Basisstudie Finanzierungspotenziale bei der Weiterentwicklung der gesetzlichen Arbeits‐ losenversicherung zur Arbeitsversicherung

ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH, Köln Büro Berlin Gorgasring 2, 13599 Berlin www.isg‐institut.de

Diplom‐Volkswirtin Angelika Hammer Dr. (Projektleiter)

Unter Mitarbeit von Sina Kallin1

Gefördert durch

Berlin, den 30. September 2012

Ansprechpartner: Dr. Martin Rosemann Tel.: 030 650 43 90 rosemann@isg‐institut.de

ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH Barbarossaplatz 2  D‐50674 Köln  Tel. +49 (0) 221 23 54 73  Telefax +49 (0) 221 21 52 67  E‐Mail: info@isg‐institut.de Gorgasring 2  D‐13599 Berlin  Tel. +49 (0) 30 650 43 90  Telefax +49 (0) 30 659 420 48  E‐Mail: berlin@isg‐institut.de Amtsgericht Köln HRB 61917  Geschäftsführer: Dr. Dietrich Engels, Dr. Michael Fertig Bankverbindung: Sparkasse KölnBonn  BLZ 370 501 98  Konto‐Nr. 190 140 7476  Steuernummer 214/5808/2023

1 Wir danken Barbara Brocksiepe (BMAS), Michaelis Greiner (BA), Alexander Herzog‐Stein, PhD (WSI) und Dr. Anabell Kohlmeier (Sachverständigenrat) für wertvolle Informationen und Hinweise. Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis ...... 4 Abbildungsverzeichnis ...... 4 1. Hintergrund und Aufgabenstellung ...... 5 2. Finanzierungsströme (Einnahmen und Auusgaben) der Bundesagentur für Arbeit seit 1999 ...... 8 2.1 Entwicklung der Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben der Bundesagentur für Arbeit seit 1999 ...... 8 2.2 Entwicklung der Einnahmen der BA ...... 11 2.2.1 Entwicklung der Beitragseinnahmen in Abhängigkeit von der Höhe des Beitragssatzes ... 11 2.2.2 Entwicklung der Struktur der Einnahmen der BA ...... 12 2.3 Entwicklung der Struktur der Ausgaben der BA ...... 13 2.4 Zusammensetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Haushalt der BA ...... 16 3. Entwwicklung der Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund ...... 20 3.1 Höhe und Zusammensetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund ab 2005 ...... 21 3.2 Verhältnis der Ausgaben für aktive und passive Arbeitsmarktpolitik ...... 23 4. Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland und weitere Finanzierungspotenziale bei alternativen Beitragssätzen ...... 26 4.1 Entwicklung der Finanzierungsanteile von Steuern und Beiträgen in Abhänggigkeit vom Beitragssatz ...... 26 4.2 Jährliche Beitragseinnahmen bei alternativen Beitragssätzen ...... 28 5. Umfang und Finanzierung von beruflicher Weiterbildung in Deutschland – der Status quo ...... 31 5.1 Systematisierung der beruflichen Weiterbildung nach der Form ihrer Finanzierung ...... 31 5.2 Ausgaben für die berufliche Weiterbildung nach der Form ihrer Finanzierunng ...... 35 5.3 Gesamtausgaben für die berufliche Weiterbildung und ihre Verteilung auf die Finnanzierungsformen ...... 37 5.4 Hochrechnung der Gesamtausgaben für die berufliche Weiterbildung mit Hilfe der Inflations‐ raate ...... 39 6. Reformvorschläge und Reformbedarf bei der Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Leistungen .. 41 6.1 Steuer‐ vs. Beitragsfinanzierung von arbeitsmarktpolitischen Leistungen ...... 41 6.1.1 Allgemeine Kriterien für Steuer‐ und Beitragsfinanzierung ...... 41 6.1.2 Steuer‐ vs. Beitragsfinanzierung im Bereich der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung .. 43 6.2 Vorschläge zu Ausgestaltung und Höhe des Beitragssatzes für die gesetzlichhe Arbeitslosenversicherung ...... 47 6.2.1 Zur Diskussion um die Finanzlage der Arbeitslosenversicherung, die Höhe des Beitragssatzes und den Bundeszuschuss ...... 47 6.2.2 Weitergehende Vorschläge ...... 50

2 7. Alternative Vorschläge zur kollektiven Finanzierung von beruflicher Weiterbildung ...... 53 7.1 Das System der Ziehungsrechte ...... 53 7.2 Finanzierungsmodelle seitens der privaten Haushalte mit staatlicher Kofinanzierung ...... 54 7.3 Finanzierungsmodelle seitens der Unternehmen ...... 55 7.4 Finanzierung von beruflicher Weiterbildung auf Basis einer Neustrukturierung der Arbeitsversicherung ...... 57 8. Zusammenfassung und Empfehlungen ...... 59 8.1 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der Studie ...... 59 8.2 Handlungsempfehlungen ...... 61 8.3 Offene Fragen ...... 67 Literatur ...... 68 Anhang ...... 73

3 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Posten der aktiven Arbeitsmarktpolitik der BA ...... 18

Tabelle 2: Schätzung der versicherungsfremden Leistungen für 2010 ...... 46

Tabelle 3: Finanzierung der beruflichen Weiterbildung durch eine Arbeitsversicherung – Konsequenzen für den Finanzierungsbedarf bei unterschiedlichem Umfang des Leistungskatalogs .. 65

Tabelle 4: Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit und ohne Rechtsanspruch für das Jahr 2010 ...... 73

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Gesamteinnahmen und ‐ausgaben der BA in Mrd. € mit Beitragssatz ...... 8

Abb. 2: Einnahmen der BA in Mrd. € mit Beitragssatz in % ...... 11

Abb. 3: Ausgaben der BA in Mrd. € ...... 14

Abb. 4: Verhältnis von aktiver AMP und passiver AMP der BA in Prozent ...... 15

Abb. 5: Aufteilung nach Kategorien der aktiven Arbeitsmarktpolitik der BA in Mrd. € ...... 17

Abb. 6: Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund ab 2006 in Mrd. € ...... 21

Abb. 7: Aufteilung nach Kategorien der aktiven Arbeitsmarktpolitik BA und Bund (SGB II und SGB III) insgesamt in Mrd. € ...... 22

Abb. 8: Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund und ihre Finanzierung in Mrd. € ...... 24

Abb. 9: Verhältnis von aktiver AMP und passiver AMP von BA und Bund zusammen ...... 25

Abb. 10: Steuer‐ und Beitragsanteil zur Finanzierung der aktiven und passiven Arbeitsmarktpolitik in Mrd. € mit Beitragssatz in % ...... 27

Abb. 11: Verhältnis von Beiträgen und Steuern zur Finanzierung der AMP ...... 28

Abb. 12: Beitragsvolumen der BA in Mrd. € mit fiktiven Beitragssätzen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Mio...... 29

Abb. 13: Fiktive Beitragsmehreinnahmen in Mrd. € der BA ...... 30

Abb. 14: Nominale und prozentuale Finanzierungsanteile der Unternehmen, der privaten Haushalte und der öffentlichen Hand (Staat und der Bundesagentur für Arbeit) für berufliche ..... Weiterbildung (ohne Berücksichtigung der steuerlichen Wirkungen) ...... 38

Abb. 15: Nominale und prozentuale Finanzierungsanteile der Unternehmen, der privaten Haushalte und der öffentlichen Hand (Staat und der Bundesagentur für Arbeit) für berufliche Weiterbildung (mit Berücksichtigung der steuerlichen Wirkungen) ...... 38

Abb. 16: Gesamte Ausgaben für berufliche Weiterbildung in Mrd. € (Basisjahr 2004) mit Berücksichtigung der Inflationsrate in Bezug auf Vorjahr ...... 40 4 1. Hintergrund und Aufgabenstellung

Die Wirtschafts‐ und Arbeitswelt befindet sich seit den letzten Jahrzehnten in einem starken Wandel, der zugleich Auswirkungen auf die privaten Lebensbedingungen hat. Insgesamt ist nur noch knapp ein Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung in einem so genannten Normalarbeitsverhältnis (unbe‐ fristete abhängige Vollzeitbeschäftigung) tätig. (Solo‐)Selbständigkeit, befristete Beschäftigung, Leih‐ oder Zeitarbeit sowie vor allem Teilzeitbeschäftigung haben zugenommen.

Zugleich haben die Übergänge zwischen alternativen Beschäftigungsformen sowie zwischen Phasen der Beschäftigung und der Beschäftigungslosigkeit zugenommen. Durch veränderte Beschäftigungs‐ formen in Verbindung mit einem strukturellen Wandel unserer klassischen Industriegesellschaft zu einer wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft haben zudem die Einkommensrisiken im Lebens‐ verlauf zugenommen.

Neben den Beschäftigungsformen haben sich auch die Arbeitsbedingungen verändert. Moderne In‐ formations‐ und Kommunikationsmedien bestimmen mittlerweile die meisten Bereiche unserer Ar‐ beitswelt. Technische Innovationen führen zu immer schnelleren Veränderungen. Dadurch veraltet Wissen zunehmend schneller. Die Anforderungen an die Flexibilität und Lernbereitschaft der Beleg‐ schaften sind dramatisch gestiegen.

Gerade im Kontext des demografischen Wandels stellt dies eine große Herausforderung für die Be‐ schäftigten, die Unternehmen aber auch die Politik dar. Während die Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren nur geringfügig zurückgehen wird, wird das Erwerbspersonenpotenzial im gleichen Zeitraum um rund ein Viertel schrumpfen. Das bedeutet, dass der annähernd gleiche Wohlstand in Zukunft mit einer deutlich geringeren Anzahl an Personen produziert werden muss. Zugleich werden wir es mit einer deutlich älteren Erwerbsbevölkerung zu tun haben.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie diese Anpassungsprozesse sozial verträglich bewäl‐ tigt werden können. Unbestritten ist die Notwendigkeit von lebensbegleitendem Lernen. Jedoch muss geklärt werden, wie dieses organisiert und finanziert werden soll. Dazu gehört auch, die richti‐ gen Anreize dafür zu setzen, dass alle Beschäftigten an der notwendigen Weiterbildung teilnehmen.

Als ein zentraler Ansatzpunkt für eine stärkere generelle Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftig‐ ten sowie insbesondere von Gruppen, die bisher besonders selten an Weiterbildung teilnehmen, wird vorgeschlagen, die Finanzierung von beruflicher Weiterbildung stärker in kollektive Systeme zu überführen. Am weitesten geht hierbei der Vorschlag der Einbeziehung in die zur Arbeitsversiche‐ rung weiterzuentwickelnde gesetzliche Arbeitslosenversicherung.

Die Grundidee des Konzepts der Arbeitsversicherung besteht darin, die bisherige gesetzliche Arbeits‐ losenversicherung in mehrfacher Hinsicht weiterzuentwickeln, wobei die Versicherungsbedarfe und Versicherungsleistungen an die sich während des Erwerbslebens verändernden Bedürfnisse ange‐ passt werden sollen (Schmid 2008, 2009, 2010, 2011). Das Konzept der Arbeitsversicherung verfolgt das Ziel im Sinne der übergreifenden Idee der „Flexicurity“ (Keller/Seifert 2008), die zunehmende Flexibilität auf der einen Seite mit mehr Sicherheit auf der anderen Seite zu verbinden. Dadurch soll zugleich die Bereitschaft gefördert werden, riskante Entscheidungen zu treffen, die wegen Risiko‐ aversion sonst nicht getroffen würden (Schmid 2009). Beispielsweise handelt es sich um die Ent‐ scheidung für eine Qualifizierung, die höhere Einkommenspotenziale zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. Dabei ist die Wahl eines mit größeren Risiken behafteten Weges nicht nur aus langfristi‐

5 ger individueller Sicht optimal, sondern auch aus volkswirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Perspektive. Dies ist der Fall, weil beispielsweise Investitionen in das Humankapital wachstumsför‐ dernd sind (vgl. z.B. Emmerich et al. 2000; Eichhorst 2007). Staatliche Sozialversicherungssysteme setzen hierbei wesentliche Anreize, weil gegen Verlustgefahren abgesicherte Individuen eine größere Bereitschaft zeigen, riskante Investitionen zu tätigen. Eine Absicherung solcher Risiken durch staatli‐ che Systeme (Steuern oder Abgaben) hat somit wachstumsfördernde Effekte (Schmid 2009).

Vor diesem Hintergrund verfolgt die vorliegende Studie das Ziel, die notwendigen Grundlagen für die weitere Diskussion um die Finanzierung einer Weiterentwicklung zur Arbeitsversicherung durch die Einbeziehung von beruflicher Weiterbildung zu legen. In Abstimmung mit der Hans‐Böckler‐Stiftung wurden für die Projektarbeiten die folgenden drei Bausteine festgelegt:

1. Deskriptive Analyse der Finanzierungsströme (Einnahmen und Ausgaben) der Bundesagentur für Arbeit im Zeitablauf seit 1999 unter Berücksichtigung der Art der Ausgaben, der Form der Einnahmen (Beitragsmittel und Bundeszuschüsse), des jährlichen Saldos sowie der Höhe des Beitragssatzes in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. 2. Sichtung und Aufbereitung von relevanten Äußerungen aus Wissenschaft, Verbänden und Politik zur Finanzierungssituation der Bundesagentur für Arbeit und der erforderlichen Bei‐ tragshöhe. 3. Sichtung, Systematisierung und Zusammenfassung alternativer Finanzierungskonzepte für die Aufgaben der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung aus Wissenschaft, Verbänden und Politik.

Im Verlauf der Projektarbeiten wurde das Untersuchungsfeld der drei Bausteine an folgenden Stellen erweitert:

 So wurden nicht nur die Ausgaben der Bundesagentur für aktive und passive Arbeitsmarktpo‐ litik, sondern ergänzend auch die Ausgaben des Bundes im Rahmen des SGB II betrachtet.  Es wurde eine intensive Diskussion über die Frage aufgenommen, welche Leistungen im Kon‐ text der Arbeitslosenversicherung und auch einer erweiterten Arbeitsversicherung über Bei‐ träge und welche über Steuern zu finanzieren sind.  Es wurden nicht nur Vorschläge zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Arbeitslosenversi‐ cherung sowie zu deren Finanzierung, sondern auch alternative Vorschläge für die Finanzie‐ rung von beruflicher Weiterbildung außerhalb der Sozialversicherung aufbereitet.  Die Diskussion um Finanzierungspotenziale für berufliche Weiterbildung im Rahmen der So‐ zialversicherung wurde vor dem Hintergrund der bisherigen Höhe der Aufwendungen für be‐ rufliche Weiterbildung sowie der bisherigen Verteilung der Finanzierungslasten geführt.

Kapitel 2 der Studie stellt zunächst die Finanzierungsströme (Einnahmen und Ausgaben) der Bunde‐ sagentur für Arbeit (BA) seit 1999 vor dem Hintergrund der jeweils geltenden rechtlichen und institu‐ tionellen Rahmenbedingungen dar. Kapitel 3 beschreibt die Entwicklung der Ausgaben für die aktive und passive Arbeitsmarktpolitik durch BA und Bund seit 2005. Kapitel 4 stellt die Höhe und Entwick‐ lung der Finanzierungsanteile von Beiträgen und Steuern an den Ausgaben für aktive und passive Ar‐ beitsmarktpolitik in Deutschland dar und zeigt weitere Finanzierungspotenziale bei alternativen Bei‐ tragssätzen auf. In Kapitel 5 werden Erkenntnisse zur Höhe der Aufwendungen für die berufliche Weiterbildung sowie die Verteilung der Finanzierungslasten auf Unternehmen, private Haushalte und öffentliche Hand dargestellt. Kapitel 6 beschäftigt sich mit Reformbedarf und Reformvorschlägen im 6 Bereich der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Dabei wird zunächst der Frage nachgegangen, welche Leistungen im Kontext der Arbeitslosenversicherung aus Beiträgen und welche aus Steuern zu finanzieren sind. Zudem wird die Diskussion um die Höhe des erforderlichen Beitragssatzes sowie des Bundeszuschusse nachgezeichnet. Schließlich werden weitergehende Reformvorschläge zur gesetzli‐ chen Arbeitslosenversicherung vorgestellt. Alternative Vorschläge zur Finanzierung der beruflichen Weiterbildung sind Gegenstand von Kapitel 7. Kapitel 8 fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Studie zusammen, gibt Handlungsempfehlungen für die Einbeziehung der beruflichen Weiterbildung in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung und benennt die für ein abschließendes Finanzierungskonzept noch offenen Fragestellungen.

7 2. Finanzierungsströme (Einnahmen und Ausgaben) der Bundesagentur für Arbeit seit 1999

Das zweite Kapitel konzentriert sich zunächst auf den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit (BA). Abschnitt 2.1 analysiert die Entwicklung der Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben der BA von 1999 bis 2010. In Abschnitt 2.2 werden die Einnahmen detaillierter betrachtet,, in Abschnitt 2.3 die Struktur der Ausgaben analysiert. Abschnittt 2.4 beschreibt die Struktur der Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik im Haushalt der BA.

2.1 Entwicklung der Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben der Bundesagentur für Arbeit seit 1999

Zunächst betrachten wir die Entwicklung der Gesamteinnahmen und ‐ausgaben im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit (bis 2003 Bundesaanstalt für Arbeit) im Zeitablauf in den Jahren von 1999 bis 2010 (Abbildung 1).

Abb. 1: Gesamteinnahmen und ‐ausgaben der BA in Mrd. € mit Beitragssatz

60 15% 56,5 56,5 56,8 56,8 55,4 54,5 54,5 52,6 52,6 53,1 53,1 51,7 51,7 50,5 50,5 50 48,1 12% 45,2 44,2 42,8

39,4 40 38,3 37,1 36,2 34,3 9%

30 6,5% 6,5% 6,5%6,5%6,5% 6,5% 6,5% 6,5% Mrd. €

6% Beitragssatz in Prozent 20 4,2%

3,3% 2,8% 2,8% 3% 10

0 0% 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

Einnahmen Ausgaben Beitragssatz

Quelle: Statistik der BA. Einnahmen und Ausgaben der BA. Eigene Berechnungen.2

Von 1999 bis 2005 verzeichnete die BA nominal durchschnittliche Einnahmen von 53,7 Mrd. € und Ausgaben in der gleichen Höhe bei einem konstanten Beitragssatz von 6,5%.3 Einnahmen und Ausga‐ ben der BA blieben in diesem Zeitraum überr die Jahre relativ konstant. Die Einnahmen erreichten mit

2 Die dargestellten Rücklagen bzw. Finanzierunngssaldi aus Gesamteinnahmen und ‐ausggaben, inklusive Erstat‐ tungen und Beteiligungen des Bundes etc., beziehen sich immer auf das angegebene Haushaltsjahr, d.h. es sind keine kumulierten Überschüsse abgebildet. 3 Konjunkturschwankungen, also zum Beispiel Veränderungen der Verbraucherpreeisindizes, wurden hier nicht berücksichtigt. 8 56,8 Mrd. € im Jahr 2003 ihr Maximum. Das Minimum wurde mit 50,5 Mrd. € für das Jahr 2000 er‐ rechnet. Analog waren auch die Gesamtausgaben der BA im Jahr 2003 am höchsten bzw. im Jahr 2000 am niedrigsten.

In den Jahren 1999 bis 2005 war der Saldo des BA‐Haushalts jeweils Null, der Haushalt somit immer ausgeglichen. Dies ist auf die bis zum Jahr 2005 geltende gesetzliche Regelung (§ 365 SGB III aF) zu‐ rückzuführen, dass Defizite der BA durch einen Bundeszuschuss ausgeglichen werden.

Während somit bis zum Jahr 2006 eine vergleichsweise konstante Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der BA zu beobachten war, und diese darüber hinaus jeweils ausgeglichen waren, lässt sich ab dem Jahr 2006 ein struktureller Bruch erkennen. Ursächlich hierfür ist die im Zuge der so genann‐ ten Hartz‐Reformen durchgeführte Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Ar‐ beitslosengeld II (Hartz IV zum 1.1.2005) und die damit verbundene Trennung in ein (überwiegend) beitragsfinanziertes Versicherungssystem (SGB III) und ein steuerfinanziertes Fürsorgesystem (SGB II) sowie die Neuordnung der Zuständigkeiten für die Leistungserbringung.

Eine weitere strukturelle Veränderung erfolgte Anfang 2007. Der oben beschriebene Defizitausgleich durch den Bundeszuschuss (§ 365 SGB III) wurde zum 1.1.2007 abgeschafft: „Der bisherige Defizitzu‐ schuss des Bundes zur Bundesagentur für Arbeit entfällt zukünftig; ein etwaiger vorübergehender Unterstützungsbedarf wird künftig im Wege – auch überjähriger – Darlehen gewährleistet“ (Deut‐ scher 2006, S. 16). Somit werden aus den zinslosen Darlehen nach § 364 SGB III nicht mehr automatisch Zuschüsse, wenn am Ende des Haushaltsjahres die Rückzahlung nicht möglich ist. Gleichzeitig erfolgte jedoch eine teilweise Umfinanzierung von Leistungen des SGB III. So wurde der Beitragssatz zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zum 1.1.2007 deutlich von 6,5% auf 4,2% re‐ duziert, gleichzeitig wieder ein Bundeszuschuss an die Arbeitslosenversicherung in Höhe eines Um‐ satzsteuerpunktes aus der zeitgleich realisierten Erhöhung des regulären Mehrwertsteuersatzes um drei Prozentpunkte auf 19% eingeführt (§ 363 SGB III). Allerdings wird die Höhe dieses Bundeszu‐ schusses jährlich im Rahmen des Haushaltsplans des Bundes festgelegt.

Aufgrund dieser strukturellen Veränderungen änderte sich ab 2006 das Bild der Entwicklung von Ge‐ samteinnahmen und ‐ausgaben des BA‐Haushalts grundsätzlich. So sank das Niveau der Gesamtein‐ nahmen sowie der Gesamtausgaben der BA gegenüber dem Zeitraum zwischen 1999 und 2005. Auch die Gesamteinnahmen von 55,4 Mrd. € im Jahr 2006, in dem die BA am Ende des Jahres einen positi‐ ven Finanzierungssaldo von 11,2 Mrd. € erwirtschaftete und so die Beitragssatzsenkung von 6,5% auf 4,2% motivierte, lagen unter den Gesamteinnahmen des Jahres 2003. Nach einem deutlichen Rück‐ gang der Einnahmen von 12,6 Mrd. € im Jahr 2007, reduzierten sich die Einnahmen in den Folgejah‐ ren bis 2009 in Folge weiterer Beitragssatzsenkungen um etwa jeweils 4 Mrd. € und stiegen im Jahr 2010 bei einem gleich bleibenden Beitragssatz von 2,8% wieder leicht um 2,8 Mrd. € an.4

Somit ist während dieses Zeitraums trotz leichter Schwankungen ein klarer Rückgang der Gesamtein‐ nahmen von 55,4 Mrd. € im Jahre 2006 auf 37,1 Mrd. € im Jahre 2010 zu verzeichnen. Damit sind die Einnahmen der BA in diesem Zeitraum insgesamt um über 20 Mrd. € gesunken. Während die durch‐ schnittlichen Einnahmen der Jahre 1999 bis 2005 bei 53,7 Mrd. € lagen, betrugen die Durchschnitts‐ einnahmen in den Jahren von 2006 bis 2010 41,6 Mrd. €.

4 Zur Analyse der Einnahmen‐ und Beitragssatzentwicklung, siehe Abschnitt 2.2 und 4.2. 9 Auch das Niveau der Gesamtausgaben in den Jahren 2006 bis 2010 lag mit durchschnittlich 42,6 Mrd. € deutlich unter dem entsprechenden Wert der Jahre 1999 bis 2005 (53,7 Mrd. €). Während die Ent‐ wicklung der Einnahmen seit 2006 stark von der Beitragssatzentwicklung bestimmt wurde, folgte die Ausgabenentwicklung zunächst der zurückgehenden Arbeitslosigkeit in den Jahren 2006 und 2007 und wurde in den Folgejahren durch die Reaktion auf die Wirtschaftskrise beeinflusst. Entsprechend bewegten sich die Gesamtausgaben von 2006 bis 2010 zwischen einem Niedrigstbetrag von 36,2 Mrd. € (2007) und einem Höchstbetrag von 48,1 Mrd. € (2009). Besonders ins Auge fällt der deutliche Anstieg der Gesamtausgaben von 39,4 Mrd. € im Jahr 2008 auf 48,1 Mrd. € im Jahr 2009. Dieser ist jedoch nicht auf höhere Arbeitslosengeld I‐Zahlungen zurückzuführen, sondern auf eine deutliche Zunahme der Ausgaben für Kurzarbeitergeld,5 dessen erleichterte Inanspruchnahme als zentrales In‐ strument zur Krisenbewältigung fungierte.6 Trotz dieser deutlichen Ausgabenerhöhung wurde auch im Krisenjahr 2009 das Niveau der Ausgaben vor 2006 nicht wieder erreicht.

In Folge dieser Entwicklungen war der BA‐Haushalt nicht mehr ausgeglichen. Stattdessen traten posi‐ tive und negative Finanzierungssalden auf, die einerseits durch die Höhe des Beitragssatzes, anderer‐ seits durch die Höhe der Ausgaben in Folge der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und der Entwick‐ lung am Arbeitsmarkt bestimmt waren. Der höchste Einnahmenüberschuss wurde mit gut elf Mrd. € im Jahr 2006 erzielt. Einnahmenüberschüsse wurden zudem im Jahr 2007 erzielt. Im Jahr 2008 war der BA‐Haushalt nahezu ausgeglichen. Das größte Defizit trat mit knapp 14 Mrd. € im Jahr 2009 auf. Ein deutliches Defizit gab es auch im Jahr 2010. Insgesamt betrug der Finanzierungssaldo über die Jahre 2006 bis 2010 ‐5,2 Mrd. €.

Der im Jahr 2006 erreichte positive Finanzierungssaldo von 11,2 Mrd. € wurde zur Bildung von Rück‐ lagen genutzt, die im Jahr 2007 trotz der Beitragssatzsenkung von 6,5% auf 4,2% nochmals um 6,6 Mrd. € aufgestockt werden konnten, in den Jahren 2008 bis 2010 dann vollständig aufgebraucht wurden.

Nachdem in diesem Abschnitt die Entwicklung der Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben im zeitli‐ chen Verlauf dargestellt und gegenübergestellt wurde, beschäftigen sich die folgenden Abschnitte nun jeweils detaillierter mit der Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben der BA.

5 In der Wirtschaftskrise von 2008/2009 ging das BIP mit 6,2% so stark zurück wie in keiner Phase der Nach‐ kriegsentwicklung (Herzog‐Stein/Seifert 2010, S. 553). Trotz dieser Entwicklung blieb der Anstieg der Ar‐ beitslosigkeit im Jahr 2009 relativ moderat; die Arbeitslosenquote stieg nur um 0,4 Prozentpunkte im Vor‐ jahresvergleich auf 8,2% an (SVR 2009, S. 258 ff.). 6 Vgl. ausführlich zum Instrument des Kurzarbeitergeld in Krisenzeiten Bogedan (2010 S. 577 ff.) 10 2.2 Entwicklung der Einnahmen der BA

2.2.1 Entwicklung der Beitragseinnahmen in Abhängigkeit von der Höhe des Beitragssatzes In diesem Abschnitt betrachten wir zunächsst die Entwicklung der Beitragseinnahmen als der wich‐ tigsten Einnahmenquelle der BA in Abhängigkeit von der Höhe der Beitragssätze..

Abb. 2: Einnahmen der BA in Mrd. € mit Beiitragssatz in %

60 10%

0,4 2,2 5,6 6,2 0,0 9% 1,9 4,2 2,8 1,6 50 3,7 0,9 1,0 3,1 3,3 3,1 2,5 2,6 2,1 8% 2,6

6,5% 6,5% 6,5% 6,5% 6,5% 6,5% 6,5% 6,5% 2,2 7% 40 6,5 2,3 2,8 6%

2,6 1,1 7,6 30 7,9 5%

Mrd. € Mrd. 4,2% 1,6 7,8 51,2 47,3 47,4 47,3 3,4 4% 46,4 47,2 47,0 1,5 45,1 3,3% Beitragssatz in Prozent 20 2,8% 2,8% 3% 32,3 26,5 2% 22,0 22,6 10

1%

0 0% 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

Beiträge Sonstige Einnahmen VerwK Erstatt Bund Bundeszuschuss u AF Erstatt SGB II Beitragssatz

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Eigene Bereechnungen.

Abbildung 2 stellt daher für die Jahre 1999 bis 2010 die Einnahmen der BA jewweils differenziert dar. Neben den Beitragseinnahmen sind für den Haushalt der BA noch die folgendeen Einnahmenpositio‐ nen relevant:

 Verwaltungskostenerstattungen des Bundes

 BBundeszuschuss (bis 2005) bzw. Beteiligung des Bundes an den Kosten dder Arbeitsförderung (AF, ab 2007)

 KKostenerstattungen des Bundes an ddie BA für Aufgaben in Bezug auf den Rechtskreis SGB II (seit 2005)

 Sonstige Einnahmen: Winterbeschäftigungs‐Umlage, Umlage für Insolvenzgeld, Europäischer Sozialfonds (ESF), Mittel aus Ausgleichsabgabe und Erträge aus Rücklagen

Die Beitragseinnahmen zwischen den Jahren 1999 und 2005, bei einem konstanten Beitragssatz von 6,5%, lagen relativ konstant um die 47 Mrd. €. Der Höchstbetrag lag im Betrachtungszeitraum bei 47,4 Mrd. € (2002), der Niedrigstbetrag bei 45,1 Mrd. € (1999). Schwankungen in den Beitragsein‐

11 nahmen lassen sich bei gleich bleibendem Beitragssatz sowie bei unveränderter Definition der Be‐ messungsgrundlage auf Veränderungen bei der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sowie auf die Lohnentwicklung zurückführen.

Eine deutliche Zunahme der Beitragseinnahmen ist im Jahr 2006 zu erkennen. Im Vergleich zum Jahr 2005 nahmen die Beitragseinnahmen von 47 Mrd. € auf 52,2 Mrd. € zu. Dies verwundert insofern, da die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,7 Prozentpunkte auf knapp 26,3 Mio. Beschäftigte gestiegen ist (vgl. BA 2011, Tabelle 4.1, S. 22). Die Erklärung liegt allerdings darin, dass der Fälligkeitstermin für die Sozialversicherungsbeiträge zum 1. Januar 2006 vorgezogen wurde. Damit erhielt die BA einmalig deutlich höhere Beitragsein‐ nahmen (SVR 2006, S. 275 ff.).

Wie in Abschnitt 2.1 bereits erwähnt, konnte die BA im Jahr 2006 Finanzierungsüberschüsse von 11,2 Mrd. € realisieren. Infolgedessen sowie aufgrund der gleichzeitigen Zuführung eines Umsatzsteuer‐ punkts an die Arbeitslosenversicherung wurde der Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung im Jahr 2007 deutlich von 6,5% auf 4,2% abgesenkt. Die Beitragseinnahmen sanken damit auf einen Be‐ trag von 32,3 Mrd. €. Da die BA infolge der guten Arbeitsmarktentwicklung ihre Rücklagen im Jahr 2007 trotz der Beitragssatzsenkung weiter auf etwa 17,8 Mrd. € erhöhen konnte, erfolgte im Jahr 2008 eine weitere Beitragssatzsenkung auf 3,3%. Folglich sanken die Beitragseinnahmen auch weiter auf einen Betrag von 26,5 Mrd. €.

Trotz kritischer Stimmen des Sachverständigenrats (SVR 2007, 2009) und obgleich die BA schon im Jahre 2008 ein geringfügiges Finanzierungsdefizit von etwa 1,1 Mrd. € aufwies, wurde auch im Kri‐ senjahr 2009 der Beitragssatz abermals auf 2,8% gesenkt (vgl. Abbildung 2). Die Beitragseinnahmen sanken infolgedessen im Jahr 2009 auf ihren Niedrigstbetrag von 22 Mrd. € im insgesamt betrachte‐ ten Zeitraum (1999 bis 2010) ab. Somit sind die Beitragseinnahmen im Zeitraum von 2006 bis 2010 infolge der Beitragssatzsenkung von 6,5% auf 2,8% von 51,2 auf 22,6 Mrd. € und damit um fast 30 Mrd. € oder um über 55% gesunken.

2.2.2 Entwicklung der Struktur der Einnahmen der BA Bei der Betrachtung der Struktur der Einnahmen ist das Verhältnis der Beitragseinnahmen zum steu‐ erfinanzierten Finanzierungsanteil des Bundes, bestehend aus Verwaltungskostenerstattungen, den Erstattungen für die Aufgabenwahrnehmung der BA im SGB II, dem Bundeszuschuss bzw. der Beteili‐ gung an den Kosten der Arbeitsförderung, von besonderem Interesse.

Während in den Jahren 1999 bis 2006 die Beitragseinnahmen durchschnittlich über 80% der Gesamt‐ einnahmen der BA ausmachten, sank der Beitragsanteil ab 2007 kontinuierlich auf nur noch rund zwei Drittel der Gesamteinnahmen im Jahr 2010 ab.

Im gleichen Zeitraum hat der Finanzierungsanteil des Bundes zugenommen, obgleich der Defizitaus‐ gleich durch den Bund abgeschafft wurde. Während im Jahr 2003 der Bund mit einer Beteiligung von etwa 6,4 Mrd. € einen Finanzierungsanteil von 11% übernahm, lag der Bundesfinanzierungsanteil im Jahre 2007 bei etwa 21% und stieg bis zum Jahr 2010 auf knapp 29% der Gesamteinnahmen der BA an.

In absoluten Zahlen lag die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung im Jahr 2007 bei 6,5 Mrd. € und stieg bis zum Jahr 2010 auf 7,9 Mrd. € an. Die Erstattungen des Bundes für den Rechtskreis SGB II stiegen zwischen 2007 und 2010 von 2,2 Mrd. € auf 2,8 Mrd. €. Berücksichtigt man

12 zusätzlich die Verwaltungskostenerstattungen des Bundes an die BA, so ergibt sich eine Gesamt‐ summe für die Bundesfinanzierung von 9,5 Mrd. € im Jahr 2007 und 11,1 Mrd. € im Jahr 2010. Damit ist die Finanzierungssumme durch den Bund auch absolut betrachtet zwischen 2007 und 2010 ange‐ stiegen. Zudem lag sie in den Jahren seit 2007 auch absolut betrachtet jeweils höher als in allen Jah‐ ren seit 1999, in denen noch die alte Regelung der Defizitfinanzierung durch deen Bund galt. Dies gilt auch für die Jahre 2002 und 2003, in denen im Zeitraum von 1999 bis 2005 die Bundesfinanzierung im BA‐Haushalt absolut betrachtet am höchsten war. So lag mit einem Bundeszuschuss (gem. § 365 SGB III a.F.) von 5,6 Mrd. € (2002) bzw. 6,22 Mrd. € (2003) und Verwaltungskostenerstattungen von knapp 200 Mio. € insgesamt eine geringere absolute Bundesfinanzierung vor als in den Jahren von 2007 bis 2010.

Der Block der sonstigen Einnahmen lag zwischen den Jahren 2006 bis 2009 relativ konstant um die 1,4 Mrd. €. Im Jahr 2010 war ein Anstieg auf 3,4 Mrd. € zu verzeichnen. Grund dafür war die Umlage für das Insolvenzgeld, die ihren Höchstwert von etwa 2,9 Mrd. € seit 1999 erreichte.

2.3 Entwicklung der Struktur der Ausgaben der BA

Nachdem in Abschnitt 2.2 die Entwicklung und Struktur der Einnahmen der BA einer vertieften Be‐ trachtung unterzogen wurden, wenden wir uns in diesem Abschnitt nun den Aussgaben der BA zu.

In Abbildung 3 sind die Ausgaben der BA über den Zeitraum von 1999 bis 2010 differenziert darge‐ stellt. Sie lassen sich wie folgt unterteilen:

 PPassive Arbeitsmarktpolitik (pAMP) mit den Posten Arbeitslosengeld I (Alg I), Insolvenzgeld und Erstattungen an Renten‐ und Pfllegeversicherung. (In der Abbildung hellgrün.)

 Aktive Arbeitsmarktpolitik (aAMP), bestehend aus Eingliederungsleistungen und sonstige LLeistungen der aktiven Arbeitsförderung (genauere Aufteilung und Darrstellung folgt in Ab‐ schnitt 2.4).7 (In der Abbildung rot.)

 Verwaltungsaufwendungen für SGB III und SGB II. (In der Abbildung gelb..)

 Aussteuerungsbetrag (2005 bis 2008) bzw. Eingliederungsbeitrag (seit 2008), der von der BA an den Bund zu zahlen ist.8 (In der Abbildung dunkelgrün.)

7 Die hier verwendeten Begrifflichkeiten „Einggliederungstitel“ und „Sonstige Leistungeen der aktiven Arbeits‐ förderung“ folgen hier zunächst der Einteilung der BA. 8 Die BA musste von 2005 bis 2007 für jeden Arbeitslosengeld I‐Empfänger, der innerhalb von 12 Monaten nicht vermittelbar war und danach Arbeitslosengeld II bezog, eine Ausgleichszahlung an den Bund leisten. Der Aussteuerungsbetrag wurde quasi vom EEingliederungsbeitrag abgelöst: Die BA beteiligt sich seit 2008 an den Kosten für Eingliederungsleistungen und den Verwaltungsaufwendungen für den Bereich der Grund‐ sicherung für Arbeit. 13 Abb. 3: Ausgaben der BA in Mrd. €

60

4,8 5,0 5,1 4,6 50 4,5 6,5 4,6

6,8 20,9 22,1 5,8 7,0 40 18,7 13,6

21,3 21,9 21,2 9,0 6,0 11,1 16,8 30 4,6 15,0 Mrd. €

3,3 10,4 10,7

4,9 20 5,3 1,9 5,0 31,0 30,7 29,6 28,4 25,9 26,1 24,6 23,9 10 19,1 17,8 17,5 14,7

0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

pAMP (ALG I,Insolvenz,Erstatt RV/PV) Aussteuerung bzw. Eingliederungbeitrag aAMP VerwK ua (SGB III und SGB II)

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Eigene Berechnungen.

Die Gesamtausgaben erreichten im Jahr 2003 ihren Höhepunkt, nahmen dann in Folge der strukturel‐ len Veränderungen in der Arbeitsverwaltung bis 2007 deutlich ab und stiegen wegen der Kosten der Krisenbewältigung in den Folgejahren – insbesondere in 2009 – wieder deutlich an.

In etwas abgeschwächter Form ist diese Entwicklung auch für die Ausgaben für die passive Arbeits‐ marktpolitik zu erkennen. Diese stiegen zunächst von 24,6 Mrd. € im Jahr 2000 auf den Höchstbetrag von 31 Mrd. € im Jahre 2003 an und gingen dann bis 2005 geringfügig auf 28,4 Mrd. € zurück. In Fol‐ ge der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sowie der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ab 2006 sanken die Ausgaben für passive Arbeitsmarktpolitik im BA‐Haushalt dann deutlich auf einen Tiefstand von 14,7 Mrd. € im Jahr 2008 und stiegen im darauf folgenden Krisenjahr auf 19,1 Mrd. € an, erreichten damit aber bei weitem nicht mehr das Niveau von 2006.

Bei den Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik wurde das Maximum mit 22,1 Mrd. € im Jahr 2002 erreicht. Danach ist ein stetiger Rückgang auf 18,7 Mrd. € im Jahr 2004 zu erkennen. Auch wur‐ de eine deutliche strukturell begründete Reduzierung bereits im Jahr 2005 sichtbar, die darauf zu‐ rückzuführen ist, dass die Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik für den Rechtskreis SGB II nicht im Haushalt der BA auftauchen (siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 3). Im betrachteten Zeit‐ raum wurde im Jahr 2007 mit 10,4 Mrd. € im Haushalt der BA am wenigsten für aktive Arbeitsmarkt‐ politik ausgegeben. Aufgrund der vereinfachten Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes zur Abfe‐ derung der Wirtschaftskrise nahmen die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik im Haushalt der BA dann wieder auf 16,8 Mrd. € im Jahr 2009 bzw. 15 Mrd. € im Jahr 2010 zu. Damit wurden die Werte der Jahre 2005 und 2006 wieder überschritten.

14 Im Zeitraum von 2006 bis 2010 sind recht starke Schwankungen sowohl für die passive Arbeitsmarkt‐ politik von 13,7 Mrd. € als auch für aktive Arbeitsmarktpolitik von 6,4 Mrd. € zu erkennen. Zwischen den Jahren 1999 und 2004 lagen die Ausgabenschwankungen bei 5,4 Mrd. € für die passive Arbeits‐ marktpolitik und bei 3,4 Mrd. € für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Somit hat sich die Schwankungs‐ amplitude zwischen den beiden Zeiträumen verdoppelt.

Die Verwaltungsaufwendungen im BA‐Haushalt stiegen zwischen 1999 und 2004 schrittweise von 4,5 auf 5,1 Mrd. € an. Seit 2005 liegen die Verwaltungsaufwendungen im BA‐Haushalt mit Ausnahme des Jahres 2008 zwischen 6 und 7 Mrd. €. (Einen Sprung auf 9 Mrd. € erfuhr der Verwaltungsblock im Jahre 2008 durch die einmalige Zuweisung an den Versorgungsfonds in Höhe von 2,5 Mrd. €.)

Zum ersten Mal führte die BA im Jahr 2005 einen Aussteuerungsbetrag von 4,6 Mrd. € an den Bund ab. Dieser reduzierte sich im Zuge der positiven Arbeitsmarktentwicklung auf bis zu 1,9 Mrd. € im Jahr 2007. Danach wurde der Aussteuerungsbetrag abgeschafft. Seitdem beteiligt sich die BA jährlich durch den Eingliederungsbeitrag an den Kosten der Eingliederungsleistungen für Langzeitarbeitslose (SGB II), obwohl dies seit 2005 eine Aufgabe des Bundes ist. Dieser Eingliederungsbeitrag lag bisher jährlich bei rund 5 Mrd. €. Seinen Höchstbetrag erreichte der Eingliederungsbeitrag der BA an den Bund mit 5,3 Mrd. € im Jahr 2010.

Abb. 4: Verhältnis von aktiver AMP und passiver AMP der BA in Prozent

100%

90%

32% 32% 38% 37% 80% 43% 40% 42% 45% 46% 46% 47% 46%

70%

60%

50% Prozent

40%

68% 68% 63% 30% 62% 57% 60% 58% 55% 54% 54% 53% 54%

20%

10%

0% 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

pAMP aAMP

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Eigene Berechnungen.

Nach dieser Betrachtung der zentralen Ausgabenpositionen des BA‐Haushalts werfen wir nun noch einen Blick auf das Verhältnis der Ausgaben für passive und aktive Arbeitsmarktpolitik im Haushalt der BA. Hierzu werden die Verwaltungsausgaben ebenso vernachlässigt, wie der Aussteuerungs‐ bzw. Eingliederungsbeitrag. Stattdessen beschränkt sich Abbildung 4 auf die Darstellung des Verhältnisses der Ausgaben für passive und aktive Arbeitsmarktpolitik im BA‐Haushalt.

15 In den Jahren 1999 und 2001 lag der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik an der Summe der Ausga‐ ben für passive und aktive Arbeitsmarktpolitik im Haushalt der BA bei rund 45%. Vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2005 nahm der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik immer weiter ab auf schließlich nur noch 32%. Der Anteil der Ausgaben für passive Arbeitsmarktpolitik nahm entsprechend zu. Seit 2007 ist hingegen wieder ein schrittweiser Anstieg des Anteils der aktiven Arbeitsmarrktpolitik zu beobach‐ ten. Mit 47% im Jahr 2009 und 46% im Jahr 22010 wurde das Verhältnis aus den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts wieder erreicht.

2.4 Zusammensetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Haushalt der BA

In Abbildung 5 wird für den BA‐Haushalt die Entwicklung der Zusammensetzung der Ausgaben für ak‐ tive Arbeitsmarktpolitik im Zeitablauf von 1999 bis 2010 dargestellt.9 Der Darsttellung liegt eine Zu‐ ordnung der Instrumente zu sechs verschieddenen Kategorien zugrunde, die in Tabelle 1 detailliert be‐ schrieben sind.

Aufgrund der eingeschränkten Vergleichbarkeit der Zeiträume vor 2005 und seit 2005 werden die Entwicklungen jeweils getrennt für die beiden Zeiträume analysiert. Besonders auffällig ist hier zu‐ nächst der deutliche Rückgang der Ausgaben für Beschäftigung schaffende Maßnahmen (insbeson‐ dere Arbeitsbeschaffungs‐ und Strukturanpassungsmaßnahmen) von 5,7 Mrd. € im Jahr 1999 auf 1,7 Mrd. € im Jahr 2004, mithin eine Reaktion auf die schlechten Evaluationsergebbnisse für Arbeitsbe‐ schaffungsmaßnahmen (vgl. Brinkmann et al. 2006). Im Zeitraum ab 2005 spieleen die Beschäftigung schaffenden Maßnahmen im Haushalt der BA nahezu überhaupt keine Rolle, was allerdings auch nicht verwunderlich ist, weil lediglich die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen iim SGB III abgebildet sind. Die Bedeutung dieser Kategorie der aaktiven Arbeitsmarktpolitik kann somit nur erschlossen werden, wenn auch die Ausgaben des Bundes – unabhängig vom Haushalt der BA – einbezogen wer‐ den.

Die Förderung der Selbständigkeit hat ab dem Jahr 2003 deutlich an Bedeutung gewonnen und im Haushalt der BA im Jahr 2005 mit 3,2 Mrd. € ihren Höhepunkt erreicht. In den ffolgenden Jahren hat sich ihre quantitative Bedeutung im BA‐Haushalt zwar wieder reduziert, mit Werten zwischen 1,5 und 2 Mrd. € liegen die Ausgaben in dieser Kategorie allein im SGB III jedoch immer noch über den Werten vor 2003.10

Hinter der Kategorie Lohnersatz verbirgt sich – wie in Tabelle 1 aufgeführt – vorr allem das Kurzarbei‐ tergeld. Hintergrund für die Einordnung dieses Instruments in den Bereich der aktiven Arbeitsmarkt‐ politik ist insbesondere die Bedeutung, die die Kurzarbeit zum Erhalt von Bescchäftigung in der ver‐ gangenen Wirtschaftskrise gespielt hat. Entsprechend lagen die Ausgaben für diiese Kategorie in den Jahren 2009 und 2010 mit 6,6 Mrd. € und 5,2 Mrd. € deutlich über den Ausgaben in allen anderen Jahren (jeweils zwischen ein und zwei Mrd. €).

9 Es handelt sich somit insgesamt um den roten Block aus Abbildung 3. 10 Bis zum Jahr 2002 fand die Förderung der Selbständigkeit ausschließlich über das Überbrückungsgeld statt. Im Jahr 2003 wurde zusätzlich der Gründungszuschuss für so genannte Ich‐AGs eingeführt, womit eine zu‐ sätzliche Klientel für die Aufnahme selbständdiger Tätigkeiten aus Arbeitslosigkeit erscchlossen werden konn‐ te. Ab dem Jahr 2006 wurden beide Instrumente zum so genannten Gründerzuschuss zusammengefasst. 16 Abb. 5: Ausgaben der BA für aktive Arbeitsmarktpolitik nach Kategorien in Mrd. €

25

3,0 3,4 20 2,3 2,4 3,6

3,0 5,1 5,4 5,9 5,5 1,3 15 4,8 1,1 Mrd. € 0,8 4,0 0,8 0,8 1,0 1,3 6,6 2,3 1,7 2,5 2,2 5,2 2,9 3,1 2,7 1,0 10 1,1 1,3 2,4 2,5 3,3 1,8 3,2 1,9 2,0 2,7 1,6 3,2 1,9 2,7 3,2 2,6 2,7 1,8 1,6 3,1 2,5 2,9 2,5 5 2,8 2,7 2,5 2,4 2,3 2,4 1,8 2,0 1,7 5,7 2,0 5,0 1,5 1,7 1,6 1,7 3,8 3,2 3,0 2,3 1,7 2,5 1,7 1,5 1,6 1,8 0 0,4 0,2 0,1 0,0 0,0 0,0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

Beschäftigung schaffende Maßnahmen Qualifizierung und WB Ausbildung/Jugendliche Behinderte Selbständige Lohnersatz Sonstiges

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Eigene Berechnungen.

Ein besonderes Interesse gilt der Kategorie Qualifizierung und Weiterbildung. Zu beachten ist, dass diese Kategorie nicht nur die Ausgaben enthält, die direkt für Qualifizierung und Weiterbildung auf‐ gewendet werden, sondern auch die Ausgaben für den während der Weiterbildungsteilnahme geleis‐ teten Lohnersatz in Form von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld I, Transferkurzarbeitergeld o‐ der Unterhaltsgeld. Bis zum Jahr 2004 sind die Ausgaben für diese Kategorie auf fast die Hälfte abge‐ sunken (3,7 Mrd. €). Eine Rolle dürfte dabei gespielt haben, dass im Zuge früherer Evaluationsergeb‐ nisse längere Qualifizierungsmaßnahmen und Umschulungen reduziert wurden (vgl. Weiß 2010, S. 373). Da Qualifizierung und Weiterbildung sowohl im SGB III als auch im SGB II relevant ist, ist leicht nachvollziehbar, dass die Ausgaben im BA‐Haushalt in den Jahren 2005 bis 2008 auf einem niedrige‐ ren Niveau lagen als vor der Einführung des SGB II. Allerdings haben auch die Ausgaben für Qualifizie‐ rung und Weiterbildung in den Krisenjahren 2009 und 2010 wieder deutlich zugenommen, was ins‐ besondere auf die Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen der Kurzarbeit zurückgeführt werden kann.

17 Tabelle 1: Posten der aktiven Arbeitsmarktpolitik der BA

*Die in Klammer eingefügten Jahreszahlen beschreiben das Einführungsjahr der Instrumente.

Beschäftigung Qualifizierung und Wei‐ Maßnahmen im Bereich Maßnahmen im Be‐ Förderung von Selb‐ Lohnersatz‐ Sonstige schaffende terbildung Ausbildung/ Jugendliche reich (Schwer‐) Be‐ ständigkeit leistungen Maßnahmen Maßnahmen hinderte Arbeits‐ Zuschüsse zu den Kosten der Zuschüsse zur Förderung der Pflichtleistungen der Förderung der Aufnah‐ Kurzarbeitergeld – kon‐ Zuschüsse zur Unterstützung der Bera‐ beschaffungs‐ beruflichen Weiterbildung Berufsausbildung benachtei‐ beruflichen Rehabilita‐ me einer selbständigen junkturelles Kurzarbei‐ tung und Vermittlung: maßnahmen (fällt ab 2010 weg) ligter Auszubildender – Inkl. tion behinderter Men‐ Tätigkeit – Überbrü‐ tergeld Berufsausbildung in außerbe‐ schen ckungs‐geld (bis einschl. Vergütungen für die Beteiligung Dritter Struktur‐ Zuschüsse zum Arbeitsentgelt trieblichen Einrichtungen 2006) Saison‐Kurzarbeitergeld an der Vermittlung (2002) anpassungs‐ bei der beruflichen Weiter‐ (BaE – 2008), Ausbildungsbe‐ Ermessensleistungen (2009) maßnahmen bildung Beschäftigter gleitende Hilfen (abH ‐ 2008), der beruflichen Rehabi‐ Existenzgründungs‐ Vergütungen für die Beteiligung Dritter Transferkurzarbeitergeld Sozialpädagogische Beglei‐ litation behinderter zuschüsse (2003) Leistungen nach dem an der Vermittlung im Rahmen des Gut‐ Zuschüsse zu (2004) tung bei Berufsausbildungs‐ Menschen Altersteilzeitgesetz scheinverfahrens (2002) Beschäftigung vorbereitung (SozBegl nach Gründungszuschüsse schaffenden Förderung von Transfermaß‐ BBiG – 2004), Sonstige Leis‐ Zuschüsse zur Förde‐ (2006) Entgeltsicherung für Zuschüsse für Maßnahmen der Eig‐ Infrastruktur‐ nahmen (2004) tungen der Benachteiligten‐ rung der Eingliederung ältere Arbeitnehmer nungsfeststellung/ Trainingsmaßnahmen maßnahmen förderung (2008) besonders betroffener (2003) (bis einschl. 2008) ‐ Aktivierung und be‐ Arbeitslosengeld bei berufli‐ schwerbehinderter rufliche Eingliederung (2009) cher Weiterbildung (2005) Institutionelle Förderung von Menschen in den all‐ Arbeitnehmerhilfe Jugendwohnheimen (bis ein‐ gemeinen Arbeitsmarkt (Restabwicklung bis Mobilitätshilfen (bis einschl. 2008) Einstiegsqualifizierung (2007) schl. 2007) 2004) Eingliederungszuschüsse Förderung der beruflichen Berufsausbildungsbeihilfe Winterbau‐förderung Weiterbildung (FbW, WeGe‐ (BAB – 2006) – und BAB in (umlagefinanziert) Einstellungszuschüsse bei Neugründun‐ bAU) (2008) zweiter Ausbildung (2009) gen (bis einschl. 2008) Winterbau‐förderung Arbeitsentgeltzuschuss bei Sofortprogramm zum Abbau (beitragsfinanziert) Zuschüsse zum Eingliederungsvertrag beruflicher Weiterbildung der Jugendarbeitslosigkeit (bis einschl. 2002) Beschäftigter (AEZ‐WB, We‐ (bis einschl. 2004) Anschlussunterhaltsgeld GebAU) (2008) (1999 bis einschl. 2002) Zuschüsse zu Sozialplanmaßnahmen (bis Maßnahmen zu vertieften einschl. 2008 Restabwicklung) Nachträglicher Erwerb des Berufsorientierung Erstattungen der Bei‐ Hauptschulabschlusses Lehrgangskosten für Berufs‐ träge zur Sozialversiche‐ Freie Förderung gem. §10 SGB III (bis (2009) vorbereitende Bildungsmaß‐ rung an Arbeitgeber bei einschl. 2008) nahmen (2004) Saison‐Kurzarbeitergeld Aus Mitteln des ESF mitfinan‐ (2007) Institutionelle Förderung zierte ergänzende Qualifizie‐ Präventive Sondermaßnah‐ rungsangebote bei Bezug von men für Jugendliche – ver‐ Erstattungen der Bei‐ Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen aus Kurzarbeitergeld, Saison‐ tiefte Berufsorientierung und träge zur Sozialversiche‐ Mitteln des ESF Kurarbeitergeld oder Trans‐ Freie Förderung (2008) rung an Arbeitgeber bei

18 ferkurzarbeitergeld (2009) Ausbildungsbonus (2008) Kurzarbeitergeld (2009) Sonstige Ausgaben der aktiven Arbeits‐ förderung – Inkl. Vergütungen für Integ‐ Initiative zur Flankierung des Berufseinstiegsbegleitung rationsfachdienste (2000 bis einschl. Strukturwandels (InFlaS) (2009) 2008) (2010) Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber zur Unterhaltsgeld/ Teilunter‐ Wiedereingliederung Langzeitarbeitslo‐ haltsgeld (bis einschl. 2008 – sen (2001 bis einschl. 2003) Restabwicklung) Zuschüsse an Personal‐Service‐Agenuten (PSA) (2003 bis einschl. 2008)

Zuschüsse für die Beauftragung von Trä‐ gern mit Eingliederungsmaßnahmen (2004 bis einschl. 2008)

Beschäftigung begleitende Eingliede‐ rungshilfen (2000 bis einschl. 2008)

Ganzheitlicher Vermittlungsansatz (2008)

Sonderprogramm „Integrationsfort‐ schrittsprogramm für Betreuungskun‐ den“(2008)

Eingliederungsgutschein für ältere Ar‐ beitnehmer (2008)

Ausfinanzierung wegfallender Instru‐ mente (2009)

Erprobung innovativer Ansätze (2009)

Übernahme der Reisekosten bei persön‐ licher Meldung

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Eigene Darstellung.

19 3. Entwicklung der Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund

Wie im vorangegangenen Kapitel an mehreren Stellen erwähnt wurde, werden die Einnahmen der BA wesentlich durch strukturelle Veränderungen, wie die Änderung des Beitragssatzes oder die Ab‐ schaffung bzw. Veränderungen der Regelungen zum Bundeszuschuss beeinflusst. Ähnliches gilt für die Ausgaben – beispielsweise mit Blick auf einen veränderten Einsatz arbeitsmarktpolitischer In‐ strumente und Maßnahmen bis hin zu einem veränderten gesetzlichen Instrumentenkanon11 oder mit Blick auf veränderte Bezugsdauern beim Arbeitslosengeld I.12 Solche Veränderungen sind bei der Interpretation der Entwicklungen von Einnahmen und Ausgaben der BA im Zeitverlauf zu berücksich‐ tigen, sie schränken die zeitliche Vergleichbarkeit der Einnahmen und Ausgaben der BA jedoch nicht grundsätzlich ein. Denn es gehört zum Wesen der BA, dass sich ihre Geschäftspolitik, aber auch ihre finanziellen und institutionellen Rahmenbedingungen im Zeitablauf verändern.

Dem gegenüber ergibt sich eine starke Einschränkung der zeitlichen Vergleichbarkeit, wenn finanziell wesentliche Aufgaben vom Bund auf die BA übertragen werden bzw. umgekehrt aus dem Aufgaben‐ bereich der BA an den Bund oder ggf. auch andere Gebietskörperschaften übergehen. Solche Neuzu‐ ordnungen von Aufgaben erklären mitunter sowohl starke Veränderungen im Niveau als auch in der Zusammensetzung der Ausgaben. Um eine Neuzuordnung besonderen Ausmaßes handelte es sich bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen‐ und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II und der damit einhergehenden Trennung der Arbeitsmarktpolitik in das beitragsfinanzierte Sozialversicherungssys‐ tem SGB III und das steuerfinanzierte und bedürftigkeitsorientierte SGB II. Während die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Bezieher/innen von Arbeitslosenhilfe Bestandteil des Haus‐ halts der BA waren, werden die Ausgaben für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik im SGB II ausschließlich im Bundeshaushalt etatisiert und sind im Haushalt der BA nicht anzutreffen (vgl. Koch et al. 2009, S. 246). Damit entsteht ein Bruch in der Systematik des BA‐Haushalts, der die Aussage‐ kraft der im vorangegangenen Kapitel dargestellten Ergebnisse zur Entwicklung der Struktur der Aus‐ gaben der BA relativiert. Gleichzeitig ist damit die Bedeutung des Bundes als Financier der Arbeits‐ marktpolitik unabhängig von der BA deutlich gewachsen. Diese Entwicklung wird zusätzlich durch die deutlichere Reduzierung der SGB III‐Arbeitslosigkeit und die damit relativ gesehen steigende Bedeu‐ tung der SGB II‐Arbeitslosigkeit verstärkt.

Eine Betrachtung der Ausgaben der Arbeitsmarktpolitik im Allgemeinen und der aktiven Arbeits‐ marktpolitik im Speziellen kann somit auf Basis des BA‐Haushalts seit 2005 nur noch unvollständig erfolgen. Vielmehr sollten zumindest bei rechtskreisübergreifenden Betrachtungen die über den BA‐ Haushalt hinausgehenden Ausgaben des Bundes einbezogen werden. Dem soll in diesem Kapitel Rechnung getragen werden, in dem die Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund gemeinsam betrachtet

11 So erfolgte infolge der zunehmenden Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen und Instrumente zu‐ mindest teilweise eine stärkere Konzentration auf solche Maßnahmen, für die eine positive Wirkung nach‐ gewiesen wurde (kurze Schulungs‐ und Trainingsmaßnahmen) und eine Reduzierung von Maßnahmen, für die überwiegend keine positiven Wirkungen nachgewiesen wurden (Beschäftigung schaffende Maßnahmen, insbesondere Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, und zunächst auch Umschulungen). Gleichzeitig erfolgten auch Veränderungen durch den Gesetzgeber im Zuge regelmäßiger Instrumentenreformen sowie beispiels‐ weise durch die Erleichterung des Bezugs von Kurzarbeitergeld zur Krisenbewältigung oder die Einführung und spätere Abschaffung der Personal‐Service‐Agenturen (PSA). 12 Zum 1.1.2005 wurde im Rahmen der so genannten Hartz‐Reform die maximale Bezugsdauer von Arbeitslo‐ sengeld I von 32 Monaten auf 18 Monate reduziert. Aufgrund verfassungsrechtlich garantierter Rechtsan‐ spruche waren für bis Ende Januar 2006 entstehende Anspruche auf Arbeitslosengeld weiterhin die längeren Anspruchsdauern relevant (Kaltenborn 2007). Zum 1.1.2008 wurde für ältere Arbeitslose, ab dem 58. Lebensjahr, wieder eine längere Bezugsdauer von 24 Monaten eingeführt. 20 wird. Zunächst wird dabei ein Blick auf Höhe und Zusammensetzung der Ausgaben für die aktive Ar‐ beitsmarktpolitik geworfen (Abschnitt 3.1). Anschließend wird das Verhältnis der Ausgaben für aktive und passive Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund analysiert (Abschnitt 3.2).

3.1 Höhe und Zusammensetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund ab 2005

Wie bereits ausgeführt wurde, ist die Darstellung der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausschließlich im Haushalt der BA insbesondere ab dem Jahr 2005 unvollständig. Dies gilt vor allem für die Kategorien, die auch oder überwiegend im SGB II eine Rolle spielen und daher in einem relevanten Umfang über den Bundeshaushalt finanziert werden – in besonderem Maße also für die Beschäftigung schaffen‐ den Maßnahmen, aber auch für den Bereich der Qualifizierung und Weiterbildung. Daher werden in diesem Abschnitt die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik durch den Bund und die BA gemeinsam betrachtet. Zunächst erfolgt in Abbildung 6 eine Betrachtung der gesamten Ausgaben von BA und Bund für aktive Arbeitsmarktpolitik für die Jahre 2006 bis 2010.13

Abb. 6: Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund ab 2006 in Mrd. €

25,0

20,0 5,9

6,0

15,0

4,7 5,4 5,1 Bund BA Mrd. € Mrd.

10,0

16,8 15,0

11,1 10,7 5,0 10,4

0,0 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Bundeshaushaltsplan, Einzelplan 11. Eigene Berechnungen.

Insgesamt haben die Ausgaben von Bund und BA für die aktive Arbeitsmarktpolitik bis zum Jahr 2007 abgenommen, jedoch deutlich weniger als die Ausgaben, die alleine im Haushalt der BA finanziert wurden. Dies liegt daran, dass der Bund selbst die aktive Arbeitsmarktpolitik im SGB II seit 2005 in

13 Die entsprechenden Informationen aus dem Bundeshaushalt (Kapitel 1112: Einzelplan des BMAS für Leis‐ tungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch und gleichartige Leistungen) liegen uns erst ab dem Jahr 2006 vor, einschließlich der Ausgaben an zugelassene kommunale Träger (zkT) sowie für Ar‐ beitsmarktprogramme, die nicht über die BA abgewickelt werden, wie beispielsweise die Modellprojekte Bürgerarbeit und das Bundesprogramm Kommunal‐Kombi. 21 beträchtlicher Größenordnung finanziert. Diese Ausgaben des Bundes haben zudem von 2006 bis 2010 von 4,7 auf 6 Mrd. € jährlich zugenommen. In den Krisenjahren 2009 und 2010 lagen die Aus‐ gaben von BA und Bund für die aktive Arbeitsmarktpolitik somit wieder über 20 Mrd. €. Zum Ver‐ gleich: Im Jahr 2004 lagen die Ausgaben des Bundes für aktive Arbeitsmarktpolitik bei rund 735 Milli‐ onen Euro (BA 2004).14 Somit ist klar, dass der Rückgang bei den Ausgaben für aktive Arbeitsmarkt‐ politik im Haushalt der BA zu einem wesentlichen Teil durch die Ausgaben des Bundes kompensiert wird.

Abb. 7: Aufteilung nach Kategorien der aktiven Arbeitsmarktpolitik BA und Bund (SGB II und SGB III) insgesamt in Mrd. €

25

2,8 20 2,6

6,6 15 2,1 5,2 2,4 2,9 2,7 2,2 1,8 1,7 Mrd. € Mrd. 2,0 2,0 1,9 10 3,2 2,6 1,7 2,6 1,9 2,7 2,5 2,9 2,5 2,4 2,2 2,1 2,0 5 2,0 1,9 1,9 3,8 3,4 2,5 1,9 1,9 2,1

1,9 2,0 1,9 2,0 2,3 2,2 0 2005 2006 20007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

Beschäftigung schaffende Maßnahmen Qualifizierung und WB Ausbildung/Jugendliche Behinderte Selbständige Lohnersatz Sonstiges

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA (einschl. Kapitel 1112 des Bundeshaushalts). Eigene Berechnungen.

In einem zweiten Schritt werden die Ausgaben von Bund und BA für die aktive Arbeitsmarktpolitik nun wieder nach einzelnen Kategorien der aktiven Arbeitsmarktpolitik differenziert. Dabei werden wiederum die in Tabelle 1 dargestellten Kategorien herangezogen (vgl. Abbildung 7). Allerdings lie‐ gen die Informationen in dem hierzu erforderlichen Detaillierungsgrad im Einzelplan 11 des Bundes‐ haushalts nicht vor. Daher muss für diese Auswertung auf entsprechende Informationen aus der Sta‐ tistik der BA zu Kapitel 1112 des Bundeshaushalts zurückgegriffen werden. Dabei sind die vom Bund an die zugelassenen kommunalen Träger gezahlten Mittel jedoch ebenso wenig enthalten, wie die Ausgaben des Bundes für nicht über die BA abgewickelte Arbeitsmarktprogramme, wie die Modell‐ projekte Bürgerarbeit und das Bundesprogramm Kommunal‐Kombi. Damit ist dieses Bild nicht ganz

14 Die Daten des Bundeshaushalts – Kapitel 0912 Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – für das Jahr 2004 wurden der Seite der BA entnommen, URL: http://www.pub.arbeitsagentur.de/hst/services/statistik/detail_2004/i.html, letzter Zugriff: 3.10.2012. 22 vollständig. Die Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik insgesamt werden somit unterschätzt. Vergleiche mit den in Abbildung 6 dargestellten Zahlen zeigen jedoch, dass die Gesamtausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik jährlich nur um maximal 0,9 Mrd. € unterschätzt werden. Damit sollten verlässlich Aussagen zur Struktur der Ausgaben im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik auch auf Basis dieser Datengrundlage möglich sein.

Betrachtet man die Höhe und Entwicklung der Kategorie der Beschäftigung schaffenden Maßnah‐ men, so ist unschwer zu erkennen, dass bei Einbeziehung der Ausgaben des Bundes für die aktive Ar‐ beitsmarktpolitik mitnichten davon gesprochen werden kann, dass diese Maßnahmenkategorie ab 2005 an Bedeutung verloren hat. Vielmehr wurden für die entsprechenden Maßnahmen von 2005 bis 2008 jeweils rund 2 Mrd. € jährlich ausgegeben, in den Jahren 2009 und 2010 sogar 2,3 bzw. 2,2 Mrd. €.

Ein Vergleich der Abbildungen 7 und 5 zeigt, dass auch in der Kategorie Qualifizierung und Weiterbil‐ dung ein wesentlicher Ausgabenanteil im SGB II stattfindet, der direkt vom Bund finanziert wird. In den Jahren 2005 bis 2007 wurden jeweils gut 2 Mrd. € von BA und Bund in diesem Bereich ausgege‐ ben, in den Krisenjahren 2008 und 2009 waren es 3,8 bzw. 3,4 Mrd. €. Damit wurde jedoch das Aus‐ gabenniveau in diesem Bereich vor 2004 bei weitem nicht mehr erreicht.

Die Kategorie „Sonstiges“ hat durch die Einbeziehung des Bundes an Bedeutung gewonnen. Während die Ausgaben der BA bei etwa 1,2 Mrd. € lagen, stiegen sie mit den Ausgaben des Bundes im SGB II auf durchschnittlich etwa 2,6 Mrd. € an. Dies lässt sich vor allem auf den Posten der Eingliederungs‐ zuschüsse und der sonstigen Eingliederungsleistungen (§ 16 Abs. 2 SGB II) zurückführen.

3.2 Verhältnis der Ausgaben für aktive und passive Arbeitsmarktpolitik

Im vorangegangenen Abschnitt wurden die Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund betrachtet. Im Rahmen des SGB II ist der Bund jedoch nicht nur der Financier der Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, sondern auch der passiven Leistungen des SGB II – insbesondere der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II). Die rechten Säulen in der Abbildung 8 zei‐ gen daher jeweils die Summen, die Bund und BA insgesamt in den Jahren 2006 bis 2010 für aktive wie passive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben haben.15

Somit beinhaltet der grüne Balken der passive Arbeitsmarktpolitik folgende Leistungen:

BA: Arbeitslosengeld I, Insolvenzgeld, Erstattungen an Renten‐ und Pflegeversicherung

Bund: Arbeitslosengeld II, Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung, Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten und Restabwicklung Arbeitslosenhilfe im Jahr 2006

Der rote Balken entspricht den gesamten Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik (vgl. Abbildung 7).

15 Ausgaben für Verwaltungsaufwendungen und Ähnliches (z.B. Zuweisungen an Versorgungsfonds) sind hier nicht enthalten.

23 Die Summe der Ausgaben für aktive und passive Arbeitsmarktpolitik hat sich vom Jahr 2006 bis zum Jahr 2008 rückläufig entwickelt. Während im Jahr 2006 noch insgesamt 70,3 Mrd. € ausgegeben wurden, sanken die Ausgaben auf 56,3 Mrd. € im Jahr 2008. Im darauffolgenden Jahr stiegen sie wie‐ derum auf 67,7 Mrd. € an und minderten sich um einen Betrag von 3,7 Mrd. € im Jahr 2010.

Im Jahr 2006 wurden 22,9 Mrd. € für das Arbeitslosengeld I ausgegeben, 26,4 Mrd. € für das Arbeits‐ losengeld II. Diese Ausgaben konnten in den Folgejahren bis 2008 jeweils gesenkt werden. Ab 2009 ist ein leichter Anstieg in den Arbeitslosengeld II‐Ausgaben von etwa 700 Mio. € auf 22,3 Mrd. € zu beobachten, während die Ausgaben der BA für ArbeitsIosengeld I um etwa 3,4 Mrd. € anstiegen und damit bei einem Wert von 17,3 Mrd. € lagen.

Die Summe der Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund sank in den Jahren 2006 bis 2008 in geringerem Maße als die Summe der Ausgaben für passive Arbeitsmarktpolitik. Die Mehrausgaben von 6,6 Mrd. € für aktive Arbeitsmarktpolitik im Jahr 2009 im Vergleich zu 2008 über‐ stiegen die Mehrausgaben bei der passiven Arbeitsmarktpolitik (4,8 Mrd. €).

Abb. 8: Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik von BA und Bund und ihre Finanzierung in Mrd. €

100

90

80

70 35,2

15,8 60 22,7 21,0 1,6 38,5 15,5 50 38,5 16,1 Mrd. € Mrd. 39,4 39,6 40

1,1 30 54,5 1,6 51,2 3,4 44,8 1,5 45,0 20 40,2 43,0 32,3 26,5 10 22,0 22,6

0 Ausgaben Ausgaben Ausgaben Ausgaben Ausgaben Finanzierung Finanzierung Finanzierung Finanzierung Finanzierung 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

pAMP aAMP Beiträge Sonstiges Finanzierung Bund Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Bundeshaushaltsplan, Einzelplan 11. Eigene Berechnungen.

Abbildung 9 zeigt ergänzend das Verhältnis der Ausgaben für aktive und passive Arbeitsmarktpolitik von Bund und BA im Jahresvergleich. Dabei erkennt man, dass der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpo‐ litik sinkt, wenn man statt des BA‐Haushalts (vgl. Abbildung 4) die Summe der Ausgaben von BA und Bund betrachtet. Zwar ist im Zeitraum zwischen 2006 und 2010 ebenso wie im BA‐Haushalt auch in der Gesamtbetrachtung ein zunehmender Anteil der Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik festzu‐

24 stellen, allerdings betragen diese im Jahr 2010 lediglich knapp ein Drittel der Gesamtausgaben für ak‐ tive und passive Arbeitsmarktpolitik (BA‐Haushalt: 46%).

Abb. 9: Verhältnis von aktiver AMP und passiver AMP von BA und Bund zusammen

100%

90% 22,5% 25,7% 28,6% 33,6% 32,8% 80%

70%

60%

aAMP 50% pAMP

40% 77,5% 74,3% 71,4% 66,4% 67,2% 30%

20%

10%

0% 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Bundeshaushaltsplan, Einzelplan 11. Eigene Berechnungen.

25 4. Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland und weitere Finanzierungspotenziale bei alternativen Beitragssätzen

In diesem Kapitel wird nun dargestellt, wie die aktive und passive Arbeitsmarktpolitik in Deutschland bisher finanziert wird,16 wie viel tatsächlich über Beiträge und wie viel aus dem allgemeinen Haushalt über Steuern finanziert wird (Abschnitt 4.1). Zudem wird ausgehend von der Beitragsentwicklung der vergangenen Jahre untersucht, wie hoch die Beitragseinnahmen jährlich bei alternativen Beitragssät‐ zen ausgefallen wären (Abschnitt 4.2).

4.1 Entwicklung der Finanzierungsanteile von Steuern und Beiträgen in Abhängigkeit vom Bei‐ tragssatz

Zur Berechnung der Finanzierungsanteile von Steuern und Beiträgen bei der aktiven und passiven Arbeitsmarktpolitik wurde wie folgt vorgegangen:

1.) Der Bundeszuschuss an die BA bzw. die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeits‐ förderung und die Ausgaben des Bundes für das SGB II jenseits des BA‐Haushalts stellen den steuerfinanzierten Finanzierungsanteil dar.

2.) Die Einnahmen der BA wurden entsprechend um den Bundeszuschuss an die BA bzw. um die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung bereinigt, zudem auch um die Verwaltungskostenerstattungen des Bundes, da die Finanzierung der Verwaltungskosten nicht berücksichtigt werden sollte. Als Finanzierungsquellen ergeben sich daher die Beitrags‐ einnahmen der BA sowie ihre sonstigen Einnahmen (Winterbeschäftigungs‐Umlage, Umlage für Insolvenzgeld, ESF, Mittel aus Ausgleichsabgabe und Erträge aus Rücklagen).

Damit ergibt sich die in den linken Säulen der Abbildung 8 dargestellte Zusammensetzung für die Fi‐ nanzierung der aktiven und passiven Arbeitsmarktpolitik. Dabei ist auffällig, dass diese jeweils nicht deckungsgleich mit den Ausgaben ist. Dies ist jedoch dadurch zu erklären, dass seit 2006 auch der Haushalt der BA nicht mehr ausgeglichen ist, jedoch gemäß dem oben beschriebenen Vorgehen von den jährlichen Einnahmen der BA ausgegangen wurde, da nur diese den einzelnen Quellen eindeutig zugeordnet werden können. Vernachlässigt man die ohnehin nur sehr geringen sonstigen Einnah‐ men, so erhält man das in Abbildung 10 gezeigte Bild des Verhältnisses der jährlichen Finanzierung der aktiven und passiven Arbeitsmarktpolitik durch Steuern und Beiträge in Abhängigkeit von der Entwicklung des Beitragssatzes seit dem Jahr 2006. Man erkennt, dass im entsprechenden Zeitraum die absolute Höhe der Finanzierung durch den Bund und damit über Steuern von gut 35 Mrd. € auf über 39 Mrd. € zugenommen hat, während gleichzeitig die absolute Höhe der Beitragsfinanzierung in Folge der Beitragssatzsenkungen zunächst sehr deutlich von 51 auf 32 Mrd. €, dann stetig auf etwas über 22 Mrd. € abgenommen hat.

16 Verwaltungsausgaben werden nicht betrachtet. 26 Abb. 10: Steuer‐ und Beitragsanteil zur Finanzierung der aktiven und passiven Arbeitsmarktpolitik in Mrd. € mit Beitragssatz in %

100,0 16,0%

90,0 14,0%

80,0 12,0%

70,0 35,2

10,0% 60,0

38,5 50,0 8,0%

Mrd. € Mrd. 38,5 39,6 39,4 40,0 6,0% Beitragssatz in Prozent in Beitragssatz

30,0 51,2 4,0% 20,0 32,3 26,5 2,0% 10,0 22,0 22,6

0,0 0,0% 2006 2007 2008 2009 2010 Haushaltsjahr

Beiträge Finanzierung Bund Beitragssatz Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Bundeshaushaltsplan, Einzelplan 11. Eigene Berechnungen.

Damit veränderte sich das Verhältnis zwischen dem steuerfinanzierten und dem beitragsfinanzierten Anteil sehr deutlich. Abbildung 11 zeigt, dass 2006 noch fast 60% der aktiven und passiven Arbeits‐ marktpolitik in beiden Rechtskreisen durch Beiträge finanziert wurde, während es im Jahr 2010 nur noch gut 36% waren. Damit hat sich das Finanzierungsverhältnis von Steuern und Beiträgen in vier Jahren mehr als umgekehrt.

27 Abb. 11: Verhältnis von Beiträgen und Steuern zur Finanzierung der AMP

100%

90%

80% 40,8%

54,4% 70% 59,2% 64,2% 63,6%

60%

Finanzierung Bund 50% Beiträge

40%

30% 59,2%

45,6% 20% 40,8% 35,8% 36,4%

10%

0% 2006 2007 2008 2009 2010 6,5% 4,2% 3,3% 2,8% 2,8% Hauhsaltsjahr mit Beitragssatz

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Bundeshaushaltsplan, Einzelplan 11. Eigene Berechnungen.

4.2 Jährliche Beitragseinnahmen bei alternativen Beitragssätzen

Wie bereits an mehreren Stellen erwähnt, wurde der Beitragssatz zur gesetzlichen Arbeitslosenversi‐ cherung seit 2006 von 6,5% mehrfach auf schließlich 2,8% in den Jahren 2009 und 2010 gesenkt. Dies hat dazu geführt, dass die Beitragseinnahmen deutlich zurückgegangen sind (siehe auch den voran‐ gegangenen Abschnitt). In diesem Abschnitt wird nun dargestellt, wie sich die Beitragseinnahmen jeweils bei alternativen Beitragssätzen entwickelt hätten.

In Abbildung 12 zeigt die schwarze Verbindungslinie mit eingerahmten Zahlen das tatsächliche Bei‐ tragsvolumen bei entsprechendem tatsächlichem Beitragssatz der jeweiligen Jahre 2007 (4,2%), 2008 (3,3%), 2009 (2,8%) und 2010 (2,8%). Die drei farbigen Linien stellen die fiktiven Beitragsvolumina bei Beitragssätzen von 4,5% (grüne Linie), 4,0% (dunkelrote Linie) und 3,5% (hellrote Linie) dar.

Für die Höhe der Beitragseinnahmen ist neben der Höhe des Beitragssatzes die Höhe der Bemes‐ sungsgrundlage (sozialversicherungspflichtiges Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze) ent‐ scheidend. Die Entwicklung dieser Bemessungsgrundlage hängt dabei stark von der Entwicklung der Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ab, die im betrachteten Zeit‐ raum insgesamt positiv war und ergänzend in der Abbildung dargestellt wird.

28 Betrachtet man die fiktiven Beitragseinnahmen, die ausgehend von den tatsächlichen Einnahmen auf den jeweiligen Beitragssatz von 4,5%, 4% und 3,5% „hochgerechnet“ wurden,17 so folgen diese bei konstantem Beitragssatz der Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Bei einem fiktiven Beitragssatz von 3,5% wären die Beitragseinnahmen von 2007 bis 2008 von 26,9 Mrd. € auf 28,1 Mrd. € angestiegen, um im Jahre 2009 wieder auf 27,6 Mrd. € abzusinken und schließlich im Jahre 2010 wieder auf 28,3 Mrd. € anzusteigen. Bei einem Beitragssatz von 4% werden für das Jahr 2010 fiktive Beitragseinnahmen von 32,3 Mrd. € errechnet, bei einem Beitragssatz von 4,5% sogar 36,3 Mrd. €. Pro 0,5 Beitragssatzpunkten wären somit Mehreinnahmen von 4 Mrd. € möglich.

Abb. 12: Beitragsvolumen der BA in Mrd. € mit fiktiven Beitragssätzen und sozialversicherungs‐ pflichtigen Beschäftigten in Mio.

40 30,0 36,1 36,3 35,4 34,6 35 32,1 32,3 32,3 31,5 30 30,7 29,0 28,1 28,3 27,6 26,9 26,5 25

22,0 22,6 20 28,0 Mrd. € Mrd.

15 Mio Beschäftigte

10 27,0 27,7 27,5 27,4 5 26,9

0 26,0 2007 2008 2009 2010 4,2% 3,3% 2,8% 2,8%

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Mio. Reales Beitragsaufkommen in Mrd. € 4,5% 4,0% 3,5%

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Beschäftigungsstatistik der BA. Eigene Berechnungen.

Abbildung 13 zeigt die jährlichen Mehr‐ bzw. Mindereinnahmen bei den drei fiktiven Beitragssätzen im Vergleich zur tatsächlichen Beitragsentwicklung seit 2007. Ein Beitragssatz von 3,5% hätte im Jahr 2007 Mindereinnahmen von 5,4 Mrd. € bedeutet, in den Jahren 2008, 2009 und 2010 Mehreinnah‐ men in Höhe von 1,6 Mrd. €, 5,5 Mrd. € und 5,7 Mrd. €. Kumuliert wären die Beitragseinnahmen in den vier Jahren um 7,4 Mrd. € höher ausgefallen.

Ein Beitragssatz von 4% hätte im Jahr 2007 zu Mindereinnahmen von 1,5 Mrd. € geführt, in den Folgejahren zu Mehreinnahmen von 5,6 Mrd. €, 9,4 Mrd. € und 9,7 Mrd. €. Insgesamt ergeben sich bei dieser Rechnung über alle vier Jahre Mehreinnahmen von 23,2 Mrd. €.

17 Mögliche Auswirkungen eines höheren Beitragssatzes auf die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Be‐ schäftigten bleiben hier unberücksichtigt. 29 Ein Beitragssatz von 4,5% hätte bereits im Jahr 2007 Mehreinnahmen von 2,3 Mrd. € bedeutet, in den weiteren Jahren von 9,6 Mrd. €, 13,4 Mrd. € und 13,7 Mrd. €, was insgesamt Mehreinnahmen von 39 Mrd. € bedeuten würde.

Diese Zahlen sind jedoch mit großer Vorsicht zu interpretieren, da von höheren Beitragssätzen nega‐ tive Beschäftigungseffekte induziert werden. Deren Höhe hängt jedoch auch von der Verwendung der zusätzlich vereinnahmten Beitragsmittel ab. Sie sind somit nur schwer abzuschätzen.

Abb. 13: Fiktive Beitragsmehreinnahmen in Mrd. € der BA

15,0 13,7 13,4

9,6 9,4 9,7 10,0

5,6 5,5 5,7

5,0

2,3 4,5% 1,6 4,0%

Mrd. € 3,5%

0,0 2007 2008 2009 2010 -1,5 4,2% 3,3% 2,8% 2,8%

-5,0 -5,4

-10,0 Haushaltsjahr mit tatsächlichem Beitragssatz

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Beschäftigungsstatistik der BA. Eigene Berechnungen

30 5. Umfang und Finanzierung von beruflicher Weiterbildung in Deutschland – der Status quo

Wenn über neue Finanzierungsformen für Weiterbildung diskutiert wird, sollte man auch eine Vor‐ stellung davon haben, um welche Summen es dabei eigentlich geht, somit den finanziellen Aufwand, der bisher für Weiterbildung betrieben wird und wer diesen aufbringt. Vor diesem Hintergrund be‐ schäftigt sich dieses Kapitel mit dem bisherigen Umfang der Weiterbildung in Deutschland und der Verteilung der Finanzierungsanteile auf die unterschiedlichen Akteure, einschließlich der Bunde‐ sagentur für Arbeit. Wir konzentrieren uns dabei auf die berufliche Weiterbildung, da nur diese für eine mögliche Ausweitung der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung relevant erscheint.

Hierzu wird in Abschnitt 5.1 zunächst eine Abgrenzung verschiedener Arten der beruflichen Weiter‐ bildung nach der Form ihrer Finanzierung gegeben und dargestellt, auf welcher Basis die Ausgaben jeweils ermittelt werden können. In Abschnitt 5.2 werden auf dieser Basis Ausgaben für die einzelnen Finanzierungsformen ermittelt. Diese werden in Abschnitt 5.3 aggregiert. Zudem wird die Aufteilung der Gesamtaufwendungen auf die einzelnen Finanzierungsformen nach alternativen Berechnungs‐ methoden ermittelt. Schließlich werden in Abschnitt 5.4 die geschätzten Gesamtausgaben mit Hilfe der jeweiligen Inflationsraten für die folgenden Jahre bis 2011 hochgerechnet.

5.1 Systematisierung der beruflichen Weiterbildung nach der Form ihrer Finanzierung

Weiterbildung lässt sich grundsätzlich in allgemeine und berufliche Weiterbildung gliedern (Dehnbos‐ tel 2008, S. 13). Ansatzpunkte zur Abgrenzung der beruflichen Weiterbildung können der Bezug auf spezifisch berufliche Funktionen, wie der berufliche Aufstieg oder die Anpassung an neue berufliche Anforderungen, sowie der Zweck und Inhalt der Bildungsmaßnahme sein (Rosenbladt 2007, S. 23).

Berufliche Weiterbildung wird nach der Definition der Bund‐Länder‐Kommission für Bildungsplanung als „die Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer ersten Bil‐ dungsphase und nach Aufnahme einer Berufstätigkeit“ (BLK 1974, S. 11 zitiert nach Dehnbostel 2008) verstanden.

Neuere Ansätze umfassen neben dem formellen Lernen auch informelle Lernformen, die außerhalb organisierter Arrangements liegen. „(Berufliche) Weiterbildung (in diesem Sinne) liegt auch vor, wenn die Einzelnen ihr Lernen selbst steuern. (…) Weiterbildung kann in Präsenzform, in der Form der Fernlehre des computergestützten Lernens, des selbst gesteuerten Lernens oder in kombinierten Formen stattfinden.“ (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister 2001, S.4).

Demgemäß unterscheiden Beicht et al. (2005, S. 256) zwischen einer „klassischen“ formalisierten und einer informellen beruflichen Weiterbildung. Unter formalisierter Weiterbildung werden vor allem Kurse, Seminare und Lehrgänge in Weiterbildungseinrichtungen verstanden. Informelle Lernformen beziehen auch arbeitsnahe Weiterbildung (z.B. Coaching) und selbstorganisiertes Lernen mittels Fachliteratur, Computer oder anderer Medien mit ein. Diesem weit gefassten Weiterbildungsbegriff liegt der Ansatz des „Lebenslangen Lernens“ zu Grunde, der alle Arten des kurzfristigen und langfris‐ tigen formalen und informellen Lernens über den gesamten Lebenszyklus eines Menschen umfasst (vgl. Expertenkommission 2004).

Die – formelle wie informelle – berufliche Weiterbildung lässt sich weiter unterteilen. Mit Blick auf die im Rahmen dieser Studie verfolgten Fragestellungen verwenden wir in Anlehnung an Sauter

31 (1989) eine Systematik, der auch neuere Studien zur beruflichen Weiterbildung folgen (Beicht et al. 2005, Dehnbostel 2008, Weiß 2010, Berger et al. 2012). Dabei unterteilen wir im Folgenden die be‐ rufliche Weiterbildung anhand ihrer Finanzierung durch die verschiedenen Akteure in:18

1) Durch Unternehmen finanzierte berufliche Weiterbildung

2) Durch private Haushalte finanzierte berufliche Weiterbildung

3) Durch Staat oder Sozialversicherung finanzierte berufliche Weiterbildung

Zu 1): Durch Unternehmen finanzierte Weiterbildung liegt im Interesse der Betriebe (betriebliche Weiterbildung). Entsprechende Maßnahmen müssen jedoch nicht durch das Unternehmen selbst oder im Unternehmen durchgeführt werden. Der Finanzierungsanteil der Unternehmen reduziert sich ggf. durch Zuschüsse z.B. von der Bundesagentur für Arbeit oder durch Eigenbeiträge der Be‐ schäftigten. Ersteres wird gemäß der hier verwendeten Systematik der durch Staat oder Sozialversi‐ cherung finanzierten beruflichen Weiterbildung zugeordnet. Letzteres stellt dann einen Teil der von den privaten Haushalten finanzierten beruflichen Weiterbildung dar.

Informationen zur Höhe der Ausgaben der Unternehmen für Weiterbildung in Deutschland liegen aus Daten des CVTS 2 (Continuing Vocational Training Survey 2 – zweite europäische Erhebung zur be‐ trieblichen Weiterbildung – Referenzjahr 1999) vor. Ziel der Erhebung war es, vergleichbare Daten zu quantitativen und qualitativen Strukturen der betrieblichen Weiterbildung in Unternehmen aus 25 europäischen Ländern zu gewinnen. In Deutschland beteiligten sich ca. 3.100 Unternehmen an der Erhebung. Darüber hinaus wurde eine Zusatzerhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), mit stärkerer qualitativen Ausrichtung, bei weiteren 500 deutschen weiterbildenden Unternehmen vorgenommen (Beicht et al. 2005, S. 257). Zur Einschätzung der quantitativen Bedeutung betriebli‐ cher Weiterbildung wurden die Unternehmen nach ihren Ausgaben für Weiterbildungsmaßnahmen, für interne und externe Weiterbildungskurse, befragt. Die Gesamtkosten ergeben sich als Summe aus direkten Kosten, Personalausfallkosten sowie dem Saldo aus gezahlten Beiträgen an nationale oder regionale Weiterbildungsfonds (seitens der Unternehmen) und Einnahmen aus nationalen (z.B. Zu‐ schüsse der BA an Unternehmen für Weiterbildung) und anderen Finanzierungsregelungen.

Die direkten Kosten umfassen Zahlungen an externe Weiterbildungsanbieter und externes Weiterbil‐ dungspersonal, Reisekosten, Spesen und Tagesgelder der Teilnehmenden, Arbeitskosten für internes Weiterbildungspersonal sowie Kosten für Seminarräume, deren Ausstattung und Materialkosten. Sie machen nominal den größten Posten aus (vgl. Abschnitt 5.2). Die Personalausfallkosten können als indirekte Kosten – als Opportunitätskosten der Weiterbildungskurse – verstanden werden. Diese Kosten entstehen dem Unternehmen dann, wenn Beschäftigte während der Weiterbildungsmaß‐ nahme nicht produktiv arbeiten, aber Arbeitskosten für das Unternehmen verursachen.19

18 In der beruflichen Weiterbildung besteht in Deutschland – anders als in der dualen Berufsausbildung – kein durchgängiges bundeseinheitliche Ordnungsprinzip, stattdessen herrscht eine starke institutionelle Seg‐ mentierung (vgl. BIBB 2008, S. 30 ff.). 19 Inwieweit diese Kosten wirklich den Unternehmen zuzurechnen sind, bleibt fraglich. In vielen Fällen werden die Kostenbelastungen auf die Arbeitnehmer überwälzt, indem Weiterbildungsmaßnahmen in der Freizeit der Beschäftigten stattfinden oder Unternehmen von ihren Mitarbeitern erwarten, dass die verlorene Zeit durch kurzfristige Intensivierung des Arbeitseinsatzes kompensiert wird (vgl. Beicht et al. 2005, S. 257). Die‐ ser Posten scheint für die wenigsten Unternehmen eine relevante betriebswirtschaftliche Größe darzustel‐ len. 32 Die erhobenen Gesamtkosten für die von Unternehmen finanzierte berufliche Weiterbildung be‐ schränken sich auf die formelle Weiterbildung.

Zu 2): Von den privaten Haushalten finanzierte berufliche Weiterbildung kann in einem Zusammen‐ hang mit der Arbeit in einem konkreten Unternehmen stehen, muss es aber nicht. In jedem Fall muss jedoch eine berufliche Verwertbarkeit gegeben sein. Eine von den privaten Haushalten finanzierte berufliche Weiterbildung liegt auch dann vor, wenn es sich um Finanzierungsanteile der Beschäftig‐ ten an betrieblich organisierten Weiterbildungsmaßnahmen handelt. Man spricht in diesem Fall von durch die privaten Haushalte finanzierter betrieblicher Weiterbildung, sofern die entsprechenden Maßnahmen vom Betrieb ausgehen bzw. am Arbeitsplatz stattfinden und zu mehr als der Hälfte in die betriebliche Arbeitszeit fallen oder zu mindestens der Hälfte vom Betrieb finanziert werden. Dar‐ über hinaus werden auch die Finanzierungsbeiträge von Selbständigen zu Maßnahmen der berufli‐ chen Weiterbildung als von den privaten Haushalten finanzierte betriebliche Weiterbildung verstan‐ den (Krekel et al. 2004, S. 5).

Die Kosten der von privaten Haushalten finanzierten beruflichen Weiterbildung umfassen direkte Kosten und indirekte Kosten. Zu den direkten Kosten zählen Teilnahmegebühren, Ausgaben für Lern‐ und Arbeitsmittel, Fahrtkosten, Ausgaben für auswärtige Unterkunft, Mehraufwand für auswärtige Mahlzeiten, Ausgaben für Kinderbetreuung und sonstige Ausgaben, z.B. Prüfungsgebühren. Indirekte Kosten können auch hier wieder als Opportunitätskosten verstanden werden; dazu zählt ein realer Einkommensverlust aufgrund unbezahlter Urlaubstage und Verzicht auf den Freizeitnutzen, wenn Weiterbildung außerhalb der Arbeitszeit stattfindet. Als monetärer Wert kann nur der Einkommens‐ verlust beziffert werden.

Repräsentative Erhebungen zur individuellen beruflichen Weiterbildung wurden im Forschungspro‐ jekt des BIBB „Kosten und Nutzen beruflicher Weiterbildung für Individuen“20 in Kooperation mit der Expertenkommission des BMBF zur „Finanzierung Lebenslangen Lernens“21 (Referenzjahr 2002) er‐ stellt (Beicht et al. 2005, S. 259 ff.). Darüber hinaus schließt diese Studie auch Erhebungen des Be‐ richtssystems für Weiterbildung (BSW), das alle drei Jahre im Auftrag des BMBF herausgegeben wird, in ihre Berechnungen ein. Letzteres konzentriert seine Betrachtung auf die formalisierte berufliche Weiterbildung im Rahmen von Lehrgängen und Kursen. Dagegen verwendet das BIBB in seinen Erhe‐ bungen einen weiten Weiterbildungsbegriff, der auch informelle Lernformen (z.B. arbeitsnahe Lern‐ formen, selbstorganisiertes Lernen etc.) mit einbezieht.22 Die Gesamtausgaben für von privaten Haushalten finanzierte (formelle und informelle) berufliche Weiterbildung werden mit Hilfe von Teil‐ nahmequoten an Weiterbildungsmaßnahmen grob hochgerechnet.

Zu 3): Die durch Staat oder Sozialversicherung finanzierte berufliche Weiterbildung umfasst insbe‐ sondere Ausgaben für die Weiterbildung Arbeitsloser oder von Arbeitslosigkeit bedrohter Personen, aber auch die institutionelle Förderung von Weiterbildungsinstitutionen. Relevant sind Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der BA und der EU (Weiß 2010, S. 373). Die wichtigsten gesetz‐ lichen Grundlagen sind das SGB III und das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG). Angaben

20 Vgl. für genauere Erhebungsangaben BIBB ‐ Abschlussbericht zum Forschungsprojekt 2.3.005, URL: https://www2.bibb.de/tools/fodb/pdf/eb_23005.pdf, letzter Zugriff: 24.9.2012. 21 Zu den Erhebungen und Ergebnissen der unabhängigen BMBF ‐ Expertenkommission siehe auch den Schlussbericht des Projektes, 24.7.2004, URL: http://www.bmbf.de/pub/schlussbericht_kommission_lll.pdf, letzter Zugriff 24.9.2012. 22 Hierbei besteht jedoch das Problem der statischen Erfassung dieser informellen Lernformen (vgl. Beicht et al. 2005, S. 256). 33 zu den Ausgaben der öffentlichen Hand für berufliche Weiterbildung stützen sich auf unterschiedli‐ che finanzstatistische Datenquellen.23 Der weitaus größte Finanzierungsanteil für berufliche Weiter‐ bildung erfolgt über die BA auf Basis des SGB III. Im Wesentlichen zählt hierzu die Förderung berufli‐ cher Weiterbildung (FbW).24

Während bei den Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit eine klare Abgrenzung der Aufwendungen für berufliche Weiterbildung möglich ist, gestaltet sich dies für die anderen staatlichen Institutionen sehr viel schwieriger. Dies gilt insbesondere für die Finanzierung von Einrichtungen, die sowohl einen Ausbildungsauftrag als auch einen beruflichen Weiterbildungsauftrag haben (z.B. Fachschulen), aber auch für die institutionelle Förderung von Weiterbildungseinrichtungen, die – wie beispielsweise die Volkshochschulen – sowohl berufliche als auch nichtberufliche Weiterbildung betreiben. Daher müs‐ sen die entsprechenden Anteile für die berufliche Weiterbildung geschätzt werden (Beicht et al. 2005 S. 262). Wenn im Folgenden die Gesamtausgaben der öffentlichen Hand für berufliche Weiterbildung beschrieben werden (Referenzjahr 2004), dann handelt es sich somit um eine grobe Schätzung.25

Die Gesamtausgaben der drei unterschiedlichen Finanzierungsformen werden für eine ungefähre Größenordnung beruflicher Weiterbildungsausgaben zusammengefasst (Beicht et al. 2005). Dabei treten eine Reihe von Problemen auf, die die Aussagekraft der Höhe des Finanzierungsvolumens und deren Struktur einschränken. Ein Problem besteht darin, dass die Ausgaben für einzelne Formen der Weiterbildung aus unterschiedlichen Quellen zusammengefügt werden, die sich zudem noch auf ver‐ schiedene Jahre beziehen. Für die Bestimmung der Höhe der von privaten Haushalten finanzierten beruflichen Weiterbildungsausgaben besteht zudem das Problem, dass die beiden hierfür herange‐ zogenen Quellen sich auf unterschiedliche Personengruppen beziehen.26 Auch ist die Abgrenzung der beruflichen Weiterbildung zwischen den drei Finanzierungsformen unterschiedlich. So werden bei der Erfassung der individuell finanzierten beruflichen Weiterbildung auch die Aufwendungen für in‐ formelle Formen erfasst, während dies für die von Unternehmen finanzierte Weiterbildung nicht gilt. Insgesamt ist zudem die Erfassung der Ausgaben unvollständig und ungenau.

Vor dem Hintergrund dieser Probleme sind ein Vergleich sowie eine Zusammenfassung der drei un‐ terschiedlichen Finanzierungsformen methodisch sehr problematisch. Allerdings besteht aufgrund der vorhandenen Informationsgrundlagen die einzige Möglichkeit darin, diese methodischen Prob‐ leme in Kauf zu nehmen, um ein umfassendes Bild über die Ausgaben der verschiedenen Akteure für die berufliche Weiterbildung zu gewinnen. Eine solche Vorgehensweise wurde von Beicht et al. (2005) gewählt. Die dort gewonnenen Erkenntnisse sind die Grundlage für die im Folgenden darge‐ stellten Ergebnisse.

23 Relevante Datenquellen sind die Haushaltsansatz‐ und Jahresrechnungsstatistik des Statistischen Bundes‐ amtes und der hierauf bezogene Bildungsfinanzbericht der Bund‐Länder‐Kommission (BLK) – die berufli‐ chen Weiterbildungsaufwendungen sind jedoch nicht von den öffentlichen Ausgaben abgrenzbar. Deswei‐ teren liefern die Bundesstatistik des Statistischen Bundesamtes zum Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) und die Berufsbildungsberichte des BMBF Angaben zur institutionellen und Infrastrukturförderung sowie zur individuellen Förderung. Die Geschäftsstatistik der BA gibt Aufschluss über die Ausgaben für be‐ rufliche Weiterbildung gemäß SGB III. 24 Vgl. zur ausführlichen Auflistung der Maßnahmen innerhalb der Förderung beruflicher Weiterbildung und relevanter qualitativer Studien zur Wirkungsforschung von Maßnahmen wie z.B. Bildungsgutscheinen, We‐ GebAU und ESF – unterstützte Qualifizierungsmaßnahmen bei Kurzarbeit, Deeke et al. (2011, S. 197 ff.). 25 Aufwendungen seitens der EU sind nur insofern mit einbezogen worden, wie sie BA‐ESF‐Programme für Qualifizierungsmaßnahmen betreffen. 26 Während das BIBB nur erwerbsnahe Personen mit einbezieht, erfasst das BSW alle deutschsprachigen Per‐ sonen im Alter von 16‐64 in ihren statistischen Erhebungen (Beicht et al. 2005, S. 259f.). 34

5.2 Ausgaben für die berufliche Weiterbildung nach der Form ihrer Finanzierung

Im Folgenden werden auf Basis der Studie von Beicht et al. (2005) die Aufwendungen für die berufli‐ che Weiterbildung nach den drei im vorangegangen Abschnitt dargestellten Finanzierungsformen und damit für die drei zentralen Akteure – Unternehmen, private Haushalte, öffentliche Hand – dar‐ gestellt. Um zumindest eine grobe Schätzung für ein einheitliches Referenzjahr 2004 zu erhalten, rechnen wir die Daten der Finanzierung der Unternehmen aus dem Jahr 1999 und die Daten der Fi‐ nanzierung der privaten Haushalte aus dem Jahr 2002 mit den jeweiligen Inflationsraten auf das Jahr 2004 hoch.

Dabei wird bei den Kosten der Unternehmen und der privaten Haushalten für die Finanzierung der beruflichen Weiterbildung jeweils in direkte und indirekte Kosten unterschieden. Bei der staatlichen Finanzierung und dem Weiterbildungsaufwand der BA werden keine indirekten Kosten betrachtet. Zudem sind in den ausgewiesenen Beträgen weder Steuerabzüge der Unternehmen oder der priva‐ ten Haushalte, noch weiterbildungsbedingte staatlichen Steuerausfälle bei der öffentlichen Hand be‐ rücksichtigt worden (Beicht et al. 2005).

Die Aufwendungen der Unternehmen für die berufliche Weiterbildung – auf Basis der CVTS 2 sowie der Zusatzerhebung durch das BIBB und hochgerechnet für ganz Deutschland – werden für das Jahr 1999 auf insgesamt 16,7 Mrd. € veranschlagt. Somit ergibt sich bei Hochrechnung der betrieblichen Aufwendungen insgesamt ein Betrag von rund 18 Mrd. €. Diese enthalten direkte Kosten in Höhe von 10,5 Mrd. €, die einen Anteil von 58% ausmachen, und indirekte Kosten (Personalausfallkosten) von 7,5 Mrd. €, die 42% an den gesamten Aufwendungen darstellen.27 Den indirekten Kosten liegt das Problem zu Grunde, dass nicht klar abzugrenzen ist, was bei den Unternehmen als Aufwendungen anfällt und welcher Anteil de facto den teilnehmenden Beschäftigten in Form von Einkommensver‐ lust z.B. aufgrund unbezahlter Überstunden zuzurechnen ist. So halten Beicht et al. (2005) und Grü‐ newald/Moraal (1995) es für richtiger die Personalausfallkosten bei den Unternehmen lediglich mit einem Anteil von 50% einzurechnen. In diesem Fall wären die Aufwendungen der Unternehmen um 3,5 Mrd. € zu reduzieren, die der privaten Haushalte um 3,5 Mrd. € zu erhöhen. Eine weitere Spezifi‐ zierung für formale und informelle Lernformen ist hier hinfällig, da zu Grunde liegende Erhebungen nur formalisierte berufliche Weitebildung betrachten.

Die von privaten Haushalten finanzierten Aufwendungen für die berufliche Weiterbildung beliefen sich berechnet aus den Informationen aus der BIBB‐Erhebung und dem Berichtssystem Weiterbil‐ dung im Jahr 2002 bundesweit auf insgesamt 13,8 Mrd. € (Beicht et al. 2005, S. 260 f.).28 Nach Hoch‐ rechnung auf das Jahr 2004 ergibt sich damit eine Summe von insgesamt 14,2 Mrd. €. Bei diesen Aufwendungen kann grundsätzlich zwischen der Beteiligung an betrieblicher Weiterbildung und der Finanzierung nichtbetrieblicher Weiterbildung seitens der privaten Haushalte unterschieden werden (vgl. auch Abschnitt 5.1). Die Beteiligung der privaten Haushalte an der betrieblichen Weiterbildung belief sich in Anlehnung an die Berechnungen von Beicht et al. (2005) hochgerechnet auf 7,7 Mrd. €,

27 Die Kosten sind um den Saldo der gezahlten Beiträge an öffentliche Einrichtungen und Zuschüsse von Drit‐ ten für betriebliche Weiterbildung bereinigt. 28 Die Gesamtkosten für individuelle berufliche Weiterbildung wurden auf der Grundlage der durchschnittli‐ chen Kosten in Höhe von 502 € (nach Refinanzierung) pro Teilnehmenden und Jahr und einer Teilnah‐ mequote von 68% (bei 27,4 Mio. Teilnehmenden) bezogen auf die betrachtete erwerbsnahen Bevölkerung hochgerechnet (vgl. Beicht et al. 2005, S. 260 f.). 35 die Aufwendungen für nichtbetriebliche Weiterbildung auf 6,5 Mrd. €. Damit entfallen rund 54% der individuellen Aufwendungen für berufliche Weiterbildung auf die individuelle Beteiligung an der be‐ trieblichen Weiterbildung und nur rund 46% auf zusätzliche nichtbetriebliche Weiterbildung. Berück‐ sichtigt man zusätzlich, dass 68% ausschließlich an betrieblicher Weiterbildung teilnahmen, 19% aus‐ schließlich an nichtbetrieblicher Weiterbildung und 13% an beiden Formen, so wird deutlich, dass so‐ gar bei der von privaten Haushalte finanzierten beruflichen Weiterbildung die betriebliche Weiterbil‐ dung dominiert. Die durchschnittlichen von privaten Haushalten finanzierten Kosten für die Beteili‐ gung an betrieblicher Weiterbildung lagen hochgerechnet bei etwa 293 € pro Kopf, bezogen auf alle Personen, die an betrieblicher Weiterbildung teilgenommen haben, während nichtbetriebliche Wei‐ terbildung den einzelnen Teilnehmenden etwa 879 € kostete.

Von den insgesamt von privaten Haushalten aufgewendeten Kosten für die berufliche Weiterbildung entfielen hochgerechnet mit etwa 7,8 Mrd. € 55% auf formalisierte Weiterbildung, etwa 6,4 Mrd. € (45%) auf informelle Formen der Weiterbildung. Der Block der informellen Weiterbildung teilt sich auf in selbst organisierte Lernprozesse (23%), berufsbezogene Teilnahme an Kongressen, Tagungen (14%) und arbeitsnahe Weiterbildung (8%).

Die direkten Kosten der von privaten Haushalten finanzierten beruflichen Weiterbildung für Kurse, Lern‐ und Arbeitsmittel, Fahrkosten etc. (vgl. Abschnitt 5.1) machen etwa drei Viertel der Gesamtkos‐ ten (ca. 10,7 Mrd. €) aus, die indirekten Kosten durch Einkommensverlust somit etwa ein Viertel (ca. 3,5 Mrd. €). Dabei handelt es sich um Nettokosten nach Abzug der Refinanzierung durch Unterneh‐ men oder Staat. Interessant ist dabei, dass die direkten Kosten zu mehr als einem Drittel refinanziert werden, wobei die Erstattungen durch den Arbeitgeber mit 85% den größten Anteil ausmachen, während die indirekten Kosten nur zu etwa 7% refinanziert werden.

Die Ausgaben für berufliche Weiterbildung seitens der öffentlichen Hand werden zunächst für den Staat und die BA getrennt ausgewiesen. Die staatlichen Ausgaben gliedern sich in institutionelle För‐ derung von Fachschulen, z. B. Meister‐ und Technikerschulen, und die individuelle Weiterbildungs‐ förderung, z.B. in Form von Meister‐Bafög. Insgesamt schätzen Beicht et al. (2005) die staatlichen Ausgaben für die institutionelle Förderung der beruflichen Weiterbildung auf 225 Mio. €. Für die in‐ dividuelle Weiterbildungsförderung gaben Bund und Länder im Jahr 2004 etwa 200 Mio. € aus. Damit ergeben sich insgesamt staatliche Ausgaben für die berufliche Weiterbildung in Höhe von etwa 425 Mio. € (Beicht et al. 2005, S. 262 f.).

Die Ausgaben der BA für berufliche Weiterbildung werden in der Studie von Beicht et al. (2005) für das Haushaltsjahr 2004 in Weiterbildungsmaßnahmekosten, Unterhaltsgeld und Kosten für Trai‐ ningsmaßnahmen unterteilt. Damit weicht diese Darstellung an einer Stelle von der in Abschnitt 2.4 (Abbildung 8) gewählten Definition der Ausgaben der BA für Qualifizierung und Weiterbildung ab. So wurden die Kosten für Trainingsmaßnahmen in Abschnitt 2.4 nicht dem Bereich Qualifizierung und Weiterbildung, sondern dem Bereich Sonstiges zugeordnet, weil Trainingsmaßnahmen gemeinsam mit dem Instrument der Eignungsfeststellung ausgewiesen sind und letzteres keine Qualifizierung umfasst.

Im Jahr 2004 finanzierte die BA Weiterbildungsmaßnahmekosten in Höhe von 1.479 Mio. € (36%), Unterhaltsgeld in Höhe von 2.176 Mio. € (52%) und Kosten für Trainingsmaßnahmen in Höhe von 496 Mio. € (12%). Damit ergibt sich eine Gesamthöhe von rund 4,2 Mrd. € (2004).29 Insgesamt lagen

29 Gemäß der Definition aus Abschnitt 2.4 ergäbe sich eine geringere Gesamtsumme in Höhe von 3,7 Mrd. €. 36 demnach die direkten öffentlichen Ausgaben für berufliche Weiterbildung im Jahr 2004 bei 4,6 Mrd. €, wobei der BA‐Anteil 91% betrug.

Bei den Ausgaben der BA ist allerdings auch eine alternative Betrachtung möglich. So wäre zu disku‐ tieren, ob das Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, das Arbeitslosen während der Teil‐ nahme an einer Weiterbildungsmaßnahme gezahlt wird, wirklich in voller Höhe einbezogen werden sollte, da Anspruchsberechtigte auch ohne Teilnahme an der Weiterbildung Arbeitslosengeld erhal‐ ten würden. Beicht et al (2005, S. 264) beziehen daher nur einen geringen Anteil der Unterhaltszah‐ lungen in die alternative Berechnung mit ein. Auf der anderen Seite könnten nach Aussage von Beicht et al. (2005) aber Ausgaben für Bildungsmaßnahmen behinderter Menschen hinzugerechnet werden, die den Charakter einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme erfüllen. Diese Ausgaben werden mit einem Anteil von 36% der Ausgaben für Maßnahmen behinderter Menschen dann auf rund 1 Mrd. € geschätzt. Führt man beide Korrekturen durch, so wäre der Finanzierungsumfang der BA jedoch nahezu unverändert, daher wird diese Variante im Folgenden nicht weiter betrachtet.

5.3 Gesamtausgaben für die berufliche Weiterbildung und ihre Verteilung auf die Finanzierungs‐ formen

Wie in Abschnitt 5.1 ausgeführt wurde, ergeben sich die gesamten Ausgaben für die berufliche Wei‐ terbildung aus den Aufwendungen der Unternehmen, der privaten Haushalte und der öffentlichen Hand (Staat und Sozialversicherung). Eine einfache Aggregation der im vergangenen Abschnitt darge‐ stellten Zahlen für die einzelnen Finanzierungsformen ist deshalb schwierig, weil sich die Bezugsjahre der jeweils zur Erfassung verwendeten Erhebungen unterscheiden (1999, 2002, 2004).

In Beicht et al. (2005) wird dennoch eine solche Aggregation vorgenommen, um eine ungefähre Schätzung der Gesamtausgaben für die berufliche Weiterbildung in Deutschland zu ermitteln. In An‐ lehnung an diese Schätzung und auf Basis der von uns hochgerechneten Daten für die von Unter‐ nehmen und von privaten Haushalten erbrachte Finanzierung ergeben sich für das Jahr 2004, das letzte Referenzjahr der Erhebungen, Aufwendungen für berufliche Weiterbildung von insgesamt rund 36,8 Mrd. €.

Diese Gesamtausgaben verteilen sich gemäß Abschnitt 5.2 wie folgt nach der Form ihrer Finanzierung (vgl. Abbildung 14):30

 Die Unternehmen trugen mit insgesamt 18 Mrd. € einen Anteil von 48,9% der Kosten für be‐ rufliche Weiterbildung

 Die privaten Haushalte wendeten insgesamt 38,6% (14,2 Mrd. €) auf

 Staat und Sozialversicherung trugen mit 4,6 Mrd. € nur 12,5% zur Finanzierung bei.

30 Die Gesamtkosten der Unternehmen ergeben sich auf Basis von 1999 (CVTS 2), hochgerechnet auf 2004, aus den direkten und indirekten Kosten für betriebliche Weiterbildung. Nicht berücksichtigt sind hier die steuerlichen Entlastungen. Die Gesamtkosten der privaten Haushalte ergeben sich auf Basis der Daten von 2002 (BIBB), hochgerechnet auf 2004, aus den direkten und indirekten Kosten für betriebliche und nichtbe‐ triebliche Weiterbildung. Nicht berücksichtigt sind hier die steuerlichen Entlastungen. In die Gesamtauf‐ wendungen der öffentlichen Hand (Staat und BA) für das Jahr 2004 sind demgemäß die indirekte Finanzie‐ rung für berufliche Weiterbildung durch Steuermindereinnahmen nicht mit einbezogen. 37 Abb. 14: Nominale und prozentuale Finanzierungsanteile der Unternehmen, der privaten Haushalte und der öffentlichen Hand (Staat und BA) für berufliche Weiterbildung (ohne Berücksich‐ tigung der steuerlichen Wirkungen)

Unternehmen Private Haushalte 4,6 Mrd. € Staat und BA (13%)

18 Mrd. € (48%) 14,2 Mrd. € 39%

Quelle: Beicht et al. (2005). Statistisches Bundesamt. Eigene Berechnungen.

Abb. 15: Nominale und prozentuale Finanzierungsanteile der Unternehmen, der privaten Haushalte und der öffentlichen Hand (Staat und BA) für berufliche Weiterbildung (mit Berücksich‐ tigung der steuerlichen Wirkungen)

Unternehmen Private Haushalte Staat und BA

35% 34%

31%

Quelle: Beicht et al. (2005). Statistisches Bundesamt. Eigene Berechnungen.

38 Allerdings stellen Weiterbildungskosten Betriebsausgaben dar und schmälern damit den zu versteu‐ ernden Gewinn. Somit vermindern sie die Steuerbelastung für Unternehmen. Um das zu berücksich‐ tigen, wird für die Ermittlung der Belastung nach Steuerabzug ein durchschnittlicher Grenzsteuersatz von 30% (vgl. Dohmen/Hoi 2003, S. 40) unterstellt. Die angesprochene Steuerentlastung gilt zudem auch für Aufwendungen für berufliche Weiterbildung seitens der privaten Haushalte. Unterstellt wird hier, dass nur etwa zwei Drittel von dieser steuerlichen Entlastung Gebrauch machen können.

Korrekturen der tatsächlichen Belastungen müssen demgemäß auch für die staatliche Förderung vollzogen werden, denn eine Entlastung der steuerlichen Belastung bei Unternehmen und privaten Haushalten entsprechen einer Steuereinnahmenminderung beim Staat; dies muss dann als indirekte Förderung staatlicher Weiterbildungsausgaben berücksichtigt werden (vgl. Dohmen/Hoi 2003, S. 54).

Mit diesen Korrekturen ergibt sich ein anderes Bild der Finanzierungslasten der Akteure: Der Finan‐ zierungsanteil der öffentlichen Hand steigt durch die Berücksichtigung der indirekten Förderung be‐ trächtlich auf etwa 35% an. Der Anteil der Unternehmen an der Finanzierung beruflicher Weiterbil‐ dung sinkt auf 34%. Die privaten Haushalte würden nach dieser Rechnung mit rund 31% den gerings‐ ten Finanzierungsanteil leisten (vgl. Abbildung 15).

5.4 Hochrechnung der Gesamtausgaben für die berufliche Weiterbildung mit Hilfe der Inflations‐ rate

Da die aktuellsten Daten für 2004 vorliegen, sollen abschließend noch die Ausgaben für die berufli‐ che Weiterbildung an den aktuellen Rand hochgerechnet wird. Wird das Jahr 2004, in dem gemäß der Schätzungen im vorangegangenen Abschnitt insgesamt 36,8 Mrd. € für berufliche Weiterbildung ausgegeben wurde, als Bezugsjahr genommen,31 dann ergibt sich bei der Berücksichtigung der jährli‐ chen Inflationsraten die in Abbildung 16 dargestellte Entwicklung der jährlichen Ausgaben für die be‐ rufliche Weiterbildung.

Für das Jahr 2010 ergeben sich nach dieser Berechnung Gesamtausgaben für die berufliche Weiter‐ bildung in Höhe von 40,4 Mrd. €, für das Jahr 2011 ein Betrag von 41,4 Mrd. €. Unterstellt man ge‐ mäß der obigen Berechnung für 2004 einen Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand von 12,5% (ohne Steuermindereinnahmen), so ergäben sich im Jahr 2010 rund 35,4 Mrd. € und im Jahr 2011 rund 36,2 Mrd. €, die nicht bereits durch die öffentliche Hand finanziert werden. Berücksichtigt man zusätzlich die indirekte Finanzierung durch eine steuerliche Förderung, was zu einem staatlichen Fi‐ nanzierungsanteil von 35% führen würde, so würden diese Beträge auf 26,3 bzw. 26,9 Mrd. € sinken.

31 Die Erhebungen, die in der betrachteten Studie von Beicht et al.(2005) für die eigenen Berechnungen ver‐ wendet werden, beziehen sich auf unterschiedliche Jahre, zwischen 1999 und 2004. Für das Einbeziehen der Inflationsraten und der Fortschreibung der ungefähren gesamten Weiterbildungsausgaben wird damit das jüngste Jahr 2004 der statistischen Erhebungen für die Ausgaben des Staates und der BA herangezogen. 39 Abb. 16: Gesamte Ausgaben für berufliche Weiterbildung in Mrd. € (Basisjahr 2004), hochgerech‐ net anhand der jährlichen Inflationsrate

42

41,4 41

40,4 40 40,0 39,8

39 38,8

38

Mrd. € Mrd. 37,9

37 37,4 36,8

36

35

34 1,5% 1,6% 2,3% 2,6% 0,4% 1,1% 2,3% 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Haushaltsjahr und Inflationsrate

Ausgaben für berufliche Weiterbildung in Mrd. € Quelle: Beicht et al. (2005), Statistisches Bundesamt. Eigene Berechnungen.

40 6. Reformvorschläge und Reformbedarf bei der Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Leistungen

6.1 Steuer‐ vs. Beitragsfinanzierung von arbeitsmarktpolitischen Leistungen

6.1.1 Allgemeine Kriterien für Steuer‐ und Beitragsfinanzierung Systeme sozialer Sicherung können grundsätzlich durch zweckgebundene Beiträge sowie durch Steu‐ ern und damit aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werden. „Im Fall der gesetzlich verfügten staatlichen Vorsorge werden das Versicherungs‐, Versorgungs‐ und Fürsorgeprinzip als die drei Ge‐ staltungsprinzipien unterschieden, denen sich jeweils bestimmte Finanzierungsformen mit den da‐ hinter stehenden finanzwissenschaftlichen Abgebprinzipien, dem Äquivalenzprinzip (…) und dem Leistungsfähigkeitsprinzip (…), zuordnen lassen“ (Zimmermann/Henke 2005, S. 163f.).

Das Sozialversicherungsprinzip ist ein nach dem Grundsatz der Solidarität modifiziertes Versiche‐ rungsprinzip. Insbesondere sind die Beiträge nicht an individuellen Risikowahrscheinlichkeiten orien‐ tiert. Die Leistungen beruhen auf einem Rechtsanspruch, der jedoch an die Beitragszahlung geknüpft ist. Dem gegenüber stehen das Versorgungs‐ und das Fürsorgeprinzip. Beim Versorgungsprinzip ent‐ stehen Leistungsansprüche nicht aufgrund von Beitragszahlungen, sondern aufgrund anderer An‐ sprüche in Form eines Rechtsanspruchs. Das Fürsorgeprinzip sieht eine Leistungsgewährung ebenfalls unabhängig von den geleisteten Beitragszahlungen, jedoch aufgrund des Vorliegens von Bedürftig‐ keit vor. Sowohl Leistungen nach dem Versorgungs‐ als auch nach dem Fürsorgeprinzip werden übli‐ cherweise von der Allgemeinheit über Steuern finanziert (Lampert/Althammer 2007, S. 279).

In der ökonomischen Literatur herrscht die Auffassung vor, dass Leistungen und Umverteilungsanlie‐ gen, die gesamtgesellschaftliche Aufgaben darstellen, stets über Steuern finanziert werden sollten (siehe z.B. SVR (2005), S. 344; IZA (2008), S. 5f.). Dem gegenüber ist eine Sozialversicherung dadurch charakterisiert, „dass durch risikounabhängige Beiträge – als Ausdruck des Solidarprinzips – ein Aus‐ gleich zwischen guten und schlechten Risiken geschaffen wird. (…), in der Arbeitslosenversicherung zwischen Personen mit niedrigem und Personen mit hohem Arbeitslosigkeitsrisiko“ (SVR 2005, S. 346). Demnach sind nicht nur diejenigen Leistungen versicherungsfremd, die nicht dem Versiche‐ rungszweck entsprechen, sondern auch alle Leistungen und Umverteilungsströme, die nicht dem Ausgleich zwischen niedrigen und hohen Risiken dienen. „Insbesondere ist die interpersonelle Ein‐ kommensumverteilung kein genuiner Bestandteil des sozialversicherungstypischen Solidarprinzips, sondern – genauso wie die Kinder‐ und Familienförderung – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ (SVR 2005, S. 346).

„Eine Finanzierung über Beiträge ist immer dann die adäquate und ökonomisch gebotene Finanzie‐ rungsform, wenn diesen Abgaben eine entsprechende Gegenleistung gegenüber steht, mithin das Äquivalenzprinzip gilt. Der Beitrag ist dann eine Art Preis für die Versicherungsleistung des jeweiligen Sozialversicherungszweigs. Je schwächer dieser Äquivalenzgedanke ausgeprägt ist, desto mehr geht der `Preischarakter´ des Beitrags verloren, der Steuercharakter dieser Sozialabgabe nimmt zu. Und wenn die Sozialversicherungsbeiträge von den Zahlungsverpflichteten, namentlich den Arbeitneh‐ mern, als Steuer, das heißt als Zwangsabgabe ohne Anspruch auf Gegenleistung aufgefasst werden, ist mit Ausweichreaktionen und damit mit negativen Auswirkungen auf die sozialversicherungspflich‐ tige Beschäftigung zu rechnen“ (SVR 2005, S. 344f.).

Der Steueranteil in einem Sozialversicherungsbeitrag wird folglich vom Umfang der aus dem Bei‐ tragsaufkommen finanzierten versicherungsfremden Leistungen bestimmt (SVR 2005, S. 345).

41 Wird dieser Argumentation Rechnung getragen und werden zur Gegenfinanzierung versicherungs‐ fremder Leistungen die Steuern erhöht, bedeutet dies daher keine Erhöhung der steuerlichen Ge‐ samtbelastung, „da in gleichem Maße die allokativ schädlichen und distributiv fragwürdigen Steuer‐ anteile in den Sozialversicherungsbeiträgen reduziert werden. Ein steuerähnlicher Beitrag auf die Bruttolöhne wird durch eine allgemeine Steuer ersetzt und damit wird die Belastung anders verteilt“ (SVR 2005, S. 387f.).

Gegen die Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben durch Beiträge spricht insbesondere, dass die Beitragszahler in einer Sozialversicherung nur eine Teilgruppe der Gesamtbevölkerung dar‐ stellen. Zudem ist die Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungsbeiträge ein ungeeigneter Indi‐ kator der individuellen Leistungsfähigkeit, da sie lediglich das Arbeitseinkommen und nicht das ge‐ samte Einkommen des Versicherten umfasst. Zudem ist das beitragspflichtige Einkommen durch eine Beitragsbemessungsgrenze nach oben hin beschränkt (Fichte 2007, S. 8; vgl. auch SVR 2005, S. 393 ff.).

Da Gegenfinanzierungsmaßnahmen jedoch in der Regel für sich genommen verzerrende Wirkungen haben und folglich negative Effekte auf Wachstum und Beschäftigung sowie unerwünschte Vertei‐ lungswirkungen nach sich ziehen können, können sie etwaigen positiven Effekten der Beitragssatz‐ senkung entgegenwirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich diese unerwünschten Nebenwirkun‐ gen jeweils zwischen der gewählten Alternative zur Beitragsfinanzierung unterscheiden (SVR 2005, S. 387ff.). „Bei der Auswahl der Gegenfinanzierung ist daher darauf zu achten, dass die Umfinanzie‐ rungsmaßnahme insgesamt hinsichtlich der allokativen und distributiven Effekte, vor allem hinsicht‐ lich der Beschäftigungswirkungen, positive Ergebnisse liefert“ (SVR 2005, S. 388).

Eine intensive Bewertung einzelner Gegenfinanzierungsvorschläge würde den Rahmen dieses Gut‐ achtens sprengen. In diesem Zusammenhang wird auf die Analysen des Sachverständigenrats (SVR 2005, S. 386 ff.) verwiesen: „Eine Umfinanzierung von als notwendig erachteten versicherungsfrem‐ den Leistungen und Umverteilungen ist sowohl aus wachstums‐ und beschäftigungspolitischen wie auch aus verteilungspolitischen Gründen sinnvoll. Die davon zu erwartenden Beschäftigungseffekte sind für alle Gegenfinanzierungsvarianten grundsätzlich positiv, aber insgesamt eher gering. (…) Gleichwohl kann mit einer Reduktion des Steueranteils in den Beiträgen beziehungsweise mit niedri‐ geren Beitragssätzen die Attraktivität der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erhöht und in der Tendenz der Erosion dieses Normalarbeitsverhältnisses entgegengewirkt werden. Dies wiederum trägt zur Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme bei. (…) Legt man die bislang vorliegenden Simulationsstudien zugrunde, sind die besten Ergebnisse zu erwarten, wenn man als Gegenfinanzie‐ rung eine Kombination aus Mehrwertsteuer und Einkommensteuer wählt. (…)“ (SVR 2005, S. 402).

42 6.1.2 Steuer‐ vs. Beitragsfinanzierung im Bereich der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung Bei der Arbeitslosenversicherung handelt es sich um eine verpflichtende Risikoversicherung für alle Arbeitnehmer/innen (außer insbesondere Beamte und geringfügig Beschäftigte), die jedem Versi‐ cherten nach einer Mindestversicherungszeit einen Lohnersatzanspruch gewährt, dessen Höhe von der Höhe seines Lohneinkommens abhängt. „In der Arbeitslosenversicherung gilt daher – zumindest soweit es die Lohnersatzleistungen betrifft – das Äquivalenzprinzip in dem Sinne, dass die Leistungs‐ höhe vom vorher mit Beiträgen belegten Lohneinkommen abhängt. (…) Das Aufgaben‐ beziehungs‐ weise Leistungsspektrum der Arbeitslosenversicherung in Deutschland geht aber weit über die Ge‐ währung von Lohnersatzleistungen hinaus und umfasst auch die Arbeitsvermittlung und Arbeitsför‐ derungsmaßnahmen. In diesem Teil des Aufgabengebiets besteht auch bei Erfüllung der Vorausset‐ zungen teilweise kein Rechtsanspruch auf die Leistungen, und das Äquivalenzprinzip ist außer Kraft gesetzt, da diese Leistungen weitgehend unabhängig vom Beitrag gewährt werden“ (SVR 2005, S. 365).

Als Kriterium für die Identifikation der versicherungsfremden Leistungen in der Arbeitslosenversiche‐ rung gilt gemäß der oben dargestellten Argumentation, dass Leistungen, die zu einem Ausgleich zwi‐ schen guten und schlechten Risiken führen, sozialversicherungstypisch sind. „Dies bedeutet, dass der Ausgleich zwischen Personen mit hohem Arbeitslosigkeitsrisiko und niedrigem Arbeitslosigkeitsrisiko sozialversicherungstypisch ist“ (SVR 2005, S. 365). Versicherungsfremd sind hingegen alle Leistungen, die darüber hinaus der Umverteilung dienen z.B. im Sinne der Familienförderung, Leistungen an Nichtversicherte und Leistungen, die nicht dem Versicherungszweck der Arbeitslosenversicherung dienen (SVR 2005, S. 365f.).32

Als Beispiele für Umverteilungsmaßnahmen über den Ausgleich zwischen guten und schlechten Risi‐ ken hinaus nennt der Sachverständigenrat (2005, S. 365 f.) vor allem Leistungen der Arbeitslosenver‐ sicherung zur Familienförderung:

 Die Tatsache, dass für Personen mit Kindern im Falle des Bezugs von Arbeitslosengeld eine erhöhte Lohnersatzquote von 67% gilt.  Die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der Arbeitslosenversicherung.

Leistungen an Nichtversicherte spielen in der Arbeitslosenversicherung – anders als in den übrigen Sozialversicherungszweigen – eine gewichtige Rolle. Hierzu gehören (SVR 2005, S. 369):

 Die Beratungs‐ und Vermittlungsleistungen für Berufsanfänger/innen und Auszubildende

 Maßnahmen zur vertieften Berufsorientierung, mit denen zum Beispiel Schüler/innen von allgemein bildenden Schulen über verschiedene Berufe, ihre Anforderungen und Aussichten informiert werden und auf die Berufswahl vorbereitet werden

 Erstattung von Lehrgangskosten berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen

 Besondere Angebote für benachteiligte Jugendliche

32 Auch die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände vertritt die Auffassung, der Beitragssatz müs‐ se so festgelegt werden, dass er den Versicherungszweck erfüllt (BDA 2012).

43  Kosten für die Beratung von Personen ohne Leistungsansprüche

Da eine Leistung auch dann als versicherungsfremd anzusehen ist, wenn sie nicht dem eigentlichen Versicherungszweck dient, ist die Abgrenzung des Versicherungszwecks von entscheidender Bedeu‐ tung. Gerade bei der Arbeitslosenversicherung ist dies jedoch keinesfalls trivial. Vielmehr bestehen hier zwei durchaus begründbare Alternativen. Einerseits eine enge Abgrenzung des Versicherungs‐ zwecks. Demnach dient die Arbeitslosenversicherung „lediglich dem (teilweisen) Ersatz des bei kurz‐ fristiger Arbeitslosigkeit entfallenen individuellen Arbeitseinkommens“ (SVR 2005, S. 366). Anderer‐ seits eine weite Abgrenzung des Versicherungszwecks, wonach auch die Aktivitäten und Maßnahmen der Arbeitsvermittlung als Versicherungsleistung angesehen werden. Letzteres entspricht dem in Deutschland bisher praktizierten Vorgehen. Demnach besteht Aufgabe einer Arbeitslosenversiche‐ rung darin, für Arbeitnehmer/innen „eine zeitlich begrenzte Versicherung gegen den Lohnausfall bei Arbeitslosigkeit zu bieten sowie die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses zu unterstützen“ (SVR 2005, S. 366). Für beide Alternativen lassen sich jeweils Argumente finden. Gegen eine weite Definition sprechen mit Sicherheit die fehlende Äquivalenz zwischen Leistungen und Beiträgen sowie die Tatsache, dass es auf einzelne arbeitsmarktpolitische Fördermaßnahmen in der Regel keinen Rechtsanspruch gibt. Zudem könnte man argumentieren, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die auch von solchen Mitgliedern der Gesellschaft mitfinan‐ ziert werden sollte, die einem solchen Risiko nicht unterliegen (z.B. Beamte). Gegen das erste Argu‐ ment kann eingewendet werden, im Fall der gesetzlichen Krankenversicherung generell Sachleistun‐ gen zum Einsatz kommen. Zudem sind die Beratungsleistungen und die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im SGB III darauf gerichtet, die Arbeitslosen wieder in eine Arbeit gemäß ihrer Qualifika‐ tion zu vermitteln, womit die mit einer erfolgreichen Integration verbundenen Lohnerwartungen bei Personen, die vorher hohe Beiträge gezahlt haben, in der Regel auch höher liegen.33 Damit ergibt sich eine indirekte Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen.

Auch mit Blick auf den Versicherungszweck wären Leistungen für Jugendliche als versicherungsfremd zu klassifizieren. Der Sachverständigenrat nennt zudem folgende Leistungen, die aufgrund des Versi‐ cherungszwecks aus seiner Sicht eindeutig den Tatbestand einer versicherungsfremden Leistung in der Arbeitslosenversicherung erfüllen (SVR 2005, S. 366f.):

 Der gesamte Bereich der Leistungen, die aufgrund von Behinderungen oder im Fall von be‐ ruflicher Rehabilitation gewährt werden, sowie institutionelle Förderungen in diesem Be‐ reich.  Die Tatsache, dass die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auch vom Alter einer Per‐ son abhängt.  Leistungen des Kurzarbeitergeldes, die über die Höhe des im Falle der Arbeitslosigkeit alter‐ nativ zu zahlenden Arbeitslosengeldes hinausgehen.34

Weniger eindeutig fällt die Bewertung der Verknüpfung des Leistungsanspruchs mit der Vorversiche‐ rungszeit aus: „Fasst man hinsichtlich der Lohnersatzleistungen die Arbeitslosenversicherung als Risi‐ koversicherung auf, dann darf die Dauer der Vorversicherungszeit grundsätzlich keine Rolle spielen. Dem steht nicht entgegen, dass unter Anreizgesichtspunkten auch bei einer Risikoversicherung eine

33 Hier liegt ein entscheidender Unterschied zum SGB II. Im SGB II ist grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. 34 Der Bund der Steuerzahler beurteilt sogar das Kurzarbeitergeld insgesamt als versicherungsfremde Leistung (Fichte 2007). Diese Einschätzung beurteilen wir jedoch gerade mit Blick auf die Bedeutung, die der Kurzar‐ beit zur Beschäftigungssicherung in der letzten Wirtschaftskrise zukam, als nicht adäquat. 44 bestimmte Mindestversicherungszeit angezeigt ist, durch die eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Versicherungsleistung begrenzt werden kann. (…) Gelegentlich wird (…) argumentiert, dass es ei‐ nen Zusammenhang zwischen dem insgesamt gezahlten Beitrag und der insgesamt gewährten Lohn‐ ersatzleistung gibt; unterstellt man also, dass in den Beiträgen implizite Sparanteile enthalten sind, dann ist eine Einordnung der unterschiedlichen Bezugsdauern das Arbeitslosengeldes als versiche‐ rungsfremde Leistung nicht mehr so eindeutig“ (SVR 2005, S. 367).

Sofern man den erweiterten Versicherungszweck zugrunde legt, gehören Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nach Auffassung des SVR grundsätzlich zu den Versicherungsleistungen der ge‐ setzlichen Arbeitslosenversicherung (SVR 2005, S. 367). Als Kriterium einer Abgrenzung von Versiche‐ rungsleistungen im Rahmen der erweiterten Aufgabendefinition sollte nach Auffassung des Sachver‐ ständigenrats jedoch gelten, „dass die Arbeitslosenversicherung nur Leistungen aus Beitragsmitteln finanziert, die die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigungsaufnahme auf dem ersten Arbeitsmarkt erhöhen“ (SVR 2005, S. 367). Demzufolge wären Weiterbildungs‐ und Berufsausbildungsmaßnahmen oder die Gründungsförderung durch den Gründerzuschuss Versicherungsleistungen. Eher sozialpoli‐ tisch motivierte Beschäftigung schaffende Maßnahmen wären demzufolge über Steuern zu finanzie‐ ren (SVR 2005, S. 368). Diese spielen allerdings im SGB III ohnehin kaum noch eine Rolle (vgl. oben). Der Sachverständigenrat beurteilt zudem die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer und die Leis‐ tungen nach dem Altersteilzeitgesetz als über Steuern zu finanzierende versicherungsfremde Leis‐ tungen (SVR 2005, S. 368).

Als versicherungsfremde Leistung ist in jedem Fall der Eingliederungsbeitrag zu bewerten – eine hälf‐ tige Beteiligung der Arbeitslosenversicherung an den Kosten für Ausgaben des Bundes für Verwal‐ tung und Eingliederung der Empfänger von Arbeitslosengeld II. Der Grund hierfür besteht darin, dass mit der im Zuge der so genannten Hartz‐Reformen vorgenommenen Abgrenzung der Aufgabenberei‐ che Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II bedürftigkeitsorientiert – und somit unabhängig von den Ansprüchen an die gesetzliche Arbeitslosenversicherung – erfolgen und daher als Teil des Für‐ sorgesystems aus allgemeinen Haushaltsmitteln über Steuern zu finanzieren sind (SVR 2007, S. 221).

Aufgrund unterschiedlicher Definitionen der versicherungsfremden Leistungen, gesetzlicher Verän‐ derungen im Zeitablauf sowie einer veränderten Maßnahmenpolitik ergeben sich auch unterschiedli‐ che Schätzungen für den Umfang der versicherungsfremden Leistungen in der gesetzlichen Arbeitslo‐ senversicherung. Ausgehend von der erweiterten Definition des Versicherungswecks sowie von den Überlegungen des Sachverständigenrats zeigt Tabelle 2 eine Schätzung der versicherungsfremden Leistungen in der Arbeitslosenversicherung für das Jahr 2010. Im Unterschied zum Vorgehen des Sachverständigenrats werden jedoch die Zahlungen des Kurzarbeitergelds sowie die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer nicht als versicherungsfremde Leistungen definiert. Zudem wird die Höhe der versicherungsfremden Leistungen dadurch unterschätzt, dass die Zahlungen für den Kinderzu‐ schlag beim Arbeitslosengeld sowie für eine differenzierte Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes (für ältere Arbeitslose) aufgrund fehlender Informationen gar nicht in die Berechnung eingehen. Auf die‐ ser Basis ergibt sich eine Summe der versicherungsfremden Leistungen in der Arbeitslosenversiche‐ rung im Jahr 2010 von 17,9 Mrd. €. Dabei sind die größten Positionen Verwaltungs‐ und Personalaus‐ gaben für das SGB II (rund 7 Mrd. €), der Eingliederungsbeitrag (5,3 Mrd. €), die Pflichtleistung zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (2,3 Mrd. €), Ausgaben in den Berei‐ chen Jugendliche und Ausbildung (1,8 Mrd. €) sowie die Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz (1,3 Mrd. €). Dieser Summe an versicherungsfremden Leistungen steht eine Beteiligung aus Steuermitteln im Jahr 2010 von 11,1 Mrd. € gegenüber (vgl. Abbildung 2). Damit wurden im Jahr 2010 mindestens 45 6,8 Mrd. € an versicherungsfremden Leistungen durch Beiträge finanziert. Das entspricht 0,84 Bei‐ tragspunkten, wobei diese Zahl aus den o.g. Gründen eher noch eine Unterschätzung darstellt. 35

Tabelle 2: Schätzung der versicherungsfremden Leistungen für 2010

2010

in 1000 € Marktersatz ‐ Zuschüsse für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) 20 801 Vorjahr: incl. Investive Strukturanpassungsmaßnahmen nach § 2727 ff. SGB III* Nachträglicher Erwerb des Hauptschulabschlusses für Arbeitnehmer 900

Einstiegsqualifizierung (im Rahmen von Sonderprogramm Jugendliche) 55 179

Förderung der Berufsausbildung benachteiligter Auszubildender 671 962

Berufseinstiegsbegleitung 55 370

Vertiefte Berufsorientierung 8 963

Präventive Sondermaßnahmen für Jugendliche (PSJ)‐ 57 323 1) Freie Förderung,2) erweiterte vertiefte Berufsorientierung Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und BAB in zweiter Ausbildung 579 288

Lehrgangskosten Berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen (BvB) 325 623

Ausbildungsbonus (AB) 36 389

Pflichtleistung zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben 2 348 724

Ermessensleistungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen 65 580 am Arbeitsleben Förderung der Eingliederung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen 118 172 in den allgemeinem Arbeitsmarkt Leistungen nach dem 1 336 234 Altersteilzeitgesetz Leistungen gem. BerRehaG, Aktivierung und berufliche Eingliederung (Pflicht); ‐ 476 Sofortprogramm Jugendliche, Beauftragung Dritter (§ 37 Abs. 4 SGB III) und institutionelle Förderung Eingliederungsbeitragh h (bkl) 5 256 159

Kinderzuschlag beim Arbeitslosengeld ‐

Differenzierte Bezugsdauer des Arbeitslosengelds ‐

Verwaltungsausgaben und Dienstleistungen SGB II 4 838 623

Personalausgaben für 2 113 489 Kernaufgaben SGB II und überörtliche Aufgaben SGB II Summe der versicherungsfremden Leistungen 17 888 303

Quelle: Einnahmen und Ausgaben der BA. Eigene Berechnungen.

35 Von Seiten der Bundesregierung ist mittlerweile eine Streichung des Eingliederungsbeitrags, im Gegenzug aber auch der Wegfall der Bundesbeteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung vorgesehen (BMF 2012).

46 6.2 Vorschläge zu Ausgestaltung und Höhe des Beitragssatzes für die gesetzliche Arbeitslosenversi‐ cherung

6.2.1 Zur Diskussion um die Finanzlage der Arbeitslosenversicherung, die Höhe des Beitragssat‐ zes und den Bundeszuschuss

Eine Diskussion um die Höhe der Beitragssätze zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung fand insbe‐ sondere in den Jahren 2007 und 2008 statt, die durch eine deutliche Verbesserung am Arbeitsmarkt geprägt waren. Dadurch ergaben sich sowohl auf der Einnahmenseite (durch höhere Beiträge), als auch auf der Ausgabenseite (durch geringere Ausgaben für das Arbeitslosengeld I) deutliche Entlas‐ tungseffekte für die Arbeitslosenversicherung (siehe oben). Wie in 2.2.1 dargestellt, nutzte die dama‐ lige Bundesregierung dies für eine stetige Absenkung des Beitragssatzes. So beschloss sie eine Bei‐ tragssenkung zum 1. Januar 2008 von 4,2 auf 3,9%.

In der öffentlichen Debatte sind in diesem Zusammenhang zwei gegensätzliche Positionen erkenn‐ bar. Die eine Position sah mit Blick auf die positive Finanzentwicklung in der Arbeitslosenversiche‐ rung in Verbindung mit hohen Rücklagen aus den Jahren 2006 und 2007 Potenzial für eine deutliche (teilweise über die Politik der Bundesregierung) hinausgehende Beitragssatzsenkung. So verlangten die Arbeitgeberverbände im Jahr 2007 den Beitragssatz von damals 4,2% auf höchstens 3,5% zu sen‐ ken (Creutzburg 2007), konkret angestrebt wurde ein Beitragssatz von 3,2% (Neumann 2007). Auch der Wirtschaftsrat der CDU forderte eine weitergehende Beitragssatzsenkung auf 3,5%. Ähnlich wur‐ de auch der SPD‐Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner zitiert. Auch der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit Weise sah im Jahr 2007 Potenziale für deutliche Beitragssenkungen, die er jedoch nicht genau bezifferte (Neumann 2007).

Der Bund der Steuerzahler machte im selben Jahr noch weitergehende Vorschläge. So sollte auf ei‐ nen Großteil der versicherungsfremden Leistungen verzichtet werden (in einem Umfang von 8,2 Mrd. Euro), die übrigen vom Bund der Steuerzahler auf 3,7 Mrd. Euro geschätzten versicherungsfremdem Leistungen aus Steuermitteln finanziert werden und die Beitragssätze zur Arbeitslosenversicherung entsprechend gesenkt werden. Dabei wurde ein Beitragssatz in Höhe von 2,5% vorgeschlagen (Fichte 2007).36 In diesem Zusammenhang wird argumentiert, dass eine derartige Verringerung der Lohnzu‐ satzkosten positive Auswirkungen auf die Beschäftigungsentwicklung hätte. Verwiesen wird in die‐ sem Zusammenhang auf Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt‐ und Berufsforschung (Feil/Zika 2005), wonach eine Rückführung des Beitragssatzes um 1,7 Prozentpunkte zur Schaffung von 255.000 neuen Arbeitsplätzen führen würde.37 Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitge‐ berverbände sieht negative gesamtwirtschaftliche Effekte eines zu hohen Beitragssatzes (BDA 2012).

Diesen Vorschlägen liegt eine vornehmlich kurzfristige Betrachtung im Hinblick auf die erforderlichen Beitragssätze zugrunde, die zwangsläufig dazu führen muss, dass in konjunkturellen Hochphasen größere Spielräume für Beitragssenkungen gesehen werden. Dem gegenüber geht die Gegenpositi‐ on, die im Wesentlichen vom Sachverständigenrat eingenommen wurde, von einer mittelfristigen Betrachtung über einen Konjunkturzyklus hinweg aus. „Um in konjunkturellen Schwächephasen

36 Dieser Vorschlag würde allerdings voraussetzen, dass versicherungsfremde Leistungen in Höhe von 8,2 Mrd. Euro – die größten Positionen sind dabei Arbeitslosengeld I an „Scheinarbeitslose“, die Förderung der Al‐ tersteilzeit und die verlängerte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitslose – ersatzlos gestri‐ chen würden. 37 Der Netto‐Beschäftigungseffekt hängt dabei jedoch von der gewählten Gegenfinanzierung der versiche‐ rungsfremden Leistungen und den konkret vorgenommenen staatlichen Ausgabenkürzungen ab (Feil/Zika 2005, SVR 2005, vgl. auch Abschnitt 6.1). 47 Fehlbeträge in der Arbeitslosenversicherung zu vermeiden, die prozyklisch wirkende Beitragssatzer‐ höhungen nach sich ziehen könnten, sollte die Höhe des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung so gewählt werden, dass kein strukturelles Defizit entsteht“ (SVR 2009, S. 207).

In diesem Sinne plädierte der Sachverständigenrat in seinen Jahresgutachten regelmäßig für das Prinzip eines nachhaltigen Beitragssatzes in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Im Jahresgut‐ achten 2007 hat er ein Verfahren zur Berechnung eines nachhaltigen Beitragssatzes entwickelt (SVR 2007, Kasten 11). „Nach diesem ist der nachhaltige Beitragssatz der Beitragssatz, bei dem der struk‐ turelle Haushaltssaldo einen Wert von Null annimmt. (…) Die Einnahmen und Ausgaben werden um einmalig wirkende und konjunkturelle Einflüsse bereinigt, um die jeweiligen strukturellen Kompo‐ nenten zu bestimmen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Ermittlung des strukturellen Haus‐ haltssaldos durch die arbeitsmarktpolitisch bedingten Strukturbrüche in den vergangenen Jahren er‐ schwert wird“ (SVR 2009, S. 207). Zudem ist zu berücksichtigen, „dass die strukturellen Beitragsein‐ nahmen nur einem Teil der strukturellen Einnahmen entsprechen müssen“ (SVR 2009, S. 207), da neben den Beitragseinnahmen der Bundeszuschuss sowie sonstige Einnahmen zur Verfügung stehen (siehe auch Abschnitt 2.2). Für 2007 ermittelte der Sachverständigenrat auf Basis dieses Verfahrens einen nachhaltigen Beitragssatz von 3,9% (SVR 2007, S. 220), für 2009 einen nachhaltigen Beitrags‐ satz von über 4% (SVR 2009, S. 2007). Im Jahr 2007 lag der tatsächliche Beitragssatz somit noch oberhalb des vom Sachverständigenrat ermittelten nachhaltigen Beitragssatzes, ab dem Jahr 2008 war es jedoch umgekehrt.

Auch wenn begründete methodische Zweifel an der Berechnung eines solchen nachhaltigen Beitrags‐ satzes angemeldet werden können, so scheint die weitere Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung (vgl. Abbildung 1 in Abschnitt 2.1) der Argumentation des Sachverständigenrats Recht zu geben. Denn in den Jahren 2009 und 2010 wurden nicht nur deut‐ liche Defizite bei der BA erwirtschaftet, sondern in den Jahren 2006 bis 2010 hatte die BA auch insge‐ samt ein Finanzierungssaldo von ‐5,2 Mrd. € zu verzeichnen (vgl. Abschnitt 2.1). Entsprechend äußer‐ te sich auch die Opposition. So formulierte der damalige haushaltspolitische Sprecher der Bundes‐ tagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in einer Pressemitteilung vom 7.11.2009 (Bonde 2009), dass das Milliardendefizit der BA im Jahr 2009 nicht nur eine Konsequenz der Krise, „sondern auch der überdimensionierten Absenkung der Beiträge (…)“ sei.38 Auch die Bun‐ destagsfraktion der Partei DIE LINKE äußerte vehemente Kritik an der Beitragssatzsenkung auf 2,8%, die „die Bundesagentur in eine strukturelle Unterfinanzierung getrieben“ habe (Deutscher Bundestag 2010, S. 2).

Im Zusammenhang mit der finanziellen Situation des BA‐Haushalts in den Jahren 2009 und 2010 und der Diskussion über die Höhe des Beitragssatzes steht auch die andauernde Diskussion über Höhe und Ausgestaltung des Bundeszuschusses. So betonte wiederum der damalige haushaltspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Alexander Bonde in einer Pressemit‐ teilung im Jahr 2010, dass eine Streichung des Bundeszuschusses eine Beitragserhöhung nach sich ziehen müsse und dies in einer Situation erhöhter Arbeitslosigkeit, die Situation am Arbeitsmarkt noch mehr verschärfen könnte. Es brauche gerade in Wirtschafts‐ und Finanzkrisenzeiten weiterhin einen Steuerzuschuss für die BA (Bonde 2010). Die Fraktion DIE LINKE ging in ihrem Antrag an den

38 Vgl. URL: http://www.gruene‐bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2009/november/defizit‐bei‐der‐ bundesagentur‐fuer‐arbeit‐schwarz‐gelbe‐steuerplaene‐vs‐realitaet‐02.html, letzter Zugriff: 15.9.2012. 48 Deutschen Bundestag sogar noch einen Schritt weiter, indem sie die Wiedereinführung der Defizit‐ haftung des Bundes forderte (Deutscher Bundestag 2010, S. 3).

Auch im Jahr 2011 bei mittlerweile wieder verbesserter Einnahmensituation fiel die Einschätzung der Finanzlage von Regierung und Opposition unterschiedlich aus. Während die Opposition die Finanzsi‐ tuation der BA aufgrund der anstehenden Rückzahlungen zinsloser Darlehen an den Bund (bis zum Jahre 2014 in einer Höhe von 4,7 Mrd. € (DIE LINKE 2011)) kritisch sieht und der Bundesregierung vorwirft, den Bundeszuschuss weiter zu beschneiden und damit Löcher im Bundeshaushalt zu stop‐ fen (DIE LINKE 2011, Deutscher Bundestag 2011, SPD 2010),39 sprach Bundesarbeitsministerin von der Leyen davon, dass auch die Bundesbeteiligung an der Arbeitsförderung schrittweise und früher zurückgefahren werden könne. Für 2011 ging die Ministerin zum damaligen Zeitpunkt von einem Darlehen das Bundes an die BA von zwei Milliarden Euro aus, für 2012 war kein Darlehen geplant. Ab 2014 sollte die Bundesagentur für Arbeit bereits wieder anfangen, eine Rücklage zu bilden (Deut‐ scher Bundestag 2011). Die prognostizierten Rücklagen werden nach Einschätzung der BA bis zum Jahr 2016 bei etwa 9,5 Mrd. € liegen (BMF 2012).

Ein weiterer Streitpunkt betrifft die Frage, ob die Beitragshöhe zur gesetzlichen Arbeitslosenversiche‐ rung in einem Zusammenhang mit der Beitragshöhe in anderen Zweigen der Sozialversicherung ge‐ sehen werden kann und muss. So erklärte der sozialpolitische Sprecher der FDP‐Bundestagsfraktion Heinrich L. Kolb in Bezug auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Regelung, die paritätisch finanzier‐ ten Lohnzusatzkosten unter 40% zu halten, dass eine Erhöhung des Beitragssatzes für die Arbeitslo‐ senversicherung über 3% nicht vertretbar wäre. Es sei nicht erkennbar, in welchem Sozialversiche‐ rungszweig der Beitragssatz entsprechend gesenkt werden könne (Kolb 2009). Dem steht die grund‐ sätzliche Argumentation des Sachverständigenrates in seinem Jahresgutachten 2007/2008 gegen‐ über. Das Gremium warnt ausdrücklich davor, die Höhe der Beitragssätze in unterschiedlichen Zwei‐ gen der Sozialversicherung politisch miteinander zu verknüpfen (SVR 2007, S. 215). „(…) (F)ür die Festlegung des Beitragssatzes (sind) Änderungen in anderen Versicherungszweigen nur insofern be‐ achtlich (sind), als sie die finanzielle Lage der betrachteten Sozialversicherung betreffen. Das Bei‐ tragsaufkommen in den einzelnen Versicherungszweigen unterliegt anders als das Steueraufkommen nicht dem Nonaffektationsprinzip und ist keine freie Verfügungsmasse, sondern dient allein dazu, die Ausgaben des jeweiligen Versicherungszweigs zu finanzieren“ (SVR 2007, S. 215).

In Bezug auf die vorgesehene Beitragssatzsenkung für das Jahr 2008 auf 3,9% (im Endeffekt wurde ein Beitragssatz von 3,3% beschlossen) führte der Sachverständigenrat aus: „In der Arbeitslosenver‐ sicherung war eine Senkung des Beitragssatzes um 0,3 Prozentpunkte entweder nachhaltig möglich und dann auch geboten, oder sie war es nicht, unabhängig davon, wie sich die anderen Beitragssätze entwickelten“ (SVR 2007, S. 215).

39 Beispielsweise warf die SPD‐Bundestagsfraktion der Bundesregierung vor, dem Haushalt der BA 1,17 Mrd. € aus der Insolvenzgeldumlage zu entnehmen. Diese war im Jahr 2010 mit 2,9 Mrd. € so hoch wie noch nie (über die Jahre 1999 bis 2009 hinweg eine durchschnittliche Einnahme von 1,2 Mrd. €). Damit stopfe der Fi‐ nanzminister den Bundeshaushalt auf Kosten der Beitragszahler bzw. der Arbeitgeber, die Insolvenzgeldum‐ lage an BA zahlen. 49 6.2.2 Weitergehende Vorschläge In der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung in Deutschland gilt auch für den Arbeitgeberanteil ein einheitlicher Beitragssatz für alle Unternehmen, unabhängig davon, wie stark ein Unternehmen durch sein Entlassungsverhalten die Arbeitslosenversicherung belastet. „Damit ergibt sich eine ver‐ zerrte Preisstruktur, weil die einzelnen Unternehmen oder Branchen einen Teil ihrer Kosten externa‐ lisieren“ (SVR 2005, S. 206). Von Seiten des Sachverständigenrats wurde daher in mehreren Jahres‐ gutachten (SVR 2003, 2005) vorgeschlagen, bei der Bemessung der Arbeitgeberbeteiligung eine stär‐ kere Orientierung am Verursacherprinzip vorzunehmen. Die Idee besteht in einer teilweise Internali‐ sierung der mit einer Entlassung verbundenen Kosten. Grundsätzlich sollen solche Unternehmen ei‐ nen höheren Beitrag leisten, die durch ihr Entlassungsverhalten höhere Kosten in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung leisten.

Diese Überlegungen basieren einerseits auf den in den USA mit einem solchen „experience rating“40 gemachten Erfahrungen,41 andererseits auf Beiträgen aus der wirtschaftswissenschaftlichen Litera‐ tur. So argumentieren Blanchard/Tirole (2007), dass die in Europa verbreiteten und auch in Deutsch‐ land praktizierte Beitragsbemessung der Arbeitgeberbeiträge anhand der Lohnsumme aus zwei Gründen kontraproduktiv sei: Zum einen führe dies dazu, dass Unternehmen die Kosten der Absiche‐ rung im Falle der Arbeitslosigkeit und damit die Kosten ihres Entlassungsverhaltens nicht internalisie‐ ren müssten. Zum anderen bestehe das Problem, dass bei zunehmenden Arbeitskosten die lohnbe‐ zogenen Arbeitgeberbeiträge Fehlanreize zur Entlassung von Beschäftigten setzten. Schließlich wird argumentiert, dass die auch in Deutschland geschaffenen rechtlichen Regelungen zur Sicherung von Beschäftigung im Vergleich mit einer Steuerung über ökonomische Anreize ineffizienter seien.

Nach Auffassung des Sachverständigenrats (SVR 2003) bieten sich „aus ökonomischer Sicht allgemein gesehen Steuern und Subventionen an“, um dem Verursacherprinzip Rechnung zu tragen. Dies wür‐ de bedeuten, „dass Unternehmen, die durch ihr Entlassungsverhalten bei der Arbeitslosenversiche‐ rung hohe Nettokosten verursachen, neben ihren Arbeitgeberbeiträgen eine Steuer zahlen müssten, während Unternehmen, die für die Arbeitslosenversicherung Nettobeitragszahler sind, über Erstat‐ tungen subventioniert würden.

Die Nettokosten können theoretisch durch zwei verschiedene Methoden bestimmt werden. Entwe‐ der es würde fiktiv ein fester Betrag erhoben, der sich an bestimmten Indikatoren, wie z.B. dem Alter oder der Qualifikation einer entlassenen Person orientiert, oder der Betrag könnte ‚ex post‘ auf Basis der tatsächlichen Länge der Arbeitslosigkeit der gekündigten Person berechnet werden. Ein Vorteil der ‚ex post‘ Berechnung wäre deren Einfachheit. Des Weiteren würden die tatsächlichen Kosten der Kündigung für die Arbeitslosenversicherung besser widerspiegelt (Blanchard/Tirole 2004).

Der Vorschlag des Sachverständigenrats orientiert sich an der zweiten Alternative: „Konkret und ver‐ einfachend nur auf die Zahlungen des Arbeitslosengeldes I bezogen, bedeuten Nettokosten die Diffe‐

40 In den USA werden die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ausschließlich von den Arbeitgebern in Form einer Lohnsummensteuer gezahlt. „Die Höhe der Beiträge des individuellen Unternehmens zur Arbeitslo‐ senversicherung bemisst sich in diesem System daran, in welchem Umfang die Leistungen der Arbeitslosen‐ versicherung von entlassenen Beschäftigten in Anspruch genommen wurden, und zwar relativ zu seinen Beitragszahlungen. Die konkreten Berechnungsmethoden differieren zwischen einzelnen Bundesstaaten“ (SVR 2003, S. 400). 41 Empirische Studien für die USA belegen, dass sich die Anzahl der temporären Entlassungen durch die Ein‐ führung eines „experience ratings“ signifikant verringert und sich das Beschäftigungsniveau erhöht hat (SVR 2003, S. 400). 50 renz zwischen der Hälfte der Zahlungen des Arbeitslosengelds I (die andere Hälfte wird durch den Arbeitnehmerbeitrag gedeckt) an betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer/innen dieses Unter‐ nehmens einerseits und der Summe seiner auf diese Ausgaben entfallenden Arbeitgeberbeiträge an‐ dererseits.42 Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, bei denen nach juristischer Auffassung auch ein Eigentumsschutz des Arbeitnehmers bezüglich der erworbenen Anwartschaften zu beachten ist, blieben davon unberührt, ebenso der Arbeitnehmerbeitrag und die Leistungsbemessung. Bemes‐ sungsgrundlage für die Steuer und die Subvention wäre jedoch, wie bei der Arbeitslosenversiche‐ rung, die beitragspflichtige Lohnsumme des Unternehmens.“ Daher würde sich nach Auffassung des Sachverständigenrats anbieten, „Steuern und Subvention einerseits und Arbeitgeberbeiträge zur Ar‐ beitslosenversicherung andererseits nicht getrennt zu behandeln, sondern zur Verwaltungsvereinfa‐ chung bereits beim Unternehmen miteinander zu verrechnen.“ Damit entspräche dieses Vorgehen einem System mit differenzierten Arbeitgeberbeiträgen. Zur Vereinfachung schlägt der Sachverstän‐ digenrat (SVR 2005) vor, eine Reihe von Risikoklassen zu bilden. Innerhalb jeder Risikoklasse würde dann ein einheitlicher (Gesamt‐)Arbeitgeberbeitrag erhoben. Zur Einordnung in die Risikoklassen würde das Entlassungsverhalten in den vergangenen drei Jahren herangezogen.

Das vorgeschlagene System stellt somit lediglich eine partielle Risikoäquivalenz sicher. Dies wird da‐ mit begründet, dass das Entlassungsverhalten eines Unternehmens nicht alleine von diesem selbst bestimmt wird, sondern auch durch exogene Faktoren, z.B. branchenspezifische oder regionale Schocks (SVR 2005, S. 2007).

Durch dieses System würden nach Aussage des Sachverständigenrats (SVR 2003, S. 399) die Nachteile einer Quersubventionierung sowie die Effizienzverluste aufgrund einer verzerrten Preisstruktur ge‐ mindert. Im Ergebnis würden diejenigen Kündigungen verteuert, die besonders hohe gesamtwirt‐ schaftliche Kosten verursachen. Damit ergäbe sich ein impliziter Kündigungsschutz für Personen mit schlechteren Arbeitsmarktchancen (z.B. Ältere), wohingegen die Entlassung von Personen mit guten Einstellungschancen erleichtert würde. Mit Blick auf das Thema Weiterbildung ist von Bedeutung, dass zusätzliche Anreize für die Unternehmen entstehen würden, in die Qualifikation ihrer Beschäf‐ tigten zu investieren, damit sie im Fall ihrer Entlassung bessere Arbeitsmarktchancen haben (SVR 2003, S. 399).

Als Nachteile einer solchen Systemumstellung nennt der Sachverständigenrat (2003, S. 399f.) dass Unternehmen, die sich in einem Strukturwandel befinden, zusätzlich belastet werden und kleine Un‐ ternehmen, „die sich auf einzelne Geschäftsfelder spezialisieren und zudem häufig Kreditbeschrän‐ kungen unterliegen“ überproportional belastet werden.

In einer anderen Hinsicht weitergehend ist der Vorschlag des IZA, die mit den Hartz‐Reformen vorge‐ nommene Aufgabenteilung zwischen Bund, BA und Kommunen bei der Arbeitsvermittlung nochmals weiterzuentwickeln (Schneider/Zimmermann 2010). Konkret wird vorgeschlagen, die Jobcenter „in die Unabhängigkeit zu entlassen und um die Aufgabe der Betreuung von Personengruppen zu erwei‐ tern, die von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht sind“. Die Bundesagentur für Arbeit sollte sich dann auf die Abwicklung der Versicherungsleistungen einschließlich der Betreuung von Kurzzeitarbeitslosen konzentrieren. Hintergrund für diesen Vorschlag ist die Tatsache, dass durch den Übergang von der

42 Verhaltensbedingte oder personenbedingte Entlassungen würden hier nicht berücksichtigt, ebenso Kündi‐ gungen von Seiten des Arbeitnehmers. Bei einer Auflösung des Arbeitsvertrags im gegenseitigen Einver‐ nehmen würden die Zahlungen des Arbeitslosengeldes nach Vorschlag des Sachverständigenrats zu 50% be‐ rücksichtigt (SVR 2003, S. 401). 51 Betreuung durch die BA in die Betreuung durch die Jobcenter nach Auslaufen des Anspruchs auf Ar‐ beitslosengeld I und bei Vorliegen von Bedürftigkeit keine „Betreuung aus einer Hand“ stattfindet. Zudem verfolgt jedes System seine Ziele und optimiert seine Entscheidungen im Hinblick darauf, womit insbesondere bei absehbaren Übergängen Fehlanreize bestehen. So besteht kein Anreiz einer längeren Förderung durch eine Maßnahme im SGB III, wenn ohnehin ggf. während einer möglichen Förderung ein Übergang ins SGB II stattfindet. Allerdings bleibt unklar, wie die Abgrenzung von Lang‐ zeitarbeitslosigkeit bedrohter Personen im Einzelnen vorgenommen werden soll.

52 7. Alternative Vorschläge zur Finanzierung von beruflicher Weiterbildung

In Kapitel 5 wurde die bisherige Verteilung der Aufwendungen für berufliche Weiterbildung darge‐ stellt. In Kapitel 6 wurden Vorschläge zur Reform der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung disku‐ tiert. In diesem Kapitel sollen nun alternative Vorschläge zu einer veränderten Finanzierung von be‐ ruflicher Weiterbildung im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung sowie unabhängig von der gesetzlichen Sozialversicherung vorgestellt werden. Allen Überlegungen gemein ist, die Anreize für die Beteiligung an der beruflichen Weiterbildung zu erhöhen. Die unterschiedlichen Finanzierungs‐ modelle für berufliche Weiterbildung lassen sich einteilen in solche, die verstärkt die Finanzierung seitens der privaten Haushalte, und damit die Eigenverantwortung der Privatpersonen betonen und in Finanzierungsmodelle, die auf der Ebene der Unternehmen ansetzen. Zudem liegt ein Ansatzpunkt auch im Ausbau staatlicher Finanzierungsmöglichkeiten von Weiterbildung z.B. in Form der Novellie‐ rung des Vermögensbildungsgesetzes (VermBG) oder der im Jahr 2008 eingeführten Weiterbildungs‐ prämie. Als vierte alternative Finanzierung wird die Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung vorgestellt.

In Abschnitt 7.1 wird zunächst kurz das System der Ziehungsrechte vorgestellt. Dabei handelt es ist nicht um ein Finanzierungsinstrument im eigentlichen Sinne, vielmehr sind unterschiedliche Kombi‐ nationen aus verschiedenen Finanzierungsformen möglich, wie Lernzeitkonten, umlagefinanzierte Weiterbildungsfonds, staatliche Kofinanzierung oder auch durch eine Arbeitsversicherung. Davon unabhängig ist dieses System deshalb von zentralem Interesse, weil es als Instrument dienen kann, um den Rechtsanspruch auf berufliche Weiterbildung zu begründen.

In Abschnitt 7.2 werden alternative Formen der Finanzierung privater Haushalte für berufliche Wei‐ terbildung betrachtet. Hierbei werden Lernzeitkonten und das Bildungssparen bzw. Weiterbildungs‐ sparen aufgezeigt. Diese individuelle Finanzierungsform kann durch staatliche Kofinanzierung unter‐ stützt werden. Neben der Finanzierungskombinationen von individueller und staatlicher Seite wer‐ den im Abschnitt 7.3 die Finanzierung durch die Unternehmen in Form von so genannten Weiterbil‐ dungsfonds erläutert und ein konkretes Modell für Deutschland nach Bosch (2010) vorgestellt. In Ab‐ schnitt 7.4 wird schließlich der Vorschlag der Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zur Ar‐ beitsversicherung auf Basis der Vorschläge von Schmid (2008, 2009, 2010) näher beschrieben.

7.1 Das System der Ziehungsrechte

Mückenberger (2007) definiert Ziehungsrechte allgemein als „zeitbezogene Optionsrechte für Be‐ schäftigte“ (S. 196). Sie können als rechtliche Ansprüche43 auf Freistellung, auf Übernahme der Kos‐ ten der Weiterbildung sowie als Ansprüche auf Unterhaltssicherung/Entgeltzahlung ausgestaltet sein (Kocher et al. 2012, S. 2), wobei sich ein möglicher Lohnersatz auf der Basis der Ziehungsrechte je nach Freistellungszweck (z.B. für Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch für die Pflege von Angehöri‐ gen) unterscheiden kann. D.h. konkret, dass Regelungen geschaffen werden müssen, die die Höhe des Lohnersatzes während einer Weiterbildungsmaßnahme, während der Pflege eines Angehörigen oder während eines ehrenamtlichen Engagements festlegen (Mückenberger 2007, S. 196 ff.).

43 Der Anspruch (§ 194 BGB) ist die stärkste Form des subjektiven Rechts. Das Konzept verweist einerseits auf die Einklagbarkeit von Ansprüchen vor Gericht und andererseits darauf, dass die Geltendmachung nur vom Willen der Anspruchsberechtigten abhängig ist (Kocher et al. 2012, S. 3). 53 Mit Hilfe von Ziehungsrechten soll zum einen ein Zeitkontingent für jeden Beschäftigten verwaltet werden, auf das er insbesondere für berufliche Weiterbildungsmaßnahme, aber auch ggf. für die Be‐ treuung von pflegebedürftigen Angehörigen zurückgreifen kann, um für eine bestimmte Zeit von der Arbeit freigestellt zu werden. Neben der „Zeitsouveränität“ (Kocher et al. 2012, S. 6) sind zum ande‐ ren finanzielle Ressourcen für die direkte Finanzierung der beruflichen Weiterbildung und für die Entgeltsicherung während der Weiterbildungsphasen erforderlich. Daher sollten die Ziehungsrechte letztlich monetarisierbar sein. Zudem muss der Umfang der individuellen Ziehungsrechte begrenzt werden. Dieses kann in Abhängigkeit von der Arbeitsmarktlage, dem Bedarf an Arbeitskräften und insbesondere Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt ausgestaltet werden (Mückenberger 2007, S. 199).

Das System der Ziehungsrechte lässt sich mit unterschiedlichen individuellen wie kollektiven Finan‐ zierungsformen verbinden. So können im Rahmen von Zeitwertkonten (Lernzeitkonten) die Ziehungs‐ rechte auf Basis unbezahlter Überstunden erworben werden. Möglich ist auch, Ziehungsrechte durch privates Ansparen (Bildungssparen) zu erwerben, in dem zweckgebunden (ähnlich wie bei der priva‐ ten Altersvorsorge) Ersparnisse für Weiterbildungsphasen aufgebaut werden. In Frage kommen auch Modelle des kollektiven Ansparens, z.B. im Rahmen eines tariflichen Weiterbildungsfonds oder in der Organisationsform einer Sozialversicherung – in diesem Fall integriert in eine zur Arbeitsversicherung erweiterte gesetzliche Arbeitslosenversicherung.

7.2 Finanzierungsmodelle seitens der privaten Haushalte mit staatlicher Kofinanzierung

Die im System der Ziehungsrechte angelegten Zeitwertkonten lassen sich auch als so genannte Lern‐ zeitkonten ausgestalten. Dabei können unbezahlte Überstunden zur Ermöglichung beruflicher Wei‐ terbildungsmaßnahmen angerechnet werden. Das Instrument von Lernzeitkonten umfasst das An‐ sparen von Weiterbildungsansprüchen und zwar in Zeitansprüchen. Es liegt also ein Konto vor, mit dem z.B. unbezahlte Überstunden erfasst werden, und diese Zeit z.B. für Weiterbildungsmaßnahmen verwendet werden kann. Je nach Weiterbildungsform – betriebliche oder nichtbetriebliche Weiter‐ bildung (vgl. Kapitel 5) – wird die Maßnahme dann vom Arbeitgeber finanziert oder von Staat bzw. BA bezuschusst. Eine Initiative der Gewerkschaften (Gewerkschaftliche Initiative 2002) konkretisierte die Ausgestaltung von Lernzeitkonten: Alle Beschäftigten erwerben einen Freistellungsanspruch ge‐ genüber ihrem Arbeitsgeber von mindestens fünf Tagen pro Jahr bis zu einem Tag pro Monat der Be‐ schäftigung. Ansprüche werden in Lernzeitkonten gesammelt und können zur Beteiligung an Weiter‐ bildung innerhalb und außerhalb des Unternehmens verwendet werden. Während kurzfristige be‐ triebliche Anpassungsqualifikationen weitestgehend vom Arbeitgeber finanziert werden, sollen Wei‐ terbildungen, die über betriebliche, auf den Arbeitsplatz bezogene Weiterbildung hinausgehen, durch die BA und den Bund bezuschusst werden. Die Kostenübernahme sollte sich auf die Durchfüh‐ rungskosten der Weiterbildungsmaßnahme und auf bis zu 50% der Lohnausfallkosten beschränken.

Vor dem Hintergrund der Stärkung eigenverantwortlichen Handelns der Individuen innerhalb eines aktivierenden Sozialstaats wird das Bildungssparen von Teilen der Politik (FDP 2011), der Verbände (Initiative Bundesregelung für die Weiterbildung 2007) und der Wissenschaft (Dohmen et al. 2007; Rürup/Kohlmeier 2007) favorisiert. Für die berufliche Weiterbildung sollen so genannte Weiterbil‐ dungssparkonten eingerichtet werden, die Individuen dazu motivieren sollen, zweckgebunden für ih‐ re Weiterbildung zu sparen. Individuen können nach eigenem Ermessen zu jedem Zeitpunkt ihrer Le‐ bensphase ein Bildungssparkonto bei einer Bank anlegen. Dieses Konto ist quasi ein „Lebenszeitkon‐

54 to“ für Weiterbildungszwecke. Die Kapitalerträge unterliegen wie andere Einkünfte aus Kapitalver‐ mögen der Kapitaleinkommensteuer.

Seit 2008 fördert der Staat das Bildungssparen durch eine Bildungsprämie. Der Weiterbildungsteil‐ nehmende hat zudem die Möglichkeit einen Weiterbildungsgutschein zu erhalten, den er dann dem Weiterbildungsträger vorlegen kann. Mit dem Prämiengutschein können sich die Teilnahmekosten bis zu 50% reduzieren. Neben der Weiterbildungsprämie wurde Ende 2008 auch das Vermögensbil‐ dungsgesetz novelliert (§ 4 Abs. 4 Nr. 4 VermBG). Dies beinhaltet nun auch die Möglichkeit Ersparnis‐ se vor Ablauf der Sperrfrist zweckgebunden für Weiterbildung zu entnehmen (vgl. BMBF 2012).44

Diese Reform geht auf die Expertisen von Rürup/Kohlmeier (2007) sowie Dohmen et al. (2007) zu‐ rück. Zwar hatten die privaten Haushalte bereits davor schon die Möglichkeit, Weiterbildungsmaß‐ nahmen steuerlich geltend zu machen. Durch die steuerliche Förderung werden jedoch nur diejeni‐ gen Haushalte unterstützt, die überhaupt über ein zu versteuerndes Einkommen verfügen. Zudem sind durch steuerliche Förderung Investitionen in Weiterbildung für Haushalte mit höheren Einkom‐ men rentabler als für Haushalte mit niedrigeren Einkommen, da die Steuerentlastungen bei höheren Einkommen aufgrund der Steuerprogression höher sind (Dohmen, 2002).

Rürup/Kohlmeier (2007, S. 77 ff.) schlagen darüber hinaus eine Finanzierungshilfe durch ein Weiter‐ bildungsdarlehen, ähnlich eines Studienkredits, bei kostenintensiven Weiterbildungsmaßnahmen vor. Dieses Weiterbildungsdarlehen könnte sich z.B. in Form eines Erwachsenen‐Bafögs (Meister‐ Bafög) gestalten, wodurch Beschäftigten die Möglichkeit gegeben werden soll, mit Hilfe eines alters‐ unabhängigen Stipendiums auch noch nachträglich einen höheren Bildungsabschluss machen und damit ihre beruflichen Chancen am Arbeitsmarkt verbessern zu können (Anbuhl 2011; Experten‐ kommission 2004).

7.3 Finanzierungsmodelle seitens der Unternehmen

In diesem Abschnitt wird ein alternatives betriebliches Finanzierungskonzept beruflicher Weiterbil‐ dung in Form der umlagefinanzierten Weiterbildungsfonds dargestellt. Wir beziehen uns dabei im Wesentlichen auf die detaillierte Darstellung von Bosch (2010) und Dohmen (2002). Ergänzend wer‐ den Aussagen der Gewerkschaften (Initiative Bundesregelung für die Weiterbildung 2007; Anbuhl 2011) zu diesen Vorschlägen berücksichtigt.

Weiterbildungsfonds zur Finanzierung von Investition in berufliche Weiterbildungsmaßnahmen kön‐ nen auf Basis tarifvertraglicher Aushandlungsprozesse zwischen Sozialpartnern als branchenbezoge‐ ne Fonds ausgestaltet werden (Initiative Bundesregelung für die Weiterbildung 2007; Anbuhl 2011). Zur Bestimmung der Umlagehöhe seitens der Unternehmen kann ein bestimmter Mindestprozent‐ satz der Lohnsumme festgelegt werden.45 Bosch (2010) schlägt für Deutschland 1% der Bruttolohn‐ summe vor, die sich mit 0,7% auf Arbeitgeber und mit 0,3% auf Arbeitnehmer/innen aufteilt. Auf der Basis der gemeinsamen Finanzierung – wobei der Arbeitnehmeranteil für Weiterbildungsfonds zent‐

44 Vgl. BMBF 2012, URL: http://www.bildungspraemie.info/de/201.php, letzter Zugriff: 4.10.2012. 45 Wenn Unternehmen gemäß ihrer Lohnsumme und damit ihres Arbeitskräftepotenzials einzahlen müssen, so wird der Faktor Arbeit indirekt „besteuert“. Es entsteht damit ein Verzerrungseffekt zwischen Faktor Ar‐ beit und Kapital. Unerwünschte Substitutionsprozesse induziert werden. Durch die Freisetzung von Arbeit zu Gunsten des Faktor Kapitals droht die Zunahme an Arbeitslosigkeit (Levin 1977 zitiert nach Dohmen 2002). 55 ral mit den Sozialversicherungsbeiträgen erhoben werden kann – soll aus dem Weiterbildungsfonds gemäß der jeweiligen Anteile betriebliche Weiterbildung (0,7% der Lohnsumme) und individuelle nichtbetriebliche Weiterbildung (0,3% der Lohnsumme) aufgewendet werden. Bosch (2010) errech‐ net für das Jahr 2009 eine Finanzierungssumme von rund 8 Mrd. €, die sich mit 5,6 Mrd. € für be‐ triebliche Weiterbildung und mit 2,4 Mrd. € für nichtbetriebliche Weiterbildung aufteilt (Bosch, 2010, S. 8). In Bezug auf die konkrete Einzahlung der Betriebe in den Fonds können zwei wesentliche Finan‐ zierungsmodelle unterschieden werden:

1) levy‐exemption‐Fonds und

2) levy‐grant‐Fonds.

Zu 1): Bei levy‐exemption‐Fonds, müssen Unternehmen nur dann in den Fonds einzahlen, wenn sie selbst nicht genügend in berufliche Weiterbildung investieren. Dies hat den Vorteil, dass Unterneh‐ men, die mit ihren Weiterbildungsinvestitionen unter der 0,7% ‐Lohnsummen‐Grenze liegen, Anreize haben, ihre Investition in Weiterbildung auszuweiten, um so nicht in den Fonds einzahlen zu müssen. Bosch (2010) schlägt dieses Finanzierungsmodell für betriebliche Weiterbildungsaufwendungen vor.

Zu 2): Bei levy‐grant‐Fonds müssen die Beiträge grundsätzlich gezahlt werden. Die Mittel fließen dann wieder in Form von Zuschüssen an die Betriebe oder Weiterbildungsteilnehmer/innen zurück. Steuerungs‐ und Umverteilungsmöglichkeiten sind hier größer als bei levy‐exemption, aber es ent‐ steht auch ein höherer Verwaltungsaufwand. Dieses Weiterbildungsfonds‐Modell soll für nichtbe‐ triebliche Maßnahmen eingerichtet werden. Zuschüsse fließen dann an die einzelnen Antragsteller ab. Nur Beschäftigte mit einer Mindestdauer von zwei Jahren sollen die Möglichkeit haben aus die‐ sem Fonds ihre Weiterbildung zu finanzieren.

Damit zeigt Bosch (2010) eine differenzierte Ausgestaltung von branchenbezogenen Weiterbildungs‐ fonds auf, die in anderen Ländern wie z.B. Frankreich, Niederlande, Südkorea und in einigen südame‐ rikanischen Ländern schon erfolgreich angewandt werden.

Um unterschiedlichen Personengruppen, insbesondere besonders benachteiligten Beschäftigten wie z.B. älteren Arbeitnehmern/innen, Geringqualifizierten oder Beschäftigten in Leiharbeitsunterneh‐ men, Rechnung zu tragen, könnten Umlagen für den Weiterbildungsfonds je nach Anzahl der ent‐ sprechenden Beschäftigten im Betrieb gestaffelt werden. Jedoch bemerkt Bosch (2010), dass ein Weiterbildungsfonds kein geeignetes Mittel für die Benachteiligtenförderung ist. In erster Linie müss‐ ten Fonds – entsprechend der Ziele der Unternehmen – die Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung des Fachkräftenachwuchses gewährleisten (Bosch 2010).

Eine Einbeziehung von Weiterbildungsfonds in die Arbeitslosenversicherung hält Bosch (2010) nicht für sinnvoll, da der Auftrag der BA in erster Linie auf die schnellere Vermittlung von Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit Bedrohten abzielt und zudem die Nichtteilnahme an Weiterbildungs‐, Qualifizie‐ rungs‐ oder Umschulungsmaßnahmen mit Sanktionen belegt werden kann. Jedoch sei eine enge Ko‐ operation mit der BA gerade vor dem Hintergrund der Benachteiligtenförderung sinnvoll (Bosch 2010, S. 9). Zudem wären Überlegungen zur Integration von Weiterbildungsfonds in die Arbeitslo‐ senversicherung dann sinnvoll, wenn diese stärker auf die längerfristigen Beschäftigungsperspektiven ausgerichtet würde.

56 7.4 Finanzierung von beruflicher Weiterbildung auf Basis einer Neustrukturierung der Arbeitsversi‐ cherung

Das Konzept der Arbeitsversicherung beruht im Wesentlichen auf Arbeiten von Schmid (2008, 2009, 2010, 2011). Die Grundidee des Konzepts besteht darin, die bisherige gesetzliche Arbeitslosenversi‐ cherung in mehrfacher Hinsicht weiterzuentwickeln, wobei die Versicherungsbedarfe und Versiche‐ rungsleistungen an die sich während des Erwerblebens verändernden Bedürfnisse angepasst werden sollen (so genannte Lebenslauforientierung):

(1) Das erweiterte Versicherungskonzept berücksichtigt gemäß der Lebenslauforientierung ins‐ besondere Risiken beim Übergang von einem Zustand zum anderen, beispielsweise von der Vollzeit‐ zur Teilzeitbeschäftigung, von der abhängigen Beschäftigung zur Selbständigkeit, von der Beschäftigung in den Ruhestand.

(2) Gegenstand eines solch erweiterten Versicherungskonzepts ist folglich nicht mehr nur der vollständige Einkommensverlust in Folge von Arbeitslosigkeit, sondern auch die Einkom‐ mensvolatilität, beispielsweise in Folge von Auftragseinbrüchen, der Aufnahme eines alterna‐ tiven (zumindest vorübergehend schlechter bezahlten) Beschäftigungsverhältnisses oder der Pflege eines Angehörigen.46

(3) Neben finanzielle Versicherungsleistungen treten auch während der Beschäftigungsphasen verstärkt nichtfinanzielle Versicherungsleistungen in Form von Fortbildungs‐ und Qualifizie‐ rungsmaßnahmen mit dem Ziel des Erhalts und der Verbesserung der Beschäftigungsfähig‐ keit.47

(4) Die Versicherungspflicht wird auf möglichst alle Erwerbstätigen ausgedehnt.

Das Konzept der Arbeitsversicherung verfolgt das Ziel im Sinne der übergreifenden Idee der „Flexicu‐ rity“ (Keller/Seifert 2008), diese zunehmende Flexibilität auf der einen Seite mit mehr Sicherheit auf der anderen Seite zu verbinden. Dadurch soll zugleich die Bereitschaft gefördert werden, riskante Entscheidungen zu treffen, die wegen Risikoaversion sonst nicht getroffen würden (Schmid 2009). Beispielsweise handelt es sich um die Entscheidung für eine Qualifizierung, die höhere Einkommens‐ potenziale zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht. Dabei ist die Wahl eines mit größeren Risiken behafteten Weges nicht nur aus langfristiger individueller Sicht optimal, sondern auch aus volkswirt‐ schaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Perspektive. Dies ist der Fall, weil beispielsweise Investitio‐ nen in das Humankapital, durch die Investition in Weiterbildungsmaßnahmen, wachstumsfördernd sind, die Aufnahme einer Selbständigkeit häufig zur Schaffung weiterer Arbeitsplätze führt oder eine höhere Mobilität am Arbeitsmarkt generell mit einer höheren Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes für Arbeitslose verbunden ist (vgl. z.B. Emmerich et al. 2000; Eichhorst 2007). Staatliche Sozialversi‐ cherungssysteme setzen hierbei wesentliche Anreize, weil gegen Verlustgefahren abgesicherte Indi‐ viduen eine größere Bereitschaft zeigen, riskante Investitionen zu tätigen, und somit eine Absiche‐

46 Das bereits bestehende Kurzarbeitergeld ist ein Beispiel und Teil eines solchen Versicherungskonzeptes. In Dänemark sind Vollzeitbeschäftigte nicht nur gegen Arbeitslosigkeit abgesichert, sondern auch gegen Teil‐ zeitarbeitslosigkeit im Fall unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung oder im Fall der Arbeitszeitverkürzung wegen Kindererziehung und Weiterbildung (Schmid 2010). 47 Auch hier bestehen mit den Qualifizierungselementen im Rahmen des Kurzarbeitergeldes bereits erste An‐ sätze. 57 rung solcher Risiken durch staatliche Systeme (Steuern oder Abgaben) wachstumsfördernde Effekte hat (Schmid 2009).48

Um die Rolle der Arbeitslosenversicherung als aktives Instrument der Arbeitsmarktpolitik zu stärken und die Bereitschaft zum innovativen Risiko zu erhöhen, schlägt Schmid (2008, 2009, 2010, 2011) als wesentliche Konkretisierung seiner Überlegungen zur Arbeitsversicherung eine Teilung der Beiträge vor. Dabei würde ein Teil des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung in ein so genanntes „Persönliches Entwicklungskonto (PEK)“ angelegt.49 Die Konten können insbesondere für Weiterbildung, zum Aus‐ gleich reduzierter Arbeitszeiten und zur Überbrückung geminderter Verdienste verwendet werden (Schmid 2010, S. 347).50 Die Arbeitslosenversicherung würde in Form von zwei Säulen ausgestaltet werden: Während die erste Säule der Arbeitsversicherung weiterhin das Risiko der (kurzfristigen) Ar‐ beitslosigkeit absichert, dient die (neue) zweite Säule gemäß den Vorstellungen von Schmid (2008, 2009, 2010, 2011) mit Blick auf abhängig Beschäftigte der Finanzierung von Weiterbildung, zum Aus‐ gleich reduzierter Arbeitszeiten und zur Überbrückung geminderter Verdienste.

Die Anspruchsvoraussetzungen auf Guthaben aus den PEK wären grundsätzlich die gleichen wie beim Arbeitslosengeld, dessen Umfang durch die PEK nicht beeinträchtigt würde. Nach Erfüllung der An‐ wartschaftszeit steht somit bereits das gesamte Konto zur Verfügung. Der Rückgriff auf die Konten (das Ziehungsrecht, wie Abschnitt 7.1 aufgeführt) erfolgt jedoch nach politisch festgelegten Kriterien.

Um Missbrauch zu begrenzen, sollte das Punkteguthaben, das man bei einer Ziehung in Anspruch nehmen könnte, nach oben begrenzt und der Leistungsbezug analog zur Bezugsdauer des Arbeitslo‐ sengeldes I auch zeitlich beschränkt werden. Der Wert, der bei einem Rückgriff ziehbaren Konto‐ punkte, orientiert sich bei Einkommensergänzungsleistungen gemäß dem Äquivalenzprinzip an der Höhe der zuletzt geleisteten Beiträge. Für die Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen steht je‐ doch jedem Versicherten über den Erwerbsverlauf der gleiche Barwert zur Verfügung. Dieser Aus‐ gleich kann entweder ausschließlich durch die einkommensabhängigen Beiträge oder durch steuerli‐ che Zuschüsse zu den PEKs sichergestellt werden. Um zu verhindern, dass die Guthaben für eine Frühverrentung genutzt werden, wäre beispielsweise eine Diskontierung ab dem Alter von 50 Jahren denkbar (Schmid 2010, S. 347).

48 Dabei handelt es sich um den so genannten Domar‐Musgrave‐Effekt (vgl. Breyer/Buchholz 2007, Corneo 2006). 49 Es wird vorgeschlagen, die PEKs aus allgemeinen Steuermitteln zu ergänzen und durch Tarifverträge aufzu‐ stocken (vgl. z.B. Schmid 2010, S. 346). 50 Der Vorschlag einer Lohnversicherung bei der Aufnahme einer geringer bezahlten Tätigkeit allerdings ohne Berücksichtigung des Aspekts der Finanzierung von Weiterbildung findet sich auch bei Burtless und Schäfer (2002). Für ältere Arbeitslose wurde ein solches Angebot im Rahmen der Hartz‐Reformen bereits umge‐ setzt. 58 8. Zusammenfassung und Empfehlungen

8.1 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der Studie

Von 1999 bis 2005 verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit (BA) nominal durchschnittliche Ein‐ nahmen von 53,7 Mrd. € und Ausgaben in etwa der gleichen Höhe bei einem konstanten Beitragssatz von 6,5%. Einnahmen und Ausgaben der BA blieben in diesem Zeitraum über die Jahre relativ kon‐ stant. Der Haushalt der BA war zudem in Folge des Defizitausgleichs durch den Bundeszuschuss je‐ weils ausgeglichen.

Ab 2005 änderte sich das Bild in mehrfacher Hinsicht. Zum einen sank das Niveau der Einnahmen und Ausgaben des BA‐Haushalts im längerfristigen Trend um rund 12 Mrd. €. Ursächlich hierfür ist die im Zuge der so genannten Hartz‐Reformen durchgeführte Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II (Hartz IV zum 1.1.2005) und die damit verbundene Trennung in ein (überwiegend) beitragsfinanziertes Versicherungssystem (SGB III) und ein steuerfinanziertes Fürsor‐ gesystem (SGB II) sowie die Neuordnung der Zuständigkeiten für die Leistungserbringung zwischen BA, Bund und Kommunen. Weiterhin nutzte die Politik die positive Entwicklung auf dem Arbeits‐ markt ab dem Jahr 2006 für deutliche schrittweise Beitragssatzsenkungen von 6,5% auf bis zu 2,8% in den Jahren 2009 und 2010. Schließlich wurde der Defizitausgleich durch den Bund zum 1. Januar 2007 abgeschafft und durch einen festen Bundeszuschuss – zunächst in der Höhe eines Prozent‐ punkts der Umsatzsteuer – ersetzt. Damit war der BA‐Haushalt nicht mehr ausgeglichen. In den Jah‐ ren 2006 und 2007 wurden hohe Einnahmeüberschüsse erzielt, die in den Jahren bis 2010 jedoch mehr als verbraucht wurden (‐5,2 Mrd. € im gesamten Zeitraum).

Während in den Jahren 1999 bis 2006 die Beitragseinnahmen durchschnittlich über 80% der Gesamt‐ einnahmen der BA ausmachten, sank der Beitragsanteil ab 2007 kontinuierlich auf nur noch rund zwei Drittel der Gesamteinnahmen im Jahr 2010 ab. Im gleichen Zeitraum hat der Finanzierungsanteil des Bundes zugenommen, obgleich der Defizitausgleich durch den Bund abgeschafft wurde. Wäh‐ rend im Jahr 2003 der Bund mit einer Beteiligung von etwa 6,4 Mrd. € einen Finanzierungsanteil von 11% übernahm, lag der Bundesfinanzierungsanteil im Jahr 2007 bei etwa 21% und stieg bis zum Jahr 2010 auf knapp 29% der Gesamteinnahmen der BA an.

In den Jahren 1999 und 2001 lag der Anteil aktiven Arbeitsmarktpolitik an der Summe der Ausgaben für passive und aktive Arbeitsmarktpolitik im Haushalt der BA bei rund 45%. Vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2005 nahm der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik immer weiter ab auf schließlich nur noch 32%. Der Anteil der Ausgaben für passive Arbeitsmarktpolitik nahm entsprechend zu. Seit 2007 ist hingegen wieder ein schrittweiser Anstieg des Anteils der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu beobachten. Mit 47% im Jahr 2009 und 46% im Jahr 2010 wurde das Verhältnis aus den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts wieder erreicht.

Allerdings ist es nicht ausreichend, bei den Ausgaben für die (aktive) Arbeitsmarktpolitik ausschließ‐ lich die BA zu betrachten. Denn durch die Einführung des SGB II im Jahr 2005 übernahm der Bund die Finanzierung der aktiven und passiven Leistungen für die Langzeitarbeitslosen mit einem Anspruch auf Leistungen des SGB II. Insgesamt haben die Ausgaben von Bund und BA für die aktive Arbeits‐ marktpolitik bis zum Jahr 2007 abgenommen, jedoch deutlich weniger als die Ausgaben, die alleine im Haushalt der BA finanziert wurden. Dies liegt daran, dass der Bund selbst die aktive Arbeitsmarkt‐ politik im SGB II seit 2005 in beträchtlicher Größenordnung finanziert. Somit ist klar, dass der Rück‐ gang bei den Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik im Haushalt der BA zu einem wesentlichen Teil

59 durch die Ausgaben des Bundes kompensiert wird. In den Krisenjahren 2009 und 2010 lagen die Aus‐ gaben von BA und Bund für die aktive Arbeitsmarktpolitik somit – wie schon vor 2004 – wieder über 20 Mrd. €. Es zeigt sich, dass auch im Bereich Qualifizierung und Weiterbildung ein wesentlicher Aus‐ gabenanteil im SGB II stattfindet, der direkt vom Bund finanziert wird. In den Jahren 2005 bis 2007 wurden jeweils gut 2 Mrd. € von BA und Bund in diesem Bereich ausgegeben, in den Krisenjahren 2008 und 2009 waren es 3,8 bzw. 3,4 Mrd. €. Damit wurde jedoch das Ausgabenniveau in diesem Be‐ reich vor 2004 bei weitem nicht mehr erreicht.

Bezieht man die Ausgaben des Bundes mit ein, so sinkt der Anteil der aktiven Arbeitsmarktpolitik an der Summe der Ausgaben für passive und aktive Arbeitsmarktpolitik. Zwar ist im Zeitraum zwischen 2005 und 2010 ebenso wie im BA‐Haushalt auch in der Gesamtbetrachtung ein zunehmender Anteil der Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik festzustellen, allerdings betrugen diese im Jahr 2010 le‐ diglich knapp ein Drittel der Gesamtausgaben für aktive und passive Arbeitsmarktpolitik (BA‐ Haushalt: 46%).

Seit dem Jahr 2006 hat die absolute Höhe der Finanzierung der aktiven und passiven Arbeitsmarktpo‐ litik (ohne Verwaltungsausgaben) durch den Bund und damit über Steuern von gut 35 Mrd. € auf über 39 Mrd. € zugenommen, während gleichzeitig die absolute Höhe der Beitragsfinanzierung in Folge der Beitragssatzsenkungen zunächst sehr deutlich von 51 auf 32 Mrd. €, dann stetig auf etwas über 22 Mrd. € abgenommen hat. Damit hat sich auch das Verhältnis zwischen dem steuerfinanzier‐ ten und dem beitragsfinanzierten Anteil sehr deutlich verändert. Während 2006 noch fast 60% der aktiven und passiven Arbeitsmarktpolitik in beiden Rechtskreisen durch Beiträge finanziert wurde, waren es im Jahr 2010 nur noch gut 36%. Damit hat sich das Finanzierungsverhältnis von Steuern und Beiträgen in vier Jahren mehr als umgekehrt.

Hätte statt der realen Beitragssätze in den Jahren 2007 bis 2010 durchgehend ein Beitragssatz von 4% gegolten, so hätte dies im Jahr 2007 zu Mindereinnahmen von 1,5 Mrd. € geführt, in den Folge‐ jahren zu Mehreinnahmen von 5,6 Mrd. €, 9,4 Mrd. € und 9,7 Mrd. €. Insgesamt ergeben sich bei dieser Rechnung in allen vier Jahren Mehreinnahmen von 23,2 Mrd. €. Ein konstanter Beitragssatz von 4,5% hätte bereits im Jahr 2007 Mehreinnahmen von 2,3 Mrd. € bedeutet, in den weiteren Jah‐ ren von 9,6 Mrd. €, 13,4 Mrd. € und 13,7 Mrd. €, was insgesamt Mehreinnahmen von 39 Mrd. € be‐ deuten würde. Diese Zahlen sind jedoch mit großer Vorsicht zu interpretieren, da von höheren Bei‐ tragssätzen negative Beschäftigungseffekte induziert werden. Deren Höhe hängt jedoch auch von der Verwendung der zusätzlich vereinnahmten Beitragsmittel ab. Sie sind somit nur schwer abzuschät‐ zen.

In der Diskussion um die Finanzierung von beruflicher Weiterbildung im Rahmen einer Arbeitsversi‐ cherung sollte auch die bisherige Höhe der Aufwendungen für berufliche Weiterbildung sowie deren Aufteilung auf verschiedene Finanzierungsformen – Unternehmen, private Haushalte, öffentliche Hand – berücksichtigt werden. Dabei stellt sich das Problem, dass diese Aufwendungen nur schwer erfassbar sind. Für die einzelnen Finanzierungsformen vorliegende Studien beziehen sich auf unter‐ schiedliche Datengrundlagen und verschiedene Bezugsjahre. Approximativ kann man für das Jahr 2004 Gesamtaufwendungen von 36,8 Mrd. € bestimmen. Ohne die Berücksichtigung der indirekten Finanzierung durch Steuerersparnisse ergibt sich für die Unternehmen ein Finanzierungsanteil von rund 48%, für die privaten Haushalte von rund 39% und für die öffentliche Hand (Staat und Sozialver‐ sicherung) von rund 12,5%. Berücksichtigt man, dass sich Aufwendungen für die berufliche Weiter‐ bildung für die Unternehmen und auch für die privaten Haushalte steuermindernd auswirken, so

60 steigt der Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand auf rund 35%, während der der Unternehmen auf 34% zurückgeht und der der privaten Haushalte auf 31% sinkt.

Rechnet man die Aufwendungen für die berufliche Weiterbildung des Jahres 2004 mit Hilfe der jähr‐ lichen Inflationsrate hoch, so ergeben sich für 2010 Aufwendungen in Höhe von 40,1 Mrd. €, für das Jahr 2011 von 41,4 Mrd. €. Unterstellt man einen Finanzierungsanteil der öffentlichen Hand von 12,5%, so ergäben sich im Jahr 2010 rund 35,2 Mrd. € und im Jahr 2011 rund 36 Mrd. €, die nicht be‐ reits durch die öffentliche Hand finanziert werden. Berücksichtigt man zusätzlich die indirekte Finan‐ zierung durch eine steuerliche Förderung, so würden diese Beträge auf 26,3 bzw. 26,9 Mrd. € sinken.

8.2 Handlungsempfehlungen

Wir haben es heute mit einer flexibleren Arbeitswelt zu tun, in der einerseits Wechsel zwischen Un‐ ternehmen, Tätigkeiten und Beschäftigungsformen stark an Bedeutung gewonnen haben, und ande‐ rerseits die Bedeutung von Qualifikation und Kompetenzen für die individuelle Beschäftigungsfähig‐ keit immer wichtiger wird. Insofern ist es folgerichtig, das Risiko eines Veraltens von Qualifikationen und damit eines Verlusts an Humankapital auch kollektiv genauso abzusichern wie das Risiko des Ar‐ beitsplatzverlustes. Grundsätzlich befürworten wir daher die verstärkte Finanzierung der beruflichen Weiterbildung durch kollektive Finanzierungsinstrumente.

Mit Blick auf die kollektive Absicherung des individuellen Verlusts an Humankapital und somit die Fi‐ nanzierung der individuellen nichtbetrieblichen beruflichen Weiterbildung sprechen wir uns für eine Einbeziehung in die zur Arbeitsversicherung auszubauende gesetzliche Arbeitslosenversicherung (vgl. Abschnitt 7.5) und gegen eine Finanzierung über tarifliche branchenbezogene Weiterbildungsfonds (vgl. Abschnitt 7.4) aus.

Maßgeblich dafür ist, dass – wie das Risiko der Arbeitslosigkeit – auch das Risiko des Humankapital‐ verlusts zwischen Berufsgruppen und Branchen unterschiedlich verteilt ist. Gerade einen solchen Ausgleich sollte jedoch ein Instrument der kollektiven Weiterbildungsfinanzierung leisten, zumal sich die Risikoverteilung zwischen Branchen vor dem Hintergrund der jeweiligen Rahmenbedingungen – z.B. struktureller Wandel, konjunkturelle Entwicklung und unterschiedliche Betroffenheit verschie‐ dener Branchen von der konjunkturellen Situation – im Zeitablauf verändern kann. Gegenstand einer Sozialversicherung ist es gerade, für den Ausgleich zwischen verschiedenen Risiken zu sorgen. Vor diesem Hintergrund halten wir branchenbezogene Lösungen für problematisch, zumal die Abgren‐ zung schwierig ist, und Unternehmen versuchen könnten, in eine Branche mit einem geringeren Bei‐ tragssatz zu wechseln.

Eine solche Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung muss gleichzeitig mit einer Neuausrichtung der Zielstellungen der Bundesagentur für Arbeit einhergehen. So empfehlen wir – gerade mit Blick auf den zunehmenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften, aber auch mit Blick auf das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt – die Geschäftspolitik der BA stärker auf die mittel‐ bis langfristigen Beschäftigungs‐ und Einkommensperspektiven der Ver‐

61 sicherten auszurichten und Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik stärker als bisher als Investi‐ tionen zu begreifen.51

Bei Ausgaben für im Interesse der Unternehmen liegende Weiterbildungsmaßnahmen halten wir hingegen eine Einbeziehung in die neue Arbeitsversicherung nicht für zwingend. Im Vergleich zu den einzelnen Beschäftigten kann bei den Unternehmen ein längerfristiger Planungshorizont unterstellt werden. Die aus Sicht der Unternehmen mit Weiterbildung verbundenen Ziele – die Wettbewerbsfä‐ higkeit und die Sicherung des Fachkräftenachwuchses – können zudem auch mit selbst organisierten Fondslösungen gewährleistet werden (vgl. die Vorschläge von Bosch (2010) in Abschnitt 7.4).

Orientiert man sich am bisherigen Aufwand der privaten Haushalte für nichtbetriebliche Weiterbil‐ dung, so ergäben sich auf der Grundlage der in Kapitel 5 vorgenommenen Berechnungen für das Jahr 2010 zusätzlich zu finanzierende Aufwendungen von mindestens 5,8 Mrd. €.52 Würde man auch die Aufwendungen von Unternehmen und privaten Haushalten für die betriebliche Weiterbildung einbe‐ ziehen, so wären es rund 26,3 Mrd. €.53 Dabei dürfte der Umfang jeweils unterschätzt werden, weil die kollektive Finanzierung einen Anreiz für eine zusätzliche Inanspruchnahme für Weiterbildung dar‐ stellt.

Für die Finanzierung der beruflichen Weiterbildung im Rahmen eines staatlich organisierten kol‐ lektiven Systems sehen wir drei mögliche Wege, die sich hinsichtlich der Auslegung des Versiche‐ rungsgegenstands der neuen Arbeitsversicherung unterscheiden:

Alternative A: Enge Auslegung des Versicherungsgegenstands

Im Unterschied zum bisherigen Vorgehen in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung würden Sach‐ leistungen der neuen Arbeitsversicherung, bei denen keine unmittelbare Äquivalenz zu den eingezahl‐ ten Beiträgen besteht – also Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ebenso wie Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung – als versicherungsfremde durch die Allgemeinheit zu finanzierende Leistungen betrachtet, die folglich aus allgemeinen Haushaltsmitteln über Steuern zu finanzieren wä‐ ren.

Über die Beiträge zur Arbeitsversicherung wären dann die Einkommensersatzleistungen während der Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld I) und während einer beruflichen Weiterbildung sowie ggf. auch zeitlich befristete Ausgleichszahlungen in Phasen eines reduzierten Einkommens (vgl. hierzu Schmid 2010) zu finanzieren. Die Versicherung selbst wäre damit eher eine Einkommensversicherung als eine Arbeitsversicherung.

51 Letztlich sollte diejenige Förderung gewählt werden, die aufgrund eines Vergleichs der erwarteten Ausga‐ ben und Einnahmen von Staat und Sozialversicherung mit Blick auf die jeweilige Person optimal ist. Dies setzt entsprechende Informationen über die kurz‐ und langfristige Wirkung von Maßnahmen und Instru‐ menten voraus, die aus Evaluationen gewonnen werden können. Eine schnelle (Re‐)Integration in den Ar‐ beitsmarkt muss daher nicht zwangsläufig im Widerspruch zu einer mittel‐ bis langfristig optimalen Förde‐ rung stehen. 52 Vom Finanzierungsbeitrag der Individuen nach Steuern werden hier lediglich die Aufwendungen für nicht‐ betriebliche berufliche Weiterbildung (46%) berücksichtigt. 53 Dabei handelt es sich um die Summe aus dem Finanzierungsanteil der Unternehmen und der privaten Haushalte jeweils nach Steuern. 62 Alternative B: Mittlere Auslegung des Versicherungsgegenstands

Bei dieser Alternative würde der Versicherungsgegenstand um die Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung für Beschäftigte ergänzt werden, ggf. auch um den Ausgleich von Einkom‐ mensschwankungen im Erwerbsverlauf.

Dem gegenüber würden Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Arbeitslose, auf die kein Rechtsanspruch besteht, generell über Steuern finanziert werden. Maßnahmen der aktiven Arbeits‐ marktpolitik mit Rechtsanspruch, welche die Erwerbs‐ und/oder Einkommensperspektiven nachweis‐ lich erhöhen, würden hingegen weiterhin über Beiträge finanziert werden.54

Alternative C: Weite Auslegung des Versicherungsgegenstands

Bei dieser Alternative würde der Versicherungsgegenstand um die Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung für Beschäftigte ergänzt werden, ggf. auch um den Ausgleich von Einkom‐ mensschwankungen im Erwerbsverlauf.

Auch die Finanzierung von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik würde weiterhin dem Versi‐ cherungszwecke entsprechen, sofern sie Erwerbs‐ und/oder Einkommensperspektiven nachweislich erhöhen.

Die nichtbetriebliche berufliche Weiterbildung würde somit in Alternative A über Steuern, in den Al‐ ternativen B und C hingegen über Beiträge finanziert werden. Für Alternative A sprechen aus unserer Sicht die folgenden Argumente:

 Es gäbe eine eindeutige Äquivalenz zwischen der Höhe der eingezahlten Beiträge und der Höhe der Leistungen.  Es ergäbe sich im Vergleich der Alternativen der geringste Beitragssatz, was bei optimaler Umfinanzierung der anderen Leistungen durch Steuern – allerdings in geringem Ausmaß – beschäftigungspolitisch vorteilhaft wäre (vgl. Abschnitt 6.1.1).  Ausgaben für berufliche Weiterbildung und aktive Arbeitsmarktpolitik haben neben einem individuellen auch einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen.  Es wäre möglich gemäß dem Vorschlag des IZA (vgl. Abschnitt 6.2.2) eine Betreuung aus ei‐ ner Hand für alle Arbeitslosen zu gewährleisten, weil die Finanzierung der aktiven Arbeits‐ marktpolitik generell durch den Bund erfolgen würde.

Für die Alternativen B und C sprechen aus unserer Sicht hingegen die folgenden Argumente:

 Gerade bei der beruflichen Weiterbildung von Beschäftigten ist – deutlich mehr als bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Arbeitslose – der unmittelbare Nutzen der eingezahlten Bei‐ träge erkennbar. Somit ist trotz der Tatsache, dass es sich um Sachleistungen handelt, die Äquivalenz von eingezahlten Beiträgen und Gegenleistung hoch. Dies spricht dafür, dass die für die Finanzierung von beruflicher Weiterbildung aufgewendeten Beiträge im Sinne der Ar‐ gumentation des Sachverständigenrats (vgl. Abschnitt 6.1.1) allenfalls einen geringen Steuer‐ anteil aufweisen.

54 Vgl. Anhang, Tabelle 4, für die Auflistung der Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit und ohne Rechtsanspruch für das Jahr 2010. 63  Zahlt ein/e Beschäftigte/r für die Finanzierung von Maßnahmen der beruflichen Weiterbil‐ dung Beiträge in eine Versicherung, so besteht ein großer Anreiz, diese auch in Anspruch zu nehmen, damit sich die eingezahlten Beiträge auch rechnen. Dieser Anreiz ist bei einer Fi‐ nanzierung über Steuern weniger ausgeprägt.  Im Falle einer Finanzierung der nichtbetrieblichen beruflichen über Beiträge wäre es möglich im Sinne des Vorschlags von Schmid (2010, S, 347) individuelle Konten anzulegen, aus denen sich die Ansprüche der Beschäftigten für die Finanzierung ihrer beruflichen Weiterbildung er‐ geben. Die Beschäftigten könnten dann selbst im Rahmen gewisser Vorgaben den Zeitpunkt der Inanspruchnahme sowie Inhalte und Form der Weiterbildung wählen. Im Falle einer (vollständigen) Steuerfinanzierung wäre die Einrichtung solcher individueller Konten schwie‐ rig. Damit müsste die Inanspruchnahme sehr viel genauer geregelt werden. Es wäre ein kom‐ pliziertes Prüf‐ und Genehmigungsverfahren erforderlich.

Der zentrale Unterschied zwischen den Alternativen B und C besteht darin, dass in Alternative B nur solche Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik über Beiträge finanziert werden, auf die auch ein Rechtsanspruch besteht, es sich somit nicht um Ermessensleistungen handelt. Im Vergleich zwischen den Alternativen B und C spricht aus unserer Sicht für Alternative B, dass …

 … in Alternative B der „Steueranteil“ in den Sozialversicherungsbeiträgen gesenkt und das Äquivalenzprinzip gestärkt wird,  sich ein geringerer Beitragssatz ergeben würde, was wiederum bei optimaler Umfinanzie‐ rung der anderen Leistungen durch Steuern – allerdings in geringem Ausmaß – beschäfti‐ gungspolitisch vorteilhaft wäre (vgl. Abschnitt 6.1.1) sowie  die Frage, auf welche Leistungen ein Rechtsanspruch bestehen sollte, im Kontext der unter‐ schiedlichen Finanzierung sehr viel intensiver zu diskutieren wäre.

Für Alternative C spricht dem gegenüber, dass die erforderlichen institutionellen Veränderungen weitaus geringer ausfallen als in Alternative B.

Vor dem Hintergrund dieser Argumente sprechen wir uns für Alternative B und somit eine mittlere Auslegung des Versicherungsgegenstands aus. Gegenüber dem Status quo würde der Versicherungs‐ gegenstand einerseits durch die Ergänzung um individuelle berufliche nichtbetriebliche Weiterbil‐ dung ausgeweitet werden, zum anderen durch die Begrenzung auf Instrumente der aktiven Arbeits‐ marktpolitik auf Instrumente mit Rechtsanspruch eingeschränkt werden.

Entscheidet man sich für eine mittlere oder weite Definition des Versicherungszwecks (Alternativen B oder C), so sollte in jedem Fall berücksichtigt werden, dass Ausgaben für die berufliche Weiterbil‐ dung ebenso wie für aktive Arbeitsmarktpolitik neben einem individuellen Nutzen für Beschäftigte und Unternehmen auch einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen haben, beispielsweise weil Investiti‐ onen in das Humankapital wachstumsfördernd sind. Der entsprechende Anteil an den Ausgaben für die berufliche Weiterbildung sollte daher auch in den Alternativen B und C entsprechend über Steu‐ ern finanziert werden.

Erst recht wenn die beitragsfinanzierte Arbeitslosenversicherung zusätzliche Aufgaben erhält, müs‐ sen alle bisherigen versicherungsfremden Leistungen (vgl. Abschnitt 6.1.2) konsequent über Steuern finanziert werden. Wir schlagen daher unabhängig von der Entscheidung für eine der drei Alternati‐ ven vor, die in Abschnitt 6.1.2. genannten versicherungsfremdem Leistungen vollständig über Steu‐ ern zu finanzieren. Bei der Bemessung der Höhe des Beitragssatzes empfehlen wir zudem eine Ori‐ 64 entierung an dem vom Sachverständigenrat entwickelten Konzept des nachhaltigen Beitragssatzes. Damit können prozyklische Schwankungen des Beitragssatzes vermieden werden.

Tabelle 3: Finanzierung der beruflichen Weiterbildung durch eine Arbeitsversicherung – Konsequenzen für den Finanzierungsbedarf bei unterschiedlichem Umfang des Leistungskatalogs

Alternative A: Alternative B: Alternative C:

Enge Definition des Ver‐ Mittlere Definition des Weite Definition des sicherungs‐gegenstands Versicherungs‐ Versicherungs‐ gegenstands gegenstands

Insgesamt netto zusätzlich durch Staat 5,75 Mrd. € 5,75 Mrd. € 5,75 Mrd. € und Sozialversicherung zu finanzieren

Brutto zusätzlich zu finanzieren 7,25 Mrd. € 7,25 Mrd. € 7,25 Mrd. €

Davon durch Steuern 7,25 Mrd. € 0,725 Mrd. € 0,725 Mrd. €

Davon durch Beiträge 0 6,525 Mrd. € 6,525 Mrd. €

Steuermehreinnahmen durch Wegfall 1,5 Mrd. € 1,5 Mrd. € 1,5 Mrd. € der indirekten Förderung der berufli‐ chen Weiterbildung

Bisher nicht durch Steuern finanzierte 16,1 Mrd. €* 10,9 Mrd. €** 8,65 Mrd. €*** versicherungsfremde Leistungen

Zusätzlich durch Steuern zu finanzieren 20,05 Mrd. € 10,125 Mrd. € 7,875 Mrd. €

Zusätzlich durch Beiträge zu finanzieren ‐16,1 Mrd. € ‐4,375 Mrd. € ‐2,125 Mrd. €

Zur Ausweitung des Versicherungs‐ ‐2 %‐Punkte ‐0,55 %‐Punkte ‐0,25 %‐Punkte zwecks erforderliche Erhöhung des Bei‐ tragssatzes

Beitragserhöhung aufgrund des Über‐ 1,2 %‐Punkte 1,2 %‐Punkte 1,2 %‐Punkte gangs zum nachhaltigen Beitragssatz

Insgesamt erforderliche Erhöhung des ‐0,8 %‐Punkte 0,65 %‐Punkte 0,95 %‐Punkte Beitragssatzes

*Versicherungsfremde Leistungen nach Abschnitt 6.1.2 (abzüglich der Bundesfinanzierung) und Ausgaben für aktive Ar‐ beitsmarktpolitik **Versicherungsfremde Leistungen nach Abschnitt 6.1.2 (abzüglich der Bundesfinanzierung), Ausgaben für aktive Arbeits‐ marktpolitik, auf die kein Rechtsanspruch besteht, und 20% an den übrigen Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik. *** Versicherungsfremde Leistungen nach Abschnitt 6.1.2 (abzüglich der Bundesfinanzierung) und 20% an den Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik. Quelle: Eigene Berechnungen, eigene Darstellung.

In Tabelle 3 sind die drei Alternativen im Detail dargestellt. Bei Alternative A erhöhen sich die nicht aus Steuermitteln abgedeckten versicherungsfremden Leistungen von 6,8 Mrd. € auf 16,1 Mrd. €. Für die Alternativen B und C wurde vereinfachend angenommen, dass die gesamtgesellschaftlichen posi‐ tiven externen Effekte von Ausgaben für die berufliche Weiterbildung, die auch in dieser Finanzie‐

65 rungsalternative über Steuern zu finanzieren wären, mit 10% angenommen werden können.55 Für die Ausgaben der aktiven Arbeitsmarktpolitik wurde der positive externe Effekt mit 20% höher ange‐ setzt. Damit ergeben sich bei Alternative B insgesamt bisher nicht durch Steuern finanzierte versiche‐ rungsfremde Leistungen in Höhe von 10,9 Mrd. €. Selbst in Alternative C sind es immerhin noch 8,65 Mrd. €.

Bei Alternative A ergäbe sich eine Absenkung des Beitragssatzes um zwei Prozentpunkte ohne Über‐ gang zum nachhaltigen Beitragssatz sowie um 0,8 Prozentpunkte beim Übergang zum nachhaltigen Beitragssatz, der aktuell bei ungefähr 4% liegen dürfte. Im Gegenzug müssten zusätzlich 20 Mrd. € durch den Bundeshaushalt finanziert werden.

Bei Alternative B könnten man bei Einbeziehung der nichtbetrieblichen beruflichen Weiterbildung und einer gleichzeitigen konsequenten Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen den Bei‐ tragssatz zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung um 0,55 Prozentpunkte senken. Beim Übergang zum nachhaltigen Beitragssatz wäre eine Erhöhung um 0,65 Prozentpunkte erforderlich. Gleichzeitig müssten jedoch zusätzlich rund 10,1 Mrd. € über den Bundeshaushalt finanziert werden.

Auch bei Alternative C käme man bei Einbeziehung der nichtbetrieblichen beruflichen Weiterbildung und den entsprechenden Gegenfinanzierungen ohne Beitragssatzerhöhung aus (könnte ihn sogar um 0,25 Punkte senken), müsste aber unter dem Strich 7,9 Mrd. € zusätzlich aus Steuermitteln finanzie‐ ren. Beim Übergang zum Konzept des nachhaltigen Beitragssatzes ergäbe sich eine Beitragssatzer‐ höhung um 0,95 Prozentpunkte.

Allerdings stellen diese Werte jeweils die Untergrenze dar, da mit dem Einbezug der Finanzierung der beruflichen Weiterbildung von Beschäftigten in die Arbeitsversicherung ein Anreiz zu einer höheren Weiterbildungsteilnahme gesetzt wird und auch gesetzt werden soll. Hinzu kommen zudem weitere beitragsfinanzierte Mehraufwendungen, falls auch Einkommensvolatilitäten während des Erwerbs‐ verlaufs über die Arbeitsversicherung ausgeglichen werden sollen. Allerdings spricht vieles dafür, dass im Zuge der demografischen Entwicklung das Arbeitsangebot in den Jahren 2020 bis 2035 stär‐ ker zurückgehen wird als die Arbeitsnachfrage (vgl. Bonin et al. 2006, S. 15 ff.). Dies dürfte zu einer weiteren Entspannung auf dem Arbeitsmarkt und infolgedessen zu einem Rückgang des nachhaltigen Beitragssatzes führen. Zudem würde die Höhe der Kosten für die berufliche Weiterbildung durch die Höhe der Ziehungsrechte und die Regelungen für ihre Inanspruchnahme bestimmt werden.

Orientiert man sich an der bisherigen Höhe der Ausgaben der privaten Haushalte für nichtbetriebli‐ che berufliche Weiterbildung, so ergäbe sich bezogen auf das Jahr 2010 für jede/n sozialversiche‐ rungspflichtige/n Beschäftigte/n ein für berufliche Weiterbildung zur Verfügung stehender Betrag von rund 260 €, der seinem/ihrem „Persönlichen Entwicklungskonto“ (vgl. Abschnitt 7.5) gutge‐ schrieben werden könnte. Allerdings könnte man den Beschäftigten ermöglichen, zusätzlich indivi‐ duell auf diesem Konto anzusparen und dies auch durch eine Weiterbildungssparzulage von Seite des Staates zu fördern. Insofern müssen sich kollektive Ansätze über die Sozialversicherung und die För‐ derung des individuellen Weiterbildungssparens nicht ausschließen.

Gerade dann, wenn man sich dafür entscheiden sollte, lediglich die nichtbetriebliche berufliche Wei‐ terbildung in die Finanzierung durch die gesetzliche Arbeitsversicherung zu integrieren und die Fi‐

55 Dies bezieht sich jedoch jeweils auf die Bruttoaufwendungen für die berufliche Weiterbildung (ohne die Be‐ rücksichtigung) indirekter Förderung durch den Staat im Rahmen des Steuersystems. 66 nanzierungsverantwortung der betrieblichen Weiterbildung weiterhin bei den Unternehmen zu se‐ hen, bedarf es weiterhin starker Anreize für die Unternehmen, auf diesem Feld aktiver zu werden. Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor, die in den USA bereits umgesetzte und vom Sachverständi‐ genrat auch für Deutschland vorgeschlagene Differenzierung der Arbeitgeberbeiträge in der gesetzli‐ chen Arbeitslosenversicherung nach dem Entlassungsverhalten (vgl. Abschnitt 6.2.2) bei der Auswei‐ tung der Versicherung zur Arbeitsversicherung umzusetzen. Damit würden einerseits zusätzliche An‐ reize für die Unternehmen entstehen, in die Qualifikation ihrer Beschäftigten zu investieren, damit sie im Fall ihrer Entlassung bessere Arbeitsmarktchancen haben. Andererseits würden diejenigen Kündigungen verteuert, die besonders hohe gesamtwirtschaftliche Kosten verursachen.

8.3 Offene Fragen

Um aus diesen Überlegungen zu einem endgültigen und nachhaltigen Finanzierungskonzept für eine neue Arbeitsversicherung zu kommen, wären aus unserer Sicht insbesondere noch die folgenden Fragen zu klären:

1. Wie hoch sind die positiven externen Effekte der beruflichen Weiterbildung für die gesamte Gesellschaft?

2. Welche Effekte haben die unterschiedlichen Finanzierungsformen auf die Weiterbildungsbe‐ teiligung?

3. Was folgt aus der demografischen Entwicklung für die langfristige Entwicklung des nachhal‐ tigen Beitragssatzes?

4. Welche zusätzlichen Aufwendungen sind erforderlich, wenn der Versicherungszweck der neuen Arbeitsversicherung nicht nur die (nichtbetriebliche) Weiterbildung, sondern auch die Entgeltsicherung umfassen soll?

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72 Anhang

Tabelle 4: Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit und ohne Rechtsanspruch für das Jahr 2010

2010 Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit Rechtsanspruch in 1000 € ‐ausschließlich versicherungsfremder Leistungen (siehe Tabelle Z) (in Mrd. €)

Förderung der beruflichen Weiterbildung (FbW) 645 968 Zuschüsse zum Arbeitsentgelt bei beruflicher Weiterbildung Beschäftigter (AEZ‐WB) 4 469 Initiative zur Flankierung des Strukturwandels (InFlaS) 125 682 Qualifizierung Beschäftigter 287 336 Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung 962 346 Transferkurzarbeitergeld und Förderung von Transfermaßnahmen 398 120 Konjunkturelles Kurzarbeitergeld (Kug) 1 679 867 Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer 71 631 Erstattung der Beiträge zur Sozialversicherung an Arbeitgeber bei konjunktureller Kurzarbeit 1 380 488 Förderung der ganzjährigen Beschäftigung 776 529 Vermittlungsbudget 159 580 Eingliederungsgutschein für ältere Arbeitnehmer (EGG) 52 130 6 544 146 (6,5)

Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ohne Rechtsanspruch ‐ ausschließlich versicherungsfremder Leistungen (siehe Tabelle Z)

Aus Mitteln des ESF mitfinanzierte ergänzende Qualifizierungsangebote bei Bezug von Kurzarbeitergeld, Saison‐ Kurzarbeitergeld oder Transferkurzarbeitergeld 42 918 Gründungszuschüsse, Förderphasen I und II Vorjahr: incl. Existenzgründungszuschüsse (Restabwicklung) 1 869 005 Eingliederungszuschüsse (EGZ) 460 326 Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung 304 647 Erprobung innovativer Ansätze 673 Übernahme der Reisekosten bei persönlicher Meldung nach § 309 SGB III 2 947 Ausfinanzierung wegfallender Instrumente 6 867 Ganzheitlicher Vermittlungsansatz (GanzII) 18 500 Integrationsfortschrittsprogramm für Betreuungskunden (IFB 2007) 722 Vergütungen an private Vermittler im Rahmen des Gutscheinverfahrens (§ 421 g SGB III) 50 778 2 757 383 (2,8)

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