Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009

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Titelbild: Bahnhofsuhr in Horka

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mofair e. V. Netzwerk Privatbahnen – Vereinigung Europäischer Eisenbahngüterverkehrsunternehmen e. V. Dr. Engelbert Recker Arthur-Iren Martini Hauptgeschäftsführer Geschäftsführer Nimrodstr. 28 Am Weidendamm 1a 13469 Berlin 10117 Berlin Telefon: +49 (0)30 60 46 83 Telefon -49 (0)30 59 00 99-626 Internet: www.mofair.de Internet: www.netzwerk-privatbahnen.de E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

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Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des SPNV e. V. Arnd Schäfer Geschäftsführer Hardenbergplatz 2 10623 Berlin Telefon: +49 (0)30 59 00 21-27/28 Internet: www.bag-spnv.de E-Mail: [email protected]

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Charlottenstraße 65 Autoren 10117 Berlin Michael Holzhey, Felix Berschin, Ingo Kühl, René Naumann Telefon: +49 (0)30 21 00 27 -70 Internet: www.kcw-online.de Abbildungen und Layout E-Mail: [email protected] André Darmochwal

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V. i. S. d. P.: Dr. Engelbert Recker, mofair e. V., Arthur-Iren Martini, Netzwerk Privatbahnen e. V.

Kapitelbild: Fußgängerpasserelle Hannover Hbf Inhalt

Das Wichtigste auf fünf Seiten ...... 11

Wettbewerb in Zahlen ...... 16

1 Hintergrund und Ziel des Reports ...... 19

2 Schienenpersonennahverkehr ...... 23 2.1 Stand des Wettbewerbs 2009 – Mehr Schein als Sein ...... 25 2.2 Prognose bis 2015/2020 ...... 38 2.3 TOP-Hindernis 1: Überkompensation der DB AG zementiert Marktbeherrschung ...... 44 2.3.1 Beihilfeverfahren der EU-Kommission zum Verkehrsvertrag Berlin/Brandenburg ...... 48 2.3.2 Beihilfebeschwerde gegen möglichen VRR-DB-„Deal“ ...... 50 2.3.3 Wer unterbietet wen mit welchen Mitteln? Beihilfebeschwerde gegen Dumping ...... 54 ¬ 4/0 (INDERNIS¬¬&AHRZEUGlNANZIERUNG¬IN¬DER¬7IRTSCHAFTSKRISE ...... 58 2.5 TOP-Hindernis 3: Vertriebsmonopol der DB AG bei Einnahmerisiko ...... 60 2.6 Weitere Hindernisse ...... 63 2.6.1 Renaissance der Direktvergaben? ...... 63 2.6.2 Planbarkeit der Vergabeverfahren ...... 64

3 Schienengüterverkehr ...... 67 3.1 Stand des Wettbewerbs 2009: Überlebenskampf in der Krise ...... 67 3.2 Prognose bis 2015 ...... 73 3.3 TOP-Hindernis 1: Netzrückbau ...... 74 3.4 TOP-Hindernis 2: Bahnstrom-Monopol ...... 76 3.5 TOP-Hindernis 3: Mängel in der Betriebsqualität des Netzes ...... 80 3.6 Weitere Wettbewerbsbarrieren ...... 84 3.6.1 Verfügbarkeit von Schienenfahrzeugen ...... 84 3.6.2 Rangierbahnhöfe: closed shop ...... 85 3.6.3 Wagenladungsverkehr: Problem der kritischen Masse ...... 86 3.6.4 Keine Netz-Dienstleistungen ...... 87 3.6.5 Bedarfsferne Vermietung von Anlagen an Konzern-EVU ...... 88 3.6.6 Europäische Standards: wettbewerblich ambivalent ...... 88 3.6.7 Reaktivierung stillgelegter Gleise ...... 91

4 Schienenpersonenfernverkehr...... 99 4.1 Stand des Wettbewerbs 2009: Außer Konkurrenz ...... 99 4.2 Prognose bis 2015 ...... 102 4.3 TOP-Hindernis 1: Fiktion der Eigenwirtschaftlichkeit ...... 104 4.4 TOP-Hindernis 2: Starre Rahmenverträge ...... 114 4.5 TOP-Hindernis 3: Verfehlte Ausbaupolitik ...... 116

Inhalt 7 5 Macht über die Schiene bedeutet Macht auf der Schiene – Schlüsselfaktor Infrastruktur ...... 121 5.1 Netzplanung und –investitionen: DB-Konzern und BMVBS unter sich ....122 5.2 Infrastrukturentgelte: Rechtsfreier Raum ...... 125 5.2.1 Entgeltgrundsätze ...... 125 5.2.2 Entgelthöhe ...... 125 5.2.3 Entgeltstruktur ...... 129 5.3 Trassenvergabe: Verwalten statt vermarkten...... 132

6 Rettungsanker Regulierung? – Hase gegen Igel ...... 137 6.1 Bundesnetzagentur: Bund hält Abteilung Eisenbahn kurz ...... 138 6.2 Anreizregulierung: Bundesregierung verzögert Einführung ...... 140 6.3 Performance Regime: Störfall im System ...... 142

7 Fazit: Echte Marktdynamik setzt aktive Bahnpolitik voraus ...... 145

Anhang ...... 153

8 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009

Kapitelbild: Wagenla- dungsverkehr bei der Teutoburger-Wald-Ei- senbahn (TWE) Das Wichtigste auf fünf Seiten

Die Verschiebung des Börsengangs der Im Gegensatz zu der öffentlichen Lar- Deutschen Bahn AG auf unbestimmte Zeit moyanz der DB AG fällt der reale Wettbe- ist aus bahnpolitischer Sicht ein Signal des werbsdruck auf den Marktführer im bun- Aufbruchs. Sie öffnet ein mehrjähriges Zeit- desweiten Maßstab nach wie vor schwach fenster, die Ziele der Schienenverkehrspo- aus. Ursache dafür ist kein Leistungsman- litik neu zu überdenken. Die Bundesregie- gel der Wettbewerber, sondern ein „Man- rung muss entscheiden, ob das Wohl eines gel an Gelegenheiten“. Seit der Regio- global operierenden Logistikunterneh- nalisierung 1996 wurden bislang 31,7 % mens weiterhin zum Maßstab politischen der Betriebsleistung im SPNV-Markt für Handelns erhoben werden soll. Oder ob es den Wettbewerb geöffnet. Unter Anrech- nicht an der Zeit ist, auf die guten Wachs- nung einer Eingewöhnungszeit sind dies tumsperspektiven der Branche Eisenbahn seit 2000 etwa 20 Mio. Zkm pro Jahr. Da- zu setzen. Ein solcher Fokus ginge Hand in von bleiben im Durchschnitt etwa 12 Mio. Hand mit der Rückbesinnung auf das ver- Zkm für die Dritten übrig. Dies sind drei kehrspolitische Ziel der Bahnreform, mehr Verkehr auf der Schiene zu bringen. Soll die Verkehrsleistung der Schiene nicht nur weiter, sondern stärker wach- sen als bisher, ist der Wettbewerb auf dem Abbildung 1: Gleis der entscheidende Stellhebel. Wie in Marktanteile an der den meisten Dienstleistungsbranchen gilt Verkehrsleistung im auch für die Eisenbahn: Wettbewerb ist SPNV 2008 nicht alles, aber ohne ihn läuft nichts. Sind die Rahmenbedingungen dafür rich- in % der Pkm tig gesetzt, senkt Wettbewerb die Kosten und hebt die Leistungsfähigkeit aller be- Quelle: TEILIGTEN¬5NTERNEHMEN¬$AVON¬PROlTIEREN¬ eigene Berechnungen Fahrgäste, Verlader und Steuerzahler. Vor allem aber sichert bzw. steigert er die Zahl der Arbeitsplätze im Eisenbahnsektor. Der gegenwärtige institutionelle Rah- men fördert den Wettbewerb nicht, son- Abbildung 2: dern bremst ihn nachhaltig. Das Ergebnis: Marktanteile an der 15 Jahre nach der Marktöffnung hat der Verkehrsleistung im Wettbewerb in allen drei Segmenten des SGV 2008 Schienenverkehrs – Fern-, Nah- und Gü- terverkehr – nur in Teilen Einzug gehalten. in % der tkm Die DB AG ist überall marktbeherrschend. Quelle: eigene Berechnungen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) – Status quo in Zahlen

Im SPNV lag der Marktanteil der Wett- bewerbsbahnen an der Verkehrsleistung (in Pkm) 2008 bei mageren 10 %. Gemes- Abbildung 3: sen an der Betriebsleistung (in Zkm) waren Marktanteile an der es 18,3 %. Bis 2011 wird letzterer auf rund Verkehrsleistung im 22 % moderat steigen. Im lukrativsten Sub- SPFV 2008 segment – den S-Bahnen – kommen die Dritten auf ganze 2,9 %, nach Betriebsauf- in % der Pkm nahme der S-Bahn Bremen durch Veolia Quelle: Verkehr 2011 werden es 6 % sein. eigene Berechnungen

Das Wichtigste auf fünf Seiten 11 bis vier mittelgroße Teilnetze pro Jahr, die Allerdings zeigt sich, dass der Wettbe- sich auf fünf bis zehn potenzielle Anbieter werb nur im Ganzzugverkehr und dort verteilen. Im Kontrast dazu entstammen in bestimmten Gütergruppen Fuß gefasst auch 2011 noch 413 Mio. der gefahrenen hat. Lebhaft ist die Konkurrenz in den Be- Zugkilometer (65,6 % des Marktvolumens) reichen Container/Kombinierter Verkehr, dem Monopolbestand der DB AG, von Chemie, Mineralöl und Baustoffe. In der dem 35 Mio. Zkm derzeit ausgeschrieben Spitze steuern die Dritten dort auf einen werden. Marktanteil von 50 % zu. Auch in den Sek- toren Holz/Zellstoff und Abfall konnten Verschenktes Potenzial: Die zögerli- MEHRERE¬.% "AHNEN¬DEN¬%INSTIEG¬lNDEN¬ che Einführung des Wettbewerbs hat zur Dagegen sind die anderen Gütergruppen – Folge, dass das große Kontingent der noch vorwiegend im Massengutbereich – un- nie ausgeschriebenen Betriebsleistung der verändert fest in der Hand der DB AG. Im DB AG im bundesweiten SPNV ein jähr- Erzverkehr ist derzeit gar kein Dritter auf LICHES¬%FlZIENZPOTENZIAL¬VON¬über einer eigene Rechnung tätig. Ähnliches gilt für Mrd. Euro aufweist. Dieses Volumen er- den Wagenladungsverkehr, den DB Schen- gibt sich aus einer Analyse der im Wettbe- ker Rail dank der kritischen Masse an werb ermittelten Preise für 118 Vergaben Frachtaufkommen und der Finanzkraft – (von insgesamt 201 seit Markt öffnung). bis auf ein kleines Netz der Bahnspedition Demnach konnten die Monopolpreise der log-o-rail – allein erbringt. DB AG im Mittel um 26 % gesenkt wer- den – bei gleichzeitig mehr Leistung (Neu- Verschenktes Potenzial: Wären die fahrzeuge, Angebotsausweitung). Je nach unsichtbaren Marktzutrittsbarrieren besei- Produktart untergliedern sich die Wettbe- tigt, könnte der Wettbewerb noch deut- werbsgewinne in 47 % durch RE-Leistun- lich mehr Tonnage auf die Schiene zie- gen, 33 % RE/RB, 15 % RB und 23 % durch hen. Die Entwicklung der letzten Jahre S-Bahnen. zeigt, dass die NE-Bahnen viele Neuverkeh- re für die Schiene akquirieren konnten. Im $IE¬%FlZIENZRESERVEN¬ZU¬HEBEN¬GEWINNT¬ Unterschied zum weitgehend konstanten für die Aufgabenträger zunehmend an Ge- SPNV-Marktvolumen bedeutet die Markt- wicht, weil die DB-Strategie der Gewinnab- anteilsausdehnung der Dritten also nicht, schöpfung mit Hilfe der Infrastrukturpreise dass DB Schenker Rail automatisch Auf- (Trasse, Station, Bahnstrom) die Kauf- kommen verliert. Verkehrs- und klimapo- kraft der Regionalisierungsmittel bestän- litisch sind die brachliegenden Potenziale dig schrumpfen lässt. Soll das heutige An- besonders ärgerlich. Positiv gedeutet we- gebotsniveau im SPNV gesichert werden, cken sie Hoffnung auf die Zukunft. sind Wettbewerbsgewinne unverzichtbar. Ebenso notwendig ist diese Finanzquelle für Angebotserweiterungen, damit die Er- Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) – folgsstory am Fahrgastmarkt fortgeschrie- Status quo in Zahlen ben werden kann. Seit Beginn der Bahnreform 1994 ver- harrt der Marktanteil der DB AG bei über Schienengüterverkehr (SGV) – 99 %. Während der Luftverkehrsmarkt Status quo in Zahlen nach der Liberalisierung durch das Ge- SCHËFTSMODELL¬DER¬u"ILLIGmIEGERh¬REVOLUTI- Der Marktanteil der Wettbewerbsbah- oniert wurde, agiert die DB AG im Fern- nen an der Verkehrsleistung im Güterver- verkehr auf der Schiene seit 15 Jahren kehr lag 2008 bei rund 21 %. Während sie praktisch ohne Konkurrenz. Die Marktein- ihre Betriebsleistung ungeachtet der zum tritte DB-fremder Unternehmen lassen sich Jahresende einsetzenden Wirtschaftskri- an zwei Händen abzählen. Von acht Test- se noch leicht ausbauen konnten, muss- ballons sind bereits vier wieder geplatzt. te DB Schenker Rail in Deutschland Ein- Alle Einstiegsversuche beschränkten sich bußen hinnehmen. Damit setzt sich der auf maximal zwei Zugpaare pro Tag. An ei- Trend fort, dass das Wachstum im SGV der nen Systemverkehr – etwa in der Form ei- letzten Jahre primär auf die Wettbewerber nes Zweistundentaktes – hat sich aufgrund zurückzuführen ist. Dieser Erfolg ist um so der Risikostruktur des Geschäfts bis dato bemerkenswerter, als er nicht wegen, son- kein Dritter herangewagt. dern trotz des widrigen Wettbewerbsrah- mens errungen werden konnte.

12 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Verschenktes Potenzial: Seitdem die Fast alle Wettbewerbshemmnisse haben DB AG ihr Fernverkehrsangebot auf die Ka- einen gemeinsamen Kern: die Herrschaft pitalmarktfähigkeit hin systematisch opti- der DB AG über die Schieneninfrastruk- miert, werden die Folgen fehlender Wett- tur. Wer wie der integrierte DB-Konzern bewerbsalternativen zunehmend sichtbar. in einem Markt Spieler und Schiedsrich- Die Strategie, auf eine überschaubare An- ter zugleich sein darf, hat eine privilegierte zahl an Schnellverbindungen zwischen Stellung, unabhängig von Zahl und Kom- Großstädten oberhalb 250.000 Einwoh- petenzen der Oberschiedsrichter (Auf- nern zu setzen, wirkt sich zu Lasten der sichtsbehörden). kleineren Groß- und der Mittelstädte aus. Städte wie Mönchengladbach, Heilbronn, Bezogen auf die einzelnen Segmente der Chemnitz oder Siegen werden vom Fern- Schiene kommen unterschiedliche Hin- verkehrsnetz abgehängt. Diese – betriebs- dernisse zum Tragen: Im SPNV wirkt die wirtschaftlich legitime – Schwerpunktset- Überkompensation der DB AG durch die zung läuft der dispersen Siedlungsstruktur Direktvergaben 2002-2004 noch immer Deutschlands zuwider. Würde sie beibe- nach. Fabelrenditen von 11,2 % des Um- halten, bliebe der nahe gelegene Zugang satzes im Betrieb bzw. 19,3 % über die zum Fernverkehr für einen Großteil der Be- gesamte Wertschöpfung des Konzerns völkerung dauerhaft versperrt. Ohne orga- (2008) eignen sich als Polster, um im Wett- nisierten Wettbewerb wird es niemanden bewerb mit Kampfpreisen anzutreten. In- geben, der die Lücke zu füllen sucht. dizien für den Missbrauch einer marktbe- herrschenden Stellung haben mofair e.V. Auch dem ICE-Monopol der DB AG täte bewogen, eine weitere Beihilfebeschwer- Wettbewerb gut. Dieser würde die Hoch- de vor der EU-Kommission anzustrengen. preispolitik der letzten Jahre einem Markt- Monopolpreise erleichtern auch Investi- test unterziehen und alternativen Konzep- tionen in Neufahrzeuge, mit denen der ten eine Chance einräumen. Marktführer bei der Erstvergabe der noch geschützten Netze im Wettbewerb kaum zu schlagen ist. Da die Gewinne des SPNV Was bremst den Wettbewerb? ohne Zweckbindung in den Konzernge- WINN¬mIE”EN ¬KÚNNEN¬SIE¬AUF¬ALLEN¬-ËRK- Der Zugang zum deutschen Schie- ten, z. B. auch den Wettbewerb im Güter- nennetz ist seit 1994 formal frei. Im verkehr verzerren, je nachdem wie und wo Praxisalltag wirken jedoch zahlreiche die DB AG die Mittel einsetzt. unsichtbare Schranken, die den Wettbe- werbsbahnen das Leben schwermachen. Ein weiteres Hindernis für den Markt- Dabei wird nicht verkannt, dass sich eini- zugang im SPNV ist die &AHRZEUGlNAN- ges gebessert hat. So gehen z. B. die Betei- zierung, vor allem in der Wirtschaftskri- ligten professioneller miteinander um, und se. Schon zu normalen Zeiten gehen die die Einrichtung der Bundesnetzagentur Privaten mit dem Handicap ins Rennen, gibt der Regulierung ein Gesicht. Dennoch Fahrzeuge wegen schlechterer Bonität als wäre es lebensfremd, anzunehmen, dass DIE¬3TAATSBAHN¬$"¬!'¬TEURER¬lNANZIEREN¬ der Vorstand eines integrierten Konzerns zu müssen. In der Krise potenziert sich die- nicht jede Möglichkeit wahrnähme, seinen se Benachteiligung, weshalb derzeit sogar im Wettbewerb stehenden Transportgesell- börsennotierte internationale Konzerne an schaften über den Hebel der Schienenin- der Finanzierungsfrage scheitern. Mittel- frastruktur Flankenschutz zu bieten. Aktien- ständische Newcomer haben erst recht kei- RECHTLICH¬IST¬ER¬SOGAR¬DAZU¬VERPmICHTET¬ ne Chance.

Abbildung 4: Die TOP-3-Wettbe- werbshürden im Schienentransport

Quelle: eigene Darstellung

Das Wichtigste auf fünf Seiten 13 Das Vertriebsmonopol der DB AG er- Im – vordergründig – eigenwirtschaftli- richtet die dritte wesentliche Wettbewerbs- chen Fernverkehr sind die Ursachen für barriere im Nahverkehr. Obwohl die DB AG den ausbleibenden Wettbewerb zweige- zunehmend Verkehre verliert, darf sie nach teilt: Der ökonomisch lukrativere Teil des wie vor allein den Vertrieb der Fahrkarten bestehenden Angebotes der DB AG (ICE- organisieren. Wettbewerber haben keinen Verbindungen, IC Hamburg — Köln) wird Einblick in die Ergiebigkeit der vielen Tarif- nicht attackiert, weil die Erfolgswahrschein- systeme. Daher sind sie insbesondere bei lichkeit eines Newcomers zu gering ist. solchen Ausschreibungen benachteiligt, Die starren Rahmenvertragsfristen machen die das Einnahmerisiko auf den Verkehrs- es nahezu unmöglich, den notwendigen betreiber verlagern. Zuversichtlich stimmt Fahrzeugbestand für einen konkurrenzfähi- allerdings der Trend, dass immer mehr Auf- gen Taktverkehr aufzubauen. Hier müssen gabenträger betreiberneutrale Lösungen Risikozuschläge eingepreist werden, die für den Vertrieb anstreben. private Investoren abschrecken.

Im Güterverkehr müssen die Wettbewer- Dass die Wettbewerber hingegen jene ber andere Hindernisse überwinden. Ihre Lücken nicht füllen, die aufgrund der Ab- Entwicklungschancen leiden am stärksten schaffung des InterRegio im Fernverkehr unter dem erheblichen Rückbau des Net- zwischen Mittelstädten entstanden sind, zes durch die DB AG. Der Konzern plan- liegt an einem Systemfehler. Die Trennli- te lange Zeit den Börsengang mit der In- nie zwischen eigenwirtschaftlichem Fern- frastruktur, so dass deren Geschäftsfelder verkehr und bestelltem Nahverkehr ist einem ähnlichen Wirtschaftlichkeitsdruck künstlich. Nur die DB AG ist als integrierter wie die Transportsparten unterlagen. In der Betreiber – derzeit noch – in der Lage, den Folge hat DB Netz zahlreiche Überhol-, Ab- Fernverkehr einigermaßen auskömmlich zu stell- und Ladegleise sowie Weichen ent- gestalten. Wegen der notwendigen Fahr- fernt, die in der kurzfristigen betriebswirt- zeuginvestitionen wird sich dies bald än- schaftlichen Erfolgsrechnung des Konzerns dern. Dann ist eine weitere Schrumpfung als entbehrlich galten. des Fernverkehrsangebotes vorprogram- miert, sofern der Bund nicht einspringt. Grundlage der Entscheidung sind aus- schließlich die aktuellen und geplanten Betriebsprogramme der Transporttöchter, Prognose: Wie entwickelt sich nicht jene der Wettbewerber. Ihr Bedarf der Wettbewerb bis 2015? für die Zukunft wird ignoriert, obwohl sie es in den letzten Jahren überwiegend wa- Da die direkt vergebenen Verkehrsverträ- ren, die der Schiene mehr Verkehr zuführ- ge der DB AG zwischen 2013 und 2016 ten. Ergebnis ist, dass viele Strecken keine auslaufen, werden im Nahverkehr ab Kapazitätsreserven mehr haben. Jeder hin- 2013 zunehmend mehr Zugkilometer pro zugewonnene Verkehr ist eine Bedrohung Jahr auf den Markt kommen. Ankündigun- für die Betriebsstabilität. Ein Lichtblick ist gen von jährlich 70 oder 80 Mio. Zkm sind das neuerdings energischere Auftreten des jedoch übertrieben, weil die Aufgabenträ- Eisenbahn-Bundesamtes gegen Kapazitäts- ger gezwungen sein werden, einen Teil der verringerungen. Leistungsmenge nach hinten zu verschie- ben, und zwar bis nach 2020. Realistisch Auf der Kostenseite fällt der Missbrauch ist ein Vergabevolumen von 30 bis 40 Mio. des Bahnstrom-Monopols am schwersten Zkm p.a. Positiv zu konstatieren ist, dass ins Gewicht. Die Wettbewerbsbahnen wer- die Aufgabenträger den Wettbewerb als den auf eklatante Weise dadurch diskrimi- )NSTRUMENT¬DER¬%FlZIENZSTEIGERUNG¬MITTLER- niert, dass allein die DB-Transporttöchter weile für unentbehrlich halten. Damit sinkt in den Genuss der üppigen Mengen- und das Risiko erneuter Direktvergaben, die die Laufzeitrabatte gelangen. Diese summie- Marktöffnung weiter hinauszögern. ren sich auf bis zu 14 %. Weitere Nadelsti- che sind die Schwächen in der Betriebsfüh- Ob künftig fünf der zehn größten Nah- rung (z. B. mangelnde Baustellenplanung), verkehrsunternehmen Europas dem deut- der schwierige Zugang zu Rangierbahnhö- schen Markt weiterhin fernbleiben, lässt fen und der Verzicht von DB Netz, wichti- sich nicht vorhersagen. Entscheidend wird ge Dienstleistungen betreiberneutral anzu- sein, dass aus ihrer Sicht Transparenz und bieten. Verbindlichkeit der Vergabekalender zu- nehmen. Auch ein oder zwei ausländische

14 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Staatsbahnen könnten noch auf den Markt Die zweitbeste Wettbewerbspolitik liegt drängen. Dagegen könnten zwei Landes- in der Stärkung des Regulierers. Die ge- bahnen zum Verkauf stehen. setzlichen Grundlagen der Regulierung müssen geschärft und die personellen Res- Im Güterverkehr wird die Wettbe- sourcen der Bundesnetzagentur verbessert werbsintensität weiterhin hoch bleiben. werden. Zu erwägen ist, ob der Bereich Die Wettbewerber haben gute Chancen, Eisenbahn wie die anderen Netzsektoren auch in den Folgejahren stärker als der eine eigene Beschlusskammer erhält. Die Marktführer DB Schenker Rail zu wach- Anreizregulierung der Infrastrukturentgel- sen. Dennoch besteht kein Anlass zur Eu- te muss unverzüglich eingeführt werden. phorie. Von den noch offenen Auswirkun- Die Fachaufsicht über die Regulierung soll- gen der Wirtschaftskrise abgesehen dürfte te dem Wirtschaftsministerium zugewiesen der Marktzugang zu den Massengütern werden. auch bis 2015 beschwerlich bleiben. Eine Schlüsselstellung nimmt die ungewisse Zu- Die verkehrspolitischen Baustellen der kunft der SBB Cargo ein. Fiele sie in die neu gewählten Bundesregierung sollten Hände der DB AG, würde dem Wettbe- sein: werb in Deutschland und Europa ein Bä- rendienst erwiesen. ƒ Die Neu- und Ausbaupolitik im Schie- nennetz muss sich fortan konsequent Die DB AG wird im Fernverkehr auch auf das Wesentliche (Streckenengpässe, bis 2015 weitgehend unbehelligt blei- Knoten) konzentrieren. Leuchtturmpro- ben. Solange die gegenwärtigen Wettbe- jekte ohne Nutzen für den Güter- und werbshindernisse fortwirken, können nur den Nahverkehr gehören auf das Ab- Hasardeure in den deutschen Markt mit stellgleis. Taktverkehren einsteigen. Dies schließt ƒ Die Leistungs- und Finanzierungsver- einzelne Experimente nicht aus. Die Kon- einbarung für das Bestandsnetz muss sequenzen der Marktöffnung 2010 für erheblich verbessert werden. Die Qua- grenzüberschreitende Verkehre werden litätsanforderungen müssen präzisiert dramatisch überschätzt. Die Staatsbahnen werden (Aufnahme der Indikatoren werden weiterhin auf Kooperation unterei- „Kapazität“ und „Anlagenalter“, stre- nander setzen, anstatt sich gegenseitig die CKENSPEZIlSCHE¬!NALYSE ¬UND¬DIE¬3ANK- heimische Domäne durch Konfrontation tionsinstrumente müssen scharfgeschal- streitig zu machen. tet werden. ƒ Die Infrastrukturverantwortung für die Anforderungen an die Regionalnetze sollte mittelfristig dezen- Bahnpolitik 2010 ff. TRALISIERT¬WERDEN¬/HNE¬%FlZIENZGEWIN- ne durch den Wettbewerb werden die- Uneingeschränkt funktionsfähig kann der se Netze wirtschaftlich nicht zu halten Schienenverkehrsmarkt erst dann werden, sein. wenn die Infrastrukturbetreiber verlässlich ƒ Die Sicherung der Zukunft des Fernver- unabhängig agieren. Risikokapital privater kehrs muss als bundespolitische Aufga- )NVESTOREN¬mIE”T¬NUR¬IN¬DAS¬3YSTEM ¬WENN¬ be erkannt werden. Zu diskutieren ist, der Erfolg des eigenen Geschäftsmodells ob auch Städte unterhalb von 250.000 nicht zu 50 % (Infrastruktur!) vom unmit- Einwohnern das Recht auf ein Grundan- telbaren Konkurrenten gesteuert werden gebot haben. Wenn ja, muss der Markt kann. anders organisiert werden. Naheliegend wäre ein bestellter Wettbewerb nach dem Vorbild des Nahverkehrs.

Das Wichtigste auf fünf Seiten 15 Wettbewerb in Zahlen

SPNV SGV

Marktanteil Wettbewerber Marktanteil Wettbewerber in Deutschland in Deutschland

SPNV ...... ~10 % der Pkm (2008) SGV ...... ~21 % der tkm (2008) SPNV ...... 18,3 % der Zkm (2008) SPNV ...... 22,3 % der Zkm (2011) Größte Marktteilnehmer S-Bahnen ...... 2,9 % der Zkm (2009) S-Bahnen ...... 6 % der Zkm (2011) 1. DB Schenker Rail ...... 91,0 Mrd. tkm (2007)

Größte Marktteilnehmer 2. rail4chem (Veolia Cargo) ...... 4,2 Mrd. tkm (2007) 1. DB AG ...... 503,0 Mio. Zkm (2009) 2. Veolia Verkehr .... 29,4 Mio. Zkm (2009) 3. SBB Cargo ...... 3,9 Mrd. tkm (2007) 3. Arriva ...... 21,5 Mio. Zkm (2009)

Anteil der Erstausschreibungen SPFV am Marktvolumen

SPNV ...... 31,7 % der Zkm (2009) Marktanteil Wettbewerber S-Bahnen ...... 18,7 % der Zkm (2009) in Deutschland

SPFV ...... < 1 % der Pkm (2008) Einsparungen bei 118 wettbewerblichen Vergaben Markteintrittsversuche Gesamt ...... 26,0 % S-Bahn ...... 22,6 % seit 1994 ...... 8 RE-Leistungen ...... 47,3 % davon gescheitert ...... 4 RE/RB-Leistungen ...... 32,9 % RB-Leistungen ...... 14,8 %

Einsparpotenzial für den Monopolbestand von 413 Mio. Zkm

...... > 1 Mrd. Euro

16 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009

Kapitelbild: Bahnsteig 9, Frankfurt Hbf 1 Hintergrund und Ziel des Reports

Die Verschiebung des Börsengangs der Dass fairer Wettbewerb auch 15 Jahre Deutschen Bahn AG öffnet ein mehrjähri- nach der formalen Marktöffnung nicht ge- ges Zeitfenster, die Ziele der Schienenver- währleistet ist, analysiert der vorliegende kehrspolitik neu zu diskutieren. Die künf- Report im Detail. Dabei soll nicht verkannt tige Bundesregierung steht vor der Frage, werden, dass sich einiges verbessert hat. ob das Wohl des global operierenden Lo- So gehen die Beteiligten professioneller gistikunternehmens weiterhin im Vorder- miteinander um, und die Bundesnetzagen- grund ihrer Politik als Eigentümer stehen tur gibt der Regulierung Konturen. In jün- soll. Oder ob es nicht an der Zeit ist, die gerer Zeit tritt auch das früher eher passive Interessen der Eisenbahnbranche und de- Eisenbahn-Bundesamt deutlich energischer ren Wachstumsperspektiven in den Blick zu gegenüber der DB AG auf. Darüber hinaus nehmen. hat sich der Wettbewerb unter den Auf- gabenträgern als Regelverfahren etabliert, Wer mehr Verkehr auf die Schiene zie- die Fahrzeugindustrie hat sich den Wettbe- hen und den Haushalt entlasten möchte, werbsbahnen deutlich stärker geöffnet. muss auf eine konsequente Politik des fai- ren Wettbewerbs auf der Schiene setzen. Trotz dieser Fortschritte ist zu kon- Wettbewerb ist kein Selbstzweck, jedoch statieren, dass die verbleibende Wegstre- alternativlos. So hat die jüngere Vergan- cke vom Monopol in den Wettbewerbs- genheit unter Beweis gestellt, dass es im markt noch weit ist. Neben sichtbaren Güterverkehr primär die Wettbewerbsbah- Diskriminierungen wie z. B. der Rabattrege- nen sind, die Neuverkehre auf das Gleis lung beim Bahnstrom wirken viele unsicht- setzen. Und im Nahverkehr ist es dem pro- bare Schranken, die in der Summe das duktiven Wettbewerb zu verdanken, dass Fortkommen der Wettbewerbsbahnen aus- DIE¬!UFGABENTRËGER¬%FlZIENZGEWINNE¬ERZIE- bremsen. Falsch wäre der Anspruch, solche len, die das hohe Angebotsniveau sicher- Benachteiligungen rechtssicher nachwei- stellen und zielgerichtete Verbesserungen sen zu müssen. Dies ist in der Regel nur lNANZIEREN¬"LEIBT¬DER¬7ETTBEWERB¬HIN- möglich, wenn die DB AG einen „dummen gegen wie im Fernverkehr aus, offenba- Fehler“ begeht. Es geht in vielen Fällen ren sich die negativen Konsequenzen eines auch gar nicht zwingend um aktive Diskri- Monopols (Hochpreispolitik, Angebots- minierungen, sondern um einen Mangel schrumpfung). an betreiberunabhängiger Serviceorientie- rung auf Seiten der Eisenbahninfrastruktur- Darüber hinaus gibt es einen zweiten unternehmen. Der richtige Maßstab für die Grund, in diesen Zeiten für die produkti- Beurteilung des heutigen Wettbewerbs ist ven Kräfte des Wettbewerbs im Schienen- demnach die Vorstellung, wie ein unab- verkehr einzutreten. Die Finanzmarktkri- hängiger Betreiber der Schieneninfrastruk- se hat den gesellschaftlichen Trend gegen tur seinen Kunden gegenüberträte, wenn Privatisierung und Globalisierung sichtbar er die Aufgabe hätte, mehr Verkehr auf die verstärkt. Vielfach wird der Wettbewerb Schiene zu ziehen. Daran gemessen ist po- in diese „Achse des (vermeintlich) Bösen“ litisch noch sehr viel zu tun. mit eingereiht, insbesondere wenn er von dem taktisch eingestreuten Vorwurf des Lohndumping begleitet wird. Damit droht Adressaten des Wettbewerber-Reports dem Wettbewerb als Leitbild ein Kollate- ralschaden, der bar jeder Vernunft und der Der Wettbewerber-Report beschreibt Wirklichkeit liegt. Denn das zentrale An- den Stand des Wettbewerbs und unter- liegen besteht gerade darin, auf die Be- sucht insbesondere die Schwachstellen im deutung fairer und transparenter Spielre- gegenwärtigen Wettbewerbsrahmen. Zu- geln für alle Marktteilnehmer hinzuweisen. gleich schlägt er an vielen Stellen Verbes- Nicht der Wettbewerb schädigt die Eisen- serungen vor. Da im Wesentlichen der Ge- bahnbranche und die Allgemeinheit, son- setzgeber den Handlungsrahmen gestalten dern umgekehrt die Renditen eines Mono- kann, wendet sich dieser Bericht folgerich- polisten, die nur Wenigen zugute kommen tig allein an die politischen Entscheider. UND¬)NEFlZIENZEN¬BELOHNEN

Hintergrund und Ziel des Reports 19 Nicht Gegenstand der Kritik ist das Ver- bar ist, dass die Wettbewerbsberichte der halten der Deutschen Bahn AG und de- DB AG ein schöneres Bild des Wettbewerbs ren Organe. Als Wirtschaftsunternehmen zeichnen, als die Realität hergibt. agiert der Vorstand so, wie er aktienrecht- lich handeln muss. Hierfür haben die Wett- Dennoch haben alle Beteiligten in der Ei- bewerbsbahnen großes Verständnis. Weder senbahnbranche die Hoffnung, dass sich ist es der DB AG zu verdenken, die öffentli- unter dem neuen Vorstand der DB AG die che Meinung zu besetzen, noch ist zu kriti- Tonalität ändert und für einige der skizzier- sieren, dass sie in Deutschland den Wett- ten Schwächen im Wettbewerbsrahmen bewerb bremst, während sie in Frankreich gemeinsam nach Lösungen gesucht wer- dem Interessenverband AFRA (association den kann. Langfristig gewinnt die Schie- française du rail) mit dem Ziel der Markt- ne nur so gegen die konkurrierenden Ver- öffnung beitritt. Ebenso nachvollzieh- kehrsträger.

20 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009

Kapitelbild: Desiro der Vogtlandbahn 2 Schienenpersonennahverkehr

Die Abgrenzung zwischen Schienenper- ƒ Nach marktökonomischen Kriterien sonennahverkehr (kurz: Nahverkehr oder handelt es sich um Personentransporte, SPNV) und Schienenpersonenfernverkehr die gemeinwirtschaftlicher Natur sind. (kurz: Fernverkehr oder SPFV) hat der deut- Im Gegensatz zu eigenwirtschaftlichen sche Gesetzgeber an keiner Stelle eindeu- Verkehren reichen die Fahrgeldeinnah- tig gefasst. Laut der Begriffsbestimmung men von den Nutzern im Durchschnitt des Regionalisierungsgesetzes für den nicht aus, um die Vollkosten der SPNV- ÖPNV ist dies „im Zweifel der Fall, wenn in Leistung einschließlich eines angemes- der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines senen Gewinns zu decken. Soll das Ver- Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 kehrsangebot dennoch aus Gründen Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine der Daseinsvorsorge zustande kommen, Stunde nicht übersteigt“ (§ 2 RegG). muss der Staat – seit der Regionalisie- rung 1996: die Länder – als „Anwalt der Das Anklingen eines Zweifels in der Le- Nachfrager“ in doppelter Funktion ein- GALDElNITION¬IST¬EIN¬)NDIZ ¬DASS¬DIE¬RËUM- springen. lich-zeitliche Abgrenzung keine wis- ƒ Die Länder bestellen die gewünsch- senschaftliche Exaktheit zulässt. Ob die te Leistung („wieviel Zugkilometer Mehrzahl der Beförderungsfälle den beiden sollen wo in welcher Qualität gefah- Kriterien genügt, ließe sich nur mit Hilfe ren werden“), und aufwendiger Verkehrserhebungen ermit- teln. Deren Ergebnisse wären Zeitpunkt- ƒ sie lNANZIEREN mit den Regionali- werte, die schnell überholt sein könnten. sierungsmitteln die Deckungslücke Darüber hinaus ist unklar, ob das ange- zwischen den Markterlösen und den botsseitige Produkt die einzelne Fahrt, eine Kosten. ganze Linie oder etwa eine ganze Reiseket- ƒ Auf der Produktebene („Zuggattun- TE¬SEIN¬SOLL¬"EI¬DER¬GESETZLICHEN¬$ElNITI- gen“) werden alle RegionalExpress-, Re- on stellt sich die Frage, warum ein RE von gionalBahn- und S-Bahn-Leistungen als München nach Prag (6:05 Stunden, 467 SPNV zusammengefasst. Hinzu kom- km) in die Rubrik Nahverkehr fällt, wäh- men einige wenige IRE-Leistungen in rend umgekehrt ein Pendler-InterCity von Baden-Württemberg, wohingegen die Augsburg nach München mit gerade ein- IRE-Leistungen in Bayern und Sachsen mal 0:35 Stunden Fahrzeit und 60 km Rei- (Sachsen–Franken-Express) von DB Re- seweite als Fernzug gilt. gio im Auftrag von DB Fernverkehr er- bracht werden. In der Praxis haben sich daher – verein- facht gesagt – zwei Merkmale als SPNV-ty- pisch herausgebildet:

Abbildung 5: Anteil der Bestell- entgelte an den SPNV-Erlösen 2007

in Mio. Euro

Quelle: Geschäftsbericht DB AG 2007, eigene Darstellung

Schienenpersonennahverkehr 23 Beispiel hierfür ist die Entscheidung, Überrendite verdeckt realen Fahrzeuge zu leasen statt zu kaufen Kostendeckungsgrad (wenngleich der Leasinggeber das Risi- ko natürlich einpreist). Der tatsächliche Kostendeckungsgrad der DB AG durch Fahrgeldeinnahmen ist etwas Zudem ist der Wiedergebrauchswert von höher, als ihn Abbildung 5 auf Seite 23 aus- Fahrzeugen und Werkstätten hoch anzu- weist. Genau genommen spiegelt der Quo- setzen. Alle Fahrzeuge, die aus beendeten tient aus Fahrgeld- zu Gesamteinnahmen Auftragsverhältnissen frei wurden, konn- DEN'RADDER.UTZERlNANZIERUNGWIDER ten bereits innerhalb weniger Monate wie- In den Erlösen ist der Gewinn der DB Regio der eingesetzt werden. So fahren heute die AG aus dem SPNV enthalten (2007: rund immerhin 20 RegioShuttle von trans regio 750 Mio. Euro), der infolge der Direktver- nach dem Verlust der Verträge in Rhein- gaben überdurchschnittlich hoch ausfällt. land-Pfalz für Veolia Verkehr im Großraum Zieht man diesen von den Umsatzerlö- Leipzig. Die Werkstatt, die von der Lausitz- sen (2007: 7,264 Mrd. Euro) ab, erge- bahn (Veolia) in Görlitz betrieben wurde, ben sich Kosten in Höhe von ca. 6,5 Mrd. wird nun von der Nachfolgerin ODEG (Ar- Euro. Demnach liegt der Kostendeckungs- riva/BeNEX) weitergenutzt Auch die Auf- grad der Erlöse aus Fahrkartenverkäufen gabenträger senken teilweise das Risiko, bei 42,8 %. Addiert man eine angemesse- sei es über Restwertgarantien oder End- ne Rendite von 3-5 % hinzu (im Mittel 260 schaftsregelungen zum Übergang auf den Mio. Euro), werden die Kosten einschl. Ge- Folgebetreiber. Die dritte Option ist die Be- winn zu 41 % gedeckt. Werden Förderun- reitstellung von Fahrzeugpools über die öf- gen gewährt, mindern diese den „wahren“ fentliche Hand, wie die Beispiele der LNVG Kostendeckungsgrad. (Metronom, NordWestBahn, Eurobahn) bzw. RMV/Fahma (Vias, HLB) belegen. Nahverkehrsleistungen auf der Schiene zeichnen sich durch ökonomische Eigen- schaften aus, die den SPNV-Markt grund- Fazit sätzlich für lebhaften Wettbewerb unter den Eisenbahnverkehrsunternehmen prä- Die grundlegenden Voraussetzungen für destinieren: Wettbewerb im Nahverkehr sind güns- tig. SPNV-Leistungen sind recht homogen, ƒ Bestellermärkte sind darauf angelegt, weshalb die Markteintrittsbarrieren für die die Leistung in einem wettbewerblichen Anbieter relativ niedrig sind. Wird der Aus- Verfahren zu vergeben. Nur so ist ge- schreibungsmarkt transparent gestaltet, währleistet, dass die Allgemeinheit mit lNDET¬DER¬7ETTBEWERB¬IM¬INTERNATIONALEN¬ den geringsten („erforderlichen“) Kos- Maßstab statt. ten belastet wird. Ebenso ist es mög- lich, die beste Qualität im Wettbewerb zu belohnen. Missverständnis ƒ Die Investitionen im Nahverkehr, die über den Wettbewerb jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen tätigen muss (Fahrzeuge, Waschanla- Ein hartnäckig anzutreffendes Missver- ge, Betriebshof u. ä.), sind im Regelfall ständnis ist die Auffassung, dass Aufgaben VERGLEICHSWEISE¬UNSPEZIlSCH. Damit der Daseinsvorsorge sich nicht mit Prinzipi- ist gemeint, dass die EVU von wenigen en wie Wettbewerb bzw. Privatisierung ver- Ausnahmen abgesehen das Risiko als trügen. Dies ist weder plausibel noch empi- beherrschbar ansehen, im Falle des Auf- risch richtig. Im Gegenteil ist der regulierte tragsverlustes auf den Restwerten des Wettbewerb um den Markt („exklusives Be- Anlagevermögens sitzenzubleiben. Zur dienungsrecht auf Zeit“) ein Garant dafür, Hälfte wird das Investitionsrisiko bereits dass Steuerzahler und Fahrgast ein gutes dadurch gedeckt, dass die Verkehrsver- Preis-Leistungs-Verhältnis für die bestell- träge im SPNV üblicherweise eine Lauf- te Leistung erhalten. Ebenso spricht nichts zeit von zehn oder mehr Jahren aufwei- dagegen, die Aufgabe privaten Unterneh- sen. Im Vergleich zu anderen Branchen men zu übertragen. Ohne Eigentumsrechte ist dies eine überdurchschnittliche Ab- ist der Private gehalten, die vertraglichen sicherung. Darüber hinaus können die Anforderungen bestmöglich zu erfüllen. EVU die Gefahr „versunkener Kosten“ Andernfalls gefährdet er seine Wiederbe- durch eigene Maßnahmen eindämmen. auftragung in der Folgeausschreibung.

24 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 2.1 Stand des Wettbewerbs Die vollständige Gegenüberstellung der 2009 – Mehr Schein als Argumente zeigt auf, dass der reale Wett- bewerb im SPNV der medialen Einschät- Sein zung deutlich hinterhinkt. Ohne Zweifel sind einige Erfolge zu verzeichnen – aber Folgt man der jüngeren Berichterstat- dagegen stehen Bremsmanöver und Seit- tung in den Medien, entsteht der Eindruck, wärtsschritte, die den Übergang vom Mo- als schlügen sich die strukturell günstigen nopol in einen Wettbewerbsmarkt hinaus- Rahmenbedingungen für den SPNV-Wett- zögern. Dass sich der faire Wettbewerb bewerb bereits im realen Wettbewerbsge- als Regelverfahren im SPNV durchsetzt, ist schehen ungeschmälert nieder. Genährt keineswegs ein Selbstläufer. Statistisch ist wird das positive Bild einer hohen und er noch immer eher die Ausnahme als die mËCHENDECKENDEN¬7ETTBEWERBSINTENSITËT¬ Regel, wie die nachstehenden Abschnitte durch plakative Meldungen und Aussagen. belegen.

ƒ Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg Die nackten Zahlen schreibt 22 Mio. Zugkilometer mit Loslimi- tierung aus: „Vormachtstellung der DB könnte Klassisches Kriterium für den Stand des ins Wanken geraten“ (Berliner Morgenpost 5.5.2009) Wettbewerbs ist die Verteilung der Markt- anteile. Diese sahen 2008 wie folgt aus: ƒ DB-Regio-Chef Homburg zur Vergabe der Mitteldeutschen S-Bahn: „Personalkosten der Wettbewerber liegen 40 % und mehr unter de- 2008 lag der bundesweite Marktanteil nen der Bahn“ (Mitteldeutsche Zeitung vom der DB AG – gemessen an der Verkehrsleis- 9.5.2009) tung – noch immer bei rund 90 %, wäh- ƒ Bundesweite Presse anlässlich der Berufung rend die Konkurrenten etwas über 10 % von DB-Chef Grube: „...steht vor schweren auf sich vereinen konnten. Nach kartell- Aufgaben, DB gewann 2008 nur 30 % der Aus- rechtlichen Maßstäben ist die DB AG so- schreibungen.“ mit nach wie vor klar marktbeherrschend. ƒ DB-Chef Homburg: „2009/2010 werden 145 Auch die Erwartung einer differenzierten Mio. Zkm vergeben“ (FAZ vom 6.3.2009) Betreiberlandschaft mit mehreren starken Akteuren wird nur eingeschränkt erfüllt.

Etwas besser, aber in der Grundtendenz Die positiven Momentaufnahmen sind bestätigend sieht das Bild aus, wenn die für sich gesehen zu einem Großteil rich- angebotene Betriebsleistung in Zugkilome- tig – und dennoch verzerren sie die Realität tern als Referenzgröße herangezogen wird. erheblich, wenn sie als einzelne Puzzleteile unsortiert zu einem Gesamtbild collagiert Auch nach diesem Kriterium beherrsch- werden. Die differenzierte Beschreibung te die DB AG im Fahrplanjahr 2008 den des wettbewerblichen Status quo muss SPNV-Markt, wenngleich mit einem Markt- lauten: anteil von 81,7 % die Dominanz im Ver- gleich zum Vorjahr erneut ge- rinfügig abgenommen hat. ƒ Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg Die Wettbewerber vereinigten schreibt 22 Mio. Zugkilometer mit Loslimi- Auch die Wettbewerber können 18,3 % des bundesweiten An- tierung aus: „Vormachtstellungƒ der DB könn- nur ein Los gewinnen te ins Wanken geraten“ (Beliner Morgenpost gebots auf sich. Im laufenden ƒ 2 Bieter sind im Rennen, DB 5.5.2009) % - Jahr verschiebt sich das Ver- gewinnt schonmal 50 HËLTNIS¬NACH¬VORLËUlGEN¬"E- ƒ Loslimitierung: Kein DB-Protest, dass Direkt- ƒ DB-Regio-Chef Homburg zur Vergabe der rechnungen auf 80:20. Mitteldeutschen Svergaben-Bahn: „[Lohn-]Tarif von 413 Mio. der Zkm für Wettbe werber verschlossen sind Wettbewerber liegen 40 % und mehr unter de- – nen der Bahn“ (Mitteldeutscheƒ DB gründet 30 Zeitung Billigtöchter vom aus Zu beachten ist, dass die 9.5.2009) wegen Renditevorgabe 90:10-Aufteilung nach der Wettbewerber zahlen z.T. höhere Löhne ƒ Bundesweite Presseƒ anläßlich der Berufung Verkehrsleistung das Kräfte- von DB-Chef Grube:ƒ 65 „Steht % aller vor Zkm schweren in Deutschland Auf- wurden verhältnis zwischen DB AG - gaben, DB gewann 2008noch nurnie 30ausgeschrieben % der Aus- % Gewinn und ihren Wettbewer- schreibungen.“ ƒ DB rechnet mit deutlich über 50 bern repräsentativer be- quote 2009/2010 ƒ DB-Chef Homburg: „2009/2010 werden 145 schreibt. Die Kenngröße Mio. Zkm vergeben“ƒ (FAZFalsch, vom es 6.3.2009)sind etwa 67 Mio. Zkm AG Zugkilometer bildet die ƒ Rest sind Quasi-Direktvergaben an DB physische Menge der Be-

Schienenpersonennahverkehr 25 ten. Die „Rosinen“ wurden nur in Ausnah- mefällen in den Wettbewerb überführt, so dass die Wettbewerber ihr Können dort nur selten unter Beweis stellen konnten. In den vergangenen beiden Jahren hat sich Abbildung 6: dies allerdings insofern gebessert, als eini- Marktanteile an der Verkehrsleistung im ge höherwertige Verkehre in den Markt ge- SPNV 2008 stellt wurden.

in % der Pkm Marktsegment S-Bahnen Quelle: eigene Berechnungen Besonders augenfällig ist die Asymme- trie der Marktchancen, wenn das betriebs- wirtschaftlich lukrativste Teilsegment der S-Bahnen analysiert wird. Ökonomisch sind die S-Bahn-Verkehre attraktiv, weil sie große Potenziale bei der Optimierung der Umlaufproduktivität eröffnen und vor al- Abbildung 7: lem eine höhere Tarifergiebigkeit verspre- Marktanteile an der chen. Das gesamtdeutsche S-Bahn-Ange- Betriebsleistung im SPNV 2008 bot umfasst heute rund 150 Mio. Zkm, d.h. 23,6 % des Gesamtmarktes im SPNV, in % der Zkm wie die Abbildung 9 auf Seite 27 zeigt.

Quelle: Deutlich wird, dass der aktuelle Marktan- eigene Berechnungen teil der Wettbewerber bei mageren 2,9 % liegt. Selbst im übernächsten Fahrplanjahr 2011 – also unter Einrechnung der noch bevorstehenden Betriebsaufnahme bei der S-Bahn Bremen im Dez. 2010 – steigt der Anteil der Wettbewerbsbahnen auf - de einmal 6 %. Zum Vergleich: Der bun- Abbildung 8: Marktanteile an der desweite Marktanteil der Wettbewerber Betriebsleistung im über alle Produktqualitäten wird 2011 bei SPNV 2011 rund 22 % liegen, d.h. sie sind im Segment S-Bahnen deutlich unterrepräsentiert. in % der Zkm Auch der 6 %-Wert ist insofern noch ge- Quelle: schönt, als fast die Hälfte (4,3 Mio. Zkm) eigene Berechnungen des künftigen Veolia-Portfolios entweder triebsleistung ab, ohne zu berücksichtigen, nicht dem wettbewerbspolitischen Leit- wie der Fahrgast das Angebot tatsächlich bild entspricht bzw. nur eingeschränkt honoriert. Im Unterschied dazu ist die Ver- dem Segment S-Bahnen zuzurechnen ist. kehrsleistung eine Kennziffer, die sich der So trägt die S 28 auf der Strecke Kaarst- Wertgröße Umsatz annähert, da sie die Mettman zwar das „S“ in der Produktbe- Nachfrage und Reiseweite mit abbildet (al- zeichnung, doch verkehrlich passt sie als LERDINGS¬FEHLT¬DIE¬%RGIEBIGKEIT¬DER¬4ARIlE- Solitär nicht in das klassische S-Bahn-Sys- rung). tem des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr. An die Tranche der S-Bahn Halle/Leipzig ge- Wie ist die Divergenz zwischen 90 % langte Veolia Verkehr durch eine freihän- Marktanteil der DB AG an der Verkehrs- dige Vergabe. Grund war der Unmut des leistung und 81,7 % an der Betriebsleis- Aufgabenträgers ZVNL über das Kalkül der tung zu erklären? Sie spiegelt die Tatsache DB AG, wegen der verzögerten Fertigstel- wider, dass die Wettbewerber der DB AG lung der Infrastruktur für die Mitteldeut- bis dato überproportional die nachfrage-/ sche S-Bahn (MDSB) auf eine anstandslose ertragsschwachen Strecken und Teilnet- Verlängerung des großen Verkehrsvertrags ze gewonnen haben. Ursächlich hierfür ist zu spekulieren. Auch das Los der Regio- kein Mangel an Leistungsfähigkeit der Drit- Bahn hatte Veolia Verkehr seinerzeit nicht ten, sondern der Mangel an Gelegenhei- im offenen Wettbewerb akquiriert.

26 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Die Art der Vergaben soll hier keines- Selbst im 15. Jahr nach der Regionalisie- wegs kritisiert werden, weil sie – befristet – rung des SPNV ist der Be(sitz)stand an Ver- adäquate Mittel der Aufgabenträger sein kehrsverträgen der DB AG mit 503 Mio. können, sich aus der Abhängigkeit von Zkm rund siebzehnmal größer als das im DB Regio zu befreien und einen Wettbe- Wettbewerb errungene Portfolio des ersten werbsmarkt aufzubauen. Dennoch ist nicht Verfolgers Veolia Verkehr. Da alle Vergaben zu verkennen, dass von einem normalen mit Betriebsaufnahmen bis Dez. 2010 we- S-Bahn-Ausschreibungsmarkt noch nicht gen der langen Vorlauffristen entschieden die Rede sein kann. sind, steht bereits heute fest, dass sich an der Dominanz der DB AG bis 2011 prak- Über die Marktbeherrschung der DB AG tisch nichts ändert. In zwei Jahren sinkt der hinaus erscheint auch die geringe Zahl Faktor leicht von 17 auf 13,5. Ein ande- von zwei Betreibern in einem Viertel des res Beispiel für die wahren Kräfterelatio- Marktvolumens widernatürlich, wenn man nen: Die vier größten Wettbewerber kom- in Rechnung stellt, dass das Betreiben von men zusammen auf ein gutes Achtel der 3 "AHNEN¬n¬SIEHT¬MAN¬VON¬DER¬3PEZIl- DB AG. tät der Gleichstromfahrzeuge in Hamburg und Berlin ab – keine Besonderheiten auf- Im Übrigen überzeichnet das Label der weist, die auf einen Anbieter zugeschnitten Internationalität die gegenwärtige Schlag- wären. Die Gründe des Ungleichgewichts kraft der Wettbewerber. Im Vergleich zur werden später erläutert. DB AG sind diese dezentraler und schlan- ker aufgestellt. Die ausländischen Head- quarter der Unternehmen mischen sich Die Großen der Kleinen kaum in das Tagesgeschäft ein (Ausnah- me: Finanzmarktkrise). Auch die Deutsch- Bereits 2004 zeichnete die DB AG in ih- landzentralen der Unternehmen sind mit rem Wettbewerbsbericht das Bild, im hei- 15 bis 50 Personen eher klein ausgestattet. mischen SPNV-Markt von französischen Im Kern fokussieren sie sich auf Geschäfts- Konzernen „umzingelt“ zu sein. Der Öf- entwicklungen (Ausschreibungen, Akquise fentlichkeit sollte suggeriert werden, dass von Unternehmen), Einkauf von Fahrzeu- die Wettbewerber ähnlich starke Akteure gen, Buchhaltung, Personalentwicklung seien, die der DB AG „auf Augenhöhe“ be- und Finanzmanagement. Das operati- gegneten. Die implizite, in der Gegenwart ve Geschäft liegt vollständig in den Regi- noch verstärkte Botschaft an die Politik lau- onalgesellschaften. Dieses Geschäftsmo- tet, dass der Wettbewerb bereits ausge- dell durchzieht alle größeren Konkurrenten REIFT¬SEI¬UND¬KEINER¬INSTITUTIONELLEN¬0mEGE¬ der DB AG, seien es Veolia, Arriva, BeNEX, bedürfe. Seit neuerem dreht die DB AG so- NedRailways oder Keolis. Demgegenüber Abbildung 9: gar die Argumentation um und stellt sich ist die DB AG ressourcenseitig erheblich Marktanteile selbst als schutzbedürftig dar, z. B. weil sie üppiger und teilweise besser ausgestat- bei S-Bahnen in Deutschland 2011 in Ländern wie Frankreich keinen Marktzu- tet – allerdings zum Preis deutlich höhe- gang erhalte. rer Konzernumlagen. Eine der wichtigsten in Mio. Zkm Stellschrauben – die breite Vernetzung zur Zur Klärung der Faktenlage ist es hilf- Bundes- und Landespolitik – können die In den dargestellten reich, die Größenrelationen in einer maß- internationalen Konzerne derzeit kaum be- S-Bahn-Systemen sind stabsgetreuen Darstellung zu betrachten dienen. nicht enthalten: (vgl. Abbildung 10 auf Seite 28). ƒ Stadtbahn-Systeme wie Karlsruhe, Kassel oder Saarbrücken, ƒ S-Bahn-Systeme, die vorwiegend unter Mar- keting-Aspekten ent- standen wie in Mag- deburg, Offenburg („Ortenau“), Freiburg („Breisgau“) oder Basel (deutsche Strecke Lör- rach — Zell), ƒ Ausländische Systeme mit geringfügigen Ästen auf deutschem Gebiet (Salzburg).

Quelle: eigene Berechnungen

Schienenpersonennahverkehr 27 Modal Split der Wettbewerber herigen DB-Leistungen, sofern dies un- MITTELBAR¬DER¬-ARKTPmEGE¬DIENEN¬SOLLTE Die Marktanteilsverteilung innerhalb der Gruppe der Wettbewerbsbahnen ist auf- Nicht enthalten sind die – überwiegend schlussreich, weil sie die Einstiegschancen historisch bedingten – Direktvergaben an der EVU in Abhängigkeit ihrer Eigentums- NE-Bahnen in Höhe von gut 17 Mio. Zkm, strukturen wiedergibt und interessante deren Zusammensetzung in Abbildung 11 Rückschlüsse auf die Marktverfassung zu- auf Seite 29 erläutert wird. lässt. In der Gesamtsumme kommen die Wett- Im laufenden Fahrplanjahr 2009 zeichnen bewerbsbahnen auf 109,8 Mio. Zkm im 33 Wettbewerber neben der DB AG für laufenden Fahrplanjahr, die sich im Einzel- SPNV-Verkehre verantwortlich. Von ihnen nen auf die EVU gemäß Abbildung 11 auf betreiben 16 Unternehmen nur eine einzi- Seite 29weiter unten verteilen. ge Strecke bzw. ein örtliches kleines Netz. Die beiden größten Betreiber – Veolia Gezählt werden alle EVU, die mindestens Verkehr und Arriva – zeichnen für ein Los in einem förmlichen Vergabever- 50,9 Mio. Zkm verantwortlich. Rech- fahren zwischen 1996 und heute errungen net man die „anderen Kommunalen“ mit haben. Als Wettbewerber werden dabei 8,9 Mio. Zkm heraus, sind alle anderen nur die Konzerne aufgeführt, nicht deren Wettbewerbsbahnen zusammen so groß Tochterunternehmen. Soweit mehrere EVU wie die Nr. Zwei (Veolia) und Drei (Arriva) ein Gemeinschaftsunternehmen bilden, im SPNV-Markt. Allerdings wird sich das wurden die Leistungen nach den Gesell- Bild noch etwas verschieben, da BeNEX in schafteranteilen gewichtet (z. B. ODEG den nächsten Jahren durch die Betriebsauf- zwischen Arriva und BeNEX, Metronom nahmen im E-Netz Regensburg und Die- zwischen Arriva und BeNEX [und anderen], selnetz Oberfranken an Arriva heranrücken nordbahn zwischen AKN und BeNEX). wird. Gewinnt BeNEX als einer von zwei Bietern ein größeres Los in Brandenburg, Bestandteil der Wettbewerbsauswertung könnte das EVU zur Nr. 2 aufsteigen. sind folgende Vergabeverfahrenstypen Fasst man die Wettbewerber nach dem ƒ Förmliche Vergaben nach Vergaberecht Kriterium ihrer Eigentümerstruktur bzw. (offenes, nicht-offenes und Verhand- Rechtsform zusammen, ergibt sich das Bild lungsverfahren), der Abbildung 12 auf Seite 29. ƒ Freihändige Vergaben/Preisanfragever- fahren mit ernsthafter Erkundung bei Blendet man die verbliebenen privaten mehreren Bietern Bahnen aufgrund ihres vernachlässigba- ren Anteils aus, besteht die Wettbewerber- ƒ Direktvergaben an NE-Bahnen von bis- Landschaft aus drei Gruppierungen:

Abbildung 10: Relative Größenunterschiede der EVU im SPNV

in Mio. Zkm

Quelle: eigene Berechnungen

28 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 ƒ Die größte Gruppe sind die interna- kungen, aber auch in der Zurückhaltung tional agierenden Konzerne mit von Aufgabenträgern vor kleineren Un- 63 %. Diese sind entweder am Kapital- ternehmen zu sehen sein. Ebenso wirken markt notiert (Veolia, Arriva) oder ha- rechtliche Hürden mutmaßlich abschre- ben private Investoren als Gesellschaf- ckend. So hat die Vergabekammer Sachsen ter mit knapp über 50 % Anteil (Keolis) (Beschluss vom 9.2.2009, 1 SVK 071/08) bzw. 49 % (BeNEX) oder sind nahe- die Bezuschlagung eines SPNV-Netzes an zu vollständig in staatlichem Eigentum den mittelständischen Newcomer EGP (Transdev). Ein weiteres Mitglied dieses (Abspaltung der Gütersparte von der PEG/ Kreises ist Rhenus-Veniro, das zur Reth- Arriva) unter anderem deshalb aufgeho- mann-Gruppe als eigentümergeführtes ben, weil sie die Kriterien zum Nachweis Unternehmen gehört. der Leistungsfähigkeit als nicht hinreichend ƒ Die zweite Kategorie bilden die Lan- ansah. Im Nachgang wirft die Begründung des- und Kommunalbahnen. Nume- des Beschlusses allerdings die Frage auf, risch sind sie sogar in der Vorhand, je- wie dies echten Marktneulingen gelingen doch verantworten sie weniger Umsatz kann, die einige übliche Referenzen wie und erbringen eine deutlich geringere Z¬"¬ANDERE¬30.6 6ERKEHRE¬ZWANGSLËUlG¬ Betriebsleistung (29 %). Ihr Tätigkeits- nicht vorweisen können. feld liegt in der Regel im Umkreis des Firmensitzes. Lediglich die bereits des Neben den 109,8 Mio. Zkm sind schät- öfteren als Verkaufskandidat gehandelte zungsweise gut 17 Mio. Zkm auf Seiten Hessische Landesbahn ist überregional der NE-Bahnen aus Altbeständen zu ver- tätig und moderat wachstumsorientiert. zeichnen, die sich im Groben so zusam- mensetzen: ƒ Komplettiert wird das Feld durch die ausländischen Staatsbahnen, die ƒ Rund 7,5 Mio. Zkm werden im Auftrag derzeit nur aus zwei Akteuren beste- kommunaler Aufgabenträger gefahren, hen und 7 % des Marktes bestreiten. z. B. des KVV (Stadtbahnsystem), des Die SBB betreibt den Seehas sowie die SaarVV (Stadtbahn Saarbrücken) oder S-Bahn im Raum Lörrach und betätigt der baden-württembergischen Zweck- sich nur im grenznahen Gebiet. Kürzlich verbände wie Schönbuchbahn, Ammer- hat sie sogar Leistung verloren, weil sie talbahn, Wieslauftalbahn, Seehäsle. nicht mehr an der Erbringung des ALEX Oberstdorf — München betei- ligt ist. NedRailways hat Ende 2008 Abellio übernommen.

Auffällig ist die Leerstelle in der Rubrik des privaten Mittelstandes. Nach der Abbildung 11: Verteilung der Wett- Insolvenz der Karsdorfer Eisenbahn und bewerber im SPNV dem Verkauf der Prignitzer Eisenbahn 2009 an Arriva beschränken sich die Markt- aktivitäten derzeit auf die Rurtalbahn, in Mio. Zkm die durch ein Management-Buy-Out der Dürener Kreisbahn entstanden ist, Quelle: sowie die Sächsisch-Böhmische Eisen- eigene Berechnungen bahn als Tochter der pfälzischen Hoch- waldbahn. Die SBE wird Dez. 2010 aus dem Markt ausscheiden, da sie im Rahmen der Ausschreibung Zittau die Fahrzeug- lNANZIERUNG¬UND¬DIE¬!NFORDERUNGEN¬AN¬ die Sicherheitsleistungen nicht bewältigen konnte. Die ehemalige Museumsbahn und Abbildung 12: heutige Güterbahn PRESS engagiert sich Verteilung der Wett- im Dampfzuggeschäft auf der Insel Rügen. bewerber im SPNV 2009, gruppiert Die Gründe für die Abwesenheit des Mit- telstandes dürften im hohen Kapitalbedarf, in Mio. Zkm den Risiken des Geschäfts gerade auch im Quelle: Hinblick auf kurzfristige Zahlungsschwan- eigene Berechnungen

Schienenpersonennahverkehr 29 ƒ Circa 8 Mio. Zkm sind bislang formal tor, der bislang zu selten beachtet wird. eigenwirtschaftliche Verkehre der Lan- Konträr zu den Argumenten der DB AG ist desbahnen wie HzL, SWEG, AKN oder die Liste der zehn größten international HLB. Diese Verkehre waren vor der Re- operierenden Nahverkehrsunternehmen gionalisierung nicht bestellt, sondern ebenso instruktiv, die bis dato nicht in den wurden indirekt bezuschusst. Noch deutschen Markt eingetreten sind. heute werden diese Verkehre vielfach nicht im Rahmen eines förmlichen Ver- Lediglich die Hälfte der hier abgebilde- kehrsvertrags erbracht, sondern z. B. ten SPNV-Unternehmen ist in Deutschland àBER¬$ElZITAUSGLEICHE¬lNANZIERT¬ vertreten. Aus investitionspolitischem Blick- ƒ Knapp 2 Mio. Zkm sind den Schmal- winkel ist dies ein eindeutiges Warnzei- spurbahnen/Dampfeisenbahnen zu- chen, zumindest den Ursachen der Absti- zurechnen, die hier außer Betracht nenz auf den Grund zu gehen. Zwar gibt bleiben, da sie für die Beurteilung des es keinen Automatismus, dass alle interna- Wettbewerbs im SPNV keinen reprä- tional agierenden EVU in jedem Mitglied- sentativen Anwendungsfall liefern. Al- staat der EU gleichermaßen präsent sein lerdings demonstriert das Beispiel auf müssen. Darüber hinaus vermittelt die Kar- der Insel Rügen mit den Betreibern KEG te den Eindruck, als seien die fünf fernge- (van Engelen), Guttwein, Schöntag und bliebenen Unternehmen allein auf Groß- nun PRESS, dass der Wettbewerb um BRITANNIEN¬lXIERT ¬DA¬SIE¬IN¬KEINEM¬ANDEREN¬ den Betrieb durchaus möglich ist, so- Land der EU SPNV betreiben (Ausnahme: fern die Infrastruktur und die erforderli- First bot in Dänemark und Schweden bei chen Spezialfahrzeuge sich im öffentli- Ausschreibungen mit). Doch diese Deu- CHEN¬%IGENTUM¬BElNDEN tung wäre eine voreilige Schlussfolgerung, und zwar aus drei Gründen. Die internationalen „No-Shows“ ƒ Deutschlands Nahverkehrsmarkt ist mit Abstand der größte Europas. Nach nor- Dass die institutionellen Rahmenbedin- malen unternehmerischen Maßstäben gungen des SPNV-Marktes in Deutschland steht zu erwarten, dass Konzerne mit aus Betreibersicht noch verbesserungs- internationaler Ausrichtung auf diesem bedürftig sind, zeigt ein weiterer Indika-

Abbildung 13: Internationale SPNV-Unternehmen in Europa

dunkelblau: SPNV, hellblau: Bus- und Light- Rail-Verkehre

Quelle: eigene Darstellung

30 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 attraktiven Geschäftsfeld tätig werden (mind. acht von zehn Unternehmen). Alarmzeichen OHE-Verkauf Dies gilt um so mehr, als die Internatio- nalität der Anbieter entweder durch ein Die Privatisierung der OHE fügt sich in Engagement in ausländischen ÖPNV- das oben skizzierte Bild ein. Die Experten Märkten der EU unterstrichen wird oder waren sich im Vorfeld einig, dass die OHE aber durch einen Marktauftritt in an- als überaus interessantes Unternehmen deren angelsächsischen Ländern. Des mit starkem SPNV-Schwerpunkt (Metro- Weiteren sind Märkte wie in Dänemark nom), aber auch Güterverkehr, Infrastruk- oder der Niederlande so klein, dass oh- tur und Werkstätten ein Filetstück sein nehin nur für wenige Unternehmen müsse, das Begehrlichkeiten vieler Käufer Platz ist. wecken würde. Tatsächlich bemühten sich aber nur zwei in Deutschland präsente ƒ Die Karte bildet die Einsatzgebiete der EVU (Arriva, Abellio) sowie zwei Newcomer EVU ab, in denen sie heute tätig sind (First und NedRailways) um das Unterneh- oder in jüngerer Vergangenheit an ei- men. Nur eines von den vieren gab am ner Vergabe teilgenommen haben. Frü- Ende ein verbindliches Angebot ab und er- here Engagements werden außen vor HIELTZWANGSLËUlGDEN:USCHLAG!RRIVA  gelassen. Zur Einschätzung der Markt- bedingungen müssten die Gründe des Einstieg in den SPNV-Markt (derzeit) nicht Austritts analysiert werden (normaler lohnt. Weil diese Unternehmen allesamt Ausschreibungsverlust versus strategi- am Kapitalmarkt notiert sind, liegt der Ver- scher Rückzug), was in diesem Report dacht nahe, dass diese Wertschätzung auf nicht geleistet werden kann. ein negatives Testat internationaler Inves- ƒ Das bedenklichste Zeichen ist die Tat- toren hinausläuft. Mangelnde Marktgröße sache, dass von den fünf Unternehmen und potenzielle Ertragskraft scheiden als sich mindestens drei (davon zwei in- Argumente aus, so dass die Ursachenfor- tensiv) über mehrere Jahre mit einem schung woanders ansetzen muss. Markteintritt in Deutschland befasst ha- ben (First Group, Serco, National Ex- Phantomschmerzen press), aber letztlich dagegen entschie- den. Durchgängig moniert wird die Ein weiteres beachtenswertes Indiz für Intransparenz wichtiger Marktparame- die tatsächliche Wettbewerbsintensität er- ter, z. B. Wettbewerbsfahrpläne, Art der schließt sich aus der nachstehenden Zeit- Vergabeverfahren, Zuschlagskriterien, reihe in Abbildung 14. In ihr wird der Be- Abbildung 14: Zugangsbedingungen zu Fahrzeugen/ stand an Verkehrsverträgen der DB AG zur Betriebsleistung Werkstätten/Personal, Zugang/Gestal- Größe des Gesamtmarktes gesetzt. Das DB AG vs. Wettbe- tungsmöglichkeiten bei Tarif und Ver- Delta bildet den Marktanteil der Wettbe- werber im SPNV trieb und wettbewerbsneutrale Einnah- werber ab. 1998–2009 menaufteilung. in Mio. Trkm Insgesamt bringt die Hälfte der Global Der Kurvenverlauf der DB AG zeigt, dass Player mit ihrer Abwesenheit in Deutsch- sie bis 2003 ihren absoluten Vertragsbe- Quelle: land das Urteil zum Ausdruck, dass sich der stand erheblich ausweiten konnte. Entge- eigene Darstellung

Schienenpersonennahverkehr 31 gen der Rhetorik in diesem Zeitraum traf Mittel von 1,4 Prozentpunkten. Dabei ist der Wettbewerb die DB AG bis dahin gar auch innerhalb des Zeitraums keine Be- nicht. Dass die Wettbewerbsbahnen in schleunigungsphase erkennbar, wie die Ab- dieser Zeit dennoch Marktanteile erobern bildung 15 zeigt. konnten, lag primär an der massiven Aus- weitung des Gesamtangebotes duch die Zum Vergleich eignet sich die Dyna- Aufgabenträger, nachdem sie über erheb- mik der Marktöffnung mehrerer Güter im lich mehr Regionalisierungsmittel verfü- Netzsektor Telekommunikation. Dagegen gen konnten. So hat das bundesweite An- fällt der SPNV deutlich ab, indem er keine gebot von 1993/1994 bis heute um ca. Boomphase aufweist, sondern die Wettbe- 140 Mio. Zkm zugenommen (28 % mehr werber beständig, aber auf niedrigem Ni- als zum Ausgangszeitpunkt). Spitzenreiter veau Marktanteile hinzugewinnen. der Angebotsausdehnung zwischen 1995 und 2005/2006 waren Rheinland-Pfalz Wäre das Monopol binnen zehn oder +37,7 %, Baden-Württemberg +33,9 %, längstens 15 Jahren konsequent in den NRW +33,1 % sowie Schleswig-Holstein Wettbewerb überführt worden, würde der +21,7 %. Anders formuliert: Rechnerisch Marktanteil Dritter bei einer Erfolgsquote sind nur die zusätzlich bestellten Leistun- in Wettbewerbsverfahren von bislang 50– gen in den Wettbewerb gegeben worden, 60 % sukzessive auf ebendiesen Korridor nicht das Grundangebot zu Beginn der Re- am Ende des Zeitraums (2011) zusteuern. gionalisierung. Die DB AG wäre mit 40–50 % noch immer der größte Betreiber, aber in „Sichtweite“ Erst seit Überschreiten des Scheitelpunk- und kein marktbeherrschender, sondern tes 2003 schmilzt der Bestand der DB AG marktstarker Akteur in einem funktionie- ab. Allerdings ist das Tempo gemächlich. renden Oligopolmarkt mit hoher Wettbe- So fuhr die DB AG 2006 noch mehr Zkm werbsintensität. als 1998, und selbst 2011 werden es noch 490 Mio. Zkm sein. Von ihnen mussten sich 413 Mio. Zkm noch nie einer Erstaus- Ursachenanalyse schreibung stellen. Der geringe Marktanteil der Wettbe- werbsbahnen ist isoliert besehen kein Unterdurchschnittliche Marktdynamik Beleg, dass der SPNV-Markt in seiner Funktionsfähigkeit gestört sei. Hat ein Un- Angesichts eines Marktanteils der NE- ternehmen seine Dominanz im Leistungs- Bahnen 2008 von 18,3 % (der Zkm) ist wettbewerb errungen, ist diese zunächst der Schluss evident, dass die Dynamik des nicht angreifbar. Gleichwohl ist ein kons- Marktöffnungsprozesses zu wünschen üb- tant hoher Marktanteil oberhalb der Norm rig lässt. Eine Steigerung von 10,1 Prozent- (gängig: 40 %) stets ein Anlass, die Funk- punkten zwischen 2001 (8,2 %) und 2008 tionstüchtigkeit eines solchen Marktes zu (18,3 %) entspricht einem ungewichteten überprüfen. Denn im Normalfall arbei-

Abbildung 15: Marktanteils- entwicklung der Wettbewerber im SPNV 2000–2008

in % der Zkm

Quelle: eigene Berechnungen

32 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 ten die ökono- mischen Gesetz- mäßigkeiten auf Dauer gegen eine solche Über- machtstellung. Abbildung 16: Im SPNV kom- Dynamik von men mehrere Markt öffnungen in Netzsektoren – Faktoren zusam- Marktanteile von men, die den Wettbewerbern Verdacht der 2001–2007 Marktstörung in Deutschland begründen. Die Renditen der in % DB AG sind nicht nur exorbitant Quelle: Bundesnetzagentur, hoch, sondern eigene Berechnungen nehmen im Zeit- ablauf noch zu. In sichtbarem Widerspruch Daneben sticht ins Auge, dass die Wett- dazu steht die ständige Beschwerde der bewerbsbahnen in praktisch allen Qua- DB AG, bei den Personalkosten gegen ei- litätserhebungen der Aufgabenträger nen Vorteil der Wettbewerber von „40 % tendenziell besser als der Marktführer und mehr“ anzukämpfen. Zugleich ist die abschneiden. Dies mag zum Teil dar- Beförderung von Personen auf der Schie- AN¬LIEGEN ¬DASS¬SIE¬HËUlGER¬MIT¬NEUEN¬ ne eine relativ leicht austauschbare Leis- Fahrzeugen operieren, die erfahrungs- tung, für die eine Vielzahl an Anbietern zur gemäß beim Fahrgast gut ankommen. Auswahl steht. In dieser Kombination ist es Ebenso kann eine Rolle spielen, dass erklärungsbedürftig, wenn der Marktan- die DB AG infolge der Direktvergaben teil Dritter über ein Jahrzehnt nur mühsam stärker in den Ballungsräumen und so- steigt. zialen Brennpunkten wie z. B. Ham- burg, Köln oder Rhein-Ruhr vertreten Für dieses Phänomen kann es drei Grün- ist. Dennoch spricht viel dafür, dass die de geben: NE-Bahnen vor allem auch ein größeres Engagement an den Tag legen, weil sie ƒ Die Wettbewerber sind noch nicht als Newcomer mit Leistung überzeugen leistungsstark, oder die DB AG hat wollen. Das beste Indiz für die qualitäts- ihre Kostenstrukturen als Reak- steigernde Wirkung des Wettbewerbs tion auf den Wettbewerb bereits liefert DB Regio selbst. Sobald sie ihre mit hoher Anpassungsgeschwin- Leistungen im Wettbewerb gewinnen digkeit verbessert konnte, schneidet sie in den Tests mit hervorragenden Qualitätswerten ab. Bewertung: Beides trifft eindeutig nicht zu. Ihre grundsätzliche Leistungsfähig- Das Argument des Gleichstandes bei keit haben die Wettbewerber inzwi- den Kosten stellt die DB AG selbst in schen über einen Zeitraum von mehr Abrede. Allerdings ist die geplante Aus- als zehn Jahren demon striert. Während- gründung von 30 „Billigtöchtern“ nach dessen haben gut 200 Vergaben ein- dem Vorbild der Heidekrautbahn ein schließlich Folgevergaben und Verlän- Fingerzeig, dieses Ziel bald erreichen zu gerungen stattgefunden, von denen die können (vgl. Kapitel 2.3.3 auf Seite 54). Wettbewerber mehr als die Hälfte für sich entscheiden konnten. Eine solche ƒ Die Aufgabenträger als Besteller Rückgewinnquote erübrigt jede Quali- bevorzugen die DB AG TËTSDISKUSSION¬%S¬lELE¬AUCH¬SCHWER¬ZU¬ Bewertung: Diese These ist abwegig. erklären, warum international bewährte Zwar mag sie im Einzelfall auf der Ebe- Unternehmen, aber auch kommunale ne von Einzelpersonen zutreffen, aber oder Landesbahnen mit jahrzehntelan- genausogut könnte die DB AG im Ge- ger Erfahrung die Aufgabe nicht stem- genzug einwenden, sich zuweilen be- men können sollten. nachteiligt zu fühlen. Erfahrungsgemäß sind die Aufgabenträger in aller Regel

Schienenpersonennahverkehr 33 neutral und nur daran interessiert, bei Nach KCW-Zählung werden 2011 rund Vergaben das für sie und die Region 200 Mio. Zkm der bundesweit gefahrenen bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Hier- 630 Mio. Zkm den Status haben, mindes- zu hat in hohem Maße der gesteiger- tens einmal in einem Wettbewerbsverfah- te Wirtschaftlichkeitsdruck beigetragen, ren mit bereits abgeschlossenem Ergebnis den – neben der Kürzung der Regiona- vergeben worden zu sein. Dies entspricht lisierungsmittel – die DB AG seit 2005 einer Quote von 31,7 %. Umgekehrt be- maßgeblich selbst ausübt, und zwar deutet dies: Der Löwenanteil von 413 Mio. durch die jährliche Anhebung der In- Zkm (65,6%) ist dann noch immer im frastrukturpreise oberhalb der Dynami- langfristig gesicherten Bestand jener Gro- sierungsrate von 1,5 %. Dadurch ist die ßen Verkehrsverträge der DB AG, die über- Kaufkraft der Regionalisierungsmittel wiegend von 2002 bis 2004 direkt – d.h. beständig gesunken. ohne Wettbewerbsverfahren – vergeben worden waren (siehe Abbildung 17). ƒ Geringer Ausschreibungsumfang verengt den Marktzugang Eine Ausschreibungsquote von 31,7 % Bewertung: Nur dieses Argument er- binnen 15 Jahren bedeutet, dass im Mittel weist sich als tragfähig, weshalb es ge- jährlich ganze 2,1 % des Gesamtmarktes sondert analysiert werden soll. dem Monopol der DB AG entzogen wur- den. Lässt man die Zeitrechnung erst ab 2000 mit dem Argument beginnen, dass Der Mangel an Gelegenheiten Besteller und Wettbewerber sich auf die Regionalisierung einstellen mussten, be- Der wesentliche Grund für die mäßige trägt die Vergabequote rund 3 % p. a. Wür- Marktdynamik im SPNV wurzelt in dem de diese Geschwindigkeit der Marktöff- geringen Ausschreibungsumfang. nung beibehalten, wäre sie erst 2033 nach weiteren 22 Jahren abgeschlossen. Wie die Ausführungen im Prognose-Abschnitt zeigen werden, ist mit der Fortschreibung dieses geringen Tempos nicht zu rechnen, da die Aufgabenträger zunehmend auf die %FlZIENZVORTEILE¬DES¬7ETTBEWERBS¬SETZEN¬ Abbildung 17: (müssen). Gleichwohl wird deutlich, dass Anteil der der Liberalisierungsprozess augenschein- Erstvergaben im lich kein Selbstgänger ist und der weiteren Wettbewerb am -ARKTPmEGE¬BEDARF Marktvolumen

in % der Mio. Zkm Aus der Sicht der Wettbewerber ist das Beharrungsvermögen der Schutzzone zu- Quelle: gunsten der DB AG besonders schmerz- eigene Berechnungen lich, weil die Dritten sich bei 23 abge-

201 Vergaben – nur zwei Insolvenzen

Ein weiteres Indiz für die Leistungsfähigkeit der NE-Bahnen und die Funktionstüchtigkeit des Wettbewerbs ist darin zu sehen, dass nur drei von 201 Vergaben mit einer Insolvenz des Betreibers verknüpft waren (1,5 %). Betroffen waren zwei EVU, und zwar die FLEX AG sowie die Karsdorfer Eisenbahn (KEG). In beiden Fällen ist kein einziger Zug ausgefallen, im Un- terschied zu manchem Stabswechsel von DB Regio auf den Nachfolgebetreiber. Der Verkehr der FLEX AG zwischen Hamburg und Flensburg wurde ohne Unterbrechung von der NOB (Veolia Verkehr) übernommen. Die Burgenlandbahn der KEG war bereits in einer gemeinsa- men Tochter mit DB Regio gebündelt, die daraufhin die gesamten Anteile übernahm. Auch für den Verkehr auf Rügen (Bergen — Lauterbach Mole) war sofort ein Nachfolger gefunden.

Zwei Fälle sind bekannt, in denen Angebote nicht auskömmlich kalkuliert waren. Die NOB bestätigte dies für die Marschbahn („erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten“/“Rück- stellungsbedarf“), und die Rheinbahn berichtete von Verlusten aus dem Engagement bei trans regio. Dennoch stand nie eine Gefährdung des Betriebs zur Debatte. Die (temporären) Verluste wurden in den Unternehmen von der „Mutter“ aufgefangen.

34 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 schlossenen Vergaben mit einem Volumen Dadurch hatte DB Regio sechsmal die von 17,6 Mio. Zkm bereits zum zweiten Gelegenheit, eine ursprüngliche Niederla- oder gar dritten Mal der Konkurrenz stellen ge im Wettbewerb in der Folgerunde wett- mussten (siehe Abbildung 19 auf Seite 36). zumachen.

Marktöffnung nach DB-Rechnung

In bezug auf den Grad der Marktöffnung wendet die DB AG eine eigenwillige Zählweise an. Schon 2004 – nach Abschluss der Direktvergaben mit den Ländern – stellte DB Regio- Vorstand Homburg in Aussicht, dass künftig 40 Mio. Zkm jährlich im Mittel vergeben wür- den. Es sollte der Eindruck entstehen, dass die Abschmelzquoten der großen Verkehrsverträ- ge hoch seien und der Wettbewerb im SPNV in Gang komme.

Experten waren frühzeitig erstaunt, wie sich diese hohen Werte erklären lassen. Des Rät- sels Lösung ist einfach: Die DB AG zählt jede Vergabe mit, unabhängig von Verfahrenstyp, Folgestatus und Wettbewerbscharakter. Sichtbar wird dies anhand der Liste der Vergaben, die in jedem Wettbewerbsbericht der DB AG enthalten ist. Analysiert man beispielsweise die Statistik seit 2004 und zieht die Direktvergaben, Verlängerungen bei NE-Bahnen und Folge- ausschreibungen ab, reduziert sich der Nettowert der Erstausschreibungen erheblich.

Abbildung 18: Reale Marktöffnung im SPNV 2004–2007

in Mio Zkm

Quelle: eigene Berechnungen

Anstatt des DB-Mittelwertes von 51 Mio. Zkm zwischen 2005 und 2007 liegt die rea- le Quote der Marktöffnung bei knapp 25 Mio. Zkm (49 %). Die DB AG rechnet Vergaben mit ein wie S-Bahn-Hamburg (de facto Exklusivverhandlung mit DB Regio), RB 31, 33 und 51 (Folgevergaben, an denen DB Regio kein wirtschaftliches Interesse hatte), RB 43 in NRW (Vertragsverlängerung für NWB, Veolia Verkehr), der dampfbetriebenen Schmalspurbahn im Fichtelgebirge (kein Wettbewerb) oder des Seehas‘ durch einen kommunalen Zweckverband, der ohne Relevanz für das Abschmelzen von DB-Leistungen ist. Jeglichen Zweifel beseitigt die Höhe des Wertes aus 2004, der die Vergabekapazitäten der Aufgabenträger mehrfach sprengen würde. Nebenbei wurden 5,8 Mio. Zkm 2004 und 2005 doppelt ausgewiesen (Odenwaldbahn, Teutoburger Wald), hier in 2004 bereinigt.

Der Nettowert fügt sich nahtlos in die vorangegangene Berechnung ein, dass im Durch- schnitt der letzten zehn Jahre rund 20 Mio. Zkm – 3 % des Gesamtmarktes – für den Wett- bewerb geöffnet wurden (gemessen nach Vergabezeitpunkt). Der leicht erhöhte Wert von 25 Mio. Zkm oder 4 % des Gesamtvolumens zwischen 2005 und 2007 ist kein Wider- spruch, sondern lässt auf einen leichten Anstieg in den letzten Jahren schließen – aber eben nur eine moderate Zunahme.

Schienenpersonennahverkehr 35 S-Bahnen Wettbewerbsbahnen seit 1996 die Chance, ein Gebot für den Betrieb von S-Bahnen Korrespondierend mit dem zuvor herge- abzugeben. Neben den S-Bahnen Rhein- leiteten niedrigen Marktanteil der NE-Bah- Neckar, Bremen, Stuttgart und Dresden nen im Segment der S-Bahnen fällt auch (laufendes Verfahren) sind die freihändigen DIE¬SPEZIlSCHE¬7ETTBEWERBSQUOTE¬DEUTLICH¬ Vergaben an Veolia Verkehr über einen Teil bescheidener als im bundesweiten Durch- der S-Bahn Leipzig/Halle und die Regio- schnitt aus. Bei 27,9 Mio. Zkm hatten Bahn eingerechnet. Die Quote von 18,7 %

Abbildung 19: Wettbewerbliche Folgevergaben

Quelle: eigene Berechnungen

36 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 fällt im Vergleich zum gesamtdeutschen teilweise hinwegtäuscht. Sowohl die erste -ITTELWERT¬VON¬ ¬¬SIGNIlKANT¬AB S-Bahn-Vergabe (Rhein-Neckar) als auch die bislang größte mit dem Stuttgarter Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Netz räumten der DB AG de facto erhebli- Zahl von 27,9 Mio. Zkm über die reale Of- che Startvorteile ein. Folgerichtig erhielt sie fenheit der Verfahren für die Wettbewerber den Zuschlag.

Ausschreibung S-Bahn-Stuttgart – Lehren aus dem Verfahren

Der Verband Region Stuttgart wagte sich 2006 an die bis dahin bundesweit größte Aus- schreibung heran: die Vergabe des gesamten S-Bahn-Netzes mit 9,8 Mio. Zkm zum Fahr- planjahr 2013, nachdem der ursprüngliche Plan verworfen worden war, eine Tranche von 3,5 Mio. Zkm zu 2008 zu vergeben.

Zunächst führte der Verband einen intensiven Dialog mit der Branche über das richtige Vergabeverfahren. Die EVU gaben zu Protokoll, dass ein Nettovertrag für sie ein Wettbe- werbshindernis erster Güte wäre, weil der Verbund Stuttgart in hohem Maße von Alteinnah- men (Fixwerte, Quoten) geprägt ist, die von außen nicht zu kalkulieren seien. Auch wurden ausreichend lange Lieferzeiten von Fahrzeugen mit bis zu vier Jahren und lange Vertrags- laufzeiten von mindestens 15 Jahren gefordert. Schließlich verwies man auf die Problematik, GEEIGNETE7ERKSTËTTENZUlNDEN$IE"EWERBERËU”ERTENAUCHDIE"EFàRCHTUNG WEGENDES Großprojektes Stuttgart 21 lediglich als Preisdrücker gegen DB Regio eingesetzt zu werden.

Das Verfahren selbst begann schleppend, da die zunächst gestartete Interessenbekundung auf ein europarechtlich einwandfreies Verfahren für den Teilnahmewettbewerb umgestellt wurde. In ihm bewarben sich fünf Unternehmen, von den „üblichen Verdächtigen“ hielten sich BeNEX und Abellio (NedRailways) fern. Auch traten die ansonsten in Baden-Württem- berg sehr aktiven Landesbahnen (SWEG/HzL) und Kommunalbahnen (AVG) nicht an.

Arriva wurde wegen eines Formfehlers nicht zugelassen, so dass mit vier Anbietern (DB Re- gio, First, Veolia Verkehr und Keolis) verhandelt wurde. Bereits nach der ersten Runde zog sich First aus dem Rennen zurück. Kurz darauf erklärten auch Keolis und Veolia Verkehr, auf die Abgabe eines ersten verbindlichen Angebotes zu verzichten. Daraufhin verhandelte der Verband Region Sttuttgart allein mit DB Regio, wobei die Vertragskonzeption auf einen Net- TOVERTRAGUMGESTELLTWURDE!LSOFlZIELLE'RàNDEFàRDEN2àCKZUGNANNTEDER6ERBANDUNTER Berufung auf die abgesprungenen Bieter:

ƒ Die Qualität der S-Bahn Stuttgart sei bereits heute hoch. Damit hätten die Newcomer geringe Chancen, diese Qualität weiter zu verbessern. ƒ Das S-Bahn Werk Plochingen sei für die Wettbewerber trotz der Bemühungen des Ver- bandes und der Bundesnetzagentur nicht diskriminierungsfrei nutzbar, da DB Regio kei- ne konkreten Preise/Nutzungskonditionen angebe. Ein Neubau sei unattraktiv, da die Werkstatt gefördert sei und Grundstücke in der Stuttgarter Region schwer zu bekommen seien. ƒ Die zu übernehmenden Fahrzeuge der DB AG seien unzureichend dokumentiert und die Übernahmebedingungen unklar. ƒ Während des Baus von Stuttgart 21 käme es zu erheblichen Betriebseinschränkungen (die die DB AG als Mitbewerber steuert) und damit zu kaum kalkulierbaren Wagnissen.

!LSWEITERE'RàNDENENNEN"RANCHENKREISEDIEZERSPLITTERTE&AHRZEUGmOTTEVONBISZUDREI verschiedenen Triebwagentypen, die alle nicht miteinander kompatibel seien. Weiterhin kön- ne in Baden-Württemberg die DB AG über viele noch beamtete Lokführer verfügen, die sie dem Bundeseisenbahnvermögen nur zu einem bundesweiten Durchschnittspreis vergüten

Schienenpersonennahverkehr 37 müsse, anstatt die höheren Lohnkosten in 2.2 Prognose bis 2015/2020 Baden-Württemberg abzubilden. Schließ- lich sei es nicht gelungen, die Befürchtun- Die Prognose für den SPNV-Markt lässt gen der Abhängigkeit des Verbandes und sich nach der Fristigkeit zweiteilen. Wie auch Baden-Württembergs von der DB AG die Marktanteile sich bis zum Fahrplan- wegen Stuttgart 21 zu zerstreuen. Im Ge- jahr 2011 entwickeln werden, steht prak- genteil wurde das Vergabeverfahren von tisch bereits heute fest. Der Grund ist der IMMERNEUENlNANZIELLEN:USAGENVON hohe Planungsbedarf wettbewerblicher Land und Region im Rahmen des Großpro- Vergaben aufgrund der Fahrzeugbeschaf- JEKTESmANKIERT fung, die bei Standardfahrzeugen zwischen zwei und drei Jahren, bei S-Bahnen bis zu Trotz dieser Hemmnisse kann der Ver- fünf Jahren Vorlauffrist erfordert. Betriebs- band sein Verfahren preislich und quali- aufnahmen zum Dezember 2010 in rund tativ als Erfolg werten. Der ausgehandel- 18 Monaten sind nur möglich, wenn das te Preis von heute 6,14 Euro je Zkm incl. siegreiche EVU bereits feststeht. der Zusage umfassender Fahrzeuginvesti- tionen ohne weitere Zuschüsse gehört ne- Offen ist ein Restkontingent einzelner ben der S-Bahn Bremen zu den bundesweit Vertragsverlängerungen der großen Ver- besten Preis-Leistungs-Verhältnissen. Auch kehrsverträge von DB Regio v. a. in Nie- das Sanktionssystem bei unzureichender dersachsen, NRW/Rheinland, Hessen/ Qualität lässt ein (weiterhin) hohes Qua- RMV, Sachsen (außer Oberelbe), wäh- litätsniveau erwarten. Schließlich sieht der rend andere Aufgabenträger wie Bran- Vertrag wettbewerbssichernde Vorkehrun- denburg, Thüringen, Verkehrsverbund gen wie die Übergabe der Fahrzeuge, die Oberelbe und Bayern bereits einen weite- Nutzung der Werkstatt und den nahtlosen ren Wettbewerbsfahrplan skizziert haben. Übergang vom Alt- zum Neubetreiber vor. Auch bei den Wettbewerbsnetzen sind noch verschiedene Vertragsverlängerun- Wettbewerbspolitisch bleibt der Makel, gen zu erwarten. So wurden kürzlich z. B. dass die Wettbewerbsbahnen in diesem die Strecken der OLA (Veolia Verkehr) für Verfahren keine echte Chance hatten. Al- Rhena — Parchim um vier Jahre bis Ende lerdings lag dies nicht am fehlenden Willen 2011 verlängert. Zahlreiche weitere Verga- des Aufgabenträgers. ben im Wettbewerb mit Laufzeiten von z.T. nur sieben bis acht Jahren zu Beginn dieses Jahrzehnts harren aktuell einer Verlänge- rung oder der Folgevergabe. Ein Betreiber- wechsel wird aber desto unwahrschein- licher, je länger sich die Entscheidung hinauszögert.

Nach dem jetzigen Kenntnisstand wer- den die Wettbewerbsbahnen 2010 etwa 20 % und 2011 rund 22 % aller Verkehre bestreiten, während die DB AG nach wie vor 80 % bzw. 78 % reklamieren kann.

$AMIT¬SETZT¬SICH¬DIE¬mAUE¬$YNAMIK¬ der Marktöffnung noch zwei Jahre ver- lässlich fort. Auch unmittelbar danach – 2012/2013 – ist noch keine „eruptive“ Entwicklung zu erwarten. Die Zahlen der DB AG, wie sie DB-Regio-Chef Hom- burg mit 145 Mio. Zkm Vergabevolumen 2009/2010 zurzeit in die Welt setzt, täu- schen über das tatsächliche Wettbewerb- spotenzial hinweg. Dort werden sämtliche Vergaben eingerechnet, also auch jene Ver- längerungen, die von vornherein auf die DB AG zugeschnitten sind.

38 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Nach 2011 Ein weiteres Risikopotenzial für den Wett- bewerb liegt in den Vergaben der S-Bah- Je weiter hingegen in die Zukunft ge- nen in Hamburg und Berlin (Gleichstrom- schaut wird, desto schwerer ist der Fort- S-Bahn, geplante Betriebsaufnahme Ende gang des Wettbewerbs im Nahverkehr vor- 2017), ebenso in der derzeit in Verhand- hersagbar. Der Schlüssel liegt in der Frage, lung begriffenen Verlängerung des S-Bahn- welchen Kurs die Aufgabenträger nach Vertrags Rhein-Ruhr bis Ende 2023. Letzte- dem Auslaufen der großen Verkehrsver- re wirkte wiederum faktisch auf die S-Bahn träge einschlagen. Die Welle der vertrag- Rhein-Sieg zurück. Hieraus ergibt sich ein lich frei werdenden Leistungsmengen in Vergaberisiko von rund 75 Mio. Zkm. Tre- den Ländern setzt 2012 ein, erreicht ih- ten 50 % des Risikos ein, könnten von ren Höhepunkt 2014–2016 und ebbt erst 155 Mio. Zkm etwa 80 Mio. Zkm vom 2018 ab, wenn nach bisherigem Sachstand Wettbewerb bis mindestens 2020 ausge- die Verträge der S-Bahnen München und nommen bleiben. Rhein-Ruhr sowie im Saarland auslaufen. Dazu addiert sich die steigende Zahl je- Nach 2018 ist gemäß den bislang be- ner Ausschreibungen, die bereits ihre erste kannten Wettbewerbsfahrplänen nur noch oder zweite .EUAUmAGE erfahren. Diese mit einem geringen Bestand an Direktver- haben zwar keine Auswirkungen auf das gaben bei DB Regio zu rechnen. Hierzu Abschmelzen der Leistungen von DB Re- zählt z. B. ein begrenztes Leistungsvolumen gio und bieten den Wettbewerbern keine in Bayern, dessen Verlängerung zugunsten Chance, ihre Marktanteile nennenswert DB Regio zu erwarten ist. Eine Unbekannte auszuweiten. Sie binden aber Kapazität für ist allerdings noch in den Abschmelzkon- Vergabedurchführung und Abwicklung. zepten der Aufgabenträger in Baden-Würt- Allein von 2010 bis 2020 steht im Schnitt temberg, Rheinland-Pfalz, NRW/Rhein- ein jährliches Volumen von 21 Mio. Zkm land, Saarland, Sachsen/Mittelsachsen, zur Folgevergabe an. Die Vorausschau des Thüringen und Sachsen-Anhalt zu sehen. bundesweiten Vergabekalenders wird zu- Hier prognostiziert KCW eine kumulierte sätzlich dadurch kompliziert, dass die zum Restleistung von ca. 80 Mio. Zkm, die der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verein- Erstvergabe harren. Da der Wettbewerb barten Abschmelzpläne seit längerem in dort bislang eher zögerlich Einzug hielt Teilen überholt sind, da sich an vielen Stel- oder nach starkem Beginn nachließ, ist die len zeitliche Verschiebungen nach hinten Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich der Ab- hin ergeben haben (Näheres dazu im Kapi- schmelzprozess bis deutlich nach 2020 er- tel 2.6.2 auf Seite 64). strecken könnte. Freihändige Vergaben an Wettbewerber sind dort unwahrscheinlich, Kommen für die Betriebsaufnahme in so dass DB Regio einige regionale Mono- den Jahren 2012 bis 2015 im Schnitt pole noch eine Zeitlang verteidigen kön- 40 Mio. Zkm p. a. oder mehr als Erstaus- nen wird. schreibungen auf den Markt (in der Spitze ggf. 55 Mio. Zkm), könnte sich das Pro-

Abbildung 20: Prognose der Markt- anteile von Wettbe- werbern im SPNV 2009–2011

Quelle: eigene Berechnungen

Schienenpersonennahverkehr 39 blem wiederholen, das schon 2002 als Mo- des Wettbewerbs und möchte von der tiv für den Abschluss der zweiten großen Faustformel „30 % weniger Geld für bis 1 – z. B. Neufahrzeuge, Verkehrsverträge mit der DB AG angeführt zu 30 % mehr Leistung1“¬PROlTIEREN¬ Angebotsausweitung wurde. Die Wettbewerber wären nicht in ƒ Der äußere Handlungsdruck, auf den der Lage, das Volumen vollständig zu ab- Wettbewerb zu setzen, könnte sich sorbieren, so dass die DB AG bei einigen noch steigern, sobald die neue Bundes- Ausschreibungen erneut ohne Konkurrenz regierung nach dem Anziehen der Kon- den Zuschlag erhielte. Damit würden die junktur die Konsolidierung des Haushal- Mahnungen bestätigt, die bereits anläss- tes ab 2011 in Angriff nehmen muss. lich der Änderung der Vergabeverordnung %XPERTEN¬SEHEN¬DAS¬STRUKTURELLE¬$El- 2002 verbindliche Wettbewerbspläne ein- zit in Dimensionen, die weit oberhalb forderten und auf die Gefahr der zeitverzö- der Schuldenhaushalte vor der letzten gerten Bugwelle hinwiesen. Allerdings ist Mehrwertsteuererhöhung liegen wer- zu berücksichtigen, dass die gegenwärti- den. Da raus leiten sich Kürzungsszena- ge Wettbewerber-Landschaft etwas breiter rien ab, die keinen Haushaltsbereich aufgestellt ist als 2002 und ein größeres ungeschoren davonkommen lassen und Volumen als damals „aufsaugen“ können Koch-Steinbrück 2006 in den Schatten müsste. stellen werden. Um so wichtiger wird es DANN ¬DIE¬%FlZIENZRESERVEN¬IM¬30.6¬ZU¬ Insgesamt zeichnen sich folgende, für die heben. Auch die DB AG könnte dies for- Vergabeprognose relevante Trends ab: cieren, sofern sie weiterhin die Entgelte ƒ Einige wenige Aufgabenträger dürften für Trassen- und Stationsnutzung sowie ihrem Kurs treu bleiben und „im Zwei- den Bahnstrom oberhalb der Dynami- fel“ die Direktvergabe bevorzugen. sierungsrate erhöht. ƒ Die weit überwiegende Zahl der Aufga- ƒ Einzelne Aufgabenträger – insbesonde- benträger sieht hingegen die Vorteile re mit großen (Rest-)Vergabevolumi-

Die 145-Millionen-Zugkilometer-Rechnung

In Hintergrundgesprächen mit Journalisten lässt die DB AG verbreiten, dass in diesem und im kommenden Jahr 145 Mio. Zkm in Deutschland vergeben würden. Dies wären 23 % des Gesamtmarktes binnen zwei Jahren – während für das gesamte Wettbewerbsvolumen von 31,7 % seit Beginn der Regionalisierung bis heute immerhin 13 Jahre gebraucht wurden. Damit wird suggeriert, dass die DB AG sich einem intensiven Wettbewerb stellen müsse, dessen Tempo sich radikal beschleunige. Zugleich soll im Vorfeld des 2010 auslaufenden Be- schäftigungssicherungsvertrags in den Konzern hinein signalisiert werden, dass bei den an- stehenden Tarifverhandlungen maßhalten angesagt sei. Andernfalls – so die Ansage – müss- te die DB AG künftig stets mit ihren „Billigtöchtern“ bieten. Wer den Ausschreibungsmarkt kennt, kann sich über die Zahlen nur wundern – oder ob DES)NSIDERWISSENSDER$"!'NEIDISCHSEIN%INEQUALIlZIERTE6ORAUSSCHAUFàR lässt ein realistisches Marktvolumen von 67 Mio. Zkm erwarten, also weniger als die Hälfte des DB-Wertes. 67 Mio. Zkm setzen sich wie folgt zusammen: ƒ 35 Mio. Zkm sind aktuell in Vergabeverfahren (Berlin-Brandenburg, S-Bahn Leipzig, S-Bahn Dresden, Leipzig — Dresden, Frankfurt — Mittelhessen). ƒ 15,2 Mio. Zkm sind als Betriebsaufnahmen für 12/2011 annonciert (Offen sind RMV 3,7 Mio., in Mecklenburg-Vorpommern 3,5 Mio. und in NRW [VRR/NVR] 4,2 Mio. Zkm). Zudem ist das Ostthüringennetz mit 3,8 Mio. Zkm für diesen Zeitpunkt angekündigt. ƒ 16,9 Mio. Zkm kommen für Betriebsaufnahmen 12/2012 in Frage (v. a. im Bereich Hes- sen/Baden-Württemberg, Brandenburg/Sachsen, Vogtland, Ostwestfalen/Niedersachsen, Vorpommern). Dies entspricht der derzeitigen Erwartung einer mittleren Marktöffnung von rund 30 bis 40 Mio. Zkm pro Jahr ab 2011. Dagegen muss die Zahl der DB AG das Interessenbekun- dungsverfahren der BEG in Bayern einbeziehen, bei dem Gebote über 30 Mio. bzw. optio- nal 58,5 Mio. Zkm angefragt werden. Dieses Los kann nur einer gewinnen – die DB AG. Als Wettbewerbsverfahren ist es daher nicht zu werten.

40 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 NA¬n¬WERDEN¬DER¬-ARKTPmEGE¬WEGEN¬ Kalkulationsfehler auf ihrer Seite durch gezwungen sein, den Vertrag für einige die große Masse an Verkehrsverträgen Teilnetze (mit DB Regio) um mehrere abgepuffert und nicht sichtbar werden. Jahre zu verlängern, um der Bugwelle Auch auf Seiten der EVU ist zunehmend die Spitze zu nehmen. Dies geschieht die Einschätzung zu vernehmen, dass nicht nur im Interesse der Wettbewerbs- Nettoverträge in der jetzigen Phase der bahnen, sondern auch mit Blick auf die Marktöffnung nachteilig seien – nicht knappen eigenen Ressourcen. Mehr als weil die Dritten das Risiko scheuen, son- eine Vergabe im Jahr können die meis- dern weil es bei den jetzigen Marktver- ten Aufgabenträger nicht bewältigen. zerrungen kaum zu beherrschen ist. Angesichts der hohen Einsparpotenziale stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll Darüber hinaus sind Zweifel an der wäre, das Personal aufzustocken oder These angebracht, dass der Personen- externen Rat heranzuziehen. Eine einzi- verkehr vor der Konjunkturkrise dauer- ge Vergabe würde die Mehrkosten auf haft gefeit sei. Auch das Mobilitätsauf- Jahre hinaus einspielen. kommen ist abhängig vom verfügbaren Haushaltseinkommen und der Beschäf- ƒ Ein Teil der Aufgabenträger könnte die tigungssituation. Die Wachstumsraten Verträge mit DB Regio um ein bis zwei der Nachfrage im SPNV, die in hohem Jahre mit dem Ziel prolongieren, besse- Maße auf attraktive preisliche und qua- re Losgrößen und betrieblich passfähi- litative Angebote zurückzuführen sind, gere Teilnetze mit benachbarten Aufga- entspringen keinem Naturgesetz. benträgern zusammenzustellen. Damit würde die geschickte Strategie der ƒ Bei den künftigen Losgrößen ist die DB AG von 2002–2004 korrigiert, die Fortschreibung des Trends hin zu stei- Abschmelzpläne der Verträge benach- genden Volumina wahrscheinlich. Dies barter Aufgabenträger so ungleichzeitig liegt nicht nur darin begründet, dass ZU¬KONlGURIEREN ¬DASS¬àBER¬DIE¬'REN- die am längsten vor Wettbewerb ge- zen der Besteller hinweg keine soforti- schützten Teilnetze aufgrund ihrer gen Synergien möglich sind. Allerdings Funktionalität größere Einheiten vor- ist der Koordinationsaufwand erheblich aussetzen (siehe S-Bahn-Netze). Auch UND¬ENDET¬HËUlG¬ERGEBNISLOS in jüngerer Vergangenheit war diese Entwicklung bereits erkennbar, wenn ƒ Aus der Sicht der EVU ist nicht nur die man die Größe der Teilnetze mit dem Leistungsmenge entscheidend, die dem langfristigen Mittelwert von exakt einer Markt überantwortet wird, sondern Mio. Zkm pro Vergabe abgleicht. auch alle anderen Parameter, die für die Kalkulation und die relative Chancen- ƒ Die Zahl der Bieter dürfte stabil blei- gleichheit maßgeblich sind. Die Gret- ben, ebenso der Kreis der potenziellen chenfrage wird dabei sein, wohin das Wettbewerber. Dies schließt nicht aus, Pendel zwischen Brutto-(Anreiz-)Verträ- dass einzelne neue Anbieter hinzusto- gen und Nettoverträgen ausschlägt. Die ßen. Bei den Landesbahnen ist eine Prognose der Verfasser lautet, dass die Marktbereinigung zu erwarten, insbe- Tendenz sich zunehmend gegen den sondere die Hessische Landesbahn und Nettovertrag richtet. die AKN könnten mittelfristig verkauft werden. Allerdings bleibt abzuwarten, Hierzu tragen mehrere Faktoren bei: ob sich der gesellschaftliche Trend ge- Zum einen ist zu erwarten, dass die An- gen Privatisierungen festigt oder wieder zahl an Fehlkalkulationen der Wettbe- ABmAUT ¬WENN¬IN¬:EITEN¬DER¬(AUSHALTS- werber bei Nettoverträgen leicht zu- konsolidierung zusätzliche Einnahme- nimmt. Dies liegt selbstredend nicht quellen gesucht werden. an ihrer Leistungsfähigkeit, sondern an der Herkulesaufgabe, komplexe Aus- ƒ Die Vergabetiefe der Ausschreibungen schreibungen ohne echten Einblick in wird abnehmen. Immer mehr Aufga- die Einnahmenpotenziale zu kalkulieren. benträger – insbesondere in Ballungs- Angesichts einer im Durchschnitt eher räumen – werden die Strategie fahren, defensiven Risikoeinstellung der Auf- den Vertrieb herauszulösen und ihn se- gabenträger könnten sie sich bestärkt parat auszuschreiben oder in Eigenregie fühlen, eher vorsichtig an den Markt zu erbringen. Je stärker der Markt aus- heranzugehen und auf Bruttoverträ- differenziert und die DB AG ihre markt- ge umzustellen. Andernfalls dürfte die beherrschende Stellung einbüßt, desto DB AG erheblich bevorteilt sein, zumal dringlicher wird der Schritt, den Ver-

Schienenpersonennahverkehr 41 Abbildung 21: Prognose der Wettbewerbsquote im SPNV 2016

Torten geben die genaue Wettbewerbsquote als Punktwert wieder

Quelle: eigene Berechnungen

42 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 trieb betreiberneutral zu gestellen. Die cherheiten über die Restleistungen in die aktuelle Intransparenz lässt zudem ver- zweite Kategorie eingestuft. Zwölf Auf- muten, dass noch Einnahmenreserven gabenträger bleiben voraussichtlich un- zu heben sind. Der Verkehrsverbund terhalb der 60 %. Oberelbe hat hiermit bereits begonnen, andere Besteller wie der VRR oder RMV Zu beachten ist, dass die kartographische beschäftigen sich ebenfalls konkret mit Darstellung die noch unausgeschöpften der Abtrennung des Vertriebs. Potenziale verdeutlichen soll. Ein unmittel- bares Ranking folgt hieraus nicht, denn: Alle Faktoren zusammengenommen ist davon auszugehen, dass die Wettbe- ƒ Aufgabenträger mit kleineren Volu- werbsquote im SPNV bis 2015 zunimmt, mina sind in der Einstufung größeren aber bei weitem nicht so stark, wie es ei- Schwankungen unterworfen. Sobald nige Darstellungen mit Gipfelwerten von das eine oder die beiden Teilnetze in 80 Mio. Zkm in einem Jahr nahelegen. In den Wettbewerb gehen, springt der Anbetracht der limitierten Ressourcen auf Aufgabenträger in der Bewertung von Seiten der Aufgabenträger sind im Durch- „null auf 100“. Aktuelles Beispiel ist der schnitt gut 30 Mio. Zkm realistisch, in Spit- Verband Region Stuttgart. Ebenso wür- zenjahren bestenfalls 40 Mio. Zkm. den Berlin oder Hamburg auf 100 % klettern, wenn der Bezugspunkt zwei Die schon heute vorhandene Heteroge- Jahre später läge und die Ausschreibun- nität der Wettbewerbsquoten unter den gen der S-Bahn-Netze stattfänden. Aufgabenträgern und Verbünden wird sich ƒ Große Aufgabenträger sind gezwun- zunächst fortschreiben. Allerdings zeich- gen, den Markt kontinuierlicher zu öff- net sich ab, dass einige deutlich aufholen nen, da sie – wie die BEG in Bayern – werden, da sie nach dem Auslaufen des bis zu einem Sechstel des deutschen großen Verkehrsvertrags zügig größere Tei- SPNV-Marktes verantworten. Die perso- le an den Markt bringen wollen. KCW er- nellen Ressourcen wachsen jedoch nicht wartet für 2016 die Wettbewerbsquoten im Verhältnis der Leistungsmengen mit. der einzelnen Aufgabenträger und Verbün- Im Ergebnis brauchen große Flächen- de, wie sie in Abbildung 21 auf Seite 42 dar- länder mehr Zeit. gestellt sind. ƒ Die absolute Höhe der Wettbewerbs- Die Projektion basiert auf den feststehen- quote ist nicht mit der Qualität der Aus- den Abschmelzquoten der großen Ver- schreibungsverfahren gleichzusetzen. kehrsverträge mit DB Regio, den bereits So liegt die BEG in Bayern nach der heute bekannten Verschiebungen im Zeit- Quote im Mittelfeld, ist aber derjenige plan, den Wettbewerbsfahrplänen nach Aufgabenträger, der in den letzten fünf Auslaufen der DB-Verträge sowie einer Jahren seinen Wettbewerbsfahrplan mit subjektiven Einschätzung, wie viele Netze am präzisesten umgesetzt hat. Für die und Strecken in welchem Zeitraum realisti- EVU ist dies von hohem Nutzen. scherweise zu vergeben sind. ƒ Einige Aufgabenträger sind aufgrund STARKER¬6ERmECHTUNGEN¬DER¬6ERKEHRE¬DA- Die Karte zeigt, dass 2016 neun Aufga- von abhängig, welche Wettbewerbs- benträger auf eine Wettbewerbsquote quote die benachbarten Aufgabenträ- von 81 bis 100 Prozent zusteuern. An der ger anstreben. Spitze liegen Schleswig-Holstein und Bre- men, gefolgt vom Verband Region Stutt- ƒ Die absolute Quotenhöhe sagt nur be- gart (der kürzlich die gesamte S-Bahn aus- dingt etwas über die zeitliche Anord- schrieb), Brandenburg, Verkehrsverbund nung der Wettbewerbsverfahren aus. 2 – Annahmen: Den Wettbewerbsbahnen ist wenig da- Oberelbe, Nahverkehr Westfalen-Lippe, a) Der Wert des ZGB setzt LNVG Niedersachsen, Nahverkehr Leip- mit gedient, wenn ein Land in der An- voraus, dass die Vergabe zig und Vogtland. Weitere sieben Aufga- fangszeit relativ viel ausschreibt oder des Harz-Weser-Netzes benträger2 liegen ebenfalls oberhalb der einen relativ hohen Altbestand an NE- trotz der Fahrzeugförde- Bahnen aufweist, anschließend aber rung einem echten Wett- 60 %-Marke. Diese fußt auf der Erwartung, bewerb unterliegt. dass bei 20 Jahren Marktöffnung eine wenig nachfolgt. b) Der Wert der Region durchschnittliche Wettbewerbsquote von Im Weiteren soll analysiert werden, wel- Hannover (RH) unterstellt 3 % p. a. angemessen sei. Der RMV und che Hindernisse nach wie vor den Wettbe- der zu 2013 geplanten S-Bahn-Vergabe eine NVS Thüringen liegen genau im Grenz- werb hemmen bzw. auf welche neuen Hür- bereich, wurden hier aber wegen Unsi- Zwei-Drittel-Wahrschein- den perspektivisch zu achten ist. lichkeit.

Schienenpersonennahverkehr 43 2.3 TOP-Hindernis 1: In dieser Situation sahen sich die Länder Überkompensation der in Ermangelung von Alternativen gezwun- GEN ¬JENEN¬LËNDERSPEZIlSCHEN¬%INHEITSPREIS¬ DB AG zementiert Markt- zu übernehmen, den WIBERA 2002 nach beherrschung Neuberechnung vorgeschlagen hatte. Ab- strakt betrachtet war zu erahnen, dass die Als die Länder 2002 bis 2004 die großen 0REISlNDUNG¬uAM¬3CHREIBTISCHh¬AUF¬DER¬ Verkehrsverträge mit der DB AG verhan- Grundlage monopolistischer Kostenstruk- delten, standen sie vor dem Grundsatzpro- turen nicht dem entspräche, was der reale blem, einen angemessenen Preis zu verein- Wettbewerb hergeben würde. Simulierte baren. DB Regio war 2002 ein Monopolist „Als-ob-Konstruktionen“ sind erfahrungs- mit einem Marktanteil von 96,1 % (Pkm). gemäß immer schlechter als das Original: Korrespondierend lag die Wettbewerbs- der Markttest. Doch der schlagende Beweis quote bei etwas über 10 %. einer Überkompensation – also einer nicht angemessenen oder marktgerechten Ver- Erfahrungen mit größeren Ausschreibun- gütung – war zu der Zeit nicht zu führen. gen gab es bis dahin kaum. Die größte war die S-Bahn Rhein-Neckar mit 6 Mio. Zkm, Seit ein paar Jahren steht die Überkom- die jedoch im Vergleich zu allen anderen pensation der DB AG durch die direkt ver- herausragte und nur begrenzt mit RE-/RB- gebenen Verkehrsverträge im SPNV außer Teilnetzen vergleichbar war. Die bis dato Frage. Hierfür genügt ein einfacher Blick vorliegenden Ausschreibungsergebnisse in den Geschäftsbericht 2008, der für das lieferten erste Fingerzeige, welche großen Geschäftsfeld Regio zuzüglich der beiden %FlZIENZPOTENZIALE¬IM¬3YSTEM¬LIEGEN¬WàR- S-Bahnen Hamburg und Berlin einen Ge- den. Ihre Fallzahl war aber noch nicht re- winn nach Zinsen von ca. 860 Mio. Euro präsentativ, so dass kein ausgereifter Wett- ausweist. Genaue Angaben sind erst mög- bewerbsmarkt als Benchmark vorlag. Die lich, wenn die Abschlüsse des Tochterun- meisten Aufgabenträger hatten Zweifel, ob ternehmens DB Regio AG publik sind. 860 die damals aufkeimenden Wettbewerber Mio. Euro bei rund 7,65 Mrd. Euro Umsatz größere Lose bewältigen könnten. bedeuten eine Umsatzrendite von 11,2 %. Selbst die Wettbewerber wiesen dar- auf hin, dass der Markt überfordert wür- Dieser Wert liegt weit über der Norm an- de, wenn mehrere Länder zeitgleich lan- derer Branchen, insbesondere wenn man desweite Vergabevolumina von 20 Mio. die relative Duplizierbarkeit der Leistung Zkm in den Wettbewerb gäben. Gefordert und die geringen Marktrisiken nach dem wurde ein „geordneter Übergang“ in den Markteintritt bedenkt. Am instruktivsten ist Wettbewerb. Allerdings mahnten sie eben- der DB-interne direkte Vergleich mit den so – zu Recht – an, dass eine bundesweite anderen Geschäftsfeldern auf der Schie- Abschmelzquote von im Durchschnitt 30 % ne, die aufgrund der gemeinsam genutz- über 10 –15 Jahre den Newcomern zu we- ten Ressource „Infrastruktur“ eine ähn- nig zutraue. liche Kostenstruktur aufweisen. Obwohl der eigenwirtschaftliche Fern- und der Güterver- kehr wegen der deutlich größeren Risiken höhe- re Renditeziele verfolgen müssten, ist die Rangfol- ge der erzielten Umsatz- renditen genau umge- kehrt. Im langfristigen Mittel liegen beide Spar- ten unter 5 % Umsatz- Abbildung 22: rendite. Versteckte Rendi- ten der DB AG im SPNV 2008 Für die Wettbewerber sind die Gewinnregionen in Mio. Euro der DB AG im SPNV illu- sorisch. Nach Erkenntnis- Quelle: sen von Brancheninsidern eigene Berechnungen

44 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 reicht keine NE-Bahn an 5 % Umsatzrendi- 30 % – was die Faustformel für das Einspar- te im hart umkämpften deutschen Markt potenzial durch wettbewerbliche Vergaben heran. bestätigt.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Ein weiteres Indiz für die Anomalie der die tatsächliche Rendite des DB-Konzerns DB-Gewinne ist ihr zeitlicher Verlauf. Seit aus dem SPNV-Geschäft deutlich über den Jahren nimmt das Ergebnis zu (die Droh- nach außen sichtbaren 11,2 % rangiert. verlustrückstellungen 2008 sind dabei he- Der Grund liegt in der Integration der Vor- rauszurechnen, weil sie als Einmaleffekt leistungsgüter Trasse, Stationen und Ener- nicht die faktische Lage widerspiegeln). In gie. Diese versetzt die DB AG in die Lage, Wettbewerbsmärkten ist tendenziell die die Gewinne entlang der Wertschöpfungs- GEGENLËUlGE¬%NTWICKLUNG¬ZU¬ERWARTEN ¬INS- kette praktisch nach Belieben dort zu par- besondere beim Übergang vom Monopol ken, wo sie den größten Nutzen für den in den Wettbewerb. Konzern stiften. In der Annahme, integriert an die Börse zu gehen, hat die DB AG ab Eine andere Nachweismethode der Über- 2005 einen Teil der Gewinne zunehmend kompensation basiert auf der Analyse von auf diese Säule verlagert. Praktischer Ne- Marktvergleichspreisen, die im Wettbe- beneffekt im SPNV ist, dass sie bei Leis- werb erzielt wurden. Setzt man diese in tungsverlusten soviel wie möglich am Er- Relation zu den Einheitspreisen der großen folg der Wettbewerber mit verdient. DB-Verkehrsverträge, ergeben sich die er- zielten Einsparungen der Aufgabenträger Die Ergiebigkeit dieses Verschiebebahn- durch das Instrument Wettbewerb. hofs lässt sich an der Abbildung 22 auf Sei- te 44 ablesen. Von bundesweit 201 Vergaben liegen in 118 Fällen verwertbare Angaben über die Teilt man die Gewinne der Geschäftsfel- wettbewerblich ermittelten Bestell entgelte der in der Infrastruktur proportional zum vor. Diese Informationen sind größtenteils internen Erlösschlüssel der Segmente Nah-, öffentlich zugänglich. In wenigen Fällen Fern- und Güterverkehr auf ebendiese auf, stammen sie aus vertraulichen Quellen, die sind dem SPNV weitere Gewinnbestand- anonymisiert wurden. Teilweise sind die teile von 379 Mio. Euro zuzurechnen. Der Daten nur als Korridorwert verfügbar. Zur Gesamtgewinn von 1,239 Mrd. Euro ent- Vergleichbarkeit der Leistungen und Ent- spricht einer sagenhaften Umsatzrendite gelte ist es weiterhin erforderlich, Vorteile von 19,3 %. durch Förderungen (primär Fahrzeuge) zu neutralisieren. Soweit diese bekannt sind, Abschließend gilt es noch in Rechnung wurden sie herausgerechnet. zu stellen, dass die 19,3 % den Durch- schnitt über alle Vergaben abbilden. Darin Die Auswertung der 118 Vergaben, die eingeschlossen sind die Wettbewerbsnet- rund 60 % des Gesamtvolumens aller Erst- ze, die 2008 etwa 8 % des Vertragsbestan- ausschreibungen in Deutschland ab- des der DB AG ausmachen. Von diesen sollen „einzelne“ so ver- lustreich sein, dass die DB AG sich 2008 veranlasst sah, Droh- verlustrückstellungen in Höhe von 310 Mio. Euro zu bilden (vgl. auch Kapitel 2.3.3 auf Sei- te 54). Setzt man den Deckungs- beitrag dieser Netze mit einer schwarzen Null an, müssen die Direktvergaben demnach noch Abbildung 23: mehr Gewinn abwerfen, und %FlZIENZPOTENZI- zwar über 20 %. Bei Erlösen von ale bei DB-Leis- über 14 Euro je Zkm wandern tungen durch folglich bundesweit 2,80 Euro SPNV-Wettbewerb in den Konzerngewinn. Ge- in Euro/Zkm messen am durchschnittlichen Bestellentgelt 2008 von rund Quelle: 8,50 Euro entspricht dies eigene Darstellung

Schienenpersonennahverkehr 45 dec ken, zeitigt deutliche Einsparergebnisse Leistungen brachten noch einen Vorteil (vgl. Abbildung 23 auf Seite 45). von immerhin 14,8 %.

Im Durchschnitt aller Vergaben und Pro- Auf den ersten Blick irritierend mögen duktqualitäten (S-Bahn, RE, RB) sparen die die relativ geringen Einsparungen durch Besteller 26 % in Relation zum Einheits- die S-Bahn-Systeme in Höhe von 22,6 % preis der DB AG ein. Der Einheitspreis ist sein, die als das betriebswirtschaftlich lu- der von WIBERA 1995 und nochmals 2002 krativste Segment gelten. Hierbei ist je- gerechnete durchschnittliche Zuschusssatz doch zu berücksichtigen, dass die Fallzahl je Zkm und Bundesland. Laut Bundesre- fünf statistisch unzureichend ist. So wur- gierung und DB AG wäre dies der ange- den mehrere S-Bahnen mit Dieseltraktion messene Preis zur Durchführung des Nah- vergeben wie z. B. die Ortenau S-Bahn, die verkehrs. Auf dieser Basis schlossen alle Breisgau S-Bahn oder die RegioBahn S 28 Aufgabenträger entsprechende Verkehrs- Kaarst — Mettmann. Die Auftaktvergabe verträge mit DB Regio. Allenfalls unter Be- Rhein-Neckar litt hingegen unter einem zu rücksichtigung von Fahrzeuginvestitionen geringen Wettbewerbsdruck. Die jüngsten oder bestimmten Mehrverkehren wurde Vergaben in Bremen und Stuttgart zeigen vom Einheitspreis leicht abgewichen. ein erhebliches Einsparpotenzial zu den Landespreisen von 30–40 %. Der Wert der Einsparungen ist über ei- nen Zeitraum von 2002 bis 2024 gerech- 5M¬DIE¬ENORMEN¬%FlZIENZSPIELRËUME¬ net. Das bedeutet: Alle in diesem Zeit- der noch nicht ausgeschriebenen S-Bahn- raum gefahrenen Leistungen wurden mit Netze zu veranschaulichen, lohnt sich die ihrer Menge (Zkm) und dem wettbewerb- Analyse eines Beispiels, und zwar der bun- lich ermittelten Zuschussbedarf unter Ein- desweit drittgrößten S-Bahn im Verbund- rechnung der Dynamisierung von 1,5 % gebiet Rhein-Ruhr (17,5 Mio. Zkm, dazu mit den ansonsten zu zahlenden Einheits- kommen 0,3 Mio. Zkm auf dem Gebiet preisen aus den großen Verkehrsverträgen des NWL). Betrieblich ist dieses Netz mit nach WIBERA-Gutachten und der Schlüs- Rhein-Sieg eng verwoben, so dass sich ein selung der Regionalisierungsmittel vergli- Gesamtvolumen von etwa 25 Mio. Zkm er- chen. Während die Einsparungen in den gibt. Die S-Bahn Rhein-Ruhr wurde 2004 Anfangsjahren etwas niedriger liegen, stei- über 15 Jahre direkt an die DB Regio NRW gen sie nach hinten deutlich an, weil der GmbH als Nettovertrag vergeben. Das Be- Anteil von RE-Leistungen mit hohen Ein- stellentgelt beläuft sich 2009 auf einen sparungen zunimmt und hier auch die Ver- augenscheinlich hohen Betrag von über gabe von S-Bahn-Systemen mit größeren 11 Euro je Zkm. Einsparvolumina wie Bremen durchschlägt. Um diesen Wert einordnen zu können, In Abhängigkeit von den Produkten fallen sollen die S-Bahn-Netze Bremen, Rhein- die Einsparungen unterschiedlich aus. Den Neckar, Stuttgart und München gegen- höchsten Beitrag leisten bislang die Verga- übergestellt werden. Außer München sind ben von RE-Leistungen mit 47,3 %. Dies alle anderen Netze in wettbewerblichen wirft ein Licht auf die noch zu hebenden Verfahren vergeben worden. Wesentliche Potenziale, wenn man bedenkt, dass die- Grunddaten für den Vergleich lassen sich Abbildung 24: se Leistungen mit am längsten vor Wett- der Abbildung 24 entnehmen. Ergebnisse von bewerb geschützt werden. Danach folgen S-Bahn-Ver gaben die Teilnetze mit gemischten RE-/RB-Leis- Setzt man die verhandelten Bestellent- im Vergleich tungen, die 32,9 % einsparen. Die RB- gelte in Bezug zueinander, resultiert der in in Euro/Zkm Bremen/Nds.1 Rhein-Neckar2 Stuttgart3 München4 Rhein-Ruhr5 1 – Bahn-Report Laufzeit (von 2010/2011 – 2003 – 2015 2013 – 2028 2003 – 2017 2003 – 2018 5/08, S. 50 bis ausschl.) 2021 2 – Bahn-Report Vergabeart Offenes Offenes Verhandlungs- Direktvergabe Direktvergabe 1/02, S. 17 Verfahren Verfahren verfahren 3 – Pressemitteilung des VRS v. 4.3.2009 Vertragsart Bruttovertrag Nettovertrag Nettovertrag Nettovertrag Nettovertrag 4 – Branchengerüchte Volumen 4,7 Mio. Zkm 6,0 Mio. Zkm 9,8 Mio. Zkm 20,3 Mio. Zkm 17,5 Mio. Zkm 5 – Bahn-Report 2/09, S. 50 Bestellentgelt 4,94 Euro 8,60 Euro 6,14 Euro < 7 Euro > 11 Euro Anteil neuer 100 % 100 % 60 % 100 % 45 % Quelle: Fahrzeuge eigene Darstellung

46 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Abbildung 25 ersichtliche Vergleichsmaß- Fahrzeugmaterial ressourcenschonend um- stab. gegangen werden kann, ohne den Wett- bewerb zu beeinträchtigen, ist nach den Der Gegenüberstellung der Werte ist klar Problemen im Stuttgarter Verfahren offen. zu entnehmen, dass das Bestellentgelt des Im Hinblick auf die Sondersysteme mit VRR von mehr als 11 Euro pro Zkm deut- Gleichstrom- oder Zweisystemfahrzeugen lich oberhalb des Wettbewerbskorridors ist abzusehen, dass es in diesem Punkt bei liegt. Nimmt man dessen ungewichte- den Vergaben in Hamburg und Berlin, aber ten Mittelwert von 6,77 Euro je Zkm, wird auch bei den Regionalstadtbahnen in Kas- die DB AG mit mindestens 4,23 Euro/Zkm sel, Karlsruhe, Braunschweig und Saarbrü- überkompensiert. Bei 17,5 Mio. Zkm Leis- cken zur Nagelprobe kommen wird. tungsvolumen im VRR und 15jähriger Ver- tragslaufzeit beläuft sich die kumulierte Ein weiteres Problemfeld ohne einfa- Überzahlung auf rund 1,1 Mrd. Euro. chen Ausweg ist die Nutzung vorhandener Werkstätten. Auch hier hat das Verfahren in Der mögliche Einwand mangelnder Ver- Stuttgart unbeantwortete Fragen zurück- gleichbarkeit lässt sich plausibel entkräf- gelassen. Weder scheint die Vorgabe für ten. Hinsichtlich Fahrzeugproduktivität die Bieter befriedigend, die Fahrzeuge in und –aufwand schneidet die S-Bahn Rhein- der Werkstatt eines Konkurrenten warten Ruhr in zwei bzw. drei Fällen besser ab, in zu lassen (z. B. OHE-Werkstatt für Metro- den verbleibenden liegt sie gleichauf. Der nom-Leistung), noch ist die Formulierung Werkstattaufwand ist in etwa gleich ein- wirksamer Endschaftsregelungen für den zuschätzen. Der Aufwand für Zugbegleit- Betreiberwechsel unproblematisch. In bei- personal ist nur bei Rhein-Neckar niedriger den Fällen sind Aufgabenträger und Eisen- anzusetzen, bei den anderen drei Ver- bahnverkehrsunternehmen noch auf der gleichsfällen höher. Die Tarifergiebigkeit Suche nach der besten Marktlösung. fällt in Bremen und Rhein-Neckar schlech- ter aus, in Stuttgart dagegen besser. Al- Da die S-Bahn Rhein-Ruhr in die Katego- les in allem spricht viel dafür, die S-Bahn rie der voraussichtlich unproblematischen Rhein-Ruhr eher im mittleren Bereich der Systeme – vergleichbar mit Hannover, Spanne zwischen 4,94 und 8,60 Euro ein- Frankfurt, München oder Nürnberg – fällt, zuordnen. halten die Wettbewerbsbahnen die geplan- te Vertragsverlängerung zwischen VRR und Insgesamt wird offenkundig, welche DB AG für nicht nachvollziehbar und sind enormen Potenziale die künftige Vergabe bereit, gegen die Vereinbarung vorzuge- von S-Bahnen im Wettbewerb prinzipi- hen (siehe Kapitel 2.3.2 auf Seite 50). ell in sich birgt. Allerdings bleibt abzuwar- ten, ob alle S-Bahn-Vergaben die hohen Er- wartungen erfüllen können. Die Verfahren Folgen der Überkompensation Bremen sowie mit Abstrichen Rhein-Ne- ckar und Stuttgart weisen in eine erfreuli- Abschließend ist zu erörtern, warum die che Richtung. Volumina von 10 Mio. Zkm wettbewerbsfernen Entgelte für die Leis- scheinen keine Probleme aufzu- werfen, wie auch die rege Beteili- gung in Leipzig/Halle unterstreicht. Ebenso belegen Bremen und Rhein- Neckar, dass die Einführung neu- er Systeme keine unüberwindlichen Hindernisse aufbaut.

Auf der Sollseite kristallisiert sich jedoch ebenso heraus, dass die Abbildung 25: Schlüsselfrage zur Ausschöpfung Vergleich der Be- DER¬%FlZIENZPOTENZIALE¬IN¬DER¬"EWËL- stellentgelte von tigung der Fahrzeugthematik liegt. S-Bahn-Vergaben in Entscheidend ist der hinreichen- Deutschland de zeitliche Vorlauf zur Beschaffung in Euro/Zkm von Fahrzeugen, die v. a. durch eine gestufte Inbetriebnahme erleichtert Quelle: werden kann. Wie mit gebrauchtem eigene Berechnungen

Schienenpersonennahverkehr 47 tungen der DB AG nach wie vor den Markt Wettbewerbern fehlen derartige Polster. gravierend verzerren und die Entwicklung Sie sind gezwungen, Kostensteigerun- des SPNV nachhaltig schädigen. Hierfür gen zu überwälzen. Aus dieser Diskre- lassen sich folgende Argumente anführen: panz kann der DB AG ein Imagevorteil erwachsen. ƒ Die Übergewinne der DB AG reduzieren den Handlungsspielraum der Aufgaben- Im Weiteren sollen drei laufende oder träger. Diese sehen sich vom DB-Kon- in Aussicht gestellte juristische Aktivitäten zern zunehmend in die Zange genom- analysiert werden, die für den weiteren men, indem die Preiserhöhung für die Verlauf der Marktöffnung bedeutsam sein monopolisierten Vorleistungen syste- könnten. matisch die Dynamisierungsrate von 1,5 % übersteigt. So sind die Trassen- und Stationspreise für den SPNV in den 2.3.1 Beihilfeverfahren der EU-Kommis- letzten Jahren im Schnitt um über zwei sion zum Verkehrsvertrag Berlin/ Prozent gestiegen. Auch die Entwick- Brandenburg lung der Energiepreise von DB Energie liegt oberhalb der Dynamisierungsra- Der Ursprung des laufenden Beihilfever- te, was auf den Anstieg der weltweiten fahrens der EU-Kommission zum Verkehrs- Stromerzeugungspreise, der Durchlei- vertrag der Länder Berlin und Branden- tungsentgelte und die Strategie der Ge- burg mit DB Regio reicht bis 2002 zurück. winnverlagerung auf die EIU zurückzu- Zu der Zeit begannen die 1996 geschlos- führen ist. Dadurch sinkt die Kaufkraft senen Verkehrsverträge zwischen den Län- der Bestellentgelte der Länder. Hält die- dern und dem Quasi-Monopolisten DB AG ser Trend an, sind Leistungsabbestel- auszulaufen, so dass die Länder und Auf- lungen in den nächsten Jahren zu er- gabenträger vor der Frage standen, wie warten. der SPNV künftig organisiert werden sollte. ƒ $IE¬-ONOPOLPREISE¬n¬OFT¬NOCH¬mANKIERT¬ Während einige Aufgabenträger frühzei- durch Zuwendungen für Fahrzeugin- tig auf den Wettbewerb setzten, tendierten vestitionen, für die ein unzureichender andere dazu, weiterhin ausschließlich oder Rabatt gewährt wird – versetzen die überwiegend DB Regio zu beauftragen. DB AG in die Lage, ihren Fahrzeugbe- stand in großem Stil zu erneuern und Die DB AG stand 2002 ebenfalls vor einer zum Höchstsatz abzuschreiben. Dabei zentralen Weichenstellung. Der Vorstand PROlTIERT¬SIE¬NICHT¬NUR¬VON¬DEN¬GàNS- hatte erkannt, dass die stabilen Zahlungs- tigen Einkaufspreisen aufgrund ho- ströme sowie die in der Direktvergabe er- her Stückzahlen, sondern sie kann den zielbaren Überrenditen des staatlich be- Fahrzeugbestand komplett im laufen- stellten Regionalverkehrs eine conditio sine den Vertrag verdienen. Sind in nachfol- qua non sein würden, um den Konzern zu genden Ausschreibungen Gebraucht- einem börsenfähigen „internationalen Mo- fahrzeuge zugelassen, ist die DB AG bilitäts- und Logistikdienstleister“ aufzu- praktisch nicht zu schlagen. bauen. Aus diesem Grund wurde als neue Bedingung ausgegeben, dass DB Regio nur ƒ Anomal hohe Gewinne bieten die Mög- noch zu Investitionen in Neufahrzeuge be- lichkeit, Rücklagen aufzubauen, mit de- reit sein werde (die letztlich der Aufgaben- NEN¬+AMPFPREISE¬IM¬7ETTBEWERB¬lNAN- träger bezahlt), wenn im Gegenzug lang- ziert werden können. fristige Verkehrsverträge über mindestens ƒ Eine hohe Preisbasis hat für die DB AG zehn Jahre abgeschlossen würden. den Vorteil, insbesondere bei freihän- digen Vergaben die Messlatte für Ver- Als ab 2002 Thüringen, später Sachsen- handlungen hochzulegen. Fünf Prozent Anhalt und Berlin/Brandenburg solche Ver- Rabattgewährung lassen sich als groß- träge abschlossen oder deren Unterschrift zügiges Entgegenkommen verkaufen, unmittelbar bevorstand, sahen sich die auf- obwohl auch der Folgepreis noch weit keimenden Wettbewerber der DB AG mit über dem Marktniveau liegt. einem handfesten Problem konfrontiert. ƒ Die Überkompensation verschafft ei- 7àRDE¬DIESES¬)NSTRUMENT¬mËCHENDECKEND¬ NEN¬lNANZIELLEN¬3PIELRAUM¬FàR¬7OHLTA- zur Anwendung gelangen, wäre der SPNV- ten im Tarifbereich, z. B. in Form von Markt auf zehn Jahre hinaus verriegelt. In Wochenend- und Ländertickets. Den der Konsequenz entschieden sich Connex

48 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 (heute Veolia Verkehr) und der von ihnen die Anwendung des Vergaberechts ab. Es mitgetragene Verband MehrBahnen!, ge- urteilte, dass die Aufgabenträger nach § 15 gen die sich abzeichnenden Markteintritts- Abs. 2 AEG in ihrer Entscheidung frei seien, barrieren politisch wie juristisch vorzuge- Ausschreibungen oder auch Verhandlungs- hen. verfahren nach Vergaberecht durchzufüh- ren oder Verträge direkt zu vergeben (OLG Einen ersten Erfolg errang Connex vor Brandenburg, 2.9.2003 Verg W 3/03). der Vergabekammer Sachsen-Anhalt (VK Magdeburg 6.6.2003, VK 05/02). Mit Die juristischen Reaktionen auf das Ur- Verweis auf das wettbewerbsrechtliche teil waren geteilt: Teilweise wurde ihm Gebot der Teilung in Lose erklärte sie den ausdrücklich zugestimmt (OLG Karlsru- Pauschalvertrag des Landes mit DB Regio he 13.7.2005, 6 W 35/05), während an- für rechtswidrig. Dieses Urteil alarmierte dere Vergabekammern an ihrer restrikti- die DB AG, die ihre Gewinnsäule SPNV ge- ven Spruchpraxis festhielten. So verwehrte fährdet sah. In der Folge trat sie im Som- z. B. die Vergabekammer Münster dem mer 2002 massiv für die Änderung des VRR ein Verwaltungsverfahren auf der Basis Vergaberechts ein. Begleitmusik war das DES¬e¬¬!BS¬¬!%'¬UND¬VERPmICHTETE¬IHN¬ Schüren von Ängsten bei den Ländern und stattdessen, das Vergaberecht anzuwenden in der Öffentlichkeit. In ganzseitigen An- (VK Münster 19.6.2007, VK 12/07). zeigen wurde darauf hingewiesen, dass Arbeits- und Ausbildungsplätze verloren Connex legte gegen das Urteil des OLG gingen und Investitionen unterbleiben Brandenburg Verfassungsbeschwerde we- müssten, wenn das Vergaberecht im Sinne gen der Nichtvorlage vor dem EuGH ein, der VK Magdeburg ausgelegt würde. Sti- die allerdings formell zurückgewiesen wur- listisch ähnelte das Vorgehen der aktuellen de. Das BVerfG machte aber deutlich, dass Kampagne gegen die laufende Ausschrei- die Vergabe von SPNV-Leistungen durch bung der Länder Brandenburg und Berlin die öffentliche Hand kein rechtsfreier Raum im VBB (22 Mio. Zkm), nur auf der bun- sei und daher vollständig gerichtlich über- desweiten Ebene. prüfbar sein müsse (BVerfG 6.12.2006, 1 BvR 2085/03). Die Intervention der DB AG trug Früch- te; die Vergabeverordnung wurde zum De- Die EU-Kommission reagierte auf den zember 2002 dahingehend geändert, dass Beschluss des OLG Brandenburg mit der die Aufgabenträger ihre großen Verkehrs- Einleitung eines Vertragsverletzungsver- verträge einmalig für längstens zwölf Jah- fahrens vom 18.10.2004, Nr. 2003/5033 re freihändig vergeben dürften, sofern der gegen fünf namentlich benannte Bundes- „wesentliche Teil“ während der Laufzeit länder (Baden-Württemberg, Rheinland- des Vertrags herausgelöst und dem Wett- Pfalz, Thüringen, Berlin und Brandenburg), bewerb überantwortet würde. Außer Thü- und zwar wegen Missachtung des Gemein- ringen und Saarland passten daraufhin alle schaftsrechts. Nach zähem Austausch der Länder ihre großen Verkehrsverträge an, Stellungnahmen wurde das Verfahren mit die nun im Durchschnitt eine Abbestell- dem Verfahrenskompromiss zwischen EU- quote von 30 % vorsehen. Sachsen-Anhalt Kommission und der Verkehrsministerkon- schrieb drei Netze sehr kurzfristig aus, von ferenz der Bundesländer vom 17.2.2006 denen Connex das Nordharznetz gewann. BEENDET¬)HM¬ZUFOLGE¬VERPmICHTETEN¬SICH¬ alle Bundesländer, SPNV-Leistungen künf- Berlin und Brandenburg schlossen eben- tig nur noch im Rahmen eines Fünf-Schrit- falls einen großen Verkehrsvertrag mit te-Verfahrens zu vergeben. Dies umfasst DB Regio ab. Dieser sah eine Abschmelz- insbesondere quote von 35 % vor, nahm aber die be- triebswirtschaftlichen „Filetstücke“ wie die ƒ den Aufruf zur Interessenbekundung in RE-Linien auf der Berliner Stadtbahn wäh- geeigneten Organen rend der gesamten Vertragslaufzeit vom ƒ die Auswahl geeigneter Anbieter Wettbewerb aus. Connex legte auch ge- gen diesen Vertrag Beschwerde ein, den ƒ den Eingang erster Angebote aber letztinstanzlich das OLG Brandenburg ƒ bei Bedarf die Reduzierung der Ver- für rechtmäßig einstufte. Trotz der vorhe- handlungspartner rigen ausdrücklichen gesetzlichen Anpas- ƒ die endgültige Festlegung des Ange- sung des Vergaberechts an die Bedürfnis- BOTS¬SOWIE¬DIE¬lNALE¬6EREINBARUNG se des SPNV lehnte das OLG Brandenburg

Schienenpersonennahverkehr 49 Dieser Kompromiss mit der EG ist eng In der Zusammenfassung der Entschei- an das vergaberechtliche Verhandlungs- dung wurde allerdings auch angedeutet, verfahren angelehnt. In jedem Fall sind Di- dass eine Umsatzrendite im SPNV von 7 % rektvergaben ohne jeglichen Wettbewerb angemessen sein könnte. Dieser Wert war ausgeschlossen. Unter der Bedingung des in dem ursprünglichen Schriftsatz an die Verfahrenskompromisses stellte die GD Bin- Bundesregierung noch nicht enthalten, nenmarkt der Kommission das Vertragsver- der ansonsten wortgleich mit der Endver- letzungsverfahren gegen Deutschland ein. sion war. Laut Behilferechtsexperten ist die Höhe des Wertes insofern erstaunlich, als Der zweite Ast des juristischen Vorgehens die übliche Spruchpraxis maximal 5 % ge- von Connex sah seinerzeit vor, den Ab- währe. Möglicherweise orientiert sich die schluss des Verkehrsvertrags Berlin/Bran- Zahl an den britischen Geschäftsmodel- denburg beihilferechtlich vor der Kom- len, die allerdings eine völlig andere Risi- mission anzufechten. Hintergrund ist die kostruktur als in Deutschland aufweisen. Auffassung, dass die Konditionen des Ver- Zudem lässt die Kommission offen, auf trages zu einer Überkompensation der welcher Basis der angemessene Gewinn DB Regio führten. Daher reichte Connex von 7 % (Umsatz, eingesetztes Eigenkapital am 9.9.2003 Beihilfebeschwerde bei der o. a.) berechnet werden soll. EU-Kommission ein. Würden die 7 % bestätigt, könnten Rück- Nach langen Hin und Her und zahlrei- zahlungen fällig werden, da die DB AG chen Anträgen von Deutschland auf Frist- z. B. 2008 bundesweit 11,2 % Rendite im verlängerung beschloss die EU-Kommission SPNV erwirtschaftete. Über alle Konzern- am 23.7.2007, ein Beihilfe(haupt)prüfver- ebenen gerechnet lag die Rendite sogar fahren gegen Deutschland einzuleiten. Die bei 19,3 %. Entscheidung wurde am 8.2.2008 unter Az. Beihilfe C 47/07 veröffentlicht. Den Wettbewerbern wurde die Gelegenheit zur 2.3.2 Beihilfebeschwerde gegen Stellungnahme gegeben, ebenso anschlie- möglichen VRR-DB-„Deal“ ßend der DB AG und der Bundesregierung, deren Entwurf die DB AG selbst schrieb. Analog zu Berlin/Brandenburg und prak- Eine endgültige Entscheidung wird im Lau- tisch allen anderen Aufgabenträgern hatte fe dieses Jahres erwartet. auch der VRR am 12.7.2004 einen großen Verkehrsvertrag mit DB Regio über 15 Jah- Im Kern kritisiert die Kommission re rückwirkend zum Dez. 2003 geschlos- sen. Die Vereinbarung sieht vor, 60 % der ƒ die Herauslösung von besonders un- Leistungen bis 2016 in den Wettbewerb zu wirtschaftlichen Leistungen zu einem geben. Ausgenommen ist die S-Bahn, de- nur durchschnittlichen Preis und damit ren Betrieb der DB AG bis 12/2018 exklu- die Erhöhung der Gewinnmargen siv zugesichert wird. Darin eingeschlossen ƒ die fehlende Anrechnung von Mehrein- sind die Linien, die später den Rhein-Ruhr- nahmen aus Fahrpreiserhöhungen und Express bilden sollen. Als weitere Besonder- Zuwächsen der Fahrgastzahlen, ohne heit wird der Vertrieb der DB AG gesondert dass diese Effekte tatsächlich schon in vergütet, und zwar en bloc und dauerhaft, der Gesamtkalkulation des Nettover- anstatt den Anteil der ausgeschriebenen Li- trags enthalten seien nien herauszukürzen. ƒ das mögliche Vorliegen von Koppe- Auch wenn die schlechte Qualität der lungsgeschäften Leistungserbringung durch die DB AG in ƒ die nicht ordnungsgemäße Anrechnung NRW seit jeher im politischen Raum kri- von erhaltenen Fahrzeugzuschüssen tisiert wird (siehe regelmäßige Debatten ƒ die fehlenden Vergleiche mit Marktprei- im Verkehrsausschuss des Landtages, sog. sen und Preisen anderer SPNV-Aufga- 3CHMIERlLMDISKUSSION¬USW ¬GERIET¬DER¬$" benträger Vertrag ab 2006 vermehrt unter Beschuss. Ursächlich war zum einen, dass sich die ƒ die Parteilichkeit der WIBERA, die 2002 Zahl der Zugausfälle, Verspätungsminuten im Auftrag des Bundes die Angemes- und die Klagen in der Öffentlichkeit über senheit der durchschnittlichen Länder- verschmutzte Züge noch einmal steiger- sätze bestätigt hatte ten.

50 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Daneben trug der Kontrast, den die Urteil damit, dass die vom VRR ausgespro- Wettbewerbsbahnen Prignitzer Eisenbahn chene Kündigung nicht gerechtfertigt sei, (PEG), NordWestBahn (Veolia) und Abel- da der Verkehrsvertrag für Schlechtleistun- lio nach der Aufnahme ihrer Verkehre lie- gen bereits eine Pönale von 4 Mio. Euro ferten, zur Verschärfung der Kritik bei. Sie jährlich vorsehe. Die vom VRR ins Feld ge- setzten neue Benchmarks in puncto Fahr- führten Mängel bei den Sicherheitsdienst- zeuge und Qualität. Darüber hinaus bietet leistungen rechtfertigten für sich genom- $"¬2EGIO¬SELBST¬EINE¬!NGRIFFSmËCHE ¬INDEM¬ men keine komplette Vertragskündigung, sie auf den im Wettbewerb gewonnenen zumal nicht klar sei, in welchem Umfang Netzen (z. B. Haard-Achse und Sauerland- tatsächlich zusätzliche Begleitungen bei netz) wesentlich bessere Leistungen ablie- den S-Bahnen vereinbart waren. fert als im geschützten Kernnetz, bei dem die Pönalen für Schlechtleistungen offen- Das Gericht hat ferner festgestellt, dass bar von vornherein einkalkuliert worden DB Regio NRW seine Leistungen auch waren.3 dann nicht einschränken dürfe, wenn der 3 – vgl. Qualitätsberich- VRR erneut vertraglich vereinbarte Zah- te der Agentur Nahver- kehr NRW für 2004–2006 Einen weiteren Schub in Richtung einer lungen nicht oder nur teilweise leiste. In sowie ab 2007 von VRR, Auseinandersetzung brachte schließlich diesem Punkt hat DB Regio den kürzeren NVR und NWL; http:// die Kürzung der Regionalisierungsmittel gezogen. Über die Fragen zur Beihilfe hat www.fachportal.nahver- 2006 in Kombination mit den drohenden das Gericht geurteilt, dass es Zweifel habe, kehr.nrw.de/Qual_sicher/q_ bericht/q_bericht_druck. hohen Preissteigerungen ab 2008. Abseh- ob sich der VRR als Beihilfegeber über- asp bar wurde, dass DB Regio aufgrund einer haupt auf ein Beihilfeverbot stützen dürfe, „nachlaufenden Berechnung“ bis zu 28 % da dies gegen „Treu und Glauben“ versto- Kostensteigerungen der Energie zwischen ßen könnte. Jedenfalls sei zunächst die EU- 2004 bis 2008 auf einen Schlag geltend Kommission am Zug. Das Vollzugsverbot machen würde – neben den ohnehin star- für noch nicht genehmigte Beihilfen gelte ken Tarifsteigerungen im VRR von durch- bei Verkehrsverträgen nach Art. 14 der Ver- schnittlich 4 % p. a. Zunehmend wurde ordnung Nr. 1191/69 nicht, egal wie aus- deutlich, dass die beständige Erhöhung kömmlich diese Verkehrsverträge dotiert der Infrastrukturentgelte in Ausrichtung auf seien. die angestrebte Teilprivatisierung den Ver- KEHRSVERTRAG¬DES¬622¬STRUKTURELL¬DElZITËR¬ In diesem Punkt stellt sich das VG dia- werden ließ. metral der Auffassung der EU-Kommission entgegen, die bei Verkehrsverträgen nur Auf der Grundlage eines Preisgutachtens einen ausgeschriebenen Preis oder bei Feh- von KCW, das die Preise sowohl mit den len einer Ausschreibung einen Preis nach angemessenen Kosten als auch den im VRR den vier „Altmark-Trans-Kriterien“ akzep- und bundesweit bekannten Wettbewerbs- tiert. Auf dieser Grundlage hatte die Kom- preisen abglich, stellte der VRR im Som- mission das Verfahren gegen Berlin-Bran- mer 2007 eine Überzahlung von mindes- denburg eröffnet (dazu auch Kapitel 2.3.1 tens 45 Mio. Euro fest. Weiterhin kürzte er auf Seite 48) und führt derzeit auch gegen wegen massiver Leistungsmängel die Ab- Tschechien und Dänemark entsprechende schlagszahlungen um pauschal eine Mio. Verfahren. Euro pro Monat. Schließlich kündigte der VRR den Vertrag am 12.6.2008 außeror- Auch eine preisrechtliche Prüfung hält DENTLICH¬WEGEN¬ERHEBLICHER¬$ElZITE¬BEIM¬ das Gericht für nicht notwendig, da es sich Merkmal Sicherheit und Service (Zugbe- um einen „Zuwendungsvertrag“ hande- gleitung) und Falschangaben von DB Re- le. Ein Zuwendungsvertrag begründet kei- gio zu den hier erbrachten Leistungen. nen Anspruch der öffentlichen Hand auf Zeitgleich legte er der DB Regio auf, die die Gegenleistung, sondern fördert nur Leistung im bisherigen Umfang, aber zum den Subventionsempfänger, damit er im gekürzten Entgelt zu erbringen. öffentlichen Interesse liegende Tätigkeiten ausführt. Die Einstufung als Zuwendungs- Am 19.12.2008 musste der VRR vor dem vertrag stehe nicht im Widerspruch zur Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine ju- 1UALIlZIERUNG¬ALS¬6ERKEHRSVERTRAG¬NACH¬%' ristische Niederlage einstecken4. Das VG Recht. Ein solcher muss nach Art. 14 der 4 – Aktenzeichen: 14 K 2147/07 und 3814/08; gab der DB AG in ihrer Leistungsklage auf genannten Verordnung Leistung (Fahrplan- veröffentlicht unter Zahlung der Bestellentgelte in Höhe von angebot, Tarif, Qualität) und Gegenleis- http://www.justiz.nrw.de/ rund 122 Mio. Euro recht, die der VRR ein- tung (Preis des Aufgabenträgers) regeln. ses/nrwesearch.php behalten hatte. Das VG begründete sein

Schienenpersonennahverkehr 51 Unmittelbar nach dem VG-Urteil setz- alle 2 Stunden von Aachen über Hamm ten sich DB AG und VRR wieder an den nach Paderborn verlängert werden. Verhandlungstisch und erarbeiteten un- Für die RE 1, 2, 5 und 11 werden darüber ter dem Druck des Verkehrsministeriums hinaus bis Ende 2011 neue Lokomotiven ein „Eckpunktepapier zur Verbesserung und Wagen beschafft bzw. vorhandene des Schienenpersonenverkehrs im Bereich Fahrzeuge modernisiert. Die Kapazität auf des VRR“. Über dessen Inhalt berichtete den Linien RE 1 und RE 2 verbessert sich der damalige Verkehrsminister Wittke am durch diese Maßnahmen um den jeweils 19.1.2009 dem Düsseldorfer Landtag: ,,6. Wagen“. Insgesamt verdichten sich so die Leis- So werden im S-Bahnverkehr von NRW tungen auf den Streckenabschnitten zukünftig ausschließlich nur noch neue Hamm — Dortmund — Essen und Es- ” sen — Duisburg — Düsseldorf auf jeweils Elektrotriebwagen eingesetzt. Zu die- SEM:WECKBESCHAFFTUNDlNANZIERTDIE 3 Angebote stündlich. Hinzu kommt das DB Regio bis Ende 2011 insgesamt 116 erhöhte Platzangebot zwischen Aachen Fahrzeuge der Baureihe ET 422 und 63 und Hamm bzw. Düsseldorf und Münster Fahrzeuge der Baureihe ET 423. Das sind infolge des zusätzlichen Wagens. insgesamt nochmals 32 ET 422 mehr, als Um schneller zu mehr Wettbewerb im ursprünglich vereinbart. Dadurch wird RE-Bereich zu gelangen, wurde verein- dann u. a. auch eine Umstellung der am bart, die Laufzeit der neuen RE-Vertrags- Niederrhein verkehrenden Linien auf Neu- regelungen abweichend vom ursprüngli- fahrzeuge möglich. Es ist zu erwarten, chen VRR-DB-Vertrag auf Ende 2016 zu dass das gesamte S-Bahn-System mit die- verkürzen und so die Linienlaufzeiten im sen Fahrzeugen stabiler funktioniert und Verhältnis zu den anderen beiden SPNV- folglich nachhaltig eine wesentlich höhe- Kooperationsräumen weiter zu harmoni- re Pünktlichkeit aufweisen wird. Ab dem sieren. Dies versetzt den VRR in die Lage, Fahrplanwechsel Ende 2009 soll zudem neben einer ohnehin aktuell schon mögli- ein neues Fahrplansystem umgesetzt wer- chen Ausschreibung der Linien RE 4, RE 7, den. RE 8, RE 17, RB 27, RB 32, RB 33, RB 31, Dabei wird es vorrangig zu Änderungen RB 38, RB 39 und RB 48, dann die RE 6 im Bereich Düsseldorf kommen. Dort wird zum Fahrplanwechsel Ende 2014 und alle dann die S 1 den südlichen Verlauf der S 7 anderen Linien des VRR-DB-Vertrages zum bis Solingen sowie die S 11 den nördlichen Fährplanwechsel Ende 2016 auszuschrei- Teil der S 7 bis zum Flughafen Terminal ben. übernehmen. Damit erhält dieser links- Die Kosten für die mit dem RE-Konzept rheinische Bereich erstmals eine unmittel- verbundenen zusätzlichen Betriebsleis- bare S-Bahn-Anbindung an den Flugha- tungen trägt die DB Regio NRW, die Kos- fen Düsseldorf. Zudem können auf diese ten für die investiven Beschaffungs- bzw. Weise die Kosten der S-Bahn-Fahrten ins- Modernisierungsmaßnahmen der VRR. gesamt reduziert und dennoch die Ange- Rechnet man die notwendigen Leistun- botsdichte auf den Hauptrelationen bei- gen zum Schließen der beim VRR auf- behalten werden. grund seiner Vertragslage aufgetrete- Darüber hinaus haben sich die Parteien nen Finanzierungslücke hinzu, so trägt auf ein neues RE-Konzept verständigt, das in den nächsten 15 Jahren die DB Regio höhere Kapazitäten, Reisezeitverkürzun- NRW mit festgeschriebenen 272 Mio. EUR gen und den Einsatz neuer bzw. moder- RUNDDES'ESAMTlNANZIERUNGSDEl- nisierter Fahrzeuge beinhaltet. Dazu wird zits. VRR und das Land Nordrhein-West- das Leistungsvolumen im RE-Bereich allein falen teilen sich den Rest zu jeweils rund im VRR um 770.000 Zugkilometer erhöht. 25 %. Dabei wird der aus Regionalisie- Neue Linienführungen erhalten in diesem rungsmitteln zusätzlich zum gesetzlichen Zusammenhang die RE 2 von Münster Anspruch des VRR aus dem § 11 Abs. 1 über Recklinghausen, Essen und Duis- ÖPNVG NRW vom Land zu gewähren- burg nach Düsseldorf sowie die RE 11 von de Beitrag in den nächsten 15 Jahren auf Hamm über Duisburg nach Mönchen- insgesamt 150 Mio. EUR bei einer 1,5pro- gladbach. Zudem kann für den bereits zentigen Dynamisierung beziffert. angekündigten Fall, dass sich der Fernver- Darüber hinaus wird die DB Regio NRW kehr noch weiter aus der Mitte-Deutsch- weitere 150 Mio. EUR in die nochmals land-Verbindung zurückzieht, die RE 1 neu hinzukommenden S-Bahn-Fahrzeuge

52 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 investieren. Im Gegenzug soll der S-Bahn- Ende 2017 Schritt für Schritt alle RE- Vertrag nach Durchführung eines entspre- und RB-Linien auszuschreiben. Ein vor- chenden EU-rechtskonformen Verfahrens gezogenes Ende ein Jahr früher kann bis Ende 2023 verlängert werden. bedeuten, dass nun einige bereits fest Die Parteien haben sich darauf verstän- disponierte Ausschreibungen wieder digt, diese Eckpunkte bis Ende März die- nach hinten rutschen und v. a. das vor- sen Jahres In vertragliche Regelungen gesehene Paket Ende 2016 für einen zu überführen. Im Gegensatz zu einem geordneten Wettbewerb wieder zu langwierigen Rechtsstreit mit ungewis- groß würde. Lediglich das Vorziehen sem Ausgang bringt diese Entwicklung für des RE 6, der bisher im westfälischen die Fahrgäste zeitnah die dringend erfor- Vertrag bis Ende 2016 gebunden war, derlichen Qualitätsverbesserungen und kann als Fortschritt angesehen werden. ermöglicht den Parteien Planungssicher- ƒ Einen Problempunkt bilden auch die heit.“5 Mehrleistungen im RE-Konzept. Aus 5 – Wichtige Informati- onen zu diesem Themen- Folgende Eckpunkte des Papiers sind bis Kreisen westfälischer Aufgabenträger komplex sind auf der dato aus der Sicht der Wettbewerbsbahnen wurde die Belastung zurückgewiesen, Webseite des VRR abruf- bar: http://www.vrr.de/de/ unklar: die aus dem Einkauf zusätzlicher Zug- leistungen zum nicht marktkonformen downloads/db-verhandlun- gen/index.html ƒ Fraglich ist, wie die S-Bahn-Verträge DB-Preis resultieren würde. Besonders um fünf Jahre verlängert werden sollen, verärgert ist man dort über die Bereit- nachdem Deutschland der EU-Kommis- schaft des Verkehrsministeriums, die sion zur Abwendung eines möglichen Streichung der IC-Linie 51 „Mitte- Vertragsverletzungsverfahren zugesi- Deutschland-Verbindung“ mit einem chert hatte, dieser Praxis zu entsagen. Ersatz durch RE-Leistungen der DB AG Die 17,5 Mio. Zkm der S-Bahn Rhein- aufzurechnen. Bisher war es die hessi- Ruhr im VRR und damit faktisch auch sche und westfälische Position, einen zusammenhängend die S-Bahn Rhein- erforderlichen Ersatzverkehr umgehend Sieg würden mit der Verlängerung zu auszuschreiben. den am längsten laufenden Verträgen in Deutschland gehören, deren Leistun- In der Summe der zu lösenden Proble- gen noch nie im Wettbewerb standen. me konnte bis zum Redaktionsschluss die bereits für März und April angekündigte ƒ Ebenso klärungsbedürftig ist, zu wel- Beilegung des Streites noch nicht erreicht chem Preis die S-Bahn-Leistungen ver- werden. Der VRR legte auf Beschluss seines einbart würden. Bereits der aktuelle Verwaltungsrates vom 15.1.2009 Berufung S-Bahn-Preis liegt auf einem bundes- gegen das Urteil des VG Gelsenkirchen ein. weiten Spitzenplatz von über elf Euro (2009), der den Verdacht der Überkom- Darüber hinaus rechnen Beobachter da- pensation nährt (siehe 2.3 auf Seite 44). mit, dass sich die EU-Kommission einschal- ƒ Darüber hinaus erschließt sich nicht, ten könnte, weil das VG Gelsenkirchen sehr wie der angebotene Beitrag der DB AG deutlich der Rechtsansicht der Kommission von 272 Mio. Euro in der Lage sein soll, widersprochen hat. Nach der Auffassung die Finanzierungslücke des VRR „zur des VG gäbe es für das Beihilfeverfahren in Hälfte“ zu schließen. Laut den vom VRR Berlin-Brandenburg keine Rechtsgrundla- berechneten Überkompensationen be- ge. Es bleibt daher abzuwarten, wie hierauf LËUFT¬SICH¬DAS¬$ElZIT¬FàR¬¬*AHRE¬OHNE¬ Brüssel reagiert. Dynamisierung auf 675 Mio. Euro, mit Dynamisierung über 700 Mio. Euro, so Der Interessenverband mofair e.V. legte dass der Beitrag der DB AG zwischen 35 am 6.3.2009 vorsorglich Beihilfebeschwer- und 40 % der Differenz abdeckt. Diese de bei der EU-Kommission gegen eine Lücke dürfte noch weiter auseinander- mögliche Vertragsverlängerung zwischen klaffen, wenn die DB AG ihre Investiti- VRR und DB Regio ein. Mofair moniert onen in die S-Bahn-Fahrzeuge in ihren Beitrag hineinrechnet. ƒ weiterhin überhöhte Preise (teilweise bis zu 100 %), ƒ Die Ankündigung der vorzeitigen Aus- schreibung ist nach Informationen der ƒ einen Verstoß gegen den Verfahrens- Wettbewerbsbahnen nicht sicher mit kompromiss in Bezug auf die zukünfti- dem bisher vermittelten Inhalt des Ver- gen Ausschreibungen im SPNV und trags vereinbar. Demnach waren bis

Schienenpersonennahverkehr 53 ƒ die Gefahr weiterer Dumpingangebote von DB Regio, die erst auf der Grundla- Bahnen, die ins Kraut ge überhöhter Preise möglich seien und schießen damit den Wettbewerb im SPNV ver- fälschten. Dass die DB Heidekrautbahn GmbH bun- desweit prominent und als Chiffre für die Damit hat sich das Risiko deutlich er- strategische Ausgründung von Töchtern höht, dass die EU-Kommission gegen einen der DB Regio AG ohne Tarifbindung stehen neuen Vertrag oder eine Vertragsverlänge- würde, war zum Zeitpunkt ihrer Gründung rung vorgeht. Sollte Brüssel in dem Verfah- nicht absehbar. Ihre Namensgebung geht ren Berlin/Brandenburg auf rechtswidrige darauf zurück, dass sie sich ursprünglich Beihilfe entscheiden, müsste sich die Kom- nur um die Vergabe der tatsächlichen Hei- mission nach Ansicht der Wettbewerber dekrautbahn zwischen Berlin-Karow und auch dieses Falles annehmen, nicht zuletzt Groß Schönebeck bzw. Wernsickendorf be- weil das VG Gelsenkirchen selbst ihr Tä- werben sollte. Nachdem die DB AG unter- tigwerden in dem Urteilsspruch anmahnt. LAG RUHTEDIE"RIEFKASTENlRMAEINIGE:EIT Diese Aufforderung tritt der bisherigen Schlagartig bekannt wurde sie im Frühjahr Strategie der EG entgegen, die Durchset- 2008, als sie den Zuschlag für den RE 9 zung des Beihilferechts eher den Mitbe- Aachen — Siegen im weit entfernten NRW werbern und den nationalen Gerichten – erhielt (Betriebsaufnahme Dez. 2010), schon allein aus Kapazitätsgründen – zu und zwar zu einem Preis von deutlich un- überlassen. ter 2 Euro pro Zkm, während die Aufga- benträger NVR, NWL und ZV Rheinland- Pfalz Nord derzeit noch über 9 Euro an die 2.3.3 Wer unterbietet wen mit DB AG entrichten. welchen Mitteln? Beihilfebe- schwerde gegen Dumping Mittlerweile wurde bekannt, dass die DB AG bereits am 28.4.2008 acht weite- In der Auseinandersetzung um die lau- re Tochterunternehmen nach dem Vorbild fende große Ausschreibung des VBB, aber DERu(EIDEKRAUTBAHNhGRàNDETE3IElR- auch schon vorher schwebt der Vorwurf mieren als GmbH unter DB Regio Baden- von DB AG und ihrer Hausgewerkschaft Württemberg, DB Regio Bayern, DB Regio Transnet im öffentlichen Raum, dass der Hessen, DB Regio Nord, DB Regio Nordost, Erfolg der Konkurrenz im Wesentlichen auf DB Regio RheinNeckar, DB Regio Südost Dumpinglöhnen beruhe. Gefordert wird sowie DB Regio Südwest (Quelle: Rail Busi- ein einheitlicher Tarifvertrag für die ge- ness vom 2.2.2009) Die DB Regio Südost samte Branche, um den behaupteten Per- GmbH ist bereits im Einsatz und hat den sonalkostenvorteil der Wettbewerber von Zuschlag für den RE 50 Leipzig — Dresden „40 % und mehr“ (DB-Regio-Chef Hom- erhalten. burg in der Mitteldeutschen Zeitung vom 9.5.2009) zu nivellieren. Andernfalls sei die $ENmËCHENDECKENDEN%INSATZVONu"IL- DB AG genötigt, künftig allein auf das Ge- ligtöchtern“ plant der DB-Konzern schon schäftsmodell der „Heidekrautbahnen“ zu länger. So meldete die Bild am Sonntag am setzen. Hierbei handelt es sich um Toch- 11.5.2008, dass der Vorstand bereits am tergesellschaften, die nicht an den Hausta- 12.2.2008 der Ausgründung von bis zu rif des Konzerns gebunden sind und dem 30 Tochterunternehmen zugestimmt habe. Vernehmen nach deutlich geringere Kon- Betroffen seien 9.000 Beschäftigte, die zernumlagen abführen. meisten von Ihnen seien Lokführer.

Die Argumentation von DB AG und nach Tarif zu bezahlen (Arriva, Veo- Transnet, die primär auf die öffentliche lia Verkehr, NedRailways, BeNEX [bzw. Diskreditierung der Wettbewerbsbah- Metronom und ODEG] sowie Keolis). nen abzielt, ist aus mehreren Gründen Die Tarifverträge orientieren sich viel- substanzlos: fach am bundesweiten ETV, der tradi- tionell bei den NE-Bahnen (AKN, HLB, ƒ Die „Ausbeutungsthese“, wonach die EIB) als Entgeltgrundlage gilt. Aller- Wettbewerber systematisch niedrigere dings werden diese Tarife regional diffe- Löhne zahlten, entbehrt jeder Grund- renziert. Dies führt z. B. bei Metronom lage. Von allen größeren Wettbewerbs- zu strukturell höheren Löhnen als bei bahnen ist bekannt, ihre Beschäftigten DB Regio, insbesondere für junges Lok-

54 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 und Zugpersonal. Umgekehrt zahlt die wie der Bahn AG natürlich schwieri- ODEG in Ostdeutschland einen Lohn, ger. Aber in diese Richtung müssen wir der den teilweise niedrigeren Lebens- langfristig denken.“ haltungskosten und der geringeren Bereits als Transnet-Chef hatte Han- Kaufkraft Rechnung trägt. sen mehrfach in Interviews eingeräumt, Im Fall der S-Bahn Stuttgart konnte dass die behaupteten Lohnunterschie- DB Regio mit ihrem bundesweiten Per- de nicht das Problem seien, sondern sonalpool und der Bezahlung der vom die DB AG hausgemachte Kostennach- BEV entliehenen Beamten sogar mit teile hätte. Dazu zählen in erster Linie günstigeren Personalkosten anbieten die hohen Konzernumlagen, die die (siehe dazu auch den Exkurs auf Seite Geschäftsfeldeinheiten für zahlreiche 54). Dass die Wettbewerber ein breiteres Serviceleistungen der Holding entrich- Lohnspektrum abdecken und teilweise ten müssen. So ist von den NE-Bahnen höhere Löhne zahlen, räumt die DB AG nicht bekannt, dass sie sich einen um- selbst ein (Wettbewerbsbericht 2008, fangreichen Apparat für das politische S. 29). Lobbying, eine große Rechtsabteilung ƒ Lohnkosten sind nicht mit Personalkos- sowie eine über 100 Personen starke ten gleichzusetzen. Zahlen Wettbewer- Kommunikationsabteilung leisten oder ber und DB AG gleiche Löhne, können etwa zahlreiche Wirtschaftsdetekteien die NE-Bahnen dennoch niedrigere Per- beauftragten. sonalkosten (je Leistungseinheit) haben. ƒ In die gleiche Kategorie fällt der Vor- Ursächlich ist die unternehmerische Fä- wurf der DB AG zu Zeiten des Lokfüh- higkeit, eine höhere Personalprodukti- rerstreiks, wonach sie benachteiligt wer- vität zu erzielen. Dies wird z. B. dadurch de, wenn die GDL von ihr 11 % mehr erreicht, dass die Wettbewerber ihre Lohn fordere, während die Wettbewer- "ESCHËFTIGTEN¬mEXIBLER¬EINSETZEN¬!LS¬ ber ein Lohnplus von nur 3 % verkraf- Kronzeuge sei der Arbeitsdirektor der ten müssten. Die einfache Entgegnung DB AG – Norbert Hansen – zitiert, der lautet, dass hier offenbar Akteure mit vor seinem Amtsantritt am 16.5.2008 Augenmaß handeln. Kluge Lohnforde- in einem Interview mit der Bild-Zeitung rungen richten sich differenziert an der unter der Überschrift „Ein Lokführer wirtschaftlichen Lage des Unterneh- kann auch mal Abteile aufräumen“ ver- mens aus. Wenn die DB AG im SPNV – lautbaren ließ: trotz behaupteter Kostennachteile von 40 % – Umsatzrenditen von 11,2 % Bild: „... und was machen Sie als künf- bzw. 19,3 % auf Konzernebene erzielt, tiger Bahnvorstand, wenn es darum kann sie sich kaum darüber wundern, ” dass die Beschäftigten an diesen Fabel- geht, Personal abzubauen – oder in "ILLIGlRMENAUSZUGLIEDERN werten partizipieren wollen. Laut Bran- chenkennern verdienen die Wettbe- Hansen: Auch das ist für mich als Ma- werbsbahnen in Deutschland nicht mal nager kein wirklich neues Thema. … ein Drittel dessen, weil die Verteilung Tatsache ist allerdings: Wir werden bei eines relativ kleinen Kuchens – siehe die der Bahn weiter rationalisieren müs- geringe Marktöffnungsquote – schon sen. Und das wird in einigen Bereichen seit Jahren strategische Eintrittspreise nicht ohne Personalabbau gehen. hervorruft. .OCHWICHTIGERISTABER DASSDIE%FlZI- enz der Mitarbeiter steigt. ƒ Dass die Wettbewerber marktgerech- te Personalkosten kalkulieren müssen, Bild:7ASHEI”TDASKONKRET liegt vor allem an der privilegierten Stel- Hansen: Ein Beispiel: Es gibt mittler- lung der DB AG selbst. Während der weile viel regionale Bahngesellschaf- Marktführer als integriertes Unterneh- ten [gemeint sind die Wettbewerber, d. men rund 50 % der Kosten seiner Kon- Verf.], die zeigen, wie es gehen kann. kurrenten unmittelbar determiniert und Da ist dann z. B. ein Lokführer nicht erhebliche Gewinne bei den Vorleistun- nur dafür verantwortlich, den Zug zu gen abschöpft, bleiben den NE-Bahnen steuern – sondern kann in den Zugab- diese Stellschrauben verwehrt. Stattdes- teilen auch mal aufräumen oder auf sen beschränkt sich ihr unternehmeri- einem kleinen Bahnhof mit anpacken. scher Spielraum darauf, die Personalkos- So was ist in einem großen Konzern ten und den Overhead zu optimieren.

Schienenpersonennahverkehr 55 Daneben überdeckt das Personalkosten- Hinzu kommt, dass solche Märkte zu Klageritual der DB AG, dass sie alle an- einem harten Preiswettbewerb tendie- deren Vorteile in der Hand hält (Rating, ren. Dies ist im Grundsatz auch nicht Einkaufsmacht bei Fahrzeugen, Poten- zu beanstanden, weil der Steuerzahler zial für Koppelgeschäfte mit der Infra- DIE¬,EISTUNG¬lNANZIEREN¬MUSS¬UND¬DIE¬ struktur uvm.). Aufgabenträger für ihn und den Fahr- ƒ Entscheider in Unternehmen setzen in gast treuhänderisch tätig werden sollen. der Regel – bei aller z.T. berechtigten Jeder verschenkte Euro steht für Mehr- Schelte über Shareholder Value, über- bestellungen nicht zur Verfügung. Dies zogene Boni und ähnliche Auswüch- bedeutet jedoch nicht, dass Qualität se – auf gute, motivierte Mitarbeiter. keine Rolle spielt. Die Aufgabenträ- Motivation hängt nicht nur, aber maß- ger haben alle Hebel in der Hand, das geblich von der adäquaten Entlohnung von ihnen gewünschte Qualitätsniveau ab. Diese Einsicht ist den Wettbewerbs- der Leistung vorzugeben – einschließ- bahnen wie der DB AG gleichermaßen lich Klauseln zur Tariftreue. Bemerkens- zu unterstellen. Indizien sind z. B., dass werterweise war es bei der Vergabe der die Wettbewerber genauso leicht oder S-Bahn Bremen allein die DB AG, die im schwer ihr Personal wie die DB AG re- Gegensatz zu ihren Wettbewerbern aus- krutieren und Ausbildungsjahrgänge scheren wollte, entgegen den jetzigen der DB AG durchaus zu Wettbewerbern Aussagen zu Branchen-Tarifverträgen mit hoher Entlohnung ziehen (z. B. Me- (für die DB-Regio-Chef Homburg nicht tronom). öffentlich eintrat, als er noch Chef des Wettbewerbers Connex war). Gleichwohl ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Wettbewerb auf offe- ƒ Schließlich ist das Junktim scheinheilig, nen Bestellermärkten intensiv ausfällt. ohne Branchen-Tarifvertrag müsse die Dies ist unausweichlich, weil die Leis- DB AG die Gründung von Billigtöchtern tung selbst keine renditestarken Pro- zur Wahrung der Chancengleichheit duktinnovationen zulässt, die einem weiter vorantreiben. Diese Maßnah- Anbieter einen langfristigen Vorteil ver- me ergreift die DB AG so oder so, ohne schaffen können. Daher sind die EVU jeden Bezug zu den Wettbewerbern. relativ leicht austauschbar. Wer die Kapitalmarktfähigkeit anstrebt und sich mit Renditezielen im globalen

Treu und Glauben – S-Bahn Bremen

Die Vergabe der S-Bahn Bremen ist in vierlerlei Hinsicht ein Lehrstück, mit welchen Me- thoden der Marktführer zuweilen um Verkehrsverträge kämpft. Als sich der Zuschlag an Veolia Verkehr abzeichnete, wurde – wie derzeit bei der Ausschreibung in Brandenburg oder der Mitteldeutschen S-Bahn – eine öffentliche Debatte losgetreten. Als übliches Druckmittel wurde auf den drohenden Verlust von 500 Arbeitsplätzen im Ausbesserungswerk Bremen- Sebaldsbrück hingewiesen, das im Falle eines Auftragsverlustes nicht mehr zu halten sei. Al- lerdings werden dort Dieselloks gewartet, während die S-Bahn Bremen mit E-Traktion fährt. Selbst der Betriebsrat und Transnet sprachen von einer offenkundigen politischen Strafakti- on.

In die gleiche Kerbe schlägt die Klage, die DB Regio gegen die Vergabeentscheidung vor der Vergabekammer Lüneburg anstrengte (15.5.2008 VgK 12/2008). Zielscheibe war die Vorgabe, das Tariftreuegesetz des Landes Bremen einzuhalten. Dies – so DB Regio – hin- dere das Unternehmen, mit einem tarifungebundenen Unternehmen ins Rennen zu gehen, was sie in ihren Rechten unbillig beschneide. Die VK Lüneburg erkannte die ambivalente Ar- gumentation, da gerade Tariftreuegesetze dem Schutz tarifgebundener Unternehmen wie DB Regio dienten. Doch sah sie sich wegen eines Urteils des EuGH gehindert, die Beschwer- de der DB AG zurückzuweisen.

Das OLG Celle gab hingegen in der nächsten Instanz zu erkennen, dass es das Urteil des EuGH für nicht übertragbar halte und die Klage der DB AG abweisen würde. Um einer Nie- derlage zuvorzukommen, zog DB Regio von sich aus die Klage zurück. Die Wettbewerber haben sich zu keinem Zeitpunkt an der Vorgabe der Tariftreue gestört.

56 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Maßstab messen möchte, kann keine lungnahmen aus dem Aufsichtsrat wur- Personalkosten tragen, die in den Zei- den auch zunehmende Energiekosten ten komfortabler Direktvergaben ange- als Grund genannt. legt wurden. Die Rechtfertigung des bilanziellen Ma- növers vermag nicht zu überzeugen. Insgesamt zeigt sich, dass der Vorwurf Zunächst ist festzuhalten, dass die ver- der DB AG, die Konkurrenten betrieben lustreichen Verträge unter keinen Um- Lohndumping, ins Leere läuft. Im Gegen- ständen aus dem Fundus der großen teil haben die Wettbewerbsbahnen ihrer- Verkehrsverträge stammen können. De- seits gute Gründe, auf der Gegenseite den ren Überrenditen sind so hoch, dass ein Einsatz von Kampfpreisen zu vermuten. Abstieg in die Verlustzone unmöglich Hierfür gibt es zwei Indizien: ist. Andernfalls wäre nicht erklärlich, wie die DB AG im abgelaufenen Ge- ƒ Einige Ausschreibungen hat die DB AG schäftsjahr ihren Gewinn nochmals auf mit Preisen gewonnen, die – konser- ein historisches Rekordniveau von ca. vativ formuliert – „sehr sportlich“ 860 Mio. Euro (nach Zinsen) steigern sind. Beispiele sind die Vergaben Mün- konnte. chen — Passau, Leipzig — Cottbus und Aachen — Siegen. Wie aus den Be- In Frage kommen demnach nur jene schwerdeschreiben von mofair e. V. an Verträge, die die DB AG im Wettbewerb die EU-Kommission und das Bundeskar- errungen hat. Dies sind im Fahrplanjahr tellamt hervorgeht, lag bei diesen Ver- 2009 nach KCW-Zählung 55,7 Mio. gaben der Zweitplazierte entweder weit Zkm. Im Vorjahr – als die Drohver- hinter dem siegreichen Preis der DB AG lustrückstellungen eingestellt wurden – oder aber unterlag knapp, obwohl waren es 43,6 Mio. Zkm bzw. 41,7 Mio. er nach eigenem Bekunden mit einer Zkm in dem bilanzierten Geschäftsjahr schwarzen Null kalkulierte. 2007. Mit den heute bereits vergebe- nen Teilnetzen werden es 2011 etwa Zwar kann bei Nettoverträgen stets 76 Mio. Zkm sein. argumentiert werden, dass ehrgeizi- ge Nachfragezuwächse einberechnet Im nächsten Schritt stellt sich die Fra- worden seien. Doch bei Bruttoverträ- ge, wie ein mittleres Volumen von etwa gen mit Anreizkomponenten ist dieses 60 Mio. Zkm zu Drohverlustrückstel- 3CHLUPmOCH¬GESCHLOSSEN ¬WEIL¬ALLE¬+OS- lungen von 310 Mio. Euro führen ten offengelegt werden müssen. Somit kann. Vorauszuschicken ist, dass Droh- ist auch erkennbar, welche Zinssätze, verlustrückstellungen nach IFRS zum Konzernumlagen und Wagniskosten zu- Barwert gebildet werden. Der nomina- grunde gelegt wurden. le Wert der „kostenrechnerisch“ erlitte- nen Verluste muss daher über 310 Mio. Insgesamt drängt sich bei den o. g. Euro liegen. Ohne den angesetzten Dis- Vergaben der Verdacht auf, dass zu kontsatz zu kennen, ist davon auszuge- schärfsten Grenzkostenpreisen gebo- hen, dass der Nominalwert mindestens ten wurde, die nur das marktbeherr- 350 Mio. Euro beträgt. Unterstellt man schende Unternehmen tragen kann, weiterhin eine mittlere Vertragsdauer weil es die Verluste bzw. deren Risiko von zehn Jahren, müssten die absolu- aus den Gewinnen der Direktvergaben ten Verluste aller Verträge pro Jahr bei QUERlNANZIEREN¬KANN etwa 35 Mio. Euro liegen. In Relation ƒ Das zweite Verdachtsmoment, das die zu 60 Mio. Zkm im Wettbewerb hieße obigen Vermutungen ergänzt, erwächst dies, dass jeder Zkm der DB AG 58 Eu- aus der Bildung von Drohverlustrück- rocent Verlust p. a. einbrächte. Wäre stellungen in Höhe von 310 Mio. Euro, nur ein Teil der Wettbewerbsverträge die die DB AG im März 2008 weni- DElZITËR ¬MàSSTE¬DER¬IN¬+AUF¬GENOMME- ge Tage vor der Bilanzpressekonferenz NE¬SPEZIlSCHE¬6ERLUST¬JE¬,EISTUNGSEINHEIT¬ überraschend bekanntgegeben hat- noch größer sein. te. Begründet wurde die Buchung sei- Abschließend ist zu klären, ob der Ver- nerzeit damit, dass einige Verträge im lust nachträglich entstanden ist oder Bestand künftig Verluste erwirtschaf- bereits in die Angebotsabgabe einge- ten würden. Schuld sei der absehbare preist wurde. Angesichts der Dimension Anstieg der Personalkosten infolge der von 58 Eurocent je Zkm ist die Antwort hohen Lohnabschlüsse. In anderen Stel- eindeutig: Steigende Personal- oder

Schienenpersonennahverkehr 57 Energiekosten können hierfür nicht 2.4 TOP-Hindernis 2: herhalten. Die Personalkosten machen &AHRZEUGlNANZIERUNG¬IN¬ auf Vollkostenbasis (einschl. Trassen- und Stationsnutzung) im Durchschnitt der Wirtschaftskrise 15 % im SPNV aus. Der 11 %ige An- stieg der Löhne der GDL-Beschäftigten $IE¬&AHRZEUGlNANZIERUNG¬IST¬EIN¬NEURAL- (bzw. 10 % für Transnet/GDBA, über gischer Punkt für die Fairness und den Aus- vier Jahre gestreckt) würde demnach gang von Wettbewerbsverfahren im SPNV. nur knapp zwei Prozentpunkte der Voll- Während NE-Bahnen in der Regel auf at- kosten erklären. Hinzu kommt, dass die traktive Leasingangebote beziehungswei- DB AG einen Teil der Personalkosten- se Kredite angewiesen sind, kann DB Re- steigerungen bereits vorab eingeplant gio ihre Fahrzeuge mit dem Rating eines haben muss und von den Aufgabenträ- Staatsunternehmens besonders günstig gern jährlich 1,5 % mehr Geld erhält – RElNANZIEREN¬,ASSEN¬DIE¬!USSCHREIBUNGS- über das gesamte Bestellentgelt. Auch bedingungen Gebrauchtfahrzeuge zu, ist zusätzliche Energiekosten können in der DB Regio ebenfalls erheblich bevorteilt, Regel vollständig überwälzt werden, zu- weil mal bereits die Tarifsteigerungen diese überkompensieren. ƒ nur sie über einen großen Fuhrpark ver- fügt, der zudem anlässlich der Bahn- Nach der Ausschlussmethode bleibt nur reform noch erheblich abgewertet die Möglichkeit, dass die Verluste vor- wurde und damit die Bilanz kaum be- ab einkalkuliert wurden. Bestätigt sehen lastet. In der Folge kann DB Regio die in sich die Wettbewerbsbahnen in ihrer den 1990er Jahren beschafften Diesel- Mutmaßung durch einen Artikel in der triebwagen VT 628/928 nahezu ohne Wirtschaftswoche vom 13.10.2008. Dort &AHRZEUGlNANZIERUNGS ¬UND¬ ABSCHREI- heißt es unter Berufung auf einen ver- bungsaufwand in die heutigen Ange- traulichen Bericht des Wirtschaftsprü- bote einpreisen. Hierauf gründet z. B. fers PWC: der Erfolg in der Ausschreibung An- dernach — Kaiseresch und Kaiserslau- Zur Sicherung von Marktanteilen ins- tern — Kusel. ”besondere im Rahmen von Ausschrei- $ARàBER¬HINAUS¬PROlTIERT¬DIE¬$"¬!'¬VON¬ bungen“ im Schienenpersonenregi- der Mixtur aus exzellentem Staatsbahn- onalverkehr habe die Bahn „auch in Rating, dem erheblichen Leistungszu- der Vergangenheit bewusst in einem wachs und den Landesförderungen gewissen Toleranzwert negative Ergeb- dergestalt, dass sie in den 1990er Jah- nisbeiträge in Kauf genommen.“ ren Großeinkäufe bei der Fahrzeugin- dustrie auslösen konnte (Beispiele: 305 Sollte sich dies bewahrheiten („be- VT 642 – Desiro; über 700 Elektrotrieb- wusst“), läge ein schwerwiegender wagen der BR 423 bis 426; rund 2.000 Missbrauch einer marktbeherrschen- Doppelstockwagen). Die erzielten güns- den Stellung vor. Es handelte sich um tigen Stückpreise können die Wettbe- ein klares Dumping. werbsbahnen mit einem Bruchteil der Vor dem Hintergrund der Indizienket- Stückzahlen nicht erreichen. te richteten die Wettbewerbsbahnen mit ƒ sie teilweise gefördert wurden, ohne Schreiben vom 15.1.2009 an das Bundes- dass die angerechneten Rabatte in den kartellamt sowie 9.1.2009 an die EU-Kom- Verzehrmodellen dem geldwerten Vor- mission die Bitte, den Verdachtsmomenten teil entsprechen. So wurden vielfach nachzugehen. Beide Institutionen zeigen überhöhte Erstellungskosten zu Durch- Interesse und bitten um weitere Informati- schnittswerten angesetzt, obwohl die onen. Am 9.4.2009 reichte der Interessen- zusätzlichen Kosten nahe den Grenz- verband mofair e.V. eine förmliche Beihilfe- kosten liegen mussten. Umgekehrt wur- beschwerde bei der Kommission ein. den Finanzierungsvorteile nicht oder nur unzureichend weitergereicht. ƒ keine Investitionen notwendig werden, sondern nur vergleichsweise geringe Beträge für die Modernisierung der Be- standsfahrzeuge aufzubringen sind.

58 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Die strukturell ungleiche Chancen- und levanten Finanzmarktparameter außerstan- Risikoverteilung zwischen NE-Bahnen und de sehen, ihre Konditionen auch nur über DB Regio wird nun durch die Finanzmarkt- einen Zeitraum von wenigen Wochen zu krise weiter verschärft. Vorher konnten vie- garantieren. Diese Unsicherheit kollidiert le Bieter aufgrund jahrelanger Markterfah- mit den Anforderungen der Aufgabenträ- rung auf Sicherheitsvorkehrungen wie die ger an die Bieter, Bindefristen für ihre Ge- Absicherung des Zinsniveaus vor Abgabe bote von mehreren Monaten einzuräumen. des Angebotes und auf größere Risikozu- Sichtbar wurde dies z. B. bei der Ausschrei- schläge verzichten. Die Konditionen hat- bung Franken-Netz. Hier musste Keolis sein ten sich am Markt eingespielt; die Bieter durchaus erfolgversprechendes Angebot waren in der komfortablen Situation, zwi- LETZTLICH¬ZURàCKZIEHEN ¬WEIL¬DIE¬&AHRZEUGl- schen verschiedenen Finanzierungsgebern nanzierung nicht darstellbar war. wählen zu können. Auf der Basis indikativer Finanzierungsangebote konnten sie ihre Die Wettbewerbsbahnen können die Ri- Kalkulation erstellen sowie selbst binden- siken aus den schwankenden Finanzmarkt- de Angebote an Aufgabenträger abgeben. konditionen nicht wirtschaftlich vertretbar Nach dem Zuschlag wurde dann endver- absichern, geschweige denn sie selbst tra- handelt. Tendenziell wurde dabei noch ein gen. Die großen privaten Player im deut- Vorteil herausgeholt, anstatt die Kalkulati- schen SPNV gehören selbst internationalen on zu gefährden. Konzernen, die ihrerseits teils aus ande- ren Geschäften mit den Folgen der Finanz- Die globale Finanzkrise hat die Lage marktkrise zu kämpfen haben. Die Auf- grundlegend verändert. Die Kreditgeber sichtsgremien der Konzernzentralen sind haben massive Probleme, Kapital zu be- deshalb – wie auch die Banken – deut- schaffen, da der Interbankenhandel nach lich risikoaverser als zuvor. Sie erlegen den wie vor gestört ist. Knappheitszuschläge Angebotskalkulatoren fallweise entweder auf Kapital und deutlich sensiblere Risiko- Risikozuschläge auf, die gegen die Kon- bewertungen der Banken haben höhere ditionen der Staatsbahnen nicht mithal- Ausfallrisikozuschläge zur Folge, die den ten können. Oder sie versagen die Zu- vermeintlichen Vorteil historisch niedriger stimmung, woraufhin das abgabefähige Leitzinsen deutlich überkompensieren. Angebot den Schreibtisch nicht verlässt.

Zu beachten ist, dass die Finanzierungs- Als kritisch erweist sich in diesem Zusam- kosten bei den bislang üblichen Kredit- menhang die geringe Abschmelzquote der ODER¬,EASINGlNANZIERUNGEN¬JE¬NACH¬.ETZ- großen Verkehrsverträge. Infolgedessen größe, Unternehmen und Konditionen ca. hat sich eine Bugwelle an Ausschreibungen 30-45 % der Betriebskosten im SPNV aus- angestaut, deretwegen die durchschnittli- machen. Erhöht sich solch ein bedeutsa- che Losgröße der Vergabeverfahren erhöht mer Kostenblock, ist es evident, dass diese werden soll. In der Folge wird eine größere Effekte die Erfolgsaussichten der Wettbe- Anzahl an Fahrzeugen benötigt, wodurch werbsbahnen erheblich eintrüben. der Finanzierungsbedarf in toto steigt. Die- se Entwicklung kontrastiert mit der mo- Erschwert wird die Kalkulation der EVU mentanen Absorptionsfähigkeit des Finanz- auch dadurch, dass die Finanzinstitute sich marktes. wegen der starken Veränderungen der re-

Die Einkaufsmacht bei Doppelstockwagen

Die schiere Einkaufsmacht der DB AG lässt sich am anschaulichsten für die Doppelstock- wagen (Dostos) illustrieren. Während die DB AG diesen Fahrzeugtyp dank des Rahmenver- trags mit Bombardier im Durchschnitt für 1,2 Mio. Euro je Stück kalkulieren kann, müs- sen die Konkurrenten rund 1,4 Mio. Euro ansetzen. Damit beträgt der Preisunterschied ein Sechstel. Bei etwa 30-45 % Anteil der Fahrzeugkosten an den Betriebskosten im SPNV ge- hen die Dritten somit bereits vorab mit einem Nachteil von bis zu 50 Eurocent je Zkm ins Rennen. Es nimmt daher nicht wunder, dass die Wettbewerber bis dato keine Ausschreibun- gen mit Dostos für sich entscheiden konnten (Schwarzwaldbahn, Hamburg — Rostock, Leip- zig — Dresden).

Schienenpersonennahverkehr 59 2.5 TOP-Hindernis 3: Gefahr begegnet werden, dass der Gewin- Vertriebsmonopol der ner einer Ausschreibung während der im Durchschnitt zehnjährigen Laufzeit seines DB AG bei Einnahmerisiko exklusiven Bedienungsrechtes die Zügel schleifen lässt. Zugleich trägt die Dezen- Bestellermärkte wie der SPNV haben die tralisierung der operativen Verantwortung Gemeinsamkeit, dass der Endnachfrager – dem Erfahrungswissen Rechnung, dass das der Fahrgast – nicht unmittelbar durch sein Verkehrsunternehmen seine Kunden besser Verhalten auf die Leistung des anbietenden einschätzen können sollte als der Besteller. 6ERKEHRSUNTERNEHMENS¬%INmUSS¬NEHMEN¬ kann. Während der Kunde auf normalen Obgleich Nettoverträge nach der rei- Gütermärkten als souveräner Konsument nen Lehre überlegen sein müssten, wen- „mit den Füßen“ abstimmt (zwischen Gü- det ihn nur ein Teil der Länder/Aufgaben- tern und Anbietern), übernimmt im SPNV träger im SPNV uneingeschränkt an. Klare der Aufgabenträger die Steuerungsfunk- Befürworter sind Rheinland-Pfalz, Baden- tion, indem er die gewünschte Leistung Württemberg, Bayern, Thüringen, Meck- SPEZIlZIERT ¬BESTELLT¬UND¬ZU¬EINEM¬'RO”TEIL¬ lenburg-Vorpommern, Hamburg und lNANZIERT Schleswig-Holstein (allerdings langsam ab- bröckelnd). Andere Aufgabenträger sind Damit der Anbieter über die sichere Ver- hingegen skeptisch und bevorzugen den einnahmung der Bestellentgelte hinaus mittleren Weg des Bruttovertrags mit zu- ein Interesse hat, möglichst viele Fahrgäs- sätzlichen Anreizen in Form von Bonus-Ma- te durch ein attraktives Preis-Leistungs- lus-Systemen. Verhältnis an sich zu binden, setzen die Aufgabenträger auf zusätzliche Anreize. Die Ablehnung reiner Nettoverträge wird Klassisches Instrument ist der Nettover- mit zahlreichen Einwänden begründet. trag ¬DER¬AUCH¬INTERNATIONAL¬AM¬HËUlGSTEN¬ Überschreiben lassen sie sich mit dem Te- anzutreffen ist. nor, dass eine der zentralen Annahmen – die weitgehende Steuerung des Einnah- Dem Nettovertrag liegt die Vorstellung menrisikos – für die Wettbewerber der zugrunde, dass der Staat als Besteller und DB AG nicht oder nur eingeschränkt zu- die EVU als Dienstleister sich die Verant- trifft. Die Argumente im Einzelnen sind: wortung für das SPNV-Angebot teilen. Da- bei soll das Bestellentgelt der öffentlichen ƒ Ein Relikt aus Monopolzeiten der DB AG Hand in erster Linie die Kosten der Infra- ist ihr Alleinvertretungsanspruch in STRUKTUR¬UND¬DIE¬LANGFRISTIGEN¬6ERPmICHTUN- der Tarifgestaltung. Im Unterschied gen aus den Fahrzeuginvestitionen decken. zu nationalen Tarifsystemen wie in der Spiegelbildlich soll das EVU ökonomischen Schweiz oder Großbritannien sollen Druck verspüren, die kurzfristig varia blen die Dritten sich hierzulande den Vorga- Kosten für Energie, Verschleiß, Overhead ben der DB AG unterordnen. Um einem und das Personal am Fahrgastmarkt zu Flickwerk an Unternehmenstarifen ent- verdienen. Das Nettoprinzip basiert also gegenzuwirken, das den Fahrgast über- auf dem Grundsatz, dem EVU nur jenen fordert, geben die Aufgabenträger in Teil der Gesamtaufwendungen einschließ- der Regel den EVU vor, den bundeswei- lich eines angemessenen Gewinns zu ent- ten DB-Tarif anzuwenden. Die Kehrsei- gelten, der nicht durch Fahrgeldeinnah- te ist, dass die Wettbewerbsbahnen der MEN¬RElNANZIERT¬WIRD¬UND¬DEN¬DIE¬%65¬ Tarifgestaltungsmacht der DB AG aus- durch Angebots-, Preisgestaltung und Pro- geliefert werden: Sie müssen einen Tarif DUKTQUALITËT¬KAUM¬BEEINmUSSEN¬KÚNNEN anerkennen und auf dessen Basis ihre Erlöse sicherstellen, den sie nicht beein- Dem Nettovertrag wird der Vorteil zuge- mUSSEN¬KÚNNEN sprochen, einen permanenten Anreiz zur Kundenorientierung und Leistungssteige- Die EVU bekommen z. B. das Risiko rung zu setzen, ohne dass der Aufgaben- aufgebürdet, dass die DB AG in ihrem träger diesen „administrieren“ muss. Jeder bundesweiten Tarif ein neues Schnäpp- Euro, den das EVU durch Mehrnachfrage chenangebot einführt (Beispiele aus oder geschickte Preisdifferenzierung er- der Vergangenheit sind Wochenendti- wirtschaftet, bleibt in der eigenen Kasse cket, Ländertickets, Hopperticket etc.), und steigert direkt den eigenen Deckungs- das das bisherige Tarifniveau untergräbt beitrag. Damit soll insbesondere auch der und damit die Tarifergiebigkeit senkt.

60 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Je nach betriebenem Verkehrsnetz und sen auf sich, das der Schlüssel zur fak- DESSEN¬!FlNITËT¬FàR¬BESTIMMTE¬4ARIFAN- tischen Machtausübung ist. Die NE- gebote kann das regional sehr unter- Bahnen sind bislang nicht schlagkräftig schiedliche Auswirkungen haben, die genug, um gemeinsam gegen die von Wettbewerbsbahnen im Vorfeld DB AG zu opponieren. nicht kalkuliert werden können. Selbst ƒ Die Beweislast für die Einnahmenauf- wenn in der Praxis dieses Risiko selten teilung liegt bei den Wettbewerbsbah- eintreten sollte, reicht bereits die stra- nen. Sie müssen ihren Anspruch nach- tegische Abhängigkeit der Ertragsla- weisen, nicht die DB AG, obwohl nur ge vom Mitbewerber, um als Wettbe- diese den vollständigen Überblick über werbsbahn sich hierauf nicht einlassen die Daten hat. Darüber hinaus sind die zu können. Erhebungen und Berechnungen in- Ebenso sind EVU, die zur Anerkennung transparent. So werden Gutachter be- DES¬$" 4ARIFS¬VERPmICHTET¬SIND ¬DER¬'E- auftragt, deren Ergebnisse Dritten nicht fahr ausgesetzt, dass Nachfrageeinbrü- zugänglich sind. Auch hier akkumuliert che infolge nicht vermittelbarer Preis- DIE¬$"¬!'¬EFlZIENTES¬(ERRSCHAFTSWISSEN¬ festlegungen – wie z. B. 2003 bei der zu ihrem Vorteil. misslungenen Tarifreform der DB AG – ƒ Die Einnahmenaufteilung zum Fernver- die Erlöse verringern oder dass übertrie- kehr ist von außen nicht nachvollzieh- bene Preissteigerungen zu Fahrgastab- bar. Die Tarifergiebigkeitsnachteile des wanderungen führen. bei Langstreckenfahrten stark degressi- ƒ Wettbewerbern bleibt die Option des ven Tarifs werden überwiegend auf den Anstoßtarifes (Zusammenfügen zwei- Nahverkehr abgewälzt, obwohl gerade er eigenständiger Tarife zu einem neu- dieser einen hohen Nutzen als Zubrin- en Übergangstarif) überwiegend ver- ger stiftet. schlossen, weil die DB AG diese nur bei ƒ Als Vertriebsmonopolist leistet die Stichstrecken zulässt, nicht jedoch bei DB AG – nach Einbehalt ihrer Provisi- Parallelverkehren (dort sind SPFV und on – Abschlagszahlungen an die Wett- RE noch bei der DB AG). Hierbei beruft bewerber, die in der Tendenz zu nie drig sich die DB AG auf den Geist des Altver- AUSFALLEN¬UND¬HËUlG¬MIT¬ERHEBLICHER¬ bandes TBNE, der Anstoßtarife nur ganz Zeitverzögerung gewährt werden. Im begrenzt zulassen wollte. Andernfalls Nachgang soll dann „spitz“ abgerech- werde der Kunde infolge des drohen- net werden, was erneut sehr viel Zeit den Tarif“wirrwarrs“ abgeschreckt. in Anspruch nehmen kann. Newcomer, In allen anderen Konstellationen ver- deren Liquidität und Kapitaldecke na- weist die DB AG auf das Angebot, ihren turgemäß knapp sind, können auf diese Tarif mitnutzen zu dürfen, wenngleich Weise gezielt „ausgehungert“ werden. ohne jegliches Recht auf Mitsprache. Im ƒ Aufgrund der – noch vorhandenen – Ergebnis wird der gesetzliche Auftrag Marktdominanz der DB AG, vor al- nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 AEG zur Durch- lem aber infolge des Infrastrukturmo- TARIlERUNG¬VERLETZT¬$IESER¬SETZT¬KEINE¬ nopols ist jeder SPNV-Wettbewerber Unterordnung unter das DB-System de facto gezwungen, auf das Vertriebs- VORAUS ¬SONDERN¬DIE¬$URCHTARIlERUNG¬ system der DB AG zurückzugreifen. Dies zweier eigenständiger Tarifsysteme, die gilt zumindest für die klassischen stati- beiden EVU ihre Gestaltungsmöglich- onären Vertriebskanäle. Die DB AG bie- keiten belässt. Die deutsche Praxis steht tet wiederum Tarifkooperationen nur z. B. im Widerspruch zur Schweiz, in der im Verbund mit einer Vertriebskoopera- jedes EVU im Rahmen einer nationa- tion an. Dieser Zwang gilt selbst dann, len Tarifgemeinschaft für seinen Bereich wenn der Vertrieb gar keiner Abstim- eigene Preisgestaltungsoptionen hat, mung bedarf (getrennte Vertriebsgebie- ohne dass der Kunde Friktionen regis- te zwischen Insel und Festland). Diese triert. Kopplung schränkt den Wettbewerb auf ƒ Die operativen Aufgaben zum Gemein- der Vertriebsebene unnötig ein. schaftstarif nimmt der TBNE wahr. Dort ƒ Im Rahmen der Tarifkooperationen sind kann die DB AG nicht überstimmt wer- regelmäßig Vertriebsvereinbarungen den, zumal die Geschäftsführung in ih- zu schließen. In diesen Verträgen be- ren Händen liegt. Im Ergebnis vereint hält sich die DB AG vor, den Vertrieb die DB AG das gesamte Herrschaftswis- für ihren Bereich allein zu organisieren.

Schienenpersonennahverkehr 61 NE-Bahnen dürfen Fahrkarten nur in ih- und Wettbewerbern asymmetrisch zu rem Bereich und nur für sie betreffende Lasten der Dritten vereinbart. Während Verkehre verkaufen. Auf Bahnhöfen, die die Wettbewerber eine Provision von zusammen mit DB-Unternehmen ge- 10–18 % an die DB AG zahlen, räumt nutzt werden, hat die DB AG den Ver- der Marktführer im Gegenzug seinen triebsvorrang. Damit schließt die DB AG Konkurrenten nur 5–8 % ein. Erneut trotz eines gewissen Bedarfs an innova- sitzt die DB AG am längeren Hebel. Als tiven Lösungen jeglichen Vertriebswett- Gründe gibt sie an, eine Clearingstelle bewerb aus und behält sich vor, diesen vorzuhalten sowie Aufwendungen für nach ihren eigenen Vorstellungen aus- /VERHEAD ¬3YSTEMPmEGE¬UND¬7ERBUNG¬ zugestalten. Vor allem im Zusammen- zu haben. Dennoch erscheint diese spiel mit den Provisionsregelungen sind Spreizung der Provision nicht plausibel. die Wettbewerber erheblich im Nach- teil. Insgesamt wird deutlich, dass der Net- ƒ Die Wettbewerber haben keinen An- tovertrag für die Wettbewerbsbahnen in spruch, Reisezentren in den Bahnhö- der derzeitigen Marktverfassung eine ech- fen mitzunutzen, da sie eisenbahn- te Markteinstiegshürde darstellt, weil die rechtlich nicht als essential facility bzw. Abhängigkeit der eigenen Kalkulation von Serviceeinrichtung geschützt werden. der DB AG als Mitkonkurrent immens ist. :WAR¬WERDEN¬DIE¬6ERKAUFSmËCHEN¬IN¬DEN¬ In der Konsequenz müssen die NE-Bahnen Empfangsgebäuden angeblich kom- Wagniskosten ansetzen, die insbesondere merziell angeboten, so dass sie jedem bei den künftig komplexeren und größeren offenstehen müssten. In der Praxis ha- Ausschreibungen einen erheblichen Start- ben die Dritten jedoch keinen Zugang, nachteil verursachen. während DB Vertrieb praktisch jeder (Nicht-)Nutzungswunsch erfüllt wird. Aus diesem Grund stellen immer mehr Gewerbemietern in Stationsgebäuden Aufgabenträger die Überlegung an, den der DB AG ist es in der Regel in den Vertrieb als essential facility zu betrachten, Mietverträgen untersagt, Fahrkartenver- der dem Zugriff der DB AG entzogen und triebsleistungen für Dritte anzubieten, betreiberneutral bereitgestellt werden soll. so dass z. B. Kioske, Drogerien oder Bä- ckereien nicht als Vertriebseinrichtun- Da die Neutralisierung des Vertriebs je- gen für Tarifangebote Dritter genutzt doch frühestens mit dem Auslaufen der werden können. großen Verkehrsverträge möglich ist, set- zen einige Aufgabenträger auf Bruttover- ƒ Die DB AG gewährt keinen Einblick in träge mit Qualitäts- bzw. Fahrgastboni, die ihr Vertriebsnetz, indem sie sich auf die den Anreiz des Nettovertrags simulieren geheime Datenstruktur beruft. Hinter- sollen. Beispiele hierfür sind die Ausschrei- grunddaten zum Tarif und den Schnitt- bungen in Westfalen, in Berlin/Branden- stellen zum Abrechnungssystem wer- burg und im Raum Leipzig/Halle. Aller- den nur selektiv herausgegeben. Die dings ist auch dieses Vertragskonstrukt Entwicklung eigenständiger Vertriebs- nicht frei von Problemen. So müssen die wege auf Seiten der Wettbewerbsbah- Aufgabenträger darauf achten, dass der nen wird so strategisch gehemmt, um versprochene Bonus/der einzubehaltende das eigene Vertriebsmonopol so lange -ALUS¬MIT¬DEN¬4ARIlERUNGSREGELN¬IM¬6ER- wie möglich aufrechtzuerhalten. bund, den sonstigen Vereinbarungen mit ƒ Die Provisionshöhe auf Fahrkartenver- der DB AG und der gesamten Einnahmen- käufe für Externe ist zwischen DB AG aufteilung kompatibel ist.

62 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 2.6 Weitere Hindernisse geöffnete Markt ohne Rücksicht auf die Marktlage in anderen Mitgliedstaaten Neben den vorgenannten TOP-Barrieren für alle Anbieter aus der Gemeinschaft sind weitere Hindernisse beachtenswert, offen sein. die Dritten den Markteintritt erschweren. ƒ Das in den Grundfreiheiten des EG-Ver- Ihre Einsortierung an dieser Stelle besagt trags angelegte Transparenz- und Dis- nicht, grundsätzlich unbedeutender als die kriminierungsverbot wird negiert, und ersten drei Hemmnisse zu sein. Vielmehr zwar mit dem empirisch regelmäßig vertiefen sie Spezialaspekte, die in der widerlegten Argument, an SPNV-Leis- Marktübersicht angerissen wurden. tungen gebe es kein internationales In- teresse. ƒ Auch die nationale Rechtsprechung – 2.6.1 Renaissance der Direktvergaben? die überwiegend kritisch ausfällt – wird verzerrend interpretiert. So haben die Seit geraumer Zeit melden einige Auf- VK Schleswig-Holstein ein „Interes- gabenträger, dass die DB AG wieder ver- senbekundungsverfahren“ und die VK stärkt für die Direktvergabe von Ver- Münster „ein Verwaltungsverfahren zur kehrsverträgen werbe. In Gutachten und Vergabe nach § 15 Abs. 2 AEG“ gekippt Aufsätzen wird darauf verwiesen, dass die und die direkte Anwendung des Verga- neue Verordnung 1370/2007/EG diesem berechts geurteilt. Gäbe es tatsächlich Verfahrens typus den Rechtsweg bereite, die freie Verfahrenswahl für die Aufga- indem Art. 5 Abs. 6 Direktvergaben aus- benträger, wären die Vergabekammern drücklich erlaube. Da das EG-Recht vorran- nicht befugt gewesen, derartige Ver- gig sei, beseitige es automatisch etwaige fahren außerhalb des Vergaberechts zu strengere nationale Vorgaben. Im übrigen stoppen. Weitere Gegenbeispiele liefern habe OLG Brandenburg die Wahlfreiheit die Urteile der VK Sachsen, OLG Düssel- des § 15 Abs. 2 AEG und den Vorrang des dorf, OLG Celle und OLG München. Eisenbahnrechts vor dem Vergaberecht be- stätigt. Dieser Auffassung hätten sich z. B. ƒ Im Dezember 2002 wurde die Verga- die Vergabekammer Baden-Württemberg beverordnung allein auf Drängen der und OLG Karlsruhe angeschlossen. DB AG hektisch geändert, um den Ab- schluss der großen Verkehrsverträge Die vorgenannte Argumentation ist in mit den für den Börsengang notwen- mehrfacher Hinsicht kritisch zu sehen: digen Überrenditen juristisch abzusi- chern. Damals sah die Rechtslage vor, ƒ Die Direktvergabe nach künftigem dass das Ermessen nach § 15 Abs. 2 AEG EG-Recht ist keine Vorgabe, son- die uneingeschränkte Anwendung des dern eine Option. Art. 5 Abs. 6 der Vergaberechts vorschreibt. Dies galt ins- VO 1370/2007 räumt die Möglichkeit besondere für den Vorrang der offenen des nationalen Verbots ein. Verfahren und das Gebot der Los-Tei- lung. In jedem Fall drückte dieses Ma- ƒ Allen Beteiligten ist klar, dass das EG- növer das Eingeständnis aus, dass der Recht einem Minimalkompromiss ent- Primat des Vergaberechts gilt. sprang, da insbesondere Frankreich, Belgien und teilweise die osteuropä- ƒ Politisch besonders fragwürdig ist die ischen Staaten einer Marktöffnung These der von der DB AG bestellten nicht zustimmten. Hiervon unberührt Gutachten, dass das Verfahrenspapier sind aber nationale Öffnungen. Die- der Verkehrsministerkonferenz vom se können nicht mit dem Verweis auf 17.2.2006 keine rechtliche Bindung das EG-Recht wieder zurückgenommen entfalte. In dem Dokument hatten sich werden, vielmehr gilt für sie die Stand- "UND¬UND¬,ËNDER¬SEINERZEIT¬VERPmICHTET ¬ Still-Klausel (Rückschrittsverbot). Da- SPNV-Leistungen künftig ausschließlich nach dürfen eine einmal erreichte Libe- nach einem Fünf-Schritte-Verfahren zu ralisierung und Harmonisierung nicht vergeben, das in einem Mindestmaß wieder zurückgedreht werden. auf dem Wettbewerb beruht. Nur unter dieser Zusage war die EU-Kommission ƒ Ebensowenig akzeptiert das EG-Recht damals bereit gewesen, das Vertrags- den Verweis, dass andere Mitgliedslän- verletzungsverfahren gegen Deutsch- der ihre Märkte noch nicht (so weit) land wegen Missachtung europäischer geöffnet hätten. Vielmehr muss jeder Vergaberechtsnormen einzustellen. Sich

Schienenpersonennahverkehr 63 hieran im Nachhinein nicht gebunden Die Gründe für die Verzögerungen sind zu fühlen könnte sich auf mittlere Sicht vielfältig und von den Aufgabenträgern als Bumerang herausstellen, indem die nur teilweise zu verantworten. Die Band- Verhandlungsbereitschaft der Kommis- breite reicht von knappen personellen Res- sion beträchtlich abnimmt. sourcen, Abstimmungsproblemen der Auf- ƒ Im Übrigen sind Direktvergaben nur gabenträger untereinander über ungeplant möglich, wenn sie vorher bekanntge- längere Baumaßnahmen der DB AG bis macht wurden und die eingehenden hin zu landespolitischen Eingriffen. Selbst Angebote transparent und fair bewertet überehrgeizige Pläne sind gelegentlich werden. Gegen die Direktvergabe be- kontraproduktiv, obwohl ihre Motivation steht Rechtsschutz. an sich lobenswert ist.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass die Ge- Überdies geht es in dieser Frage nicht fahr der Abkehr vom Wettbewerbsgedan- um Schuldzuweisungen, sondern um die ken nicht eintritt. Den größten Schutz bie- Sensibilisierung, wie sich die Verschiebun- ten die Einsparreserven. Auf sie sind die gen auf die Kapazitätsplanung der EVU Aufgabenträger zunehmend angewiesen, auswirken. Ziel ist es angesichts der heran- um Zusatzlasten zu kompensieren oder nahenden Bugwelle an Ausschreibungen, ,EISTUNGSAUSWEITUNGEN¬ZU¬lNANZIEREN eine höhere Verbindlichkeit der Folgever- gabepläne zu erwirken. Die negativen Kon- sequenzen der Verschiebungen äußern sich aus der Sicht der Wettbewerbsbahnen wie 2.6.2 Planbarkeit der Vergabeverfahren folgt:

Ein weiteres Problem für den SPNV-Wett- ƒ Ausschreibungsverfahren sind isoliert bewerb liegt in der Verbindlichkeit der besehen für jedes EVU kostspielig. Vor- Wettbewerbsfahrpläne. Da die EVU ihre – zuhalten sind Angebotskalkulatoren, die mit Ausnahme der DB AG – knappen Kapa- tendenziell auf dem Markt knapp sind zitäten entlang der Vergabekalender dispo- und deren Zahl zudem in den Unter- nieren müssen, ist es wichtig, dass sie offen nehmen schlank gehalten wird. Ist der kommuniziert und größtenteils eingehal- uDEAL¬mOWh¬AUF¬DEM¬-ARKT¬VOM¬.IVEAU¬ ten werden. her gering und/oder zeitlich unstet, können die knappen Ressourcen nicht Dies ist bislang nur unzureichend der Fall. optimal ausgelastet werden. Kommt es So zeigt die Analyse, dass 10 von 27 Auf- zu einer unabgestimmten Ballung der gabenträgern ihre Wettbewerbsfahrpläne Verfahren, kann es sein, dass für einige nicht öffentlich kommuniziert haben, zwei Ausschreibungen nur wenige Gebote weitere nur teilweise. Von den bekannten abgegeben werden. Von solchen Eng- Vergabekalendern wurden nur vier nahe- pässen sind teilweise sogar internatio- zu vollständig abgearbeitet (BEG in Bay- nale Konzerne betroffen. ern, NWL in Nordrhein-Westfalen, LVS in Schleswig-Holstein und NASA in Sachsen- ƒ Perspektivisch noch gravierender wäre Anhalt, dort allerdings verbleibt ein hohes das verschenkte Potenzial, frühzeitig Restvolumen von knapp 15 Mio. Zkm nach ausgelieferte Neufahrzeuge als Reser- Auslaufen des Vertrages). In allen ande- ve woanders einsetzen zu können, ehe ren Fällen wurden mehrere Mio. Zkm nach sie im vorgesehenen Netz ihren Betrieb hinten verschoben. aufnehmen. Diese Option wird künftig desto wichtiger, je mehr und größere Ausschreibungen auf den Markt kom- men.

64 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009

Kapitelbild: Ran- gierbahnhof Maschen bei Nacht 3 Schienengüterverkehr

3.1 Stand des Wettbewerbs 2009: Überlebenskampf in der Krise Abbildung 26: Das Urteil über den Status quo des Wett- Marktanteile an der bewerbs im Schienengüterverkehr hängt Verkehrsleistung im davon ab, welcher Maßstab angelegt wird. Schienengüterverkehr in Deutschland 2008 Betrachtet man das Glas im Vergleich zu Monopolzeiten als „halb voll“, ist die Ent- in % der tkm wicklung im SGV eine Erfolgsgeschichte. Sie ist sogar noch etwas höher einzustufen Quelle: als das vielgepriesene Pendant im SPNV, eigene Berechnungen da die Wettbewerber im Güterverkehr un- 3PLIT¬VON¬¬ALS¬VORLËUlGE¬3CHËTZUNG¬ ter erschwerten Bedingungen operieren. einzustufen. Im Gegensatz zum Nahverkehr treten die privaten Güterbahnen ohne staatliche Obwohl seit Herbst 2008 die Wirtschafts- Unterstützung gegen das Staatsunterneh- krise den Güterverkehrsunternehmen dras- men DB Schenker Rail an, das zahlreiche tische Einbrüche beschert, setzte sich in Privilegien ohne Leistungsbezug genießt der ganzjährigen Betrachtung der Trend (z. B. Staatsbonität, Nähe zum Infrastruk- fort, der seit 2000 kontinuierlich zu beob- turbetreiber u. a.). In der gegenwärtigen achten ist (Abbildung 27). Wirtschaftskrise machen sich diese Un- terschiede in den Ausgangsbedingungen Von 2000 bis 2008 konnten die Wettbe- plastisch bemerkbar, vor allem in Finanzie- werber ihren Marktanteil im Durchschnitt rungsfragen. um 2,4 Prozentpunkte p. a. ausweiten (un- gewichtet). Erfreulich dabei ist, dass im Um so erstaunlicher ist die Tatsache, dass gleichen Zeitraum auch das Volumen des 2008 mehr als jeder fünfte Güterzug von Gesamtmarktes erheblich wuchs, und zwar einer Wettbewerbsbahn gefahren wurde um 40 % von 82,7 Mrd. tkm 2000 auf (siehe Abbildung 26). 115,7 Mrd. tkm 2008. Dies unterstreicht die These eindrucksvoll, dass Wettbewerb Da nur die DB AG mit Hilfe ihrer Netz- auf der Schiene keineswegs zwingend mit Tochter einen vollständigen Überblick über der Kannibalisierung der Marktteilnehmer die Marktverhältnisse haben kann, ist der untereinander einhergeht. Im Gegenteil:

Abbildung 27: Marktanteilsentwick- lung der Wettbewer- ber im Schienengü- terverkehr 2000–2008

in % der tkm

Quelle: eigene Berechnungen

Schienengüterverkehr 67 Durch die produktiven Kräfte der Kon- pen mindestens fünf Wettbewerber zu kurrenz wird Wachstum in der gesamten verzeichnen, in vier Gütergruppen sind es Branche entfacht und damit die Beschäf- sogar jeweils zehn oder mehr. Zwar sagt tigung im Schienenverkehrssektor ausge- die Zahl der Unternehmen nicht zwingend baut. Trotz der Marktanteilsverluste nahm etwas über die Intensität des Wettbewerbs auch die Verkehrsleistung von DB Schenker aus, aber sie ist zumindest ein wertvolles Rail in Deutschland um rund 15 Mrd. tkm Indiz für die weitere Analyse. zwischen 2000 und 2008 absolut zu. Immerhin vier Teilmärkten (Container/ Fächert man die Offenheit des Marktes KV, Chemie, Mineralöl/Biodiesel, und die Wettbewerbslandschaft nach Gü- Baustoffe) wird die Indikatorenfarbe grün tergruppen auf, scheint sich der positive bescheinigt, die eine nahezu vollständige Ersteindruck zu bestätigen. Marktöffnung symbolisiert, in deren Fol- ge ein lebhafter Wettbewerb entstanden Die Vielzahl der 59 Betreiber, die mit ist. Wesentliche Ursache für die Offenheit Ganzzügen auf eigene Rechnung unter- dieser Submärkte ist die Verfügbarkeit des wegs sind, zeichnet ein buntes Bild, das Fahrzeugmaterials. Zudem haben einige den Eindruck intensiven Wettbewerbs ver- Verlader aus eigenem Antrieb den Wett- mittelt. So sind in elf von 14 Gütergrup- bewerbern frühzeitig eine Chance einge- räumt.

Abbildung 28: Wettbewerbsbah- nen und Marktöff- nungsgrad nach Güter gruppen

Quelle: eigene Darstel- lung. Marktöffnungsgrad von grün (hoch) bis rot (gering); Abkürzungen der EVU siehe Anhang.

68 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Hilfsrechnung per Deltabetrachtung

Ausgehend von den Vorjahreswerten der Marktanteile an der Verkehrsleistung 2007 (80,3:19,7) wird die Angabe der DB AG in ihrer neuesten Ausgabe von „Daten und Fak- ten“ 2008 berücksichtigt, wonach 2008 die konzernexternen EVU ihre Betriebsleistung um 15 Mio. Trkm steigern konnten. Die Mehrleistung der Wettbewerber teilt sich näherungs- weise in 13 Mio. Trkm SPNV und 2 Mio. Trkm SGV auf. Gemessen am Gesamtvolumen der Betriebsleistung des SGV von gut 250 Mio. Trkm entspricht die Steigerung der Wett- bewerber einem Anteil von rund 0,8 %. Im Gegenzug verzeichnet DB Schenker Rail offen- bar einen Rückgang der Betriebsleistung von etwa 7 bis 8 Mio. Trkm. Dies erschließt sich wiederum daraus, dass der Zuwachs von 15 Mio. Trkm der Externen mit einem absoluten Rückgang der Gesamtleistung von 7 Mio. Trkm einhergeht (2008: 1.042 Mio. Trkm, 2007: 1.049 Mio. Trkm). DB-intern resultiert ein Delta von –22 Mio. Trkm, vom dem 13 Mio. Trkm auf das Konto des reduzierten SPNV und gut 1 Mio. Trkm auf den SPFV gehen. Dem- nach verbleiben 8 Mio. Trkm als Rückgang im SGV.

Tonnenkilometrisch ist hierauf allerdings ein Abschlag einzukalkulieren, da die DB AG ten- denziell stärker in den Gütergruppen mit höherer Tonnage vertreten ist. Mithin dürfte der Anstieg des Marktanteils der Wettbewerber bei etwa einem Prozentpunkt im Vergleich zu 2007 liegen (Fehlertoleranz: +/– ein Prozentpunkt).

Zwei weitere Segmente – Holz und Ab- Der Bereich Automotive tendiert noch fall – sind immerhin gelb markiert. Die am ehesten zu gelb, liegt aber letztlich Abstufung in Relation zum Grünbereich leicht unterhalb der qualitativen Mittelli- drückt aus, dass die Privaten in einem grö- nie. Ausschlaggebend für die schlechte- ßeren Subsegment Fuß fassen konnten, re Bewertung dieser Gütergruppe ist, dass jedoch der Markt noch nicht durchgän- insbesondere die mengenmäßig bedeut- gig offen ist. So liegt die Belieferung des samen, logistisch komplexen Zulieferver- Zellstoffwerkes in Arneburg-Niedergörne kehre zu den Werken der Hersteller – z. B. mit Rundholz und Holzhackschnitzeln voll- Stahlbleche, Komponenten etc. – aus- ständig in den Händen der Privatbahnen. nahmslos in festen Händen von DB Schen- Das Volumen teilen sich die Bahnspediti- ker Rail liegen, und zwar ohne die Leis- onen LTH Transportlogistik und die SETG, tungsfähigkeit der Wettbewerber am Markt die als Subunternehmer die OHE bzw. RAN zu erkunden. Den Einstieg der Dritten ge- und PRESS einsetzen. Die OHE fährt zudem währten die Automobillogistiker wie ARS Rundholzzüge zu einem Sägewerk der Fir- Altmann, Mosolf und BLG Autorail, die ma Heggenstaller in der Nähe von Augs- einen Teil ihrer Neuwagendistributions- burg. Dagegen sind die Transporte von verkehre sowie Importe ausländischer Fa- Schnittholz und vor allem Zellstoff nahe- brikate mit den Privaten abwickeln. Die zu ausschließlich im Beritt von DB Schen- Verkehre decken fast alle Automobilmar- ker Rail. ken ab.

Auf dem relativ kleinvolumigen Teilmarkt Ähnlich sieht es auf den anderen Teil- Abfall haben sich die Privaten ebenfalls märkten der Kategorie orange aus. So etabliert, jedoch erweisen sich die erforder- bleibt das große Segment des binnenländi- lichen Spezialwagen als (gewisse) Marktzu- schen Getreidetransports auf der Schie- gangshürde. ne den Wettbewerbsbahnen bis dato ver- schlossen. Wesentlicher Hintergrund ist der Der weitere Verlauf der Analyse führt zu schwierige Zugang Dritter zu geeigneten der Erkenntnis, dass in der Bewertung der Wagen. Getreideverkehre fallen ganzjährig Marktreife das zu Beginn zitierte Glas eher an (Import-/Export-Ware, Lagerverkehre), „halb leer“ ist. Für diese Deutung sprechen haben aber deutliche saisonale Spitzen. mehrere Argumente: In acht von 14 Gü- Demnach sind im Spotverkehr zwar hohe tergruppen sind die Offenheit des Marktes Mengen zu befördern, jedoch nur über ei- und die Entwicklung des Wettbewerbs ent- nen kurzen Zeitraum. Viele Wagen müssen weder als mäßig (orange) oder gering (rot) für die Spitzenlast vorgehalten werden, die einzuschätzen. während des restlichen Jahres nur schlecht auszulasten sind.

Schienengüterverkehr 69 Folgerichtig scheuen unabhängige Ver- werksverkehr, die Privaten können bis dato mieter von Güterwagen Investitionen in nur einige saisonale Transporte von Dün- diesen Bereich, so dass für die Transpor- gerkalk akquirieren. te überwiegend abgeschriebene Staats- bahnwagen zum Einsatz kommen. Wett- Am schlechtesten schneiden die Seg- bewerbsbahnen können in diesen Markt in mente Erze, Kohle/Koks und Sand/Soda der Regel nur über Kooperationen mit aus- ab. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ländischen Staatsbahnen eintreten, für die sind diese Massen- bzw. Schüttgüter noch sie dann den Transport durch Deutschland fest in der Hand der DB AG. VPS und EKO bzw. zu den Seehäfen übernehmen. Trans agieren bei Erzen nur als Subunter- nehmer der DB AG, d.h. kein Privater fährt Teilweise kompensiert wird diese Schwä- auf eigene Rechnung. Im Segment Sand/ che dadurch, dass die Wettbewerbsbahnen Soda konnten nur zwei Wettbewerbsbah- im Segment der grenzüberschreitenden NEN¬DEN¬%INSTIEG¬lNDEN¬!UCH¬DER¬4EIL- Getreideverkehre gut vertreten sind. So markt Kohle/Koks ist schwer zugänglich. fahren z. B. rail4chem/LTE 12 bis 18 Züge Erneut täuscht die Zahl der Wettbewerber pro Woche von Ungarn nach Rotterdam über die tatsächlichen Kräfterelationen hin- oder Floyd mit MWB und Veolia Cargo Ge- weg, da es sich vorwiegend um Einzelrela- treide aus Ungarn nach Gent und Rotter- tionen und Nischenverkehre handelt. dam. ITL fährt mehrere Züge pro Woche im Auftrag der Spedition Agrofreight von Das bunte Mosaik der 59 EVU in der Ab- Tschechien nach Hamburg bzw. Brake. Ein bildung 28 auf Seite 68 verzerrt die relativen wesentlicher Grund des Erfolgs der Pri- Größenunterschiede innerhalb des Mark- vaten liegt darin, dass die Staatsbahnen tes. im internationalen Kooperationsverkehr Schwächen haben. DB Schenker Rail (vormals Railion) war mit 91 Mrd. tkm in Deutschland 2007 Bei der Gütergruppe Stahl/Alumi- rund 22mal so groß wie rail4chem, das als nium steht die Zahl der Wettbewerber „Größter unter den Kleinen“ rund 4,2 Mio. vordergründig im Widerspruch zur rela- tkm beförderte. Selbst die vier größten tiv schlechten Bewertung. Dieser löst sich Konkurrenten zusammen machten weniger jedoch auf, sobald berücksichtigt wird, als ein Siebtel des Marktführers aus. Hier- dass es sich um Quasi-Werkverkehre für aus ergibt sich, dass sich das restliche Feld die Konzernmutter handelt (EKO Trans, der Wettbewerber aus vielen kleinen EVU VPS, SWT) oder aber um Einzelrelationen zusammensetzt, deren einzelne Schlagkraft mit begrenztem Aufkommen. Die großen sehr beschränkt ist. Ökonomisch spricht Stahltransporte wie z. B. Röhren liegen al- eine solche Asymmetrie für einen defek- lesamt bei der DB AG. Ähnliches gilt für ten Wettbewerbsrahmen, weil die Leistung Kalk: DB Schenker Rail dominiert im Kraft- selbst keine Eigenschaften wie extreme

Abbildung 29: Vergleich der Trans- portleistung im SGV 2007

Quelle: VDV-Statistik 2007, eigene Darstellung

70 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Größenvorteile aufweist, die den Markt auf schluss, dass gut 40 % des Marktes ausge- wenige Teilnehmer reduzieren müssten. klammert werden: der (Einzel-)Wagenla- dungsverkehr (WLV). Eine weitere erhebliche optische Täu- schung der Gütergruppen-Übersicht be- Die Wettbewerbslandschaft im WLV ist ruht darauf, ausschließlich die Markt- überaus transparent: Sie besteht heute aus verhältnisse für die Produktionsform der einem einzigen Konkurrenten der DB AG. Ganzzüge bzw. des Kombinierten Verkehrs Seit einigen Jahren organisiert Log-o-Rail zu beleuchten. Dies bedeutet im Umkehr- Gesellschaft für Schienenlogistik GmbH

Wagenladungsverkehr

Der Wagenladungsverkehr (WLV) ist die komplementäre Produktionsweise zum Ganzzug- verkehr. Während der Verkehr in ganzen Zügen dem betriebswirtschaftlichen Idealbild ent- spricht, um Größenvorteile optimal auszuschöpfen, ist der WLV die logistische Antwort des Systems Schiene auf kleinere Beförderungsmengen unterhalb der maximalen Ladungsmenge und/oder des Laufweges von Ganzzügen zwischen Verlader und Empfänger. Dabei werden einzelne Wagen oder Wagengruppen auf ihrem Laufweg rangiertechnisch so zusammenge- stellt, dass sie auf einem möglichst großen Streckenast mit anderen Wagen in gemischten Zügen im Bündel befördert werden.

Ein typischer Anwendungsfall sieht wie folgt aus: Das Unternehmen A stellt in Remscheid in NRW verschiedene Stahlprodukte her. An einem bestimmten Tag sollen drei Kunden über die Schiene mit folgenden Mengen beliefert werden:

ƒ Die Werft B mit Standort in Kiel erhält zwei Wagen mit Stahlplatten ƒ Das Stahlhandelsunternehmen C mit Standort in Schwandorf erhält einen Wagen mit Spundwänden ƒ Das Maschinenbauunternehmen D mit Standort in Delitzsch erhält drei Wagen mit 3TAHLPROlLEN Eine Lok holt die sechs Wagen in Remscheid im Anschlussgleis des Stahlproduzenten A ab und befördert sie zum nächsten Güterbahnhof in Solingen. Dort werden – fallweise – weite- re Wagen im Auftrag einer anderen Firma angehängt, ehe die Fahrt zum Rangierbahnhof in Gremberg bei Köln weitergeht. Dort wird der Zug zerlegt, die Wagen werden auf neue Züge verteilt. Der Wagen für den Kunden C wird in einen Ganzzugverband von 35 Wagen nach Nürnberg eingestellt. Die drei Wagen für den Kunden D fahren mit 21 weiteren Wagen als Zug nach Leipzig-Engelsdorf. Die zwei Wagen für den Kunden B fahren mit einem Zug nach Maschen bei Hamburg, der aus 29 Einheiten besteht. In den drei genannten Rangierbahn- höfen werden die Ganzzüge erneut aufgelöst, und die Wagen der drei Kunden werden je- weils mit den Wagen der anderen dort eingetroffenen Güterzüge aus anderen Rangierbahn- höfen für den Nachlauf als Bedienungsfahrt zu den regionalen Zielen zusammengestellt.

Am Beispiel der Werft B in Kiel als Sendungsempfängerin heißt das: Der regionale Güter- zug, der in die Transportkette eingebunden ist, fährt in einem Wagenverband von Maschen nach Kiel, der sich neben den beispielhaften zwei Wagen mit Stahlplatten auch aus anderen Wagen für weitere Kunden zusammensetzt: z. B. einige Wagen mit Pkw für den Export nach Skandinavien, mit Haushaltsgeräten für ein regionales Auslieferungslager, mit Baustoffen, zudem Chemiekesselwagen für ein chemisches Unternehmen in der Region sowie leere Wa- gen, die lediglich vorübergehend abzustellen sind. Ebenso ist es möglich, dass die Remschei- der Sendung mit den Stahlplatten eines anderen Produzenten der Werft B von Maschen nach Kiel vereinigt transportiert wird. Dieser Zug wird dann wiederum in Meimersdorf bei Kiel aufgeteilt. Dort stehen mehrere Rangierlokomotiven bereit, um die Wagen und Wagen- gruppen mit Hilfe verschiedener kleinräumiger Bedienfahrten den Endkunden zuzustellen – und im Gegenzug andere Wagen abzuholen (Ziel: „Paarigkeit der Verkehre“).

Diese logistische Beförderungskette wird Nabe-Speiche-System (Hub-and-Spoke) genannt. Die Hubs werden über Direktzüge ohne weitere Rangieraufenthalte verbunden, die Speichen dienen der Bündelung und Verteilung der Güter im Ziel- und Quellgebiet.

Schienengüterverkehr 71 ein logistisches Netzwerk als WLV unter unschädlich, wenn nicht sogar förderlich, dem Markennamen „Chemliner“, wesent- da – wie zuvor gezeigt – die Verringerung licher Traktionär ist die Mitgesellschafte- des Größenabstandes zwischen DB Schen- rin Mittelweserbahn GmbH (MWB). Diese ker Rail und dem Rest des Feldes die Über- war bereits am Pionierversuch beteiligt, ab macht des Marktführers schrumpfen lässt. Juni 2003 zusammen mit der EBM Cargo &àR¬DIE¬%FlZIENZ¬EHEMALS¬MONOPOLISIERTER¬ und SETG den WLV unter der Dachmarke Märkte ist es wichtiger, dass der Wettbe- ECCO CARGO zu etablieren. Die vornehm- werb in Gang kommt, nicht so sehr in wel- lich auf Chemietransporte spezialisierte cher Eigentümerstruktur (staatlich/privat) Log-o-Rail war zunächst nur gering am die EVU agieren. Netzwerk beteiligt, ehe sie später zuneh- mend mehr Frachten übernahm. Im Ge- Dennoch ist es kein Zufall, dass die Kon- GENZUG¬MUSSTE¬DIE¬AUF¬HOLZAFlNE¬0RODUKTE¬ solidierung überwiegend von Staatsbah- ausgerichtete SETG Einbußen hinnehmen, nen angeführt wird, sieht man von den woraufhin sie sich im Juli 2008 als Opera- drei privaten Übernahmen ab. Im Unter- tor eigener WLV-Verbindungen zurückzog. schied zum Personenverkehr treten wenige große internationale Betreiber auf, die pri- Die Gründe für das Monopol der DB AG vat geführt werden, sei es am Kapitalmarkt im WLV sind vielfältig. An erster Stelle ran- notiert oder als Familienunternehmen. Da- giert das Problem der kritischen Masse, hinter verbirgt sich die Risikostruktur des das ein Newcomer auf Anhieb bewältigen Marktes, die nicht auf natürlichen Ursa- können müsste. Daneben spielt die Zu- chen – wie etwa global wirkenden Grö- gangsproblematik zu den Rangierbahnhö- ßenvorteilen – beruht, sondern auf künst- fen eine Rolle, die in Kapitel 3.6.2 auf Seite lichen Barrieren in der Rahmensetzung. 85 näher erläutert wird. Sind diese beseitigt, spricht viel dafür, dass das Betreiben von Güterzügen auf der Ein weiteres Symptom für die Marktver- 3CHIENE¬DURCHAUS¬MITTELSTANDSAFlN¬IST fassung ist in der Reverstaatlichung der Be- treiberlandschaft zu sehen, die uno actu Des Weiteren wird die Marktanteilsquote mit der Verdrängung mittelständischer Gü- der Wettbewerber dadurch relativiert, dass terbahnen einhergeht. Abbildung 30 listet ein bestimmter Teil von ihnen in Koope- wesentliche Übernahmen der letzten Jahre ration mit DB Schenker Rail fährt. Solche auf. Strukturen stehen unter dem Vorbehalt, von der Strategie des Marktführers abhän- Aus wettbewerblichem Blickwinkel ist die gig zu sein. Die DB AG hat in den letzten Konsolidierung der Unternehmen zunächst Jahren einige ihrer vormals extern vergebe-

Abbildung 30: Trend zur Reverstaatlichung im Schienengüterverkehr

blau: Übernahmen zwischen privaten Unternehmen

Quelle: eigene Darstellung

72 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 nen Aufträge zurückgeholt, z. B. die Mehr- 3.2 Prognose bis 2015 zahl der Transporte, die 2002 bis 2004 im Zuge der Umsetzung des Rationalisie- Die Prognose für den (Wettbewerb im) rungsprogramms MORA-C an NE-Bahnen Schienengüterverkehr wird von der Un- gegangen waren (RBB, BCB, NVAG, EBM sicherheit überlagert, wie lange und in Cargo...). Möglich wurde dies durch DB- welcher Intensität die gegenwärtige Wirt- interne Kostensenkungen wie den Einbau schaftskrise andauert. Sowohl die DB AG von Funkfernsteuerungen in die Lokomo- als auch die Wettbewerber werden hart tiven u. ä. Auch das Wegbrechen von Ver- getroffen, wenngleich auf unterschiedliche kehren setzte Loks frei, die woanders ein- Weise. Bei DB Schenker Rail steht zurzeit gesetzt werden können. rund ein Drittel der Flotte still, 5.000 Ar- beitnehmer sind in Kurzarbeit. Ebenso ist die DB AG dazu übergegan- gen, nach dem Vorbild des SPNV „Heide- Die Wettbewerber müssen nach vorläu- krautbahnen“ zu entwickeln, die Trans- lGEM¬%INDRUCK¬NICHT¬GANZ¬SO¬HOHE¬VER- porte kostengünstiger abwickeln. Beispiele kehrliche Mengenrückgänge (prozentual) sind die RBH (Mineralöl bundesweit und verkraften, weil sie z. B. in den besonders nach Österreich; Müll von Österreich nach schwer gezeichneten Branchen wie Auto- Bad Bentheim) oder MEG (Kohle natio- motive bzw. dem regelmäßigen Ganzzug- nal und Container in Kooperation mit der verkehr nur eingeschränkt vertreten sind. Schwester EWR aus/nach Polen). Selbst %BENSO¬KÚNNEN¬SIE¬IHRE¬+APAZITËTEN¬mEXIB- Gleisbau-Töchter des DB-Konzerns haben ler anpassen. Die privat verfassten Unter- sich einen Bestand von ca. 20 Loks zuge- nehmen sind allerdings in anderer Hinsicht legt, mit denen sie in das Spezialgebiet vie- stärker betroffen als der Marktführer, und ler kleiner EVU eindringen. zwar in allen Finanzierungsfragen.

Insgesamt ist festzuhalten: Der Schie- Das Betreiben von Eisenbahnverkehrs- nengüterverkehr ist dasjenige Segment im unternehmen ist sehr kapitalintensiv. Der Schienenverkehr, in dem der Wettbewerb Erfolg eines EVU hängt stark davon ab, zu derzeit am weitesten gediehen ist. Aller- WELCHEN¬+ONDITIONEN¬ES¬SICH¬RElNANZIEREN¬ dings kann vor normalen Konkurrenzstruk- kann. Neuerdings steht aber die Frage im turen noch lange nicht die Rede sein. Vordergrund, ob die Banken einer Güter- bahn eine hinreichende Bonität bescheini- gen, um überhaupt Fremdkapital beschaf- fen zu können.

Die Krise selektiert den Markt in der Wei- se, dass staatsnahe Unternehmen keine Bo- nitätsprobleme haben. Dies zeigt sich auch in dem Expansionskurs der DB AG in den letzten Jahren, den private Unternehmen kaum hätten stemmen können. Aus die- sem Grund ist die Aussage von DB Schen- ker (Rail) plausibel, dass man aus der wirt- schaftlichen Talsohle gestärkt hervorgehen werde. Insbesondere im europäischen Aus- land könnten sich einige Akquisitionsziele eröffnen.

Trotz aller Widrigkeiten ist der Markt so robust einzuschätzen, dass der Wettbe- werb im Schienengüterverkehr – erfreu- licherweise – nicht mehr zurückgedreht werden kann. Allerdings ist es genauso wahrscheinlich, dass die Marktöffnung auch künftig nicht in dem Tempo vor- anschreitet, wie dies möglich und wün- schenswert wäre. Hierfür wäre es not- wendig, dass die Bundesregierung die

Schienengüterverkehr 73 Verkehrs- und Wettbewerbspolitik an die 3.3 TOP-Hindernis 1: erste Stelle rückt. Die jetzige Eisenbahn- Netzrückbau politik verschenkt Wachstum und Be- schäftigung. Nur der Wettbewerb kann Seit der Bahnreform 1994, aber insbeson- den hierzu notwendigen Produktivitäts- dere im verkürzten Zeitfenster nach 2000 und Innovationsschub auslösen. Dies hat hat die DB AG die in ihrem Eigentum be- die Entwicklung der letzten Jahre unter Be- lNDLICHE¬3CHIENENINFRASTRUKTUR¬IN¬ERHEB- weis gestellt. lichem Umfang zurückgebaut. Zu unter- scheiden ist zwischen der quantitativen Eine Schlüsselfunktion für die Marktent- und der verkehrlich-qualitativen Dimensi- wicklung liegt darin, die Zukunft der SBB on. Cargo zu klären. Sollte die Umarmungs- strategie der DB AG Erfolg haben, wäre ƒ Quantitativ: ein wichtiger Konkurrent neutralisiert. Zu- Sowohl der Netzumfang (Strecken-, gleich wäre dies ein Rückschlag für den Gleiskilometer) als auch die Zahl ein- fruchtbaren Wettbewerb auf den alpen- zelner Komponenten/Anlagen wie z. B. querenden Magistralen der BLS und SBB. der Weichen ist in den vergangenen Zu hoffen ist, dass die Schweizer Regierung zehn Jahren deutlich geschrumpft. Sol- nicht den Fehler begeht, die Übermacht che „harten“ Kennziffern sind ein Indiz der DB AG noch zu verstärken. für die Dimension des Rückbaus, aber für die Bewertung allein nicht aussage- Auf der Seite der Wettbewerbsbahnen kräftig, da nicht jede Rückbaumaßnah- dürfte die Zweiteilung der Geschäftsstra- me unvernünftig ist (z. B. wenn tech- tegien voranschreiten. Einige EVU werden nisch-betriebswirtschaftlicher Fortschritt weiterhin als „Vollsortimenter“ im Ganz- ihr zugrunde liegt oder auf Dauer nach zugverkehr gegen die DB AG antreten, Konsultation aller Wettbewerber kein d.h. wie schon bisher in den heute geöff- Bedarf erkennbar ist). neten Submärkten auf allen wichtigen Re- lationen mitbieten. Andere, eher kleinere ƒ Verkehrlich-qualitativ: Bahnen werden eine Nischenstrategie ver- Die entscheidende Dimension des Rück- folgen und sich zunehmend in Spezialge- baus spiegelt sich nicht in den einzel- bieten etablieren wollen (Beispiele: MWB nen physischen Kenngrößen wider, im Einzelwagennetz, MWB z. B. mit Rotor- sondern in ihrem betrieblichen Zusam- blättern für Enercon, diverse Unternehmen menwirken, und zwar in Form von „Ka- im Spotverkehrsbereich Chemie/Mineral- pazität“. So ist nicht die blanke Zahl der öl). In den „schweren“ Gütergruppen wie Weichen und Anlagen entscheidend, Stahl u. a. werden die Privaten weiterhin sondern ihre räumliche Anordnung in eine untergeordnete Rolle spielen. Ausrichtung auf aktuelle und vor allem künftig mögliche Betriebsprogramme der EVU. An dieser Stelle hat DB Netz zahlreiche Einschnitte vollzogen, die be- sonders schmerzhaft sind und an denen sich die Kritik der Wettbewerbsbahnen entzündet.

Nachdem das Eisenbahn-Bundesamt die DB AG lange Zeit eher gewähren ließ und vor allem den Wesentlichkeitsbegriff im Rahmen des Rückbaus (§ 11 Abs. 1 AEG) großzügig auslegte, hat es in den letz- ten ein bis zwei Jahren seinen Kurs deut- lich verschärft. Anträge auf Stilllegung bzw. Rückbau von Gleisen hat das EBA restrikti- ver als früher genehmigt bzw. abgelehnt, weil es die Verknappung der Schienenwe- gekapazität für nicht hinnehmbar hält. Drei markante Entscheidungen symbolisieren diesen Schwenk:

74 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 ƒ Das Eisenbahn-Bundesamt hat DB Netz Abschließend soll ein weiteres Beispiel endgültig untersagt, auf der mit Güter- der Kapazitätsverringerung ausführli- und Nahverkehr hochbelasteten rech- cher geschildert werden, um das Zusam- ten Rheinstrecke insgesamt 6 Bahnhöfe menspiel der Maßnahmen und die viel- zurückzubauen. Zudem wurde DB Netz schichtigen Konsequenzen zu beleuchten. VERPmICHTET ¬FàNF¬BEREITS¬ILLEGAL¬STILLGE- Insbesondere wird auch deutlich, dass Ra- legte Bahnhöfe mit Überholgleisen wie- tionalisierungsmaßnahmen wie der Einbau der zu reaktivieren (Pressemitteilung von ESTW nicht nur Vorteile bringen. des EBA vom 16.3.2009). ƒ In einem anderen Fall hat das EBA die !M¬2AFlNERIESTANDORT¬3CHWEDT¬0#+ ¬"F¬ nicht genehmigte Stilllegung des Bahn- Stendell) werden jährlich etwa 6 Mio. Ton- hofs Zwingenberg (auf der hochbe- nen Mineralöl auf die Schiene verladen. lasteten Main-Neckar-Bahn) nach ei- Das entspricht 15–20 Zugpaaren pro Tag. nem Brand beanstandet und für die Davon gehen einige nach Stettin, indem Wiederherstellungsverfügung nun sie in den Übergabe-Bf Passow geschleppt eine richterliche Bestätigung erhalten und dort auf Diesel umgespannt werden. (VG Darmstadt, Urteil vom 6.6.2007, Alle anderen laufen über Angemünde ab. 4 E 1373/05). Dort machen täglich einige Zugpaare Kopf („sie wenden“) in Richtung Rostock, der ƒ Schließlich war das EBA seit 2005 ge- Rest läuft nach Berlin weiter. Im Zuge der gen die kalte Stilllegung der Huns- Umstellung auf elektronische Stellwerke rückbahn Langenlonsheim – Sim- wurden die Gleisanlagen „bereinigt“. Dies mern – Flughafen Hahn – Morbach bedeutete u. a.: vorgegangen. Ohne Stilllegungsverfah- ren nach § 11 AEG – in diesem Verfah- ƒ In Passow wurden die Abstellmöglich- ren hätte DB Netz die Strecke an Dritte keiten für Lokomotiven vollständig be- abgeben müssen, was sie aber wegen seitigt. Da diese Möglichkeiten in Sten- des erwarteten Ausbaus der Strecke dell wegen der Verkehrsausweitung zum Flughafen Hahn mit Bundes- und stark begrenzt sind, müssen die Loks Landesmitteln unbedingt verhindern nun weit entfernt abgestellt werden. wollte – hatte DB Netz die Strecke be- reits zum 1.3.2003 gesperrt. Das EBA ƒ In Angermünde und Pasewalk wurden VERPmICHTETE¬DIE¬$"¬!'¬ZUR¬7IEDERINBE- die Wende-, Überhol- und Abstellmög- triebnahme. Nach insgesamt vier Jahren lichkeiten für Güterwagen und Loks des Prozessierens entschied das Bun- STARK¬REDUZIERT¬$IE¬u6ORmUTh¬FàR¬LEERE¬ desverwaltungsgericht (3 C 51/06) am Kesselwagenzüge) muss weit ins Hinter- 25.10.2007, dass DB Netz die Strecke land verlegt werden. wieder betriebsfähig mit 50 km/h her- ƒ Die Überholgleise zwischen Angermün- richten muss. de und Karow/Güteraußenring Berlin (knapp 60 km) wurden stark reduziert. So erfreulich die klare Positionierung des Da auf dieser Strecke stündlich RE und EBA ist, so unerquicklich ist die Realität. IC verkehren, ist der SGV erheblich ein- Große Teile wichtiger Infrastrukturanlagen geschränkt (1–2 Zugpaare stündlich). sind faktisch verschwunden, was gerade ƒ Auf der 170 km langen Strecke von die Entwicklung des Güterverkehrs erheb- Angermünde nach Stralsund gibt es lich erschwert. In Thüringen z. B. hatte das nur noch in Pasewalk, Ducherow und Instrument der kalten Stilllegung gleich Anklam Überholgleise für Güterzüge. zwei Mal Erfolg (Pfefferminzbahn, Sonne- Selbst Greifswald hat keine Überhol- berger Netz). möglichkeit mehr, so dass die Greifs- walder Hafenbahn de facto nicht mehr Die Dramatik des Rückbaus ist für Au- bedient werden kann. Der Güterverkehr ßenstehende schwer zu erfassen, weil es nach Rostock und Berlin — Angermün- nicht die einzelne Maßnahme ist, die das de — Mukran wird extrem behindert. System Schiene in seinem Fortkommen Güterzüge der Relation Angermün- bremst. Vielmehr ist es die Vielzahl der de — Rostock werden über (die 30 km kleinen chirurgischen Einschnitte, die in längere Strecke) Karow — Hohenneuen- der Summe verheerend wirken. Um dies zu dorf umgeleitet. verdeutlichen, listet die Abbildung 33 auf Seite 93 eine Auswahl an Rückbauten auf, die vor allem den Güterverkehr treffen.

Schienengüterverkehr 75 Auf dem derart reduzierten Netz im 3.4 TOP-Hindernis 2: Nordosten Deutschlands ist weder an eine Bahnstrom-Monopol Verbesserung des SPNV zu denken noch an eine Ausweitung des SGV (z. B. Agrar-Treib- Die elektrisch betriebenen Züge der Ei- stoffe aus der Region, Zucker von/nach An- senbahnverkehrsunternehmen werden germünde, verstärkter Ostsee-Fährverkehr im E-Netz der Deutschen Bahn AG (15kV, via Mukran). 16,7 Hz) über das Oberleitungssystem ver- sorgt, das eigentumsrechtlich zum Fahr- Mit dem Rückbau blockiert DB Netz jede weg der DB Netz AG gehört. Eine Aus- Verkehrsverlagerung von der Straße auf nahme bilden die Gleichstrom-S-Bahnen die Schiene und konterkariert damit die In- in Hamburg und Berlin, die ihre Energie tention des BVWP. Auch die Aufsichtsbe- aus der Stromschiene (1200 V bzw. 750 V) hörden haben dem Vernehmen nach bei beziehen. Der Zugang zum Stromversor- der Genehmigung der Baupläne seiner- gungssystem unterliegt der eisenbahn- zeit keine glückliche Rolle gespielt. An- rechtlichen Regulierung und wird grund- statt (wie die Vorväter) eine zukunftsfähige, sätzlich im Trassenpreis „für die Hardware leicht zu erweiternde Lösung anzustreben, (Fahrdraht)“ abgegolten. Allerdings diffe- hat man sich als äußerst restriktiv erwie- renziert der Trassenpreis nicht danach, ob sen und meistens die von DB Netz bean- EINE¬3TRECKE¬ELEKTRIlZIERT¬IST¬ODER¬TATSËCH- tragten Minimallösungen genehmigt. Die lich in elektrischer Traktion gefahren wird. Wettbewerbsbahnen wurden früher in kei- nem Fall beteiligt (weder von der DB AG Die Oberleitungen werden an zahlrei- noch vom EBA), obwohl DB Netz die aktu- chen Einspeisepunkten (Unterwerke) über ellen und potenziellen Nutzer bekannt wa- das Bahnstromnetz mit elektrischer Ener- ren. Es wurde auch keine Marktanalyse zur gie versorgt. Diese wird überwiegend von Entwicklung des Verkehrs im SPNV, SGV Bahnkraftwerken bzw. Bahnstromumfor- und SPFV betrieben, um den Infrastruktur- merwerken über ein eigenes überregio- Bedarf betreiberunabhängig ermitteln zu nales, zentral gesteuertes Verbund-Bahn- können. stromnetz (110 kV) herangeführt oder direkt aus dem öffentlichen Hochspan- In jüngerer Zeit ist aber anzuerkennen, nungsnetz nach Frequenzumformung dass das EBA bei seinen Entscheidungen eingespeist. Das Bahnstromnetz, das den den Kontakt zu privaten Güterbahnen Strom in die Oberleitung transportiert, ist – sucht, um die erwartete Entwicklung des im Unterschied zum Oberleitungssystem – gesamten Güterverkehrsmarktes einzube- Eigentum der Konzern-Tochter DB Ener- ziehen. gie GmbH, die das Bahnstromnetz als EIU auch unterhält und betreibt.

DB Energie bekleidet aus regulatorischer Sicht eine Doppelrolle: Das Unternehmen

ƒ stellt das Bahnstromnetz gegen eine Durchleitungsgebühr zur Verfügung („Bahnstrom-Netzzugang“) und ƒ ist zugleich als Energieversorger tätig („Bahnstrom-Vollversorgung“).

Energieversorger können die EVU sach- logisch nur mit Strom beliefern, wenn sie Zugang zum (Bahn-)Stromnetz erhalten, um ihre Energie dort durchzuleiten. Das AEG gewährt ihnen diesen Zugang aller- dings nicht. Zwar regelt es im Grundsatz den Zugang zur gesamten Eisenbahninfra- struktur, zu der das Bahnstromnetz frag- los zu zählen ist. Unter den abschließend DElNIERTEN¬:UGANGSBERECHTIGTEN¬WERDEN¬ die Energieversorger jedoch nicht aufgelis- tet. Deshalb muss für die Regulierung der

76 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 $URCHLEITUNGSPmICHT¬VON¬.ETZEIGENTàMERN¬ schläge für sehr kleine Abnahmemengen auf das Energiewirtschaftsgesetz Rückgriff plausibel (z. B. zwei Züge im Monat). genommen werden. Wettbewerblich kritisch sind Rabatte Demnach ist die Regulierung der Bahn- in jedem Fall dann, wenn der integrier- stromversorgung nach deutschem Recht te Bahnkonzern die Schwellenwerte ge- sinnwidrig gespalten, was es den Verbrau- zielt so konzipiert, dass nur seine im Wett- chern – hier den Verkehrsunternehmen – bewerb stehenden Transporttöchter den erschwert, ihre Rechte durchzusetzen. Fak- Preisvorteil erlangen können. Bei den heu- tisch hat DB Energie ein Monopol, das an tigen Kräfteverhältnissen ist dies der Fall: drei wesentlichen Stellschrauben die Kritik Alle drei Rabattformen sind vollumfäng- der Wettbewerbsbahnen hervorruft. lich nur durch DB Schenker Rail, DB Fern- verkehr und DB Regio wahrzunehmen. Am stärksten diskriminiert der fünfprozentige Bahnstrom-Rabatte begünstigen Auslastungsrabatt, zumal er keine Zwi- DB-Transporttöchter schenstufen vorsieht. Ganz wenige private EVU kommen allenfalls in den Genuss der Die Hauptkritik der Wettbewerber an den untersten Rabattstufen. 2004 nahmen bei- Regelungen zur „Bahnstrom-Vollversor- spielsweise die vier größten privaten Gü- gung“ entzündet sich an der Rabattpo- terbahnen gerade einmal soviel Bahnstrom litik. DB Energie gewährt abhängig von ab, dass sie einen einprozentigen Mengen- Vertragslaufzeit und Abnahmemenge ge- rabatt erhielten. staffelte Rabatte, die sich auf eine Gesam- tersparnis von maximal 14 Prozent sum- Kleinabnehmer werden vielfach mit der mieren können. Der „Mengenrabatt“ wird Option vertröstet, Einkaufsgemeinschaf- ab einer jährlichen Abnahmemenge von ten zu bilden. Es ist aber evident, dass die- 50 GWh (ein Prozent) eingeräumt und se Ausweichreaktion nicht gleichwertig ist, kann im Höchstfall vier Prozent erreichen. denn: Ein zweiter Mengenrabatt – der bei DB %NERGIE¬UNTER¬u!USLASTUNGSRABATT¬lRMIERT¬n¬ ƒ Einkaufsgemeinschaften bedingen ein setzt oberhalb der Schwelle von 2.000 Mindestmaß an Vertrauen und Einigkeit GWh ein und beläuft sich auf fünf Prozent. unter den Wettbewerbern. Weder ist Laufzeitrabatte werden ab einer Mindest- dies automatisch vorauszusetzen, noch vertragslaufzeit von zwei Jahren einge- ist die Lösung kostenneutral. Koope- räumt. Dabei korrespondiert die Rabatthö- rationen sind stets teurer als die einfa- he mit der Laufzeit, längstens jedoch bis che Praxis der DB-Tochter, den eigenen zu zehn Jahren Auch dieser dritte Rabatt Mengenbedarf nur konzernintern an- hat eine Mengenkomponente, indem er melden zu müssen. sich auf 50 % der Abnahmemenge bezieht. Insgesamt liegt der Maximalrabatt bei 5 % ƒ Selbst wenn sich alle EVU eines Seg- (10 % auf 50 %). mentes zusammenschlössen, wären sie nicht in der Lage, die höchste Rabatt- Grundsätzlich sind Rabatte öko- nomisch legitim, mit denen der Be- treiber einen Anreiz setzen möchte, DAS¬!USLASTUNGSRISIKO¬SEINER¬lXKOS- tenlastigen Anlagen zu reduzieren bzw. langfristige Investitionen ab- zusichern. Im Gegenzug beteiligt er den Nachfrager am wirtschaftli- chen Vorteil. Ob die Höhe der be- zogenen Menge allerdings bei der Abbildung 31: Bahnstromversorgung eine sinnvol- Preisentwicklung Bahnstrom le Bemessungsgrundlage darstellt, 2007–2009 wäre noch gesondert zu prüfen. Die Investitionen sind sehr gut planbar in Euro/kWh und praktisch ohne Risiko, zudem ist der Aufwand für den Versorgungs- Quelle: vorgang nahezu konstant. Wenn DB Energie, Netzwerk Privatbahnen, überhaupt, wären eher Minderzu- eigene Darstellung

Schienengüterverkehr 77 stufe zu erklimmen. Dies gilt auch für 1.1.2007 und 1.4.2009 um 5,8 % anstieg, den SPNV, in dem die Wettbewerber betrug die Zunahme im Niedertarif (0.00– in puncto Laufzeit von wettbewerblich 5:30 Uhr; 22.00–24.00 Uhr) im Vergleichs- vergebenen Verkehrsverträgen (Regel- zeitraum satte 20,5 %. Da der Güterver- fall: zehn Jahre) an sich gleiche Chan- kehr sich zum großen Teil nachts abspielt cen haben. Während DB Regio rund („Nachtsprung“), trifft der ausgerechnet 4.900 GWh auf einen Schlag abnimmt, im Schwachlastbereich überproportionale vereinen alle Wettbewerbsbahnen zu- Preisanstieg besonders die Eisenbahnunter- sammen nicht mehr als rund 700 GWh nehmen im Güterverkehr. Denn im Unter- auf sich, d.h. ein Siebtel. schied zur Überwälzung auf die Aufgaben- ƒ Jenseits der Mengenrabatte wirken die träger im SPNV können die EVU im SGV Laufzeitrabatte als zweite Säule der Dis- ihre steigenden Energiekosten nicht an kriminierung. So kann DB Schenker Dritte weiterreichen. Bei gleichbleibenden Rail in Anbetracht ihres Marktvolumens Rabattstufen haben Preissteigerungen zur LANGFRISTIGE¬!BNAHMEVERPmICHTUNGEN¬ Folge, die absoluten Kostenbelastungen risikolos eingehen. Wettbewerbsbah- zwischen DB-Töchtern und Wettbewerbern nen können dieses Risiko hingegen weiter zu spreizen. Im Ergebnis wird die nicht schultern. Denn die durchschnitt- Konkurrenzfähigkeit der Newcomer (ge- liche Vertragslaufzeit im Güterverkehr zielt) geschwächt. liegt unter einem Jahr, insbesondere bei Newcomern. Zusätzlich kommt zum Tragen, dass stei- gende Preise von DB Energie innerhalb des Die diskriminierende Wirkung der Rabatt- DB-Konzerns „kostenneutral“ wirken. Die staffelung beim Bahnstrom ähnelt sehr der Beiträge werden konzernintern lediglich Logik des Trassenpreissystems 98 (TPS 98), nach dem „linke-Tasche-rechte-Tasche“- das DB Netz 2000 abschaffte, als sich eine Prinzip verrechnet. Dies bedeutet: Er- Niederlage vor dem Bundeskartellamt ab- höht der DB-Konzern aus (wettbewerbs-) zeichnete. Das TPS 98 sah analog zum strategischen Gründen die Preise der von Bahnstrom vor, Großabnehmern von Tras- ihm erbrachten Vorleistungen, z. B. um sen erhebliche Mengenrabatte zu konze- dort höhere Gewinne abzuschöpfen, muss dieren. Schlüssel dazu sollte der Erwerb DB Schenker Rail die eigene Zusatzbelas- einer InfraCard sein (vergleichbar mit der tung nicht zwingend an ihre Kunden wei- BahnCard für Fernverkehrskunden), die in terreichen. Konzernexterne Unternehmen der Höchststufe Preisnachlässe von bis zu werden dagegen durch solche Preiserhö- 50 % gewähren sollte. Das Bundeskartell- hungen stets in voller Höhe getroffen. amt lehnte die Regelung als missbräuch- lich ab. Dies wurde später von den Gerich- Da Bahnstromentgelte rund 15 % der Ge- ten auf entsprechende Zahlungsklagen hin samtkosten im Güterverkehr ausmachen, bestätigt, z. B. OLG Düsseldorf, 19.3.2003, SCHLËGT¬EINE¬SIGNIlKANTE¬%RHÚHUNG¬DES¬ U (Kart) 20/02. DB Netz zog das TPS 98 Bahnstrompreises unmittelbar auf jede An- zurück, um einer entsprechenden Verfü- gebotskalkulation durch. Kann die Wettbe- gung des Kartellamtes zuvorzukommen. werbsbahn diese Zusatzbelastung nicht auf den Endkunden überwälzen, droht sie aus dem Markt auszuscheiden. Diskriminierung durch Strukturbruch der Bahnstrompreise Entgelt für Netzdurchleitung fragwürdig Nicht nur die Rabattregelungen stoßen auf den Widerstand der Wettbewerber, Entscheidet sich ein EVU gegen die Be- sondern auch die Entwicklung der Bahn- lieferung mit Bahnstrom durch DB Ener- strompreise in den letzten Jahren. Diese gie, kann es gegen eine Durchleitungsge- veränderten sich nicht proportional, etwa bühr von derzeit 6,11 ct/kWh auch einen IN¬(ÚHE¬DER¬)NmATIONSRATE ¬SONDERN¬SELEK- anderen Energieversorger wählen. Diese tiv – zu Lasten der Wettbewerber. formelle Öffnung kam 2004 auf Druck des Bundeskartellamtes zustande. Die BNetzA, Während der Bahnstrompreis zur Spit- die gemäß EnWG zur Regulierung der zenlastzeit der Personenzüge im Hoch- Netzentgelte berechtigt ist, hat die Ent- tarif (5.30–9.00 Uhr; 16.00–19.00 Uhr) mit gelthöhe bisher nicht beanstandet. Al- EEG-Zuschlag ohne Rückspeisung zwischen lerdings lässt hoffen, dass der Regulierer kürzlich DB Energie aufgefordert hat, die

78 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Durchleitungspreise zur Genehmigung vor- Erst am Ende des Vermittlungsverfahrens zulegen. Setzt man das Durchleitungsent- sah die Bundesregierung von ihren Plä- gelt mit dem Preis für die Bahnstromvoll- nen ab, so dass das Bahnstromnetz zumin- versorgung (ermittelter Durchschnittspreis: dest energierechtlich reguliert wird. Aller- 11,15 ct/kWh) in Beziehung, beläuft sich dings fallen die Vorschriften so unklar aus, der Anteil der Durchleitung auf rund 55 %. dass der Bundesgerichtshof die Beteiligung Zum Vergleich: Der Anteil des Netzentgel- der Bundesnetzagentur an Gerichtsver- tes bei Normalstrom beträgt weniger als fahren über Strompreise ablehnte (BGH, die Hälfte (Privatkunden: 27 %, Gewerbe- 10.12.2007, KZR 14/07). Von einer wirksa- kunden: 26 %). men Regulierung und regem Wettbewerb der Versorger im Bahnstromsektor ist der Diese Differenzen sind ungeachtet einiger Schienenverkehr nach wie vor weit ent- technischer Unterschiede zwischen Bahn- fernt. Obwohl die Rabattregelungen jenen und Normalstrom nicht zu erklären. Der des TPS 98 sehr nahekommen, die sich als Verdacht drängt sich auf, dass potenziellen unzulässig herausstellten, kann die DB AG Bahnstromversorgern der Marktzutritt er- den Bahnstrompreis sowohl in Höhe als schwert werden soll. Dies muss als Regulie- auch Struktur (insbesondere über den Aus- RUNGSDElZIT¬DES¬"AHNSTROMMARKTES¬GEWER- lastungsrabatt) unbehelligt als Diskriminie- tet werden. Die Abhängigkeit von einem rungshebel einsetzen. Energieversorger-Monopol mit der Folge überhöhter Preise schlägt letztlich auf die Der Versuch eines EVU schlug fehl, die- Wettbewerbsfähigkeit der EVU durch und ses Preissystem vor Gericht zu Fall zu brin- mindert die Attraktivität des Systems Schie- gen. Zwar bestätigte das LG Frankfurt NE¬ALS¬'ANZES¬0ROlTEUR¬IST¬ALLEIN¬$"¬%NER- 2004 und 2005 zunächst die diskriminie- gie, die von 2004 bis 2007 einen erhebli- rende Wirkung des Bahnstrompreissystems chen Gewinnsprung verzeichnete (als ein (15.12.2004, 3-08 O 72/04), ehe das OLG Quell des Konzerngewinns). Frankfurt dieses Votum mit einem aufse- henerregenden Urteil 2006 ins Gegenteil Seit der Öffnung des Bahnstromnetzes verkehrte (19.10.2006, 11 U 44/05). Die 2004 hat erst ein EVU versucht, den Bahn- bemerkenswerte wie entwaffnende Be- strom bei einem alternativen Stromanbie- gründung des OLG lautete, dass auch im ter zu beziehen (2005, rail4chem). Dem- Bahnkonzern das sogenannte Konzernpri- nach ist der Fremdbezug von Bahnstrom vileg gelte, wonach interne Konzernver- technisch und rechtlich möglich, jedoch rechnungen nicht der Regulierung unter- wegen der Höhe der Durchleitungsentgel- lELEN te wirtschaftlich widersinnig. Diese Begründung mag auf materiell pri- vate Konzerne zutreffen, nicht jedoch auf Fazit: DB Energie agiert im Vakuum eine Staatsbahn in privater Rechtsform, die im Bereich der Schieneninfrastruktur und Der Status quo der Bahnstromversorgung der Bahnstromversorgung einen verkehrs- ist aus der Sicht der Wettbewerber hoch- politischen Auftrag zu erfüllen hat. Werden gradig unbefriedigend, da sie im Verhältnis konzernangehörige EVU in einer solchen zu den DB-Transporttöchtern benachtei- Konstellation gegenüber Wettbewerbsbah- ligt werden. DB Energie hat ein klassisches nen preislich bevorteilt, liegt nach Mei- natürliches Monopol, das streng reguliert nung der meisten Wettbewerbsrechtler der werden muss. Dem Regulierer sind aber Missbrauch einer marktbeherrschenden die Hände teilweise gebunden, indem die Stellung vor. BNetzA gemäß EnWG nur die Durchlei- tungsgebühren prüfen darf, nicht jedoch 2007 gelangte die Klage bis vor den den Bahnstrompreis selbst. Selbst ersteres BGH. Bedauerlicherweise kam es in diesem Prüfrecht stand 2004/2005 auf des Mes- sehr aussichtsreichen Verfahren zu keinem sers Schneide, als die rot-grüne Bundesre- Endurteil, da sich die Parteien wenige Tage gierung zum industriepolitischen Schutz vor dem entscheidenden Gerichtstermin der DB AG ernsthaft vorhatte, das Bahn- verglichen hatten. Die Rechtmäßigkeit der stromnetz als Werksnetz zu deklarieren. Rabatte bleibt somit de jure weiterhin un- Damit wäre das Gebaren von DB Energie geklärt. jeglicher Kontrolle entzogen und die Bahn- reform ad absurdum geführt worden.

Schienengüterverkehr 79 3.5 TOP-Hindernis 3: verkehr zählen nahezu der gesamte Perso- Mängel in der Betriebs- nenverkehr und ausgewählte Teile des Gü- terverkehrs. qualität des Netzes Dagegen wird der Gelegenheitsver- Wollen die Wettbewerber Kunden von kehr kurzfristig angemeldet – üblicherwei- DB Schenker Rail zum Wechsel motivieren se eine Woche vor Beginn der Fahrt. Die oder Neukunden auf die Schiene ziehen, Trassen des Gelegenheitsverkehrs werden stehen ihnen die klassischen beiden An- aus den Restkapazitäten der Regeltrassen satzpunkte eines jeden Unternehmens zur konstruiert. Nutzer dieser Ad-hoc-Trassen Verfügung: Entweder gehen sie über den sind überwiegend Güterverkehrsunterneh- Preis oder über eine bessere Qualität, die men, insbesondere Wettbewerbsbahnen, einen Sammelposten für mehrere Eigen- die in Teilmärkten mit sog. Programmver- SCHAFTEN¬BILDET¬mEXIBLE¬2EAKTION¬AUF¬SICH¬ kehren bzw. kurzen Vorlauffristen und Ver- ändernde Kundenwünsche zu Transportzei- tragsdauern aktiv sind (verbreitet z. B. im ten und –mengen, Pünktlichkeit, opti ma le "EREICH¬(OLZVERKEHRE ¬"AUSTOFmOGISTIK ¬-I- Sendungsverfolgung, besondere Ladungs- neralölverkehr), sowie die Betreiber von sicherung usw.). Unausgesprochene Ne- Sonderzügen im Reiseverkehr. benbedingung ist es, bei Sekundärtugen- den wie Zuverlässigkeit zumindest nicht Weil die Wettbewerbsbahnen hiervon schlechter abzuschneiden als der Markt- stärker betroffen sind und ein geringeres führer. Gerade hier sind die Konkurrenten :UGAUFKOMMEN¬HABEN ¬SIND¬SIE¬INmEXIB- aber von der Leistungsbereitschaft und ler bei der Auslastung einer angemeldeten –fähigkeit der EIU der DB AG abhängig. Trasse. So kann DB Schenker Rail gefahrlos z. B. zehn Trassen Hamburg – München am An dieser Stelle fällt ins Gewicht, dass die Tag bestellen und erst später entscheiden, betriebliche Qualität der Netzbewirtschaf- mit welchen Zügen (Container, Wagenla- tung an vielen Stellen zu wünschen übrig dungszüge, Logistikzüge etc.) diese Tras- lässt. Dabei geht es in erster Linie nicht um sen belegt werden. Ein kleines EVU braucht eine aktive Diskriminierung von DB Netz, dagegen für eine Trassenbestellung einen zumindest ist diese nicht von außen be- konkreten Transportauftrag. legbar. Teilweise leiden unter den nachste- henden Mängeln auch die Transporttöch- Die Unterscheidung der Verkehre ist inso- ter des Konzerns. Vielmehr konzentriert fern wesentlich, als die Nutzer von Ad-hoc- sich die Kritik auf einen institutionellen Trassen an zwei Stellen nachrangig behan- Mangel an Serviceorientierung, wie sie delt werden: von einem unabhängigen Netzbetreiber als Benchmark zu erwarten wäre, der an ƒ Im Unterschied zu Regeltrassennutzern dem Ziel des Mehrverkehrs auf der Schiene werden sie weder in die Planung von gemessen würde. Die Wettbewerbsbarrie- Baumaßnahmen einbezogen, noch er- re besteht also darin, dass die NE-Bahnen halten sie frühzeitige und ausführliche ihr volles Leistungsvermögen so nicht aus- Informationen. schöpfen können. ƒ DB Netz ist im Ad-hoc-Segment nicht bereit, wie bei Regeltrassen-Bestellern Im Einzelnen sind folgende Kritikpunkte auf das Mehrentgelt durch längere Um- am betrieblichen Leistungsbild der Fahr- leitungswege zu verzichten. wegsparte anzuführen:

)NFORMATIONSDElZIT Ad-hoc-Trassen: Produkte zweiter Wahl Laut SNB sind Besteller von Regeltrassen Bei der Bestellung von Trassen unter- bei geplanten Baumaßnahmen „unverzüg- scheidet die EIBV zwischen Regelverkehr lich ab Kenntnis“ (SNB) zu informieren. und Gelegenheitsverkehr. Regelverkehr ist Bereits im Vorfeld wird die Einbindung der der Betrieb auf der Schiene, für den die EVU angestrebt, um im Zuge der Fahr- Trassenbestellungen in einem geregel- plankoordination die möglichen Trassen- ten Verfahren zur Konstruktion des Jahres- varianten wechselseitig auszuloten und ab- fahrplans einer Fahrplanperiode eingehen. zustimmen. Dadurch können die EVU mit Der übliche Anmeldeschluss ist der zweite einem ausreichenden Vorlauf ihre Trassen- Montag im April jedes Jahres. Zum Regel-

80 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 bestellungen planen und dies in ihre Ange- denen Verkehr zulassen. Dazu fehlen die BOTE¬AN¬DIE¬+UNDEN¬EINmIE”EN¬LASSEN notwendigen Größenvorteile, um eine Viel- zahl von Transporten auf ein Bündel von Für den Gelegenheitsverkehr sehen die Trassen sicher zu verteilen. Zwar kommt SNB der DB Netz dagegen kein gesonder- über einen bestimmten Zeitraum gesehen tes Procedere vor. Eine der Informations- (Woche oder Jahr) ein relativ gut planbares quellen ist das Internet. Dort veröffentlicht Trassenkontingent zustande, die einzelne DB Netz die geplanten Baumaßnahmen, Fahrt lässt sich jedoch nicht ein Jahr im vo- maximal bis zu drei Monaten vorher. Die- raus exakt terminieren. se Frist kann jedoch zu kurz ausfallen. Oft müssen Angebote über einen längeren Beispiel: Ein EVU beliefert einen Kunden Zeitraum geplant und kalkuliert werden. regelmäßig mit Mineralöl. Es kennt aus Er- Hinzu kommt, dass viele EVU im Gelegen- fahrung die ungefähr benötigte Gesamt- heitsverkehr faktisch Stammkunden auf menge. Doch erst wenn der Tank leer ist, bestimmten Streckenabschnitten sind und kann der Transportvorgang ausgelöst wer- durchaus regelmäßigen Verkehr anbieten, den. Das Gleiche gilt im Segment Papier. den sie aber aufgrund planungstechnischer Dort kommt es vor, dass im Zulauf zur Pa- Risiken nicht als solchen anmelden. Des- pierfabrik durchaus mehrere Ganzzüge pro sen ungeachtet verschickt DB Netz an ihre Tag verkehren, sie alle aber als Ad-hoc- Kunden alle ein bis zwei Monate Baustel- Trassen im Gelegenheitsverkehr angemel- lenverzeichnisse und lädt ungefähr halb- det werden müssen, weil die Quellgebiete jährig zu Baustelleninformationsgesprä- für das Holz dieser Papierfabrik sich stän- chen auf Niederlassungsebene ein. dig ändern. Aufgrund der mangelnden Informationen über neue Baustellen sind Aus der Gegenüberstellung der Service- die EVU benachteiligt, indem sie Risikoauf- Level geht klar hervor, dass die Besteller schläge einpreisen müssen und dem Auf- von Regel- und Ad-hoc-Trassen ungleich traggeber keine verlässliche Qualität garan- behandelt werden. Während Erstere sys- tieren können. tematisch mit weitem Vorlauf einbezogen und informiert werden, müssen die „Spon- Aus unternehmerischem Blickwinkel ei- tannutzer“ ihre Informationen eigenstän- nes Dienstleisters ist diese Art der Zwei- dig für alle Ad-hoc-Fahrten zusammensu- klassengesellschaft unüblich. Zwar werden chen. Da die Wettbewerbsbahnen ihren Stamm- oder Großkunden in irgendeiner Schwerpunkt auf den Gelegenheitsverkehr Form bevorzugt behandelt, doch weichen legen, sind sie von der Einstufung als Kun- die Qualitätsstandards nach oben ab, an- den „zweiter Klasse“ überdurchschnittlich statt die „Lückenfüller“ sichtbar schlechter- betroffen. zustellen. Ein Netzbetreiber, der ein echtes kommerzielles Interesse an jedem Kunden Mögliche Einwände, nach denen die hätte, wäre darauf aus, durch gute Leis- Wettbewerber auch Regeltrassen beantra- tung Mehrgeschäft zu akquirieren bzw. – gen könnten, sind untauglich. Diese EVU sofern möglich – den Gelegenheits- zum stoßen bewusst in Nischen, bei denen die Dauerkunden umzuwandeln. Anforderungen der Verlader an die Flexi- bilität der Transporte keinen regelgebun-

Praxisbeispiel Bad Kleinen — Wismar Als die 15 Kilometer lange Strecke Bad Kleinen — Wismar zur Grunderneuerung im April und August 2008 und nochmals im März 2009 vollgesperrt wurde, bot DB Netz als Alter- native eine Streckenführung über Rostock und Bad Doberan an. Dieser Umweg führte zu einer neuen Streckenlänge von 120 km, also dem Achtfachen des Ausgangswertes. Priva- te EVU, die zuvor seit Jahren regelmäßig mit Ad-hoc-Trassen den Hafen Wismar angesteuert hatten, mussten ohne jedes Entgegenkommen des Netzbetreibers das achtfache Trassen- entgelt zahlen. Hinzu kamen die Mehrkosten für Personal, Energie und den Einsatz einer Schiebelokomotive, der aufgrund der steigungsreichen alternativen Streckenführung teils NOTWENDIGWAR:UALLEMÄBERmUSSERZEUGTDERVORAUSGEGANGENE2àCKBAUDIESER3TRECKE (siehe Kapitel 3.3 auf Seite 74) einen Engpass, der den SPNV praktisch zum Erliegen bringt, sobald zusätzliche Güterzüge auf das Gleis wollen. Schuldlos zieht sich das Güterverkehrs- unternehmen noch den Unmut der regionalen Bevölkerung und der Politik zu.

Schienengüterverkehr 81 Selektive Bepreisung der Umleitungsverkehre jährigen Baubetrieb, indem die betrof- fenen EVU Umwege in Kauf nehmen Über die ungleiche Behandlung bei Bau- müssen, für die sie höhere Trassenge- maßnahmen hinaus müssen die Wettbe- bühren und ihre eigenen Mehrkosten werber einen weiteren Nachteil tragen. tragen müssen Sind Umleitungen erforderlich, sehen die ƒ Verursacht DB Netz Verspätungen der SNB für die Regeltrassennutzer „keine zu- EVU aufgrund unzureichender Pla- sätzliche Zahlung zum Trassenpreis“ im nungsreserven für die Baustellen oder Normalbetrieb vor – sofern das EVU über- deren mangelhafte Ausführung, bleibt HAUPT¬EINE¬2EGELTRASSE¬BEKOMMT¬(ËUl- dies folgenlos. Baustellenverspätungen ger kommt es vor, dass bereits der Antrag sind nicht Bestandteil des Performance wegen lang anhaltender Streckensperrung Regimes. oder freizuhaltender Kapazitäten für Bau- maßnahmen abgelehnt und auf die zu- Die Bundesnetzagentur hatte bereits meist teureren Umleitungsstrecken verwie- 2007 den Versuch unternommen, die Re- sen wird. Allerdings gelingt es zumindest gelungslücke zur Bauverantwortung von den bisherigen Regeltrasseninhabern, für DB Netz zu schließen. Anlass war die Be- ihre Stammstrecke eine direkte Trasse zu schwerde der Nord-Ostsee-Bahn, dass kommen. Dennoch bleibt das EVU auf dem DB Netz sie über die Einrichtung der Bau- eigenen Mehraufwand sitzen, z. B. für Per- stelle bei Meldorf auf der Marschbahn erst sonal (längere Einsatzzeiten, Zerstörung vier Wochen vorher informiert hatte. Die von Umläufen) sowie Energie. Baustelle verursachte Verspätungen von 30 Minuten im Regionalverkehr. Ist hingegen der Gelegenheitsverkehr von Umleitungen betroffen, trägt das EVU Nachdem DB Netz vor das VG Köln zog, nicht nur die im eigenen Unternehmen an- ließ die BNetzA den Sofortvollzug ihrer fallenden Zusatzkosten, sondern auch die Entscheidung fallen. Nach langer Funkstil- mengenbedingt erhöhten Trassenentgel- le fand am 19.2.2009 eine Anhörung zu te. DB Netz wertet die Änderung der Stre- diesem Thema statt. Dieser war zu entneh- ckenführung nicht als Umleitung, sondern men, dass gegenwärtig wenig Besserung als Neuanmeldung. In der Praxis kann dies IN¬!USSICHT¬STEHE¬$"¬.ETZ¬VERPmICHTE¬SICH¬ beachtliche Auswüchse annehmen. künftig, nach einem bestimmten Muster über Baustellen zu informieren. Die prak- Bauzustände sind kaum planbar tische Umsetzung ist jedoch mangelhaft. Die bereitgestellten Informationen sind so Die Handhabung der Bauaktivitäten umfangreich, dass die EVU sie kaum verar- durch DB Netz berührt nicht nur das Pro- beiten können. blemfeld der Ad-hoc-Trassen. Vielmehr lässt sich demonstrieren, wie gering die )NSGESAMT¬STEHT¬DAS¬6ERANTWORTUNGSDEl- Qualität des verkauften Produktes „Trasse“ zit des Netzbetreibers in erheblichem Wi- insgesamt in der Praxis geschützt ist. Meh- derspruch zur Gesetzeslage. Dort ist klar rere Fehlanreize wirken auf DB Netz ein, geregelt, dass die Schienennetznutzungs- Baustellen nicht so früh wie möglich zu bedingungen (SNB) umfassend Auskunft planen, sondern sie je nach Kassenlage ver- über die nutzbare Infrastruktur geben müs- gleichsweise spontan einzurichten. Denn: sen. Ebenso müssen instandhaltungsbe- dingte Kapazitätseinschränkungen klar aus- ƒ In den letzten Jahren ist zu beobach- gewiesen werden (§ 9 und Anlage 2 Nr. 3 ten, dass die Vollsperrung einer Strecke EIBV). Nicht zuletzt sollte man annehmen, dem Bauen unter rollendem Rad zu- dass geschlossene Verträge Rechtskraft nehmend vorgezogen wird. Begründet entfalten. Faktisch hat DB Netz jedoch ei- wird dies i.d.R. damit, dass diese Prio- nen Freibrief, in puncto Bauen wie ein ritätensetzung für den Fahrgast vorteil- unregulierter Monopolist zu agieren. Ob haft sei. Ökonomisch könnte das Motiv unbeabsichtigt oder nicht, sind die kon- von DB Netz jedoch woanders liegen. zernexternen Unternehmen im Zweifel be- Da nicht erfüllte Trassenverträge kei- nachteiligt, weil sie keine vergleichbaren ne Sanktionen nach sich ziehen, ist die Steuerungsinstrumente wie die Transport- Streckensperrung kostengünstiger. Viel- töchter der DB AG zur Hand haben, die auf fach tritt sogar der umgekehrte Effekt die Entscheidungen der Netzschwester zu- EIN ¬DH¬$"¬.ETZ¬PROlTIERT¬VOM¬UNTER- mindest konzernintern einwirken können.

82 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Disposition ohne Stringenz Die Bundesnetzagentur scheint das Pro- blem der Disposition durch noch mehr Die Disposition des Transportgeschehens und transparentere Regelungen lösen zu durch Betriebszentralen und Fahrdienst- wollen. Zu hinterfragen ist aber, ob detail- leiter ist für Außenstehende nicht durch- lierte Dispositionsregelungen effektiv sein schaubar. In Güterverkehrskreisen wird können, wenn bereits der strategische An- offen davon gesprochen, dass das unter- satz der DB AG bei der Disposition kritisch jährige Anmelden und Abfahren des Ver- zu diskutieren ist. kehrs bessere Ergebnisse erzielt als das sture Fahren nach dem Regelfahrplan. Kon- Dem Eindruck der dispositiven Unbe- sequenterweise sind einige Unternehmen rechenbarkeit leistet DB Netz dadurch des SGV dazu übergegangen, die Trassen Vorschub, dass sie ihr Kernprodukt – die so kurzfristig zu bestellen, dass eine echte Trasse – mit UNSPEZIlZIERTEN Qualitätsei- Konstruktion nicht möglich ist. Vorteilhaft genschaften anbietet. Fest stehen im Prin- daran ist, dass die beteiligten Disponenten zip nur die Abfahrtszeit sowie die ungefäh- in der Durchleitung des Zuges recht frei re Streckenführung, während alle anderen sind, zumal sie im realen Betrieb teilweise Parameter dem Zufall verhaftet sind. Die auch bessere Spontanentscheidungen fäl- Fahrpläne werden planwirtschaftlich admi- len, als der Fahrplan auf dem Papier her- nistriert, ohne eine verbindliche Gegenleis- zugeben scheint. Dennoch geht das EVU tung mit dem Trassenangebot zu verknüp- das Risiko ein, dass sein Zug aufgrund der fen. mangelnden Einbindung in den Fahrplan nachrangig behandelt werden muss. Ein marktorientierter Ansatz zielte darauf ab, vollwertige Produkte zu verkaufen, die Die Probleme der Disposition liegen im dem EVU in einem Korridor die Transport- Wesentlichen in ihrer Unberechenbar- zeit und den Transportaufwand garantie- keit sowie in dem Mangel an vertraglicher REN¬!NSTATT¬DEN¬3'6¬IN¬lKTIVE¬&AHRPLËNE¬ Verbindlichkeit. So verkauft DB Netz z. B. hineinzu“quetschen“, die sich bei gering- Express-Trassen an den ICE-Sprinter wie fügiger Störung als Makulatur erweisen, auch an 160 km/h schnelle Güterzüge, müssen Güterverkehrstrassen – auch in ver- BEIDES¬ZU¬SEHR¬HOHEN¬0REISEN¬/FlZIELL¬DARF¬ traglicher Hinsicht – so aufgewertet wer- DB Netz keinen Konstruktionsvorrang für den, dass ihr Nachfrager Qualitätsverlet- diese Trassen versprechen, sondern muss zungen wirksam sanktionieren kann. Dies sich uneingeschränkt an die Konstruktions- bedeutet nicht, dass Qualitätsdifferenzie- kriterien des § 9 Abs. 4 EIBV halten. Infor- rungen nach unten nicht möglich sein soll- mell sollen diese Expresstrassen aber mit ten (bei Ad-hoc-Trassen dürfte dies teilwei- einem angeblichen Konstruktions- und se unvermeidlich sein). Wenn ein EVU es Dispositionsvorrang beim Kunden bewor- sich leisten kann, fünfmal während einer ben werden. In der Praxis wissen alle Be- Fahrt an die Seite gestellt zu werden, könn- teiligten, dass – contra legem – die Ex- te diese Abweichung gegen Preisnachlass press-Trassen sehr wohl eine umfangreiche marktlich akzeptiert werden. In jedem Fall Priorität genießen. Laut Insidern kommt ist das derzeit gebotene Qualitätsniveau es vor, dass Strecken mehrere Stunden für der Fahrplanstabilität im Güterverkehr als die Gegenrichtung gesperrt werden, da- Durchschnittswert für die EVU nicht akzep- mit der schnellere Zug auf dem Gegengleis tabel. alle langsamer fahrenden Züge überholen kann. 3IND¬WIRKSAME¬(AFTUNGSPmICHTEN¬DES¬ Netzbetreibers mit der Bestellung ei- Unendlich weit reicht der Dispositions- ner Güterverkehrstrasse verbunden, lässt vorrang jedoch auch bei Expresstrassen sich der entscheidende Hebel aufbauen, nicht. Vielmehr orientieren sich die Dispo- um DB Netz unter produktiven Druck des nenten von DB Netz an ihrer Erfahrung, Marktes zu setzen. Stoßen diese Kräfte eine WIE¬MAN¬EINEN¬màSSIGEN¬UND¬LETZTLICH¬INS- Optimierung der Prozesse an, dürfte sich gesamt möglichst pünktlichen Betrieb die Diskussion um diskriminierende Dispo- organisiert. Immer wieder ist dabei die sitions- und Betriebsführungspraktiken von Überzeugung anzutreffen, dass der „hö- selbst erledigen. Ein erster Lichtblick ist die herwertige Zug vor dem niederwertigen“ Bereitschaft von DB Netz, Zeitfenstertras- den Vorzug genießen müsse. sen in Erwägung zu ziehen.

Schienengüterverkehr 83 Diskriminierungspotenzial 3.6 Weitere der Betriebszentralen Wettbewerbsbarrieren In jeder Betriebszentrale stellt DB Netz ei- Neben den vorgenannten drei zentra- nen betreiberunabhängigen „Netzkoordi- len Barrieren sind weitere Hürden zu nen- nator Güterverkehr“, der für die netzseiti- nen, die den Newcomern im Güterverkehr ge Disposition dieses Segmentes zuständig den Marktzutritt erschweren oder ihren ist. Daneben sitzt von jeder Transporttoch- Expansionsabsichten im Wege stehen. Zu ter der DB AG ein Mitarbeiter. Gemeinsam bedenken ist, dass einzelne Hürden noch koordinieren die vier Akteure das Betriebs- mit Phantasie und Beharrlichkeit überwind- geschehen. In der Praxis soll es jedoch bar sein mögen, aber die Summe der vie- vorkommen, dass auch Mitarbeiter von len Nadelstiche das Wachstum der Dritten DB Schenker Rail einzelne Schichten wahr- EMPlNDLICH¬BEEINTRËCHTIGT¬$IESE¬0ROBLEM- nehmen. Die Annahme erscheint lebens- felder werden nachstehend genauer unter fremd, dass DB Schenker Rail den Einsatz die Lupe genommen. eigener Mitarbeiter in den Betriebszentra- len nicht dazu nutzen sollte, auf die Daten von Konkurrenten zuzugreifen. Von einer betreiber unabhängigen, institutionell dis- 3.6.1 Verfügbarkeit von kriminierungsfreien Disposition kann folg- Schienenfahrzeugen lich nicht gesprochen werden. Dass die Marktöffnung im Schienengü- Nicht stichhaltig ist der Einwand, das Dis- terverkehr deutlich schneller vorangeschrit- kriminierungspotenzial sei bereits dadurch ten ist als im nach wie vor monopolisierten widerlegt, dass DB Netz allen EVU einen Fernverkehr, liegt zu einem maßgeblichen Arbeitsplatz in den Betriebszentralen anbie- Teil an der besseren Verfügbarkeit der zen- te. Mithin seien die Wettbewerbsbahnen tralen Ressource für den Betrieb: des Fahr- selbst dafür verantwortlich, diese Gelegen- zeugmaterials. heit nicht wahrzunehmen. Zwar fahren die integrierten Staatsbah- Den Aufwand, sieben Betriebszentralen nen bis heute die Strategie, eigene Flotten zu besetzen, kann sich nur DB Schenker an Güterwagen vorzuhalten. Doch prak- Rail mit seiner kritischen Masse an Frachten tisch schon seit der Frühphase der Eisen- leisten. Es ist auch nicht Aufgabe der EVU, bahn ist es üblich, Wagen verschiedener die Disposition zu überwachen. In einem EVU oder anderer Halter untereinander neutralen Regime wäre diese Kontrolle von durchzuleiten oder zu tauschen, um den vornherein obsolet. Zeit- und Kostenvorteil umladefreier Be- förderungen ausschöpfen zu können. Die Kernkompetenz liegt nicht im Eigentum an der Hardware, sondern in der Verant- wortung für den Transport bzw. die Lo- gistikkette. Daneben konnten sich bereits frühzeitig neutrale Betreiber von Privatgü- terwagen etablieren, deren Geschäftsfeld die Finanzierung, Beschaffung und Vermie- tung von Rollmaterial vorsieht.

Mit der europaweiten Standardisierung der Güterwagen wurde im vorigen Jahr- hundert z. B. mit dem RIV-EUROP-Verbund in Westeuropa und dem osteuropäischen Pendant OPW eine Plattform geschaffen, innerhalb derer die beteiligten Bahnen die Güterwagen gemeinsamer Bauarten – auch z. B. Wagen anderer Staatsbahnen im jeweiligen Binnenverkehr – freizügig ein- setzen konnten. Ziel war es, Leerwagen- àBERFàHRUNGEN¬ZU¬SPAREN¬UND¬DIE¬%FlZIENZ¬ des Systems Schiene zu steigern.

84 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Mit dem Aufbruch der Branche in eine fe/Kohle, Baustoffe u. ä. – sind sehr be- Wettbewerbslandschaft ist dieser Koope- grenzt am Vermietungsmarkt erhältlich. rationsgedanke unter den Staatsbahnen – Die Wagentypen für diese Güter wur- zumindest im SGV – in den Hintergrund den traditionell von den Staatsbahnen getreten. Auch sie sehen sich zunehmend in großem Umfang beschafft, wes- als Konkurrenten. Sichtbares Zeichen ist halb unabhängige Wagenvermieter nur DIE¬!UmÚSUNG¬DES¬2)6 %52/0 6ERBUNDES¬ langsam in diese Bereiche vordringen. zum 1.7.2006. Die volle Verfügungsgewalt Dabei beschaffen sie entweder kleinere über die eigene Flotte wird als Wettbe- Kontingente neuer Fahrzeuge, oder sie werbsvorteil heute höher eingeschätzt. erwerben in vielen Fällen gebrauchte Fahrzeuge bei osteuropäischen Staats- Die Newcomer unter den Güterbahnen bahnen, die einen Teil ihrer Wagen aus setzen auf ein schlankes Geschäftsmodell ihrem Bestandsüberhang infolge weg- mit geringerer Kapitalbindung. Anstelle gebrochener Aufträge an Dritte abge- des Kaufs leasen oder mieten sie ihre Schie- ben. nenfahrzeuge über einen bestimmten Zeit- raum. Vorteil ist, dass der Bestand und die Das Monopol der DB AG im Bereich der !USLASTUNG¬DER¬VERFàGBAREN¬&AHRZEUGE¬mE- Kohlewagen wurde unverständlicher- xibler auf die Nachfrage ausgerichtet wer- weise noch dadurch zementiert, dass den können, wie die gegenwärtige Kon- das Bundeskartellamt ihr 2005 gestatte- junkturkrise vor Augen führt. te, in Ergänzung zu den eigenen 8.000 Kohlewagen auch noch die 2.500 Wa- Erkennbar ist, dass der Wettbewerb in gen der RBH (Tochter der RAG) zu bestimmten Gütergruppen deutlich lang- übernehmen. Damit wurde das Wagen- samer voranschreitet als in anderen (vgl. monopol der DB AG in diesem Markt- Kapitel 3.1 auf Seite 67). Ursache ist die segment in Richtung auf 100 % ver- Knappheit der erforderlichen Güterwagen- stärkt – ebenso die marktbeherrschende bauarten, die wiederum mehrere Grün- Position der damaligen Railion im Koh- de haben kann (s. unten). Diese Engpässe letransport. werden auch nicht dadurch geheilt, dass ƒ Auch der von der Stahlindustrie benö- heutzutage Großverlader die benötigten tigte Fuhrpark, z. B. für den Transport Wagen teilweise selbst anmieten, so dass von Coils, Brammen und anderen Stahl- das beauftragte EVU nur die Lokomotiven produkten, wird von neutralen Vermie- für die Traktion vorhalten und die operati- tern nur in geringem Umfang abge- ve Durchführung organisieren muss. deckt.

Unproblematisch ist der Zugang zu Kes- Eigenen Investitionen in Neufahrzeuge selwagen, im Kombinierten Verkehr, zu dieses Wagentyps stehen die Vermieter geschlossenen Schiebebandwagen und des rollenden Materials reserviert gegen- zu Lokomotiven, sofern sie dem Standard über, weil die verladende Wirtschaft gera- entsprechen. Allerdings überwiegt das An- de in der Stahlindustrie in hohem Maße im gebot vergleichsweise teurer Neubauloks, schwer bestreitbaren Einzelwagenverkehr insbesondere in elektrischer Traktion. Ge- bedient wird. Tritt dort ein Newcomer auf brauchtfahrzeuge sind deutlich knapper, den Markt, kann die DB AG aufgrund ih- nicht zuletzt weil die DB AG alte Fahrzeu- RER¬ABGESCHRIEBENEN¬!LTmOTTEN¬MIT¬STRATEGI- ge konsequent verschrottet, anstatt sie an schen Kampfpreisen reagieren. andere interessierte EVU oder Vermietungs- gesellschaften gegen Entgelt abzugeben. Hingegen ist die SBB Cargo dazu überge- 3.6.2 Rangierbahnhöfe: closed shop gangen, Überkapazitäten teilweise unter- zuvermieten, derzeit z. B. an CTL, MWB Güterverkehr kann ein EVU nur dann und HSL. durchführen, wenn es den Zugang zu den notwendigen Gleisanlagen erhält, etwa um Sehr viel schlechter verfügbar für Dritte Züge zu bilden, zu rangieren, zu teilen, zu ist das Fahrzeugmaterial, das auf einzelne vereinigen oder um vorübergehend nicht Gütergruppen mit einem großen Anteil an benötigte Wagen oder Loks abzustellen. der Verkehrsleistung ausgerichtet ist: Solche Anlagenkapazitäten gehören in be- grenztem Rahmen zu den Infrastrukturen ƒ Offene Wagen und Schüttgut-/Selbst- der Privatgleisanschließer oder der NE-Bah- entladewagen – z. B. für feste Brennstof-

Schienengüterverkehr 85 nen. Die weitaus größte Tranche liegt in was einen lebhaften Wettbewerb in diesen den Händen der DB Netz AG, insbesonde- Teilbereichen begünstigt. Auch dort kann re jene Vorrichtungen, die technisch opti- allerdings der Transport auf „der letzten mal ausgelegt und räumlich gut angeord- Meile“ in den Händen eines lokalen Mono- net sind. Der weit überwiegende Anteil polisten liegen. dieser Infrastrukturen ist wiederum lang- fristig an DB Schenker Rail als Hauptnutzer vermietet, was unter Wettbewerbsgesichts- 3.6.3 Wagenladungsverkehr: punkten ein besonderes Problem für die Problem der kritischen Masse Konkurrenten der DB AG verursacht. Ein institutionell gesicherter besserer Zu- Mietet DB Schenker Rail alle Gleise der gang zu den Rangierbahnhöfen ist not- strategisch wichtigen Rangierbahnhöfe wie wendig, aber nicht hinreichend, um Markt- Seelze bei Hannover, Mannheim, Hagen eintritte in den WLV zu erleichtern. Da und Gremberg bei Köln für seine Zwecke Wettbewerber kein Zugangsrecht haben, von DB Netz pauschal an, sind die Drit- ihre Wagen oder Wagengruppen in die ten auf das Wohlwollen ihres unmittelba- Züge eines marktbeherrschenden EVU ein- ren Konkurrenten angewiesen. Nur wenn zustellen, kann ein alternatives WLV-Netz der Hauptmieter nach eigener Einschät- nur zustande kommen, wenn ein zwei- zung die Anlagen nicht benötigt, können ter Spediteur oder ein EVU die betriebs- konzernexterne Bahnen auf sie zugreifen. wirtschaftlich notwendige Mindestmenge Hierzu bedarf es im Zweifel eines formel- organisieren. Nur so können Synergieef- len Verfahrens, auf dessen Abschluss die fekte erzielt werden, die die Finanzierung Kunden der Wettbewerber nicht warten der Anlagenmiete und der Betriebsmittel können. Überdies handelt es sich um zu- gewährleisten. Diese Möglichkeit steht auf meist unattraktive Zeitfenster, während absehbare Zeit allein DB Schenker Rail of- zur Hauptzeit des SGV – in den Nachtstun- fen („horizontale Marktmacht“). den – praktisch alle Kapazitäten versperrt sind. Einzige Alternative für die Mehrzahl der Dritten ist das Angebot von DB Schenker Rechtlich hat eine Wettbewerbsbahn Rail, zu bestimmten Bedingungen soge- keinen Anspruch, die Rangierloks von nannte „Kooperationsverkehre“ fahren zu DB Schenker Rail mitzunutzen. Stattdes- dürfen. In diesem Fall wird der Zugang zu sen muss sie in der Regel eigene Traktions- den dafür betrieblich benötigten Rangier- mittel vorhalten. Da die Rangierbereiche bahnhöfen eingeräumt. Damit reduziert der Rangierbahnhöfe überwiegend nicht sich der Wettbewerber jedoch auf die Rolle ELEK¬TRIlZIERT¬SIND ¬KOMMT¬EIN¬2ANGIEREN¬MIT¬ des regionalen Dienstleisters. Diese erkauft DEN¬HËUlG¬ELEKTRISCHEN¬3TRECKENLOKS¬TECH- er sich mit dem Nachteil, nisch nicht in Frage. Zusätzliche Traktions- MITTEL¬BEDEUTEN¬SPRUNGlXE¬:USATZKOSTEN ¬ ƒ den Langlauf der DB AG zu überlassen, denen auf der Erlösseite zumeist keine hin- ƒ reichende kritische Masse gegenübersteht. sich bei der Aufteilung der Einnahmen aus dem Gesamtlaufweg den Bedingun- Positiven Anschauungsunterricht liefert gen der DB AG zu unterwerfen, die Schweiz. Dort stellt der Infrastrukturbe- ƒ für den besonders margenschwachen treiber allen EVU seine Rangierloks in den und produktionsaufwendigen Verteil- Rangierbahnhöfen zur Verfügung. Eine ver- oder Sammeldienst vergleichsweise gleichbar marktorientierte ordnungspoliti- schlecht vergütet zu werden und sche Rahmensetzung hat der deutsche Ge- ƒ DB Schenker Rail sämtliche Informatio- setzgeber im AEG nicht verankert. nen über die Konditionen der Verkehre, Frachtgut, Kunden und Empfänger zu Der schwierige Zugang zu den Anla- überlassen. gen begrenzt den Handlungsspielraum der meisten Wettbewerbsbahnen im SGV Im Ergebnis sitzt DB Schenker Rail am auf die „einfachen“ Produktionssysteme, längeren Hebel und kann beliebig steuern, also vorwiegend den Ganzzugverkehr. welche Entwicklungsmöglichkeiten den Dort können vielfach die Zugbildungsan- Kooperationspartnern eingeräumt wer- lagen der Industriekunden bzw. der Häfen den. Viele EVU, die traditionell als regio- oder Containerterminalbetreiber weitge- nale Dienstleister für die DB AG tätig sind, hend diskriminierungsfrei genutzt werden,

86 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 geraten auf diese Weise in die Abhängig- dann, wenn sie solche Abschnitte unter- keit vom Marktführer. Allein aufgrund der halb der mindestoptimalen Frequenz be- Befürchtung, im Kooperationsverkehr ab- fahren, ab der sich die Vorhaltung einer gestraft werden zu können, wagen vie- Schiebelokomotive rentiert. Auf die Schie- le Güterbahnen nicht den Einstieg in den belokomotiven des Marktführers können Langstrecken- und Ganzzugverkehr. Ne- sie nicht zurückgreifen, da das Unterneh- gativbeispiel ist das Scheitern der NVAG, men seine Ressourcen lokal zwar vorhält, das in hohem Maße auf einem unfairen den Wettbewerbern jedoch verwehrt. Einnahmenaufteilungsschlüssel beruht. Sie wollte das ambitionierte Konzept um- Zwar bieten seit einigen Jahren spezi- setzen, in Schleswig-Holstein ein eigenes elle „Schiebe-Dienstleister“ an bestimm- Güterzugnetz aufzubauen, nachdem die ten Strecken (z. B. Spessart- und Franken- DB AG weite Teile des Landes im Güterver- waldrampe) die benötigten Leistungen kehr aufgegeben hatte. Heute betreibt die an. Doch stehen diese Dienstleistungen als Nachfolgegesellschaft anzusehende CFL nur an einzelnen Streckenabschnitten mit cargo Deutschland nur noch ein stark ab- starken Neigungen zur Verfügung, so dass gespecktes Bedienungskonzept. sich keine bundesweite Systemlösung für alle betroffenen EVU abzeichnet. So ist an Es gibt allerdings einige wenige EVU, der Geislinger Steige bis heute kein priva- die den Spagat bewältigen, Kooperations- tes Angebot in Sicht, weshalb diese Strecke partner und Wettbewerber von DB Schen- von den Wettbewerbsbahnen gemieden ker Rail in einem zu sein. So kooperiert wird. Da DB Schenker Rail bis auf weite- die OHE in ihrer Kernregion um Celle mit res keine externen Dienste in Anspruch DB Schenker Rail, indem sie Zu- und Ab- nehmen wird, könnten solche Serviceleis- bringerverkehre zum Rangierbahnhof Seel- tungen erst am Markt zustande kommen, ze bei Hannover durchführt. Gleichzeitig ist wenn die Wettbewerbsbahnen die notwen- die OHE z. B. mit Ganzzügen im Holzver- dige kritische Masse an Frachtaufkommen kehr bundesweit sehr aktiv und steht dort zusammentragen. in Konkurrenz zum Marktführer. In der Folge ist DB Schenker Rail im Vor- teil, sobald der Verlader schwere Züge über 3.6.4 Keine Netz-Dienstleistungen Strecken mit starken Neigungen braucht. Umgekehrt tendieren die Chancen der Ist auf einem Streckenabschnitt die Stei- Wettbewerber gegen null, weil sie gung zu stark, sind Güterzüge ab be- stimmten Lasten auf die Hilfe von Schie- ƒ ENTWEDER¬5MWEGE¬àBER¬mACHERE¬3TRE- belokomotiven angewiesen. Genauso cken wählen müssen, kann es zur Erhöhung der Streckendurch- ƒ Züge betrieblich aufwendig in zwei Tei- lassfähigkeit sinnvoll sein, eine Mindest- len über die Steigungen fahren müs- geschwindigkeit vorzuschreiben, die nur sen, wofür dann zumeist Abstellgleise durch Nachschub zu erreichen ist. Obwohl fehlen, um die jeweils andere Zughälf- der Einsatz solcher Sondertraktionsmittel te zwischenzuparken (siehe Rückbau), maßgeblich auf die Beschaffenheit der In- oder frastruktur zurückgeht, stellt DB Netz diese ƒ die zweite Lok auf dem gesamten Lauf- Dienstleistung nicht bereit. Das EIU vertritt weg mitführen müssen, was zu einer er- die Auffassung, dass der punktuelle Einsatz heblichen Verteuerung führt. von Schiebelokomotiven in den Aufgaben- bereich der EVU fällt. Dass DB Schenker Rail der erstarkenden Konkurrenz keinen Dienst erweisen möch- Für ein EVU der Größenordnung von te, ist nicht zu beanstanden. Wäre DB Netz DB Schenker Rail ist diese Lastenabwälzung unabhängig, hätte sie als serviceorientier- DURCHAUS¬lNANZIERBAR ¬DA¬ES¬SOWOHL¬DIE¬ tes Unternehmen größtes Interesse, allen 6ERKEHRSMENGEN¬ALS¬AUCH¬DEN¬lNANZIELLEN¬ Kunden gleichermaßen mit Dienstleistun- Hintergrund hat, an allen fraglichen Stre- gen in Eigenregie oder durch Externe – ckenabschnitten die erforderlichen Trakti- selbstredend gegen angemessenes Ent- onsmittel einsatzbereit zu halten. Kleinere gelt – zu helfen. EVU steht diese Option dagegen de fac- to nicht offen, und zwar aus betriebswirt- Der Blick in andere europäische Länder schaftlichen Gründen. Dies gilt vor allem verrät, dass es zumindest bei den Rangier-

Schienengüterverkehr 87 diensten in Verschiebebahnhöfen Alter- die Gefahr, dass DB Netz sie einfach zu- nativen zur derzeitigen Situation gibt. In rückbaut. Die Bedarfsanmeldung fungiert der Schweiz oder in Schweden beispiels- demnach als Schutzinstrument vor kurzfris- weise werden Sondertraktionsmittel durch tig renditeorientierten Kapazitätsreduktio- den Infrastrukturbetreiber gestellt (sofern nen. z. B. die SBB Cargo an einem Rbf. ohnehin für sich den Rangierdienst erbringt). Ge- gen ein Entgelt haben alle EVU die Mög- 3.6.6 Europäische Standards: lichkeit, diese Dienstleistung in Anspruch wettbewerblich ambivalent zu nehmen. Dadurch wird einerseits der intra modale Wettbewerb gestärkt, zugleich Seit den 1990er Jahren agiert die Euro- aber auch die intermodale Wettbewerbsfä- päische Kommission als Verfechterin einer higkeit des Schienenverkehrs gesteigert, da Liberalisierung des europäischen Schie- Ressourcen über die Unternehmensgrenze nenverkehrs. Sie ist davon überzeugt, dass HINAUS¬EFlZIENT¬ZUM¬WIRTSCHAFTLICHEN¬6ORTEIL¬ offene Märkte der Schlüssel sind, die Ei- aller Akteure genutzt werden. Nebenbei senbahn in den Mitgliedstaaten zu revitali- kann der Infra strukturbetreiber zusätzliche sieren. Nur so sei es möglich, Mehrverkehr Einnahmen aus anhängigen Mehrwert- auf die Schiene und die Systemstärken des diensten erzielen. ökologischen Verkehrsträgers Schiene zur Geltung zu bringen.

3.6.5 Bedarfsferne Vermietung Instrumentell wurden inzwischen vier Ei- von Anlagen an Konzern-EVU senbahnpakete auf den Weg gebracht, die den Rahmen für zentrale Fragen wie Die Vermietung von Nebengleisen ist ein Marktzugang, Sicherheitsbescheinigung, weiterer Baustein des Diskriminierungsarse- internationaler „Lokführerschein“ und Un- nals. DB Schenker Rail mietet bei DB Netz falluntersuchung abstecken. Zudem wur- oftmals Kapazitäten an, die deutlich über den umfangreiche gesetzliche Arbeiten der dem eigenen Bedarf liegen. Folge ist, dass Normung vorgenommen, um über Tech- DB Schenker Rail Gleise blockieren kann, NISCHE¬3PEZIlKATIONEN¬DER¬)NTEROPERABILITËT¬ die den Wettbewerbsbahnen vorenthalten (TSI) zu einer stärkeren Standardisierung bleiben. Verkehrspolitisch entsteht die ab- des europäischen Eisenbahnsystems zu ge- surde Situation, dass vorhandene Kapazitä- langen. Schwerpunkte sind hier v. a. die ten und vorhandene Nachfrage nicht zum Zulassungsnormen für Fahrzeuge und ein Ausgleich gelangen, weil die DB AG die einheitliches europäisches Sicherungssys- Kapazitäten aus Konzernräson ohne realen tem ETCS. Bedarf bindet. Wie der Blick in die einzelnen Länder Das Handeln von DB Schenker Rail be- zeigt, haben diese die Vorgaben aus Brüs- ruht aber noch auf einem zweiten Motiv. sel überaus heterogen in nationales Recht Werden Anlagen nicht vermietet, besteht umgesetzt. Hinzu kommt die „gelebte Pra-

Abbildung 32: Übersicht über die europäischen Eisenbahnpakete

Quelle: VDB 2008, eigene Darstellung

88 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 xis“, die jenseits der Formalia über die rea- stand für Passow – Szczecin (Polen). le Wettbewerbsintensität entscheidet. Selbst derzeit noch bestehende Wech- selbahnhöfe wie in Emmerich (Ruhr- Neben den rechtlichen und ökonomi- gebiet – Rotterdam/Amsterdam) oder schen Aspekten stehen seit jeher die tech- Frankfurt Oderbrücke (Berlin – War- nisch-administrativen Hürden im grenz- schau) sollen zugunsten von Trennstel- überschreitenden Schienenverkehr im len auf freier Strecke verschwinden. Zentrum der Kritik. In keiner Sonntagsre- de fehlt der mahnende Hinweis, dass die Wettbewerbspolitisch sind die künst- Vielfalt der Strom- und Zugsicherungssys- lichen Barrieren auf technischer Ebene teme in Europa ein veritables Ärgernis sei, hochproblematisch. Integrierte Staatsbah- das der Eisenbahn einen Teil ihrer ureige- nen wie die DB AG können es sich dank nen Stärke raube: das Fahren über lange ihres exzellenten Rating leisten, die Güter- Distanzen. Während der Lkw mittlerweile verkehrstochter – hier: DB Schenker Rail – ohne Zeitverzug die Grenzen der 27 EU- mit einer großen Zahl an Mehrsystemlo- Mitglieder passiert, werden die Züge auch komotiven auszustatten. Zwar sind deren im 21. Jahrhundert systematisch an vielen erhöhte absolute Kosten jedem Unterneh- nationalstaatlichen Grenzen ausgebremst. men ein Dorn im Auge (z. B. in Konkurrenz Schuld sind nicht Grenzkontrollen, sondern zu anderen Verkehrsträgern), bezogen auf der Mangel an technischer Interoperabili- den Wettbewerb auf der Schiene besche- tät der verschiedenen Systeme. ren die technischen Hindernisse jedoch den kapitalstarken EVU einen klaren Vor- Zur Überwindung dieser Barrieren hat ein teil. Umgekehrt werden kleinere aufstre- international agierendes EVU derzeit ledig- bende Privatbahnen faktisch diskriminiert, lich zwei Alternativen: die im Regelfall zunächst auf preiswerte ge- brauchte Einsystemloks setzen müssen. ƒ Es kann auf Mehrsystemlokomotiven setzen, die verschiedene Strom- und Das vordergründige Paradoxon von Zugsicherungssysteme an Bord haben. Standards besteht darin, dass ihr Fehlen Der Nachteil: Diese Lokomotiven sind genauso den Wettbewerb aushebeln kann deutlich teurer als Einsystemfahrzeuge wie die brachiale Einführung von einheit- (AC/DC-Lok rund 20 % teurer als DC- lichen Normen. Wie selektiv sie wirken, Lok). Zudem kann aus Platzgründen hängt davon ab, in welchem Maße sie die nur eine bestimmte Anzahl verschiede- komparative Wettbewerbsposition der be- ner Systeme in eine Lokomotive einge- troffenen EVU verschieben. baut werden. Lokomotiven, die in der gesamten EU fahren können, sind bis Deutlich wird die Ambivalenz am Bei- dato nicht auf dem Markt. spiel der geplanten Einführung und Migra- ƒ Es kann die Lokomotive nach der kon- tion von ERTMS (European Rail and Train ventionellen Methode an der Gren- Management System)/ETCS (European ze wechseln. Das Problem: Vielfach Train Control System). Dieser Standard ei- liegt die Schnittstelle unmittelbar auf nes Zugsicherungssystems soll EU-weit auf der Landesgrenze, anstatt sie betriebs- den Transeuropäischen Netzen (TEN) suk- WIRTSCHAFTLICH¬EFlZIENT¬IN¬EINEN¬GRENZ- zessive etabliert werden, um die nationa- nahen Bahnhof zu verlagern. Da auf len Systemgrenzen zu überwinden. Aller- freier Strecke kein Lokwechsel möglich dings ist die vorgesehene Geschwindigkeit ist, müssen auch hier zwingend teu- der Migration sehr gering. In Deutschland re Mehrsystemloks zum Rangieren im werden bis 2020 wahrscheinlich erst 2 der Grenzbereich eingesetzt werden. Selbst insgesamt 6 europäischen Transit-Korrido- bei jüngsten Ausbauten wie Aachen re mit dem neuen System ausgerüstet sein. West – Moontzen oder Neuplanungen Neben der zeitlichen Verzögerung fehlt es VON¬%LEKTRIlZIERUNGEN¬GRENZàBERSCHREI- an der Koordinierung zwischen den be- tender Strecken wird der alte Fehler der nachbarten Ländern. territorialen Planungshoheit der Staats- bahnen wiederholt, d.h. die System- Die erste kommerziell nutzbare ETCS- trennlinie wird auf die freie Strecke Strecke in Deutschland wurde zwischen plaziert. Beispiel hierfür sind die gegen- Berlin und Leipzig/Halle eingerichtet – wärtige Bauplanung für Hoyerswerda – fernab der Landesgrenze. Es ist nicht er- Wegliniec (Polen) und der Vorplanungs- kennbar, dass DB Netz die neue Technik gezielt dort zur Anwendung treibt, wo sie

Schienengüterverkehr 89 technische Kompatibilitätshürden beseiti- GELEGEN¬STATT¬AN¬DER¬%FlZIENZSTEIGERUNG¬DER¬ gen könnte. Die zweite ETCS-Strecke ent- Schiene. So ist schwer einsehbar, warum steht aktuell zwischen Aachen und Lüt- DIE¬%65¬DER¬0mICHT¬ZUR¬DOPPELTEN¬3ICHER- tich in Belgien. Gleichzeitig wurde aber heitsbescheinigung unterliegen. Ebenso die Fortsetzung über den neu gebauten werden die Regelungen zur Zugsicherung Buschtunnel und weiter über Aachen, Dü- teilweise zu kleinteilig und restriktiv ange- ren nach Köln mit gleich zwei verschiede- wandt. So sollte es sicherheitstechnisch nen, konventionellen Sicherungssystemen vertretbar sein, bei ein- und ausfahrenden (LZB und PZB) ausgestattet, so dass spezi- Verkehren, die nur wenige Kilometer eine ell der Thalys nun für den vergleichsweise Grenze überqueren, auf die verbindliche kurzen Abschnitt in Deutschland zwei wei- Ausstattung der Fahrzeuge mit allen nach tere Sicherungssysteme benötigt. Folge ist, den jeweiligen territorialen Bestimmungen dass die praktisch fertige Neubaustrecke erforderlichen Sicherheitseinrichtungen zu Aachen — Lüttich fast zwei Jahre ungenutzt verzichten. Dadurch würden die Grenzen bleibt und die geplante Fahrzeitverkürzung im Schienenverkehr durchlässiger. Auslän- von 20 Min. weiter auf sich warten lässt. dische Fahrzeuge könnten bis zu den Kno- ten in Saarbrücken, Cottbus, Flensburg Paradoxerweise könnte die weltweite oder Rheine in Deutschland fahren, wäh- Wirtschaftskrise die Situation ändern. Im rend umgekehrt deutsche Fahrzeuge Salz- zweiten Konjunkturpaket der Bundesregie- burg, Straßburg, Venlo oder Stettin ansteu- rung sind 200 Mio. Euro für die ERTMS/ ern könnten. ETCS-Ausrüstung vorgesehen, die zunächst für den deutschen Abschnitt des Korridors Immerhin deutet sich auf einem The- A (Rotterdam – Genua) zwischen Emme- mengebiet eine Vereinfachung zugunsten rich und Weil am Rhein eingesetzt werden der EVU an. Ab 2010 greift die Richtlinie sollen. Dies könnte ein Zeichen sein, dass 2008/57/EG, nach der die Zulassung eines die Bundesregierung ihre defensive Positi- Fahrzeuges in einem Land automatisch die on in Bezug auf die Migration von ERTMS/ Zulassung in den anderen Mitgliedstaaten ETCS aufgibt. Allerdings nützt die Finan- zur Folge hat. Lehnt eine Behörde dies ab, zierung der streckenseitigen Ausstattung muss sie ihren Beschluss begründen. Erste wenig, wenn die ETCS-Fähigkeit des rol- Verwaltungsabkommen über die gegen- lenden Materials nicht in gleicher Weise seitige Anerkennung der jeweiligen natio- Schritt hält. nalen Zulassung – z. B. zwischen Deutsch- land, Österreich und der Schweiz oder Erschwerend kommen Kompatibilitäts- Deutschland und Frankreich weisen in die probleme innerhalb der ETCS-Level hinzu. RICHTIGE¬2ICHTUNG¬/B¬DAS¬3CHLUPmOCH¬FàR¬ Diese sind durch Interpretationsspielräu- Ausnahmeregelungen von den nationalen me unterhalb der EU-weiten Normen ent- Zulassungsbehörden womöglich als Ein- standen und führen im Ergebnis wieder zu fallstor genutzt wird, den Status quo wider dem, was überwunden werden soll: zu un- den Geist der Richtlinie doch beizubehal- terschiedlichen Systemen. Ziel muss daher ten, bleibt abzuwarten. DIE¬SCHNELLE¬UND¬mËCHENDECKENDE¬%INFàH- rung von SRS 2.3.0d sein. Dieser Standard In Deutschland ruft die Zulassungspraxis ist aufwärtskompatibel mit dem als Endstu- des EBA teilweise erhebliche Kritik hervor. fe vorgesehenen ETCS-Level 3, der erheb- Erst Anfang März bemängelte ein Wagen- liche Kapazitätsgewinne bringen soll. Ein vermieter Verzögerungen bei der Zulas- kostensparender Ansatz müsste die EVU sung. Hauptursache laut Branchenkennern eher zur Umrüstung auf ETCS bewegen, sei die fachliche (Allein-)Verantwortung, da ihre Lokomotiven auch nach Einführung die dem zuständigen Beamten für die Rich- der sog. Baseline 3 für ETCS-Level 2 ver- tigkeit des EBA-Bescheids zugewiesen wird. kehren können. Unabhängig von der nationalen Zulas- Abseits der technischen Hürden sind ad- sungspraxis liegt das Diskriminierungspo- ministrative Gründe ursächlich für die tenzial der neuen EU-Richtlinie bzw. des schleppende Entwicklung im grenzüber- gesamten europaweit einheitlichen Nor- schreitenden Verkehr. Einen Gutteil der mungsprozesses durch die Technischen Verantwortung tragen die nationalen Auf- 3PEZIlKATIONEN¬FàR¬DIE¬)NTEROPERABILITËT¬ sichtsbehörden, die zuweilen den Eindruck (TSI) darin, dass neue Fahrzeuge und Teil- erwecken, als sei ihnen vorrangig an der systeme einer Zulassungsprüfung unter- Sicherung des eigenen Aufgabengebietes zogen werden müssen, während Altfahr-

90 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 zeuge unter Bestandsschutz stehen. Davon terziehen, während die Altfahrzeuge der PROlTIEREN¬DIE¬ETABLIERTEN¬!NBIETER¬uIN- Staatsbahnen Bestandsschutz genießen. So cumbents“), die über umfangreiche Alt- dauerte es 2006 einige Zeit, bevor polni- mOTTEN¬VERFàGEN¬/BWOHL¬IHR¬7AGENPARK¬ sche Behörden die neuen Dieseltriebfahr- veraltet und selten TSI-konform ist, werden zeuge des Typs Talent 2 von Bombardier gerade diese Fahrzeuge vom Zulassungs- (betrieben von der NEB) für den grenz- procedere verschont. überschreitenden Verkehr zuließen, wäh- rend die DB AG die Strecke vorher mit we- Diese asymmetrische Behandlung von sentlich älteren Fahrzeugen befahren hatte, Alt anbietern und Neulingen führt zu gänz- unbehelligt von den Zulassungsbehörden. lich verschiedenen Bedingungen, die die Zwar ist diese Ungleichbehandlung nicht Ungleichheit in den Startchancen poten- dem eingesessenen EVU, sondern den Auf- ziert: Bevorteilt werden die Altanbieter wie sichtsbehörden vorzuwerfen – es ändert die Staatsbahnen, die dank ihrer unbe- aber nichts an der Tatsache, dass den oh- grenzt haftenden Eigentümer kapitalstark nehin Begünstigten ein weiterer Wettbe- SIND¬UND¬ZUSËTZLICH¬DAVON¬PROlTIEREN ¬MIT¬ werbsvorteil zuteil wird. abgeschriebenen, ggf. noch geförderten Fahrzeugen zu fahren. Dagegen belastet die Beschaffung der TSI-konformen Fahr- 3.6.7 Reaktivierung stillgelegter Gleise zeuge die Newcomer, die angesichts der zahlreichen offenen und versteckten Be- Der in Kapitel 3.3 auf Seite 74 als TOP- nachteiligungen ohnehin die größere Bür- Hindernis geschilderte massive Kapazitäts- de zu tragen haben. rückbau erweist sich für den Schienengü- terverkehr als besonders problematisch. Im grenzüberschreitenden Verkehr mit Er leidet am meisten unter der betriebs- seinen dargestellten Systemproblemen wirtschaftlich motivierten Verknappung wirkt sich dies besonders nachteilig aus. der Netzkapazität, da er mit Abstand das Will ein EVU zum Beispiel mit Dieselloko- größte Wachstumssegment darstellt, in der motiven die Stromsystemvielfalt umge- Betriebsführung traditionell die nie drigste hen, muss es seine Neufahrzeuge einer Priorität genießt und mit Zuglängen von umständlichen Zulassungsprozedur un- bis zu 700 Metern (künftig ggf. bis zu

Der Umgang mit der Schieneninfrastruktur – Zeitenwende

)M5NTERSCHIEDZUDEMAUFDEN"ÚRSENGANGlXIERTEN$" +ONZERNGABEN"UNDES UND Reichsbahn ihre Schieneninfrastruktur recht bereitwillig an NE-Bahnen und Kommunen ab. Diese Haltung wirkte noch einige Zeit in der organisationsprivatisierten DB AG fort. So leistete die Bundesbahn sogar noch erhebliche Zuschüsse, als die Schieneninfrastruk- tur an die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB) oder Dürener Kreis- bahn GmbH (DKB) abgegeben wurde. Auch an die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH (AVG) wurden anfänglich noch Strecken in großem Stil verpachtet, etwa Karlsruhe — Heilbronn, Rastatt — Freudenstadt oder Pforzheim — Bad Wildbad. Dieser Prozess kam jedoch 2001 zum Erliegen. Seitdem bemüht sich die AVG erfolglos, Strecken aus dem DB-Konzern in ihre Obhut zu nehmen. So weigerte sich die DB AG, die Strecke Heilbronn — Öhringen — Schwä- bisch-Hall abzugeben. Das traurige Ergebnis: Der Ausbau wurde dreimal so teuer, wie er von der AVG geplant war, und dauerte statt sechs Monaten sogar drei Jahre.

Dass DB Netz „ihr“ Eigentum – das dem deutschen Steuerzahler gehört – nicht hergeben möchte, soll hier nicht kritisiert werden. Ihr muss jedoch der verkehrspolitische Auftrag auf- ERLEGTWERDEN MITDEMVOLKSWIRTSCHAFTLICHGELIEHENEN%IGENTUMPmEGLICHUMZUGEHEN DH es in ordnungsgemäßem Zustand zu halten und eine hinreichende Kapazität zu bieten.

In jüngster Zeit ist eine leichte Besserung festzustellen. Unter der Aufsicht des EBA wurde DB Netz dazu gedrängt, verstärkt auch Pachtmodelle anzubieten, die keinen eigentums- rechtlichen Erwerb der Strecke voraussetzen. Auf dieser Grundlage ist es z. B. in Thüringen ZUGRO”mËCHIGENÄBERNAHMENDURCHDIE4HàRINGER%ISENBAHN'MB(4H% GEKOMMEN UND zwar bei Strecken, zu deren Weiterbetrieb DB Netz nicht länger bereit war. Auch im Güter- verkehr werden wichtige Strecken wie die Industriebahn Zörbig, Riesa — Rhäsa, Blumen- berg — Klein-Wanzleben kommunal oder privat weitergeführt.

Schienengüterverkehr 91 ¬-ETERN ¬AM¬INmEXIBELSTEN¬IST¬$AR- Abstellgleisen ermöglicht, wenn die Un- über hinaus wird die Kapazität der Schie- ternehmensschwestern sie benötigen (z. B. neninfrastruktur durch die unterschiedliche DB Bahnbau für die bahninterne Baustel- Fahrdynamik der Güterzüge ineffektiv aus- lenlogistik oder Wiederinbetriebnahme Of- gelastet. fenbach Ost für den örtlichen Güterverkehr aufgrund überzogener Rationalisierungen Prinzipiell lässt sich der Schaden des im Rhein-Main-Gebiet). Rückbaus noch in Grenzen halten, wenn abgeklemmte Lade-, Überhol- und Abstell- Gesetzestechnisch baut § 11 AEG inso- gleise oder Verladebahnhöfe „nur“ ge- weit vor, als das Eisenbahnrecht Stilllegun- sperrt, nicht jedoch zurückgebaut oder gar gen nur dann erlaubt, wenn kein EIU in der entwidmet werden. So legt DB Netz Gleise Lage ist, die Anlagen noch weiter zu betrei- zuweilen dadurch still, dass sie nur die Wei- ben. Der einfache regulatorische Gedan- chen als Verbindungsstück zum restlichen ke ist, dass vor der Stilllegung von Anlagen Netz entfernt. Die zurückbleibenden Kapa- der Wettbewerb klären soll, ob die Eisen- zitäten können dann relativ einfach wieder bahninfrastruktur noch halbwegs wirt- nutzbar gemacht werden, falls z. B. an ei- schaftlich zu betreiben ist. Erst nach die- nem Bahnhof, der jahrelang güterverkehrs- sem Markttest kann die Fläche entwidmet frei war, aufgrund veränderter Rahmen- und zur Verwertung freigegeben werden. bedingungen wieder ein Transportbedarf entsteht. Entscheidend ist demnach, keine Schreibt DB Netz stillzulegende Strecken endgültigen Fakten zu schaffen, sondern ZUR¬!UmASSUNG¬AUS ¬MELDET¬SICH¬IM¬$URCH- die Option einer kostengünstigen Reakti- schnitt eine erstaunliche Anzahl an NE- vierung zu wahren. Bahnen, die die Anlagen der DB AG gern weiterbetreiben möchten. Dieses Interesse Viele NE-Bahnen würden brachliegen- ist insofern beachtlich, als de Anlagen gern nutzen, werden jedoch durch die Konditionen von DB Netz in der ƒ jeder Eigentumsübergang aufgrund des Praxis daran gehindert. Oftmals verlangt unsinnigen Zuwendungsrechts mit dem das Unternehmen von den privaten EVU, Verlust der Fördermittel des Bundes ein- die Kosten der Wiederinbetriebnahme voll- hergeht. ständig zu schultern und/oder die Anlage ƒ DB Netz die Strecken und Anlagen viel- für mindestens ein Jahr anzumieten. Hie- fach zu Konditionen anbietet, die den rauf könnte sich das EVU einlassen, wenn Eindruck vermitteln, als solle niemand ein Dauereinsatz der Anlage in Aussicht anders sie betreiben. stünde. In vielen Fällen handelt es sich je- doch um kurzzeitige Wiederinbetriebnah- Insbesondere im Zeitraum 1996 bis men, zum Beispiel für den vorübergehen- 2003/04 scheiterten zahlreiche Übernah- den Materialtransport im Straßenbau oder men von DB-Strecken an horrenden Forde- für die Holzverladung. Eine längerfristige rungen für Grundstückspreise und abzu- Bindung würde bedeuten, am Bedarf vor- schließende Infastrukturanschlussverträge. beizuplanen. Diese Praxis wurde leider von Gerichten dahingehend bestätigt, dass die Genehmi- An dieser Stelle könnte DB Netz einwen- gung der Stilllegung im Falle „gescheiter- den, dass ihr als Wirtschaftsunternehmen ter“ Übernahmeverhandlungen nicht juris- die Vorhaltekosten nicht zuzumuten seien. tisch angegriffen werden könne (VG Kassel Hierauf ist zu entgegnen, dass genau diese 9.1.2001; VG Schleswig, Beschluss vom 0mICHT¬DEN¬5NTERSCHIED¬ZWISCHEN¬BETRIEBS ¬ 19.7.2001, 3 A 249/99; VG Bayreuth und volkswirtschaftlicher Rentabilität einer 10.12.2001, B 1 K 99/678). Dies wertete Infrastruktur begründet. Vor allem aber ist DB Netz als Bestätigung ihres Geschäftsge- es auffällig, dass DB Netz die kurzfristige barens. Wiederinbetriebnahme von Verlade- oder

92 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 ------Netz

Netz zur Revision

AG hat Widerspruch AG hat Widerspruch

Behördenverfügung/Gerichtsurteile seit sieben Jahren unbeachtet Fakten seit 2-5 Jahren geschaffen. EBA-Entschei dung vom 23.2.2009. DB eingelegt, mit Rechtsauseinandersetzung ist zu Rückbauten sind gestoppt rechnen. Weitere 2àCKBAU¬VOM¬%"!¬GENEHMIGT¬UND¬VOM¬"UND¬l nanziert (Streckenausbauprogramm) Rückbau war nicht Gegenstand eines Genehmi gungsverfahrens. Land erkennt Missstand, den noch keine Bereitschaft von DB Miss erkennt Land genehmigt. EBA vom Rückbau stand, dennoch keine Bereitschaft von DB zur Revision Rückbau war nicht Gegenstand eines Genehmi gungsverfahrens nach nicht Gegen Rückbau war dem Vernehmen stand eines Genehmigungsverfahrens Rückbau war nicht Gegenstand eines Genehmi gungsverfahrens Rückbau nach Intervention von ITL, Netzwerk Pri vatbahnen und EBA teilweise vereitelt, für Über gangszeit Bad Schandau Ost bereitgestellt Maßnahme nach Einspruch EBA aufgrund der In tervention von Netzwerk Privatbahnen zurück gestellt Status ------B. -

Wismar Wismar % aus

Stuttgart und Karlsru

a. zum Nachteil des Güterver

B. 2008 und 2009 jeweils für

a. von Privatbahnen, die in Bad

Bietigheim-Bissingen

Erhebliche Erschwerung des Güterverkehrs nach Stendell mit 15–20 Zugpaaren pro Tag Auswirkung Erhebliche Kapazitätsreduzierung der zu 93 gelasteten Strecke v. kehrs. Bei Umleitung Fernverkehr über rechte Rhein strecke muss Güterverkehr fast komplett eingestellt werden Zusätzliche Züge zum Stundentakt SPNV wie In terRegio-Züge (bis 2000) oder Güterverkehr nicht mehr möglich. Bei Umleitung Güterverkehr von Cuxhaven muss SPNV entfallen Zusätzliche Züge zum Stundentakt SPNV wie z. umgeleitete Güterzüge nicht mehr möglich. SPNV muss entfallen, z. mehrere Monate, da Strecke Bad Kleinen nicht verfügbar war Erhebliche Behinderung, da Überholgleis 3 vielfach wendende RB belegt, zudem Lokumfahrung durch nur noch über Streckengleis möglich von Überholmöglichkeiten Güter-/Perso Wegfall nenverkehr Überholung nur noch über Bahnsteiggleis 2 mög lich. Erhebliche Behinderung des Güterverkehrs auf den Strecken Mannheim he Erhebliche Behinderung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs, v. Schandau ihre Züge an tschechische Partner über geben und folglich Lokwechsel durchführen Erhebliche Behinderung im bereits heute für über lastet erklärten Bahnhof Würzburg Erhebliche Kapazitätsreduzierung auf überlasteter Strecke ------Stralsund (Pasewalk, Ducherow, Anklam) Stralsund (Pasewalk, Ducherow,

Maßnahme Illegale Stilllegung von Überholgleisen in Niederdol lendorf, Unkel, Rheinbrohl, Bad Hönningen, Hatten- heim und Oestrich-Winkel Starke Redu Beseitigung Lokwechselgleise Passow, zierung Lok-/Abstellgleise Angermünde und Pase walk, nur noch drei Überholmöglichkeiten Anger- münde Rückbau der Kreuzungsbahnhöfe, einziger Kreu zungsbahnhof wird nun stündlich von SPNV belegt Rückbau der Kreuzungsbahnhöfe. Die zwei verblie benen Bahnhöfe werden stündlich vom SPNV be legt Stilllegung Gleis 4 in Wächtersbach Stilllegung Betriebsbahnhof Oberrieden Stilllegung des Gleises 3 im neu gebauten Bahnhof Vaihingen/Enz Erheblicher Rückbau im Rahmen ESTW-Umbau Rückbau von Gütergleisen angedroht Illegale Stilllegung Bahnhof Zwingenberg (Zugfol ge/Überholgleise)

Abbildung 33: Stuttgart

Heidelberg

Auswirkungen von Berlin

— Rostock

— Rückbauten auf den

Göttingen

Frankfurt

Wiesbaden Wiesbaden Schienengüterverkehr —

Quelle: Strecke Köln (Rechte Rheinstrecke) Stralsund Cuxhaven Bremerhaven Wismar Fulda Bebra Mannheim Bad Schandau Würzburg Hbf Darmstadt eigene Darstellung

Schienengüterverkehr 93 - - -

Netz zur Revision

Rückbau vom EBA genehmigt und "UND¬lNANZIERT¬%347 -A”NAHME Rückbau war nicht Gegenstand eines Genehmi gungsverfahrens. Land erkennt Missstand, den noch keine Bereitschaft von DB nach Rückbau dem Vernehmen vom EBA genehmigt Rückbau dem Vernehmen nach vom EBA genehmigt Rückbau dem Vernehmen nach vom EBA genehmigt Rückbau vom EBA genehmigt Rückbau vom EBA genehmigt und "UND¬lNANZIERT¬%347 -A”NAHME Rückbau von Landesregierung betrieben (Met rorapid-Planungen) und von EBA genehmigt Rückbau vom bestimmten Gemeinden betrieben Kreuzungskosten) und von EBA ge- (Vermeidung nehmigt Stilllegung genehmigt und vollzogen Stilllegung genehmigt und vollzogen Stilllegung genehmigt und vollzogen Status ------/Kassel/

Magdeburg mit Gü

a. Holzverkehr)

Erhebliche Kapazitätsprobleme im Güterverkehr (v. Güterverkehr ist kaum noch möglich, Infrastruktur vielfach nur auf stündlichen SPNV zugeschnitten Auswirkung Zugfolgen nur noch im Abstand von 20–25 Min. möglich, erhebliche Erschwerung Güterverkehr (Kohlependel) nun 15 Güterzügen am Tag Trotz erhebliche Ein keine Kreuzungsmöglichkeit mehr, schränkung Güterverkehr Zugfolgeabstände bis zu 10 Min., keine Flexibilität bei Bauzuständen, da 20 km keine Überleitstelle; und SGV-Züge hier dann Ausfall zahlreicher SPNV- Erschwerung der Güterverkehrsanbindung des dor tigen Kunden Erhebliche Umwege im Güterverkehr nach Essen, Bochum, Dortmund, zudem neue Kapazitätseng pässe auf der einzig verbliebenen Ost-West-Route für Güterverkehr über Gladbeck Entlastungsstrecke Berlin Wichtige Unnö Magdeburg steht nicht mehr zur Verfügung. von Berlin tige Belastung der SPFV-/SPNV-Strecken Potsdam nach Stendal bzw. terverkehr Nur noch einseitige Anbindung über Zeitz, damit erhebliche Umwege Umwege für den Güterverkehr aus Richtung Cott bus illegale Stillle bestehender SPNV-Bestellung Trotz gung Erhebliche Beeinträchtigung der Wechselmöglich keiten E-/Dieseltraktion trotz hohen Aufkommens für Zellstoffwerk Niedergörne - - - - KMH¬BEFAHR ¬

ff.

a. im Bahnhof Wernshausen

52

Maßnahme Entfernung von Zugfolgestellen !UmASSUNG¬"AHNHOF¬0ÚRSTEN !UmASSUNG¬"AHNHOF¬$ILLBRECHT Rückbau, v. Stilllegung Bahnhof Ebersdorf-Friesau und Um wandlung in Anschlussbahn Rückbau zahlreicher Bahnhöfe, siehe BAHN-REPORT 1/2009, S. 3TILLLEGUNG¬DER¬"AHNSTRECKE¬ZWEIGLEISIG ¬ELEKTRIl ziert) ab 2002 zweiglei Stilllegung der Bahnstrecke (durchgehend SIG ¬TEILWEISE¬ELEKTRIlZIERT¬UND¬MIT¬ bar) Stilllegung der Bahnstrecke trotz starken Güterverkehrs nach Meuselwitz Stilllegung 2002 Sperrung 2000 (illegale) Technische und Stilllegung 2004 Rückbau von Gleisen im Rahmen ESTW -

Wählitz

Belzig

- —

— Bochum

Hamburg Meuselwitz —

Spremberg

Meiningen

— —

Gießen

— Güter

Güsten Dortmund Gbf. —

— —

Strecke Cuxhaven Großkorbetha Siegen Eisenach Bad Blankenstein Harz-Weser-Netz (ESTW Ottbergen) Rheinische Bahn Duis burg-Wedau Essen-Kray Nord Belzig glück Altenburg Spreewitz Brandenburg Stendal

94 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 - - - - - Stilllegung genehmigt und vollzogen. Besonders EKLATANTER¬&ALL¬DER¬6ERLETZUNG¬DER¬"ETRIEBSPmICHT¬ Oder umgekehrt eine Illust aus der Infrastruktur. RATION ¬WIE¬SCHWACH¬DIE¬GESETZLICHE¬6ERPmICHTUNG¬ zur Erhaltung der Bundesinfrastruktur ist. Regionalisierung verhindert, er Stilllegung durch HEBLICHE¬lNANZIELLE¬,ASTEN¬FàR¬DEN¬&REISTAAT¬4Hà ringen Regionalisierung verhindert, er Stilllegung durch HEBLICHE¬lNANZIELLE¬,ASTEN¬FàR¬DEN¬&REISTAAT¬4Hà ringen EBA genehmigt und vollzogen, Stilllegung durch Reaktivierungsbemühungen DRE werden vom Land nicht unterstützt EBA genehmigt und vollzogen, Stilllegung durch Strecke teilweise rückgebaut EBA genehmigt und vollzogen Stilllegung durch EBA genehmigt und vollzogen, Stilllegung durch Strecken bereits abgebunden DRE durch Weiterbetrieb Sägewerk durch Weiterbetrieb als kommunale Infrastruktur Weiterbetrieb Status - - - - – - - - -

- - - - Tschechi

Regio vertrag

Amsterdam) als

—) Dresden

Lothringen (Rbf. Woippy), obwohl Lothringen (Rbf. Woippy),

— Netz diese Strecke stillgelegt, nachdem

Stilllegung trotz langfristiger SPNV-Bestellungen Stilllegung trotz langfristiger SPNV-Bestellungen versucht Auswirkung Faktische Stilllegung trotz langfristiger SPNV-Bestel lungen zudem erheb Erhebliche Umwege im Güterverkehr, liche Kapazitätsengpässe auf der einzig verbliebe nen Strecke ins Thüringer Oberland über Saalfeld Zweigleisige Strecke ist eine wichtige Entlastungs strecke zur bereits erheblich überlasteten Zufüh rungsstrecke zur Betuwe-Route über Oberhausen Emmerich, die sowohl mit Güterverkehr als auch mit Fernverkehr (ICE Frankfurt auch mit SPNV (bis zu drei Züge pro Stunde) ex trem ausgelastet ist. Stilllegung der zweigleisigen elektrifzierten Route Saarbrücken zu einzige Ausweichroute zu dem im ICE-Verkehr nehmend beanspruchten Grenzübergang Forbach und Strecken sind wichtige Verbindungsstrecken stellen bei nicht seltenem Hochwasser die einzigen Umleitungsstrecken in der international sehr wich tigen Relation (Hamburg en dar Stilllegung laut EBA-Liste trotz bestehenden Güter verkehrs (Tanklager) Stilllegung laut EBA-Liste trotz bestehenden Güter verkehrs zum Sägewerk Stilllegung laut EBA-Liste trotz örtlichen Bedarfs Obwohl auf der Kyffhäuserbahn DB LICH¬BIS¬¬ZUR¬6ERKEHRSDURCHFàHRUNG¬VERPmICHTET¬ hat DB war, die Forderung nach einer 20jährigen Bestellgarantie gescheitert war -

Netz, Übernahme Netz

Stilllegung 2005 angedroht. Übernahme Thüringer Eisenbahn 2005 durch Maßnahme (illegale) Technische Sperrung 1999 und Abgabe an (illegale) Technische Thüringer Eisenbahn 2001 DB Stilllegung 2004 durch DRE im stillgelegten Zustand durch Stilllegung 1999 (zweigleisige, grenzüberschreiten de Strecke D/NL) Stilllegung 2003 Stilllegung 2007 Stilllegung 2007 Stilllegung 2007 Stilllegung 2005 Stilllegung 2005 durch DB Stilllegung 2005 durch -

Überhern

Groherngen —

Wilthen und Wilthen —

Dürrröhrsdorf —

Sonne Unterlemnitz

— Nijmegen

Rhäsa

Probstzella

— —

Strecke Eisfeld berg Straußfurt Triptis Kleve Völklingen Bautzen Arndorf Riesa Deggendorf Hengersberg Hohennebra Menteroda Bretleben Sondershausen

Schienengüterverkehr 95

Bahn diskutiert - Weiterbetrieb als kommunale Infrastruktur Weiterbetrieb DRE mit Landeshilfe Reaktivierung 2007 durch kommunale/ Reaktivierung durch private Ablachtalbahn EBA genehmigt und vollzogen Stilllegung durch PEG gesichert zunächst durch Weiterbetrieb Chemnitzer Regio Infra Service Übernahme durch (Kommunalbahn) im stillgelegten Zustand EBA genehmigt und vollzogen Stilllegung durch Rurtalbahn durch Weiterbetrieb Museumsbahn Reaktivierung durch EBA genehmigt und vollzogen, Stilllegung durch Reaktivierungspläne vor Ort vorhanden EBA genehmigt und vollzogen, Stilllegung durch Reaktivierung im Zuge S EBA genehmigt und vollzogen Stilllegung durch Kommune beschlossen Reaktivierung durch Strecke zunächst erhalten EBA genehmigt und vollzogen Stilllegung durch EBA genehmigt und vollzogen Stilllegung durch Status ------– Rostock dar, zudem örtliches Güterpotenzial – Rostock dar,

Auswirkung Stilllegung trotz Bedarfs für Zuckerfabrik Stilllegung trotz erheblichen Bedarfs im Kiesverkehr und örtlicher Metallwerke Stilllegung trotz örtlichen Bedarfs und engagierter örtlicher Güterbahn Strecke stellt insgesamt wichtige Ausweichroute Berlin Strecke ist Bestandteil des Chemnitzer Modells Umwege für den Güterverkehr von/nach Seligen städt (Wismut) Erhebliche Umwege für Güterverkehr zum Industrie park Zülpich Stilllegung trotz erheblichen Güterverkehrs (Toner de), Umwege nun über Limburg Erhebliche Umwege zur Bedienung Sulingen Rich tung Seehäfen Erhebliche Umwege bei Anbindung Industriestand ort Zweibrücken Stilllegung nach abbestelltem SPNV trotz bestehen den Güterverkehrs; Umweg von Wählitz nun über Großkorbetha Stilllegung trotz bestehenden Güterverkehrsbedarfs in Pfullendorf zur Anbindung des Glas Abgabe an WEG (Veolia) werks Stilllegung trotz hoher Industrieballung Stilllegung trotz erheblicher Industrieballung Stllllegung trotz erheblichen Bedarfs für Industrie park Zörbig

– Neustadt 2006;

Maßnahme Stilllegung 2003 Stilllegung 2004 Stilllegung 2003 Stilllegung Rathenow PEG Übernahme der restlichen Strecke durch Stilllegung 2001 Stilllegung 2000 Stilllegung 1998 Stilllegung 1999 Stilllegung 1997 Stilllegung 1996 Stilllegung 1999 Stilllegung 2004 Abgabe 2005 Stilllegung 1999 Stilllegung 1995/1999 Stilllegung 2004

-

— Seli

Eisleben —

— Pfullendorf

Neustadt

Hainichen Zörbig

Karow

Werdau Bassum

Velbert

Bad Wurzach

Siershahn — — —

Zülpich — Homberg —

— —

Strecke Blumenberg Stockach Schwackenreute Treysa Rathenow Pritzwalk Rosswein Wünschendorf genstädt Düren Engers Sulingen Homburg Zweibrücken Leipzig-Plagewitz Pörsten Altshausen Roßberg Höchst/Odw. Neustadt Wülfrath Heiligenhaus Bitterfeld

96 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009

Kapitelbild: Abendstimmung am Gleis 9, Frankfurt Hbf 4 Schienenpersonenfernverkehr

4.1 Stand des Wettbewerbs che Kategorie fällt die Überführungsfahrt 2009: Außer Konkurrenz von Leipzig nach Bischofswerda, die Veolia im Rahmen ihrer SPNV-Aktivität als „eigen- wirtschaftlichen Zwischenast“ knapp zwei Im Schienenpersonenfernverkehr agiert Jahre anbot. Komplettiert wird die Liste die DB AG nahezu ohne Konkurrenz auf durch den Zug der Eurobahn, der Anfang der Schiene. Seit dem Beginn der Bahnre- 2001 schon nach weniger als drei Mona- form 1994 liegt ihr Marktanteil konstant ten aufgeben musste. über 99 %.

Trotz – formal – offenen Marktzugangs lässt sich die Zahl der Markteintrittsver- suche DB-fremder Unternehmen an zwei Abbildung 34: Händen abzählen. Rechnet man den nur Marktanteile an der teilweise eigenwirtschaftlichen HarzBerlin- Verkehrsleistung im Express hinzu, sind bislang magere acht SPFV in Deutschland Markteintrittsversuche Dritter binnen 15 2008 Jahren Liberalisierung zu verzeichnen. Von ihnen wurden vier bereits wieder einge- in % der Pkm stellt. Eine weitere Betriebsaufnahme ist für den Sommer dieses Jahres angekündigt, Quelle: eigene Berechnungen und zwar ein Nachtzug zwischen Stuttgart und Berlin (einmal pro Woche). Bis dato überlebt haben der InterConnex zwischen Leipzig und Warnemünde, der als Zu den gescheiterten Versuchen zählt Pilotzug im März 2009 sein siebenjähriges der InterConnex III auf der Verbindung Bestehen feierte, sowie der Nachtzug von Köln — Rostock, der am 27.10.2003 nach GVG Verkehrsorganisation zwischen Berlin weniger als fünf Monaten wieder einge- und Malmö. Stark bedroht ist dagegen der stellt wurde. Das zweite misslungene Expe- Vogtlandexpress zwischen Plauen und Ber- riment ist der OstseelandExpress zwischen lin. Ihn stellte Arriva am 16.2.2009 nach Dresden und Stralsund, den Veolia Verkehr vierjähriger Erprobung wegen mangelnder Ende 2006 vom Netz nahm. In die glei- Wirtschaftlichkeit vorübergehend ein, ehe

Von Bis Produkt Linie EVU Frequenz Status

9/2000 heute Berlin Night Berlin — Malmö GVG Georg Ver- 1.4.–1.11. fährt Express kehrsorganisation 2x/Woche, z.T. täglich 12/2000 2/2001 Bielefeld — Köln Eurobahn 2 Zugpaare eingestellt (heute Keolis) pro Woche 3/2002 heute InterConnex I (Gera —) Leipzig — OstseelandBahn 2 Zugpaare fährt Berlin — Rostock — (Veolia Verkehr) pro Tag, da- Warnemünde von 1 nur Leip- zig — Berlin 12/2002 12/2006 InterConnex II (Liberec —) Dresden/ Veolia Verkehr 1 Zugpaar an eingestellt (Ostseeland - Zittau — Stralsund 2 oder 3 Tagen Express) (— Binz) 6/2003 10/2003 InterConnex III (Neuss —) Köln — Connex (heute 1 Zugpaar eingestellt Rostock Veolia Verkehr) pro Tag 6/2005 heute Vogtland- Plauen — Berlin Vogtlandbahn 1 Zugpaar fährt Express (Arriva) pro Tag (wieder) 12/2005 heute Harz-Berlin- Vienenburg/Thale — Veolia Verkehr 3 Zugpaare fährt Abbildung 35: Express Berlin Sachsen-Anhalt pro Woche Markteinstiegsver- (nur östl. von Genthin suche im SPFV in eigenwirtschaftlich) Deutschland 1994– 3/2006 12/2008 Lausitz-Express Leipzig — Bischofs- Connex Sachsen 1 Zugpaar eingestellt 2009 werda (Veolia Verkehr) Mo.-Sa. 6/2009 Nacht-im-Zug Stuttgart — Berlin Reisezug-Ver- 1 Zug angekün- Quelle: kehrsgesellschaft pro Woche digt eigene Darstellung

Schienenpersonenfernverkehr 99 das Unternehmen die Entscheidung zum Angesichts der wenigen sporadischen 8.4.2009 nach intensiven Debatten mit Farbtupfer von echtem Wettbewerb im den betroffenen Regionen revidierte. Al- SPFV zu sprechen wäre euphemistisch. lerdings bleibt abzuwarten, ob sich die Er- Während der Luftverkehrsmarkt durch das tragslage tatsächlich verbessern lässt. +ONZEPT¬DER¬u"ILLIGmIEGERh¬AUF¬LUKRATIVEN¬ Hauptrelationen revolutioniert wurde, ist Angeboten wird auch der Harz-Berlin- eine solche Entwicklung auf der Schiene Express, den Veolia allerdings nur östlich bislang nicht eingetreten – jedenfalls nicht von Genthin – also außerhalb Sachsen- in Deutschland. Ansätze hierzu sind ledig- Anhalts – eigenwirtschaftlich betreibt. In lich in Italien mit den von der neugegrün- Sachsen-Anhalt handelt es sich um be- deten italienischen Bahngesellschaft NTV stellten Nahverkehr. Da Mischkalkulatio- bestellten 20 AGV-Hochgeschwindigkeits- nen kaum zu objektivieren sind, zählt diese zügen zu beobachten oder in Österreich Verbindung nur unter Vorbehalt zum SPFV, mit den Doppelstocktriebzügen. auch wenn sie von der Entfernung her dort hineingehört. Systematisch zeigt sich, dass es nicht an Ideen mangelt, sondern die DB AG als inte-

Das Scheitern des InterConnex III – Fehlanreize allerorten

Analysiert man die wesentlichen Gründe, warum Veolia Verkehr (damals Connex) den drit- ten InterConnex-Zug bereits nach wenigen Monaten zurück in den Betriebshof und kurze Zeit später nach Schleswig-Holstein beorderte, offenbaren sich mehrere Anreizmängel, die für das Verständnis der Wettbewerbsprobleme im SPFV hilfreich sind. Hierzu zählen:

ƒ Zu kleine Fahrzeugeinheiten wie die aus dem SPNV-Geschäft stammenden Dieseltrieb- WAGENKÚNNENIM&ERNVERKEHRKAUMPROlTABELBETRIEBENWERDEN$AGEGENSTEHTDIE Höhe der Trassen- und Stationspreise, die selbst bei Nicht-Takttrassen rund drei Euro je Zkm ausmachen und keine Rücksicht auf den geringeren Verschleiß durch leichtere Fahr- zeuge nehmen. ƒ Unattraktive Fahrzeiten nimmt der Fahrgast auch dann nicht an, wenn das Produkt deutlich günstiger ist. Der InterConnex III war von Köln nach Berlin über neun Stunden unterwegs. Damit brauchte er fünf Stunden länger als die Fernverkehrszüge der DB AG. Die Ursache des Zeitbedarfs wurzelte nicht nur im Umweg, sondern auch im Angebot betrieblich unattraktiver Trassen. Alle anderen Züge hatten Vorrang, selbst viele Güter- züge. ƒ Die DB AG weigerte sich zunächst, Auskunft über die Züge an den Bahnhöfen, im Inter- netfahrplan und im Kursbuch zu erteilen. Das Landgericht Berlin erklärte diese Praxis für illegal [Urteil vom 27.4.2004, 02 O 64/03 (Kart)], dennoch erreichte die DB AG ihr Ziel, den Start des Konkurrenten zu erschweren. ƒ Auch im Vertriebssystem sollte der Zug der Konkurrenz nicht auftauchen, obschon die DB AG das einzige Unternehmen mit Verkaufsstellen in Bahnhöfen ist. Zugleich verbietet DB Station & Service allen Bahnhofsmietern wie Zeitschriftenläden, Fahrausweise zu ver- kaufen. Kartellrechtlich erscheint diese Vorgabe bedenklich. ƒ Connex vermarktete den InterConnex mit dem einprägsamen Kürzel ICx. Die DB AG zog dagegen vor Gericht, weil es mit der eingetragenen Marke IC verwechselt werden könne. ƒ Markteintritte mit einem oder zwei Zugpaaren am Tag sind insofern problematisch, als der Marketingaufwand für die Bekanntmachung des Produktes von vornherein in einem schlechten Verhältnis zum möglichen Umsatz steht. Erst wenn die Frequenz ausgeweitet wird, kann die Degression der Fixkosten greifen. ƒ Kurz nachdem Connex zeitgleich den Flex der pleite gegangenen NNVG auf der Strecke Hamburg — Flesburg (— Padborg) übernommen hatte, stellte sich heraus, dass die dort eingesetzten Fahrzeuge Mängel aufwiesen. Connex entschied daraufhin, die Fahrzeuge des InterConnex III in Schleswig-Holstein einzusetzen. Letztlich offenbaren sich hier er- neut die Konsequenzen des Anreizdefektes zwischen eigenwirtschaftlichem Fernverkehr und bestelltem Nahverkehr.

100 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 griertes Unternehmen bisher effektive He- Entscheidung des Eisenbahn-Bundes- bel hat, um die Kalkulation der Wettbewer- amtes, die auf die Durchführung eines ber in diesem ohnehin margenschwachen Höchstpreisverfahrens hinauslief, kipp- Segment durch den Aufbau von Risiken te anschließend die DB AG im Rechts- zu „zerschießen“ oder aber den Zugang schutz vor dem Verwaltungsgericht in zu den erforderlichen Trassen (indirekt) zu Köln (Pressemeldung vom 17.12.2002), blockieren. Drei Beispiele aus dem Zeit- das – wahrscheinlich ohne eisenbahn- raum 2002 bis 2007 sind: betriebliche Kenntnisse – die Trassen- konstruktion von DB Netz bestätigte. ƒ Connex (heute Veolia Verkehr) hatte in ƒ Arriva (Länderbahn) übernahm 2007 der Marschbahn-Ausschreibung (Ham- die Verbindung München — Hof, auf burg — Westerland) angeboten, täglich der die DB AG zuvor den InterRegio zwei bis drei Züge nach Köln und/oder gestrichen hatte. In der Tradition des Berlin — Dresden zu verlängern. Damit von der DB AG betriebenen Vier-Län- wäre die großräumige Anbindung der der-Expresses spielte Arriva mit dem Westküste und von Sylt auch jenseits Gedanken, einen Teil seiner Züge bis des Fernverkehrs der DB AG gesichert Leipzig oder Berlin zu verlängern. Ob- gewesen. Das Ansinnen scheiterte aber wohl DB Regio an dem verbliebe- an DB Netz, die sich nicht in der Lage nen nachfrageschwachen Abschnitt sah, Züge zum Hamburger Hauptbahn- Hof — Gera — Leipzig bei zehn Euro Be- hof durchzubinden. stellentgelt je Zkm kein gesteigertes In- ƒ Das gleiche Schicksal ereilte die Initi- teresse haben dürfte, weigerte sich das ative der Connex-Tochter NordWest- Unternehmen, diese Strecke vorzeitig Bahn, die 2002 auf der Strecke Osna- für die Bestellung durch die Länder frei- brück — Hannover eigenwirtschaftliche zugeben. Befürchtet wurde offenbar, Fernzüge betreiben wollte. Der Plan dass die Arriva-Züge eine echte Konkur- sah vor, jene Trassen zu übernehmen, renz darstellen würden. Zwar wären sie die infolge der gestrichenen InterRe- mit einer Fahrzeit unter acht Stunden gio-Verbindung der DB AG frei gewor- bis Berlin zwei Stunden langsamer als den sein mussten. DB Netz begründete die DB AG, aber wahrscheinlich deut- die Ablehnung eines Trassenangebotes lich preiswerter als der ICE (113 Euro damit, dass alle Trassen bereits durch Einzelfahrt). Nah- und Fernzüge belegt seien. Eine

Schienenpersonenfernverkehr 101 4.2 Prognose bis 2015 Keine Erklärung für das Beharrungsver- mögen des DB-Monopols liefern Thesen, Werden die gegenwärtig geltenden Rah- die die Kapitalintensität des SPFV als Ein- menbedingungen nicht zeitnah wettbe- stiegshindernis nennen oder eine gene- werbsfreundlicher gestaltet, wird das Mo- relle Margenschwäche anführen. Weder nopol der DB AG mindestens bis 2015 schrecken dreistellige Millionenbeträge für unangetastet bleiben. Einzelne Testballons Fahrzeuginvestitionen per se ab, noch trifft der Wettbewerber wie solitäre Verbindun- es zu, dass auf keiner Relation im Fernver- gen mit ein bis drei Zugpaaren oder ver- kehr Geld zu verdienen sei. Der entschei- längerte Äste von bestellten Nahverkehren, dende Grund für die Zurückhaltung der die auf eigenes Risiko getragen werden, Wettbewerber liegt darin, dass aufgrund können weiterhin sporadisch aufsteigen. der Integration der EIU rund 35 % der we- Ein echtes Konkurrenzangebot mit System- sentlichen Kostentreiber von ihrem unmit- charakter – etwa einem Taktverkehr, der telbaren Konkurrenten gesteuert werden. bei der Trassenvergabe Chancen hätte, die Bildlich gesprochen hängen die potenziel- DB AG zu verdrängen – ist derzeit jedoch len Einsteiger in den SPFV am Gängelband nicht realistisch. des Marktführers.

Auch die nächste Stufe der Liberalisie- rung des internationalen Personenverkehrs

Die Schimäre von der Liberalisierung 2010 – Lehren aus dem Frankreich-Abenteuer

Seit dem 10. Juni 2007 sind Frankreich und Deutschland auf der Schiene unter großer me- dialer Anteilnahme näher aneinandergerückt. Im Gleichschritt nahmen die DB AG und die SNCF den Hochgeschwindigkeitsverkehr zwischen Frankfurt/Stuttgart und Paris auf, der die Reisezeit von über sechs auf unter vier Stunden verkürzt. Während die DB AG täglich fünf ICE-Zugpaare auf dem nördlichen Ast („POS-Nord“) über Kaiserslautern und Saarbrücken in die Hauptstadt des Nachbarlandes schickt, fährt der TGV der SNCF fünf Mal am Tag von Paris entlang der Südstrecke („POS-Süd“) über Straßburg und Karlsruhe nach Stuttgart und zurück. Ein Zugpaar wird nach München durchgebunden.

Obgleich die DB AG in der Außendarstellung das neue Produkt als Erfolg feiert, darf die- ser in kommerzieller Hinsicht bezweifelt werden. Hieran sind zum einen die hohen Vorlauf- kosten der internationalen Einsatzfähigkeit des ICE schuld. So hat der technisch bedingte Umbau jedes Zuges acht Mio. Euro gekostet, indem sechs verschiedene Stromabnehmer und zusätzliche Brems- und Zugsicherungssysteme montiert wurden. Bei sechs Fahrzeugen (ein Reservefahrzeug) schlugen somit 48 Mio. Euro Umrüstkosten zu Buche. Darüber hin- aus verursachte das komplizierte Zulassungsprocedere weitere Aufwendungen in Höhe von 28 Mio. Euro, von denen allein die Übersetzung der Zulassungsdetails über eine Mio. Euro gekostet haben soll.

Insgesamt beläuft sich der Investitionsaufwand für das Hightech-Abenteuer auf zusätzli- che 76 Mio. Euro. Nach normalen Maßstäben sind diese Mehraufwendungen nicht zu ver- dienen.

Im Unterschied zu den sechs Fahrzeugen der DB AG kann die SNCF auf einen Pool von 28 für Deutschland und die Schweiz geeigneten TGV zurückgreifen. Da sie im Rahmen der normalen Bestellrhythmen gleich mit bei Alstom geordert wurden, ging die Zulassung un- spektakulär über die Bühne, während Siemens und DB AG die vierjährige Testphase auf französischen Schnellfahrstrecken als große deutsche Ingenieurleistung hervorhoben.

Der Erfolg am Fahrgastmarkt ist derzeit noch mit vielen Fragezeichen zu versehen. Insge- samt sollten in beiden Zug-Typen 1,5 Mio. Fahrgäste befördert und 100 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet werden. Die Zwischenbilanz vermeldet bis dato eine Mio. Fahrgäste, aller- dings wäre ein abschließendes Urteil verfrüht.

102 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 2010 wird keinen¬SIGNIlKANTEN¬3CHUB¬ bindungen, die Mitte der 1990er Jahre an- auslösen. Vielfach ist damit die Vorstel- geboten worden waren. lung verknüpft, die DB AG greife mit ihrem ICE demnächst die SNCF auf deren Pa- Tatsächlich steht zu erwarten, dass die radestrecke Paris — Lyon an, oder umge- Staatsbahnen ihre Strategie beibehalten kehrt nehme der TGV der Franzosen Kurs werden, im Wesentlichen auf Kooperation auf Berlin — Hamburg (was in Deutsch- unter ihresgleichen statt Konfrontation zu land formal schon seit längerem möglich setzen. Jeder Vorstoß in die Domäne des ist). Dabei wird die zentrale Einschränkung Anderen würde als „unfreundlicher Akt“ des EU-Rechts übersehen, dass die Markt- aufgefasst, der einen Gegenschlag zur Fol- öffnung sich ausschließlich auf grenzüber- ge hätte. Die Wahrscheinlichkeit wäre für schreitende Verkehre nebst darin einge- beide Seiten hoch, im Verdrängungswett- bundener Inlandsbeförderung (Kabotage) bewerb „symmetrisch“ zu verlieren, in- bezieht. Quantitativ sind dies nach unseren dem bei beiden Konkurrenten der negative Berechnungen weniger als 5 % des Fern- Preis- den positiven Mengeneffekt überla- verkehrsumsatzes der DB AG. Überdies ist gert. Hiervon abgesehen ist auch nicht er- DIESES¬'ESCHËFT¬TENDENZIELL¬RàCKLËUlG¬3O¬ kennbar, wie die DB AG diese Expansion verkehren heute im grenzüberschreitenden fahrzeugseitig bewältigen sollte. Fernverkehr nur noch etwa 60 % der Ver-

Betrieblich erweist sich allein der deutsche ICE als Schwachpunkt. So standen im reisein- tensiven Herbst 2007 zeitweise nur zwei frankreichfähige ICE zur Verfügung, so dass min- destens ein TGV über mehrere Wochen einen ganzen Umlauf übernehmen musste. Vie- le Zugläufe wurden in Saarbrücken gebrochen, um die frankreichtauglichen ICE auf den Streckenabschnitt Paris – Saarbrücken zu konzentrieren. In mindestens acht Fällen wurde 2007 der ICE zwischen Paris und Saarbrücken ganz gestrichen und durch einen Bus (!) er- setzt. Verspätungen von drei Stunden waren die Folge. Aktuell wiederholt sich der Nachbar- schaftsdienst, von April bis mindestens Dezember übernimmt der TGV erneut einen Umlauf des ICE. Beobachter sprechen davon, dass gerade auf der Frankfurt-Route der ICE erheblich an Sympathie eingebüßt habe, da er nicht zuverlässig sei.

Konträr dazu fährt der TGV auf der Südroute ohne Probleme. Zwischen Paris und Straß- burg vermeldet die SNCF bereits jetzt 3,2 Mio. Fahrgäste. Damit ist Straßburg nach Lyon und Marseille zum drittstärksten Bahnhof in Frankreich außerhalb Paris aufgestiegen. Die Zahl der Fluggäste am Flughafen Straßburg sank von 2,1 auf 1,4 Mio. Auch nach Stuttgart scheint der TGV ein stabiler Erfolg zu sein, wie die Streichung von Flugverbindungen nahe- legt. Nach Frankfurt hat sich das Flugangebot hingegen bisher kaum geändert.

Die Tücken des Auslandsengagements machen deutlich, dass die Marktöffnung im grenz- überschreitenden SPFV ab 2010 zu relativieren ist. Allein ressourcenseitig zeigt sich, dass die DB AG hierzu auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein wird. Die 2008 ausgelöste Bestel- lung von 15 mehrsystemfähigen ICE greift für eine breite Expansion viel zu kurz. Vielmehr ist sie darauf ausgelegt, das Erfolgsmodell der Franzosen zu kopieren. Diese operieren mit Doppelstockzügen und Doppeleinheiten an Zügen, um die teuren (und im Zulauf auf Paris hochbelasteten) Schnellfahrstrecken besser auszulasten. Aus diesem Grund betreiben der- zeit aktuell sowohl die DB AG als auch die SNCF die Zulassung ihrer Triebwagen für Doppel- traktion im anderen Land.

Mittelfristig ist es daher kaum vorstellbar, dass die DB AG mit Soloeinheiten des ICE 3 "AUREIHE DIE:IELEIN!MSTERDAM "RàSSELUND0ARISPROlTABELANSTEUERNKANN3OLLTEN künftig alle derzeit bestehenden internationalen Verbindungen mit ICE 3 in Doppeltraktion bedient werden, benötigte die DB AG allein hierfür neun Fahrzeuge (drei Paris, drei Amster- dam, zwei Brüssel, eines als Reserve). Daneben soll die heute bestehende, im 2h-Takt be- diente IC-Linie Berlin — Amsterdam auf ICE 3 umgestellt werden, wofür sieben ICE-Einheiten und ein Reservefahrzeug zur Verfügung stehen müssen. Bereits diese Kapazitätsausweitung reicht aus, um die Erweiterung des Fahrzeugbestandes aufzuzehren. Vor diesem Hinter- grund müssen Ankündigungen der DB AG, ab 2010 nach Barcelona zu fahren, als fragwür- dig angesehen werden.

Schienenpersonenfernverkehr 103 4.3 TOP-Hindernis 1: Fiktion Dienst gestellt wurden. Hier schlagen der Eigenwirtschaftlichkeit lediglich die Umrüstkosten zu Buche, die sich laut DB AG auf drei Mio. Euro pro Zug beliefen. Selbst der ICE 2 müss- Im Zuge der Bahnreform hat sich die te bereits dem Ende des Abschreibungs- Trennlinie im Personenverkehr eingebür- zeitraums entgegensehen. gert, dass der Fernverkehr eigenwirtschaft- lich ist, wohingegen der nicht kosten- Null Euro Aufwand bei voller Erlöswir- deckende Nahverkehr bestellt werden kung ist ein betriebswirtschaftlicher Ide- muss. Die Reiseweite soll demnach streng alzustand, der nur so lange anhält, wie mit ihrer Wirtschaftlichkeit korreliert sein. die Ersatzbeschaffung noch hinausgezö- Folgerichtig müssen Fernverkehrsanbieter gert werden kann. Das Ende dieser Pha- ihre Rendite ohne staatliche Unterstützung se, die im Equity Report von Morgan erzielen. Stanley 2008 mit „capex holiday boosts CASH mOWh begrüßt wird, ist bereits in Die Ergebniskurve der DB AG scheint das Sichtweite. Ab 2014 muss die DB AG Wirtschaftlichkeitsgebot zu stützen. Nach die dann 40 Jahre alten IC und wahr- dem dramatischen Einbruch 2003, als die scheinlich auch den ICE 1 gegen neue DB AG im Fernverkehr aufgrund der miss- Fahrzeuge sukzessive austauschen. glückten Einführung des Preissystems PEP Sobald aber Abschreibungs- und Zins- einen Verlust von 460 Mio. Euro erzielte, aufwand (je nach Finanzierungsart) sich ist das Segmentergebnis wieder in die Ge- kumulativ aufbauen (ca. 100 Mio. Euro winnzone gedreht. 2008 lag der Über- mehr als heute), kippt die temporär schuss bei rund 300 Mio. Euro, womit er entlastete Linienerfolgsrechnung der sich im Vergleich zum bereinigten Vorjah- meisten IC-Verbindungen ins Negative. reswert fast verdoppelte. Funktionierten Ohne Kürzung des Angebotes wird der die üblichen Marktmechanismen, müsste Gewinn der Fernverkehrssparte deutlich ein derart attraktives Geschäftsfeld umge- unter die Vorgabe von 14 % ROCE sin- hend zahlreiche Interessenten anlocken. ken, es sei denn die Kostensteigerung könnte vollständig auf den Nachfrager Tatsächlich wird jedoch kein Run der überwälzt werden. Wettbewerbsbahnen auf den Fernverkehr einsetzen. Schuld ist die formale Vorgabe ƒ Die Nutzungsentgelte des SPFV sind der Eigenwirtschaftlichkeit. Diese ist künstlich niedrig gehalten, vor allem für Hochgeschwindigkeitsverkehre. Die ƒ ökonomisch gesehen ein Artefakt Struktur der Entgelte – und damit die und vor allem Höhe des Trassenpreises für die fern- verkehrsrelevanten Trassenkategorien – ƒ nur von der DB AG als integriertem steht in keinem vernünftigen Zusam- Unternehmen gestaltbar. menhang zu den jeweils verursachten Kosten (vgl. Kapitel 5.2.3 auf Seite Künstlich oder „geliehen“ ist die Eigen- 129). Das Trassenpreissystem ist nicht wirtschaftlichkeit insofern, als das heutige kostenbasiert, sondern wird retrograd Ergebnis der Sparte deutlich schlechter von hinten aus Konzernsicht bestimmt. AUSlELE ¬WENN¬MEHR¬+OSTENWAHRHEIT¬IM¬ Korrigiert der Regulierer eines Tages SPFV herrschte und begünstigende Son- diesen Missstand, muss der SPFV erheb- dereffekte bereinigt würden. Dazu zählen: liche Zusatzbelastungen verkraften. ƒ Die gesamte IC-Flotte der DB AG – die ƒ Die Einnahmen zwischen Fern- und 2008 knapp 30 % der Verkehrsleistung Nahverkehr werden eindeutig überpro- abwickelte und 43 % aller Reisenden im portional zugunsten des Fernverkehrs SPFV beförderte – verursacht zur Zeit aufgeteilt, indem die gesamte Degressi- einen Abschreibungsaufwand von null. on des Fernverkehrstarifs dem Nahver- Angeschafft zu Bundesbahnzeiten zwi- kehr aufgebürdet wird. Beispiel: Wäh- schen 1972 und 1992 sind die Fahr- rend eine Fahrt im Fernverkehr über zeuge seit längerem nicht mehr in den 500 km etwa 100 Euro kostet, steigt der Büchern verzeichnet (von Redesignkos- Preis für 600 km einschließlich des 100 ten ggf. abgesehen), obschon sie tech- km langen Nachlaufs im Nahverkehr nisch unverändert leistungsfähig sind. nicht etwa linear auf 120 Euro, sondern Das Gleiche gilt für die 59 Züge des ICE nur noch auf 110 Euro. Dies hat zur Fol- 1, die Anfang der 1990er Jahre in den ge, dass der Nahverkehr für den Vor-/

104 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Nachlauf auf diese 100 km nicht mehr Fernverkehr zu vermuten, der den er- 20 Euro, sondern nur noch 10 Euro er- gebnisschwachen Zweig begünstigt. hält. Obgleich die Fernverkehrstarife erheb- Betriebswirtschaftlich ist es dagegen lich beratungsintensiver als der Verkauf üblich, die Degression auf alle Netz- von Nahverkehrsfahrausweisen sind, werkkomponenten gleichzuverteilen, wird nach – unbestätigten – Informa- weil der Nahverkehr dem Fernverkehr tionen der personalbediente Vertrieb wichtige Zubringerdienste leistet, d.h. im Fern- und Nahverkehr annähernd das eine Standbein ohne das andere in gleichbelastet. Diese Schlussfolgerung seinem Wert geschmälert wird. So ist drängt sich insofern auf, als DB Ver- bekannt, dass z. B. die Lufthansa erheb- trieb vor den NE-Bahnen die hohen liche Anteile aus Interkontinentaltickets Kos ten im personalbedienten Vertrieb àBER¬IHRE¬(UBS¬AN¬DIE¬:UBRINGERmàGE¬ mit entsprechendem Zeitaufwand für weiterreicht. Nähme sie eine lineare den Beratungs- und Verkaufsvorgang Aufteilung vor, die auf Flugkilometern rechtfertigt. Eine sachgerechte Kosten- basiert, wären nur die wenigsten Hub- zuordnung müsste aber den SPNV so- :UBRINGERmàGE¬DER¬,UFTHANSA¬WIRT- wohl im Einzelverkauf als auch im Vor-/ schaftlich. Nachlauf unterdurchschnittlich belas- ten. Im obigen Beispiel hieße eine lineare Aufteilung, jeden Kilometer intern mit ƒ Die Gewinnsteigerung der letzten Jah- 18,33 Eurocent statt 10 Eurocent zu re beruht im Wesentlichen auf einer entgelten (110 Euro auf 600 km). Hochpreisstrategie, gepaart mit der ungeplant günstigen Entwicklung der ƒ Auch bei den Vertriebskosten ist ein Kraftstoffpreise beim wichtigsten Kon- Umlageschlüssel zwischen Nah- und kurrenten Pkw (Benzinpreis 1,50 Euro pro Liter Mitte 2008). Hierzu musste die DB AG die Fahrpreise jährlich deutlich Das Beispiel OBERHALB¬DER¬)NmATIONSRATE¬ERHÚHEN¬/B¬ Berlin — Hamburg dieses Kalkül langfristig aufgeht, bleibt abzuwarten, zumal dann das Risiko ei- Auf der Strecke Berlin — Hamburg, die nes Markteintritts Dritter zunimmt. in die Kategorie F1 des Trassenpreissys- ƒ Der Fernverkehr auf der Schiene wird tems fällt, zahlen SPFV und SPNV jeweils seit 1934 durch das Recht des Erstzu- den gleichen Trassenpreis von 6,95 Euro griffs der damaligen Reichsbahn und je Trkm. Bildeten die Trassenpreise annä- Reichspost auf den Busverkehr ge- hernd die reale Kostenstruktur der schie- schützt. Auf der Basis dieses Flanken- neninternen Segmente ab, müsste der schutzes baute die Reichsbahn einen Trassenpreis des SPFV grob geschätzt eigenen Busverkehr auf, teilweise paral- mindestens dreimal so hoch wie der des lel zu eigenen Strecken im Fernverkehr. Nahverkehrs ausfallen. Denn der ICE ver- 1961 wurde das Verbot der Doppel- braucht dreimal so hohe Kapazitäten wie bedienung im Personenbeförderungs- der Regionalzug oder der Güterverkehr, gesetz verankert, das die Liberalisierung benötigt zahlreiche kostspielige Sonderein- des Luft- und des Schienenverkehrs bis richtungen wie LZB, eine besondere Ober- heute überdauert hat. Damit wird die leitung, Hochgeschwindigkeitsweichen Fiktion aufrechterhalten, dass eine be- sowie Sicherheitseinrichtungen an den stehende Bahnverbindung im Fernver- Bahnhöfen. Demnach müsste das Tras- kehr verlässlich angeboten wird, ob- senentgelt des ICE 10,43 Euro je Trkm be- wohl sie empirisch belegt binnen drei tragen, während RE/RB nur 3,48 Euro be- Tagen gestrichen werden kann (z. B. zahlen müssten. Um die Mehrkosten beim 2003, als die DB AG auf das Debakel Fernverkehr von 3,48 Euro je Zkm gewinn- mit dem Preissystem PEP reagieren neutral aufzufangen, müssten bei bundes- musste; 2005 wurden die Sprinter wäh- weiten Durchschnittserlösen von 9,40 Eu- rend der Fahrplanperiode mit vierzehn- rocent etwa 37 Fahrgäste je Zug mehr tägiger Ankündigungsfrist vom Gleis zusteigen. Die Auslastung der heute dort genommen). Aus historischen Gründen im Wesentlichen eingesetzten siebentei- ausgenommen sind die Fernbusverkehr ligen Züge ICE T mit einer Kapazität von von und nach Berlin, die aber ebenfalls ca. 400 Sitzplätzen müsste um neun Pro- eine Domäne der DB AG sind. zentpunkte zunehmen.

Schienenpersonenfernverkehr 105 Rechtssystematisch wie wettbewerbs- Konkurrenz gefeit (Hannover — Berlin, politisch stellt sich die Frage, wie lang Stuttgart — München, Köln — Stuttgart, das Monopol des schienengebunde- Frankfurt — Hannover). Zwar wird dort nen Fernverkehrs in Händen der DB AG ein Großteil der Mobilitätskunden dem noch haltbar ist. Wenn sich der ICE zwi- ICE treu bleiben, doch reichen bereits schen Köln und Berlin der Konkurrenz Nachfrageeinbußen von 10–15 %, um in der Luft oder – zumindest de jure – die Deckungsbeitragsrechnung deutlich sogar anderer Eisenbahnverkehrsunter- zu verschlechtern. nehmen erwehren muss, ist nicht nach- ƒ Im Hinblick auf die im Sommer 2008 vollziehbar, warum dem Fernbus dies aufgetretene Achsenproblematik der verwehrt bleiben sollte. Der EU-Kom- ICE 3 und ICE-T (Baureihen 403, 406, mission ist dieses Privileg seit langem 411 und 415) zeichnet sich das Erfor- ein Dorn im Auge, weshalb die meisten dernis ab, einen Großteil der Achsen Branchenbeobachter von seiner mittel- AUSZUTAUSCHEN¬ODER¬DIE¬0RàlNTERVALLE¬ fristigen Aufhebung ausgehen. dauerhaft zu verkürzen. Zwar mag ein Die Auswirkungen einer Freigabe Teil der Kostenbelastung auf die Indus- könnten erheblich sein, vor allem trie abwälzbar sein, dennoch wird eine auf die erlösschwächeren IC-Relati- Zunahme der Kosten auch auf Seiten onen mit unattraktiven Reisezeiten der DB AG unvermeidlich sein. (z. B. Berlin — Rügen, Köln — Nordsee, Köln — Kassel — Thüringen). Gleiches Insgesamt wird deutlich, dass die Nach- gilt für die Strecken Dresden — Nürn- haltigkeit der gegenwärtig optisch anspre- berg und Frankfurt — Dortmund (trotz chenden Gewinnlage von DB Fernverkehr Schnellfahrstrecke). Darüber hinaus ist mit zahlreichen Fragezeichen zu versehen auch das hochpreisige Kernnetz mit ist. Keineswegs eignet sie sich als Beleg für Reiseweiten von 200–400 km nicht vor die pauschale Eigenwirtschaftlichkeit die-

Konkurrenzverbot beim Fernbus

Um das Konkurrenzverbot des Fernbusses zum Schutz der Eisenbahn zu legitimieren, be- DIENTSICHDIE0OLITIKUNTERSCHIEDLICHER"EGRàNDUNGEN-ITAMHËUlGSTENGENANNTWIRDEIN pauschaler Umweltvorteil der Schiene. Allerdings ist dieser kritisch zu sehen, sofern er vo- raussetzungslos bescheinigt wird. Die Umweltbilanz der Schiene im Vergleich zum Bus hängt in hohem Maße von der Auslastung ab (SPFV 2008: 44 %), dem Energieverbrauch und dem Mix der Energieträger, von der Innovationsgeschwindigkeit bei der Fahrzeugent- wicklung und vor allem von den unterstellten Referenzmaßstäben auf Seiten der konkurrie- renden Verkehrsträger. Ebenso ist das Anlastungsszenario externer Kosten bedeutsam.

Ein zweiter Argumentationsstrang beruft sich auf das ökonomische Motiv, „ruinösen Wett- bewerb“ unterbinden zu wollen. Die Grenze zwischen gesellschaftlich produktivem „harten“ und ruinösem Wettbewerb ist jedoch kaum zu objektivieren. Je nach Standpunkt können AUCHPOTENZIELLE&ERNBUSANBIETERESALSRUINÚSEMPlNDEN ANDER5MSETZUNGIHRER'E- schäftsidee gehindert zu werden.

Die Schutzbedürftigkeit des SPFV setzt die DB AG selbst aufs Spiel, wenn sie eine Verbin- dung über Nacht einstellt. So wurde vor einigen Jahren die Einrichtung einer Fernbuslinie Nürnberg – Dresden mit der Begründung abgelehnt, dass dort ein hochwertiger (und sehr teurer) ICE verkehre. Dies hinderte die DB AG wenige Jahre später nicht, den ICE wegen technischer Probleme und Unwirtschaftlichkeit vom Gleis zu nehmen und durch minderwer- tigen Nahverkehr zu ersetzen.

Ebenso widersprüchlich ist die Beobachtung, dass die DB AG der größte eigene Konkurrent im Busfernverkehr ist. So bedient sie über ihre Töchter Autokraft, Bayern-Express sowie Regi- onalverkehr Dresden die wichtigsten innerdeutschen Buslinien zwischen Berlin und Hamburg bzw. Kiel sowie zwischen Berlin und Dresden. Auch hat die DB AG unlängst einen Antrag für eine Buslinie von Bielefeld über Paderborn nach Kassel gestellt, die auf der gesamten Linie parallel zu Eisenbahnstrecken verläuft. Im Bereich Paderborn — Kassel steht der Bus sogar in direkter Konkurrenz zum eigenen IC, der als stark gefährdet gilt (Mitte-Deutschland-Verbin- dung).

106 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 ses Segmentes im heutigen Angebots- sche Bahn anbelangt, etwas sagen: Ca. umfang. Denn sobald sich die günstigen 40 Prozent der betriebenen Linien sind Effekte der Sonderfaktoren auf ein Nor- betriebswirtschaftlich mit einer guten Ren- malmaß einpendeln und vor allem die In- dite ausgestattet, d.h. im Umkehrschluss frastrukturkosten verursachungsgerechter 60 Prozent sind das eben nicht.“ angelastet werden, wird die Rendite des Sofern die DB AG die kapitalmarktfokus- gegenwärtigen Angebotsvolumens von sierten Ziele in den kommenden Jahren 151,6 Mio. Trassenkilometern erheblich aufrechterhält, sind die betriebswirtschaftli- einbrechen. Mindestanforderungen wie chen Reaktionsmöglichkeiten übersichtlich: 14 % ROCE in Ausrichtung auf den Börsen- Am wahrscheinlichsten ist die Kappung al- gang werden – wenn überhaupt – nur we- LER¬DElZITËREN¬ODER¬RENDITESCHWACHEN¬6ER- nige Verbindungen erwirtschaften können. bindungen, und zwar im Gleichschritt mit den sukzessive ausrangierten Altfahrzeu- Als Beleg für die unterschiedliche Wirt- gen. schaftlichkeit der Linien lässt sich die Aus- sage des ehemaligen Transnet-Vorsitzen- KCW hat zu dieser Problematik im Früh- den Lothar Krauß anführen, der – zugleich jahr 2008 ein Kurzgutachten erstellt, das ehemaliger Aufsichtsrat der DB AG – in der die Folgen der zu dem Zeitpunkt gülti- Anhörung des Deutschen Bundestages zur gen Gewinnplanung der DB AG für das Bahnprivatisierung am 26.5.2008 ausführ- Geschäftsfeld Fernverkehr abzuschätzen te (Wortprotokoll, S. 37): sucht.

Aus der Abbildung 36 auf Seite 108 geht an- Lothar Krauß: „Vielleicht darf ich zur schaulich hervor, dass die Prognose einer ”Sachaufklärung gerade bei dem Thema weiteren Kürzungswelle lediglich die jün- Fernverkehr, zumindest was die Deut- gere Vergangenheit plausibel extrapoliert.

Neben der Konkurrenz im eigenen Hause bahnt sich nunmehr der Wettbewerb von dritter Seite an. Auslöser war die Nachtbuslinie Hamburg — Frankfurt/Main — Heidelberg, die un- MITTELBARAUSDER%INSTELLUNGEINES.ACHTZUGSENTSTANDENWAR$ER"ETREIBERDIESER,INIElR- mierte unter „ab 9 Euro.de“, um über den Preiswettbewerb das klare Signal auszusenden, dass es sich um unterschiedliche Substitutionsprodukte handelt.

Inzwischen hat z. B. die ehemalige DB-Tochter Deutsche Touring einen Antrag auf die Strecke Frankfurt — Köln — Ruhrgebiet gestellt. Überraschenderweise wurde dieser vom RP Darmstadt 2008 genehmigt. Die Behörde begründete die Bewilligung mit einem offensicht- lichen Bedürfnis nach günstigeren Preisen, gerade aufgrund der stark gestiegenen DB-Prei- se zwischen Frankfurt, Köln und Ruhrgebiet seit der Inbetriebnahme der Schnellfahrstrecke 2002. Sowohl das Verwaltungsgericht Frankfurt als auch der Hessische Verwaltungsge- richtshof (Urteil vom 21.10.2008, Az. 2 UE 922/07) bestätigten diese Entscheidung. Aktuell läuft noch eine Nichtzulassungsbeschwerde der DB Fernverkehr beim Bundesverwaltungsge- richt, der jedoch nur geringe Chancen eingeräumt werden.

Wenngleich die Gerichte den Vorrang der Schiene noch nicht in Gänze gekippt haben, ha- ben sie doch die Hürden für den Einstieg von Fernbuskonkurrenten deutlich gesenkt. Aner- kannt wird, dass der Preiswettbewerb gegen die vielfach hochpreisigen Bahnfernverkehrsan- gebote ein eigenständiges Kriterium zur Unterscheidung/Gleichartigkeit von Schienen- und Busangeboten bildet. Damit würde das Verbot der Doppelbedienung über die Marktabgren- zung wirksam umgangen.

Im Bundestag konnte man sich noch nicht auf die Freigabe einigen. Unternehmensseitig ist aber schon heute eine gesteigerte Umtriebigkeit der Anbieter erkennbar, sich auf den Markteinstieg vorzubereiten. Bekannt ist z. B. eine Kooperation von kleineren Busunterneh- men, die gezielt am Aufbau von Netzwerkangeboten arbeitet. So wurden hierzu im Saar- land und in Niedersachsen verschiedene Anträge gestellt und offenbar auch schon bewilligt. Dort könnte das erste Netz an Fernbussen entstehen, zumal die Fernverkehrsanbindung auf der Schiene vielfach unzureichend ist (z. B. keine direkte Verbindung mehr zwischen Saar- brücken — Köln oder Göttingen — Halle).

Schienenpersonenfernverkehr 107 Abbildung 36: Entwicklung der Fern- verkehrsanbindung von Oberzentren

Quelle: DB Netz AG, eigene Darstellung

108 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Seitdem die DB AG intern die Weichen auf Dutzende weitere Städte haben eine er- das Ziel des Börsengangs stellte, hat sie ihr hebliche Ausdünnung ihres Angebotes Fernverkehrsangebot sukzessive den hohen erfahren. Prominente Beispiele sind die Renditevorgaben angepasst. Betriebswirt- Landeshauptstädte Potsdam (2008: 87 % schaftlich ist diese Mechanik unausweich- weniger Abfahrten pro Woche als 1999), lich und legitim. Magdeburg (–53 %), Schwerin (–50 %), Saabrücken (–44 %), Dresden (–34 %) und Der erste größere Schritt auf der Maß- Kiel (–32 %). In Wiesbaden ist die Zahl der nahmenebene war die Abschaffung des Halte gestiegen, jedoch hat sich das Ange- Produktes InterRegio zwischen 2001 und bot strukturell verschlechtert. Auch andere 2003. Er war 1988 mit dem Ziel eingeführt größere Städte mussten deutliche Reduzie- worden, der polyzentrischen Siedlungs- rungen hinnehmen, z. B. Cottbus (–79 %), struktur Deutschlands Rechnung zu tra- Worms (–65 %), Regensburg (–49 %) und gen. Unterhalb der ohnehin gut versorg- Gießen (–46 %). ten Metropolen und Großstädte oberhalb 250.000 Einwohnern sollten auch die zahl- Unterhalb der Ebene der Oberzentren reichen Mittel- und „kleineren“ Großstädte fallen die Einschnitte ebenfalls gravierend mit 25.000 bis 250.000 Einwohnern an das aus, insbesondere für Tourismusgebiete. Fernverkehrsnetz angebunden werden, um So hat z. B. der Harz seinen kompletten auf diese Weise ein erhebliches Nachfrage- Fernverkehr eingebüßt. In den Schwarz- potenzial mit umsteigefreien Verbindungen wald und an den Bodensee fahren gerade auf den Hauptläufen zu erschließen. noch 2,5 Zugpaare (zwei täglich, eines zu- sätzlich am Wochenende), während frü- Nachdem erste Kürzungsmeldungen aus her ein Dutzend Verbindungen die Region dem Konzern 1999 durchgesickert waren, für alle Teile der Republik erschloss. An der eröffnete die DB AG den Ländern, dass der Nordseeküste schmerzen vor allem die IR als Zuggattung in Gänze unwirtschaft- Streichungen des kompletten Fernverkehrs lich sei und daher perspektivisch abge- nach Cuxhaven und Wilhelmshaven. schafft werden soll. Neun der insgesamt 25 Linien sollten zu InterCity aufgewertet Dabei erstreckt sich die Angebotsver- werden (zu höheren Fahrpreisen), wäh- schlechterung auf mehrere Merkmale, die rend der Rest durch „hochwertigen Nah- für die Qualität des SPFV in den Augen der verkehr“ ersetzbar sei. Nach lautstarken Nachfrager wichtig sind: Protesten in der Öffentlichkeit sah sich die Bundesregierung veranlasst, den Ländern ƒ Streichung von Zügen am Wo- 150 Mio. Euro für die Bestellung von Er- chenende und Tagesrandlagen satzzügen bereitzustellen. Damit wurden (Sa., So., Früh- und Abendzüge) die Länder anlässlich der Revision der Regi- Starke Einschnitte musste z. B. die Linie onalisierungsmittel besänftigt, ihre in den Hannover — Leipzig verkraften. Dort Bundesrat eingebrachte Forderung fallen- klaffen am Wochenende mittlerwei- zulassen, wonach der Bund seinem grund- le Bedienungslücken von drei Stunden gesetzlichen Sicherstellungsauftrag im tagsüber oder 16 Stunden zwischen Fernverkehr nachkommen möge. Samstag spätnachmittag 17.30 Uhr und Sonntag morgen 9.30 Uhr. Der Im Ergebnis ist das Kalkül der DB AG auf- alte Bundesbahn-Slogan „jede Stunde – GEGANGEN ¬DIE¬+OSTEN¬EINES¬DElZITËREN¬0RO- jede Klasse“ ist somit obsolet gewor- duktes nicht länger selbst zu tragen, son- den. dern „auf kaltem Weg“ zu sozialisieren. Die verkehrliche Konsequenz dieser unter- Auf dem Wiesbadener Ast der Schnell- nehmerisch nachvollziehbaren Maßnah- fahrstrecke Köln — Rhein/Main, der me spiegelt sich in der vorgenannten Karte den Steuerzahler 400 Mio. Euro kos- wider: Zwischen 1999 und 2008 verloren tete, ist die Reduzierung des Ange- 23 Oberzentren in Deutschland ihren An- bots auf wenige Restfahrten beson- schluss an das Fernverkehrsnetz, darunter ders ekla tant. Während zur Einweihung Städte wie Mönchengladbach, Chemnitz, des Abzweigs 12/2002 immerhin noch Heilbronn, Bremerhaven und Siegen, die ein Zweistundentakt mit acht Zugpaa- immerhin bis zu 260.000 Einwohner be- ren samt Weiterführung nach Mainz heimaten und in der Liste der deutschen (— Mannheim — Heidelberg — Stutt- Großstädte auf den Plätzen 26, 29, 59, 67 gart) eingerichtet wurde, ist das Ange- und 75 rangieren (Stand: Ende 2007). bot in mehreren Schritten auf derzeit

Schienenpersonenfernverkehr 109 zwei Zugpaare am Tag geschrumpft. Kurzfristig können mit dieser Strategie Am Wochenende liegt die Strecke über mehr Direktverbindungen angeboten 60 Stunden vollständig brach, was den und manch ein politischer Wunsch er- Bund der Steuerzahler alarmieren müss- füllt werden. Langfristig ist aber zu be- te, da dieses Kostengrab die schlech- fürchten, dass die Geschlossenheit des testen Auslastungswerte bundesweit Angebots in den Augen der Nachfra- aufweisen dürfte. Selbst auf der nur für ger und die Verlässlichkeit des Systems den Touristenverkehr interessanten Rou- Bahn Schaden nehmen. Dies würde ge- te nach Emden-Außenhafen sind mehr nau das Qualitätsmerkmal gefährden, Züge anzutreffen. das den 1971 eingeführten InterCity zu ƒ Verwässerung des Taktsystems seinem international anerkannten Erfolg führte. An vielen Stellen muss die DB AG den :IELKONmIKT¬LÚSEN ¬EINERSEITS¬DAS¬!NGE- ƒ Reduzierung des bot nach betriebswirtschaftlichen Krite- personalbasierten Verkaufs rien zu optimieren, aber im Gegenzug Konnten Fahrgäste sich früher in über politisch motivierte Zusagen zu erfüllen. 1.000 Reisezentren persönlich bera- Resultat dieses Spagats ist die zuneh- ten lassen, ist dies heute nur noch in mende Aufweichung des Taktsystems. 400 Vertriebsstellen möglich. Diese So waren für die Bedienung von Mon- Einschränkung des personalbasierten tabaur und Limburg Süd ursprünglich Verkaufs wirkt sich auf die Marktdurch- zusätzliche Pendlerzüge geplant. Nach- dringung aus. Zwar können der Inter- dem diese zum Teil gestrichen wurden, net- und der Automatenvertrieb einiges muss die reguläre ICE-Linie auf der Stre- kompensieren, doch auf der Gegensei- cke München — Frankfurt — Köln — Es- te hebt diese Prioritätensetzung die Ein- sen diese Aufgabe übernehmen. Da- trittsschwelle für das numerisch starke durch kann sie aber nur noch in der Segment der Wenig- und Gelegen- Minderzahl den Takt wahren. Die meis- heitsfahrer. In ihren Augen sind Ange- ten Züge halten unterwegs mal an dem bot und Tarifsystem des Fernverkehrs einen, mal am anderen Bahnhof und stark erklärungsbedürftig, was sich z. B. verkehren auch nicht durchgängig bis in dem Offenbarungseid für das Mar- Essen. Ähnliches lässt sich für den Kor- keting widerspiegelt, dass Volkshoch- ridor Würzburg/Nürnberg/Augsburg/ schulkurse zur Bedienung der Automa- München feststellen. Anstatt Augsburg ten gut besucht sein sollen. Neukunden systematisch über eine Linie nach Nürn- können letztlich in der Regel nur durch berg auch Richtung Norden anzubin- persönliche Ansprache gewonnen wer- den, verbindet Würzburg/Nürnberg den. und Augsburg ein Sammelsurium ver- schiedener Einzelfahrten, die zum Takt- Schreibt man den bisherigen Kurs der ausfall auf dem eigentlichen Linienweg DB AG fort, sind nach Einschätzung von führen. KCW 15 weitere Oberzentren in hohem Maße gefährdet, vom Fernverkehr abge- Integriertes Angebot koppelt zu werden. Streichkandidaten sind z. B. Trier, Cottbus oder Paderborn. Ihr ge- auf dem Rückzug meinsames Merkmal ist die Anbindung an das IC-Netz, das wegen der 2014 einset- Ein aktuelles Beispiel liefert die Zerstö- zenden Bugwelle der Ersatzinvestitionen rung der Angebotsintegration zwischen IC in neues Fahrzeugmaterial in der jetzigen und RE auf der Verbindung Kassel — Gie- Form nicht überleben wird. Interne Pläne ßen — Frankfurt. Während dort seit der deuten seit längerem darauf hin, dass die Gründung des RMV 1995 ein minutenge- DB AG den IC durch das neue Fahrzeug- nauer Wechseltakt angeboten wurde, hat konzept ICE X auf dem Niveau eines „ICE DB Fernverkehr diesen nunmehr zum Fahr- light“ ersetzen wird. Weil rund zwei Drittel planjahr 2010 aufgekündigt. RMV und dieser Verbindungen als eher nachfrage- NVV sind als Besteller gestraft, obwohl sie schwach gelten, erscheint es unrealistisch, über Jahre ihre stündlichen Zubringerzüge bei deutlich erhöhten Aufwendungen die optimal auf das System der DB AG aus- Renditevorgaben zu erfüllen. richteten und sich stets der Kritik erwehren MUSSTEN DEMTARImICHTEUREREN&ERNVER- Die DB AG reagierte auf die im April kehr „kostenlos“ Fahrgäste zuzuliefern. 2008 erschienene KCW-Prognose gereizt

110 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 und kritisierte sie „als hanebüchene Stim- mungsmache“, die frei erfunden sei. Ein Trend zu eigenständigen idealer Kronzeuge für die Faktenlage ist Subsystemen im SPNV hingegen der Transnet-Vorsitzende und Aufsichtsrat der DB AG, Alexander Kirch- Aktuell hat Rheinland-Pfalz angekün- ner, der am 17.4.2009 in einem Interview digt, ab 2014 ein eigenständiges RE-Sys- mit der Hessisch-Niedersächsischen Allge- tem mit eigenen Knoten vorzuhalten, mit meinen zur Zukunft der Mitte-Deutschland- denen Koblenz, Trier, Saarbrücken und Verbindung sagte: Mannheim optimal miteinander vernetzt werden sollen. Von einem Vorrang der IC-Züge des Fernverkehrs ist hier nicht HNA: „Wird die Mitte-Deutschland-Ver- mehr die Rede. Auch das System zwischen ”bindung vom Ruhrgebiet über Kassel Rich- Münster/Oldenburg, Emden und Nord- TUNG4HàRINGEN"ESTANDHABEN deich hat sich schon weitgehend verselb- ständigt, so dass dort ausfallende IC-Zü- Kirchner: … Zurzeit betreibt die Bahn ge nur noch einen begrenzten Schaden die Strecke noch eigenwirtschaftlich. Der anrichten. Sie sind nicht mehr Bestandteil Wettbewerb kann zwar dazu führen, dass des Nahverkehrs-Taktes. Weitere Poten- die Preise sinken. Aber alle Wettbewerber ziale für langlaufende RE-Verkehre könn- werden sich auf die lukrativen Strecken ten in den Verbindungen Berlin — Stral- stürzen. Die weniger freuqentierten Lini- sund, Hamburg — Rostock — Stralsund, en werden dann das Nachsehen haben. Kassel — Frankfurt — Heidelberg — Karlsru- Ähnlich war es bereits beim Güterverkehr. he, Karlsruhe — Stuttgart — Ulm oder auch HNA: Und die Mitte-Deutschland-Verbin- Ruhrgebiet — Münster — Emden — Nord- DUNGISTNICHTHOCHLUKRATIV deich brachliegen. Kirchner: Nein. Die Bahn fokussiert sich im Vorgriff auf den Wettbewerb schon jetzt auf die stark frequentierten Strecken. büßer von der erratischen Planung der Auch aus den früheren InterRegiolinien DB Fernverkehr abhängig zu sein. hatte sie sich zum Teil zurückgezogen. … Als Bumerang könnte sich diese Entwick- HNA: Werden Städte in der Region vom lung für die DB AG herausstellen, falls die )# .ETZABGEKOPPELT Aufgabenträger zunehmend den Reiz er- Kirchner: Das ist zurzeit [! der Verf.] nur kennen, die hohe Ertragskraft schneller, Spekulation. Ich kann es nicht mit Fakten langlaufender RE-Linien selbst abschöpfen belegen.“ zu wollen. Dies ist nur bei Ausschreibun- gen möglich, deren Ausgang grundsätzlich Der Schrumpfprozess in Richtung des offen ist. Eindrucksvolle Beispiele für die betriebswirtschaftlich optimalen Restnet- Erfolgschancen sind der Nürnberg–Ingol- zes wird auch dadurch befördert, dass der stadt–München-Express oder auch der IRE Fernverkehr die Konkurrenz des Nahver- von Stuttgart nach Lindau als IR-Ersatz. kehrs heranzüchtet. Zwar legt die DB AG diese Entwicklung strategisch an, sie kann Die KCW-Prognose basiert im Übrigen sich aber langfristig auch als Bumerang er- auf der Annahme, dass unter „Fernver- weisen. kehrsanbindung“ ein Mindestangebotsni- veau – die Erkennbarkeit eines Systems wie Immer mehr Aufgabenträger gehen der Takt – verstanden wird. Einzelne sym- dazu über, den schleichenden Rück- bolische Fernverkehrshalte in Tagesrandla- zug des Fernverkehrs durch eigenstän- gen genügen diesem Kriterium nicht. dig geplante Produkte abzufedern. Während sie früher ihren RE im zwei- Politischer Klärungsbedarf stündlichen Wechseltakt auf den IC ab- stimmten (z. B. auf den IR-Relationen Angesichts absehbarer weiterer Kürzun- Rostock — Stralsund, Stralsund — Berlin, gen muss sich die Politik der Frage ernst- Berlin — Cottbus, Kassel — Gießen — Frank- haft stellen, ob die künstliche Trennlinie furt, Ulm — Lindau, Münster — Norddeich, zwischen Nah- und Fernverkehr weiterhin Koblenz — Trier — Saarbrücken, Offen- gelten soll. Sie führt verkehrspolitisch zu ir- burg — Konstanz, Regensburg — Mün- rationalen Ergebnissen, wie die Abbildung chen – Oberstdorf), sind einige Besteller 37 aufzeigt. inzwischen nicht länger bereit, als Lücken-

Schienenpersonenfernverkehr 111 Der „Alibi-Fernzug“

Die Strategie der Alibizüge ist kein Novum. Schon zu Bundesbahnzeiten waren einzelne Fernzüge – zumeist auf politischen Druck hin – zu „wichtigen“ Zielen in Tagesrandlagen rückverlängert worden. Seit etwa zwei Jahren drängt sich der Eindruck auf, als erlebe dieses Instrument eine Renaissance. Charakteristikum des Alibizugs ist die politisch motivierte An- bindung einer Stadt an das Fernverkehrsnetz mit einzelnen Zügen, ohne auf der Kostenseite nennenswerte Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Dies ist der Fall, wenn Züge entweder auf ihrem bestehenden Laufweg ausnahmsweise einen weiteren Stopp an dem ansonsten ausgesparten Haltepunkt einlegen. Oder wenn sie in Einzelfällen über den regulären Zielort hinaus verlängert werden (Bsp.: Kiel, Rostock, Lübeck, Aachen, Trier, ab 2010 Tübingen). Die Grenzkosten (Personal, Energie u. ä.) liegen nahe null, so dass der Imagegewinn per Sal- do höher einzuschätzen ist. Dieser äußert sich regelmäßig darin, dass die politisch Verant- wortlichen, aber auch Vertreter der Touristikbranche den Wert der Anbindung überhöhen.

Zum laufenden Fahrplanjahr 2009 wurden Lübeck und Aachen mit je einer täglichen neuen ICE-Anbindung „beglückt“. Der IC-Halt Greifswald wurde – nach mehrjähriger Pau- se – durch einen IC von/nach Hamburg angebunden, was an der Ostseeküste zum ICE-An- schluss hochgestuft wurde. Für den Fahrplan 2010 hat die DB AG kürzlich die Rückverlänge- rung eines IC für Tübingen und Reutlingen angekündigt.

Obwohl die Nahverkehrszüge auf dem Die bisherigen zarten Einstiegsversuche Nordosthessennetz vermutlich einen annä- im Randnetz zeigen, dass sie schnell in die hernd gleichen Kostendeckungsgrad wie „Zange“ von DB-Fernverkehr und dem be- die Fernverkehrszüge der Mitte-Deutsch- stellten Nahverkehr geraten. Da die DB AG land-Verbindung haben, werden Erstere die Wirtschaftlichkeitslinie zwischen SPFV massiv subventioniert, während Letztere UND¬30.6¬MA”GEBLICH¬BEEINmUSST ¬IST¬ES¬ mittelfristig vor der Streichung stehen. für die Dritten kaum tragbar, sich in die- Noch pointierter ausgedrückt: Fernver- sem Grenzgebiet zu bewegen. Investoren kehrsverbindungen, die nahe an die Eigen- und Anteilseigner werden ein solches Va- wirtschaftlichkeit heranreichen oder sogar banque-Spiel nicht stützen. einen kleinen, aber nicht kapitalmarkttaug- lichen Gewinn abwerfen, sollen dem Ge- Wer den Wettbewerb im SPFV als Instru- meinwohl nichts wert sein, während Nah- ment einsetzen möchte, um Angebote im verkehrszüge acht oder gar zwölf Euro je interregionalen Segment zwischen dem Zkm (Dieselnetze in Ostdeutschland) erhal- heutigen Nahverkehr und dem Fernverkehr ten. Diese Ungleichbehandlung ist offen- auf wenigen Rennstrecken marktanalog sichtlich verkehrspolitisch nicht plausi- anzureizen, muss die künstlich geschaffe- bel. ne Grenze zwischen SPFV und SPNV auf- lösen. Hierzu nochmal der Aufsichtsrat der Die Wettbewerber werden die abseh- DB AG, Kirchner (Hessisch-Niedersächsische bare Angebotslücke nicht füllen können. Allgemeine vom 17.4.2009):

Abbildung 37: Wirtschaftlichkeit von SPNV und SPFV im Vergleich (Prin- zipdarstellung für SPFV-Werte)

Quelle: eigene Darstellung

112 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 bzw. die Präferenz für Direktverbindun- HNA:u(ATDIE'EWERKSCHAFT%INmUSS gen ausgelegt. Das Netz wird zunächst ”auf die Entwicklung [Geschäftspolitik der durch interne Verknüpfungen gestärkt, $"!' DER6ERF= anstatt es primär auf die Zubringerfunk- Kirchner: … Hier ist die große Politik ge- tion zu ICE-Zügen zu reduzieren. Da- fragt. Sie muss sagen, wie sie nach der durch wird das System auf der Basis be- Öffnung mit dem Fernverkehr umgehen stehender Bestellentgelte wirtschaftlich will. … Wenn der Staat sagt, die Da- und für die einzelnen Betreiber interes- seinsfürsorge muss sich nicht nur auf den sant. Durch geeignete Rahmenbedin- Nahverkehr, sondern auch auf das Fern- gungen gewährleisten die Länder, dass verkehrsnetz beziehen, dann muss er sowohl die Linien als auch das gesamte handeln. Dann muss er sagen, wer auf lu- Netz als Fernverkehrsangebot vermark- krativen Strecken fährt, muss auch andere tet werden können. bedienen. Oder er muss Geld dazuschie- ƒ Denkbar ist auch, den Fernverkehr ßen.“ durch eine zielgerichtete Trassen- preispolitik zu fördern. Bestimmte Folgende Handlungsoptionen bieten Trassenpreise könnten daran geknüpft sich an: werden, dass die EVU längerfristige An- gebote zusichern (ähnlich wie Bestell- ƒ Der Bund bestellt als Aufgabenträ- garantien im SPNV). Dies würde in ger zukünftig alle Fernlinien über Kon- etwa der französischen Politik entspre- zessionen¬ODER¬DElNIERT¬EIN¬3EGMENT¬ chen, die über hohe Trassenpreise bei unterhalb des sicher eigenwirtschaftli- aufkommensstarken TGV-Strecken die chen Fernverkehrs. Angebotsstandards, .ETZlNANZIERUNG¬VERBESSERT ¬WËHREND¬ Netzkoordination, Tarifstandards und der Fernverkehr in der Fläche durch 6ERTRIEBSABSTIMMUNG¬lRMIEREN¬UNTER¬ günstige Trassenpreise gefördert wird. der Marke , die aus der Dadurch müsste vor der Entschei- DB AG herausgelöst und von der Bran- dung über Aus- und Neubaumaßnah- che (EVU, Besteller Bund, ggf. auch men auch der Prüfdruck steigen, wel- Länder) getragen wird. Dies käme dem che Trassenpreise welches Angebot an Modell der Schweiz oder Großbritan- Zügen/Qualitäten hervorbringen. Zu- niens nahe. Dort sind die Verbände gleich ließe sich stärker als bislang si- der Bahnbranche für ein einheitliches cherstellen, dass Streckenausbauten und integriertes Angebot mit verant- tatsächlich den in der Nutzen-Kosten- WORTLICH¬$AS¬2ISIKO¬POLITISCHER¬%INmUSS- Analyse angesetzten Mehrverkehr im nahme erscheint durch eine möglichst SPFV hervorrufen. Negatives Gegen- autonome Behörde und eine breite beispiel der Gegenwart sind dagegen Einbindung der Eisenbahnbranche be- die mit wenigen bis gar keinen Fern- herrschbar. Ebenso wird vorausgesetzt, zügen belegten ausgebauten Strecken dass die Abstimmung zwischen Infra- Hamm — Kassel (Mitte-Deutschland- strukturausbau und Fahrplan in diesem Verbindung), Nürnberg — Hof — Dres- System deutlich intensiver betrieben den, — Gera — Chemnitz oder wird, wie es beispielsweise die Initiative Berlin — Rostock. Deutschland-Takt fordert. ƒ Die Länder bestellen zusammen ein Keine der drei Varianten ist eindeu- B-Fernverkehrsnetz und bringen her- tig überlegen, weil sie alle auch gewisse zu ihre hochwertigen RE-Verbindun- Schwächen haben. Entscheidend ist zu- gen ein. Ein derartiges System wurde nächst, dass¬EINE¬QUALIlZIERTE¬$ISKUSSION¬ sowohl von der BAG-SPNV unter dem auf Bund- und Länderebene über die Zu- Namen RE-X als auch von Experten kunft des Fernverkehrs in Gang kommt. als Zweite Deutsche Eisenbahn vorge- Der jetzige Kurs des Fernverkehrs unter al- schlagen. Dieses Netzangebot wird von leiniger Steuerung der DB AG ist in jedem vornherein auf preissensible Kunden Fall die schlechtere Option.

Schienenpersonenfernverkehr 113 4.4 TOP-Hindernis 2: nen dar (z. B. 50–75 %). Da nahezu das Starre Rahmenverträge gesamte Kernnetz in diese Kategorie hineinfällt und 75 % die Höchstgrenze der vorab reservierbaren Trassenmenge Der Grundgedanke der im EG-Recht ver- markiert, ist der Erkenntnisgewinn für ankerten Rahmenverträge ist aus Wett- die EVU aus den Angaben der DB Netz bewerbssicht positiv zu bewerten. Rah- gering. menverträge sehen vor, den EVU als Trassennachfragern ein Maß an Planungs- ƒ Der Zugewinn an Planungssicherheit sicherheit zu gewährleisten, das über eine durch den Rahmenvertrag hält sich für Fahrplanperiode hinausreicht (maximal das EVU in engen Grenzen. DB Netz 15 Jahre). Der Sinn dieses Instrumentes ist sichert allein die Abfahrtszeit – inner- es, langfristige Investitionen – vor allem halb einer Bandbreite – zu. Verbindliche IN¬&AHRZEUGE¬MIT¬GEWISSER¬3PEZIlTËT¬WIE¬ Aussagen zu Fahrzeit, Ankunftszeit und im SPFV, aber auch in den Vertriebsaufbau Anschlüssen sind nicht im Vertrag ent- u. ä. – so abzusichern, dass die EVU die Ri- halten. Selbst der Bestand einer Strecke siken zu vertretbaren Kosten beherrschen wird durch den Abschluss eines Rah- können. menvertrags nicht verbrieft. ƒ Ökonomisch wiegt die Weigerung der Die Gratwanderung besteht darin, die DB Netz besonders schwer, die Höhe richtige Balance zwischen wettbewerbs- der Trassenpreise über den Vertragszeit- förderndem Investitionsschutz und markt- raum, wenigstens aber über große Tei- schließender Bestandsgarantie zu wahren. le der Laufzeit zu garantieren. Das EVU Je mehr Trassen langfristig geblockt wer- soll sich über fünf, zehn oder 15 Jahre den, desto geringer wird das Potenzial für an DB Netz binden, ohne im Gegenzug .EWCOMER ¬mEXIBEL¬IN¬NEUE¬.ISCHEN¬HIN- sicherzugehen, was die Leistung künf- einzustoßen. Dies gilt insbesondere für den TIG¬KOSTET¬$IESE¬3CHIEmAGE¬VON¬2ECHTEN¬ Güterverkehr, dessen Nachfrage größe- UND¬0mICHTEN¬ZWEIER¬6ERTRAGSPARTNER¬IST¬ ren Schwankungen unterliegt. Die aktuelle im Wirtschaftsleben unüblich und un- Wirtschaftskrise belegt die konjunkturzykli- ternehmerisch kaum zumutbar. sche Anfälligkeit, zudem sind Güterströme als Ergebnis von Produktionsprozessen we- ƒ Werden gemäß Rahmenvertrag be- niger planbar als etwa Beförderungsmuster stellte Trassen nicht genutzt, erhebt im Personenverkehr. Um kurzfristigen Zu- DB Netz Stornierungsentgelte. Diese gangsmöglichkeiten hinreichend Raum zu sollen – zu Recht – den Fehlanreiz un- gewähren, sieht die Regelung der Rahmen- terbinden, Trassen zu „bunkern“. Die verträge als Kompromisslinie vor, maximal konkrete Ausgestaltung des Sanktions- 75 % der Trassenkapazität einer Strecke apparats läuft aber darauf hinaus, die vorab blocken zu dürfen. Wettbewerber der DB AG zu benach- teiligen. So können die DB-Gesellschaf- Die praktische Handhabung der Rah- ten problemlos alle Trassen auf Ver- menverträge legt den Verdacht nahe, dass dacht über Rahmenverträge absichern, DB Netz sie aus übergeordnetem Konzern- da sie einzelne nicht genutzte Trassen interesse dazu einsetzt, mögliche Konkur- durch neue Verkehre an anderer Stel- renz im margensensiblen SPFV abzuweh- le kompensieren dürfen. Ein diskrimi- ren. Optimale Fahrplantrassen auf den nierungsfreier Ansatz muss ein solches attraktiven Korridoren sollen über infor- 3CHLUPmOCH¬SCHLIE”EN ¬DA¬IN¬JEDEM¬3EG- melle Großvaterrechte gesichert werden. ment nur der Marktführer davon pro- Folgende Verfahrensmängel sind im Detail lTIERT¬(IERVON¬UNBENOMMEN¬IST¬DIE¬ zu konstatieren: Skepsis der Wettbewerber der DB AG berechtigt, inwieweit Entgelte zwischen ƒ Informationen über Zahl und Art der den DB-eigenen EIU und EVU tatsäch- geschlossenen Rahmenverträge sind lich „spitz“ abgerechnet werden. Über kaum zu erlangen. Nirgendwo wird sys- das stark verästelte Umlagensystem ist tematisch für alle Nutzer aufbereitet, es dem Konzern jederzeit möglich, zu- auf welchen Engpass-Strecken es aus sätzliche Belastungen einer bestimmten der Sicht eines EVU ratsam erscheint, Sparte abzufedern. Trassen in Form von Rahmenverträgen ƒ DB Netz leitet aus der Vorgabe des EU- zu sichern. DB Netz stellt die gebunde- Rechts ab, Rahmenverträge nur alle fünf ne Kapazität lediglich in groben Span- *AHRE¬AN¬lXEN¬4ERMINEN¬ZU¬VERGEBEN¬

114 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Zwischendurch ist kein vollwertiger Ab- die Streckenauslastung in Form eines schluss über eine solche Bindefrist mög- anonymisierten Bildfahrplans allen lich. Stattdessen vergibt DB Netz nur Marktbeteiligten zur Kenntnis zu ge- noch Trassen für die Restlaufzeit der ben. Hier wären dann auch Rahmen- angebrochenen Rahmenvertragsperi- vertragstrassen separat ausgewiesen, so ode. Zudem werden jene Rahmenver- dass sich alle Beteiligten ein objektives tragsanträge nachrangig behandelt, die Bild machen und konstruktive Vorschlä- zwar zum turnusgemäßen Vergabezeit- ge zur besseren Streckenauslastung un- punkt fristgerecht bestellt werden, sich terbreiten könnten. Anträge ließen sich jedoch nicht über die gesamte Rahmen- zielgerichtet auf die heutige Strecken- vertragsperiode erstrecken. Faktische auslastung hin stellen. Damit würde Konsequenz wäre, dass Markteintritte Deutschland seinen Rückstand im inter- für Neulinge lediglich alle fünf Jahre zu nationalen Transparenzmaßstab auf- VORAB¬DElNIERTEN¬:EITPUNKTEN¬MÚGLICH¬ holen. Bildfahrpläne für die Schweiz, wären. Dänemark oder Schweden sind im In- ƒ Der zeitliche Vorlauf zwischen der An- ternet frei einsehbar. meldefrist für Rahmenverträge und der ƒ Der Rahmenvertrag muss auf die Be- Betriebsaufnahme ist erheblich zu kurz. dürfnisse der Kunden (EVU) zuge- Mit dem gegenwärtigen Planungshori- schnitten werden. Für den Fernverkehr zont von unter einem Jahr sind Investiti- essentiell ist es, zum einen ein hoch- onen in eine größere Anzahl an Neu- komplexes Taktsystem (z. B. InterCity- fahrzeugen kaum möglich. Netz) samt seinen Anschlüssen und Abhängigkeiten abzusichern. Dane- Diese starre Regelung trifft in erster Li- ben ist das alternative Geschäftsmo- nie konkurrierende Geschäftsmodelle im dell von Neulingen darauf angewiesen, Fernverkehr. Kein Investor ist bereit, seine Markteintritte mit starkem Linienfokus Businesspläne auf einen Markteinstieg aus- zu begünstigen, bei denen der Rah- zurichten, der von außen vorgegeben nur menvertrag die Umlaufzeiten und den alle fünf Jahre punktuell möglich ist. Dies Kapitaleinsatz der kostspieligen Züge gilt um so mehr, als es keine Sicherheit schützt. gibt, genau zu diesen Zeitpunkten über die Im Güter- und Nahverkehr sind die Pri- erforderlichen Fahrzeuge verfügen zu kön- oritäten anders gelagert. Der Güterver- nen. kehr möchte bestimmte Transport- und Umlaufzeiten abgesichert wissen, wäh- Ein solcher Fünf-Jahres-Zyklus passt auch rend der exakte zeitliche Verlauf des in keiner Weise zu den Ausschreibungs- Transportes, vielfach auch die gewählte rhythmen der SPNV-Aufgabenträger oder Strecke (sofern Energie- und Personal- zu den Fertigstellungsterminen von Neu- bedarf vergleichbar sind) eher neben- und Ausbauprojekten. Selbst wenn die sächlich sind. Schließlich fordert der komplette Neuvergabe aller Trassen nur SPNV meist eine minutengenaue Absi- in bestimmten Intervallen wie fünf Jahren cherung von Taktsystemen, die sich im möglich sein mag, ist es gleichwohl gebo- Zusammenhang mit neuen Fahrzeugen ten, auch zu anderen Zeitpunkten Rah- und/oder Streckenausbauten vielfach menverträge anmelden zu können. Soweit ändern. Trassen noch frei sind, sollte dies ohne- hin unproblematisch sein. Darüber hinaus ƒ Rahmenverträge müssen die Preisent- müsste geprüft werden, ob spätere Anmel- wicklung der Infrastruktur in einem dungen nicht mit einer begrenzten Ver- Mindestmaß (Zeitschiene, Obergren- schiebung von laufenden Rahmenverträ- zen) garantieren. Andernfalls sind Leis- gen einhergehen könnten, um das Netz tung und Gegenleistung zwischen EIU langfristig optimal auszulasten. und EVU in einem inakzeptablen Un- gleichgewicht. Sollen Rahmenverträge tatsächlich den ƒ 3IND¬HOHE¬SPEZIlSCHE¬)NVESTITIONEN¬ER- ihnen zugedachten Nutzen entfalten, müs- forderlich, müssen Rahmenverträge sen folgende Bedingungen erfüllt werden: eine längere Laufzeit als fünf Jahre vor- sehen können. Diese Option ist bereits ƒ Der Vertragsbestand muss in den we- heute in § 14a Abs. 2 AEG angelegt. sentlichen Parametern transparent dar- Allerdings sind die Investitionskriterien gelegt werden. Die beste Lösung wäre, bislang nicht transparent. Überdies ist

Schienenpersonenfernverkehr 115 $"¬.ETZ¬NICHT¬VERPmICHTET ¬LËNGERLAU- bar, dass die Infrastrukturplanung auf die fende Rahmenverträge anzubieten. Innovationspotenziale ausländischer Pro- ƒ Stornierungsentgelte – bei Bedarf in dukte abgestimmt worden wäre. EMPlNDLICHER¬(ÚHE¬n¬SIND¬NOTWEN- dig, um das Horten von Trassen auf Beispielsweise wäre der TGV in Deutsch- Engpass abschnitten zu verhindern und land auf vielen Strecken mit hohen Ge- die Investitionsentscheidungen von schwindigkeiten einsetzbar, wenn im DB Netz abzusichern. Dazu müssen die Signalsystem seine etwas geringere Brems- %NTGELTE¬ABER¬STRECKENSPEZIlSCH¬FEST- leistung berücksichtigt worden wäre. Auch gelegt werden. Mengenrabatte oder die Signalausstattung für das Trennen und Kompensationsregelungen in Form von Vereinigen von Zügen in Berlin Haupt- Zubestellungen anderer Trassen sind bahnhof tief wurde durch die Bestellung auszuschließen, da sie nur dem markt- von DB Fernverkehr ausgelöst. Hier wäre beherrschenden Unternehmen zugute im Sinne einer wettbewerbsneutralen Aus- kommen. baupolitik zu prüfen, ob eine vergleichbare Anlage in Karlsruhe gebaut werden könn- te, damit der TGV von Frankfurt und Stutt- GART¬IN¬+ARLSRUHE¬GEmàGELT¬WERDEN¬KANN¬

4.5 TOP-Hindernis 3: Des Weiteren ist zu hinterfragen, war- Verfehlte Ausbaupolitik um DB Netz im Nahverkehr Bestellgaranti- en für den Bestand von Strecken verlangt, %IN¬HËUlG¬UNTERSCHËTZTES¬7ETTBE- ohne im Fernverkehr vergleichbare Anrei- werbshindernis im Fernverkehr ist die Neu- ze zu setzen. Das Ergebnis sind weitge- und Ausbaupolitik für das Schienennetz, hend ungenutzte Ausbaustrecken mit ei- die der Bund und die DB AG in den letzten ner Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h 20 Jahren betrieben haben. Für die Bewer- (Hamm — Paderborn), ungenutzte Fernver- tung ist es notwendig, sich die Alternative kehrsbahnsteige in Gera, Bautzen, Löbau, eines unabhängigen Netzbetreibers vorzu- Plauen (Vogtland) und Freiberg (Sachsen) stellen, der die verkehrspolitische Aufgabe oder die funktionslose Neigetechnik-Aus- hätte, soviel Fernverkehr wie möglich auf rüstung der Strecke Mannheim — Saarbrü- das deutsche Netz zu locken. In welchem cken. Land das EVU seinen Firmensitz hat, wäre in dieser Herangehensweise zweitrangig. Per Saldo lautet der Befund, dass die Ausbaupolitik der DB AG exklusiv auf die Die Ausbaupolitik seit den 1990er Jah- geschäftlichen Interessen der Transport- ren ist in hohem Maße technologiegetrie- tochter DB Fernverkehr zugeschnitten ist. ben. Während in der Dekade zuvor Neu- Dieser integrierte Ansatz der Netzentwick- baustrecken für Mischverkehre favorisiert lung ist aus der Warte des DB-Konzerns wurden, die breitere und komfortablere verständlich und richtig. Den Interessen Züge wie den ICE 1 und 2 zulassen, setz- der Schienenverkehrsbranche wird er te ab etwa 1990 ein Schwenk in Richtung ABER¬NICHT¬GERECHT¬7ETTBEWERBER¬lNDEN¬ reiner Hochgeschwindigkeitsstrecken wie keine neutrale Plattform vor, auf der sie Köln — Rhein/Main, mit Abstrichen auch in einem schwierigen Markt eigene Ge- Nürnberg — Ingolstadt ein. Diese können schäftsmodelle im Dialog mit dem Netzbe- nur mit speziellen Fahrzeugen befahren treiber entwickeln könnten. werden. Um die Ineffektivität der Ausbaupolitik zu Auf der Strecke Köln — Rhein/Main wur- belegen, listet die nachstehende Abbildung de entgegen den europäischen Normen 38 auf Seite 117 exemplarisch be deutende (35 ‰) eine Steigung von 40 ‰ ange- Vorhaben auf und bewertet ihren verkehr- setzt. Dadurch ist der Einsatz des französi- lichen Nutzen für den SPFV, u. a. aus dem schen TGV, z. B. als Thalys mit Direktverbin- Blickwinkel eines Wettbewerbers. Da die dungen Brüssel — Frankfurt nicht möglich. Leistungsfähigkeit der Kapazitätserweite- Zugunsten der technologischen Innovation rung nach der Inbetriebnahme letztlich aus der Wirbelstrombremse beim ICE 3 wurden der Sicht aller drei Segmente beurteilt wer- eigens die Sicherungstechnik betroffener den muss, sind die Auswirkungen auf den Strecken umgebaut und der Oberbau fes- Güter- und den Nahverkehr mit beigefügt. ter ausgeführt. Es ist jedoch nicht erkenn-

116 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 ------Gü

- —

– Braun Ingolstadt

– Branden

Augsburg, damit

– Offenburg, aber nach

Güsten

– Magdeburg —

Olching bis zum dortigen vier

– Berlin, hier erhebliche neue freie neue erhebliche hier Berlin, – —

Auswirkungen auf Güterverkehr Linke Rheinstrecke nun teilweise nutz pro Schätzungsweise eine Trasse bar. Stunde und Richtung, das sind etwa 40 pro Tag Güterverkehr von klassi Verdrängung scher Route über Ansbach nach Donauwörth erheblicher Engpass im Bereich Augs burg gleisigen Ausbau Entlastung Strecke Hannover schweig burg Kapazitäten, gleichzeitig aber Aufgabe Entlastungsstrecke Wiesenburg terglück Erhebliche Mehrkapazität im Bereich Baden-Baden wie vor große Engpässe im Bereich Rastatt und südlich Offenburg Kapazi Nicht nutzbar für Güterverkehr, tät auf Außenring wird zurückgebaut Bisher kein Nutzen höhere Kapazitätsreduzierung durch Geschwindigkeitsdifferenz, Abbau von Überholgleisen ------Bahn - Bühl

Hannover

München

Auswirkungen auf SPNV Leichte Angebotserhö hungen Neues Schnellprodukt Nürnberg mit absichtlicher Verlang samung (Überholung Ingolstadt), neue Regi onalbahnhöfe, aber: Ver schlechterung Anschluss situation Augsburg Neue schnelle RE nach Rathenow möglich. Ver langsamung Nahverkehr Wolfsburg Überholungen durch Stadtbahnerweiterung Baden-Baden Neue Nord-Süd-Linien mit erheblichen Fahrzeit verkürzungen, aber keine Nutzung des viergleisei im S gen Tunnels Verkehr Zusätzliche Flughafenan bindung Halle/Leipzig Fahrzeitverlängerungen zusätzliche Über durch holungen ------

B. verkehrt bis heute

Kontraproduktiv, da Strecke extra für TGV/ Kontraproduktiv, Thalys-Züge als „nicht befahrbar“ darge im Rhein stellt wurde; freiwerdende Trassen SPNV blockiert tal wurden geschickt durch Eher negativ: Strecke ist immerhin auch mit aber Be konventionellen Zügen befahrbar, Nürnberg–Ingolstadt– (vgl. gegnungsverbot München–Express). Z. nicht der Nachtzug Kopenhagen über diese Strecke, obwohl er die Sicherheitsanforde rungen erfüllt Strecke kann auch von Sonder-/ Positiv. Nachtzügen genutzt werden. Hindernis sogar nicht beseitigte bzw. se aber durch verschärfte Kapazitätsengpässe in Berlin- Spandau und in Hannover Keine. Strecke kann auch von Sonder-/ Nachtzüge benutzt werden, aber Leistungs Nichtausbau Knoten Rastatt fähigkeit durch und Offenburg sogar eher reduziert werden mit sehr ho Wettbewerber Negativ. hen Stationspreisen Berlin Hbf belastet, mei den daher teilweise Tunnel Keine Zwischennutzung Negativ. während langer Bauphase möglich erhöhte Geschwindigkeits Durch Negativ. differenz und starken Güterverkehr fast kei ne Kapazitäten mehr vorhanden Auswirkungen auf Wettbewerbspotenzial Auswirkungen auf Wettbewerbspotenzial im SPFV - Keine Keine 80 Min. 20 Min. 30 Min. – 60 Min. – 25 Min.

50 20 Fahrzeiter sparnis - - - - - Mün

Magdeburg

Keine Verbesserung NBS Keine Verbesserung plus Rheintal vs. alte Rheintalschiene (4 Züge pro Std. und Richtung) Verbesserung, etwa 0,5 Verbesserung, Züge pro Stunde und Richtung. Halbstunden takt Nürnberg chen unter erheblicher für Verschlechterung Augsburg erkauft Verdopp Verbesserung, lung von stündlichem auf zwei Linien je Verkehr Stunde; allerdings Aufga be Berlin Keine Verbesserung Keine Verbesserung Bislang nur Nutzung Flughafenanbindung Leipzig Per Saldo keine Verbesse rung, Mehrangebot B-HH zu Lasten von Schwerin Angebot SPFV nach Inbetriebnahme 6.400 3.600 3.050 1.700 2.800 7.800 2.650 Abbildung 38: (geplant) Kosten (Mio. Euro) Auswirkungen der

Netzinvestitionspo-

- — — —

litik auf den Wettbe- -

Hal

Berlin

— werb im Fernverkehr

Quelle: NBS Köln Rhein/Main inkl. Abzweig Wiesbaden NSB Nürnberg Ingolstadt, ABS Ingolstadt München NBS/ABS Hannover Berlin NBS Baden- Baden Offenburg NBS Nord- Süd-Tunnel Berlin NBS/ABS Nürnberg Erfurt le/Leipzig ABS Ham burg Maßnahme eigene Darstellung

Schienenpersonenfernverkehr 117 ------B. über

Bahn-Gleise fördern - Auswirkungen auf Güterverkehr Reduzierung von Kapazitäten durch Reduzierung von Kapazitäten durch höhere Geschwindigkeiten. Kein Aus bau paralleler Güterstrecken (z. Dessau) nur Kapazitätseinschränkung durch partielle Nutzbarkeit des neuen Tunnels Willebadessen Beschleu Kapazitätsreduzierung durch nigung SPFV Beschleu Kapazitätsreduzierung durch nigung SPFV Beschleu Kapazitätsreduzierung durch nigung SPFV Erhebliche Kapazitätserhöhung im Gü teilweise aber Verdrängung terverkehr, von Ingolstadt her geschuldet Neuer Engpass im Bereich Schiffer stadt/Limburgerhof Eigenständige S Geschwindigkeitsharmonisierung, im Gegenzug höhere Geschwindigkeitsdif ferenz zum Fernverkehr –

- -

Bahn- - Bahn-Stationen - Auswirkungen auf SPNV Fahrzeitverlängerung zusätzliche Über durch holungen; aber höhere Geschwindigkeiten auf RE-Streckenast Keine Keine Keine Neitech-Nutzung im Nahverkehr Lichtenfels Saalfeld auf Verdichtung Halbstundentakt ange strebt Keine, Unterstützung Ausbau S Eigenständige S Gleise, RegioBahn Aachen - - - -

Stuttgart

km Strecke beein

Positiv. Strecke ist für Wettbewerber nutz Strecke ist für Wettbewerber Positiv. wird auch genutzt. bar, +EINE ¬DA¬KEINE¬SIGNIlKANTE¬&AHRZEITVERKàR zung, im Gegenteil unnötig hohe Sicher heitsanforderungen im einzigen, neuen (!) Tunnel Keine, da Neitechfahrzeuge auf dem Markt nicht verfügbar sind da Strecke schneller geworden ist Positiv, Keine, da Neitechfahrzeuge auf dem Markt nicht verfügbar Engpassbeseitigung erhöht Positiv. Realisierungschancen München Keine, da Fahrzeit kaum verkürzt und bislang keine zusätzlichen Kapazitäten deutsche Sicherungstechnik Eher negativ, (LZB) für gerade mal 50 trächtigt Interoperabilität und damit die Wettbewerbsfähigkeit Auswirkungen auf Wettbewerbspotenzial Auswirkungen auf Wettbewerbspotenzial im SPFV - - - - Min. nutzt 5 Min. 50 Min. 20 Min. 20 Min. 30 Min. unter 30 bau unge lang schon Kein Effekt. Kein Effekt, Neitechaus Fahrzeit bis Bislang keine Fahrzeiter sparnis ------Nürnberg

Verbesserung, Verdopp Verbesserung, lung zu Stundentakt Keine Verbesserung, im Keine Verbesserung, Gegenteil Ausdünnung Zweistundentakt Fernver kehr auf fünf Zugpaare IR Keine Verbesserung, wurde in IC umgewan delt Keine Verbesserung Verdopp Verbesserung, lung auf Stundentakt im Keine Verbesserung, Gegenteil Reduzierung NBS/ABS Mün durch chen früher Verschlechterung, Stundentakt aus EC/IR, 4 Stunden lang heute z.T. kein Fernzug An Keine Verbesserung, gebotsumschichtung zu Thalys/ICE Angebot SPFV nach Inbetriebnahme k.A. 700 700 600 600 900 1.500 1.500 Kosten (Mio. Euro)

— —

- —

— -

– Pa

ABS Berlin Leipzig ABS Dort mund derborn Kassel ABS Neitech Fulda Leipzig ABS Leipzig Dresden ABS Neitech Naumburg Bamberg ABS München Augsburg ABS Mannheim Saarbrücken ABS Köln Düren Maßnahme

118 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009

Kapitelbild: Doppelte Kreuzungsweichen in einem Rangierbahn- hof 5 Macht über die Schiene bedeutet Macht auf der Schiene – Schlüsselfaktor Infrastruktur

Wie in allen Netzsektoren hat die Infra- Motor von Opel einzubauen. Es ist evident, struktur im Schienenverkehr eine heraus- dass diese einseitige Fremdbestimmung ragende Bedeutung. Plastisch lässt sich die dem Wettbewerbsgedanken grundlegend Rolle dieses Schlüsselfaktors an der Abbil- zuwiderläuft. dung 39 ablesen, aus der die typische Auf- teilung der Vollkosten auf die einzelnen Theoretisch ist es vorstellbar, dass die Funktionen im Schienenverkehr – hier im EIU der DB AG wie nach dem EG-Recht SPNV – hervorgeht. gefordert tatsächlich unabhängig agie- ren und die konzerninternen Chinesischen Über 50 % der gesamten Wertschöp- -AUERN¬KEINE¬3CHLUPmÚCHER¬AUFWEISEN¬)N¬ fung im SPNV werden durch die Infra- der Lebenswirklichkeit ist diese Annah- struktur bestimmt, die sich aus den Berei- me jedoch illusorisch. Denn der Vorstand chen Netz, Personenbahnhöfe und Energie DER¬$"¬!'¬IST¬AKTIENRECHTLICH¬VERPmICHTET ¬ zusammensetzt. Je nach Segment (SPNV, ausschließlich zum Wohle des Unterneh- SPFV, SGV), Beschaffenheit der Infrastruk- mens zu handeln. In der Diskussion um die tur (z. B. Kunstbautenanteil), Fahrzeugtyp Bahnstromrabatte hat das OLG Frankfurt (neu/gebraucht) und einzelnem Transport diese Logik ausdrücklich bestätigt, indem können die Anteile erheblich schwanken. es gegen die Bevorzugung der Konzern- Im Güter- und Fernverkehr liegt der Pro- töchter keine Einwände erhob. zentsatz wegen der gegenwärtigen Tras- senpreisstruktur etwas niedriger. In der In den nachfolgenden Abschnitten wird Durchschnittsbetrachtung trifft diese Prin- gezeigt, welche Nachteile die Wettbe- zipdarstellung den Kern des Dilemmas: die werber aus dem Mangel an institutionel- Abhängigkeit der Kalkulation eines Wett- ler Neutralität der EIU erleiden und wel- bewerbers von einem Parameter, dessen che negativen Konsequenzen sich für die Höhe ihm extern praktisch ohne jede Ein- Entwicklung der Schienenverkehrsbranche mUSSMÚGLICHKEIT¬VORGEGEBEN¬WIRD¬,EDIG- ergeben. Im Mittelpunkt stehen die Funkti- lich die Energiekosten sind in Grenzen onen, auf deren Unabhängigkeit die Richt- durch das Fahrverhalten steuerbar. linie 2001/14/EG zu Recht besonderen Wert legt: die Festlegung der Infrastruktur- Da die Infrastruktur nicht neutral von ei- entgelte, die Vergabe und Vermarktung nem unabhängigen EIU bewirtschaftet von Trassen sowie die Kapazitätsplanung. wird, sondern von der integriert aufgestell- ten DB AG, ist die Situation im Schienen- verkehr doppelt pikant: Die Wettbewerber auf der Transportebene müssen nicht nur die Fremdbestimmtheit des Kostenblocks Infrastruktur in Kauf nehmen, sondern dass es ausgerechnet ihr marktbeherrschender Konkurrent ist, der im Zusammenspiel mit seinen Konzernschwestern über rund 50 % der Wertschöpfung verfügt. Damit müssen Abbildung 39: die Wettbewerbsbahnen im Außenverhält- "EEINmUSSBARKEIT¬ der Kosten einer nis zum Kunden für ein Leistungspaket ge- Wettbewerbsbahn radestehen, das zur Hälfte die DB AG ver- antwortet, ohne für die Außenwelt sichtbar Quelle: zu sein. eigene Berechnungen

Um sich das Ausmaß der unternehme- rischen Zumutung vor Augen zu führen, lohnt es sich, die Abhängigkeitskonstella- tion unter Wettbewerbern auf andere Bran- chen zu übertragen. So wäre beispielsweise BMW gezwungen, die Karosserie und den

Schlüsselfaktor Infrastruktur 121 5.1 Netzplanung und –inves- der Allgemeinheit, insbesondere den Ver- titionen: DB-Konzern und kehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Er- halt des Schienennetzes der Eisenbah- BMVBS unter sich nen des Bundes […] Rechnung zu tragen“ (Art. 87e Abs. 4 GG). Aus ökonomischer Sicht steht außer Fra- ge, dass sich die Kosten der Schieneninfra- In der politischen und betrieblichen Pra- struktur in der bundesweiten Gesamtschau xis unterfächert sich der Gemeinwohlauf- nicht durch die Infrastrukturentgelte der trag in drei Teilaufgaben: EVU bzw. deren Endkunden – Fahrgäste und Verlader – decken lassen. Abbildung ƒ Verkehrswegeplanung: Wie bei an- 40 verdeutlicht diesen Zusammenhang. deren Verkehrsträgern auch entschei- den formal der Bundestag und der Während das heutige Schienennetz Voll- Bundesrat am Ende des komplexen kosten in Höhe von circa 8,5 Mrd. Euro Prozesses der Bundesverkehrswegepla- verursacht (Faustformel: gut 4 Mrd. Euro nung, welche Neu- und Ausbauvorha- Investitionen bzw. langfristiger „realer“ Ab- ben aus verkehrlichen, raumordnungs- schreibungsaufwand plus circa 4,3 Mrd. oder strukturpolitischen Gründen als Euro operative Betriebskosten), lag die VORDRINGLICH¬KLASSIlZIERT¬UND¬ALS¬!NLAGE¬ Summe der Trassen-, Anlagen- und Stati- in den Bedarfsplan des Bundesschie- onsentgelte 2008 bei rund 4,7 Mrd. Euro. nenwegeausbaugesetzes aufgenommen Vereinfacht gesagt decken die Nutzerent- werden. Der Planungsprozess selbst ob- GELTE¬DIE¬LAUFENDEN¬+OSTEN ¬lNANZIEREN¬JE- liegt jedoch der Bundesregierung, die doch nicht die Investitionen, also weder sich in wesentlichen Teilen auf die Pro- die Erhaltung der Kapazität noch deren jektvorschläge der DB AG und deren Erweiterung. Zu berücksichtigen ist, dass Bewertung stützt. Darüber hinaus setzt rund zwei Drittel aller Infrastrukturentgel- sie sich mit den Ländern ins Benehmen. te durch den SPNV entrichtet werden, der ƒ sich wiederum zu zwei Dritteln aus staatli- Bau und Betrieb: Indem die Verfas- chen Regionalisierungsmitteln speist. Ins- sung von den Eisenbahnen „des Bun- gesamt liegt daher der Finanzierungsanteil des“ spricht, wird der bei der Straße des Endkunden bei rund 30 %. praktizierte funktionale Infrastrukturbe- griff auf eine eigentumsrechtlich-orga- Überließe man die Bereitstellung der nisatorische Auslegung verengt. Folge Schieneninfrastruktur den Marktkräften, ist, dass die DB AG als Bauträgerin und bliebe demnach bestenfalls ein betriebs- Betreiberin (zunächst) gesetzt ist. Aus wirtschaftlich optimales Rumpfnetz mit der Sicht der Daseinsvorsorge ist diese ausgewählten Stationen und Rangierbahn- Abhängigkeit von einem Anbieter kei- höfen übrig. Hierin legitimiert sich die ver- neswegs zwingend, zumal sie keinen fassungsrechtlich verankerte Aufgabe der Anreiz für innovative Bewirtschaftungs- Daseinsvorsorge des Bundes, „dem Wohl formen setzt. ƒ Finanzierung: In welchem Maße sich der Bund an der Finanzierung des Ge- meinwohlauftrags beteiligt, wird durch die Formulierung des Grundgesetzes nicht exakt präjudiziert. Dagegen sprä- che bereits die Schwankungsbreite der verfügbaren Haushaltsmittel. Doch auch die Bemessungsgrundlagen und Verfahrensregeln für die Festlegung des gemeinwirtschaftlichen Anteils an den Netzinvestitionen haben sich seit 1994 Abbildung 40: stark gewandelt. So ist das ursprüngli- Kostenunter- che Prinzip der Lastenteilung zwischen deckung der Bund und DB AG – das noch heute de Schieneninfrastruktur jure gilt – sukzessive ins Gegenteil ver- kehrt worden. Während das originä- in Mrd. Euro re Regel-Ausnahme-Verhältnis vorsah, dass die DB AG die Ersatzinvestitionen Quelle: eigene Darstellung in das Bestandsnetz weitgehend selbst

122 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 und bei Neu- und Ausbau den Anteil in das BMVBS seit über einem Jahrzehnt Höhe ihres eigenwirtschaftlichen Inte- einen Großteil der Aufgaben de fac- resses zu tragen habe, ist es dem Un- to der DB AG überlässt. Am sichtbar- ternehmen ab 2000 gelungen, die Ei- sten ist die Konzeptlosigkeit in der Aus- genmittel Stück für Stück zu Lasten der baustrategie des Netzes sowie in dem öffentlichen Haushalte herunterzufah- Verzicht auf verkehrspolitische Anfor- REN¬-ITTLERWEILE¬lNANZIERT¬DER¬"UND¬ derungen an die Bahnprivatisierung. sämtliche Neu- und Ausbauprojekte in Aber auch andere Versäumnisse fallen voller Höhe, und zur Bestandsinfrastruk- unter diese Rubrik, etwa das zögerliche tur steuert er gemäß der LuFV 2,5 Mrd. Einfordern von Schlussverwendungs- Euro pro Jahr bei – mit steigender Ten- nachweisen oder die Beschränkung der denz, indem in den letzten vier Jahren Ausgabenprüfung auf 20 % der ausge- über 200 Mio. Euro jährlich aus dem reichten Mittel, obwohl das EBA eine Bedarfsplanetat umgewidmet wurden. hohe Quote der Verstöße gegen Zu- Auf dem Papier ist somit die Idealtypik wendungsrecht feststellt (siehe auch der Rollenverteilung eindeutig: Der Bund Kritik des Bundesrechnungshofs vom hört sich die verkehrlichen Bedürfnisse der 8.3.2006). Neben Bequemlichkeit und EVU an und legt anschließend unter Wah- der Vielzahl der Führungswechsel im rung gesamtgesellschaftlicher Interessen BMVBS sehen Beobachter ein Motiv der fest, welche Schienenwege (samt Anlagen) Passivität auch darin, im Falle von Miss- benötigt werden. Daneben schultert er erfolgen die DB AG als Blitzableiter in den Großteil der Finanzierung. Die DB AG der Öffentlichkeit haftbar machen zu ist Erfüllungsgehilfe und führt als Bauträ- können. gerin und Betreiberin diesen Auftrag best- Aus der Sicht der Wettbewerber ist die möglich aus. Die Wettbewerber auf der passive Haltung des BMVBS besonders Schiene mögen darauf setzen, dass das problematisch, weil das verkehrspolitische "-6"3¬UND¬DIE¬ZUR¬.EUTRALITËT¬VERPmICH- Korrektiv ausfällt, das die Interessen der teten EIU der DB AG ihre Belange bei der konzernexternen Nutzer bei der DB AG Kapazitätsplanung und Projektauswahl be- einbringen und im Bedarfsfall durchsetzen rücksichtigen. könnte. Im Ergebnis werden die Wettbe- werbsbahnen an zahlreichen Stellen er- Mit der Realität hat die Skizze der Norm- heblich benachteiligt: vorstellung wenig gemein. Die DB AG zieht deutlich mehr Kompetenzen an sich, ƒ Die gravierendste Diskriminierung er- als sich auf die Rolle des ausführenden Or- wächst aus der Tatsache, dass die Drit- gans zu beschränken. Die Gründe: ten an den Planungsprozessen in kei- ner Weise beteiligt werden. Auch im ƒ Da die Schieneninfrastruktur – als Gan- Jahr 16 nach der Bahnreform optimie- zes, aber auch in funktionalen Einhei- ren die EIU der DB AG ihre Infrastruk- ten (Strecke, Teilnetz) – ein natürliches turkapazität ausschließlich entlang der Monopol bildet, ist es aus der Sicht des Bedürfnisse und Betriebsprogramme BMVBS als zuständiger Fachaufsicht un- der eigenen Transporttöchter. In wel- vermeidlich, bei allen Aufgaben in ho- chen Segmenten und auf welchen Kor- hem Maße auf die Expertise der DB AG ridoren die Wettbewerber künftige Po- zu setzen. Hinzu kommt, dass der ex- tenziale sehen, wird an keiner Stelle klusive Zuschnitt auf die „Eisenbahnen abgefragt. Zu den internen Planungs- des Bundes“ verhindert, von der Erfah- runden haben sie keinen Zugang. rung unterschiedlicher Infrastruktur- Dieser Mangel setzt sich auf der politi- BETREIBER¬ZU¬PROlTIEREN¬:WAR¬GIBT¬ES¬ schen Ebene fort. Es gibt keine institu- auch DB-intern einen Wettbewerb al- tionellen Vorkehrungen im Rahmen der ternativer Formen der Netzbewirtschaf- Bundesverkehrswegeplanung, um die tung, indem die RegioNetz-Modelle Präferenzen und Marktkenntnisse der z. B. niedrigere Standards anlegen dür- Wettbewerber ernsthaft zu integrieren. fen. Der Bund partizipiert an dem Herr- Dies gilt sowohl für die Projektauswahl schaftswissen der DB AG jedoch nicht, als auch für die Bemessung der Kapazi- so dass sie es zu ihren Gunsten einset- tät (die in diesem Stadium ohnehin nur zen kann. grob veranschlagt wird). ƒ Verstärkt wird der Informationsvor- Dauerhaftes Ignorieren wesentlicher sprung der DB AG noch insoweit, als Know-how-Träger ist insofern unbe-

Schlüsselfaktor Infrastruktur 123 GREImICH ¬ALS¬DAS¬"-6"3¬PRIMËR¬DIE¬!UF- TERIEN¬HËUlG¬HINTER¬POLITISCHEN¬%RWË- gabe hat, die Zukunft der Schienen- gungen zurückstehen müssen (siehe die verkehrsbranche zu sichern, nicht die Bevorzugung verkehrlich nachrangiger eines einzelnen Unternehmens. Eben- VDE-Projekte). Es ist aber ein Unter- so wird damit außer acht gelassen, dass schied, ob man wenigstens die Chance das Wachstum auf der Schiene in den zur Mitsprache hat oder wie die Wett- letzten Jahren fast allein von den Wett- bewerbsbahnen vorn vornherein „am bewerbern getragen wird. Katzentisch plaziert“ wird. ƒ Bei der jährlichen Verteilung der Haus- ƒ Auch das große Themenfeld des Rück- haltsmittel setzt sich die Benachteili- baus der Kapazität wird von der DB AG gung fort. Die Dritten werden zu den weitgehend autonom besetzt. Dies sogenannten „Fulda-Runden“ im Früh- trifft die Wettbewerbsbahnen in ho- jahr jedes Jahres nicht eingeladen. Dort hem Maße, weil sie in ihren Entwick- verhandeln DB AG und BMVBS darüber, lungsmöglichkeiten – insbesondere im in welchen Tranchen die zu dem Zeit- Güterverkehr – erheblich beschnitten punkt verfügbaren Mittel auf die einzel- werden. Positiv zu vermerken ist aller- nen Projekte verteilt werden sollen. Wie dings die Neuerung, dass das EBA nach das Tauziehen der letzten Jahre zeigt, Jahren der (verordneten) Passivität sei- kann auch die DB AG in vielen Fällen ne Zurückhaltung aufzugeben scheint. nicht verhindern, dass verkehrliche Kri- Kürzlich wurde eine Arbeitsgruppe ein- gerichtet, die sich des Problems der Ka- pazitätsverringerung vertieft annehmen Die vergessenen Wettbewer- soll (vgl. auch Kapitel 3.3 auf Seite 74), ber von Bad Schandau ƒ $IE¬%FlZIENZ¬VON¬"AU¬UND¬"ETRIEB¬LEIDET¬ unter der Monopolisierung beider Auf- Ein eklatantes Beispiel für das Ausblen- gaben in der DB AG. Trotz der Geset- den der verkehrlichen Belange der Wettbe- zeslage ist diese keineswegs zwingend, werber ist der Umbau des Bahnhofs Bad wie die Grauzone des Verfahrens zur Schandau. Dessen Planung basierte auf Abgabe von Schieneninfrastruktur de- der Annahme, dass künftig ausschließ- monstriert. Gute Ideen scheitern allein lich Zweisystemloks den Bahnhof anfah- am politischen Willen. Schon die Task ren würden. Diese Fahrzeuge sind bis auf Force „Zukunft Schiene“ wies 2001 in wenige Ausnahmen nur im Bestand der ihrem Endbericht auf die Option hin, 3TAATSBAHNENVORZUlNDEN$"!'#$ alternative Bewirtschaftungsformen zu [Tschechien]). Alle anderen Gleise, die für erproben. Bis heute hat das BMVBS kei- Lokwechsel notwendig sind, wurden als nen Modellversuch in die Wege gelei- entbehrlich markiert, obwohl schon da- tet. mals der Verkehr der Privatbahnen keinen geringen Anteil ausmachte. Die Wettbe- ƒ Weil das Zuwendungsrecht ausnahms- werber verzichten i.d.R. auf teure Zwei- los an die Eisenbahnen des Bundes systemloks, u. a. auch weil bei Übergabe gekoppelt ist, ist die Infrastruktur der an Partnerbahnen in Tschechien ohne- NE-Bahnen nicht förderfähig. Dies ist hin ein Lok- und Personalwechsel ansteht. insofern unverständlich, als z. B. die Darüber hinaus ignorierte der Umbau die Schienenwege der OHE oder EVB im erheblichen Mengenpotenziale auf der Zulauf auf die Nordseehäfen einen Magistrale Nordseehäfen/Berlin — Dres- wichtigen Beitrag leisten können, die den — Tschechien. Kapazitätsengpässe im Seehafenhinter- landverkehr zu lindern. Das genehmigende Eisenbahn-Bundes- ƒ !LS¬4ROSTPmASTER¬WIRD¬DEN¬7ETTBEWER- amt war sich der Problematik zunächst bern das Recht eingeräumt, einige Mit- nicht bewusst. Erst infolge vehementer glieder im Netzbeirat der DB Netz AG Beschwerden der Wettbewerbsbahn ITL ZU¬STELLEN¬$ESSEN¬%INmUSS¬TENDIERT¬JE- (Dresden) kam es zur Intervention der doch gegen null, da er keine Entschei- BNetzA und des EBA. Erreicht wurde zwei- dungsbefugnisse geltend machen kann. erlei: Wenigstens während der Baumaß- %R¬VERSCHAFFT¬DER¬$"¬!'¬EIN¬!LIBI ¬OFlZI- nahme wurde der Bahnhof Bad Schandau ell die Nutzer des Netzes „in ihre Über- Ost offen gehalten, und beim Umbau des legungen einzubinden“, ohne irgend- Bahnhofs Bad Schandau selbst wurde im- WELCHE¬JUSTIZIABLEN¬6ERPmICHTUNGEN¬ merhin ein Lokwechselgleis belassen. eingehen zu müssen.

124 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 5.2 Infrastrukturentgelte: Demnach sind hierunter alle Grundlagen Rechtsfreier Raum der Entgeltfestlegung zu fassen, die sich auf das Gesamtsystem beziehen, jedoch nicht auf einzelne Segmente der Schiene Dass die Regelungen zur Entgeltfestset- (siehe auch Kapitel 5.2.3 auf Seite 129). Hier- zung für die Infrastrukturnutzung eine zu gehört z. B. die Frage, ob dem Adressa- existentielle Bedeutung für die Wettbe- ten der Regulierung Anreize – und wenn werbsbahnen haben, leitet sich aus drei ja: welche – gesetzt werden sollen (z. B. Überlegungen ab: u+OSTEN¬EFlZIENTER¬,EISTUNGSERBRINGUNGh ¬ oder ob Ist-Kosten wie nach heutigem AEG ƒ Wie bereits anklang, ist der relative An- einfach überwälzt werden dürfen. Ebenso teil dieses Kostenblocks von 50 % eine fällt darunter, inwieweit Grenzkostenprei- Größenordnung, deren Relevanz nicht se – die im EG-Recht zwingend vorgese- weiter erklärungsbedürftig ist. hen sind – die Bemessungsgrundlage bil- ƒ Infrastrukturbetreiber im Sektor Eisen- den, welche Zuschläge erlaubt sind oder bahn sind natürliche Monopolisten, welche Vorgaben für die Angemessenheit die in ihrer Preisgestaltung praktisch und Bezugsgröße von Renditen der EIU ge- keinem Wettbewerbsdruck unterliegen. setzt werden (Umsatz, eingesetztes Kapital Ohne Korrektiv des Marktes neigen sie usw.). erfahrungsgemäß dazu, zu erhöhten Kosten zu produzieren und innovati- Zu beachten ist, dass sich diese Ausle- onsarm zu agieren. Zudem verfügen gung von „Grundsätzen“ nicht vollstän- sie über den Spielraum, marktunübli- dig mit dem Begriff der Entgeltgrundsätze che Gewinnaufschläge auf ihre Nutzer im gegenwärtigen Eisenbahnrecht deckt. zu überwälzen. Beispiel hierfür ist die Dort wird ein unscharfer Maßstab formu- Gewinnentwicklung der DB-EIU in den liert, der sowohl praktische Strukturfragen letzten Jahren (vgl. weiter unten). umfasst – also die konkrete Kostenzuschei- ƒ Integrierte Unternehmen wie der DB- dung auf die drei Segmente der Schiene – Konzern haben den unschätzbaren als auch Methodenfragen oberhalb dieser Vorteil, mit Hilfe ihrer EIU diejenigen Ebene einschließt. Einen Fingerzeig auf ei- Unternehmensteile – hier die Transport- nen Mangel in der Rechtsanwendung mag gesellschaften – privilegieren zu kön- man auch darin sehen, dass es dem Netz- nen, die im Wettbewerb bestehen müs- betreiber gemäß § 14d Satz 1 Nr. 6 AEG sen. Konzernexterne Nutzer haben aus überlassen bleibt, die Entgeltgrundsätze diesem Grund ein besonderes Schutz- selbst zu formulieren. Diese Freiheit bietet bedürfnis zur Abwehr von Diskriminie- das Regulierungsrecht in anderen Netzsek- rungspraktiken. toren nicht.

In der Summe der vorgenannten Argu- Weil das Eisenbahnrecht an dieser Stelle mente wird ersichtlich, dass der Zugang noch sichtbar „im Flusse“ ist, konzentriert zu den essential facilities einschließlich der sich dieser Report auf die handfesteren As- Konditionen regulierungsbedürftig ist, weil pekte der Entgelthöhe und –struktur. DER¬7ETTBEWERB¬ALS¬%FlZIENZTREIBER¬UND¬ Disziplinierungshebel ausfällt. Das Instru- mentarium muss aus ökonomischer Sicht 5.2.2 Entgelthöhe drei Ausprägungen der Entgelte regeln: Die Entgelthöhe setzt sich aus zwei Pa- ƒ Entgeltgrundsätze rametern mit jeweils einer Eigenschaft zu- ƒ Entgelthöhe sammen, deren Zielwerte der Regulierer separat bestimmen muss: ƒ Entgeltstruktur ƒ %FlZIENZ¬DER¬+OSTEN Vorgelagert muss entschieden werden, 5.2.1 Entgeltgrundsätze welche Kostenarten mit welchem Zeit- bezug der Entgeltbemessung zugrunde In der ökonomischen Analyse bilden gelegt werden sollen. Ein besonderes die Entgeltgrundsätze den methodischen Augenmerk bei der Infrastruktur liegt Überbau, der den zulässigen Korridor für auf der Erfassung von Fördermitteln, die Höhe und Struktur der Preise aufspannt. grundsätzlich herausgerechnet werden

Schlüsselfaktor Infrastruktur 125 müssen, um Doppelabrechnungen zu frastruktur kann die Antwort nur lauten, Lasten der Nutzer zu verhindern. Eben- dass der Renditeanspruch dort deut- so prüfenswert sind die Umlagen im lich bescheidener ausfallen muss als im DB-Konzern zwischen der Holding und Transportbereich. Er muss so bemessen den Geschäftsfeldern, die von außen sein, das das betriebswirtschaftliche In- nicht nachvollziehbar sind. teresse eines privatwirtschaftlich geführ- Der zweite, an dieser Stelle im Vorder- ten Unternehmens an dieser Aufgabe grund stehende Schritt sieht vor, jedem gewahrt bleibt. Zu bedenken ist, dass EIU einen %FlZIENZPFAD vorzugeben das Geschäftsfeld im Vergleich zu ande- („regulierter Anreiz“), der die Wirkun- ren Märkten risikoarm ist. Solange die gen des Wettbewerbs näherungswei- verfassungsrechtliche Privatisierungs- se simuliert („als ob…“). In der LuFV sperre für diesen Bereich bleibt, ist die hat der Bund z. B. darauf verzichtet, die Bereitstellung durch die Eisenbahnen Teuerung über eine Indexierung des In- des Bundes ohnehin gesichert. frastrukturbeitrags von 2,5 Mrd. Euro Börsenfähige Renditeziele sind dem p.a. auszugleichen. Die nominale Kon- Steuerzahler nicht vermittelbar, da er stanz des Baukostenzuschusses löst in- letztlich den Gewinn des privaten An- SOFERN¬EINEN¬%FlZIENZANREIZ¬AUS ¬ALS¬DAS¬ TEILSEIGNERS¬lNANZIERT¬3OLANGE¬DIE¬ EIU seinen Gewinn – in der Annahme DB AG als Managementholding geführt ansonsten gleicher Bedingungen (Kos- und die Gewinne der EIU ohne Zweck- tenfunktion, Erlöse) – nur halten kann, BINDUNG¬DEM¬+ONZERN¬ZUmIE”EN ¬LASSEN¬ wenn es die Preissteigerung durch ei- SICH¬SOLCHE¬1UERlNANZIERUNGEN¬NICHT¬ nen Produktivitätszuwachs in gleicher unterbinden. Die Wettbewerber können Höhe auffangen kann. damit doppelt benachteiligt werden: Ein ähnlich gelagerter Anreiz ist bei der Erstens werden Mehrverkehre auf der Festlegung der Nutzungsentgelte er- Schiene preislich abgeschreckt, die ten- forderlich. In der Regulierungspraxis ist denziell von den Konkurrenten stärker dies der sogenannte X-Faktor, der min- akquiriert werden. Zweitens kann z. B. destens den Produktivitätsgewinn durch im Güterverkehrsbereich DB Schenker natürlichen Fortschritt abschöpfen soll- Rail über den Hebel des Umlagesystems te. Dies gilt z. B. für Rationalisierungs- von den Gewinnen der EIU verdeckt effekte im Betrieb durch den Einbau PROlTIEREN elektronischer Stellwerke, den Rückbau störanfälliger Weichen oder die Besei- Status quo: tigung von Bahnübergängen. Hinzu Gewinnabschöpfung durch EIU kommt, dass diese Investitionen vom Bund weit überwiegend gefördert wer- Die Dringlichkeit der Regulierung von den (Ausnahme: Drittelregelung bei der Trassen- und Stationspreisen lässt sich an Beseitigung von Bahnübergängen nach der Gewinnentwicklung der Geschäftsfel- EKrG). der DB Netze Fahrweg und Personenbahn- höfe zwischen 2004 und 2008 ablesen ƒ Angemessenheit des Gewinns (Energie sei hier ausgeklammert, da Bahn- ÄBER¬DIE¬%FlZIENZ¬DER¬+OSTEN¬HINAUS¬ strom gesondert in Kapitel 3.4 auf Seite 76 stellt sich die Frage, wie hoch der unter- behandelt wird). nehmerische Gewinn bzw. die Rendi- te der EIU ausfallen dürfen. Soll sich die Während die beiden EIU bis 2006 – we- Renditefähigkeit der EIU an den lukra- GEN¬DES¬.ETZDElZITS¬n¬IN¬DER¬3UMME¬BE- tivsten (und zugleich riskantesten) alter- ständig rote Zahlen schrieben, sind sie seit nativen Kapitalverzinsungen im globa- zwei Jahren schlagartig auf wundersame len Maßstab orientieren, oder ist eine Weise zum Gewinnbringer des Konzerns Verzinsung knapp oberhalb des lang- mutiert. 160 Mio. Euro Verlust 2006 dreh- fristigen Habenzinssatzes angemessen? ten sich binnen zweier Jahre in einen statt- An welcher Kennziffer wird die Rendite lichen Gewinn nach Zinsen von rund 540 gemessen: am Umsatz oder am (Eigen-) Mio. Euro 2008, das einem im Geschäfts- Kapitaleinsatz? Welche Bewertungsme- bericht 2008 ausgewiesenen EBIT von rund thoden dürfen angewandt werden? 932 Mio. Euro entspricht (davon 52 Mio. Euro als Sondereffekt im Geschäftsfeld Per- Angesichts des hohen Anteils staatlicher sonenbahnhöfe). Finanzierung an den Vollkosten der In-

126 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Die DB AG erklärt diese Entwicklung zu- wachsende Nachfrage nach Trassen zu- meist mit den positiven Effekten des Pro- rück. So nahm die Zahl der gefahrenen gramms ProNetz. Diese sollen im Grund- Trkm von 998 Mio. (2005) um 4,4 % satz nicht in Abrede gestellt werden, doch in drei Jahren auf 1.042 Mio. (2008) die wesentlichen Ursachen sind woanders zu, und zwar ausschließlich dank der beheimatet: Wettbewerbsbahnen. Während ihr Leis- tungsvolumen um 51,5 Mio. Trkm an- ƒ Der DB-Konzern ging bis November stieg, nahm der Markt nur um 44 Mio. 2007 in seiner Planung davon aus, in- Trkm zu, d.h. die DB AG büßte absolut tegriert an die Börse zu gehen. Die In- leicht ein. Demnach trugen die Wettbe- frastruktur-Geschäftsfelder sollten Teil werber überproportional zum Gewinn- der Privatisierungsmasse sein. Damit sprung der EIU der DB AG bei. mussten sie auch dem Bewertungsras- ter des Kapitalmarktes unterliegen, d.h. Weder ist zu kritisieren, dass die EIU der eine Segmentrendite erwirtschaften, die DB AG Gewinne erzielen, noch ist ihnen dem Konzerndurchschnitt so nahe wie im Grundsatz eine (maßvolle) Steigerung möglich kommt. Die notwendige Kon- zu verwehren. Voraussetzung muss aber sequenz dieser strategischen Weichen- sein, dass der Erfolg leistungsbasiert ist. stellung spiegelt sich in dem explosi- Da der Wettbewerb als Leistungsbarome- onsartigen brachialen Turnaround der ter ausfällt, muss die Anreizregulierung an beiden Geschäftsfelder wider. Der poli- seine Stelle treten – was bis dato nicht der tische Beschluss im Herbst 2007, Fall ist. nur die Transportgesellschaften im Holdingmodell teilzuprivati- sieren, konnte in die Steuerungs- systeme der DB AG noch nicht BIS¬¬EINmIE”EN ƒ Unabhängig von den Anforde- rungen des Kapitalmarktes dürf- te die DB AG den strategischen Nutzen erkannt haben, einen zunehmenden Teil der Gewin- ne in die Infrastruktur zu verla- Abbildung 42: gern. Solange der Regulierer die Gewinnumschichtung Entgelte noch nicht wirksam de- (EBIT) zu den EIU des ckelt, sind sie dort am sichersten Bundes vor der Konkurrenz geschützt. ƒ Parallel hat die Umschichtung EBIT in Mio. Euro für die DB AG den Vorteil, dass Quelle: sie Margeneinbußen aus Auf- eigene Darstellung tragsverlusten im Transportwett- bewerb auf diese Weise teilwei- se kompensieren kann. Dank des Infrastrukturmonopols verdient sie am Erfolg ihrer Wettbewer- ber immer hälftig mit – selbst bei totalem Leistungsverlust auf der Transport ebene. Besonders kom- fortabel ist die Durchreiche-Klau- sel für die Trassen-, Stations- und Energieentgelte in den Verkehrs- verträgen des SPNV, egal wer Abbildung 41: den Verkehr fährt. Gewinnumschichtung (BE II) zu den EIU des ƒ Instrumentell basiert die Ergeb- Bundes niswende weniger auf Kostenein- sparungen, sondern in hohem Betriebsergebnis II Maße auf Erlössteigerungen. Die- in Mio. Euro SE¬GEHEN¬AUF¬SIGNIlKANTE¬JËHRLI- Quelle: che Preiserhöhungen und eine eigene Darstellung

Schlüsselfaktor Infrastruktur 127 Im Einzelnen sind folgende Kritikpunkte ƒ Wettbewerbspolitisch scharf zu an der „Cash-Cow Infrastruktur“ anzumer- kritieren ist, dass der Wettbewerb ken: auf der Schiene verzerrt wird, wenn die DB AG Steuergelder aus dem ƒ Der Gewinnsprung der beiden EIU steht Monopolsektor in hart umkämpfte in keinem Verhältnis zur angebotenen Marktsegmente wie den Transport Qualität des Fahrwegs und der Statio- mittelbar umlenkt. Dies ist nichts an- nen. Diese ist an vielen Stellen mangel- deres als eine (verdeckte) Beihilfe. haft und hat seit der Ausrichtung des Zu hoffen ist, dass die EU-Kommis- Konzerns auf den Börsengang sichtbar sion dieser gravierenden Marktstö- abgenommen. Die Budgets für Instand- rung einen Riegel vorschiebt. haltung und Ersatzinvestitionen sind zu ƒ Haushaltspolitisch werden Steu- niedrig und werden überlinear auf das ergelder zweckentfremdet, die ei- Fern- und Ballungsnetz verteilt. nem Daseinsvorsorgezweck dienen ƒ Da dem Grenzerlös jeder zusätzlich sollten. Mittelfristig untergräbt dies verkauften Trasse aufgrund des ho- die Legitimation staatlicher Förde- hen Fixkostenanteils des Netzes nahezu rung der Infrastruktur. keine zusätzlichen Kosten gegenüber- stehen, erklärt die Absatzsteigerung Auch die jüngste Neuordnung der Kon- von 44 Mio. Trkm seit 2005 bei einem zernumlagen zeigt, wie anfällig das inte- Durchschnittspreis von 4 Euro je Trkm grierte Konstrukt für legale Bilanzgestal- bestenfalls eine Ergebnisverbesserung tung ist, die für die Anreizregulierung von von 176 Mio. Euro. Im gleichen Zeit- großem Interesse ist. So heißt es im An- raum verbesserte Netz sein Ergebnis je- hang des aktuellen Konzern-Geschäftsbe- doch um rund 600 Mio. Euro. Neben richts 2008 auf S. 158: sinkenden Zinsaufwendungen beruht die Differenz von mehr als 400 Mio. Euro darauf, den monopolistischen Neugestaltung Konzernumlage Preissetzungsspielraum ausgeschöpft zu ”Im Rahmen der im Berichtsjahr vor- haben. Mit Leistung hat dies nichts zu genommenen gesellschaftsrechtlichen tun. Umstrukturierungen wurden auch die ƒ Verkehrs-, wettbewerbs- und haushalts- Konzernumlagen neu ermittelt. Die Vor- politisch absolut inakzeptabel ist der jahreszahlen wurden entsprechend ange- vom Bund ausgestellte Freifahrtschein passt. Die Anpassungen betreffen bezo- der DB AG, die Gewinne der EIU über gen auf das EBIT die Segmente DB Bahn die Holding als Clearingstelle in die ren- Fernverkehr (+47 Mio. Euro), DB Bahn diteträchtigsten Geschäftsfelder zu len- Regio (+112 Mio. Euro), DB Bahn Stadt- ken – jenseits der Infrastruktur und mit verkehr (+32 Mio. Euro), DB Netze Per- einiger Wahrscheinlichkeit außerhalb sonenbahnhöfe (+15 Mio. Euro), DB Deutschlands. Dienstleistungen (+24 Mio. Euro) und Be- ƒ Verkehrspolitisch ist die fehlen- teiligungen/Sonstige (–355 Mio. Euro). de Zweckbindung insofern fatal, als erstens der Infrastruktur Geld entzo- Letztlich wird freimütig eingestanden, gen wird, das sie dringendst benö- dass ein Buchungssatz genügt, um den tigt. Die Bundesregierung beklagt Gewinn der Segmente – hier v. a. der sich über die geringe Investitionsbe- DB ML AG – in Höhe eines dreistelligen reitschaft der DB AG im Netz, nennt Millionenbetrags hochzufahren oder ab- diese in internen Vermerken sogar zusenken. Die Geschäftsfelder Netz und konjunkturschädigend, aber lässt es Personenbahnhöfe verdienen auf einen zu, dass die Mittel – aktienrechtlich Schlag 79 Mio. Euro mehr als 2007, ohne zulässig – volkswirtschaftlich zweck- dass sich an der Leistung etwas geändert entfremdet werden. Im Ergebnis hat. Die Frage drängt sich auf, ob die Erhö- wird potenzielles Wachstum auf der hung der Trassen- und Stationspreise zum Schiene vernichtet. Zweitens geht vergangenen Fahrplanjahr notwendig und die „Geldpumpmaschine“ Netz mit legitim war. Trassenpreissteigerungen einher, die dem Ziel des Mehrverkehrs auf der Der Regulierer hat die generelle Preishö- Schiene zuwiderlaufen. he der Trassen- und Stationsnutzung noch nicht beanstandet. Die geringe Personal-

128 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 ausstattung in Kombination mit der Kom- 65 % aller Trassenentgelte stemmt, was plexität der Materie und insbesondere der kostenseitig nicht zu begründen ist. Mit unklaren Gesetzeslage dürfte ihn dazu be- diesem Konstrukt reicht der Bund über wogen haben, mit äußerster Bedachtsam- den Umweg der Regionalisierungsmittel keit vorzugehen, um keine weitere Nieder- etwa 2,5 Mrd. Euro an sein eigenes Un- lage vor dem OVG Münster zu erleiden. ternehmen weiter. Die Inkonsistenz des Systems der Bepreisung zu Lasten des Nahverkehrs erkennt man daran, dass 5.2.3 Entgeltstruktur z. B. Verstärkerzüge des SPNV aufgrund DER¬u!NSCHLUSSDElNITIONh¬DEN¬0RODUKT- Die dritte Eigenschaft der Entgelte ist ihre faktor zahlen müssen, während die be- Struktur. Zu klären ist, nach wie vielen und trieblich ebenso komplexen Nachtzü- welchen Kriterien die Entgelte differenziert ge des Fernverkehrs hiervon verschont werden sollen. Dabei stehen sich im Kern bleiben. zwei Wertvorstellungen gegenüber, die beide ihre Existenzberechtigung als Preis- Daneben muss der Regulierer auf dem bildungsgrundlagen haben: Grat wandern, alles Notwendige zu regle- mentieren, ohne den unternehmerischen ƒ „Verursachergerechtigkeit“: Leit- Freiraum der EIU zu ersticken (der aller- bild des Verursacherprinzips ist es, alle dings aufgrund der hohen Abhängigkeit Kosten(differenzen) demjenigen Nutzer von staatlichen künstlich ist). So bietet es (EVU) oder derjenigen Nutzergruppe sich an, die Beurteilung der Belastbarkeit anzulasten, die kausal ausschließlich auf der Segmente dem Praktiker zu überlas- ihn/sie zurückzuführen ist. Beispiel: LZB sen, der den Markt – d.h. die Zahlungsbe- oder wartungsintensive Schutzweichen reitschaften und Reaktionen seiner Nut- für den Hochgeschwindigkeitsverkehr. zer – am besten kennen sollte. Aus diesem Jenseits dieser „inkrementellen“ Kosten Grund hat sich die Preiskappenregulierung bleibt der im Schienenverkehr große („Price-Cap“) inzwischen als unumstritte- Kostenblock der Gemeinkosten bei al- ner Standard in allen Netzsektoren durch- len Mischverkehrsstrecken übrig, deren gesetzt. Sie räumt dem Regulierten ein, Zuscheidung nicht objektiviert werden die Preise in Ausrichtung auf „Produktkör- kann. Die Äquivalenz zwischen Kosten- be“ in Grenzen selbst festzulegen, solange verursachung und Kostentragung ist die Rendite in der Summe im Zielkorridor unverzichtbar, um die Ressourcen in bleibt. Schließlich muss geprüft werden, die produktivste Verwendung zu lenken ob der Differenzierungs- und Erhebungs- u%FlZIENZh  aufwand in einem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen steht ƒ „Bedarfs- bzw. Belastungsgerech- tigkeit“: Anstelle oder ergänzend zum Der praktische Gehalt dieser Fragen für Verursacherprinzip können die Kos- die Eisenbahnverkehrsunternehmen lässt ten den Nutzern nach anderen Kriteri- sich an drei aktuellen handfesten Beispielen en zugewiesen werden. Diese korres- veranschaulichen: pondieren wiederum in hohem Maße mit den Entgeltgrundsätzen. Beispiel: ƒ Durchschnittsniveau der Aus verkehrspolitischen Gründen kann Trassenpreise nach Segmenten gewünscht werden, ein bestimmtes Die Abbildung 43 auf Seite 130 weist die Marktsegment durch niedrige Trassen- Trassenpreise aus, die die DB-Trans- preise zu stützen (z. B. Mehrverkehr auf portsparten 2008 im Durchschnitt an die Schiene im SGV). Sozialpolitisch ihre Netzschwester entrichteten. Er- können mischkalkulierte Einheitspreise sichtlich wird, dass innerhalb des Perso- vorgegeben werden, damit kostengüns- nenverkehrs der Fernverkehr mit 4,97 tige Flachlandstrecken die tendenziell Euro je Trkm nur 0,91 Euro oder 22,4 % teuren auf topographisch schwierigem mehr zahlte als der SPNV, der mit 4,06 'EBIET¬QUERlNANZIEREN Euro belastet wurde. Das niedrigste Das gegenwärtige Trassenpreissystem Entgelt in Höhe von 2,53 Euro je Trkm der DB Netz AG ist primär nach dem wurde im Güterverkehr erhoben, der in Kostentragfähigkeitsprinzip ausgelegt, Konkurrenz zum Lkw und Binnenschiff und zwar durch die betriebswirtschaftli- als besonders preissensibel gilt. che Brille des integrierten DB-Konzerns. Kostenseitig erscheint der geringe Ab- „Lastenesel Nr. 1“ ist der SPNV, der stand zwischen Personenfern- und –

Schlüsselfaktor Infrastruktur 129 hängigkeit vom Ausstattungsstandard werden nunmehr sechs Kategorien ge- bildet, deren Preise nach 16 Ländern differenziert werden. Im Ergebnis ent- steht eine Matrix von 96 Preismöglich- keiten, von denen allerdings nur 87 be- setzt sind. Die Kehrseite der Clusterbildung ist darin zu sehen, dass die landesweite Abbildung 43: Mischkalkulation die Intransparenz der Durchschnitts- Preisgestaltung verstärkt. Aufgabenträ- niveau der DB- gern zufolge war es bei den vormals Trassenentgelte nach individuellen Preisen in einigen Fällen Segmenten 2008 möglich, die Erläuterungen von DB Sta- in Euro/Zkm tion & Service zu unterschiedlich ho- hen Aufwendungen für die Unterhal- Quelle: tung, den Bauumfang und den Anteil eigene Berechnungen an Fördermitteln im Ansatz nachzuvoll- ziehen. Hierzu ist das neue System nicht nahverkehr nicht plausibel, da die mehr in der Lage, weil es auf Zu- und Netzbetriebskosten einschließlich der Abschläge verzichtet. Damit wird § 24 anteiligen Abschreibungen von eigen- Abs. 2 EIBV außer acht gelassen, wo- MITTELlNANZIERTEN¬)NVESTITIONEN¬INSBE- nach Förderungen bei der Bildung der sondere im Hochgeschwindigkeitsver- Stationspreise zu berücksichtigen seien. kehr deutlich höher liegen dürften. Die Behauptung von DB Station & Ser- vice, die Förderung gehe in die Misch- ƒ Regionalfaktoren preiskalkulation des Landes ein, ist nicht Verstärkt wird die ungerechte Behand- nachprüfbar. lung des SPNV durch die Regionalfakto- Weitere Ungereimtheiten durch den ren, die Anfang 2003 für die Regional- Systemwechsel entstehen dadurch, dass netze eingeführt wurden. Sie seien laut der Preis eines Stationshaltes um bis zu $"¬!'¬ERFORDERLICH ¬UM¬DAS¬$ElZIT¬DIE- 650 % (RegioBahn) steigen oder fal- ser Netze auszugleichen, das vor allem len kann, ohne dass sich an der Leis- in der schwachen Nachfrage begrün- tung von 2004 auf 2005 etwas geän- det liege. Zwar ist die Spanne der Re- dert hätte. Ebenso muss der Regulierer gionalfaktoren bis zum teuersten Netz aufmerken, wenn zwei nahe gelegene inzwischen von 2,45 auf 1,91 je Trkm Stationen mit gleicher Ausstattung und gesenkt worden. Dennoch ist nicht zu +ATEGORISIERUNG¬UNTERSCHIEDLICH¬TARIlERT¬ verkennen, dass auch ein solcher Mul- werden, nur weil sie durch eine Landes- tiplikator den Grundpreis von 3,80 grenze getrennt werden. Euro auf 5,80 Euro je Trkm in die Höhe schnellen lässt. Widersprüchlich er- Aufgrund der Systembrüche und Wider- scheint, dass nur der SPNV belangt wird sprüche haben einige Aufgabenträger und topographisch bedingt teure Netze verschiedene EVU unter Zusicherung wie Bayrischer Wald, Schwarzatalbahn der Prozesskostenunterstützung dazu in Thüringen, Rhein-Mosel-Strecken angehalten, den alten Stationspreis an oder auch im Allgäunetz keine Zusatz- die DB AG weiter zu zahlen bzw. den belastung erfahren. Dagegen gehören neu eingeführten nur unter Vorbehalt Flachlandstrecken in Mecklenburg-Vor- zu leisten. Da für einen Teil der verwei- pommern mit zu den teuersten Netzen. gerten Zahlungen Ende 2008 Verjäh- Hier besteht Prüfbedarf. rung drohte, reichte DB Station & Ser- vice kurz vor Jahresende entsprechende ƒ Stationspreissystem 2005 Klagen ein (bekannt sind fünf Fälle, u. a. gegen die Bodensee-Oberschwaben- Zum 1.1.2005 führte DB Station & Ser- Bahn). vice ein neues Preissystem ein, das seit jeher heftig umstritten ist. Unkritisch ist Einer ersten Klage hat das LG Berlin der Grundgedanke, die vormals über kürzlich stattgegeben. Demnach habe 5.600 Einzelpreise auf eine handhab- die DB AG ihr Preisbestimmungsrecht bare Zahl reduzieren zu wollen. In Ab- sachgerecht ausgeübt. Ein Indiz für die

130 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Rechtmäßigkeit liege auch darin, dass blematik. Solange die DB AG keine de- die Bundesnetzagentur trotz längerer taillierten Aufstellungen zu Kostenarten, Prüfung nichts unternommen habe. Auf -stellen und -trägerrechnung liefert, ist der die zahlreichen Widersprüche im Sys- Regulierer machtlos. Immerhin läuft seit tem ging das Gericht nicht ein. Dem längerem eine Vorprüfung gegen die In- Vernehmen nach wurde Revision beim konsistenzen des Stationspreissystems. OLG eingelegt. Einen ersten kleineren Erfolg erzielte die Trotz der Dringlichkeit der skizzierten BNetzA mit dem Verbot des Sondertras- Problemfelder konnte die Bundesnetzagen- senzuschlags, den das OVG Münster in sei- tur bis dato gegen die Inkonsistenzen in nem Urteil vom 31.8.2007 endgültig für der Entgeltstruktur nicht tätig werden. Dies unwirksam erklärte. Ökonomisch kann er ist auch nicht verwunderlich, da die Struk- sich dennoch für die DB AG gelohnt ha- turfrage methodisch noch schwieriger zu ben, indem bis zum Verbot rund vier Jahre durchdringen ist als die Entgelthöhenpro- verstrichen.

Stationspreissystem – Teufel im Detail

.ICHTNURDIE0REISlNDUNGISTUMSTRITTEN SONDERNAUCHDIE+ATEGORISIERUNGSELBST WENN man die Einzelheiten des neuen Stationspreissystems genauer analysiert. So fällt z. B. auf, dass bestimmte Nahverkehrsbahnhöfe in die Kategorie 4 fallen, obwohl sie nach dem übli- chen Kriterium der gewichteten Anzahl von Halten im Fern- und Nahverkehr in die Katego- rie 3 eingestuft werden müssten. Der Zweck dieser Herabstufung dürfte darin liegen, die hö- herwertige Ausstattung allein für die Fernverkehrsbahnhöfe zu reservieren, selbst wenn ein Nahverkehrsbahnhof deutlich stärker frequentiert wird.

Im Ergebnis entsteht ein System der Willkür mit kuriosen Widersprüchen, die dem Nutzer- interesse nicht dienlich sind. So erhalten Bahnhöfe unter 50.000 Einwohnern (Wiesloch- Walldorf, Uelzen oder Leer) eine bessere Ausstattung, weil an ihnen wenige Fernverkehrs- züge halten, während Großstädte wie Mönchengladbach, Krefeld oder Chemnitz mit rund 250.000 Einwohnern in die minderwertigere Kategorie fallen.

Auch der Zusammenhang zwischen dem Ausstattungsanspruch laut Kategorisierung und realer Qualität erschließt sich nicht durchgängig. Beispielsweise steht einem Bahnhof laut $" $ElNITIONNURINDERHÚCHSTEN+ATEGORIEEINPERSONALBEDIENTER3ERVICE 0OINTZU4AT- sächlich bieten aber – noch – zahlreiche Bahnhöfe der Kategorie 2, teilweise auch der Ka- tegorie 4 einen solchen Kundenservice an. Ähnlich sieht es bei den kleinen Stationen aus. Rund die Hälfte der Bahnhöfe der Kategorie 6 hätte demnach nicht einmal einen Anspruch auf eine Bahnhofsuhr oder eine Sitzgelegenheit, obwohl diese heute vorhanden ist.

Schlüsselfaktor Infrastruktur 131 5.3 Trassenvergabe: Verwal- der Hand von DB Regio bleiben müs- ten statt vermarkten se. Verstärken lässt sich dies dadurch, dass Planungsinformationen des Fern- verkehrs weder an die Aufgabenträger Das Leitbild eines unabhängigen Netz- noch an die NE-Bahnen ausgehändigt betreibers mit Servicementalität sieht vor, werden. alle Trassennachfrager diskriminierungs- frei gleichzubehandeln. Dabei soll das EIU Zwar könnten die Aufgabenträger sein Kernprodukt Trasse aktiv vermarkten, durch ein gemeinsames Vorgehen und also eigeninitiativ auf seine Kunden zuge- die Abstimmung ihrer Planungen für hen und deren Anregungen und Wünsche den Integralen Taktfahrplan das Kräf- ernst nehmen, um mit ihnen gemeinsam teverhältnis ausbalancieren, so dass Optimierungsspielräume auszuloten. der Fernverkehr in sinnvolle Trassenla- gen mit optimalen Anschlüssen auf den Die Realität der Trassenallokation 2009 Nahverkehr dirigiert werden könnte. In sieht anders aus. Institutionelle Schwächen der Praxis erweist sich diese Koordinati- sind: on jedoch als schwierig. Verkehrlich nicht einsehbar sind be- ƒ Obwohl theoretisch alle EVU gleichbe- hauptete Abstimmungserfordernisse rechtigt ihre Trassenwünsche anmel- zwischen Güter- und Personenverkehr den, wird der Fahrplan nach wie vor im DB-Konzern. Alle Aktivitäten in diese de facto nach dem Muster einer Zwei- Richtung stehen unter dem Verdacht, klassengesellschaft koordiniert. Zeit- den Markt im Interesse des Gesamtun- lich und materiell privilegiert stimmen ternehmens abzuschotten. sich die drei Transporttöchter DB Fern- verkehr, DB Regio und DB Schenker ƒ $IE¬:AHL¬DER¬OFlZIELLEN¬4RASSENKONmIKTE¬ Rail ausschließlich DB-intern mit ihrer und endgültigen Ablehnungen sagt we- Netzschwester ab. Das Resultat ist ein nig über die reale Knappheit von Tras- Grundgerüst des Regelfahrplans, das sen in begehrten Zeitlagen aus. zunächst als gesetzt gilt („informelle Real werden nahezu sämtliche An- Großvaterrechte“). Anschließend ist spruchskonkurrenzen – formal kor- DB Netz bemüht, die Wünsche der Drit- rekt – dadurch gelöst, dass DB Netz die ten so gut wie möglich in den vorgefer- unklare Gesetzes- und Verordnungs- tigten Rahmen einzufügen. Auf indivi- LAGE¬DAZU¬NUTZT ¬DIE¬+ONmIKTE¬AUF¬DER¬ dueller Ebene stoßen die Wettbewerber Basis von § 9 Abs. 3 EIBV „wegzuko- dabei teilweise auf großes Engagement ordinieren“. Die Wettbewerbsbahnen der Mitarbeiter von DB Netz. Dies kann werden vor die Entscheidung gestellt: die Systemschwächen jedoch nicht „Nehmt die angebotene Trasse (der oft wettmachen. EINE¬ENTGELTPmICHTIGE¬-ACHBARKEITSSTU- ƒ Das Interesse der DB AG an einer inter- die vorausgeht) – oder keine.“ Lehnen nen Abstimmung zwischen Nah- und die Wettbewerber die angebotene Tras- Fernverkehr ist prinzipiell verständlich, se ab, folgt das Entscheidungsverfah- weil die gesamte Reisekette des Fahr- ren nach § 9 Abs. 4 EIBV. Von ihm geht gastes optimiert werden muss. Aller- für DB Netz keinerlei Gefahr aus, weil dings ist wegen des Besteller-Ersteller- sie dank ihrer Informationshoheit jeden Prinzips im SPNV der Aufgabenträger +ONmIKT¬IN¬!USRICHTUNG¬AUF¬DAS¬+ON- prädestiniert, sich mit DB Fernverkehr zerninteresse „objektivieren“ kann. ins Benehmen zu setzen, zumal immer Des Weiteren werden über die Zeitach- mehr Reiseziele bzw. in deren Nähe ge- se Fakten geschaffen, die den Wettbe- legene Bahnhöfe wie z. B. Oberstdorf, werber ins Hintertreffen geraten lassen. Sylt oder Wilhelmshaven praktisch nur Verfahrenstechnisch spitzt sich die Ent- noch mit NE-Bahnen zu erreichen sind. scheidung drei Monate vor dem Fahr- Kritisch zu sehen ist, dass der DB-Kon- planwechsel zu. Bis dahin müsste der zern die Abstimmung zwischen Fern- Dritte zweigleisig planen, was er in der und Nahverkehr als Instrument zur Regel wegen der Vorlaufkosten und ho- Wettbewerbsverschleppung einsetzen hen Risiken nicht bewerkstelligen kann. kann. In den Ländern wird der Eindruck Die BNetzA ist machtlos, weil sie die verbreitet, nur im DB-Konzern sei die Trassenablehnung nur formal prüfen Transportkette Nah-/Fernverkehr gesi- kann. Materiell kommt sie zu spät und chert, weswegen der Regionalverkehr in ist überdies dafür nicht gerüstet.

132 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Fazit: Entweder nehmen die Wettbe- die Akteure mit sachlich begründetem werbsbahnen das Trassenangebot an, Interesse wie die Bundesnetzagentur oder sie resignieren bereits vorab und und die betroffenen EVU erhalten ledig- nehmen von der Anmeldung Abstand. lich Informationsschnipsel. Diese lassen +ONmIKTE¬BLEIBEN¬DAMIT¬unsichtbar, keine Aussage darüber zu, ob und wie nicht zuletzt weil die meisten EVU kein gründlich DB Netz bei der Trassenkon- Interesse am Streit haben, sondern fah- struktion alle Ausweichoptionen einbe- ren wollen. zogen hat. Mehrere Wettbewerber berichten im Im europäischen Maßstab mutet die In- Übrigen, dass dienstleistungsorientier- formationsverweigerung von DB Netz te Trassenberater von DB Netz unver- anachronistisch an. Anonymisierte Dar- hohlen dazu raten, man möge die Tras- stellungen von Trassenbelegungen sind se unterjährig beantragen, weil dann aus der Schweiz, Dänemark, Norwe- wegen geringerer Zuschläge für Re- gen und Schweden bekannt. In allen servepuffer eine Trasse schon mal frei Fällen – so wird berichtet – habe die gemacht werden kann, die im Jahres- Einbeziehung der interessierten Öffent- fahrplan an sich blockiert ist. Dieses lichkeit zu zahlreichen sinnvollen Vor- 3CHLUPmOCH¬EIGNET¬SICH¬JEDOCH¬IN¬ALLER¬ schlägen einer besseren Netzauslastung Regel nur für Spotverkehre im SGV. geführt. Selbst der Zugang für die Ei- ƒ DB Netz ist nicht bereit, Bildfahrplä- senbahnwissenschaften an den Univer- ne und Sperrzeitentreppen umfänglich sitäten soll dazu beigetragen haben. und detailliert zu veröffentlichen. Selbst Das EG-Recht gibt ebenfalls Hinweise

Kein Durchkommen für die Marschbahn

2005 beauftragten die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein die Nord-Ostsee-Bahn (Veolia Verkehr), Trassen für die Durchbindung der Züge der Marschbahn bis zum Hambur- ger Hauptbahnhof zu bestellen, anstatt sie wie bisher in HH-Altona enden zu lassen. Hinter- grund war das Angebot der NOB, die zusätzliche Betriebsleistung trotz längerer Laufwege und damit höherer Energie- und Verschleißkosten zu einem günstigeren Preis zu erbringen.

Obwohl die vorgesehene Taktlage von keiner einzigen Taktlinie im Nah- und Fernverkehr belegt war und der Güterverkehr in Hamburg zum größten Teil über die Güterumgehungs- bahn läuft, schob DB Netz zahlreiche höherwertige Züge auf der Verbindungsbahn vor, die dem neuen Taktverkehr der NOB im Wege stünden. Zu Beginn hatte DB Netz auf angebli- che Großvaterrechte verwiesen, ohne belegen zu können, dass solche mehrjährigen Ver- träge bestünden. Zudem widersprach die Begründung der RL 2001/14/EG, die bereits seit März 2003 Großvaterrechte ausdrücklich verbot.

Nach der Intervention des damals zuständigen Eisenbahn-Bundesamtes wechselte die Ar- gumentation. Nun wurde die Berührung langlaufender „ins Netz“ eingebundener Züge vor- gebracht. Konkret handelte es sich um einen Autoreisezug an die Adria, einen touristischen IC nach Berchtesgarden in freier Lage und Bundeswehr-Entlastungs-InterCitys am Wochen- ende.

)NSGESAMTKONNTEMANSICHDES%INDRUCKSNICHTERWEHREN DASSNACHKONmIGIERENDEN4RAS- senlagen geradezu gesucht wurde, um den Wunsch der NOB und der Länder nach besserer Anbindung von Sylt und der Westküste an den Fernverkehr in Hamburg Hbf zu verhindern. In Branchenkreisen war auch davon die Rede, dass der Konzern das Land Schleswig-Hol- stein seinen langen Arm für den Verlust der Marschbahn spüren lasse.

Obschon das Eisenbahn-Bundesamt die Argumentation der DB Netz nicht überzeugte, sondern die Behörde einen Vorrang des vertakteten SPNV im Rahmen der Regelungen des EG-Rechts und der EIBV erkannte, hatte die Verzögerungstaktik der DB AG Erfolg. Die Ge- richte (VG Köln und OVG Münster) entschieden letztlich in den Eilverfahren mitten in der 3OMMERPAUSE DASSDER&AHRPLANEINuSOKOMPLIZIERTES'EmECHTSEI INDASEIN'ERICHTNICHT einfach eingreifen könne“. Im Ergebnis wurde die Großvaterrechtsannahme der DB AG be- stätigt (VG Köln, Beschluss 20.5.2006, 11 L 882/05; OVG Münster 20 B 1138/05).

Schlüsselfaktor Infrastruktur 133 auf die Vorgabe einer offensiven Veröf- spruchsvolle Tätigkeit, die eine gesetz- fentlichungspraxis: So heißt es in der RL geberische Konsequenz der Rahmenver- 2001/14/EG unter Erwägung (30): Das träge ist. Hieraus erwächst jedoch keine Fehlen von Informationen über Anträ- Legitimation für Großvaterrechte. ge anderer Eisenbahnunternehmen und ƒ Ein weiterer Mangel resultiert aus über Systemengpässe kann es den Ei- den betrieblichen Abläufen innerhalb senbahnunternehmen erschweren, ihre DB Netz. Planende Einheit ist stets die Anträge auf Zuweisung von Fahrwegka- Niederlassung, in der das antragstellen- pazität zu optimieren. de EVU seinen Firmensitz hat. Die Pla- ƒ Ablehnende Bescheide werden teilweise nungskompetenz des Kundenbetreuers mit der Begründung versehen, dass die endet aber an der eigenen Niederlas- gewünschte Trasse durch einen höher- sungsgrenze. Dort wird eine diskretio- wertigen Rahmenvertrag blockiert sei. näre Anzahl an festen Übergabezeiten Dieser Verweis springt insofern zu kurz, konstruiert, die der benachbarten Nie- als Rahmenverträge keine bestimmte derlassung als Rahmen für die weite- Trasse sichern, sondern lediglich eine re Planung vorgegeben werden. Im Er- Trasse innerhalb einer Bandbreite. Die gebnis wird abschnittsweise optimiert, Prüfung der Bandbreite wird aber meist nicht jedoch über den gesamten Lauf- mit dem Argument abgelehnt, dass weg. Dies gilt erst recht für Verkehre dann nachteilige Folgewirkungen für mit Schnittstellen zu anderen EIU (aus- andere Rahmenverträge entstünden. ländische Netzbetreiber, NE-Bahnen). Genau diese Netzeffekte müssen aber Naturgemäß betrifft dies die Wettbe- im Sinne einer Optimierung durchge- werber im SGV stärker als DB Schenker spielt werden. Rail. Die Wettbewerber sind vielfach in- Ein Beispiel: Fünf Güterzüge fahren hin- ternational aufgestellt und nutzen die tereinander im Takt (Blockabstand). Da- Vermarktungs- und Produktionsschwä- nach folgt ein zehnminütiges Zeitfens- che der Staatsbahnen. Auch im natio- TER¬"EI¬EINEM¬4RASSENKONmIKT¬DES¬ERSTEN¬ nalen Verkehr sind die Wettbewerber Zuges müsste nicht nur dieser nach eher auf lange Distanzen ausgerichtet. hinten verschoben werden, sondern Hinzu kommt, dass historisch bedingt auch die vier nachfolgenden Züge, so- DB Schenker Rail über zahlreiche lang- fern letztlich alle sechs Züge unterge- laufende Bestandstrassen verfügt und bracht werden sollen. Die Nutzung al- diese lediglich neu kombinieren muss, ler Bandbreiten der Rahmenverträge ist wenn sich Markterfordernisse ändern. demnach eine hochkomplexe und an-

Das Höchstpreisverfahren – Muster ohne Wert

In der Theorie ist die Versteigerung des knappen Gutes Trasse der richtige Ansatz, um die Schienenwege bestmöglich zu nutzen. In der Praxis kommt das Verfahren jedoch nie zur Anwendung. Denn nach § 9 Abs. 6 EIBV ist dies nur vorgesehen, wenn folgende vier Bedin- gungen parallel erfüllt sind:

ƒ wenn alle Zugtrassen grenzüberschreitend/nicht grenzüberschreitend sind (§ 9 Abs. 4 Nr. 1 EIBV), ƒ wenn alle Zugtrassen vertaktet und/oder ins Netz eingebunden sind. Während der Takt DElNIERTISTMINDESTENSVIERMINUTENGLEICHE:UGPAAREPRO4AGIMMAXIMALEN:WEI Stunden-Abstand, § 9 Abs. 7), ist die Netzeinbindung unscharf gefasst. Das OVG Müns- TERHATTEHIERUNTERAUCHSOGENANNTE,OGISTIKVERKEHREZUR6ERSORGUNGVON¾LRAFlNERIEN subsumiert (§ 9 Abs. 4 Nr. 2 EIBV), ƒ wenn alle Zugtrassen Güterverkehr/nicht Güterverkehr sind (§ 9 Abs. 4 Nr. 3 EIBV), ƒ WENNALLE:UGTRASSENDASGLEICHE2EGELENTGELTAUFWEISENUNDKEIN+ONmIKT3'630&6GE- gen SPNV vorliegt (§ 9 Abs. 5). Unklar ist dabei, worauf das Regelentgelt zu beziehen ist 'ESAMTER,AUFWEG NUR+ONmIKTABSCHNITT MÚGLICHERWEISEAUCHGANZES"àNDELVON:UG- fahrten wegen z. B. Umlauf). Die Simultaneität der vier Prämissen ist de facto unmöglich. So weisen z. B. Fern- und Gü- terverkehr allein aufgrund der Produktfaktoren immer unterschiedliche Preise auf.

134 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 ƒ Kristallisiert sich im Rahmen der Fahr- beitsaufwand ggf. ausgenommen – nicht plankoordination ein dauerhafter Eng- zu fürchten, weil die Bestimmungen des pass auf einem Streckenabschnitt her- AEG und der EIBV keine einklagbaren aus, ist DB Netz nach der Gesetzeslage Rechtsfolgen vorsehen. Wie löchrig die Re- VERPmICHTET ¬EINE¬ÄBERLASTUNGSERKLËRUNG¬ gelungen sind, zeigt sich daran, dass die anzuzeigen. Von sechs Ausnahmen ab- Nutzer nach § 18 EIBV an der Aufstellung gesehen wird diese bislang verweigert. eines Abhilfeplanes zu beteiligen seien – $AMIT¬SOLL¬IM¬!NSATZ¬DIE¬6ERPmICHTUNG¬ ohne dass DB Netz das Ergebnis ihnen an- umgangen werden, einen Plan zur Be- schließend zur Kenntnis geben muss. Sol- seitigung des Engpasses aufzustellen, che Instrumente sind letztlich nicht ernst der anschließend umzusetzen wäre. zu nehmen, da sie lediglich Alibicharakter haben. Im Übrigen braucht DB Netz das Instru- ment der Überlastungserklärung – den Ar-

Nur sechs Engpässe im deutschen Netz?

.ËHMEMANDIE:AHLDEROFlZIELLENÄBERLASTUNGSERKLËRUNGENZUMALLEINIGEN'RADMESSER für die Kapazitätssituation im deutschen Schienennetz, müsste der Leidensdruck der Bran- che gering sein. Auch das Sonderprogramm Seehafenhinterlandverkehr des Bundes wäre unverständlich, da die Flaschenhalsproblematik im Vor- und Nachlauf der Nordseehäfen demnach nicht existieren würde.

Als überlastet deklariert hat die DB AG 2007 und 2008 lediglich die Strecken:

ƒ Gemünden (Main) — Würzburg (Strecke 5200) ƒ Knoten Fürth — Bamberg (Strecke 5900) ƒ Würzburg — Fürth (Strecke 5910) ƒ Hailer-Meerholz — Fulda (Strecke 3600) ƒ /FFENBURGˆ!BZWEIGUNG'UNDELlNGEN3TRECKE ƒ Abzweigung Leutersberg — Weil am Rhein (Strecke 4000)

Dagegen fehlen chronisch verstopfte Strecken wie Hamburg — Lüneburg — Uelzen, Wun- storf — Minden, Langwedel — Verden, Emmerich — Oberhausen u. a., obwohl der Bundes- schienenwegeausbaubericht 2007 auf Seite 135 immerhin 18 Engpass-Strecken und Knoten MIT+APAZITËTSPROBLEMENAUmISTET

Nur die Strecke Gemünden — Würzburg ist bislang mit einem Plan zur Kapazitätserhö- hung versehen worden. Er schlägt vor, die Nutzung durch den SPNV zu limitieren, langsa- men Güterverkehr über Bamberg umzuleiten und dem SGV eine Mindestgeschwindigkeit aufzuerlegen.

Schlüsselfaktor Infrastruktur 135 Kapitelbild: Bahnstre- cke ohne Verkehr 6 Rettungsanker Regulierung? – Hase gegen Igel

Um die Möglichkeiten des Regulierers … Besucherausweise ausstellen lassen. in Netzsektoren realistisch abschätzen zu … sich Ausweisdokumente … zeigen las- können, ist es erforderlich, das grundle- sen. Fertigen Sie hiervon Kopien an. Bei gende Dilemma der asymmetrischen In- Zweifel zur Identität der Mitarbeiter rufen formation anzuschneiden. Bildlich gese- Sie bitte die Dienststelle an. hen ist der zu Regulierende – hier die EIU der DB AG – beständig in der Vorhand … sich das weitere Vorgehen erläutern („Hase“). Er hat den exklusiven Zugriff auf lassen. Fragen Sie, mit wem die Mitar- alle wesentlichen Informationen, die der beiter sprechen und welche Bücher, Ge- Regulierer braucht, um seine Arbeit zu erle- schäftspapiere, Dateien oder Unterlagen digen. Noch entscheidender ist: Die DB AG sie einsehen wollen. produziert zu einem Großteil das Wissen … die technische Durchführung der Er- und bereitet es auf, das sich der Regulie- mittlungen besprechen. rer zu eigen machen muss. Als Wirtschafts- Bestimmen Sie ggf. einen (anderen) ge- unternehmen kann die DB AG jedoch kein eigneten Raum… Interesse haben, den Regulierer freiwillig so aufzugleisen, dass die eigenen Ziele ge- Verhindern Sie, dass sich die Mitarbeiter fährdet werden. der Bundesnetzagentur frei in den Ge- schäftsräumen bewegen. Zwingende Konsequenz des systemim- Geben Sie keine Unterlagen zur Einsicht, manenten Interessengegensatzes ist die nach denen die Mitarbeiter der Bundes- Strategie, den Regulierer möglichst am lan- netzagentur nicht verlangt haben. gen Arm „verhungern“ zu lassen. Informa- tionen werden so lange zurückgehalten Je länger die Beteiligten sich aneinan- und verwässert, wie es irgend geht. Ge- der gewöhnt haben, desto professioneller richtliche Auseinandersetzungen werden wird in der Regel der Umgang miteinan- AUFGRUND¬IHRER¬,ANGWIERIGKEIT¬HËUlG¬BE- DER¬$IE¬+ONmIKTE¬WERDEN¬WEDER¬WENI- wusst in Kauf genommen (siehe auch wei- ger noch unwichtiger, sondern tendenzi- ter unten). ell geräuschärmer ausgetragen. Zuweilen wechselt der Regulierte auch die Strategie, Wie begrenzt die Kooperationsbereit- indem er sich kooperativer zeigt. Ziel ist es schaft ist, offenbart eine Verhaltensanwei- dabei, insbesondere auf der Arbeitsebene sung des DB-Konzerns an die Mitarbeiter, des Regulierers eine „Fachmeinung“ zu be- die 2006 öffentlich wurde. Ohne direkt zur fördern, die ihn aus Überzeugung zahmer Verzögerung aufzufordern, wird empfoh- agieren lässt. len: Im Ergebnis hinkt der Regulierer immer mindestens einen Schritt hinter dem Regu- Die Mitarbeiter der Bundesnetzagentur lierungsobjekt hinterher („Igel“). Um so ”SINDNICHTVERPmICHTET DAS%INTREFFENDER bedeutsamer sind die Rahmenbedingun- zuständigen Ansprechpartner abzuwar- gen für den Regulierer, damit er den Ab- ten. Kümmern Sie sich um die Mitarbeiter, stand systemisch so schnell wie möglich indem Sie… verringern kann.

Rettungsanker Regulierung 137 6.1 Bundesnetzagentur: ƒ Die personelle Ressourcenausstattung Bund hält Abteilung ist zu gering. Derzeit sind der Abteilung Eisenbahn 45 Planstellen bewilligt. Im Eisenbahn kurz Vergleich zu den anderen Sektoren in der BNetzA (Energie, Telekommunika- Gerade weil der Regulierer den institu- tion) ist die Schiene damit unterreprä- tionellen Nachteil wettmachen muss, am sentiert – insbesondere wenn man in kürzeren Hebel zu sitzen, hängt die Güte Rechnung stellt, dass die Eisenbahn ein seiner Arbeit davon ab, inwieweit ihm die Vielfaches an potenziellen Stellhebeln bestmöglichen Voraussetzungen geschaf- zur Diskriminierung bereithält. Ebenso fen werden. Analog zur Zögerlichkeit bei kritisch zu sehen ist, dass die Eingrup- der Anreizregulierung zeigt sich leider, dass pierung der Mitarbeiter in die Besol- der Bund bislang tendenziell auf die Brem- dungstabelle systematisch zu niedrig se tritt, anstatt den Regulierer zu fördern. ansetzt. Wer der DB AG auf Augenhöhe Zu vermuten ist, dass die Ursache in der begegnen soll, muss den Budgetspiel- Prioritätensetzung eines erfolgreichen Bör- raum haben, zumindest ein paar Wis- sengangs der DB AG lag. Je effektiver die sensträger aus der DB AG zu marktge- Regulierung wirkt, desto stärker schmälert rechten Konditionen abzuwerben. sie den Privatisierungserlös. ƒ Die Instrumente der BNetzA sind im Die Zahnlosigkeit des Regulierungsrah- Bereich Eisenbahn an vielen Stellen mens reicht so weit, dass eine Investment- stumpf. Schuld sind vor allem unschar- bank in ihrem Equity Report im Vorfeld der fe gesetzliche Grundlagen. So hat die geplanten Teilprivatisierung zu dem Urteil Bundesnetzagentur keine umfassen- kommt: „surprisingly little regulation“! den Auskunftsbefugnisse, weshalb sie nur bei ganz konkreten Verdachtsmo- Im Einzelnen sind folgende Mängel zu menten Ermittlungen aufnehmen kann. konstatieren: Strukturelle Behinderungen oder ver- steckte Diskriminierungen lassen sich so nur schwer aufspüren. Weitere hand-

Muskelspiele

Worauf sich der Regulierer einzustellen hatte, kündigte die DB AG noch vor der Aufnah- me seiner Tätigkeit am 1.1.2006 via Presse an. Als Ergebnis eines Hintergrundgespräches erschien in der Welt am 17.9.2005 ein Artikel mit folgendem instruktiven Ti- tel:

Ziel der Aktion war der Versuch, die Gegenseite von vornherein einzuschüchtern und in der Öffentlichkeit prophylaktisch dafür zu werben, dass harte Auseinandersetzungen unum- gänglich seien. Als Vorwand diente die im April 2005 in Kraft getretene 3. Novelle des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG), die angeblich zahlreiche Unsicherheiten in sich berge. Dabei hatte die DB AG im Zusammenspiel mit dem Bundes- verkehrsministerium (BMVBS) maßgeblich mitgewirkt, die Einführung über zwei Jahre hinauszuzögern und die unklaren Formulierungen in den Gesetzestext hineinzutragen. Die pro- grammatische Kampfansage im Original lautete [Unterstrei- chungen d. Verf.]:

Gut drei Jahre später lässt sich konstatieren: Die DB AG hat Wort gehalten. Zig Verfah- ren wurden angestrengt, und ein stabiler Regulierungsrahmen ist selbst Ende 2010 nicht in Sicht.

138 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 werkliche Fehler in den Gesetzesgrund- fortvollzug keine Notiz. Vielmehr lagen der Bundesnetzagentur sind: streben sie zunehmend eine Sach- ƒ Betreiber von Serviceeinrichtungen entscheidung an mit dem Argu- (z. B. Werkstätten) müssen zwar eine ment, dass die „Rechtsposition auf Preisliste aufstellen, jedoch nicht freie Betätigung“ der EIU der DB AG mitteilen, welche Leistung im Ein- gefährdet sei. zelnen damit verknüpft ist. Dieses Dieser Duktus ist unter vielen Juris- wirtschaftlich widersinnige Ergeb- ten umstritten. Trotz formeller Pri- nis leitet das OVG Münster aus dem vatisierung sind die EIU weiterhin Wortlaut der Verordnung her, der Teil des Staates und damit (auch) eben nicht fordere, entsprechende DEM¬'EMEINWOHL¬VERPmICHTET¬$IE- Nutzungsbedingungen aufstellen zu se Ordnung ist durch die Privatisie- müssen (OVG Münster, Beschluss rungssperre in Art. 87e Abs. 3 GG vom 19.11.2008 13 B 1543/08). langfristig gesichert. Daher – so die ƒ Obgleich § 14d Nr. 6 AEG und An- Ansicht – müssten gerade in der hang I Nr. 2 RL 2001/14/EG fest- Auseinandersetzung zwischen Staat legen, dass die Schienennetz- (Regulierungsbehörde) gegen Staat nutzungsbedingungen die (Eisenbahnen des Bundes) die Allge- Trassenentgelte enthalten müssen, meininteressen im Vordergrund ste- bestimmt die nachrangige Rechts- hen. Stattdessen würden regelmäßig verordnung in § 4 Abs. 2 EIBV genau die kommerziellen Interessen der EIU das Gegenteil. Dies wirft die Frage gegen tatsächliche oder vermeint- auf, wie die Zugangsberechtigten liche Eingriffe der BNetzA in ihre einen Antrag vernünftig stellen sol- Wirtschaftsfreiheit höher gewichtet, len, wenn ihnen die entscheidenden zumeist mit dem Verweis auf Aktien- Konditionen vorenthalten werden. recht. ƒ Art. 8 Abs. 2 UA 2 RL 2001/14/EG ƒ Auch die Zielbestimmung des All- formuliert die Einschränkung, dass gemeinen Eisenbahngesetzes in Aufschläge auf die Grenzkosten der § 1 Abs. 1 AEG zur Sicherung und Trassennutzung nur dann zulässig Durchsetzung eines wirksamen und sind, wenn sie keine Marktsegmen- unverfälschten Wettbewerbs hat sich te ausschließen, die ihre Grenzkos- bislang als wirkungslos herausge- ten tragen können. Dennoch hat der stellt. Das OVG Münster mochte die- deutsche Gesetzgeber auf die kor- se Klausel bislang nicht heranziehen, rekte Umsetzung in nationales Recht um etwa unklare Gesetzesbestim- (§ 14 Abs. 4 AEG) verzichtet. Glei- mungen im Zweifel zugunsten eines ches gilt für andere wichtige Vorga- wirksamen Wettbewerbs auszulegen. BEN¬DES¬%' 2ECHTS ¬Z¬"¬DAS¬%FlZI- ƒ Wahrscheinlich nachteilig ist auch enzgebot bei der Festlegung von das Fehlen einer Beschlusskam- Aufschlägen einzuhalten oder das mer für den Bereich Eisenbahn. Be- Erfordernis, Produktivitätsfortschritte schlusskammern haben den Vorteil, abzubilden. Diese rechtlichen Unsi- aufgrund ihrer Zusammensetzung cherheiten sind mit ursächlich, dass Unabhängigkeit zu gewährleisten. auch im vierten Jahr der Eisenbahn- Zudem genießen sie bei den zustän- regulierung noch keine Fortschritte digen Gerichten – i. d. R. dem OLG bei der Aufsicht über die Infrastruk- Düsseldorf – ein hohes Ansehen, in- turpreise zu verzeichnen sind. dem ihre Funktionsweise für recht- ƒ Der mit der 3. AEG-Novelle 2005 lich abgesicherte Entscheidungen eingeführte Sofortvollzug der Ent- bürgt. In dieser Hinsicht haben sie scheidungen der Regulierungsbe- einen ähnlichen Status wie die Ver- hörde (§ 37 AEG) hat bislang kei- gabekammern, die allerdings als ers- ne Wirkung entfalten können. Zwar te „Gerichtsinstanz“ Bestandteil der war der Auftakt ermutigend, als das Verwaltung sind. Zu erwägen ist da- VG Köln 2007 bei den SNB den So- her, auch die Eisenbahn analog zu fortvollzug anordnete. Alle späte- den anderen Bereichen Post, Tele- ren Gerichtsentscheidungen – v. a. kommunikation und Energie mit ei- des OVG Münster – nehmen jedoch ner separaten Beschlusskammer aus- vom gesetzlich angeordneten So- zustatten.

Rettungsanker Regulierung 139 ƒ Die gravierendste Schwäche der Regu- 6.2 Anreizregulierung: lierung wurzelt in der mangelnden po- Bundesregierung litischen Rückendeckung des Bundes. Die Bundesnetzagentur muss die unein- verzögert Einführung GESCHRËNKTE¬%RLAUBNIS¬HABEN ¬+ONmIK- te im Notfall hart auszutragen. Weder Experten und Politik sind sich einig, dass darf es Anweisungen oder „Empfeh- die EIU des Bundes – wie in anderen Netz- lungen“ geben, bestimmte Themen sektoren üblich – einen regulatorischen An- wie z. B. die Einführung eines effekti- REIZ¬HABEN¬MàSSEN ¬DIE¬%FlZIENZ¬DES¬VON¬ ven Performance Regimes nachrangig ihnen bewirtschafteten natürlichen Mo- zu behandeln. Noch darf die DB AG nopols zu erhöhen. Das gegenwärtige Ei- Erfolg haben, einzelne Mitarbeiter der senbahnrecht verzichtet auf einen solchen BNetzA oder des EBA zu diskreditie- Hebel, indem es den EIU erlaubt, sämtliche ren. Beschwerdebriefe des DB-Vorstan- Kosten über die Entgelte auf den Nutzer des („das Vorgehen ist ehrverletzend“) zu überwälzen („Kostenzuschlagsregulie- müssen an den Verantwortlichen des rung“). Ausdruck dessen sind die regel- Bundes abprallen. Unter der Fachauf- mäßigen Anhebungen der Trassen- und sicht des BMVBS in seiner bisherigen Stationspreise in den letzten Jahren, die Ausrichtung erscheinen diese Prämissen TEILWEISE¬OBERHALB¬DER¬)NmATIONSRATE¬LAGEN ¬ nicht sichergestellt. ohne dass auf der Leistungsseite ein Mehr- wert zu erkennen war. Die skizzierten Schwächen führen in der Summe dazu, dass die BNetzA „einarmig“ Das Gutachten für die BNetzA von Küh- agieren muss und damit ihren Auftrag nur ling, Hermeier und Heimersdorf wies be- eingeschränkt erfüllen kann. Die Mitar- reits Anfang 2007 darauf hin, dass eine beiter sind motiviert, stoßen aber immer solche Anreizregulierung schon EG-recht- wieder an institutionelle Schranken. Die lich unabdingbar sei. So sollen die Infra- schwache personelle Ausstattung der Ge- strukturbetreiber „Anreize zur Kostensen- genseite leistet der rationalen Strategie der KUNG¬UND¬ZUR¬EFlZIENTEN¬6ERWALTUNG¬IHRER¬ DB AG Vorschub, mit dem eigenen um- Fahrwege haben“ (Erwägungsgrund 40 fangreichen Apparat die BNetzA „intensiv der RL 2001/14/EG). Ebenso sei ihnen ein zu beschäftigen“. Die Kurzformel lautet: Anreiz zur Minimierung von Störungen Fristen maximal aus- und z.T. überreizen, zu setzen (entspricht dem Performance jedem Bescheid widersprechen und jeden Regime, siehe Kapitel 6.3 auf Seite 142). Streit vor die Verwaltungsgerichte tragen (mit guten Erfolgsaussichten, das knappe Personal des Regulierers allein durch volu- Auf der politischen Ebene sah es anfäng- minöse Schriftsätze zu binden). lich danach aus, als unterstütze die Bun- desregierung die zeitnahe Einführung der Anreizregulierung. So verständigten sich die drei mit der Bahnprivatisierung befass- ten Ministerien am 24.7.2007 darauf, dass das am gleichen Tag verabschiedete Eigen- tumssicherungsmodell durch eine Anreizre- gulierung abgesichert werden solle. Insider wussten allerdings zu berichten, dass le- diglich das Wirtschaftsministerium auf die- sen Schutzmechanismus drängte, während BMVBS und BMF eher abwehrend auftra- ten. Als Kompromiss wurde eine Proto- kollnotiz formuliert, deren normative Kraft unverbindlicher einzustufen ist als die Auf- nahme in den Gesetzentwurf.

Die Schwäche dieser Absichtserklärung zeigt sich bis heute. Zwar lässt sich die Ver- zögerung der Anreizregulierung u. a. damit erklären, dass das Hauptwerk selbst – der Gesetzentwurf zum Eigentumssicherungs- modell – im parlamentarischen Raum nicht

140 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 weiterverfolgt wurde. Doch auch danach zess die Erfahrung sammeln, konsequent wurde seitens der Bundesregierung be- ignoriert zu werden. Weder informierte teuert, dass die Anreizregulierung für die der Bund sie über den Stand der LuFV aus- Privatisierung nach dem Holdingmodell führlich und zeitnah, noch ging er auf ihre unerlässlich sei. Ein gesetzgeberischer Fort- QUALIlZIERTEN¬%INWËNDE¬ANGEMESSEN¬EIN¬ schritt ist aber seitdem nicht erkennbar. Der Gesetzentwurf der Länder zur Sicher- stellung von Eisenbahninfrastrukturqualität Im Gegenteil: Aus dem Umfeld der Bun- und Fernverkehrsangebot wurde mit einer desnetzagentur werden immer wieder Sig- kurzen Stellungnahme der Bundesregie- nale gesendet, dass das BMVBS die Imple- rung ohne Substanz abgespeist. Gleiches mentierung einer Anreizregulierung aktiv gilt für sämtliche VMK-Beschlüsse zwischen ausbremse. So hatte die BNetzA im Som- 2006 und 2008. mer 2007 als Reaktion auf die Protokoll- notiz eine Arbeitsgruppe mit Branchen- Des Weiteren machen die Protokolle zu vertretern, den Ländern und der DB AG den Arbeitsgruppensitzungen deutlich, eingerichtet, in der die Grundlagen des dass unter den Mitgliedern und Sachver- neuen Instrumentes erarbeitet werden soll- ständigen weitgehend Einigkeit herrschte. ten. Im Oktober 2007 war der – vermeintli- Nur die DB AG argumentierte konsequent che – Schlussbericht veröffentlicht worden, gegen die Anreizregulierung, u. a. mit dem der hinreichende Anregungen gab, um An- Einwand, dass die LuFV bereits genügend fang 2008 ein entsprechendes Gesetz zü- Anreize vorgebe. Eine nochmalige, aus- gig zu entwerfen. führliche Frist für Stellungnahmen der oh- NEHIN¬"ETEILIGTEN¬WAR¬DEMNACH¬àBERmàSSIG Tatsächlich wurde jedoch die Einführung der Anreizregulierung zielgerichtet ver- Im weiteren Verlauf wurde der Stillstand schleppt, und zwar unter einem Vorwand, auch damit begründet, dass die Anreizre- wie aus dem Wortprotokoll einer Anhö- gulierung eine komplexe Materie sei, bei rung des Bundestages zur Bahnprivatisie- der man sich Zeit lassen müsse, um Fehler rung am 26.5.2008 hervorgeht. Dort teilte zum Nachteil der EIU zu vermeiden. Erneut der Parlamentarische Staatssekretär Groß- sticht ins Auge, dass das gleiche Sorgfalts- mann auf Nachfrage mit: niveau bei noch wichtigeren Fragestellun- gen zur Bahnprivatisierung nicht an den Tag gelegt wurde. „… Bei dem Thema Anreizregulierung ha- ”ben wir im letzten Unterausschuss sehr Tatsächlich kehrt sich das Argument um: intensiv mit Herrn Prof. Otte und der Vize- Weil die Anreizregulierung methodisch präsidentin aus der Regulierungsbehörde komplex ist und eines längeren Vorlaufs gesprochen. Fälschlicherweise steht unter bedarf, muss sie so schnell wie möglich dem Bericht, der im Herbst letzten Jahres eingeführt werden. Der BNetzA wäre be- gekommen ist, das Wort Schlussbericht. reits gedient, wenn der Ansatz als solcher Aber es ist der – wenn man so will – der gesetzlich klargelegt würde. Dies verschaff- Zwischenbericht. Es ist das, was vorge- te ihr die Legitimation, stärker in die Prü- legt worden ist und was dann an die ent- fung der Kostenrechnung der EIU einzu- sprechenden Mitglieder der Arbeitsgruppe steigen. Die anschließende Feinjustierung wieder zurückgegangen ist, auch an die erstreckt sich ohnehin über mehrere Jahre Länder, mit der Bitte, sich dazu zu äu- und wird nach den Erfahrungen anderer ßern. …“ Netzsektoren zu intensiven gerichtlichen Die verschwurbelte Begründung der Ver- Auseinandersetzungen führen. zögerung mutet in mehrfacher Hinsicht unglaubwürdig an. Zunächst steht nicht zu erwarten, dass die BNetzA als behörd- liches Organ sich leichtfertig „redaktionell versieht“. Auftragsformulierungen, Zeitplä- ne und Instanzenwege werden normaler- weise penibel eingehalten. Noch auffälliger ist aber die zur Schau getragene Besorgnis, bestimmte Akteure könnten nicht ausrei- chend gehört werden. Gerade die Länder durften im gesamten Privatisierungspro-

Rettungsanker Regulierung 141 6.3 Performance Regime: Nur gut 10 % aller Störfolgen wären Störfall im System somit von den EIU zu tragen gewesen. Diese Aufteilung hätte in eklatantem Widerspruch zu den realen Verursachungs- Nachdem das erste europäische Eisen- anteilen der EIU und EVU an den Verspä- bahnpaket in Kraft getreten war, standen tungsminuten gestanden. die Eisenbahninfrastrukturunternehmen %' RECHTLICH¬IN¬DER¬0mICHT ¬SPËTESTENS¬ZUM¬ Folgerichtig brach ein Sturm der Ent- 15.3.2003 wirksame (monetäre) Anreize rüstung in der Schienentransportbranche für sich und die EVU einzuführen, die auf los. Weitere Kritikpunkte neben der vorge- eine Reduzierung von Störungen im opera- nannten weitgehenden Freizeichnung von tiven Betriebsablauf hinwirken. Damit soll DB Netz waren die Leistungsfähigkeit der Schieneninfra- struktur erhöht werden. Leitbild für die An- ƒ die gleiche Bepreisung von Verkehrs- reizsetzung ist das Verursacherprinzip, das arten, deren Zeitsensibilität höchst un- alle Beteiligten motivieren soll, durch ei- terschiedlich ausfällt (vertakteter SPNV gene Sorgfaltsanstrengungen das Ausmaß und SPFV im Vergleich zum oft zeitun- von Betriebsstörungen so gering wie mög- kritischen SGV), lich zu halten. ƒ die hohe Fehleranfälligkeit in der Codie- Trotz klarer europäischer Vorgaben ließen rung der Störungsursachen durch die sich die EIU der DB AG bis 2006 Zeit, ein DB AG, insbesondere die Parteilichkeit derartiges System einzuführen. Vorexerziert von Fahrdienstleitern, die per Anwei- wurde diese Verschleppungstaktik von der sung dazu angehalten wurden, Belas- Bundesregierung selbst, die ihrerseits die tungen für DB Netz möglichst klein zu 3. AEG-Novelle erst über zwei Jahre nach halten, der europäischen Fristsetzung im April ƒ der bürokratische Aufwand in Relation 2005 verabschiedete. zum relativ geringen Nutzen des Sys- tems. Der erste Vorschlag der DB AG eines Per- formance Regimes sah vor, Verspätungs- Aufsetzend auf dem Diskriminierungs- minuten gegenseitig mit zehn Eurocent je tatbestand der (potenziellen) Parteilich- Minute und Streckenabschnitt zu verrech- keit beschied die BNetzA am 20.11.2006, nen. Allerdings waren die Haftungsrege- dass die Verspätungsminuten und –grün- lungen ersichtlich so ausgelegt, dass die de objektiver erhoben werden müssen, EIU in massiver Form begünstigt würden. ebenso muss es Möglichkeiten zur Korrek- So sollten z. B. alle dispositiven Züge und tur geben. In der Folge befassten sich vier Leerfahrten ausgenommen werden. Eben- Gerichte mit der Materie. Am Ende hob so sollten sämtliche Verspätungsminuten das OLG Frankfurt 2008 die vom LG Frank- aufgrund von Baustellen, Zugfolge, Witte- furt verfügte Aussetzung des Anreizsystems rung oder allgemein höherer Gewalt aus- wieder auf. Die DB AG hatte jedoch bereits geblendet werden. In der Praxis wäre die- im November 2007 das Performance Re- ses System darauf hinausgelaufen, gime in Gänze außer Kraft gesetzt.

ƒ rund 60 % aller Verspätungsminuten Gegenwärtig hat die BNetzA vor, den von vornherein auszuklammern rechtswidrigen Zustand ohne jede Anreiz- ƒ circa 70 % der verbleibenden 40 % setzung zum Jahresfahrplan 2010 zu be- (= 28 % bezogen auf alle Verspätungs- seitigen. DB Netz könnte das alte System minuten) den EVU anzulasten, und wieder in Kraft setzen oder aber ein verbes- zwar wegen unzureichender Traktion, sertes Regelwerk installieren. Hierzu fanden verspäteter Zugbereitstellung, Über- konstruktive Gespräche zwischen Netzbei- schreitung der Haltezeiten, u. a. rat, VDV, BNetzA und DB Netz statt, wenn- gleich DB Netz sich die Letztentscheidung vorbehält.

142 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Bundesnetzagentur ordnet Minderung bei Mängeln an

Nachdem sich lange Zeit wenig tat, ist seit Anfang April die Debatte um das Performance Regime wieder in Bewegung geraten. Anlass ist der Bescheid der Bundesnetzagentur vom 6.4.2009, den EVU eine Minderung der Entgelte zu gewähren, wenn Mängel vorliegen. Der Katalog der Mängeltatbestände sei zu erweitern. Dabei komme es nicht darauf an, ob ein Verschulden des Netzbetreibers vorliege. Ebenso sei die Minderung automatisch zu verrech- nen, nicht erst auf Nachfrage des Trassennutzers.

Damit hält ein Stück Normalität in puncto Haftungsbestimmungen Einzug, wie sie in allen anderen Wirtschaftsbereichen selbstverständlich ist. Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie ef- fektiv die Regelung greift, da zahlreiche Ausnahmetatbestände weiterhin wirksam bleiben.

DB Netz muss die Schienennetznutzungsbedingungen bis zum 15.7.2009 ändern, den EVU bekanntgeben und zusammen mit deren Stellungnahmen der BNetzA vorlegen. Zum 1.11.2009 sollen die neuen Regelungen in Kraft treten.

Rettungsanker Regulierung 143 Kapitelbild: Formsig- nal am Güterbahnhof Berlin-Neukölln 7 Fazit: Echte Marktdynamik setzt aktive Bahnpolitik voraus

Allen ermutigenden Ansätzen zum Trotz sie wie in den letzten zehn Jahren lediglich fällt das Zwischenzeugnis 15 Jahre nach passiv administriert. Aktives Handeln als der Öffnung der Eisenbahnmärkte in der Eigentümer bedeutet, das Verhältnis zwi- EU mäßig aus. Zwar rangiert der Wettbe- schen Dienstherrn und erstem Angestellten werb auf Deutschlands Schienen im euro- in die übliche Hierarchie zurückzuführen. päischen Vergleich im oberen Drittel. Doch Der Gesellschafter legt (im Dialog mit dem sollte der Anspruch des Transitlandes Nr. 1 Management) die strategischen Ziele des im Herzen Europas höher liegen, als sich Unternehmens fest, der Vorstand ist allein mit den Bremsern der Liberalisierung zu für die operative Umsetzung verantwort- messen. Aussagekräftiger ist die Diagno- lich. se, auf dem Weg vom Monopol zum funk- tionierenden Wettbewerb noch deutlich In der vergangenen Dekade haben weder mehr als die Hälfte der Strecke vor sich zu die Regierungsfraktionen im Parlament er- haben. Zentrale Ursache der schleppenden gebnisoffen über die Strategie der Bahn- Marktentwicklung ist die Integration der politik debattieren können, noch hat die Schieneninfrastruktur in der DB AG. Sie Bundesregierung intern eine kritische Dis- hält private Investoren davon ab, Risiko- kussion geführt. Stattdessen war es der Un- kapital in größerem Umfang in den deut- ternehmensvorstand der DB AG, der das schen Schienenverkehr zu lenken. Vakuum der Führungslosigkeit ausnutzte, seine Ziele als jene des Eigentümers aus- Seitdem die Teilprivatisierung der DB AG zugeben und diesen damit vor sich her auf absehbare Zeit nicht realistisch ist, bie- zu treiben. Die Teilprivatisierung mit Netz tet sich der Bundesregierung die große wurde ebenso als alternativlos dargestellt Chance, die Ziele der Bahnreform grund- wie die Internationalisierungs- und Logis- legend in Erinnerung zu rufen und den tikstrategie des DB-Konzerns sowie die daraus abzuleitenden Kursschwenk ohne Rezentralisierung der Transportsparten. Gesichtsverlust einzuleiten. Drei Entschei- Tatsächlich sind diese Weichenstellungen dungen sind zu fällen, die aufeinander auf- unter unabhängigen Experten überaus um- bauen: stritten.

Verkehrspolitische Zieldiskussionen ha- Verkehrspolitische Gestaltungsaufgabe ben seit den 1990er Jahren gar nicht mehr stattgefunden. Weder hat der Bund eine ei- Vorgeschaltet muss die Exekutive darüber genständige Fachmeinung zu einer ratio- BElNDEN ¬OB¬SIE¬IHRE¬Doppelfunktion – Ei- nalen Ausbaupolitik des Netzes, noch wird gentümer des Unternehmens DB AG und das Ziel des Mehrverkehrs operationalisiert. verkehrspolitischer Rahmensetzer – als ak- Die Leitungsebene des Verkehrsministeri- tive Gestaltungsaufgabe begreift oder ob ums denkt allein in industriepolitischen Di-

Abbildung 44: Entscheidungsebenen der Bahnpolitik

Quelle: eigene Darstellung

Wettbewerbsdynamik durch aktive Bahnpolitik 145 mensionen und setzt Schienenverkehr mit Nur wenn die Verkehrspolitik den Rollen- DB AG gleich. Das Motto lautet: Was für tausch zwischen „Koch und Kellner“ um- das Unternehmen gut ist, diene auch der gehend korrigiert, kann sie ihrer originären Branche – obwohl die Realität systematisch Aufgabe gerecht werden. das Gegenteil lehrt. Der Verzicht auf eige- ne Akzente reicht so weit, dass die DB AG Gesetzesvorlagen, Stellungnahmen der Verkehrspolitik vs. Industriepolitik Bundesregierung oder den Vertragstext der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Steht die Bereitschaft zur aktiven Politik- in weiten Teilen vorformuliert. ausübung fest, muss die Bundesregierung das künftige Verhältnis von Industrie-

Der Privatisierungsauftrag – Hintergründe und Legenden

Einer der geschicktesten PR-Schachzüge des DB-Vorstandes war die über Jahre sorgsam aufgebaute Botschaft, dass die Teilprivatisierung einem unverrückbaren Auftrag des Bundes entspringe. Damit sollte der Öffentlichkeit suggeriert werden, dass die DB AG keine andere Wahl habe, als den politischen Willen des Gesellschafters gehorsam in die Tat umzusetzen. Semantisch unterstrichen wurde der vermeintlich „natürliche Gang der Dinge“ mit dem Slo- gan von BMVBS und DB AG, die Teilprivatisierung sei die logische „Vollendung der Bahnre- form“.

Der Verweis auf einen Privatisierungsauftrag ist nicht aus der Luft gegriffen – aber als al- leinstehender Satz ist er eine grobe Verzerrung der tatsächlichen Abläufe und Hintergründe der (gescheiterten) Bahnprivatisierung. Vor allem wird die zentrale Rolle des Bahnvorstan- des ausgeblendet, der kein ausführendes Organ war, sondern bis Ende 2007 die politische Agenda in hohem Maße bestimmte.

Dritte Stufe der Bahnreform

Richtig ist, dass die 1994 eingeleitete Bahnreform eine dritte Stufe vorsah, derzufolge nach zehn Jahren die materielle Privatisierung der DB AG vonstatten gehen sollte. Allerdings sah das Konzept der Regierungskommission Bahn gerade nicht die (Teil-)Privatisierung des integrierten Konzerns – also mit der Schieneninfrastruktur – vor, sondern nur der (einzel- nen!) Transportsparten, und zwar als Vollprivatisierung. In Vorbereitung dessen waren die Sparten 1999 rechtlich verselbständigt worden, ehe der kürzlich abgelöste Bahnchef Meh- dorn von 2001 bis 2005 die Rezentralisierung durchführte – anfänglich schleichend, später ganz offen mit Billigung der Vertreter des Eigentümers.

Prüfung der Kapitalmarktfähigkeit

Selbst das Ob der Privatisierung ist keineswegs ein unumstößlicher Muss-Auftrag der Poli- tik gewesen. Bereits Ende 1993 schwächte der Gesetzgeber den politischen Willen insofern ab, als die vorgesehene dritte Stufe der Bahnreform nicht mehr in das Deutsche-Bahn-Grün- dungsgesetz einging. Damit kam die schwarz-gelbe Bundesregierung den Bedenken der SPD entgegen, um unter großem Zeitdruck die Zwei-Drittel-Mehrheit für die notwendige Verfas- sungsänderung zu sichern.

In den nachfolgenden Jahren bis 2005 gab es im Parlament keine sichtbare Bewegung zu- gunsten einer Privatisierung, insbesondere nicht mit Netz. Im Gegenteil: Fraktionsübergrei- fend waren sich alle Parteien in der Ablehnung eines solchen Konstruktes einig. Dieser Kon- sens gipfelte am 19.6.2004 in der Aufforderung des Bundestages an die Bundesregierung, nach dem ausschließlich betriebswirtschaftlich fokussierten Morgan-Stanley-Gutachten zur Kapitalmarktfähigkeit der DB AG ein zweites Gutachten (später „PRIMON“ genannt) zu be- auftragen, das sämtliche Modelloptionen einer Bahnprivatisierung – vor allem auch das Ei- gentumsmodell ohne Netz – prüfen sollte.

146 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Unter welchen Winkelzügen im Oktober 2005 dennoch die Passage in den Vertrag der Großen Koalition gelangte, wonach die Privatisierung nicht mehr eine Frage des Ob, son- dern des Wie sei, ist hinlänglich beschrieben worden. Der zeitgleiche Wechsel des bayrischen Verkehrsministers Otto Wiesheu – der Mitglied der Union in der Verhandlungsgruppe Ver- kehr war – in den Bahnvorstand führte jedem vor Augen, dass die DB AG sogar selbst an ih- rem Auftrag mit formuliert hatte. Bundestag und Bundesrat blieben gänzlich außen vor und bekamen einen Zielkorridor vorgesetzt, den die erdrückende Mehrheit aller MdB und MdL in freier Wahl ablehnen würde. Damit ist nicht in erster Linie das Ob der Privatisierung ge- meint, sondern der bewusst aufgebaute Zeitdruck mit der von Anfang an geplanten Veren- gung der politischen Diskussion auf die DB-genehme integrierte Lösung.

Rolle des Vorstandes

Der DB-Vorstand wird geltend machen, dass die Ausschaltung der Parlamente ein Schön- heitsfehler der Kanzlerdemokratie sein möge, aber für ihn letztlich der Wille des Eigentümers maßgeblich sei. Dieser habe eindeutig den Auftrag zur Teilprivatisierung erteilt, und zwar schon zum Zeitpunkt der Berufung Hartmut Mehdorns Ende 1999.

!UCHDIESE$EUTUNGISTFORMALGESEHENMÚGLICH UNTERSCHLËGTABERGEmISSENTLICHDIETrei- berrolle des DB-Vorstandes selbst. Fakt ist, dass es seit 2000 in der Bundespolitik kaum je- manden gedrängt hat, nach den in der Öffentlichkeit eher kritisch gesehenen Privatisie- rungen von Deutscher Telekom und Deutscher Post nun auf Gedeih und Verderb auf die Privatisierung der Deutschen Bahn AG hinzuarbeiten. Ein solcher Schritt wurde stets als Op- tion angesehen, aber nur von ganz Wenigen mit erbitterter Konsequenz verfolgt. Dieser nu- MERISCHKLEINE ABEREINmUSSREICHE+REISWARDASpolitische Netzwerk der DB AG selbst. Alle anderen Akteure – z. B. die Verkehrspolitiker des Bundestages – hielten zwar die Privatisie- rung der DB AG für grundsätzlich sinnvoll (je nach Couleur mit unterschiedlicher Intensität, Ausnahme: Die Linke), aber stets unter striktem Ausschluss der Schieneninfrastruktur. Ihre Beschäftigung mit der Privatisierung entstand weniger aus eigenem Antrieb, sondern war EIN!BWEHRREmEXAUFDASUNBËNDIGE6ORPRESCHENDER$"!'

Die Rolle des Netzwerk-Architekten ist praktisch allein Hartmut Mehdorn selbst zuzu- schreiben. Er erkannte frühzeitig, dass der Schlüssel für den erfolgreichen „Marsch durch die Institutionen“ darin liegen würde, den Vorsitzenden der Gewerkschaft Transnet und späte- ren Arbeitsdirektor der DB AG – Norbert Hansen – auf seine Seite zu ziehen, nachdem dieser die Privatisierungsfähigkeit der DB AG noch 2004 vehement in Abrede gestellt hatte. Als die ungewöhnliche Allianz besiegelt war, zogen beide gemeinsam los, um die wesentlichen Ent- scheidungsträger in der SPD und Union von der „Alternativlosigkeit“ der Teilprivatisierung zu überzeugen. Je nach Adressat wurden die Begründungen angepasst: So sei die Teilprivati- sierung notwendig, weil die DB AG dringend frisches Kapital brauche, 2010 der Wettbewerb im SPFV ausbreche, die Privatisierungserlöse im Haushalt eingestellt seien und in die Infra- struktur investiert werden sollten, andernfalls ein Rückfall in das Behördenbahn-Zeitalter drohe, die Führungskräfte von Bord gingen, usw.

In der Substanz sind die vorgebrachten Argumente allesamt dünn. Vor allem aber sind sie nebensächlich. Tatsächlich ging es – neben persönlichen Motiven – primär darum, die Halb- staatlichkeit der DB AG durch ein Privatisierungspaket mit Netz dauerhaft unumkehrbar zu machen. Dies ist das genaue Gegenteil einer echten Privatisierung. Wäre sie von vornhe- rein das wahre Ziel gewesen, hätte der jahrelange zähe Streit um den Modus operandi auf leichte Weise vermieden werden können. Doch erst als alle Türen einer integrierten Lösung zugeschlagen waren, schlug der DB-Vorstand im November 2007 der Not gehorchend das Holdingmodell vor, das die vollständige Privatisierung der DB ML AG langfristig zulässt.

Insgesamt ist festzuhalten: Das Projekt „schnellstmöglicher Börsengang“ alias Zemen- tierung der halben Staatsbahn geht im Wesentlichen auf den Vorstand der DB AG zurück, nicht auf den Eigentümer Bund. Hätte die DB AG irgendwelche „fachlichen“ Bedenken ge- gen die Teilprivatisierung geäußert, hätte die Große Koalition – so die Prognose – binnen kurzer Zeit das Projekt fallengelassen.

Wettbewerbsdynamik durch aktive Bahnpolitik 147 und Verkehrspolitik präzise und trans- portsparten ein „Systemunternehmen“ ist parent klären. Beide Aufgaben stehen in (wenn ja: warum nicht Kühne & Nagel?) EINEM¬UNAUSWEICHLICHEN¬:IELKONmIKT¬/FFE- oder nur ihre EIU, die den grundgesetzli- ner, fairer Wettbewerb mit „gleichlangen chen Auftrag erfüllen. Spießen“ bedeutet, der DB AG keine Pri- vilegien mehr einzuräumen. Dies kann zur Folge haben, dass die DB AG ihre Markt- Vielfältige Themenfelder dominanz einbüßt. Würden für die DB AG die normalen Mechanismen der Marktwirt- Auf der verkehrspolitischen Agenda der schaft gelten, unterlägen ihre Transport- Eisenbahn drängen sich fünf Themenfel- gesellschaften sogar einem Konkursrisiko. der auf, die von der Bundesregierung in Wird hingegen die DB AG weiterhin aus Angriff genommen werden müssen, sofern industriepolitischen Erwägungen massiv das Ziel des Mehrverkehrs auf der Schiene protegiert, bleibt der Wettbewerb verzerrt, noch gültig ist. Auch die Entwicklung des worunter in erster Linie die Fahrgäste und Wettbewerbs hängt maßgeblich davon ab, Steuerzahler leiden. die hinter den Themen steckenden Proble- me zu lösen. In kurzfristiger Perspektive ist es ver- ständlich, wenn der Bund sein eigenes Infrastrukturinvestitionen nach Unternehmen bevorzugt behandelt und verkehrlichen Kriterien priorisieren dem Charme der Idee eines global agie- renden Nationalen Champions erliegt. Sollen die vordringlichen Bedarfsplan- Allerdings ist es ein Irrglaube, mit die- vorhaben des BSchWAG vollständig ab- ser Strategie das Wohl der Allgemeinheit gearbeitet werden, liegt der verbleibende zu mehren oder Arbeitsplätze zu sichern. Finanzierungsbedarf nach 2011 bei rund Ohne funktionierenden Wettbewerb wer- 30 Mrd. Euro. Nimmt man ein durch- DEN¬DIE¬%FlZIENZ¬UND¬)NNOVATIONSKRAFT¬DER¬ schnittliches Jahresbudget von einer Mrd. Eisenbahn weiterhin den anderen Ver- Euro für Neu- und Ausbauprojekte an, dau- kehrsträgern hinterherhinken. Dies schä- ert es demnach bis 2040, ehe alle Vor- digt sie nicht nur im intermodalen Wett- haben umgesetzt werden können. Doch bewerb, sondern wird sich als Bumerang selbst diese lange Projektion kennzeichnet erweisen, sobald die öffentlichen Haus- bereits ein unrealistisches Wunschszenario, halte spätestens ab 2011 dramatische da sämtliche Baukostenschätzungen einge- Konsolidierungsanstreng ungen unterneh- halten werden müssten und während der men müssen. nächsten 30 Jahre kein einziges neues Pro- jekt hinzukommen dürfte. Verkehrspolitisch Volkswirtschaftlich ist nicht einzusehen, wäre solch ein Aufnahmestopp ein Offen- warum der deutsche Steuerzahler neben barungseid. der Deutschen Post auch die Risiken ei- nes zweiten ordnungspolitischen Sünden- Der Anspannungsgrad der öffentlichen falls tragen soll. Der Transport von Gütern Haushalte kontrastiert dramatisch mit dem in der Mongolei – noch dazu jenseits der kurzfristigen Investitionsbedarf im Seeha- Schiene – ist keine Staatsaufgabe. Ebenso fenhinterland- und alpenquerenden Ver- unverständlich ist es, dass die Allgemein- kehr. Erreichen die Wachstumsraten des heit rund zehn Mrd. Euro p. a. in die Schie- Containerumschlags in den Seehäfen nach ne steckt, die Gewinne der Infrastruktur der Wirtschaftskrise ihr vorheriges Niveau, aber in Frachtzentren in Übersee oder den werden die Zu- und Abläufe der nord- Kauf ausländischer Logistikunternehmen deutschen Seehäfen zwischen 2015 und mIE”EN 2020 verstopfen. Bereits heute machen sich erhebliche Kapazitätsengpässe auf den Soll die Eisenbahnbranche tatsächlich Hauptadern bemerkbar. Ähnliche Flaschen- prosperieren, gibt es zu einer echten Wett- hälse sind auf der Rheintalschiene, im bay- bewerbspolitik keine Alternative. Nur diese rischen Chemiedreieck und in allen größe- sichert und steigert die Zahl der Beschäf- ren Knoten zu verzeichnen. tigten in der Eisenbahnbranche. Hingegen ist die DB AG in ihrer jetzigen Aufstellung Um den Gau für die Schiene in Form von ein Garant dafür, die Schiene dauerhaft ins fahrlässig verschenkten Wachstumspotenzi- zweite Glied zu rücken. Die Bundesregie- alen zu verhindern, ist es dringend gebo- rung sollte daher kritisch prüfen, ob die ten, die limitierten Mittel auf das Wesent- gesamte DB AG einschließlich der Trans- liche zu konzentrieren. Milliardenschwere

148 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Leuchtturmprojekte müssen ins zweite Regulierer stärken Glied rücken.6 Der verkehrliche Nutzen 6 – Zu den Ursachen und dieser Prestigevorhaben ist gering, weil Die Bundesnetzagentur ist als Regulie- Wirkungen einer verfehl- rer rührig und zunehmend effektiver, wird ten Netzstrategie siehe die sie primär auf den SPFV ausgelegt sind, 2008 erschienene Netz- der auf lange Sicht bestenfalls stagnieren jedoch in ihren Möglichkeiten sichtbar 21-Studie von G. Ilgmann wird. Zugleich zeichnen sich diese Projek- ausgebremst. Hier muss die Bundesregie- im Auftrag von Netzwerk te durch den systematischen Mangel aus, rung dringend nachsteuern, sofern sie den Privatbahnen. ihren Nutzen immer erst im Moment der Wettbewerb auf der Schiene ernst nimmt. Fertigstellung zu entfalten – also erst nach Erforderlich ist es, der Bundesnetzagentur 10 oder mehr Jahren Bauzeit. Abschnitts- die uneingeschränkte politische Rücken- weise eintretende Verbesserungen, wie deckung zu verschaffen. Ebenso muss der sie die Straße beständig erzielt, sind nicht Personalbestand deutlich aufgestockt wer- möglich, wenn allein auf Schnellfahrstre- den, und zwar auf das Niveau in den ande- cken zwischen Großstädten gesetzt wird. ren Netzsektoren. Die gesetzlichen Grund- lagen und Kompetenzen müssen – etwa Stattdessen müssen die Belange jener im Bereich der Anreizregulierung und der Segmente in den Vordergrund rücken, die )NFORMATIONSRECHTE¬n¬SIGNIlKANT¬geschärft erhebliche Nachfragezuwächse in Aussicht werden. Der Bereich Eisenbahn sollte stellen. Dies sind der Güterverkehr und – ebenso eine Beschlusskammer in der etwas abgeschwächt – der Nahverkehr. BNetzA erhalten wie die Sektoren Telekom- munikation oder Energie. Grundangebot des SPFV sicherstellen LuFV als wirksames Instrument Wie im Abschnitt 5.3 dargelegt ist die Ei- der Qualitätssteuerung schärfen genwirtschaftlichkeit des SPFV eine Illusi- on ¬DIE¬INSBESONDERE¬DANN¬AUFmÚGE ¬FALLS¬ Zu Beginn dieses Jahres trat die Leis- die DB AG den Börsengang weiterverfol- tungs- und Finanzierungsvereinbarung in gen würde. Dann müsste das Segment ka- Kraft, die die Qualitätssicherung im Be- pitalmarktübliche Renditen abwerfen, was standsnetz sowie dessen Finanzierung auf unter normalen Umständen nicht mög- eine verlässliche Grundlage stellen soll. So lich ist – jedenfalls nicht für den heutigen löblich der Grundgedanke der LuFV ist, Angebotsumfang von 150 Mio. Trassen- ergibt sich aus der Einzelanalyse der Ver- kilometern. Sobald die begünstigenden tragsbestimmungen, dass die Steuerungs- Sondereffekte wie der Null-Abschreibungs- wirkung aus der Sicht des Bundes gering aufwand der IC-Flotte und des ICE 1 aus- bleiben wird. laufen, wird die DB AG das Angebot nach MORA-P 2002/2003 noch einmal deutlich Soll das Instrument seiner Aufgabe nach- zusammenstreichen müssen. KCW prog- kommen, müssen z. B. die Qualitätspara- nostiziert – ähnlich wie ProBahn –, dass nur meter ergänzt (Kapazität, Anlagenalter), wenige IC-Verbindungen überleben und die Messung der Qualität verfeinert (Teil- etwa 15 weitere Städte ihre Anbindung an netz- und Streckenbezug, insbes. jedes das Fernverkehrsnetz verlören. Regionalnetz einzeln) und die Sanktions- mechanismen scharfgeschaltet werden Der Bund muss angesichts dieser Per- (Aufhebung des Kumulationsverbotes). spektiven entscheiden, ob er das Fernver- Damit diese Verbesserungen 2013 greifen kehrsangebot den Marktkräften ohne Flan- können, müssen die Grundlagen zeitnah kenschutz überlassen möchte. Verkehrlich erarbeitet werden. ist es nicht plausibel, Nahverkehrsverbin- dungen mit einem Kostendeckungsgrad Infrastrukturverantwortung von 30 % pauschal zu subventionieren, für Nebennetze regionalisieren während im Gegenzug eine SPFV-Linie mit 70, 92 oder sogar 103 % Kostendeckung In der Anhörung des Bundestages zur aus Renditegründen eingestellt werden Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung soll. Pragmatischer ist es, zunächst das ge- am 3.12.2008 wurde einmal mehr deut- sellschaftlich gewünschte Verkehrsangebot lich, dass alle Experten den Etatansatz von zu bestimmen, um dann im zweiten Schritt jährlich 2,25 Mrd. Euro für die Ersatzinves- zu ermitteln, was davon zum Nah- oder titionen in das Bestandsnetz als erheblich Fernverkehr zu zählen ist. Die Wirtschaft- zu niedrig ansehen. Die absehbare Folge lichkeit sollte über den freien und den be- wird sein, dass die aus der Sicht der DB AG stellten Wettbewerb getestet werden.

Wettbewerbsdynamik durch aktive Bahnpolitik 149 nachrangigen Nebennetze (fallen i.d.R. Mitteln des Bundes zu bewirtschaften. Die in die Kategorie „Regionalnetze“) bei der Länder könnten wiederum die Aufgabe im Mittelverteilung noch stärker hintanstehen. Wettbewerb vergeben. Dabei winken er- Hierunter fallen schätzungsweise 5.000 bis HEBLICHE¬%FlZIENZGEWINNE ¬WIE¬VERSCHIEDE- 9.000 km des bundesweiten Netzumfangs. ne Ansätze zeigen. Wird die Schieneninfrastruktur über Jahre ausgezehrt, droht am Ende ihre wirtschaft- Fazit: Mehrverkehr auf der Schiene ist liche Stilllegung. Diese Gefahr wird noch nur möglich, wenn das Wohl der Branche dadurch verstärkt, dass die Kaufkraft der nicht von einem Unternehmen abhängt, Regionalisierungsmittel aufgrund der Preis- sondern mehrere Standbeine hat. Tragen politik der EIU und der Mittelkürzungen diese einen intemsiven, aber fairen Wett- seit Jahren kontinuierlich sinkt. bewerb aus, ist dies erfahrungsgemäß die beste Gewähr für das Wachstum des Ge- Die ökonomische Lebensfähigkeit der samtmarktes. Was auf anderen Märkten Regionalnetze hängt mittelfristig davon eine bewährte Erfolgsformel ist, sollte auch AB ¬OB¬SIE¬EFlZIENTER¬BEWIRTSCHAFTET¬WER- für die Schiene gelten. Uneingeschränkter den können. Ebenso muss sichergestellt Wettbewerb wird aber nur dann eintreten, werden, dass die auf ihnen vereinnahmten wenn die Schieneninfrastruktur nachweis- Entgelte nicht zur Quersubventionierung lich unabhängig geführt wird. Daher ist des kostenintensiven Fern- und Ballungs- die eigentumsrechtliche und organisa- netzes abgezweigt werden. torische Verselbständigung der EIU die beste Wettbewerbspolitik. Ohne sie wer- Schlüssel hierzu ist die Dezentralisierung den private Investoren stets Risikoaufschlä- der Infrastrukturverantwortung. Analog ge einpreisen, die die ohnehin schmale zur Aufgabenteilung bei der Straße sollten Marge im Schienenverkehr unnötig ab- die Länder damit beauftragt werden, diese senkt. Netze im Namen und mit den anteiligen

150 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009

Kapitelbild: Bahnstei- gende am S-Bahnhof Untermenzing, Mün- chen Anhang

Herausgeber

Netzwerk Privatbahnen – Vereinigung Europäischer Eisenbahngüterverkehrs- unternehmen e.V.

Das Netzwerk Privatbahnen verfolgt sat- nehmen erzielt einen Umsatz von 5 bis zungsgemäß den Zweck, 10 Mio. Euro. Jedes Unternehmen für sich hat gute Aussichten auf eine Expansion in ƒ die Voraussetzungen für einen fai- einem noch jungen Markt. Diesen neuen ren Wettbewerb auf der Schiene in Markt zu verbreitern ist eine der wichtigs- Deutschland und Europa weiter zu ent- ten Aufgaben des Netzwerks. wickeln und ƒ in der öffentlichen Diskussion die wach- Vor wenigen Jahren begannen die priva- sende Bedeutung privater Eisenbahn- ten Eisenbahnen, zum Teil als Start-up-Un- güterverkehrsunternehmen zu ver- ternehmen, dem Marktführer Konkurrenz deutlichen und die Interessen seiner zu machen. Der Marktanteil aller privaten Mitglieder gegenüber Politik, Behörden, Eisenbahnen konnte in den letzten acht Industrie und Zulieferunternehmen zu Jahren von annähernd 0 % auf über 20 % vertreten. erhöht werden. Dem Marktführer ist eine ernstzunehmende Konkurrenz erwachsen, Im Netzwerk sind seit 2001 private Gü- die bereits zu einer deutlichen Korrektur terbahnen zusammengeschlossen, die sich des Preis-/Leistungsverhältnisses für einen offen zum Wettbewerb auf der Schiene be- großen Teil schienengebundener Trans- kennen. Von den zur Zeit 25 Mitgliedsun- portleistungen geführt hat. ternehmen domizilieren fünf im Ausland (Niederlande, Belgien, Österreich, Ungarn, Für die verladende Industrie sind Wett- Griechenland). Bezogen auf die Transport- bewerbsbahnen nicht nur in preislicher leistung erbringen die im Netzwerk Privat- Hinsicht attraktiv. Sie sind auch deutlich bahnen zusammengeschlossenen Güter- mEXIBLER¬ALS¬ANDERE¬"AHNEN¬UND¬IMSTANDE ¬ bahnen etwa 75 % der Transportleistung, qualitative Anforderungen vertraglich zu- die auf der deutschen Schiene von Nicht- zusichern und einzuhalten. Insgesamt ver- DB-Güterbahnen gefahren wird. bessert sich das Preis-/Leistungsverhältnis auf breiter Front. Das schlägt sich für die Die Mitgliedsunternehmen repräsentie- verladende Industrie in Vorteilen für den ren ein Umsatzvolumen von ca. 500 Mio. Kostenblock Logistik nieder. Die privaten Euro und beschäftigen ca. 1.300 Mitarbei- Eisenbahnen haben zudem neue Impulse ter. 2006 wiesen neun Mitgliedsunterneh- und Angebote für den internationalen Ei- men einen Umsatz von mehr als 10 Mio. senbahnverkehr hervorgebracht und unter- Euro aus, davon drei mehr als 50 Mio. einander und mit Dritten grenzüberschrei- Euro. Etwa die Hälfte der Mitgliedsunter- tende Netzwerke geknüpft.

Anhang 153

mofair e.V.

Drei der größten in Deutschland im Öf- land GmbH & Co. KG. Zu den weiteren fentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) tä- Vorstandsmitgliedern zählen Josef Berker, tigen privaten, unabhängigen und wett- RP Eisenbahn GmbH, Christian Klein, Ge- bewerblichen Verkehrsunternehmen schäftsführer der trans regio Deutsche Re- gründeten am 9. September 2005 in Ber- gionalbahn GmbH sowie Jan Möllmann, lin den Interessenverband mofair e. V. Die Arriva Deutschland GmbH. Die dem Zu- Gründungsmitglieder Abellio GmbH, Arriva sammenschluss angehörigen Unternehmen Deutschland GmbH und trans regio Deut- sehen öffentliche Mobilität als einen Markt sche Regionalbahn GmbH repräsentieren mit großen Wachstumschancen an, der drei aufstrebende Verkehrsunternehmen in angesichts der zu beobachtenden Ener- einem liberalisierten Verkehrsmarkt und be- giepreissteigerungen positive Perspektiven treiben Bus- und Bahnverkehre in Deutsch- und Alternativen bietet. Denn mehr als 10 land und Europa. Milliarden Menschen nutzen jährlich den öffentlichen Verkehr mit Bussen und Bah- Der Verband setzt sich für die Beschleu- nen. Öffentliche Mobilitätsanbieter leisten nigung der Marktöffnung aus Schiene und somit aktive Zukunftssicherung zum Wohle Straße und für die Sicherung eines diskri- ihrer Kunden. minierungsfreien Infrastrukturzugangs im Eisenbahnverkehr ein. Ziel des Interessen- mofair e. V. versteht sich als Organ der verbandes ist weiterhin die Sicherstellung Wachstumsunternehmen im Markt für öf- eines qualitativ hochwertigen öffentlichen fentliche Mobilität. Als solches erhofft sich Verkehrsmarktes unter fairen Rahmenbe- mofair e. V., dass die Politik die Rahmenbe- dingungen, damit sich öffentliche Mobi- dingungen für den Wettbewerb im Zuge lität zu einem Wachstumsmarkt mit zu- der Umsetzung der europäischen Regelun- kunftssicheren Arbeitsplätzen entwickeln gen für den Bahn- und Busverkehr deutlich kann. verbessert. Von der Bundesregierung er- wartet der Interessenverband, dass sie den Präsident ist Wolfgang Meyer. Er vertritt Markt für öffentlichen Verkehr zum Wachs- die Abellio GmbH. Vizepräsident ist Hans tumsmarkt erklärt und dafür die entspre- Leister, Geschäftsführer der Keolis Deutsch- chenden Rahmenbedingungen schafft.

154 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufga- benträger des SPNV (BAG-SPNV)

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Auf- gabenträger des SPNV (BAG-SPNV) ist der Dachverband der Bestellerorganisatio- nen des Schienenpersonennahverkehrs in Deutschland.

Seit der Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs im Jahr 1996 sind an- stelle des Bundes die Länder und Regionen für die Organisation des Regionalverkehrs der Bahn zuständig. Einige Länder nehmen diese Aufgabe selbst wahr, in anderen sind es kommunale Zweckverbände. Die neuen Möglichkeiten als Besteller haben die Auf- gabenträger des SPNV genutzt, um Fahr- pläne auszuweiten und zu verbessern, um die Qualität im SPNV zu erhöhen und um moderne Fahrzeuge einzusetzen. Das Re- sultat sind fast überall gestiegene Fahrgast- zahlen.

Mitglieder der BAG-SPNV sind die 27 Aufgabenträgerorganisationen des SPNV in Deutschland. Sie bestellen pro Jahr für mehr als 5,2 Mrd. Euro fast 630 Millionen Zugkilometer bei zur Zeit 69 Eisenbahn- verkehrsunternehmen. Gemeinsames Ziel der Aufgabenträger des SPNV ist es, die 1UALITËT¬DES¬.AHVERKEHRS¬IN¬IHREM¬%INmUSS- bereich zu verbessern und durch die Um- setzung guter Betriebskonzepte mehr Fahr- gäste zu gewinnen.

Anhang 155 Verfasser

KCW GmbH

KCW ist eine der führenden Strategie- und Managementberatungen für öffentli- che Dienstleistungen. Spezialgebiet ist der straßen- und schienengebundene öffentli- che Verkehr. KCW berät seit 1998 als unab- hängiges, interdisziplinäres Expertenteam: Ökonomen, Juristen, Planer, sowie Sozial- Im Bahnmarkt hat sich KCW mit folgen- und Naturwissenschaftler bringen sich mit den Gutachten einen Namen gemacht: ihrer Kompetenz und ihren vielseitigen In- teressen in die Beratungstätigkeit ein. ƒ Ländergutachten: ökonomische Bewer- tung zum Entwurf eines Gesetzes zur Zu den Kunden zählen Kommunen, Auf- Neuorganisation der Eisenbahnen des gabenträger des öffentlichen Verkehrs, Bundes (EBNeuOG-E) für die Verkehrs- Verkehrsverbünde und Ministerien. KCW ministerkonferenz (2007) BEGLEITET¬SIE¬BEI¬ALLEN¬ORGANISATORISCHEN ¬l- ƒ BDI/DIHK-Gutachten: Die Privatisierung nanziellen und rechtlichen Aspekten ihrer der Deutschen Bahn AG – Auswirkun- ÚFFENTLICHEN¬!UFGABEN¬UND¬lNDET¬INDIVI- gen und Alternativen (2004–2006) DUELLE¬,ÚSUNGEN¬FàR¬SPEZIlSCHE¬!UFGABEN- stellungen, die nicht nur wirtschaftlichen, ƒ Kurzgutachten zur Entwicklung des sondern auch politischen, sozialen und Fernverkehrs im Auftrag verschiedener rechtlichen Anforderungen entsprechen. Länder und Aufgabenträger (2008) ƒ Analyse des Holdingmodells der DB AG Beratungsfelder sind: im Auftrag verschiedener Aufgabenträ- ƒ Organisation und Strategien für ger (2008) ÖPNV-Aufgabenträger Weitere Beratungsleistungen sind: ƒ Bahnmarkt ƒ Vergabe und Genehmigungen ƒ Design von Ausschreibungen im SPNV ƒ Weiterentwicklung von effektiven Orga- ƒ Privatisierung, M & A nisationsstrukturen im SPNV ƒ Öffentliche Infrastruktur ƒ Regionalisierung der Infrastruktur/ ƒ Finanzierung, Alternative Betreibermodelle, z. B. Public-Private-Partnership (PPP) PPP für Schieneninfrastruktur ƒ Tarif und Vertrieb ƒ Innovative Konzepte für Infrastruktur, ƒ ÖPNV-Marketing Beschaffung und Finanzierung von Fahrzeugen ƒ Qualitätssteuerung ƒ Bewertung eisenbahnrechtlicher Frage- ƒ Verkehrsplanung stellungen ƒ Umwelt ƒ Analyse von Regulierungsthemen

Hinweis zur Rolle von KCW in diesem Report

KCW berät vornehmlich und bei Vergabeverfahren ausschließlich die öffentliche Hand. Zur Entwicklung passgenauer Problemanalysen und Handlungsempfehlungen ist es not- wendig und hilfreich, sich mit den Interessen der anderen Marktseite – der Verkehrsunter- nehmen – intensiv auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund hat KCW im vorliegenden Fall den Auftrag angenommen, einen Wettbewerber-Report zu erstellen. Wettbewerb wird in erster Linie zwischen Verkehrsunternehmen ausgetragen, so dass der Report in der Regel den Stand des Wettbewerbs aus der Sicht der Wettbewerbsbahnen wiedergibt. Dazu wur- den verschiedene Gespräche mit Unternehmensvertretern und anderen Branchenexperten geführt, um ein möglichst repräsentatives Meinungsbild zu erstellen. In den wenigen Fällen, in denen die Interessen von Bestellern und den Wettbewerbsbahnen voneinander abweichen (könnten), stellt der Report beide Ansichten ohne Wertung gegenüber.

156 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Anhang 157 Abkürzungsverzeichnis

Allgemein AC ...... Wechselstrom en Zugang zur Eisenbahn- infrastruktur AEG ...... Allgemeines Eisenbahngesetz EKrG ...... Eisenbahnkreuzungsgesetz AGV ...... Automotrice à grande EMU ...... Electric Multiple Unit, vitesse, Hochgeschwindig- mehrteiliger Elektro-Trieb- keitszug von Alstom, de- zug signierter Nachfolger des EnWG ...... Energiewirtschaftsgesetz, TGV Gesetz über die Elektrizi- AT ...... Aufgabenträger täts- und Gasversorgung BEV ...... Bundeseisenbahnvermö- ERTMS ...... European Rail and Train gen Management System, Ma- nagement und Steuerung Bf...... Bahnhof des Eisenbahnverkehrs auf BGH ...... Bundesgerichtshof den Strecken der Transeu- ropäischen Netze BMVBS ...... Bundesministerium für Ver- kehr, Bau und Stadtent- ESTW ...... Elektronisches Stellwerk wicklung ET ...... Elektrotriebwagen BNetzA ...... Bundesnetzagentur ETCS ...... European Train Control BR ...... Baureihe System, europäisches Zug- sicherungssystem BSchWAG ...... Bundesschienenwegeaus- baugesetz EVU ...... Eisenbahnverkehrsunter- nehmen BVerfG ...... Bundesverfassungsgericht Gbf...... Güterbahnhof BVerwG ...... Bundesverwaltungsgericht IC ...... InterCity DC ...... Gleichstrom ICE ...... InterCity-Express DMU ...... Diesel Multiple Unit, mehr- teiliger Diesel-Triebzug ICE 1, ICE 2 ..... Hochgeschwindigkeitszüge der DB AG, erste und zwei- EBA ...... Eisenbahn-Bundesamt te Baureihe EBIT ...... earnings before interest ICE 3, ICE 3M .. Hochgeschwindigkeitszüge and taxes, Gewinn vor der DB AG, dritte Baurei- Steuern und Zinsen, be- he und mehrsystemfähige triebswirtschaftliche Kenn- Züge für den internationa- zahl len Verkehr (ICE 3M) EBITDA ...... earnings before interest, ICE-T, ICE-TD .. Neigetechnik-Hochge- taxes, depreciation and schwindigkeitszüge der amortization, Gewinn vor DB AG, in elektrischer und Steuern, Zinsen, Abschrei- Diesel-Ausführung (TD) bungen auf Sachanlagen und Vermögenswerte, be- ICx ...... ehemalige Kurzbezeich- triebswirtschaftliche Kenn- nung für den InterConnex, zahl Fernzug von Veolia Verkehr EC ...... EuroCity IR ...... InterRegio EIU ...... Eisenbahninfrastruktur- KV ...... Kombinierter Verkehr unternehmen LG ...... Landgericht EIBV ...... Eisenbahninfrastruktur- LuFV ...... Leistungs- und Finanzie- Benutzungsverordnung, rungsvereinbarung regelt diskriminierungsfrei-

158 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 LZB ...... ,INIENZUGBEEINmUSSUNG ¬ SPNV...... Schienenpersonen- 3YSTEM¬ZUR¬:UGBEEINmUS- nahverkehr sung und -sicherung TBNE ...... Tarifverband der Bundesei- MORA-C ...... Marktorientiertes Angebot genen und Nichtbundes- im Güterverkehr, Rationa- eigenen Eisenbahnen in lisierungsprogramm der Deutschland DB AG TEN ...... Transeuropäische Netze, MORA-P ...... Marktorientiertes Angebot Planungs- und Entwick- im Personenverkehr, Ratio- lungskorridore der EU nalisierungsprogramm der TGV...... Train à grande vitesse, DB AG französischer Hochge- NE-Bahn ...... Nichtbundeseigene schwindigkeitszug Eisenbahn Thalys ...... Internationaler Hochge- OLG ...... Oberlandesgericht schwindigkeitszug auf der Basis des TGV ÖPNV ...... Öffentlicher Personennah- verkehr tkm ...... Tonnenkilometer, Kennzahl für Verkehrsleistung, beför- PBefG ...... Personenbeförderungs- derte Tonnen mal gefahre- gesetz ne Strecke Pkm ...... Personenkilometer, Mess- TPS ...... Trassenpreissystem größe für die Verkehrsleis- tung, beförderte Personen Trkm ...... Trassenkilometer, Abrech- mal gefahrene Strecke nungseinheit der Netzbe- treiber PZB ...... Punktförmige Zugbeein- mUSSUNG ¬3YSTEM¬ZUR¬:UG- TSI ...... 4ECHNISCHE¬3PEZIlKATION¬ BEEINmUSSUNG¬UND¬ SICHE- Interoperabilität rung VG ...... Verwaltungsgericht RB ...... Regionalbahn VK ...... Vergabekammer Rbf...... Rangierbahnhof VMK ...... Verkehrsministerkonferenz RE...... Regionalexpress VT ...... Verbrennungstriebwagen RE-X ...... Bezeichnung für ein WLV ...... (Einzel-)Wagenladungs- Fernverkehrskonzept d verkehr er BAG-SPNV Zkm ...... Zugkilometer, Messgröße RIV ...... Regolamento Internaziona- für die Fahrleistung eines le Veicoli, Abkommen der Zuges auf Streckenfahrt europäischen Eisenbahnen über international einsatz- ZV ...... Zweckverband fähige Güterwagen ROCE ...... Return on Capital Emplo- yed, betriebswirtschaftliche Kennzahl zur Kapitalrendi- te SGV ...... Schienengüterverkehr SNB ...... Schienennetznutzungsbe- dingungen SPFV ...... Schienenpersonen- fernverkehr

Anhang 159 Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen

Abellio ...... ABELLIO GmbH, Essen, DE ...... Dortmunder Eisenbahn Tochter der NedRailways GmbH, Dortmund, Tochter der Veolia Cargo Deutsch- AHG ...... AHG Handel & Logistik land GmbH GmbH & Co. KG, Cottbus DKB ...... Dürener Kreisbahn GmbH, AKN ...... AKN Eisenbahn AG, Düren Kaltenkirchen DRE ...... Deutsche Regionaleisen- Arriva ...... Arriva Deutschland GmbH, bahn GmbH, Berlin Viechtach duisport rail .... duisport rail GmbH, Duis- AVG ...... Albtal-Verkehrs-Gesell- burg schaft mbH, Karlsruhe EBM ...... EBM Cargo GmbH & Co. BASF ...... Badische Annilin- und So- KG, Gummersbach dafabrik (BASF) SE, Lud- wigshafen EEB ...... Emsländische Eisenbahn GmbH, Meppen BCB ...... Bayerische CargoBahn GmbH, Neu-Ulm, Tochter EIB ...... Erfurter Bahn GmbH, Er- der Veolia Cargo Deutsch- furt, vormals Erfurter In- land GmbH dustriebahn GmbH BE ...... Brohltal-Eisenbahngesell- EGP ...... Eisenbahngesellschaft Pots- schaft mbH, Niederzissen dam mbH, Potsdam BEG ...... Bocholter Eisenbahngesell- Ei.L.T...... Ei.L.T. GmbH, Eisenbahn, schaft mbH, Bocholt Logistik und Transporte, Teltow BeNEX ...... BeNEX GmbH, Hamburg Eivel ...... Eichholz Eivel GmbH, Ber- BLS ...... BLS AG, Bern (Bern- lin Lötschberg-Simplon AG) EKO Trans ...... EKO Transportgesellschaft boxXpress ...... boxXpress.de GmbH, mbH, Eisenhüttenstadt Hamburg energy rail ...... energy rail GmbH, Cottbus CD ...... Ceské dráhy, die staatli- chen Tschechischen Eisen- ERS ...... ERS Railways GmbH, Frank- bahnen furt am Main CFL cargo ...... CFL cargo Deutschland EVB ...... Eisenbahnen und Ver- GmbH, Niebüll kehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH, Zeven Chemion ...... Chemion Logistik GmbH, Leverkusen EWR ...... East West Railways, Bres- lau/Polen Crossrail ...... Crossrail GmbH, Duisburg FVE ...... Farge-Vegesacker Eisen- CTL ...... Car Transport Logistics bahn-Gesellschaft mbH, GmbH, Mainz Bremen DB AG ...... Deutsche Bahn AG HGK ...... Häfen und Güterverkehr DB FV ...... DB Fernverkehr AG Köln AG, Köln DB ML AG ...... Deutsche Bahn Mobility & HHPI ...... Heavy Haul Power Interna- Logistics AG, Subholding tional GmbH, Erfurt der Transportsparten im HLB ...... Hessische Landesbahn DB-Konzern GmbH, Frankfurt DB Regio ...... DB Regio AG HSL ...... HSL Logistik GmbH, Ham- DB Schenker ... DB Schenker Rail burg Deutschland AG

160 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 hvle ...... Havelländische Eisenbahn NVAG ...... Nordfriesische Verkehrsbe- AG, Berlin triebe AG, Niebüll HzL ...... Hohenzollerische Landes- OHE ...... Osthannoversche Eisen- bahn AG, Hechingen bahnen AG, Celle Infraleuna ...... InfraLeuna GmbH, Leuna PCK ...... 0#+¬2AFlNERIE¬'MB( ¬ Schwedt/Oder IntEgro ...... IntEgro Verkehr GmbH, Reichenbach im Vogtland PCT ...... PCT Private Car Train GmbH, Wolznach ITL ...... ITL Cargo GmbH, Dresden PEG ...... Prignitzer Eisenbahn KEOLIS ...... KEOLIS Deutschland GmbH, Putlitz, Tochter GmbH & Co. KG, Berlin der Arriva Deutschland Kombiverkehr Kombiverkehr Deutsche PRESS ...... Eisenbahnbau- und -be- Gesellschaft für kombinier- triebsgesellschaft Pressnitz- ten Güterverkehr GmbH & talbahn mbH, Jöhstadt Co. KG, Frankfurt am Main RAG ...... RAG AG, Herne, vormals LEG ...... Leipziger Eisenbahnver- Ruhrkohle AG kehrsgesellschaft mbH, Leipzig rail4chem ...... rail4chem Eisenbahnver- kehrsgesellschaft mbH, Es- LOCON ...... LOCON Logistik & Consul- sen ting AG, Oberuckersee Railion ...... jetzt DB Schenker Rail Lokomotion .... Lokomotion Gesellschaft Deutschland GmbH, Mainz für Schienentraktion mbH, München RAN ...... Railservice Alexander Neu- bauer GmbH, Karlsruhe MEG ...... Mitteldeutsche Eisenbahn GmbH, Merseburg RATP ...... Régie autonome des trans- ports Parisiens, unabhängi- MKB ...... Mindener Kreisbahnen ge Pariser Verkehrsverwal- GmbH, Minden tung MTEG ...... Muldental-Eisenbahnver- RBB ...... Regiobahn Bitterfeld Berlin kehrsgesellschaft mbH, GmbH, Bitterfeld, Tochter Meerane Veolia Cargo Deutschland MWB ...... Mittelweserbahn GmbH, GmbH Bruchhausen-Vilsen RBG ...... Rennsteigbahn GmbH & NE ...... Neuss-Düsseldorfer Häfen Co. KG, Schmiedefeld GmbH & Co. KG, Neuss, RBH ...... RBH Logistics GmbH, (Neusser Eisenbahn) Gladbeck, Tochter der DB NedRailways ... NedRailways Deutschland Schenker Rail GmbH, Frankfurt am Main, Rhenus ...... Rhenus Veniro GmbH, Tochter der niederländi- Mainz schen Staatsbahn NS RTB ...... RegioTram Betriebsgesell- NEG ...... Norddeutsche Eisenbahn- schaft mbH, Kassel gesellschaft GmbH, Niebüll RTB ...... Rurtalbahn GmbH, Düren NIAG ...... Niederrheinische Verkehrs- betriebe AG, Moers RTS ...... RTS Rail Transport Service Germany GmbH, Mün- NRS ...... Nordic Rail Service GmbH, chen Lübeck SBB ...... SBB GmbH, Konstanz (dt. NTV ...... Nuovo Trasporto Viaggia- Tochter der Schweizeri- tori, Rom schen Bundesbahnen)

Anhang 161 Aufgabenträger (AT) und Zweckverbände

SBB Cargo ...... SBB Cargo Deutschland BEG ...... Bayerische Eisenbahnge- GmbH, Duisburg sellschaft mbH, München SBE...... Sächsisch-Böhmische Ei- HVV ...... Hamburger Verkehrsver- senbahn, Zittau bund GmbH, Hamburg SNCF ...... Société Nationale des Che- KVV ...... Karlsruher Verkehrsver- mins de Fer français, Paris, bund GmbH, Karlsruhe staatliche französische Ei- LNVG ...... Landesnahverkehrsgesell- senbahngesellschaft schaft Niedersachsen mbH, Stock ...... Michael Stock Transport, Hannover Mainz LVS ...... Landesweite Verkehrsser- SWEG ...... SWEG Südwestdeutsche vicegesellschaft Schleswig Verkehrs-AG, Lahr Holstein mbH, Kiel SWT ...... Stahlwerk Thüringen NASA ...... Nahverkehrsservice Sach- GmbH, Unterwellenborn sen-Anhalt GmbH, Magde- burg trans regio ...... trans regio Deutsche Regi- onalbahn GmbH, Neuwied NPH ...... Nahverkehrsverbund Pa- derborn/Höxter, Paderborn TWE ...... Teutoburger Wald-Ei- senbahn AG, Gütersloh, NVBW ...... Nahverkehrsgesellschaft Tochter der Veolia Cargo Baden-Württemberg mbH, Deutschland Stuttgart TXL ...... TX Logistik AG, NVR ...... Zweckverband Nahverkehr Bad Honnef Rheinland, Köln VBE ...... Verkehrsbetriebe Extertal – NVS ...... Nahverkehrsservicegesell- Extertalbahn GmbH, Exter- schaft Thüringen mbH, Er- tal furt VCD ...... Veolia Cargo Deutschland NVV ...... Nordhessischer Verkehrs- GmbH, Dortmund verbund mbH, Kassel VPS ...... Verkehrsbetriebe Peine- NWL...... Zweckverband Nahverkehr Salzgitter GmbH, Salzgitter Westfalen-Lippe, Unna WAB ...... Westfälische Almetalbahn RH ...... Region Hannover, Hanno- GmbH, Altenbeken ver WLC ...... Wiener Lokalbahnen Cargo RMV ...... Rhein-Main-Verkehrsver- GmbH, Wien bund GmbH, Hofheim am Taunus WLE ...... Westfälische Landes-Eisen- bahn GmbH, Lippstadt saarVV ...... Saarländischer Verkehrsver- bund WRS ...... Wincanton Rail GmbH, St. Ingbert SenBUV ...... Senator für Bau, Umwelt und Verkehr, Bremen SenStadt ...... Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Berlin SPNV-Nord ..... ZV SchienenPersonenNah- Verkehr Rheinland-Pfalz Nord, Koblenz SPNV-Süd ...... ZV Schienenpersonennah- verkehr Rheinland-Pfalz Süd, Kaiserslautern

162 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 Bildnachweis

VBB ...... Verkehrsverbund Berlin- Titelbild ...... Bahnhof Horka, Sachsen, Brandenburg GmbH, Ber- André Darmochwal, lin Lizenz CC-BY-SA 3.0 VGS ...... Verkehrsverbund-Gesell- Seite 6 ...... Fußgängerpasserel- schaft Saar mbH, Saarbrü- le Hannover Hbf, André cken Darmochwal, Lizenz CC-BY-SA 3.0 VMS ...... Verkehrsverbund Mittel- sachsen GmbH, Chemnitz Seite 10 ...... Wagenladungsverkehr im Teutoburger Wald, Stefan VMV ...... Verkehrsgesellschaft Meck- Högemann lenburg-Vorpommern mbH, Schwerin Seite 18 ...... Bahnsteig 9, Frankfurt Hbf, André Darmochwal, VRN ...... Verkehrsverbund Rhein- Lizenz CC-BY-SA 3.0 Neckar GmbH, Mannheim Seite 22 ...... Desiro der Vogtlandbahn. VRR ...... Verkehrsverbund Rhein- Stefan Högemann Ruhr AöR, Gelsenkirchen Seite 66 ...... „die bahn kommt“, Ran- VRS ...... Verband Region Stuttgart, gierbahnhof Maschen bei Stuttgart Nacht, Manfred Hartmann, VVO ...... Verkehrsverbund Oberelbe Lizenz CC-BY-NC-ND 2.0 GmbH, Dresden Seite 98 ...... Abendstimmung am Gleis VVOWL ...... Verkehrsverbund Ostwest- 9, Frankfurter Hbf, André falen-Lippe, Bielefeld Darmochwal, Lizenz CC- BY-SA 3.0 ZGB ...... Zweckverband Großraum Braunschweig, Braun- Seite 120 ...... „Railway 1“, Doppelte schweig Kreuzungsweichen in ei- nem schweizer Rangier- ZRL ...... Zweckverband SPNV Ruhr- bahnhof, Arno Castelli, Li- Lippe, Unna zenz CC-BY-NC-ND 2.0 ZVM ...... Zweckverband SPNV Seite 136 ...... „Railway and sky (HDR)“ Münsterland, Münster Bahnlinie Groesbeek – Kra- ZV NVR ...... Zweckverband Nahverkehr nenburg, Michael First, Li- Rheinland, Köln zenz CC-BY-NC 2.0 ZVNL ...... Zweckverband für den Seite 144 ...... Formsignal am Güterbahn- Nahverkehrsraum Leipzig, hof Neukölln, Schockwel- Leipzig lenreiter, Lizenz CC-BY-NC- ND 2.0 ZVOE ...... Zweckverband Verkehrs- verbund Oberelbe, Dres- Seite 152 ...... „Don‘t spread your den wings!“ von 8#X, S-Bahn- hof Untermenzing bei ZVON ...... Zweckverband Verkehrs- München, Lizenz CC-By- verbund Oberlausitz-Nie- Nc-ND 2.0 derschlesien, Dresden ZVV ...... Zweckverband ÖPNV- Vogtland, Auerbach ZWS ...... Zweckverband Personen- nahverkehr Westfalen-Süd, Siegen

Anhang 163 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Marktanteile an der Verkehrsleistung im SPNV 2008 ...... 11 Abbildung 2: Marktanteile an der Verkehrsleistung im SGV 2008 ...... 11 Abbildung 3: Marktanteile an der Verkehrsleistung im SPFV 2008 ...... 11 Abbildung 4: Die TOP-3-Wettbewerbshürden im Schienentransport ...... 13 Abbildung 5: Anteil der Bestell entgelte an den SPNV-Erlösen 2007 ...... 23 Abbildung 6: Marktanteile an der Verkehrsleistung im SPNV 2008 ...... 26 Abbildung 7: Marktanteile an der Betriebsleistung im SPNV 2008 ...... 26 Abbildung 8: Marktanteile an der Betriebsleistung im SPNV 2011 ...... 26 Abbildung 9: Marktanteile bei S-Bahnen in Deutschland 2011 ...... 27 Abbildung 10: Relative Größenunterschiede der EVU im SPNV ...... 28 Abbildung 11: Verteilung der Wettbewerber im SPNV 2009 ...... 29 Abbildung 12: Verteilung der Wettbewerber im SPNV 2009, gruppiert ...... 29 Abbildung 13: Internationale SPNV-Unternehmen in Europa ...... 30 Abbildung 14: Betriebsleistung DB AG vs. Wettbewerber im SPNV 1998–2009 ...... 31 Abbildung 15: Marktanteils entwicklung der Wettbewerber im SPNV 2000–2008 ...... 32 Abbildung 16: Dynamik von Markt öffnungen in Netzsektoren – Marktanteile von Wettbewerbern 2001–2007 in Deutschland ...... 33 Abbildung 17: Anteil der Erstvergaben im Wettbewerb am Marktvolumen ...... 34 Abbildung 18: Reale Marktöffnung im SPNV 2004–2007 ...... 35 Abbildung 19: Wettbewerbliche Folgevergaben ...... 36 Abbildung 20: Prognose der Marktanteile von Wettbewerbern im SPNV 2009–2011 ...39 Abbildung 21: Prognose der Wettbewerbsquote im SPNV 2016 ...... 42 Abbildung 22: Versteckte Renditen der DB AG im SPNV 2008 ...... 44 !BBILDUNG¬¬ %FlZIENZPOTENZIALE¬BEI¬$" ,EISTUNGEN¬DURCH¬30.6 7ETTBEWERB ...... 45 Abbildung 24: Ergebnisse von S-Bahn-Ver gaben im Vergleich ...... 46 Abbildung 25: Vergleich der Bestellentgelte von S-Bahn-Vergaben in Deutschland ...... 47 Abbildung 26: Marktanteile an der Verkehrsleistung im Schienengüterverkehr in Deutschland 2008 ...... 67 Abbildung 27: Marktanteilsentwicklung der Wettbewerber im Schienengüterverkehr 2000–2008 ...... 67 Abbildung 28: Wettbewerbsbahnen und Marktöffnungsgrad nach Güter gruppen ...... 68 Abbildung 29: Vergleich der Transportleistung im SGV 2007 ...... 70 Abbildung 30: Trend zur Reverstaatlichung im Schienengüterverkehr ...... 72 Abbildung 31: Preisentwicklung Bahnstrom 2007–2009 ...... 77 Abbildung 32: Übersicht über die europischen Eisenbahnpakete ...... 88 Abbildung 33: Auswirkungen von Rückbauten auf den Schienengüterverkehr ...... 93 Abbildung 34: Marktanteile an der Verkehrsleistung im SPFV in Deutschland 2008 ...... 99 Abbildung 35: Markteinstiegsversuche im SPFV in Deutschland 1994–2009 ...... 99 Abbildung 36: Entwicklung der Fernverkehrsanbindung von Oberzentren...... 108 Abbildung 37: Wirtschaftlichkeit von SPNV und SPFV im Vergleich (Prinzipdarstellung für SPFV-Werte) ...... 112 Abbildung 38: Auswirkungen der Netzinvestitionspolitik auf den Wettbewerb im Fernverkehr ...... 117

164 Wettbewerber-Report Eisenbahn 2008/2009 !BBILDUNG¬¬ "EEINmUSSBARKEIT¬DER¬+OSTEN¬EINER¬7ETTBEWERBSBAHN ...... 121 Abbildung 40: Kostenunterdeckung der Schieneninfrastruktur ...... 122 Abbildung 42: Gewinnumschichtung (EBIT) zu den EIU des Bundes ...... 127 Abbildung 41: Gewinnumschichtung (BE II) zu den EIU des Bundes ...... 127 Abbildung 43: Durchschnittsniveau der DB-Trassenentgelte nach Segmenten 2008 ...130 Abbildung 44: Entscheidungsebenen der Bahnpolitik ...... 145

Anhang 165