djb nicht erhoben. Frauen für dringend geboten. Sie werden ihre Zeitdauer: drei Jahre Migrationsdienste und ihre anderen Beratungs­ Kosten: ca. 10.000 Euro pro Jahr dienste weiter qualifi zieren, damit diese von

2. Themenschwerpunkt: zipation von Migrantinnen in Wirtschaft, Politik und Partizipation Gesellschaft umfassend im Rahmen des Integrations­ plans aufgegriffen werden. Es handelt sich hierbei um ein Thema, dessen Umsetzung ein Mosaik aus vielen 2.1 Bestandsaufnahme einzelnen Themen und Projekten darstellt und mit einer Bewusstseinsbildung der Bevölkerung einher­ Die doppelte Herausforderung, die Lebenssituation gehen muss. Hierzu gehört neben einer Verbesserung von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund des Zugangs von Migrantinnen zu Ausbildung und zu verbessern und Gleichberechtigung im Kontext Beruf auch die Organisation und Vernetzung von von Migration und Integration zu verwirklichen, lässt Migrantinnen und ihren Interessenvertretungen. sich nur bewältigen, wenn die gleichberechtigte Parti- Zwischen den oft gegensätzlichen Erwartungen der

94 4.4. eigenen Familie, der eigenen community und den 2.2 Zielbestimmungen Erwartungen der deutschen Aufnahmegesellschaft an Art und Umfang der gesellschaftlichen Partizi­ Ziel aller zu initiierenden Maßnahmen muss die pation müssen die Migrantinnen Wege suchen, bei Verbesserung der gesellschaftlichen und politischen denen vielfältige Unterstützung gerade auch durch Partizipation von Migrantinnen sein. Hierzu bedarf es Frauenorganisationen besonders wichtig erscheint. einer Vielzahl von politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen. Migrantinnen kommen aus sehr verschiedenen und z. T. anders strukturierten Gesellschaften nach So beeinfl ussen sich Partizipation und Bildung gegen­ Deutschland – als junge Mädchen im Rahmen des seitig. Solide Sprachkenntnisse, staatsbürgerliche Familiennachzugs, als junge Frauen, um hier zu Bildung und ein aus eigener Erwerbstätigkeit erwach­ studieren, zu arbeiten oder um einen in Deutsch­ senes Selbstbewusstsein sind unabdingbar für eine land lebenden Mann zu heiraten. Einige Frauen sind gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und die unfreiwillig oder unter falschen Voraussetzungen Vertretung ihrer eigenen Interessen. nach Deutschland gekommen. Andere werden – z. B. aufgrund ihrer Hautfarbe – im Alltag jederzeit als Nachholen der Bildung – d. h. sowohl Schulabschlüsse Migrantinnen wahrgenommen, bei wieder anderen als auch Ausbildung – kommt daher für den Integra­ bleibt der Migrationshintergrund unsichtbar. Manche tionsprozess eine herausragende Bedeutung zu. Sie Frauen kommen mit der Perspektive nach Deutsch­ muss entsprechend den Bedarfen Betroffener konzi­ land, auf Dauer hier zu leben, andere nur mit einer piert und ermöglicht werden. Zugleich müssen bei begrenzten Perspektive. Diese Vielfalt mit all ihren der Berufsausbildung die besonderen Kompetenzen Potenzialen wahrzunehmen, ist eine besondere und Ressourcen von Migrantinnen wertschätzend an Herausforderung und Aufgabe für alle auf gelingende Arbeitgeber vermittelt werden. Integration zielenden Maßnahmen und Aktionen. Migrantinnen selbst können am besten Auskunft Neben der Notwendigkeit einer emotionalen Öffnung geben, wo sie Handlungsbedarfe und -defi zite im sowohl der Aufnahmegesellschaft wie auch der Mig­ Hinblick auf ihre gesellschaftliche und politische rantinnen und Migranten zum gegenseitigen besse­ Teilhabe sehen. Daher ist es wichtig, sie und ihre ren Verständnis und zur Akzeptanz und Toleranz in Selbstorganisationen stärker als bisher in den Inte­ einer multiethnischen Gesellschaft, gibt es Bereiche, grationsprozess einzubeziehen. Mentorinnen aus in denen eine gezielte Förderung von Projekten oder etablierten deutschen Frauenorganisationen könnten Einrichtungen die Partizipation der Migrantinnen hier möglicherweise hilfreich sein. Angebote und verbessern kann. Sozialisationsbedingte und struk­ Maßnahmen müssen gemeinsam mit ihnen und nicht turelle Benachteiligungen können dabei durchaus für sie konzipiert werden. Maßnahmen, die die beson­ erfolgreich ausgeglichen werden. Migrantinnen, die deren Potenziale und Ressourcen von Migrantinnen durch Beratung und Bildung aktiv unterstützt werden, aufgreifen, bedürfen der besonderen Unterstützung. sind in der Lage, sich selbstbewusst gegen Diskri­ minierung sowohl von innerfamiliärer als auch von Die interkulturelle Öffnung von Regeldiensten ist ein gesellschaftlicher Seite durchzusetzen. besonderes Anliegen der Arbeitsgruppenteilnehmer und -teilnehmerinnen, da der Eindruck besteht, dass Wenig Aufmerksamkeit hat bisher die prekäre Lebens­ diese die Migrantinnen und Migranten nicht hin­ situation alleinerziehender Migrantinnen gefunden. reichend erreichen und wenig Kenntnis von deren Sie haben sich zum Teil aus Lebenslagen befreit, die Lebenssituation haben. Das hier bestehende erheb­ von Gewalt und Unterdrückung geprägt waren, und liche Defi zit muss gemeinsam aufgearbeitet werden. müssen häufi g ohne familiäre Unterstützung und unterstützende Netzwerke ihre Kinder erziehen. 2.3. Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen Die Integration der Migrantinnen wird nicht zuletzt beeinfl usst durch die Erwartungen und Haltungen Es wurden die folgenden Maßnahmen und Selbstver­ ihrer Väter, Männer und Brüder. Bei Maßnahmen zur pfl ichtungen zum Themenfeld eingebracht: Verbesserung der Partizipation von Migrantinnen ist daher eine Veränderung des Rollenverständnisses 2.3.1. Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen und -verhaltens der Männer in vielen Fällen Vorausset­ der Bundesregierung (bzw. in der zung gelingender Integration und Partizipation der Regelungszuständigkeit des Bundes) Migrantinnen. ■ Die Bundesregierung wird das 2005 begonnene Dialogforum mit muslimischen Frauen fortsetzen. Im Rahmen dieser Informations- und Kontaktge­ spräche, die das Bundesministerium für Familie,

95 4.4. Senioren, Frauen und Jugend in Kooperation mit mit Migrationshintergrund wie Mehrsprachigkeit, der Beauftragten der Bundesregierung für Migra­ Auseinandersetzung mit zwei Kulturen, Flexibilität, tion, Flüchtlinge und Integration und der Musli­ Empathie etc. in ihrer Mehrdimensionalität und mischen Akademie in Deutschland e. V. durchführt, Vielschichtigkeit als Potenzial und Ressource wahr­ geht es schwerpunktmäßig darum, zunehmen, als Wachstums- und Veränderungs­ impuls für die eigene Praxis wertzuschätzen und ➤ die gleichstellungspolitische Arbeit aller Beteilig­ in Anerkennung dieser kulturellen Vielfalt neue ten darzustellen und sichtbar zu machen, Handlungsoptionen zu entwickeln. Sich selbst steuernde Lern- und Arbeitsgruppen ➤ die gesellschaftliche Teilhabe von Musliminnen mit Akteurinnen und Akteuren aus den Bereichen in der Gesellschaft zu verbessern, Wirtschaft/Beratung/Selbstorganisation sollen durch modellhafte Kooperationen vor Ort und in ➤ bildungs- und familienpolitische relevante Fra­ der gemeinsamen Ausgestaltung eines Projekts mit gestellungen zu diskutieren, regionalem Bezug qualifi zierte Arbeits- und Ausbil­ dungsplätze für junge Frauen mit Migrationshin­ ➤ den Forschungsstand zu Musliminnen in tergrund erschließen und bereitstellen. Das Projekt Deutschland zu analysieren und auf diesem startete in den Standorten Köln und Dresden. Hintergrund Zeitschiene: Oktober 2006 bis März 2008

➤ die Verständigung über gleichstellungspoli­ ■ Das Modellprojekt ‚Transkulturelles und interreli­ tische Themen von Frauen mit unterschied­ giöses Lernhaus der Frauen‘ fördert die Vernetzung lichem religiösen und kulturellen Hintergrund und den Austausch von Frauen verschiedener zu erleichtern. kultureller und religiöser Herkunft und bietet ein zweijähriges Qualifi zierungsprogramm an. An ■ Der Übergang von Schule/Studium in den Beruf den Standorten Frankfurt, Köln und Berlin werden ist für junge Frauen mit Migrationshintergrund Frauen mit und ohne Migrationshintergrund zur oft in besonderer Weise belastend. Weil Vorbilder Kulturmittlerin qualifi ziert. sowohl in der Familie als auch im engeren sozialen Das Lernhaus der Frauen geht von der Annahme Umfeld oft fehlen, stehen sie oft unter besonderem aus, dass Frauen in Integrationsprozessen eine zen­ Rechtfertigungsdruck. Vor diesem Hintergrund trale Bedeutung zukommt. Dabei wird die Unter­ wird im Rahmen des Projekts ‚Network.21 – Leben schiedlichkeit von Religionen, Weltanschauungen und Arbeiten in der transkulturellen Gesellschaft‘ und Lebensentwürfen zum Ausgangspunkt eines jungen Frauen (Oberstufenschülerinnen/Studen­ gemeinsamen Lernprozesses. Das ‚Transkulturelle tinnen) ein Mentoring-Programm als unterstüt­ und interreligiöse Lernhaus der Frauen‘ richtet sich zendes Netzwerk für die eigene Arbeitsmarkt- und an Frauen, die ehrenamtlich tätig sind, sich enga­ Karriereorientierung angeboten. Es ermöglicht die gieren möchten oder eine berufl iche Perspektive Auseinandersetzung z. B. mit den Geschlechterrol­ suchen. Es stützt sich auf die spezifi schen Fähig­ len der eigenen und der neuen Kultur und zielt auf keiten von Frauen unterschiedlicher kultureller die Förderung politischen Bewusstseins und die und religiöser Herkunft und verschiedener Wert­ Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement. orientierungen. Das bei erfolgreichem Abschluss Durch die Einbindung einer männlichen Kontroll­ vorgesehene Zertifi kat orientiert sich an der Sys­ gruppe eröffnen sich zudem neue Möglichkeiten in tematik des Europäischen Qualifi kationsrahmens der Ansprache und Beteiligung junger Migranten, und den Empfehlungen des Europäischen Parla­ die in anderer Weise als Frauen oft an eigene kultu­ ments und des Rates zu Schlüsselkompetenzen für relle Muster und Sichtweisen gebunden sind. lebenslanges Lernen. Die Teilnehmerinnen sollen Zeitschiene: September 2006 bis Oktober 2009 die erworbenen Qualifi kationen und ihr Wissen sowohl als Multiplikatorinnen in den zivilgesell­ ■ Im Zuge der Globalisierung eines sich zwischen den schaftlichen Prozess einbringen als auch für sich Regionen verschärfenden Wettbewerbs um Inves­ selber einsetzen, indem sie sich zusätzliche Chan­ titionen, Arbeit und Arbeitskräfte kommen die cen auch in berufl ichen Bereichen erschließen. bislang weitgehend ungenutzten Potenziale von Zeitschiene: Oktober 2006 bis März 2008 Frauen und Männern mit Migrationshintergrund mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses. ■ Im Rahmen der Deutsch-Französischen Tagung: Der Ziel des Modellprojekts Kulturelle Vielfalt als Impuls Wandel von Rollenverständnissen im Integrations­ für Entwicklung und Wachstum ist es, die an den prozess in Schloss Genshagen soll der Migrations­ exemplarischen Lern- und Arbeitsprozessen betei­ prozess aus der Gender-Perspektive in den Blick ligten Personen und Institutionen und die interkul­ genommen werden. Während Frauen, insbeson­ turellen Basiskompetenzen junger Frauen/Männer dere der zweiten und dritten Migrationsgeneration,

96 4.4. sich vielfach an den Rollenleitbildern deutscher dung, Arbeit und Ausbildung – gehört zu den Frauen orientieren, d. h. für sich durchaus eine zentralen Herausforderungen gesellschaftspoli­ qualifi zierte Berufsausbildung und eine Verein­ tischer Bemühungen. Der von der Bundesregie­ barkeit von Familie und Beruf wünschen, scheinen rung einberufene Integrationsgipfel sowie ihre die Männer mit Migrationshintergrund sich eher anschließenden Bemühungen (Nationaler Integra­ an den tradierten Rollenleitbildern der Herkunfts­ tionsplan, Integrationskonzept, Integrationsforum) länder zu orientieren. Diese Ungleichzeitigkeiten unterstreichen die Wichtigkeit eines sachlichen im Integrationsprozess, also das „Tempo der und gemeinsamen Angehens zur Verbesserung der Geschlechter“ sollen auf der Tagung untersucht Lebenssituation der hier lebenden Migrantinnen werden. und Migranten. Der Bundesverband der Migran­ Zeitschiene: 9. bis 10. November 2007 tinnen in Deutschland e. V. möchte im Zuge dieser Entwicklungen türkeistämmige Migrantinnen ■ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird an diese aktuellen Prozesse heranführen und prüfen, wie die Partizipation von Migrantinnenorga­ insbesondere in Debatten einbeziehen, die sich nisationen an der Projektförderung im Bereich Inte­ mit der Thematik Integration und Geschlechterge­ gration gestärkt werden kann. Ggf. sollen vermehrt rechtigkeit auseinandersetzen. Die Tagung „Chan­ Angebote gefördert werden, die Migrantinnenor­ cengleichheit und Migrantinnen – Perspektiven und ganisationen bei der Kompetenzentwicklung in Handlungskonzepte für die Integration von Frauen in den Bereichen Projektplanung, -beantragung und Deutschland und Europa“ möchte daher dazu die­ -durchführung unterstützen. nen, den geschlechterperspektivischen Fokus in die Zeitschiene: Beginn 3. Quartal 2007 Integrationsdebatte zu verstärken und hervorzuhe­ ben, indem Migrantinnen selbst als Akteure in den ■ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird Vordergrund erscheinen. Die inhaltlichen Ergeb­ Migrantinnenorganisationen in die Entwicklung nisse der Tagung werden in Form einer Dokumen­ des bundesweiten Integrationsprogramms einbezie­ tationsbuches festgehalten. hen sowie die speziellen Lebenslagen von Migran­ Zeitschiene: 01. Juni 2007 bis 03. Juni 2007 tinnen in allen Handlungsfeldern des Integrations­ Kosten: 48.000 Euro programms berücksichtigen. Zeitschiene: Beginn 3. Quartal 2007 ■ Der Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V. plant die Durchführung einer Maßnahme „Integration durch Kultur“ zur Förderung der Inte­ Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der gration von Migrantinnen durch Kultur. Ziel der Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs­ Maßnahme soll sein, die kulturelle und soziale Inte­ zuständigkeit von Ländern und Kommunen) gration von Migrantinnen durch entsprechende Maßnahmen und Angebote zu unterstützen. Die Der integrationspolitische Beitrag der Länder zum Maßnahme soll Städterundfahrten, Informations­ Nationalen Integrationsplan wird noch erarbeitet. Die veranstaltungen zur Kultur der Aufnahmegesell­ Kommunalen Spitzenverbände befi nden sich derzeit schaft, Workshops, Theater- und Museenbesuche, noch im intensiven Austausch mit ihren Mitgliedern Gesprächskreise und andere Formen der interkul­ und werden ihren Beitrag im weiteren Verfahren turellen Begegnung umfassen. darstellen. Im Vordergrund sollen dabei stehen:

➤ Der Abbau von kulturellen Vorbehalten Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der nicht­ staatlichen Institutionen und Organisationen ➤ Die wechselseitige Akzeptanzsteigerung von Einheimischen und Migrantinnen ■ Der Deutsche Frauenrat wird verstärkt die Auf­ nahme in den bzw. die Mitarbeit von Migrantinnen­ ➤ Die Förderung und Stärkung des sozialen und organisationen im Deutschen Frauenrat prüfen. kulturellen Engagements von Migrantinnen Zeitschiene: Oktober 2007 bis Dezember 2008 ➤ Das Kennenlernen und Verstehen der Kultur der ■ In seinen Stellungnahmen z. B. zu Vorhaben der Aufnahmegesellschaft Bundesregierung wird der Deutsche Frauenrat verstärkt den Aspekt der Frauen mit Migrationshin­ ➤ Die Förderung und Stärkung des Gemeinschafts­ tergrund berücksichtigen. gefühls von Migrantinnen

■ Der gleichberechtigte Zugang von Migrantinnen Zeitschiene: Ende 2007 bis 2010 und Migranten zu allen Bereichen des Lebens – Bil­ Kosten: Nicht bezifferbar

97 4.4.

■ Der Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland deren Möglichkeiten zur Teilhabe an der Gesell­ e. V. wird seine Tätigkeit zur Förderung der Integra­ schaft mit einbeziehen. tion und damit der Verbesserung der Lebenssituation von Frauen unterschiedlicher Herkunft fortsetzen ■ Die Muslimische Akademie in Deutschland ist und ausbauen. Die Verbandstätigkeit umfasst gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten und Informations-, Beratungs- und Weiterbildungsmaß­ dem Bundesministerium für Familie, Senioren, nahmen sowie Angebote zur Stärkung der poli­ Frauen und Jugend Initiatorin eines ‚Dialogforums tischen, sozialen und kulturellen Partizipation von mit Vertreterinnen muslimischer Fraueninitiativen Migrantinnen. und Frauenbeauftragten der islamischen Dachver­ bände und überregionaler Zusammenschlüsse von ■ Das Begegnungs- und Fortbildungszentrum musli­ Muslimen in Deutschland‘. Ziel dieser Arbeit ist mischer Frauen e. V. – BFmF e. V. – in Köln wird sich in es, die frauenspezifi sche Arbeit der Islamischen den Arbeitskreisen, Foren und Veranstaltungen, an Verbände zu professionalisieren und sichtbar zu denen es teilnimmt, darum bemühen, als Media­ machen sowie ein Forum zu schaffen, in dem die toren, die Sichtweisen und Interessen von Migran­ Vernetzung sowohl in der Frauenarbeit engagierter tinnen zu vermitteln und einzubringen und damit Musliminnen untereinander als auch mit auf Parti­ auch zu einer Kultursensibilität in verschiedenen zipation abzielenden Initiativen und Institutionen Bereichen beizutragen. Auf der anderen Seite der Zivilgesellschaft zu fördern. Bestehende musli­ wird BFmF e. V. aus seinem Pool an qualifi zierten mische Beratungsinitiativen für Frauen beklagen Fachfrauen mit Migrationshintergrund Mitar­ bisher fehlende Kontakte zu anderen bestehenden beiterinnen auch als Mentorinnen einsetzen, mit Nothilfe- und Beratungseinrichtungen, z. B. der dem Ziel, Migrantinnen in ihrer persönlichen und öffentlichen Wohlfahrtspfl ege. Davon ausgehend berufl ichen Entwicklung zu fördern. verpfl ichtet sich die Muslimische Akademie in Deutschland die Vernetzung muslimischer Frauenin­ ■ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. wird itiativen mit bestehenden Nothilfe- und Beratungsein­ in seinen Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben richtungen für Frauen zu fördern. der Bundesregierung insbesondere die Situation Zeitrahmen: ab Herbst 2007 der Kopftuch tragenden Mädchen und Frauen sowie die Auswirkungen der Gesetzesvorhaben auf

Unterarbeitsgruppe 2 wieder muss daher von politischen und gesellschaft­ ‚Stärkung der Migrantinnen in lichen Akteurinnen und Akteuren auf die Vielfalt der Frauen und Männer, Mädchen und Jungen mit Familie und sozialem Umfeld, Migrationshintergrund hingewiesen werden. Es muss Sexualaufklärung, Gesundheit und sich aber auch die Form der Ansprache von Migran­ Altenhilfe‘ tinnen verändern, denn häufi g schwingt hierin wenig Empathie mit. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Die Vielfalt der Frauen und Mädchen mit Migrations­ wiesen nachdrücklich auf die Bedeutung hin, zu ver­ hintergrund, ihre unterschiedlichen Lebenslagen mitteln, dass Migrantinnen der zweiten und dritten wie auch die Pluralität ihrer Lebensentwürfe wird in Migrationsgeneration häufi g nicht nur Deutsche der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. So wenig sind, weil sie möglicherweise in Deutschland geboren wie bisher die Vielfalt der Migrationshintergründe sind und einen deutschen Pass haben, sie fühlen sich von Frauen in den Blick genommen wurden, so wenig auch als Deutsche. Ein selbstverständlicher, selbstbe­ Beachtung hat die Kategorie Geschlecht gefunden. wusster Umgang miteinander, der frei ist von jeder Dies hat zur Konsequenz, dass das Thema ‚Migran­ Art der Diskriminierung, ist daher für ein gleichbe­ tinnen‘ häufi g defi zitär besetzt ist, die Ressourcen rechtigtes Zusammenleben in unserer Gesellschaft und Potenziale, die Migrantinnen für die Gesellschaft unverzichtbar. bergen, nicht erkannt und nicht aktiviert werden. Einem realistischen und zeitgemäßen Bild der Frauen Diese Unkenntnis und die dadurch bedingt häufi g feh­ und Mädchen mit Migrationshintergrund entspre­ lende Kommunikation mit Betroffenen führen dazu, chen die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersu­ dass Maßnahmen, die für Migrantinnen konzipiert chungen. Offensichtlich werden diese Untersuchungs­ sind, ins Leere gehen. Sie sind häufi g nicht passgenau ergebnisse nicht nur in der Aufnahmegesellschaft und erreichen daher die Zielgruppe nicht. Immer nicht wahrgenommen, sondern auch die Migranten­

98 4.4. Communities antizipieren eher traditionelle Einstel­ dass grundsätzlich gleiche Nutzungsrechte wie auch lungen und gelegentlich auch ein defi zitäres Bild von -möglichkeiten noch keine gleiche Nutzungseffektivi­ Migrantinnen. Daher muss sich Integrationspolitik an tät garantieren. der Vielfalt der Lebensrealitäten von Migrantinnen orientieren und einer Stereotypisierung des Bildes von Zu wenig Bedeutung beigemessen wird nach Auf­ Migrantinnen in der Gesellschaft entgegenwirken. fassung Betroffener der Art und der Komplexität der Sprache, in der Inhalte vermittelt werden. So behindern informationsbedingte, kulturelle und kommunikative Barrieren die Nutzung präventiver Themenschwerpunkt: und gesundheitsförderlicher Angebote und Möglich­ Gesundheit, Sexualaufklärung, keiten. Immens wichtig ist hier die Verwendung einer Altenhilfe angemessenen Sprache.

Gleiches gilt für die erforderliche Kultursensibilität. 1. Bestandsaufnahme Sie ist außerordentlich wichtig als Qualitätskriterium der in Deutschland insgesamt sehr umfangreich Gesundheit und Sexualaufklärung sind Bereiche, die bestehenden Beratungsangebote ebenso als Bestand­ das Leben von Migrantinnen in besonderer Weise teil der Aus- und Fortbildung von Ärzten, Ärztinnen berühren, ihnen kommt eine besondere Schlüssel­ und Pfl egekräften. Nur in wenigen Bereichen sind die funktion und Verantwortung im Hinblick auf ihre entsprechenden Voraussetzungen heute in der Weise eigene Gesundheit und die ihrer Familien zu. Die geschaffen, dass Frauen mit Migrationshintergrund, Berichte Betroffener aber auch von Trägern von Inte­ hier insbesondere Frauen mit afrikanischem Migrati­ grationsmaßnahmen zeigen, dass sie in Integrations­ onshintergrund, auf eine kultur- und geschlechterge­ maßnahmen speziell für Frauen außerordentlich gern rechte Ansprache vertrauen können. angenommen werden. Dies geschieht vor dem Hinter­ grund, dass Frauen mit Migrationshintergrund über­ Die Approbation in den Heilberufen ist grundsätzlich wiegend bestrebt sind, auch beim Arztbesuch oder bei an die deutsche Staatsangehörigkeit geknüpft. Darü­ Krankenhausaufenthalten von Familienmitgliedern ber hinaus ist die Approbation an gleichgestellte Per­ unabhängig Entscheidungen treffen zu können. Aller­ sonen (Angehörige der EU- und EWR-Staaten) zu ertei­ dings zeigt die Praxis, dass diese Themen schwierig zu len, während Drittstaatsangehörige z. B. erst nach vermitteln sind, wenn sie in geschlechtergemischten einer berufl ichen Integrationszeit eine Approbation Gruppen behandelt werden. Dies gilt besonders für erhalten. Mit Blick auf die interkulturelle Öffnung des Maßnahmen der Sexualaufklärung und Familien­ Gesundheitswesens und der Altenhilfe, insbesondere planung. Generell ist der Umgang mit Themen wie im Hinblick auf die in Deutschland aufgewachsenen Sexualität, Liebe und Verhütung aufgrund kultureller und ausgebildeten Migrantinnen und Migranten wird Barrieren erschwert. So ist Sexualität in den meisten geprüft, ob ein erleichterter Zugang zur Approbation Migrantinnengruppen kein offenes Thema in der erforderlich ist. Familie, besonders im Verhältnis zur Mutter und zu älteren Verwandten ist es tabu. Für passgenaue Beratungsangebote bedarf es einer genauen Kenntnis der Zielgruppe. Hier zeigt die Pra­ Die Integration von Migrantinnen und Migranten in xis, dass Angebote, die von Migrantinnenselbstorga­ das derzeitige präventive Regelangebot der Gesetz­ nisationen erbracht werden oder in Kooperation mit lichen Krankenversicherung ist – ebenso wie bei ihnen erarbeitet und durchgeführt werden, erfolg­ anderen Bevölkerungsgruppen in sozial ähnlichen reich arbeiten. Lagen – derzeit oft noch defi zitär. Dies gilt z. B. beson­ ders im Hinblick auf Präventionsmaßnahmen. Trotz Das Thema Integration älterer Migrantinnen wurde grundsätzlicher Zugangsoffenheit zum Angebot der insbesondere diskutiert unter dem Blickwinkel der GKV-Vorsorgeleistungen für alle (dies trifft u. a. nicht interkulturellen Öffnung bestehender Angebote für Asylbewerberinnen und -bewerber zu) sind Mig­ der Altenhilfe und dem Schaffen von Einrichtungen rantinnen z. B. bei der Inanspruchnahme zahnmedi­ für bestimmte Zielgruppen von Migrantinnen und zinischer Präventivmaßnahmen deutlich unterreprä­ Migranten. sentiert, während zugleich das gesundheitliche Risiko mit abnehmendem Sozialstatus steigt. Auch Vorsor­ Die Lebenssituation älterer Migrantinnen ist nicht geuntersuchungen in der Schwangerschaft werden nur in Deutschland, sondern weltweit prekär. Sie ist seltener und auch später in Anspruch genommen, prekär, weil drei Diskriminierungstatbestände zusam­ während die kindliche Morbidität nach der Geburt menkommen: Geschlecht, Alter und Ethnie. Daher ist höher ist als bei deutschen Müttern. Diese Beispiele es wichtig, ihre Lebenslage besonders aufmerksam zu sind Indikatoren für Hindernisse im Hinblick auf die betrachten. Effektivität von Präventionsangeboten und zeigen,

99 4.4. Anders als über Jahrzehnte von Politik und Gesell­ 2. Zielbestimmungen schaft angenommen wurde, ist die Rückkehr ins Herkunftsland für die meisten älteren Migrantinnen Im Bereich der Gesundheitsangebote, der psychoso­ keine ernst zu nehmende Alternative mehr. Das Gros zialen Beratung, Sexualaufklärung und Familienpla­ der Befragten wird den Lebensabend in Deutschland nung ist eine gezielte Verbesserung der Angebote für verbringen. Dies gilt auch für die Alterspendlerinnen. Migrantinnen sicher zu stellen. Ihre zielgruppenge­ Die wesentlichen Gründe für einen dauerhaften rechte und kultursensible Ansprache ist als Qualitäts­ Verbleib sind die in Deutschland lebenden Kinder und standard ausdrücklich zu verankern und transparent Enkelkinder, eine bessere medizinische Versorgung zu machen. Für die interkulturelle Öffnung des als im Herkunftsland sowie eine Absicherung der Gesundheitswesens und der Altenhilfe sollte über­ Lebensrisiken durch das soziale System. prüft werden, ob dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländern und Ausländerinnen, zumindest jedoch Hinzu kommen Gründe z. B. des subjektiven Wohlbe­ Ausländern und Ausländerinnen mit einer Niederlas­ fi ndens, aber auch der größeren Selbstbestimmung. sungserlaubnis, Erleichterungen bei der Approbati­ onserteilung zu gewähren sind. Mit dem Memorandum für eine kultursensible Altenhilfe, das gemeinsam mit der Beauftragten der Vorhandene Potenziale zu fördern und Problemstruk­ Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und turen zu reduzieren, muss ein übergeordnetes Ziel Integration und allen Verbänden der Freien Wohl­ migrations- bzw. integrationssensibler Präventions­ fahrtspfl ege erarbeitet und als Selbstverpfl ichtung arbeit sein, denn: Die – häufi g gut gemeinte – Unter­ von über 160 Verbänden unterzeichnet wurde, erfolgt stellung einer Gleichheit beim Zugang zu und bei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die der Nutzung von Präventions- und gesundheitlichen besondere Bedarfe älterer Migrantinnen müssen hier Versorgungsangeboten verhindert eine Analyse besonders berücksichtigt werden. wie eine Änderung der Verhältnisse und fördert die Chancenungleichheit. Als besonders problematisch erweist sich das Thema Demenz und Migration. Migrantinnen haben oft Gesundheitsförderung für Menschen mit Migrati­ falsche Informationen zum Krankheitsbild Demenz, onshintergrund kann und sollte neben übergeord­ es ist eher ein Tabuthema. Hier fehlen entsprechende neten Ansätzen in Politik und Lebensraumgestaltung kultursensible Informations- und Beratungsangebote die Ziele Integration bzw. interkulturelle Öffnung, insbesondere für die pfl egenden Angehörigen. Auch ganzheitliche Ressourcenförderung zur Selbstbestim­ die Begutachtung von pfl egebedürftigen an Demenz mung über die eigene Gesundheit und die Prävention erkrankten Migranten und Migrantinnen ist aufgrund spezifi scher Risikofaktoren spezieller Risikogruppen der fehlenden und im Krankheitsverlauf degene­ beinhalten. Ein Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg rierenden Sprachkompetenzen problematisch. Die von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung von derzeitigen Begutachtungsverfahren sind zum Teil für Frauen und Männern mit Migrationshintergrund ist die Begutachtung von Migrantinnen und Migranten deren Beteiligung. ungeeignet. Zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung Die Lebenssituation von Migrantinnen ist durch von Migrantinnen bedarf es Niedrigeinkommen und relative Altersarmut gekenn­ zeichnet. Generell ist zu konstatieren, dass die älteren ■ bedarfsorientierter Angebote, Migrantinnen keineswegs dem Klischee der ‚hilfs­ bedürftigen Alten‘ entsprechen. Sie gewähren meist ■ einer interkulturellen Regelversorgung, mehr Unterstützung als sie im Austausch von ihren Kindern bekommen. ■ einer interdisziplinären Vernetzung,

Da die Migrantinnen der ersten Zuwanderergenera­ ■ der Erschließung adäquater Zugangswege, tion vielfach jetzt erst ins Rentenalter kommen, wer­ den ihre Lebenssituation und ihre Bedarfe erst suk­ ■ der Sicherung der Datenbasis. zessiv wahrgenommen. Daher sind häufi g bestehende Angebote häufi g nicht geschlechterdifferenziert. Es Die Anstrengungen der Integrationspolitik müssen gibt zudem wenig Forschung zu ihrer Lebenssituation die Bedarfe älterer Migranten, insbesondere älterer und auch wenig zielgruppenspezifi sche Sport- und Migrantinnen, ernst nehmen – nicht zuletzt, weil Freizeitangebote. Insgesamt bedürfen ihre Anliegen die Großelterngeneration im familiären Kontext im Altenhilfesystem intensiver Berücksichtigung. den Integrationsprozess der Enkelgeneration positiv

100 4.4. unterstützen kann, aber auch weil ihre in Deutsch­ land erbrachte Lebensleistung in einer Lebensphase ■ Der 2001 von der Bundeszentrale für gesund­ größerer Hilfsbedürftigkeit adäquat anerkannt wer­ heitliche Aufklärung initiierte „Bundesweite den sollte. Kooperationsverbund ‚Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten‘“, in dem unter anderem die Hier neue Impulse zu setzen ist eine große Chance des Spitzenverbände der Krankenkassen, Bundesverei- Integrationsgipfelnachfolgeprozesses. nigung und Landesvereinigungen für Gesundheit, Wohlfahrtsverbände, Ärzteorganisationen und Länder vertreten sind, wird fortgeführt. Das zen­ 3. Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen trale Ziel ist die Stärkung und Verbreitung guter Praxis in Maßnahmen der Prävention und Gesund- Es wurden die folgenden Maßnahmen und Selbstver­ heitsförderung für sozial Benachteiligte. Dabei pfl ichtungen zum Themenfeld eingebracht: sind besondere Maßnahmen für Migrantinnen ein Bestandteil. Über die „Plattform zur Beseitigung sozi­ aler Ungleichheit“ werden durch eine umfangreiche Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen Projektdatenbank mit vorbildlichen Projekten der Bundesregierung (bzw. in der und Informationen zum jährlich stattfi ndenden Regelungszuständigkeit des Bundes) Kongress „Armut und Gesundheit“ Termine, Mate­ rialien und Forschungsergebnisse rund um die ■ Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Gesundheitsförderung für soziale Benachteiligte Frauen und Jugend hat das Projekt ‚Geschlecht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Migration Sonderauswertung des Mikrozensus 2005‘ initiiert und führt es durch. Ziel des Vorhabens ist ■ Die Online-Datenbank „Frauengesundheit und es, die soziodemografi sche und sozio-ökonomische Gesundheitsförderung“ der Bundeszentrale für Situation von Frauen und Männern mit Migrations­ gesundheitliche Aufklärung, die ein Wegweiser zu hintergrund in Deutschland darzustellen. Nach Informationsquellen im Bereich Frauengesundheit einer Änderung des Mikrozensusgesetzes erfasste ist, greift das Thema Migration und Gesundheit der Mikrozensus 2005 erstmals den Migrationshin­ unter verschiedenen Aspekten auf. tergrund von Frauen und Männern. Da zu diesem Personenkreis nur sehr wenig geschlechterdiffe­ ■ Im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung renziertes Datenmaterial vorliegt, soll eine Sonder- des Bundes erstellt das Robert-Koch-Institut (RKI) auswertung Daten über die Lebenssituation von im Auftrag des Bundesministeriums für Gesund- Migrantinnen in Deutschland ergeben. Sie soll im heit ein Sonderheft zum Thema „Migration und Dezember 2007 vorliegen. Gesundheit“. Im Mittelpunkt des Berichtes stehen besondere gesundheitliche Belastungen von Mig- ■ Das Projekt ‚Lebenswelten von Migranten‘ des Bun­ rantinnen und Migranten. Er berücksichtigt aber desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und u. a. auch die demografi sche Entwicklung sowie die Jugend zielt darauf ab, eine genauere Kenntnis der soziale Lage von Migrantinnen und Migranten in Lebensplanungen und -wünsche von Migranten Deutschland. Der Bericht wird auf geschlechts- und und Migrantinnen zu gewinnen. Ziel der Unter­ altersspezifi sche Fragestellungen eingehen. suchung ist die Identifi kation von Milieus und Zeitschiene: Veröffentlichung II/2007 Typisierung eines Milieus, das bei Bedarf zu Unter­ suchungen/Befragungen herangezogen werden ■ Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä­ kann. Darüber hinaus werden unterschiedliche rung wird die Bedarfe der Migrantinnen in den von Lebenswelten und Subkulturen von Migranten und ihr bereitgestellten Sexualaufklärungs- und Famili- Migrantinnen ermittelt und untersucht. Aus gleich­ enberatungsangeboten stärker berücksichtigen. Die stellungspolitischer Sicht interessiert besonders, Kooperation mit den Interessenvertretungen der welche Rollenleitbilder bei Migranten und Migran- Migrantinnen und Migranten zur Verbesserung der tinnen vorherrschen. Die Sonderauswertung soll im Kultursensibilität von Aufklärungsmaterialien wird Juli 2007 vorliegen. fortgesetzt.

■ Der Informationsdienst „Migration und öffentliche ■ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Gesundheit“ der Bundeszentrale für gesundheit- wird nach Möglichkeit zu einer geschlechtsspezi­ liche Aufklärung wird fortgeführt. Eingehende fi schen und kultursensiblen Gesundheitsaufklärung Beiträge werden kontinuierlich ins Internet gestellt im Rahmen der bundeseinheitlichen Integrations­ sowie zur Zeit vierteljährlich als Printausgabe ver­ kurse, des Integrationsprogramms und der Migrati­ sandt. Die Beiträge gehen auch auf die Belange von onserstberatung des Bundesamtes für Migration Migrantinnen ein. und Flüchtlinge beitragen. Dazu wird z. B. in den

101 4.4. Konzepten für den Frauenintegrationskurs und den Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen Elternintegrationskurs der verstärkte Einsatz von der nichtstaatlichen Institutionen und Exkursionen, die im Rahmen des § 11 Abs. 4 Integra­ Organisationen tionskursverordnung durchgeführt werden, sowie von Expertenbesuchen im Unterricht vorgesehen. ■ Der Arbeitskreis Migration und öffentliche Gesundheit, Auch wird dem Thema der Gesundheitsvorsorge im der von der Beauftragten der Bundesregierung für Jugendintegrationskurs mehr Gewicht verliehen. Migration, Flüchtlinge und Integration koordiniert Zeitschiene: Beginn 3. Quartal 2007 wird, setzt seine erfolgreiche Arbeit fort und ver­ pfl ichtet sich unter besonderer Berücksichtigung ■ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird der Belange von Migrantinnen, im Rahmen der Projektförderung bei Themen der Gesundheits- und Sexualaufklärung verstärkt auch ➤ Maßnahmen zur gesundheitlichen Prävention frauenspezifi sche Angebote berücksichtigen. (Information, Sexualaufklärung, Kinder- u. Frau­ engesundheit) zu entwickeln und zu stärken, ■ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird die 2006 begonnene Öffnung der niedrigschwelligen ➤ die interkulturelle Kompetenz im Sinne von Frauenkurse auch für Migrantinnenorganisationen diversitiy management in ambulanter und stati­ als Träger weiterführen. onärer Versorgung zu fördern, Zeitschiene: Beginn 3. Quartal 2007 ➤ die Aus- und Weiterbildung in kultursensibler ■ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird Pfl ege und Altenhilfe voranzutreiben und kultur­ im Rahmen der Projektförderung wie bisher Pro­ spezifi sche Angebote zu unterstützen und jekte im Bereich der Zusammenarbeit und Vernetzung mit der Altenhilfe fördern und dabei verstärkt auch ➤ eine qualifi zierte Gesundheitsberichterstattung, frauenspezifi sche Angebote berücksichtigen. die alle Bevölkerungsgruppen in Deutschland Zeitschiene: Beginn 3. Quartal 2007 abbildet, voranzutreiben.

■ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt ■ Es wird ein gemeinsames, trägerübergreifendes das Projekt ‚Erfolgsbiographien von Migrantinnen‘ Fortbildungsangebot von AWO Bundesverband/Paritä­ durch. Ziel ist es, die Bedingungen festzustellen, tischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband/Verein die eine erfolgreiche Integration fördern. Dazu für Internationale Jugendarbeit VIJ/Internationaler werden die Daten der Repräsentativbefragung aus­ Bund IB für die Kursleiterinnen und Kursbegleite­ gewählter Migrantengruppen des Bundesamtes für rinnen in „Seminarmaßnahmen zur Integration Migration und Flüchtlinge analysiert, um Erfolgs­ ausländischer Frauen – Frauenkurse“ entwickelt biographien von Migrantinnen festzustellen. Dies und erprobt. Das Angebot besteht aus regionalen soll auch als Vorarbeit dienen, um Merkmale zu Tagesveranstaltungen, die von allen im Programm identifi zieren, die für einen erfolgreichen Integra­ Beschäftigten trägerübergreifend genutzt werden tionsverlauf typisch sind. In einem zweiten Projekt­ können. schritt sollen anhand einer qualitativen Befragung Zeitschiene: 2007 ausgewählter erfolgreicher Migrantinnen deren typische biographische Wege und die Bedin­ ■ Die Türkisch Deutsche Gesundheitsstiftung wird alle gungen, die dies ermöglicht haben, eruiert werden. Institutionen und Organisationen in ihrer migran­ Diese sollen zur Feststellung von Best-Practice-Bei­ tensensiblen Arbeit bei der Diskussion, Planung und spielen für die Integrationsförderung dienen. Durchführung von Projekten mit Sachverstand und Zeitschiene: 2008 im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglich­ keiten bestmöglich unterstützen.

Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der ■ Die Türkisch Deutsche Gesundheitsstiftung verpfl ich­ Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs­ tet sich außerdem, alle Bemühungen, das Predi­ zuständigkeit von Ländern und Kommunen) ger-Projekt bundesweit bekannt zu machen und bundesweit zum Einsatz zu bringen, im Rahmen Der integrationspolitische Beitrag der Länder zum der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Nationalen Integrationsplan wird noch erarbeitet. Die bestmöglich zu unterstützen. Im Rahmen des Pre­ Kommunalen Spitzenverbände befi nden sich derzeit diger-Projekts werden Personen, in diesem Fall die noch im intensiven Austausch mit ihren Mitgliedern Prediger, die in den Communities Autoritäten sind, und werden ihren Beitrag im weiteren Verfahren zu Gesundheitsthemen geschult; sie transportieren darstellen. ihr Wissen sodann in die Bevölkerung.

102 4.4.

■ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. wird sondere auch im präventiven Bereich – zu besei­ zweisprachige Informationsblätter/Info-Mails für tigen und bei der Ausgestaltung der Angebote die angeschlossenen Moscheegemeinden zu den die spezifi schen Bedürfnisse von Migrantinnen Themen stärker zu berücksichtigen.

➤ Situation muslimischer Frauen mit Kopftuch ➤ setzen sich für eine verstärkte Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen ein. Dies kann dazu ➤ Situation älterer Migrantinnen und Migranten beitragen, das Migrantinnen über bestehende Beratungsangebote besser informiert sind und ➤ Sexualität und Gesundheitsfürsorge Zugangsbarrieren abgebaut werden, es kann aber auch dazu beitragen, dass diese Angebote erstellen, wobei hier jeweils zwei Bereiche abge­ sich noch stärker an den Interessen und Bedürf­ deckt werden, und zwar nissen von Migrantinnen ausrichten.

a) der rechtliche Rahmen in der Bundesrepublik ➤ setzen sich ein für einen Ausbau der niedrig- und die existierenden Beratungs- und Unterstüt­ schwelligen Angebote für Migrantinnen. Hierzu zungsmöglichkeiten, Informationen über Ver­ gehören neben den bundesgeförderten Frauen­ anstaltungen (Vorträge, Diskussionsgruppen) zu kursen zahlreiche Einzelmaßnehmen vor Ort, diesen Themen, die auf die Bedürfnisse einzelner Migrantinnen zugeschnitten sind. b) die Aussagen, die die Religion zu diesem Thema trifft (Verbot der Zwangsehe, Forderung von part­ ➤ haben das Memorandum für eine kultursensible nerschaftlichem Verhalten in der Ehe, Aushalten Altenhilfe gemeinsam mit der Beauftragten der von Ungerechtigkeit ohne selbst ungerecht zu wer­ Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und den, Umgang mit Älteren, Unterstützung, Verant- Integration und anderen Organisationen der wortlichkeit vor Gott bzgl. der eigenen Gesundheit). Altenhilfe (KDA – Kuratorium Deutsche Alters­ hilfe) und Migrationsarbeit als gemeinsame Es wird angeregt, diese Themen innerhalb der Frei- Arbeitsgrundlage erarbeitet und als Selbstver­ tagspredigten zu thematisieren. pfl ichtung unterzeichnet. Die Verbänden der BAGFW verpfl ichten sich, das Memorandum ■ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. wird in Diensten und Einrichtungen der Altenhilfe zweisprachige Informationsblätter/Info-Mails bzgl. sowie in der Fachöffentlichkeit weiter bekannt gesellschaftspolitisch relevanter Themen für die zu machen und als Arbeitsgrundlage in der angeschlossenen Moscheegemeinden erstellen Altenpfl ege, der sozialen Altenarbeit und Betreu­ (über die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersu­ ung von älteren Migranten und Mgrantinnen chungen über Migranten und darüber, wie man in stärker zu verankern. der Gesellschaft existierenden Stereotypen entge­ genwirken kann – z. B. über persönliche Kontakte, ➤ sind Träger von Diensten und Einrichtungen Moschee-Projekte, politisches Engagement usw.). der Altenpfl ege und Altenarbeit sowie Träger von Migrationsdiensten. Die Verbänden der BAGFW ■ Der Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. sichern zu, die interkulturelle Öffnung in ihren arbeitet aktiv an von der Bundesregierung initiier­ ambulanten und stationären Dienste und ten Projekten, die dem Abbau von Stereotypen und Einrichtungen, Beratungsangeboten, Einrich- Vorurteilen dienen (z. B. einer Imagekampagne) mit. tungen des betreuten Wohnens, Begegnungs- Die Ergebnisse werden in die Mitgliedsgemeinden stätten und in der offenen Seniorenarbeit weiter getragen. voranzutreiben und dabei insbesondere die Bedürfnisse von Migrantinnen zu berücksichti­ ■ Die Mitgliedsverbände der Bundesarbeitsgemeinschaft gen. Hierbei sollen die Migrationsdienste sowie der Freien Wohlfahrtspfl ege e. V. – BAGFW Migrantenselbstorganisationen einbezogen werden. ➤ sichern zu, den Prozess der interkulturellen Öffnung in ihren Einrichtungen und Diensten ➤ sind Träger von Aus-, Fort- und Weiterbildung für umzusetzen. Sie berücksichtigen dies bei ihrer pfl egerische Berufe bzw. von Altenpfl egeschulen. Organisationsentwicklung und Personalpolitik Um den Bedarf an qualifi zierten Mitarbeitenden und unterstützen diesen Prozess durch Fort­ mit interkulturellen Handlungskompetenzen bildungen. Ziel dabei ist es, für Migrantinnen und Migrationshintergrund im Prozess der Zugangsbarrieren bei der Inanspruchnahme interkulturellen Öffnung zu decken, werden etwa von Gesundheitsdienstleistungen – insbe­ die Mitgliedsverbände der BAGFW dafür sorgen,

103 4.4. dass insbesondere junge Migranten und Migran­ ein Gesundheitsmobil für bundesweite Beratung, tinnen für pfl egerische Berufe gewonnen wer- Gesundheitsförderung, -recht und -prävention der den und dass die Angebote der Aus-, Fort- und Migrantinnen, die von Genitalverstümmlung Weiterbildung entsprechend der Zielgruppe bedroht oder betroffen sind. Die mobile Beratung gestaltet werden. und Aufklärung soll ein gesundheitsorientiertes Beratungs- und Informationsangebot auch über die ➤ werden sich verstärkt darum bemühen, dass Rechte und Pfl ichten der Betroffenen sein für die der Beitrag von Migrantinnen im Integrationspro­ schwarzafrikanischen Communities in Deutsch­ zess stärker wahrgenommen wird. Im Rahmen land in Kooperation mit den Gesundheitsämtern, ihrer Öffentlichkeitsarbeit werden sie dazu dem Bundesverband afrikanischer Menschen in beitragen, dass die Leistungen und Potenziale von Deutschland, anderen afrikanischen Nichtregie- Migrantinnen insbesondere auch in der öffent­ rungsorganisationen und Beratungsstellen sowie lichen Wahrnehmung angemessener gewürdigt den Jugendämtern, Schulen, Sportverbänden, Kom­ werden. munen, Ländern und Bund. Zeitschiene: 2007 bis 2009 ■ Maisha e. V. afrikanische Frauen in Deutschland e. V. Kosten: 200.000 Euro leistet bundesweite Aufklärung und Prävention zum Thema Genitalverstümmelung. Geplant ist

104 4.4. Gesamtleitung: Bundesministerium der Justiz

Brigitte Zypries, MdB Bundesministerin der Justiz Mitglieder der Unterarbeitsgruppe 1

Leitung: Bundesministerium der Justiz

Christiane Abel Senatsverwaltung für Justiz Berlin – JuMiKo

Nele Allenberg Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und bei der EU

Veronika Arendt-Rojahn Deutscher Anwaltverein

Seyran Ates Juristin, Autorin

Anja Bell Hessisches Ministerium der Justiz – JuMiKo

Dr. Heiner Bielefeldt Deutsches Institut für Menschenrechte

Eva-Maria Bordt Frauenhauskoordinierung e. V.

Katharina Breitkreutz Bundesministerium des Innern

Sidar Demirdögen Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V.

Sabine Drees Deutscher Städtetag

Dagmar Freudenberg Deutscher Juristinnenbund

Sonka Gerdes Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Karin Goldmann Deutscher Richterbund

Angelika Graf, MdB Deutscher Bundestag

Ute Granold, MdB Deutscher Bundestag

Andreas Hauk Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familien des Landes Brandenburg

Birgit Hufeld Bundesministerium der Justiz

Dr. Angela Icken Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vera Jungewelter Bundesministerium der Justiz

Regina Kalthegener Terre des Femmes/Rechtsanwältin

Ursula Krickl Deutscher Städte- und Gemeindebund

Hamideh Mohagheghi Muslimisches Frauennetzwerk HUDA

Behshid Najafi Agisra e.V. Köln, Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen

Rafet Öztürk DITIB Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.

Cornelia Pust Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Renate Heike Rampf Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in Deutschland e. V.

Dr. Klaus Ritgen Deutscher Landkreistag

Sybille Röseler Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Regine Rosner IN VIA – Deutscher Verband

Bosiljka Schedlich Südost Europa Kultur e. V.

Prof. Dr. Angelika Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen Schmidt-Koddenberg

Riem Spielhaus Muslimische Akademie in Deutschland

Cornelia Spohn Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V.

Corinna Ter-Nedden Papatya

Erika Theißen Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e. V.

Eren Ünsal Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) und Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD)

Dr. Irene Vorholz Deutscher Landkreistag

Julia von Seltmann Bundesrechtsanwaltskammer

105 4.4.

Mitglieder der Unterarbeitsgruppe 2

Leitung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Celal Altun Generalsekretär der Türkischen Gemeinde zu Berlin e. V.

Maristella Angioni Internationales Zentrum Stolzestraße des Caritasverbandes für die Stadt Köln

Hayrettin Aydin Muslimische Akademie in Deutschland e. V.

Dragica Baric-Büdel Arbeiterwohlfahrt Bundesverband

Stéphanie Berrut pro familia Beratungsstelle Bonn

Stephan Blümel Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Tatjana Böhm Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg

Gabriele Boos-Niazy Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V.

Gisela Chudziak Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen, -senatoren der Länder

Angelika Diggins-Rösner Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Sabine Drees Deutscher Städtetag

Rosa Emich Landsmannschaft der Russen aus Deutschland

Dr. Justina Engelbrecht Bundesärztekammer, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern

Anke Erath Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Christel Griepenburg Internationaler Bund

Dr. Sonja Haug Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Dr. Angela Icken Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vera Jungewelter Bundesministerium der Justiz

Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu Universität Bremen, Lehrstuhl für interkulturelle Bildung, Fachbereich 12

Dr. Haydar Karatepe Türkisch Deutsche Gesundheitsstiftung

Heinz Knoche Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat; Leiter des Teams „Migration und Integration“

Ursula Krickl Deutscher Städte- und Gemeindebund

Harald Löhlein Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V.

Aras Marouf Ministerium für Inneres, Familie, Frauen und Sport des Saarlandes

Elke Metz Bundesministerium für Gesundheit

Sigrid Pettrup BKK Bundesverband

Dr. Susanne Plück Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Brunhilde Raiser Deutscher Frauenrat

Dr. Klaus Ritgen Deutscher Landkreistag

Sybille Röseler Arbeitsstab der Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Ulrike Szegeda Bundesministerium des Innern

Dr. Irene Vorholz Deutscher Landkreistag

Virginia Wangare-Greiner Maisha e. V. Selbsthilfegruppe afrikanischer Frauen in Deutschland

106 4.4.

107 108 Themenfeld 5: 4.5. „Integration vor Ort unterstützen“

Vorbemerkungen Die Zahlen über den jeweiligen Ausländeranteil spiegeln jedoch nicht den Anteil von Mitbürgern mit Im Themenfeld ‚Integration vor Ort unterstützen‘ Migrationshintergrund wider, für die es keine offi zi­ stehen die sozialräumliche Dimension des Zusam­ ellen Statistiken gibt. Werden die Zahlen der Einbür­ menlebens von Zuwanderern und Einheimischen gerungen, Mehrfachstaatsbürgerschaften und zuge­ sowie Fragen der Organisation kommunaler Integra­ wanderten Spätaussiedler aus anderen Datenquellen tionspolitik im Mittelpunkt. In den Kommunen und eingerechnet, steigt der Anteil auf fast 20 Prozent oder in den Wohnquartieren sind die Auswirkungen der 15 Millionen. Menschen mit Migrationshintergrund Zuwanderung am deutlichsten spürbar. Für Verlauf (Mikrozensus 2005). In den Großstädten der alten und Erfolg von Integrationsprozessen hat – neben Bundesländer erreicht ihr Bevölkerungsanteil z. T. den Faktoren Arbeit und Bildung – das unmittelbare über 30 Prozent. In einzelnen Stadtteilen liegt er noch Wohn- und Lebensumfeld zentrale Bedeutung. deutlich höher, z. B. im Berliner Quartier Soldiner Straße bei 41,5 Prozent und in Duisburg-Marxloh bei Die räumliche Verteilung der Zuwanderer in Deutsch­ über 50 Prozent. Noch höher ist der Zuwandereran­ land ist nach Bundesländern und Regionen, aber auch teil unter den Kindern und Jugendlichen: In sieben in Städten unterschiedlich. Ausländische Zuwanderer Stuttgarter Schulbezirken beträgt er bei den Kindern sind ungleich auf Ost- und Westdeutschland verteilt: im Alter von drei bis unter sechs Jahren zwischen 66,7 Der Anteil von Ausländern beträgt in den neuen Län­ und 84,1 Prozent; in diesen Schuleinzugsbereichen dern (einschl. Berlin) rund fünf Prozent, in den alten werden also mehr als zwei Drittel aller Erstklässler Ländern hingegen zehn Prozent. Diese Disproportio­ Migrantenkinder sein. In einigen Schulen z. B. in Ber­ nalität setzt sich kleinräumig fort: Ausländer konzent­ lin-Neukölln sind bereits über 80 Prozent der Schüler rieren sich im Westen auf die großen Agglomerati­ nichtdeutscher Herkunft. onsräume, das Ruhrgebiet und die Rheinschiene, das Rhein-Main-Gebiet sowie den Großraum Stuttgart und Auch im ländlichen Raum gibt es Städte und Gemein­ den Raum München; in Westdeutschland beträgt der den – auch Dörfer – mit hohem Zuwandereranteil. Ausländeranteil in dieser Raumkategorie 12,3 Prozent, Vor allem haben sich viele Spätaussiedler (mit über in Ostdeutschland 7,4 Prozent. In den westdeutschen drei Millionen eine besonders große Zuwanderer­ Großstädten leben Ausländer bereits seit den 1980er gruppe) in ländlichen Regionen angesiedelt. Ein Jahren mehrheitlich in innerstädtischen Quartieren. Beispiel ist die Gemeinde Belm als Stadtrandgemeinde Auch im Osten konzentrieren sich die Ausländer in von Osnabrück. Dort stieg im Zeitraum von 1990 bis den Kernstädten. 1995 die Bevölkerung durch Zuwanderung von 11.150 auf 14.359 deutlich an. Der Zuwandereranteil beträgt

109 4.5. über 20 Prozent, in den Großwohnanlagen von Belm Rolle: Die Abwehrhaltung gegenüber „Fremden“ ist über 70 Prozent. Als Deutsche werden Spätaussiedler häufi g dort größer, wo es wenige Zuwanderer und in der Statistik nicht gesondert aufgeführt, obwohl daher wenig Kontakte gibt. Umgekehrt wächst die viele von ihnen – wie andere Zuwanderer – mit der Bereitschaft zur Integration dort, wo Erfahrungen Sprache und Kultur ihrer neuen Heimat wenig ver­ im Miteinander verschiedener Bevölkerungsgruppen traut sind. bestehen.

Ob Integration gelingt oder ob im Zusammenleben Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgruppe die von Zuwanderern und einheimischer Bevölkerung nachfolgenden Themenschwerpunkte behandelt und Probleme entstehen, hängt von vielen Faktoren ab. Empfehlungen/Zielbestimmungen für Maßnahmen/ Dabei spielt auch die subjektive Einstellung eine Selbstverpfl ichtungen/Prüfaufträge vorgeschlagen.

1. Themenschwerpunkt 1: Teilhabechancen aller Bevölkerungsgruppen an der Kommunale Gesamtkonzepte Entscheidungsfi ndung und der Umsetzung der verein­ barten Handlungsstrategien ab.

1.1. Bestandsaufnahme Die unterschiedlichen Anforderungen an die Inte­ gration von Zuwanderern, z. B. im ländlichen Bereich Zuwanderung und deren Folgen wirken sich beson­ oder in städtischen Ballungsgebieten, erfordern diffe­ ders in den Kommunen und in den Wohnquartieren renzierte Reaktionsweisen auf örtlicher Ebene. Kom­ aus. Erfolge der Integration – aber auch Probleme – munale Gesamtkonzepte sind nicht nur für Großstädte sind hier am deutlichsten spürbar. Die Integration von sinnvoll und erforderlich, sondern auch für kleinere Zuwanderern hat zentrale Bedeutung für den sozialen Gemeinden mit hohen Zuwanderungsraten. Zusammenhalt auf örtlicher Ebene.

Bundes- und landespolitische Entscheidungen sowie 1.2. Zielbestimmungen gesetzliche Regelungen setzen den Rahmen für die kommunale Politik und beeinfl ussen das Leben und ■ „Integration mit allen und für alle“: Integration die Integrationsmöglichkeiten der Migrantinnen muss ein gesamtkommunales Anliegen sein und und Migranten. Viele Städte, Kreise und Gemeinden als gemeinschaftliches Konzept entwickelt wer­ stellen sich den Herausforderungen der Integration den, das alle kommunalen Handlungsfelder und von Zuwanderern bereits mit großem Engagement. alle Akteure einbezieht und vernetzt. Vorausset­ Integrationsarbeit ist insbesondere in den Kommu­ zung ist ein grundlegender kommunalpolitischer nen erfolgreich, die Migrantinnen und Migranten Konsens in der Verwaltung und in den politischen mit ihren unterschiedlichen Potenzialen vor allem Entscheidungsgremien. als einen Gewinn und eine Chance für das gesamte Gemeinwesen sehen. Gerade vor dem Hintergrund des ■ Integrationskonzepte und Integrationsstrategien demografi schen Wandels und des absehbaren Man­ sollen den zugewanderten Bürgerinnen und Bür­ gels an gut ausgebildeten Facharbeitskräften muss gern die gleichberechtigte Teilhabe am sozialen, es gelingen, die Potenziale von jungen Menschen mit ökonomischen und gesellschaftlichen Leben Migrationshintergrund zu fördern, zu entwickeln und ermöglichen und durch das Anstreben von Chan­ zu nutzen. Gelungene Integration ist auch als Wirt­ cengleichheit – bei Anerkennung und Förderung schaftsfaktor unverzichtbar. der kulturellen Vielfalt – den sozialen Zusammen­ halt stärken („alle haben die gleichen Rechte und War die Integration von Zuwanderern in früheren Pfl ichten“). Dazu sind Offenheit und Entgegen­ Jahren primär ein Schwerpunkt einzelner Fachpo­ kommen beider Seiten – der Zuwanderer wie der litiken, insbesondere der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Aufnahmegesellschaft – erforderlich. Ordnungspolitik, so wird inzwischen zunehmend die Notwendigkeit fachübergreifender Gesamtkonzepte ■ „Integration als Querschnittsaufgabe“: Integrati­ erkannt. Die Wechselwirkungen demografi scher, onsaufgaben sind fachübergreifend und dürfen ökonomischer und sozialer Entwicklungen erfordern daher nicht einzelnen Fachressorts oder Beauftrag­ auch auf kommunaler Ebene integrierte Strategien ten überlassen bleiben. Sie sind in allen relevanten mit einer Bündelung von Maßnahmen über Ressort­ Handlungsfeldern umzusetzen, insbesondere in grenzen hinweg. Dabei hängen sozialer Frieden und den Bereichen Bildung und Sprache, soziale Infra­ bürgerschaftliches Miteinander in hohem Maße von struktur, Beschäftigung, Beteiligung und Beratung. einem breiten kommunalpolitischen Konsens und den Dabei haben alle Maßnahmen, Projekte, Förde­

110 4.5. rungen und Beteiligungen der Gleichberechtigung ■ Kommunalpolitik und Verwaltung entwickeln – in von Frauen und Männern gerecht zu werden. einem partizipativen Verfahren unter Einschluss der Migrantinnen und Migranten sowie der ein­ ■ „Integration als Chefsache“: Integrationsaufgaben heimischen Bevölkerung – ein Leitbild sowie einen sind als Querschnittsaufgabe bei der Verwaltungs­ umfassenden Zielkatalog für Integrationspolitik spitze zu verankern und ressortübergreifend zu unter Beteiligung aller relevanten Akteure und las­ koordinieren. sen das Kommunalparlament hierüber beschließen. So gewährleisten sie eine klare politische Verbind- ■ Integrationsmaßnahmen müssen nachhaltig und lichkeit und Verantwortung. dauerhaft sein, kurzfristige „Strohfeuerprojekte“ sind zu vermeiden. Es muss ein breites Angebot an ■ Integration wird als gesamtkommunale und Maßnahmen geben, erfolgreiche Projekte sind in ressortübergreifende Aufgabe in der Kommunal- die Regelstrukturen zu überführen („qualifi zierte politik verankert und zwar unter Mitwirkung der Regelversorgung“). politischen Gremien und der Verwaltung (Positio­ nierung der Gemeinde und der Kommunalverwal- ■ Durch interkulturelle Öffnung der Verwaltung und tung, unter Einbezug von Migrantenvertretungen); der Institutionen – durch Einstellung von Migran­ die Koordinierung durch eine zentrale Stelle wird tinnen und Migranten und interkulturelle Fortbil­ sichergestellt. dung für alle – sowie den Abbau von Zugangsbarri­ eren sollen alle Bevölkerungsgruppen angemessen ■ Kommunalpolitisch legitimierte Gesamtkonzepte vertreten sein und bei der Durchsetzung ihrer enthalten kurz-, mittel- und langfristige Ziel- Belange kompetent unterstützt werden. setzungen – in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten und den sozialräumlichen Anfor- ■ Zur Überprüfung der Zielerreichung ist eine derungen – sowie ein strategisches Konzept zur Erfolgskontrolle erforderlich (siehe Themen- Umsetzung mit entsprechender Ressourcenaus­ schwerpunkt 5). stattung. Integrationsorientierte Maßnahmen werden in allen relevanten Handlungsfeldern durchgeführt. 1.3. Empfehlungen für Maßnahmen (geplante und zugesagte)/Selbstverpfl ichtungen/ ■ Integrationskonzepte sollten eine Situationsana- Prüfaufträge lyse/Bestandsaufnahme, die Bestimmung und Defi ­ nition von Integrationszielen und Leitlinien, die der Bundesregierung (bzw. in der dafür erforderlichen Instrumente sowie Maßnah- Regelungszuständigkeit des Bundes) men zur Erfolgskontrolle enthalten. Die Aufstellung von kommunalen Integrationskonzepten soll einer ■ Im Rahmen des Experimentellen Wohnungs- und koordinierten Bestandsaufnahme vor Ort dienen Städtebaus des Bundesministeriums für Verkehr, und damit einen Überblick über den Stand der Bau und Stadtentwicklung sollen Modellvorhaben eigenen Integrationspolitik ermöglichen. Konzepte, zu kommunalen Integrationskonzepten durchge- Strategien und Maßnahmen berücksichtigen die führt werden. lokalen Gegebenheiten.

■ auf Nachhaltigkeit angelegte Förderung von Inno­ ■ Das bürgerschaftliche Engagement hat große vations-, Modell und Impulsprojekten (zielgruppen- Bedeutung für die Integration von Zuwanderern. und problemorientiert). Es wird unterstützt mit dem Ziel einer verstärkten Beteiligung der Vertreter der Migrantinnen und der Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs- Migranten und der einheimischen Bevölkerung an zuständigkeit von Ländern und Kommunen) der Entwicklung und Durchführung von Maßnah­ men und Integrationskonzepten. ■ Die Länder stellen für ihre Regelungszuständigkeit Leitbilder für die Integration von Migrantinnen ■ Alle relevanten Akteure (Verwaltung, Politik, Mig­ und Migranten auf und fördern Innovations-, ranten etc.) werden in die kommunale Netzwerk- Modell- und Impulsprojekte mit dem Ziel, durch arbeit eingebunden; eine Vernetzung erfolgt z. B. begleitende Unterstützung von Organisations­ durch Anlaufstellen bei den Trägern, Beratungs­ entwicklungsprozessen Angebote, Strukturen stellen, Integrationskonferenzen. und Prozesse zur Aufnahme von Neuzuwande­ rern – und zur Integration von hier lebenden ■ Die Erhöhung des Migrantenanteils stärkt die inter- Zugewanderten – in den Kommunen und durch die kulturelle Kompetenz der Verwaltung. Zugleich Kommunen zu verbessern, sie durch Innovationen unterstützen Kommunalpolitik und Verwaltung nachhaltig effi zienter und effektiver zu machen. als Arbeitgeber direkt die Integration der Zuwande­ rer in den Arbeitsmarkt und setzen ein Zeichen für

111 4.5. die lokale Wirtschaft und ein positives Signal für die Integrationsbereitschaft der Migrantinnen und ➤ Die Verbände der BAGFW arbeiten darauf hin, Migranten. durch interkulturelle Öffnung der Einrich­ tungen und Dienste in ihrer Trägerschaft, Ange­ ■ Durch interkulturelle Schulung des Personals bote konsequent auf die Bedarfe von Migran­ werden Zugangsbarrieren für Migrantinnen und tinnen und Migranten auszurichten. Migranten in der Verwaltung und bei der Inan­ spruchnahme von Dienstleistungen und Angebo­ ➤ Die Verbände der BAGFW unterstützen die ten abgebaut. Integration vor Ort durch ihre gemeinwesenori­ entierten Ansätze und Maßnahmen. der nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen sowie der Privatwirtschaft ➤ Die Verbände der BAGFW tragen aktiv dazu bei, die Öffentlichkeit für die spezifi schen Probleme ■ Bereitschaft der Bevölkerung vor Ort, sich für die der Migrantinnen und Migranten zu sensibilisie­ spezifi schen Probleme von Zuwanderern zu sensibi­ ren und kulturelle Vielfalt als Bereicherung zu lisieren und kulturelle Vielfalt zu akzeptieren. vermitteln.

■ Beteiligung der Privatwirtschaft, von Migrantenor­ ➤ Die Verbände der BAGFW stellen der kommu­ ganisationen, Religionsgemeinschaften, Vereinen, nalen Verwaltung sowie anderen Institutionen Wohlfahrtsverbänden, Migrantinnen und Migran­ und Organisationen ihre Erfahrung bei der ten und der einheimischen Bevölkerung an der Gestaltung von Prozessen der interkulturellen Entwicklung und Durchführung von Integrations­ Öffnung zur Verfügung. Die Verbände der konzepten und Integrationsmaßnahmen. BAGFW verpfl ichten sich zur aktiven Mitarbeit an kommunalen Integrationskonzepten und ■ Unternehmen, Vereine, Verbände und andere beteiligen sich aktiv an der Entwicklung kom­ Institutionen stellen vermehrt Migrantinnen und munaler Integrationsleitbilder. Migranten ein und qualifi zieren ihre Leistungen und Angebote durch interkulturelle Schulung ihres Personals. Die Nachhaltigkeit von Integrationsmaßnahmen wird insbesondere durch Institutionalisierung Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl­ und Verstetigung von geförderten Integrations­ fahrtspfl ege (BAGFW) hat nach Abschluss der Arbeiten projekten sichergestellt; Maßnahmen, die an diesem Bericht unter anderem folgende Selbstver­ sich in Projekten bewährt haben, werden in pfl ichtungen nachträglich eingebracht: die Regelstrukturen überführt. Eine vertikale Vernetzung und Verzahnung zwischen den ➤ Die Verbände der BAGFW beteiligen sich aktiv Beteiligten der verschiedenen Ebenen ist an einer stärkeren Zusammenarbeit und Vernet­ anzustreben. zung der verschiedenen Akteuere vor Ort durch Koordination und Mitwirkung an Netzwerken, Runden Tischen und kommunalen Gremien.

2. Themenschwerpunkt 2: Wohnen Rahmenbedingungen für das soziale Zusammenleben und Wohnumfeld im Quartier und die Chancen der Integration vor Ort.

Leitbild für die Stadtteil- und Quartiersentwicklung 2.1. Bestandsaufnahme ist die Schaffung und Sicherung sozial und ethnisch gemischter Quartiere. In der Realität der Städte und Das Wohnumfeld hat eine zentrale Funktion im Gemeinden gibt es allerdings auch sozialräumliche Integrationsprozess. Es ist Lebensmittelpunkt und Segregation, die sich vielerorts nur begrenzt beein­ wichtiges Kontaktfeld für die Zuwanderer und die fl ussen und verändern lassen wird; insoweit muss einheimische Bevölkerung. Vor allem Kinder und „Integration trotz Segregation“ erfolgen. Sozialräum­ Jugendliche sowie die nicht erwerbstätigen Erwachse­ liche Segregation ist durch ethnische und soziale nen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit im Wohn­ Faktoren bedingt. So sind Migrantinnen und Mig­ quartier. Die Gestaltung des Wohnumfeldes und ranten mit geringem Einkommen auf Wohnungen des öffentlichen Raumes sowie die öffentlichen und des unteren Preissegments angewiesen, die sich in privaten Infrastrukturangebote sind daher wichtige bestimmten Quartieren – etwa innerstädtischen Alt­

112 4.5. baugebieten und Sozialwohnungen stark verdichteter Konzentration von Armutsbevölkerung und zuge­ Großsiedlungen der 1960er und 1970er Jahre – kon­ wanderter Bevölkerung ist entgegenzuwirken. zentrieren. Zugleich besteht bei einem Teil der Zuwan­ derer der Wunsch, in einer vertrauten ethnischen ■ Benachteiligte Quartiere mit Defi ziten im bau­ Umgebung zu leben, um bestehende Netzwerke und lichen Bestand und in der infrastrukturellen Hilfestellungen der bereits seit längerem dort leben­ Ausstattung müssen durch gezielte Maßnahmen den Migrantinnen und Migranten nutzen zu können. zur Verbesserung der Wohn- und Wohnumfeld­ Diese freiwillige Segregation kann dazu führen, den bedingungen stabilisiert und attraktiver gemacht Beginn des Integrationsprozesses zu erleichtern und werden, auch um sozioökonomisch besser gestellte Konfl ikte zwischen unterschiedlichen Kulturen und Bewohner im Quartier zu halten und Bürger aus Lebensstilen zu verhindern. Sofern Abschottungs­ anderen Stadtteilen zum Umzug in das Quartier zu tendenzen gegenüber der Aufnahmegesellschaft motivieren. Die Aufwertung von Quartieren darf bestehen, die die Entwicklung von Parallelstrukturen allerdings nicht zu sozialer Verdrängung führen. mit einer Verfestigung von Verhaltensweisen aus den Herkunftsländern – etwa im Hinblick auf die Rolle ■ Das Sicherheitsempfi nden im Wohnquartier ist von Frauen und Mädchen – zur Folge haben und so die ein bedeutender Faktor im Zusammenleben. Seine Integration erschweren, sind sie abzulehnen. Beeinträchtigung kann bei den Quartiersbewoh­ nern Ängste wecken, die auf „Fremde“ projiziert Besonderer Handlungsbedarf besteht in den Stadt­ werden und integrationshemmend wirken. Die teilen, in denen sich sozioökonomische Benachteili­ Sicherheit im Quartier ist daher zu erhöhen und gungen wie Arbeitslosigkeit, niedriges Einkommen, das Sicherheitsgefühl der Bewohner zu stärken. geringer Bildungsstand – z. B. fehlende Schul- und Bildungsabschlüsse von Jugendlichen – und damit ■ Integration erfordert gleichberechtigte Teilhabe geringe Chancen vieler Quartiersbewohner am aller Bürger. Wichtige Voraussetzung für wirksame Arbeitsmarkt mit Problemen des Zusammenlebens Maßnahmen der Quartiersentwicklung und ihre verschiedener Bevölkerungsgruppen überlagern. dauerhafte Verstetigung ist das Zusammenwirken Dem gesellschaftlichen und ökonomischen Struktur­ aller Beteiligten, um die fi nanziellen und perso­ wandel folgen Leerstände von Wohn- und Geschäfts­ nellen Potenziale im Quartier für gemeinsame räumen, bauliche Mängel und Vandalismusschäden. Ziele zu aktivieren und zu bündeln. Die Maßnah­ Negative Entwicklungstendenzen werden durch den men sind unter Beteiligung der Quartiersbewohner Wegzug besser situierter und integrierter Bewohner und entsprechend ihren Bedürfnissen zu planen verstärkt. Ein schlechtes Erscheinungsbild des Wohn­ und umzusetzen. umfeldes führt zu einem negativen Image nach innen und außen. Dies erschwert die Entwicklung einer per­ ■ Nachbarschaftliche Kontakte, gemeinschaftliche sönlichen Verortung und Identifi kation der Bewohner Aktivitäten und Initiativen sind Voraussetzungen mit ihrem Wohn- und Lebensumfeld und damit die für die Schaffung und dauerhafte Stabilisierung Integration vor Ort. von sozialen Netzen als Grundlage für eine positive Stadtteilentwicklung und das Gemeinschaftsge­ fühl der Bürger. Zuwanderer und einheimische 2.2. Zielbestimmungen Bevölkerung sind in gleicher Weise zu nachbar­ schaftlichem Miteinander und bürgerschaftlichem ■ Die Integration von Zuwanderern muss bei der Engagement gefordert. Erarbeitung, Fortschreibung und Umsetzung von Stadt- und Stadtteilentwicklungskonzepten einen hohen Stellenwert haben. 2.3. Empfehlungen für Maßnahmen (geplante und zugesagte)/Selbstverpfl ichtungen/ ■ Integrierte fachübergreifende Handlungskonzepte Prüfaufträge verlangen das Zusammenwirken aller Akteure. Die Partizipation der Migrantinnen und Migranten im der Bundesregierung (bzw. in der Prozess der Stadtgestaltung und des Stadtumbaus Regelungszuständigkeit des Bundes) muss intensiviert werden, um eine Identifi kation mit der Gemeinde und dem Wohnumfeld zu errei­ ■ Ein wichtiges Handlungsinstrument ist das Pro­ chen und die Übernahme von Verantwortung zu gramm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungs­ fördern. bedarf – Soziale Stadt“, in dem bundesweit bereits 450 Quartiere in fast 300 Gemeinden gefördert ■ Am Leitbild einer sozialen und ethnischen werden. In einem integrierten Handlungsansatz Mischung der Bewohner im Quartier ist festzuhal­ werden Maßnahmen verschiedener Politikfelder, ten; einer Abschottung zwischen verschiedenen vor allem der Wohnungs-, Wirtschafts-, Infrastruk­ Bevölkerungsgruppen und einer sozialräumlichen tur-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik,

113 4.5. zusammengeführt und auf örtlicher Ebene gebün­ Freizeitanlagen für Kinder und Jugendliche, die delt. Dieser Prozess wird durch ein aktives Quar­ auch Räume zur eigenen Gestaltung bieten, tiersmanagement koordiniert und begleitet. Die Bundesfi nanzhilfen für das Programm sollen ➤ die Bereitstellung von Räumlichkeiten für fortgeführt und auf dem derzeitigen Niveau vers­ gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen, tetigt werden. Die Bündelung mit anderen Fachpo­ um zusätzliche Orte der Begegnung zu schaf­ litiken und den Programmen anderer Ressorts soll fen; interkulturelle Begegnungsstätten mit auch auf Bundesebene verstärkt werden. Betreuungs- und Beratungsangebot sollen als multifunktionale Versammlungs- und Begeg­ der Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs­ nungsräume in Stadtteilhäusern, Bürgerhäusern zuständigkeit von Ländern und Kommunen) oder Stadtteilschulen mit Bildungs- und Freizeit­ angeboten allen Quartiersbewohnern – genera­ ■ Zur integrierten Entwicklung der Stadtteile als tionen- und ethnienübergreifend – zur Nutzung gemischte Wohn-, Wirtschafts- und Lebensbe­ offen stehen; dabei sollen gesonderte Veranstal­ reiche werden fachübergreifende Handlungskon­ tungen für einzelne Personengruppen, etwa zepte unter Zusammenwirken aller Akteure – bei spezielle Kursangebote für Frauen und Mädchen, gleichberechtigter Teilhabe von Migrantinnen und ermöglicht werden, Migranten – aufgestellt und umgesetzt. ➤ eine ausreichende und dauerhafte Personalaus­ ■ In benachteiligten Stadtquartieren werden die stattung für qualifi zierte Bildungs- und Freizeit­ Handlungsmöglichkeiten des Programms „Sozi­ angebote im Quartier. ale Stadt“ für die Integration von Zuwanderern genutzt. Ein aktives und aktivierendes Quartiers­ ■ Sicherheit und Sicherheitsgefühl werden durch management unterstützt die Integrationsprozesse. bauliche Maßnahmen, etwa die Verbesserung der Zur Komplementierung der Bundesmittel werden Beleuchtung und die Beseitigung von Sichthinder­ Mittel der EU, Länder und Gemeinden eingesetzt. nissen sowie die bauliche Abgrenzung des priva­ ten, halböffentlichen und öffentlichen Raumes ■ Für eine angemessene Wohnraumversorgung aller erhöht; dem dient auch eine deutlichere Präsenz Bürger werden kommunale Wohnraumversor­ von Polizei, Streetworkern oder Sozialarbeitern im gungskonzepte entwickelt. Auf dieser Grundlage Quartier und die Einrichtung von Präventionsräten und in Kooperation von Kommunen und Woh­ als örtliche Ansprechpartner („Stadtteilläufer“). nungswirtschaft kann eine Belegungssteuerung Dabei ist eine Stigmatisierung einzelner ethnischer erfolgen; Voraussetzung dafür ist die Verfügbarkeit Gruppen zu vermeiden. von kommunalen Wohnungsbeständen und Sozi­ alwohnraum mit Belegungsrechten. Belegungs­ ■ Migrantinnen und Migranten sollen verstärkt in strategien zur sozialen und ethnischen Mischung politische Gremien (z. B. Ortsbeiräte) aufgenommen dürfen aber nicht zu Diskriminierungen ethnischer werden. Gruppen führen. ■ Die Motivation zu bürgerschaftlichem Engage­ ■ Eine Aufwertung der Quartiere zur Steigerung der ment und für Ehrenämter wird gestärkt, z. B. durch Wohnqualität erfolgt durch besondere öffentliche Anerkennung.

➤ die Schaffung und Sicherung von – preisgüns­ ■ Zur Verbesserung des Images der Quartiere nach tigem wie höherwertigem – bedarfsgerechtem innen und außen fi ndet eine gezielte Öffentlich­ Wohnraum, keitsarbeit statt.

➤ die Verbesserung der baulichen und sozialen Infrastruktur, der nichtstaatlichen Institutionen und ➤ die Bereitstellung von Grünfl ächen und Freiräu­ Organisationen sowie der Privatwirtschaft men im Wohnumfeld, um die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung für alle Generationen und zur ■ Vor Ort tätige Vereine (z. B. Sportvereine, Kleingar­ Begegnung und Kommunikation in der Nach­ tenvereine, Freiwillige Feuerwehr) unterstützen barschaft zu erweitern, das soziale Zusammenleben im Quartier durch die gemeinsamen Aktivitäten von einheimischer ➤ die Bereitstellung von Flächen für Kleingärten Bevölkerung und Zuwanderern. Ihre Beiträge sind durch die Kommune, vor allem

➤ Angebote an wohnortnahen Spiel- und Sport­ stätten sowie alters- und geschlechtsgerechte

114 4.5.

➤ die Bereitstellung von wohnortnahen Spiel- und ➤ Verbesserung der Sicherheit und Stärkung des Sportstätten, Kleingärten und anderen Freiräu­ Sicherheitsgefühls der Bewohner, z. B. durch den men zur Freizeitgestaltung, Einsatz von Conciergen/Hausbetreuern,

➤ die Bereitstellung von Versammlungs- und ➤ Erweiterung der Möglichkeiten zum Erwerb von Begegnungsräumen und anderen Räumlich­ Genossenschaftsanteilen und von Wohneigen­ keiten z. B. für Bildungs- und Freizeitangebote tum durch die Bewohner, um deren Interesse und für Veranstaltungen der Quartiersbewohner, an der Qualität der Wohnungsbestände und des Wohnumfeldes zu stärken. Medien, Verbände, ➤ die Organisation gemeinsamer Aktivitäten im Vereine und Privatwirtschaft tragen durch Verein und im Quartier. gezielte Öffentlichkeitsarbeit (Darstellung der Potenziale des Quartiers z. B. in Restaurantfüh­ ■ Migrantenorganisationen und -vereine über­ rern oder Kunstführern) zur Verbesserung des nehmen darüber hinaus eine wichtige Funktion Quartiersimage nach innen und außen bei. als Ansprechpartner und Moderatoren in der Quartiersarbeit. Gleiches gilt für die Kirchen und ■ Alle Organisationen sollten zur interkulturellen Religionsgemeinschaften. Öffnung bereit sein und vermehrt Personen mit unterschiedlichem ethnischem Hintergrund als ■ Kirchengemeinden sowie deutsche und aus­ Mitglieder aufnehmen und in höhere Funktionen ländische Kulturvereine, die Infrastruktur (z. B. berufen. Räumlichkeiten) für die Migrantenarbeit anbieten können, sollen dabei unterstützt werden, ihre Inte­ Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl­ grationsarbeit zusammen mit den kommunalen fahrtspfl ege (BAGFW) hat nach Abschluss der Arbeiten Stellen zu planen und durchzuführen. an diesem Bericht folgende Selbstverpfl ichtungen nachträglich eingebracht: ■ Maßnahmen zur Aufwertung des Wohnumfelds und zur Verbesserung der Identifi kation der ➤ Die Verbände der BAGFW fungieren mit ihrer Bewohner mit dem Wohnquartier, aber z. B. auch sozialräumlichen (Projekt-)Arbeit und durch zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen in Patenschaftsprojekte als Ansprechpartner und der Freizeit, brauchen die Unterstützung enga­ Moderatoren in der Quartiersarbeit. gierter Bürgerinnen und Bürger im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten, Partnerschaften und ➤ Die Verbände der BAGFW setzen sich durch ihre Patenschaften, die die Arbeit professioneller Kräfte Dienste und Einrichtungen für Chancengleich­ ergänzen. heit und für den Abbau ausgrenzender Struktu­ ren vor Ort ein. ■ „Integrationslotsen“ wirken als Vermittler und Mul­ tiplikatoren, auch im Bereich der Konfl iktlösung ➤ Die Verbände der BAGFW sichern zu, dass ihre und der Konfliktprävention; viele Nachbarschafts­ Migrationsdienste als Ansprechpartner für Mig­ konfl ikte können durch Mediation gelöst werden. rantinnen und Migranten und Institutionen zur Hier kommt insbesondere auch den Migrantinnen Verfügung stehen. Die Verbände organisieren und Migranten eine wichtige Rolle zu. Dabei müs­ notwendige Aushandlungsprozesse (Mediation) sen die Potenziale von Frauen verstärkt einbezo­ grundsätzlich auf gleicher Augenhöhe. gen werden, die vielfach den Zusammenhalt von Familienverbänden stabilisieren und wesentlich ➤ Die Verbände der BAGFW streben eine sozi­ die Erziehung der Kinder beeinfl ussen (z. B. Projekt alräumliche Vernetzung ihrer Dienste und „Stadtteilmütter“). Maßnahmen an und sorgen im Rahmen ihrer interkulturellen Öffnung für bedarfsgerechte ■ Die Wohnungswirtschaft unterstützt die Integra­ Angebote für Migrantinnen und Migranten. tion von Zuwanderern durch Maßnahmen zur Dies gilt für das gesamte Spektrum sozialer Dienstleistungen, die von den Verbänden vor Ort ➤ Instandhaltung und Modernisierung der betrieben und organisiert werden. Wohnungsbestände, ➤ Die Verbände der BAGFW sichern ihre Beteili­ ➤ Gestaltung der Freiräume einschließlich der gung an der Entwicklung zivilgesellschaftlicher Grün- und Freifl ächen sowie Bereitstellung von Strukturen vor Ort zu. Dabei werden sie verstärkt Gärten für die Bewohner, das bürgerschaftliche Engagement von und für Migranten unterstützen. ➤ Bereitstellung von Gemeinschaftsräumen,

115 4.5. 3. Themenschwerpunkt 3: ■ Erforderlich sind sowohl eine individuelle Förde­ Schule und Bildung im Quartier rung der Schüler als auch ein verstärkter Einbezug der Eltern und eine verbesserte Elternbildung.

3.1. Bestandsaufnahme ■ Schulen und Kindergärten müssen sich vom Lehr­ zum Lebensort entwickeln und Beziehungen zum Bildung ist ein wesentliches Kriterium für die Inte­ Umfeld, d. h. zum Stadtteil und seinen Institutionen gration von Zuwanderern. In Stadtteilen mit einem und Einrichtungen, herstellen. hohen Anteil von Haushalten mit niedrigem Sozialsta­ tus, meist auch mit hohem Zuwandereranteil, liegen ■ Durch Öffnung von Schulen und Kindertagesstät­ die Schul- und Bildungserfolge von Kindern und ten zum Quartier („Stadtteilschulen“ und „Stadtteil- Jugendlichen zumeist unter dem gesamtstädtischen Kitas“) entstehen neue Bildungsorte, die zugleich Durchschnitt. Die Ursachen sind – neben sozialen Pro­ als Orte der Freizeitgestaltung und als interkul­ blemlagen – häufi g mangelnde Sprachkompetenzen, turelle Begegnungsstätten Integration fördern unzureichende häusliche Versorgungsstrukturen können. und fehlende Unterstützung in schulischen Belan­ gen seitens des Elternhauses. Geringe Bildung aber ■ Im Quartier sollten alle Schulformen vertreten bedeutet Benachteiligung hinsichtlich sozialer und sein, Schulschließungen soweit möglich vermieden kultureller Integration sowie der späteren Berufs- und werden. Beschäftigungschancen. Geringe Bildungserfolge und unzureichende Schulangebote führen dazu, dass sozio­ ■ Die interkulturelle Orientierung von Schulen und ökonomisch besser gestellte Familien aus solchen anderen Bildungseinrichtungen ist zu verbessern. Stadtteilen auch deshalb wegziehen, weil sie ihren Sie sollen Respekt vor allen Herkunftsländern und Kindern bessere schulische und berufl iche Perspek­ Kulturen vermitteln. Dies erfordert die verstärkte tiven ermöglichen wollen. Die Folge ist ein weiterer Einstellung von Migrantinnen und Migranten Anstieg des Anteils von Kindern aus sozial schwachen sowie die interkulturelle Schulung der Mitarbeite­ Familien und des Migrantenanteils in Kindergärten rinnen und Mitarbeiter. und Schulen der benachteiligten Stadtquartiere. ■ Auch die Träger der Weiterbildung, wie z. B. Volks­ Der soziale Nahraum hat für das Aufwachsen von hochschulen, können einen wichtigen Beitrag zur Kindern und Jugendlichen große Bedeutung. Die Verstärkung der Bildungsangebote im Stadtteil Attraktivität von Stadtteilen für eine sozial gemischte leisten. Bevölkerung hängt somit auch eng mit guten Bil­ dungschancen vor Ort zusammen. So fällt neben den ■ Eine vertikale Vernetzung zwischen Land und Kindergärten den Schulen eine wesentliche Integra­ Kommunen ist zur Verbesserung des Schulerfolgs tionsaufgabe zu. Gerade die Qualität der Bildungsein­ von Migrantinnen und Migranten zu optimieren. richtungen im Quartier entscheidet darüber, welche sozialen Aufstiegs- und Teilhabechancen sich den Kindern und Jugendlichen des Stadtteils künftig eröff­ 3.3. Empfehlungen für Maßnahmen (geplante nen. Neben anderen lokalen Dauereinrichtungen und und zugesagte)/Selbstverpfl ichtungen/ Regelstrukturen der öffentlichen und privaten Träger Prüfaufträge bieten vor allem die Schulen potenzielle Kommunika­ tionsschienen für den interkulturellen Dialog. Besser der Bundesregierung (bzw. in der als andere Einrichtungen können sie Kinder und Regelungszuständigkeit des Bundes) Jugendliche sowie deren Eltern zudem unabhängig von der ethnischen oder sozialen Zugehörigkeit und ■ Das Programm „Stadtteile mit besonderem Ent­ von der religiösen oder konfessionellen Orientierung wicklungsbedarf – Soziale Stadt“ schließt auch der Familien erreichen. Maßnahmen im Bereich von Schule und Bildung im Quartier ein. Neben baulich-investiven Maßnah­ men in Bildungseinrichtungen können ergänzend 3.2. Zielbestimmungen beispielsweise auch Prozesse der interkulturellen Moderation in Schulen mit hohem Migrantenanteil ■ Bildungsangebote müssen in benachteiligten Stadt­ bei interkulturellen Konfl ikten unterstützt werden. quartieren gezielt verbessert werden, bereits begin­ Das Quartiersmanagement hat dabei eine wichtige nend mit frühkindlicher Förderung, insbesondere Funktion. im Kindergarten und in der Vorschule. Dies betrifft Die Bundesfi nanzhilfen für das Programm sollen die materielle und personelle Ausstattung wie auch fortgeführt und auf dem derzeitigen Niveau verste­ die Unterrichtsqualität. tigt werden. Die seit 2006 bestehende Möglichkeit,

116 4.5. Nachbarschaft und durch gezielten Einsatz von die Mittel im Rahmen von Modellvorhaben u. a. Moderatoren, insbesondere auch Migrantinnen auch für Maßnahmen der Jugend- und Bildungs­ und Migranten, überwunden werden. Wohnungs­ politik (etwa zur Verbesserung von Schul- und Bil­ nahe und zielgruppenspezifi sche Beratungsange­ dungsabschlüssen oder zur Betreuung von Jugend­ bote (z. B. schulbegleitende Hilfen, mobile Sozialar­ lichen in der Freizeit) einzusetzen, soll erweitert beit) werden ausgebaut. werden, auch um eine verstärkte Bündelung mit anderen Fachpolitiken zu erreichen. ■ Schulen und Kindertagesstätten öffnen sich ver­ stärkt in den Stadtteil: Sie stellen ihre Infrastruktur ■ Der Bund plant mit den Ländern und Kommunen zur Verfügung und werden – auch in Zusammenar­ einen Investitionspakt, durch den u. a. Schulen und beit mit anderen Akteuren im Quartier, z. B. Jugend­ Kindertagesstätten in städtischen Problemlagen zu einrichtungen oder Sportvereinen – zum räum­ Stadtteilschulen und Quartierskindergärten umge­ lichen Kristallisationspunkt für angebots- und baut werden können. einrichtungsübergreifende Begegnungsstätten. Sie sollten über ihre Rolle als Bildungseinrichtungen der Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs­ hinaus umfassender in örtliche Integrationskon­ zuständigkeit von Ländern und Kommunen) zepte eingebunden und zu „Stadtteilschulen“ und „Stadtteil-Kitas“ entwickelt werden, um die Funk­ ■ In benachteiligten Stadtquartieren werden die tion von sozialen Einrichtungen im Quartier über­ Handlungsmöglichkeiten des Programms „Soziale nehmen zu können (z. B. als Familienzentren). Stadt“, insbesondere auch die erweiterten Förder­ möglichkeiten im Rahmen von Modellvorhaben, ■ Eine solche Öffnung der Schulen bedeutet aber für die Integration von Zuwanderern genutzt. Zur auch eine Erweiterung des Aufgaben- und Kom­ Komplementierung der Bundesmittel werden Mit­ petenzprofi ls der Schule, der Schulleitung und der tel der EU, Länder und Gemeinden eingesetzt. Lehrerschaft, für die entsprechende Ressourcen wie Zeit, strategische Beratung und fi nanzielle ■ Die materielle und personelle Ausstattung von Bil­ Mittel erforderlich sind. dungseinrichtungen mit einem überdurchschnitt­ lichen Anteil an Kindern und Jugendlichen aus ■ Die Partnerschaft zwischen Schule und Quartiers­ Zuwandererfamilien wird gezielt verbessert. management wird intensiviert: Die Schule hat für das Quartiersmanagement als Kooperationspartner ■ Eine ausreichende Sprachförderung wird für u. a. die wichtige Funktion eines Multiplikators (z. B. alle Kinder – mit oder ohne Migrationshinter­ bei der Gewinnung von Eltern, Bewohnerinnen grund – bereits ab dem Kindergarten sicher gestellt. und Bewohnern, Schülerinnen und Schülern, Bei ausreichender Nachfrage wird das Erlernen der bei der Unterstützung von nachbarschaftlichen Muttersprachen als 2. Fremdsprache angeboten. Projekten und Aktionen, in der Teilnahme und Mehrsprachige Schulangebote und interkulturelle Entwicklung der Stadtteilkultur). Das Quartiersma­ Schulen werden unterstützt. nagement kann die Schulen bei ihrer Zusammenar­ beit im Stadtteil und somit bei ihren Bemühungen ■ Es werden Gesamtkonzepte für ganztägige Bildung zur Öffnung hin zum Stadtteil unterstützen, u. a. (Ganztagsschulen/Nachmittagsangebote) entwi­ bei der Einbeziehung außerschulischer Lernorte, ckelt, die sowohl die Unterstützung in schulischen der Nutzung außerschulischer Experten und Belangen (z. B. durch gezielten Förderunterricht Kompetenzen, der Entwicklung von Projekten mit und Hausaufgabenhilfe) als auch Angebote der Kooperationspartnern im Stadtteil (Ämtern, sozi­ Freizeitgestaltung umfassen. alen sowie Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Betrieben und anderen Institutionen). ■ Eine individuelle Förderung von Kindern erfolgt auch durch ehrenamtliche Helfer (z. B. Lesepaten ■ Die interkulturelle Kompetenz und damit die in der Grundschule, fächerbezogene Lernhilfen z. B. Unterrichtsqualität in Schulen mit hohem Mig­ durch Studenten in der Sekundarstufe, Mentoren rantenanteil wird durch eine größere Zahl von beim Übergang von der Schule in den Beruf). Migrantinnen und Migranten in der Lehrerschaft sowie eine verstärkte Fortbildung und interkultu­ ■ Eine verstärkte Elternbildung erfolgt u. a. durch relle Schulung von Erziehern und Lehrern verbes­ Sprachförderkonzepte (z. B. Sprachkurse wie sert. Die interkulturelle Qualitätsentwicklung wird „Mama lernt Deutsch“) und die Ausweitung niedrig­ im Schulprofi l und in den Curricula institutionell schwelliger Elternarbeit (z. B. Elterncafés). Durch verankert. Beratung werden Informationen über Hand­ lungsmöglichkeiten und berufl iche Perspektiven ■ Zur Umsetzung dieser Ziele sind vorhandene fi nan­ vermittelt. Bildungsferne von Eltern kann durch zielle und personelle Ressourcen gezielt zu bündeln Angebote der Familien- und Elternbildung in der und zu nutzen. Dazu bedarf es einer noch stärkeren

117 4.5. Vernetzung der unterschiedlichen Politikfelder, die Kinder und Familien betreffen, insbesondere der ■ Alle Quartiersbewohner sind zu ehrenamtlichen Sozialpolitik, Familienpolitik, Bildungspolitik und Engagement (z. B. als Lesepaten) gefordert. Integrationspolitik. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl­ ■ Die sozialräumliche Situation und die Entwicklung fahrtspfl ege (BAGFW) hat nach Abschluss der Arbeiten der Bildungserfolge in den einzelnen Stadtteilen an diesem Bericht folgende Selbstverpfl ichtungen werden Gegenstand einer Bildungsberichterstat­ nachträglich eingebracht: tung und Evaluation in den Gemeinden. ➤ Die Verbände der BAGFW engagieren sich für der nichtstaatlichen Institutionen und die Bildung und Bildungschancen von Kindern Organisationen sowie der Privatwirtschaft mit Migrationshintergrund durch Förderung in Kindertagesstätten und mit ihren anderen ■ Migrantinnen und Migranten und ihre Organisa­ familienunterstützenden Programmen. tionen, auch die Kirchen und Religionsgemein­ schaften, übernehmen Multiplikatorfunktionen ➤ Die Verbände der BAGFW arbeiten in ihren Ein­ und unterstützen die Zusammenarbeit von richtungen und Diensten darauf hin, das eine Bildungseinrichtungen, Kindern und Jugendlichen gute Sprachförderung und die Unterstützung und ihren Eltern im Quartier. Sie wirken als „Inte­ von Mehrsprachigkeit für alle Kinder bereits im grationslotsen“ und Moderatoren und vermitteln Vorschulalter sichergestellt wird. die Bedeutung von Bildung für die Zukunftschan­ cen der Kinder. ➤ Die Verbände der BAGFW fördern die inter­ kulturelle Kompetenz ihrer Mitarbeiter und ■ Migrantenorganisationen und Religionsgemein­ die interkulturelle Öffnung ihrer Dienste und schaften bieten Sprachunterricht in den jeweiligen Einrichtungen. Muttersprachen an. ➤ Die Verbände der BAGFW sichern zu, dass sich ■ Migrantinnen und Migranten wirken vermehrt in ihre Migrationsdienste aktiv an der Begleitung den Elternvertretungen mit. von Bildungswegen von Neuzuwanderern beteiligen.

4. Themenschwerpunkt 4: zungs- und Nischenökonomie“ zur lokalen Versor­ Lokale Ökonomie gung bei; sie leisten auch einen spürbaren Beitrag zur Beschäftigung und sozialen Integration im Quartier. 2003 wurden ca. 280.000 ausländische Selbststän­ 4.1. Bestandsaufnahme dige in Deutschland gezählt, insgesamt waren über eine Million Menschen in ausländischen Unterneh­ Der Begriff „lokale Ökonomie“ umschreibt die auf men tätig. Läden und handwerkliche Kleinbetriebe die Entwicklung einer Kommune oder eines Stadt­ sind Informationsbörsen; der Kontakt zu der – auch teils bezogenen wirtschaftlichen Aktivitäten. Ihnen deutschen – Kundschaft sorgt für interkulturelle kommt eine wachsende Bedeutung zu. Arbeitslosig­ Begegnung. Die Potenziale von Migrantenbetrieben keit und Qualifi kationsdefi zite, der Rückgang lokaler liegen vor allem in der Stärkung der lokalen Gewerbe- Wirtschafts- und Versorgungsstrukturen sowie ein und Nahversorgungsstruktur, der Schaffung von schrumpfendes Angebot an wohnortnahen Ausbil­ Arbeits- und Ausbildungsplätzen, der Erweiterung des dungs- und Arbeitsplätzen zählen zu den größten örtlichen Versorgungsangebots sowie der Nutzung Problemen in benachteiligten Stadtquartieren. Folgen andernfalls leerstehender Gewerberäume. Es beste­ hoher Arbeitslosigkeit in diesen Gebieten sind Ein­ hen aber auch Probleme: Die hohe Bereitschaft von kommens- und Kaufkraftverluste der Quartiersbevöl­ Zuwanderern zur Selbstständigkeit resultiert zum Teil kerung, die ihrerseits die wirtschaftliche Entwicklung aus der Arbeitslosigkeit. Viele Kleinstbetriebe werden der Betriebe und Unternehmen im Stadtteil gefähr­ nur durch hohen persönlichen und familiären Einsatz den. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die Attrak­ bei niedrigen Einkünften erhalten. Es fehlt ihnen oft tivität des Quartiers aus und verstärkt einen sozialen an Eigenkapitalausstattung, unabhängiger Beratung, Abwärtstrend. Perspektiven für die wirtschaftliche Weiterent­ wicklung, Fortbildung und Ausbildungsbefähigung. Die lokalen Wirtschaftsstrukturen sind daher ein Aufgrund dieser Probleme kommt es bei Kleinunter­ wichtiges Potenzial für eine Stabilisierung und nehmen von Zuwanderern zu hoher Fluktuation und Aufwertung des Quartiers. Insbesondere ethnische häufi gen Insolvenzen. Unternehmen tragen häufi g nicht nur als „Ergän­

118 4.5. 4.2 Zielbestimmungen 4.3. Empfehlungen für Maßnahmen (geplante und zugesagte)/Selbstverpfl ichtungen/ ■ Wirtschaftsförderung ist verstärkt sozialräum­ Prüfaufträge lich auszurichten, indem etwa in benachteiligten Stadtteilen die lokalen Geschäfts- und Gewerbe­ der Bundesregierung (bzw. in der strukturen – einschließlich der ethnischen Ökono­ Regelungszuständigkeit des Bundes) mie – gefördert und stabilisiert werden. Lokale/eth­ nische Ökonomie ist auch ein relevanter Faktor für ■ Die „Lokale Ökonomie“ ist eines der Handlungs­ die örtliche Wirtschaft und daher eine wichtige felder im Bund-Länder-Programm „Stadtteile mit Aufgabe der Wirtschaftsförderung. besonderem Entwicklungsbedarf – Soziale Stadt“. Wichtige Programmziele liegen darin, im Rahmen ■ Zur Schaffung zusätzlicher Arbeits- und Erwerbs­ integrierter quartiersbezogener Handlungskon­ möglichkeiten im Quartier sind Existenzgrün­ zepte örtliche Unternehmen zu sichern und zu dungen zu unterstützen und bestehende Betriebe stärken, Existenzgründungen zu fördern, das Ange­ zu stabilisieren. Dazu gehören auch eine bessere bot lokaler Arbeits-, Beschäftigungs- und Ausbil­ Risikoabsicherung, Hilfestellungen bei der Erstel­ dungsmöglichkeiten auszubauen, Arbeitssuchende lung eines tragfähigen Businessplans und die zu qualifi zieren und deren Zugangschancen zum Bereitstellung von Kleinkrediten für örtliche Arbeitsmarkt zu verbessern sowie entsprechende Kleinbetriebe. Beratungs- und Vermittlungsleistungen auch im Bereich der Ausbildung anzubieten. Dabei geht es ■ Maßnahmen der Beschäftigungspolitik, der Bil­ um eine qualitativ neue Wirtschaftsförderung, die dungs- und Ausbildungsförderung und der beruf­ Dienstleistungen und Angebote räumlich diffe­ lichen Qualifi zierung sind den lokalen Anforde­ renziert anbietet und an den Bedürfnissen vor Ort rungen entsprechend einzusetzen. ausrichtet. Das Programm soll daher fortgeführt und auf dem derzeitigen Niveau verstetigt werden. ■ Zur Förderung von Ausbildungsbereitschaft und der Ausbildungserlaubnis kleiner Unternehmen ■ Die Bündelung mit Beschäftigungs- und Qualifi ­ im Quartier sind spezielle (auch zielgruppenspe­ zierungsprogrammen soll verstärkt werden, u. a. zifi sche) Beratungsangebote und Unterstützungs­ durch zusätzlichen Einsatz von Mitteln des Europä­ maßnahmen erforderlich. Bewährt haben sich ischen Sozialfonds in der neuen EU-Strukturfonds­ Ausbildungsverbünde und externes Ausbildungs­ periode 2007 bis 2013 (in der auslaufenden Peri­ management sowie das Modell des Ausbildungs­ ode erfolgt bereits eine Bündelung u. a. mit dem paten, in dem erfahrene Ausbilder Betriebsinhabe­ Programm des BMFSFJ „Lokales Kapital für soziale rinnen und -inhabern mit Migrationshintergrund Zwecke – LOS“ und dem Sonderprogramm des beim Einstieg in die Erstausbildung beratend und BMVBS „Beschäftigung, Bildung und Teilhabe vor unterstützend zur Seite stehen. Ort“ in den Programmgebieten der Sozialen Stadt).

■ Alle Wirtschaftsakteure sind in die Quartiersent­ ■ Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wird die wicklung einzubeziehen, beispielsweise durch Vergabe von Kleinkrediten zur Förderung lokaler Zusammenarbeit der örtlichen Unternehmen sowie Unternehmer und Existenzgründer und die Risiko­ der Agentur für Arbeit und der Kammern mit Schu­ absicherung von kleinen Unternehmen (auch mit len und Jugendeinrichtungen im Quartier. Inhaberinnen und Inhabern mit Migrationshinter­ grund) verstärken. ■ Betriebe der „sozialen Ökonomie“ sollten gezielt gestärkt werden; dies sind Betriebe, die vor allem der Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs­ lokal nachgefragte Dienstleistungen anbieten, die zuständigkeit von Ländern und Kommunen) über den Markt und die öffentliche Hand nicht bereitgestellt werden können (z. B. hauswirtschaft­ ■ In benachteiligten Stadtquartieren werden die liche Dienstleistungsagenturen, Schulküchen, Handlungsmöglichkeiten des Programms „Soziale Stadtteil- und Kulturcafés). Sie können die soziale Stadt“, insbesondere auch die erweiterten Förder­ und kulturelle Infrastruktur sowie das Angebot an möglichkeiten im Rahmen von Modellvorhaben, Waren und an personen-, haushalts- und gemein­ für die Integration von Zuwanderern genutzt. Zur wesenbezogenen Dienstleistungen im Gebiet Komplementierung der Bundesmittel werden Mit­ ergänzen. Auch sie können ein wichtiger Faktor im tel der EU, der Länder und Gemeinden eingesetzt. lokalen Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebot sein. ■ Eine verstärkte Förderung der lokalen Ökonomie ■ Zur erfolgreichen Umsetzung lokalökonomischer erfolgt durch die Bereitstellung von Finanzmitteln Ansätze sind quartiersbezogene Entwicklungskon­ und personellen Ressourcen (auch von interkul­ zepte in gesamtkommunale und regionale Wirt­ turell geschultem Personal) zur Unterstützung schaftsstrategien einzubetten. örtlicher Unternehmen, die Förderung von

119 4.5. Neugründungen vor Ort, bedarfsgerechte Bera­ ■ Öffentlichkeitsarbeit dient der Imageverbesserung tungsangebote (auch bei Existenzgründungen und des Quartiers als Wirtschaftsstandort. der Beantragung von Fördermitteln, Vermittlung von Informationen (auch in anderen Sprachen), ■ Durch Aufbau einer Datenbank zur lokalen und die Unterstützung der Netzwerkbildung in der ethnischen Ökonomie im Stadtteil werden die lokalen Unternehmerschaft unter Einbeziehung Informationsgrundlagen verbessert. wirtschaftsrelevanter Einrichtungen (Wirtschafts­ förderung, Industrie- und Handelskammern und ■ Die Förderung der ethnischen Ökonomie wird in Handwerkskammern, Arbeitsamt) und die Über­ die kommunale Integrationspolitik eingebunden. nahme von Kreditbürgschaften. Es erfolgt eine Abstimmung von Handlungsansät­ zen und ein Erfahrungsaustausch zwischen den ■ Ergänzende Maßnahmen sind die zielgruppen­ relevanten kommunalen Verwaltungseinheiten, spezifi sche Qualifi zierung von Migrantinnen und Kammern und Verbänden. Migranten, insbesondere ethnischen Existenzgrün­ derinnen und -gründern, gezielte Information über der nichtstaatlichen Institutionen und Beratungs- und Fortbildungsangebote. Organisationen sowie der Privatwirtschaft

■ Eine personen- und unternehmensorientierte ■ Kreditinstitute und Stiftungen: Gewährung von Beschäftigungsförderung und Qualifi zierung der Kleinkrediten an lokale Betriebe; Sensibilisierung Migrantinnen und Migranten hat zum Ziel, eine der Mitarbeiter für die Potenziale der ethnischen effektive und passgenaue Vermittlung in den Ökonomie. Arbeitsmarkt zu ermöglichen. ■ Ausbildungsangebote durch die (ausländischen ■ Die interkulturelle Kompetenz und damit die und deutschen) Unternehmen im Quartier. Beratungsqualität in der kommunalen Wirtschafts­ förderung, den Arbeitsagenturen und den Arbeits­ ■ lokale Unternehmerschaft: Beteiligung an Netz­ gemeinschaften zur Wahrnehmung der Aufgaben werken und Kooperationen. nach dem SGB II (ARGEN) wird verbessert. ■ Wohnungsunternehmen: Bereitstellung von ■ Eine Unterstützung der lokalen Ökonomie erfolgt Gewerberäumen zu günstigen Konditionen, im Hinblick auf die Schaffung von Ausbildungsplät­ z. B. gezielt für Unternehmensgründer. zen auch durch Beratung und Qualifi zierung von Unternehmern zur Erhöhung der Ausbildungsbe­ ■ Kammern: bedarfsgerechte, kultursensible Bera­ reitschaft sowie die Initiierung und Unterstützung tungsangebote (z. B. Existenzgründungsseminare, des Aufbaus lokaler Ausbildungsverbünde kleiner Beratung bei der Beantragung von Fördergeldern, Unternehmen und den Aufbau von externem Fortbildungsangebote). Ausbildungsmanagement. ■ Integration ist ein wechselseitiger Prozess, d. h. die ■ Lokale Netzwerke und Kooperationen, in denen Integrationsbereitschaft der Zuwanderer und die sich vor Ort ansässige Unternehmen zusammen- Integrationsunterstützung der Aufnahmegesell­ schließen (Unternehmerstammtisch, Werbege­ schaft bedingen sich gegenseitig. So ist es auch meinschaften etc.), werden unterstützt. erforderlich, dass Migrantinnen und Migranten bereit sind, Ausbildungs- und Qualifi zierungsan­ ■ Zur Qualifi zierung und Vermittlung von Jugend­ gebote anzunehmen und sich an Integrationsmaß­ lichen in Praktika, Ausbildung und Arbeitsmarkt nahmen zu beteiligen. werden Netzwerke und Kooperationen zwischen Verwaltung, Schulen, Jugendeinrichtungen, örtlichen Gewerbetreibenden, Arbeitsagenturen, ARGEN und anderen Akteuren (z. B. Migrantenselb­ storganisationen, ausländischen Unternehmens­ verbänden und Migrantenmedien) initiiert und unterstützt.

120 4.5. 5. Themenschwerpunkt 5: 5.2. Zielbestimmungen Indikatoren, Monitoring, ■ Im Rahmen von Integrationskonzepten sollte in Evaluierung den Kommunen ein System zur laufenden Beob­ achtung (Monitoring) entwickelt und verstetigt werden: Gegenstand von Monitoringsystemen ist 5.1. Bestandsaufnahme die Messung des Standes der Integration durch Angleichung der Chancen resp. der Lebensverhält­ Integration ist ein individueller und subjektiver nisse in defi nierten Sektoren (z. B. Bildung, Arbeit, Prozess, der sich häufi g über mehrere Generationen Wohnen) zwischen Aufnahmegesellschaft und vollzieht. Gleichwohl lassen sich Erfolge kommunaler Zuwanderern. Integrationspolitik feststellen und bewerten. Für ein Integrationsmanagement sind Kriterien oberhalb ■ Das Monitoring erfolgt mit Hilfe von einheitlich der subjektiven Ebene erforderlich, anhand derer defi nierten statistischen Kennzahlen, die über den der Grad der Integration von Zuwanderern in einer Stand der Integration in die jeweilige Aufnahme- Gesellschaft gemessen werden kann. Evaluierung und bzw. Stadtgesellschaft Auskunft geben. Darüber Monitoring sind wichtige Instrumente des Qualitäts­ hinaus kann das Monitoring zur Messung der managements und der Politiksteuerung. Mit ihnen Erreichung integrationspolitischer Ziele, zur Quali­ können beispielsweise Transparenz und Öffentlichkeit tätsverbesserung bestehender und neuer Integrati­ über die komplexen Wirkungszusammenhänge und onsmaßnahmen sowie für einen effi zienten Einsatz über Kosten und Nutzen von Integrationsmaßnahmen von Ressourcen genutzt werden. hergestellt werden. Sie tragen zu einer Qualifi zierung von Strategien, Konzepten und Projekten bei, da in ■ Daten zur Gruppe der Menschen mit Migrations­ Evaluationsprozessen erkannte Fehlentwicklungen hintergrund sind fl ächendeckend zu erheben und zu Umsteuerungen genutzt werden können. Gegen­ bereit zu stellen. Die Indikatoren sind so auszuwäh­ über den eher anlass- und maßnahmenorientierten len, dass die Datengrundlage mit vertretbarem Vorgehensweisen früherer Jahre kann die Quer­ zusätzlichem Aufwand hergestellt werden kann. schnittsaufgabe Integration durch regelmäßige Evaluierung und Fortschreibung von Konzepten und ■ Am Beginn einer strategischen Ausrichtung von Maßnahmen, besonders mit Blick auf die Vielzahl Integrationsarbeit steht die Analyse der Ausgangs­ beteiligter Akteure und eine um Effektivität bemühte lage bzw. der historischen Entwicklung. Diese Ausrichtung, besser bewältigt werden. Deshalb sollten sollte unter Verwendung derselben Indikatoren Monitoring und Evaluierung als ein integraler und oder Kennzahlen erhoben werden, die auch für die aktiver Bestandteil von Integrationskonzepten etab­ Formulierung von Zielen bedeutsam sind. liert werden. ■ Bei der Auswertung erhobener Daten sind Stig­ Die Steuerung der Integrationsarbeit benötigt über matisierungen zu vermeiden; z. B. sind soziale die Indikatoren und Kennzahlen hinaus qualifi zierte Problemlagen nicht zwangsläufi g als migranten­ Daten. In der Kommunalstatistik und der amtlichen spezifi sch zu betrachten. Zudem ist ein Migrations­ Statistik wurde vor 2005 nur zwischen Deutschen und hintergrund nicht per se ein Merkmal, das einen Ausländern unterschieden. Eine alleinige Unterschei­ Bedarf an Unterstützungsleistungen signalisiert. dung nach der Staatsangehörigkeit wird der zuneh­ Zuwandererquoten sind daher nur in Verbindung menden Heterogenität der Personen mit bzw. ohne mit anderen Indikatoren (z. B. Bildungserfolge) deutsche Staatsangehörigkeit aber nicht gerecht. aussagefähig. So sind viele Deutsche im Ausland geboren und als (Spät-)Aussiedler nach Deutschland zugewandert. Eine zunehmende Anzahl von Personen wurde im Ausland geboren und hat das Recht auf Einbürgerung in Anspruch genommen. Auf der anderen Seite leben viele Menschen als Ausländer in Deutschland, die hier geboren wurden und keine eigenen Migrationserfah­ rungen haben. Erst mit dem Mikrozensus 2005 erhebt das Statistische Bundesamt Daten zu Personen mit Migrationshintergrund; dazu zählen Ausländer, Zuge­ wanderte, Eingebürgerte und deren Nachkommen.

121 4.5. 5.3. Empfehlungen für Maßnahmen (geplante ➤ zur Erfassung von kulturellen, ökonomischen und zugesagte)/Selbstverpfl ichtungen/ und sozialen Potenzialen von Migrantinnen und Prüfaufträge Migranten.

der Bundesregierung (bzw. in der ■ Die Ermittlung qualifi zierter Daten und Kenn­ Regelungszuständigkeit des Bundes) zahlen erfolgt durch

■ Erhebung von Daten zur Gruppe der Menschen mit ➤ Erhebung von Daten zur Gruppe der Menschen Migrationshintergrund (Zensus 2010). mit Migrationshintergrund insbesondere durch Einwohnermeldeämter, ■ Im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ sollen Monitoring und Evaluation als feste Bestandteile ➤ Weiterentwicklung der Statistiken hinsichtlich des förderfähigen Stadtteilentwicklungskonzepts der sozialräumlichen Erhebungen (auch in klei­ auch im Hinblick auf Integrationsmaßnahmen nen kreisangehörigen Gemeinden) über Men­ verankert werden. Der Erfahrungsaustausch – u. a. schen mit Migrationshintergrund entsprechend über die Transferstelle – über Monitoring und Eva­ dem Mikrozensus 2005, luation wird verstärkt. ➤ Erweiterung von Datengrundlagen durch der Länder und Kommunen (bzw. in der Regelungs­ kommunale Bürgerumfragen, in denen der zuständigkeit von Ländern und Kommunen Migrationshintergrund der Befragten erhoben wird; ferner können zusätzliche quantitative ■ Auf Basis eines gesamtstädtischen statistischen Daten erfasst werden, die für die Ausrichtung Informationssystems, mit dem Aussagen zur der Integrationspolitik bedeutsame Erkennt­ Entwicklung in Gebieten, zum Vergleich von Ent­ nisse liefern (z. B. Zufriedenheit mit der eigenen wicklungen in verschiedenen Gebieten und zum Situation, der Wohnsituation, der Lage auf dem Vergleich einzelner Gebiete mit der Gesamtkom­ Arbeitsmarkt, Einschätzung des sozialen Klimas mune getroffen werden können, wird ein kontinu­ in der Kommune, soziale Kontakte zwischen ierliches Berichtswesen aufgebaut. Aufnahmegesellschaft und Migrantengruppen, Akzeptanz von kommunaler Integrationspolitik ■ Im Rahmen des gesamtstädtischen Monitoring und ihrer Umsetzung). unterziehen die Kommunalpolitik und die Verwal­ tung die Wirkung der eingeschlagenen Integrati­ ■ Es werden Fortbildungsangebote im Bereich Evalu­ onsstrategie und der jeweiligen Maßnahmen einer ierung/Monitoring auf kommunaler Ebene bereit laufenden Untersuchung auf Erfolg und Misserfolg gestellt. (z. B. bei Programmen zur Steigerung der Sprach­ kompetenz von Aussiedlern). der nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen sowie der Privatwirtschaft ■ Controlling unterstützt das Integrationsmanage­ ment durch kontinuierliches Zusammenstellen ■ Fortbildungsangebote im Bereich Evaluierung/ aktueller Informationen über Bedarfe, Leistungen, Monitoring durch wissenschaftliche Institute, Wirkungen und Ressourceneinsatz. Verbände

■ Es werden Indikatoren als Hilfsmittel zur Beschrei­ ■ Bereitstellung von Daten durch verschiedene Insti­ bung einer sozialen Realität auf einer objektiven tutionen, z. B. die Kammern Ebene ermittelt Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl­ ➤ zur Messbarkeit von gesellschaftspolitischen Zie­ fahrtspfl ege (BAGFW) hat nach Abschluss der Arbeiten len (wie z. B. soziale Sicherheit, Chancengleich­ an diesem Bericht folgende Selbstverpfl ichtung nach­ heit, Wohlfahrt, Nachhaltigkeit, Integration) als träglich eingebracht: (qualitative) Hilfsmittel zur Beschreibung der (sozialen) Realität (z. B. Schulabschlussquoten ➤ Die Verbände der BAGFW nehmen am Monito­ unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen), ring teil, um die Zielerreichung der Integration zu überprüfen.

122 4.5.

Mitglieder

Leitung: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Dr. Engelbert Lütke Daldrup Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Angelika Baestlein Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Benjamin Bloch Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V.

Detlef Bröker Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Ergun Can Netzwerk türkeistämmiger MandatsträgerInnen

Hubert Deittert, MdB Deutscher Bundestag

Jean Claude Diallo Evangelischer Regionalverband Frankfurt am Main

Izabela Ebertowska Polnischer Sozialrat e. V.

Erzbischof Feofan Galinskij Russisch Orthodoxe Kirche in Deutschland

Thomas Hartmann Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Dr. Christoph Hauschild Bundesministerium des Innern

Erhard Heintze Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales Bremen

Angelika von Heinz Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Manfred Hugo Landrat Landkreis Osnabrück

Dr. Andreas Kapphan Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Tayfun Keltek Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen Nordrhein- Westfalen

Kristin Keßler Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg

Dr. Walter Kindermann Sozialministerium des Landes Hessen

Roxana Kolenda Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Gesine Kort-Weiher Deutscher Städtetag

Christine Krieg Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Christoph Kulenkampff Schader-Stiftung

123 4.5.

Dr. Christian Lieberknecht Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.

Michael Löher Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.

Erzpriester Apostolos Malamoussis Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland

Ulrich Mohn Deutscher Städte- und Gemeindebund

Nurten Özcelik Integrationsrat der Stadt Herne

Rafet Öztürk Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.

Gari Pavkovic Integrationsbeauftragter der Stadt Stuttgart

Dr. Franz-Georg Rips Deutscher Mieterbund

Dr. Klaus Ritgen Deutscher Landkreistag

Dr. Peter Runkel Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Anton Rütten Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein- Westfalen

Giacomo Santalucia Comitato degli Italiani all’Estero, Saarbrücken, und Deutsch-Italienisches Bildungs- und Kulturinstitut

Ulla-Kristina Schuleri-Hartje Deutsches Institut für Urbanistik

Wolf Schulgen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin

Frank Schulze Innenministerium Thüringen

Prof. Dr. Wendelin Strubelt Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Susanne Tatje Stadt Bielefeld, Demografi sche Entwicklungsplanung

Claudia Walther Bertelsmann Stiftung

Petra Weis, MdB Deutscher Bundestag

Bernhard Wellmann Bürgermeister der Gemeinde Belm

Theresia Wunderlich Deutscher Caritasverband e. V.

Kemal Yildirim Demokratischer Unternehmerbund Baden-Württemberg

Oliver Zander Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.

124 4.5.

125 126 Themenfeld 6: 4.6. „Kultur und Integration“

Die Arbeitsgruppe Kultur und Integration konstitu­ zu gehen. Integration bedeutet die Einbindung in das ierte sich am 23. Oktober 2006 und schloss nach fünf gesellschaftliche, wirtschaftliche, geistig-kulturelle Sitzungen ihre Beratungen am 14. März 2007 ab. Sie und rechtliche Gefüge des Aufnahmelandes ohne befasste sich im Schwerpunkt mit den Themen kultu­ Aufgabe der eigenen kulturellen Identität. relle Bildung, Kultureinrichtungen und Kulturpolitik und -verwaltung. Sie legt nachstehenden Abschluss­ Bei der kulturellen Integration von Zuwanderern han­ bericht für den Nationalen Integrationsplan vor. delt es sich um einen wechselseitigen Prozess. Alle Teile der Gesellschaft sind gefordert, größere Bereitschaft Themenfeld: „Kulturelle Pluralität leben – zu kultureller Offenheit zu entwickeln. Voraussetzung interkulturelle Kompetenz stärken“ dafür ist ein klares gesellschaftliches Leitbild, das die Bereitschaft zur Integration, Selbstvergewisse­ Kultur ist eine wesentliche Grundlage unseres Zusam­ rung über die eigene kulturelle Identität, aber auch menlebens und verbindet Menschen verschiedener Respekt vor kultureller Vielfalt verankert. Integration Herkunft. Deutschland ist eine europäisch gewach­ im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat setzt die sene und über Jahrhunderte auch durch Migration Identifi kation mit der Werteordnung des Grundge­ geprägte Kulturnation. Ohne jahrhundertlange kul­ setzes voraus. turelle Wechselwirkungen über staatliche Grenzen hinweg, ohne die stete Aneignung von ursprünglich Drei Themenschwerpunkte stehen im Mittelpunkt: fremden kulturellen Einfl üssen wäre Europa in seiner Vielfalt und seinen gemeinsamen Werten nicht 1. Die kulturelle Bildung innerhalb und außerhalb der denkbar. staatlichen Bildungseinrichtungen trägt maßgeb­ lich zur kulturellen Integration von Migrantinnen Die deutsche Gesellschaft steht vor einer Integrati­ und Migranten bei. onsaufgabe, die die Kultur umfasst. Die Realität der Zuwanderungsgesellschaft ist auch eine kulturelle 2. Die Kultureinrichtungen erkennen zunehmend die Herausforderung – Dialog ermöglicht Verständigung. Notwendigkeit, sich der neuen gesellschaftlichen Deshalb ist der angemessene Umgang mit kultureller Herausforderung zu stellen und ihren Beitrag zur Vielfalt eine notwendige Kompetenz für alle Teile kulturellen Integration zu leisten. der Gesellschaft. Integration beinhaltet die Bejahung kultureller Vielfalt. Erfolgreiche Integration setzt 3. Die Politik muss auf allen Ebenen die kulturelle eine Kultur der Toleranz und des Miteinanders voraus, Integration als übergreifende Querschnittsaufgabe auf deren Grundlage Deutsche und Zuwanderer auf verstehen. dem Boden unserer Verfassungswerte aufeinander

127 4.6. 1. Themenschwerpunkt: Aus- und Weiterbildung sollten Erzieherinnen und Kulturelle Bildung Erzieher stärker auf die Möglichkeiten der kulturellen Bildung hingewiesen und praxisnah ausgebildet werden. 1.1. Bestandsaufnahme Die Schulen erreichen junge Menschen aus allen Die Vermittlung kultureller Bildung – ob in Bildungs-, Teilen der Bevölkerung. Die Ganztagsschule kann Jugend- oder Kultureinrichtungen – wird zu einem zusätzliche Chancen eröffnen. Über die Schülerinnen Dreh- und Angelpunkt kultureller Integration und und Schüler besteht zudem die Möglichkeit, die Eltern damit zu einer neuen Schwerpunktaufgabe. Kultu­ anzusprechen. Kulturelle Bildung ist in den Curri­ relle Bildung ist ein Schlüsselfaktor der Integration, cula verankert und gehört zum standardmäßigen sie öffnet den Zugang zu Kunst und Kultur und zum Pfl ichtprogramm der Schulen. Die Realität ist jedoch gesellschaftlichen Leben schlechthin. Die gute Kennt­ ernüchternd: Nach aktuellen Schätzungen wird 70 bis nis der deutschen Sprache ist dabei grundlegende 80 Prozent des vorgesehenen Musikunterrichtes in Voraussetzung für jegliche Form der Teilhabe. Studien Grundschulen von fachfremden Lehrkräften gegeben belegen, dass kulturelle Bildung das Lernverhalten oder fällt ganz aus. (Quelle: Prof. Dr. Ortwin Nimczik, insgesamt verbessert. Sie formt auch die Persönlich­ Musikunterricht in den allgemein bildenden Schulen, keit, schult das soziale ebenso wie das moralische Deutsches Musikinformationszentrum, Bonn). Im Bewusstsein und stärkt damit die Zukunftschancen. Fach Musik bestehen zudem die größten Defi zite bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Dabei Der Zugang zu Kunst und Kultur sollte noch wei­ kann Musik wie kein anderes Medium kulturelle, poli­ ter ermöglicht werden: In den aktuell diskutierten tische und sprachliche Grenzen überwinden. Berichten zur Armut wird darauf verwiesen, dass Armut in unserem Land nicht primär ein materiel­ Innerhalb und außerhalb der staatlichen Bildungs­ les Problem, sondern allzu oft das Produkt sozialer einrichtungen existiert eine Fülle hervorragender und kultureller Ausgrenzung und fehlender Bil­ Projekte der kulturellen Bildung und Integration. So dungschancen ist. Eine Folge sind gesellschaftliche leisten z. B. Jugendeinrichtungen und -verbände hier Desintegration und schwindende soziale Bindekräfte. wertvolle Arbeit. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz Diese Entwicklung erfasst die einheimische Bevölke­ (Sozialgesetzbuch VIII) wird festgelegt, dass die kultu­ rung ähnlich wie die Zugewanderten. Sie ist weder ein relle Bildung zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit ethnisches noch ein kulturelles, sondern ein soziales gehört. Zahlreiche Initiativen haben Modellcharak­ Problem. Die familiäre Herkunft entscheidet auch ter und regen innovative Entwicklungen an. Daraus heute noch vielfach über den Zugang zu Bildung. sollten die Lehren für Handlungskonzepte entwi­ ckelt werden, die bundesweit Wirksamkeit entfalten Die Verbesserung der Chancen auf kulturelle Bildung können. für Kinder und Jugendliche steht im Mittelpunkt der Bemühungen um kulturelle Integration. Die demo­ Eine große Herausforderung entsteht für die Kultur­ grafi sche Entwicklung belegt, dass hier eine entschei­ einrichtungen. Deren strategisches Eigeninteresse, dende Herausforderung für die Zukunft liegt: Rund ebenso ihre soziale Verantwortung, machen Wei­ ein Fünftel aller in Deutschland lebenden Menschen chenstellungen nötig, um das Publikum von morgen sowie jedes dritte Kind unter sechs Jahren haben bereits heute zu gewinnen. Kultureinrichtungen wen­ einen Migrationshintergrund. In städtischen Bal­ den sich zwar zunehmend der kulturellen Bildung lungsgebieten gilt dies bereits für mehr als 40 Prozent zu, die Kulturpädagogik im Sinne von Vermittlungs- der Kinder und Jugendlichen. und Breitenarbeit gewinnt an Bedeutung. Dennoch existieren hier keine verlässlichen, fl ächendeckenden Privilegierte Orte kultureller Bildung sind dann Angebote. Hier gilt es Nachholbedarf zu identifi zie­ die Bildungseinrichtungen. Hier liegen die großen ren und wo nötig gezielt abzuhelfen bzw. Schwellen Chancen: Frühkindliche Bildung in Kindertagesein­ für die Teilhabe abzubauen. Die kulturpädagogische richtungen ermöglicht die frühesten Weichenstel­ Arbeit der Kultureinrichtungen sollte Kinder, Jugend­ lungen und stellt deshalb auch volkswirtschaftlich liche und Erwachsene mit Migrationshintergrund als gesehen die sinnvollste Investition dar. Allerdings besonders anzusprechende Zielgruppen in den Blick erfassen diese Einrichtungen aufgrund sozialer und nehmen. fi nanzieller Barrieren und eines nicht fl ächende­ ckenden Betreuungsangebots nicht alle Kinder. Die Beitragsfreiheit von Kindertagesstätten und Kinder­ 1.2 Zielbestimmungen gärten kann dazu beitragen, Barrieren abzubauen und so auch Kindern aus bildungsfernen Schichten Kulturelle Bildung muss Auftrag aller vorhandenen den Zugang zu kultureller Bildung zu eröffnen. In der Strukturen des Bildungs- und Kultursystems sein.

128 4.6. Das gemeinsame Erleben, das gemeinsame Handeln Die Sprachförderung ist implizit Ziel der kulturellen dient der Gemeinschaftsbildung zwischen Zuwande­ Bildung. Alle Träger der kulturellen Bildung, alle hier rern und Einheimischen, die soziale und emotionale tätigen Lehrkräfte sollten auch dies als wichtige inte­ Bindung wird gestärkt. Projekte kultureller Bildung grationsfördernde Aufgabe begreifen. sollten dann wo sinnvoll und zweckmäßig auch zielorientiert in heterogenen Gruppen erfolgen, um Die Kommunen sollten Angebote des Austausches integrierend zu wirken. und der Begegnung zwischen Pädagogen, Künstlern, Einrichtungen der kulturellen Bildung und Kulturein­ Grundsätzlich sind alle Generationen angesprochen. richtungen schaffen. Ziel ist Wissenstransfer, Vernet­ Der Schwerpunkt sollte jedoch bei Kindern – entschei­ zung, wechselseitige Anregung und Zusammenarbeit. dend ist bereits die frühkindliche Bildung vor und während des Kindergartenalters – und Jugendlichen Kulturelle Bildung berührt Kultur-, Bildungs- und gelegt werden. Ein guter Ansatz ist die Elternarbeit. Jugendpolitik. Die politisch Verantwortlichen der ver­ Häufi g strahlt Projektarbeit in Kindertageseinrich­ schiedenen Felder sollten auf allen föderalen Ebenen tungen und Schulen auf die Elternhäuser aus. Dieser die ressortübergreifende Vernetzung und Zusammen­ positive Effekt sollte verstärkt genutzt werden. arbeit stärken.

Die Schulen sind die privilegierten Orte kultureller Notwendig ist eine Bestandsaufnahme bei Bund, Bildung und prägend für die Bildungsbiographie von Ländern und Kommunen durch Analysen und Kindern und Jugendlichen. Deshalb sollten die Länder Datenerhebungen sowie durch Evaluierung nach zu die kulturelle Bildung verbindlich in den Curricula vereinbarenden Qualitätsstandards. Aus Einzelmaß­ festschreiben und umsetzen. Die Schulpfl icht stellt nahmen und Modellprojekten sollten Bund, Länder sicher, dass gerade auch die Bedürftigsten erreicht und Kommunen übergeordnete kultur- und bildungs­ werden, denn gerade letztere nehmen eine auf politische Gesamtstrategien entwickeln. Ziel ist eine Freiwilligkeit basierende Angebotsstruktur oft nicht Systematisierung kultureller Bildung, um so Breiten­ an. Ganztagsschulangebote können mehr Zeit, Raum wirkung, Nachhaltigkeit und verlässliche, strukturelle und neue Möglichkeiten für kulturelle Bildung und Verankerung im Bildungssystem und im Kulturbe­ Integration bieten. trieb zu gewährleisten. Der Transfer von innovativen Einzelprojekten muss zu quantitativ und qualitativ Im Mittelpunkt der kulturellen Bildung muss die bedeutsamen Ergebnissen führen. eigene aktive künstlerische Betätigung stehen. Sie stärkt Identität, Persönlichkeit, soziale Bindung und Kulturelle Bildung und Integration braucht Kontinui­ Intelligenz, sie vermittelt Freude. Die sozialpädago­ tät. Projektarbeit erzielt häufi g gute Ergebnisse, bricht gische Bedeutung eigener künstlerischer Arbeit ist aber oft ab, wenn Erfolge sichtbar sind und Vertrauen insbesondere für Kinder und Jugendliche bedeutend. aufgebaut ist. Bund, Länder und Kommunen sollten Sie schafft Erfolgserlebnisse, Anerkennung und lässt im Interesse der Nachhaltigkeit und Qualität die fi nan­ Versagens- und Misserfolgserlebnisse vergessen. Hier zielle Basis von kultureller Bildung sichern. entstehen Vorbilder und Erfolgserlebnisse bei guter Teamarbeit. Zugleich bietet die aktive Rezeption wich­ tige Chancen der Auseinandersetzung mit Kunst und 1.3 Maßnahmen Kultur. Kinder und Jugendliche, die sich mit Kunst­ werken auseinandersetzen bzw. selbst zu Akteuren Vor dem Hintergrund der Zielbestimmungen ver­ werden, lernen Bilder verstehen, schulen das Gehör, pfl ichten sich die Akteure zu den folgenden Maßnah­ erwerben Lesekompetenz. men, Selbstverpfl ichtungen und Prüfaufträgen:

Die weitere Professionalisierung der kulturellen Bil­ Bundesregierung dung, die heute oft auf ehrenamtlicher Basis stattfi n­ det, bildet die Grundlage einer erfolgreichen Arbeit. Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer Zustän­ Die Länder sollten vermehrt Anstrengungen unter­ digkeit künftig Fragen der Integration von Kindern nehmen, Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehre­ und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in ihre rinnen und Lehrer in Fächern der kulturellen Bildung eigene Förderung kultureller Bildung kontinuier­ aus- und weiterzubilden. In allen Kindertageseinrich­ lich mit einbeziehen. Dabei werden folgende Ziele tungen und auch in anderen Bildungseinrichtungen berücksichtigt: sollten auch professionelle Kräfte eingesetzt werden, die neben ihrer hohen fachlichen Qualifi kation und ➤ Einbeziehung von Integrationsaspekten bei der aufgrund ihrer Aus- und Fortbildung pädagogisch auf Förderung aller geeigneter Vorhaben zur kultu­ den kulturellen Hintergrund von Migrantinnen und rellen Bildung; Migranten und deren Sprachförderung einzugehen in der Lage sind.

129 4.6.

➤ Bestandsaufnahmen und empirische Unter­ Instrument“) auch künftig dem Integrationsgedan­ suchungen zur Integration von Kindern und ken Rechnung getragen wird. Dieses Projekt hat Jugendlichen mit Migrationshintergrund in vorbildlichen Modellcharakter und empfi ehlt sich bestimmten Bereichen der kulturellen Bildung zur Nachahmung. (z. B. Darstellendes Spiel, Tanz, Bildende Kunst); ■ Die Bundesregierung hat angeregt, dass das aus ➤ Entwicklung und Evaluation von spezifi schen Bundesmitteln geförderte Institut für Museums­ kulturellen und künstlerischen Arbeitsformen forschung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für die Integration von Kindern, Jugendlichen in allen über 6.000 Museen in Deutschland eine und Erwachsenen (z. B. in Jugendkunstschulen, Umfrage über kulturelle Bildung, u. a. auch zum Musikschulen, Entwicklung von Computerclubs); Thema Integration, durchführt, deren Ergebnisse im November 2007 vorliegen sollen. ➤ Stärkung der kulturellen Bildung im Zusammenhang mit der Entwicklung von ■ Eine Reihe von Ausstellungen und Museen haben Ganztagsschulangeboten; Migrationsprozesse der Menschen in und nach Europa dargestellt, so das Haus der Geschichte der ➤ Auszeichnung von Modellprojekten kultureller Bundesrepublik Deutschland (Bonn), das Deutsche Bildung, Preise und fi nanzielle Unterstützung Historische Museum (Berlin), das Haus der Kulturen zur Fortsetzung der Maßnahmen. der Welt (Berlin) und das Deutsche Auswanderer­ haus (Bremerhaven). Ähnliche Projekte werden ■ Die Bundesregierung prüft in Kooperation mit beispielsweise vom Rheinischen Industriemuseum den Ländern und Kommunen den Aufbau eines (Oberhausen) vorbereitet. Das Haus der Kulturen großfl ächigen „Netzwerkes kulturelle Bildung und der Welt ermöglicht durch seine internationalen Integration“ zur verbesserten Zusammenarbeit Kultur- und Kunstprojekte den Trialog zwischen zwischen Bildungs-, Jugend- und Kultureinrich­ den Herkunftskulturen der hier lebenden Zuwan­ tungen von Kommunen, Ländern und Bund. Ziel derer, ihren eigenen Gemeinschaften und der deut­ ist auch die Vernetzung der Politikfelder Kultur-, schen Mehrheitskultur. Die Staatlichen Museen der Bildungs- und Jugendpolitik, um einen Know-how- Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) befassen Transfer und die wechselseitige Information über sich mit den wesentlichen Herkunftsregionen der Strategien, Konzepte und Arbeitsansätze in den Zuwanderung. Deshalb wird BKM die Initiative jeweiligen Institutionen zu verbessern. ergreifen und beim International Council of Muse­ ums (ICOM) die Gründung einer Arbeitsgemein­ ■ Die Bundesregierung wird ab sofort bis 2009 die schaft „Museum – Migration – Kultur – Integration“ kulturelle Bildung im Zusammenhang mit der Ent­ anregen. Sie soll das Ziel haben, sich auszutau­ wicklung von Ganztagsschulangeboten im Rahmen schen, gemeinsame Ausstellungen zu planen oder des „Investitionsprogramms Zukunft Bildung und zu vermitteln und museumspädagogisch besser auf Betreuung“ und des von der Deutschen Kinder- und die in Deutschland lebenden Migranten zuzugehen. Jugendstiftung durchgeführten Begleitprogramms stärken. ■ Die Bundesregierung wird das Projekt „Kunst-Code“ fördern, das der Entwicklung, Erprobung und ■ Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer Evaluation von Modellen interkultureller Arbeit Zuständigkeiten für Kunst und Kultur darauf in Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen hinwirken, ihre Aktivitäten zur kulturellen Bildung Einrichtungen dient. unter besonderer Berücksichtigung der kulturellen Integration von Zuwanderern zu intensivieren bzw. ■ Die Bundesregierung wird bis 2008 das Projekt wo noch nicht geschehen, neue Projekte mit dieser „Come-in – Interkulturelles Lernen mittels compu- Zielrichtung zu entwickeln. Dies insbesondere tergestützter Projektarbeit an Schulen unter beson­ auch mit Blick auf Projekte im Rahmen des Europä­ derer Berücksichtigung von Kindern und Erwach­ ischen Jahres des interkulturellen Dialogs 2008. senen mit Migrationshintergrund“ unterstützen.

■ Die von der Bundesregierung geförderte Kulturstif­ ■ Die Bundesregierung wird eine bundesweite tung des Bundes hat einen neuen Schwerpunkt in Bestandsaufnahme zur Theaterarbeit mit Kindern der kulturellen Bildung gelegt, in dem durch ver­ und Jugendlichen – Schwerpunkt: Kinder und schiedene Projekte (z. B. ab 2010 dem gemeinsam Jugendliche mit Migrationshintergrund – initiieren. mit dem Land Nordrhein-Westfalen und privaten Förderern geförderte Projekt „JEKI – Jedem Kind ein

130 4.6. Länder und Kommunen Die Länder werden aufgefordert, dem kulturellen Schaffen von Migranten im Unterricht mehr Raum zu Die Kultusministerinnen und -minister werden sich in geben – sowohl in Lehrbüchern als auch als Mittler den Haushaltsberatungen ihrer Länder nachdrücklich und Vorbilder durch Präsenz in den Schulen. dafür einsetzen, frei werdende Mittel im Schwerpunkt für die Verbesserung von Bildung und damit auch der Die Länder werden aufgefordert, die Geschichte der kulturellen Bildung zu nutzen. Migration in Deutschland und Europa stärker in den Curricula zu verankern, um in der Aufnahme­ Die Arbeitsgruppe empfi ehlt den Ländern, Konzepte gesellschaft und unter Migranten das Wissen um zu erarbeiten und zu fördern, die die künstlerisch-kul­ erfolgreiche historische Integrationsprozesse als Teil turelle Bildung mit Erziehung zu Humanität, Demo­ unseres eigenen kulturellen Erbes zu stärken. kratie und interkulturellem Respekt in formeller und informeller Bildung stärken. Die Kultusministerkon­ Die Arbeitsgruppe begrüßt die Aktivitäten der Kul­ ferenz der Länder sollte sie beim weiteren Ausbau der turstiftung der Länder zur kulturellen Bildung (z. B. kulturellen Bildung, dem Ausbau von Qualitätsstan­ „Kinder zum Olymp“) und fordert die Länder auf, sie dards und Handlungsempfehlungen zu kultureller bei weiteren Aktivitäten zu unterstützen. Die Kultur­ Bildung unterstützen. stiftung der Länder verfügt aus diesem Kontext über eine Datenbank mit Praxisbeispielen zur Kooperation Die Arbeitsgruppe empfi ehlt den Ländern, alle Kräfte zwischen Kultur und Schule. Diese Datenbank soll einzusetzen, dem Ausfall von Unterricht in musisch­ bis September 2007 ausgeweitet werden zu einer künstlerischen Fächern entgegenzuwirken und somit Datenbank für Projekte „Integration durch kulturelle die im Rahmen der Curricula vereinbarten Standards Bildung“. kultureller Bildung auch Wirklichkeit werden zu lassen. Nichtstaatliche Institutionen und Organisationen

Die Arbeitsgruppe empfi ehlt den Ländern und Kom­ ■ Die Stiftung Lesen wird ihre Maßnahmen zur För­ munen, die Schulen aufzufordern, künstlerisch-kultu­ derung des Lesens als Schlüsselkompetenz auswei­ relle Einrichtungen und Angebote, wie Museen und ten und neue Modelle erproben, um die Handeln­ Ausstellungen, Theater und musische Einrichtungen den vor Ort, insbesondere Erzieher, Lehrer, Eltern, stärker im Schulprogramm zu berücksichtigen. Sie Großeltern, zu erreichen (z. B. Kommunikations­ sollen Schulen ermutigen, außerschulische Lernorte netzwerke wie etwa ein bundesweiter Lehrerclub). im Hinblick auf die Verschiedenheit von Kulturen zur Ebenso wird sie die von Kindern und Jugendlichen Geltung kommen zu lassen und Projekte durchzufüh­ genutzten Medien verstärkt zur Leseförderung ren, die die kulturelle und künstlerische Befähigung einsetzen, neue Projektbeispiele sind: der Kinder und Jugendlichen im Geiste von Humanität und Demokratie fördern. ➤ „Lesestart“ für junge Familien: (Vor)leseheft für ausländische Eltern und Kinder zum gemein­ Die Arbeitsgruppe empfi ehlt den Ländern und Kom­ samen Deutschlernen; munen, Einrichtungen der außerschulischen Jugend­ arbeit sowie Künstlerinnen und Künstler (auch mit ➤ Kinderbetreuung mit Schwerpunkt Sprach­ Migrationshintergrund) zu ermutigen, sich in diesem förderung durch ehrenamtliche Vorlesepaten Sinne mit künstlerisch-kulturellen Projekten an Schu­ mit interkultureller Kompetenz und Lese- und len zu wenden und mit ihnen gemeinsam Vorhaben Medienclubs für Kinder und Jugendliche; durchzuführen. ➤ „Deutschland – Ein Haus der Kulturen“: Auslän­ Die Arbeitsgruppe bittet die Länder, bei der Aus- und der erzählen ihre Geschichte in Deutschland. Fortbildung von Lehrkräften und Fachkräften aus Jugendhilfe, Kultur und Sport verstärkt darauf zu ■ Die Herbert Quandt-Stiftung verstärkt ihr Förde­ achten, dass die Kompetenz in der Vermittlung künst­ rengagement für Schulen in Berlin und Hessen im lerisch-kultureller Bildung grundlegend ist für die Rahmen des Wettbewerbs „Schulen im Trialog“. soziale Integration von Kindern und Jugendlichen mit Diese Förderinitiative soll Schulen und Lehramts­ Zuwanderungsgeschichte. anwärter anregen und begleiten zu nachhaltiger Kompetenz in Fragen zu „europäischer Identität und kulturellem Pluralismus“. Zu den Hauptzielen gehören exemplarische Schulentwicklung vor Ort und fundierte Beschäftigung mit Glaubensfragen.

131 4.6.

■ Die Deutsche Jugend aus Russland e. V. wird in ■ Die Popakademie Mannheim baut die erfolg­ Kooperation mit Museen ein Netzwerk praktischer reichen Projekte „Popzirkus“ und „School of Rock“ Migranten-Jugendarbeit initiieren. sowie weitere world-music- und Popmusikprojekte in Schulen – unter anderem an sozialen Brenn­ ■ Die Deutsche Jugend aus Russland e. V. plant eine punkten – aus. Ziel ist die Förderung von Talenten bundesweite Aktion zur Einbindung von Eigen­ unter den Kindern und Jugendlichen aus Familien initiativen im Bereich Kulturarbeit der Zugewan­ mit Migrationshintergrund. derten aus Russland, der Ukraine, Kasachstan, Usbekistan etc. in die bestehenden Netzwerke der ■ Die Popakademie Mannheim wird in Kooperation Kultur- und Jugendarbeit. Das Projekt hat folgende mit der Bundeszentrale für politische Bildung die Zielsetzungen: Aus- und Weiterbildung von Multiplikatoren der Bildungsarbeit im Bereich kultureller Bildung und ➤ Partizipation der Kulturschaffenden mit Migra­ insbesondere im Bereich Popmusik und „world tionshintergrund am Kulturleben der Bundes­ music“ durch die Vermittlung von Kompetenzen, republik: Ausstellungen von jungen Künstlern, Anregungen und Kreativität durchführen. Konzerte von jungen Talenten, Lesungen von jungen Autoren etc.; ■ Das Deutsch-Türkische Forum Stuttgart baut ab 2008 ihr erfolgreiches „Patenmodell“ aus, bei dem ➤ Seminare der zugewanderten Kulturschaffen­ Studenten Migrantenkinder betreuen, um die Men­ den, z. B. Tanzleiter-, Chorleiter- Tagungen oder schen persönlich zu erreichen und Orientierung zu Seminare mit Leitern von Künstlergruppen. geben. Das Forum Stuttgart wird die erfolgreiche Kooperation von etablierten klassischen Kultur­ einrichtungen und ausländischen Kulturvereinen ausbauen.

2. Themenschwerpunkt: gezielter interkulturell öffnen. Was in international Kulturinstitutionen operierenden Unternehmen längst zum Erfolgsfak­ tor geworden ist, muss in vielen Institutionen und Organisationen Wirklichkeit werden: interkulturelle 2.1 Bestandsaufnahme Öffnung im Selbstverständnis, in den inhaltlichen Programmen, in den Gremien und beim Personal. Zu Die 2005 veröffentlichte 8. Kulturbarometer-Studie selten sind Migrantinnen und Migranten fest veran­ des Zentrums für Kulturforschung in Bonn belegt, kerter Teil des Kulturbetriebs. Sie sind im Kulturleben dass junge Menschen mit dem Angebot der etablier­ unterrepräsentiert – sowohl im Publikum als auch ten Kultureinrichtungen kaum mehr erreicht werden „auf der Bühne“ eigener künstlerischer Aktivitäten. (94 Prozent der unter 25-jährigen haben im letzten Auch die Migranten–Kulturvereine sollten stärker aktiv Jahr weder Oper, noch Ballett, noch klassische Kon­ am kulturellen Leben partizipieren und sich gegenü­ zerte besucht). (BKM) ber der deutschen Gesellschaft mehr öffnen.

Das Institut für Museumsforschung an den Staatlichen Interkulturelle Kulturarbeit vollzieht sich vornehm­ Museen zu Berlin hat mit seiner Gesamterhebung zu lich in den Sparten Musik, Soziokultur und in der den Museen in der Bundesrepublik aus dem Jahr 2004 kulturellen Bildung. Literatur, Bildende Kunst sowie aufgezeigt, dass Migranten noch mehr als eigene Ziel­ Film/Video werden dagegen kaum als ansprechende gruppe angesprochen werden sollten (3.154 Museen Tätigkeitsfelder für Zuwanderer betrachtet. Bei Kul­ haben Sonderveranstaltungen durchgeführt, 308 von tureinrichtungen, denen von Seiten der kommunalen ihnen gaben „ausländische Mitbürger“ als besondere Kulturverwaltung eine besondere interkulturelle Zielgruppe an). (SPK) Affi nität zugeschrieben wird, dominieren Volkshoch­ schulen, Bibliotheken, soziokulturelle Zentren und Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind das Migrantenvereine. Theater, Oper und Museum, oft potenzielle Publikum von morgen, das es zu gewinnen auch die Musik- und Jugendkunstschule gelten dage­ gilt, weil die Generierung neuer und nachwachsender gen eher als „ausländerferne“ Einrichtungen. Nachfrage eine Zukunftsaufgabe für die klassischen Kultureinrichtungen ist. In diesem Zusammenhang müssen diese Einrichtungen sich noch mehr und

132 4.6. 2.2 Zielbestimmungen 2.3 Maßnahmen

Die Kultureinrichtungen sollten den interkulturellen Maßnahmen der Bundesregierung, der Länder Dialog als eine Schwerpunktaufgabe begreifen. Über­ und Kommunen wiegend gefördert durch öffentliche Mittel, werden sie damit auch ihrer sozialen Mitverantwortung ■ Die Bundesregierung, die Länder und Kommunen gerecht. Die Einbeziehung der „Migrantenkulturen“ werden ihre Zuwendungsempfänger dazu ermu­ in die Programme der klassischen, etablierten Kul­ tigen, Leitbilder, Organisationsziele und Konzepte tureinrichtungen spielt dabei eine wichtige Rolle. So zur Integration und interkulturellen Öffnung zu können Austausch und Integration befördert, Barrie­ entwickeln und entsprechende Maßnahmen der ren aufgehoben werden. Die Anerkennung der „Mig­ Personalentwicklung vorzusehen. rantenkulturen“ wird gestärkt, umgekehrt erhalten Kultureinrichtungen neue, kreative Impulse. ■ Die Arbeitsgruppe begrüßt das Qualifi zierungs­ programm „Management der Künste und Kulturen Die Kultureinrichtungen repräsentieren mit ihrem im interkulturellen Dialog“ des Landes Nordrhein- Programmangebot, ihrer Öffentlichkeitsarbeit und Westfalen: Als neues strukturelles Schwerpunkt­ Personalpolitik die interkulturelle Vielfalt vor Ort. projekt des Fachreferates in der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen ist vor kurzem die Konzept­ Integration sollte Querschnittsthema für kulturelle entwicklung für ein Qualifi zierungsprogramm Einrichtungen sein. Um die neuen Herausforde­ „Management der Künste und Kulturen im inter­ rungen bewältigen zu können, benötigen Kulturein­ kulturellen Dialog“ abgeschlossen worden, das richtungen auf allen Ebenen interkulturelle Kompetenz, sich neben wichtigen Themen, wie dem Kultur­ zu allererst durch die Qualifi zierung der Mitarbeite­ sponsoring, dem Kulturmarketing, dem Projekt­ rinnen und Mitarbeiter. Interkulturelle Öffnung sollte management auch mit den besonderen Formen der Bestandteil von Organisationsentwicklungsprozessen Öffentlichkeitsarbeit ethnisch unterschiedlicher in Kultureinrichtungen sein. Nutzer- und Produktionsgruppen beschäftigt. Das Programm, das im Mai 2007 startet, bezieht sich Für die Kultureinrichtungen ist die Aktivierung der auf integrativ ausgerichtete Kunstprojekte, die in Nachfrage von zentraler Bedeutung. Kinder und Jugend­ der Region der Kulturhauptstadt stattfi nden, und liche sollten als Zielgruppe besonders erreicht und spricht dort die Akteurinnen und Akteure aus dem auch persönlich angesprochen werden. Dazu sollten kommunalen und freien Kulturmanagement sowie neue Kooperationsformen entwickelt werden – so Künstlerinnen und Künstler an. die Kooperation mit Bildungseinrichtungen und die Nutzung neuer Medien. Die Kooperation mit Schulen Maßnahmen der nichtstaatlichen Institutionen sollte eine Selbstverständlichkeit für jede Kulturein­ und Organisationen richtung sein, der Besuch von Kultureinrichtungen integraler Bestandteil der Lehrpläne. Sinnvoll sind Die Arbeitsgruppe empfi ehlt Kulturinstitutionen, darüber hinaus Programme wie „Jugend im Museum“. Selbstverpfl ichtungen und Qualitätsstandards in den Gute Erfahrungen gibt es mit „Patenmodellen“ (z. B. Bereichen kulturelle Bildung und Integration sowie Studenten betreuen Migrantenkinder). interkulturelle Kompetenz zu entwickeln. Dabei sollte die Sicherung der Nachhaltigkeit zentral sein. Beson­ Um fi nanzielle, sprachliche und soziale Barrieren ders vorbildhafte Einrichtungen wollen sich zu einem abzubauen, sollte den neuen Zielgruppen der Zugang „Kompetenzverbund Integration“ zusammenschließen zu Kultureinrichtungen erleichtert werden, beispiels­ und „Best-Practice“-Beispiele besonders öffentlich­ weise durch freien Eintritt für Kinder und Jugendliche, keitswirksam zur Nachahmung empfehlen. der wiederum auch die Eltern zum Besuch motivieren kann. So hat beispielsweise die Stiftung Preußischer ■ Die Deutsche Jugend aus Russland e. V. wird Kulturbesitz trotz freien Eintritts für Kinder und Seminarangebote entwickeln, um die Professio­ Jugendliche unter 16 Jahren keine fi nanziellen Einbu­ nalisierung und den Kompetenzaufbau seitens ßen zu verzeichnen. der Migranten im Kulturmanagement und beim Fundraising durch Maßnahmen der Qualifi zierung und Weiterbildung zu erreichen.

■ Auf Initiative der Robert Bosch Stiftung hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen eine Arbeits­ gruppe „Integration von Migranten“ gegründet, um diese Thematik noch stärker in den Blickpunkt von Stiftungen zu rücken, nicht zuletzt auf dem Gebiet der Kultur.

133 4.6. 3. Themenschwerpunkt: 3.2. Zielbestimmungen Integration als Querschnitts­ Integration muss in der Kulturverwaltung zur res­ thema der Kulturpolitik und sortübergreifenden Querschnittsaufgabe werden. Sie Kulturverwaltung kann nur funktionieren, wenn bei Finanzierung und Verwaltung ressortübergreifend gedacht und gehan­ delt wird. Eine effektive Vernetzung, Ressourcenbün­ 3.1 Bestandsaufnahme delung und klare Verantwortungsstruktur – bei­ spielsweise durch Federführung der Kulturämter Interkulturelle Kulturpolitik und -arbeit ist vor­ bei Ressortüberschneidungen – ist notwendig. Auch nehmlich eine Angelegenheit der Großstädte. Die die Angebote müssen besser vernetzt werden, damit programmatische Fundierung der interkulturellen Synergieeffekte zwischen den Förderprogrammen Kulturpolitik und -arbeit lässt jedoch meist zu wün­ genutzt werden können. schen übrig. Nicht einmal ein Fünftel der von der im Rahmen der Studie „Kulturorte als Lernorte interkultu­ Die größten Erfolge werden dort erzielt, wo ein klares reller Kompetenz“ befragten Kommunen verfügt über politisches Bekenntnis zu Integration vorhanden entsprechende konzeptionelle Grundlagen. Es fehlt an ist und die Aufgabe als „Chefsache“ an der Spitze Bündelung und klarer Defi nition der Verantwortlich­ von Verwaltungen angesiedelt ist. Wichtig ist die keiten. Bei Kulturangeboten für jugendliche Migran­ Sicherung öffentlicher und privater Förderstrukturen tinnen und Migranten sind häufi g die Zuständigkeiten und -budgets für Maßnahmen kultureller Integration. zwischen Ordnungs-, Sozial-, Wohnungs-, Kultur- und Andernfalls ist Nachhaltigkeit und Qualität nicht zu Jugendamt aufgesplittert. Zwar ist in den letzten gewährleisten. Jahren die Sensibilität gegenüber interkulturellen Entwicklungen gewachsen, damit geht jedoch kein Die Kulturverwaltungen sollten Leitbilder, Organi­ Wachstum des Politik- und Arbeitsfeldes einher. sationsziele und Konzepte zur Integration und inter­ kulturellen Öffnung entwickeln und entsprechende Eine gezielte Förderung von interkulturell orien­ Maßnahmen der Personalentwicklung vorsehen. Die tierten Kultureinrichtungen fi ndet vornehmlich (> Qualifi zierung zum interkulturellen Dialog ist auch 80 Prozent) in den Großstädten statt. Doch auch mehr eine grundlegende Kompetenz der Kulturverwal­ als ein Drittel der Kleinstädte sind entsprechend tungen. Nur so können sie Integration aktiv umsetzen. fi nanziell engagiert. Im Zuge der Haushaltskonsolidie­ rung der Kommunen sind diese Mittel jedoch häufi g Die Zusammenarbeit von Kultureinrichtungen und in Gefahr, ersatzlos gestrichen zu werden. Dem ist Kulturpolitik muss gestärkt werden. Kulturpolitische entgegenzuwirken. Handlungsempfehlungen zur verbesserten Integra­ tion sollten gemeinsam erarbeitet werden. Die interkulturelle Kulturarbeit der Kommunen ist vor allem sozial-integrativ angelegt (Entwicklung von Migrantenselbstorganisationen und Kulturvereine Toleranz und Sprachkompetenz). Erst dann folgen von Migranten sollten von der Kulturpolitik mehr stärker künstlerisch/kulturell orientierte Zielset­ wahrgenommen werden. Sie sind wichtige Kooperati­ zungen wie das „Kennenlernen anderer Kulturen“ onspartner der Kulturverwaltungen. oder die „Entwicklung eigener künstlerischer Aus­ drucksformen“. Eine institutionalisierte kommunale Qualitätssicherung und Weiterbildung in Sachen 3.3 Maßnahmen interkulturelle Kulturarbeit und -politik steckt noch in den Anfängen. Eine Vorbildfunktion übernehmen Maßnahmen der Bundesregierung auch hier die Großstädte. Die interkulturelle Praxis ist weit entwickelter als der kulturpolitische Diskurs dar­ ■ Die Bundesregierung wird eine interministerielle über und die entsprechende Ausrichtung der kommu­ Arbeitsgruppe „Kultur und Integration“ einsetzen, nalen Kulturverwaltung. Dabei wird interkulturelle um das Thema als ressortübergreifende Quer­ Kulturarbeit vornehmlich als Querschnittsaufgabe schnittsaufgabe zu behandeln. Einbezogen werden verstanden. die für Kulturpolitik (BKM), Bildungspolitik (BMBF), Jugendpolitik (BMFSFJ), Integrationspolitik (BK) und Informationsfl uss, Kompetenztransfer sowie Koope­ Auswärtige Kulturpolitik (AA) zuständigen Ressorts. ration und Synergieeffekte zwischen Angebots- und Nachfrageseite – z. B. zwischen Museen und Schu­ ■ Die Bundesregierung wird den Gedanken der Inte­ len – sollten verbessert werden. Vernetzungs- und gration in ihre Fördergrundsätze aufnehmen und Verbundstellen sind nötig, um die begrenzten Mittel diesen Zielen, wo sie selbst Träger von kulturellen effi zient einzusetzen. Projekten ist, Rechnung tragen (Beispiel: „Initiative Musik“).

134 4.6. nehmen als Pilotstädte an der Konzeptentwicklung ■ Die Bundesregierung wird im Rahmen der halb­ zur nachhaltigen künstlerischen und kulturellen jährlich stattfi ndenden Deutsch-Französischen Eingliederung von Menschen mit Migrationsge­ Ministerräte und im Rahmen des Europäischen Jah­ schichte teil. Ziel ist kulturelle Partizipation. Im res des interkulturellen Dialogs 2008 insbesondere Frühsommer 2007 erscheint dazu eine Publikation, den Erfahrungsaustausch und die Regierungsko­ die zur Übertragung anleitet und europäische operation mit Frankreich und Großbritannien Bezüge herstellen wird. pfl egen, um über kulturpolitische Maßnahmen der Integration und den Beitrag von Kunst und Kultur ■ „Kommunales Datenforschungskonzept Interkultur“: zur Integration von Zuwanderern zu informieren. Datenverarbeitung und Statistik zu Personen mit Der Deutsch-Französische Ministerrat hat am 14. Migrationshintergrund. März 2006 eine auf Dauer angelegte „Integrations­ offensive“ beschlossen, an der sich die Bundesregie­ ■ „Route der Migration NRW“. rung auch mit Kulturprojekten beteiligt. ■ Landesprogramm „Schule und Kultur“. ■ Die Bundesregierung wird im Rahmen des Mög­ lichen bei der Besetzung von Führungspositionen, Die Länder sollten Sorge dafür tragen, dass interkul­ im Personalbereich und bei der Zusammensetzung turelle Kulturpolitik selbstverständlicher Bestandteil von Gremien, Kuratorien, Jurys in ihrem Verant­ der Landes- und Kommunalpolitik ist. Wo noch nicht wortungsbereich für eine angemessene Berücksich­ vorhanden, sollten sie die Kommunen veranlassen, tigung von Menschen mit Migrationshintergrund aussagefähiges Datenmaterial zur kulturellen Beteili­ Sorge tragen. gung von Zuwanderern zu erheben (Beispiel: Das im Frühjahr 2007 erscheinende „Kommunale Handlungs­ ■ Bei der Umsetzung der UNESCO-Konvention zur konzept Interkultur“ enthält vergleichende Datenba­ kulturellen Vielfalt wird die Bundesregierung sis aus sechs Städten in Nordrhein-Westfalen). prüfen, ob gesetzliche Rahmenbedingungen gegebenenfalls verändert werden sollten. Sie wird Die Kommunalen Spitzenverbände befi nden sich der­ dabei das Ziel verstärkter interkultureller Öffnung zeit noch in Beratungen und werden ihre Selbstver­ berücksichtigen. pfl ichtungen zu einem späteren Zeitpunkt einbringen.

Maßnahmen der Länder und Kommunen Die Arbeitsgruppe empfi ehlt den kommunalen Kul­ turverwaltungen, eine Bestandsaufnahme sowie Kon­ Den Ländern und Kommunen wird empfohlen, zepte für die Integration und Umsetzungsstrategien umfassende Integrationskonzepte zu entwickeln und für die dauerhafte Berücksichtigung von Zuwander­ kulturelle Integrationsprojekte anzuregen. Dabei ern zu entwickeln. Berücksichtigt werden sollten die sollte – wie es in einigen Ländern und Kommunen Themen: Angebotsplanung, Beteiligungsstrukturen, bereits der Fall ist – ein Beirat von Zuwanderern öffentliche Wahrnehmung, Förderung, Personalpoli­ gebildet werden, der in Fragen der Integration berät. tik, Öffentlichkeitsarbeit und Integration. Die nach­ Menschen mit Migrationshintergrund in der Verwal­ haltige politische Absicherung und Verbindlichkeit tung können eine wichtige Vermittlerrolle spielen. ist durch entsprechende Ratsbeschlüsse der kommu­ nalen Politik zu gewährleisteten. Eine regelmäßige Die Länder werden aufgefordert, nach dem Beispiel Überprüfung dieser Maßnahmen soll dazu beitragen, Nordrhein-Westfalens eine initiierende, steuernde die in der Bestandsaufnahme festgestellten Defi zite und moderierende Funktion beim Thema „Integra­ wahrnehmbar zu verringern. tion“ zu übernehmen. Das Beispiel Nordrhein-West­ falen zeigt die Bedeutung des Themas Integration Maßnahmen der nichtstaatlichen Institutionen in Politik und Verwaltung. Dies zeigt sich an den und Organisationen Strukturen (Ministerium für Integration, Fachreferat Kulturelle Integration in der Staatskanzlei, interminis­ ■ Die Arbeitsgruppe fordert die großen Kulturver­ terielle Arbeitsgruppe Integration), den Förderberei­ bände auf, ihre Zusammenarbeit beim Thema chen und modellhaften Projekten, so z. B.: Integration zu verstärken und so den Informations­ fl uss und den Ausbau von Expertise und Beratung ■ Internetportal www.nrw-kulturen.de: ein Forum für zu verstärken. den interkulturellen Dialog zur Vernetzung von Kulturschaffenden und Institutionen. ■ Der Deutsche Kulturrat wird 2007 eine Stellung­ nahme zur interkulturellen Bildung mit konkreten ■ „Kommunales Handlungskonzept Interkultur“: Sechs Forderungen an die Politik (Bund, Länder und Kommunen (Arnsberg, Castrop-Rauxel, Dortmund, Gemeinden) abgeben. Er wird darüber hinaus das Essen, Hagen und Hamm) aus Nordrhein-Westfalen Thema in den Debatten der Fachverbände und als

135 4.6. Querschnittsthema in Stellungnahmen und Positi­ steine eines Curriculums Interkultur“ entwickelt onen verankern. werden – dies sowohl mit Blick auf ein verbessertes Angebot freier und kommunaler Kultureinrich- ■ Die Kulturpolitische Gesellschaft plant für das Jahr tungen wie auch als Orientierung für die verant­ 2007 das „Förderprogramm Interkultur“. Es dient wortliche Kulturpolitik in Stadt, Land und Bund. der systematischen Unterstützung und Weiter­ entwicklung innovativer integrativer Projekte der ■ Die Kulturpolitische Gesellschaft plant das „Netz­ interkulturellen Kulturarbeit. werk Interkultur“ zu gründen. Die interkulturelle Szene ist ebenso vielfältig wie unübersichtlich. Ihr ■ Die Kulturpolitische Gesellschaft will das Projekt fehlt ein Organisations- und Entwicklungskern, der „Qualifi zierung und Konzeptentwicklung Inter- die vielfältigen Aktivitäten überschaut, kommuni­ kultur“ durchführen, das auf wissenschaftliche ziert, zusammenführt und weiterentwickelt. Ziel Qualifi zierung des entsprechenden Praxisfeldes des „Netzwerks Interkultur“ ist es, die wichtigsten sowie die systematische Weiterbildung der verant­ zivilgesellschaftlichen Akteure im Bereich der wortlichen Akteure in Politik und Gesellschaft zielt. interkulturellen Kulturarbeit zu recherchieren und Über ein spezielles Angebot von Workshops und organisatorisch einzubinden. Beratungen, Seminaren und Tagungen sollen „Bau­

136 4.6.

Mitglieder

Leitung: Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien

Prof. Dr. Hermann Schäfer Abteilungsleiter des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bundeskanzleramt

Hortensia Völckers Kulturstiftung des Bundes, Künstlerische Direktorin

Prof. Dr. Günther Schauerte Stiftung Preußischer Kulturbesitz/Staatliche Museen zu Berlin

Dr. Bernd M. Scherer Haus der Kulturen der Welt, Intendant

Thomas Krüger Bundeszentrale für politische Bildung, Präsident

Prof. Dr. Max Fuchs Deutscher Kulturrat, Vorsitzender

Isabel Pfeiffer-Poensgen Kulturstiftung der Länder, Generalsekretärin

Dr. Albert Graf von Kalnein Herbert-Quandt-Stiftung

Thomas Kufen Integrationsbeauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen

Klaus Hebborn Beigeordneter des Deutschen Städtetages, Dezernat Bildung, Kultur und Sport

Manfred Willhöft Deutscher Landkreistag

Dr. Albert Schmid Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Präsident

Katrin Hirseland Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Referat 310 – Integrationsprogramm, Grundsatzfragen der Integrationsförderung, Referentin

Ernst Strohmaier Deutsche Jugend aus Russland e. V.

Dr. Gisela Steffens Bundesministerium für Bildung und Forschung, Referat 326, Kulturelle Bildung

Katharina Schöllgen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Referat 406

Professor Udo Dahmen Popakademie Baden-Württemberg, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer, Vizepräsident Deutscher Musikrat

Heidi Schumacher Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur Rheinland-Pfalz, Leiterin Allgemeine Kulturpfl ege

Dieter Berg Robert Bosch Stiftung GmbH, Vorsitzender der Geschäftsführung

Rolf Pitsch M.A. Stiftung Lesen, Vorstandsvorsitzender

Karin Babbe Erika-Mann-Grundschule Berlin, Rektorin

Jale Yoldas Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart e. V., Geschäftsführerin

Ayşegül Arslanoğlu Lernwerkstatt, Kindergärten-City Berlin

Dorothea Fohrbeck Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Referatsleiterin

137 138 Themenfeld 7: 4.7. „Integration durch Sport – Potenziale nutzen, Angebote ausbauen, Vernetzung erweitern“

1. Strukturelle und personelle Diese positiven Wirkungen sportlicher Betätigung Voraussetzungen für die sind überall anerkannt. Dementsprechend wird der Sport seit vielen Jahren durch Bund, Länder und Kom­ Nutzung des Sports als munen in hohem Maße gefördert. Die Unterstützung „Integrationsmotor“ konzentriert sich dabei vorrangig auf den vereinsor­ ganisierten Sport. Sportvereine bieten Möglichkeiten der Mitgestaltung sowie persönlichen Entfaltung und 1.1 Bestandsaufnahme übernehmen damit eine wichtige Funktion zur Stabi­ lisierung unserer Gesellschaft. Unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sport­ bunds (DOSB) sind ca. 27 Millionen Mitglieder orga­ Länder und Kommunen unterstützen die Vereine nisiert. Mit über 90.000 Vereinen ist der DOSB damit durch die Bereitstellung von Sportstätten und durch die größte Gemeinschaft in unserem Land, in der sich das Angebot gemeinwesenorientierter Projekte. Die die gesamte Vielfalt der Gesellschaft widerspiegelt. Bundesregierung trägt seit 1989 mit der Förderung Neben dem vereinsorganisierten Sport haben auch des Programms „Integration durch Sport“ der Tatsa­ selbst organisierte Sportaktivitäten in den vergan­ che Rechnung, dass der Sport eine ideale Plattform zur genen Jahren eine größere Bedeutung erhalten. Parks, Zusammenführung von Menschen unterschiedlicher Straßen und öffentliche Plätze werden als Sporträume Herkunft ist. genutzt. Darüber hinaus sind kommunale Sportange­ bote ausgebaut worden und nicht zuletzt verzeichnen Mittlerweile gibt es kaum noch Vereine ohne Mit­ kommerzielle Sportangebote (z. B. im Fitnessstudio) glieder, die entweder selbst zugewandert sind oder eine stetig wachsende Teilnehmerzahl. deren Eltern bzw. Großeltern nicht in Deutschland geboren wurden. Die Sportvereine und -verbände Der Sport bietet sehr vielseitige Angebote und steht leisten auf diese Weise schon seit vielen Jahren ganz allen Menschen – unabhängig von ihrer persönlichen, selbstverständlich einen großen Beitrag zur Inte­ kulturellen oder fi nanziellen Situation – offen. Fair­ gration von Personen mit Migrationshintergrund. play und Chancengleichheit werden in jeder Sportart Dabei sind nicht alle Vereine gleichermaßen von der durch weltweit einheitliche Regeln gefördert. Sport Zuwanderung betroffen: Ausweislich des „Sportent­ befriedigt das menschliche Bedürfnis nach Vergleich wicklungsberichtes 2005/2006“ des Bundesinstituts und dient der bewegungs- und körperorientierten für Sportwissenschaft (Zusammenfassung in Anlage 1) Entwicklung der Persönlichkeit. Insbesondere die bemerken zwar nur knapp 30 Prozent der Großvereine Ausübung von Mannschaftssport führt zu Teamgeist, die Folgen der Zuwanderung, bei kleinen Vereinen der im Alltag nicht von selbst entsteht.

139 4.7. mit wenigen Sparten oder mittelgroßen Spartenverei­ Offene Sportangebote sind von besonderer Bedeu­ nen sind dies nur zehn bis 15 Prozent. Den steigenden tung: Niedrigschwellige Angebote ohne sofortige und Anteil von Migrantinnen und Migranten in der unmittelbare Vereinsbindung bieten insbesondere für Bevölkerung unterschätzen jedoch ca. 28 Prozent der Migrantinnen und Migranten, die das deutsche Ver­ Vereine (insbesondere kleine Vereine mit wenigen einssystem noch nicht kennen, einen guten Einstieg. Sparten). Sie müssen verstärkt auf die zunehmende Zuwanderung als zentrale gesellschaftliche Verände­ Die Entwicklung von zielgruppengerechten Angebo­ rung vorbereitet werden. ten spielt vor allem bei jungen Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund eine besonders wichtige Die Wahrnehmung von Sportangeboten bietet Rolle. Wenngleich es keine ausreichenden statis­ für Menschen mit Migrationshintergrund tischen Daten gibt, indizieren aktuellere Untersu­ Integrationschancen auf folgenden Ebenen: chungen, dass Mädchen mit Migrationshintergrund Soziale Integration kann im Sport dadurch stattfi nden, deutlich weniger im (organisierten) Sport aktiv sind, dass Personen aus unterschiedlichen Ethnien mit­ als die männliche Vergleichsgruppe. Daraus kann einander in Kontakt kommen, soziale Beziehungen aber nicht geschlossen werden, dass sie weniger hergestellt und soziale Bindungen aufgebaut werden. Interesse an Sportangeboten haben: Sie sind durch­ aus daran interessiert, sich sportlich zu betätigen. Kulturelle Integration erfolgt durch die Vermittlung Jedoch sind sie erfahrungsgemäß meist nur über von Kulturtechniken wie z. B. den Spracherwerb eine persönliche Ansprache erreichbar und nehmen sowie den Erwerb kulturell eingefärbter sozialer Angebote oftmals nur dann wahr, wenn die Familie in „Normalitätsmuster“ wie Verhaltensmuster in Alltags­ ihrer Gesamtheit angesprochen wird. Hinzu kommt situationen. Sportvereine bieten nicht nur Orte des die Notwendigkeit besonderer Voraussetzungen für Sporttreibens, sondern sind auch Orte der Alltagskom­ die Teilnahme von Mädchen und Frauen aus dem munikation, die Anlass zu wechselseitigem interkul­ muslimischen Kulturkreis an Sportangeboten wie turellem Lernen bieten. geschlechtsspezifi sche Sportgruppen, getrennte Dusch- und Umkleideräume, weibliches Trainingsper­ Alltagspolitische Integration wird schließlich in sonal und Kleidung, die mit den religiösen Geboten Sportvereinen u.a. dadurch bewirkt, dass in ihnen vereinbar ist. demokratische Mitsprache stattfi ndet und freiwilliges, gemeinwohlorientiertes, bürgerschaftliches Engage­ Nachhaltige Angebote schaffen ment erbracht wird. Sie können insofern als „Schule Die mit und durch den (organisierten) Sport stattfi n­ der Demokratie“ wirken, als über die Partizipation denden Integrationsprozesse müssen auf Langfristig­ an der Vereinspolitik und am Vereinsleben hinaus keit und Nachhaltigkeit ausgelegt werden. allgemeine demokratische Erfahrungen und Werte vermittelt werden. Interkulturelle Vermittler stärken Integrationsarbeit in einem Sportverein sollte stets Einige dieser Integrationschancen werden im Ver­ gemeinsam mit Migrantinnen und Migranten gestal­ einsalltag wie selbstverständlich umgesetzt, andere tet werden. Man braucht dazu engagierte Personen, benötigen für die Umsetzung zusätzliche Förde­ die zwischen beiden Strukturen – den deutschen Ver­ rung und Unterstützung. Die Sportvereine sind sehr einsstrukturen und den kulturellen Gegebenheiten heterogen, so dass eine Verdichtung zu allgemeinen der Migrantinnen und Migranten – vermitteln können Ratschlägen für eine erfolgreiche Integrationsarbeit und dort akzeptiert werden. Eine enge Zusammenar­ schwer fällt. Dennoch lassen sich von den Erfah­ beit mit Migrantenvereinen (z.B. Kulturvereine, religi­ rungen der Vereine Rahmenbedingungen ableiten, öse Vereine, etc.) bietet Möglichkeiten, Migrantinnen welche einer besseren Einbindung von Migranten und Migranten zu erreichen, um das Bewusstsein für dienlich sind: die Bedeutung des Sports zu erhöhen.

Zielgruppenorientierte Angebote entwickeln Integration ist ein wechselseitiger Prozess Integrationskonzepte von Sportverbänden und -ver­ Bei der einheimischen (deutschen) Bevölkerung gilt einen müssen zielgruppenorientiert sein. Ausgehend es, Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit abzubauen. von den Erfahrungen abgeschlossener und noch lau­ Gleichzeitig müssen auch die Migrantinnen und fender Projekte und unter Einbezug von Migrantinnen Migranten bereit sein, sich für die Gesellschaft zu und Migranten müssen Sportangebote entwickelt öffnen. Nur wenn einheimische und zugewanderte werden, die bei ihnen besonders beliebt sind und ihrer Bevölkerung sich als gegenseitige Bereicherung emp­ Sportsozialisation entsprechen. Sie müssen die Ziel­ fi nden, kann Integration auch über den Verein und gruppe sozial, kulturell, sprachlich und örtlich dort den reinen Übungs- und Wettkampfbetrieb hinaus abholen, wo sie steht. stattfi nden.

140 4.7. 1.2. Zielbestimmungen Kooperation in lokalen Netzwerken Damit die Integrationspotenziale des Sports vollstän­ Der organisierte Sport möchte die Bestrebungen zur dig genutzt werden können, ist die Einbindung in interkulturellen Öffnung seiner Sportverbände noch lokale Netzwerke erforderlich. Unter der Leitung der weiter verstärken. Auf der Ebene der Vereine soll Kommunen bieten Netzwerke Möglichkeiten zum ein größeres Interesse und Verständnis füreinander Austausch zwischen Sportvereinen, Schulen, Kin­ entwickelt werden. Dies gilt insbesondere auch für dergärten und sozialen Einrichtungen. Es gilt, auch Vereine, die bisher eine hohe Konzentration von Migrantenorganisationen stärker und systematischer Mitgliedern einer bestimmten Zuwanderergruppe als bisher in die Netzwerkstrukturen einzubinden. zu verzeichnen haben (eigenethnische Vereine). Es ist Netzwerke sollen die Kommunikation und das darauf hinzuwirken, dass sie sich entsprechend dem Verständnis füreinander fördern und bieten darüber deutschen Vereinsrecht für alle Bevölkerungsgruppen hinaus eine gute Plattform für die Entstehung von öffnen. Darüber hinaus ist die Einbindung von Migran­ Kooperationsprojekten. Schon jetzt kooperieren laut tinnen und Migranten in die gestaltenden Strukturen der Sportentwicklungsbericht 2005/2006 70 Prozent der Vereine und infolgedessen auch in die Gesellschaft zu Sportvereine miteinander, 62 Prozent arbeiten mit verbessern. Schulen, 24 Prozent mit Kindertagesstätten, 21 Pro­ zent mit Wirtschaftsunternehmen und 15 Prozent mit Bei allen Zielen ist der Gender-Aspekt besonders zu Jugendämtern zusammen. berücksichtigen. Es gilt, vermehrt zielgruppenspe­ zifi sche Angebote zu entwickeln, die an die (nicht) Leistungsfähige Rahmenbedingungen für vorhandene Sportsozialisiation von Mädchen und Integrationsarbeit schaffen Frauen mit Migrationshintergrund anknüpfen und Die Rahmenbedingungen des Sports bieten eine unmittelbar in ihrem sozialen und kulturellen Umfeld ideale Ausgangsbasis für soziale Integration. Um seine ansetzen. ganze Wirkung zu entfalten, muss der Sport aller­ dings von ergänzenden Maßnahmen begleitet werden. Um dies zu erreichen, sollen im Nationalen Integrati­ Da ein einzelner Sportverein häufi g nicht über ausrei­ onsplan Maßnahmen festgehalten werden, die sich an chende Ressourcen und Kenntnisse verfügt, um ganz­ folgenden Zielen orientieren: heitliche Integrationskonzepte zu entwickeln, müssen ausreichende Möglichkeiten der professionellen Projekterfahrungen dokumentieren und Beratung angeboten werden. Zur Unterstützung der evaluieren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Es gibt bereits zahlreiche Erkenntnisse über die auf der Vereinsbasis müssen Rahmenbedingungen Wirkung von Integrationsmaßnahmen im Sport. Die geschaffen werden, die die Förderung von Integrati­ Vielzahl an Erfahrungen aus erfolgreichen Projekten onsprojekten ermöglichen. Voraussetzung ist dafür und Initiativen müssen in Zukunft vermehrt zusam­ auch die ausreichende Bereitstellung der notwen­ mengetragen, dokumentiert, bewertet und miteinan­ digen Infrastruktur, insbesondere der Sportstätten. der vernetzt werden. Örtliche und regionale „Best­ Die Schaffung von Bedingungen, die den kulturellen, Practice“-Beispiele müssen auf ihre Übertragbarkeit in sozialen und religiösen Erfordernissen von Mädchen die Fläche untersucht und erforderlichenfalls dahin­ und Frauen mit Migrationshintergrund entsprechen, gehend überarbeitet und angepasst werden. bedarf dabei der besonderen Beachtung.

Kompetenzerweiterung und Qualifi zierung Interne und externe Stärkung des Themenbereichs Die Ergebnisse aus den Projektevaluationen müssen Integration in die Fläche getragen werden. Identifi zierte Erfolgs­ Integration ist ein wichtiges Querschnittsthema. Die faktoren für eine gelungene Integration sollen an Angliederung des Themas innerhalb der zuständigen die Basis weitergegeben werden. Durch regelmäßige Behörden und der betroffenen Institutionen sollte Informationen sollen die Sportlerinnen und Sportler dem Rechnung tragen. sowie die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Ebenen der Vereine und Ver­ Die Sportverbände, aber auch Bund, Länder und bände für das Thema Integration sensibilisiert werden. Kommunen müssen darüber hinaus die Integrations­ Aufbauend auf dem vorhandenen Wissen müssen arbeit mit einer durchdachten und breit angelegten neue Kompetenzen entwickelt und in Form von Öffentlichkeitsarbeit begleiten. Diese soll gleicherma­ Schulungsbausteinen aufbereitet werden. Interkultu­ ßen die einheimische wie die zugewanderte Bevölke­ relle Handlungskompetenzen von Übungsleiterinnen rung erreichen und die Leistungen des Sports positiv und Übungsleitern, Trainerinnen und Trainern sowie hervorheben. Die Berufung von Integrationsbotschaf­ Betreuerinnen und Betreuern sollen dadurch erwei­ terinnen und Integrationsbotschaftern sowie Integra­ tert werden. tionsbeauftragten, die selbst Migrationshintergrund haben, ist dafür hilfreich. Es gilt dabei, die Migranten­

141 4.7. organisationen (eigenethnische Sportvereine, Kultur­ vereine, religiöse Vereinigungen, etc.), Führungsper­ Leistungsfähige Rahmenbedingungen für sönlichkeiten aus den Gemeinden und Communities Integrationsarbeit schaffen: sowie die Medien, insbesondere die in Deutschland ■ Die Bundesregierung wird zur Vermeidung von ansässigen Fernsehsender und Zeitungen der Her­ Doppel- und Mehrfachförderung alle bundesfi nan­ kunftsländer, stärker und systematischer als bisher in zierten Maßnahmen im Bereich Integration durch die Kommunikationsstrukturen einzubinden. Sport erfassen. Dies kann z. B. im Rahmen eines Arbeitskreises erfolgen, dem die Bundesressorts BMI, BMFSFJ und BMVBS und Bundesbehörden 1.3 Maßnahmen/Selbstverpfl ichtungen/ angehören. Eine solche Koordinierung und Bünde­ Prüfaufträge lung der Aktivitäten bietet umfassendere Mög­ lichkeiten der Zusammenarbeit als bisher, so dass Die Mitglieder der Arbeitsgruppe haben die Maßnah­ Sportprogramme mit Sozial-, Kultur- und Bildungs­ men, mit denen die Ziele erreicht werden können, einrichtungen sowie mit ethnischen Organisati­ zusammengefasst: onen und Gemeinschaften vernetzt werden können.

Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der ■ Die Bundesregierung wird die Weiterentwicklung Bundesregierung des Programms „Integration durch Sport“ mit dem Ziel unterstützen, eine kontinuierliche Förderung Projekterfahrungen dokumentieren und dieses Grundangebotes zu gewährleisten und allen evaluieren: Beteiligten Planungssicherheit zu geben. ■ Die Bundesregierung verpfl ichtet sich, beim Bun­ desamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine ■ Die Bundesregierung wird das Projekt „Fankurve“ Informationsplattform einzurichten, die Grund­ für die Laufzeit von 2007 bis 2009 unterstützen. lage für eine bundesweite Bestandsaufnahme Das Projekt ist Bestandteil des von der Deutschen überregionaler und regionaler Integrationsange­ Sportjugend im DOSB (dsj) entwickelten Konzepts bote im Sport ist. Sie wird prüfen, ob die Erfassung „Sport! Jugend! Agiert!“, das im Rahmen des von von sportlichen (Integrations-)maßnahmen von Frau Bundeskanzlerin Merkel einberufenen Inte­ Kulturvereinen ebenfalls möglich ist. grationsgipfels im Juli 2006 vorgestellt wurde.

■ Die Bundesregierung wird das von ihr geförderte Interne und externe Stärkung des Themenbereichs Programm „Integration durch Sport“ des DOSB Integration: evaluieren. ■ Die Bundesregierung hat im Rahmen des Natio­ nalen Integrationsplans die Kampagne „Forum Kompetenzerweiterung und Qualifi zierung: Integration. Wir machen mit.“ der Öffentlichkeit ■ Die Bundesregierung wird prüfen, ob und wie es präsentiert. Durch Plakate soll in Kooperation mit möglich ist, gesicherte statistische Angaben über den Sportverbänden in den kommenden Monaten den Anteil von Mitgliedern mit Migrationshinter­ in den Vereinen verstärkt auf das Thema Integra­ grund in deutschen Sportvereinen sowie in eigen­ tion aufmerksam gemacht werden. ethnischen Vereinen zu erheben. Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen ■ Die Bundesregierung wird das Thema „Integration der Länder und Kommunen (bzw. in der in und durch den Sport“ als Forschungsschwer­ Regelungszuständigkeit von Ländern und punkt des Bundesinstituts für Sportwissenschaften Kommunen) (BISP) verankern. Die Bundesländer verfolgen mit der Bundesregierung ■ Das BISP wird die Ergebnisse der von ihm geförder­ die Zielsetzung, mehr Menschen mit Migrationshin­ ten Forschungsprojekte „Integration von Jugend­ tergrund durch den Sport in bestehende Strukturen lichen im Sportverein“ und „Migrantensportver­ einzubinden und damit das Verständnis der Men­ eine in Deutschland“ durch Transferaktivitäten schen aus unterschiedlichen Kulturen füreinander zu der Sportpolitik und den Sportorganisationen verbessern. Sie sind neben den kommunalen Gebiets­ vermitteln. körperschaften – insbesondere im Breitensport – die Hauptlastenträger u. a. beim Bau, der Sanierung Kooperation in lokalen Netzwerken: und der Modernisierung von Sportstätten. Darüber Die Bundesregierung wird die Zusammenarbeit hinaus fördern die Länder häufi g einzelne Pilot- oder mit den Partnern aus Sport und Politik auch nach Modellprojekte, um den Integrationsgedanken vor Ort der Präsentation des Nationalen Integrationsplans stärker greifen zu lassen. Zusätzlich unterstützen sie weiterführen. das Programm „Integration durch Sport“ in vielfäl­ tiger Weise.

142 4.7. In der Arbeitsgruppe zum Themenfeld „Integration ■ Im Land Berlin gehört die „soziale Integration durch Sport – Potenziale nutzen, Angebote ausbauen, unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen“ sowie Vernetzung erweitern“ haben die Länder (z. T. koor­ die „Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse diniert durch das Land Hessen in Abstimmung mit ausländischer Mitbürger“ gemäß § 1 des Gesetzes dem Land Mecklenburg-Vorpommern als Vorsitzland über die Förderung des Sports im Lande Berlin zu der Sportministerkonferenz) bereits Vorschläge für den Zielen der Sportförderung des Berliner Senats. Selbstverpfl ichtungen eingereicht (Anlage 2), deren wesentlichen Inhalte hier aufgenommen werden. ■ Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat am 19. Dezember 2006 ein Handlungskonzept zur Projekterfahrungen dokumentieren und Integration von Zuwanderern beschlossen. Unter evaluieren: dem Themenbereich „Zusammenleben in der Stadt“ ■ Das Land Hessen wird auf Länderebene mit einer ist Sport als eigenes Handlungsfeld dargestellt. Der ersten Bestandsaufnahme der Integrationsmaß­ Schwerpunkt liegt bei Kindern und Jugendlichen. nahmen im Sport beginnen, zu der auch eine Situ­ ationsanalyse zählen soll. Dabei sollen zunächst Interne und externe Stärkung des Themenbereichs empirische Untersuchungen initiiert werden. Die Integration: Umsetzung entsprechender Arbeiten soll mit ■ Die Landesregierungen verpfl ichten sich, noch einem Prämiensystem geschehen. Dieser Bestands­ in diesem Jahr zu prüfen, ob der Integration von aufnahme dient auch ein „Integrationskongress“ Migrantinnen und Migranten durch die Sportpo­ im August 2007, der von NRW und Hessen gemein­ litik ein höherer Stellenwert beizumessen ist und sam durchgeführt wird. organisatorische Schritte zur Aufwertung unter­ nommen werden müssen. Als Zeitschiene wird der Leistungsfähige Rahmenbedingungen für Zeitraum 2007 bis 2008 zugrunde gelegt. Bei ent­ Integrationsarbeit schaffen: sprechender Umsetzung wird Integrationspolitik ■ Mittelbereitstellung für Sportstätten: Die Landes­ als langfristige Querschnittsaufgabe verstanden. regierungen haben sich verpfl ichtet, dauerhaft hohe Beträge in die Sportförderung zu investieren. Kooperation in lokalen Netzwerken: Ob bei zukünftigen Investitionen speziell Vereine Vertreter der Organisationen der Kommunalen oder Ortsteile besonders bevorzugt werden sollen, Gebietskörperschaften weisen darauf hin, dass sie die in hohem Maße Sport für Migrantinnen und nicht das Mandat haben, Verpfl ichtungen für ihre Migranten anbieten, ist noch offen. Die Landesre­ Mitglieder einzugehen. Auch eigene Selbstverpfl ich­ gierungen sehen auf diesem Feld einen verstärkten tungen der Spitzenverbände kommen erst nach einer Handlungsbedarf. Von einigen Ländern wird erwo­ Beschlussfassung der jeweils zuständigen Gremien gen, Anforderungen aus dem Bereich der Integra­ in Betracht. Im Rahmen der Arbeitsgruppen wurden tionspolitik für Migrantinnen und Migranten in deshalb lediglich Empfehlungen für Maßnahmen die Mittelverteilung explizit aufzunehmen. Die erarbeitet. genannten Verbesserungen bei den Rahmenbedin­ gungen durch die Landesregierungen sind bereits ■ Die Arbeitsgruppe spricht sich für die Einberu­ angelaufen oder beginnen im Jahr 2007. Sie sind fung von stadtweiten Integrationskonferenzen auf einen zwei bis fünfjährigen Zeitraum ausgelegt. einschließlich der Einrichtung eines Arbeitskreises „Sport und Integration“ aus. Sie unterstützt die ■ Das Land Schleswig-Holstein hat die Richtlinie über Position, dass Integration ein Querschnittsthema die Förderung des Sports in Schleswig-Holstein vom ist und deswegen in den Städten nicht nur als 16. 11. 2005 überarbeitet und neu bekannt gemacht Stabsstelle angesiedelt, sondern der Leitungsebene (Sportförderrichtlinie vom 1. 3. 2007, Abl. Schleswig- zugeordnet werden sollte. Holstein v. 10. 4. 2007, S. 260 ff.). Zu den in Ziff. 2 der Richtlinie explizit genannten Fördergegenständen ■ Die Arbeitsgruppe unterstützt Bestrebungen, das ist neu der Förderschwerpunkt „g) Maßnahmen zur zivilgesellschaftliche Engagement gerade auch im Integration durch Sport“ in den Katalog aufge­ Sportbereich in die Aktivitäten vor Ort einzubinden. nommen worden. Anträge können von schleswig­ holsteinischen Kommunen, Sportvereinen und -verbänden gestellt werden. Maßnahmen werden im Rahmen der Sportfördermittel des Landes zur Verfügung gestellt. Projekte werden im Wege der Fehlbedarfsfi nanzierung als Projektförderung unterstützt; die Höhe der Förderung soll 5.000 Euro pro Maßnahme nicht übersteigen.

143 4.7.

Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen der nicht­ ■ Der DTB arbeitet in seinen jährlichen Sportkon­ staatlichen Institutionen und Organisationen gressen für Vereins-Führungskräfte und Vereins­ mitarbeiterinnen und -mitarbeiter das Thema Sport wird von vielen Vereinen in zahlreichen „Integration von Mädchen und Frauen im Turnver­ Einzelprojekten als Integrationsmittel genutzt. Eine ein“ durch Hauptreferate, Workshops und Diskus­ Aufzählung der Maßnahmen ist aufgrund ihrer sionsforen auf. Die nächsten Kongresse fi nden im Vielfalt an dieser Stelle nicht möglich. Stellvertretend November 2007 in Stuttgart und im November seien deshalb Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen 2008 in Hamburg statt. des DOSB als Dachorganisation des Sports sowie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und des Deutschen Kooperation in lokalen Netzwerken: Turner-Bundes (DTB) als den größten Mitgliedsverbän­ ■ Der DOSB wird das Arbeitsprinzip „Netzwerk“ den des DOSB genannt. stärken. Er verpfl ichtet sich, auf alle Programmbe­ teiligten aus dem Programm „Integration durch Projekterfahrungen dokumentieren und Sport“ hinzuwirken, dass Angebote aus Kommunen evaluieren: und Ländern in die Netzwerkarbeit des Programms ■ Der DOSB verpfl ichtet sich, bei der Evaluation des eingebunden werden. Darüber hinaus bietet der Programms „Integration durch Sport“ mitzuwir­ DOSB an, seine Erfahrung und Kompetenz ebenso ken. Er wird bei der forschungspraktischen Arbeit wie sein nationales und internationales Netzwerk und bei der Bewertungsphase mitarbeiten und alle verstärkt in den Dienst der Aufgabe Integration erforderlichen Informationen und Materialien für zu stellen. Er verpfl ichtet sich, die Bildung und die Evaluation zur Verfügung stellen. Die Auswer­ den Ausbau der Netzwerke auf Bundesebene tungen der Ergebnisse fl ießen als Handlungsemp­ und – durch die Koordinatoren des Projektes auf fehlungen direkt in die konzeptionelle Überarbei­ Landes- und Kommunalebene – weiter zu entwi­ tung des Programms ein. ckeln und die hauptberufl ichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landessportbünden dabei ■ Der DTB ermittelt im Rahmen seines „Innovations­ zu unterstützen. preises für Turn- und Sportvereine“ Best-Practice- Projekte in der Kategorie „Integration von Mäd­ ■ Der DFB plant den Aufbau eines DFB-Netzwerkes chen und Frauen“ und zeichnet diese aus. Der Preis „Integration“. Das Dachnetzwerk soll lokale/regio­ wird im Zuge des Stuttgarter Sportkongresses für nale Integrationsprojekte im Fußball vernetzen November 2007 ausgeschrieben. Eine Ausweitung und ggf. koordinieren. der Ausschreibung als jährlicher „DTB-Vereinspreis“ ist ab 2008 ins Auge gefasst. Leistungsfähige Rahmenbedingungen für Integrationsarbeit schaffen: Kompetenzerweiterung und Qualifi zierung: ■ Das Programm „Integration durch Sport“ wird ■ Der Qualifi zierung von Multiplikatorinnen und einem Prozess der Qualitätssicherung unterzogen. Multiplikatoren (z. B. Frauen mit Migrationshin­ Hierfür werden mit der Bundesregierung sowie mit tergrund, Übungsleiterinnen und Übungsleiter, den Landessportbünden Zielvereinbarungen als Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter etc.) Mittel zur Steuerung vereinbart. Der DOSB ver­ kommt eine zentrale Bedeutung zu (Themen: pfl ichtet sich, die Zielvereinbarungen mit der Bun­ Interkulturelles Lernen, Konfl iktmanagement). Die desregierung im ersten Halbjahr 2007 gemeinsam Qualifi zierungsmaßnahme „Sport interkulturell“, abzustimmen und nach einer Erprobungsphase die die im Rahmen des Programms „Integration durch bundesweite Umsetzung in 2008 sicherzustellen. Sport“ gefördert wird, wird zurzeit von der Univer­ sität Koblenz-Landau evaluiert. Der DOSB verpfl ich­ ■ Die Landessportbünde sind eng in das Programm tet sich, die bestehende Qualifi zierungsmaßnahme „Integration durch Sport“ eingebunden. Aus Sicht „Sport interkulturell“ in allen Bundesländern des DOSB ist eine nachhaltige und qualitativ umzusetzen und unter anderem auch im Hinblick wirksame Ausweitung des Programms durch die auf verschiedene Sportarten zu spezifi zieren. Einbindung von weiteren Sportverbänden (z.B. DFB) möglich und wünschenswert. ■ Der DOSB und der DFB werden gemeinsam ein Schulungsmodul entwickeln. Basis dafür ist die ■ Um das hohe sozial-integrative Potenzial des Schulung „Sport interkulturell“ des DOSB. Der DFB Sports stärker zu nutzen, will sich der DOSB dafür wird das Modul um fußballspezifi sche Inhalte einsetzen, dass die Zusammenarbeit zwischen ergänzen. Die Schulung soll auf allen Ebenen des den Programmen „Soziale Stadt“ und „Integration Verbandes und der Vereine mit Unterstützung der durch Sport“ verbessert wird. Ziel ist es, wohnort­ Koordinatoren aus dem Programm „Integration nahe Sport- und Bewegungsangebote vor allem in durch Sport“ durchgeführt werden. sozial benachteiligten Stadtteilen zu fördern und

144 4.7. zu etablieren. Der DOSB verpfl ichtet sich, eine Koo­ des DFB und der damit verbundenen Maßnahmen perationsplattform aufzubauen und den Austausch werden darin eine wichtige Rolle spielen. zwischen den Programmen „Integration durch Sport“ und „Soziale Stadt“ zu intensivieren. ■ Im Rahmen der Kooperationvon DFB und Daimler- Chrysler ist die jährliche Auslobung eines Integrati­ ■ Förderung des Modellprojektes „Am Ball blei­ onspreises für Projekte/Maßnahmen innerhalb der ben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminie­ DFB-Strukturen sowie von Schulen und externen rung“ (dsj, siehe auch 1.3.1; Maßnahme: Projekt Projektträgern beabsichtigt. „Fankurve“). Die Kosten des Projektes werden zu gleichen Anteilen vom DFB und der Bundesregie­ ■ Der DTB arbeitet den Schwerpunkt „Integration rung getragen. von Mädchen und Frauen im Turnverein“ für Füh­ rungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ ■ Der DFB veranstaltet im Rahmen des deutsch-fran­ ter des Verbandes und seiner Vereine regelmäßig zösischen Schüler-Länderspiels im Mai 2007 an im DTB-Vereinsmagazin „Deutsches Turnen“ auf, Berliner Schulen eine Projektwoche zum Thema das in 22.000 Exemplaren kostenlos an die Mit­ „Gewaltprävention und Integration“. Dazu wurden gliedsvereine verteilt wird. Der DTB beabsichtigt vom DFB Unterrichtsmaterialien erstellt. Über die die Einbeziehung der Olympiasiegerin im Trampo­ Nutzung der Materialien für Folgeprojekte wird linturnen, Anna Dogonadze, die in 2006 vom DOSB nach der Projektwoche entschieden. als eine von drei Integrationsbotschafterinnen berufen wurde. Interne und externe Stärkung des Themenbereichs Integration: Stärkung des Gender-Aspektes bei ■ Der DOSB verpfl ichtet sich, die Öffentlichkeitsar­ Integrationsmaßnahmen beit innerhalb des Programms „Integration durch ■ Aus Mitteln verschiedener staatlicher und nicht­ Sport“ auszubauen. staatlicher Institutionen wird voraussichtlich ab Mai 2007 das Projekt „Sport integriert – spin“ geför­ ■ Der DOSB und der DFB verpfl ichten sich, die dert, das vom Landessportbund (LSB) Nordrhein- Plakatkampagne der Bundesregierung „Forum Westfalen durchgeführt wird. Das Projekt verfolgt Integration. Wir machen mit.“ zu unterstützen und das Ziel, Migrantinnen für den Sport zu gewinnen, seine Mitgliedsorganisationen darauf aufmerksam sie u. a. zu Übungsleiterinnen zu qualifi zieren und zu machen. Weitere Sportverbände sollen dafür sie vermehrt an verantwortliche Positionen inner­ gewonnen werden. halb der Sportvereine heranzuführen. Der verfolgte Projektansatz enthält nicht nur Sportangebote, ■ Das Präsidium des DOSB hat im Sommer 2006 drei sondern auch Angebote zu Sprache und Kultur für Integrationsbotschafterinnen benannt. Diese junge Migrantinnen, insbesondere muslimischer waren bereits an zahlreichen Aktionen beteiligt Herkunft. Der LSB wird in den Städten Duisburg, und unterstützen unter anderem auch die Kam­ Essen und Gelsenkirchen modellhaft die verschie­ pagne der Bundesregierung „Forum Integration. denen Möglichkeiten erproben. Die Erkenntnisse Wir machen mit.“. Der DOSB verpfl ichtet sich, kommen dem Programm „Integration durch Sport“ weitere Integrationsbotschafterinnen und Integra­ zugute. tionsbotschafter zu benennen und hat hierzu ein Aufgabenprofi l erarbeitet. ■ Die Handlungsschwerpunkte der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen lagen und liegen sowohl ■ Das Präsidium des DFB hat am 1. Dezember 2006 auf der Fortführung bereits bewährter Projekte die erste ehrenamtliche Integrationsbeauftragte als auch auf der konzeptionellen Entwicklung berufen. Je nach Anlass sollen demnächst zusätz­ neuer Vorhaben. Von den bereits abgeschlossenen lich Integrationsbotschafterinnen und Integrati­ Maßnahmen soll lediglich das Projekt „Sport mit onsbotschafter mit Migrationshintergrund berufen Migrantinnen“ (1995 bis 1998) erwähnt werden, das werden. bundesweit Modellcharakter hatte und in dessen Verlauf erstmals eine Übungsleiterfortbildung für ■ Zur gezielten Projektentwicklung und Maßnahmen­ Frauen mit Migrationsgeschichte durchgeführt umsetzung wird der DFB eine Expertenkommission worden ist. „Integration“ einrichten, die u. a. eng vernetzt sein Bei allen künftigen Projekten im Prozess der wird mit der Task Force „Gewaltprävention“. interkulturellen Öffnung des Sports sind Frauen und Jugendliche unter den Zugewanderten die ■ Auf dem DFB-Bundestag im Oktober 2007 wird erst­ wichtigsten Zielgruppen. Hier sollten Programme mals ein umfassender Fußball-Entwicklungsplan entwickelt werden, die sowohl sensibel für kultu­ verabschiedet. Die Festlegung der Integrationsziele relle Unterschiede sind als auch die Kooperation

145 4.7.

zwischen dem organisierten Sport und weiteren ■ Der DFB fördert ein Modellprojekt zur sozialen Trägern verstärken. Integration von Mädchen durch Fußball. Dabei wer­ den Mädchen aus ausgewählten sozial schwachen ■ Der DOSB entwickelt derzeit in den Fachbereichen Regionen angeregt, durch Eigeninitiative z. B. „Gender Mainstreaming“ und „Integration durch Organisation von Turnieren, Bildung von Schul-AGs Sport“ ein Projekt, um mit den Mitgliedsorgani­ etc. den Weg in die Vereine zu fi nden und somit die sationen und Vereinen neue Angebote aufzule­ gesellschaftliche Integration zu fördern. gen, die die Sportbedürfnisse von Migrantinnen stärker berücksichtigen. Das Projekt ist an das ■ Zur Koordinierung und Bearbeitung des Schwer- Programm „Integration durch Sport“ angebunden punktes „Integration von Mädchen und Frauen und nutzt die hieraus entstehenden Synergieef­ mit Migrationshintergrund“ hat das Präsidium des fekte. Der DOSB verpfl ichtet sich, in Anlehnung DTB im September 2006 eine Präsidialkommission an das aktuelle Arbeitsprogramm des Präsidiums berufen. Ergebnisse der Arbeiten werden auf dem ein Netzwerkprojekt für Mädchen und Frauen Internationalen Deutschen Turnfest 2009 in Frank­ mit Migrationshintergrund durchzuführen. Die furt am Main präsentiert. Fachgebiete „Gender Mainstreaming“ und „Inte­ gration“ konzipieren das Projekt mit einer Laufzeit ■ Der DTB erstellt unter Heranziehung der bisherigen von drei Jahren. Ziel des Projektes ist es, Angebote Erfahrungen von Turnvereinen ein Konzept zur in den von Migrantinnen bevorzugten Sportarten Integration von Mädchen und Frauen in Vereine (z. B. Kampfsport, Fußball, Tanzen, Schwimmen) mit den Schwerpunkten Gymnastik und Tanz, das zu schaffen. Die Netzwerkprojekte werden in zehn in ausgewählten Turnvereinen erprobt wird. Die Städten durchgeführt. Der Netzwerkcharakter Auswertung der dadurch gewonnenen Erkennt­ ergibt sich daraus, dass auch sportferne Organisa­ nisse erfolgt beim Internationalen Deutschen Turn­ tionen einbezogen werden sollen. Darüber hinaus fest 2009 in Frankfurt am Main. Anschließend wird sollen die Sportangebote mit weiteren Qualifi zie­ das Konzept auf weitere Vereine ausgeweitet. rungsangeboten (z. B. Spracherwerb) gekoppelt werden. Projektträger sind Sportvereine, die auch in das Programm „Integration durch Sport“ einge­ bunden sind.

146 4.7. Anlage 1 Als Reaktion auf die Auswirkungen des demogra­ fi schen Wandels setzen vor allem mittelgroße und Ergebnisse aus dem Forschungsauftrag „Sportent­ große Vereine vermehrt auf neue Vereinsangebote. wicklungsbericht 2005/2006“ durchgeführt von Prof. Auch die verstärkte Kooperation mit anderen Verei­ Dr. Christoph Breuer, Prof. Dr. Heinz-Dieter Horch und nen gehört zu den häufi ger praktizierten Maßnahmen. Prof. Dr. Volker Rittner (Deutsche Sporthochschule Köln), gemeinsam fi nanziert von Bundesinstitut für Kooperationen der Sportvereine und kommunale Sportwissenschaft, Deutscher Olympischer Sportbund Integration und den Landessportbünden. Stellt man Fragen zum Beitrag der Sportvereine zur Sportvereine und demografi scher Wandel kommunalen Integration in einen historischen Kon­ text, so wird deutlich, dass die Beziehung zwischen 45 Prozent der Sportvereine in Deutschland (etwa Kommune und Sportvereinen seit Anbeginn der Sport­ 40.000 Vereine) sind nach ihrer eigenen Einschät­ bewegung durch einen lebhaften Austausch gekenn­ zung in ihrem Handeln vom demografi schen Wan­ zeichnet ist. Besondere Aufmerksamkeit für das Feld del betroffen. Zu den Facetten der demografi schen kommunaler Kooperationen im Rahmen der Gemein­ Entwicklung, deren Folgen sich auf das Sportvereins­ wohlorientierung der Sportvereine ist derzeit und in handeln auswirken, gehört neben dem Rückgang wachsendem Maße zukünftig aus dem Grund gebo­ an Kindern und Jugendlichen, der Alterung und der ten, weil viele neue Probleme der gesellschaftlichen Bevölkerungsschrumpfung die Zuwanderung. Der Entwicklung sowohl eine verstärkte Organisations­ Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung wird tätigkeit in übergreifenden kommunalen Belangen weiter wachsen. Diese Entwicklung geht auf eine posi­ als auch neue Formen der Zusammenarbeit erfor­ tivere Geburtenrate bei der Bevölkerungsgruppe mit dern. Insbesondere intersektoral zusammengesetzte Migrationshintergrund sowie auf die Zuwanderung Netzwerke, in denen unterschiedliche Organisationen von Migranten zurück. und Politikbereiche kooperieren, gewährleisten die größten Erfolgsaussichten bei Aufgabenstellungen Von der Migrantenzuwanderung sehen sich sozialer Integration. sieben Prozent aller Sportvereine bzw. 15 Prozent der vom demografi schen Wandel beeinfl ussten Vereine in Viele Sportvereine verkörpern die gesellschaftspo­ ihrem Handeln berührt. litischen Notwendigkeiten der kommunalen Netz­ werkbildung durch ihre Arbeit und demonstrieren Zwischen den Bundesländern zeigen sich dabei erheb­ zugleich eine besondere Leistungsfähigkeit des bür­ liche Unterschiede, die auf eine zweigeteilte Betrof­ gerschaftlichen Engagements. So kooperieren 70 Pro­ fenheitsentwicklung hinweisen: Während sich in den zent der Sportvereine mit anderen Sportvereinen alten Bundesländern 15 Prozent der Sportvereine als und 62 Prozent mit Schulen. 24 Prozent arbeiten mit von der Zuwanderung tangiert erklären, gilt dies nur Kindertagesstätten und 21 Prozent mit Wirtschafts­ für weniger als acht Prozent der Sportvereine in den unternehmen sowie 15 Prozent mit Jugendämtern neuen Bundesländern. zusammen. Damit bieten die Sportvereine günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integrations­ Auch eine Betrachtung der verschiedenen Ver­ arbeit mit Migranten, da diese stark von Netzwerkbil­ einstypen offenbart beträchtliche Unterschiede in der dungen abhängt. Betroffenheit. Folgen der Zuwanderung von Mig­ ranten bemerken knapp 30 Prozent der Großvereine. Bei den restlichen Vereinstypen (z.B. kleine Wenig­ spartenvereine und mittelgroße Mehrspartenvereine) trifft dies nur für jeweils zehn Prozent bis 15 Prozent der Vereine zu.

Es stellt sich generell die Frage, ob die Sportvereine den demografi schen Wandel ggf. über- oder unter­ schätzen. Eine Unterschätzung etwa würde dazu führen, dass der Sportverein Gefahr liefe, auf eine zentrale gesellschaftliche Veränderung nicht hinrei­ chend vorbereitet zu sein. Der steigende Anteil von Migranten in der Bevölkerung wird von ca. 28 Prozent der Vereine (insbesondere kleine Wenigspartenver­ eine) unter- und von vier Prozent überschätzt. Regio­ nale Unterschiede treten dabei nicht auf.

147 4.7. Anlage 2 ■ dialogische Integration,

Beitrag der Bundesländer zum „Nationalen ■ aktive Akquise von Multiplikatoren mit Integrationsplan“ Migrationshintergrund,

■ Politikfähigkeit im Integrationsbereich, 1. Grundverständnis ■ Bereitstellung von Ressourcen und Die Landesregierungen – in der Position zwischen Bundesebene und kommunaler Ebene – nehmen die ■ Überwindung der Vor-Ort-Schwierigkeiten. Aufgabe, Integration durch Sport zu betreiben, im Rahmen ihres sportpolitischen Ansatzes, 4. Themenfeld: Schaffung von ■ eine Politik für den Sport zu betreiben, Rahmenbedingungen

■ unter Zugrundelegung des Subsidiaritätsprinzips, 4.1 Themenschwerpunkt: Mittelbereitstellung ■ Werte für die sporttreibende Bevölkerung zu für Sportstätten, soziale Aufgaben, vermitteln, Jugendförderung, normative Regelungen

sehr ernst. Bestandsaufnahme Die Landesregierungen sind – neben den kommu­ Die Landesregierungen betreiben eine breitgefä­ nalen Gebietskörperschaften – die Hauptlastenträ­ cherte Integrationspolitik, bei der in den vergan­ ger beim Bau, der Sanierung und Modernisierung genen Jahren die Integration von Migrantinnen und von Sportstätten insbesondere im Breitensport. Ein Migranten eine zunehmend wichtigere Rolle spielt. Großteil der Mittel fl ießt direkt und indirekt in diese Insofern ist aktuell kein Paradigmenwechsel vorzu­ Funktionsbestimmung. Die entsprechenden verstärk­ nehmen, aber eine klare Defi nition als Schwerpunkt­ ten Investitionsbemühungen der Landesregierungen – aufgabe, die sie gemeinsam mit Bund und Kommunen jüngst z. B. Rheinland-Pfalz, Hessen oder Niedersach­ und den Landessportbünden durchführen wollen. sen – kommen dem Sport der gesamten Bevölkerung Zwar ist eine Bewertung bisher ergriffener Maß­ zugute. Teilweise wird erwogen, Anforderungen aus nahmen nur sehr punktuell möglich – bekanntlich dem Bereich der Integrationspolitik für Migranten in soll deshalb auch die Forschung auf diesem Gebiet die Mittelverteilung explizit aufzunehmen. aktiviert werden – es soll aber auf der praktizierten Integrationspolitik durch Sport aufgebaut werden. Selbstverpfl ichtung Die Landesregierungen haben sich verpfl ichtet, dauer­ haft hohe Millionenbeträge in die Sportförderung zu 2. Zielsetzung stecken, insbesondere in die Förderung der Sport­ stätten. Ob bei zukünftigen Investitionen speziell Die Landesregierungen verfolgen mit der Bundesregie­ Vereine oder Ortsteile besonders bevorzugt werden rung eine gemeinsame Zielsetzung, mehr Menschen sollen, die in hohem Maße Sport für Migrantinnen mit Migrationshintergrund durch den Sport in die be­ und Migranten anbieten, ist noch offen. Die Landes­ stehenden Strukturen einzubinden und damit das Ver­ regierungen sehen auf diesem Feld einen verstärkten ständnis der Menschen aus unterschiedlichen Kulturen Handlungsbedarf. zu verbessern. Damit soll insgesamt die Grundlage der zivilen Gesellschaft gestärkt werden. Das Verständnis Beispiel Land Schleswig-Holstein von Integration muss praktisch und theoretisch von Kurzbeschreibung wechselseitiger Akzeptanz geprägt sein. Das Land Schleswig-Holstein hat die Richtlinie über die Förderung des Sports in Schleswig-Holstein über­ arbeitet und neu bekannt gemacht (Sportförderrichtli­ 3. Erfolgsfaktoren nie v. 1. 03. 2007, Abl. Schleswig-Holstein v. 10. 04. 2007, S. 260 ff.). Zu den in Ziff. 2 der Richtlinie explizit Als Erfolgsfaktoren einer auf Wechselseitigkeit ausge­ genannten Fördergegenständen ist neu der Förder­ richteten aktiven Integrationspolitik gelten daher: schwerpunkt „g) Maßnahmen zur Integration durch Sport“ in den Katalog aufgenommen worden. Anträge ■ Beibehaltung kultureller Identität, können von schleswig-holsteinischen Kommunen, Sportvereinen und -verbänden gestellt werden.

148 4.7. Zeitschiene 6. Themenfeld: Einzelprojekte Mit einer Veröffentlichung im ABl. Schleswig-Holstein ist voraussichtlich im Mai 2007 zu rechnen; die Richt­ linie wird zunächst bis zum 31. 12. 2009 gelten. 6.1 Themenschwerpunkt: Einzelprojekte der Landesregierungen Finanzrahmen Maßnahmen werden im Rahmen der Sportfördermit­ Bestandsaufnahme tel des Landes zur Verfügung gestellt. Projekte werden Die Landesregierungen fördern einzelne Projekte, im Wege der Fehlbedarfsfi nanzierung als Projektför­ den Integrationsgedanken vor Ort stärker greifen zu derung unterstützt; die Höhe der Förderung soll in der lassen. In diesem Sinne initiieren sie Projekte, häufi g Regel 5.000 Euro pro Maßnahme nicht übersteigen. als Pilotprojekte, unterstützen begonnene Projekte Weitere Angaben sind derzeit noch nicht möglich bzw. im Sinne von Best-Practice-Beispielen oder regen die abhängig von der Antragssituation in diesem und in Aufl age neuer Programme an. den sonstigen Förderschwerpunkten. Beispiel Hessen Beispiel Land Berlin Die hessische Landesregierung fördert seit fünf Jahren Im Land Berlin gehört die „soziale Integration das Projekt „START“, mit dem erreicht wird, dass unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen“ sowie die ausgebildete Übungsleiterinnen mit Migrationshin­ „Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse auslän­ tergrund als Multiplikatoren in die Vereine gehen. discher Mitbürger“ gemäß § 1 des Gesetzes über die Der Finanzrahmen wird für eine mittelfristige Fort­ Förderung des Sports im Land Berlin zu den Zielen der führung des Projekts im Jahr 2007 gesichert (soweit Sportförderung des Berliner Senats. dies haushaltsrechtlich möglich ist). Jährlich stehen 130.000 Euro bereit. Zeitschiene Die genannten Verbesserungen bei den Rahmenbe­ Die hessische Landesregierung fördert Initiativen im dingungen durch die Landesregierungen sind bereits Sport, mit denen die Ausbildung, Weiterbildung und angelaufen oder beginnen im Jahr 2007 und sind auf Fortbildung für Menschen mit Migrationshintergrund einen zwei- bis fünfjährigen Zeitraum ausgelegt. (Vereinsmanager, Übungsleiter) vor allem im Jugend­ bereich verstärkt wird.

5. Themenfeld: Integration als Entsprechende Initiativen werden bereits im Jahr Maßnahmenfeld aufwerten 2007 gefördert. Pro Maßnahme werden 5.000 Euro bis 10.000 Euro bereitgestellt.

5.1 Themenschwerpunkt: Integration als Die hessische Landesregierung will die Bildung durch Querschnittsaufgabe verankern Sport im Jugendbereich gezielt fördern. Der Schwer­ punkt soll zunächst im Fußball liegen. Ausbildung Bestandsaufnahme und Weiterbildung sollen dazu genutzt werden, die Einzelne Landesregierungen haben begonnen, „Inte­ überfachlichen Kompetenzen Jugendlicher zu stärken, gration durch Sport“ als Querschnittsaufgabe auf­ um diese wirksamer dem Arbeitsmarkt zuzuführen. zuwerten und teilweise mit zusätzlichen Ressourcen Sie sollen dabei auch für den Sport qualifi ziert werden. auszustatten. Die Maßnahmen sind auf einen dreijährigen Zeitraum angelegt. Die Maßnahmen werden zunächst mit Maßnahmen/Selbstverpfl ichtung 15.000 Euro bis 20.000 Euro jährlich unterstützt. Die Landesregierungen verpfl ichten sich, noch in diesem Jahr zu prüfen, ob der Integration von Zuwan­ Die Landesregierung will das Ehrenamt durch die derinnen und Zuwanderern durch die Sportpolitik ein Bereitstellung hauptamtlicher Ressourcen unterstüt­ höherer Stellenwert beizumessen ist und organisato­ zen und dabei Menschen mit Migrationshintergrund rische Schritte zur Aufwertung unternommen werden. gezielt mit einbeziehen. Dies gilt für das Programm Als Zeitschiene wird der Zeitraum 2007 bis 2008 „Erfahrung hat Zukunft“, mit dem Arbeitslose über zugrunde gelegt. Im Falle der entsprechenden Umset­ 50 Jahre zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren zung wird Integrationspolitik als langfristige Quer­ als „Leitungsassistent Sport“ eingestellt werden schnittsaufgabe verstanden. (Vereine, Sportkreise, Verbände). Weiterhin wird im Rahmen der Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres die Einstellung von Jugendlichen mit Migrati­ onshintergrund gezielt gefördert.

149 4.7. Beide Programme beginnen im Jahr 2007 und werden schen mit Migrationshintergrund leistet. In diesem zunächst bis 2009 fortgeführt. Im Programm „Erfah­ Jahr erhält die Sportjugend hierfür Fördermittel in rung hat Zukunft“ sollen zunächst 30 Personen im Höhe von 50.158 Euro. Dabei geht es um die Förderung Sport eingestellt werden, im FSJ zunächst vier Per­ der integrativen Jugendarbeit im Sport, insbeson­ sonen mit Migrationshintergrund. dere des sozialen Verhaltens und der Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung durch Zuwendungen Weiterhin sollen Projekte gefördert werden, mit an Sportvereine, um Kinder und Jugendliche nicht­ denen u. a. Jugendliche mit Migrationshintergrund deutscher Herkunft besser in das soziale Gefüge des für verantwortliche Positionen (Jugendtrainer, Vereins einzugliedern. Außerdem werden Freizeit-, Schiedsrichter etc.) gewonnen werden. Damit soll Breitensport- und Kennenlernangebote der Sport­ das interkulturelle Verständnis auf örtlicher Vereins­ vereine sowie außersportliche erlebnispädagogische ebene gefördert werden. Aktivitäten unterstützt.

Die hessische Landesregierung will die Erfahrungen Beispiel NRW mit den Fanprojekten auf der Ebene der Bundesligen/ Die Handlungsschwerpunkte der Landesregierung Regionalligen nutzen, um Erkenntnisse auch für den lagen und liegen sowohl auf der Fortführung bereits Amateurfußball nutzbar zu machen. In diesem Sinne bewährter Projekte als auch auf der konzeptionellen sollen die Koordination zwischen den Fanprojekten Entwicklung neuer Vorhaben. Von den bereits abge­ und der Erkenntnistransfer praktisch umgesetzt schlossenen Maßnahmen soll lediglich das Projekt werden. „Sport mit Migrantinnen“ (1995 bis 1998) erwähnt werden, das bundesweit Modellcharakter hatte und in Für diese Projekte – auch im internationalen Ver­ dessen Verlauf erstmals eine Übungsleiterfortbildung gleich – wird ein mittelfristiger Zeitraum zugrunde für Frauen mit Migrationsgeschichte durchgeführt gelegt und sie werden mit jährlich rund 25.000 Euro worden ist. gefördert. Bei allen künftigen Projekten im Prozess der interkul­ Schließlich will die Landesregierung die Forschung turellen Öffnung des Sports sind Frauen und Jugend­ im Integrationsbereich durch eine erste Bestandsauf­ liche unter den Zugewanderten die wichtigsten Ziel­ nahme der Integrationsmaßnahmen im Sport begin­ gruppen. Hier sollten Programme entwickelt werden, nen, zu der auch eine Situationsanalyse zählen soll. die sowohl sensibel für kulturelle Unterschiede sind Dabei sollen zunächst empirische Untersuchungen als auch die Kooperation zwischen dem organisierten initiiert werden. Die Umsetzung entsprechender Sport und weiteren Trägern verstärken. Arbeiten soll mit einem Prämiensystem geschehen. Mit dem Ziel der Standortbestimmung hat das Innen­ Der Bestandsaufnahme auf Länderebene dient auch ministerium NRW am 9. Dezember 2006 gemeinsam ein „Integrationskongress“ im August, der von NRW mit der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ und und Hessen gemeinsam durchgeführt wird. in Zusammenarbeit mit dem Landessportbund NRW und dem Zentrum für Türkeistudien eine Fachtagung Weitere Einzelmaßnahmen sind in der konkreten durchgeführt. Planung. Beispiel Hamburg Die hessische Landesregierung ist, wie alle anderen Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat Landesregierungen auch, bei der Planung und Durch­ am 19. Dezember 2006 ein Handlungskonzept zur führung der Maßnahmen auf Partner im organisier­ Integration von Zuwanderern beschlossen. Unter ten Sport angewiesen. Dazu zählen insbesondere die dem Themenbereich „Zusammenleben in der Stadt“ Landessportbünde, die eine Fülle der Länder-Maß­ ist der Sport als eigenes Handlungsfeld dargestellt. nahmen aktiv begleiten, ganz abgesehen von den Der Schwerpunkt liegt hierbei bei dem Kinder- und Maßnahmen im organisierten Sport selbst. Aber auch Jugendsport. andere Partner aus den Verbänden – z. B. dem Fuß­ ball – oder auch Einrichtungen mit Migrationshinter­ Aus dem Handlungskonzept ergeben sich für die Stadt grund, zählen zu den Partnern auf Regierungsseite. und die Partner im Sport folgende nächste Schritte: Auf diese Weise sind bereits jetzt die Konturen von Governance-Strukturen in der sportbezogenen Inte­ ■ Weitere Unterstützung der Hamburger Sportver­ grationspolitik zu erkennen. eine und -verbände bei ihrer Integrationsarbeit,

Beispiel Berlin ■ Förderung des gemeinsamen Sports in Vereinen, Der Berliner Senat fördert seit Jahren das Programm „Ausländerintegrative Sportmaßnahmen“, mit dem die ■ Gewinnung von Zuwanderern als Funktionsträger Sportjugend Berlin Beratung und Organisationshilfe und Sportmittler in Vereinen, bei der Aufnahme und Eingliederung junger Men­

150 4.7. ■ Verbesserung der Informationen über Chance, mit dem Mittel des Sports besonders junge Sportangebote, Menschen intensiver zu erreichen.

■ Gewinnung von Trainern mit Migrationshinter­ Sportorientierte Jugendsozialarbeit – grund und mehr Praxiseinsatz, Straßenfußball für Toleranz Kurzbeschreibung: ■ Gewinnung von Sportstars mit Migrationshinter­ Straßenfußball für Integration und Toleranz ist eine grund als Vorbilder und Begegnungsplattform, fördert die Kommunikation zwischen Jugendlichen in unterschiedlichen sozialen ■ verbesserte Angebote für Frauen und Mädchen mit Kontexten und unterstützt die Bildung von Netzwer­ Migrationshintergrund. ken verschiedener sozialer Träger.

Beispiel Mecklenburg-Vorpommern Fußballspielregeln werden durch die teilnehmenden Maßnahme/Selbstverpfl ichtung des Landes Jugendlichen selbst gestaltet und Konfl iktmanage­ Mecklenburg-Vorpommern: ment eingeübt. Kurzbeschreibung Das Land Mecklenburg-Vorpommern fördert auf Zu den Zielen gehört u. a. die Einbeziehung sozial der Grundlage der „Richtlinien zur Förderung von benachteiligter Jugendlicher, von Mädchen durch Projekten im Sport“ u. a. Modellversuche, innovative die Bildung gemischter Teams und Jugendlicher mit Projekte und sportliche Aktivitäten von Migrantinnen Migrationshintergrund. und Migranten mit dem Ziel, ihre Teilhabe- und Verwirklichungschancen im gesellschaftlichen Leben Es bestehen strukturelle Einbindungen in das interna­ zu verbessern. Der Verband für Behinderten- und tionale Netzwerk Streetfootballworld und zu anderen Rehabilitationssport Mecklenburg-Vorpommern Straßenfußballprojekten in Deutschland. Das Projekt setzt gegenwärtig in Zusammenarbeit mit dem begann am 1. Januar 2007 und ist für drei Jahre ge­ TuS Maccabi Rostock e. V., der Jüdischen Gemeinde plant. Das Land fördert das Projekt mit 60.000 Euro. Rostock, drei Rostocker Schulen, dem „Mechaje“­ Jüdisches Theater M-V e. V., der Hochschule für Musik Schulen zeigen Flagge und Theater sowie dem Institut für neue Medien Ziel des Projektes ist die Festigung bzw. die Entwick­ und mit Unterstützung des Landessportbundes, der lung von Schulprofi len verstärkt an Ganztagsschulen Hansestadt Rostock und der Landesregierung ein und den Klassenstufen 7–9 mit dem Projekt „Stra­ multikulturelles Integrationsprojekt mit Jugendlichen ßenfußball für Toleranz“. Aufbauend auf den Erfah­ verschiedener Kulturen zur Thematik „WIR SIND rungen des Projektes „WM-Schulen Fair Play for Fair ANDERS UND DOCH GLEICH!“ um. Das Projekt führt Life“ anlässlich der Fußball-WM 2006 in Deutschland einheimische Jugendliche, Jugendliche mit Migrati­ und den verschiedenen Kontinental-Cups, in denen onshintergrund und Jugendliche mit Handicap der Schulen Länder der Welt vertraten, soll dieses Projekt Klassenstufen 7 und 8 und ihre Familien im Rahmen für die Profi lbildung Ansätze liefern. Das Konzept regelmäßiger Freizeitangebote in den Teilprojekten beabsichtigt die „Veralltäglichung“ von fremden Sport, Kunst (Theater) und Medien unter Berücksich­ Kulturen im Schul-, Familien- und Gemeindeleben zu tigung bestehender Netzwerke in der Hansestadt unterstützen. Träger des Projektes ist auch hier die Rostock zusammen. Brandenburgische Sportjugend.

Zeitschiene Maßnahmen/Selbstverpfl ichtung des Landes 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2009 (Laufzeit drei Jahre) Bremen Kurzbeschreibung Finanzrahmen Das Land Bremen fördert auf der Grundlage der Neben den Eigenmitteln des Sportverbandes wer­ „Richtlinien über die Förderung der außerschulischen den für die Projektfi nanzierung Zuwendungen des Jugendbildung, der Jugendinformation u. der Jugend­ Landes (Jugendhilfe und Sport), der Kommune und der verbandsarbeit“ sowie Beschlüssen der Deputation Deutschen Kinder- und Jugendstiftung – Schule plus für Sport (zuständiger Parlamentsausschuss der eingesetzt. Bremischen Bürgerschaft) das Gesamtprojekt „Inte­ gration durch Sport“, das federführend vom Landes­ Maßnahmen/Selbstverpfl ichtung des Landes sportbund Bremen durchgeführt wird. Hauptziel des Brandenburg: Projektes ist die langfristige Integration von Zuwan­ Das Land Brandenburg fördert zwei Projekte der derinnen bzw. Zuwanderern und der benachteiligten Brandenburgischen Sportjugend, die zum Ziel haben, einheimischen Bevölkerung über den Sport mit seinen neben dem sportlichen auch das soziale Talent von weit reichenden individuellen Chancen und sozialen Jugendlichen durch Straßenfußball zu fördern. Der Möglichkeiten. Im Vordergrund der Projektarbeit geringe Anteil von Menschen mit Migrationshinter­ steht der sozialräumliche Ansatz, d. h. die Aktivitäten grund in Brandenburg (ca. ein Prozent) bietet die des Projektes konzentrieren sich auf sogenannte

151 4.7. „soziale Brennpunkte“, in denen überproportional risch vermittelt sowie Diskriminierung und Gewalt viele Zuwandererfamilien mit Eingliederungsschwie­ vorgebeugt, insbesondere auch durch die Einbindung rigkeiten leben. von Mädchen in das Spielgeschehen.

Wohnortnahe Sport- und Bewegungsangebote Das Spielangebot richtet sich an Institutionen, Per­ mit niedrigschwelligem Charakter wie z. B. offene sonen und Vereine, die in der Jugendbetreuung und in Übungsgruppen oder offene Turnierangebote haben der Jugendarbeit tätig sind. Ihnen werden als Veran­ sich als probates Mittel für die Kontaktaufnahme und stalter Spielcourts sowie Veranstaltungs-Know-how Heranführung insbesondere von Kindern und Jugend­ und sachliche Unterstützung gewährt. lichen an den Sport bewährt. Zeitschiene Schwerpunkt der integrativen Arbeit ist die Koope­ 2004 bis voraussichtlich 2009 ration mit Sportvereinen und -verbänden sowie der Aufbau von projekteigenen und vereinsgebundenen Finanzrahmen Übungsgruppen. Durch den Aufbau eines Netzes von Ca. 30.000 Euro jährlich. Dieses Geld wird überwie­ Kooperationspartnern (insbes. Sportvereine, Schulen, gend vom Ministerium des Innern und für Sport Träger der Kinder- und Jugendhilfe, Wohlfahrtsver­ Rheinland-Pfalz sowie darüber hinaus anteilig von bände), die fi nanzielle und/oder personelle Unterstüt­ den übrigen Mitträgern bereitgestellt. Im Übrigen zung durch das Projekt erhalten, ist es möglich, die erfolgt ein Mittelzufl uss im Einzelfall auch durch Zielgruppe in ihren Wohngebieten mit einem regel­ Sponsoren. mäßigen Angebot in bestehende Gemeinschaftsstruk­ turen einzubinden und auf diese Weise ein friedliches 2. Projekt: „Sport und Sprache“ im Rahmen Miteinander zu fördern. der DOSB-Initiative „Europa(s)Meister“ zur EU- Ratspräsidentschaft – Gemeinsamer Schwimm- Zeitschiene und Sprachkurs für muslimische und deutsche Seit 2001 fortlaufendes Projekt Mädchen und Frauen Kurzbeschreibung Finanzrahmen Der organisierte Sport erreicht nach allgemeinen Neben Eigenmitteln des Landessportbundes Bremen Erfahrungen ausländische Frauen und Mädchen mus­ werden für die Projektfi nanzierung Zuwendungen limischen Glaubens nicht im gewünschten Maß. des Landes (Sozial- und Jugendressort) und der Kom­ mune (Sportamt) eingesetzt. Da sie Sport nicht gemeinsam mit Männern ausüben dürfen, fi nden sie mangels Gelegenheit nur schwer Maßnahmen des Landes Rheinland-Pfalz: oder gar nicht den Weg in unsere Sportvereine. Sport 1. Projekt: ballance 2006 – Straßenfußball für als Mittel der Integration setzt aber Kontakt, Begeg­ Integration, Fair Play und Toleranz nung und Dialog voraus. Mit dieser Veranstaltung Kurzbeschreibung möchte der Landessportbund Rheinland-Pfalz in Auf Initiative des Ministeriums des Innern und für einem ersten Schritt vor allem dafür die notwendigen Sport Rheinland-Pfalz wurde unter Beteiligung des Voraussetzungen schaffen. In Kooperation mit dem DFB, der beiden rheinland-pfälzischen Fußballver­ Mainzer Schwimmverein 01 wird ein Schwimmunter­ bände und weiterer namhafter Institutionen und richt mit Sprachkursen nach der erprobten und erfolg­ Bundesligavereine dieses Straßenfußballprojekt reichen Tandem-Methode des Deutsch-Französischen gegründet, um Kinder und Jugendliche spielerisch zu Jugendwerks ergänzt. Das gemeinsame Sport- und einem faireren und toleranteren Umgang miteinan­ Sprachelernen der deutschen und muslimischen der anzuhalten. Frauen soll einen wichtigen Anstoß für die Integration der Muslimas geben. Die Teilnehmerinnen werden für Der Schwerpunkt der Arbeit: Junge Menschen ver­ die Probleme ihrer Mitbürgerinnen und der jeweils schiedenen Alters und insbesondere verschiedener anderen Kultur sensibilisiert. Herkunft sollen frühzeitig spielerisch erlernen, besser miteinander umzugehen und das Anderssein zu Zeitschiene akzeptieren. Januar bis Juni 2007

Durch die Vorbereitung und Gestaltung von Straßen­ Finanzrahmen fußballturnieren, bei denen die Jugendlichen eigene Ca. 6.000 Euro, bereitgestellt vom Landessportbund Regeln festlegen und deren Einhaltung gemein­ Rheinland-Pfalz. schaftlich kontrollieren, erfahren sie Selbstdisziplin und Kompetenz sowie einen positiven Teamgeist. Es werden soziale Verantwortung und Toleranz spiele­

152 4.7. Maßnahmen des Landes Schleswig-Holstein: Darüber hinaus werden integrative Ferienfreizeiten Projekt: Sport gegen Gewalt, Intoleranz und und Sonderaktionen wie Sportturniere, Projektwo­ Fremdenfeindlichkeit chen, Tage der sportlichen Begegnung unterschied­ Kurzbeschreibung: licher Kulturkreise etc. gefördert. Zu den Zielen und Das vom Landessportverband Schleswig-Holstein in Maßnahmen gehören das Training sozialen Verhal­ Zusammenarbeit mit der Sportjugend und dem Innen­ tens durch Sport, der Zusammenhang von Fairness ministerium getragene Projekt will mit Hilfe des im Sport, Fairness im Alltag und Möglichkeiten des Sports erreichen, dass Kindern, Jugendlichen und Her­ Transfers, die Begründung dauerhafter Beziehungen anwachsenden sinnvolle Freizeitangebote gemacht durch Sport, die Entwicklung von Körpergefühl und werden, die ihnen auf sportliche Weise Spaß und Selbstbewusstsein mit dem Ziel der Identitätsbildung, Wertvorstellungen vermitteln. Gemeinsam mit vielen Einprägung von „Sport ja – Gewalt nein!“ sowie „Sport engagierten Verantwortlichen von Institutionen und ja – kriminelles Verhalten nein!“. Verbänden, insbesondere den Kreissportverbänden, den Sportfachverbänden, den Jugendorganisationen, In ganz Schleswig-Holstein werden über 30 Projekt­ den Schulen, Wohlfahrtsverbänden und Jugendäm­ helferinnen und -helfer mit konkreten Hilfen vor tern, Kirchen und Gewerkschaften, Polizei und Street­ Ort tätig. In 70 Gruppen nutzen über 1.600 Jungen workern wurden in zahlreichen Kreisen und Städten und Mädchen die Angebote. Darüber hinaus fi nden örtliche Arbeitskreise als „runde Tische gegen Gewalt“ jährlich mehr als 100 Sonderveranstaltungen statt, die eingerichtet. Gelegenheit zu multikulturellen Begegnungen bieten.

Zeitschiene Projekt wird seit 1994 umgesetzt.

Finanzrahmen Förderung durch Landesmittel in Höhe von 230.000 Euro.

153 4.7.

Mitglieder

Leitung: Bundesministerium des Innern

Dr. Georg Anders Bundesinstitut für Sportwissenschaft

Bülent Arslan Institut für interkulturelles Management- und Politikberatung

Angelika Baestlein Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Prof. Dr. Jürgen Baur Universität Potsdam

Hans-Peter Bergner Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Gerhard Böhm Bundeskanzleramt

Ernst Denneborg Bundesministerium des Innern

Dieter Donnermeyer Deutscher Turnerbund

Dr. Karin Fehres Deutscher Olympischer Sportbund

Karin Grübler Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern

Willi Hink Deutscher Fußballbund

Wolfgang Isbarn Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern

Viktor Jukkert Landessportbund Sachsen-Anhalt

Dr. Andreas Kapphan Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Gül Keskinler „Start“ – Sport überspringt kulturelle Hürden beim Landessportbund Hessen

Pia Kremer Bundesministerium des Innern

Jan Pommer Deutsche Basketball-Bundesliga

Dr. Klaus Ritgen Deutscher Landkreistag

Melanie Rothermel Bundesministerium des Innern

Stefanie Schulte Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Ralph Sonnenschein Deutscher Städte- und Gemeindebund

Gunda Spennemann-Gräbert Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein

Dr. Hartwig Stock Bundesministerium des Innern

Niclas Stucke Deutscher Städtetag

Joachim Waldenmeier Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Michael Weiß Deutscher Turnerbund

Prof. Dr. Heinz Joachim Zielinski Hessisches Ministerium für Inneres und für Sport

154 4.7.

155 156 Themenfeld 8: 4.8. „Medien – Vielfalt nutzen“

1. Themenfeld: Medien und und Präsenz müssen sie soziale und kulturelle Vielfalt Integration thematisieren und kommunizieren. Gleichzeitig ist die Migrationsbevölkerung eine heterogene Adres­ satengruppe und deshalb medial nicht einheitlich 1.1. Bestandsaufnahme ansprechbar. Auch in wirtschaftlicher Perspektive sind zugewanderte Bevölkerungsgruppen für die Medien von zunehmendem Interesse, stellen sie doch Wenn im Folgenden von Medien gesprochen wird, einen relevanten und ständig wachsenden Anteil der geht es primär um sogenannte Massenmedien wie Zei­ Mediennutzer, der Gebührenzahler, der Leser von tungen und Zeitschriften sowie Rundfunk, auf deren Zeitungen und Zeitschriften und der Zielgruppen Bedeutung hinsichtlich der individuellen und gesell­ von Werbung. Vor diesem Hintergrund hat sich die schaftlichen Meinungsbildung nach Art. 5 Grundge­ Arbeitsgruppe insbesondere mit folgenden Themen setz explizit hinweist. Einbezogen sind jedoch auch befasst: neue Informationsmedien, da im fortschreitenden Prozess der Medienkonvergenz die Grenzen zwischen ➤ Möglichkeiten und Erfordernisse einer Pro­ Individual- und Massenmedien – sowohl aus der grammplanung und Berichterstattung, die Perspektive der Anbieter als auch aus der Perspektive kulturelle Vielfalt als Normalität im Programm der Nutzer – immer mehr verschwimmen. Unabhän­ abbildet, Chancen einer Einwanderungsgesell­ gig davon sind einzelne Kapitel ausschließlich auf die schaft aufzeigt und Hintergründe und Lösungs­ klassischen Massenmedien fokussiert. ansätze bei Konfl ikten verdeutlicht;

➤ Aspekte der Personalgewinnung und Personal­ Im Prozess der Integration spielen Medien – wenn entwicklung, insbesondere mit Maßnahmen zur auch nur mittelbar – eine bedeutende Rolle: Einerseits Verbesserung und Verstärkung der Ausbildung prägen sie im Rahmen unabhängiger und kritischer von Migrantinnen und Migranten zu Journalis­ Berichterstattung und in ihren Unterhaltungsangebo­ ten sowie der interkulturellen Ausrichtung von ten Bilder von den verschiedenen ethnischen und kul­ allgemeinen Aus- und Fortbildungsangeboten turellen Bevölkerungsgruppen wesentlich mit. Ande­ für die Medienberufe; rerseits sind sie für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen Plattform für öffentliche Kommunikation. ➤ Defi zite in der Medienforschung und Möglich­ Mit zunehmender gesellschaftlicher Pluralisierung keiten zur Förderung der Medienkompetenz von stehen die Medien vor komplexen Herausforde­ Migrantinnen und Migranten; rungen. Im Interesse gesellschaftlicher Integration

157 4.8. ➤ spezifi sche mediale Angebote für migrantische schaft in den Medien, die Mitarbeit von Journalistin­ Zielgruppen, insbesondere multilinguale Pro­ nen und Journalisten und Medienschaffenden mit gramme und Integrationspotenziale fremdspra­ Migrationshintergrund vor und hinter der Kamera, chiger „Ethnomedien“. vor und an den Mikrofonen sowie um die Redakti­ onsschreibtische zu gewinnen. Medienunternehmen Inhaltsanalysen ergeben, dass die deutschen Massen­ machen aber speziell für die redaktionelle Arbeit die medien bislang ein nur unvollständiges Bild der Mig­ Erfahrung, dass ausgebildetes journalistisches Perso­ rantinnen und Migranten und ihrer Bedeutung im nal mit Migrationshintergrund nur eingeschränkt zur wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verfügung steht. Leben in der Bundesrepublik zeichnen. Lebensalltag und Perspektiven von Migrantinnen und Migranten Analoges gilt für den Kenntnis- und Ausbildungsstand kommen nur vereinzelt in Berichten, Beiträgen oder deutscher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Redak­ fi ktionalen Formaten zum Ausdruck. Überpropor­ tion und Produktion. Sie benötigen umfassende Sach­ tional wird über Migrantinnen und Migranten in kenntnis über die von ihnen bearbeiteten Themen Problemzusammenhängen berichtet. und die Migrantenkulturen. In den Ausbildungscurri­ cula aber werden noch nicht standardmäßig vertie­ Gleichwohl kann von einer durchgängigen Vernach­ fende Kenntnisse über Migration und Integration und lässigung des Themas durch die deutschen Medien die damit verbundenen Themenfelder vermittelt, es nicht die Rede sein. Zeitungen und Zeitschriften fehlen Lernfelder der interkulturellen Kompetenz. haben über Themen der Migration und Integration seit den sechziger Jahren berichtet. Die öffentlich­ Die Mediennutzung der deutschen Bevölkerung ist rechtlichen Sender können auf die Tradition ihrer bei Werbeträgern wie Zeitungen und Zeitschriften, fremdsprachigen Fernseh- und Radioangebote für Hörfunk und Fernsehen oder Internet weitgehend Migrantinnen und Migranten verweisen, unterhalten erforscht. Die methodischen Standards und die zum Teil eigene Redaktionen und Sendungen und fi nanziellen Aufwendungen der kommerziellen, von haben entsprechende Themen bis heute regelmäßig Medien und Werbewirtschaft gemeinsam betrie­ im Programm. Die privaten Rundfunkunternehmen benen „Mediaforschung“ sind hoch, da sie die Wäh­ setzen sich bereits seit vielen Jahren mit der Thema­ rung für Werbeeinnahmen und Werbeausgaben im tik auseinander. Das geschieht – auf dem Bildschirm Mediensektor liefert. Demgegenüber wird die Medi­ bzw. hinter dem Mikrofon – in der Regel durch die ennutzung von Menschen mit Migrationshintergrund Einbindung entsprechender Inhalte und Akteure in in Deutschland durch diese Forschung nicht befrie­ ihre Programme sowie in ständigem Dialog mit den digend erfasst. Es existieren zwar vereinzelte Studien Menschen. Auch im Online-Bereich fi nden sich Seiten über Medienausstattung, -nutzung und ihre Motive. und Portale, die sich an Migrantinnen und Migranten Umfassende Erkenntnisse über Motive und Nutzungs­ wenden und Integration fördern. Schließlich haben weisen der Medien von Menschen mit Migrationshin­ auch die verschiedenen fremdsprachigen Medienan­ tergrund existieren nicht. Ebenso fehlen Studien zur gebote für Migrantinnen und Migranten in der Bun­ Medienkompetenz der Adressatengruppe. desrepublik kontinuierlich Beiträge zur sozialen und kulturellen Integration geleistet – von Sprachkursen Die Forschung über die Rolle der Medien im Integrati­ bis hin zu sozialpolitischer Beratung. onsgeschehen ist nicht nur für sich genommen unter­ entwickelt. Sie ist bisher auch weitgehend unverbun­ Wenn dennoch die eingangs beschriebenen Defi zite den mit theoretisch und empirisch besser etablierten zu konstatieren sind, so resultieren sie vornehmlich Forschungstraditionen, die sich unter anderem mit aus folgenden Sachverhalten: der Rolle der Sprache oder mit der Bedeutung sozialer Lebensverhältnisse in sozialen Integrationszusam­ Wie Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, ist es menhängen befassen. Was praktisch plausibel ist – die sowohl für die journalistische Annäherung an die Annahme, dass Sprache, Medienverhalten und Normalität im Alltag als auch für die Behandlung von sozialstrukturell determinierte Lebensverhältnisse Migrations- und Integrationsthemen unabdingbar, miteinander verbunden sind – müsste auch Eingang mehr Journalisten und Medienschaffende mit Migrati­ in entsprechende Forschungskooperationen fi nden. onshintergrund zu gewinnen. Solche Journalistinnen und Journalisten gibt es in Deutschland jedoch bisher Die multifunktionalen Medien PC, Internet und zu wenig. In den einschlägigen Ausbildungsgängen Handy bergen erhebliche positive Potenziale für die zum Journalismus sind Nachwuchskräfte mit Mig­ Integration von Menschen mit Migrationshinter­ rationshintergrund auffallend unterrepräsentiert. grund, da die Nutzungsschwelle mittlerweile gering Die berufl iche Integration von Migrantinnen und ist. Diese Chancen können jedoch nur gezielt ausge­ Migranten in den Journalismus gelingt nur unzurei­ schöpft werden, wenn gesicherte wissenschaftliche chend. Dies gilt auch für Autoren und Protagonisten Kenntnisse über Zugangsweisen und Nutzungsver­ im fi ktionalen Bereich. Nicht zuletzt aus Gründen der halten von Menschen mit Migrationshintergrund Marktsicherung wachsen das Interesse und die Bereit­

158 4.8. vorliegen und auf deren Basis medienpädagogische hang mit Migration und Integration. Die Medien Maßnahmen entwickelt und durchgeführt werden. bekennen sich zu ihrer Verantwortung im Prozess der gesellschaftlichen Integration von Migrantinnen Derzeit besteht zum einen ein Forschungsdesiderat und Migranten. Um dazu beizutragen, die oben im Hinblick auf die Nutzung von multifunktionalen skizzierten Defi zite bei der Integration von Migran­ Medien durch Migrantinnen und Migranten. Damit tinnen und Migranten in die Medienarbeit, bei ihrer die Nutzerinnen und Nutzer die Potenziale dieser inhaltlichen Berücksichtigung in den Medien und Medien ausschöpfen können und hierüber Chancen­ bei der Erforschung ihrer Mediennutzung nachhaltig gleichheit gefördert wird, bedarf es zum anderen anzugehen, hält die Arbeitsgruppe folgende Maßnah­ einer spezifi schen Kompetenz, die bisher nicht in aus­ men für erforderlich: reichendem Maße an die entsprechenden Zielgruppen vermittelt werden konnte. Migration und Integration als Querschnittsthema nachhaltig aufgreifen Fremdsprachige Medien (Ethnomedien) leisten einen Mediale Integration folgt dem Bestreben, die Grup­ unverzichtbaren Beitrag zur Integration. Manche pen der Zugewanderten ebenso wie der einheimi­ spezifi schen Probleme und Fragen der Integration schen Bevölkerung zu erreichen und ins Gespräch können deutschsprachige Medien den Migrantinnen zu bringen. Hierzu müssen Medienangebote ebenso und Migranten oft nur unzureichend beantworten, da mehrheitsfähig sein, wie sie zum Teil vergleichsweise sie sich für den größten Teil ihres eigenen Publikums spezielle Themen und Lebenserfahrungen aufgreifen nicht stellen. Ethnomedien werden überwiegend müssen. Die Medien werden den komplexen Zielgrup­ zusätzlich zu deutschen Medien genutzt. Sie stellen pen- und Inhaltsanforderungen am ehesten gerecht, kaum eine wirtschaftliche Konkurrenz dar, wohl aber wenn Migration und Integration als Querschnitts­ redaktionelle Ergänzungen. Die fremdsprachigen thema aller Medienangebote begriffen werden. Ethnomedien erreichen vor allem jenen Teil der Migration und Integration können nicht allein und in Bevölkerung, der die deutsche Sprache noch nicht erster Linie in der Nische behandelt werden. In Aner­ genügend beherrscht. Sie treffen damit die Problem­ kennung der zugrundeliegenden Verschiedenheiten gruppe der Integrationspolitik. Sie stellen für Mig­ muss der Austausch über kulturelle Unterschiede viel­ ranten in vielen Fällen eine besonders glaubwürdige mehr selbstverständlicher Bestandteil der Medien in Kommunikationsplattform in allen integrationspo­ ihrer gesamten Bandbreite werden. So können Medien litischen Handlungsfeldern dar. Über zweisprachige das Verständnis zwischen den verschiedenen poli­ Veröffentlichungen haben sie zudem die Möglichkeit, tischen, sozialen und ethnischen Gruppierungen för­ praktische Integrationshilfen anzubieten und damit dern und zum Abbau von Vorurteilen beitragen. Die bestehende Integrationsmaßnahmen zu fl ankieren Mitglieder der Arbeitsgruppe gehen davon aus, dass und zu ergänzen. eine „Verspartung“ der Integrationsaufgabe allein in medialen Spezialangeboten weder der Zielgruppe Neben zahlreichen fremdsprachigen Medien gibt es noch der Problemstellung gerecht wird. Die Medien in Deutschland im Hörfunk Programme mit Vorreiter­ sollen die mit Migration und Integration verbundenen funktion (Funkhaus Europa und Radiomultikulti), die Themenbereiche in Zeitungen, Zeitschriften, Pro­ explizit multilingual aufgebaut sind. Multilinguale grammen und Portalen nachhaltig aufgreifen und Programme bilden die zunehmende Heterogenität thematisieren. In regelmäßigen Bilanzen sollen Status einer Gesellschaft ab. Sie begleiten den gesamten und Perspektiven dieser Thematisierung beschrieben Prozess der Einwanderung und geben Einwanderern und Empfehlungen für die mediale Berichterstattung ohne deutsche Sprachkenntnisse erste Handrei­ kontinuierlich weiterentwickelt werden. chungen, indem sie über die Gepfl ogenheiten der Einwanderungsgesellschaft informieren. Mit Deutsch Migrantinnen und Migranten in Redaktionen und als Lingua Franca richten sie sich aber nicht nur an Programme einbeziehen fremdsprachige Teilzielgruppen. Sie schlagen viel­ Langfristiges Ziel der Personalpolitik in den Medien mehr eine sprachliche Brücke zwischen den Ethnien, soll sein, sich einer adäquaten Zusammensetzung ins­ einschließlich der deutschen Bevölkerung. Das bedeu­ besondere des Redaktionspersonals anzunähern. Die tet: Multilinguale Medien sind nicht nur Angebote für elektronischen Medien sollten ihre Anstrengungen Migrantinnen und Migranten, sondern ein Teil des intensivieren, Migrantinnen und Migranten hinter Diversity Managements in Deutschland. dem Mikrofon und auf dem Bildschirm in ihre Produk­ tion einzubeziehen und sie als Moderatorinnen und Moderatoren sowie Darstellerinnen und Darsteller in 1.2. Zielbestimmungen Filmen und Serien einzusetzen.

Deutsche wie fremdsprachige Medien sind in ihrer Journalisten und Medienschaffende mit Berichterstattung und Programmgestaltung unab­ Migrationshintergrund ausbilden hängig. Dies gilt auch für die Berichterstattung über Redaktionspersonal, das Migrations- und Integrati­ Sachverhalte und Problemstellungen im Zusammen­ onsthemen nicht nur vom Hörensagen, sondern aus

159 4.8. der eigenen Biographie heraus kennt, ist zur kompe­ hierzu einen nachhaltigen Beitrag leisten und diesen tenten, hintergründigen und schnellen Aufarbeitung Prozess mit unterstützen. von Integrationsthemen unerlässlich. Die Arbeits­ gruppe hält daher Maßnahmen und neue Wege zur Potenziale nutzen Verbesserung und Verstärkung der Ausbildung von Die bislang ungenutzten Potenziale der Kooperation Journalisten und Medienschaffenden mit Migrati­ zwischen deutschen und fremdsprachigen Medien onshintergrund für erforderlich. Die Medienunter­ sollten die Medienunternehmen und -einrichtungen nehmen sollten diese durch Praktikums- und Trai­ durch gemeinsame Projekte und regelmäßigen Erfah­ nee-Stellen unterstützen. Um die bei Menschen mit rungsaustausch erschließen. Migrationshintergrund vorhandenen Ressourcen für Berufe im Bereich der Medien zu erschließen und aus­ Austausch fördern zuschöpfen, müssen auch Ausbildungswege jenseits Insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der üblichen Bildungs- und Ausbildungsstrukturen Europa ist aufgrund seines Programmauftrags dazu ermöglicht werden. aufgerufen, den Dialog der Kulturen voranzutreiben und das friedliche Miteinander zu fördern. Auf dem Mitarbeiter und Führungskräfte interkulturell aus- Weg dorthin sind internationaler Austausch, interna­ und fortbilden tionale Zusammenarbeit und das damit verbundene In der allgemeinen internen und externen Aus- und „Lernen von den Nachbarn“ nicht nur bereichernd, Fortbildung von Mitarbeitern und Führungskräften in sondern unerlässlich. den Medien sind standardmäßig vertiefende Kennt­ nisse über Migration und Integration und die damit Partizipation fördern verbundenen Themenfelder sowie interkulturelle Schließlich schlägt die Arbeitsgruppe vor, dass die Kompetenzen zu vermitteln. in den Rundfunk- und Fernsehräten vertretenen gesellschaftlichen Gruppen auch Migrantinnen und Medienforschung intensivieren und ausweiten Migranten berücksichtigen und damit ihre Partizipa­ Die Intensivierung der Forschung über die Mediennut­ tion in medienbezogenen Entscheidungsprozessen zung von Migrantinnen und Migranten in Deutsch­ gewährleisten. land ist notwendig. Sinnvoll wäre, eine intensivere Grundlagenforschung zur Ausstattung der Haushalte mit Medien, zu Medienpräferenzen und den Umfang 1.3. Maßnahmen/Selbstverpfl ichtungen/ der Nutzung mit qualitativen Erhebungen über Prüfaufträge Sehmotive und Nutzungsweisen zu verbinden. Bund und Länder sowie die Medienunternehmen in der Länder und Bund Bundesrepublik Deutschland sind gefordert, solche Forschungen zu ermöglichen und entsprechende Res­ Presse- und Rundfunkfreiheit als schützenswertes Gut sourcen bereit zu stellen. Darüber hinaus sollten die setzen den staatlichen Maßnahmemöglichkeiten in Medienunternehmen darauf hinarbeiten, Migranten diesem Bereich klare Grenzen. Die medienpolitische in der kontinuierlichen Erforschung und Messung der Zuständigkeit obliegt den Ländern. quantitativen Nutzung der Medien zu berücksichtigen und den Teilnehmerkreis von Befragungen und For­ schungspanels in diese Richtung weiterzuentwickeln. ■ Die Ministerpräsidenten der Länder sind der Auf­ Hierzu ist es erforderlich, dass Forschungsinstitute fassung, dass den (insbesondere öffentlich-recht­ ggf. in Kooperation mit dem Statistischen Bundesamt lichen) Medien mehr denn je eine zentrale (Quer­ geeignete Vorgaben für bevölkerungsrepräsentative schnitts-)Aufgabe bei der Integration ausländischer Stichproben unter Einbeziehung der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zukommt. Sie Mitbürgerinnen und Mitbürger erarbeiten. haben ARD und ZDF deshalb im September 2006 gebeten, bis 2007 Vorschläge zu erarbeiten, wie Medienkompetenz fördern Programmangebote und -strukturen weiterent­ Zudem müssen Forschung und Projekte zur Förde­ wickelt und umgesetzt werden können, um einen rung der Medienkompetenz von Migrantinnen und zusätzlichen Beitrag zur Integration ausländischer von Migranten aufgelegt werden. Vorraussetzung für Mitbürgerinnen und Mitbürger zu leisten. die kompetente und gezielte Nutzung neuer Medien durch Migrantinnen und Migranten und der Wei­ ■ Die Bundesregierung prüft im Rahmen der terentwicklung integrationsfördernder Angebote ist Ernst-Reuter-Initiative des Auswärtigen Amtes die die digitale Integration dieser Bevölkerungsgruppen. Förderung der Zusammenarbeit deutscher und Bund und Länder sind gefordert, entsprechende Maß­ türkischer Medien, etwa in Form von Workshops nahmen strukturell zu verankern und angemessene oder einer deutsch-türkischen Fernsehkonferenz Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die Medienun­ von hochrangigen Programmverantwortlichen ternehmen der Bundesrepublik Deutschland sollten (Stichworte: Programmaustausch, Entwick­

160 4.8. lung gemeinsamer bzw. neuer Sendeformate, 2007 plant der WDR eine zweitägige Veranstaltung Mitarbeiteraustausch). in der Kölner Philharmonie zum Ende des Rama­ dan sowie ein Internet-Angebot, das journalistische ■ Der Bund fördert unter dem Leitmotiv „Integra­ Hörfunk-, Fernseh- und Online-Beiträge bündelt, tion durch Kommunikation und Qualifi kation“ als die das Leben von Muslimen in Deutschland por­ Modellprojekt des Bundesamtes für Migration trätieren. Der SWR veröffentlicht seit dem 20. April und Flüchtlinge die Sendereihe eines deutsch-tür­ 2007 ein „Islamisches Wort“ im Internet. kischen Fernsehsenders, die türkischen Zuwande­ rern Hilfestellung bei Alltagsfragen geben soll. Die ■ Das ZDF wird die seinen Programmbeiträgen zu Themen der Beiträge sind an der Erstinformations­ Migration und Integration zugrunde liegende broschüre für Zuwanderer orientiert und sprechen Konzeption fortführen und Migration und Integra­ wichtige Lebensbereiche an, wie etwa „Arbeit tion als Querschnittsthema kontinuierlich in all und Beruf“, „Schule und Studium“, „Sprachförde­ seinen Programmen, vom Hauptprogramm bis zu rung“ oder „Kinder und Familie“. Das interaktive den Digital- und Partnerkanälen, berücksichtigen. Medienangebot soll Migranten zudem motivieren, Dies wird es in allen Genres von Nachrichten und die deutsche Sprache zu lernen und sich weiterzu­ Magazinen über Dokumentationen bis zu Serien, bilden. Auf der Basis dieser Erfahrungen werden Filmen und Shows tun, um große Publika ebenso zu weitere Kooperationen geprüft. Diese könnten sich erreichen wie speziell Interessierte. sowohl auf fi nanzielle Unterstützung als auch auf fachliche Beratung erstrecken. Die Auffälligkeit und Wahrnehmbarkeit der Programmarbeit zu Migration und Integration Nichtstaatliche Ebene zu erhöhen, steht im Mittelpunkt der Programm­ anstrengungen des ZDF in den nächsten Jahren. Mainstreaming in Programmplanung und Die Chancen des Miteinanders unterschiedlicher Berichterstattung Kulturen sollen zum noch selbstverständlicheren Thema gerade auch der massenattraktiven Pro­ ■ Die Sendeanstalten der ARD verstehen unter der gramme werden, ohne die damit verbundenen Pro­ Querschnittsaufgabe Integration und kulturelle bleme zu verschweigen. Das ZDF verfolgt das Ziel, Vielfalt die Darstellung der Realität der Einwande­ die interkulturelle Kommunikation zu intensivie­ rungsgesellschaft in all ihren Programmen, insbe­ ren und das gegenseitige Verständnis der einheimi­ sondere in den massenattraktiven Angeboten. Die schen und zugewanderten Mitbürger zu verbessern ARD hat sich das Ziel gesetzt, den Alltag der Men­ und zu vertiefen. So können einerseits Konfl ikte schen aus Zuwandererfamilien als Teil der gesell­ des Zusammenlebens auf einer substantiellen Basis schaftlichen Normalität abzubilden und dabei die bearbeitet und andererseits Beispiele gelungenen Chancen einer kulturell vielfältigen Gesellschaft Miteinanders großen Publika vermittelt werden. glaubwürdig zu vermitteln, ohne ihre Probleme und Risiken zu negieren. In allen relevanten Hierzu wird das ZDF in den nächsten Jahren fol­ Programmgenres und -formaten sollen Migrations- gende Maßnahmen angehen: und Integrationsthemen erscheinen und Menschen mit Migrationshintergrund als Protagonisten in ➤ Die Zahl der Produktionen, die sich mit grund­ unterschiedlichsten Lebenslagen, insbesondere legenden Fragen der Migration und Integration außerhalb gebräuchlicher Klischees, auftreten. auseinandersetzen, wird erhöht. Dazu dienen u. a. die Aufnahme klarer und nach­ prüfbarer Vorstellungen zum Thema „Integration“ ➤ Einzelne Magazin-Sendungen wird das ZDF in die ARD-Leitlinien zur Programmgestaltung schwerpunktartig auf das Thema Migration und sowie Ideenwerkstätten, in denen gezielt Themen, Integration fokussieren. Formate und Inhalte mit Migrations- und Integrati­ onsbezug für die Haupt- und Regelprogramme der ➤ Programm- und Themenschwerpunkte werden ARD entwickelt werden. Mit dem Zweiteiler „Zeit genreübergreifend das Thema öffentlichkeits­ der Wünsche“ (WDR), dem preisgekrönten „Wut“ wirksam im Programm aufgreifen. (WDR) und mit „Türkisch für Anfänger“ (BR/NDR) wurden im „Ersten“ wichtige Programmakzente im ➤ Mit dem „Forum zum Freitag“ wird das ZDF im Fiction-Bereich gesetzt. Der NDR setzt mit Mehmet Rahmen eines vom ZDF verantworteten, jour­ Kurtulus den ersten deutsch-türkischen Tatort- nalistischen Formats eine Dialogplattform im Kommissar ein. Sein erster Fall ist 2008 in der ARD Internet zur interkulturellen Verständigung zu sehen. Das Thema Islam spielt eine große Rolle v. a. mit Vertretern muslimischer Religion und nicht nur in den Informationsmagazinen, sondern Kultur einrichten. auch in den Programmsparten Bildung und Kultur.

161 4.8.

➤ Die Zahl der tragenden Rollen in fi ktionalen großen Bedürfnis der Menschen nach Information Produktionen, die von Menschen mit Migrati­ und Weiterbildung entsprechen und sich neben onshintergrund eingenommen werden, wird vielen anderen auch Integrationsthemen widmen, weiter erhöht. runden das Bild ab. Entsprechende Formate, die auf das besondere Interesse der Zuschauer und Hörer ➤ Das ZDF arbeitet daran, im Rahmen seiner Pro­ stoßen, werden im Dialog mit den Betroffenen und grammangebote für Vorschulkinder auch den bestehenden Initiativen auch künftig weiter entwi­ Spracherwerb und die Sprachkompetenzförde­ ckelt. Damit befördern die privaten Rundfunkun­ rung von ausländischen Kindern zu berücksich­ ternehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht tigen und wird hierzu 2008 ein Programmfor­ nur die Identifi kation von Migranten mit dem poli­ mat starten. tischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Alltag in Deutschland, sondern vor allem auch das ➤ In seinem Programm-begleitenden Onlineange­ gegenseitige Verständnis zwischen Deutschen und bot wird das ZDF vertiefende Informationen und Migranten bzw. der verschiedenen Kulturen, die Servicehinweise zur Verfügung stellen. in Deutschland leben. Darüber hinaus wird sich der Verband Privater Rundfunk und Telemedien ➤ Mit der Beteiligung am CIVIS-Medienpreis wird e. V. (VPRT) auf der Grundlage der Rundfunk- und das ZDF öffentlich Beiträge zur Integration im Berichtserstattungsfreiheit der „Charta der Vielfalt“ Fernsehen fördern. anschließen und sich dafür einsetzen, möglichst viele weitere private Rundfunkunternehmen für ■ Der CIVIS Medienpreis, der vor 20 Jahren vom WDR, eine Unterzeichnung zu gewinnen. stellvertretend für die ARD, gemeinsam mit der Freudenberg Stiftung und der Beauftragten der ■ Einen persönlichen Blick auf Sehgewohnheiten, Bundesregierung für Integration gegründet wurde, Wünsche und Bedürfnisse jugendlicher Migranten ist heute einer der wichtigsten Medienpreise für erlaubt die fortlaufende RTL-Initiative, bei der Integration und kulturelle Vielfalt in Europa. Der Chefredakteur Peter Kloeppel mit Schülern Medi­ Preis zeichnet jährlich herausragende Programm­ ennutzungsverhalten diskutiert, programmliche beiträge in Radio und Fernsehen aus, die besonders Anregungen entgegennimmt und Ergebnisse im geeignet sind, das Zusammenleben in der europä­ Rahmen der RTL-Berichterstattung abbildet. ischen Einwanderungsgesellschaft zu fördern. Die CIVIS Medienstiftung für Integration und kultu­ ■ Die Arbeitsgruppe schlägt ferner für den Fernseh­ relle Vielfalt wird neben den bestehenden Aktivi­ bereich Ideenwerkstätten in Kooperation etwa mit täten 2007 einen neuen Fernsehpreis in Deutsch­ dem Grimme-Institut, der Civis-Medienstiftung, land und Europa ausloben, der die betriebliche der Deutschen Welle und der Bundesinitiative Inte­ Integration von Einwanderern und Ausländern in gration und Fernsehen vor, in denen Produzenten, Wirtschaft und Industrie in den Mittelpunkt stellt. Programmplaner und -entwickler (Autoren, Format­ entwickler, Redakteure) zum Austausch zusam­ ■ Die privaten Rundfunkunternehmen greifen gesell­ mengebracht und gezielt Themen, Formate und schaftlich und politisch relevante Entwicklungen Inhalte mit Migrations- und Integrationsbezug, vor rund um Integrations- und Migrationsthemen in allem im fi ktionalen Bereich, entwickelt werden. den einschlägigen Hörfunk- und TV-Formaten – etwa in Nachrichten- und Informationsprogram­ ■ Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger wird men, in Beratungssendungen, Magazinen oder aktiv auf die Zeitschriftenverlage zugehen, um (Talk-) Shows – regelmäßig ebenso verständlich wie mehr Bewusstsein für die Handlungsnotwendigkeit abwechslungsreich auf und beleuchten sie aus den zu schaffen und für die Entwicklung geeigneter unterschiedlichsten journalistischen Blickwickeln integrationsfördernder Maßnahmen zu werben. u. a. in Form von Interviews, Porträts, Reportagen Dies können im einzelnen folgende Maßnahmen oder Berichten. Im fi ktionalen Bereich wird auf sein: Nachhaltige Sensibilisierung der Thematik anspruchsvolle und humorvolle Weise ein diffe­ in den Gremien des VDZ sowie Schaffung eines renziertes Bild gezeichnet, das ausländische oder regelmäßigen Erfahrungsaustauschs der personal­ ausländischstämmige Bürgerinnen und Bürger verantwortlichen Vertreter der Mitgliedsverlage. als selbstverständlichen Bestandteil gesellschaft­ Zur Ermutigung integrationsfördernder Projekte licher Normalität thematisiert, wie beispielsweise ist die Auslobung eines jährlich zu vergebenden die beliebte Sitcom „Alle lieben Jimmy“ oder die Preises für besonders vorbildliche Integrationspro­ mit dem Adolf-Grimme-Preis 2007 ausgezeichnete jekte geplant. Ferner wird der Verband darüber Komödie „Meine verrückte türkische Hochzeit“ nachdenken, ob die Thematik durch die Entwick­ zeigen. Wissenschaftsmagazine oder auch For­ lung einer Anzeigenkampagne im Bewusstsein der mate wie Spiegel-, Stern- und Focus-TV, die dem Bevölkerung stärker verankert werden kann.

162 4.8.

■ Um das Thema Integration unter dem journalisti­ Bei den journalistischen Auszubildenden des SWR schen Nachwuchs bundesweit präsent zu machen, hat mittlerweile im Schnitt etwa ein Drittel einen wird der Verband der Jugendpresse das Thema Zuwanderungshintergrund. Beim HR war in den in dem Jugendmedienprojekt „politikorange“ für vergangenen Jahren durchschnittlich jeweils ein Jugendliche aufbereiten. Volontär pro Jahrgang ausländischer Herkunft. Im Seminarprogramm für die journalistischen ■ Das Internet stellt eine geeignete Plattform dar, HR-Volontäre ist ein Seminar „Portraying Politics/ um begleitend zu den inhaltlichen Angeboten Balanced Reporting“ enthalten. In diesem werden aller Medien (Fernsehen, Hörfunk und Presse) die Wissens- und Wahrnehmungsdefi zite beim The­ Themen Migration und Integration zu transpor­ menfeld „Migration/Integration“ abgebaut sowie tieren. Dieses Potenzial soll bei der Programmpla­ Methoden vermittelt, wie man Beiträge darüber nung und Berichterstattung in geeigneter Weise ohne Klischees erstellt und somit die Akzeptanz berücksichtigt werden, um Wechselwirkungen bei Zielgruppen ausländischer Herkunft verbes­ und Synergien der Medien untereinander für die sert. Der RBB entwickelt derzeit ein Konzept zur Integration von Menschen mit Migrationshinter­ Förderung junger Reporter und Moderatoren mit grund zu nutzen. Migrationshintergrund. Das RBB-Programm Radio­ multikulti hat bereits 2006 die journalistische Personalpolitik und -entwicklung: Maßnahmen Talentwerkstatt „world wide voices“ eingerichtet, zur Verbesserung und Verstärkung der Ausbildung die sich speziell an junge Journalistinnen und Jour­ von Migrantinnen und Migranten zu Journalisten nalisten ausländischer Herkunft richtet. Im Herbst 2007 wird das Programm fortgesetzt. ■ Die ARD wird durch gezielte Personalgewinnung und -entwicklung Redakteure, Autoren, Modera­ Auch spezifi sche Fördermaßnahmen wie „WDR toren und Schauspieler ausländischer Herkunft grenzenlos“ haben sich als Erfolg versprechende verstärkt fördern, die als positive Identifi kations­ Ergänzungsinstrumente erwiesen – sowohl für fi guren an exponierter Stelle in den Programmen den Einstieg in die freie Mitarbeit als auch für erscheinen sollen („Creating heroes“). Seit vergan­ den Zugang ins Programmvolontariat. Mit der genem Jahr gehört beispielsweise Birand Bingül, journalistischen Talentwerkstatt „grenzenlos“ WDR-Redakteur mit türkischem Hintergrund, hat der WDR 2005 ein Projekt speziell für junge zum Kommentatoren-Team der ARD-Tagesthe­ Journalistinnen und Journalisten ausländischer men. Ingo Zamperoni (NDR) moderiert seit März Herkunft ins Leben gerufen. Jährlich werden rund 2007 alle zwei Wochen das ARD-Nachtmagazin. zehn junge Journalistinnen und Journalisten aus Sowohl beim WDR als auch beim SWR konnten für Zuwandererfamilien durch Schulungen und redak­ Fernsehmagazine an exponierter Stelle Moderato­ tionelle Hospitanzen gefördert. Dieses Angebot rinnen mit Migrationsbiografi e gewonnen werden. wird fortgesetzt und zusätzlich auf medientech­ Gezielte Castings werden auch in anderen ARD- nische Berufe ausgeweitet. Mittlerweile ist beim Anstalten durchgeführt. WDR eine steigende Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern ausländischer Herkunft für die Beim WDR hat die Gewinnung und Förderung von Medienberufe zu verzeichnen. Radiomultikulti Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Migrati­ (RBB) hat 2006 die journalistische Talentwerkstatt onshintergrund hohe Priorität. Genutzt werden „world wide voices“ eingerichtet, die sich speziell die Regelinstrumente der Personalgewinnung und an junge Journalistinnen und Journalisten auslän­ Förderung, wie Volontariat, Hospitanzen, Casting, discher Herkunft richtet. Im Herbst 2007 wird das Professionalisierungsseminare sowie Nachbeset­ Programm fortgesetzt. Der WDR ist 2007 als erste zungen von vakanten Stellen. Seit 2005 enthalten öffentlich rechtliche Rundfunkanstalt der „Charta sämtliche Stellenausschreibungen den folgenden der Vielfalt“ beigetreten. Passus: „Der WDR fördert kulturelle Vielfalt in seinem Unternehmen, daher begrüßen wir Bewer­ ■ Das ZDF wird die im Rahmen der Ausbildungsoffen­ bungen von Mitarbeiter(n)/innen ausländischer sive 2004 und bei einzelnen Personaleinstellungen Herkunft.“ Zielgruppenprogramme wie Funkhaus begonnene Berücksichtigung von Mitarbeitern Europa (WDR und Radio Bremen) und Radio­ mit Migrationshintergrund systematisch fort­ multikulti (RBB) und Fachredaktionen wie SWR führen. Es hält insbesondere die Ausstattung mit International dienen als Kompetenzzentren für die qualifi ziertem Redaktionspersonal mit Migrati­ Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ onshintergrund für verbesserbar und wird in den tern, die später auch in sogenannten Mainstream- nächsten Jahren unter Berücksichtigung einschlä­ Sendungen eingesetzt werden können. giger gesetzlicher Vorgaben insbesondere aus dem „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ gezielte Maßnahmen ergreifen, u. a. durch Berücksichti­

163 4.8. gung von Bewerbern mit Migrationshintergrund Menschen mit Migrationshintergrund aus den in den Praktika, Hospitationen und Volontari­ unterschiedlichsten Nationen bereits seit Jahren aten. Langfristiges Ziel ist, sich über eine gezielte grundsätzlich in allen Unternehmensbereichen Personalpolitik einer bevölkerungsrepräsentativen präsent – z. B. als Journalisten, Autoren, Marke- Zusammensetzung des Redaktionspersonals auch ting- und Eventfachleute, Reporter, Schauspieler unter dem Gesichtspunkt Migration anzunähern. oder als Moderatoren. Sie spiegeln insofern die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland, in der Als eine erste Sofortmaßnahme wird das Haus wir heute leben, wider. Daran wird sich in Zukunft Anfang 2007 mehreren journalistischen Nach- nichts ändern. Bei gleicher Qualifi kation gelten wuchskräften mit Migrationsbiographie die für Deutsche und Ausländischstämmige wie für Gelegenheit geben, in einem Trainee-Programm Zuwanderer im Übrigen grundsätzlich die gleichen redaktionell tätig zu werden. Voraussetzungen. Nach Aussage des Verbandes VPRT erhalten in den privaten Hörfunk- wie auch Für die ZDF-Hauptredaktion Kultur und Wissen­ den TV-Unternehmen darüber hinaus alle jungen schaft, in der die beiden Kirchenredaktionen des Menschen, ob mit oder ohne Migrationshinter- Hauses angesiedelt sind, wird die Einrichtung einer grund, bei gleicher Eignung eine hoch qualifi zierte Redakteursposition für nichtchristliche Religionen Ausbildung, die es ihnen ermöglicht ihre Potenzi­ vorbereitet. ale zu entfalten und eine erfolgreiche berufl iche Laufbahn einzuschlagen. Da die Wahrnehmbarkeit im Programm nicht nur durch thematische Sendungen, sondern ■ RTL wird junge Menschen mit Migrationshinter- auch durch Personen hergestellt wird, hat das grund stärker im Sender integrieren und über ZDF bereits früh Migranten auch an prominenter Workshops der RTL-Journalistenschule zukünftig Stelle auf dem Bildschirm eingesetzt. Der Anteil auch Lehrern die Möglichkeit geben, zusätzlich der Menschen mit Migrationshintergrund an der Medienkompetenz zu entwickeln, die im Unter- Gesamtbevölkerung spiegelt sich bislang aber nicht richt positiv weitervermittelt werden kann. An entsprechend im Bildschirmpersonal wider. In den allen RTL-Senderstandorten werden sich Schüler im kommenden Jahren ist daher vorgesehen, zwei wei- Rahmen eines „Migrations-Schülerpreises“ selbst tere Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshin­ mit der Migrationsthematik auseinandersetzen tergrund mit der Präsentation von Sendungen zu und dabei an die Grundlagen journalistischen betrauen. Eine davon soll im Nachrichtenbereich Arbeitens in audiovisuellen Medien herangeführt. tätig werden. Das erforderliche technische Equipment und fachliche Know How stellen RTL-Mitarbeiter im ■ Die öffentlich-rechtlichen und die privaten Rahmen von Projektpatenschaften zur Verfügung. Fernsehanbieter sowie die Filmwirtschaft sollten Den Gewinnern werden neben Sachprämien und gemeinsam mit Regisseuren, Castingagenturen Redaktionsbesuchen im Einzelfall auch Praktika und Produktionsgesellschaften bei ihrer Beset­ und journalistische Patenschaften vermittelt. zungspolitik für Filme und Serien darauf hinwirken, einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ■ Die Dogan-Verlagsgruppe bietet 1.000 jungen unter Einbeziehung von Migrantinnen und Mig­ bilingual türkisch- und deutschsprachigen Nach­ ranten zu berücksichtigen. wuchskräften aus Deutschland und Europa bis zum Jahr 2010 eine mehrmonatige Qualifi zierung in den ■ Da der Ausbildungsbedarf für den journalistischen unternehmenseigenen Verlags- und Sendeanstal- Nachwuchs mit Migrationshintergrund hoch ist, ten an. prüft die Deutsche Welle, ihr Ausbildungsprofi l zu erweitern und zu ergänzen sowie ein Angebot für ■ Die Jugendpresse Deutschland wird zwei ihrer den journalistischen Nachwuchs aus der Gruppe bewährten Tools zur Förderung junger Medien- der Zuwanderer zu erstellen. Mit der DW-Akademie macher – die Mobilen Akademien an Schulen verfügt der Sender über die dafür nötige Erfahrung und das Mentorenprogramm für junge Journalis­ im internationalen und interkulturellen Bereich. ten – gezielter auf Migrantinnen und Migranten Die Deutsche Welle will ihre bisherige Praxis der ausrichten, um diese für den Weg in den Journa- Journalistenausbildung und ihrer Qualifi zierung lismus zu gewinnen. Der Teamerpool der mobilen für in- und ausländische Medien intensivieren. Das Akademien, der bundesweit direkt in den Schulen Ausbildungsprofi l der DW-AKADEMIE soll in dieser arbeitet, wird interkulturell weitergebildet wer- Hinsicht überprüft und angepasst werden. den; die angebotenen Qualifi zierungsmodule zu Schülerzeitungsgründung, Schaffung von Medi­ ■ In den privaten Rundfunkunternehmen sind enkompetenz und Podcasting werden zusätzlich ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger oder für Schulen mit einem hohen Anteil von Migranten angeboten werden.

164 4.8. Ergänzend bietet das Mentorenprogramm für Aus- und Fortbildungsangebot zum Thema junge Journalisten die Möglichkeit, junge Jour­ Integration und Migration nalisten ab 16 Jahren zu unterstützen und in den Beruf zu begleiten. Durch gezielte Ausschreibung, ■ Die ARD fördert die interkultureller Kompetenz die Gewinnung von Mentoren mit Migrationshin­ durch praxisnahe Fortbildungen. So hat der WDR tergrund und die besondere Berücksichtigung von die interkulturelle Kompetenz in die Volontär­ migrantischen Bewerbern bei der Auswahl sollen ausbildung und in die Führungskräfteschulung Nachwuchsjournalisten mit Migrationshinter­ eingeführt. Durch Fortbildungsmaßnahmen mit grund künftig besonders gefördert werden. internationalen Experten erhalten Führungskräfte Einblick in die „best practices“ anderer europä­ ■ Die Arbeitsgruppe hält es zudem für erforderlich, ischer Sendeanstalten. Durch Ausbildungsstationen dass spezielle Aus- und Weiterbildungsprogramme im „Funkhaus Europa“ oder bei „Cosmo TV“ lernen und -einrichtungen für den journalistischen Volontärinnen und Volontäre auf praktische Weise Nachwuchs mit Migrationshintergrund geschaf­ den Umgang mit grenzüberschreitenden Themen fen werden. Durch die Gründung regionaler gemeinsam mit Journalistinnen und Journalisten Netzwerke und Einrichtungen zur Förderung von mit anderem kulturellen Hintergrund kennen. journalistischem Nachwuchs mit Migrationshinter­ Auch im RBB werden die Volontäre, die von der EMS grund unter Beteiligung von Ausbildungsstätten, (electronic media school) ausgebildet werden, im Sendern und Verlagen, kann die Qualifi zierung von Rahmen von Praktika bei Radiomultikulti mit inter­ journalistischem Nachwuchs mit Migrationshinter­ kulturellen Themengebieten vertraut gemacht. grund verbessert werden. Durch Praktika sollen die zugewanderten Nachwuchsjournalisten Kontakte ■ Das ZDF wird sein internes Aus- und Fortbildung­ in die Redaktionen fi nden und zur Akzeptanz sangebot zum Thema Integration und Migration eines erweiterten redaktionellen Selbstverständ­ ausbauen. Ziel ist, allen Journalistinnen und Jour­ nisses beitragen. Eine besondere Form der Förde­ nalisten ein nicht nur wie bislang vereinzeltes, son­ rung kann erreicht werden, wenn sich erfahrene dern systematisches Angebot zu machen, sich über Journalisten als „Paten“ und „Mentoren“ in diesem Hintergründe und Zusammenhänge von Themen Integrationsprozess engagieren. Entsprechende der Migration und Integration fortzubilden. Dazu Projekte sind in Berlin (BQN-Projekt) und in entwickelt die Aus- und Fortbildung des Hauses ein Nordrhein-Westfalen (Zentrum für mediale Inte­ Programm zur Weiterbildung des derzeit tätigen gration Universität Dortmund) gestartet worden. Redaktionspersonals. Ähnliche Einrichtungen sollten auch in anderen Regionen geschaffen, weiter entwickelt und geför­ ■ Mit der Gründung einer CIVIS Akademie zur Aus- dert werden. und Fortbildung im Medienbereich verfolgt die CIVIS Medienstiftung das Ziel, Radio- und Fernseh­ ■ Wünschenswert wären Netzwerke für Journalisten journalisten sowie Studierende und Absolventen mit Migrationshintergrund. Sie können den Zusam­ der Film- und Medienhochschulen für Themen der menhalt stärken, Informationsaustausch ermögli­ Integration und kulturellen Vielfalt zu sensibilisie­ chen, mit Veranstaltungen u. Ä. auf die Problema­ ren. Der innovative und professionelle Umgang mit tik aufmerksam machen und als Lobbygruppen der Entwicklung in der europäischen Einwande­ fungieren. Ein Beispiel ist der Zusammenschluss rungsgesellschaft soll gefördert werden. „Interkulturelles Netzwerk“ im Deutschen Journa­ listen-Verband (Landesverband „Verein Berliner ■ Die Deutsche Welle stellt ihre jahrzehntelange Journalisten“). Erfahrung, ihr Know-How und ihre personellen Kontakte bei der Aus- und Fortbildung von Journa­ ■ Empfohlen wird zudem die Ernennung von Inte­ listen aus aller Welt durch ihre Akademie interes­ grationsbeauftragten bzw. Diversity-Verantwort­ sierten Medien in Deutschland zur Verfügung. lichen in den Sendern und Unternehmen, die als zentrale Ansprechpartner für Integrationsfragen ■ Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) zuständig sind und auch bei Programmgestaltung beabsichtigt, im Bereich der Aus- und Fortbildung und Personalentwicklung mitwirken. Im WDR und ein gezieltes Seminarangebot bei der Zeitschriften- SWR hat sich die Arbeit von Integrationsbeauftrag­ Akademie des VDZ sowie ein spezifi sches Aus- und ten als Impulsgeber und direktionsübergreifende Fortbildungskonzept mit verbundenen Ausbil­ Ansprechpartner bewährt. dungsorganisationen zu entwickeln.

165 4.8. Medienforschung kontinuierlich zu realisierendes – Forschungskon­ zept, soll eine unabhängige Expertenkommission ■ Mediennutzung und Medienkompetenz der eingerichtet werden, in der sowohl die Medienpra­ Menschen mit Migrationshintergrund gilt es xis mit den relevanten Medientypen und -unter­ eingehender zu erforschen. Denn zu den Vorausset­ nehmen als auch die mit der Integrationsfunktion zungen integrationsfördernder Medienangebote der Medien befasste Wissenschaft vertreten sind. gehört die Kenntnis über Medienausstattung und Wesentliche Kriterien für die Zusammensetzung -nutzung der Zielgruppen. Nur so werden auf Dauer und Arbeit dieser Gruppe sind Unabhängigkeit, die Bedingungen und Ausgangspunkte erfolg­ Theorie/Praxis-Transfer und Methodenkompetenz. reicher interkultureller Kommunikation deutlich. Entwickelt werden müssen praktisch realisierbare Die Intensivierung der Forschung über die Medi­ Forschungskonzepte – von den Fragestellungen ennutzung von Menschen mit Migrationshinter­ über die Methoden bis hin zur Finanzierung und grund in der Bundesrepublik ist daher nach Ansicht Organisation (für die sich ohne Zweifel Public-Pri­ der Arbeitsgruppe dringend erforderlich. Dabei gilt vate-Partnership-Modelle anbieten). Diese Kom­ es, Grundlagenforschung über die Ausstattung mit mission benötigt ihrerseits eine institutionelle Medien, die präferierten Medien und den Umfang Anbindung und eine Grundfi nanzierung, die aus der Nutzung mit qualitativen Erhebungen über öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden sollte. Sehmotive und Nutzungsweisen zu verbinden. Folgende zentrale Kriterien sollten bei dieser For­ ■ Die Medienunternehmen werden Konzepte ent­ schungsinitiative berücksichtigt werden: wickeln und umsetzen, mit denen Migrantinnen und Migranten bei der kontinuierlichen Messung ■ Als Grundlage für integrationsorientierte Medi­ der quantitativen Nutzung der Print- und der enkonzepte werden kontinuierlich, das heißt in elektronischen Medien berücksichtigt werden regelmäßigen Abständen erhobene Basisdaten zur können. Hierzu werden sie bei Forschungsinstitu­ Mediennutzung der Bevölkerung mit Migrations­ ten die Erarbeitung geeigneter Außenvorgaben zur hintergrund in Deutschland benötigt. Diese Daten Befragungs- und Panelsteuerung initiieren, um müssen in methodischer Hinsicht kompatibel sein auf dieser Basis ausländische Mitbürgerinnen und mit den Daten, die die kommerzielle Werbeträger­ Mitbürger in Befragungen und Forschungspanels forschung zur Deskription der Mediennutzung in einbeziehen zu können. der deutschen Mehrheitsgesellschaft bereitstellt. ■ Um das Mediennutzungsverhalten von Migranten ■ Da vor dem Hintergrund der Medienkonkurrenz in einer digitalen Medienwelt noch besser zu ver­ Mediennutzungsdaten hoch sensibel sind und die stehen, führen ARD und ZDF gemeinsam Anfang Gefahr interessenbedingter Ergebnisverzerrungen 2007 eine bundesweite Repräsentativbefragung in Mediennutzungsstudien groß ist, sollte das Prin­ durch. Ziel ist, die Bedeutung deutscher und aus­ zip der „Gemeinschaftsstudien“ der Werbeträger­ ländischer Medien im Medienbudget der wichtigs­ forschung übernommen werden. Das Zusammen­ ten Migrantengruppen sowie die Erwartungshal­ wirken der Konkurrenten auf dem Medienmarkt tung an die einzelnen Medien zu untersuchen. Im dient dem Interessenausgleich und der Entwick­ Rahmen der Studie werden Vertreter der fünf größ­ lung methodischer Standards auf der Ebene der ten Migrantengruppen (Türken, Italiener, Griechen, Datenerhebung, der Datenverrechnung und der Mitbürger aus dem ehemaligen Jugoslawien und Ergebnispräsentation (im Sinne der Festlegung von Polen) befragt, sowohl Deutsche mit Migrations­ einheitlichen „Währungen“ der Mediennutzung hintergrund als auch Ausländer aus den genannten wie Medienreichweiten, Marktanteilen etc.). Nationen. Ferner wird die Gruppe der Spätaussied­ ler in der Befragung berücksichtigt. Der WDR hat ■ Um den Stellenwert der Medien bzw. des Medien­ bisher drei repräsentative Untersuchungen zum verhaltens im Integrationskontext zu ermitteln, Medienverhalten, zur Mediennutzung und Reprä­ genügt es allerdings nicht, ausschließlich Medien­ sentanz von Zuwanderern im Fernsehen in Auftrag nutzungs daten zu erfassen. Vielmehr müssen in gegeben. Weitere Einzelstudien zu einzelnen Pro­ Mediennutzungsstudien nach dem „Single-Source- grammformaten und -genres sind vorgesehen und Prinzip“ zusätzliche Indikatoren erhoben werden, werden der Arbeit an Sendungskonzepten folgend die Analysen zu Zusammenhängen zwischen Inte­ v. a. als qualitative Erhebungen stattfi nden. grationsstatus, sozialer Milieus und Mediennut­ zungsverhalten möglich machen. Multifunktionale Medien/Förderung der Medienkompetenz von Migranten ■ Zur Erarbeitung von Vorschlägen für ein breit angelegtes – d. h. wissenschaftlich anschlussfä­ ■ Ein milieuspezifi sch ausgerichtetes Forschungspro­ higes und medienübergreifendes, langfristig und gramm zur Untersuchung des Gebrauchs multi­

166 4.8. funktionaler Medien durch Migrantinnen und Mentoren- und Trainerprogramme sinnvoll, um Migranten sollte aufgelegt werden. Vordringlich Mitarbeitende der sozialen Arbeit mit Migran­ ist dabei die Untersuchung von sozio-kulturellen tinnen und Migranten für medienpädagogische Milieus mit niedrigem Bildungsniveau sowie von Aufgaben zu qualifi zieren. Migrantengruppen, deren herkunftskulturelle Werthaltungen von den hiesigen deutlich diffe­ ■ Die Initiative D21 e. V., Europas größte Partner­ rieren. Neben einem Mehrmethodenansatz, der schaft zwischen Wirtschaft und Politik für die statistische und qualitative Verfahren verzahnt, Informationsgesellschaft, hat für 2007 einen ihrer sind geschlechtsspezifi sche, kontextorientierte und Arbeitsschwerpunkte auf die Digitale Integration mehrsprachige Zugangsweisen zu gewährleisten. gelegt. Damit wird sie das Programm Informa­ Die Durchführung sollte durch ein interkulturell tionsgesellschaft Deutschland 2010 sowie die und interdisziplinär zusammengesetztes For­ EU-Initiative eInclusion aktiv unterstützen. Eine schungsteam erfolgen. wichtige Zielgruppe für die Digitale Integration sind Personen mit Migrationshintergrund. Bezug ■ Ferner besteht der Bedarf an einer qualitativen nehmend auf den Integrationsgipfel der Bundesre­ Studie zur „Brückenfunktion multifunktionaler gierung vom Juli 2006 und die hierzu eingerichte­ Medien“ in Migrantengruppen, die neben der Frage ten thematischen Arbeitsgruppen wird die Initia­ der Integrationsförderung vorrangig die Identitäts­ tive D21 eine IT-Roadmap entwickeln. In ihr sollen relevanz der medialen Verbindung zur Herkunfts­ Best-Practice-Beispiele zur gesellschaftlichen Inte­ kultur klärt, und an einer praxisorientierten Unter­ gration durch IT dargestellt sowie Handlungsemp­ suchung geschlechtsspezifi scher Umgangsweisen fehlungen kommuniziert werden. Die Initiative D21 mit multifunktionalen Medien in Migrantengrup­ will das Interesse von Bürgerinnen und Bürgern pen, deren herkunftskulturelle Werthaltungen zu mit Migrationshintergrund an den Informations­ ungleichen Geschlechterverhältnissen umfassen. und Kommunikationstechnologien stärken, um ihre Sprachkompetenz, ihre berufl ichen Chancen ■ Medienpädagogische Strukturmaßnahmen sollten und ihre gesellschaftliche Integration in breitem auf der Basis der durch die Forschung gewonnenen Umfang zu unterstützen. IKT-Medien können Erkenntnisse entwickelt werden und die folgenden hierzu auf allen Ebenen einen wichtigen Beitrag Aspekte umfassen: leisten, werden derzeit jedoch noch nicht konse­ quent genug eingesetzt. ➤ Berücksichtigung geschlechtsspezifi scher Her­ angehens- und Nutzungsweisen, insbesondere ■ Die Initiative klicksafe ist die deutsche Kontakt­ dort, wo die Unterschiede auf herkunftskultu­ stelle im Rahmen des Safer Internet Programms rellen Werthaltungen beruhen der Europäischen Union. klicksafe informiert über Sicherheitsthemen im Internet. Zielgruppen sind ➤ Berücksichtigung der alters- und sozialisations­ Kinder und Jugendliche, Eltern, Pädagogen und bedingten Unterschiede sowie (jugend-)kultu­ Multiplikatoren. Von November 2006 bis Okto­ reller Stile bei der Nutzung multifunktionaler ber 2008 wird ein Schwerpunkt von klicksafe im Medien Bereich der Förderung der Internetkompetenz von Menschen mit Migrationshintergrund lie­ ➤ Kooperation mit pädagogischen Einrichtungen gen. Unter Einbindung von Wissenschaftlern und vor Ort Praktikern wird ein Arbeitskonzept entwickelt, um Menschen mit Migrationshintergrund über die ➤ Qualifi zierung der Mitarbeitenden dieser Ein­ Risiken im Internet aufzuklären und für Gefahren richtungen für die medienpraktische Arbeit mit zu sensibilisieren. Es ist beabsichtigt, Informa­ Migrantinnen und Migranten tions- und Aufklärungsmaterialien in den entspre­ chenden Muttersprachen zur Verfügung zu stellen. Medienpädagogische Strukturmaßnahmen kön­ Weiterhin wird geprüft, ob Medien, die sich in nen durch die Initiierung von praxisbezogenen Deutschland an die entsprechenden Zielgruppen Erfahrungs- und Lernprozessen für die jeweiligen wenden, bereit sind, sich an Sensibilisierungs­ Zielgruppen realisiert werden. So ist z. B. der Auf­ maßnahmen zu beteiligen, um die Informationen bau einer interkulturellen Jugend-Radio-Plattform möglichst breit und effektiv zu streuen. Im Sinne für die Zielgruppe der jugendlichen Migrantinnen der Netzwerkarbeit wird klicksafe auf Institutionen und Migranten denkbar. Für andere Zielgruppen wie Migrantenverbände, entsprechende Stiftungen, wie ältere Mitbürger mit Migrationshintergrund Vereine, Selbstorganisationen etc. zugehen, um zu sind an deren Erfahrungshorizont und Lernsozia­ prüfen, welche Möglichkeiten der Unterstützung lisation angepasste Maßnahmen der medienprak­ und Zusammenarbeit bestehen. tischen Arbeit zu entwickeln. Darüber hinaus sind

167 4.8.

■ Die Deutsche Telekom wird sich aktiv bei der information zeigen eine Reihe von Themenfeldern Umsetzung von integrationsfördernden Maß­ auf, die sich für gemeinsame Bearbeitung eignen. nahmen oder Aktionen beteiligen. Dies gilt Beispielhaft seien hier genannt: insbesondere für die Beratung und aktive Know­ how-Bereitstellung der Unternehmensbereiche ■ Mit der Gründung des Vereins „Unser Haus in Angelegenheiten von Diversity, Marketing und Deutschland“ werden die Werner Media Group, die Technik, für die Unterstützung z. B. Verlinkung Jüdische Gemeinde zu Berlin und die Türkische zu und von Internetseiten, die Bereitstellung von Gemeinde zu Berlin, russischen, jüdischen und Hotlines „0800…“ und die Bereitstellung von Kon­ türkischen Zuwanderern in Berlin gemeinsam die zepten und Unterstützung bei der Umsetzung von Möglichkeit zu Rechtsberatungen, zum Sprachtrai- Maßnahmen analog „X ans Netz“ . ning, zu Computerschulungen oder zum Ken­ nenlernen der Kultur des Anderen geben. Ferner ■ Unter dem Projekttitel MUSS – Multilinguale ist ein regelmäßiges deutsch-russischsprachiges Unternehmens Services Stuttgart wird die Lan­ TV-Magazin mit einem lokalen Fernsehsender zum deshauptstadt Stuttgart mit Unterstützung des Migrationsalltag in der Hauptstadt in Vorbereitung. Hochschulkollegs Electronic Government Stuttgart der Alcatel SEL Stiftung und in Kooperation mit der ■ Die Kampagne „Gegen häusliche Gewalt“ der Technischen Universität München ein multilingu- Zeitung Hürriyet (Dogan-Verlagsgruppe) läuft sehr ales Informations- und Dienstleistungsangebot im erfolgreich in Deutschland. Ihr primäres Ziel ist Internet bereitstellen. Das Projekt MUSS hat sich es, zum Thema aufzuklären und zu sensibilisieren zum Ziel gesetzt, den Zugang zu behördlichen und Betroffene zu bestärken. Dabei werden unter- und anderen öffentlichen Angeboten und Infor­ schiedliche Module eingesetzt: An elf Stunden pro mationen für Menschen nicht deutscher Herkunft Woche ist eine Hotline mit deutsch- und türkisch­ zukünftig besser und strukturierter zu ermögli­ sprachigen Expertinnen und Experten besetzt, bun­ chen. Ausgangspunkt der Initiative MUSS ist die desweit werden interaktive Aufklärungsseminare Feststellung, dass die Zugangsschwierigkeiten zu veranstaltet und Informationsmaterialien verteilt. benötigten und nachgefragten Informationen Die Kampagne wird redaktionell und mit Anzeigen häufi g nicht nur sprachlicher Natur, sondern in der Hürriyet unterstützt, bundesweit sind ehren- auch kulturell bedingt sind: Insbesondere admi­ amtliche Mitarbeiter als Multiplikatoren tätig. Die nistrative Strukturen sind stark von der jeweils Kampagne läuft seit Mai 2005 und wird unbefristet länderspezifi sch ausgeprägten Verwaltungskultur fortgesetzt. beeinfl usst. Darüber hinaus stellt sich die Frage des Zugangs zu Verwaltungsdienstleistungen nicht ■ Die Ihlas Media Gruppe plant die Ausstrahlung der erst nach Ankunft im Gastland, sondern bereits in Deutschkurs-Serie „Deutsch Klasse“ des Baye­ der Vorbereitungsphase vom Heimatland aus. Das rischen Rundfunks mit Untertiteln in türkischer Internet stellt hier das geeignete Medium dar, um Sprache in ihrem Programm. Auch in ihren Print- Informationen bereits im Vorfeld der Migration medien will die Verlagsgruppe einen Deutschkurs nach Deutschland abzurufen sowie Dokumente erarbeiten und konzipieren. auszutauschen und Verwaltungsprozesse zu beschleunigen, um damit bessere Rahmenbedin­ ■ Die Sabah/ATV Gruppe plant eine Kooperation gungen für einen möglichen Zuzug zu schaffen. im Bereich der Deutschkurse mit der „Deutschen Welle“, die sich besonders an Leserinnen richtet. Fremdsprachige und multilinguale Medienangebote Ferner ist ein Austausch von Redakteuren mit der Frankfurter Rundschau und dem Wiesbadener ■ In der Arbeitsgruppe haben Vertreter deutscher Kurier zum Zwecke des Erfahrungsaustausches und fremdsprachiger, an Migranteninnen und beabsichtigt. In Kooperation mit der Türkischen Migranten gerichteter Medien zusammengewirkt, Gemeinde Deutschlands und der Agentur für die bisher weitgehend getrennt von einander und Arbeit plant die Verlagsgruppe eine Initiative zur ohne Berührungspunkte arbeiten. In der Koopera- Vermittlung von Ausbildungsplätzen für türkisch­ tion von deutschen und sogenannten Ethnomedien stämmige Jugendliche. liegen bislang ungenutzte Potenziale, Medienbei­ träge zu produzieren, die Integration fördern. Diese ■ Die Deutsche Welle plant, ihr Angebot vor Ort in Potenziale der Kooperation von deutschen Medien den jeweiligen Heimatländern von Migranten um und Einrichtungen und Ethnomedien gilt es durch Deutschsprachkurse für zukünftige Zuwanderer zu gemeinsame Projekte und regelmäßigen Erfah­ erweitern. rungsaustausch zu erschließen. Schilderungen einzelner Projekte vom Sprachkurs bis zur Sozial­

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■ Um wertvolle Synergie-Effekte zu erzielen, ist die Weiterentwicklung sogenannter Zielgruppenpro­ gramme wie Funkhaus Europa (WDR und Radio Bremen) oder Radiomultikulti (RBB) zu Kompe­ tenzzentren im eigenen Programmunternehmen sinnvoll und wichtig. Wie die Erfahrungen zeigen, bieten solche Sendeformate nicht nur die Möglich­ keit, gezielte Informationen serviceorientiert und hintergründig aufzuarbeiten, für die es im Haupt­ programm keinen breiten Platz gibt. Sie dienen dar­ über hinaus als Kristallisationspunkte sowohl für die Programmentwicklung als auch für die Gewin­ nung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die später auch im Hauptprogramm eingesetzt werden können.

Internationaler Austausch

■ Auf der EBU-Konferenz zur Rolle der Medien in der europäischen Einwanderungsgesellschaft, die der WDR am 23. und 24. November 2006 in Zusam­ menarbeit mit dem ZDF, der Deutschen Welle und France Télévisions sowie mit der UNESCO, der Europäischen Kommission u. a. veranstaltete und deren Nachhaltigkeit mit einer Folgekonferenz im November 2007 bei der UNESCO in Paris bestätigt wird, wurde unter anderem ein europäisches Austauschprojekt für Journalisten lanciert. Das geplante Projekt soll sich an junge Journalisten in Europa und Nordafrika wenden und ihnen durch qualifi zierte und prominente Seminarveranstaltun­ gen, Hospitanzen in Sendeanstalten europäischer und nordafrikanischer Länder sowie professionelle Workshops zur Herstellung von Multimedia-Bei­ trägen einen einmaligen Raum des gemeinsamen Lernens, Refl ektierens und Arbeitens über natio­ nale Grenzen hinweg bieten. Partner sind neben dem WDR die UNESCO, die Anna Lindh Foundation sowie die COPEAM. Die konkreten Planungen für das Projekt laufen derzeit an. Es soll im EU-Jahr des Interkulturellen Dialogs 2008 umgesetzt werden. Die Deutsche Welle erwägt, für das Projekt perso­ nelle und logistische Unterstützung zur Verfügung zu stellen.

169 4.8.

Mitglieder

Leitung: Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Staatsministerin Prof. Maria Böhmer, MdB Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Buket Alakus Regisseurin

Minou Amir-Sehhi Deutscher Journalistenverband e. V.

Ali Aslan Bundesministerium des Innern

Martin Berthoud Zweites Deutsches Fernsehen

Erik Bettermann Intendant Deutsche Welle

Bernd Burgemeister Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e. V.

Matthias Buth Amt des Beauftragten für Kultur und Medien

Günter Clobes Adolf-Grimme-Institut

Jutta Croll Stiftung Digitale Chancen

Jürgen Doetz Präsident Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V.

Lutz Drüge Verband deutscher Zeitschriftenverleger

Seref Erkayhan Türkische Gemeinde in Deutschland e. V.

Werner Felten Radyo Metropol FM

Evelyn Fischer Deutsche Welle

Wolfgang Fürstner Geschäftsführer Verband deutscher Zeitschriftenverleger

Harald Geywitz Alice – HanseNet Telekommunikation GmbH

Dr. Kerstin Goldbeck Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger

Ernst Hans Hanten Amt des Beauftragten für Kultur und Medien

Marlene Kerpal Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Michael Konken Bundesvorsitzender Deutscher Journalistenverband

Kenan Kubilay Ilhas Mediengruppe

Inez Kühn Ver.di

Ahmet Külahci Dogan Media International GmbH

Anke Lehmann Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V.

Michael Mangold Zentrum für Kunst und Medientechnologie

170 4.8.

Ilona Marenbach Radiomultikulti ,RBB

Sebastian Olenyi Jugendpresse Deutschland

Maud Pagel Deutsche Telekom AG

Prof. Dr. Ulrich Pätzold Universität Dortmund

Jan-Eric Peters Direktor der Axel Springer Akademie

Günter Piening Integrationsbeauftragter des Senats von Berlin

Anne Pietrzak RTL Television GmbH

Prof. Fritz Pleitgen Intendant Westdeutscher Rundfunk

Pierre Sanoussi-Bliss Schauspieler

Prof. Dr. Markus Schächter Intendant Zweites Deutsches Fernsehen

Prof. Dr. Beate Schneider Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung

Klaus Schrotthofer WAZ Mediengruppe

Walter Schumacher Pressesprecher Staatskanzlei Rheinland-Pfalz

Ekkehart Siering Senatskanzlei Bremen

Willi Stächele Staatsminister für europäische Angelegenheiten Baden-Württemberg

Dr. Wilfried Ströhm Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Prof. Dr. Helga Theunert JFF- Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

Renko Thiemann Auswärtiges Amt

Larissa Thyrong Werner Media Group

Kani Top Merkez Sabah AtV GmbH

Canan Topcu Frankfurter Rundschau

Prof. Dr. Hans-Jürgen Weiß Freie Universität Berlin

Frank Werneke stellvertretender Vorsitzender Ver.di

Nicholas Werner Werner Media Group

Dr. Gualtiero Zambonini Westdeutscher Rundfunk

Renate Ziegler Ziegler Film

171 172 4.9.

Themenfeld 9:

„Integration durch bürger­ schaftliches Engagement und gleichberechtigte Teilhabe stärken“

1. Bestandsaufnahme sowie in Migrantenorganisationen gleichberechtigt und eigenverantwortlich bei der Gestaltung der Bürgerschaftliches Engagement und Integration Gesellschaft einbezogen wird. Gemeinsames bürger­ schaftliches Engagement ermöglicht zugleich der Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Pro­ Aufnahmegesellschaft, mit zunehmender Vielfalt zess, der sich auf Partizipation und Teilhabe aller in umzugehen und Veränderungen zu bewältigen. Deutschland richtet. Bürgerschaftliches Engagement stärkt gleichberechtigte Teilhabe und unterstützt Die Erfahrung wirksamer Teilhabe am Gemeinwesen Integration – zuerst und vor allem auf lokaler Ebene, machen Zuwanderer dann, wenn ihr Engagement in im unmittelbaren Lebensumfeld der Migrantinnen Migrantenorganisationen und auch in klassischen und Migranten. Eine Gesellschaft, die der Leitidee Vereinen sowie auf anderen Engagementfeldern der „Zivilgesellschaft“ verpfl ichtet ist, stützt sich auf bür­ Gesellschaft gewünscht und anerkannt wird. Das gerschaftliches Engagement und respektiert dessen freiwillige Engagement von Migrantinnen und Mig­ Vielfalt. Sie schafft gleichzeitig Strukturen, die Eigen­ ranten aus allen Migrantenschichten leistet wichtige initiative, Mitgestaltung und Beteiligung ebenso Beiträge und bereichert die Gesellschaft. ermöglichen wie die Aneignung neuen Wissens, neuer Fertigkeiten und Kompetenzen, die auch in Bürgerschaftliches Engagement ist ohne Partizipa­ andere Lebensbereiche hineinwirken. Denn Engage­ tion nicht möglich. Migrantinnen und Migranten ment macht kompetent und sichert die Bildungs- und sind aktiv, wenn auch teilweise in anderen Formen Beschäftigungsfähigkeit. und Zusammenhängen als im traditionellen Freiwil­ ligensektor. Unterschiedliche Bildungssysteme und Bürgerschaftliches Engagement beruht auf freiwilli­ Traditionen bürgerschaftlichen Engagements in den ger Selbstverpfl ichtung, öffentlicher Verantwortungs­ Herkunftsländern sind ebenso wie unterschiedlich übernahme und Vernetzung. Es wirkt identitätsstif­ lange Aufenthaltsdauer und Aufenthaltsstatus in tend und stärkt die Handlungskompetenz. Deshalb Deutschland nur einige der zu berücksichtigenden hat bürgerschaftliches Engagement eine besondere Faktoren. Katalysatorenfunktion auch für die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund. Freiwilliges Engagement von Migrantinnen und Mig­ ranten fördert die Integration, wenn die Aktivitäten Integration wird dann erfolgreich gelingen, wenn gemeinwohlorientiert ausgeübt werden, nicht auf das freiwillige Engagement in klassischen Vereinen, Abschottung gegenüber der Aufnahmegesellschaft Verbänden, Kirchen und Religionsgemeinschaften gerichtet sind sowie Transparenz und Dialogbereit­

173 4.9. schaft erkennen lassen. Bürgerschaftliches Engage­ Integration durch bürgerschaftliches Engagement ment, das erfolgreich in der eigenen Kultur, Sprache und die Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe oder Religion verankert ist, kann auch Ausgangs­ bedarf der Partizipation, eines kompetenzbasierten punkt für den Brückenschlag zur Aufnahmegesell­ Engagements sowie der interkulturellen Öffnung schaft sein. traditioneller Vereine, Verbände, Kirchen, Religions­ gemeinschaften und Migrantenorganisationen.

2. Zielbestimmungen

Integration durch bürgerschaftliches Engagement ■ öffentliche Verantwortungsteilung durch Vernet­ bedarf insbesondere der Anerkennung und gleich­ zung deutscher Verbände und Migrantenorga­ berechtigten Beteiligung sowie der Unterstützung von nisationen auf der Basis gegenseitigen Respekts, Bildung und Kompetenzerwerb. gegenseitiger Anerkennung und Akzeptanz,

Kurz- und mittelfristige Ziele sind deshalb: ■ Stärkung des Engagements gegen Fremdenfeindlichkeit, ■ Interkulturelle Öffnung der Organisationen, ■ Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit von Orga­ ■ Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe und nisationen und Ausbau der Medieninformationen Eigenverantwortung von Frauen und Männern im über Aktivitäten von und mit Menschen mit Integrationsprozess, Migrationshintergrund,

■ Eröffnung der Zugänge zum Kompetenzerwerb im ■ Entwicklung der Anerkennungskultur freiwilligen Engagement,

3. Maßnahmen zur Umsetzung 3.1 Maßnahmen und Selbstverpfl ichtungen und gegenseitige freiwillige der staatlichen Ebenen/der öffentlichen Hände Selbstverpfl ichtungen Gemeinsame Maßnahmen des Bundes, der Länder [redaktioneller Hinweis: Die gemeinsamen Maßnahmen und der Kommunen des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie alle Vorschläge für Selbstverpfl ichtungen sind weder sektoral Maßnahmen auf der institutionellen Ebene: noch föderal abgestimmt. Die freiwilligen Selbstverpfl ich­ tungen von Vertretern der Organisationen und Kirchen ■ Unterstützung des Prozesses interkultureller sind konkrete Selbstverpfl ichtungen von Vertretern der Öffnung bei traditionellen Vereinen, Verbän­ Arbeitsgruppe.] den, Kirchen, Religionsgemeinschaften und Migrantenorganisationen Staat, Wirtschaft, und Gesellschaft müssen in öffent­ licher Verantwortungsteilung und Vernetzung die ■ Förderung des bürgerschaftlichen Engagements Integration als gemeinsamen zivilgesellschaftlichen gegen Fremdenfeindlichkeit Reformprozess begreifen. Er wird von Migrantenor­ ganisationen mitgestaltet und erfordert von allen ■ Gleichbehandlung und gleichberechtigte Aner­ gesellschaftlichen Partnern ihre gleichberechtigte kennung der Integrationsanstrengungen von Einbeziehung. Migrantenorganisationen:

➤ Einbeziehung von Migrantenorganisationen in die Erarbeitung von kommunalen und Landesintegrationsplänen,

➤ Förderung der Integration von Migrantenorga­ nisationen in vorhandene Netzwerke,

174 4.9. ➤ (fi nanzielle) Förderung, Beratung und Weiterbil­ dung von Migrantenorganisationen und deren ■ Migrantinnen und Migranten in ihren Fach- und Integrationsprojekten. Beratungsgremien angemessen zu beteiligen.

Maßnahmen auf der individuellen Ebene: Kurzbeschreibung: Die Bundesressorts berufen in ihre Kuratorien und ■ Gleichberechtigte Partizipation von Migrantinnen Fachbeiräte kompetente Migrantinnen oder Mig­ und Migranten: ranten – insbesondere Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisatonen – als Experten. Ihre ➤ Beteiligung von Migrantinnen und Mig­ Berufung sichert integrationsspezifi sche Beratung der ranten an staatlichen Mitgestaltungs- und Ressorts und ist Signal für den Integrationswillen der Entscheidungsgremien, Bundesregierung. Berufene Expertinnen und Exper­ ten mit Migrationshintergrund sind zugleich biogra­ ➤ Förderung, Ausbildung und Entwicklung von fi sche Vorbilder für die junge Migrantengeneration. Migrantinnen und Migranten zu kommunalen Integrationslotsen. Zeitschiene: Legislaturperiode

Selbstverpfl ichtungen der Bundesregierung ■ die interkulturelle Öffnung von Vereinen und Verbänden im bürgerschaftlichen Engagement zu Die Bundesregierung verpfl ichtet sich, unterstützen. ■ zivilgesellschaftliche Integration in Kontexten bürgerschaftlichen Engagements zu einem pro­ Kurzbeschreibung: grammübergreifenden Fokus ihrer Förderpolitik zu Die Beauftragte und Staatsministerin für Integration entwickeln. lässt eine Expertise sowie eine Handreichung für Vereine, Verbände, Organisationen und Initiativen im Kurzbeschreibung: bürgerschaftlichen Engagement erstellen. Die Mate­ Im Rahmen von Bundesprogrammen, vom Bund rialen sollen dazu beitragen, den nichtstaatlichen geförderten Infrastruktur- und Netzwerkprojekten Organisationen und den Migrantenorganisationen bürgerschaftlichen Engagements als auch im Rahmen Wege zur verbesserten Partizipation von Migran­ von Ausschreibungen wird durch alle Bundesressorts tinnen und Migranten sowie zur Vernetzung ihrer und ihre nachgeordneten Einrichtungen eine ange­ Organisationsstrukturen aufzuzeigen. messene Beteiligung von Migrantinnen und Mig­ ranten bzw. von Migrantenorganisationen als Träger Zeitschiene: 2007 von Maßnahmen gewährleistet. Die stärkere inter­ kulturelle Öffnung und Vernetzung wird zu einem ■ zu gezielter Präventions- und Bildungsarbeit für die Förderkriterium für Infrastrukturprojekte gestaltet Einwanderungsgesellschaft. bzw. in Fördervereinbarungen verankert. Instituti­ onell geförderte Einrichtungen werden angehalten, Kurzbeschreibung: ihre Personalentwicklungskonzepte und Projektmaß­ Fremdenfeindlichkeit sowie ein Mangel an interkul­ nahmen für die gleichberechtigte Beteiligung von tureller Kompetenz werden durch fehlende Erfah­ Migrantinnen und Migranten zu öffnen. rungen und Kontakte zwischen Menschen unter­ schiedlicher ethnischer und kultureller Herkunft und Zeitschiene: laufend durch die ungenügende Refl exion eigener Vorausset­ zungen und Vorannahmen befördert. ■ die Forschungsförderung auf dem Gebiet des bürger­ schaftlichen Engagements von Migrantinnen und Gezielt gefördert werden daher Projekte interkultu­ Migranten zu verstärken. rellen und interreligiösen Lernens sowie solche, die den Umgang mit interethnischen Konfl ikten in der Kurzbeschreibung: Einwanderungsgesellschaft beinhalten. Um freiwilliges Engagement von Migrantinnen und Migranten gezielt zu fördern, sind mehr wissenschaft­ Die Angebote interkulturellen und antirassistischen liche Erkenntnisse über dessen Umfang und Natur, Lernens werden so gestaltet, dass Kulturalisierungen über Besonderheiten des Engagements der zweiten und die Verfestigung von Vorurteilen vermieden und dritten Generation, über fördernde und hem­ sowie interkulturelle Kontakte angeregt bzw. ihre mende Faktoren für freiwilliges Engagement sowie Voraussetzungen refl ektiert werden können. zum Stand und zu Problemen bei der interkulturellen Öffnung von NGOs erforderlich. Ferner wird angestrebt, bei der Umsetzung dieser Prä­ ventions- und Bildungsangebote Kooperationsbezüge Zeitschiene: Legislaturperiode mit demokratischen Verbänden und Glaubensgemein­

175 4.9. Vorschläge für Selbstverpfl ichtungen der Länder schaften hier lebender Migrantinnen und Migranten zu entwickeln und zu stabilisieren. Die Länder sollten sich verpfl ichten, in Übereinstim­ mung mit der Selbstverpfl ichtung des Bundes, ihre Zeitschiene: max. drei Jahre Förderung der Projekte Förderpolitik auf die gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten zu orientieren. ■ die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Migranten aus Nicht-EU-Staaten zu prüfen.1) Das heißt:

■ zu prüfen, inwieweit besonders integrationsför­ ➤ sie unterstützen im Rahmen ihrer Förderpro­ derndes Engagement beim Einbürgerungsverfah­ gramme insbesondere Projekte integrationsori­ ren berücksichtigt werden kann.2) entierter Migrantenorganisationen,

Die Bundesregierung hat nach Abschluss ➤ sie verankern die Vernetzung von Migrantenor­ der Arbeiten an diesem Bericht folgende ganisationen mit anderen Vereinen, Verbänden Selbstverpfl ichtung nachträglich eingebracht: und Organisationen sowie deren interkul­ turelle Öffnung als Förderkriterien in ihren Die Bundesregierung beginnt noch in diesem Jahr Landesprogrammen, mit dem bundesweiten Aufbau eines Netzwerks „Bil­ dungs- und Ausbildungspaten für Migrantinnen und ➤ sie unterstützen durch die Erarbeitung von Kon­ Migranten“. Das Netzwerk stärkt das bürgerschaft­ zepten und Darstellung guter Praxis die inter­ liche Engagement im Bereich Bildung. Es setzt drei kulturelle Öffnung deutscher Verbände und der Schwerpunkte: Migrantenorganisationen,

■ Die Begleitung von Kindern bis zum Ende des ➤ sie entwickeln Programme zur Förderung Grundschulalters durch Bildungs-, Erziehungs- und des Engagements von Migrantinnen und Lesepaten Migranten sowohl in deutschen als auch in Migrantenverbänden, ■ Die Unterstützung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen beim Übergang Schule/Beruf ➤ sie berufen in ihre Kuratorien, Fachbeiräte und sonstige Gremien nach Möglichkeit kompetente ■ Die Förderung und Unterstützung der Ausbildungs­ Migrantinnen oder Migranten – insbesondere bereitschaft von Unternehmern, Handwerkern und VertreterInnen von Migrantenorganisatonen – Selbstständigen aus Zuwandererfamilien als Experten, um die integrationsspezifi sche Beratung der Ressorts zu sichern, Das Netzwerk wird von regionalen Regiestellen koordiniert. ➤ sie stärken die öffentliche Anerkennung und Wahrnehmung integrationsfördernden Engage­ ments von Migrantinnen und Migranten sowie ihrer Organisationen (z. B. durch Wettbewerbe, Preise, sonstige Auszeichnungen sowie durch gezieltere Informationsbeiträge in den öffent­ lichen Medien).

➤ Dahingehend wirken die Länder im Rahmen der Rundfunkstaatsverträge und Landesmedienge­ 1 Nach Abschluss der AG-Arbeit hat die Bundesregierung sich setze darauf hin, dass Migrantenorganisationen im Rahmen der kleinen Anfrage zur Umsetzung des Prüf­ auftrages zur Einführung des kommunalen Wahlrechts für in den Rundfunkräten und Landesmedienanstal­ Drittstaatenangehörige (BT-Drs. 16/436) grundsätzlich rechtlich ten vertreten sind. geäußert und darauf hingewiesen, dass die erforderlichen Mehrheiten für eine Grundgesetzänderung derzeit nicht abseh­ Vorschläge für Selbstverpfl ichtungen der bar sind. Die Bundesregierung werde daher „die bestehenden Kommunen rechtlichen und politischen Handlungsdispositionen … ohne Zeitdruck abwägen“. 2 Die Bundesregierung stellt im Abstimmungsverfahren zu Die Kommunen sollten sich verpfl ichten: den Vorschlägen der Arbeitsgruppen des Nationalen Integra­ tionsplanes fest, dass die aktuellen Gesetzentwürfe sowohl der ➤ In ihren Integrationsstrategien/-konzepten das Bundesregierung als auch des Bundesrates zur Änderung des Engagement von Migrantinnen und Migranten StAG bereits Regelungsvorschläge zur Berücksichtigung inte­ grationsfördernden Engagements enthalten. Ihre Verabschie­ und die mitgestaltende Einbeziehung von Mig­ dung ist noch in diesem Jahr zu erwarten. Die Einbürgerungs­ rantenorganisationen mit besonderem Stellen­ verfahren fallen darüber hinaus in die Zuständigkeit der Länder. wert zu verankern.

176 4.9. ➤ Migrantinnen und Migranten in ihren Selbstor­ Vorschläge für Selbstverpfl ichtungen ganisationen zu unterstützen. Entscheidend ist traditioneller Vereine, Verbände, Kirchen jedoch, dass es sich um Organisationen handeln und Religionsgemeinschaften sowie muss, die sich den Prinzipien des freiheitlichen, Migrantenorganisationen demokratischen Rechtsstaates verpfl ichtet fühlen, nicht in Abschottung gegenüber der Allgemeine Vorschläge für Selbstverpfl ichtungen Aufnahmegesellschaft agieren und bereit sind, sich in die gesellschaftlichen Strukturen vor Ort ➤ Interkulturelle Öffnung der Organisationen: einbinden zu lassen. Verantwortungsteilung und Vernetzung, Stärkung der Brückenfunktion sowie gleichbe­ ➤ gute Praxis integrationsfördernder Projekte von rechtigte Partizipation von Migrantinnen und Migrantenorganisationen als auch gemeinsame Migranten auch in den Führungsstrukturen Integrationsvorhaben mit deutschen Organisa­ tionen zu fördern. Eine solche integrationsför- ➤ Unterstützung der Fort- und Weiterbildung von dernde Maßnahme stellt bspw. die Ausbildung Migrantinnen und Migranten von Migrantinnen und Migranten zu kommu­ nalen Integrationslotsen als Mittler zur Auf- ➤ Unterstützung des Kompetenzerwerbs durch nahmegesellschaft dar. Darüber hinaus fördern informelle Bildung auch die Stiftungen Bertelsmann, Robert Bosch, Körber, Bürger für Bürger, Hertie, die Polytech- ➤ Ausrichtung von Engagementangeboten auf die nische Gesellschaft und Schader erfolgverspre­ individuellen Motive und Interessenslagen enga­ chende Projekte bzw. haben zum Teil im Rah­ gementbereiter Migrantinnen und Migranten men von Integrationswettbewerben besonders erfolgreiche Projekte identifi ziert. ➤ Einrichtung von Servicestellen in den Organisationen zur Beratung von Migran­ ➤ Die Einbeziehung von Migrantenorganisationen tinnen und Migranten über vorhandene in die örtlichen und kommunalen Netzwerke, Engagementmöglichkeiten die interkulturelle Öffnung der Initiativen und Verbände und den öffentlichen interkulturellen Freiwillige Selbstverpfl ichtung von Vertretern der Dialog sowie die Tätigkeit von Migrantinnen Organisationen und Kirchen und Migranten als Integrationslotsen nachhaltig zu unterstützen. ■ Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Enga­ ➤ Zielgruppenspezifi sche Informationsangebote gement stellt sich als eine Plattform für die über Engagementmöglichkeiten vorzuhalten Abstimmung und Kommunikation von Migran­ (z. B. Veranstaltungen für die jeweiligen Migran­ tenorganisationen mit deutschen Vereinen und tengruppen, Tage der offenen Tür, Begrüßungs- Verbänden, Staat und Wirtschaft auf Bundesebene informationen, mehrsprachige Infofl yer und zur Verfügung. Internetangebote). ■ COMITES (Comitati degli Italiani all‘Estero – ➤ Migrantinnen und Migranten – insbesondere Komitees der Italiener im Ausland) aus Migrantenorganisationen – an staatlichen Das COMITES München engagiert sich dafür, dass Mitgestaltungs- und Entscheidungsgremien zu die im Konsularbezirk lebenden Italiener immer beteiligen und sie in kommunale Prozesse einzu­ mehr echte Bürger werden, das heißt, dass sie sich binden (z. B. Quartiersmanagement, Stadtteilent­ an dem hiesigen gesellschaftlichen, politischen wicklung etc.) und kulturellen Leben beteiligen.

➤ Darüber hinaus regen sie ihre Einbeziehung Zu den wichtigsten Zielen, für die sich das Comites in gesellschaftliche Funktionen (z. B. Mieter-, München derzeit einsetzt, zählen: Elternvertretungen, Vorstände von Vereinen etc.) an. ➤ Information der italienischen Familien über das bayerische Schulsystem, Sensibilisierung der Familien für die Wichtigkeit einer guten Ausbil­ dung der Kinder und Jugendlichen;

➤ Information der italienischen Bürger über die nächste Kommunalwahl in Bayern im März 2008 und Sensibilisierung der Wähler, um eine höhere Wahlbeteiligung zu erreichen;

177 4.9.

➤ Information der italienischen Bürger über die gration – Gemeinsam anders sein. Für ein respekt- Möglichkeit der Einbürgerung bzw. der dop­ volles Miteinander“ aufgreift. pelten Staatsbürgerschaft/Staatsangehörigkeit. Im Sinne der „Grundsätze“ will das DRK die Abbau der damit verbundenen Vorurteile. ehrenamtliche Beteiligung von Migrantinnen und Migranten fördern. ■ Deutscher PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband Der Deutsche PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband ■ Deutscher Bundesjugendring richtet ein Forum der Migrantinnen und Migranten Die Mitgliedsorganisationen des DBJR wollen Kin­ ein. Mit diesem Forum soll der Bedeutung der Mig­ der und Jugendliche mit Migrationshintergrund in rantenselbstorganisationen (MSO) im Integrations­ die bestehenden Strukturen stärker als bisher inte­ prozess Rechnung getragen werden. grieren, sei es als Einzelne in bestehende Angebote oder als Migrant(inn)enselbstorganisationen in Die ca. 100 MSO, die Mitglied im PARITÄTISCHEN Dachstrukturen. So sollen Kultur- und Sportarbeit sind, werden eingeladen in dem Forum mitzuarbei­ sowie die Kooperation mit Schule jugendverbands- ten. Konkret geht es um die bessere Wahrnehmung und ringintern als Begegnungsräume mit Kindern der Arbeit der MSO, den Austausch über erfolg- und Jugendlichen genutzt werden. Pädagogische reiche Strategien, die Vermittlung von Projekten Konzepte werden weiterentwickelt und ausge­ und die stärkere Berücksichtigung des spezifi schen tauscht, insbesondere im Rahmen der JULEICA Aus­ Know-hows der MSO. Erörtert werden sollen ferner bildung, zum Ausbau der interkulturelle Kompe­ Fragen der interkulturellen Öffnung sowie der Fort­ tenz bei Haupt- und Ehrenamtlichen. Die Öffnung und Weiterbildung. Bei den Treffen des Forums von bestehenden Dachverbänden und Jugendrin­ sollen darüber hinaus auch aktuelle migrations­ gen für Migrant(inn)enselbstorganisationen soll politische Entwicklungen beraten werden, um durch Beratung, Unterstützungen und Begleitung gemeinsame Positionen zu entwickeln, die dann oder praktischer Kooperation vorangebracht sowohl innerhalb des PARITÄTISCHEN beraten wer- werden. Best-Practice-Beispiele werden bundesweit den als auch nach außen vertreten werden. öffentlich gemacht.

Das Forum der Migrantinnen und Migranten steht ■ Evangelische Kirche in Deutschland im Zusammenhang mit weiteren konkreten Akti­ Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche vitäten des PARITÄTISCHEN zu Förderung der MSO, in Deutschland unterstreicht in seinen Handlungs­ wie etwa der Fachberatungsstelle für Migrations­ empfehlungen für Kirche und Diakonie, Juni 2006, selbstorganisationen Nordrhein-Westfalen. dass für Menschen mit Migrationshintergrund interkulturelle Öffnung auch für den Bereich des ■ Deutsches Rotes Kreuz Freiwilligen Engagements gelten muss. Bestehende Das Deutsche Rote Kreuz hat im Dezember 2004 Formen des Freiwilligen Engagements müssen wei­ seine Programmatik „Interkulturelle Öffnung im terentwickelt und für andere Zielgrupen geöffnet DRK. Das Deutsche Rote Kreuz – nicht nur für Deut­ werden. In einer Argumentationshilfe der EKD zur sche“ beschlossen. Stärkung von Freiwilligendiensten wird festgestellt, dass sich die Kirchen zum Anwalt eines möglichst Teil der Programmatik sind die Leitthesen und breiten Bündnisses verschiedener gesellschaft­ Grundsätze zur interkulturellen Öffnung im DRK. licher Gruppen machen sollten, um die Idee der Ab 2005 wurden die Gremien und Arbeitskreise Freiwilligendienste noch deutlicher in die Gesell- des Verbandes befasst. Vorläufi ges Ergebnis ist ein schaft zu tragen. Stufenplan zur Umsetzung. ■ Katholische Kirche Dem Aufgabenfeld „Ehrenamtliches/bürger- Durch Taufe und Firmung gehört jeder Katholik schaftliches Engagements von Migrantinnen der weltweiten Katholischen Kirche und damit und Migranten“ hat sich der vom DRK-Präsidium zugleich der jeweiligen Ortskirche an. Deshalb sind eingesetzte Arbeitskreis „Migranten als Partner die katholischen Migranten in Deutschland (ca. des DRK“ angenommen, mit dessen Unterstützung zwei Mio.) nicht Gäste der Katholischen Kirche in nun Pilotprojekte zur Mitwirkung von Menschen Deutschland, sondern besitzen eo ipso die mit Migrationshintergrund in den ehrenamtlichen Strukturen des DRK entwickelt werden. ➤ gleichberechtigte Mitgliedschaft und

Der Startschuss für die Umsetzung der Pilotpro­ ➤ alle Partizipationsmöglichkeiten wie die deut­ jekte soll am 8. Mai 2007 gegeben werden, dem schen Katholiken. traditionellen „Weltrotkreuztag“, der in diesem Jahr das Schwerpunktthema des DRK 2007: „Inte­

178 4.9. Darüber hinaus erarbeitet der Deutsche Caritasver­ tatsächlich vorhandenen Bedarf entsprechen. Auch band derzeit in Zusammenarbeit mit der Migrati­ durch in kultureller Hinsicht plurale Teams fördern onskommission der Deutschen Bischofskonferenz sie die Attraktivität ihrer Angebote für Migran­ für die Zielgruppe der Nichtkatholiken eine Kon­ tinnen und Migranten. zeption zur interkulturellen Öffnung ■ Die Verbände anerkennen und würdigen das Enga­ ➤ sowohl seiner gesamten Dienstleistungspalette gement von Migrantinnen und Migranten in ihren Selbstorganisationen und bieten eine partner­ ➤ als auch der Beschäftigungsmöglichkeiten für schaftliche Zusammenarbeit an. seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. ■ Als Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres erhöhen Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien sie den Anteil von Jugendlichen mit Migrationshin­ Wohlfahrtspfl ege (BAGFW) hat nach Abschluss tergrund an den von ihnen vermittelten bzw. zur der Arbeiten an diesem Bericht folgende Verfügung gestellten Einsatzstellen. Selbstverpfl ichtungen nachträglich eingebracht: ■ Die in der BAGFW zusammengeschlossenen ■ Sie sichern zu, sich um weitere Einsatzstellen in Verbände verpfl ichten sich, die Mitwirkung von Trägerschaft von Migrantenorganisationen zu Menschen mit Migrationshintergrund im Ehrenamt bemühen. – und zwar in den ehrenamtlichen Diensten und in den ehrenamtlichen Führungsgremien – zu fördern. Sie entwickeln dazu Leitbilder, Strategien und Maß­ 3.3. Empfehlungen an die Wirtschaft nahmepläne und setzen diese konsequent um. Deutsche Unternehmen sowie Unternehmen von ■ Die Verbände betrachten ehrenamtliches Enga­ Zuwanderern sollten bürgerschaftliches Engagement gement von Migrantinnen und Migranten als von Migrantinnen und Migranten unterstützen, ins­ unverzichtbaren Beitrag zur zivilgesellschaftlichen besondere durch Gestaltung unserer Gesellschaft und werden dieses Engagement verstärkt unterstützen. 1. Anregung und Sponsoring von Projekten von Migrantenorganisationen sowie von Projekten, in ■ Sie stellen sicher, dass Menschen mit Migrations­ denen Migranten- und deutsche Organisationen hintergrund einen offenen Zugang zu den ehren­ gemeinsam arbeiten amtlichen Diensten der Verbände fi nden. Dazu gehört 2. Durchführung gemeinsamer Vorhaben im Rahmen von Corporate Citizenship ➤ die aktive, offene Ansprache von Migrantinnen und Migranten und ihrer Selbstorganisationen; 3. Unterstützung der engagementbezogenen Qualifi ­ zierung von Migrantinnen und Migranten ➤ die Schaffung von auch mit Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund besetzten Kontaktstel­ 4. Anerkennung, Nutzung und Förderung des len für am Ehrenamt interessierte Migrantinnen Engagements von Migrantinnen und Migranten in und Migranten, die für kulturelle Differenzen den Unternehmen und Gestaltung einer engage­ sensibel und sprachkompetent sind; mentfreundlichen Unternehmenskultur (bspw. im Rahmen der „Charta der Vielfalt“). ➤ Angebote interkultureller Organisations- und Personalentwicklung für die ehrenamtlichen Strukturen als Voraussetzung von „interkultu­ reller Öffnung“.

■ Die Verbände begreifen ehrenamtlich tätige Migrantinnen und Migranten nicht in erster Linie als „Helfer“ für deren eigene Herkunftsgemein­ schaft, sondern als Mitgestalter verbandlichen und gesellschaftlichen Lebens. Sie gestalten Angebote bürgerschaftlichen Engagements (z. B. Beratungs­ und Begleitdienste, Bildungsangebote, Elternarbeit, Erste Hilfe, Krankenhaushilfe, Katastrophenschutz) so, dass sie die sprachliche und kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft berücksichtigen und dem

179 4.9. 4. Standards für 5. Gleichberechtigte Teilhabe aller Engagierten: Integrationsprojekte Gleichberechtigung von Frauen und Männern; aktive Teilhabe von Deutschen und Zuwanderern Projekte von Migrantenorganisationen bzw. gemein­ in Kooperationsprojekten von deutschen und same Vorhaben von Migrantenorganisationen und Migrantenorganisationen; bspw. bei der Planung Organisationen der Aufnahmegesellschaft sollten fol­ und Durchführung von Projekten; ressourcenorien­ gende Qualitätskriterien erfüllen. Sie betreffen sowohl tierter Ansatz die verbandliche als auch die Projektebene: 6. Interessen- und Bedarfsorientierung: 1. Rechtstaatliche Verfasstheit: Ausrichtung auf die Bedürfnisse und Interessen­ Achtung des Grundgesetzes, Handeln nach demo­ lagen der Engagierten sowie der Zielgruppen des kratischen Prinzipien Engagements, zielgruppenadäquate Ansprache

2. Interkulturelle Öffnung und Dialogbereitschaft 7. Wirksamkeit: Stärkere Beteiligung von Migranten am gesell­ 3. Vernetzung: schaftlichen Leben, integratives Handeln, verbes­ Einbeziehung von Migrantenorganisationen und sertes Miteinander von Migrantinnen und Mig­ von Organisationen der Aufnahmegesellschaft ranten sowie Einheimischen sowie Einbindung in lokale bzw. regionale Struktu­ ren, Teilen vorhandener Ressourcen 8. Nachhaltigkeit: Kontinuität des Engagements und Vorbildfunktion 4. Kompetenz: Synergetische Kompetenzförderung sowie Maß­ nahmen zur Qualifi zierung, Kompetenz- und 5. Evaluation Erfahrungsaustausch Die gesellschaftlichen Partner sollten Selbstbilan­ zierungsstrategien entwickeln, um die Umsetzung der Maßnahmen bzw. der konkreten Selbstverpfl ich­ tungen zu überprüfen und zu evaluieren.

180 4.9.

Mitglieder

Leitung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Gerd Hoofe Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Dr. Michael Bürsch, MdB Deutscher Bundestag

Claudio Cumani Comitato degli Italiani all’Estero, München

Sabine Drees Deutscher Städtetag

Nashaat Elfar Bundesverband Deutsch-Arabischer Vereine in Deutschland e. V.

Susanne Ellinger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Gabriele Erpenbeck Ausländerbeauftragte, Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

Dr. Volker Faigle Evangelische Kirche Deutschland

Adolf Fetsch Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V.

Uwe Franke Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg

Abdelmalik Hibaoui Imam und Islamwissenschaftler

Andrea Hoffmeier Deutscher Bundesjugendring

Dr. Konrad Hummel Stadt Augsburg

Susanne Huth INBAS Sozialforschung GmbH

Dr. Roland Kaehlbrandt Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main

Dr. Ansgar Klein Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement

Ursula Krickl Deutscher Städte- und Gemeindebund

Dr. Claudia Martini Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Wolfgang Miehle Deutsche Bischofskonferenz

Thomas Niermann Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband e. V.

Dr. Olaf Obst Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Beate Oertel Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Henriette Reker Stadt Gelsenkirchen

Hartmut Renken Ministerium für Soziales des Landes Mecklenburg-Vorpommern

Dr. Klaus Ritgen Deutscher Landkreistag

Dr. Gabriele Rössler Deutsches Rotes Kreuz e. V.

Ramazan Salman Ethno-Medizinisches Zentrum Hannover

Dr. Martina Sauer Zentrum für Türkeistudien

Dr. Martin Schenkel Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Tassew Shimeles Internationale Gärten e. V.

Prof. Dr. Rita Süssmuth Bundestagspräsidentin a. D.

181 182 Themenfeld 10: 4.10. „Wissenschaft – weltoffen“

1. Der Auftrag und Wissenschaftler, die Situation und Perspekti­ ven ausländischer Studierender und zugewanderter Weltoffenheit und Internationalität sind Vorausset­ Hochqualifi zierter, Fragen der Verbesserung der zung und Markenzeichen wissenschaftlicher Exzel­ Bildungsbeteiligung von Bildungsinländern sowie lenz. Wissenschaft zeichnet sich durch Universalität Aspekte der Entwicklung der Migrations- und Integra­ und interkulturellen Dialog aus, durch weltweite tionsforschung bearbeitet. In vier Sitzungen wurden Kooperation, Mobilität und Wettbewerb. Daher ist die von AG-Mitgliedern erstellte Impulspapiere einge­ Wissenschaft ein zentrales Handlungsfeld der Inte­ hend diskutiert, sie bilden die Basis des vorliegenden grationsbemühungen der Bundesregierung und ihrer Berichts zum Nationalen Integrationsplan. Partner, die gemeinsam den Nationalen Integrations­ plan ausarbeiten und umsetzen. Die erarbeiteten Empfehlungen richten sich an öffentliche und private Akteure und werben für ein Angesichts des demografi schen Wandels und des koordinierteres Vorgehen zur Verbesserung der wachsenden weltweiten Wettbewerbs um die besten Integration im Bereich der Wissenschaft und eine Köpfe müssen die Integrationspotenziale von Mit­ gezieltere Erschließung der Qualifi kationspotenziale bürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshinter­ von Bildungsinländern. grund besser erschlossen und auch die Zuwanderung Hochqualifi zierter gezielter genutzt werden, damit Die Empfehlungen sind als Angebote und Erwar­ Deutschland das Land der Ideen und Innovationen tungen an alle Akteure im Wissenschaftssystem bleibt. Zuwanderung und Integration sind zwei Seiten formuliert, sich über ihr bisheriges Engagement einer Medaille. Die Leistungsfähigkeit von Wissen­ hinaus stärker zu vernetzen und ihre Maßnahmen schaft und Forschung profi tiert davon ebenso wie das und Initiativen künftig noch besser abzustimmen. Die Innovations-, Wachstums- und Arbeitsplatzpotenzial Arbeitsgruppe erklärt ihre Bereitschaft, daran aktiv von Unternehmen. Migrantinnen und Migranten tra­ mitzuwirken. gen wesentlich zur geistigen und kulturellen Vitalität Deutschlands bei. Sie bereichern unsere Gesellschaft. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Arbeitsgruppe koordiniert, sie wurde Die Arbeitsgruppe „Wissenschaft – weltoffen“ hat von Herrn Staatssekretär Michael Thielen geleitet. vor diesem Hintergrund Themenbereiche wie die Integration ausländischer Wissenschaftlerinnen

183 4.10. 2. Empfehlungen ■ Von den jungen Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund, die in Deutschland Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind sich darin aufgewachsen sind, fi nden noch viel zu wenige den einig: Unsere Gesellschaft muss sich in der globali­ Weg in die Hochschulen und die Wissenschaft. sierten Welt auch als High-Tech- und Ideenstandort behaupten. Dies gelingt nur, wenn unser Land für ■ Ein erfolgreiches Studium schafft die Vorausset­ den internationalen wissenschaftlichen Nachwuchs zung für eine nachhaltige Bindung – auch an den attraktiv ist und Hochqualifi zierte dafür gewinnt, Standort Deutschland. Nach wie vor ist jedoch der ihre Kompetenz und Kreativität in die Entwicklung Anteil ausländischer Studierender, die ihr Studium der wichtigsten Ressource unseres Landes – das Wis­ in Deutschland erfolgreich abschließen, zu gering. sen – zu investieren. Deshalb sollten die Hochschulen – unterstützt durch die Politik und die Wirtschaft – durch spezi­ Die Ausgangslage hierfür hat sich in den letzten Jah­ elle Programme eine noch bessere Betreuung und ren verbessert: Integration gewährleisten.

■ Die Zahl ausländischer Studierender in Deutsch­ ■ Von den jungen Talenten, die in Deutschland ein land hat sich von ca. 50.000 im Jahr 1980 auf aktuell Studium mit Erfolg abgeschlossen haben, bleiben 250.000 nahezu verfünffacht. Von den Studieren­ zu wenige hier. Ende Juni 2006 haben sich insge­ den deutscher Hochschulen sind über 12,6 Prozent samt nur 1.225 Bildungsausländer mit einem deut­ Ausländer bzw. haben einen migrationsspezi­ schen Hochschulabschluss zur Arbeitsplatzsuche in fi schen Hintergund. Mit Blick auf die Anzahl aus­ Deutschland aufgehalten. Hier ist die Politik – ins­ ländischer Studierender belegt Deutschland damit besondere bei der Ausgestaltung rechtlicher Rah­ hinter den Vereinigten Staaten und Großbritannien menbedingungen – gefordert. weltweit einen führenden Platz. Die Arbeitsgruppe legt folgende Empfehlungen vor: ■ Jährlich werden mehr als 21.000 ausländischer Wis­ senschaftler von deutschen Wissenschaftsorganisa­ Die von den Hochschulen, Studentenwerken, Mittler­ tionen gefördert. Allein bei der Max-Planck-Gesell­ organisationen und Forschungseinrichtungen – mit schaft sind 13,1 Prozent der Beschäftigten Ausländer. Unterstützung des Bundes und der Länder – erfolgreich In den anderen Wissenschaftsorganisationen sieht durchgeführten Maßnahmen zur Integration und es ähnlich aus. Attraktivitätssteigerung sollten verstetigt und mit öffentlicher Unterstützung weiter ausgebaut werden. ■ Bundestag und Bundesrat haben im Rahmen der Privates Engagement, wie z. B. von zahlreichen Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung Stiftungen vorbildlich gelebt, sollte gestärkt werden. unterstrichen, die Begabtenförderwerke und die großen Mittlerorganisationen für die Internationa­ ■ Die Betreuung ausländischer Studierender und lisierung von Studium, Wissenschaft und For­ Forscher und ihrer Familien muss frühzeitiger schung weiterhin zu fördern. Die Bundesregierung ansetzen und intensiviert werden. Bewährte Vor­ setzt dies im Rahmen laufender Maßnahmen um. Ort-Strukturen sind mit öffentlicher Förderung auszubauen, Best-Practice-Beispiele zu verallge­ Die Arbeitsgruppe „Wissenschaft – weltoffen“ hat sich meinern. Studierende und Wissenschaftler mit mit dieser Ausgangslage intensiv befasst und gelun­ Migrationshintergrund sollten bei der Erarbeitung gene Internationalisierungs- und Integrationsmaß­ und Umsetzung von Betreuungsangeboten stärker nahmen identifi ziert. Hierzu zählen das Engagement beteiligt werden und selbst eine aktivere Rolle der großen Mittlerorganisationen Deutscher Akade­ übernehmen. Berücksichtigt werden sollte dabei, mischer Austauschdienst (DAAD) und Alexander von dass die Attraktivität des Standortes für Wissen­ Humboldt-Stiftung (AvH) sowie der deutschen For­ schaftlerinnen und Wissenschaftler auch durch die schungsorganisationen. Zu nennen sind ebenso das erwarteten Perspektiven für ihre Familienangehö­ Deutsche Studentenwerk (DSW), dessen Wohnange­ rigen entschieden wird. bote 35 Prozent der ausländischen Studierenden nutzt, und das Engagement zahlreicher Stiftungen, etwa ■ Die Rechtsgrundlagen für ausländische Studie­ des Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der rende, ausländische Absolventen deutscher Hoch­ Otto Benecke Stiftung und der Vodafone-Stiftung. schulen und für Forscher sollten im internationalen Vergleich in Bezug auf wettbewerbsfähige Zugangs- Angesichts der bisherigen Ergebnisse und des wach­ sowie Arbeitsmöglichkeiten überprüft, die Rechts­ senden Engagements gibt es gute Gründe, die gemein­ praxis sollte bundesweit im Sinne von Best Practice samen Anstrengungen zu verstärken: auf ein wissenschaftsstandort-freundlicheres Niveau gehoben werden.

184 4.10. ■ Die Möglichkeiten zur Mitnahme von Sozialversi­ ■ Für den langfristigen Erfolg Deutschlands als Wis­ cherungsansprüchen über Grenzen hinweg sollten sensgesellschaft ist es unverzichtbar, die Bildungs­ weiter verbessert werden, Regelungsbedarf wird potenziale von Bildungsinländern, Migrantinnen insbesondere in Bezug auf die Portabilität von und Migranten verstärkt zu erschließen und die Rentenanwartschaftszeiten gesehen. Augenblick­ Möglichkeiten der Integration zugewanderter lich liegt hier ein Hemmnis bei der Anwerbung Hochqualifi zierter mit ausländischen Bildungsab­ von ausländischen Forschern und Professoren und schlüssen zu erweitern. Der Anteil von Bildungsin­ damit ein Wettbewerbsnachteil für den Wissen­ ländern, die studieren und eine wissenschaftliche schaftsstandort Deutschland. Laufbahn anstreben, sollte deutlich erhöht wer­ den – u. a. durch die Erweiterung staatlicher und ■ Der Erwerb der deutschen Sprache durch auslän­ privater Fördermöglichkeiten. dische Studierende und Forscher sowie der Erwerb der deutschen Fachsprachlichkeit durch Bildungs­ ■ Für hochqualifi zierte Zugewanderte sind – über inländer muss intensiviert werden, da die deutsche bewährte Strukturen hinaus – neue Formen der Sprache ein wichtiger Integrationsfaktor ist. Förderung und nachholenden Integration – u. a. durch neue gemeinsame Maßnahmen für diese ■ Einer breiteren Öffentlichkeit sollte die Bedeutung Zielgruppe und Deutsche – zu entwickeln. des Wissenschaftsaustausches und der Anwesen­ heit ausländischer Studierender und Forscher in ■ Die Migrations- und Integrationsforschung sollte Deutschland intensiver nahe gebracht werden. Sie sich praxisbezogener mit dem komplexen Bedin­ bereichern unsere Gesellschaft, ihre Forschungser­ gungs- und Wirkungsgefüge von Migration und gebnisse haben insgesamt positive und nachhaltige Integration befassen und stärker die Faktoren und Auswirkungen auf das Beschäftigungssystem, sie Wirkungen gelingender Integration herausar­ können auch nach ihrem Deutschlandaufenthalt beiten. Die empirische Datenbasis sollte deutlich als „Ambassadors“ wirken. Entsprechende Alumni­ verbessert werden. netze sind daher zu initiieren und zu fördern.

3. Die Attraktivität und Insgesamt weisen 250.000 Studierende (12,6 Prozent) Internationalität des Studien- der rund zwei Millionen Studierenden in Deutschland eine ausländische Staatsangehörigkeit bzw. einen und Wissenschaftsstandortes unmittelbaren Migrationshintergrund auf. Mit einer Deutschland stärken Gesamtzahl von 186.000 sind die meisten auslän­ dischen Studierenden in Deutschland Bildungsaus­ länder. Über die Hälfte von ihnen (96.000) stammt aus 3.1. Ausländische Studierende und europäischen, ein Drittel (60.000) aus asiatischen Län­ wissenschaftlicher Nachwuchs dern. Weitere etwa 20.000 Bildungsausländer haben ihr Heimatland in Afrika und rund 10.000 in Nord- und Ausgangslage Südamerika. Das Land, aus dem derzeit die meisten Studierenden nach Deutschland kommen, ist China. Dank der gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der chinesischen Ländern und Hochschulen konnte sich Deutschland in Studierenden von etwa 5.000 auf aktuell über 25.000 den letzten Jahren auf dem internationalen Bildungs­ erhöht. Frankreich stellt mit 5.000 Studierenden das markt erfolgreich positionieren. Zwischen 1996 und quantitativ wichtigste westeuropäische Land dar. 2006 ist der Anteil der ausländischen Studierenden, die ihre Hochschulzugangsberechtigung nicht in Eine in den Jahren 2002/2003 durchgeführte Pilotstu­ Deutschland erworben haben (sogenannte „Bildungs­ die zum Ausländerstudium ergab, dass nur etwa 30 ausländer“) an deutschen Hochschulen um rund bis 40 Prozent der internationalen Studierenden ihr 80 Prozent gestiegen. Studium in Deutschland erfolgreich abschließen (zum Vergleich: bei Deutschen etwa 70 bis 80 Prozent). Das Potenzial ist allerdings noch nicht ausgeschöpft, was sich z. B. bei der internationalen Doktorandenaus­ Die Ursachen für diese Studienerfolgsprobleme liegen bildung in Deutschland mit einem Ausländeranteil an vor allem in den Bereichen Leistungsanforderungen, Absolventen (2004/2005) von 13,7 Prozent im Vergleich Sprache und Rahmenbedingungen: mit den führenden Wettbewerbern Großbritannien (39 Prozent), USA (33 Prozent), aber auch Frankreich ■ Bei vielen internationalen Studierenden sind zu (36 Prozent), zeigt. Studienbeginn wichtige Studienvoraussetzungen

185 4.10. (Kenntnis des Hochschulsystems in Deutschland, In allen Bereichen und Phasen des Ausländer­ Vertrautheit mit hochschulspezifi schen Normali­ studiums stehen Fragen der Qualitätssicherung, tätserwartungen und Umgangsformen sowohl mit Erfolgskontrolle und Effektivitätssteigerung im anderen Studierenden als auch zwischen Studieren­ Mittelpunkt – vom Bachelorstudium, das die interna­ den und Lehrenden, hochgradig individualisierte tionalen Nachwuchskräfte frühzeitig an den Wis­ Lernformen etc.) nur unzureichend entwickelt, senschaftsstandort bindet, bis hin zur international und es gelingt ihnen häufi g nicht, diese Defi zite im strukturierten Doktorandenausbildung. Studienverlauf auszugleichen. Besondere Herausforderungen für die Integration der ■ Mangelnde Deutschkenntnisse stellen ein zentrales internationalen Nachwuchskräfte bestehen dabei im Problem des Ausländerstudiums dar – und zwar in grundständigen Bereich. Eine gelungene Integration allen Studienphasen. während des Studiums und der Promotion ist Voraus­ setzung für die nachhaltige Bindung der internationa­ ■ Vor allem fi ndet die Kommunikation mit den len Studierenden und Doktoranden an den Standort deutschen Studierenden, die die soziale Integration Deutschland. Gute soziale, wirtschaftliche und recht­ ausländischer Kommilitonen befördert, nicht in liche Rahmenbedingungen für Leben und Studie­ ausreichendem Maße statt, was auch der Sonder­ ren in Deutschland sind dabei ein wichtiger Faktor, bericht „Internationalisierung des Studiums“ zur ebenso wie die oft unterschätzten Bereiche Kultur und 17. Sozialerhebung zur sozialen und wirtschaft­ Sport. Diese bieten internationalen Studierenden die lichen Lage von Studierenden in Deutschland des Möglichkeit, etwas von sich und ihrer Kultur an die DSW bestätigt. Aus diesem Bericht ist bekannt, deutschen und an andere internationale Studierende dass erfolgreicher Studienverlauf und -abschluss weiterzugeben. Es gilt die Förderung dieser Integrati­ auch durch die prekäre fi nanzielle Situation vieler onsmaßnahmen zu verstetigen. Studierender – verschärft noch durch Wohnraum­ probleme – gefährdet werden. Die Einführung Gleichzeitig müssen weitere Maßnahmen ergriffen von Studiengebühren könnte in Einzelfällen diese werden, um geeigneten internationalen Studienab­ Situation verstärken, zumal Bildungsausländer aus solventen einen weiteren Aufenthalt in Deutschland zu nicht EU-/EWR-Staaten bislang von der Vergabe von ermöglichen. Nur so kann der zukünftige Bedarf an Studienkrediten ausgeschlossen sind. Nachwuchskräften gedeckt werden; gegenüber einer direkten Anwerbung aus dem Ausland sind die inter­ ■ Die rechtlichen Rahmenbedingungen eines nationalen Hochschulabsolventen und Doktoranden, Studienaufenthalts werden maßgeblich durch das die an deutschen Hochschulen studiert und promo­ Zuwanderungsgesetz bestimmt, das deutliche Ver­ viert haben, bereits mit dem Leben in Deutschland besserungen brachte. Gesetzlich festgeschrieben vertraut. Allerdings bedarf es spezieller Maßnahmen, ist z. B. nunmehr, dass Studierende die Möglichkeit um den Übergang ins Berufsleben in Deutschland zu haben, 90 Tage ohne Zustimmung der Arbeitsver­ erleichtern. waltung zu arbeiten und sie diese 90 Tage auch auf 180 halbe Tage aufteilen können. Die Bundesregierung unterstützt die Internationali­ sierung der Hochschulen mit Förderprogrammen aus Begrüßenswert ist, dass das Bundeskabinett eine Mitteln des BMBF und des Auswärtigen Amtes (AA), um Gesetzesinitiative zur Novellierung des Zuwande­ gastfreundliche Rahmenbedingungen für internati­ rungs- und Bleiberechts beschlossen hat, die auch die onale Studierende und Nachwuchswissenschaftler zu internationalen Hochschulabsolventen während der schaffen und die Internationalisierung zu verstetigen: Arbeitssuche in diese Regelung einbeziehen soll, was die Chancen auf einen längerfristigen Aufenthalt ■ Das vom Auswärtigen Amt fi nanzierte Programm dieser Hochqualifi zierten in Deutschland erhöht. STIBET stellt den Hochschulen Betreuungs- und Neuregelungen, die den Ersterteilungszeitraum der Stipendienmittel für Bildungsausländer zu Ver­ Aufenthaltserlaubnis verkürzen und eine noch stren­ fügung. Ein Teil der Programme zielt darauf ab, gere Prüfung der fi nanziellen Sicherheitsleistungen die Situation internationaler Studierender an den vornehmen, werden von der Arbeitsgruppe hingegen deutschen Hochschulen durch Einführungs- und kritisch beurteilt. landeskundliche Veranstaltungen, Fachtutorien und Maßnahmen zur sozialen Betreuung zu ver­ Ziele und laufende Maßnahmen bessern. Außerdem können die Hochschulen mit Stipendien Studierende kurz vor dem Studienab­ Die deutschen Hochschulen, Wissenschaftsorganisa­ schluss fördern oder fortgeschrittene Studierende tionen, Studentenwerke und Studierendenschaften in die Betreuung ihrer Kommilitonen einbinden. haben in den letzten Jahren erhebliche Anstrengun­ Daneben existieren in einigen Bundesländern Son­ gen unternommen, um internationale Studierende derfonds zur Förderung internationaler Studieren­ möglichst schnell und nachhaltig zu integrieren. der an den jeweiligen Hochschulen.

186 4.10. ■ Ergänzend zu dieser bedarfsorientierten Grund­ ■ Einen wichtigen Beitrag zur Integration interna­ versorgung im Betreuungsbereich haben die tionaler Studierender leisten seit Jahren auch die Hochschulen im Rahmen des BMBF-geförderten 58 Studentenwerke in Deutschland, die das Deutsche und vom DAAD durchgeführten „Programms zur Studentenwerk (DSW) bei der Verbesserung gast­ Förderung der Internationalisierung an den deutschen freundlicher Rahmenbedingungen für internatio­ Hochschulen“ (PROFIS) zahlreiche Modellprojekte nale Studierende sowie bei der Qualitätssicherung entwickelt. Sie setzen mit mehrsprachigen Infor­ in der Beratung und Betreuung von Bildungsaus­ mationsportalen, Selbsttests zur Einschätzung der ländern in Deutschland unterstützt. 35 Prozent der fachlichen Eignung und E-Learning-Angeboten für 180.000 Wohnheimplätze im Bereich der Studen­ internationale Studieninteressierte bereits bei der tenwerke sind von Bildungsausländern belegt. Das Studienvorbereitung im Heimatland an. Informations- und Beratungsangebot der Studen­ tenwerke umfasst den Einsatz von Tutoren in den ■ Zur Verbesserung des Studienerfolgs tragen Wohnheimen, „Service Center“ und „Info Points“ in zielgruppenspezifi sche Deutschkurse und maßge­ den Hochschulen und mehrsprachige Internetsei­ schneiderte (Fach-) Propädeutika für internationale ten über die Studien- und Lebensbedingungen in Studienanfänger bei. Fachliche und soziale Betreu­ Deutschland. Kontakt- und Patenprogramme sowie ungsangebote gehen verstärkt auf die Bedürfnisse ein breites Freizeitangebot schaffen Begegnungs­ der unterschiedlichen Gruppen internationaler möglichkeiten für internationale und deutsche Studierender ein. Internationale Doktoranden und Studierende. In fi nanziellen Notlagen können die Nachwuchswissenschaftler werden durch feste Darlehenskassen oder die Jobvermittlung der Stu­ Betreuungspartner und Seminare zur deutschen dentenwerke weiterhelfen. Wissenschaftssprache und -kultur unterstützt. Durch Selbstverpfl ichtungen und individuelles ■ Die vom BMBF geförderte Servicestelle Interkul­ Studienverlaufsmonitoring wird die aktive Integra­ turelle Kompetenz beim Deutschen Studentenwerk tionsleistung der Studierenden verstärkt einge­ fördert mit ihren Handreichungen und Weiterbil­ fordert. Schließlich wirken Absolventen, die nach dungsangeboten die interkulturelle Kompetenz der erfolgreich abgeschlossenem Studium in ihre Her­ Mitarbeiter und Tutoren der Studentenwerke. Der kunftsländer zurückkehren, bei der Vorbereitung regelmäßige Sonderbericht „Internationalisierung von Studienbewerbern vor Ort mit. des Studiums“ im Rahmen der Sozialerhebung zur sozialen und wirtschaftlichen Lage von Studieren­ ■ Neben Maßnahmen an einzelnen Hochschulen den in Deutschland bietet für Hochschulen und wurden und werden zentrale Instrumentarien wie Studentenwerke verlässliche Daten für die Planung der Sprachtest TestDaF oder die Arbeits- und Service­ und Gestaltung der Angebote für internationale stelle uni-assist und der Studierfähigkeitstest TestAS Studierende. entwickelt, die allen Hochschulen zur Verfügung stehen. Sie helfen als wichtige Elemente der Qua­ ■ Viele und stetig steigende Maßnahmen zur Integra­ litätssicherung im Ausländerstudium dabei, die tion internationaler Studierender werden ebenso passenden Studienangebote mit den passenden von den Studierendenschaften durchgeführt, deren Studienbewerbern zusammenzubringen. Sie schaf­ Maßnahmen von Ausländer-Rechtsberatung bis fen dadurch auch eine optimierte Ausgangslage für zu Zuschüssen für unverschuldet in Not geratene die erfolgreiche Integration im Studium. internationale Studierende reichen. Als Vertretung der deutschen und internationalen Studierenden ■ In der außeruniversitären Forschung tragen sollten die Studierendenschaften allerdings aktiver insbesondere Research Schools zur Gewinnung als bisher in die Internationalisierung miteinbe­ internationaler Doktoranden bei. So werden zogen werden, vor allem in Hinblick auf institutio­ Research Schools der Helmholtz-Gemeinschaft in nelle Kooperation und Zusammenarbeit. Englisch gehalten, die Doktorandenstellen werden weltweit ausgeschrieben mit dem Ergebnis eines Handlungsempfehlungen Ausländeranteils von durchschnittlich 40 Prozent. Die internationalen Doktoranden werden in ihrer Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen ihrer täglichen Arbeit in internationale Forscherteams Zuständigkeit dafür ein, die Hochschulen und Mitt­ integriert und erhalten in den Forschungszentren lerorganisationen bei ihren Aktivitäten zur dauer­ eine umfassende Betreuung. In der Vernetzung haften Gewinnung von mehr „High Potenzials“ zu zwischen außeruniversitären Forschungszentren unterstützen. und Hochschulen werden Forschungsprojekte gefördert, die explizit den Austausch von Doktoran­ ■ Für die weltweit stark umworbene Gruppe mobiler den vorsehen. Studierender mit gutem ersten Abschluss bieten deutsche Hochschulen noch zu wenige oder auch zu wenig profi lierte Studienangebote an. Diese

187 4.10. Studierende sind häufi g in der Lage und bereit, die wesentlich zur Integration ausländischer Studie­ Kosten eines (Aufbau-) Studiums selbst zu tragen, render beitragen. erwarten jedoch inhaltlich, sprachlich und struktu­ rell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Angebote. ■ Neben den Studienangeboten im Inland sollten Diese Angebote werden zunehmend auch „vor Ort“, auch die Studienangebote im Ausland vergrößert also in den Regionen nachgesucht, in denen die werden. Viele internationale Studierende wollen Hauptnachfrage entsteht. von der Ausbildungsqualität und dem Renommee der Abschlüsse von Spitzenhochschulen profi tieren, ■ Internationale Studierende und Doktoranden können oder möch-ten dazu aber (zunächst) nicht sollten eine verstärkte Förderung durch Stipendien ins Ausland gehen. Daher bieten britische, australi­ erhalten, wie dies auch im Ausland selbstverständ­ sche und amerikanische Hochschulen ihre Studi­ lich ist. Dafür sollten mit öffentlichen Mitteln engänge zunehmend auch „vor Ort“, also direkt in Anreize geschaffen werden, aber auch die Wirt­ den Abnehmerländern, an. Die Anbieter erreichen schaft sollte sich hier im wohlverstandenen Eigen­ damit zusätzliche Studierende (und Einnahmen), interesse noch deutlicher engagieren. Schließlich demonstrieren ihre Qualität und ziehen so auch haben Hochschulen in vielen Bundesländern mehr Kandidatinnen und Kandidaten für ein spä­ bereits jetzt oder in naher Zukunft die Möglichkeit, teres (Graduierten-)Studium an der „Mutterhoch­ aus ihren Einnahmen leistungsbezogene Stipen­ schule“ an. dien auszuloben. ■ International Studierende und Doktoranden müssen ■ Der DAAD setzt sich für eine Weiterentwicklung aktiver an Auswahl, Konzeption und Ausgestal­ des Programms PROFIS ein mit dem Ziel einer tung von Integrationsmaßnahmen beteiligt und verstärkten Einbindung deutscher Studierender bei in diese gestaltend eingebunden werden. An den der Integration internationaler Kommilitonen. Hochschulen und in den Studierendenschaften Konzeptionell muss dazu im Bereich professioneller sollte die Partizipation internationaler Studieren­ und ehrenamtlicher Beratung und Betreuung der und Doktoranden gefördert und entsprechende internationaler Studierender weitergedacht und Modelle unterstützt werden. die Mitwirkung der deutschen Kommilitonen an integrationsfördernden, hochschulnahen Orten ■ Studienbegleitende Tandem-Coaching-Programme, verstärkt werden. wie sie etwa durch Initiative einer gemeinnützigen Stiftung in den USA (Bsp. POSSE-Foundation) für ■ Das deutsche Promotionssystem muss für inter­ Studierende aus benachteiligten ethnischen Grup­ nationale Bewerberinnen und Bewerber stärker pen angeboten werden, könnten für Deutschland geöffnet werden. Denn trotz des Zuwachses an Vorbildfunktion haben. internationalen Studierenden stagniert der Anteil internationaler Doktorandinnen und Doktoranden ■ Darüber hinaus könnte der von international an deutschen Hochschulen. Studierenden und Mitarbeiter/-innen wahrge­ nommenen kulturellen Differenz durch ein neu zu ■ Das internationale Profi l deutscher Hochschulen implementierendes Hilfskräfteprogramm bei den sollte ausgebaut werden. Seit 1989 fördert der DAAD Studentenwerken begegnet werden, das Betroffene im Rahmen von Lehraufenthalten an deutschen gezielt zu Akteuren macht. Vorbild wäre hier das Hochschulen längerfristige Gastdozenturen zwischenzeitlich abgeschlossene Tutorenprogramm ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissen­ von Robert-Bosch-Stiftung und DSW, in dessen Rah­ schaftler. Zahlreiche deutsche Hochschulen nutzen men international Studierende (meist) kulturelle seitdem dieses Instrument erfolgreich, um u. a. das Projekte für deutsche und international Studie­ Lehrangebot ihrer Studiengänge unter fachlichen, rende entwickelten und durchführten. methodischen und fremdsprachlichen Aspekten zu erweitern. Zugleich erweisen sich die auslän­ ■ Fachschaften und Fachschaftsräte sollten verstärkt dischen Gastdozentinnen und Gastdozenten als motiviert werden, die Integration internationaler wichtige Multiplikatoren, z. B. beim Ausbau und Studierender bei Ihren Aktivitäten zu berücksichti­ bei der Pfl ege der internationalen Beziehungen gen. Der Bundesverband ausländischer Studierender ihrer deutschen Gasthochschule sowie für die (BAS) schlägt vor, Studierende, die sich aktiv in der Motivation ausländischer Studierender zum Stu­ Integration internationaler Studierender enga­ dium in Deutschland. Dennoch liegt der Anteil des gieren, mit entsprechenden Leistungspunkten zu ausländischen Lehrpersonals erst bei 8,24 Prozent, honorieren. bei Professoren noch niedriger. Hier wäre eine Erhöhung sehr wünschenswert und würde auch

188 4.10. der tatsächlich in Deutschland tätigen ausländischen ■ Hochschulen, Studentenwerke, Studierendenverbände, Wissenschaftler ist jedoch weitaus höher. Studierendenschaften, Ausländerbehörden und wei­ tere Akteure arbeiten vielerorts bereits in ‚Runden Wissenschaft lebt von der Kommunikation und Tischen‘ gemeinsam an der Verbesserung der Rah­ Kooperation mit internationalen Partnern. Hoch­ menbedingungen für internationale Studierende. schulen und Forschungsorganisationen stehen im Solche Kooperationen sind – auch zusammen weltweiten Wettbewerb um die besten Wissen­ mit Vertretern weiterer kommunaler Stellen oder schaftler und haben langjährige Erfahrungen in der Unternehmen – auszubauen, um die Akteure vor konkreten Integration von Wissenschaftlerinnen und Ort für die Sichtweise der jeweils anderen Beteilig­ Wissenschaftlern: ten zu sensibilisieren, so zügige und praktikable Entscheidungen zum Wohle aller zu befördern und Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) zeichnet sich gemeinsam Handlungsstrategien für neue Aufga­ dadurch aus, dass sie in ihren Instituten Wissenschaft­ ben zu entwickeln. lern auf allen Karriereebenen attraktive und wettbe­ werbsfähige Forschungs- und Arbeitsbedingungen ■ Die Erbringung des Finanzierungsnachweises wird bietet. Max-Planck-Institute sind grundsätzlich bundesweit von den Ausländerbehörden unter­ international ausgerichtet und mit Partnerinstitutio­ schiedlich gehandhabt. Die von verschiedenen nen weltweit vernetzt. Diese Voraussetzungen sichern Ausländerbehörden verlangten Beträge differieren einen steten Zustrom exzellent ausgebildeter Forscher um bis zu 600 Euro pro Monat, was auf das Jahr aus aller Welt. Darüber hinaus werden internationale gerechnet einen Unterschied von 7.200 Euro aus­ Fachkonferenzen genutzt, um Spitzenkräfte auf eine macht. Auch die Nachweiszeiten gehen weit ausein­ mögliche Tätigkeit an einem Max-Planck-Institut hin ander. Die Umsetzung der EU-Studentenrichtlinie anzusprechen. Max-Planck-Institute unterhalten jedes sollte hier klare, einheitliche und studierenden­ Jahr über 1.300 größere internationale Kooperationen, freundliche Vorgaben für die behördliche Praxis vor allem mit Partnern in den forschungsstarken machen, damit Bildungsausländer verlässlich Ländern Westeuropas, in Israel, den USA, Japan und planen können. China. Fast 5.000 ausländische Gastwissenschaftler arbeiten heute an Max-Planck-Instituten. Umgekehrt ■ Fast die Hälfte aller Bildungsausländer lebt in fi ndet man Max-Planck-Wissenschaftler als Gäste in einem Studentenwohnheim, für den überwiegenden Forschungsinstituten auf der ganzen Welt. Dieses Teil ist dies auch die bevorzugte Wohnform. Da die Engagement ist Garant für eine führende Rolle der Studentenwerke oftmals den einzig bezahlbaren Max-Planck-Gesellschaft im internationalen Wettbe­ Wohnraum bieten, stellen Bildungsausländer an werb. Ein Viertel der MPI-Direktoren sind Ausländer manchen Standorten über 50 Prozent der Bewoh­ und zunächst als Wissenschaftliche Mitglieder in die nerschaft. Um eine zentrale Grundbedingung für MPG integriert. Vielerorts nehmen sie auch regen gelingende Integration zu schaffen, ist der Ausbau Anteil am örtlichen gesellschaftlichen und kultu­ an Wohnheimplätzen dringend erforderlich. Dabei rellen Leben. Die Integration ausländischer Wissen­ sollte bei der Vergabe der Wohnraumplätze gezielt schaftlerinnen und Wissenschaftler spielt auf indivi­ auf eine integrationsfördernde Zusammensetzung dueller und lokaler Ebene eine wichtige Rolle, auch der Bewohner geachtet werden. wenn wir gerade bei jüngeren Wissenschaftlern nur von einer „vorübergehenden Integration“ sprechen können, denn die meisten kommen mit Stipendien 3.2 Integration ausländischer zu uns oder haben nur befristete Arbeitsverträge. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Betreuung von ausländischen Spitzenwissenschaft­ lern ist ein wichtiges Element in der Integration. Es Ausgangslage gibt fast in jedem Institut Gästebetreuerinnen und -betreuer, die im Vorfeld, zu Beginn und während Für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die eines Forschungsaufenthaltes durch frühe Kontakt­ deutschen Forschungsorganisationen erstreckt sich aufnahme, aktive Unterstützung bei Behördengängen, die wissenschaftliche Zusammenarbeit auf fast alle Banken etc. und durch laufende Betreuungsmaß­ Länder dieser Erde, insbesondere auf die USA, China, nahmen wie z. B. im Rahmen von „Tutorien“ für Aus­ Russland und Indien. Wissenschaft ist ein interna­ länder unseren ausländischen Wissenschaftlern und tionales Phänomen und somit per se integrations­ ihren Partnern und Familien individuell abgestimmte stiftend, allein schon durch die Sprache Englisch als Integrationshilfen bieten. Lingua Franca der Wissenschaft. Die jährlich von HIS und DAAD herausgegebene Studie „Wissenschaft Für die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungs­ weltoffen“ verzeichnet, dass 2004 mehr als 21.000 zentren (HGF) ist die internationale Zusammenarbeit ausländischen Wissenschaftler von deutschen Wis­ als „Essential“ ihrer Arbeit von strategischer Bedeu­ senschaftsorganisationen gefördert wurden. Die Zahl tung. Die HGF ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem

189 4.10. Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Bildungs- und Betreuungsangebote für deren Kin­ Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Die inter­ der ebenso wie die Eröffnung von Beschäftigungs­ nationale Zusammenarbeit in den Helmholtz-Zentren möglichkeiten für (Ehe-) Partner – berücksichtigt gründet sich auf eine lange Tradition und hat sich werden. über Jahrzehnte hinweg vielgestaltig entwickelt. Sie reicht von der klassischen Zusammenarbeit zwischen ■ Das Vorurteil der „Ausländerfeindlichkeit“ in individuellen Wissenschaftlern bis hin zu strate­ Deutschland kann dazu führen, dass Forscher gischen Kooperationen, vom Gastwissenschaftleraus­ aus dem Ausland den Eindruck gewinnen, nicht tausch bis hin zum Aufbau und Betrieb von Großge­ immer willkommen zu sein. Eine Untersuchung der räten in internationaler Arbeitsteilung. In Parallelität Alexander von Humboldt-Stiftung nach Abschluss zu den Versuchen, deutsche Wissenschaftler, die ins ihres Aufenthalts zeigt allerdings, dass nur eine Ausland gegangen sind, zurück zu gewinnen bzw. in verschwindend geringe Zahl von Stipendiaten wäh­ Deutschland zu halten, stoßen die HGF-Zentren bei rend ihres Aufenthaltes tatsächlicher Xenophobie der Rekrutierung ausländischer Spitzenwissenschaft­ begegnet ist. ler oft an die Grenzen der Rahmenbedingungen, die in Deutschland gelten. In den Zentren der Helmholtz- Ziele und laufende Maßnahmen Gemeinschaft arbeiteten 2004 3712 ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Den Ein wesentliches Ziel liegt in der Gewinnung von deut­ größten Teil bildeten die Gastwissenschaftler (1848), lich mehr hoch qualifi zierten ausländischen Wissen­ gefolgt von Wissenschaftlern (753) und Graduierten schaftlern und Lehrenden. Hier haben die deutschen (700). Daneben waren 362 ausländische Postdocs in Hochschulen im internationalen Vergleich Nachhol­ der Helmholtz-Gemeinschaft und 49 Ausländer mit bedarf, was in ähnlicher Form auch für einige der einem sonstigen Status. Die Aufenthaltsdauer in der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zutrifft. Max-Planck-Gesellschaft variiert zwischen bis zu drei Im Vergleich zu den eingangs erwähnten Erfolgen bei und mehr als 36 Monaten. der Rekrutierung von ausländischen Studierenden ist die Zahl ausländischer Professorinnen und Profes­ Für die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wil­ soren an deutschen Hochschulen zu gering – andere helm Leibniz (WGL) sind internationale Kooperati­ Länder sind hier erheblich besser. Lernen lässt sich von onen und Netzwerke besonders wichtig. Ein Beleg den Max-Planck-Instituten, die nicht nur auf Arbeits­ dafür ist zum Beispiel die hohe Zahl ausländischer ebene (etwa zwei Drittel aller Postdoktoranden sind Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaft­ Ausländer), sondern auch auf der Leitungsebene stark ler, die in Leibniz-Instituten forschen. Zu den internationalisiert sind – (mehr als ein Viertel der 262 Besonderheiten der Leibniz-Gemeinschaft inner­ Institutsdirektoren bzw. -direktorinnen der Max­ halb der deutschen Forschungslandschaft und Planck-Gesellschaft besitzt eine ausländische Staatsbür­ deren internationalen Tätigkeiten gehören das gerschaft). Ein zentrales Element für die Steigerung der DAAD-Leibniz-Stipendienprogramm. Attraktivität deutscher Hochschulen für ausländische Professorinnen und Professoren ist die Portabilität von Studien und Erfahrungen dieser Wissenschaftsorga­ Sozialversicherungsansprüchen. Mit der europäischen nisationen zeigen, dass Forscher, die international Forschercharta und dem Kodex für die Einstellung mobil sind, insbesondere in den folgenden Punkten von Forschern ist ein wichtige Diskussion angestoßen auf Schwierigkeiten stoßen: worden, die mittelfristig zur Schaffung der für die uneingeschränkte Portabilität notwendigen gesetz­ ■ In einem anderen Land verbrachte Forschungszeiten lichen Voraussetzungen führen muss. werden nicht immer in angemessener Form auf die weitere Karriereentwicklung angerechnet. ■ Um ausländische Forscher dauerhaft für Deutsch­ land zu gewinnen, bedarf es der Integrationsbemü­ ■ Die deutschen arbeits- und tarifrechtlichen Rah­ hungen während aller Phasen ihres Aufenthaltes. menbedingungen entsprechen den Erfordernissen Eine zentrale Rolle kommt in diesem Kontext den der international konkurrierenden Wissenschafts­ Ausländerbehörden zu, mit denen vor Ort die inten­ systeme nicht immer. sive Zusammenarbeit gesucht und gemeinsam Konzepte für eine positive Aufnahme der Wissen­ ■ Mobilitätskarrieren können in der Praxis zu schaftler erarbeitet werden sollten. Schwierigkeiten beim Aufbau von individuellen Ansprüchen in den jeweiligen Sozial-, insbesondere ■ Nachhaltig erfolgreich war der von der AvH ausge­ die Rentenversicherungssystemen, führen. lobte und dreimal verliehene Preis für die freund­ lichste Ausländerbehörde, der bundesweit große ■ Integrationsperspektiven für die (nachziehenden) Aufmerksamkeit hervorgerufen und zur größeren Familien von Wissenschaftlerinnen und Wissen­ Sensibilisierung der Ausländerbehörden beigetra­ schaftlern sollten – z. B. in Bezug auf regionale gen hat.

190 4.10. ■ Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen an Universitäten trägt jüngst auch ein von der Deut­ Handlungsempfehlungen schen Telekom Stiftung, dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Alexander von Hum­ ■ Es bedarf neuer und konzentrierter Rekrutierungs­ boldt-Stiftung gemeinsam durchgeführter Wett­ maßnahmen im Ausland, um qualifi zierte Wis­ bewerb „Welcome Center für international mobile senschaftler für einen Aufenthalt in Deutschland Forscher“ bei, durch den Modelle für die optimale zu gewinnen. Diese Rekrutierungsmaßnahmen Unterstützung von Forschern geschaffen werden. müssen von Beginn an so angelegt sein, dass Der Wettbewerb dokumentiert, dass zu einer ihnen intensive Betreuungselemente und Integra­ exzellenten Universität nicht nur herausragende tionsperspektiven immanent sind. Dies bedeutet Forschung, sondern auch eine Struktur für die u. a., dass Wissenschaftlern der dauerhafte Ein­ Betreuung international mobiler Forscher gehört. stieg in den deutschen Arbeitsmarkt nicht nur erleichtert, sondern auch zugesagt werden kann ■ Gute Erfolge zeitigen die Programme zur Informa­ (Tenure-Regelungen). tion und Erstberatung von mobilen Forschern. Das im Rahmen des EU-weiten Projektes „Netzwerk von ■ Dabei muss sich die Integration auch auf die Partner Mobilitätszentren“ (ERAMORE) bei der Alexander von und Familien der ausländischen Studierenden und Humboldt-Stiftung angesiedelte Deutsche Mobili­ Forscher beziehen. tätszentrum gibt über eine Bandbreite von Themen (von Stipendienangeboten über Steuern bis Sozi­ ■ Das Forschungsmarketing sollte verstetigt und auf alversicherung) Auskunft. Ein damit verbundenes eine breite konzeptionelle und strukturelle Basis Netzwerk von „Forscherberatern“ unterstützt vor gestellt werden. Im wachsenden Wettbewerbs­ Ort die an Hochschulen und Forschungseinrich­ druck und der zunehmenden Konkurrenz um tungen tätigen ausländischen Forscher. die „besten Köpfe“, um fi nanzielle Ressourcen und das weltweit verfügbare Wissen muss sich der ■ Die Bundesregierung unterstützt das weltweite For­ Forschungsstandort Deutschland noch sichtbarer, schungsmarketing der Mittlerorganisationen, u. a. noch kohärenter und noch zielgerichteter darstel­ über Internetplattformen und Veranstaltungen, len. Eine klare thematische Schwerpunktsetzung um interessierten Wissenschaftlern Möglichkeiten im Zusammenhang mit einer regionalen Strate­ zu bieten, sich vorab und vor Ort über Rahmenbe­ gie muss darauf abzielen, Nachwuchskräfte für dingungen des Lebens und Arbeitens in Deutsch­ Deutschland zu interessieren, sie für die Mitarbeit land zu informieren. Dabei fi ndet ein wichtiger in deutschen Einrichtungen zu gewinnen. Teil der Erstkontakte durch persönliche Gespräche zwischen deutschen und ausländischen Forschern ■ In Umsetzung der Europäischen Forschercharta statt. Seit 2001 fördert das BMBF Maßnahmen des und des Codes für die Rekrutierung von Forschern Forschungsmarketings und verstärkt diese Akti­ sollten die Möglichkeiten für die Anerkennung von onslinie seit 2005; mit der Durchführung sind der Arbeitszeiten für den weiteren Karriereverlauf sowie DAAD und das Internationale Büro des BMBF in enger hinsichtlich der Anwartschaftszeiten für den Auf­ Partnerschaft mit Forschungs- und Förderorganisa­ bau einer adäquaten Altersvorsorge von internatio­ tionen betraut. nal mobilen Forschern optimiert werden.

■ Zu den wichtigen Faktoren der Attraktivität des ■ Gehälter und sonstige Leistungen sollten fl exibel Forschungsstandorts Deutschland zählt der verhandelbar sein, um auch exzellente Wissen­ Aufbau von internationalen Netzwerken, d. h. der schaftler von Weltruf nach Deutschland holen bzw. Gewinnung möglicher Multiplikatoren, die nicht hier halten zu können. Ebenso sollten zu starre dauerhaft in Deutschland bleiben, sondern als Fristenregelungen oder beamtenrechtliche Alters­ „Ambassadors“ für Deutschland tätig sind. So haben beschränkungen vermieden werden. AvH und DAAD mit der Vergabe von Stipendien an Studierende, Doktoranden und hoch qualifi zierten ■ Beim Ehegattennachzug sollte berücksichtigt wer­ Wissenschaftlern und dem Aufbau eines welt­ den, dass die Anwerbung von Spitzenkräften oft weiten Alumninetzwerkes dazu beigetragen, dass von den Nachzugsbedingungen für die Ehepartner Deutschland und die deutsche Forschungsland­ abhängt. schaft im Ausland positiv gesehen werden. ■ Für alle ausländischen Studierenden und Wis­ senschaftler gilt, dass die deutsche Sprache ein wichtiger Integrationsfaktor ist. Das Erlernen der deutschen Sprache sowie die dauernde Pfl ege deut­ scher Sprachpraxis schafft die Bedingungen für eine gute Eingliederung ausländischer studierender

191 4.10. Wissenschaftler und ihrer Familien. Entsprechende Sprachkurse sollten daher angeboten und intensiv wahrgenommen werden.

■ Ausländerfeindliche Vorfälle festigen das Vorur­ teil, Deutschland sei ein fremdenfeindliches Land. Daher sollte es Aufklärungs- und Werbekampag­ nen – etwa nach dem Vorbild der START-Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung – geben, die zur positiven Einstellung gegenüber Ausländern in Deutschland führen.

4. Integration voranbringen: ■ Bezogen auf die Bevölkerung im Alter von 25 bis Potenziale von Bildungsinländern unter 35 Jahren weist der Nationale Bildungsbe­ richt auf der Basis von Daten des Mikrozensus und zugewanderten 2005 aus, dass knapp 14,4 Prozent der Türkinnen Hochqualifi zierten besser und Türken über eine Hochschulreife verfügen, erschließen und fördern während die Anteile bei Angehörigen sonstiger ehemaliger Anwerbestaaten mit 27,3 Prozent und bei Spätaussiedler/innen mit 30,5 Prozent deutlich 4.1. Bildungsinländer und Studium darüber liegen. Bei Personen der entsprechenden Altersgruppe aus den übrigen Herkunftsregionen Deutschland braucht nicht weniger, sondern deutlich ist der Anteil sogar höher als bei den Deutschen mehr Menschen mit erstklassiger Bildung und hochwer­ dieser Altersgruppe ohne Migrationshintergrund tigen Qualifi kationen. Daher ist es von entscheidender mit 39,3 Prozent. Bedeutung, dass der Anteil der jungen Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland ein Stu­ ■ Unterschiede ergeben sich auch mit Blick auf die dium aufnehmen, bzw. eine berufl iche Karriere in der Geschlechterverteilung. Der Bericht 2005 der Wissenschaft anstreben, deutlich steigt. Migrationsbeauftragten belegt, dass der Anteil der ausländischen Schülerinnen, die mit dem Schul­ Ausgangslage abschluss eine Hochschulreife erworben haben, mit 12,1 Prozent deutlich über dem der Schüler mit Der erste Nationale Bildungsbericht hat gezeigt, dass 8,5 Prozent liegt. Hierzu stellt der Bericht weiter bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter­ fest, dass gerade junge Migrantinnen sich durch grund ein erhebliches bislang ungenutztes Potenzial eine hohe Bildungsmotivation auszeichnen. liegt. Allein in der Altersgruppe der 25- bis unter 35-jährigen könnte es mehr als 120.000 Hochschul­ ■ Die Übergangsquote von Bildungsinländern mit absolventinnen und -absolventen mehr geben, wenn Hochschulzugangsberechtigung zu den Hochschu­ Bildungsinländerinnen und Bildungsinländer ebenso len liegt mit 75 Prozent höher als bei den Deutschen wie die gleichaltrige deutsche Bevölkerung ohne ohne Migrationshintergrund (70 Prozent), und zwar Migrationshintergrund gleiche Chancen in Schule gilt das sowohl für die Angehörigen von Anwer­ und Hochschule hätten nutzen können. bestaaten als auch für die „anderen Staaten“. Die Unterschiede bei den Übergangsquoten weisen auf Die tatsächliche Bildungsbeteiligung junger Mitbürge­ die Bedeutung des Bildungsabschlusses der Eltern rinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund ist hin: der Anteil der Eltern mit Hochschulabschluss dabei je nach Herkunftsland unterschiedlich: ist bei den Studierenden aus „anderen Staaten“ mit 55 Prozent deutlich höher als bei den deutschen ■ Aus dem Bericht 2005 der Migrationsbeauftragten mit 45 Prozent; dagegen beträgt er bei den Studie­ geht hervor, dass (im Schuljahr 2002/2003) 40,6 Pro­ renden aus Anwerbestaaten nur neun Prozent. zent der Jugendlichen mit spanischer Staatsange­ hörigkeit eine Schule besuchten, auf der eine Hoch­ Der Eintritt in den Hochschulbereich fi ndet bei schulreife erworben werden kann (Gymnasium, Bildungsinländern zu einem höheren Anteil an Gesamtschule), während dies nur für 27,1 Prozent Fachhochschulen statt; 31 Prozent (aus Anwerbestaaten der türkischen und sogar nur für 22,6 Prozent der sogar 35 Prozent) immatrikulieren sich an einer Fach­ italienischen Jugendlichen zutrifft. hochschule (der Anteil bei den deutschen beträgt nur 26 Prozent). Dies refl ektiert auch den Umstand, dass

192 4.10. mit 21 Prozent ein deutlich höherer Anteil der Bil­ dungsinländer über eine Fachhochschulreife verfügt, ser gelegt, die von zentraler Bedeutung für den als das bei den jungen Deutschen mit zwölf Prozent Bildungserfolg der Kinder sind. der Fall ist. Die Fachhochschulen leisten also einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Mobilität der Bil­ ■ Besonders positiv zu bewerten sind private Initiati­ dungsinländer in Deutschland. ven zur Förderung besonders begabter Studieren­ der mit Migrationshintergrund. Ein Beispiel dafür Markant ist, dass der Anteil von Frauen an den Studie­ ist das „Chancen“-Programm der Vodafone Stiftung, renden in den letzten Jahren zwar kontinuierlich und das begabten Jugendlichen mit Migrationhinter­ rasanter zugenommen hat, aber noch vier bis fünf grund das Studium an einer privaten Hochschule Prozentpunkte unter dem Frauenanteil der deutschen (Kooperationspartner sind z. Zt. Bucerius Law School, Studierenden liegt. Der Bericht 2005 der Migrati- European Business School, WHU und Jacobs University onsbeauftragten stellt dazu – auch mit Blick auf die Bremen) ermöglicht. berufl iche Bildung – fest: „Die Benachteiligung bei der berufl ichen Qualifi zierung von ausländischen ■ Für Studierende, deren Familien aus ehemaligen jungen Frauen setzt sich somit trotz besserer Schulab- Anwerbestaaten stammen und die als erste Gene­ schlüsse auch in der Hochschule fort“. Der Anteil der ration den Zugang zu einer Hochschule geschafft Migrantinnen der zweiten und dritten Generation haben, sollten an den Hochschulen Beratungs-, (d. h. der nicht persönlich Zugewanderten), die eine Betreuungsangebote und Coaching-Programme Hochschulreife erworben haben, beträgt 27,3 Pro­ eingerichtet werden, die den Studienverlauf zent; mit 9,1 Prozent weist gerade mal ein Drittel der begleiten und frühzeitig Hilfe bei Problemen im Studienberechtigten dieser Bevölkerungsgruppe Studium anbieten. Auch hierfür gibt es auslän­ einen Hochschulabschluss auf. Bei den Migranten dische Beispiele, etwa die Posse-Foundation in der zweiten und dritten Generation betragen die den USA, die Studierenden aus ethnischen Minori- Anteile 27,5 Prozent (Hochschulreife) bzw. 11,4 Prozent täten mit hohem Bildungspotenzial und sozialem (Hochschulabschluss). Engagement hilft, im Hochschulmilieu zurecht zu kommen, indem ihnen ein bereits erfahrener Stu- Ziele und laufende Maßnahmen dierender zur Seite gestellt wird und langfristige Lerngruppen mit Personen gleicher Sozialisations- Aus den vorgelegten Daten geht ebenso hervor, dass erfahrungen gebildet werden. es in Deutschland unter den Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund – neben Gruppen mit ■ Die Bundesregierung beabsichtigt im Rahmen der hervorragenden Bildungserfolgen – ein großes unaus­ 22. BAföG-Novelle die Ausdehnung der Förderungsbe­ geschöpftes Potenzial von Begabungen gibt, das besser rechtigung auf junge Ausländer. In die Förderung erschlossen, motiviert und aktiviert werden kann. sollen dabei vor allem diejenigen einbezogen wer­ den, die über ein dauerhaftes Bleiberecht verfügen Auch wenn wesentliche Teile der Bemühungen im oder sich schon länger in Deutschland aufhalten Elementar- und Primärbereich sowie in der Sekundar­ (Bildungsinländer) oder jedenfalls eine dauerhafte stufe I erfolgen müssen und sich die Länder hier erheb- Bleibeperspektive haben. Eine parallele Ände­ lich engagieren steht auch der Hochschulbereich zu rung des SGB III sichert dies zugleich auch für den seiner Verantwortung. Bereich der Berufsausbildungsbeihilfe (ebenfalls im Rahmen des 22. BAföG-Novelle). Handlungsempfehlungen ■ Im Vorgriff auf diese BAföG-Änderung hat das ■ Ein erheblicher Anteil der Studienberechtigten BMBF ab Januar 2007 jungen Ausländern die Mög­ mit Migrationshintergrund macht von den beste­ lichkeit eröffnet, sich bei den Begabtenförderwerken henden Studienmöglichkeiten keinen Gebrauch. zu bewerben. Die Bundesregierung wird daher im Rahmen ihrer Zuständigkeit prüfen, durch welche neuen Maß­ ■ Es sollten mehr Studiengänge oder -schwer­ nahmen Bildungsinländer für die Fortsetzung ihrer punkte angeboten werden, die inhaltlich auf die Qualifi kation motiviert und stärker unterstützt Erfahrungen, Sprachkenntnisse und ggf. weitere werden können. Das bezieht sich auf Programme besondere Kompetenzen der Studierenden mit Mig­ nach dem Beispiel von „Widening Participation“ rationshintergrund eingehen und auf die spätere und „Aimhigher“ in Großbritannien, die auf eine Verwendung in der Berufstätigkeit vorbereiten, stärkere Bildungsbeteiligung von Personen aus etwa in den Bereichen Lehramt und Sozialpäda­ sozial benachteiligten Bezirken zielen. Bei Erfolg gogik sowie in der migrationsspezifi schen wissen- dieser Bemühungen wird nicht nur das Fachkräf­ schaftlichen Forschung. tepotenzial in Deutschland gestärkt, sondern auch der Grundstein für bildungsmotivierte Elternhäu­

193 4.10. 4.2. Integration hochqualifi zierter um die besten Köpfe eine bislang weitgehend unge­ Zugewanderter nutzte Ressource zu erschließen.

Über große Potenziale verfügt auch die Gruppe der Dafür bieten positive Erfahrungen des Garan­ Zuwanderinnen und Zuwanderer, die in den letzten tiefonds Hochschulbereich und des Akademikerpro­ 16 Jahren meist aus osteuropäischen Ländern nach gramms der Otto Benecke Stiftung (OBS) wichtige Deutschland kamen und deren Integration trotz Ausgangspunkte. hoher, vielfach wissenschaftlicher Qualifi kation in weiten Teilen nicht unproblematisch verläuft. Mit dem Akademikerprogramm und dem Garantiefonds- Hochschulbereich werden im Auftrag und mit Mitteln Adressaten einer „nachholenden Integrationspoli­ des BMBF sowie des BMFSFJ von der Otto Benecke Stif­ tik“ (Klaus J. Bade) sind damit auch bereits länger in tung e. V. bereits seit mehr als 20 Jahren akademische Deutschland lebende Zugewanderte, die durch die Zuwanderinnen und Zuwanderer in den ersten zwei Bereitstellung eines Erstangebotes an Integrations­ bis drei Jahren nach der Einreise nach Deutschland maßnahmen besser erreicht werden sollen. Beson­ bei ihrer berufl ichen Integration unterstützt bzw. dere Chancen ergeben sich dabei insbesondere bei auf ein Hochschulstudium vorbereitet. Beim Aka­ der Gruppe der Höher- und Hochqualifi zierten. Die demikerprogramm stehen vor berufsspezifi schen nachholende Integration knüpft an die vorhandenen längeren Qualifi zierungsmaßnahmen fachsprach­ Potenziale an und fördert diese durch passgenaue liche Förderung, Orientierungshilfen mit Praktika Maßnahmen der Qualifi zierung und Beratung mit sowie Seminare wie Bewerbungs- oder interkulturelle dem Ziel der Aufnahme einer ausbildungsadäquaten Trainings im Mittelpunkt. Studienergänzungen, die Erwerbstätigkeit. konzeptionell den Anforderungen des Arbeitsmarktes an die jeweilige Berufsgruppe Rechnung tragen, Zu dieser Gruppe gehören in der überwiegenden werden bundesweit in Kooperation mit ausgewählten Mehrzahl jüdische Immigrantinnen und Immigranten Hochschulen durchgeführt. Sie sollen innerhalb eines sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, die noch kurzen Zeitraums (zwölf bis 15 Monate) die Vermitt­ bis Mitte der 90er Jahre aus unterschiedlichen osteu­ lung der noch fehlenden Kenntnisse und somit die ropäischen Ländern (vornehmlich Rumänien, Polen erfolgreiche Platzierung auf dem 1. Arbeitsmarkt und ehemalige UdSSR) und seit Ende der 90er Jahre ermöglichen. Die Erfolgsquote von ca. 70 Prozent der nahezu ausschließlich aus den GUS-Ländern nach Absolventinnen und Absolventen beweist, dass mit Deutschland gekommen sind. Es handelt sich um einem vergleichsweise geringen zusätzlichen Auf­ einen hochqualifi zierten Personenkreis, der vielfach wand die berufl iche Integration erreicht werden kann. über einen Hochschulabschluss verfügt und seine Das Akademikerprogramm eröffnet Möglichkeiten besonderen fachlichen Kenntnisse und Berufserfah­ der Weiterqualifi zierung, wie sie für vergleichbar qua­ rungen der Aufnahmegesellschaft bereit stellt bzw. lifi zierte deutsche Arbeitslose bislang nicht zur Ver­ bereit stellen könnte. Insbesondere im Hinblick auf fügung stehen. Dies hat zu der Überlegung geführt, den sich in vielen Arbeitsfeldern abzeichnenden bzw. deutsche und zugewanderte Arbeitslose in gemeinsamen, bereits vorhandenen Fachkräftemangel (Ingenieure, aber in sich differenzierten Maßnahmen auf die Integra­ Lehrer oder Ärzte) ist dieses Potenzial von Bedeutung. tion in das Beschäftigungssystem vorzubereiten. Hiermit sollen neben der Vermittlung fachbezogener Kennt­ Den höchsten Anteil (ca. 70 Prozent) an akademisch nisse und Kompetenzen der Erwerb der deutschen gebildeten Zuwanderern fi ndet man unter den Sprache bei den Zugewanderten intensiviert und in jüdischen Immigranten. Diese Zuwanderungsgruppe beiden Gruppen die interkulturelle Kompetenz ver­ steht jedoch aufgrund ihre Altersstruktur dem bessert werden. Für die Zugewanderten bedeutet dies Arbeitsmarkt zum Teil nicht mehr zur Verfügung. auch, dass die Integrationsbemühungen durch die Spätaussiedler verfügen dagegen seltener (maximal gemeinsame Teilnahme bereits früher ansetzen als zehn Prozent) über einen im Herkunftsland erwor­ in den Maßnahmen des Akademikerprogramms, an benen Hochschulabschluss. Auf Basis der in den denen Deutsche nicht teilnehmen können. Seit Okto­ vergangenen 16 Jahren erfassten Zuzugszahlen kann ber 2006 wird dieses Modell unter der Bezeichnung jedoch davon ausgegangen werden, dass in etwa „AQUA – (zugewanderte) Akademikerinnen und Akade­ 220.000 Spätaussiedler mit Hochschulausbildung miker qualifi zieren sich für den Arbeitsmarkt“ in vier nach Deutschland zugewandert sind. Berufsfeldern praktisch erprobt. Die Pilotmaßnahme erstreckt sich über 13 Monate, davon drei Monate in Ziele und laufende Maßnahmen betrieblicher Praxis. Auch wenn nach der Hälfte der Laufzeit der Erfolg, insbesondere die Vermittlung in Deutschland eröffnet sich im Rahmen der nachho­ den ersten Arbeitsmarkt, noch nicht abschließend lenden Integration mit der Förderung der Potenziale beurteilt werden kann, sind die Ergebnisse so ermu­ bereits länger im Land lebender hochqualifi zierter tigend, dass im Oktober 2007 eine deutliche Auswei­ Zugewanderter die Chance, im globalen Wettbewerb tung vorgesehen ist.

194 4.10. Handlungsempfehlungen Stärkere Einbindung und Sensibilisierung der Wirt­ schaft in Bezug auf: Verbesserungen werden insbesondere zu folgenden Punkten vorgeschlagen: ■ Arbeitsmarktrelevanz hochqualifi zierter Zugewanderter, Die staatliche Förderung sollte den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Dies betrifft ■ Ausbau der interkulturellen Kompetenzen inner­ sowohl die Zahl der Geförderten als auch die Perso­ halb der Unternehmen, nengruppen: Bislang sind die Hilfen zur berufl ichen Integration in den Richtlinien des BMBF zum Akade­ ■ Stärkere Einbeziehung der bereits in Deutschland mikerprogramm noch auf Spätaussiedler, jüdische lebenden Zuwanderinnen und Zuwanderer in die Immigranten und Asylberechtigte begrenzt. Grund­ berufl ich-nachholende Integration. sätzlich müsste jede Zuwanderin und jeder Zuwande­ rer, die mit einem Hochschulabschluss nach Deutsch­ Das bisherige Aufnahmeverfahren beinhaltet keine land kommt, an den Qualifi zierungsmaßnahmen Instrumente zur Erfassung mitgebrachter Qualifi ­ teilnehmen können. kationen. Dadurch wird die Möglichkeit für Zuwan­ dernde, an ihre bereits vorhandenen Qualifi kationen Vordringlich sind die Erweiterung des förderberech­ anzuschließen, eher erschwert. Gerade aufgrund tigten Personenkreises und der Ausbau öffentlicher und veränderter Fördermöglichkeiten auch für langjäh­ privater Hilfen zur Unterstützung der nachholdenden rig Geduldete sollte diese Frage rechtssystematisch Integration – auch durch gemeinsame Qualifi zie­ Berücksichtigung fi nden, ebenso sollten neue qualifi ­ rungsmaßnahmen für Menschen deutscher und kationsanalytische Instrumente entwickelt und ihre ausländischer Herkunft. Implementierung in Aufnahme- wie weitere Verfah­ ren erprobt werden. Verfahren und Maßnahmen sollten anhand von Best Practice Beispielen optimiert werden, u. a. in Bezug auf: Zu prüfen ist, in welcher Form Hilfen zur berufl ichen Integration auch denjenigen angeboten werden ■ Lesbarkeit der Anerkennung von Studienabschlüssen können, die bereits vor einigen Jahren nach Deutsch­ und anderen Qualifi kationsnachweisen sowie Stan­ land gekommen sind, jedoch bislang keinen erfolg­ dardisierung von Prüfungsanforderungen, reichen Berufseinstieg in Bezug auf ihre akademische Qualifi kation gefunden haben. Dies könnte eine ■ Anerkennung der Bildungsnachweise und auslän­ zielgenaueren Förderung ermöglichen sowie in Bezug discher Abschlüsse, transparentere Gestaltung des auf die mitgebrachten Kernkompetenzen vielfältigere Verfahrens auf Grundlage vergleichbarer und für Einsatzmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt eröffnen. alle Betroffenen nachvollziehbarer Standards, Künftig sollten daher auch solche Qualifi zierungs­ maßnahmen angeboten werden, die einen Berufsein­ ■ Ausbau und Intensivierung der Sprachförderung stieg auf mittlerer Ebene ermöglichen, wenn eine (höhere Unterrichtsstundenzahl, mehr Kommuni­ berufl iche Position auf dem Niveau des mitgebrachten kationstraining, berufsbezogene Fachsprachlich­ Hochschulabschlusses realistisch nicht mehr erreich­ keit) unter Nutzung des ESF-BAMF-Sprachprogramms bar erscheint. in der Förderperiode 2007 bis 2013, Entsprechend sollte das Zielgruppenverständnis erweitert und am Leitbild der berufsrelevanten Bil­ dung im Lebensverlauf orientiert werden.

Bei der OBS und dem BAMF sind die entsprechende Erfahrungen vorhanden.

195 4.10. 5. Migrations- und Integrations­ ■ Lehrveranstaltungen zur Thematik „Migrations- und forschung stärken: Faktoren Integrationsforschung“ werden an Universitäten und Fachhochschulen von verschiedenen Diszipli­ gelingender Integration unter­ nen angeboten. Das Angebot erfolgt häufi g nicht suchen, Datenbasis verbessern regelmäßig und systematisch sowie teilweise ohne Vermittlung von Berufsperspektiven. Ausnahmen Mit der Entwicklung Europas zu einer der bedeutends­ bilden die an zahlreichen Universitäten (z. B. in ten Zuwanderungsregionen der Welt sind Migration Hamburg, Münster, Essen, Köln, FU Berlin, Landau) und Integration auch in Deutschland zu wichtigen etablierten Diplomstudiengänge mit den Schwer­ Forschungsthemen geworden. Die Entwicklung der punkten „Interkulturelle Pädagogik“, die inzwi­ Migrations- und Integrationsforschung in Deutsch­ schen vielfach im Rahmen der Umstellung auf land spiegelt dabei ein Stück weit den Verlauf der entsprechende Bachelor- und Masterstudiengänge Migrationsprozesse wider. Die sich allmählich durch­ umgewandelt oder als Module in neue Masterpro­ setzende Einsicht, dass internationale Migration, gramme mit sozialwissenschaftlicher Ausrichtung Zuwanderung und Integration strukturelle Phäno­ eingebunden wurden. mene der modernen Gesellschaft und kein vorüber­ gehendes Phänomen sind, hat zu einer Institutionali­ ■ Seit dem Wintersemester 2005/2006 existiert z. B. sierung der Migrations- und Integrationsforschung in an der Universität Osnabrück der Master-Studien­ unterschiedlichen Fachdisziplinen geführt. gang „Internationale Migration und interkulturelle Beziehungen (IMIB). Dieser Studiengang ist inter­ Ausgangslage disziplinär ausgerichtet unter Beteiligung der Diszi­ plinen Soziologie, Geschichtswissenschaft, Sprach­ ■ Neben einzelnen Forschern/innen, die sich aus wissenschaft, Erziehungswissenschaft, Geografi e, jeweils disziplinspezifi scher Perspektive mit ver­ Psychologie, Rechtswissenschaft und Religionswis­ schiedensten Themen in diesem Feld beschäftigen, senschaft. Weitere Studiengänge dieser Art sind im gibt es mittlerweile auch eine Reihe von multi- bzw. Entstehen, etwa an der Universität Oldenburg. interdisziplinär ausgerichteten Forschungsinstituti­ onen, wie z. B. das „European Forum for Migration ■ Eine gezielte Förderung wissenschaftlichen Nach­ Studies“ (efms, Bamberg), das Institut für Migra­ wuchses im Bereich der Migrations- und Integra­ tionsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS, tionsforschung fand über neun Jahre im von 1995 Universität Osnabrück), das Institut für Migrations­ bis 2005 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft studien, Interkulturelle Pädagogik und Zweispra­ geförderten Graduiertenkolleg „Migration im chendidaktik (IMAZ, Universität Duisburg-Essen), modernen Europa“ am Institut für Migrationsfor­ das Interdisziplinäre Zentrum für Bildung und schung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Uni­ Kommunikation in Migrationsprozessen (IBKM, versität Osnabrück statt. Insgesamt konnten hier Universität Oldenburg), die interdisziplinäre For­ 44 direkt und über andere Stipendien kooptierte schungsstelle für interkulturelle Studien (FiSt, Uni­ Kollegiatinnen und Kollegiaten sowie drei Post­ versität Köln), oder das neu gegründete Regionale doc-Forscherinnen und Forscher gefördert werden. Forschungsforum Migration (Universität Bremen/ Auch im Rahmen der seit 2003 von der VW-Stiftung Universität Oldenburg). Darüber hinaus wurde geförderten interdisziplinären und internationa­ auch im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge len Studiengruppen zum Thema „Migration und (BAMF) eine Forschungsgruppe eingerichtet. Integration“ werden zahlreiche Nachwuchswis­ senschaftler und – wissenschaftlerinnen weiter ■ In zahlreichen wissenschaftlichen Vereinigungen qualifi ziert. (z. B. Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Deutsche ■ Die Forschung operiert mit einer Vielzahl von Inte­ Vereinigung für politische Wissenschaft, Deutsche grations-Konzepten (z.B. Akkulturation, Akkomo­ Gesellschaft für Demographie) sind Arbeitsgrup­ dation, Assimilation, Inklusion etc.) und diversen pen oder Sektionen dauerhaft mit Migration und Defi nitionen des Begriffs „Integration“ selbst. Ein Integration befasst. Gleichzeitig treten immer übergreifender Konsens, was unter Integration zu neue Strukturierungen und internationale Koope­ verstehen sei, scheint schwierig, weil Integration rationsnetze hervor – zuletzt das vom Institut für sowohl ein normatives als auch ein analytisches Migration und Ethnische Studien (IMES)/Amster­ Konzept darstellt und die dabei als wichtig erach­ dam initiierte europaweite Network of Excellence teten Aspekte und Dimensionen sich im Verlauf „International Migration, Integration and Social der Zeit verändern. Eine allgemein akzeptierte Cohesion in Europe“ (IMISCOE). Theorie der Integration zu entwickeln, dürfte kaum möglich sein. Es bleibt die Aufgabe, eine operatio­ nale Arbeitsdefi nition zu entwickeln, die über den engeren Forschungsbereich hinaus praktische Rele­

196 4.10. vanz hat, d. h. auch in Politik, Öffentlichkeit und eine sorgfältige, auf empirisch belastbare Ergeb­ bei den Praktikern der präventiven, begleitenden nisse zielende Untersuchung von Störungen in und nachholenden Integrationsarbeit verwendet laufenden Integrationsprozessen sowie von bislang werden kann. vorwiegend publizistisch skandalisierten, aber nicht zureichend untersuchten Phänomenen wie Ziele und Anforderungen an die Forschung beispielsweise der fl ießenden Grenze von „vermit­ telten Ehen“ und „Zwangsheiraten“ in bestimmten ■ Vergleichende Untersuchungen zur sozialstruktu­ sozialen oder kulturellen Segmenten der Einwan­ rellen Position und zu den Lebenschancen von dererbevölkerung . Sorgfältige wissenschaftliche Migranten in verschiedenen Zuwanderungslän- Untersuchung ist das beste Mittel zur Erkundung dern zeigen, dass es unterschiedliche Erfahrungen der Ausnahme/Regel-Konstellation und gegen mit der Eingliederung von Migranten gibt. Dabei publizistische Hysterie. hängen die Chancen struktureller Integration in die gesellschaftlichen Funktionsbereiche sowie ■ Die Konzentration auf die Defi zitperspektive ver­ die Möglichkeiten der Partizipation von einem stellt den Blick auf eine empirisch fassbare Wirklich­ komplexen Bedingungsgefl echt ab. Diese vielfäl­ keit der Migrations- und Integrationsverhältnisse, die tigen sozialen, politischen, ökonomischen und diese einseitige Betonung nicht rechtfertigt. So kulturellen Bedingungen (auf Seiten der Zuwande­ haben z. B. einige jüngere Arbeiten darauf hinge­ rerbevölkerung wie der Mehrheitsgesellschaft ohne wiesen, dass sich insbesondere in den europäischen Migrationshintergrund) werden in politischen Pro- Nationalstaaten eine hohe Toleranz gegenüber grammen zur Integration in der Regel nur unzu­ kultureller Pluralisierung, den damit verbundenen reichend berücksichtigt. Forschung, die an diesen regionalen, ethnischen oder nationalen Formen Fragen ansetzt, muss daher diese Bedingungen der Artikulation kollektiver Zugehörigkeit sowie möglichst umfassend in die Analyse mit einbezie­ migrationsinduzierter Mehrsprachigkeit entwi­ hen und die gegenseitigen Beeinfl ussungen klären. ckelt hat. Mit Blick auf künftige politische Gestal- Während es eine große Anzahl von Forschungen zu tungsperspektiven erscheint es deshalb nötig, Fragen struktureller Integration gibt (Arbeitsmarkt, die – in aller Regel unauffälligen und deshalb ana- Unternehmertum, Staatsbürgerschaft), fehlen weit­ lytisch viel schwerer zu greifenden – Normallagen gehend Studien zu den Folgen von Politiken, die der Integration sowie die wirtschaftlichen, sozialen strukturelle Integration fördern sollen und in Ver­ und kulturellen Integrationspotenziale der sich bindung damit zur Eigendynamik von Integrations- herausbildenden und stets wandelnden Einwan­ und Assimilationsprozessen, deren Verlauf jeweils derungsgesellschaft stärker in den Blickpunkt der nur bedingt Ergebnis fördernder Intervention ist. Forschung zu rücken.

■ Eine besondere Rolle bei Integrationsprozessen ■ Neben der Konzentration auf Integrationsprozesse kommt dem Faktor Zeit zu. Ergebnisse der ameri­ von Migranten sollten auch die Veränderungspro­ kanischen und europäischen Forschungsdiskus­ zesse der Einwanderungsgesellschaft durch Zuwande­ sion zeigen, dass sich die Integrationsverläufe der rung und Integration untersucht werden. Aktuelle jüngeren Einwanderergenerationen trotz durchaus Analysen zur Ausrichtung der Integrationsfor­ unterschiedlicher sozialer, politischer und kulturel­ schung machen deutlich, dass der Einfl uss von ler Rahmenbedingungen nicht grundsätzlich von Zuwanderung auf die Sozialstruktur der Aufnah­ denen der Generationen früherer Jahrzehnte und megesellschaft (vertikal im Sinne von ethnischer Jahrhunderte unterscheiden. Entsprechend sollten Schichtung und horizontal im Sinne von sozialer Integrationsverläufe als häufi g lebensfüllende Lang- Differenzierung) kaum erforscht ist. Das Gleiche zeitentwicklungen sowie auch als intergenerative gilt für die Frage nach dem Einfl uss von Zuwande- Kultur- und Sozialprozesse verstanden und beob­ rung auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt achtet werden. (Kohäsion) der Aufnahmegesellschaft im Kontext wirklicher oder antizipierter ethnisch-kulturell- ■ Die Integrationsforschung ist immer noch stark religiös motivierter Konfl ikte und ihrer Lösung. auf die Analyse von Problemen konzentriert bzw. von einer Defi zitperspektive geprägt, die sich in Alarmbegriffen wie soziale Herausforderung, Kon­ fl ikt, Abgrenzung, Defi zienz, Desintegration, Krise, Erosion, Parallelgesellschaft etc. spiegeln. Die ver­ kürzte Fokussierung auf Phänomene wie Kriminali­ tät und Gewalt oder Devianz und Traditionalismus bei Zuwanderern vermittelt aber der Politik ein einseitiges Bild und lenkt sie damit zur Verstärkung restriktiver/repressiver Maßnahmen. Notwendig ist

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Handlungsempfehlungen ■ Evaluierung der Leistungsfähigkeit von konzept­ orien tier ter kommunaler Integrationspolitik. Obwohl Die Bundesregierung wird die Migrations- und Inte­ die Kommunen die entscheidenden Moderatoren grationsforschung im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Integration sind, existiert eine Informationslü­ durch die wettbewerbliche Vergabe von Studien- und cke hinsichtlich der Umsetzung und der Ergebnisse Forschungsaufträgen weiter gezielt fördern. von Integrationsmaßnahmen. Daher sollten die laufenden Bemühungen um die Identifi zierung Erforderlich sind interdisziplinäre Forschungsanstren­ geeigneter Datengrundlagen und die kontinu­ gungen in folgenden Bereichen: ierliche Datenerhebung für die Beobachtung der laufenden Integrationsprozesse intensiviert wer- ■ Erkundung der Bestimmungsfaktoren, Entwicklungs­ den. Auch die Entwicklung der bereits bestehenden bedingungen und Entwicklungslinien von Integration Ansätze zur Integrations(daten)berichterstattung als eigendynamischem und interdependentem, auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sollte langläufi gem, intergenerativem Kultur- und intensiviert werden. Sozialprozess mit fl ießenden Grenzen zur Assimila­ tion. Um dies zu erforschen wird, stärker als bisher, ■ Erprobung der Belastbarkeit von in der inter­ ein Akzent auf qualitativ und quantitativ angelegte nationalen Forschungsdiskussion entwickel- Längsschnittstudien zu legen sein. Gerade sie sind ten Indikatoren für die Einschätzung laufender in der Lage, wissenschaftlich fundierte Aussagen Integrationsprozesse. zu kurz- oder langfristig wirksamen Phänomenen im Integrationsgeschehen vorzunehmen. Dazu ■ Kontinuierliche wissenschaftliche Prozessbeobach­ bedarf es einer konsequenten Berücksichtigung der tung und Interventionsberatung durch ein streng Variablen „Migrationshintergrund“ auch bei sozial­ wissenschaftlich zusammengesetztes interdiszip­ wissenschaftlichen Untersuchungen, die nicht im linäres Gremium auf Bundesebene. Rahmen expliziter Migrations- und Integrationsfor­ schung durchgeführt werden.

■ Entwicklung, Erprobung und Evaluierung von Kon­ zepten zur Integrationsförderung mit Maßnahmen begleitender präventiver sowie nachholender Integrationspolitik.

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Mitglieder

Leitung: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Michael Thielen Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung

Dr. Susanna Schmidt Leiterin der Abteilung Strategie- und Grundsatzfragen im BMBF

Prof. Dr. Klaus J. Bade Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), Universität Osnabrück

Dr. Christian Bode Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes

Dr. Dorothea Rüland stellv. Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes

Dr. Christiane Gaethgens Generalsekretärin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK)

Dr. Michael Harms Hochschulrektorenkonferenz

Johannes Glembek Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands ausländischer Studierender

Achim Meyer auf der Heyde Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks

Prof. Dr.Anthony Ho Universität Heidelberg

Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu Universität Bremen

Dr. Axel Kreienbrink Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Dr. Lothar Theodor Lemper Geschäftsführender Vorsitzender der Otto Benecke Stiftung e. V.

Dr. Bernhard Lorentz Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland

Dr. Heinrich Neugebauer Verein zur Integration russlanddeutscher Aussiedler

Prof. Dr. Faruk Sen Zentrum für Türkeistudien

Dr. Andreas Goldberg Zentrum für Türkeistudien

Dr. Andreas Schlüter Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft

Dr. Volker Meyer-Guckel stellv. Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft

Dr. Sebastian Schmidt Geschäftsführer der Helmholtz-Gemeinschaft (HGF)

Dr. Georg Schütte Generalsekretär der Alexander von Humboldt Stiftung

Dr. Ulrike Albrecht Leiterin der Abteilung strategische Planung und Außenbeziehungen der Alexander von Humboldt Stiftung

Malgorlzata Wiktoria Steiner Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes

Für die Kultusministerkonferenz:

MinDirig Dr. Wolfgang Eberbach Thüringer Kultusministerium

MinDirig Heiner Kleffner Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Arbeitsgruppe wurde unterstützt von: Elke Albrecht (BMBF), Kathrin Ankele (Vodafone-Stiftung), Ralf Birle (BMBF), Berit Dannenberg (HGF), Dr. Dorothea Fohrbeck (Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration), Dr. Birgit Galler (BMBF), Dr. Berthold Neizert (Max-Plack-Gesellschaft), Dr. Rolf Reinert (BMBF), Thomas Schmidt (Kanzleramt), Ulrich Schüller (BMBF)

Redaktion: Dr. Ulrich Jahnke, BMBF

199 Impressum

Herausgeber Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 11044 Berlin

Stand Juli 2007

Ausführliche und aktuelle Informationen unter www.Nationaler-Integrationsplan.de www.integrationsbeauftragte.de www.bundesregierung.de

Gestaltung MEDIA CONSULTA Deutschland GmbH

Druck Koelblin-Fortuna-Druck, Baden-Baden

Bildnachweis Seite 6, 7, 46, 138, 156: Bundesregierung Seite 36, 60, 86, 126, 182: Picture Alliance Seite 108, 172: Getty Images