Das Rathaus in Ohlsbach 1899-2009

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Das Rathaus in Ohlsbach: Ein Gang durch seine Geschichte 1899 – 2009

Dr. Martin Ruch Impressum

Das Rathaus in Ohlsbach: Ein Gang durch seine Geschichte 1899 – 2009

Text: Dr. Martin Ruch

Textbeiträge: Gabriele M. Becker, Karlsruhe (Architektin), Emil Benz, Lucia Bochicchio, Monja Dietz, Sandra Hund, Ria Kaspar, Stefan Kel- lermann, Karin Stulz, Monika Stecher-Bartscher, Richard Weith, Alois Uhrich, Christin Bösch, Daniel Wetterer (Verwaltung)

Fotos, Zeichnungen, Ansichtskarten und Schriftstücke: Daniel Wetterer, Robin Derdau, Reinhard End, Peter Heck (Luft- bilder), Photo Strom, Archiv , August Schubert, Archiv Ohlsbach

Projektkoordination: Robin Derdau

Schlussredaktion: Hans-Jochen Schuck

Gestaltung: ci-media GmbH Werbeagentur,

Druck: Kehler Druck

Herausgeber: Gemeinde Ohlsbach, 2010 Alle Rechte beim Herausgeber

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort des Bürgermeisters Seite 8 - 9

Kapitel 1 Einleitung Seite 11 - 13

Kapitel 2 Kurze Geschichte Ohlsbachs Seite 14 - 18

Kapitel 3 Alltagsvergehen um 1850 Seite 19

Kapitel 4 Ratsstube im Rebstock Seite 20 - 21

Kapitel 5 Rathausbau: Die Vorgeschichte Seite 22 - 25

Kapitel 6 Ohlsbach im Jahr des Rathausbaus 1899 Seite 26 - 33

Kapitel 7 Der Rathausbau Seite 34 - 39

Kapitel 8 „Ein hübscher Bau“ - „äußerst geschmacklos“ Seite 40 - 41

Kapitel 9 Die Ratsprotokolle Seite 42 - 47

Kapitel 10 Ohlsbach 1933 bis 1945 Seite 48 - 53

Kapitel 11 Die Neuzeit im Rathaus seit 1945 Seite 54 - 59

Kapitel 12 Das Julius-Bruder-Haus Seite 60 - 61

Kapitel 13 Das neue Rathaus Seite 62 - 71

Kapitel 14 Menschen im Rathaus Seite 72 - 81

Kapitel 15 Das Ohlsbacher Wappen Seite 82 Vorwort Bürgermeister Horst Wimmer

Blick von Geleitwort des Bürgermeisters

Der Wein- und Feri- Nun soll diese Chronik aber beileibe nicht nur ein Lehr- enort Ohlsbach – idyl- stück aus Rechnungsbüchern, Ratsprotokollen, Ortsbe- lisch in der Vorberg- reisungsberichten und dergleichen sein, sondern hinter zone des mittleren diesem „Papierkram“ wird die Geschichte des Fleck- Schwarzwaldes am chens Erde sichtbar werden, das sowohl den Vorfah- Eingang zum - ren als auch uns heutigen Bürgern, die wir dieses Land tal gelegen – hat nach gestalten, formen und lieben, zur Heimat geworden ist. 110 Jahren sein denk- Heimat – ein großes und doch immer mehr an Gefühls- malgeschütztes, histo- bedeutung verlierendes Wort. Gleichwohl soll mit die- risches Rathaus von Grund auf saniert und durch An- ser Arbeit versucht werden, den Sinn dieses Wortes in bauten um das Doppelte erweitert. Entstanden ist ein das ihm gebührende Licht zu rücken. großzügiges Gebäudeensemble mit weiten Freifl ächen, das sich sehen lassen kann. Über das Stück Land hinaus, auf dem der Einzelne lebt und dessen Besitz ihm zur Selbstverständlichkeit ge- Das Ereignis war Anlass, sich mit der Geschichte des worden ist, soll mit dieser Arbeit Geschichtliches und Rathauses, seiner Menschen und Administration ein- Landschaftliches dem Bewusstsein seiner Bewohner gehender zu beschäftigen, denn Rathausgeschichte ist neu erschlossen werden. Den Jugendlichen sollen sich immer auch ein bedeutender Teil der Kultur- und Orts- mit diesem Buch neue Gesichtskreise eröffnen, sie sol- geschichte. len von der Verbundenheit der Menschen, die dieses Dorf vor ihnen bewohnten, erfahren und neue, eige- Zum Beispiel lag häufi g - so auch in Ohlsbach – die ne Verbundenheit verspüren. Sie sollen von der kultu- erste Ratsstube in einem Wirtshaus. Und eine Art Bib- rellen Entwicklung lesen, dem bäuerlichen Alltag, der liothek umfasste 96 Bücher im Jahr 1936. So wird dem Sitten- und Sozialgeschichte, früheren Methoden der Leser manches aus Vergangenheit und Gegenwart an- Haushaltsaufstellung und Rechnungslegung, von den hand von Archivakten vor Augen geführt, handge- vielfältigen Neuerungen vergangener Epochen. Und die schriebene Unterlagen in Kanzleischrift, nur noch von Mahnung in den Rückschlägen begreifen lernen, die wenigen zu lesen. Ausgehend vom Lehenssystem im mörderische Kriege mit sich gebracht haben. Aber auch ausgehenden Mittelalter über die reichsstädtische Ob- jene heiteren oder nachdenklichen Geschichten werden rigkeit in Gengenbach bis zur selbstständigen Gemein- sie darin fi nden, die sich vor nicht allzu langer Zeit de und der beginnenden Neuzeit spannt sich der Bogen. in Ohlsbach ereignet haben. Jener Generation, die sich

8 Geleitwort des Bürgermeisters

selbst oder den Nachbarn in den Schilderungen wieder- Möge es in stets friedlichen Zeiten Ausdruck bürger- fi ndet, sei die Freude der Erinnerung vergönnt. schaftlicher Lebendigkeit und Kraft sein, möge es das Wohl der Einwohner mehren. Und ein Ort, an dem klu- All denen, die mit ihren Beiträgen zum Gelingen dieses ge Entscheidungen getroffen und viele Rat und Hilfe Werkes beigetragen haben, sei an dieser Stelle ein be- fi nden werden. Darum wollen wir uns mit all unseren sonderer Dank ausgesprochen. Kräften bemühen.

Die Generalsanierung des Rathauses, des ehemaligen Anwesens Julius-Bruder-Haus und des Hauses am Bo- erscher Platz sowie die Neugestaltung eines zentralen Dorfplatzes sind für unsere Gemeinde ein historischer Einschnitt. Mit der Fertigstellung und Einweihung die- Horst Wimmer ser für unsere Gemeinde so bedeutsamen Bauwerke Bürgermeister wurde ein neues Kapitel in der Geschichte Ohlsbachs geschrieben. Nach jahrzehntelangem Arbeiten in be- engten Räumen erhielten Gemeinderat und Verwaltung den notwendigen Platz, um ihre ständig wachsenden Aufgaben mit gutem Erfolg wahrnehmen zu können.

Und unsere Gemeinde bekam endlich einen echten Dorfmittelpunkt, einen Platz der bürgerschaftlichen Kommunikation, der ihr in ihrer langen Geschichte ge- fehlt hatte.

Das Bauwerk prägt unser Ortsbild. Es ist ein Haus und ein Forum, mit dem sich die Ohlsbacher identifi zieren können, Zeugnis der kommunalen Selbstständigkeit und des gemeindlichen Selbstbewusstseins. 10 Kapitel 1 – Einleitung

Einleitung

Ein Rathaus – das ist zunächst ein Haus, in dem eben oder sogar nationale Entscheidungen statt. Die große Rat gehalten wird, wo also die von den Bürgerinnen Welt des Staates und die kleine Welt der Gemeinde – und Bürgern gewählten Gemeinderäte zusammenkom- hier begegnen sich die Sphären ganz konkret. Was die men, um über Sachverhalte von öffentlichem Belang Politik beschließt, wird im Rathaus umgesetzt. Das kann und Interesse zu beraten und zu beschließen. Gemein- dann auch einmal Ablehnung erfahren und eine gewis- hin geschieht dies öffentlich im Ratssaal, wo auch Zu- se Wut über „die da oben“, gegen den Staat schlecht- hörer willkommen sind, es sei denn, es handelt sich hin richtet sich dann gegen das Rathaus als Symbol um eine nichtöffentliche Sitzung, die nach der Gemein- dieses Staates. deverfassung zulässig ist, wenn es beispielsweise um Personalfragen geht oder um Vorplanungen zur Er- Natürlich sind das Rathaus und seine Menschen immer schließung neuen Baugeländes. Aber auch dann wird Kinder ihrer Zeit. So ändert sich auch ihr Selbstbild und hier zunächst immer beraten, bevor es zu Beschlüssen das Bild von ihrer Aufgabe. War das Rathaus früher kommt. Vorbereiten und anschließend umsetzen muss Ort des autoritären Obrigkeitsstaates, etwa im Großher- die Sachverhalte die Verwaltung der Gemeinde unter zogtum, und produzierte es letztlich damit den „Un- ihrem obersten Dienstherrn und Repräsentanten, dem tertan“, so versteht sich das Rathaus heute als bürger- Bürgermeister. nahes Dienstleistungszentrum, das die Interessen des Gemeinwesens zu vertreten hat und jedem Einzelnen Rathaus, das ist also auch der Dienstsitz dieser Ge- mit Aufmerksamkeit und Respekt begegnet. Es sind ja meindebeamten, ist Arbeitsplatz für den Ratschreiber die Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger, die hier und Gemeinderechner, für die anderen Angestellten verantwortungsvoll ein- und umgesetzt werden müs- und Arbeiter des öffentlichen Dienstes. Eine lebendi- sen. Und dem Souverän Bürger muß Rechenschaft ge- ge Personengeschichte ist mit einem Rathaus verbun- geben werden. den. Denn manch originelle Person wird hier gewirkt haben, manch unkonventioneller Mensch. Es handelt Dass es eigene Gebäude gibt, die allein dem Zweck sich ja immer um Menschen und da kommt alles vor: „Rathaus“ dienen, ist nicht immer und überall selbst- Große oder kleine Gesinnung, langsame oder blitzschnel- verständlich gewesen. Gerade kleinere Kommunen wie le Gangart, beharrende oder visionäre Denkweise - Ohlsbach haben deshalb notgedrungen lange Zeit an im Rathaus fi ndet sich ein breitgefächertes Spektrum. anderen Orten, etwa in Wirtshaussälen ihre Versamm- Auch ein Wahllokal ist so ein Rathaus. Hier fi nden die lungen abgehalten. Hier war es der Gasthof Rebstock, demokratischen Abstimmungen über lokale, regionale der seinerzeit zu diesem Zweck eigens gebaut wurde,

11 ausgestattet mit einer eisernen Ratsuhr, die der Lehrer Gegenwart auf, was die Zukunft einst über ihre eigene aufzuziehen hatte, und mit einer alten Glocke zum An- Vergangenheit wissen wird. zeigen der Ratssitzungen. Im 19. Jahrhundert war es also noch durchaus üblich, Zu all diesen Zwecken war und ist ein Rathaus ausge- Ratssitzungen in der Wirtschaft abzuhalten. Dass es stattet mit entsprechenden Geräten, Objekten und Räu- dann nicht immer leicht war, sich den leiblichen Ge- men, die sich je nach dem Anspruch der Zeit wandeln, nüssen wenigstens für die Dauer der Sitzung zu entzie- wegfallen oder neu eingerichtet werden. Wo in einem hen, ist nachvollziehbar. Zimmer einmal eine Gemeindebücherei war, befand sich noch früher eine Sparkassenstelle und zuvor vielleicht Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, der gern eine kleine Wohnung, um ein Beispiel aus Ohlsbach zu zum Spott aufgelegt war, hat einmal eine solche Ge- nennen. So ist Rathausgeschichte auch Architekturge- meinderatssitzung erlebt. Auf einer großen Europa-Rei- schichte. Im äußeren Bild zeigt sich dies natürlich am se, die er in dem Buch „Bummel durch Europa“ (1878) eindringlichsten: die Gründerzeit hat im Ohlsbacher schildert, traf er eines Tages in Ottenhöfen ein, zu Fuß: Rathaus von 1899 eindeutig ihr ästhetisches Empfi n- „Einmal verzehrten wir unser Mittagsmahl, bestehend den zum Ausdruck gebracht, wie es nun der Um- und aus gebratener Forelle, im Gasthaus „Zum Pfl ug“ in ei- Neubau des Jahres 2009 auf seine Weise ebenfalls tut. nem sehr hübschen Dorf (Ottenhöfen), und begaben uns dann zum Ausruhen und Rauchen in die Schank- In jedem Rathaus anzutreffen ist ein Archiv. Alle Vor- stube. Dort fanden wir neun oder auch zehn Schwarz- gänge rund um die Arbeit des Hauses werden aufbe- waldgranden um einen runden Tisch versammelt. Sie wahrt – zunächst natürlich, um sich oder die Bürge- waren der Gemeinderat. Sie hatten sich um acht Uhr rinnen und Bürger abzusichern in den Ansprüchen und morgens dort eingefunden, um ein neues Mitglied zu Rechten. Anlass zur Einrichtung dieser Gemeindearchi- wählen, und sie tranken nun seit vier Stunden auf Kos- ve ist aber auch der Gedanke an die Dokumentation ten des neuen Mitglieds Bier. Sie waren Männer von zum Zweck späterer Erinnerung. Hier wird jenes Mate- fünfzig bis sechzig Jahren mit ernsten, gutmütigen Ge- rial gesammelt, mit dem einmal die Geschichte des Ge- sichtern, und sie trugen allesamt die Tracht, die uns meinwesens geschrieben werden kann. Was ein Ort al- durch die Schwarzwaldgeschichten vertraut ist – brei- les war, was hier warum und wem geschah – es kann te, runde, schwarze Filzhüte mit rundum hochgekippter nur noch in seinem Archiv gefunden werden, wenn Krempe; lange rote Westen mit großen Metallknöpfen, einmal alle Zeitzeugen gegangen sind. Hier schreibt die schwarze Alpakajacken mit der Taille oben zwischen

12 Kapitel 1 – Einleitung

Grußkarte aus Ohlsbach vom Gasthaus zum Rebstock den Schultern. Es wurden keine Reden gehalten, man Ich danke herzlich Bürgermeister Horst Wimmer und unterhielt sich kaum, es wurde nicht gewitzelt; der Ge- den Damen und Herren im Rathaus Ohlsbach, die mich meinderat ließ sich allmählich, bedächtig, aber sicher bei meiner Recherche bereitwillig unterstützt haben. mit Bier vollaufen…“ Ich danke dem Gemeinderat für sein Interesse an ei- ner historischen Dokumentation über die Rathausge- Über die vielen Bedeutungen und Funktionen des Ohls- schichte. Herzlichen Dank dem Heimatverein Ohlsbach bacher Rathauses und seiner Menschen, über Geschich- e.V., Herrn Hans-Jochen Schuck, Frau Irene Strahlen- te und Gegenwart möchte die vorliegende Arbeit un- dorf, Frau Hilde Buß. Franziska Benz hat eine ausführ- terrichten und gleichzeitig zum Zeugnis werden für liche Ausschnittsammlung mit Presse-Berichten über zukünftige Generationen, die einmal zurückblicken Ohlsbach zusammengestellt, ihre Nichte, Frau Sierra wollen. Deshalb enthält diese Zusammenstellung auch hat freundlicherweise die Einsichtnahme in diese Do- Äußerungen der im Jahr 2009 hier tätigen Frauen und kumentation ermöglicht. Männer über ihr Tun und ihre Gedanken zum Rathaus.

13 Kurze Geschichte Ohlsbachs Grundbesitzer in „Hub“ und „Forst“

Im Mittelalter war ein Großteil des Ohlsbacher Bodens che“ zählten. Schon sehr früh dürften sie ihren Besitz nicht in freiem Besitz der Bauern, sondern kirchliche erhalten haben, vielleicht schon in der Karolingerzeit Grundherren hatten ihn zu Eigen. Diese verliehen ihre (im 8. Jahrhundert oder gar noch früher?) und zwar Rechte daran an Lehensleute weiter. Lehensherren wa- von den Inhabern der Zentralgewalt, also den fränki- ren die Straßburger Bischofskirche und das Benedikti- schen Königen oder ihren Repräsentanten am Ober- nerkloster Gengenbach, die beide zur alten „Reichskir- rhein. Es waren christliche Herrscher, und die Verga- be des Besitzes an kirchliche Grundherren diente daher natürlich auch dem Zweck der Christianisierung. Zu- gleich garantierte diese Vergabe aber auch zuverlässige Interessensvertretung und treue Gefolgschaft gerade in unruhigen Grenzlagen wie dem alemannischen Raum.

Die Lehensherren bewirtschafteten ihre Lehen nicht selbst, sondern vergaben den Grund weiter an Edelleu- te. Die wiederum überließen ihn gegen Zehntzahlungen den Ohlsbacher Bauern, die nun die eigentliche Arbeit zu erledigen hatten: die Bewirtschaftung des Landes.

Bischof und Kloster also waren die eigentlichen Grund- herren über Jahrhunderte. Dabei lag der bischöfl iche Besitz in der „Hub“, der klösterliche Bereich war der „Forst“. Im der Zeit wurden die Klosterleute in die Reichsstadt Gengenbach eingegliedert, bzw. traten die Ohlsbacher Bauern aus dem „Forst“ 1402 als ei- gene Zunft in den Stadtverbund ein. Die Gemeinde- bürger wählten selbst ihre Interessensvertretung, den „Heimburger“. Über dessen Pfl ichte und Rechte wur- de sehr bald nach dem Anschluss an Gengenbach ein Bildstock „Beim Lindle“ Dokument erstellt: „Der von Olspach Ordnung irs al- Anton Kimmig mit seinen Schwestern Anna und Berta, ten Harkommens“, das im Gengenbacher Stadtbuch um 1910

14 Kapitel 2 – Kurze Geschichte Ohlsbachs

Getreideernte im Oberdorf, Familie Karl Benz, im Hintergrund Meisengrund verzeichnet ist. (Dieter Kauß datiert das Schriftstück nicht auf dem hiesigen Markt anbieten sondern nach auf ca. 1425, da darin ein Hans Stolle von Stauffen oder anderswohin führen.“ Wenn ein neu- genannt ist, der damals einen Hof in der Hub besaß.) er Bürger in Ohlsbach aufgenommen wurde, so musste Der Heimburger musste allerdings nach seiner Ohlsba- er innerhalb acht Tagen gemeinsam mit dem Heimbur- cher Wahl noch vom Gengenbacher Rat bestätigt wer- ger nach Gengenbach gehen und dort vor dem Rat Ge- den, und er war der Reichsstadt Rechenschaft schuldig. horsam schwören. Er musste auch schwören, „jährlich rechnung vorzule- Die Reichsstadt hatte nicht nur bei den drei Stadttoren gen waß wegen des Dorfs eingenommen und ußgeben Zollbüchsen aufgestellt, in welche Händler ihre Abga- worden.“ Er hatte so etwas wie eine Polizeifunktion ben zu entrichten hatten. Auch in den Gemeinden, die und musste Frevel und strafbare Handlungen wie Got- unter der Oberherrschaft der Stadt standen, waren sol- teslästern, Fluchen, Unzuchttreiben, Hurerei, Schelten, che Kassen aufgestellt. Regelmäßig wurden sie geleert Schlägereien, Spielen, Sonn- und Feiertagsarbeit und und ihr Ertrag im Rechnungsbuch der Reichsstadt ver- Schwänzen des sonntäglichen Gottesdienstes dem Gen- zeichnet. Dort lesen wir auch von der Ohlsbacher Zoll- genbacher Rat melden. Sonntags hatte sich der Heim- büchse. Zusätzlich hatte die Gemeinde Ohlsbach ihre burger in die Stadt zu begeben und sich zu erkundi- Steuer nach Gengenbach zu entrichten, etwa im Jah- gen, ob er etwas für sie zu erledigen habe. Auch für den re 1575: „Alspacher Steuer und Heuergellt: empfangen Gengenbacher Markt hatte er zu sorgen, denn „er soll von Jerg Schweigern dem Heimbürger zu Ollspach uf auch Achtung haben auf diejenigen, welche ihre Waren die Steur…“

15 Gemeinde auf eigene Rechnung

Die Souveränität einer Gemeinde zeigt sich daran, dass geführt von Mathis Bischler dem Ausschussmann, in sie einen eigenen Haushalt aufstellen kann und somit Gegenwart Hr. Reichsschultheiß Rienecker, Städtmeis- Herr über die Finanzen ist. Da diese Rechnungen bis ter Linnemann, die Gemeindsvorgesetzten Bernhard in unsere Tage vom Rathaus und dem dortigen Rech- Huber, (sieben weitere Namen). ner erstellt werden, ist der folgende Rückblick ange- bracht. Auch der Haushalt gehört selbstverständlich In Gemäßheit eines Protokolls vom 21.ten May 1787 zur Rathausgeschichte. Interessant ist in unserem Fall, hat die Gemeinde zu Ohlsbach nach der Resolution ei- dass Ohlsbach zwar formal seit 1402 Gengenbach an- nes hochlöblichen Magistrats den Auftrag erhalten, gegliedert war, aber schon im 18. Jahrhundert einen über ihr sämtlich einzunehmen- und auszugeben ha- eigenen Haushalt aufstellen konnte. Denn noch aus bendes Vermögen eine ordentliche Rechnung mit ihren der Reichsstadtzeit, also vor dem Übergang an Baden gehörigen Rubriquen versehen, zu stellen und dieselbe im Jahr 1803, ist eine Ohlsbacher Gemeinderechnung einem hochlöbl. Magistrat zur Einsicht fürzulegen. überliefert. Allerdings: Sie musste dem Gengenbacher Rat vorgelegt und von diesem als der übergeordneten Dieser heilsamen magistratischen Endschließung, wel- Instanz bestätigt werden: ches nichts geringeres als die Verbesserung der Ge- meinds Oeconomie zu ihrem Hauptaugenmerk geno- „Rechnung über Einnahm und Ausgab von Anno 1774 men hatte, wird von der gesamten Ehrsamen Gemeinde bis 1776 Novembris, Ohlsbach: Dem Josef Bischler we- die bereitwilligste Folge geleistet und durch Mathis gen der Gemeinscassa 2 fl (=Gulden), dem Heymbur- Bischler dem Ausschussmann nachstehende Rechnung ger 1 fl 5 s (=Schilling), dem Josef Bischler Vogts Dieth für drei Jahre abgelegt. (=Diät, Gebühr) 6 fl , dem Schreiber Dieth 7 fl , vor das CapitalBuch ney abzuschreiben 3 fl , für Martini Almo- Beginn mit den Kapital-Zinsen, schließlich Steuer, ver- sen 6 fl , dem Gotteshaus Oberschaffner Bodenzins 11 kauftes Stroh, Holz, Korn, Obst, Nüsse, Kastanien, Ei- fl , (…) Überschuß 733 fl . Als berechnet und gut befun- cheln, Schulgeld, insgesamt Einnahmen 17.195 fl . den von denen Herren Deputierten eines ehrsamen Rats Ausgaben Steuer zu der Reichsstädtischen Casse nach zu Gengenbach in Gegenwart Josef Bischlers als Vogt, Gengenbach jährlich 104 fl , Besoldungen für die Ge- Hans Wilden des Jungen als Heimburger.“ meindevorgesetzten: dem Heimburger für das Weinan- schneiden 1 fl 5 s, dazu der Fürmann wegen der Ge- „Rechnung über alle Einnahm und Ausgab der Ge- meindslad (1 fl 5 s) und für das Schreiben (7 fl ). meinde zu Ohlsbach von 1787-1790, für 3 Jahrgänge

16 Kapitel 2 – Kurze Geschichte Ohlsbachs

Diäten für die Gemeindsvorgesetzten: Die 3 Gemeinds- setzung des Dorfes durch die Franzosen wurden ihre männer nebst 2 Ausschußmänner haben der ersten Papiere großenteils zu Grunde gerichtet und auch die Rechnungstellung für 4 Tag a 5 s erhalten 10 fl , bei Kasse geplündert, wodurch das Vermögens-Korpus und Vorstellung des Hans Wild als neuer Heimburger. die Rechnungen in die größte Verwirrung gerieten. Den Summa Summarum aller Ausgabgeld: 16883 fl “. Gemeindevorstehern aber liege es wahrhaft am Her- zen, das Rechnungswesen in Ordnung zu bringen und beauftragten daher den Syndicus Dr. Stebel ihnen an die Hand zu gehen.“ Es wurden aufnotiert: „Einnahm ins Gemein: Simon Stiegler von Ohlsbach erkaufte das Ohlspacher Gemeindewirtshaus um 5482 fl . (…)“ Dann folgt die Rechnung für das Jahr 1799: „Einnahmen 24 447 fl , Ausgaben 21 202 fl . Ergibt sich ein Überschuß von 3 244 fl . Kapital verliehen 2 112 fl . Die fehlenden 789 fl haben die Franzosen entwendet…“ Festzuhalten bleibt: Auch 1796 war man um die Erstellung einer or- dentlichen Gemeinderechnung für Ohlsbach besorgt.

1803 war in Gengenbach eine Obervogtei eingerichtet worden (Amt ab 1809) mit den Gemeinden Berghaup- Ältestes Kaufbuch der Gemeinde Ohlsbach, 1803 bis 1815 ten, Bermersbach, Biberach, Gengenbach, , , Ohlsbach, Reichenbach, Schwai- Eine weitere frühe Ohlsbacher Gemeinderechnung aus bach, Unterentersbach, Unterharmersbach und Zell am den Jahren 1796-98 ist im Stadtarchiv Gengenbach er- Harmersbach. Allerdings war nicht ganz Ohlsbach so- halten. Im Jahr 1796 waren napoleonische Truppen fort zur Gemeinde geworden, wie wir sie heute kennen, auch in Ohlsbach gewesen und hatten böse gehaust. lediglich der Teil „Forst“ zählte dazu. Die 1421 erstmals Daher liest man im Protokoll der Rechnung: als eigener Bezirk genannte Ohlsbacher „Hub“ wurde „In Gegenwart des Gengenbacher Syndicus Dr. Stebel nominell erst 1806 von der alten Straßburgischen Ob- und dem Vogt Mathis Bischler, Heimburger Jacob Bau rigkeit gelöst und 1826 dann voll in das neu entstande- und Fürmann Michael Lebemann von Ohlsbach wur- ne Gemeindegebiet von Ohlsbach integriert. Ab diesem de beschlossen: bei der am 24. Juni 1796 erfolgten Be- Zeitpunkt entstand die Gemeinde Ohlsbach.

17 1809: Ein Bürgerbuch der Gemeinde Ohlsbach

Mit dem Übergang an Baden erstellte die Gemeinde Die Gemeinderechnung der Jahre 1817/18 notiert: erstmals ein ausführliches Verzeichnis der hier woh- nenden Bürger und registrierte, wer wann von wo zu- An Gehalt erhielt „der jeweilige Vogt und zwar in die- gezogen war und was er für sein Bürgerrecht bezahlt sem Jahr Vogt Anton Brüderle 30 fl , wegen Besorgung hatte. Dabei wurden auch jeweils die damals zuständi- der Gemeindslade 1 fl 30 s, der gewesene Vogt Lando- gen Gemeindevertreter in ihren Funktionen genannt. lin Fautz hat aus der letzten Rechnung noch zu for- Hier einige Auszüge aus dem wichtigen Dokument, das dern 1 fl 30 s, der Gemeinderechner Bernhard Kiefer allerdings noch recht willkürlich die Bezeichnungen 25 fl , wegen Besorgung der Gemeindslade wie der Vogt Vogt und Bürgermeister verwendet: 1 fl 30 s.“ Als Gemeindebedienstete waren außerdem beschäftigt: Gerichtsbott Nikolaus Fritsch und der „Burger Protokoll in der Vogtei Ohlsbach, wie sie nach Waldknecht Jakob Geiger. ihrer getroffenen Ordnung bei unserer Gemeinde also verzeichnet sind, wobei ein jeder, der Burger wird da- Die Gemeindevorstände sind 1829-1830: hier, der soll wegen einem Feuereimer bezahlen a 2 fl , welches gerichtlich verordnet worden, unter vorstehen- Vogt Anton Brüderle, Gemeinderechner den Gerichtspersonen: Vogt Fautz, Burgermeister Kie- Bernhard Kiefer, Waisenrichter fer, Jacob König und Valentin Horn als Waisenrichter Valentin Horn, Gerichtsmann und Paul Huber. Angefangen im Jahr 1809. 1753 Als Lorenz Suhm, Paul Huber; Gemeindeausschuss: den 10ten November war von einer ersamen Gemein- Vorsteher: Philip Wild, Pirmin Bruder, de Johannes Wild nach uralt gewöhnlichem Gebrauch Nicolaus Fritsch, Felix Fautz, Josef Steiner. auf Martini Abend als ein Burger auf und angenommen worden. Unterzeichneter als Vogt Josef Bischler.“ Damals wurde auch die mobile Habe, die Fahrnis der Gemeinde wieder einmal verzeichnet. Es waren bei- spielsweise im Wachzimmer vorhanden: 1 Tisch, 1 Lehnstuhl, 1 Bank, 1 Laterne, 1 Gefangenenkette, 1 Öhlfl asche, Lampen, 1 Öhlmaas, 1 Spieß für die Nachtwache.

18 Kapitel 3 – Alltagsvergehen um 1850

Alltagsvergehen um 1850

Aufgabe des Rathauses war auch die Aufsicht über Sitte Noch Jahrzehnte später wurde diese „Polizeistraftabel- und Ordnung in der Gemeinde. Der Dorfpolizist hatte le“ geführt. 1917 notierte man auf dem Bürgermeis- regelmäßig seine Liste einzureichen mit den weniger teramt: „Frl. Elsa Müller und Frieda Lehmann, beide gravierenden Verstößen gegen die öffentliche Ordnung. in Offenburg: Aufheben von Fallobst; Landwirt Ja- Die schwierigen Kriminalfälle waren natürlich Sache kob Moser, hier: Grober Unfug. Obst entwendet. Ru- der Justiz und der Landespolizei. hestörung. Franz und Otto Hoferer: Unerlaubtes Schie- ßen. Trauben entwenden. Unbefugtes Laufenlassen von So lesen wir von heute harmlos klingenden Verstößen, Hühnern. 1924: Radfahren auf dem Gehweg. Radfah- die ab 1850 der Polizeidiener Dionis Lienert in seiner ren ohne Licht.“ Grober „Unfug durch Rauschhändel“ „Untersuchungs- und Straftabelle über Polizeiverge- wurde in der Nacht vom 31.12.1926 auf 1.1.1927 ver- hen“ anzeigte, und die in der Hauptsache mit Geldbu- übt: 11 Ohlsbacher Jungmänner wurden in jener Sil- ßen bestraft wurden. „Name des Polizeifrevlers: Bern- vesternacht aktenkundig und namentlich erfasst! hard Suhms Frau. Name des Anzeigers: Pol. Lienert. Vergehen: Waschen am Sonntag. Datum der Anzeige 7. Juli 1850.“

Andere „Vergehen“ jener Jahre waren: Bettel, uner- laubtes Zuwandern, Nachtschwärmerei, unerlaub- tes Beherbergen von Fremden, Übersitzen im Wirts- haus, unerlaubtes Lumpensammeln, offenes Licht in der Scheuer, Übertretung der Feuerordnung, Nichtzäu- mung des Hundes, Mangel an Ausweis, unerlaubtes Hausieren, Arbeiten am Sonntag, Straßenunfug, aus- gelaufenes Passbüchlein, Entheiligung des Feiertages, Nachlässigkeit auf der Nachtwache, Ausbleiben von der Nachtwache, nach der Polizeistunde Herumtreiben auf der Straße, Unerlaubtes Leichenbitten, Trunkenheit und rachsüchtige Äußerungen, Mangel an Reisegeld, Ver- kauf von zu leichtem oder schlechtem Brot. Ohlsbacher Kegelclub

19 Ratsstube im Rebstock

Das Gasthaus Rebstock war viele Jahrzehnte hindurch an den Thalweg hinten und einerseits Simon Stiegler der Mittelpunkt des Gemeindelebens. Als Wirts- und und Xaver Stiegler gelegen, davon gehört der untere Gemeindehaus war es um 1760 von der Gemeinde er- Theil – eigentlich Stallung – dem Wirt Xaver Stiegler, baut worden. Doch der Geldmangel zwang 1796 zum der der Gemeinde eigenthümliche Antheil wird von ihr Verkauf über eine Versteigerung. Dazu musste der Ma- selbst als Schulstube benutzt. (…) Unter Beziehung auf gistrat von Gengenbach um Erlaubnis gebeten werden. vorige Rechnung ist die Gemeinde berechtigt, nicht nur Diese Genehmigung wurde gegeben, allerdings nur un- von den jeweils bürgerlich rezipiert werdenden fremden ter den folgenden Bedingungen: Mannspersonen a 25 fl , sondern auch von den Weibs- personen jedoch nur die Hälfte mit 12,30 als Bürgeran- Zunächst wurde festgehalten, was weiterhin bei der nahmsgeld zu beziehen. (…) Fahrnisse der Gemeinde: Gemeinde verbleiben sollte, nämlich „die Schulstube 1 Geldcasse (5 fl ), Registratur-Kasten bei Vogt Brüderle nebst dem Erdäpfelkeller, wie auch die obere Bühne.“ (6 fl ), ein neues Pettschaft (Siegelstempel) bei Vogt Brü- Reparaturkosten im Dachwerk des Schulhauses sollten derle (2 fl ), eine Feuersprütze samt Schlauch (250 fl ), gemeinschaftlich von Gemeinde und dem neuen Eigen- 8 Feuereimer, ein Feuerhaken mit Stangen bei Feuer- tümer getragen werden. In Gemeindebesitz verblieb die gerätschaftsverwalter Armbruster; eine eisene Uhr, eine Glocke auf dem Dach. Bei Ratssitzungen mußte der Glocke auf dem Gemeindehauswirtshaus bei Vogt Brü- neue Wirt die obere Stube erst unentgeltlich säubern derle (44 fl ); ein Geburtsstuhl bei Hebamme Benz; das und mit eigenem Holz heizen. Auch kostenfreie Wein- Porträt der Königl. Hoheit des Großherzogs Ludwig von lieferungen hatte er zu garantieren. Dafür erhielt er im Baden (3 fl ) auf der Gemeindestube.“ Gegenzug ein wichtiges Monopol: dass nämlich alle Hochzeiten und Weinkäufe in seinem Wirtshaus abge- 1830 erfolgte die Übersiedlung der Schulstube in ein halten werden mussten. Nur Ohlsbacher Wein durfte er neu erbautes Schulhaus. Und auch die Ratsstube wur- allerdings ausschenken. Zu diesen Bedingungen erfolg- de dort nun eingerichtet, während Glocke, Uhr und der te die Versteigerung und der Rebstock ging für 5482 Gemeindeversammlungsraum im Rebstock verblieben Gulden an Simon Stiegler. – bis 1899 das neue Rathaus die gesamte Administra- tion aufnahm. 1914 brannte der Rebstock zum Teil ab. Über den Alltag der Gemeinde enthält das Rechnungs- Nach Josef Bruder amtierte als Rebstockwirt seit 1901 buch 1821 der Gemeindeverwaltung im „Rathaus zum Leo Schätzle und dessen Nachfahren bis zu einem um- Rebstock“ viele interessante Details. „Die Gemeinde be- fassenden Umbau des Jahres 1985. 1906 war die Rats- sitzt an Gebäulichkeiten ein einstöckiges Wohnhaus glocke abgenommen worden - und gilt seither als ver- samt Scheuer und Stallung unter einem Dach, vornen loren.

20 Kapitel 4 – Ratsstube im Rebstock

21 Rathausbau: Die Vorgeschichte „Die Ratslocalität: ein ganz kleines dunkles Stübchen im Schulhaus“

Eine selbstständige Gemeinde benötigt ein Gebäude zur (am 4. August 1859) die Aufstellung eines Rats – und Unterbringung der Verwaltung und zum Abhalten der Polizeidieners. Nachdem Dionis Lienert auf sein Ansu- Versammlungen. Schon vor der Abtrennung von Gen- chen als seitheriger Rats- und Polizeidiener entlassen genbach waren die Amtshandlungen im gemeindeeige- und zum Gemeindewaldhüter gewählt und verpfl ich- nen Gasthaus Rebstock, später im Schulhaus ausgeübt tet wurde, so schritt man heute zur Wahl eines andern worden. Man bezeichnete dies zwar auch als Gemein- Rats- und Polizeidieners. Dieselbe fi el einstimmig auf dehaus, aber es handelte sich tatsächlich nur um ei- den Bürger Valentin Bauer. Als Ratsdiener hat dersel- nen Raum im Schulhaus, der für die Zwecke der Ver- be 1. Allen Anordnungen des Bürgermeisters, der Ge- waltung reserviert war. Die größeren Versammlungen meinderäte, des Ratsschreibers und des Hauptlehrers, fanden immer noch drüben im „Rebstock“ statt, wo welcher in der Ratsschreiberei Aushilfe leistet, sämt- sich eine Dienstuhr befand, mit der man die Sitzun- lichen Gehorsam zu leisten. Insbesondere aber hat er gen ein- und ausläutete. Man hatte im Gemeinderat be- täglich wenigstens dreimal in der Wohnung des jewei- schlossen: „Die Gemeindeversammlungen und sonstige ligen Bürgermeisters und ebenso vielmal täglich auf Verhandlungen der Gemeinde sollen wie seither in der der Ratskanzlei beziehungsweise in der Wohnung des Gemeindeversammlungsstube im „Rebstock“ abgehal- Hauptlehrers zu erscheinen, um die ihm aufzutragen- ten werden.“ Der Gemeinderat bestand aus sechs Per- den Dienstgeschäfte entgegenzunehmen. 2. Hat dersel- sonen und dem Bürgermeister. Wer von den Bürgern be die auf dem Rebstockwirtshaus sich befi ndliche Ge- bei öffentlichen Sitzungen fehlte musste zahlen: „Nach meindeuhr täglich gehörig aufzuziehen und so vielmal stattgehabter Beratung hat der Gemeinderat in Betreff zu richten als es nothwendig ist oder als ihm befoh- der Bürgerausschuß – oder Gemeindeversammlungen len wird. 3. Hat er als Polizeidiener täglich wenn Un- heute folgenden Beschluß gefasst: Jeder Bürger, der auf terricht erteilt wird, in den beiden Schulen zu erschei- die gesetzlich vorgeschriebene Einladung ohne gegrün- nen um nötigenfalls die Fehlenden sogleich abzuholen. dete Ursache bei einer Bürgerausschuß- oder Gemein- 4. Als Ratsdiener erhält er jährlich einen Gehalt von 45 deversammlung nicht erscheint, verfällt in eine Strafe fl . Zu seinem Gehalt erhält er alle 2 Jahre die notwen- von 30 Kreuzer und zwar zu Gunsten der Gemeinde- dige Dienstkleidung, bestehend in einem Rock und ei- kasse.“ (1872) ner Kappe, ebenso erhält er einen Mantel. Die Repara- tur der Dienstkleidung hat er selbst aus eigenen Mitteln Hier im „Rebstock“ wählte man auch die Gemeindean- zu bestreiten.“ gestellten und -arbeiter, etwa den Ratsdiener. „Vor dem Gemeinderat und Bürgerausschuß verhandelt wurde

22 Kapitel 5 – Rathausbau: Die Vorgeschichte

Grußkarte von 1903 aus Ohlsbach, Gasthaus zum Rebstock

Auch der Gemeinderechner wurde hier bestimmt: „In- - aber nicht das Großherzogliche Bezirksamt in Offen- dem der bisherige Gemeinderechner Johann Kiefer das burg. Ministerialrat von Deesch hielt in einem offi ziel- Wirtshaus „Zur Krone“ dahier im Lauf des verfl ossenen len Schreiben vom 25.10.1863, die Amtsvisitation in Spätjahrs an sich erkauft hat, so hat er um Entlassung Ohlsbach betreffend, fest: „Aufgefallen ist mir, dass die als Gemeinderechner eingeholt, und man ist nun heu- reichste Gemeinde des Bezirks, Ohlsbach, nicht nur kein te zur Wahl eines neuen Gemeinderechners geschritten. Rathaus hat, sondern als Ratslocalität weiter nichts als Dieselbe fi el einstimmig auf den hiesigen Bürger Anton ein ganz kleines dunkles Stübchen im Schulhaus, ob- Brüderle. Derselbe erklärte sich damit einverstanden.“ wohl durch Aufbau auf dem Schulhaus oder Wachhaus (12. Jänner 1856) mit geringem Aufwand das erforderliche herzustellen wäre.“ Die Gemeinde selbst scheint mit dem althergebrach- ten Zustand im „Rebstock“ zufrieden gewesen zu sein

23 folgende Frage zur Abstimmung gebracht: Soll zum Zweck eines Gemeindeversammlungslocals auf das hiesige Wachthaus ein zweiter Stock erbaut werden? Ergebnis der Abstimmung und Beschluss: 23 dafür und 7 dagegen.“ Aber genau zehn Tage später wurde der Beschluss korrigiert: „In Betreff der Erbauung ei- nes Ratslocals sind bei der abgehaltenen Versammlung des großen Ausschusses erhebliche Missverständnisse entstanden, weshalb eine abermalige Versammlung nö- tig geworden ist. Am 29.2. sind von den 32 Mitgliedern 29 erschienen. Frage diesmal: Sind die Mitglieder damit einverstanden, dass zum Zweck eines Ratslocals auf das hiesige Wachthaus ein zweiter Stock erbaut wer- de?“ Die Abstimmung ergab diesmal: Eine Stimme für und 28 gegen den Plan! „Hierbei bemerken die Mitglie- Benedikt Lienert der, es sei die Erbauung fraglichen Locals unnöthig, Nun musste sich der große Ausschuss unter Vorsitz des da die in hiesigem Rebstockswirtshaus befi ndliche Ge- Bürgermeisters Benedikt Lienert am 19.2.1864 mit der meindestube von der Wirtsstube ganz abgesondert und Sache erstmals befassen. Aus dem Protokoll: „Durch es werden am Tage der Versammlung nie Wein oder Großherzogliches Bezirksamt wurde ein Auszug aus sonstige Getränke darin verabreicht. Auch können und dem Bericht des Ministerial-Comissairs mitgeteilt, wo- werden in dieser Stube nicht nur die Gemeinde- oder nach es genanntem Comissair aufgefallen, dass die hie- großen Ausschussversammlungen, sondern auch alle sige Gemeinde kein geeignetes Ratslokal besitze. Der Versteigerungen und wenn nötig die Versammlungen Gemeinderat hat nun schon an das Bezirksamt berich- des Gemeinderats und kleinen Ausschusses darin unge- tet, dass er zum Zweck genannten Locals die Erbau- stört abgehalten werden. Ebenso müßten sie bemerken, ung eines 2. Stockwerkes auf das hiesige Wachthaus dass in der seitherigen Gemeindestuben noch nie Un- für geeignet halte. Infolgedessen sind in der heutigen ordnungen entstanden seien.“ Die Stimmung war ein- Versammlung von den 32 Ausschußmitgliedern 30 er- deutig. Die in Finanznöten steckende Gemeinde wollte schienen. Nachdem die Sache hinreichend erörtert war, kein Rathaus bauen. Und dafür zeigte sogar die oberste hat der Bürgermeister die Beratung geschlossen und Behörde Verständnis. Das Karlsruher Ministerium des

24 Kapitel 5 – Rathausbau: Die Vorgeschichte

Innern schrieb nämlich an das Offenburger Bezirksamt am 27. Oktober 1864, „die Herstellung von Ratsloka- litäten in Ohlsbach betreffend: Dem Bezirksamt wird erwidert, dass man mit Rücksicht auf die nicht unbe- deutenden Ausgaben, welche der Gemeinde Ohlsbach in nächster Zeit durch die Katastervermessung und die Kultivierung des im Jahr 1861 durch das Hochwasser zerstörten Almendgeländes erwachsen, genehmigen wolle, dass die Frage wegen Erbauung eines Ratslokals vorerst beruhen bleibt. Man empfi ehlt jedoch dem Be- zirksamt, die Sache nicht aus dem Auge zu verlieren, es zu geeigneter Zeit bei der Gemeindebehörde wieder in Anregung zu bringen.“

So geschah es. Das Amt wartete und brachte dann eher beiläufi g den Gedanken wieder ins Spiel, als 1890 über einen neuen Farrenstall* dikutiert wurde und die Be- hörde zur Stellungnahme gebeten wurde: „Zugleich wird der Gemeinderat zur baldigen Beschlussfassung über die künftige Unterbringung der Farren aufgefor- dert. Jedenfalls wird einem Neubau vor der Erwerbung eines alten Gebäudes zu diesem Zweck der Vorzug zu geben sein. Vor allem wird die Fertigung eines Plans – eventuell in Verbindung mit dem Projekte eines Ge- meind versammlungs- und Ratslokals sowie eines Ar- rests zu veranlassen sein.“

* Als Farrenstall wurde das Gebäude bezeichnet, in dem das Brandeck-Turm, Einweihung am 13. Oktober 1895 gemeindeeigene geschlechtsreife männliche Hausrind gehal- ten wurde. (Stierstall)

25 Ohlsbach im Jahr des Rathausbaus 1899

Ohlsbach zur Zeit des Rathausneubaus: Wie lebte man schon seit vielen Jahren, aus sechs Mitgliedern. Zur damals in der Gemeinde? Was wissen wir über den All- Bauzeit waren dies: Franz Huber (Landwirt), August tag der Bürgerinnen und Bürger? Darüber geben sehr Suhm (Kaufmann), Franz Braun, Joseph Bruder, Georg gut die Rechnungsbücher Auskunft, die im Gemeinde- Bau, Bernhard Buß, alle auch Landwirte. Ebenfalls im archiv verwahrt werden. Sie sind heute für den Lai- Hauptberuf Landwirt war der amtierende Ratschreiber en schwer lesbar, da sie in der damals gängigen Kanz- Michael Huber, der auf unbestimmte Zeit im Jahr 1888 leischrift handgeschrieben sind. Daher sollen an dieser gewählt worden war. Im Bürgerausschuss betätigten Stelle einige ausgewählte Beispiele über den Alltag in sich 48 Mitglieder für die Belange der Gemeinde. Ohlsbach berichten. Das entsprechende Rechnungs- buch aus der Zeit des Rathausbaus verzeichnet die Ein- 1895 lebten in Ohlsbach 1012 Personen. Als eigentli- nahmen und Ausgaben in der Zeit vom 1. Januar 1899 che Bürger zählten die Haushaltsvorstände. Von ihnen bis 31. Dezember 1899. wurden 1899 genannt 217, zusätzlich 49, die nicht im Ort wohnten. Ferner wurden 42 Bürgerswitwen geson- Gemeinderechner und damit auch der Verfasser des Be- dert genannt – damals zählte man sie noch nicht zu richtes war Franz Braun, Bürger und Landwirt. Schon den Bürgern! die „Kurzfassung“ seiner Rechnung hat 260 Seiten, da- neben gibt es zwei weitere dicke Bände mit rund 700 Diese Rechnung erstellte der auf unbestimmte Zeit er- Beilagen, d. h. den Originalen der Rechnungen und nannte Rechner Braun, der lediglich einen Schreiber Quittungen, die im Gemeindebüro eintrafen. Wie seit anstellen durfte, der das Endergebnis in Schönschrift Jahren üblich, wurde auch diesmal ein Vorbericht der (und für den Lohn von 170 Mark) zusammenstellte: Jahresrechnung beigegeben, der über die Verwaltung, Hauptlehrer E. Goldschmidt aus Freiburg übernahm vor allem aber über den Zustand der Gemeinde selbst diese mühselige Arbeit. Auskunft gibt. Wir erfahren also: Braun stellte zunächst fest, wo die Wertpapiere und Ur- Bürgermeister (und damit auch Bauherr des Rathauses) kunden der Gemeinde verwahrt wurden, nämlich „un- war im Jahr 1899 Andreas Lehmann, Bürger und Land- ter doppeltem Verschluß“ auf dem Rathaus. „Den einen wirt, der am 6.11.1894 auf neun Jahre gewählt wor- Schlüssel hat Bürgermeister Lehmann, den andern Ge- den war (er wird seine Tätigkeit übrigens am 4.12.1903 meinderat Lorenz Huber in Verwahrung.“ beenden, was im penibel geführten Rechnungsbuch nachgetragen wurde). Der Gemeinderat bestand, wie

26 Kapitel 6 – Ohlsbach im Jahr des Rathausbaus 1899

Nun erfolgte die Aufl istung des Gemeindebesitzes. Un- mer“) und der Dienstwohnung für den Hauptlehrer eine ter den Fahrnissen zählte der Rechner auf: die Kirchen- Mark Pachteinnahmen ab: denn einen der Keller des glocken, die Turmuhr, die Glocke auf dem „Rebstock“, Hauses hatte nämlich August Suhm auf vier Jahre ge- vier Farren, die Feuerspritze. An Immobilien besaß die mietet. Das Farrenhaus brachte 40 Mark Mieteinnah- Gemeinde ein einstöckiges Wohnhaus (Armenhaus) men. Hier hatte Benedikt Horn zwei Nebenzimmer, die mit Scheuer und Stallung im Wert von 770 Mark, ein Hälfte der Küche des Farrenwärters sowie Platz auf dem Wacht- und Spritzenhaus mit Holzschopf (3700 M); ein Speicher und im Keller für jährlich 40 Mark gemietet. zweistöckiges Schulhaus nebst Scheuer und Stallung Nichtzahlender Hauptnutzer des Gebäudes jedoch war (7360 M); ein einstöckiges Wohnhaus mit Scheuer und der von der Gemeinde gegen freie Wohnung angestell- Stallung (ebenfalls Armenhaus) im Wert von 1460 M; te Farrenwärter. Ebenfalls keinen Ertrag warf natürlich ein Wohnhaus mit Stierstallung und Balkenkeller, ge- das Rathaus ab, das erst im Folgejahr 1900 die Summe trennt stehender Waschküche (6790 M). Und dann na- von jährlich 2,50 Mark erwirtschaftete. Denn Karl Ot- türlich „ein neu erbautes Rathaus, zweistöckig, mit Un- ter wird von nun an die Rathausbühne (=Speicher) zum terlehrerwohnung.“ Dessen Wert war damals aber von Trocknen seiner Wäsche nutzen. der Versicherung „Deutscher Phönix“ noch nicht einge- schätzt worden. Erst die Rechnung vom folgenden Jahr Größere Einnahmen als aus den Immobilien erzielte die 1900 wird hier eine Summe nennen: 24.000 M war das Gemeinde aus ihren vielen Wiesen, Äckern, Wäldern Gebäude wert. Das war exakt die Bausumme. und Gärten. Manches war jedoch auch hier Allgemein- gut, stand allen zur freien Verfügung, die Lehmgrube Die Erträge aus den genannten Gebäuden wurden wie etwa, von der es hieß: „An der Lehmgrube mit 9 a ha- folgt beziffert: Das erste Armenhaus warf keinen Ertrag ben die hiesigen Einwohner ihren Bedarf von Lehm un- ab. Dessen Stall „wird von den Ortsarmen zur Stellung entgeltlich. An Auswärtige wurde im Jahr 1899 kein ihrer Ziegen und die Scheuer zum Aufbewahren ihrer Lehm abgegeben.“ Gegen Höchstgebot versteigerte die Futtervoräte unentgeltlich benützt“. Ähnlich war die Gemeinde das Gras auf ihren Grundstücken, die Kir- Situation im zweiten Armenhaus, allerdings hatte man schen oder auch die Weidenruten am Ohlsbach. Geld dort ein Zimmer vermietet seit 1885, wenn auch mit brachten auch der Dung und die Jauche aus den Ge- Problemen, denn „es schuldet Bernhard Lienert Miet- meindestallungen oder die Verpachtung der Jagd in zins für das Jahr 15 M“. Auch das Wacht- und Sprit- den Wäldern. Baron von Hirsch auf Schloß Ortenberg zenhaus brachte keine Einnahmen. Dagegen warf das zahlte für letzteres Vergnügen 635 Mark im Jahr, ein Schulhaus mit seinen zwei Klassenräumen („Lehrzim- ordentlicher und stetig fl ießender Einnahmeposten im

27 Gemeindesäckel. Erheblich weniger Geld brachten da- nungsbuch die Angabe des Zinssatzes vergessen). Zu- für die Fischgewässer, aber auch sie fanden regelmäßig sätzlich war ein außerordentlicher Holzhieb von 1500 ihre Pächter. Schließlich waren auf der Einnahmensei- Festmetern bei der vorgesetzten Behörde beantragt und te auch die „Hundetaxen“ in Höhe von 73 Mark zu ver- genehmigt worden „zur Deckung der Kosten für den zeichnen. Rathausbau“.

Zur letzten Ruhe gebettet werden konnte man „nor- Die Wiesenwässerungskanäle waren für den Grasertrag mal“ oder aber auf einem besonderen Grabplatz, der 20 wichtig und mussten ständig überwacht und gereinigt Mark kostete. Vier Beerdigungen fanden 1899 auf die- werden. Auch die dazu errichtete Stellfalle bedurfte der se Weise statt, wobei Paul Brüderle bei der Beerdigung Wartung, ein Liter Maschinenöl wurde zu ihrer Pfl e- seiner Ehefrau die große Kirchenglocke geläutet haben ge gekauft (60 Pfennig). Der Stellfallenschlüssel erhielt wollte: 5 Mark musste er für diesen besonderen Ab- für 50 Pfennig einen neuen Griff. Wozu die Gemeinde schiedsgruß an die Gemeindekasse entrichten. 9 Säcke Heublumen benötigte für zusammen 6 M 30, ist nicht mehr zu klären. Nachvollziehbar ist dagegen Seit dem Jahr 1897 hatte Ohlsbach übrigens das Schul- eine Zahlung für Lieferung und Setzen von 80 Kirsch- geld aufgehoben. Entsprechende Einnahmen von den bäumen und 20 Zwetschgenbäumen auf den Allmend- Eltern der Schulkinder wie in früherer Zeit entfi elen fl ächen, sicherte man sich damit doch einerseits weitere deshalb seither. Die Schule war eine staatliche Leistung Einnahmen, andererseits die Versorgung der Einwoh- geworden, und die Lehrer wurden vom Staat entlohnt. ner mit zusätzlichem Obst. Allerdings mußte die Gemeinde nun für die Kinder eine Abgabe an die Kultusbehörde entrichten. Personalkosten entstanden 1899 etwa durch die zwei Waldhüter, die jeweils 300 Mark im Jahr erhielten. Hin- Diesen vielfältigen Einnahmen standen nun die ebenso zu kamen die Ausgaben für eine Waldhüterkleidung vielfältigen Ausgaben gegenüber: mit Juppe, Hose und Weste und für einen passenden Was die Gemeinde für den Rathausbau an Kapital auf- Hut. Notizbücher, Bleistifte, Papier und Tinte wurden nehmen musste und bei welcher Bank dies geschah, ihnen ebenfalls gestellt. Außerdem übernahm die Ge- auch das verzeichnen die Bücher. 8000 M mit einer Ver- meinde damals schon das Krankengeld für die beiden zinsung von 3 ¾ % hatte man sich bei der Spar- und Angestellten. Waisenkasse Gengenbach geliehen, 2000 Mark bei Bür- germeister Lehmann (hier wurde allerdings im Rech-

28 Kapitel 6 – Ohlsbach im Jahr des Rathausbaus 1899

Der Polizeidiener Flach erhielt für die Wartung der olinsaiten zum Gesangsunterricht erhält jeder Leh- Straßenlaternen 10 Mark. Sie brannten mit Erdöl. Dafür rer jährlich 4 Mark.“ Feder, Tinte und Papier durften und für eine zusätzliche Laterne wurden 16 Mark aus- als ständige Ausgabeposten ebenso wenig fehlen wie gegeben, auch eine neue Petroleumkanne war damals das Honorar für Maria Anna Bischler, die das Reinigen fällig. Überhaupt wurde damals das öffentliche Licht der Schulzimmer übernommen hatte. Im Winter wur- angemacht: der Schmied Xaver Huber brachte eine La- den die Schulräume mit Holz geheizt. Das musste der terne am Wachthaus an, und der Schreiner Karl Otter Hauptlehrer übernehmen, er wurde aber dafür entlohnt. durfte sie anstreichen. Auch ein vergessener Schulbrauch tauchte in den Bü- chern auf: „Für Liefern des sog. Martinsweckens“ er- Totengräber Lorenz Schnurr unterhielt die Friedhofs- hielten die drei örtlichen Bäcker Schwörer, Benz und wege und reinigte die Gräber vom Laub. Damals wur- Meier je 8 Mark. den auch die Lager der Kirchenglocken wieder einmal geschmiert und ein neues Glockenseil besorgt. Für die öffentliche Sicherheit sorgte damals der Ge- meinde-Polizeidiener Flach, der jährlich 150 Mark er- Am Schulhaus wurde einiges erneuert und angeschafft: hielt sowie Anspruch hatte „auf alle 2 Jahre eine Dienst- Zimmermann Mild besserte die Schulaborte und den kleidung bestehend aus Rock, Hose und Mütze, sowie Gartenzaun aus, der Schmied Huber kümmerte sich um alle 4 Jahre einen Dienstmantel.“ Die Kleider kaufte das Haus und den Schulbrunnen. Damals bestand in man nicht fertig, sondern ließ sie aus Kostengründen Ohlsbach eine Haupt- und eine Unterlehrerstelle. Die vom Ohlsbacher Schneider Mathias Rapp fertigen und Kosten trug nun der Staat, das früher übliche „Besol- besorgte dazu den Stoff bei Gebrüder Bloch in Offen- dungsholz und Naturalnutzungen werden nicht mehr burg. Die Dienstmütze hatte einen Pelzbesatz, der vom verabfolgt.“ Das Schulgeld für die damals 157 Kinder Kürschner Kimmerle in Offenburg stammte. zu je 2 M 80 entrichtete die Gemeinde an den Staat. Zwei Wochenstunden galten dem Fortbildungsunter- Sowohl der Feldhüter wie der Polizeidiener verdienten richt, eine weitere Stunde wurde im Winter zur „Ein- an ihrer Aufmerksamkeit. Sie erhielten ein erfolgsab- übung der landwirtschaftlichen Buchführung“ erteilt. hängiges Zusatzhonorar, nämlich die „Anzeigengebüh- Vier Wochenstunden Turnunterricht hatten die jun- ren von den auf ihre Anzeigen erkannten Strafen.“ So gen Ohlsbacher. Den Globus für den Erdkundeunter- konnte der Polizeidiener 1899 zusätzlich zum Gehalt richt, Rechenbücher und Schulliederbücher kaufte man 8 Mark 50 einziehen. Hatte man jemanden in Arrest ge- bei Joseph Geisert in Gengenbach. „Für Stellen der Vi- nommen, so wurde der Rebstockwirt Josef Bruder um

29 die Verköstigung gebeten. Er berechnete „für 3 Suppen Dr. Tritschler in Gengenbach übernahm die Behand- an Arrestanten“ 30 Pfennig. lung der „hiesigen Ortsarmen um ein jährliches Aver- sum von 175 Mark, welches aber nach der Verhandlung Weniger als der Polizeidiener verdienten die beiden vom Januar 1887 auf 125 ermäßigt wurde.“ Kostende- Nachtwächter, die es damals noch gab. Karl Kiefer und ckelung und –reduktion im Gesundheitswesen gab es Andreas Horn erhielten je 120 Mark, zusätzlich besorg- also schon damals. te man für sie aus dem Steinkohlebergwerk Berghaup- ten 23 Zentner Kohle zum Heizen für das Wachthaus. Die Öfen im Armenhaus wurden regelmäßig ausgebes- sert und dann der Kaminfeger gerufen. Witwe Bürk- Auch über das Ohlsbacher Gesundheitswesen der Zeit le sorgte für „Reinigen des Armenhauses“. Aber auch um 1899 unterrichten die Rechnungsbücher detail- außerhalb der Armenhäuser wohnten Arme und Kran- liert. Die Hebamme Karoline Braun erhielt ein jähr- ke, deren Versorgung und Pfl ege die Gemeinde über- liches Wartgeld von 70 Mark. Ihren Bedarf an Hilfs- nahm: „Müller Xaver für Verpfl egung des Jakob Schil- mitteln („Karbolwatte“) und Medikamenten deckte sie li für 365 Tage je 40 Pf“. Das Spital in Gengenbach, die in Gengenbach bei Apotheker Meyer. Der zuständige Anstalt Fußbach, das Bürgerspital Straßburg, sie alle Tierarzt Lösch in Gengenbach wurde regelmäßig zur stellten der Gemeinde gelegentlich Rechnungen für die Fleischbeschau gerufen. Kam er außerdem zur Kon- Behandlung eines erkrankten Bürgers. Und auch das trolle bei Notschlachtungen, gab man ihm 4 Mark ex- Großherzogliche Arbeitshaus (Zuchthaus) Kislau stell- tra. Verendete Tiere versorgte der Abdecker Karl Feger te die Rechnung für Unterbringung eines dort einsit- in Gengenbach, der 1899 eine an Milzbrand verendete zenden Ohlsbachers. Name und Vergehen des Delin- Kalbin ordnungsgemäß „verlochte“, also in eine Grube quenten wurden im Rechnungsbuch verschwiegen. legte, mit Kalkstaub (3 Zentner für 3 Mark) überdeckte Die öffentliche Wohlfahrt unterstützte Dionis Lienert und das Ganze dann mit 7 Liter Erdöl (1,40 Mark) über- Witwe fi nanziell über 52 Wochen, die Josef Fautz Ehe- goss und anzündete. Gegen ansteckende Tierkrankhei- frau 25 Wochen, Andreas Meier 27 Wochen. Weitere ten im Stall rief man als Desinfektor den Schreiner Karl Unterstützungen zahlte man an kurzfristig Bedürftige. Otter, dem jeweils 3 Mark für einen solchen Gang zu- Oder man übernahm die Kosten für Heilmittel („Satt- standen. Otter besuchte damals in Offenburg auch eine ler Josef Schwarz in Gengenbach für ein doppelseiti- „Belehrung über Tuberkulose“. Die Sozialfürsorge im ges Bruchband dem Jakob Schilli“) und Medikamente Dorf war ausgeprägt. Wer im Armenhaus untergebracht („Apotheker Meyer in Gengenbach für an hiesige Ar- war, hatte Anspruch auf ärztliche Hilfe. Medizinalrat men abgegebene Arzneien 28 Mark“).

30 Kapitel 6 – Ohlsbach im Jahr des Rathausbaus 1899

Aufwendungen erwuchsen der Gemeinde auch durch ren nach Gengenbach zur Prämierung“ (8 Mark). Heu, den Feuerschutz. So erhielt 1899 die Spritzenremise Hafer und Kleie wurden als Futter für die Stiere an- ein Bodenpfl aster und zwei Blechriegel an die Sprit- geschafft, auch Stroh mußte besorgt und herangefah- zenhaustüren. Über Art und Weise der Feuerwehrübun- ren werden, was ebenfalls der Farrenwärter übernahm. gen unterrichtet ein kurzer Hinweis: „Zum Ausbessern Der Bezirkstierarzt überwachte die Gesundheit der Tie- der Dächer nach den Proben“ zahlte man dem Maurer re und erhielt „für Einziehen von Nasenringen“ sein Schrempp 12 Mark. 50 Mark erhielt die Freiwillige Feu- Honorar. erwehr für ihre ständige Bereitschaft unter Spritzen- meister Karl Stecher. Damals schaffte man für 29 Mark fünf Feuerwehrhelme an und ließ bei August Suhm Spi- ritus und Watte zum Putzen der Feuerspritze besorgen. Drei Bürger kümmerten sich um die Unterhaltung der Feuerweier am Dorfbach, aus denen im Brandfall das Löschwasser gepumpt wurde. Am 6. April 1899 hatte es bei Ludwig Roth gebrannt. Der Rebstockwirt Bruder transportierte schnell die Feuerspritze auf den Brand- platz und erhielt für diese Leistung 5 Mark. Noch mehr, nämlich 16 Mark, verdiente er anschließend „für Bier und Speisen an die Feuerwehrmannschaft“.

Von der Landwirtschaft lebten seinerzeit noch viele Menschen in Ohlsbach. Die Gemeinde stellte in ihrem Farrenstall den Landwirten Zuchtbullen zur Verfügung. Kulturarbeiterinnen, links Revierleiter Franz Horn, sitzend Georg Roth verlangte für einen jungen Zuchtbullen 463 Hilfsförster Stefan Benz, genannt „Koliban Steffe“ Mark, ein weiterer Zuchtfarren kam für 453 Mark von Andreas Buß. Beide Züchter stammten aus Reichen- Außer den Zuchtstieren hielt die Gemeinde noch ei- bach. Die Tiere versorgte der Farrenwärter Gottfried nen Zuchteber, der bei Hofbauer Xaver Müller im Stall Bächle, der mit 150 Mark Lohn und freier Wohnung stand, und einen Ziegenbock, den für 70 Mark Leo Wa- im Farrenhaus rechnen konnte. Zusätzliche Leistungen gemann pfl egte: „Den ersten Ziegenbock schafft die erhöhten diese Summe, etwa „das Führen eines Far- Gemeinde auf ihre Kosten, die Folgenden aber hat der

31 Pächter anzuschaffen.“ Fortbildungsmaßnahmen in Was verdiente eigentlich der Bürgermeister Andreas Offenburg besuchten drei Landwirte, die Gemeinde er- Lehmann im Jahr 1899? Festgesetzt hatte der Gemein- setzte ihre Spesen beim „Anwohnen bei der Belehrung derat 324 Mark und zusätzlich ein Aversum (=Abfi n- des Landwirtschaftslehrers Magenau über Rebkrank- dung) von 100 Mark gebilligt, das sich durch weitere heiten.“ Gebühren erhöhte, etwa durch das Führen der Standes- bücher. Auch der Ratschreiber Michael Huber erhielt Das politische Leben repräsentieren die knappen Ein- diese Zusatzzahlung zu seinem Gehalt. Den Gemein- tragungen über diverse Wahlen. Dass es geheime Wah- deräten zahlte die Kasse jeweils 75 Mark aus, dem Ge- len waren, zeigt dieser Eintrag: „Schreiner Otter für meinderechner Braun standen 280 Mark zu. Herstellen und Wegnehmen des Isolierraumes zu der Wahl 1 Mark 10 Pfennig“. „Im Jahr 1899 wurde ein neues Rathaus gebaut“, so das Rechnungsbuch, das an anderer Stelle aber auch davon Auch Feiern und Festlichkeiten hinterließen ihre Spu- sprach, dass der Einzug erst 1900 erfolgte. Jedenfalls: ren im Rechnungsbuch. „Der Musikgesellschaft hier für „Plan, Überschlag und Vergabeprotokoll sind noch in die Mitwirkung bei Festlichkeiten im Jahr 1899“ wur- Händen des bauleitenden Technikers, da der Bau noch den 75 Mark ausbezahlt. „Pulver zum Schießen am nicht vollendet und die Abrechnung mit den Überneh- Kaisertag und dem Geburtstag Seiner Königlichen Ho- mern noch nicht gepfl ogen ist.“ heit des Großherzogs“ schlugen mit 14 Mark zu Buche. „Für das Böllerschießen an weltlichen Festen“ erhielt An Abschlagszahlungen waren bislang geleistet wor- der Polizeidiener ein Salär, aber auch der Messner Josef den: 10.000 Mark an den hiesigen Maurermeister Karl Schwarz für das Festgeläut am Kaisertag. Ein Extraes- Hoferer, 3000 Mark an den Steinhauermeister Kalfass in sen im Rebstock spendierte man der Freiwilligen Feu- Offenburg, 2500 Mark an den Ohlsbacher Zimmermeis- erwehr am Geburtstag des Großherzogs. ter Karl Doll, 1100 Mark erhielt der hiesige Schreiner Karl Otter, und der Gengenbacher Gipser Vollmer 650 Bei Nennung dieser Ausgaben taucht auch das neue Mark. Anstreichen und Tapezieren übernahm für 400 Rathaus auf: Denn für abgegebene Speisen und Ge- der Gengenbacher Maler Schilli. Von Hofweier kamen tränke bei der Grundsteinlegung und „bei Aufschlagen für 650 Mark die Fenster, von Offenburg aus der Werk- des Rathauses“ (Richtfest) erhielten der Rebstockwirt statt von Louis Burg die Schlosserarbeit. Eine Straßbur- Josef Bruder 5,76 Mark und der Kronenwirt Duffner für ger Firma lieferte 52 qm Kiesplatten, Firma Jennewein einen Liter Wein 80 Pfennig. in Offenburg eiserne Träger, ein Stuttgarter Unterneh-

32 Kapitel 6 – Ohlsbach im Jahr des Rathausbaus 1899

men sandte Holzrollläden. Im alten Ratszimmer verheizte man 2,8 Ster und in der Fünf Regulieröfen mit stei- Sakristei sorgten 0,7 Ster Brennholz dafür, dass Pfarrer nernen Bodenplatten we- und Messner sich nicht fröstelnd auf den Gottesdienst gen des Holzbodens kamen vorbereiten mussten. von Firma Stebel in Offen- burg. „Beim Tragen dieser Die Gemeinde hatte damals eine eigene Krankenkas- Öfen ins Rathaus“ half für se eingerichtet, die einen jährlichen Haushalt aufstell- 2 Mark Josef Schwarz. Aus te. Im Jahr des Rathausbaus ist zu lesen, dass 1899 Gengenbach holte man zur folgende Ausgaben an behandelnde Ärzte gezahlt wur- Untersuchung der zwei den: „Heilgehilfe Otto Danner für Ausziehen von Zäh- neuen Kamine den Kamin- nen drei Kassenmitgliedern 3 Mark 60, Dentist Lan- Karl Hoferer (1861-1935) feger Mußler. gendorf in Offenburg für Zahnziehen 2 Mark, Chirurg Karl Bell in Offenburg für Ausziehen von 3 Zähnen Zur Deckung der Kosten für den Rathausneubau war 1 Mark 60, Heilgehilfe Suhm in Gengenbach für Zahn- von der Domänendirektion in Karlsruhe ein außeror- ziehen sowie Verabreichung eines Klystier; Hebamme dentlicher Holzhieb von 1500 Festmetern genehmigt Braun für Schröpfen bei Benedikt Horns Frau 60 Pf.“ worden, der allerdings nicht nur Geld einbrachte, son- Krankengeld wurde damals ab dem dritten Tag bezahlt: dern auch Ausgaben bedeutete: „Aufbereitungskosten 85 Pfennig für Männer, 60 Pfennig für Frauen. Hinzu für den Hieb 1717 Mark, Belohnungen wegen besonde- kamen Verpfl egungskosten etwa im Spital Gengenbach rer Bemühungen wegen des Holzhiebes: Ratsschreiber, mit täglich 1,70 M. Gemeinderechner, Waldhüter zusammen 55 Mark.“ Die Gemeinde räumte die öffentlichen Wege im Winter Viele freiwillige Leistungen übernahm damals die Ge- mit einem speziellen Bahnschlitten und honorierte die- meindekasse. Eine freiwillige Leistung, nämlich kosten- se Leistung. Schneeschaufeln machte ansonsten einen lose Holzlieferung, erfolgte jährlich an den Pfarrer mit regelmäßigen Posten aus. Wie jedes Jahr wurde „Erd- 12 Ster Buchenbrennholz frei Pfarrhaus, zur Heizung öl zur Straßenbeleuchtung“ gekauft und Polizeidiener der zwei Schulzimmer brachte man dem Hauptlehrer Flach erhielt „für Holen von Pulver in Offenburg zum 32 Ster Tannen-Scheitholz. Patrozinium und Fronleichnamsfest zwei Mark.“

33 Entwürfe des Rathauses Ohlsbach von Architekt Kull aus Offenburg, 6. Februar 1899 34 Kapitel 7 – Der Rathausbau

Der Rathausbau „Der Würde der Gemeindebehörde angemessen“

Eine Akte im Gemeindearchiv trägt die Aufschrift: schluß zu fassen, sodann durch einen Bauverständigen „Den Bau eines Rathauses betreffend, 1897-1902.“ Die- ein Projekt aufstellen zu lassen und sich gleichzeitig ses Dokument unterrichtet genau und in Einzelheiten wegen eines außerordentlichen Holzhiebes mit Groß- über das Projekt. herz. Bezirksforstei Gengenbach vorläufi g ins Beneh- men zu setzen.“ Wir erfahren zunächst noch einmal die Vorgeschich- te, denn eine amtliche Ortsbereisung vom 13. Oktober Da die Antwort auf sich warten ließ, hakte das Bezirks- 1897, „die Erstellung eines Rathauses betreffend“, hat- amt am 14.1.1898 nach und schrieb nach Ohlsbach: te den Sachstand zusammengefasst mit den Worten: „Der Gemeinderat wird beauftragt, noch zu berichten, „Der einzige Raum, der für Zwecke der Gemeindever- ob bereits ein Bauplan für ein neues Rathaus und ein waltung zur Verfügung steht, ist ein kleines Zimmer- Kostenvoranschlag hierzu gefertigt ist. Eventuell wä- chen im Schulhaus. In demselben ist kaum Platz für die ren die Pläne und Kostenberechnung vorzulegen. Fer- Sitzungen des Gemeinderathes. Alle größeren Verhand- ner ist noch zu berichten, ob sich der außerordentliche lungen und auch die Sitzungen des Bürgerausschus- Holzhieb auf bestimmte Schläge oder wie es scheint ses müssen deshalb im Wirtshaus abgehalten werden. auf den ganzen Gemeindewald erstrecken soll und wel- Daß bei diesen Verhältnissen auch die Akten und Bü- chen Betrag der Gemeinderat aus diesem Holzhieb als cher der Gemeinde sehr mangelhaft untergebracht und Erlös einnimmt nach Abzug der Kosten.“ Das Amt gab in keiner Weise gegen Feuersgefahr gesichert sind, ist in seinem Schreiben auch zu bedenken, „ob die beiden selbstverständlich. Der Gemeinderath sieht selbst ein, Schulzimmer auf absehbare Zeit genügen und ob nicht, daß dieser Zustand auf die Dauer unhaltbar und die Er- um die Gemeinde nicht in die unangenehme Lage zu bauung eines Rathauses dringendes Bedürfnis ist. Er versetzen, später noch einmal bauen zu müssen, statt hofft, daß durch Bewilligung eines außerordentlichen des Rathauses ein Schulhaus zu bauen und das bisheri- Holzhiebes im Gemeindewald eine allzu große Mehr- ge Schulhaus als Rathaus zu benützen wäre.“ belastung der Gemeinde mit Schulden verhütet wer- den kann. Als Bauplatz würde, wenn nicht ein besse- Man war sich aber noch nicht ganz einig geworden in rer an der Landstraße gefunden würde, der Platz, wo Ohlsbach über die Frage „Schulhaus oder Rathaus“, so- jetzt das Wachthaus und die Spritzenremise stehen, ge- dass ein halbes Jahr später (2.7.1898) wieder Post aus eignet erscheinen.“ Das Bezirksamt in Offenburg gab Offenburg eintraf mit dem mahnenden Hinweis, „daß dem Gemeinderat den Auftrag, „zunächst nach einem wir, nachdem die Angelegenheit seit 4 Monaten dort geeigneten Bauplatz sich umzusehen und darüber Be- beruht, einer baldigen Vorlage entgegensehen.“

35 Die Antwort stellte das Bezirksamt doch noch nicht gegen scheinen uns die Vorschläge der Inspektion be- ganz zufrieden: „Dem Gemeinderat wird auf den Be- züglich des Grundrisses zweckmäßig, weil dadurch die richt vom 13. Juli erwidert, daß die Anfertigung ei- Verlegung der Kamine an die Innenwände und eine ner Planskizze und eines summarischen Kostenvoran- bessere Verteilung der Fenster namentlich im 2. Stock schlags erhebliche Kosten nicht verursacht hätte, daß ermöglicht, in letzterem auch ein Nebenzimmer zum wir jedoch nicht auf Vorlage solcher bestehen wol- Bürgersaal gewonnen wird. Auch im übrigen werden len, wenn die Gemeindebehörden die Erstellung eines die Vorschläge der Inspektion thunlichst zu berücksich- Schulhauses z. Zt. unter allen Umständen ablehnen, tigen sein, selbst wenn sich der Kostenbetrag dadurch daß sie es sich dann aber selbst zuzuschreiben haben, etwas erhöhen sollte. Wir teilen dem Gemeinderat Gut- wenn etwa später durch die Nothwendigkeit, dennoch achten und Planskizze der Inspektion unter Anschluß ein neues Schulhaus zu bauen, größere Kosten entste- der Pläne mit dem Auftrag mit, den dortigen Architek- hen.“ ten zur Änderung und Ergänzung des Bauplanes und Ausarbeitung des Kostenvoranschlages zu veranlassen, Es erfolgte nun die defi nitive Beschlussfassung im und sehen baldiger Wiedervorlage entgegen.“ Ratsprotokoll vom 28.7.1898 „Der Gemeinderat ist der Ansicht ein Rathaus zu erstellen und zu diesem war die Die Bezirksbauinspektion Offenburg war mit den Ohls- letzte Woche Hr. Architekt Kull von Offenburg hier um bacher Plänen nicht in jedem Punkt einverstanden und diese Angelegenheit zu beraten, den in Aussicht ste- schrieb am 5.11.1898: „Die Lage des Bauplatzes ist un- henden Bauplatz auszusuchen und wurde beauftragt, seres Erachtens nicht besonders glücklich gewählt. Plan und Kostenüberschlag aufzustellen.“ Wenn auch das Gebäude auf allen Seiten frei zu stehen käme, so würde es dennoch, infolge der nahen Stel- Ohlsbach hatte also mittlerweile eigene Vorstellungen lung an der schmalen Thalstraße und infolge der wei- über den Rathausbau erarbeitet und sie nach Offenburg teren Verengung des Platzes durch den Ohlsbach dem mitgeteilt. Das Bezirksamt seinerseits hatte zwar schon Beschauer nur einen unbefriedigenden Anblick gewäh- eine Planskizze des Baus anfertigen lassen, gestattete ren. Dazu kommt noch, dass der Hauptfront direkt ge- dann aber doch die Ausführung durch den von Ohls- genüber kaum 20 Meter entfernt ein baulich sehr ver- bach beauftragten Architekten. „Erwidern wir, daß wir wahrlostes Stall- und Oekonomiegebäude sich befi ndet. nicht darauf bestehen, daß die Gemeinde ein Schulhaus Diese nähere Umgebung und der von der Hauptstraße baut und daß das Rathaus die von der Bezirksbauin- abgekehrte Platz entspricht keineswegs der Würde ei- spektion skizzierte äußere Ausschmückung erhält. Da- nes Baues, der neben der Kirche der bedeutendste in

36 Kapitel 7 – Der Rathausbau

der Gemeinde ist. (…) Was nun den Plan-Enwurf selbst betrifft, so muß die Grundriß-Einteilung im Allgemei- nen als zweckmäßig anerkannt werden. Im Erdgeschoß sind die Räume für den Bürgermeister, den Ratschrei- ber und die Registratur (Archiv) sowie für die später einzurichtende Sparkasse und das Pfandlokal gut dis- poniert. Das Obergeschoß enthält den Bürgersaal und ein Wohnzimmer für einen unverheirateten Lehrer. Der Saal bietet für die aus 7 Gemeinderäten und 24 Bürge- rausschußmitglieder zusammen 31 Personen bestehen- de Versammlung vollkommen Platz.

Die Ausstattung des Gebäudes ist im Äußeren und In- neren einfach und von Luxus frei zu halten, eine mehr monumentale Gliederung der Hauptfront wäre anzu- streben, damit auch das Gebäude der Würde der Ge- meindebehörde angemessen erscheint.“

Ohlsbach wollte weniger monumental bauen und ant- wortete am 10.1.1899 dem Bezirksamt: „… so haben wir uns entschlossen, einen ganz einfa- chen und zweckentsprechenden Bau mit wenigen Kos- ten herstellen zu lassen, und haben zu diesem Zweck die Firma „Schweiger und Kull“ in Offenburg ein Projekt auszufertigen, das nicht höher als 18 000 M kommt, beauftragt. Die von Bezirksbauinspektion ge- fertigten Planskizzen sind sehr gefällig, allein sie schei- nen uns für Ohlsbach ein wenig zu reich und ist uns der Entwürfe des Rathauses Ohlsbach von Architekt Kull aus Baupreis mit 27 000 M auch zu hoch.“ Offenburg, 6. Februar 1899

37 Und nochmal konkreter etwas später: „Wohldemselben tekt entfaltete Kull eine reiche Bautätigkeit vor allem beehrt sich unterzeichnetes Bürgermeisteramt Ohlsbach in der neuen Oststadt Offenburgs. In der Ortenau baute im Anschluß das Gutachten und Planskizze der Groß- er mehrere Rathäuser (z.B. auch in Ödsbach und Dur- herzoglichen Bezirksbauinspektion, sowie den spezi- bach) und Schulen. Im Bürgerausschuss wurde regel- ellen Kostenüberschlag für das jetzige Projekt vorzule- mäßig über den Bau diskutiert. gen. Zugleich wird mitgeteilt, daß der Kostenüberschlag mit 24.000 Mark dem Gemeinderat etwas zu hoch er- 22.8.1898: Der Bürgerausschuss ist damit einverstan- scheint und ist der Ansicht, das Unternehmen teilweise den, dass von dem Anwesen des Paul Buß circa 50 Ru- etwas einfacher durchzuführen, so daß keine so hohen then Geländes angekauft wird zur Herstellung eines Kostenauslagen daraus entstehen. Der außerordentli- Rathauses per Ruthe 18 Mark. Der Bürgerausschuss che Holzhieb, welcher zu diesem Projekt vorgesehen, ist damit einverstanden, dass die drei Vorderseiten des wird kaum einen Erlös von 13.000 bis 14.000 Mark er- Rathauses mit Verblendstein hergestellt werden. zielen und wären somit nochmals 10.000 Mark durch Umlage aufzubringen. Der Gemeinderat ist der Ansicht, 11.4.1889: Bürgerausschuss ist damit einverstanden, das Projekt etwas einfacher durchzuführen, damit kei- dass das Gesuch um außerordentlichen Holzhieb mit ne höhere Kostenaufnahme als etwa 18.000 Mark wie 500 Festmeter eingereicht wird und von dem zur Zeit im Anfang projektiert entsteht.“ (28.3.1899) im Gemeindewald befi ndlichen Windfall vornehmlich entnommen wird. Das Rathaus soll nach dem aufge- Um diese Zeit wurden erste Verträge abgeschlossen. Für stellten Kostenvoranschlag mit 24.000 M hergestellt alle beteiligten Unternehmen galt die Verpfl ichtung, werden. dass „der Bau längstens bis ersten November des Jah- res 1899 in allen Theilen fertig ist.“ Am 23.5.1899 teilte Der weitere Verlauf ist in kurzen Mitteilungen an das die Gemeinde dem Bezirksamt mit, „dass die Bauarbeit Bezirksamt dokumentiert. Am 5.10.1899 erfolgte die vergeben und der Bau begonnen hat und Maurerarbeit Meldung, „dass der Bau unter Dach hergestellt ist.“ Und diese Woche beginnen wird.“ dann schließlich mit Erleichterung und Stolz der Ab- schlussbericht vom 31.1.1900: „dass der Bau nach Vor- Architekt des Rathauses war der Offenburger Architekt schrift der Pläne nun hergestellt ist.“ Ludwig Kull (1857 – 1917). Er hatte 1879 das Archi- tekturbüro J. Schweiger übernommen und unterhielt Er ist also doch nicht pünktlich zum geplanten Zeit- ein großes Büro mit sieben Angestellten. Als Archi- punkt fertig geworden, aber die Eröffnung musste nur

38 Kapitel 7 – Der Rathausbau

um wenige Wochen verschoben werden. Zum Neujahrs- neue Unterlehrerwohnung im Rathaus erhielt als fest 1900 wurde in Ohlsbach erstmal noch ausgiebig Grundausstattung eine Bettstatt mit Rost und ein Chif- gefeiert und das Rechnungsbuch notierte die Ausga- fonier (Sofa) aus Tannenholz für zusammen 55 Mark. ben für das „Böllerschießen am Kaiserfest und Geburts- Für die Innenausstattung und für den ordentlichen Be- fest des Großherzogs. Für Zehrung der Veteranen am trieb des Rathauses wurden ausgegeben: „Schmied Xa- Kaisertag erhielten die beiden Wirte Ersatz. Bei Jakob ver Huber für 1 Schraube und Unterlegplatten für ei- Schley in Offenburg wurde Stoff für zwei Fahnen be- nen Türgriff ins Rathaus; dem Schreiner für Arbeit an stellt.“ Dann, am 18. Februar, wurde bekanntgegeben: den Rolläden des Rathauses und Klötzchen hinter die „Die Bürgerausschusssitzung soll am 22. Februar 1900 Türen; für Papier, Kuverten, Federn, Tinte auf das Rats- im neuen Rathaus stattfi nden und zwar 4 Uhr.“ zimmer 40 M; für eine Wandlampe ins Rathaus; für 2 Cylinder und Docht zur Rathauslampe; auch für ein Der Ehrlichkeit halber sei erwähnt, dass der Bau unwe- Fußkratzeisen ins Rathaus.“ sentlich teurer geworden war. Aber der Bürgerausschuss erteilte ohne Widerspruch am 30.1.1909 abschließend Schreiner Otter leistete Beihilfe zum Umzug ins Rat- die Zustimmung zu der „Voranschlagsüberschreitung haus, für das Ausbessern von Bildern, für einen Besen- vom Rathausbau mit 663 M“. stiel, ein Anschlagkästchen. Ratschreiber Huber leitete den Umzug und richtete die Registratur ein. Stuhlma- Zur Ausstattung des neuen Hauses sind interessante cher Mast in Gengenbach fertigte drei Dutzend Patent- Details im Rechnungsbuch des Jahres 1900 festgehal- sitzstühle (108 M). Schreiner Otter baute fünf große Ti- ten. Hier einige Auszüge: sche, einen kleinen Tisch, einen Aktenschrank, 8 Bänke und 10 Kleiderrechen mit Haken. Und der Maler Schilli Zunächst wurde erstmals das neue Rathaus als Besitz strich alles an. So konnte schließlich abgerechnet wer- der Gemeinde angegeben und hinsichtlich seines Wer- den mit dem Bemerken: „Mit den Akkordanten für Her- tes taxiert. „Ein neu erbautes Rathaus, zweistöckig, mit stellung des Rathauses ist nun Abrechnung gepfl ogen Eisenbalkenkeller und Unterlehrerwohnung, Haus Nr. und haben dieselben ihr Restguthaben erhalten.“ Da- 128, Wert 24.000, Neuveranschlag der Unterlehrer- bei wurde aufgezählt: „Kalfass in Offenburg für Ein- wohnung 400 M.“ hauen der Jahreszahl am Rathaus 5 Mark. „Schweiger und Kull“, Baugeschäft in Offenburg, für die Pläne und Mit dem Einzug in das neue Rathaus konnte das alte Überschläge zum Rathaus, Abschluß der Verträge, Bau- Ratszimmer im Schulhaus ausgebessert werden. Die leitung mit Abrechnungen 1096 M.“

39 „Ein hübscher Bau“- „äußerst geschmacklos“

Die Behörden des Großherzogtums machten sich in re- so müssen wir 1911 plötzlich ein herbes, ein gänzlich gelmäßigen Ortsbereisungen selbst ein Bild vom Zu- anderes Urteil lesen über jenes Haus, das doch als so stand der Gemeinden im Land. Diese Berichte sind „hübsch und zweckentsprechend“ gesehen worden war: wichtige und aufschlussreiche Quellen zur jeweiligen „Genau an der Abzweigung des Talwegs von der Land- Ortsgeschichte und vermitteln stets ein lebendiges Bild straße hat man Ende der 90er Jahre ein ziemlich opu- vom Leben der Kommunen. Probleme wurden nicht lentes und kostspieliges, dabei aber äußerst geschmack- ausgeklammert, aber Leistungen wurden auch aner- loses Gebäude durch Bauunternehmer Kull (Offenburg) kannt. erstellen lassen. Nicht lange nach Fertigstellung die- ses Gebäudes trat dann die Notwendigkeit der Erstel- In Bezug auf das neue Rathaus stellte die Ortsberei- lung eines neuen Schulhauses ein. Nach den Plänen des sung von 1901 lapidar und lobend fest: „Das neue Rat- Architekten Weis, Offenburg, kann dasselbe wohl als haus ist ein hübscher, geräumiger und zweckentspre- der schönste ländliche Schulhausneubau aus den letz- chender Bau.“ ten Jahrzehnten in der ganzen Ortenau bezeichnet wer- den. Glücklicherweise steht er weit von dem verpfusch- Genau zehn Jahre später kamen wieder die Beamten ten Rathaus entfernt. Großherzoglicher Amtsvorstand nach Ohlsbach. Doch es waren nun andere Personen von Senger.“ So schnell ändern sich manchmal die äs- mit anderen Schönheitsvorstellungen angereist. Und thetischen Wertmaßstäbe. Das so gelobte schöne Schul- haus steht seit 1976 auch nicht mehr.

Aus späteren Ortsbereisungen erfahren wir Informati- ves über die Gemeinde, über ihre Menschen und ihre Verwaltung:

„1919 leben 1065 Einwohner im Ort. Am Kriege ha- ben ungefähr 300 Männer teilgenommen, davon sind ca. 44 gefallen und 150 wurden verwundet. Vermißt ist einer, der nun aber für tot erklärt wurde. 2/3 trei- ben Landwirtschaft, 1/3 Arbeiter. 40 - 50 gehen in Fa- briken in Offenburg und Ohlsbach, 30 arbeiten bei der Grußkarte aus Ohlsbach. Das neue Schulhaus, das schönste Eisenbahn. Es befi ndet sich hier eine Zigarrenfabrik, der Ortenau, rechts das alte Schulhaus

40 Kapitel 8 – „Ein hübscher Bau“- „äußerst geschmacklos“

Grußkarte aus Ohlsbach von 1901 mit Rathaus und Kirche welche ungefähr 30 Arbeiterinnen beschäftigt. (…) Mit ihr Gehalt aufgebessert worden ist. (...) An der Schule dem 17. 5.1915 hat Ohlsbach nun die lange gewünsch- sind zwei Hauptlehrer, 1 Hauptlehrerin und ein Unter- te Haltestelle an der Schwarzwaldbahn. Die wirtschaft- lehrer, die Zahl der Schulkinder beträgt über 200. Die liche Lage der Bevölkerung ist gut. Der Bürgermeister Schulzucht ist gut. (…) Trunkenbolde befi nden sich kei- Franz Huber wurde 1915 und 1919 wieder gewählt. Er ne mehr in Ohlsbach. Auch gelegentliche Trunkenhei- war vorher schon seit 1898 Gemeinderat. Er ist ein ru- ten sollen seltener sein als früher. Es ist eben heutzu- higer, bescheidener, fl eißiger und pfl ichttreuer Mann, tage ein etwas kostspieliger Spaß, sich einen Rausch mit dessen Dienstführung man durchaus zufrieden sein zu holen. (…) Die Kirchengemeinde plant die Erstellung kann. (…) Mit dem Feldhüter ist die Gemeinde jetzt eines öffentlichen Pissoirs bei der Kirche, da wie der mehr zufrieden als früher. Er sollte übrigens mit einer Pfarrer mitteilt, die Kirchenbesucher ihr Bedürfnis an Waffe ausgerüstet werden, insbesondere da er schon der Kirche selbst verrichteten und diese verunreinigten. einmal bei Ausübung seines Dienstes von 2 Felddie- (…) Viehbestand 1920: 503 Stück Rindvieh, 345 Schwei- ben tätlich angegriffen worden ist. Einen Waffenschein ne, 85 Ziegen, 33 Schafe, 1310 Federvieh, 12 Pferde, besitzt er. Der Farrenwärter und der Totengräber zei- 54 Kaninchen, 160 Bienenstöcke, 83 Hunde.“ gen jetzt auch bessere Leistungen als früher, nachdem

41 Die Ratsprotokolle

Ratsprotokolle sind bedeutende Dokumente der demo- und Bürgerausschuß in Betreff der Besoldung und Di- kratischen Selbstverwaltung. Sie spiegeln eine wichti- äten für die Vorgesetzten wurde beschlossen: Der Bür- ge Errungenschaft der Neuzeit wider und gehören un- germeister soll eine vom 1. Juni des Jahres laufende verzichtbar zur Geschichte eines Rathauses hinzu. Hier Besoldung von 60 fl (=Gulden) zu beziehen haben, darf entstehen sie, hier wurden und werden sie aufbewahrt, aber für Gemeindeverrichtungen im Ort keine beson- idealerweise in einem feuersicheren Archivraum. Not- deren Gebühren ansprechen. Nebst obiger Besoldung falls genügt ein Tresor. In jedem Fall aber gehört ihre bleibt ihm wie bisher die doppelte Bürgernutzung. Je- sorgfältige Behandlung zu den Aufgaben der Verwal- des Gemeinderatsmitglied soll Besoldung von jährlich tung. Wurde die Protokollpfl icht nicht korrekt erfüllt, 6 fl zu beziehen haben. Ein zweiter Eintrag regelte die so musste man mit einer Rüge durch die vorgesetz- Ernennung des Ratschreibers und dessen Gehalt. te Behörde rechnen, wie es tatsächlich im Jahr 1897 anlässlich einer Ortsbereisung einmal in Ohlsbach ge- 15.1.1848: Es wird beschlossen, dem Uhrmacher schah: „Die Protokollführung über die Sitzungen des Fahrländer die Reparatur der hiesigen Gemeindeuhr Gemeinderates ist insofern mangelhaft, als wiederholt zu übertragen. Der Rats- und Polizeidiener Bernhard während 2-3 Monaten sich kein Eintrag im Potokoll- Suhm soll als solcher verpfl ichtet werden, ebenso soll buch fi ndet, angeblich weil nichts Wichtiges verhan- ihm auf Kosten der Gemeinde folgende Montur ange- delt worden ist. Künftig ist über jede Sitzung ein Pro- schafft werden, welche aber jederzeit als Eigenthum der tokoll aufzunehmen.“ Gemeinde solcher wieder abgegeben werden muß: ein Überrock von blauem Tuch mit roten Paspelt, ein Man- Die Ohlsbacher Ratsprotokolle sind ab dem Jahr 1832 tel nach dem Schnitt des Mantels vom Bott Scherzinger vorhanden in folgenden Bänden: 1. 1832 – 1855; zu Gengenbach, ausgeschlagen mit rotem Tuch. 2. 1855 – 1881; 3. 1881 – 1902; 4. 1902 – 1915; 5. 1915 – 1928; 6. 1928 – 1938; 7. 1938 – 1949. Erste Vorzeichen der Badischen Revolution von 1848: Seither entstanden und entstehen weiterhin Protokoll- 27.3.1848: Es soll unverzüglich auf Kosten der Ge- bände. Diese Protokolle enthalten natürlich nicht nur meinde angeschafft werden siebenzig Stück Gewehre Hinweise auf die Geschichte der Gemeinde, sondern und zwei Trommlen. Ferner soll Polizeidiener Suhm auch viele Meldungen aus der Geschichte des Rathauses. eine Zulage von 12 Gulden erhalten. Sie beginnen mit der Beschlussfassung über die Besol- dung der nun großherzoglichen Verwaltung: Protokoll 4.4.1848: Es soll 100 Pfd Pulver und 200 Pfd Blei auf Nr.1, Ohlsbach 13. Okt. 1832: Durch den Gemeinderat Kosten der Gemeindekasse angeschafft werden.

42 Kapitel 9 – Die Ratsprotokolle

1.5.1848: Der Gerichtsbott Scherzinger von Gengen- abgegeben werden, so wurde beschlossen: Großherz. bach macht sich verbindlich, die beiden hiesigen bür- Bezirksamt wäre in einem die Lage unseres Ortes schil- gerlichen Paul Fautz und Ambros Bürkle, welche als dernden Berichte zu bitten, bei den betreffenden höchs- Tambour ernannt sind, in Unterricht zu nehmen und ten Stellen gütigst dahin zu wirken, dass die Gemeinde sie zu lernen; hierfür erhaltet solcher von der Gemein- Ohlsbach zum Gießen von 3 Glocken circa 35 Zentner dekasse die Summe von acht Gulden; der Unterricht Kanonen erhalte. wird wöchentlich 2 mal hier in Ohlsbach erteilt. 2.1.1863: Mit den seitherigen Nachtwächtern Nepo- 15.5.1849: Vor versammelter Gemeinde. Es wird be- muk Bau und Johannes Fautz ist wegen der Besorgung schlossen: Es sollen fürs erste Aufgebot 50 Stück neue der Nachtwache wieder ein neuer Vertrag abzuschlie- Gewehre einstweilen angeschafft werden. – Der Ge- ßen. Diese 2 Bürger übernehmen fraglichen Dienst mit meinderat und Bürgerausschuß wird in der jetzigen denselben Lasten und Verbindlichkeiten wie sie diesel- Zeit ermächtigt, für dringende und durch Zeitereig- ben bereits übernommen haben. Dafür zahlt die Gemein- nisse gebotene Ausgaben Kapitalien für die Gemein- de jedem 50 fl und zur Feuerung des Wachtzimmers de aufzunehmen, ohne vorerst nochmals die Gemeinde 2 Klafter Tannen-Scheitholz. deswegen zu versammeln. 24. Mai 1849: Instruktoren fürs erste Aufgebot sind bis jetzt keine auswärtigen nö- Alltagsarbeit für den Bürgermeister: Vor dem Gemein- tig, da die hier angesessenen früheren Soldaten die Lei- derat trägt am 2. Oktober 1866 Bürgermeister Lienert tung übernehmen. vor, dass der vorhandene größte Stier nicht zu bändi- gen sei, und daher nicht gebraucht werden könne. Be- Und nach dem Scheitern der Revolution: schluss: Wäre der genannte Stier entweder durch Ver- 7.7.1849: Dem Accisor Steiner soll für seinen durch kauf oder durch Tausch zu veräußern. Außerdem: Es die Freischaaren verlorenen Wagen und 2 Ketten der geschehen häufi g Klagen über den Wärter der Stiere. Betrag von 33 Gulden aus der Gemeindekasse ersetzt Da diese augenfällig begründet sind, und der Wäch- werden. ter Georg Vetter die Schuld auf ein Gespenst im Stalle schiebt, so ist Beschluss: Wäre Georg Vetter als 29.1.1873: Da man sowohl in öffentlichen Blättern als Wächter zu beseitigen und ihm hierwegen sogleich auch durch mündliche Mitteilungen in Erfahrung ge- aufzukündigen. bracht, dass von den in letztem Kriege gegen Frank- reich eroberten Kanonen an etliche Kirchen zu Glocken

43 9.7.1879: Der Gemeinderat hat beschlossen, dahier eine 13.5.1884: Es sei dem hiesigen Kirchengesangchor der Musik zu errichten und als Musiklehrer den Musikleh- Betrag für seine Leistungen im Betrag von 40 M aus der rer in Offenburg Thomas Hund anzustellen. Diesem ist Gemeindekasse im Verlauf des Jahres auszubezahlen. für Unterricht von jeweils Samstag abends und Sonntags früh eine Besoldung von 6 Mark zu geben. Die Musik- 19.7.1884: Die hiesige Kirche ist nun vollendet. An instrumente sind in Straßburg anzukaufen und von der derselben zeigen sich aber leider verschiedene Mängel Gemeinde zu zahlen. Alle die Auslagen sind jedoch nur und dabei auch am Mauerwerk Risse, welche uns sehr vorschüßlich zu bezahlen und von den Musikanten wie- bedenklich erscheinen und wenn nicht rechtzeitig Vor- der in 5 Jahren der Gemeindekasse zu bezahlen. kehrungen getroffen werden auch Unglücke entstehen können. Wir halten es für Pfl icht, den Bau der Kirche 9.2.1882: Es sei an großherzogliches Bezirksamt die auf polizeilichem Wege gründlich untersuchen zu lassen Bitte zu stellen, den Norbert Bruder als Leichenschauer seines Dienstes entheben zu wollen, da er sich zu sehr 8.5.1885: Vor dem Gemeinderat. Es sei für Abhaltung dem Trunke ergeben hat. der Prozession an Christi Himmelfahrt auszubezahlen: Herrn Pfarrverweser Bölle 5 M, Herrn Burger Organist 7.7.1882: Es sei durch Aussschellen und öffentli- 3 M, den Kirchensängern 3 M, dem Fahnen- und Kreuz- chen Anschlag bekannt zu machen, dass am 10. d.M. träger je 50 Pf. morgens 7-8 Uhr die Ortsbereisung durch den großh. Amtsvorstand vorgenommen wird. Diejenigen, welche 24.1.1892: Es wurde beschlossen, dass die hiesige Mu- Beschwere oder Wünsche, welche die Gemeindeverwal- sikgesellschaft zu Anschaffung von neuen Instrumen- tung betreffen und nicht eine Privatangelegenheit zum ten den Betrag von 15 M aus der Gemeindekasse er- Gegenstande haben, können dieselben zur bestimmten halten solle. Zeit im Ratszimmer vortragen. 11.11.1894: In heutiger Sitzung wurde beschlossen, 5.12.1882: In Zukunft sollen öffentliche Verkündigun- dass als Lokal zur Bürgermeisterwahl bestimmt wurde gen, wenn es sich tun lässt, an Sonn- und Feiertagen vor die Bürgerstube im Rebstock. dem Rebstockwirtshaus nach dem Morgengottesdienst durch den Ortsdiener mit Ankündigung der Ortsschelle 24.7.1895: Für die Schulkinder sollen 25 Stück „Erin- verkündet werden und diese Verkündigungen sollen nerung vom deutschen-französischen Krieg 1870/71“ a in Zukunft als ortsübliche Bekanntmachung gelten. 12 pf angeschafft werden.

44 Kapitel 9 – Die Ratsprotokolle

12.8.1898: Dem Projekt der Wasserleitung, welche ge- 22.10.1903: Zu der am 30. Oktober stattfi ndenden plant ist aus dem Weissenbach ins Dorf, soll mit Pfarr- Landtagswahl wurde die Wahlkommission heute er- haus, Schulhaus und neu zu stellendem Rathaus beige- nannt: Dieselben haben sich am Wahltag vor 12 Uhr treten werden. auf dem Rathaus einzufi nden. Als Wahllokal wird be- stimmt der Bürgersaal im Rathaus. 20.10.1899: …daß der Gemeinderat die Glocke auf dem Rebstock als Eigenthum der Gemeinde betrachtet. 31.7.1904: Die (alte Gemeinde-) Glocke auf dem Reb- stock soll den Gebrüder Huninger angetragen werden 18.2.1900: Die Bürgerausschusssitzung soll am 22. Fe- zum Verkauf. bruar im neuen Rathaus stattfi nden und zwar 4 Uhr. 8.8.1904: Die Gemeinderatswahlen sollen am nächsten 13.12.1901: Das Besorgen der Straßenlaternen wird Samstag von 3 bis 5 Uhr nachmittags abgehalten wer- dem Nachtwächter Scheurer übertragen zum 1. Janu- den im Rathaus, Bürgersaal. ar 1902 mit einem jährlichen Gehalt von 20 M und das Petroleum für Laternen und Wachtstube liefert die Ge- 30.11.1904: Dem Ratschreiber Huber wird seine Einga- meinde, ebenso die Kleider. be um Gehaltserhöhung genehmigt auf den jährlichen Betrag von 400 Mark. 23.4.1902: Die Schulkinder sollen am Festtage Sei- ner Königlichen Hoheit des Großherzogs Jubiläum ei- 31.12.1904: Dem Musikverein wurden die 25 M Erhö- nen Weck erhalten. Das Backen soll allen vier Bäckern hung, also jährlich 100 M für Spielen wie seither und gleichheitlich vergeben werden. Die Festlichkeit soll ge- Musikprobe, genehmigt. Das Abhalten von Musikpro- halten werden mit Festzug in Kirche, Militär und Feu- ben im Rathaus ist nicht genehmigt. erwehrverein. Den beiden Vereinen wird ein Festtrunk bewilligt pro Mann 1 Liter Bier am Festtage auf Kosten 17.5.1905: Die Glocke auf dem Rebstockwirtshaus der Gemeindekasse und sind die Lehrer einzuladen mit soll ab demselben entfernt und in das Rathaus vorläu- den Schulkindern. fi g verbracht werden, ebenso die dort befi ndliche Uhr. Die Glocke soll vorläufi g behalten und nicht verkauft 8.6.1903: Ein besonderer Grabplatz für den verstorbe- werden. nen Bürgermeister Lehmann wird von der Gemeinde unentgeltlich abgegeben.

45 5.9.1906: Den Schulkindern wird ein Weck bewilligt 21.1.1914: Wegen Versorgung der Gemeinde Ohls- zum Andenken an S.K.H. des Großherzogs 80 jähriges bach mit elektrischem Licht wird beschlossen, dass dem Jubiläum für 190 Stück, welche durch Bäcker Schwö- Großherzoglichen Bezirksamt mitgeteilt wird, dass wir rer gebacken werden sollen. Dem Militärverein wird an die Gesellschaft ersuchen um Zusendung der Bögen zur diesem Fest ein Trunk bewilligt mit 2 Glas Bier und 1 etwaigen Anmeldung. Brezell. Dem freiwilligen Feuerwehrverein desgleichen. 6.9.1914: In heutiger Sitzung anwesend Bürgermeister 11.7.1907: Der Gemeinderat ist damit einverstanden, Braun und die Mitglieder Huber, Fritsch und Bächle. Die dass die Nachtwache aufgehoben werden soll und zwar beiden Otter und Lehmann sind im Krieg einberufen. vom 1. September 1907 ab. An Stelle derselben soll ein (…) Die Polizeistunde wird während des Krieges hier auf zweiter Polizeidiener ernannt werden, und zwar vor- 10 Uhr festgesetzt. läufi g soll für denselben kein fester Gehalt ausgewor- fen werden, sondern nach Bedarf den Taglohn auszu- 21.11.1915: Der Gemeinderat ist mit der Abgabe der bezahlen. Glocke (die alte Ratsglocke?) als Altmetall nicht einver- standen und ist der Ansicht, dass wo möglich dieselbe 28.7.1907: Es wurde unter heutigem beschlossen, dass noch zurückbehalten werden möchte zu Verwendung in Zukunft für Zähneplompieren aus der Krankenversi- nötiger Gemeindezwecke auf Kapellen etc., indem die- cherungskasse auszubezahlen untersagt wird. selbe schon vom Jahre 1600 her stammt und als Alter- tum angesehen werde und ein schönes Andenken ist. 30.7.1911: Die Schwesternwohnungen im Rathaus sol- len hergestellt werden wie von den Oberen derselben 14.3.1918: Als Abwehrsignal bei Fliegergefahr wird verlangt und im Schreiben angeführt. Zum Erstellen bestimmt, dass eine Glocke auf der Kirche sofort ange- der Dachzimmer soll ein Planfertiger beauftragt wer- zogen werden soll in drei Absätzen, was ortsüblich be- den. (Franziskanerinnen übernahmen die Pfl ege der kannt gegeben werden soll. Kranken und Alten im Ort). 10.10.1918: (Das Ende des Ersten Weltkrieges naht, die 29.11.1911: Wegen Abgabe der Glocke vom Rebstock Stimmung ist gespannt, auch in Ohlsbach:) Wegen der an Gemeinde Niederschopfheim; wird abgelehnt und Beleidigung Josef Heid gegen den Gemeinderat, wel- soll als Altertum behalten werden. cher gesagt hat, dass der Gemeinderat hier aufgehängt gehört, aber es ist schade um das Seil. Dieses soll dem Bezirksamt angezeigt werden zur Bestrafung.

46 Kapitel 9 – Die Ratsprotokolle

28.1.1920: Das Mutterhaus (der Franziskanerinnen) 10.3.1925: Das Kreisschulamt hat ersucht, die Schul- in Gengenbach hat eine Erhöhung der Aufwandsent- kinder einmal im Jahr zahnärztlich untersuchen zu las- schädigung für die Ohlsbacher Krankenschwestern um sen. Dies wird im Hinblick auf den geringen gesund- 80 Mark je Schwester beantragt. Diese Erhöhung wur- heitlichen Wert abgelehnt. de genehmigt, es wird den Schwestern zu den Verpfl e- gungskosten eine monatliche Zulage von 2 Mark ge- 21.10.1925: Die Dienstauszeichnung des Bürgermeis- reicht. ters soll bei der Umprägung derselben als geschichtli- ches Zeugnis unverändert zurückbehalten werden. Da- 19.10.1923: Die Erwerbslosenunterstützung soll künf- für soll eine neue Medaille mit dem Gemeindewappen tig weiter erhalten werden, aber es muß dafür jeden beschafft werden. Tag 4 Stunden gearbeitet werden. (Ablehnungen einer Unterstützung wurden beispielsweise damit begründet, 19.2.1926: Am Totengedenktag 28.2. soll jeder Krieger „Da der Stiefvater einen auskömmlichen Verdienst bei eine Bierspende von circa einem Liter und eine Bret- der Bahn hat“ oder „da Arbeitsmöglichkeit besteht.“) zel erhalten.

16.2.1924: Mit dem neu gewählten Bürgermeister Adolf 27.10.1926: Das Zimmer des ländlichen Kreditvereins Wild wird Vereinbarung über die Besoldung in der Wei- im Rathaus wird als Kassenzimmer des Gemeinderech- se getroffen, dass er nach den Sätzen der Reichsbesol- ners bestimmt, dem ländlichen Creditverein wird als dungsverordnung mit sämtlichen künftigen Änderun- Kassenzimmer das Zimmer im zweiten Stock des Ge- gen nach Gruppe VII bezahlt wird mit der Maßgabe, meindeneubaus zugewiesen. dass das Dienstalter und die Arbeitsstunden zugrunde gelegt werden. Als Zeitaufwand wurden zugrundege- 26. 11. 1928: Gehälter: Bürgermeister 130 Reichs- legt: für ordentlichen Zeitaufwand täglich drei Arbeits- mark, Ratschreiber 185 RM, Gemeinderechner 108 RM, stunden, Entschädigung für außerordentliche Aufwen- 2 Polizeidiener 66 RM, 2 Forstwarte 89 RM, Feldhüter dungen täglich eine Arbeitsstunde. 45 RM, 2 Wegwärter 45 RM, Lichtmeister 60 RM, Wie- senwächter 30 RM, Schulreinigerin 52 RM, Rathausrei- 5.11.1924: Wie in früheren Jahren wird in diesem Jahr nigerin 20 RM, Heizer 17 RM. an die hiesigen Kinder wieder der Martinsweck ausge- geben. Zu diesem Zweck sollen etwa 40 M ausgege- ben werden.

47 Ohlsbach 1933 bis 1945 „Gegen die Befl aggung des Rathauses durch die Hakenkreuzfahne wird kein Widerspruch erhoben“

Die Reichstagswahl vom 31.7.1932 hatte in Ohlsbach folgendes Ergebnis erbracht: NSDAP 265 Stimmen, Zentrum 277 Stimmen. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler (30.1.1933) und nach der Reichstags- wahl vom 5.3.1933 (die Nationalsozialisten erhielten im Reich 52% der Stimmen) war der Weg für die NS- Diktatur frei.

Am 10.4.1933 erhielt die Gemeindeverwaltung Ohls- bach ein amtliches Schreiben des Offenburger Bezirk- samtes mit dem Stempel: „Sofort!“ Es bezog sich auf die „Durchführung des Gleichschaltungsgesetzes in den Gemeinden“ und stellte für die Gemeinde Ohlsbach die Sitzverteilung in Gemeinderat und Bürgerausschuss neu fest, wie sie nun nach dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5.3.1933 sich ergeben hatte. Ohne Berücksichti- gung der verbotenen Kommunistischen Partei und der Sozialistischen Kampfgemeinschaft galt: 339 Stimmen für die NSDAP, 281 für das Zentrum, 8 für die Sozialde- mokratische Partei, 2 Deutsche Volkspartei, 2 Deutsche Bauernpartei, 3 Kampffront Schwarz-Weiß-Rot. Für die Sitzverteilung im Gemeinderat bedeutete dies: 2 Sitze NSDAP, 2 Sitze Zentrum. Im Bürgerausschuss besaß die NSDAP 6, das Zentrum 4 Sitze. Zum Vergleich: In der Riedgemeinde Altenheim bestimmte allein die NSDAP im Gemeinderat. In Weier dagegen war die NSDAP mit einem Sitz gegen drei Zentrumsitze in der Minderheit. Im Juli 1933 löste sich die Zentrumspartei freiwillig selbst auf. Damit hatten auch die Ohlsbacher Gemein- Obst- und Gartenbau J. Kühnis vor dem Ohlsbacher Rathaus deräte dieser Partei ihr Mandat verloren. Das Einpar-

48 Kapitel 10 – Ohlsbach 1933 bis 1945

teiensystem war auch auf der kommunalen Ebene er- Über den Bürgermeister Lurk in Bohlsbach: „Derselbe richtet. äußerte kurz vor der Wahl vom 5.3.1933: Wer Hitler wählt gehört erschosssen!“ Über Bürgermeister Immen- Im Ratsprotokollband 6 (1928 – 1938) ist über die nun schuh in Windschläg: „Gehässig gegen die NSDAP ein- folgenden Jahre zu lesen: gestellt. Beschimpfte die Nationalsozialisten als Hitler- 7.3.1933: Gegen die Befl aggung des Rathauses durch strolche, Gauner usw. und erklärte, Hitler einzig und die Hakenkreuzfahne wird kein Widerspruch erhoben allein sei an den schlechten Zeiten schuld.“ Über Bür- und soll weitere Weisung abgewartet werden. germeister Schumacher in Zell a.H.: „Unter seinem Vor- sitz lehnte der noch nicht gleichgeschaltete Gemeinde- 8.4.1933: Anläßlich des Geburtstages des Reichskanz- rat am 27.4.1933 die Verleihung des Ehrenbürgerrechts lers Adolf Hitler soll eine Feier veranstaltet werden, zu an Adolf Hitler und die Umbenennung zweier Straßen der die hiesigen Vereine eingeladen werden. Der Betrag in Adolf-Hitler- und Hindenburg-Straße ab.“ für den Trunk, welche die Vereine anläßlich der Betei- ligung an den kirchlichen Feierlichkeiten erhielten, soll 23.5.1933: Auf den Antrag der SA um Überlassung ei- zu dieser Feier ausgegeben werden. nes Saales zum Zweck der Abhaltung von Appell und Versammlung wird ihr der Fortbildungsschulsaal an- 20.4.1933: Folgende Straßen werden neu benannt: gewiesen. Dorfstraße: Adolf-Hitler-Straße, Bahnhofstraße: Ro- bert-Wagner-Straße (Gauleiter). 22.6.1933: Es soll der Antrag gestellt werden, daß die Wahl des Bügermeisters durch den Bürgerausschuß er- Man konnte zu diesem frühen Zeitpunkt auch noch folgen soll, da bei unmittelbarer Wahl durch die Wahl- anders reagieren. In deutlichem Kontrast zum Ohls- berechtigten die Gefährdung der öffentlichen Ruhe und bacher Protokoll steht nämlich dieser Bericht des Ordnung zu besorgen ist. Vorstehender Beschluß er- NSDAP-Kreisleiters Dr. Wolfram Rombach (spä- folgte gegen eine Stimme des Zentrums. ter Oberbürgermeister in Offenburg bis 1945) vom 17. Juli 1933 über vier Ortenauer Bürgermeister. Über 7.11.1933: Die alte Tradition der Ausgabe des Mar- den Gengenbacher Bürgermeister Mack urteilte Rom- tinsweckens an die Kinder soll wieder aufl eben. Zu die- bach: „Gehässiger Gegner der NSDAP, weigerte sich, die sem Zweck soll der Tag der Ausgabe schulfrei sein. Der Hakenkreuzfahne nach dem 5.3.1933 aufzuziehen, er- Gemeinderat beteiligt sich geschlossen an dieser Feier. teilte im April 1933 jüdischen Anwälten noch Mandate.“

49 23.5.1934: Für die NS-Volkswohlfahrt soll im Rat- 27.10.1936: Die Kosten für den Zimmereinbau im hauskeller ein Raum hergerichtet und zur Verfügung zweiten Stock im Rathaus werden von der Gemeinde gestellt werden. übernommen. Die Benützerin dieses Zimmers als Kas- senzimmer, die Spar- und Darlehenskasse Ohlsbach, 5.12.1934: Die Bürgermeisterstelle wird in eine Berufs- hat dagegen an dem Mehraufwand für Reinigung jähr- bürgermeisterstelle anstelle der ehrenamtlichen umge- lich den Betrag von 25 RM zu zahlen. Als Fliegeralarm wandelt. wird das Läuten mit den Kirchenglocken bestimmt.

24.4.1935: Es soll das Buch „Mein Kampf“ von Adolf 29.4.1937: Die Teilnehmer an den Veranstaltungen Hitler in zwei Exemplaren, das eine für die Schülerbib- zum 1. Mai 1937 erhalten als einen Freitrunk zwei Glas liothek, das zweite für die Öffentlichkeit zugänglich be- Bier und eine Bretzel, desgleichen die Frauen, welche schafft werden. bei der Schmückung des Rathauses beschäftigt sind und die Holzhauer, welche den Maibaum stellen. 23.9.1935: Dem Bürgermeister stehen drei Beigeord- nete zur Seite. Die Zahl der Gemeinderäte beträgt vier. Das „Fahrnis-Verzeichnis der Gemeinde Ohlsbach“ no- Der Bürgermeister trägt bei feierlichen Anlässen die tierte für das Rathaus im Jahr 1936 folgendes Inven- badische Amtskette. Er erhält eine Aufwandsentschä- tar: 50 Stühle, 8 Bänke, 11 Tische, 18 Schränke und Re- digung von jährlich 1440 RM netto. gale, 1 Radio mit Lautsprecher, 25 Stempel und Siegel, 19 Bildertafeln, 16 Beleuchtungskörper, 3 Tintengefä- 2.10.1935: Auf Anregung der Kreisleitung sind sämt- ße, 2 Fahnen, Wanduhr, Kohlebecken, Vervielfältiger, liche Ortsanwohner, die sich in den NS-Organisatio- 2 Wahlurnen, 96 Bibliotheksbücher, eine Kleiderbürste. nen nicht betätigen oder ihren Kindern die Betätigung Für den Polizeidiener wurden registriert: eine Schel- untersagen, sowie solche, welche mit Juden geschäft- le, Dienstkleider und eine Aktenmappe. Im Vergleich lich verkehren, von allen Arbeiten der Gemeinde aus- mit dem Schulhaus-Inventar ergibt sich übrigens ein zuschließen. Der Gemeinderat hat gegen dieses Vorge- bezeichnender Hinweis: im Rathaus hing kein einziges hen nichts einzuwenden. Kruzifi x mehr, im Schulhaus dagegen waren noch vier verzeichnet. Über die Lage im Kinzigtal während des 21.12.1935: Die Kosten der Weihnachtsfeier für die Krieges und bis zur endgültigen Niederlage der Dikta- Hitlerjugend, BDM und Jungvolk werden von der Ge- tur unterrichtet die Literatur. Die Zeitschrift des His- meinde übernommen. torischen Vereins für Mittelbaden, „Die Ortenau“, hat

50 Kapitel 10 – Ohlsbach 1933 bis 1945

1995 zum Gedenken an das Kriegsende vor 50 Jah- Offenburg wurde am 15. April zwischen 14 und 16 Uhr ren die Informationen zusammengetragen. Franz Voll- kampfl os übergeben. Schwere Gefechte bei Ortenberg mer hat darin aus den Meldungen und Kriegstagebü- verzögerten dann zunächst das Vorrücken ins Kinzig- chern der beteiligten deutschen Einheiten den Rückzug tal. Am 16. April begann dann der französische An- und die militärische Besetzung der Ortenau im Ap- griff. Noch wachten Volkssturmmänner mit Panzersper- ril 1945 rekonstruiert. „17. April: Feind ist im Begriff, ren vor der Ortenberger Kirche. Doch die französischen aus der Rheinebene die Taleingänge bei und Truppen durchbrachen diese Verteidigung und am das Kinzigtal beiderseits der Taleingänge mit Schwer- 17. April wurde Ohlsbach besetzt. punkt bei Kinzigtal zu öffnen. (…) Landesschützenba- taillon 406 hält Hohes Horn. Von Ortenberg stieß Geg- ner gegen Ohlsbach vor. Zunsweier wurde von Süden genommen.“ Die „vordere Linie“ der Front lag zu die- sem Zeitpunkt von „Westrand – Hohes Horn – Westrand Ohlsbach – Westrand Berghaupten“.

Bekanntlich gab es gerade in den letzten Tagen noch fanatische Nazis, die mit allen Mitteln versuchten, das unabwendbare Ende aufzuhalten. Doch überall gab es nun auch Widerstand gegen die letzten militäri- schen Aktionen vor Ort. Angesichts der näherrücken- den Panzer leisteten einige Ortenauer, teilweise unter Todesgefahr, Widerstand und verübten Sabotage. „In Zell-Weierbach und Rammersweier entfernten Männer Panzersperren. In Hofweier hinderte die Bevölkerung den NS-Bürgermeister an der Flucht, holte ihn vom Fahrrad herunter und zwang ihn, mit einer Abordnung nach Höfen zu gehen und die kampfl ose Übergabe des Dorfes anzubieten.“

Versammlung vor dem „Rebstock“, 1930er Jahre

51 An eine wahrhaft christliche Tat während dieser letzten Friedhof. Drei niedrige Steinkreuze hinter dem Ehren- Kampfhandlungen erinnert sich der damals 16-jährige mal erinnern heute noch an diese Gefallenen. Mehrere Hermann Brüderle: Als am 17. April die französischen Einwohner Ohlsbachs haben übrigens gesehen, wie bei Panzer von Ortenberg her durch den Schlauch vorrück- der Besetzung des Rathauses durch die Franzosen die- ten, versteckten sich vier deutsche Soldaten mit ihrem se regelrecht im Haus gewütet haben: aus den Fenstern Geschütz zwischen einem Haus und der Gartenmauer. fl ogen Dokumente und alte Urkunden. Zumindest in ei- Im Keller des Hauses hatten sie die Munition versteckt. nem Ohlsbacher Haushalt liegt seitdem noch das Ori- Und damit feuerten sie nun auf die heranrückende ginal einer „Rechnung über alle Einnahm und Ausgab Front. Die Panzer schossen zurück, ein Haus stand so- der Gemeinde Ohlspach“ aus dem Jahr 1788. Vielleicht fort in Flammen. Es blieb den Deutschen schließlich fi ndet sie irgendwann wieder in das Archiv zurück? nur noch die Flucht den Berg hinauf. Einer nach dem anderen wurden sie dabei tödlich getroffen. Der letzte Wie Ohlsbach nach dem Kriegsende aussah, geht aus war schon fast oben auf der Anhöhe, als er von einer mehreren amtlichen Schreiben hervor. Der kommissari- Granate zerfetzt wurde. Als die Front vorüber war, tru- sche Landrat Vierneisel schrieb am 24. April 1945, also gen der Vater von Hermann Brüderle und zwei Nach- nur wenige Tage nach dem Einmarsch der Franzosen, barn die sterblichen Überreste zusammen und fuhren an die Bürgermeister des Landkreises Offenburg: sie mit einem zweirädrigen Karren auf den Ohlsbacher „Im Auftrag der Behörden der Militärregierung sind die aus den anliegenden Verfügungen ersichtlichen Fragen binnen 36 Stunden zu beantworten.“ Beigelegt war ein Schreiben des Kommandanten der Militärregierung mit der Aufforderung, Berichte abzugeben zu Punkten wie „Augenblickliche Bevölkerungszahl, Zustand der Ar- chive der verschiedenen Gemeindeverwaltungen, Zahl der Waffen und Munition, Bezeichnung und Adres- se der Parteieinrichtungen der NSDAP und aller ihrer Gliederungen, Vermögensstand der Partei.“

Die Antwort der Gemeinde zur damaligen Lage: „1079 Einwohner, Parteieinrichtungen: NSDAP Ortsgruppe Ehrenmahl vor dem Friedhof Ohlsbach, NSV, HJ Ohlsbach, NS-Frauenschaft,

52 Kapitel 10 – Ohlsbach 1933 bis 1945

Vermisste und Gefallene im 2. Weltkrieg diese Formationen bestehen nicht mehr, Vermögen 27 leichtbeschädigte Gebäude. Die Minenfelder sind nicht mehr vorhanden. Verzeichnis der öffentlichen geräumt. In der Gemeinde sind neun Polen und 17 Rus- Beamten nach dem Stand vom 1.3.1945: Bürgermeis- sen. Die von den Zivilpersonen abgegebenen Waffen ter Josef Bächle, Ratschreiber Michael Huber, Gemein- und Munition lagern im Rathaus und im Spritzenhaus. derechner Hermann Huber.“ Im Rathaus untergebracht ist das Geschäftszimmer der Spar- und Darlehenskasse. Es fehlen Arbeitskräfte für Zur Ernährungslage: „Für Selbstversorger ist die Er- die Landwirtschaft. Die Kirche ist leicht beschädigt, es nährungslage vorläufi g gesichert, für Normalverbrau- kann aber Gottesdienst darin abgehalten werden. Ver- cher sind Vorräte nicht mehr vorhanden; Lebensmit- zeichnis der Lager an Material, welche von der deut- telgeschäfte August Suhm, Alfons Bruder, Heinrich schen Wehrmacht stammen: Schulhaus Ohlsbach - alte Ehret.“ Aus dem Gesundheitsbericht: „Keine Seuchen Bekleidungsstücke, Decken, Gasmasken, Schuhfett; bei Mensch und Tier, Krankenpfl ege erfolgt durch die Weissenbach Bunker - Waffen und Munition; Rathaus- katholischen Krankenschwestern Rosina und Primi- keller - Munition; Spritzenhaus - Munition.“ tis. Öffentliche Dienste: Das Wasserversorgungsnetz ist nicht beschädigt, elektrische Leitung ist beschädigt, Was in diesen ersten Aufzeichnungen fehlt, das ist eine Gemeinde ist ohne Licht. Kanalisation ist nicht vorhan- Liste mit der Zahl der Opfer von Diktatur und Krieg. den, zwei Brücken sind beschädigt, Eisenbahn und –an- Allein 70 Ohlsbacher Männer sind gefallen, viele ver- lagen ebenfalls beschädigt, der Straßenzustand ist nor- misst. Das Gefallenen-Ehrenmal vor dem Friedhof ver- mal. Gelder der Gemeindekasse genügen zur Deckung zeichnet 100 Namen. der Ausgaben für etwa 3 Monate. An Fahrzeugen sind vorhanden: 6 PKW, u.a. Pfarrer Meier, 1 LKW, 1 Bull- dog.“ Der allgemeine Zustand des Dorfes wurde so be- schrieben: Neun zerstörte, 19 schwerbeschädigte und

53 Die Neuzeit im Rathaus seit 1945

Was hat sich nach dem Jahr 1945 in der Gemeinde ge- 20. Juni 1948 an die Bevölkerung verteilt: 40.- DM pro tan, was hat sich im und um das Rathaus herum abge- Kopf. In Ohlsbach erledigte die Geldausgabe Ratschrei- spielt? Dazu studiert man neben den Archivakten am ber Michael Huber und seine Tochter Zita in Anwe- besten auch die örtliche Presse, in diesem Fall das Of- senheit des Bürgermeisters Andreas Fischer. Hilde Buß: fenburger Tageblatt. Das jeweils aktuelle Tagesgesche- „Plötzlich kam ein Mann, den man nicht kannte, sehr hen kann man darin gut verfolgen. Ein ortsbezogenes aufgeregt mit einer Aktentasche und sagte, er müsse das Pressearchiv mit sorgfältig eingeklebten Ausschnitten Geld mitnehmen. Es sei von den Russen eingeschmug- hat Franziska Benz von 1957 – 2001 aus dieser Zeitung gelt worden und sei gefälscht! Dem Ratschreiber kam zusammengestellt. Die Nichte von Frau Benz, Frau Si- die Sache verdächtig vor. Er rief vom Nachbarzimmer erra, hat großzügig Einsicht in die vielen Ordner ge- aus die Polizei an, die ihm sagte, er solle den Mann währt. Sehr hilfreich war dabei ein Register mit kurzen festhalten bis zu ihrem Eintreffen. So geschah es. Der Inhaltsangaben, das Frau Irene Strahlendorf über die- Mann erwies sich natürlich als Betrüger, der auf diese se Sammlung erstellt hat. Auch das Thema Rathaus hat Art an das neue Geld kommen wollte.“ darin eine eigene Abteilung bekommen. Und über die jüngere Vergangenheit hat außerdem Frau Hilde Buß Am 15. April 1950 erschien die Nr. 1 des Amtlichen Informationen gesammelt, die sie zur Verfügung ge- Verkündigungsblattes der Gemeinde Ohlsbach. Von stellt hat. Das ist in diesem Fall besonders von Inter- esse, weil Hilde Buß eine der beiden ersten Frauen im Ohlsbacher Gemeinderat war. Aber sie hat eine weitere enge Verbindung mit dem Rathaus. Denn als die neue Bücherei im rustikalen Speicherraum des Rathauses der Öffentlichkeit 1985 übergeben wurde, betreute sie zusammen mit Ratschreiber i. R. Richard Huber diese öffentliche Bibliothek. Verläßliche Quellen und Zeit- zeugen gibt es also.

Die junge Bundesrepublik erlebte 1948 die Währungs- reform. Die DM wurde offi zielles Zahlungsmittel. In geheimen Transporten war die Währung von Amerika nach Deutschland gebracht worden und wurde nun am Musikumzug vor dem Rathaus, 1950

54 Kapitel 11 – Die Neuzeit im Rathaus seit 1945

nun an erfolgten hier die Informationen über alle we- beamte hatte sich bald das Vertrauen seiner Mitbürger sentlichen Angelegenheiten. Zum Geleit informierte erworben. Bereits 1909 wurde ihm das Amt des Hilfs- die Gemeindeverwaltung: ratschreibers übertragen. Nach dem Tod des Vaters er- „Wie bereits bekannt gegeben, hat das Ortsverkündi- hielt er 1919 die Ratschreiberstelle. Als Vertreter der gungswesen in hiesiger Gemeinde insofern eine Ände- Gemeindeverwaltung würdigte Bürgermeister-Stellver- rung erfahren, daß anstelle des bisherigen Ausrufs an treter Hermann Echle die Verdienste des Verstorbenen, Sonn- und Feiertagen vor dem Rathaus ein Ortsver- der nahezu 50 Jahre in aufopfernder und selbstloser kündigungsblatt herausgegeben wird, das jeden Sams- Hingabe als Beamter treu und gewissenhaft der Dorf- tag erscheint. Eine Bekanntgabe vor dem Rathaus und gemeinschaft gedient hat.“ ein Anschlag an den Ortsverkündigungstafeln erfolgt nicht mehr.“ Allerdings, so hieß es, werde es eine klei- Bürgermeister Waldvogel versprach nach seiner Wahl ne Ausnahme geben, denn „unaufschiebbare Bekannt- 1967: „In Bürgerversammlungen soll künftig die Ein- machungen können die Woche hindurch immer noch wohnerschaft über alle Vorhaben der Gemeinde aufge- durch die Ortsschelle verkündet werden.“ Und das klärt werden, und der Bürger selbst soll seine Ansich- machten, so erinnert sich Hilde Buß, noch bis ca. 1970 ten dazu offen und frei äußern können“ – aus heutiger die Ortsdiener Ludwig Spitzmüller und Andreas Wuß- Sicht kann man diese Schwerpunktsetzung kaum mehr ler. Übrigens hatte Ludwig Spitzmüller im September verstehen, denn es ist längst eine Selbstverständlich- 1939 den Beginn des Krieges ausgeschellt! Während keit geworden, den Bürger zu beteiligen – und das war des Krieges machte dann Erwin Bruder mit der Schelle es natürlich auch damals schon. Bürgermeister Wald- auf wichtige Bekanntmachungen aufmerksam. vogel hatte übrigens nicht allzuviel Zeit, seine guten Absichten umsetzen zu können. Er wurde nach weni- Altratschreiber Richard Huber (er trat 1983 in den Ru- gen Monaten verhaftet im Zusammenhang mit einer hestand) hat 1952 als Nachfolger seines Vaters Michael Unterschlagung, die er vor seiner Ohlsbacher Zeit be- das Amt des Ratschreibers übertragen bekommen, so- gangen hatte. dass nun schon in drei Generationen der Ratschreiber- dienst von der Familie Huber versehen wurde. Denn als An Fasnacht war der Bürgermeister aber noch fröhlich Michael Huber 1967 zu Grabe getragen wurde, schrieb unterwegs gewesen: „Während das Stadtoberhaupt von die Presse: „Nach seiner Schulausbildung trat er in den Ohlsbach mit Gattin beim Korallenball weilte, haben Dienst der Gemeindeverwaltung, wo er in seinem Vater die Narren das Ohlsbacher Rathaus zugemauert.“ einen tüchtigen Lehrmeister fand. Der junge Gemeinde-

55 Bau der Minigolfanlage, 1977

BauBaau derdder StichstraßeSStiichhsttraßße zwzwischeniischhen RRathausatthhaus VerputzenVerputtzen desddes Rathauses,RRathhausess, 19771977 und Volksbank, 1974

56 Kapitel 11 – Die Neuzeit im Rathaus seit 1945

Als Altbürgermeis- Bruder gefragt, ob ich denn nicht kandidieren wolle. ter Wilhelm Wußler Es war in jener Zeit noch nicht üblich, dass Frauen in starb, war man ein- der Kommunalpolitik aktiv waren, und ich musste erst hellig der Meinung: mit meiner Familie sprechen. Aber für mich war längst „In seiner Amtszeit klar: ich wollte es. So kam ich auf die CDU-Liste. Ich (1948 – 1967) wurden kann mich noch gut an Gespräche erinnern, als mich Werte geschaffen, die auch Frauen fragten: Ja, hat das denn Dein Mann zu- mit dem Namen des gelassen? Manche trauten einer Frau noch keine eigene Verstorbenen in die Entscheidungsfähigkeit zu. Herrn Plohmann und Bür- Geschichte von Ohls- germeister Stecher konnte ich immer fragen, sie gaben bach eingehen wer- mir gern Auskunft, ich hatte ja zunächst wenig Ah- Wilhelm Wussler den.“ Auch an die ein nung vom Gemeindehaushalt usw. So sah der Anfang oder andere Angewohnheit des starken Rauchers erin- aus – aber ich war lernfähig, und mit der Zeit machte nern sich Zeitgenossen noch im Jahr 2008, etwa dass mir die Gemeinderatsarbeit sehr viel Freude, sie brachte sein Büro deshalb recht verqualmt war, „fast schwarz“. aber auch Verantwortung mit sich. Fünf Jahre war ich Oder dass er als vielbeschäftigter Landwirt auch in dann auch 2. Bürgermeister-Stellvertreterin. Diese vie- Feldarbeitsmontur zu Rathausterminen erschien oder len gesellschaftlichen Verpfl ichtungen und Begegnun- in Pantoffeln mit dem Fahrrad zum Dienst kam. Ihm zu gen haben mich geprägt und mein Leben bereichert. Ehren wurde eine Straße benannt. Ich würde es wieder machen. Damals, 1980, war ich eine von den Jüngsten gewesen – am Ende meiner Tä- Ein besonderes Datum in der Geschichte der Ohlsba- tigkeit nach 19 Jahren gehörte ich zu den Ältesten“. cher Kommunalgeschichte ist das Jahr 1980. Denn da- mals traten Heidi Herzbach und Hilde Buß als erste Ge- Heidi Herzbach: „An die Zeit von 1980 bis 1984 als meinderätinnen ihren ehrenamtlichen Dienst an. Im erste Gemeinderätin der SPD im Ohlsbacher Gemein- Rückblick auf jene Jahre schrieben sie ihre Eindrücke derat denke ich mit gemischten Gefühlen zurück. Ge- von damals auf. mischte Gefühle deshalb, weil ich heute den Eindruck habe, viel Zeit und Energie für die Umsetzung von Ideen Hilde Buß: „Da ich mich schon immer für Politik inte- mehr oder weniger verschwendet zu haben. Eines mei- ressiert habe und auch öfters schon in einer Gemein- ner Ziele war es damals z.B. gewesen, in Ohlsbach deratssitzung gewesen war, wurde ich 1980 von Erwin verkehrsberuhigte Zonen zum Schutz der Anwohner,

57 Volksfest nach Bekanntgabe der Goldmedaille „Unser Dorf 750-Jahr-Feier vor dem Julius-Bruder-Haus, 1984 soll schöner werden“ auf dem Dorfplatz am 11.09.1979

DorffestDDoorffest 1988

Wettbewerbsbild für „Unser Dorf soll schöner werden“, Ohlsbacher Trachtengruppe bei der 750-Jahr-Feier, 1984 etwa 1978

58 Kapitel 11 – Die Neuzeit im Rathaus seit 1945

besonders der Kinder zu schaffen. Doch für dieses Vor- Hilde Buß vom Büchereiteam haben gab es damals noch keine Mehrheit im Gemein- erinnert sich an den Tag der derat. Erst später wurden 30er-Zonen eingerichtet, eine Neueröffnung der Bibliothek kleine Genugtuung. Aber bis heute existiert keine ein- im Julius-Bruder-Haus 1999: zige Spielstraße im Dorf. Es wird immer noch zu schnell „Die Gemeindebücherei in Ohls- Auto gefahren; Radfahrer wie ich leben gefährlich. bach wurde am 19.7.1985 eröff- net. 14 Jahre lang befand sie sich im Als weiblicher und hochdeutsch sprechender Neuling gemütlichen Rathausspeicher, der aber allmählich aus in der Kommunalpolitik, der sich außerdem noch zur den Nähten platzte. Außerdem war es vielen zu an- Opposition bekannte, erlebte ich viele lange Sitzun- strengend, die vielen Treppenstufen hinaufzusteigen. gen unter Bürgermeister Otto Stecher, in deren Verlauf Im Herbst 1999 zog sie in das ehemalige Wohnhaus es auch oft zu Auseinandersetzungen kam, deren Ton von Julius Bruder in der Dorfstraße 1 um, direkt ne- leider manchmal heftig war. Vor allem mein hochge- ben dem Rathaus. Hier ist mehr Platz, neue Titel kön- schätzter Ratskollege Martin Riedel bekam dies zu spü- nen im Schaufenster ausgestellt werden, und die Bü- ren. Trotz aller Widrigkeiten war es für mich eine span- cherei, ebenerdig gelegen, ist leicht zugänglich. Dies nende Zeit, in der ich vieles lernen konnte, was sich in drückt sich bereits in gestiegenen Leserzahlen aus, die meinem späteren Beruf als Sozialarbeiterin als nützlich sich nach dem Umzug nahezu verdoppelt haben. Die erwies. Gerne denke ich zurück an die vielen guten und häufi gsten Besucher unserer Bücherei sind Kinder und wertvollen Begegnungen mit Frauen und Männern in junge Familien.“ Ohlsbach und anderswo. Sie haben mein Leben berei- chert und wirken bis heute noch nach.“ Das Rathaus als Ort der deutsch-französischen Freund- schaft: Im Jahr 2000 stießen Horst Wimmer und sein Bei einer Bürgermeisterwahl gingen einmal die Stimm- Boerscher Amtskollege Gerard Lehmann auf die Freund- zettel aus! Die Wahl musste wiederholt werden. Seither schaft ihrer Gemeinden an. Am 22. Oktober 1988 war werden die Wahlberechtigten genau gezählt und mit ein erster Kontakt von Ohlsbach aus zur Stadt Boersch der Anzahl der zur Verfügung stehenden Stimmzettel geknüpft und 1991 der Partnerschaftsbrunnen einge- verglichen. weiht worden. Seither erlebte diese Freundschaft viele Begegnungen. Sie ist ein unverzichtbarer Teil des Orts- geschehens geworden.

59 Das Julius-Bruder-Haus

Einen Teil des neuen Rathauses bildet ein Gebäude, das zum Hohen Horn hinauf und zu anderen schönen Plät- als „Julius-Bruder-Haus“ in der Gemeinde bekannt ist. zen. Jene sprechenden Bezeichnungen wie „Aufzug“, Es ist kein altes Haus, sondern es wurde von dem Kauf- „Philosophen-Pfad“, „Riesenrad“ u.a. stammen von mann und Lebensmittelhändler Julius Bruder Mitte der ihm. Im Jahr 1981 gab er in Eigeninitiative eine Wan- 50er Jahre errichtet. Bruder (geb. 1915) war ein origi- derkarte heraus, die seine Routen- und Namensvor- neller und kreativer Mensch, der in der Gemeinde ge- schläge enthielt. Vor allem stammen jene nun schon schätzt war. Schließlich hat er viele Ideen zur Dorfent- fast legendären Schildchen von ihm, die philosophi- wicklung gehabt und verwirklicht, die der Gemeinde sche Gedanken und Aussprüche großer Denker ent- Nutzen brachten. In erster Linie zu nennen ist wohl halten und die er meist an Bäumen anbrachte. Kur- sein Wanderwegesystem im Riesenwald und Dorfwald, ze Denkpausen im raschen Alltagsbetrieb konnte er so

Hochzeit von Monika und Bernd Stecher vor dem Ohlsbacher Rathaus, daneben Julius-Bruder-Haus als EDEKA-Lebensmittelladen

60 Kapitel 12 – Das Julius-Bruder-Haus

Philosophen-Pfad und Omas Rundgang anregen, manchem Wanderer, mancher Wanderin etwas Folge hatte, dass viele Gäste, früher sagte man „Frem- Nachdenkenswertes mit auf den Weg geben. In priva- de“ dazu und sprach vom Fremdenverkehr, von Frem- ten, handschriftlichen „Gedankenbüchern“ notierte er denzimmern, den „Erholungsort“ (seit 1971) besuch- an Aphorismen und Lebensweisheiten auf, was ihm so ten. 450 Gästebetten hatte das „Golddorf“ damals und auffi el. konnte Anfang der 80er Jahre auf etwa 70.000 Über- nachtungen pro Jahr blicken. Für diese Gäste waren Er wollte eigentlich Pfarrer werden, hatte daher als die Wanderwege von Julius Bruder und sein „Ohlsba- Schüler den täglichen weiten Weg ins humanistische cher Wanderparadies“ mit 100 km ein willkommenes Grimmelshausen-Gymnasium in Offenburg unternom- Angebot, wozu noch als Attraktion der Mineralbrun- men. Doch dann kam der Krieg, kam die Soldatenzeit. nen kam. Die Gemeinde dankte ihm für sein Engage- Nach 1945 ergriff er notgedrungen die Möglichkeit, ment mit dem „Ehrenteller“. Noch heute kommt man den Lebensmittelladen seiner Mutter gegenüber vom gern seinen Aufforderung nach: Gasthof Rebstock zu übernehmen. 1955 erfolgte dann der Neubau eines eigenen Geschäftshauses neben dem Rathaus. Zuvor war dort schlicht eine Wiese gewesen, Wo Wald und Wein – ein göttlich Gut – allerdings tiefer gelegen als heute und feucht, sodass dort nimm den Stock, dort schwing den Hut. man auffüllen musste, um genügend trockenen Bo- den unter dem Keller zu haben. Julius Bruder hat schon Dort greife auch zum Weinpokal, früh an die Sommerfrischler und Wanderer gedacht, die einmal nach Ohlsbach kommen würden, auch an erlebe froh das Ohlsbachtal. die Einheimischen natürlich, denn auch ihnen sollten die Wanderwege, die er nach und nach anlegte, dien- lich sein. 1979 hatte Ohlsbach den Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ gewonnen, was zur

61 BeginnBeginn dderer BBauarbeiten,auarbeiten 2007

62 Kapitel 13 – Das neue Rathaus

Das neue Rathaus

War es zur Zeit seiner Errichtung 1899 als ein Haus ge- in Auszügen aus Gemeinderatsprotokollen nachvollzo- dacht, das „die Würde der Verwaltung“ in einer vorwie- gen werden. gend landwirtschaftlich geprägten Umgebung reprä- sentieren sollte, so ist das im Jahr 2009 von Grund auf Am 9. Oktober 2006 fasste der Rat den Beschluss, den erneuerte und erweiterte Rathaus nun ein Symbol für Entwurf des Architektur- und Ingenieurbüros Becker die offene, kommunikative Einstellung der Verwaltung weiter zu verfolgen. Herr und Frau Becker hatten zuvor in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft gewor- ihre Planungsentwürfe vorgestellt, wobei besonders he- den. Es zeigt damit auch den Wandel, den Ohlsbach in rausgehoben wurde, dass die beiden Gebäude Rathaus den letzten Jahrzehnten erlebt und gestaltet hat. Neue und Dorfstraße 1 erhalten, also nicht abgerissen, son- Baugebiete wurden erschlossen, neue Industrie hat sich dern saniert werden sollten. angesiedelt. Und dabei hat es die Gemeinde dennoch verstanden, die hohe Attraktivität der freundlichen Or- Der weitere Fortgang der Arbeiten verzögerte sich vor- tenau für Gäste aus Nah und Fern zu bewahren. Die Le- erst etwas – aber aus kluger Überlegung heraus. Denn bensbereiche Arbeit, Wohnen, Freizeit haben sich nicht die Kriterien der in Frage kommenden Zuschusspro- auf Kosten des jeweils anderen bereichert, sondern bil- gramme sollten zum 1.1.2007 geändert werden. Bis da- den ein harmonisches Ganzes, in dem die Bürgerinnen hin noch nicht begonnene Projekte würden dann hö- und Bürger gerne leben. her bezuschusst werden! Kluge und vorausschauende Absicht war es also gewesen, die Baumaßnahmen noch Was noch fehlte, war ein adäquates, schönes Gebäu- nicht beginnen zu lassen, so Bürgermeister Wimmer in de, das diesem Selbstbild der Gemeinde auch architek- der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 13. Novem- tonisch Ausdruck verleiht. Es wurde eine praktische ber 2006. Mehrzweckhalle errichtet, später ein Feuerwehrgebäu- de und ein Park am Weissenbach angelegt. Nun müsse Am 11. Dezember 2006 erfolgte die Abstimmung über man sich auf das Projekt Rathaus voll und ganz kon- die Vergabe der Planungsarbeiten. Nach Diskussion er- zentrieren, da dieser Bau ein Bau für viele zukünftige folgte namentliche Abstimmung. Die Räte sprachen Jahre und Jahrzehnte sei, so Bürgermeister Wimmer in sich mehrheitlich für das Planungsbüro Becker aus (10 der Gemeinderatssitzung vom 11.12.2006. Ja, zwei Nein, eine Enthaltung).

Wie sich dieses große Projekt des Um- und Neubaus Im Januar 2007 diskutierte man die Frage der Gemein- in den letzten Jahren konkret gestaltet hat, kann hier debücherei. Im Zuge der Umbaumaßnahmen würde

63 Richtfest am 6. August 2008

64 Kapitel 13 – Das neue Rathaus

sie auf jeden Fall ausgelagert werden müssen. So ent- fehlung für das Ratsgremium; Hinzuziehung von sach- stand der Gedanke an eine Unterbringung auf Dauer kundigen Einwohnern als beratende Mitglieder. an einem anderen Ort. Und da das „Haus am Boerscher Platz“ ebenfalls im Rahmen des Landessanierungspro- Das Rathaus erhält seine Energie aus der Erde. Denn grammes umgebaut werden sollte, entschied man sich der Gemeinderat entschied sich im Juni 2007 für Geo- für diesen Ort als neuen Raum der Bücherei. thermie (Erdwärme) als Heiztechnik im umgestalte- ten Rathaus. Zwar fallen dabei höhere Investitionskos- Für den Verlauf der Planungs- und Bauarbeiten wurde ten an. Durch niedrigere Betriebskosten werden diese ein „Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Koordinator“ aber langfristig ausgeglichen. Eine Kühlung per Fuß- vom Gemeinderat bestellt. Auch ein beschließender bodenheizung und eine Lüftungsanlage im Bürgersaal, Bauausschuss wurde (April 2007) gebildet mit klaren Wärmerückgewinnung in den Büroräumen und kon- Kompetenzzuweisungen, um einen zügigen Fortgang trollierte Entlüftung – man hat sich in Ohlsbach für der Arbeiten zu ermöglichen. Ihm wurden folgende nachhaltige Varianten entschieden. Das Rathaus ist Aufgaben übertragen: Vergabe aller Arbeiten für die auch energiemäßig auf der Höhe der Zeit. Umbauten der gemeindeeigenen Gebäude Hauptstr. 18, Am 6.8.2008 war Richtfest. Gute Laune herrschte bei den Dorfstr. 1 und „Haus am Boerscher Platz“ einschließlich vielen Gästen und Schaulustigen, als Zimmermeister der damit zusammenhängenden Gestaltung der Freian- Thomas Ritter den Richtspruch vom Dachgiebel her- lagen; Vorberatung von Entwurfsplanungen mit Emp- abrief: „Ein Rathaus ist ein wichtig Ding, das Haus es

65 BaustelleBaustelle RathausRathaus und undBo Boerschererscher Platz,Platz 2009

66 Kapitel 13 – Das neue Rathaus

macht dem Planer Ehr, aber der Gemeinde umso mehr!“ für den Schwerpunkt Rathausprojekt eingeplant, wo- Mit der Bitte um Gottes Segen schmetterte er zunächst bei zusätzlich 923 000 Euro an Zuschüssen im Rahmen das traditionell gefüllte Weinglas zu Boden. Erst dann des Landessanierungsprogramms für die neue Ortsmit- durften die Gäste mit Freibier anstoßen. Zuvor hatte te fl ießen werden. Damit werden sich die Gesamtkos- die Architektin Gabriele Becker noch einmal das Pro- ten für Um- und Anbau des Rathauses, für die Umge- jekt des Umbaus vorgestellt. Und Bürgermeister Wim- staltung des „Hauses am Boerscher Platz“ und für den mer konnte den Verlauf der Arbeiten nur loben: 3,5 Dorfplatz auf vier Millionen Euro belaufen. Möglich Millionen Euro lasse sich die Gemeinde ihr „Jahrhun- wird dies alles auch durch einen erneuten Anstieg der dertprojekt Dorfmitte“ kosten. Ein neuer Dorfplatz, die Gewerbesteuereinnahmen auf nun 1,5 Millionen Euro. neue Gemeindebücherei und der Minigolfplatz lassen zusammen mit dem Rathaus ein schmuckes Zentrum Der neue Ohlsbacher Dorfplatz erhielt im Februar 2009 entstehen. Er erinnerte daran: Im Februar 2008 war mit seinen markanten Mittelpunkt: Der „Boerscher Stein“ , den Bauarbeiten im Rathaus und im daneben stehen- der Partnerschaftsbrunnen, wurde neu gesetzt im Bei- den „Julius-Bruder-Haus“ begonnen worden, letzte- sein von Vertretern der Rathausfraktionen. Dieser Stein res erlebte inzwischen eine umfassende Sanierung. Erst steht symbolisch für die Partnerschaft mit der alten, wenige Tage vor dem Richtfest war der fünfgiebelige elsässischen Stadt Boersch. Er wird zum Mittelpunkt Dachstuhl aufgesetzt worden, der künftig den Ratssaal einer Wasseranlage, deren Zufl uss durch einen Zister- beherbergen wird. Die Segmente der Holzkonstruktion nenbrunnen gesichert ist, ständig befüllt durch den wurden auf dem Werksplatz der Zimmerei Ritter errich- Ohlsbach. „Wie im vorigen Sommer beobachtet, sind tet, dann nach Ohlsbach gebracht und auf dem Dach somit auch in trockenen Sommerphasen so- montiert. Eine Präzisionsarbeit. wohl die Platzbewässerung als auch die Versorgung mit Wasser für die Blu- Im Januar 2009 konnte Bürgermeister Horst Wimmer mentröge am Platz und im Dorf im Gemeinderat den Haushalt für das laufende Jahr weitestgehend gewährleistet“, präsentieren. Es herrschte allgemein nur Freude über so Bürgermeister-Stellvertreter einen erneuten Rekordhaushalt: Die Gemeinde Ohls- Bernd Bruder bei der Steinset- bach ist und bleibt als einzige im Kreis schuldenfrei. zung. Der Finanzplan setzt mit rund 10,3 Millionen Euro eine Spitzenmarke, davon sind 4,9 Millionen Euro als Inves- titionen vorgesehen. Allein 2,43 Millionen Euro sind

67 Einleitung

Rathaus-EinweihungRathaus-Einweihung am 24. 24 und und 25.25 OktoberOktober2009 2009

68 Kapitel 13 – Das neue Rathaus

Sanierungs- und Erweiterungsprojekt Rathaus Ohlsbach, Boerscher Platz und Boerscher Haus

Im Jahre 2006 schilderten Bürgermeister Wimmer und hausvorplatz schuf, um Ankommende zu empfangen. Mitglieder des Gemeinderates unserem Architektur- Beide Gebäude wurden in den oberen Geschossen mit- und Ingenieurbüro die Situation: Ein schönes, histo- tels einer gläsernen Spange verbunden. Auf Fußgänge- risches und denkmalgeschütztes Rathaus in Ohlsbach, rebene blieb diese offen, sodass der Weg ungehindert das etwas zu klein geworden und in die Jahre gekom- vom Rathausvorplatz über eine Freitreppe, die auch men war. als Bühne dient, mit dem Partnerschaftsbrunnen in der Blickachse zum ruhiger gelegenen Boerscher Platz Dieses Gebäude stand eingeengt von der stark führt. Wasserläufe, gespeist durch unterirdische Zister- befahrenen Hauptstraße und dem Kreuzungsver- nen, beleben und gliedern das Geschehen. kehr zur Dorfstraße. Dicht angrenzend gab es das Julius-Bruder-Haus, ein Gebäude aus den 50er Jahren. Eine Aufwertung erhielt das Julius-Bruder-Haus durch Rückwärtig schloss sich, durchschnitten von Verkehrs- einen neuen fünfgiebeligen Dachstuhl, der den Bür- fl ächen, der Boerscher Platz mit Brunnen und einem gersaal birgt. Einen guten Überblick über die gesam- einzelnen Holzhaus an. te Platzanlage bis hin zu den Weinbergen hat man von diesem und von einem Balkon vor dem Gebäude. Ohlsbacher Wunsch und Aufgabe der Architekten war Alle Bauten sind mit modernster Technik ausgestattet. es, einen einladenden, großen Platz im Ortsmittelpunkt Brand- und Einbruchmeldeanlage schützen, Geother- vor einer architektonisch ansprechenden Rathauskulisse mie gewährleistet eine umweltfreundliche Heiz- und zu schaffen. Gemeindebücherei und Minigolfplatz soll- Kühlenergieversorgung. Historisches Rathaus, Julius- ten in das Gesamtensemble integriert werden. Schnell Bruder-Haus und der Pavillon am Minigolfplatz, alle- zeigte sich, dass das Haus an der Dorfstraße sehr günstig samt eingebettet in die Platzanlage rund um den „Bo- stand, um mit dem historischen Gebäude, das vollstän- erscher Stein“, bilden ein angenehmes Ambiente für dig erhalten bleiben konnte, einen Winkel zu bilden, der Ohlsbacher Bürger und deren Gäste. einladend, wie mit offenen Armen, einen kleinen Rat-

GABRIELE M. BECKER, FREIE ARCHITEKTIN

69 70 Kapitel 13 – Das neue Rathaus

Architektin: Spange zwischen den Gebäuden: Gabriele M. Becker, Karlsruhe Neubau-Nutzfl äche: ca. 100 m² Bauzeit: In mehreren Abschnitten 2007-2009 Nutzung: Passage, Bühne, Archiv im UG.

Historisches Rathaus (Baujahr: 1899) Boerscher Haus (Baujahr: 1977 / 1981) Nutzfl äche: ca. 500 m² Nutzfl äche: ca. 300 m² Gleichbleibende Nutzung: Bürgermeister, Ämter. Neue Nutzung: Bücherei und Minigolfpavillon.

Haus an der Dorfstraße (Baujahr: 1955) Freifl ächen Nutzfl äche: ca. 490 m² Nutzfl äche: ca. 4000 m² Neue Nutzung: Ratssaal/Bürgersaal, Hauptamt, Öffentliche Nutzung für Veranstaltungen, Parkplätze Bürgerbüro.

Folgende Firmen wirkten bei den Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten mit:

Armbruster, Gengenbach (Parkettarbeiten) Kist, Offenburg (Objektmöbel) Aufzug + Hebezeug, Waldkirch (Personenaufzug) Leibig, Oberhausen (Lüftungarbeiten) Burkart, Rheinstetten (Gerüstbauarbeiten) Lösch, Offenburg (Blitzschutzarbeiten) Burg, Offenburg (Sanitärinstallation) Objekt, Konstanz (Bodenbeläge) Bross, Gengenbach (Schlosser/Stahltreppen) Plohmann, Ohlsbach (Rohbauarbeiten) Deck, Elchesheim (Fensterbauarbeiten) Ritter, Offenburg (Holzbau/Bedachung) Echle, -Reichenbach (Rohbauarbeiten) Strasser, (Kunstverglasung) Eble, (Vollwärmeschutz) Storz, Offenburg (Estricharbeiten) Fus & Sohn, (Heizungsbauarbeiten) Schäfer, Ortenberg (Kunststofftechnik) Frewa, Ortenberg (Sicherheitstechnik) Schäfer, Horhausen (Sanitärtrennwände) Finestra, Geschwenda (Fensterbauarbeiten) Schneider, Zell a.H. (Elektroinstallation) Glemser, Stuttgart (Jalousiearbeiten) SympaCard, Haslach (Datentechnik) Gebele, Schenkenzell (Schreinerarbeiten) Weinelt, Ortenberg (Bautrocknung) Haser, Haslach (Metallbauarbeiten) Wild + Brüderle, Ohlsbach (Sanitärinstallation) Huber-Salzer, Gengenbach (Holzbau/Bedachung) Zeeb, Ettlingen (Naturwerkstein) Hipp, Ortenberg (Malerarbeiten) Horn, Ohlsbach (Außenanlage) Visuelle Gestaltung Rathaus Ohlsbach: Keller, Baden-Baden (Bohrung, Erdsonde) Konzeption, Gestaltung und Fotografi e: Knoch, Kehl-Marlen (Trockenbauarbeiten) Reinhard End, Robin Derdau Konopka, Biberach (Fliesenarbeiten) ci-media GmbH, Gengenbach (Werbeagentur) Kopf, Friesenheim (Schreinerarbeiten) hwd-Werbedesign, Ohlsbach (Werbedesign) Kreiler, Offenburg (Fliesenarbeiten) Schäfer, Ortenberg (Kunststofftechnik)

71 Menschen im Rathaus

Das Rathaus

Im Winter 2003 das Rathaus zum ersten Mal betreten, durfte aus berufl ichen Gründen mit ein paar Herren reden. Der erste Gedanke, ich verschweige es nicht, das Haus wirkte ein wenig „ältlich“ auf mich.

Kurze Zeit später der erste Arbeitstag sodann, und dadurch wieder Leben im Dachgeschoss begann. Einst Bücherei, dann Archiv, später Diverses angestaut, wurde dieses zu einem weiteren Hauptamtszimmer umgebaut.

Das Heimischfühlen fi el anfangs schwer, so wirkte das Zimmer doch noch ziemlich leer. Kein Stempel, keine Akten, kein Papier oder Stift, im Grunde fehlte sogar auch das Deckenlicht.

Aber die Dinge wurden kurzerhand behoben, und alles fand den Weg nach „dort oben“. Sehr lang hielt sie nicht, die Anfangsruh, so kam zum Material die Arbeit hinzu.

Tag ein, Tag aus, wer hätt’ es gedacht, hab ich fortan viele Stunden dort verbracht. Zwar etwas anstrengend, das Treppenrennen, aber ich konnte das Büro mein Eigen nennen.

Hab viel erlebt, gelernt und gemacht, manchmal gefrustet, doch oft auch gelacht. So verging ganz unterschiedlich die Zeit, aber langsam machte sich Veränderung bereit.

72 Kapitel 14 – Menschen im Rathaus

Und eines Tages, über Nacht, ratz fatz, verlor ich hiesigen Arbeitsplatz. Denn das Dach wurde vom Fortschritt als erstes tangiert, im Zuge des Plans „das Rathaus wird saniert“.

Doch nicht lang in Wehmut verharren, sondern nach vorne schauen, gemeinsam, auch die Bevölkerung, auf die Zukunft vertrauen. Am Ende entsteht aus Staub, Lärm und Krach ein schönes neues Rathaus für die Gemeinde Ohlsbach.

Rathausgedicht von Monja Dietz

Bild

73 Die Ohlsbacher Rathausverwaltung

Emil Benz, Monja Dietz, Ordnungsamt Hauptamt

Ich habe am 1.4.1965 mit mei- Ich bin im Februar 2004 zur ner Ausbildung zum Verwal- Unterstützung ins Hauptamt der tungsangestellten bei der Ge- Gemeinde Ohlsbach gekommen. meinde Ohlsbach begonnen. Zwar ergaben sich anfangs ge- Nach Beendigung meiner Aus- legentlich „Springer-Situatio- bildung wurde ich als Verwaltungsangestellter über- nen“ (Sekretariat, Gemeindekasse, Rechnungsamt), aber nommen und bin nunmehr seit nahezu 44 Jahren bei grundsätzlich arbeite ich im Hauptamtsbereich (allge- der Gemeinde Ohlsbach beschäftigt. Meine Zuständig- meine Verwaltungsaufgaben sowie insbesondere Perso- keitsbereiche sind das Einwohnermeldeamt, Bürgeramt, nal, Wahlen etc.) und übernehme seit kurzem die Stell- Bauamt, Ordnungsamt und Ortspolizei. vertretung im Standesamtswesen.

Lucia Bochicchio, Gemeindekasse Sandra Hund, Gemeindekasse Nach Beendigung meiner Aus- bildung wurde ich 2005 als Bür- 2005 habe ich meine Ausbil- germeistersekretärin für die Zeit dung bei der Gemeinde Ohls- des Mutterschutzes einer Kolle- bach begonnen. Nach Ab- gin eingestellt. Seit September schluss meiner Ausbildung 2006 bin ich auf der Gemeindekasse in Ohlsbach tätig. wurde ich auf der Gemeindekasse als stellvertreten- Mein Aufgabenschwerpunkt liegt in der Veranlagung de Kassenverwalterin übernommen. Seit 1.1.2009 bin und dem Einzug der Grund- und der Hundesteuer, Kin- ich Kassenverwalterin. Ich bin für die Zahlungsab- dergarten- und Verlässliche Grundschulgebühren, Mie- wicklung, Überwachung der Zahlungsein- und -aus- te und Pacht sowie in der Wasserveranlagung und de- gänge, Gewerbesteuer, Mahnung und Vollstreckung, ren Abrechnung. Spenden, Kurtaxe und sonstige Abrechnungen zuständig.

74 Kapitel 14 – Menschen im Rathaus

Ria Kaspar, wie Telefonzentrale, Postein- und -ausgang, Termin- Sekretariat vereinbarung usw. Zudem ist das Sekretariat Anlauf- stelle für Bauhof, Hausmeister, Feuerwehr und Kinder- Seit Beginn meiner berufl ichen garten. Laufbahn hat mich das Rat- haus und damit die Gemeinde- Im Rückblick auf die vergangenen Jahre bleibt festzu- verwaltung Ohlsbach begleitet. halten, dass sich die Aufgaben im Laufe der Zeit teil- Von 1988 bis 1990 habe ich un- weise erheblich verändert haben und trotz Einsatz mo- ter dem damaligen Bürgermeister Otto Stecher meine derner EDV-Anlagen nicht weniger geworden sind. Mit Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte im Rathaus einem gewissen Spaß und der notwendigen Freude am Ohlsbach absolviert. Dabei habe ich sämtliche Abtei- Beruf, den ich immer noch habe, lassen sich jedoch alle lungen einer kleinen Verwaltung durchlaufen und mich Probleme meistern. Ich freue mich auf noch viele Be- im Sekretariat am wohlsten gefühlt. Da nach meiner rufsjahre bei der Gemeinde Ohlsbach. Ausbildung keine entsprechende Stelle im Ohlsbacher Rathaus zur Verfügung stand, habe ich zu der Gemein- de Biberach gewechselt. Stefan Kellermann, Bürgerbüro, Passamt, Als 1995 die Stelle als Sekretärin des Ohlsbacher Bür- Einwohnermeldeamt germeisters Horst Wimmer frei wurde, habe ich nicht lange gezögert und mich wieder zurück in meine Hei- Ich bin 29 Jahre alt. Nach Be- matgemeinde beworben und wurde erfreulicherweise endigung meiner Ausbildung auch genommen. Von 2005 bis 2008 war ich in Eltern- bei der Stadt Gengenbach und zeit und arbeite seit Februar 2008 halbtags wieder an nach dem Zivildienst wurde ich meinem ursprünglichen Arbeitsplatz, den ich mir mit 2003 als Verwaltungsfachangestellter bei der Gemein- Frau Stulz teile. de Ohlsbach eingestellt. Meine Aufgabengebiete sind: Pass- und Personalausweisanträge bearbeiten, VW- Zuständig bin ich hauptsächlich für das wöchentlich Busvermietung, Friedhof, Materialbeschaffung, Ein- erscheinende Amtsblatt, das Fundbüro, das Gewerbe- wohnermelde- und Ordnungsamt, Post und Tourismus. amt sowie die täglich anfallenden Sekretariatsaufgaben

75 Karin Stulz, Jahren seither erlebte ich fünf Bürgermeister: Wilhelm Sekretariat Wußler, Bürgermeister-Stellvertreter Hermann Echle, August Waldvogel, Otto Stecher und Horst Wimmer. Seit März 2007 bin ich als Sekre- Bis zum Amtsantritt von Bürgermeister Otto Stecher im tärin des Bürgermeisters bei der Jahr 1969 hatte ich sämtliche Arbeiten in der Verwal- Gemeinde Ohlsbach beschäf- tung zusammen mit Ratschreiber Richard Huber erle- tigt. Seit März 2008 teile ich digt, egal ob Grundbuch-, Haupt- oder Standesamt. Mit die Stelle mit Ria Kaspar. Tätig- Amtsantritt von Bürgermeister Stecher wurde ich seine keitsschwerpunkte: Sekretariatsaufgaben, Postein- und Sekretärin und Standesbeamtin bis zum Jahr 1979. -ausgang, Telefonzentrale, allgemeine Verwaltungsauf- gaben, Vermietung der gemeindeeigenen Räume sowie Ab Januar 1979 arbeitete ich nur noch halbtags und deren Abrechnung (Brumatthalle etc.), Organisation gab dann die Arbeit als Sekretärin auf. Nun war ich von Veranstaltungen, Vereinsterminierung, Geburts- zuständig für das Standesamt, das Sozial-, Versiche- tage und Jubilare, Schülerbeförderung, Arbeitsstatistik rungs- und Passamt. Darüber hinaus leitete ich seit der Bauhofmitarbeiter. 1972 die Dorfhelferinnenstation Ohlsbach, die mittler- weile auch die Gemeinden Berghaupten und Ortenberg umfasst. Zu Beginn meiner Dienstzeit im Standesamt Monika Stecher-Bartscher, wurde alles noch mit Hand in die Standesbücher ein- Standesamt, Sozialamt, getragen, später mit der Maschine und heute geht al- Dorfhelferinnenstation les nur noch elektronisch. Im August 1990 hatte ich meine erste Trauung. Diese Arbeit macht mir beson- Ich bin 62 Jahre alt, habe zwei ders viel Freude. Insgesamt habe ich bis heute 125 Paa- Kinder. Am 2. Mai 1964 habe re getraut. Unter Bürgermeister Horst Wimmer ist un- ich bei der Gemeindeverwal- sere Gemeinde gewachsen und wir zählen heute ca. tung Ohlsbach meinen Dienst 3.250 Einwohner. Ich habe inzwischen neun Arbeits- als Verwaltungsangestellte angetreten. Zu dieser Zeit kolleginnen und -kollegen und die Arbeit ist in einzel- arbeiteten auf dem Rathaus Ratschreiber Richard Hu- ne Sachgebiete aufgeteilt. Die Arbeit auf der Gemein- ber, Gemeinderechner Willi Echle und die zwei Amts- deverwaltung macht mir bis heute noch viel Freude. boten Ludwig Spitzmüller und Andreas Wußler. Wir hatten damals ungefähr 1890 Einwohner. In den 45

76 Kapitel 14 – Menschen im Rathaus

Richard Weith, tes ist die Tätigkeit im Spannungsfeld zwischen dem Rechnungsamt Zwang, möglichst viel Geld für öffentliche Aufgaben zu beschaffen und dem Willen, Bürgerinnen und Bür- Ich bin 34 Jahre alt, verheiratet und habe drei Kinder. ger hierbei so wenig wie möglich zu belasten. Ich bin seit 1.2.2008 Kämmerer der Gemeinde Ohls- bach. Den Beruf „Kämmerer“ übe ich schon seit mittler- Alois Uhrich, weile zehn Jahren aus. Der Kämmerer, oder wie man im Hauptamtsleiter Badischen sagt, der Rechnungsamtsleiter, zählt weder bei den Bürgern der Gemeinde noch bei den Mitarbei- Das Mitgestalten von gemein- tern zu den beliebtesten Zeitgenossen. Für die Bürger debezogenen und teilweise ist er die „personifi zierte Steuern- und Abgabenbelas- grenzüberschreitenden Projek- tung“, für die Mitarbeiter des öfteren eine „Betriebs- ten (Partnerschaft mit der Stadt bremse“. Obwohl er doch dafür bezahlt wird, manch- Boersch) und die Umsetzung mal auf die Bremse zu drücken. Jedenfalls konnten von an eine moderne und kompetente Verwaltung her- Adlige und Lehensherren im Mittelalter und im übrigen angetragenen Wünschen und Anfragen - das sind u.a. nicht einmal der Papst auf ihren Kämmerer verzichten. die Aufgaben, die im Hauptamt erledigt werden. Durch Von den Ursprüngen des Kämmerers bzw. der Kämme- demokratisches Wirken und durch rechtzeitige, ziel- rei im Mittelalter legt heute nur noch das kameralisti- gerichtete Weichenstellungen lassen sich selbst in der sche Buchführungssystem Zeugnis ab. Alles andere hat heutigen konjunkturell schwierigen Lage noch in klei- sich geändert. So sind meine Aufgaben in einer kleinen nen Schritten bemerkenswerte Konzeptionen für unse- Gemeinde wie Ohlsbach breit gefächert und gehen oft- re Einwohnerschaft umsetzen. Ein Höhepunkt in mei- mals über die Kernaufgaben der Kämmerei hinaus. Zu ner nunmehr 25-jährigen Tätigkeit bei der Gemeinde meinen Hauptaufgaben zählen beispielsweise die Auf- Ohlsbach ist die Mitwirkung bei der Erweiterung und stellung und der Vollzug des Haushalts, die Erstellung Sanierung des Rathauses einschließlich des Boerscher der Jahresrechnung, die Veranlagung der Gewerbesteu- Hauses mit Platzgestaltung. An einem solch generati- er, Erstellung von Wirtschaftlicheitsberechnungen, Prü- onsübergreifenden Bauprojekt mitwirken zu dürfen, ist fung von Ingenieurverträgen sowie die Beantragung schon etwas Besonderes. von Zuweisungen und Zuschüssen und das Kreditwe- sen. Hinzu kommt eine Vielzahl an weiteren, zeitantei- lig jedoch untergeordneten Aufgaben. Reiz dieses Am-

77 Christin Bösch, Daniel Wetterer Tourist-Info, Postagentur

Seit dem 01.09.2008 arbeite ich Von Februar bis Dezember 2007 bei der Gemeinde Ohlsbach. und seit Oktober 2008 bin ich Aufgabengebiet Bürgerbü- im Rahmen eines Zusatzjobs bei ro: An- Ab- und Ummeldun- der Gemeinde Ohlsbach zur Un- gen, Personalausweise und terstützung der Verwaltung tä- Reisepässe, Beglaubigungen, Führungszeugnisse, Mel- tig. Ein Ausschnitt meiner Aufgaben: Archivierung und de- und Aufenthaltsbescheinigungen. Tourist-Informa- Pfl ege der Registratur, Einholen von Angeboten und tion: Versand von Infomaterial, Konus-Abrechnungen, Angebotsvergleich, Schriftwechsel, Botengänge, Fo- Ansprechpartner für Vermieter und Besucher von Ohls- toarbeiten für das Amtsblatt, Erstellen von Statistiken bach, Aktualisierung der Termine im „s‘Heftli“, Aktua- und Präsentationen. lisierung sonstiger Vermieterprospekte. Post: Annahme von Paketen, Päckchen und Briefen ins In- und Aus- land, Versand von Infobrief- und Infopostsendungen, Expressbriefe Inland, Einschreibesendungen, Ausga- be benachrichtigter Pakete, Verkauf von Postprodukten (Packsets, Plusbriefe, Pluspäckchen).

Die Ohlsbacher Ratschreiber / Hauptamtsleiter und Rechnungsamtsleiter

Ratschreiber / Hauptamtsleiter Rechnungsamtsleiter

Benjamin Müller (1862 - 1880) Franz Bürkle (1908 (?) - 1928) Carl Müller (1880 – 1888) Hermann Huber (1928 - 1961) Michael Huber (1888 – 1919) Wilhelm Echle (1994 – 1967) Michael Huber (1919 – 1952) Wilfried Bruder (1968 – 1992) Richard Huber (1952 – 1983) Dietmar Späth (1992 – 1993) Alois Uhrich (seit 1983) Herbert Rentschler (1994 – 2005) Michael Benninger (2005 – 2007) Richard Weith (2008 - 2010)

78 Kapitel 14 – Menschen im Rathaus

Otto Plohmann – Ohlsbachs Ehrenbürger Die Ohlsbacher Bürgermeister

Eine besondere Ehrung für sein langjähriges und uneigennüt- Bürgermeister ziges Wirken für alle Belange der Gemeinde erfuhr Gemein- Mathis Bischler, derat Otto Plohmann, als er am herrschaftl. Vogt (1787 bis 1807) 13. September 2004 sein Amt Fautz, Vogt (1809) aufgab. 36 Jahre hatte er es in- Mathis Bischler, Vogt (1810 bis 1811) negehabt, am 20. Oktober 1968 Lehmann, Vogt (1811) war er es angetreten. Bei der Zahl abgegebener Stim- Brüderle, Vogt (1812 bis 1813) men war er über viele Jahre hinweg immer „Stimmen- Landelin Fautz, großherz. Vogt (1814 bis 1816) könig“, was die besondere Wertschätzung beweist, die Anton Brüderle, Vogt (1817 bis 1831) ihm in der Bevölkerung entgegengebracht wurde. Drei- Bau, Vogt (1831 – 1848) mal war er Bürgermeister-Stellvertreter gewesen. Er Benedikt Lienert (1848 – 1870) gründete die „Freien Wähler“ in Ohlsbach. Georg Bruder (1870 – 1888) Andreas Lehmann (1888 – 1903) Hans-Jochen Schuck: „Wenn in Ohlsbach ein materi- Lorenz Huber, Bgm.– eller Not- oder Schadenfall an Gebäuden, Leitungen, Stellvertreter im Amt (1903) Straßen usw. war, rief man Plohmann, bei Tag und bei Franz Braun (1903 – 1915) Nacht und auch am Sonntag. 30 Minuten später war Franz Huber (1915 – 1923) er vor Ort mit schwerem Gerät und seinen Leuten und Georg Fritsch, Bgm.– in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr. So geschah es Stellvertreter im Amt (1923 – 1924) x-mal vor allem in den 90er Jahren, als das Ohlsba- Adolf Wild (1924 – 1933) cher Trink- und Abwassersystem sehr marode war und Karl Schneider (1933 – 1943) alle vier Wochen ein Rohrbruch geschah oder wenn Josef Bächle, Bgm.– der Ohlsbach über die Ufer getreten, die Straße ein- Stellvertreter im Amt (1943 – 1945) gesackt war oder sich Sturmschäden ereignet hatten. Adolf Wild (1945 – 1946) Plohmann half mit seinem Bagger überall aus. Kompe- Andreas Fischer (1946 – 1948) tent, sachlich.“ Wilhelm Wußler (1948 – 1967) Hermann Echle, Bgm.– Mit großem Dank und Anerkennung ernannte ihn der Stellvertreter im Amt (1966 – 1967) Gemeinderat zum ersten und bislang einzigen Ehren- August Waldvogel (1967 – 1968) bürger Ohlsbachs. Hermann Echle, Bgm.– Stellvertreter im Amt (1968) Otto Stecher (1969 – 1990) Horst Wimmer (seit 1990)

79 Der Ohlsbacher Gemeinderat 2009

Mit der Entscheidung am 11. Dezember 2006 für eine Damit schuf er zugleich eine städtebauliche wie inhalt- architektonische Verbindung des alten Rathauses mit liche Ortsmitte, in der sich Geschichte, Gegenwart und einem Um- und Neubau zu einer Einheit hat der Ge- Zukunft Ohlsbachs begegnen. meinderat ein Zeichen gesetzt.

Christine Horn, Tobias Benz, CDU CDU Gemeinderätin seit 2004 Gemeinderat seit 2004

Bernd Bruder, Wolfgang Walter, CDU-Fraktionsvorsitzender CDU Gemeinderat seit 2004 Gemeinderat seit 2007

Norbert Wußler, Michael Huber, CDU CDU Gemeinderat seit 2004 Gemeinderat seit 2004

80 Kapitel 14 – Menschen im Rathaus

Helmut Stehle, Werner Schmied, Freie Wählervereinigung Freie Wählervereinigung Gemeinderat seit 1980 Gemeinderat seit 2004

Gabriele Kuderer, Werner Fraas, Freie Wählervereinigung Freie Wählervereinigung Gemeinderätin seit 1994 Gemeinderat seit 2004

Christian Buss, Philipp Damm, Freie Wählervereinigung Freie Wählervereinigung Gemeinderat seit 2009 Gemeinderat seit 2009

81 Kapitel 15 – Das Ohlsbacher Wappen

Das Ohlsbacher Wappen

Das Ohlsbacher Wappen wurde 1899 offi ziell festgelegt, wie aus einer Urkunde im Rathaus hervorgeht. Es zeigt in geteiltem Schild oben in Rot einen silbernen, gebo- genen Fisch, unten in Silber eine blaue Weintraube mit zwei grünen Blättern am braunen Holz. Das Wappen wurde anlässlich der Beschaffung eines Dienstsiegels auf Vorschlag des Generallandesarchivs gefertigt.

Der Fisch (Salmen) stammt aus dem Siegel von Gen- genbach und weist auf die 400-jährige Zugehörigkeit zur ehemaligen Reichsstadt hin. Die Traube erinnert an die Zeit des intensiven Weinbaus in der nun selbststän- digen Gemeinde Ohlsbach vor der Reblausseuche, als noch etwa 100 Winzer mehr als 90 Hektar Reben be- wirtschafteten.

Das Ohlsbacher Wappen, Glasfenster im Rathaus Ohlsbach

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