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Denkmalporträt

Von der Erzschmelze zur Schulkunstschmiede Schloss Rotenfels im Murgtal (, Lkr. )

Westlich von Bad Rotenfels, jenseits von Murg und tragreiche Einnahmequelle zu sichern. Allerdings Bundesstraße, steht das stattliche Schloss Roten- konnte sie erst nach Ende der Besetzung Badens fels. Seit der Restaurierung und Wiedereröffnung durch französische Truppen 1796 in dem Bau die als Landesakademie für Schulkunst, Schul- und geplante Steinzeug-Fabrik einrichten (1801), die Amateurtheater 1995 erscheint es wie aus einem sich heute baulich vor allem noch im Südflügel Guss erbaut, und man möchte zu gern einigen frü- nach weisen lässt. Während der Sanierungsarbei- heren Autoren glauben, die darin einen reinen ten wurden auch zahlreiche, zum Teil vollständig Neubau Friedrich Weinbrenners 1818 bis 1827 sa- erhaltene Gefäße aus der damaligen Produktion hen. Eine sorgfältige Bauuntersuchung und archi- gefunden. 1804 erstellte der Karlsruher Baudirek- valische Forschungen erbrachten jedoch im Vor- tor Friedrich Weinbrenner als ersten Neubauauf- feld der genannten Restaurierungsarbeiten ein dif- trag auf dem Gelände das Häuschen über den Fel- ferenzierteres Bild seiner Baugeschichte. senkellern („Römisches Häuschen“). Von ihm sind Bereits um 1725 ist auf dem Gelände des späteren heute nur Reste einiger Kellermauern geblieben. Schlosses Rotenfels ein Hüttenwerk des Gründers Völlig verschwunden ist auch ein Vitriolofenbau Markgraf Ludwig Georg von Baden-Baden zur Weinbrenners in Form eines „Lusthauses in chi- Schmelze der örtlichen Erzvorkommen nachge- ne sischer Form“. wiesen. Nach dessen Aufgabe um 1750 wurde Doch auch die Herstellung von Steinzeug erwies 1753 durch ein Privileg des Markgrafen an der sich angesichts der wachsenden Konkurrenz frem- Stelle des heutigen Herrenhauses eine neue „Eis- der Hafnerwaren, besonders aus dem Elsass, und sen- Schmeltz“ gebaut, die 1774 wieder eingestellt der in finanziellen Dingen verschwenderisch ver- wurde. Heute steht fest, dass Reste davon noch im anlagten Besitzerin als unrentabel, sodass 1816 Südflügel des Herrenhauses stecken. 1790 schenk - das Anwesen zusammen mit anderen Gütern an te Markgraf Karl Friedrich das ungenutzte „Roten - den zweitältesten Sohn, Wilhelm Ludwig August felser Schmelz Guth“ seiner zweiten Gemahlin (ab 1817 Markgraf von Baden), gegen die Zahlung Luise Karoline Freiin Geyer von Geyersberg, offen - einer jährlichen Rente von 10000 Gulden über- bar um ihr damit als geplante Töpferfabrik eine er- ging. Er schloss sogleich die Anlage und beauf-

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wertung der alten Eingangshalle durch die Errich- tung von sechs Säulen unter einem Walmdach. Es entstand ein Portikus mit einem markanten, offe- nen Bogengiebel auf zwei Pfeilern und zwei tos- ka nischen Säulen und einer zentralen Zugangs- treppe. Wie hier wurde auch der nördliche Walm durch einen Giebel ersetzt. Ob die alte Eingangs- halle ursprünglich über flankierende Treppen zu- gänglich war, konnte bei der Befundanalyse nicht eindeutig geklärt werden. 1899 wurde Weinbrenners „Römisches Haus“ ab- gerissen. 1904 erbte die Nichte der Fürstin Sophie, Feodora zu Leiningen geb. zu Hohenlohe-Lan- genburg, den markgräflichen Besitz. Nach weite- 1 Loggia des Südflügels, tragte Weinbrenner mit dem Umbau der ehema- ren Besitzerwechseln 1936 und 1943 erwarb die 1864. ligen Steingeschirrfabrik zu einem repräsentativen Stadt Gaggenau 1979 das Anwesen von der Er- Wohnsitz für das benachbarte landwirtschaftliche bengemeinschaft der Familie von Blanquet. Sie ließ Mustergut. Auch der Weinbrenner-Biograf Arthur es von 1991 bis 1995 für die Landesakademie für Valdenaire hatte 1919 schon richtig vermutet, dass Schulkunst, Schul- und Amateurtheater umbauen es sich nicht um einen reinen Neubau handelte. So und durch ein Gästehaus und einen Atelierbau er- entstand nach Abschluss dieser Arbeiten die heute weitern. Heute wird hier Lehrern, Schülern und der im Wesentlichen noch erfahrbare symmetrische allgemeinen Öffentlichkeit in Workshops und Se- Anlage mit ihrem charakteristischen Portikus, die minaren die Möglichkeit zur Fort- und Weiterbil- ihr ein repräsentatives Gepräge gibt. Besonders dung in den Bereichen Kunst, Theater und Kultur dieser zentrale Portalbau mit sechs Säulen und geboten. Dreiecksgiebel ist es, der unweigerlich an ober - italienische Landsitze der Spätrenaissance im Stil Praktischer Hinweis Andrea Palladios denken lässt, die klassizistische Akademie Schloss Rotenfels Baumeister wie Weinbrenner so nachhaltig be- Badstraße 1 einflusst haben. Auch die Nebengebäude mit 76571 Gaggenau-Bad Rotenfels Walmdächern, die die markgräflichen Pferde und www.akademie-rotenfels.de Equipagen beherbergten, sind bis 1827 zunächst Schlossgarten und Skulpturenpark sind frei zugäng- 2 Bauphasenplan Erd - in offener Bauweise entstanden. Das hohe Wohn- lich. Schlossbesichtigung nach Anmeldung möglich. geschoss: Links Teile der „Eissen-Schmeltz“ von geschoss des Hauptgebäudes auf niedrigem So- 1753 (schwarz). Unterbau ckel mit seitlich schon damals je sieben Achsen war Glossar der Portikus mit seitlichen als „Bel Etage“ der Herrschaft vorbehalten. Hier Gewölben der Treppen irrte Valdenaire, der eine spätere Verlängerung der Vitriol von 1842 (hellblau). Au- beiden Seitenflügel um je eine Achse auf die heu- Veraltete Bezeichnung für die kristallwasserhaltigen ßen links (gelb) der Unter- tige Länge vermutete. Die beiden abgeknickten Sulfate (Salze der Schwefelsäure) von zweiwertigen bau der Loggia von 1864. Außentreppen vor dem Portikus sind in ihrer heu- Metallen in der Chemie. Vitriol wurde bergmännisch gewonnen und in Vitriolöfen zu Öl verarbeitet. Eisen - Rot: Erbauung des Haupt- tigen Form um 1842 entstanden. Deren Tonnen- gebäudes der Steinge- vitriol wurde etwa für Farbstoff oder Tinte verwendet. gewölbe sind deutlich versetzt zu den Achsen der schirrfabrik (Dendro dahinter liegenden Türöffnungen. 1806); Grün: Umbau des Hauptgebäudes zum Pa- Nach dem Tod Markgraf Wilhelms 1859 ging das lais ca. 1820 (Dendro Ost- Anwesen in den Besitz seiner Tochter Fürstin So- Dr. Roland Feitenhansl portikus). phie zur Lippe über. Sie veranlasste 1863 an der Sophienstraße 182 (Peter Schneider, 1993). südlichen Schmalseite eine architektonische Auf- 76185 Karlsruhe

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