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Sendung vom 22.09.2000, 20.15 Uhr

Rosi Mittermaier Doppel-Olympiasiegerin im Gespräch mit Corinna Halke-Teichmann

Halke-Teichmann: Grüß Gott, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, schön, dass Sie bei Alpha-Forum dabei sind. Unser heutiger Studiogast ist den meisten von Ihnen sicherlich bekannt, denn auch 24 Jahre nach ihrem großartigen Erfolg bei den Olympischen Winterspielen in - dort gewann sie zweimal Gold und einmal Silber – hat Rosi Mittermaier von ihrer Popularität nichts eingebüßt. Ich freue mich ganz besonders, dass ich heute dieses Portrait- Interview mit ihr führen darf, denn wir kennen uns bereits seit 28 Jahren. Liebe Rosi, herzlich willkommen bei Alpha-Forum. Rosi, der 5. August ist für dich immer ein persönlicher Festtag, und ich nehme an, dass in diesem Jahr ganz besonders gefeiert werden wird. Mittermaier: Das ist ja ganz schrecklich: Woher weißt du denn das alles? Corinna weiß fast alles, denn wir kennen uns wirklich schon so lange. Ich bewundere dich immer darum, dass du so schön gerade dasitzt: so wie es eben eine Eisläuferin macht: Du bist wirklich ein Vorbild, auch für die Skifahrer, die viel buckliger sitzen. Also, was hast du gesagt? 5. August? Ja, das ist mein Geburtstag. Ja, und ein halbes Jahrhundert wird halt dieses Jahr voll. Halke-Teichmann: Man mag es gar nicht glauben, denn du hast dich eigentlich gar nicht verändert: Du bist – wie wir alle – ganz bestimmt reifer geworden, das stimmt. Es gibt ja auch Frauen, die bereits Probleme haben, wenn Sie 30 Jahre alt werden: Sie geraten dann in eine Krise, und schon die ersten Lachfalten bereiten ihnen größte Probleme. Das kann ich mir bei dir jedoch überhaupt nicht vorstellen. Mittermaier: Nun ja, solange man gesund ist, solange man sich sonst wohl fühlt und solange man quasi keinen "Karosserieschaden" hat und einem innen drin nichts fehlt, kann man doch zufrieden sein. Ich finde es eigentlich ganz nett, wenn sich in einem Gesicht ein bisschen etwas abspielt. Halke-Teichmann: Rosi, wenn wir jetzt einmal 50 Jahre zurückblicken: Das bedeutete damals in der Familie Mittermaier eine große Freude. Aber andererseits war dieser Tag auch von großer Trauer und unendlichem Leid überschattet. Mittermaier: Meinst du meinen Geburtstag? Ja, ich bin Löwe vom Sternzeichen her, und ich hatte damals bei der Geburt noch eine Zwillingsschwester. Meine Eltern lebten damals noch auf der Winklmoos-Alm, und so war das für meine Mutter gar nicht so einfach. Eigentlich wollte sie zum Entbinden nach München fahren. Sie ist aber dann nach gekommen, weil schon die Fruchtblase geplatzt war. Es hat dann eben pressiert, und so ist es dazu gekommen, dass meine Mutti damals in diesem Krankenhaus bereits die Letzte Ölung erhalten hat: Die Situation war wirklich sehr kritisch. Meine Zwillingsschwester ist dann auch tatsächlich bei der Geburt gestorben. Aber ich habe mich durchgeboxt, und ich habe zum Glück davon natürlich auch gar nichts mitbekommen. Halke-Teichmann: Gab es irgendwann in deinem Leben einen Moment, in dem du dir die Frage gestellt hast: "Warum durfte ich überleben? Warum musste meine Schwester sterben?" Denn man sagt ja, dass Zwillingskinder schon im Mutterleib einen großen Bezug zueinander herstellen. Hattest du also irgendwann einmal das Gefühl: "Irgendwie fehlt ein Teil von mir?" Mittermaier: Ich glaube, ich hatte das nie, aber meine Eltern hatten dieses Gefühl ganz sicher. Ich habe aber noch zwei Schwestern, d. h., ich bin kein Einzelkind. Denn wenn ich ein Einzelkind gewesen wäre, dann wäre das für meine Eltern wahrscheinlich schlimmer gewesen. Später, als ich dann selbst Mutter geworden bin, konnte ich überhaupt erst begreifen, was es bedeutet, wenn einem so etwas passiert. Aber als ich jung war, habe ich daran nicht gedacht. Nein, eigentlich haben wir auch nicht viel darüber gesprochen. Erst später hat es dann einmal so eine Zeit gegeben, in der man sich näher für meine eigentliche Geburtsstunde interessiert hat. Das war schon nach den Olympischen Spielen 1976. Man meinte damals, dass man vielleicht schon an der genauen Geburtsstunde hätte ablesen können, ob ich irgendwie in so eine steigende Tendenz hineingeboren worden wäre usw. Da erst habe ich dann meine Mutti gefragt, wie spät es denn damals bei meiner Geburt gewesen ist: Es war nachts um halb zwölf bei mir, und bei meiner Schwester war es nachts um halb eins. Halke-Teichmann: Wie sah eigentlich deine Kindheit aus? Du bist auf der Winklmoos-Alm in der Nähe von Reit im Winkl groß geworden. Da kannst du vielleicht auch gleich einmal etwas richtig stellen, denn viele Leute meinen ja, die Winklmoos-Alm wäre nur so eine Alm wie alle anderen auch: eine Alm, zu der man hinwandern und in die man einkehren kann. Aber dem ist wohl nicht ganz so. Mittermaier: Ja, das ist halt schon ein großes Almgelände. Im Sommer treiben da die Bauern ihre Kühe auf die Alm zum Weiden. Es gibt dort einige Gasthäuser, in denen man auch übernachten kann. Aber an sich ist das eher so ein Tagesausflugsziel. Meine Eltern betrieben früher eines dieser Gasthäuser, und später hat dann mein Vater das Studentenheim dort gepachtet. Alle Menschen meinen ja, dass man doch sehr einsam wäre, wenn man so auf einer Alm leben und dort aufwachsen würde, weil man ja auch so weit – zehn Kilometer bis zum nächsten Ort – in die Schule fahren müsste usw. Aber bei uns waren z. B. immer an die 60 Studenten im Haus: Da war doch einiges los. Halke-Teichmann: Wenn man studiert, ist man doch eher 18, 19 Jahre alt oder älter. Gab es denn da auch gleichaltrige Spielgefährten? Mittermaier: Im Sommer waren z. B. Schulabschlussklassen und schon auch gleichaltrige Jugendliche bei uns. Das war für uns immer wunderbar: Da haben wir sehr viel mitbekommen – von überall in Deutschland. Viele kamen z. B. aus Niedersachsen, und es ist heute noch so, dass mich, wenn ich dorthin komme, noch ganz viele Leute kennen und mich ansprechen und sagen: "Ich war damals auch auf der Alm bei Ihren Eltern!" Das ist dann immer recht lustig. Halke-Teichmann: Du hast es schon angesprochen: Du hast zwei Schwestern, Heidi und Evi. Du liegst in der Mitte zwischen deinen beiden Schwestern. Welches Verhältnis hattest du zu deinen Schwestern, und wie schaut das heute aus? Mittermaier: Zu meinen Schwestern hatte ich immer ein Superverhältnis. Heidi ist zehn Jahre älter als ich und hat von daher schon auch ein wenig die Erziehung der beiden jüngeren Schwestern mit übernommen. Wir waren auf der Winklmoos-Alm bei uns im Haus ein richtiger Familienbetrieb. Ich habe meine Lehre im Hotelfach auch zu Hause bei uns gemacht: Das war im Hinblick auf das Skifahren natürlich schon recht günstig. Zu meinen Schwestern habe ich nach wie vor ein ganz tolles Verhältnis. In unserer Familie ist auch überhaupt – toi, toi, toi – alles in Ordnung. Halke-Teichmann: Als du eingeschult wurdest, hast du bei "Pflegeeltern" im Dorf gewohnt. Du hast schon erwähnt, dass der Weg ins Dorf immerhin zehn Kilometer betragen hat. Fiel dir diese Trennung vom Elternhaus sehr schwer? Mittermaier: Es war so: Ich war damals das einzige Kind, das in Winklmoos schulpflichtig war. Meine ältere Schwester Heidi war vor mir zehn Jahre lang in München zur Schule gegangen und hatte dort bei meiner Großmutter gewohnt. Bei mir war es eben so, dass der Weg ins Dorf doch recht kompliziert war. Meine Mutter stand zu der Zeit einmal in einem Gemüseladen im Dorf mit einer Frau zusammen und hat zu ihr gesagt: "Mei, ich habe jetzt ein Mädel, das zur Schule muss. Ich weiß noch gar nicht, wie wir das machen sollen." Da hat diese Frau gesagt: "Die kann bei uns bleiben." Diese Frau hatte selbst auch drei Töchter, die freilich schon ein wenig älter waren als ich. In dieser Familie bin ich dann aufgenommen worden wie ein eigenes Kind. Drei Jahre habe ich dort gewohnt. Während der Schulzeit bin ich dann immer am Wochenende heim nach Winklmoos gefahren. In dieser Familie war ich das kleine Nesthäkchen, und so wurde ich wirklich sehr verwöhnt: Mir ist da am Morgen z. B. das Brot geschmiert worden. Das wäre bei uns zu Hause in unserem Gaststättenbetrieb schlicht nicht möglich gewesen: Meine Mutter hätte für solche Sachen ganz einfach keine Zeit gehabt. Als dann meine jüngere Schwester Evi auch in die Schule kam, wurden wir aber von der Zeit an jeden Tag in die Schule gefahren. Halke-Teichmann: Neben der Winklmoos-Alm hat dein Vater im Winter auch eine Skischule betrieben: Er ist staatlich geprüfter Skilehrer. Da lag es natürlich auf der Hand, dass die drei Mittermaier-Töchter das Skifahren erlernen. Mittermaier: Ja, mein Vati hatte vor dem Krieg nordische Kombination gemacht. Er stammt genau wie meine Mutter aus München und war schon immer sehr sportlich. Meine Mutter war auch sehr sportlich, aber sie hätte uns doch gerne in einer anderen Sportart gesehen. Sie hat immer gesagt: "Warum fahren denn meine Mädchen nur so gefährliche Skirennen? Die sollen doch lieber ein wenig graziösere Sportarten betreiben." Ich glaube, Schlittschuhfahren oder auch Ballett hätte ihr besser gefallen. Sie meinte auch immer, wir sollten uns doch diesen Skischuh-Gang abgewöhnen: Wir sollten ein wenig graziler gehen und nicht immer hinten mit den Fersen aneinander schlagen. Aber im Grunde hat sie nichts dagegen gehabt: Auf der Winklmoos-Alm ist man eben im Schnee groß geworden, weil da im Winter wirklich unglaublich lange Zeit Schnee liegt. Das ist ein richtiges Schneeloch – auch heute noch. Es ist so, dass man dort eigentlich gar nichts anderes betreiben kann. Halke-Teichmann: Mit zwei Jahren hast du deine ersten Versuche auf Skiern gemacht: Wann wurde es aber ernst? Ab wann kann man sagen, dass mit einem richtigen systematischen Training begonnen wurde? Mittermaier: Soll ich das jetzt alles erzählen? Halke-Teichmann: Die Kurzform, bitte. Mittermaier: Also, Heidi war schon in der Nationalmannschaft, und sie fuhr auch bei den Olympischen Spielen in Squaw Valley im Jahr 1960 mit. Ich war damals zehn Jahre alt, und für uns als Familie war das natürlich eine Riesenaufregung. Sie flog mit einer viermotorigen Maschine in die USA! Wir Kinder waren jedenfalls voll begeistert davon und haben sie gelöchert, was sie uns denn mitbringen wird aus den Vereinigten Staaten usw. Zu der Zeit war eine Reise nach Amerika wirklich noch etwas ganz Tolles. Ab dem Zeitpunkt wollte ich das auch einmal erleben: Das war für mich der Kick, bei dem ich mir gedacht habe, dass ich auch einmal nach Amerika kommen möchte. Ich wusste noch nicht genau, wie ich das schaffen könnte, aber ich wusste schon, dass es z. B. über den Sport doch recht einfach gehen würde. Heidi fuhr dann noch bei den Spielen in Innsbruck im Jahr 1964 mit: Sie war mein eigentliches Vorbild. Unser Vater hat uns dann schon auch gefördert, und durch den Wintersportverein Reit im Winkl sind wir selbstverständlich auch im Skiclub mit dabei gewesen. Wir fuhren zuerst diese kleinen Rennen im Chiemgau und im Inngau bis es zur Bayerischen Meisterschaft ging. Es war halt so, wie das normalerweise abläuft. Halke-Teichmann: Würdest du deinen Vater im Hinblick auf euch Schwestern doch als ein wenig ehrgeizig bezeichnen? Mittermaier: Es war so, dass zu Hause samstags und sonntags durch das Gasthaus immer sehr viel Betrieb war. Mein Vater hat das alles immer recht geschickt arrangiert, wie ich mir heute denke. Er hat uns nie getrieben, weil dieser Sport natürlich schon auch gefährlich war: Wir wussten das, und Heidi war ja auch oft verletzt. Aber er war eben sehr froh, wenn er am Sonntag auch einmal nicht zu Hause sein musste, sondern mit uns zu den Rennen fahren konnte. Meine Mutter musste dann alles alleine mit den Angestellten bewältigen. Wir haben sie eben immer gefragt: "Da wäre am Sonntag wieder ein Skirennen. Dürfen wir dort hinfahren und mitmachen?" Unser Mutter hat dann schon immer gesagt: "Na gut, fahrt doch!" Und so war das für uns und für ihn eigentlich immer eine recht schöne Unternehmung am Sonntag. Er hat uns auch nie geschimpft. Wenn wir wieder irgendwo ausgeschieden sind oder so, dann hat er höchstens gemeint, dass es dafür im nächsten Rennen umso besser sein würde und dass man sich halt um die Fehler kümmern müsse. Ich selbst war nämlich als Kind immer sehr unkonzentriert: Mir war das alles völlig egal, denn die Hauptsache für mich war, dass das alles recht lustig war. Halke-Teichmann: Mit 16 Jahren kam dann der erste Deutsche Meistertitel: in der Kombination Slalom und Riesenslalom. Das waren dann auch später deine eigentlichen Spezialdisziplinen. Ein Jahr später kam es dann zum ersten Weltcup-Sieg. Was hast du empfunden, als du zum ersten Mal selbst in der Nationalmannschaft mitfahren durftest? Mittermaier: Diesen ersten Trainingskurs samt Anreise vergisst man wohl nie. Das Training fand auf der Zugspitze statt, und gewohnt haben wir in Ehrwald. Ich hatte es da an sich recht gut in der Mannschaft, weil meine ältere Schwester Heidi zu dem Zeitpunkt ja noch mit dabei gewesen ist. Aber genau bei dem Kurs war sie nicht mit dabei, und so war das alles für mich natürlich wahnsinnig aufregend. Ich wusste z. B. nicht, wie ich da in der Mannschaft aufgenommen werde. Ich hatte aber das Riesenglück, dass Heidi schon vorgebaut hatte: Ich bin wirklich ganz toll aufgenommen worden, denn alle haben mir geholfen dabei. Meine jetzige Freundin Traudl Münch, die später 20 Jahre lang Masseurin in der Mannschaft war, war damals auch Skifahrerin und hat mir auch sehr geholfen beim Einstieg. Halke-Teichmann: Sie wohnt jetzt auch in Garmisch-Partenkirchen. Mittermaier: Ja, sie ist nach wie vor meine beste Freundin. Sie war schon länger Mitglied in der Mannschaft: Sie hat mir sofort gezeigt, wo da der Hase läuft. Das war wirklich toll. Halke-Teichmann: So eine Weltcup-Saison bedeutet mitsamt der Vorbereitung und allem drum und dran über das Jahr gesehen, dass man eigentlich fast sechs Monate von zu Hause fort ist. Kann man da eigentlich auch noch außerhalb des Skizirkus Freundschaften knüpfen? Mittermaier: Ja, das kann man schon. Beim Skifahren z. B. ist das doch ideal: Man fährt ja nie den Lift allein hoch. Halke-Teichmann: Bei der Nationalmannschaft fährt aber auch nicht Otto Normalverbraucher im Lift mit. Mittermaier: Nein, aber man kann dabei meinetwegen auch mit den ausländischen Skifahrern und Skifahrerinnen Kontakte knüpfen. Damals gab es zum Glück auch noch Rennen, bei denen Männer- und Frauenrennen stattfanden, bei denen man also an einem Wochenende gemeinsam fuhr. Es waren zwar nicht viele Rennen, bei denen das der Fall war, aber man hat sich schon kennen gelernt dabei. Doch, doch, da hat man schon Freundschaften knüpfen können. Halke-Teichmann: Du hast schon gesagt, dass euch euer Vater nie geschimpft hat, wenn es mit dem Erfolg nicht so ganz hingehauen hat. Es wurde dir ja einige Zeit lang nachgesagt, dass es dir an Ehrgeiz fehlen würde: Du hättest nicht diesen Biss, diesen absoluten Kampfeswillen. Ich muss sagen, dass dem aber diese beiden Olympiasiege, die Olympische Silbermedaille, der Sieg im Gesamtweltcup im Jahr 1976, die neun Einzelsiege beim Weltcup und die 16 Deutschen Meistertitel ganz erheblich widersprechen. Habe ich noch etwas vergessen in der Aufzählung? Mittermaier: Ach, das ist nicht so wichtig. Halke-Teichmann: Um Gottes willen: deine drei Weltmeistertitel. Worauf führst du es denn zurück, dass dich die Leute trotz alledem so eingeschätzt haben? Mittermaier: Ich war tatsächlich eine, die den Tag wirklich genossen hat. Ich bin wahnsinnig gerne Ski gefahren. Ich bin auch gerne Ski gefahren, wenn das Wetter schlecht war, und ich liebte und liebe auch heute noch den Schnee – ich schaufle z. B. gerne Schnee. Wenn es schneit, dann ist es für mich wirklich das Höchste. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es auf der Winklmoos-Alm halt immer viel Schnee gegeben hat. Na ja, wenn ich meine Rennen gefahren bin, dann habe ich zum Beispiel zum Starter, wenn mir der einen Witz erzählt hat, schon auch gesagt, ob er nicht noch einen wüsste. Das geht natürlich nicht... Halke-Teichmann: Aber vielleicht war das auch diese Mentalität, die dich vor dem Wettkampf so locker gemacht hat. Mittermaier: Ja, aber die Medien fanden das nicht so spaßig. 1972, als du ja auch schon bei den Olympischen Spielen in Sapporo mit dabei gewesen bist, war ich doch eine der Mitfavoritinnen, denn vor diesen Olympischen Spielen war ich im Weltcup bei Slalom oder Riesenslalom schon recht erfolgreich gewesen. Auf jeden Fall bin ich damals von den Medien doch schon ein klein wenig unter Druck gesetzt worden: Da meinte man, ich könnte jetzt bei so einer Großveranstaltung doch auch endlich eine Medaille machen. Ansonsten war ich ja eh schon immer ganz gut mit vorne dabei, aber ich war halt nie diese totale Siegläuferin gewesen. Man muss aber dazusagen, dass ich natürlich auch in eine Zeit hineingerutscht bin, in der es eine Annemarie Moser-Pröll gegeben hat, die ja wirklich alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gab. Halke-Teichmann: Nimm es mir nicht übel, wenn ich das sage, aber wenn ich mich so an diese Abfahrtsrennen erinnere, dann habe ich immer sooo eine breite Annemarie Moser-Pröll vor Augen. Annermarie mag mir diese Bemerkung bitte verzeihen. Du dagegen warst eine so unglaublich zierliche Läuferin mit deinen damaligen 54 Kilogramm Kampfgewicht. Mittermaier: Ja, gut, aber das Gewicht war nicht das allein Entscheidende. Es gab ja auch den Slalom usw. Sie war halt bereits in der Zeit athletisch sehr gut ausgebildet. Halke-Teichmann: Das ist nett formuliert. Mittermaier: Es ist ihr vielleicht auch schon so in die Wiege gelegt worden. Ich bin aber gar nicht traurig darüber, dass es zu meiner Zeit diese überragende Annemarie Moser-Pröll gegeben hat. Der große Wendepunkt kam dann bei mir jedenfalls im Sommer 1975. Wir hatten kurz davor einen neuen Konditionstrainer bekommen: Das war damals Heinz Mohr. Er hat gemerkt, dass ich im Sommer immer nur so im Pulk mitlaufe und keine Extraeinheiten nur für mich mache. Er hat dann dieses Training ein wenig getrennt und mich dazu gebracht, mich ein wenig mehr anzustrengen. So war ich in der Saison 1975/76 wirklich wunderbar austrainiert: Ich hatte endlich erkannt, dass ich das alles im Training ja für mich mache. Halke-Teichmann: Kann man denn mit deiner damaligen Philosophie, dass du in der Mannschaft keine Konkurrentinnen, sondern Freundinnen haben möchtest, auch heute noch Erfolg haben? Mittermaier: Es war damals tatsächlich so, dass wir Freundinnen waren. Ich glaube aber nicht, dass das heute noch so funktionieren könnte. Heute hat sich das alles doch sehr gewandelt... Halke-Teichmann: Man muss wahrscheinlich egoistischer sein. Mittermaier: Ja, man muss wirklich egoistischer sein. Man muss auf sich selbst achten und nach dem eigenen Erfolg trachten. Halke-Teichmann: Man muss wohl auch zum Teil seinen eigenen Weg gehen. Mittermaier: Ja, das stimmt. Man muss das aber nicht übertreiben, denn man kann beides vielleicht doch immer noch so ein wenig zusammenbringen. In meiner Zeit war es tatsächlich so, dass mir das Drumherum fast schon wichtiger war: Ich habe alles mitbekommen, alles gesehen und saß z. B. bei den Olympischen Spielen auch bei jedem Eishockeyspiel selbst im Stadion. Heute ginge das alles nicht mehr. Da muss man sich auf den eigenen Wettkampf vorbereiten und konzentrieren. Dafür muss man alles tun, und dafür muss man sich auch die Zeit entsprechend einteilen. Halke-Teichmann: Die Spiele 1972 in Sapporo hast du schon angesprochen, wo du dir eigentlich ein bisserl mehr erhofft hattest, wo du vielleicht doch auf deine erste Medaille gehofft hast. Deine ersten Olympischen Spiele hattest du aber schon 1968 in Grenoble miterlebt. Wie war das, als du das erste Mal bei Olympia mit dabei warst, als du das eigene Land repräsentieren durftest? Das war doch wirklich etwas ganz Besonderes, wie ich vermute. Was ist dir da in Erinnerung geblieben. Mittermaier: Ich weiß noch ganz genau, wie es mir da bei der Eröffnungsfeier gegangen ist. Da wurden die Herztöne von demjenigen, der mit der Fackel ins Stadion gelaufen ist und dann das Olympische Feuer entzündet hat, per Funk übertragen und über die Lautsprecher ausgestrahlt. Da ist es mir doch schon so ein wenig den Rücken runtergerieselt. Ich war ja erst 18 Jahre alt und durfte trotzdem schon mit dabei sein. Damals war meine Freundin Traudl auch mit dabei, und von uns beiden gibt es da eine recht lustige Geschichte. Wir gingen zum ersten Mal im Olympischen Dorf spazieren, als uns der große und weltberühmte Eiskunstläufer Oleg Protopopow entgegenkam. Wir haben ihn nicht gekannt oder erkannt, aber die Traudl hat zu dem ganz einfach "servus" gesagt. Ich habe sie dann gefragt, woher sie denn diesen Mann kennen würde. Sie sagte nur: "Mir kam der halt einfach so bekannt vor." Später ist uns dann erst aufgefallen, dass das der berühmte Oleg Protopopow gewesen ist. Halke-Teichmann: Ja, er war Paarläufer zusammen mit Ludmilla Belusowa. Mittermaier: Ja, genau, das weißt du natürlich viel besser als ich. Wir als achtzehnjährige Mädel waren ganz einfach so frech, zu dieser Berühmtheit "servus" zu sagen. Denn eigentlich war das schon noch eine Zeit, in der man vor so großen Namen gehörigen Respekt hatte. Man war das erste Mal mit dabei und hat diese Leute eigentlich alle noch bewundert. Halke-Teichmann: 1976 warst du es dann, die sich einen ganz großen Namen gemacht hat. Es ging seinerzeit los mit der Abfahrt: Die Weltcup-Saison davor war schon so gut gelaufen gewesen für dich, dass du mit zu den Favoritinnen gehört hast. Aber eine Abfahrt hattest du ja bis dato noch nie gewonnen. Mittermaier: Ja, das ist richtig. Ich war lange davor einmal Zweite gewesen: Das muss wohl in Grindelwald gewesen sein. Wenn die Strecke technisch schwierig und der Untergrund eisig war und wenn es dazu auch noch große Kurven gab, dann war das für mich ideal: Diese Abfahrt damals in Innsbruck ist mir in all diesen Punkten sehr entgegengekommen. Der Untergrund war hart geblieben, weil es nicht noch einmal geschneit hatte. Denn die letzte Abfahrt vor Olympia hatte in Bad Gastein stattgefunden: Dort hatte es wahnsinnig viel Neuschnee gegeben, und da war ich total schlecht gefahren. Aber unserer ganzen Mannschaft war es so ergangen: Wir hatten wohl auch das falsche Wachs erwischt. Ich landete mit 32 Sekunden hinter der Bestzeit auf dem letzten Platz. Aber das war halt wirklich kein reguläres Rennen gewesen. Halke-Teichmann: Die Generalprobe war also missglückt, aber bei der Premiere lief dann alles glatt. Mittermaier: Genau. Die Verhältnisse in Innsbruck waren wirklich ideal für mich. Halke-Teichmann: Dein erster Abfahrtssieg war zugleich ein Olympiasieg. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern: Die Freude und die Euphorie darüber war natürlich enorm groß. Aber du musstest eigentlich auch wieder abschalten und dich noch einmal konzentrieren, denn es standen noch deine Spezialdisziplinen Slalom und Riesenslalom auf dem Programm. Wie war es denn vor dem Slalom? Mittermaier: Da hat sich natürlich schon alles zugespitzt, weil da wirklich unglaublich viele Menschen da waren. Der Lauf war in der Lizum: Auch das war ein sehr steiler Hang. Der Skilift ging direkt über den Zuschauern nach oben, und die meisten haben da nur gerufen: "Hey, Rosi, servus, wir sind auch da!" Ich dachte mir da nur: "Mein Gott, diese Leute aus meinem Ort daheim sind also auch alle da usw." Es waren wirklich viele deutsche Zuschauer wegen mir dort, die mir immer wieder zugerufen haben: "Gell, Rosi, heut' machst du es noch mal!" Ich dachte mir nur: "Um Gottes willen." Aber irgendwie habe ich dabei dann doch so ein bestimmtes Wurstigkeitsgefühl entwickelt, dass das doch... Halke-Teichmann: Das kann man mit einer Goldmedaille im Rücken ja leicht haben. Mittermaier: Selbstverständlich, da kann einem gar nichts passieren: da kann der Hang noch so steil sein. Es war nämlich wieder sehr steil und eisig. Das heißt, der Schnee und die Bedingungen waren erneut optimal für mich. Ja, und dann... Halke-Teichmann: ...wurde das wieder eine Goldmedaille. Mittermaier: Ja, schon, aber Glück gehört da schon auch immer mit dazu. In Grenoble z. B. hatte ich dieses Glück nicht, denn da bin ich nach der Zwischenzeit ausgeschieden: Da hätte ich vielleicht auch schon eine Bronzemedaille machen können. Acht Jahre später lief es dann dafür ganz hervorragend. Halke-Teichmann: Es ist auch besser, alles bei einer Olympiade abzustauben: Da wird der Ruhm dann umso größer. Mittermaier: Genau, aber das gilt natürlich schon auch für die eigene Freude. Halke-Teichmann: Das war also die zweite Goldmedaille. Wir haben von dir jetzt gerade gehört, dass du da mit einem bestimmten Wurstigkeitsgefühl an den Start gegangen bist, aber danach erwartete natürlich eine ganze Nation - alle waren Sie Anhänger von "Gold-Rosi" – im Riesenslalom die dritte Goldmedaille. Hast du dir da gesagt: "Zwei Goldmedaillen sind doch in Ordnung, mir kann doch nichts mehr passieren." Oder hast du dir gesagt: "Jetzt muss unbedingt auch noch die dritte Goldmedaille her." Mittermaier: Nein, es war da wirklich so, dass ich bei der Streckenbesichtigung nicht hinunter bis zum Ziel fahren konnte, denn ich wäre aus diesem Menschenpulk nicht mehr herausgekommen. Das heißt, ich habe die Strecke nur bis ungefähr zur Mitte, also bis kurz vor dem letzten steileren Hang besichtigt. Klaus Mayr, unser damaliger Trainer, hat zu mir gesagt: "Da fahren wir jetzt nicht weiter nach unten. Das schaust du dir jetzt von oben an. Das sind doch eh alles nur offene Tore, das kannst du auch von hier oben sehen." Ich habe auch gesagt: "Gut, dann kürzen wir das ab und fahren gleich oben herum zum Lift weiter." Aber gerade dort, wo ich die Strecke nicht besichtigt habe, lag die Stelle, an der ich viel Zeit verloren habe. Halke-Teichmann: Es waren nur 12 Hundertstelsekunden, die letztlich zur Goldmedaille gefehlt haben. Mittermaier: Ja, aber genau an der Stelle habe ich wirklich eine gute halbe Sekunde "liegen gelassen". Es war halt völlig unmöglich, das vor dem Rennen zu besichtigen. Aber gut, Silber war ja auch nicht schlecht. Für mich war das wirklich höchst befriedigend. Das war für mich absolut kein Beinbruch. Es waren halt nur bestimmte Menschen, die mich da hineingeritten haben, indem sie gesagt haben: "Ja, warum hast du denn nicht gewonnen?" Es ist schon klar: Die Leute wollen Sieger sehen. Für mich selbst aber war der Erfolg wirklich optimal. Halke-Teichmann: Rosi, ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich dich um deine Medaillen wirklich beneide. Mir selbst hätte schon eine Bronzemedaille gereicht, was wir aber leider nicht geschafft haben. Aber das, was dann danach mit dir passiert ist, fand ich persönlich schon eher schockierend. Mir sind diese Bilder noch ganz klar in Erinnerung: Es haben sich Hunderte von Journalisten und Tausende von Fans auf dich gestürzt. Es gab regelrechte Schlägereien unter den Fotografen und den Kameraleuten, um die besseren Plätze in der Nähe der "Gold-Rosi". Es herrschte ein Geziehe und Gezerre, dass man wirklich Angst um dich haben musste. Mittermaier: Ja, das stimmt schon. Ich habe es aber überstanden, wie man sieht. Heute würden sich die Medien schon ein bisschen anders verhalten: Ich nehme an, dass heute alles viel geregelter abläuft bei so einem Ereignis. Denn heute kann auch nicht mehr jeder in diesen abgesperrten Raum hinein. Halke-Teichmann: Gab es da bei dir nicht auch Panikgefühle? Mittermaier: Nein, eigentlich nicht. Ich war in einer solchen Euphorie, dass ich das gar nicht so gespürt habe. Ich versuchte halt die ganze Zeit über vergeblich, diejenigen Leute zu treffen, die ich eigentlich treffen wollte. Ich hätte gerne meine Freundinnen aus der Mannschaft gesehen oder auch z. B. auch meine Mutter. Sie hatte davor noch nie ein Abfahrtsrennen von mir live miterlebt. Bei dieser Abfahrt aber war meine Mutter das erste Mal mit dabei: Ich hätte sie wirklich gerne gesehen, aber das war völlig unmöglich. Das hat mir schon sehr Leid getan, weil es mir die ganze Zeit durch den Kopf gegangen ist, wie ich denn endlich meine Mutti treffen könnte. Ich habe sie absolut nicht finden können. Erst drei Stunden später, als ich wieder zurück im Hotel war, habe ich sie endlich gesehen. An so etwas habe ich also in der Situation gedacht. Halke-Teichmann: Es war ja so, dass quasi schon im Zieleinlauf dieses Rennens wegen deiner Medaillen die Firmen und die Manager Schlange standen: Alle wollten Rosi Mittermaier vermarkten. Aber die Saison war ja noch nicht zu Ende: Sie ging erst später mit der Krönung, mit dem Gewinn des Gesamt-Weltcups zu Ende. Dann erst ging es richtig los: Wer hat dich denn eigentlich in der Zwischenzeit beraten? Wer hat dir bei dem ganzen Rummel geholfen, denn es wollte dich ja jedes Magazin, jede Zeitung und jeder Fernsehsender haben. Mittermaier: Das war am Anfang wirklich unüberschaubar. Wir haben z. B. mitbekommen, dass es plötzlich Schnapsgläser oder auch Kissen mit meinem Konterfei drauf gab. Das gab es überall: sogar in Japan. Das konnten wir von der Winklmoos-Alm aus natürlich nicht alles überblicken. Das hätte auch irgendein Anwalt meinetwegen in Traunstein, in der nächsten Kreisstadt, nicht gekonnt, das ist klar. Ich war aber immer schon mit Christian verbandelt und... Halke-Teichmann: Man muss das sagen für diejenigen, die das nicht wissen: , der Slalomspezialist, ist ja selbst auch sehr bekannt. Er war auch aktiver Rennläufer, und mittlerweile seid ihr auch verheiratet. Mittermaier: Ja, ja. Es war jedenfalls so, dass Christian in der Zeit schon mein Berater gewesen ist. Mein Vater war in der Hinsicht wirklich sehr bodenständig. Er hat immer zu mir gesagt: "Das Geld ist nicht alles! Und deshalb muss man da schon auch abwarten können." Aber es war wirklich unglaublich: Es kamen damals innerhalb eines Monats 40000 Briefe auf die Winklmoos- Alm. Halke-Teichmann: Der arme Briefträger! Da haben sie sicherlich jemanden zusätzlich einstellen müssen. Mittermaier: Da kamen auch Päckchen und Pakete für mich an. Aber mein Vater hatte doch immer noch seinen Betrieb: Da hätte er natürlich auch wichtige Geschäftspost bekommen sollen. Das war aber alles nur noch ein Chaos und nicht mehr zu bewältigen. Ich selbst habe das Gott sei Dank gar nicht so mitbekommen, weil ich nach Innsbruck im Februar noch den Weltcup in den USA zu Ende gefahren bin. Auf diese Weise war ich von diesem völlig wahnsinnigen ersten Trubel schon einmal weg. Halke-Teichmann: Es war wirklich enorm, was da auf deine Eltern und deine Geschwister zugekommen ist. Deine Eltern mussten dann ja auch ihre Wohnung in den ersten Stock verlegen, weil sie es einfach nicht mehr ertragen konnten, wenn immer wieder völlig fremde Leute beim Fenster hereingeschaut haben. Mittermaier: Ja, meine Schwester Evi ist ja auch noch mit mir zusammen Skirennen gefahren. Insgesamt waren das auch bei ihr zehn Jahre. Auf diese Weise waren wir beide natürlich immer weg von zu Hause. Ansonsten war es tatsächlich so, dass um dieses Grundstück auf der Winklmoos-Alm kein Gras mehr gewachsen ist. Die Leute haben auch ganz frech von der Wäscheleine Souvenirs mitgenommen. Das war wirklich unglaublich. Ich dachte mir immer, dass das bald aufhören würde, dass sich das nach ein paar Monaten legen würde. Aber das hat dann doch ganz schön lange angehalten. Halke-Teichmann: Deine Popularität hat jedenfalls bis zum heutigen Tage angehalten. Mittermaier: Nun ja, jetzt ist es ganz gut. Ich wohne in Garmisch auch ein wenig anonymer, und das ist ganz gut so. Halke-Teichmann: 1976 gab es für dich diese Krönung: Du bist dann auch wegen des Gewinns des Gesamt-Weltcups zur erfolgreichsten Skirennläuferin aller Zeiten geworden. Wann fiel da eigentlich die Entscheidung, mit dem Rennsport aufzuhören? Was waren die Gründe, die dich dazu bewogen haben? Lag es daran, dass du zu dem Zeitpunkt am besten vermarktet werden konntest? Weil du gedacht hast, dass du dich nach diesem Erfolg für die nächste Saison überhaupt nicht mehr motivieren kannst? Oder lag es ganz einfach daran, dass du keine Lust mehr hattest, dich im Training weiter zu quälen? Mittermaier: Nein, denn gequält habe ich mich überhaupt nie. Halke-Teichmann: Was? War denn das Training immer nur schön für dich? Mittermaier: Nur das Training mit den Gewichten habe ich gehasst. Aber ich habe mir gedacht: "Mein Gott, da musst du halt durch." Ich habe das Training also nie irgendwie als besonders schlimm empfunden. Das Skifahren selbst fand ich sowieso nicht schlimm: Ich wäre daher sicherlich noch wahnsinnig gerne weitergefahren. Aber zu dieser Zeit war man als Mädchen mit 25 Jahren im Skirennsport schon alt. Da war ich schon in einem Alter, wegen dem mich Frau Wörndl, die als Sprecherin die Rennen im Zieleinlauf oft kommentiert hat, einmal "Skigroßmutter" genannt hat. Das war in Bad Gastein: Das werde ich nie vergessen, denn ich war ja erst 25 Jahre alt! Da habe ich mir dann doch gedacht: "Hoppla, so alt bist du also schon. Da musst' dich jetzt aber umschauen!" Es kam am Ende der Saison 1976 dann dieser ganze Ansturm, und da waren doch Angebote dabei, bei denen man gesagt hat: "Mensch, da muss man jetzt wohl doch gleich einsteigen, weil das jetzt ein guter Moment ist." Das Aufhören ist mir aber schon schwer gefallen. Ich war ja all das gewohnt: die ganze Umgebung, die Trainer, die Kolleginnen, die Freundinnen usw. Mein Mann Christian ist zu dem Zeitpunkt ja auch noch weiter Ski gefahren. In der ersten Zeit hat mir das alles wirklich sehr gefehlt. Aber ich war so beschäftigt und letztlich noch mehr unterwegs als vorher, dass ich zum Nachdenken darüber eigentlich gar nicht gekommen bin. Halke-Teichmann: Ich glaube, es waren 30 Manager und Agenturen, die dich vermarkten wollten. Das Rennen hat dann aber letztlich Mark McCormack mit seiner "International Management Group" gemacht, der wohl bedeutendsten und auch heute noch besten Agentur der Welt auf diesem Gebiet. Gab es da in dieser Zeit auch Angebote, bei denen du gesagt hast, "nein, das mache ich nicht!", obwohl das Angebote waren, die IMG gerne mit dir gemacht hätte, weil das halt viel Geld eingebracht hätte. Mittermaier: Ich habe z. B. einmal einen bereits unterschriebenen Vertrag nicht erfüllt, weil ich mir gedacht habe, dass das einfach nichts ist für mich. Da ging es um ein Deospray: Das hat mir nicht gepasst, weil ich so etwas eigentlich nicht benutze. Aus dem Grund habe ich dann auch diesen Vertrag gebrochen. Halke-Teichmann: Wären das Aufnahmen gewesen, bei denen man Rosi womöglich ein wenig leicht bekleidet gesehen hätte? Mittermaier: Nein, das nicht, das überhaupt nicht. Das wäre schon recht seriös in Richtung Sport gegangen. Aber mir hat das einfach nicht so behagt. Ich wurde in dem Zusammenhang dann auch in Kaufhäusern eingesetzt: zwischen den Salaten und all den anderen Dingen. Das hat mir alles wirklich nicht behagt. Und so habe ich diesen Vertrag nicht erfüllt. Da war dann auch einiges los. Halke-Teichmann: Wenn man nur sein Deo tragen würde, dann wäre man ja auch sozusagen splitternackt. Katharina Witt hat für den "Playboy" Nacktaufnahmen gemacht: Sie soll angeblich eine Million Dollar dafür erhalten haben. Wäre so etwas für dich auch denkbar? Mittermaier: Nein, das glaube ich nicht. Dafür bin ich eigentlich zu bodenständig. Das würde ich daher nie machen. Sicher, die Zeit hat sich heute natürlich auch gewandelt: Aber ich würde mich ganz bestimmt nicht ausziehen. Halke-Teichmann: Für keine Summe der Welt? Mittermaier: Das würde ich alleine schon Christian zuliebe nicht machen, weil ich glaube, dass das auch ihm nicht passen würde. Halke-Teichmann: Du hast Produktwerbung betrieben, aber du warst z. B. auch Kommentatorin für das Fernsehen: Wie war denn diese Erfahrung für dich, einmal das Ganze von der anderen Seite aus zu betrachten? Mittermaier: Das war natürlich sehr interessant für mich, weil man da erst merkt, unter welcher Hektik und unter welchem Stress diese Leute ihrerseits stehen. An das denkt man als Läuferin oder Läufer natürlich überhaupt nicht. Beim Fernsehen muss wirklich alles zackzack und wirklich sehr flott gehen, denn kaum ist die eine Läuferin im Ziel, kommt schon wieder die nächste. Gerade im Skirennsport herrscht in solchen Momenten wirklich Stress beim Fernsehen. Ich merke das z. B. auch daran, wenn Christian heutzutage im Fernsehen seine Analysen macht: Da muss er in kürzester Zeit sofort kapieren, wo welche Läuferin wie viel Zeit verloren hat. Dann muss ganz schnell der Schnitt fertig gestellt werden, weil das sofort nach dem Rennen ausgestrahlt wird: Die Zeit dafür ist wirklich unglaublich knapp. Damals war das Gott sei Dank noch nicht so hart, da wurde noch nicht alles so haarklein analysiert und auseinander genommen. Ich war damals halt Co- Kommentatorin, aber ich habe schon mitbekommen, dass das alles nicht so einfach ist. Halke-Teichmann: Rosi Mittermaier hat Bücher geschrieben, im Fitness-Bereich Fernsehserien gedreht und hat auch gesungen, sowohl bayerische Lieder wie auch in der Popszene... Mittermaier: Nein, in der Popszene habe ich doch nie gesungen. Halke-Teichmann: "Enorm in Form" war doch eher ein popiger Titel. Mittermaier: Ja, aber das haben wir dann später doch wieder abgeblasen. Nein, nein, gesungen haben die Evi und ich als Kinder schon immer. Denn mein Vater wollte eben, dass wir ein Instrument lernen und auch singen können. Deshalb haben wir dann auch einmal eine Platte aufgenommen mit richtiger Volksmusik. Halke-Teichmann: Das war Advents- und Weihnachtsmusik. Mittermaier: Ja, richtig. Das haben wir auch deshalb gemacht, weil es uns interessiert hat, wie so etwas abläuft und wie so etwas gemacht wird. Das hat uns schon Spaß gemacht, aber in kommerzieller Richtung war das nie angelegt. Halke-Teichmann: In deinem eigentlichen Beruf als Hotelkauffrau warst du eigentlich nie tätig. Mittermaier: Ich habe halt zu Hause bei uns im Betrieb gearbeitet. Später in der Berufsschule, als ich dann gemerkt habe, wie hart die anderen dabei arbeiten müssen mit ihrem Nachtdienst usw., habe ich beschlossen, mir die Hotels während der Skikarriere doch lieber als Gast anzusehen. Halke-Teichmann: Aber ihr habt auch einen Landgasthof in Reit im Winkl. Dein Papa ist in der Zwischenzeit 88 Jahre alt und erfreut sich immer noch bester Gesundheit. Er fährt auch immer noch Ski, wenn ich richtig informiert bin. Mittermaier: Ja, toi, toi. Er fährt ab und zu noch, wenn das Wetter schön ist. Halke-Teichmann: Deswegen wirst du ja auch des Öfteren in deine alte Heimat zurückkehren. Mittermaier: Ja, klar. Meine ältere Schwester wohnt ja auch in Reit im Winkl, und Evi wohnt auch nicht weit weg in Bergen. Selbstverständlich besuche ich Vati öfter: Er ist von dort immer schlecht wegzubringen zu uns nach Garmisch. Das heißt, man muss halt zu ihm fahren, wenn man ihn sehen will. Natürlich ist es so, dass ich schon gerne zurückkomme. Halke-Teichmann: Außer dem fünfzigsten Geburtstag steht noch ein anderes Jubiläum an: der 20. Hochzeitstag mit Christian Neureuther. Wie habt ihr es eigentlich geschafft, über einen so langen Zeitraum eine so glückliche Ehe zu führen? Das ist ja, wie man leider sagen muss, heutzutage fast schon eine Seltenheit. Mittermaier: Ja, das ist halt ein Glücksfall. Man muss eben den Richtigen treffen: Das ist das Wichtigste. Ja, wie haben wir das geschafft? Halke-Teichmann: Nun, da gibt es ja schon einmal gleiche Interessen. Mittermaier: Ja, auch, selbstverständlich, denn der Christian ist selbst auch Sportler gewesen, das stimmt schon. Was aber ist die Kunst? Nun, dass jeder den anderen ein wenig so sein lässt, wie er ist. Bei uns ergänzt es sich eben ideal: Ich bin absolut keine Geschäftsfrau. Christian macht diesen Part bei uns in der Familie, und ich bin zu Hause. Er ist im Winter oft mit dem Fernsehen unterwegs, während ich gerne daheim bin und dort die Stellung halte, denn das muss ja auch sein. Das ergänzt sich alles, und dann kommen halt auch unsere gleichen Interessen noch hinzu: besonders im Hinblick auf den Skisport, woran unser Herz immer noch hängt. Wenn man das sein Leben lang gemacht hat, dann bleibt das auch so. Halke-Teichmann: Einen großen Rummel gab es auch noch um eure Hochzeit in Garmisch- Partenkirchen: sowohl wegen des Medienaufkommens als auch wegen der 20000 Fans, die da gekommen waren. Mittermaier: Ja, aber wir wussten nicht, dass da so viele kommen würden. Halke-Teichmann: Ist da nicht doch ein Punkt erreicht, bei dem man sich manchmal sagt: "Mein Gott, wäre ich doch nicht so bekannt und würde meinetwegen nur Maier heißen. Da könnte ich jetzt wenigstens in Ruhe Hochzeit feiern."? Mittermaier: Ja, aber das haben wir dann Gott sei Dank doch so in den Griff bekommen, dass die Kirche wirklich nur für die Verwandten und die geladenen Gäste da war. In der Kirche war nur ein Fotograf. Da gab es auch keine Kamera usw. Halke-Teichmann: Aber das war dann doch wieder ein unglaubliches Gedränge. Mittermaier: Als wir aus der Kirche gekommen sind, waren wir ja selbst überrascht, dass da so viele Leute stehen und dass da so viel los ist. Aber danach haben wir das in dem geplanten Rahmen doch noch hinbekommen: Da war dann alles abgeschirmt und abgesperrt. Das war also schon noch zu regeln. Aber an sich war das selbstverständlich schon schön. Halke-Teichmann: Die Reit im Winkler haben sich wohl mittlerweile auch wieder beruhigt darüber, dass Christian Neureuther Rosi nach Garmisch-Partenkirchen entführt hat. Mittermaier: Ja, sie haben Christian schon anerkannt. Weil wir ja in Reit im Winkl diesen Landgasthof haben, sind wir ja im Grunde in beiden Orten verwurzelt. Halke-Teichmann: Ihr habt zwei Kinder: Amelie ist jetzt wie alt? Mittermaier: Amelie ist jetzt 19 geworden. Halke-Teichmann: Und Felix ist demnach 16 Jahre alt. Wie fühlst du dich denn in der Mutter- und Hausfrauenrolle? Mittermaier: Ah, ja, wie fühlt man sich da? Halke-Teichmann: Kochst du z. B. selbst? Oder macht das jemand bei euch? Mittermaier: Ja, ich mache das schon selbst. Ich mache den Haushalt schon alleine. Gut, ich habe eine Zugehfrau, die zweimal in der Woche kommt, aber ansonsten mache ich das schon selbst. Ich koche auch wirklich ganz gerne. Sicher, wenn man jeden Tag kochen muss, dann macht einem das nicht immer so viel Spaß, das weiß jede Frau. Wenn einmal etwas Besonderes ansteht, dann ist das aber doch auch wieder recht schön. Ich habe das irgendwie doch gelernt bei meiner Mutter: Durch die Lehre zu Hause ist eben schon etwas hängen geblieben. Das heißt, das Kochen usw. geht mir ganz gut von der Hand. Die Kinder selbst waren halt ein sehr einschneidendes Ereignis: Wenn man Eltern wird, dann ändert sich für Vater und Mutter wirklich alles. Das geht aber jedem so, der Kinder hat. Halke-Teichmann: Stimmt, dem kann ich nur zustimmen. Mittermaier: Da hat man dann die Verantwortung für die Kinder, und so denkt man nur noch daran, ob es den Kindern gut geht, ob in der Schule alles in Ordnung ist usw. Da fragt man sich dann ständig: Machen sie alles so, wie man sich das vorstellt? Halke-Teichmann: Welche Talente haben denn die Kinder von euch geerbt? Das Skifahren? Mittermaier: Sie sind beide recht sportlich. Felix liebt den Sport wirklich: Den muss man schon fast zwingen, auch wieder aufzuhören... Halke-Teichmann: Er ist auch im Nationalkader. Mittermaier: Ja, er ist in der Nachwuchsmannschaft des Deutschen Skiverbandes mit dabei. Er ist, wie gesagt, 16 Jahre alt und spielt im Verein in Garmisch aber auch gerne Fußball. Letztes Jahr hatte er leider ein kleines Problem mit dem Knie: Wenn das anfängt, dann hat man da schon wieder so ein wenig seine Sorgen als Mutter. Halke-Teichmann: Weil du die Sorgen gerade ansprichst: Die Mittermaier-Mädels hatten ja diverse Knochenbrüche. Am schlimmsten hat es wohl Evi mit einem Schädelbruch erwischt. Macht man sich aus diesem Grund denn nicht besonders viele Sorgen, wenn die eigenen Kinder Skifahrer sind? Weil man halt weiß, was passieren kann? Mittermaier: Man war ja selbst auch einmal jung und weiß doch deshalb, was los ist und wie schön es sein kann, wenn man auch einmal das Tempo spürt. Deshalb kann ich das also recht gut einschätzen. Die Entwicklung im Ski-Weltcup der letzten Jahre macht mir da schon andere Sorgen: Das betrifft die taillierten Skier, das höhere Tempo oder meinetwegen die Abfahrtsstrecken, die für Männer und Frauen fast gleich sind. Diese Strecken sind zwar mit Netzen und Absperrungen eingezäunt, aber man kann doch genau verfolgen, dass sich vor allem Mädchen sehr schnell und sehr schwer verletzten. Da sagt man sich dann doch: "Herrschaftszeiten, das muss doch ein wenig eingeschränkt werden." Die FIS macht auf dem Gebiet ja jetzt auch Einschränkungen bei der Taillierung der Ski usw. Halke-Teichmann: Amelie hat wohl nicht mehr ganz so viel Spaß am Skifahren. Mittermaier: Sie ist schon auch immer ein wenig Rennen gefahren früher. Ich habe sie dort im Verein immer abgeliefert und sie dann alleine machen lassen, denn meine Kinder wollten das einfach nicht, dass wir da dabei gewesen wären. Das ist ja ganz klar: Sie wurden immer wieder nach den Eltern gefragt, ob sie so wie der Vater oder die Mutter fahren usw. Als Amelie noch recht klein war, hat sie darauf immer geantwortet: "Nein, besser!" Sie wusste das wirklich nicht, denn unsere Kinder wissen ja gar nicht so genau darüber Bescheid, wie wir früher Ski gefahren sind. Später hat es sie aber sehr gestört, dass sie im Hinblick auf ihre eigene persönliche Entwicklung immer wieder in diese Ecke gedrängt worden ist. Halke-Teichmann: Leiden deine Kinder manchmal ein wenig darunter, so prominente Eltern zu haben? Mittermaier: Ich glaube schon ein wenig. Felix zeigt das nicht so nach außen, aber Amelie mag das wirklich gar nicht. Sie hat einmal sogar gesagt: "Am liebsten hätte ich einen anderen Namen." Denn sie spürt halt, dass uns doch sehr viele Leute ansprechen, während die Kinder dann völlig auf die Seite gedrängt werden. Sie fahren auch nie mit uns irgendwohin, wenn es irgendwo etwas gibt, wohin man normalerweise Kinder gerne mitnehmen würde. Solche Sachen mögen sie gar nicht gerne: Sie sind lieber zu Hause und haben dort ihren Freundeskreis. Und das ist auch in Ordnung so. Halke-Teichmann: Es gab in der Familie Mittermaier-Neureuther einmal auch eine Situation, in der ihr sehr verängstigt worden seid. Denn es konnte eine Entführung eurer Kinder mitsamt Lösegelderpressung im Vorfeld gerade noch verhindert werden. Hat das euer Leben verändert? Mittermaier: Ja, und das ist auch ein ganz schwarzes Kapitel. Man kann sich das von außen eigentlich gar nicht so recht vorstellen: In so einer Situation kann man überhaupt nicht mehr schlafen, weil man nur noch daran denkt. Aber das Leben geht ja doch weiter, und man muss die Kinder trotzdem so erziehen, dass sie nicht in jedem fremden Menschen einen Kriminellen sehen. Das war also doch eine Geschichte, die für uns eine sehr krasse Zeit dargestellt hat. Halke-Teichmann: Hat sich das mittlerweile so ein wenig normalisiert? Mittermaier: Ja, die Kinder sind mittlerweile ja auch älter geworden. Wir haben sie auch nie abbilden oder Fotos von ihnen veröffentlichen lassen, obwohl natürlich ständig nach solchen Homestorys und dergleichen gefragt wird. Dieses Thema ist für uns aber wirklich tabu: So etwas machen wir nicht. Halke-Teichmann: Du hast schon gesagt, dass die Geschäfte mittlerweile Christian übernommen hat, weil du das nicht ganz so gerne machen... Mittermaier: Nein, schon immer, er macht das immer schon. Halke-Teichmann: Du selbst aber engagierst dich z. B. auch im sozialen Bereich: Du bist Schirmherrin der Rheumaklinik in Garmisch-Partenkirchen... Mittermaier: Ja, für Kinderrheuma. Halke-Teichmann: Zudem bist du Botschafterin im Europäischen Parlament für Sport, Toleranz und Fairplay. Was beinhalten diese Aufgaben? Mittermaier: In diese Botschaftsaufgabe wurde ich vor zwei Jahren vom Bundesinnenministerium gewählt. In diesem Jahr war in Athen eine Sitzung all dieser Botschafter: Da haben sich diese Botschafter aus allen europäischen Ländern getroffen. Es gab da einen Austausch in der Richtung, dass man z. B. auch von Deutschland aus für östliche Länder im Hinblick auf den Fairplay etwas machen könnte. Denn dort gibt es ja überhaupt kein Geld dafür, um wenigstens einmal irgendetwas in der Richtung z. B. drucken zu können. Halke-Teichmann: Ihr beide habt ja eine Skifirma: Da könntet ihr doch ein paar Skier rüberschicken. Mittermaier: Absolut. Aber es ist eben so, dass bei uns im Land für den Fairplay sehr viel gemacht wird. Vom Bundesinnenministerium gibt es einen Fairplay-Preis, der jedes Jahr vergeben wird. Aber das ist nur ein kleiner Teil unserer Aufgabe, denn ansonsten schaut man halt, dass sich Sportler und Zuschauer möglichst fair verhalten. Denn das ist doch das Allerwichtigste. Wenn das nämlich gewährleistet ist, dann geschieht auch nichts, dann gibt es keine Hooligans unter den Fußballfans usw. Wie bringt man die Leute aber zur Fairness? Das ist das Problem. Halke-Teichmann: Hat das Engagement in der Kinder-Rheumaklinik eine Vorgeschichte? Ich hoffe doch nicht. Mittermaier: Nein, es ist nur so, dass ich diese Klinik schon sehr lange kenne, weil da auch meine Kinder immer untersucht worden sind. Mein Schwiegervater, also Christians Vater, ist Mediziner und kannte von daher den Professor an dieser Klinik immer schon sehr gut. Ich weiß daher, was dieser Mann in dieser Klinik auf die Beine gestellt hat und wie die Kinder dort immer schon behandelt worden sind. Nun will man eben, dass auch andere Kliniken diese Krankheit bei den Kindern früher erkennen und behandeln. Das ist mit ein Grund dafür, warum ich dort tätig bin. Ich versuche halt, mit dazu beizutragen, dass man zu Geld kommt, um diese ganzen Dingen unternehmen zu können. Halke-Teichmann: Rosi, wie erklärst du dir denn, dass du auch 24 Jahre nach deinem großartigen Erfolg immer noch so ungemein populär bist? Mittermaier: Oh, das kann man nicht erklären. Ich weiß das sicher nicht. Halke-Teichmann: Vielleicht liegt es daran, dass du dich nie verändert hast und immer natürlich geblieben bist? Mittermaier: Das ist schwierig zu sagen, denn darüber habe ich mir im Grunde noch gar keine Gedanken gemacht. Es gibt ein Sprichwort, das mir meine Mutter immer gesagt hat: "So wie man in den Wald hineinruft, so tönt es zurück!" Solche Sprichwörter haben schon einiges für sich: Wenn man selbst nett zu den Leuten ist, dann sind sie auch nett zu dir. Das ist alles. Halke-Teichmann: Wenn man so erfolgreich ist, eine glückliche Ehe führt, zwei gesunde Kinder hat und finanziell eigentlich auch keine Probleme besitzt, was wünscht man sich denn da für die Zukunft? Mittermaier: Ich bin ja an sich schon irgendwie wunschlos glücklich, aber diese Aktivitäten, die ich jetzt z. B. für die Rheumakinder mache, sind mir doch sehr wichtig. Ich mache daneben ja auch noch Dinge für andere gute Zwecke: Es gibt da noch den Spendenmarathon, den Spendenaufruf für eine Augenklinik in Nepal, in den ich auch eingebunden bin. Und es gibt eben auch dieses Thema des Fairplay: Wenn man das den Menschen ein wenig näher bringen könnte, dann wäre doch viel erreicht. Ich glaube, dass das doch das Wichtigste ist. Wenn man es im kleinen eigenen Umfeld schafft, dass man fair und tolerant ist - ob das gegenüber Ausländern ist oder ob das beim Sport ist –, dann ist schon viel erreicht. Denn man so wie ich viel im Ausland war, dann weiß man doch, wie gut es einem im Ausland oft gegangen ist. Deshalb möchte ich, dass sich die fremden Menschen bei uns genauso wohl fühlen. Es braucht also immer und überall ein gewisses Maß an Toleranz. Halke-Teichmann: Rosi, das war ein wunderbares Schlusswort. Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, das war die Doppelolympiasiegerin Rosi Mittermaier zu Gast bei Alpha-Forum. Ich bedanke mich bei dir, Rosi, dass du gekommen bist, und bei Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, für Ihr Interesse. Mittermaier: Ich danke auch. Halke-Teichmann: Auf Wiederschaun.

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