Deutschland

a ist sie wieder, diese Frage, die Katrin Göring-Eckardt nicht leiden Zweite Reihe Dkann. Eine Frau aus dem Publikum hat sie gestellt, es geht darum, dass dort oben auf der Bühne drei Männer stehen. Parteien Niemand hat so viel für Gleichberechtigung und Und nur eine Frau. Göring-Eckardt senkt Frauenförderung getan wie die Grünen. Trotzdem haben sie den Blick, sie steht ganz still. ein Frauenproblem. Warum? Es ist der vergangene Samstag, die Grü - nen haben in zum Urwahlforum ge - laden, hier stellen sich die vor, die den Bundestagswahlkampf der Partei anführen wollen. Einen Mann und eine Frau wird die Basis wählen, so will es das Prinzip der grünen Doppelspitze. Nur: Die Spit - zenfrau ist bereits gesetzt, Katrin Göring- Eckardt tritt ohne Gegenkandidatin an. Also diese Frage, mal wieder: „Was willst du unternehmen, um mehr Frauen für eine Spitzenkandidatur zu begeistern?“ Beim nächsten Mal, so die Frau aus dem Publikum, solle es eine „größere Auswahl“ an Frauen geben. Göring-Eckardt räuspert sich, dann sagt sie, dass sie sich das „nicht gewünscht“ und niemanden unter Druck gesetzt habe, nicht zu kandidieren. Konsequenzen? Hält sie nicht für nötig: „Ich glaube, dass wir nicht mehr über Frauenförderung reden müssen auf dieser Ebene“, sagt sie, „wir haben ziemlich viele ziemlich gute Frauen in unserem Laden.“ Doch wo sind sie, diese Frauen? Gegen Göring-Eckardt wollte keine kandidieren. Und bei der letzten Wahl der Parteivorsit - zenden fand sich nur eine Außenseiterin, die gegen antrat. Bis heute ist außerdem unklar, wer Peter beim nächs - ten Parteitag ablösen könnte. Die Partei - chefin ist unbeliebt wie nie, die Chance, gegen sie zu gewinnen, groß. Trotzdem bringt sich bisher keine Frau in Stellung. Ein Frauenproblem also. Bei den Grü - nen. Ausgerechnet. Keine andere Partei hat so viel für Frau - enförderung getan wie die Grünen. Schon seit 30 Jahren gilt das „Frauenstatut“, in dem eine 50-Prozent-Quote, ein Frauenrat, eine Art eigener Parteitag für Frauen sowie allerlei weitere Vehikel der Gleichberech - tigung festgeschrieben sind. Bei Versamm - lungen ist die Rednerliste quotiert, das gilt auch für die Fraktionssitzung. Sogar beim Urwahlforum in Berlin waren die Publi - kumsfragen gegendert, es gab zwei Boxen, aus denen abwechselnd gezogen wurde – eine für Frauen und eine für alle. Tatsächlich haben die Grünen mehr Wählerinnen als Wähler. In keiner anderen

F Partei ist der Anteil der Frauen bei den I A L

/ Mitgliedern größer. Durch die Quoten sind

K C

E alle Posten geschlechtergerecht aufgeteilt, B M A

L bis in die Partei- und Fraktionsspitze. 34 P

N

A der 63 Bundestagsabgeordneten sind weib - I T S I

R lich, das sind 54 Prozent. H C

S Doch nicht in allen Bereichen hat das N A

H etwas verändert, die Themenaufteilung ist Spitzengrüne Peter, Göring-Eckardt: Männer dominieren die Debatten oft klassisch. Um Familienpolitik küm -

38 DER SPIEGEL $ / #!"% mern sich fast nur die Parlamentarierinnen, onsvorsitzende war. Die junge Frauenriege habe versucht, Trittins Art der Kommu - von elf Mitgliedern im Arbeitskreis sind bei den Grünen ticke anders als die alte. nikation zu kopieren – ohne Erfolg. „Das neun Frauen. Die beiden Männer sind für „Bei den Älteren ging es nie um weniger passt nicht zu mir.“ Forschungs- beziehungsweise Drogenpoli - als die Rettung der Welt.“ Die Risikobe - Nach wie vor funktionieren die Netz - tik zuständig. Im Arbeitskreis Außenpolitik reitschaft sei deswegen viel größer gewe - werke der Männer viel besser als die der sitzen dagegen sieben Männer und nur sen, so Sager. Und Spitzenposten würden Frauen. „Männer haben eher andere Män - drei Frauen. einem nicht auf dem Silbertablett präsen - ner auf dem Zettel“, sagt Krista Sager. Die In der Öffentlichkeit ist das weibliche tiert, die müsse man sich schon erkämpfen. Frauen sind dagegen immer noch Einzel - Spitzenpersonal der Grünen deutlich weni- Die Grünen sind nicht frei von Männer - kämpferinnen. Göring-Eckardt etwa be - ger bekannt als die Männer, am ehesten kumpanei, von Sexismus, auch das wird hauptet, dass sie jüngeren Kolleginnen kennt man die Älteren wie klar bei dieser Suche nach den Gründen. häufig Anfragen für Talkshows oder Inter - und Renate Künast, die schon seit Jahr - Grüne Politikerinnen jeden Alters be - views weiterleitet, doch die sagen, das zehnten dabei sind. Fraktionschefin Gö - richten, dass es in ihrer Partei zwar besser wäre ihnen neu. Im Gegenteil: Anfragen, ring-Eckardt schaffte es vergangenes Jahr sei als in anderen, aber noch lange nicht die bei der Pressestelle für die Jungen zwar einmal unter die 20 beliebtesten Poli- gut. Hübsche blonde Frauen bekämen eingingen, würden stattdessen von Gö ring- tiker (Platz 19), doch 33 Prozent der Be - mehr Aufmerksamkeit als andere. Abge - Eckardt beantwortet. Auch Bärbel Höhn, fragten kannten sie nicht. ordnete bekommen zu hören: „Ich geb dir Vorsitzende des Umweltausschusses, teilt Der Kampf um Einfluss und Inhalte wird mal ’nen Ratschlag, sei nicht so verbissen.“ sich das Scheinwerferlicht anscheinend bei den Grünen unter Männern ausgetra - Wenn sie häufig Infomaterial oder Rede - nicht gern. Fraktionsmitarbeiter berichten, gen. Sie sind die, die präsent sind: ob Win - zeit beantragen, sagen ihnen Kollegen, wie sie mit jungen Kolleginnen, die ihr fried Kretschmann, der Ministerpräsident dass sie „überambitioniert“ und „karriere- Themenfeld bearbeiten, um jeden Auftritt aus Baden-Württemberg, oder Jürgen Trit - geil“ seien, während ihre männlichen Al - konkurriert. Dabei wird Höhn nicht ein - tin, der eigentlich nur noch einfacher Ab - tersgenossen nur als ehrgeizig gelten. Ein mal mehr für den antreten. geordneter ist, oder Boris Palmer, Bürger - paar der Frauen treffen sich alle zwei Sit - Bei den Männern ist das anders: „Es gibt meister der mittelgroßen Stadt Tübingen. zungswochen, um sich darüber „auszukot - langjährige Männernetzwerke, die gut Sie dominieren die Debatten der Bundes - zen und abzureagieren“. funktionieren, auch flügelübergreifend“, partei, sowohl intern als auch öffentlich, Was bei Männern noch recht niedlich attestiert die grüne Abgeordnete Annalena mal inhaltlich, mal mit ihren Machtkämp - Hahnenkampf genannt wird, ist bei Frau - Baerbock. Reinhard Bütikofer etwa, Ex - fen. Den Frauen gelingt das nicht. en direkt der Zickenkrieg. Den stolzen parteichef und EU-Abgeordneter, hat sich Warum nur? Liegt es an den Frauen? über Jahre ein paar mächtige Männer „ran - Sind sie weniger machtbewusst als die Nach wie vor funktionieren gezüchtet“, wie grüne Frauen neidvoll Männer? Oder gibt es ein Problem bei den anerkennen: Cem Özdemir, Robert Ha - Grünen, hat sich hinter der Fassade von die Netzwerke der beck, Tarek Al-Wazir und Quoten und formaler Frauenförderung Männer viel besser als gehören dazu, sie alle haben nun einfluss - eine frauenfeindliche Kultur erhalten? reiche Posten. Steht einer der Männer in Eine Suche nach den Gründen. die der Frauen. der Kritik, helfen die anderen aus. Für Katrin Göring-Eckardt ist die Sache Die grünen Männer wollen denn auch klar: Die Frauen sind selbst schuld. Sie sind Tieren mit wichtiger Weckfunktion, die kein Frauenproblem in ihrer Partei sehen: einfach zu ängstlich. Es sei wichtig, dass kämpfen, stehen meckernde Weibchen ge - „In dieser Partei? Mit all ihren Quoten?“, „wir es schaffen, dass Frauen sich trauen“, genüber, im Krieg. Aus Angst vor dem schnauft einer entrüstet. Die Frauen hätten sagt sie beim Urwahlforum auf offener Büh - Vorwurf des „Zickenkriegs“ schlossen Gö - doch die Hälfte der Posten, das müsse rei - ne. Sie selbst „habe ja letztes Mal die Kon - ring-Eckardt, Künast und Roth bei der chen, sagt ein anderer. Fragt man Jürgen kurrenz auch nicht gescheut“. Gegen „zwei Urwahl 2013 gar einen Pakt. Sie verspra - Trittin, ob Frauen bei den Grünen wirklich starke Frauen“ sei sie angetreten, Roth und chen sich, nicht zu aggressiv gegeneinan - gleichberechtigt sind, überlegt er lange. Künast. „Mir fällt eine lange Liste von Frau - der Wahlkampf zu führen, damit der Be - Dann: „Ich glaube, wir sind besser als die en in der Fraktion ein, denen ich immer griff gar nicht erst aufkommen konnte. anderen, aber wir sind noch lange nicht sage: Frauen, traut euch, macht das jetzt, Offen angesprochen haben sie das Thema gleichberechtigt.“ In 13 Landtagsfraktio - geht nach vorne, ihr könnt das.“ damals nicht. nen sei die Doppelspitze abgeschafft wor - Die jüngeren Frauen, die für einen he - „Männer und Frauen kommunizieren den, 9 davon führten nun Männer. rausgehobenen Posten in Fraktion und Par - anders, auch bei den Grünen“, sagt Renate Claudia Roth sieht aus ganz anderen tei infrage kommen, lassen ihre Zurück - Künast, 61, Exbundesministerin und acht Gründen schwierige Zeiten für ihre Kolle - haltung als Taktik erscheinen. „Für mich Jahre lang Fraktionsvorsitzende. Als Bei - ginnen: „Was grünen Frauen an sexuali - ist es noch nicht relevant anzutreten“, sagt spiel schildert sie dann eine Szene aus siertem Hass entgegenschlägt, ist schlimm“, eine, der viele eine große Karriere zutrau - dem Parteirat, die ihr bei dem Thema im - sagt sie. Man werde anders beleidigt, „man en. Sie sei jung, habe Zeit, wolle „nicht mer einfällt. „Sagt mal, müssten wir nicht ist nicht nur dumm, wie die Männer, son - verheizt werden“. Eine andere hat kleine erst einmal folgende zwei Fragen klä - dern auch hässlich, fett, soll vergewaltigt Kinder, da passe eine Kandidatur nicht „in ren?“, fragte Künast damals. Von den An - werden und so weiter und so fort“. Das den familiären Zeitplan“. Und eine dritte wesenden kam keine Reaktion. Kurze Zeit müsse man erst einmal aushalten können. erzählt, dass es mit Katrin Göring-Eckardt später redete Jürgen Trittin, „sagte fast Gerade die Frauen mit Kindern warte - ja schon „ein gutes Angebot“ gebe. Da das Gleiche wie ich, aber in einem ande - ten auch deswegen in zweiter Reihe, sagen müsse sie sich die Belastung nicht antun. ren Duktus“. Der habe keine Frage ge - sie. Zumindest, bis die Kinder größer seien. Zu früh, zu stressig, das klingt tatsäch - stellt, sondern klar heraus gesagt: „Ich Danach hätten sie mehr Energie, um das lich nicht nach dem nötigen Machtwillen sage, wir klären jetzt zwei Dinge vorab: besser zu ertragen. Und die Ellenbogen für politische Spitzenämter. „Das Zaudern erstens, zweitens.“ Künast drückt den Rü - wieder auszufahren, um sich einen Platz der jungen grünen Frauen ist ein Problem“, cken durch und reißt die Augen auf: „Bei neben den Männern zu erkämpfen. Roth sagt Krista Sager, die die Partei zwei Jahre einigen hat man schon die Hacken unten ist optimistisch: „Sie werden sich in Zu - lang führte und später drei Jahre Frakti - zusammenschlagen hören“, witzelt sie. Sie kunft sicher trauen.“ Ann-Katrin Müller

DER SPIEGEL $ / #!"% 39