Danke Handke. Die Berichterstattung zur Handke-Kontroverse in serbischen Printmedien im Jahr 1996

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Paul GRUBER

am Institut für Slawistik Begutachterin: Univ.-Prof. Dr.phil. Renate Hansen-Kokoruš

Graz, 2013

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, 30. Dezember 2013 ...... Paul Gruber

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei meiner Betreuerin für ihre Unterstützung bedanken. Besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mich immer unterstützt haben und mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind, und Divna Schnider, die meine Liebe zum Übersetzen geweckt und gefördert hat. Bedanken möchte ich mich auch bei allen Freunden, die mir immer wieder Mut zugesprochen haben. Nicht zuletzt gilt mein Dank auch den hilfsbereiten Mitarbeiterinnen und dem etwas eigenwilligen Mitarbeiter der Serbischen Nationalbibliothek, die meinetwegen einige Kilo an Zeitungspapier aus dem Archiv schleppen mussten.

Einleitung ...... 1 I. Theorie und Methode: Was ist ein Diskurs? ...... 3 1. Diskurs und Macht ...... 6 2. Diskurs und Ideologiekritik ...... 7 II. Kontextualisierung ...... 8 1. Was ist eine Nation? ...... 8 2. Der serbische Nationalismus ...... 10 2.1 Was versteht man unter Nationalismus? ...... 10 2.2 Nationalismus als nationale Identität ...... 10 2.3 Die Nation als Körper/Organismus ...... 11 2.4 Natürlichkeit und Authentizität der serbischen Nation ...... 13 2.5 Inklusions- und Exklusionskriterien ...... 16 2.5.1 Abstammung ...... 16 2.5.2 Kultur ...... 18 2.6 Stereotype ...... 21 2.6.1 Allgemein ...... 21 2.6.2 Auto- und Heterostereotype der Serben ...... 23 2.7 Mythen ...... 30 2.7.1 Was ist ein Mythos? ...... 30 2.7.2 Mythen im serbischen Nationalismus ...... 34 3. Peter Handke und Jugoslawien ...... 37 3.1 Handkes Literaturverständnis ...... 38 3.2 Peter Handkes Jugoslawien und seine Hinwendung zu Serbien ...... 42 3.3 Handkes Serbien-Texte ...... 44 3.3.1 Veröffentlichungsgeschichte ...... 44 3.3.2 Zwei verschiedene Lesarten des Textes ...... 46 3.3.3 Polyphonie ...... 48 3.3.4 Die Wahrnehmung des Ich-Erzählers ...... 50 3.3.5 Die Winterliche Reise als Friedenstext ...... 54 3.3.6 Die Rezeption der Winterlichen Reise ...... 55 III. Die Handke-Kontroverse in serbischen Printmedien 1996 ...... 57 1. Beschreibung des Korpus ...... 57 2. Analyse der Beiträge ...... 62 2.1 Die Person Peter Handke ...... 62 2.1.1 Affirmative Beiträge: Die Person Handke ...... 63 2.1.2 Kritische Beiträge: Die Person Handke ...... 81 2.2 Die Darstellung der Kontroverse in den westlichen Medien ...... 83 2.2.1 Affirmative Beiträge...... 83 2.2.2 Kritische Beiträge: Die Darstellung der Handke-Kontroverse ...... 101 2.3 Die Darstellung der serbischen Gesellschaft ...... 102 2.3.1 Affirmative Beiträge: Verräter in den eigenen Reihen ...... 103 2.3.2 Kritische Beiträge: Die Darstellung der serbischen Verhältnisse ...... 110 3. Was blieb von der Friedensintention? ...... 113 Zusammenfassung ...... 114 Sažetak ...... 121 Literaturverzeichnis ...... 126

Einleitung

Im Jahr 1996 löste Peter Handke mit seinem zuerst unter dem Titel Gerechtigkeit für Serbien oder Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina an zwei aufeinander- folgenden Wochenenden im Jänner (5./6. und 13./14. Jänner) in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten und später auch unter Umkehrung von Titel und Untertitel bei Suhrkamp erschie- nenen Text1, eine heftige, mitunter sehr polemisch geführte Kontroverse insbesondere im deutsch- sprachigen Raum aus. Nachdem diese im Sommer 1996 abgeflaut war, kam sie im Herbst desselben Jahres noch einmal, jedoch in geringerem Ausmaß, mit der Veröffentlichung des Textes Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise2 erneut auf (vgl. Gritsch 2009: 46f.). Während diese Kontroverse in der wissenschaftlichen Untersuchung von Handkes Serbien-Texten immer wieder mitberücksichtigt wurde, scheint das wissenschaftliche Interesse für die Aufnahme des Textes in Serbien bisher eher gering zu sein. So existiert m.W. bisher nur ein Beitrag von Svjetlan Lacko Vidulić, der die Wirkung der Handke-Kontroverse in Serbien von 1991 bis 2006 aufarbeitet (vgl. Lacko Vidulić 2008: 205-215). Gerade angesichts des im Zuge der 1996 entstandenen Kontroverse immer wieder erhobenen Vorwurfs, Handke betreibe mit seinem Text serbische Propaganda (vgl. Gritsch 2009: 174f.), scheint es dagegen notwendig, die serbische Berichterstattung zu der um die Winterliche Reise und den Sommerlichen Nachtrag entstandenen Kontroverse eingehender zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit stellt sich daher der Frage, ob und inwiefern diese Texte und die um sie entstandene Kontroverse unter politischen Gesichtspunkten in Serbien rezipiert wurden und welche Rolle in diesem Zusammenhang nationalistische Denkmuster spielten, welche den politischen Diskurs jener Zeit weitgehend bestimmten (vgl. Živković 2012: 186f.). Die Beantwortung dieser Frage erfolgt aus diskursanalytischer Perspektive, welcher eine kon- struktivistische Auffassung des Verhältnisses zwischen Wirklichkeit und Erkenntnis zugrundeliegt. Insofern ist es auch nicht das Ziel dieser Arbeit zu klären, ob in den analysierten Beiträgen getroffene Aussagen korrekt sind oder nicht, sondern vielmehr darzustellen, in welchem argumentativen Zusammenhang verschiedene Aussagen zueinander stehen und welchen Denkmustern diese entspringen. Die Arbeit selbst besteht aus drei Teilen. Der erste Teil beschäftigt sich mit der theoretischen Grundlage der Arbeit und stellt sich zu diesem Zweck die Frage: „Was ist ein Diskurs?“ Im Zuge der Beantwortung selbiger soll gesondert auf das Verhältnis zwischen 'Diskurs und Macht' und 'Diskurs und Ideologiekritik' eingegangen werden.

1 Auf diesen wird in der Folge mit der Abkürzung Winterliche Reise verwiesen. 2 Auf diesen wird in der Folge mit der Abkürzung Sommerlicher Nachtrag verwiesen. 1

Der zweite Teil der Arbeit widmet sich dem für die Fragestellung relevanten Kontext, welcher zwei Bereiche umfasst. Der erste Bereich beschäftigt sich mit dem serbischen Nationalismus, wobei bei dessen Darstellung weniger dessen historische Entwicklung im Vordergrund steht, da diese für den Zusammenhang dieser Arbeit nicht von primärer Bedeutung ist. Stattdessen wird das Augenmerk auf den serbischen Nationalismus als Ideologie gelegt. Der Begriff 'Ideologie' wird dabei im zuvor im theoretischen Teil erarbeiteten Sinn angewandt, wonach er hegemoniale Diskurse bezeichnet. Um die eigene Position, von der aus der serbische Nationalismus als Ideologie analysiert wird, explizit zu machen, ist diesem Kapitel ein Kapitel mit allgemeinen Überlegungen vorangestellt, welches 'Nation' aus sozialkonstruktivistischer Perspektive beleuchtet. Der zweite Bereich des Kontexts beschäftigt sich mit Handkes im Jahr 1996 veröffentlichten Serbien-Texten, wobei hier nach einer ersten Sichtung des Korpus eine Einschränkung gemacht wurde. Da Handkes zweiter Serbien-Text Sommerlicher Nachtrag in den sich im Korpus befindenden Beiträgen kaum Beachtung findet und die wenigen Beiträge, die sich mit diesem beschäftigen, den Diskurs nicht beeinflussen, wird auf eine Analyse dieses Textes verzichtet. Der Analyse der Winterlichen Reise ist eine Erörterung von Handkes Literaturverständnis vorangestellt, welche zum Ziel hat, einzelne Aspekte des Textes aus dem Literaturverständnis des Autors zu erklären und den Text so als eigenständiges Produkt darzustellen. Die Analyse des Textes selbst konzentriert sich dann auf die im Text auffindbare Polyphonie, die Wahrnehmung des Ich-Erzählers und die im Epilog formulierte Friedensbotschaft des Textes, welche sich an Leser aus dem ehemaligen Jugoslawien richtet. Im Zuge der Analyse des Textes soll auch auf einzelne Parallelen zwischen dem Text und dem serbischen Nationalismus hingewiesen werden. Der dritte Teil der Arbeit stellt die Analyse der in serbischen Printmedien aufgefundenen Beiträge zur Handke-Kontroverse im Jahr 1996 dar. Das zu diesem Zweck erstellte Korpus entstammt dem Zeitungsarchiv der Serbischen Nationalbibliothek. Hierbei ist zu betonen, dass die Arbeit trotz der im Korpus vorhandenen politischen Bandbreite der herangezogenen Printmedien keinen Anspruch auf eine umfassende Diskursanalyse erheben kann, da für eine solche zumindest auch Radio- und Fernsehbeiträge hinzugezogen hätten werden müssen. Dies hätte jedoch den Rahmen dieser Arbeit gesprengt. Ausgehend von einer allgemeinen Beschreibung des Korpus, welche erste Anhaltspunkte für die Analyse liefern soll, teilt sich die eigentliche Analyse in drei Teile, nämlich 'Die Darstellung der Person Handke', 'Die Darstellung der Kontroverse in den westlichen Medien' und 'Die Darstellung der serbischen Gesellschaft'. Die Analyse selbst bestand in einem ersten Schritt in der Suche nach wiederkehrenden ähnlichen Äußerungen und Argumentationslinien, welche gesammelt und in einem zweiten Schritt bestimmten, von den Äußerungen ableitbaren Aussagen zugeordnet wurden. In der Folge wurde untersucht, in welchem Strukturzusammenhang diese Aussagen untereinander 2 stehen und ob und inwiefern dieser Strukturzusammenhang auf Denk- und Vorstellungsmuster des serbischen Nationalismus zurückzuführen ist. Die Analyse schließt ein kurzer Abschnitt ab, in welchem der Frage nachgegangen wird, ob die in der Winterlichen Reise auffindbare Friedensbotschaft in den Beiträgen aufgegriffen wird. In der Zusammenfassung werden die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit angeführt.

I. Theorie und Methode: Was ist ein Diskurs?

Diese Frage zu beantworten, wird insofern erschwert, als der Begriff 'Diskurs' heute beinahe inflationär gebraucht wird und dabei in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen und je nach philosophischer Grundierung Unterschiedliches bedeuten kann. Sprachhistorisch gesehen, stammt der Begriff von lat. discursus ab, welches recht allgemein eine Form von Bewegung bezeichnete, nämlich „das Durcheinander-, Hin- und Herlaufende“ (Jeßing/Köhnen o.J.: 326). Diese Bewegung wurde in der Folge vor allem mit Sprach- und Denkbewegungen in Verbindung gebracht, was sich auch im heutigen wissenschaftlichen Gebrauch des Begriffes widerspiegelt: So unterscheiden Köppe und Winko vier verschiedene wissenschaftliche Verwendungszusammenhänge des Begriffs 'Diskurs', nämlich in der Linguistik, der Philosophie der Frankfurter Schule, der Erzähltheorie und der (post-)strukturalistischen Diskurstheorie, wobei letztere ihrerseits wiederum zahlreiche Varianten aufweist (vgl. Köppe/Winko 2008: 101). Da hier allein die zuletzt genannte Ver- wendungsweise des Begriffs relevant ist, wird nur auf diese in der Folge näher eingegangen. Um sich dem 'Diskurs' aus der Perspektive der (post-)strukturalistischen Diskurstheorie zu nähern, scheint es zunächst notwendig, die dieser Theorie zugrundeliegende Auffassung des Verhältnisses zwischen Sprache und Wirklichkeit zu klären. Wiewohl auch in traditionellen Wissenschafts- konzeptionen immer wieder auf die enge Verflechtung zwischen Sprache und Wirklichkeit verwiesen wurde, sahen diese aufgrund ihres Objektivitätsideals sowie der weitgehenden Fixierung auf Rationalität und Wahrheit, diese Verflechtung hierarchisch strukturiert. Als Folge daraus wurde Sprache wenn dann nur als ein Teilaspekt der sozialen Wirklichkeit gesehen (vgl. ebd.: 97f.), während ihr grundsätzlich weiterhin die Fähigkeit zugestanden wurde, eine außersprachliche, objektive Wirklichkeit als transparentes Medium erfassen und vermitteln zu können (vgl. Landwehr 2009: 51). Mit der hier zum Ausdruck kommenden Auffassung, dass Sprache in der Lage sei, die Wirklichkeit zu repräsentieren bzw. diese objektiv sachlich zu erfassen, wurde im Zuge des linguistic turn in den Geistes- und Kulturwissenschaften radikal gebrochen. Vielmehr setzte sich in Anlehnung an den

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Schweizer Linguisten Ferdinand de Saussure die Einsicht durch, dass sprachliche Zeichen arbiträr sind, sich ihre Bedeutung also nicht aus der Repräsentation der außersprachlichen Wirklichkeit ergibt, sondern aus ihrer Stellung innerhalb des sprachlichen Systems (der 'langue') und der Differenzbeziehung, die sprachliche Zeichen innerhalb der 'langue' zu anderen sprachlichen Zeichen einnehmen (vgl. Keller 2011: 103f.). Die 'langue' stellt damit ein System aus Regeln und Zwängen dar, das unserem konkreten Sprachgebrauch (der 'parole') zugrunde liegt und damit auf das Denken und die Ausdrucksweise des Einzelnen einwirkt (vgl. Mills 2007: 8). Daraus folgt, dass Sprache, wie Landwehr feststellt, eine „unhintergehbare Bedingung des Denkens“ (Landwehr 2009: 51) und ein „Strukturmerkmal menschlicher Erkenntnis“ (ebd.) ist. Wirklichkeit und Wahrheit außerhalb sprachlicher Strukturen zu erfassen ist unmöglich. Vielmehr wird die Umwelt immer mithilfe von Sprache und damit in einem bestimmten historischen und gesellschaftlichen Kontext gedeutet. Mit anderen Worten: „Es gibt schlicht keine sprach- und zeichenverschiedene Wirklichkeit.“ (Ebd.: 26) Akzeptiert man diese Grundannahme, so kann es nicht mehr das Ziel der Wissenschaft sein, hinter sprachlichen Repräsentationen die objektive Wirklichkeit zu erblicken, da uns eine solche schlicht nicht zugänglich ist. Denn die „Welt ist nur durch Sprache zu haben, und diese wird von vorgängigen symbolischen Ordnungen bestimmt.“ (Köppe/Winko 2008: 101) Wissen und Wirklichkeit sind also sprachlich konstruiert und damit keine Naturnotwendigkeiten, sondern vielmehr historisch kontingent. Damit wird natürlich nicht die Existenz sogenannter Fakten geleugnet. Ein Tsunami ereignet sich, es macht aber einen Unterschied, ob dieser in einer Gesellschaft als eine von einem höheren Wesen ausgeübte Strafe interpretiert wird oder als wissenschaftlich erforschbares Naturereignis. Je nach Interpretation wird dem Ereignis eine unterschiedliche Bedeutung zugeschrieben und werden damit unterschiedliche Ursachen- forschungen, also (sprachliche und nicht-sprachliche) Handlungen in Gang gesetzt, die in der Folge wiederum unterschiedliches Wissen produzieren. Die Bedeutung eines faktischen Ereignisses wie eines Tsunami und das Wissen, das über dieses produziert werden kann, sind diesem Ereignis also nicht immanent, sondern werden ihm sprachlich zugeschrieben. Zudem zeigt sich an diesem Beispiel, dass nicht nur Gegenstände sondern auch Handlungen in enger Beziehung zu dem Wissen stehen, das in einer gegebenen Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt existiert (vgl. Jäger 2013: 207). Anstatt der Suche nach einer objektiven Wirklichkeit rückt die Frage in den Vordergrund, wie Wirklichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Gesellschaft organisiert wird. Anders ausgedrückt: Welche Sprach- und Denkmuster regeln zu einem gegebenen Zeitpunkt in einem gegebenen gesellschaftlichen Kontext die Deutung und Herstellung von Wirklichkeit? Es sind diese Sprach- und Denkmuster, welche im Begriff 'Diskurs' gefasst werden. Der Diskurs existiert dabei nicht als Ding an sich, vielmehr wird er hypothetisch unterstellt, was es ermöglicht, 4 verstreute Aussageereignisse in einen strukturierten Zusammenhang zu setzen (vgl. Landwehr 2009: 21). Wie Sara Mills betont, ist bei Foucault, dem für die (post-)strukturalistische Diskurstheorie bedeutendsten Autor, zwischen einer weiten und einer engen Begriffsdefinition von 'Diskurs' zu unterscheiden. Während die weite Definition den „umfassenden Bereich der Aussagen“ (Mills 2007: 6) zum Inhalt hat, in Bezug auf den es unmöglich ist, eine Außenposition einzunehmen, handelt es sich bei der engen Definition um besondere Strukturen innerhalb des Diskurses. Bestimmte Aussagen innerhalb des Diskurses werden also wiederum zu einer Gruppe zusammengefasst und bilden eine von anderen Gruppen unterscheid- und abgrenzbare 'diskursive Formation'. So lässt sich etwa zwischen ökonomischem, religiösem und politischem Diskurs unterscheiden (vgl. ebd.: 7). Aus diesen beiden Definitionen des Diskurses geht hervor, dass 'Aussagen' die konstitutiven Bestandteile von Diskursen sind. Aussagen kann man nach Keller, in Anlehnung an Foucault, als den „typisierbaren Kern einer singulären Äußerung, bzw. eines diskursiven Ereignisses“ (Keller 2011: 149) begreifen, deren Wiederholung die „Grundlage der Strukturbildung“ (ebd.) von Diskursen darstellt. Diese Struktur bzw. die 'diskursive Formation' erscheint dabei als von Regeln und Leitkategorien bestimmt, welche wiederum aus der Unendlichkeit an möglichen, grammatikalisch korrekten Aussagen jene herausfiltern, welche innerhalb des Diskurses sag-, denk- und machbar sind. Insofern begrenzen Diskurse die Möglichkeiten sprachlicher Aussagen, wirken also repressiv, zugleich ermöglichen sie aber überhaupt erst Kommunikation, dienen als Orientierungshilfe und sichern Stabilität, indem sie innerhalb einer Gesellschaft ein gemeinsames Verständnis der Wirklichkeit herstellen (vgl. Landwehr 2009: 21). Michael Schwab-Trapp stellt fest, dass Foucault vier Dimensionen unterscheidet, in denen Diskurse ein gemeinsames Verständnis der Wirklichkeit produzieren, nämlich die diskursiven Formationen der Gegenstände, der Äußerungsmodalitäten, der Begriffe und der Strategien. Diskursive Formationen erzeugen die Gegenstände, die sie behandeln; sie bestimmen den Gebrauch und das semantische Feld der Begriffe, die zur Beschreibung dieser Gegenstände verwandt werden; sie legen die Modalitäten fest, in denen eine Äußerung legitimerweise erfolgen kann; schließlich entscheiden sie über die möglichen Wege, die die Diskursteilnehmer in ihrer Rede bestreiten können. (Schwab-Trapp 2006: 264)

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1. Diskurs und Macht

Wie die bisherigen Ausführungen nahelegen, ist der Diskursbegriff zudem aufs engste mit Macht verknüpft. Denn wenn Wahrheit nichts Transzendentales darstellt, sondern von den Gesellschaften selbst produziert wird, dann scheint klar, dass nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft gleichrangig an Diskursen teilhaben können und somit auch nicht dieselbe Möglichkeit haben, an der Produktion von Wahrheit mitzuwirken. Vielmehr bestimmen verschiedene Kriterien, wie etwa der akademische Grad des Sprechers, ob jemandem erlaubt bzw. zugestanden wird, sich zu äußern. Diskurse begrenzen also nicht nur die Anzahl an möglichen Aussagen, sondern auch die Menge an möglichen Sprechern (vgl. Keller 2011: 137). Der Zugang zu Diskursen setzt dementsprechend Macht voraus, welche durch die Teilhabe an Diskursen wiederum (re-)produziert wird. Köppe und Winko bezeichnen Macht als „die Größe […], die in Diskursen Ordnung stiftet“ (Köppe/Winko 2008: 100) und damit die Angst vor dem Chaos bändigt. Sie unterscheiden drei verschiedene Kategorien von Ausschlussmechanismen, in denen Macht zum Ausdruck kommt: 1. diskursexterne Ausschließungsprozeduren (Verbote, die Unterscheidung zwischen Verstand und Wahnsinn, die Unterscheidung zwischen wahr und falsch), 2. interne Kontrollmechanismen (Kommentare, die Zuschreibung eines Textes zu einem Autor, die Zuordnung zu bestimmten Disziplinen, Gattungszuschreibungen), 3. Kontrollmechanismen, die den Zugang zu Diskursen regeln (Erziehungssystem, Rituale, etc.) (vgl. ebd.). Dabei ist mit Landwehr festzustellen, dass die genannten Ausschlussmechanismen nie eine absolute Ordnung des Diskurses herstellen können, da der Diskurs nicht von einem Zentrum aus geregelt wird, sondern sich aus dem Zusammenwirken einer Vielzahl von Akteuren ergibt (vgl. Landwehr 2009: 76). Die Möglichkeit zur Veränderung ist also zu jedem Zeitpunkt gegeben. Dementsprechend arbeiten soziale Akteure nicht nur daran, bestehende Diskurse zu verändern, sondern auch daran, bestimmte Diskurse in der Gesellschaft durchzusetzen und damit andere zu marginalisieren. Denn die Vormachtstellung eines Diskurses in einer Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt und damit einhergehend die Möglichkeit, einem Phänomen einen spezifischen Sinn zuzuschreiben, (re-)produziert zugleich die Art und Weise, auf die mit ebendiesem Phänomen umgegangen werden kann (vgl. ebd.: 140). Diskurse sind demnach immer auch Gegenstand von Konflikten. Dies ist nicht zuletzt im politischen Bereich von großer Bedeutung, wie Schwab-Trapp betont, denn in und mit Diskursen [werden] Deutungsvorgaben für politische und soziale Ereignis- und Handlungszusammenhänge produziert […], die darüber entscheiden, wie diese Ereignis- und Handlungszusammenhänge wahrgenommen und bewertet werden. Diese Deutungsvorhaben sind umstritten, weil sie das Richtige vom Falschen, das Gute vom Bösen, das Angemessene vom Unangemessenen oder das Normale vom Abweichenden trennen und damit soziales und politisches Handeln legitimieren. (Schwab-Trapp 2006: 265) 6

Diese Konflikte werden immer in einer mehr oder weniger breiten Öffentlichkeit ausgetragen, denn schließlich können Diskurse nur dann das gesellschaftliche Verständnis der Wirklichkeit prägen, wenn sie in der Gesellschaft mehr oder weniger stark verankert sind. Diskurse bestehen demgemäß auch nie aus einem einzelnen Text, sondern aus einer Vielzahl von Texten, deren Bedeutung nicht in den einzelnen Beiträgen selbst liegt, sondern in den spezifischen Beziehungen der Konkurrenz, des Widerstands oder auch der Koalition, die Diskursbeiträge und ihre Träger innerhalb eines spezifischen Diskurses oder aber auch diskursübergreifend mit und gegeneinander eingehen. (Ebd.: 265f.)

2. Diskurs und Ideologiekritik

Wie dargestellt, ist es aus diskurstheoretischer Perspektive nicht möglich, eine Position der 'Wahrheit' einzunehmen, von welcher aus es allein möglich scheint, Kritik an bestimmten Formen der Weltwahrnehmung zu üben. Trotzdem wird die Möglichkeit von Kritik nicht gänzlich verunmöglicht, denn wenngleich man nicht aus den gegebenen diskursiven Rahmenbedingungen auszubrechen kann, kann man doch zwischen Äußerungen unterscheiden, die hegemoniale Diskurse kritisch befragen, und Äußerungen, die diese bestätigen (vgl. Mills 2007: 35f.). Als ideologisch lassen sich aus dieser Perspektive Diskurse charakterisieren, die etablierte soziale Macht- und Herrschaftsbeziehungen verstärken und damit zum Zweck der Ausübung von Herrschaft funktionalisiert werden. Unter 'Ideologie' ist dementsprechend „Bedeutung im Dienst der Macht“ (Keller 2011: 160) zu verstehen. Wie Siegfried Jäger betont, kommt der Analyse von Diskursen, indem sie die scheinbare 'Natürlichkeit' hegemonialer Diskurse in Frage stellt, politische Bedeutung zu, da dadurch auch die „angeblichen Evidenzen und herrschaftslegitimierenden Potentiale allesamt hinterfragbar und zu hinterfragen sind.“ (Jäger 2013: 201) Insofern sieht er die Aufgabe der Diskursanalyse auch darin, „offenzulegen, worin die jeweiligen Wahrheiten der Diskurse und damit ihre Macht bestehen (und zudem ihre herrschaftslegitimierende Potenz).“ (Ebd.: 202; Kursiv-Setzung im Original) Damit sieht er die Diskursanalyse in die diskursiven Kämpfe verwickelt, die auf verschiedenen Diskursebenen (wie Politik, Medien und Wissenschaft) im Gange sind und spricht ihr die Kraft zu, verändernd auf Diskurse einzuwirken und damit „kurz- oder langfristige Folgen für die faktische Konstruktion von Wirklichkeiten“ (ebd.: 203) zu haben. Während sich die Akteure diskursiver Kämpfe im Allgemeinen auf die 'Wahrheit' berufen, um ihre eigenen Aussagen zu legitimieren, ist dies aus den eben dargelegten Gründen Vertretern diskurstheoretischer Positionen nicht möglich. Jäger nennt als einen Ausweg die Möglichkeit, sich zum eigenen Standpunkt, von dem aus Diskurse analysiert werden, zu bekennen, also eine Haltung, 7 im Sinne einer „subjektiven 'Wahrheit'“ (ebd.: 208) einzunehmen, von der aus Kritik geübt werden kann. Die folgende Kontextualisierung der Arbeit wird aus diesem Grund mit einem kurzen Überblick zum Thema 'Nation' eingeleitet, welcher die dieser Arbeit zugrundeliegende 'subjektive Wahrheit' erläutert.

II. Kontextualisierung

1. Was ist eine Nation?

Die vorliegende Arbeit begreift die 'Nation' als ein historisch kontingentes, soziales Konstrukt. Diese Auffassung soll in der Folge näher erläutert werden. Weichlein bestimmt die Nation als eine 'gedachte Ordnung', welche im Verlauf der Industrialisierung ihren Siegeszug erst in Europa und nach dem 1. Weltkrieg auf der ganzen Welt antrat und mit dem Nationalstaatenprinzip zum vorherrschenden politischen Ordnungsprinzip unserer heutigen Welt wurde. Eine 'gedachte Ordnung' ist die Nation insofern, als sie ein Kollektiv von Menschen anhand bestimmter Kriterien als Einheit definiert (vgl. Weichlein 2012: 1f.). Die so definierten Angehörigen einer Nation werden als untereinander gleich vorgestellt und unterscheiden sich von Angehörigen anderer Nationen. Durch die daraus erfolgende Unterscheidung von Wir-Gruppen und 'Fremden' wirkt das Konzept der Nation identitätsstiftend (vgl. Jansen/Borggräfe 2007: 10f.). Da sich die meisten Angehörigen einer Nation trotzdem untereinander fremd sind, spricht Benedict Anderson von der Nation als einer 'vorgestellten Gemeinschaft' ('imagined community'). Die Fähigkeit, die Vorstellung von einer Nation in der Bevölkerung überhaupt verbreiten zu können, ist dabei historisch bedingt. So erachtet Anderson vor allem die Entwicklung kapitalistischer Strukturen, die Entwicklung des Druckgewerbes und ein bestimmtes Bildungsniveau als historische Grundbedingungen, da dadurch Kommunikation über große Entfernungen hinweg ermöglicht wurde. Nur so konnte innerhalb des Territoriums einer Nation die Vorstellung räumlicher und zeitlicher Differenzlosigkeit geschaffen werden, welche es den Angehörigen der Nation ermöglichte, über die Grenzen ihres persönlichen Umfeldes hinweg ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln (vgl. Anderson 1983: 37-46). Dies bedeutet jedoch keineswegs dass Nationen einfach 'erfunden' werden könnten, vielmehr bauen sie auf verschiedenen objektiven Faktoren auf, durch welche bereits vornationale Gemeinschaften integriert wurden (wie etwa bestehende staatliche Institutionen oder die Sprache) (vgl. Jansen/Borggräfe 2007: 103f.). Der bedeutende Unterschied zu vornationalen Gesellschaften 8 besteht, so Weichlein, darin, dass die Nation eine exklusive Identität stiftet, das Individuum also immer nur eine nationale Identität besitzen kann. Zudem werden in der Nation ältere und neuere Formen der Identität (ältere: etwa die Religion und die Familie, neuere: die soziale Klasse und regionale Identitäten) nun der nationalen Identität hierarchisch untergeordnet. In früheren Zeiten bekannte Mischidentitäten sind somit unmöglich und es wird eine alle Unterschiede überwindende Gemeinsamkeit unter den Angehörigen einer Nation unterstellt. Die Nation erscheint so als einheitliches Kollektiv, dem bestimmte universelle Charakterzüge zugeschrieben werden können. Diese Charakterzüge dienen nicht zuletzt dazu, die eigene Nation von dem 'Anderen' abzuheben, wobei die eigene 'Kollektivpersönlichkeit' meist als positiv dargestellt wird, während dem 'Anderen' überwiegend negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Die Behauptung einer nationalen Identität ist also mit Wertungen verbunden und somit letzten Endes immer auch ideologisch motiviert (vgl. Weichlein 2012: 6-9). Insofern kann man Nationalismus als Ideologie untersuchen. Bevor dies jedoch unternommen wird, ist eine weitere wichtige Unterscheidung notwendig, nämlich zwischen einem subjektiven und einem objektiven Nationsbegriff. Der 'subjektive Nationsbegriff' sieht die Entscheidung des Kollektivs, eine Gemeinschaft im Sinne einer Nation bilden zu wollen, als entscheidend an. Dieser Nationsbegriff geht auf die Französische Revolution zurück. Die Zugehörigkeit zur Nation beruht dieser Auffassung nach nicht auf objektiven Kriterien, sondern auf der immer wieder von neuem aus freien Stücken getroffenen Entscheidung ihrer Bürger (vgl. Jansen/Borggräfe 2007: 11f.). Für Vertreter eines 'objektiven Nationsbegriffs' ist die Nation hingegen eine Gemeinschaft von Menschen, deren Zugehörigkeit zur Nation durch bestimmte, vom Individuum scheinbar unbeeinflussbare Faktoren bestimmt wird. Solche als universell angesehene Tatsachen können etwa eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Kultur, gemeinsame Traditionen und Geschichte, ein gemeinsames Territorium, eine gemeinsame Abstammung sowie ein gemeinsamer 'Volksgeist', im Sinne gemeinsamer Charakterzüge, sein (vgl. ebd.: 12-14). In der wissenschaftlichen Literatur wurde, wie Hroch in seinem Überblick über die Forschungsentwicklung zum Nationalismus darstellt, eine solche 'primordiale' Auffassung der Nation vor allem im 19. Jahrhundert vertreten, als Historiker ihre Aufgabe vor allem darin sahen, die ihrer Vorstellung nach metageschichtlich existente Nation 'wiederzuerwecken' (vgl. Hroch 2005: 155f.). Heute wird diese Auffassung vor allem in sozialkonstruktivistisch orientierten Forschungen kritisiert, welchen implizit oder explizit ein subjektiver Nationsbegriff zugrunde liegt. Dabei leugnen aber auch die bedeutendsten Vertreter dieser Richtung (etwa Hobsbawm und Anderson) die Existenz objektiver Elemente in nationalen Gesellschaften nicht gänzlich (vgl. Hobsbawm 2005: 15-19). Im politischen Bereich scheint dagegen weiterhin ein objektiver Nationsbegriff das Weltbild nationalistisch eingestellter Akteure zu bestimmen. 9

Milosavljević stellt fest, dass für den serbischen Nationalismus ein objektiver Nationsbegriff bestimmend ist. So führten die serbischen Intellektuellen des 19. Jh. die Nation nicht als neue Kategorie ein, welche Menschengruppen verschiedener Herkunft aufgrund identischer Interessen und Rechte zu einer Gemeinschaft zusammenfasste, um so den Ansprüchen des modernen Lebens besser gerecht werden zu können, sondern verorteten stattdessen die Ursprünge der Nation in einem gemeinsamen, biologisch bestimmten Stamm (vgl. Milosavljević 2002: 31). Daher soll in der folgenden Besprechung des serbischen Nationalismus, nach einer kurzen Bestimmung des Begriffs 'Nationalismus', dieses objektive Verständnis der serbischen Nation eingehend analysiert werden.

2. Der serbische Nationalismus

2.1 Was versteht man unter Nationalismus?

Der Begriff 'Nationalismus' bezeichnet nach Jansen und Borggräfe im Allgemeinen Nationalstolz. Oft wird dabei zwischen Nationalismus und Patriotismus, als gemäßigter Form von Nationalstolz, der keine Herabsetzung der Anderen beinhaltet, unterschieden (vgl. Jansen/Borggräfe 2007: 17f.). Angesichts der Tatsache, dass Exklusion und Inklusion letztendlich immer auf Wertungen gründen, scheint eine solche binäre Differenzierung aber fraglich. Andererseits soll durch die Betonung der grundsätzlichen strukturellen Gemeinsamkeit aller Formen von Nationalstolz nicht verschleiert werden, dass sich sehr wohl Abstufungen in Bezug auf die Radikalität nationalistischer Anschauungen festmachen lassen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass, wie Hroch sich ausdrückt, „ein General der Waffen-SS genauso wie ein französischer Maquisard, Herder wie Napoleon“ (Hroch 2005: 31) auf dieselbe Stufe gesetzt werden.

2.2 Nationalismus als nationale Identität

Wie Hroch hervorhebt, bedeutet die Fähigkeit, in den Köpfen eine Nation als 'vorgestellte Gemeinschaft' entstehen zu lassen, noch nicht, dass sich die Bevölkerung auch mit ihr identifiziert (vgl. Hroch 2005: 202). Da aber Nationalbewegungen eben danach streben, Identifikations- möglichkeiten mit der Nation zu schaffen, soll hier der Frage nachgegangen werden, wie eine solche emotionale Bindung mit der Nation geschaffen bzw. verstärkt werden kann und über welche Kriterien dies erfolgt. Sowohl Hroch als auch Bieber weisen in diesem Zusammenhang auf die überragende Bedeutung

10 von Krisen für die emotionale Bindung an eine Nation hin (vgl. ebd.; Bieber 2005: 29f.). Bieber definiert eine Krise dabei als „Moment, in dem eine fundamentale Eigenschaft einer Gesellschaft oder eines politischen Systems nicht mehr funktionsfähig ist“ (ebd.). Solche Krisen können ideologischer, wirtschaftlicher oder institutioneller Natur sein. Der Einzelne wird durch solche Krisen verunsichert, wodurch die Möglichkeit eröffnet wird, dass er sich zur Kompensation dieser Verunsicherung der Nation hinwendet (vgl. ebd.). Die Hinwendung zur Nation kann dabei, wie Hroch erläutert, einem Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Nationen oder Gruppen, einem Gefühl der Unterlegenheit gegenüber solchen oder dem Drang nach Würde geschuldet sein (vgl. Hroch 2005: 202f.). Ob solche „emotionalen Kollektivwerte“ (ebd.: 203) auf realen Tatsachen beruhen, ist dabei nicht vorrangig, viel wichtiger ist der Glaube des Kollektivs an solche Vorstellungen, wie Bieber im Zusammenhang der in den 80er-Jahren in Jugoslawien aufkommenden Diskussion um die Wirtschaftskrise und den scheinbaren oder tatsächlichen Vorteil einzelner Nationen gegenüber anderen innerhalb des Vielvölkerstaates Jugoslawien betont. Seiner Ansicht nach führte dabei neben der wirtschaftlichen Krise Jugoslawiens, auch die durch den Zusammenbruch des Ostblocks ausgelöste ideologische Krise, welche in Jugoslawien schließlich auch mit einer institutionellen Krise einherging, dazu, dass die Einwohner Jugoslawiens sich immer mehr aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit in der Opferrolle sahen. Diese Interpretation der Verhältnisse wurde von den gesellschaftlichen Eliten des Landes gefördert und genutzt (vgl. Bieber 2005: 30-32). Da für den Zusammenhang dieser Arbeit aber weniger die historischen Entwicklungen, welche zur Nationalisierung der gesellschaftlichen und politischen Realität Jugoslawiens führten, als vielmehr die den politischen Diskurs in Serbien im Jahre 1996 dominierende nationalistische Ideologie von Bedeutung ist, bleibt die historische Entwicklung der Nationalisierung der serbischen Gesellschaft hier ausgespart. Das weitere Augenmerk der Arbeit liegt stattdessen auf der inneren Struktur des serbischen Nationalismus.

2.3 Die Nation als Körper/Organismus

Wie in obiger Besprechung angeschnitten wurde, führten die Krisen Jugoslawiens zu einer Betonung der Opferrolle der eigenen Nation. Damit einher ging die Konstruktion eines von den anderen Nationen ausgehenden Bedrohungsszenarios, was den Homogenisierungsdruck nach innen und die Abgrenzung nach außen verstärkte und letzten Endes dazu führte, dass die Nationen, sowohl die serbische als auch alle anderen, zunehmend personalisiert wurden. So starke Gefühle wie Liebe oder Hass, die sonst nur Einzelpersonen entgegengebracht werden, konnten infolgedessen auch gegenüber ganzen Nationen empfunden werden (vgl. Hroch 2005: 204). 11

Eng mit der Personalisierung von Nationen verknüpft ist die Wahrnehmung dieser als Körper. So entsteht nach Milosavljević aus einer solchen Wahrnehmung heraus unter anderem das Bedürfnis, den Körper der eigenen Nation vor 'Infektionen', also vor 'Fremdkörpern', zu schützen, welche durch andere 'kranke' Nationen übertragen werden. Zudem verliert die einzelne Person innerhalb eines solchen Wahrnehmungssystems das Recht auf ein eigenes Wesen und eigene Wünsche, da sie nur noch als kleine Zelle im gesamten Organismus 'Nation' wahrgenommen wird, die innerhalb der Nation eine ganz bestimmte Funktion innehat. Laufen die Wünsche einer Einzelperson dem Interesse des gesamten Organismus entgegen, wird sie als 'schädlich' wahrgenommen. Der Druck sich den Entscheidungen und Interessen der Machthabenden, welche nach dieser Logik das 'Gehirn' der Nation darstellen, unterzuordnen, wird dementsprechend enorm. Zudem werden die Machthabenden gegen Kritik immunisiert, da sie nicht aus persönlichem Interesse handeln, sondern im Interesse des ganzen Organismus, dessen wichtigstes Organ sie darstellen. Kritik an der herrschenden Macht wird dadurch als Verrat am Volk und als schadhaft für den Organismus 'Nation' interpretiert (vgl. Milosavljević 2002: 37-42). Čolović weist im Zusammenhang mit der Vorstellung von der Nation als Person auf den Umstand hin, dass das Territorium der serbischen Nation im serbischen Nationalismus oft als Körper gesehen wird. Einzelne geographische Erscheinungen haben in diesem Zusammenhang dann die Funktion verschiedener Körperteile. So etwa die Drina, welche konstant als das Rückgrat der serbischen Nation verstanden wird, weshalb sie auch nicht die Funktion eines Grenzflusses einnehmen kann, außer natürlich die serbische Nation wurde zerstückelt. Andere Flüsse erscheinen dann oft als Arterien, Berge als die Lungen der Nation (vgl. Čolović 1997: 50). Eng mit der Vorstellung des Territoriums der serbischen Nation als Körper verknüpft, ist auch die Vorstellung vom 'Volksgeist', im Sinne eines unveränderlichen Wesens der Nation, welcher dieses Territorium bewohnt. Das Territorium wird so zu einem 'geistigen' Territorium, welches, so Milosavljević, zurückerobert werden muss, will man die 'geistige Einheit' der Nation wiederher- stellen (vgl. Milosavljević 2002: 44f.). Čolović verortet in diesem Zusammenhang eine Art mythologischer Genetik in der Ideologie des serbischen Nationalismus. So wird das nationale 'Wesen' bzw. der 'Volksgeist' nicht allein über die Mutter weitergegeben, sondern auch über die mit Blut getränkte Erde. Das 'geistige' Territorium der Nation erhält dann die Funktion einer „etničke materice“ (Čolović 1997: 24), die Nation erscheint damit selbst als 'Mutter'.3 Gerade in der Vorstellung der Nation als 'Mutter' kommt der Glaube an eine biologische Verwandtschaftsbeziehung im Sinne ethnischer Zugehörigkeit zwischen den Angehörigen der serbischen Nation zum Ausdruck. Die Nation wird zu einer biologischen Kategorie, welche das

3 Eine andere weit verbreitete Vorstellung ist die der Nation als 'Schwester' oder 'Geliebte' (vgl. Čolović 1997: 46). 12

Wesen des Einzelnen determiniert. Die Individualität des Einzelnen, welche die Einheit der Nation gefährdet, wird so generell unmöglich bzw. geht sie mit Entwurzelung einher. Dieser Vorwurf wird von nationalistischer Seite insbesondere Kosmopoliten gemacht, welche als Egoisten verunglimpft werden (vgl. Milosavljević 2002: 41). Die Nation und die Zugehörigkeit zu dieser wird auf diese Weise zu etwas Natürlichem, Unverfälschtem und in letzter Konsequenz Authentischem, dabei bestimmen als objektiv gegeben erachtete Kriterien den natürlichen Organismus 'Nation' und die Identifikation mit diesem. Bevor auf diese näher eingegangen wird, soll aber erst dieses Streben nach Natürlichkeit erklärt werden.

2.4 Natürlichkeit und Authentizität der serbischen Nation

Ivan Čolović erachtet in seiner Analyse des serbischen Nationalismus die Natur als „velika boginja“ (Čolović 1997: 29) in der Vorstellungswelt über die 'Nation' und zwar nicht nur der serbischen. Die Wahrung der Natürlichkeit und damit des Wesens der serbischen Nation scheint dabei nur durch absolute Abschottung gegenüber äußeren Einflüssen möglich, die, wie eingangs im Zusammenhang mit der Vorstellung von der Nation als Person beschrieben, als schädliche Fremdkörper angesehen werden. Problematisch ist eine solche Abschottung aber insofern, als diese fremden Einflüsse, wie Milosavljević anmerkt, ja nicht per se schlecht sein müssen, sondern mit ihnen in Vergangenheit und Gegenwart oft Fortschritt und Modernisierung einhergingen und -gehen (vgl. Milosavljević 2002: 177-183). Die Weigerung, Fremdes anzunehmen, bedeutet damit in letzter Konsequenz Rückständigkeit. Wie kann aber die aus dieser Rückständigkeit resultierende Inferiorität zu einem positiven und erstrebenswerten Wert innerhalb des serbischen nationalistischen Diskurses umgedeutet werden? Živković stellt, um zu einer Antwort auf diese Frage zu gelangen, den serbischen nationalistischen Diskurs in den breiteren Kontext des geopolitischen Imaginariums von Europa. Dieses sieht er von einer Ost-West-Achse, welche die symbolische Geographie des Kalten Krieges darstellt, und einer Nord-Süd-Achse bestimmt, welche er als „gradijent omalovažavanja“ (Živković 2012: 59) bezeichnet. Innerhalb dieses Koordinatensystems zeichnen jene Nationen, welche sich im Norden und Westen befinden, Zivilisation, Rationalität, Humanismus, Demokratie und Toleranz aus, während jene, die sich im Süden und Osten befinden, Barbarei, Irrationalität, religiöser Wahn, Patriarchat und Intoleranz prägen. Im Laufe der 80er-Jahre versuchten einige Intellektuelle aus Osteuropa diese Stigmatisierung abzuschütteln, indem sie den alten Begriff 'Mitteleuropa' wiederbelebten, sich so aus 'Osteuropa' ausklinkten und die damit einhergehende Stigmatisierung weiter nach Osten verlagerten. Jugoslawien, das bis dahin als 'westlicher' als Osteuropa gegolten hatte, wurde damit weiter nach Süden verrückt und mit Anfang der 90er-Jahre als Teil des 'Balkan' 13 im Gegensatz zu 'Mitteleuropa' definiert. (vgl. ebd.: 58-62). Garton Ash brachte diesen Gegensatz folgendermaßen auf den Punkt: Now the message was: If you had Western Christianity, the Austro-Hungarian empire and brown coffee with Schlagobers […], then you were predestined for democracy. Orthodox, Ottoman Empire, Turkish coffee: Doomed to dictatorship! (Ash 1997: C01; zitiert nach Živković 2012: 62)

Dabei ist mit Todorova zu bemerken, dass der Balkan in dieser Vorstellung eben nicht als etwas fundamental Anderes, wie der Orient gesehen wird. Letzterem werden durchaus auch positive Eigenschaften zugeschrieben, insofern als er als Projektionsfläche für die eigene Phantasie und sexuelle Reize dient. Der Balkan gilt stattdessen als etwas unvollkommen Eigenes, dem meist keinerlei positive Attribute zugesprochen werden. Dementsprechend weist sie etwa darauf hin, dass im Diskurs über den Orient vor allem weibliche Attribute hervorgekehrt werden, wohingegen im Diskurs über den Balkan so gut wie ausschließlich männliche Attribute Verwendung finden (vgl. Todorova: 31-37). Während die von Todorova beschriebene Einstellung zum Balkan sicherlich die dominante ist, weisen sowohl Čolović als auch Živković darauf hin, dass von Seiten einzelner westeuropäischer Intellektueller die Valenzen des Balkandiskurses immer wieder umgedreht wurden (vgl. Čolović 1997: 29; Živković 2012: 85f.). So stellt Čolović für Serbien fest, dass einige europäische Reisende, Philosophen und Schriftsteller „koji su tokom protekla dva veka (a neki čak i u naše ) u Srbiji otkrivali zemlju čiji narod, prkoseći izazovima civilizacije, očuvao prvobitnu vezu sa prirodom.“ (Čolović 1997: 29) Nachdem der Balkan zu Europa gehört, also nicht etwas fundamental Anderes, sondern ein als unvollkommen angesehener Teil des Eigenen ist, erkennen diese westlichen Intellektuellen in der vermeintlichen Naturverbundenheit der Balkanvölker etwas, das dem Westen abhanden gekommen ist und das sie dementsprechend dort vermissen. Doch die aus dem geopolitischen Imaginarium Europas resultierenden Dichotomien werden, wie Živković ausführt, auch innerhalb des Balkans und innerhalb Jugoslawiens rekursiv wiederholt. So versuchen Slowenien und Kroatien, die Stig- matisierung weiter nach Süden und Osten abzuwälzen, und präsentieren sich selbst als dem Westen zugehörig. In den Augen jener westlichen Intellektuellen, die die Valenzen des dominanten Balkan- diskurses umkehren, erscheinen diese Nationen als von der westlichen Dekadenz und damit verbunden von Unnatürlichkeit und Seelenlosigkeit, infiziert und identitätslos (vgl. Živković 2012: 63-68). Wie Živković feststellt, muss sich die Selbstdarstellung der Serben mit beiden Einschätzungen des Balkans auseinandersetzen: „Tako bi srpske reakcije na zapadnjačko stereotipiziranje mogle da se rasporede od pola potpunog prihvatanja negativne procene, do maksimalnog korišćenja pozitivnog vrednovanja, sa svim posrednim nijansama.“ (Živković 2012: 88) Die maximale Betonung jener 14 positiven Valenzen, so Živković weiter, kommt dabei einer Selbstexotisierung gleich, die sich im Falle Serbiens an zwei Strategien orientieren kann: Einerseits ist es möglich, das byzantinische Erbe positiv zu bewerten. Da dieses aber in den Augen des Westens orientalisch und damit minderwertig erscheint, ist diese Strategie problematisch. Andererseits kann die unterstellte balkanische Primitivität als etwas 'Vitaleres' und 'Realeres' als das 'dekadente' und 'müde' Europa dargestellt werden. In letzterem Fall muss die Natürlichkeit des serbischen Volkes maximal verteidigt werden, da nur sie die Lebenskraft des Volkes garantiert (vgl. ebd.: 88-90). Čolović unterscheidet in diesem Zusammenhang drei Ebenen, auf denen diese Lebenskraft nach nationalistischer Ansicht bedroht wird: „Najpre, na nivou porodičnog života u obliku etnički mešovitih brakova, iz kojih potiču deca koja unose zbrku u prirodan red stvari“ (Čolović 1997: 30), auf der zweiten Ebene im Bild „Jugoslavije kao neprirodne konstrukcije“ (ebd.: 34) und „odvratnog koktela naroda, vera, jezika i pisama“ (ebd.) und auf der dritten Ebene von Amerika als Inbegriff der westlichen Welt, das ebenso ein unnatürliches Konstrukt darstellt und welches als Weltmacht Serbien gefährdet, da es ein Imperium des Bösen errichten möchte. Wie Čolović weiter beschreibt, resultiert dieses Bedrohungsszenario oft in der Phantasie von der völligen Abkapselung von der Welt, welche dadurch aber erst recht wieder Serbien mit der Welt verbindet, insofern als das serbische Volk durch diese Abkapselung seine Natürlichkeit und sein einzigartiges Wesen bewahrt und damit der restlichen Welt als Beispiel dient (vgl. ebd.: 87f.). Wie sich also zeigt, ist im serbischen nationalistischen Diskurs die Vorstellung von der Nation als Person eng mit der Vorstellung einer ursprünglichen Natürlichkeit verbunden, welche, obwohl sie mit Rückständigkeit einhergeht, von serbisch nationalistischer Seite positiv bewertet wird. In der Folge sollen nun jene Kriterien näher behandelt werden, die die 'Nation' als Person definieren und daher unbedingt bewahrt (oder wiederentdeckt) werden müssen, um die Natürlichkeit der Nation zu wahren.

15

2.5 Inklusions- und Exklusionskriterien

Für Nationen, die sich primär an einem objektiven Nationsbegriff orientieren, zählt Weichlein im Allgemeinen Sprache, Abstammung, Kultur und Religion zu den wichtigsten Kriterien, die die Zugehörigkeit zur Nation definieren (vgl. Weichlein 2012: 9-21). Während Weichlein aber diese Kriterien gleichberechtigt nebeneinander stellt, scheint es für die Besprechung des serbischen Nationalismus angebracht, auf das spezielle hierarchische Verhältnis dieser Kriterien zueinander näher einzugehen. Nachdem die serbische Nation, wie dargestellt, im serbischen Nationalismus als Person vorgestellt wird, ist es nicht weiter verwunderlich, wenn Milosavljević feststellt, dass das bestimmende Kriterium für die Zugehörigkeit zur serbischen Nation die ethnische Zugehörigkeit bzw. die gemeinsame Abstammung der Nationsangehörigen darstellt, da eben diese die einzelnen 'Zellen' des Organismus der Nation miteinander verbindet (vgl. Milosavljević 2002: 37). Als Beweis für die gemeinsame Abstammung dienen die gemeinsame Geschichte und die gemeinsame Sprache, wobei letztere auch als Kriterium der In- bzw. Exklusion fungiert. Da im serbischen Nationalismus zudem die eigene Nation als von fremden Einflüssen verunreinigt empfunden wird, was eine Erklärung für die misslichen Zustände in der Gesellschaft bietet, besteht innerhalb des nationalistischen Diskurses keine Einigkeit darüber, in welcher kulturellen Tradition das durch die gemeinsame Abstammung bestimmte Wesen der Nation am besten zum Ausdruck kommt. Insofern scheint es angebracht, das Kriterium der Kultur, wenngleich prinzipiell dem Kriterium der Abstammung untergeordnet, gesondert zu behandeln.

2.5.1 Abstammung

2.5.1.1 Geschichte als Beweis für eine gemeinsame Abstammung Als Hauptargument für die gemeinsame Abstammung einer Gruppe wurde und wird laut Hroch oft die Geschichte herangezogen, welche dann dazu dient, die Existenz einer Nation zu legitimieren und Ansprüche in der Gegenwart zu stellen, denn die von der Nationalgeschichtsschreibung vorgenommene ganzheitliche Erfassung der Geschichte einer Nation von ihren Anfängen bis zur heutigen Zeit schafft den Eindruck einer ununterbrochenen Ahnenfolge der Mitglieder einer Nation. Je weiter die Wurzeln einer Nation dabei in die Vergangenheit zurückreichen, desto größer erscheint ihre Existenzberechtigung und desto dringender ihre Ansprüche in der Gegenwart (vgl. Hroch 2005: 148-152). Dementsprechend ist es auch für den serbischen Nationalismus besonders wichtig, das eigene Volk als möglichst alt darzustellen, um den Wurzeln der Nachbarvölker zuvorzukommen und so zu beweisen, dass diese eigentlich von den Serben abstammen. Dadurch erhalten die Ansprüche der 16 serbischen Nation mehr Bedeutung als die anderer Nationen (vgl. Milosavljević 2002: 156f.). Aus diesem Grund wurde in den 80er-Jahren die These von den Serben als dem ältesten Volk des Balkans wieder besonders populär, die bereits im 19. Jahrhundert entstanden war. Wie Živković darstellt, existieren in diesem Zusammenhang zwei unterschiedliche Theorien über die Urheimat der Serben. Zufolge der ersten befindet sich die Urheimat der Serben in Indien, was vor allem durch den Umstand zu untermauern versucht wird, dass in den Veden das Wort 'Srbinda' vorkommt, welches nach dieser Theorie gleichbedeutend mit der Bezeichnung für die Serben 'Srbendi' ist. Zufolge der zweiten befindet sich die Urheimat der Serben im heutigen Ostserbien, wo Fundstücke der Lepinski Vir-Kultur von ca. 6.000 v. Chr. gefunden wurden. Die Kontinuität zwischen dieser und dem heutigen Serbentum wird in der gemeinsamen patriarchalischen Prägung der Gesellschaft gesehen (vgl. Živković 2012: 190-194).

2.5.1.2 Sprache als Beweis für eine gemeinsame Abstammung Als besonders offensichtlicher Beweis für die gemeinsame ethnische Abstammung der Mitglieder einer Großgruppe wurde oft auch die Sprache herangezogen. Sie stellt nach Hroch für den nationalistischen Diskurs nicht nur ein Kommunikationsmittel dar, sondern dient auch als Identifikationsmittel, da sie besonders gut geeignet ist, soziale Großgruppen nach außen von anderen Gruppen abzugrenzen und nach innen ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen (vgl. Hroch 2005: 178). Sowohl Weichlein als auch Čolović erachten vor allem die Philosophie Herders als besonders bedeutend für die nationalistische Sichtweise auf Sprache, wobei beide betonen, dass die Rezeption Herders äußerst selektiv erfolgte (vgl. Weichlein 2012: 9; Čolović 1997: 32). Nach Weichlein stellte die Sprache für Herder eine geistige Macht dar, welche ein Volk zu etwas Unverwechselbarem macht. Das Kollektiv erhält durch die Sprache seine Identität und wird über den gemeinsamen Gebrauch einer Sprache zum 'Publikum', worunter Herder ein Kollektiv versteht, das öffentlich sichtbar und handlungsfähig ist (vgl. Weichlein 2012: 10f.). Der Volksgeist manifestiert sich also in der Sprache des Volkes und umgekehrt macht die Sprache ein Kollektiv zu einem Volk. Herder formulierte seine Philosophie dabei betont kosmopolitisch und urteilte nicht über die Völker, sondern sah sie aufgrund ihrer Unterschiede als Teil einer göttlichen Harmonie (vgl. Čolović 2008: 37). Eben dieser kosmopolitische Grundgedanke Herders ging aber in der nationalistischen Ideologie verloren und musste der Überzeugung von der Superiorität des jeweils eigenen Volkes Platz machen. Die Sprache selbst definieren in diesem Zusammenhang nach Čolović im serbischen Nationalismus zwei widersprüchliche Vorstellungen: Einerseits erscheint die Sprache gegenüber allen Verände- 17 rungen resistent, weshalb sie auch als Bewahrer des Volksgeistes wahrgenommen wird. Andererseits wird die Sprache aber als schwach und von fremden Einflüssen bedroht gesehen. In der tristen Gegenwart Serbiens, in welcher der Volksgeist aufgrund verschiedener schädlicher Einflüsse (die türkische Herrschaft, der Kommunismus, der westliche Materialismus) nicht mehr direkt zugänglich ist, kam den Schriftstellern und Dichtern während der 80er- und 90er-Jahre besondere Bedeutung zu. Denn nach dieser Auffassung können nur diese aufgrund ihres besonderen Sprachgefühls über die Sprache zurück in das verschüttete Wesen der Nation finden. In diesem Sinne tätigen sie dann aber keine individuellen Aussagen mehr, sondern werden zum Sprachrohr der höheren Wahrheit des Volksgeistes. Die Unterscheidung zwischen individuellem und nationalem Bewusstsein wird so aufgehoben, der Schriftsteller zum Propheten der Wiedergeburt der Nation (vgl. ebd.: 37-41). So waren es auch Schriftsteller die im Laufe der 80er-Jahre verstärkt nationalistisches Gedankengut in ihre Werke einfließen ließen (etwa Gojko Đogo, Matija Bećković oder Rajko Petrov Nogo) und so mit dafür sorgten, dass nationalistische Ideen in den öffentlichen Diskurs Einzug hielten (vgl. Živković 2012: 221f.).

2.5.2 Kultur

Živković unterscheidet in Bezug auf den serbischen Nationalismus drei verschiedene Bedeutungen des Begriffs 'Kultur'. So kann unter 'Kultur' einerseits 'Bildung', welche den Menschen veredelt, andererseits aber auch ein kollektives Set von Werten und Vorstellungen verstanden werden, welches als Ausdruck eines kollektiven Geistes Großgruppen voneinander unterscheidet. Drittens kann 'Kultur' als Mittel zur sozialen Distinktion gesehen werden. In diesem Sinne erfüllt Kultur dann vor allem die Funktion, sich selbst als kultivierter und damit besser zu präsentieren, als seine Mitmenschen (vgl. Živković 2012: 168). Für die Besprechung der 'Kultur' als Inklusions- und Exklusionskriterium scheint es angebracht, von dieser Bedeutung des Begriffs 'Kultur' als Kennzeichen sozialer Distinktion auszugehen. Wie bereits im Zusammenhang mit der positiven Bewertung der Natürlichkeit und Authentizität der serbischen Nation besprochen wurde, wird der Balkandiskurs des Westens auch innerhalb des Balkans angewandt. Die Kultur der serbischen Nation wird dabei als der Kultur der Nachbarn überlegen dargestellt. Sie erscheint als einzig wahre europäische Kultur, die nach Süden und Osten hin vor der Barbarei verteidigt werden muss, welche in der Form des Islam Europa bedroht. Nach Norden und Westen hin bewahrt die serbische Nation ihre einzigartige Kultur dagegen vor dem blinden Fortschrittsglauben und Materialismus des Westens, welcher die Nationen Westeuropas von ihrer authentischen Kultur entfremdete und auch die Kroaten und Slowenen dazu brachte, ihre Identität zu verraten. Die Verteidigung der Einzigartigkeit der nationalen Kultur vor dem 18 gleichmachenden Kosmopolitismus des Westens wird oft als Verteidigung der kulturellen Vielfalt dargestellt. Dabei ist dieses Eintreten für Vielfalt und Originalität der verschiedenen Kulturen aber nur ein scheinbares, da sich dahinter der Glaube an die Superiorität der serbischen Kultur verbirgt, der eine messianische Rolle zukommt (vgl. Čolović 2008: 12f.). Die serbische Kultur wird aber nicht nur von außen, sondern auch von innen bedroht und zwar in Form jenes Teils der Bevölkerung, der sich nicht ausreichend mit der eigenen Kultur identifiziert. Jedoch herrscht unter den serbischen Nationalisten keine Einigkeit darüber, welche Kultur jetzt eigentlich die wahre serbische ist, weshalb der Vorwurf, der jeweils andere sei 'kulturlos' bzw. 'gefährde' oder 'verrate' die ursprüngliche serbische Kultur auch wechselseitig geäußert wurde (vgl. ebd.: 15f.). Allgemein kann man mit Lüsebrink zwischen drei verschiedenen Dimensionen unterscheiden, unter denen kulturelle Erscheinungen zu Einheiten zusammengefasst werden können: eine territorial- geographische (Lokal-, Regional-, Kontinentalkulturen, westlicher, östlicher Kulturkreis), eine soziale oder soziokulturelle (bürgerliche oder bäuerliche Kultur, Arbeiterkultur) und eine religiöse (christliche, islamische, jüdische, oder auch katholische, protestantische, orthodoxe Kultur) (vgl. Lüsebrink 2006: 12f.). Im Fall des serbischen Nationalismus zogen die unterschiedlichen Strömungen je verschiedene Dimensionen heran, um die serbische Nationalkultur zu definieren. So kann man nach Živković idealtypisch zwischen den verschiedenen politischen Hauptströmungen in Serbien während der 90er-Jahre unterscheiden: Pojednostavljeno rečeno, vi ste kao srpski nacionalista glavne struje mogli da prihvatite vizantijsku elitističku poziciju, ili populističku (seljačku) poziciju, da pokušate da ove dve spojite, ili čak da se predstavite kao zapadni demokrata srpskog nacionalnog opredeljenja. Kao antinacionalista, morali ste da usrdno prigrlite evropske ili zapadnjačke ideale, i prikažete ih kao idealizovani univerzalni kosmopolitizam, protivan onom što vidite kao oksimoron 'srpski nacionalistički demokrata'. (Živković 2012: 186f.)

Wie sich aus diesem Zitat ergibt, sind die byzantinische Kultur (religiöse Dimension) und die Kultur der Landbevölkerung (soziokulturelle Dimension) für den serbischen nationalistischen Diskurs am bestimmendsten, sie werden beide als Inbegriff des serbischen nationalen Volksgeistes begriffen.

2.5.2.1 Die serbische ländliche Kultur Die Kultur der ländlichen Bevölkerung wurde nach Čolović vor allem im Gegensatz zur urbanen Kultur, welche aufgrund ihrer Heterogenität die kulturelle Einheit der Nation gefährdet, als Aus- druck des nationalen Volksgeistes definiert (vgl. Čolović 2008: 15f.). Dabei wurde die ländliche Bevölkerung, wie Živković hervorhebt, zwar insbesondere aber nicht nur vonseiten des serbischen Regimes zu besonders urtümlichen und unverfälschten Vertretern der Nation stilisiert, sondern auch

19 innerhalb der Opposition wurde von intellektueller nationalistischer Seite die bäuerliche Kultur als Inbegriff der Nationalkultur betrachtet, nicht zuletzt weil die urbane Elite selbst meist noch direkte Wurzeln in der Bauernschaft hatte. Sich selbst begriffen sie dabei als durch 'Bildung' veredelt, ohne dass sie deswegen die Verbindung zum bäuerlichen Volksgeist verloren hätten (vgl. Živković 2012: 173f.). Aus diesem Selbstbild lässt sich das Gejammer über den Sittenverfall des serbischen Volkes in den Städten verstehen. Für diesen wurden vor allem die in der Zeit Miloševićs verstärkt vom Land in die Stadt gezogenen Menschen verantwortlich gemacht, von denen viele in der Folge Teil jener Welt von Halbkriminellen und Mafiabossen wurden, die in dieser Zeit zu blühen begann und engste Verbindungen mit dem Regime aufwies. Der Vorwurf lautete in diesem Zusammenhang aber nicht, dass sie 'Bauern' im pejorativen Sinn waren, sondern dass sie keine authentischen Bauern mehr waren, insofern als sie einerseits kein bäuerliches Leben mehr führten, andererseits aber auch keine 'Bildung' erlangt hatten (vgl. ebd. 175-179). Dieser „polu-seljak-polu-građanin“ (vgl. ebd.: 174) wurde schließlich zum Symbol für die ganze Gesellschaft, welche irgendwo zwischen Modernität und Tradition, Provinzialität und Kosmopolitismus festzustecken schien.

2.5.2.2 Orthodoxie und byzantinische Hochkultur Wie Živković darstellt, war es vor allem die Opposition, die die byzantinische Hochkultur als authentische Wurzel der serbischen Nation ansah und so den eigenen Nationalismus dem 'zynischen Nationalismus' Miloševićs gegenüberstellte (vgl. Živković 2012: 163). Da die Vorstellung innerhalb Serbiens weit verbreitet ist, wonach in den '500 Jahren unter den Türken' vor allem die Kirche als Wahrerin der byzantinischen Kultur fungierte, kommt diese ins- besondere in der Orthodoxie zum Ausdruck (vgl. ebd.: 207). Die Orthodxie wird dementsprechend ebenso zu einem Kriterium, dass die Zugehörigkeit zur serbischen Nation definiert, wobei mit Milosavljević festzustellen ist, dass sie der ethnischen Zugehörigkeit als Kriterium untergeordnet bleibt, da Angehörige anderer Glaubensrichtungen, etwa Bosniaken, Kroaten und Slowenen, eben nicht aufgrund ihres unterschiedlichen Glaubens zu Angehörigen anderer Nationalitäten werden, sondern als ethnische Serben wahrgenommen werden, die ihren Glauben gewechselt haben, was oft auch als 'Verrat' gesehen und mit Charakterschwäche in Verbindung gebracht wird (vgl. Milosavljević 2002: 52). Die byzantinische Kultur selbst wurde außerdem als der westlichen Kultur überlegen dargestellt, da sie für authentischer erachtet wurde, nicht zuletzt weil sie lange vor Europa einen hohen Status an Kultiviertheit erlangt hatte. Dies kommt besonders gut in der Verherrlichung des Reiches Dušans des Mächtigen durch Marko Mladenović zum Ausdruck, wonach „se na dvoru cara Dušana služilo zlatnim viljuškama i kašikama u vreme kada su na zapadu čerečili meso divljih veprova golim 20 rukama“ (Mladenović 1989: 24; zitiert nach: Milosavljević 2002: 114f.). Die verlautbarte Überlegenheit der byzantinischen Kultur über die westliche und die Verknüpfung ersterer mit der Orthodoxie erklären schließlich, wie das serbische Volk zu einem 'nebeski narod' werden konnte bzw. wie der nationalistische Diskurs auch religiös aufgeladen wurde (vgl. Milosavljević 2002: 52f.). Nachdem dargestellt wurde, welche Kriterien im nationalistischen Diskurs herangezogen werden, um bestimmte Menschen als Teil der Wir-Gruppe zu definieren, andere aber von ihr auszuschließen, soll in der Folge dargestellt werden, welche Rolle Stereotype, also die Zuschreibung kollektiver Charaktereigenschaften, bei der Wahrnehmung der eigenen Wir-Gruppe und der Gruppe der Anderen spielen.

2.6 Stereotype

2.6.1 Allgemein

Wolfgang Manz definiert das Stereotyp als prägnante „Akzentuierung ausgewählter Elemente der Umwelt in einer einfachen, entscheidungserleichternden Formel“ (Manz 1968: 2), wobei diese „'Bilder in unserem Kopf' mit der 'äußeren Welt' durchaus nicht übereinstimmen müssen und dennoch das Handeln des Menschen im sozialen Feld stärker beeinflussen und steuern als die objektiven Bedingungen“ (ebd.: 3). Dementsprechend versteht auch Lüsebrink Stereotype als „reduktionistische Ordnungsraster“ (Lüsebrink 2005: 88), die helfen die viel zu komplexe Wirklichkeit überschaubar zu machen, insofern sind sie „kognitiv notwendig und dienen der individuellen und sozialen Orientierung“ (ebd.: 89; Hervorhebung im Original). Wie Manz feststellt, hat sich der Begriff 'Stereotyp' im Laufe der Forschungsentwicklung „auf eine ganz bestimmte Form der Beschreibung durch Aufzählen typischer Eigenschaften einer Gruppe“ (Manz 1968: 4) verengt. Von dieser Verengung ausgehend kann man weiters zwischen Auto- und Heterostereotypen unterscheiden, wobei erstere als Selbstbilder einer Gruppe zu verstehen und überwiegend positiv besetzt sind, während letztere als Fremdbilder über andere Gruppen überwiegend negativ besetzt sind (vgl. Hroch 2005: 210). Da für die vorliegende Arbeit vor allem nationale Stereotypen von Interesse sind, soll nach diesem knappen allgemeinen Überblick noch etwas näher auf die Entstehung und Funktionsweise nationaler Stereotype eingegangen werden. Worin genau besteht die Grundlage von nationalen Stereotypen? Gerade im für den Zusammenhang

21 dieser Arbeit zentralen öffentlichen Diskurs ist mit Milosavljević vor einer Überbewertung der Bedeutung von persönlichen Erfahrungen, etwa durch enge Nachbarschaft, bei der Entstehung nationaler Stereotype zu warnen (vgl. Milosavljević 2002: 21-27). So zeigt sie, dass auf der öffentlichen Ebene die Form nationaler Stereotype über die Zeit gleich bleibt, sich aber je nach den aktuellen politischen Ansprüchen das nationale Kollektiv, auf das sich ein Stereotyp bezieht, ändert. Entsprechend sieht sie in Bezug auf die öffentliche Ebene nationale Stereotype als Ergebnis unmittelbarer politischer Ansprüche: Analizom istoriografskih, etnografskih, politoloških knjiga objavljivanih u ovom veku, a koje su za predmet analize uzimale odnose između južnoslovenskih ili balkanskih naroda, može se sa velikom siturnošću [sic!] zaključiti da su stereotipi o drugima razvijani u sasvim konkretnim političkim uslovima […]. (Milosavljević 2002: 185)

Stereotype definiert sie insofern auch als Hilfsmittel in der politischen Argumentation, also als uprošćeni bespogovorni argumenti, tj. kao dogmatske automatske poštapalice. Dogmatske su zato što se o njima ne raspravlja, oni se podrazumevaju; automatske su zato što se o njima ne razmišlja, izlaze sami od sebe, spontano, iz glave; poštapalice su zato što se ubacuju tamo gde nema reči, gde se hvata vazduh, ispunjava prostor. (Ebd.: 21)

Doch inwiefern können politische Interessen die Grundlage für die Schaffung nationaler Stereotype darstellen? Besteht unter den Machthabern einer bestimmten Nation etwa der Wunsch, alle Angehörigen der Nation in einem Territorium zu vereinigen, so führt dies zwangsläufig zu Konflikten mit anderen Nationen, in deren Gebiet Angehörige der eigenen Nation beheimatet sind. Der Wunsch nach Vereinigung kann dann gerechtfertigt werden, indem die Angehörigen der anderen Nation als 'minderwertig' oder 'barbarisch' dargestellt werden. Dementsprechend stellt die Eroberung dieses Gebietes einen Akt der 'Zivilisierung' dar. Wie aus dem Beispiel außerdem hervorgeht, werden, wie Milosavljević darlegt, Autostereotype primär über Heterostereotype definiert: Wenn die Mitglieder der anderen Nation barbarisch oder unzivilisiert sind und wir dieses Gebiet von den Barbaren befreien wollen, dann ist dies ein Beweis für unsere Kultiviertheit und unser Verantwortungsbewusstsein. Stereotype über die anderen ermöglichen also erst die Schaffung eines (stereotypen) Bildes der eigenen Nation: Tek pored 'prevrtljivih' Muslimana, 'divljih Arnauta', 'krvoločnih' Bugara, 'jezuitski pokvarenih' Hrvata, 'lukavih' Grka, 'remelatičkih' Srba..., 'mi' se možemo javiti kao pravdoljubivi i tolerantni, slobodarski i demokratični, pitomi i naivni, u konstantnoj poziciji ugroženosti, odnosno u stanju stalne spremnosti na odbranu. (Ebd.: 185)

Wie sich also zeigt, haben nationale Stereotype im öffentlichen Diskurs in erster Linie politische Funktion, auf diese soll bei der folgenden Besprechung der Auto- und Heterostereotype im serbischen nationalistischen Diskurs näher eingegangen werden.

22

2.6.2 Auto- und Heterostereotype der Serben

Milosavljević stellt sich in ihrer Studie U tradiciji nacionalizma eingangs die Frage, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, über Stereotype der Serben zu sprechen, oder ob das Ergebnis eines solchen Unterfangens selbst nicht zwangsläufig wieder ein Stereotyp ist. Sie stellt fest, dass die Antwort auf diese Frage unterschiedlich ausfällt, je nachdem, ob man sich auf das Objekt oder das Subjekt des Stereotyps bezieht. In Bezug auf das Objekt hält sie eine Generalisierung für gerechtfertigt, da dieses ja die gesamte Nation darstellt, sich das Stereotyp also auf die gesamte Gruppe bezieht. Die Subjekte der Stereotype sind im Gegensatz dazu einzelne Personen, die zwar gezielte Tätigkeiten setzen, die Stereotype zu verbreiten, um ihre Ziele zu erreichen, aber damit trotzdem niemals die gesamte Gruppe erreichen können. In diesem Fall ist eine Generalisierung nicht gerechtfertigt (vgl. Milosavljević 2002: 21f.). Trotzdem können, unabhängig davon wie fest die Stereotype in der Bevölkerung verankert waren, durch die Analyse vieler verschiedener Aussagen bestimmte wiederkehrende Themen nationaler Stereotype unterschieden und so ihre Bedeutung für den serbischen Nationalismus bestimmt werden. Da hier die im öffentlichen Diskurs verbreiteten Stereotype behandelt werden, kommen als Träger der Stereotype nur Personen in Frage, die über die Möglichkeit verfügen, ihre Gedanken einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, weshalb Milosavljević auch die politische und intellektuelle Elite Serbiens als diese Träger identifiziert (vgl. ebd.: 23). Wie Kecmanović feststellt, wird solchen Charakterstudien dabei vonseiten der Bevölkerung desto mehr Glaube geschenkt, je größer die Autorität des Verfassers ist (vgl. Kecmanović 2006: 433f.). In diesem Zusammenhang kann auch Milosavljevićs Erklärung für die massenhafte Wiederauflage alter Bücher über den nationalen Charakter gesehen werden. Dadurch sollten die alten Stereotype aktualisiert und ihnen der Anschein gegeben werden, tiefere Wahrheiten zu vermitteln (vgl. Milosavljević 2002: 11).

2.6.2.1 Autostereotype Kecmanović stellt bei seiner Behandlung der Autostereotype der Serben einleitend fest, dass die vielen Aussagen, welche serbische Intellektuelle über den Charakter ihres Volkes tätigten, nicht das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen waren und daher in erster Linie direktive Funktion hatten, was bedeutet, dass sie ein Idealbild vermittelten, das den Angehörigen der Nation als Vorbild dienen sollte (vgl. Kecmanović 2006: 385). Dieses Idealbild bezieht sich dabei, ebenso wie die 'wahre serbische Kultur', auf eine weit zurückliegende Vergangenheit, während das gegenwärtige Charakterbild der Serben für viele nationalistische Autoren aufgrund fremder Einflüsse nicht

23 zufriedenstellend ist (vgl. Milosavljević 2002: 131f.). Nach Živković werden im serbischen nationalistischen Diskurs vor allem die sprichwörtlichen '500 Jahre unter den Türken' als dieser schädliche Einfluss gesehen, welche oft auch mit den '50 Jahren Kommunismus' kombiniert werden (vgl. Živković 2012: 153-158). Diese haben, so die Interpretation, eine „rajinski mentalitet“ (ebd.: 155) in der Bevölkerung verbreitet, welche sich vor allem durch 'Demut' und 'Folgsamkeit' auszeichnet, was wiederum mit mangelnder moralischer Integrität und Stärke einhergeht. Živković stellt weiter fest, dass auch oft versucht wird, diesen offensichtlichen Widerspruch zum idealen Bild von den Serben als heroisch, unabhängig, stolz und in Gott vertrauend mit dem Diktum zu erklären, dass die Serben an ihren Niederlagen nicht wachsen konnten, da alle tapferen Kämpfer gestorben sind, während nur Feiglinge und Deserteure überlebt haben (vgl. ebd.: 159f.). Welche sind nun aber die positiven Autostereotype, die im serbischen Nationalismus das Idealbild der Serben bestimmen? Als Hauptcharakteristikum dieses Idealbildes des serbischen Wesens kann gelten, dass das serbische Volk 'geistige' Werte über 'materiellen' Besitz stellt. So nennt Milosavljević hier etwa Toleranz, Gastfreundschaft und Kameradschaft, deren Kehrseite etwa Naivität und Leichtgläubigkeit sind, sowie Stolz und Sanftmut als besonders häufig unterstellte Charaktereigenschaften (vgl. Milosavljević 2002: 142-151). Besonders deutlich zeigt sich die Präferenz des serbischen Volkes für das Geistige aber in dessen drei dominanten Charaktereigenschaften, die sich in den Augen serbischer Nationalisten aufgrund der historischen Erfahrungen des serbischen Volkes entwickelt haben und die jetzt das Schicksal des serbischen Volkes bestimmen, nämlich seine Leidensfähigkeit, seine Heldenhaftigkeit und sein Freiheitssinn (vgl. ebd.: 137-141). Auf diese soll in der Folge näher eingegangen werden.

2.6.2.1.1 Leidensfähigkeit Die Geschichte der Serben seit der Schlacht am Amselfeld wird, so Milosavljević, im serbischen Nationalismus als eine konstante Leidensgeschichte gesehen, da die Serben seither einem erst kulturellen und später auch biologischen Genozid ausgesetzt sind. Der Grund dafür liegt darin, dass die Serben über ein besonders stark ausgeprägtes nationales Bewusstsein verfügen, welches sie auch aktiv zu bewahren versuchen, anstatt wie andere, schwächere Völker in Schweigen und Lethargie zu verfallen (vgl. Milosavljević 2002: 132f.). Dieses Leiden verbindet die Serben, so Živković, in der eigenen Wahrnehmung mit den Juden (vgl. Živković 2012: 253). So wurde etwa von Matija Bećković das Schicksal der Serben und Juden in der NDH gleichgesetzt: „Zajedno sa Jevrejima nosili smo trake, ali izgleda najduže traju one koje su nevidljive.“ (Bećković 1989: keine Angabe; zitiert nach: Biserko 2006: 171). Und Vuk Drašković ernannte das serbische Volk zum 13. Stamm Israels: „Svaka stopa Kosova za Srbe je Jerusalim: nema razlike između patnje Srba i Jevreja. Srbi su trinaesto, izgubljeno i najnesrećnije pleme 24

Izrailjevo“ (Drašković 1985: keine Angabe; zitiert nach: Biserko 2006: 30). Gegenüber der Weltöffentlichkeit war die Darstellung des serbischen Volkes als Äquivalent zu den Juden aber wenig erfolgreich4, was der Verwendung dieses Motivs innerhalb des öffentlichen Diskurses keinen Abbruch tat (vgl. Živković 2012: 256f.). So wurde die Darstellung der Serben in westlichen Medien als 'Dämonisierung' der Serben wahrgenommen, wodurch sie zu einem 'aussätzigen' Volk würden, wie einst die Juden. Dementsprechend schrieb etwa Mihajlo Ćurić da su Srbi pretvoreni u parija-narod, da su prikovani na stub srama kao nekada Jevreji, po čudovišnoj presudi novih gospodara Evrope koji su se prošle godine arogantno umešali u događaje u našoj zemlji […]. (Ćurić 1993: keine Angabe; zitiert nach: Biserko 2006: 317).

Wie geht es nun aber zusammen, dass das serbische Volk einerseits aufgrund seines Nationalbewusstseins und seiner Unbeugsamkeit einem Genozid ausgesetzt ist und andererseits aber diesen Genozid und die damit einhergehenden Erniedrigungen und Beleidigungen bis zum heutigen Tag beinahe gleichgültig erträgt und bisher nicht in der Lage war, ihn zu stoppen? Marko Mladenović erklärt dies so: Das serbische Volk „nije dovoljno racionalan, nije dovoljno praktičan, poslovan, sračunat“ (Mladenović 1989: 25; zitiert nach: Milosavljević 2002: 134) wie andere Völker, von denen es folglich ausgenutzt und erniedrigt wurde. Die Wiedererweckung des nationalen Bewusstseins erscheint so als von den anderen Völkern provoziert und die gewalttätige Auseinandersetzung als einzige Möglichkeit, das Fortbestehen des Volkes zu sichern (vgl. ebd.). Dies führt zum zweiten maßgebenden Autostereotyp der Serben.

2.6.2.1.2 Heldenhaftigkeit Ein weiteres, weit verbreitetes Autostereotyp der Serben ist das Stereotyp vom Serben als Krieger bzw. vom serbischen Volk als Volk der Krieger. Die Serben schreiben sich selbst, wie Milosavljević ausführt, gerne eine kriegerische Mentalität zu, die sich vor allem durch 'Tapferkeit' und 'Verwegenheit' auszeichnet (vgl. Milosavljević 2002: 139). Čolović stellt dabei fest, dass diese typisch männlichen Eigenschaften im serbischen Nationalismus den Körper und das Herz des serbischen Kriegers definieren, während dessen Geist der einer Frau ist. Ihn zeichnet demnach eine 'heroische Schüchternheit' aus (vgl. Čolović 1997: 64). Durch diesen 'empfindsamen Geist' erhält das Heldentum eine humanistische Komponente, derzufolge die Kämpfer im Krieg ihren mora- lischen Instinkt und ihre moralische Reinheit unter Beweis stellen (vgl. Milosavljević 2002: 140). Neben dem 'weiblichen Geist' des Kriegers kommt diese moralische Reinheit auch im 'kindlichen Geist' des Kriegers am häufigsten zum Ausdruck, was dann oft mit der Vorstellung des serbischen Territoriums als 'Mutter' in Zusammenhang gebracht wird und mit sexueller Enthaltsamkeit

4 So wurden der Holocaust und der Zweite Weltkrieg Živković zufolge erst mit dem Krieg in Bosnien insbesondere im amerikanischen und deutschen Diskurs zu dominanten Metaphern, wobei es hier vor allem den bosnischen Muslimen gelang sich erfolgreich als neue Juden darzustellen (vgl. Živković 2012: 261f.). 25 einhergeht (vgl. Čolović 1997: 68). Im Zuge seiner Analyse der Beiträge in der Rubrik „Odjeci i reagovanja“, welche von Juli 1988 bis März 1991 in der Tageszeitung erschien, stellt Ivan Čolović fest, dass die Eigenschaften 'Tapferkeit' und 'Kriegsfertigkeit' darin weniger dem Volk als ganzem, als vielmehr einzelnen herausragenden Persönlichkeiten zugeschrieben wurden, in welche die Hoffnung gesteckt wurde, dass sie das serbische Volk von ihrem Leid befreien würden: Prema onome što sam ja tu našao, može se zaključiti da se hrabrost i ratničke osobine javljaju samo kao osobine pojedinaca, ali ne i naroda u celini. Stradalni narod ima moćne i snažne vođe, vidovite, mudre i hrabre ljude. […] Prikazi i opisi narodnog stradanja završavaju se paradoksalnim očekivanjem da će se stradanje završiti, da će se naći junak koji će narod konačno spasiti i osloboditi uloge mučenika. (Čolović 2002: 85f.)

Während zu dieser Zeit der nationalen Mobilisierung insbesondere Milošević als Retter der Serben präsentiert wurde, in dessen Windschatten auch einige andere Politiker, Priester, Künstler und Schriftsteller zu Helden ernannt wurden (vgl. ebd.: 86), wurden während des Krieges ständig neue Helden geboren (vgl. Čolović 1997: 82f.).

2.6.2.1.3 Freiheitssinn Die dritte Charaktereigenschaft der Serben, die im serbischen nationalistischen Diskurs immer wieder genannt wird, ist ihr Freiheitssinn, der auch für ihr 'Leiden' verantwortlich ist, da die Serben, wie Milosavljević darlegt, nach stereotyper Ansicht nicht klein beigeben und sich lieber opfern, als sich unterdrücken zu lassen (vgl. Milosavljević 2002: 141). Insofern geht mit dem unterstellten Freiheitssinn der Serben auch die Bereitschaft einher, für diese Freiheit zu sterben. Das wird, wie bereits erwähnt, oft auch als Erklärung für die Charakterschwächen des derzeitigen Volkes herangezogen, da nur die Feiglinge überleben, während die Tapferen im Krieg ihr Leben für die Freiheit der Nation opfern. Andererseits stellt genau diese selbstmörderische Rücksichtslosigkeit gegenüber dem eigenen Leben, wenn die Freiheit des Volkes auf dem Spiel steht, in den Augen vieler eine Charaktereigenschaft dar, die das Wesen des serbischen Volkes ausmacht, so schrieb etwa Matija Bećković bereits 1978 in seinem Gedicht „Lelek mene“: „Da nije bilo bitaka / Bilo bi nas više, ali više koga? / I bilo bi bolje, ali za koga?“ (Bećković 1978; zitiert nach: Živković: 249) Bedroht bzw. unterdrückt wird die nationale Freiheit und damit die nationale Identität immer von anderen Völkern, wie Milosavljević schreibt: „Čim se nacionalizam identifikuje on otkriva svoje prave 'neprijatelje', one kojima pripisuje onemogućavanje ispoljavanja identiteta, a to su uvijek drugi narodi.“ (Milosavljević 2002a: 81) Wer sind nun aber diese 'Anderen', die die serbische Identität unterdrücken und damit das Fortbestehen des serbischen Volkes gefährden, und welche Charaktereigenschaften werden ihnen zugeschrieben? 26

2.6.2.2 Heterostereotype

2.6.2.2.1 Allgemein Wie bereits dargestellt, sind Heterostereotype für die Bestimmung der eigenen nationalen Identität unerlässlich, da sie die Unterschiede zwischen 'einem selbst' und 'den Anderen' markieren. Milosavljević spricht in diesem Zusammenhang von einer graduellen Aktivierung der negativen Hetero-stereotype im öffentlichen Diskurs Serbiens: Pre nego što su vrednosni sudovi o 'drugima' izgovoreni u svom sirovom vidu, prolazili su kroz fazu implicitnih stavova, pa je javnost 'znala' za sva njihova 'strašna' svojstva pre nego što su eksplicitnim imenima nazvani u medijima. (Milosavljević 2002a: 80f.)

Wer waren nun aber diese 'Anderen' im serbisch nationalistischen Diskurs der 80er- und 90er-Jahre? Ivan Čolović nennt folgende: Na top listi srpskih dušmana, eksploatatora, mrzitelja i drugih krivaca za stradanje Srpskog Naroda na prvom mjestu su tih godina [88-91] bili Slovenci, sledili su Hrvati, Albanci, Muslimani, Makedonci, a zatim, u drugom krugu, stari dobri neprijatelji – Vatikan, Nemci, Austrijanci, Mađari, pa tako dalje, sve do Britanca i Amerikanca. (Čolović 2002: 86f.)

Auffallend ist hierbei, dass Čolović nicht die Türken unter den 'guten, alten Feinden' nennt, obwohl diese für vieles, was im serbischen Volk vermeintlich falsch läuft, verantwortlich gemacht werden. Milosavljević stellt fest, dass die Türken während der 80er- und 90er-Jahre zwar weiterhin als 'ewige Feinde' dargestellt wurden, welche die Serben stärker als andere Völker unterdrückt haben, dass aber im Gegensatz zu früher den Türken keine bestimmten Charaktereigenschaften mehr zugeschrieben wurden. Den Grund vermutet sie darin, dass die Türken für die aktuellen politischen Entwicklungen keine Rolle mehr spielten und es deshalb auch nicht notwendig war, ihre Rolle als 'Feind' näher zu definieren (vgl. Milosavljević 2002: 284f.). Milosavljević unterscheidet in ihrer Analyse der Heterostereotype serbischer Intellektueller des 19. und 20. Jahrhunderts zwischen vier Gruppen von 'Fremden', denen sie verschiedene Nationen aufgrund von deren Nähe/Distanz-Verhältnis zur serbischen Nation zuordnet. Dabei stellt sie fest, dass die Abwehrhaltung gegenüber der serbischen Nation nahestehenden Nationen größer ist, da eben diese Nähe bedrohlich wirkt. In diese erste Gruppe fallen jene Nationen, die Serbien geographisch gesehen am nächsten leben, also Albaner, Bulgaren, Kroaten, Bosniaken, Mazedonier und Slowenen, wobei letztere erst in den 80er-Jahren zu 'Feinden' wurden. Die zweite Gruppe bilden die 'ewigen Feinde' der Serben, nämlich die Türken und die Österreicher, die dritte hingegen 'ewige Freunde', nämlich die Russen und in jüngster Zeit auch die Griechen. Die vierte Gruppe bildet 'der Westen', womit entweder Europa, die Welt oder Amerika gemeint ist, da in den auf diesen bezogenen Stereotypen eine bestimmte Haltung gegenüber Modernität im Allgemeinen zum Ausdruck kommt (vgl. Milosavljević 2002: 186f.).

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Da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, alle diese Gruppen zu betrachten, und auch nicht zu erwarten ist, dass über alle diese Völker im Rahmen der Berichterstattung zur Handke- Kontroverse Aussagen getroffen werden, soll hier eine Einschränkung vorgenommen werden. Wie Milosavljević feststellt, hatten sich mit Kriegsende die ursprünglich nächsten Feinde der serbischen Nation, also Albaner, Kroaten, Bosniaken und Slowenen, entfernt und auch der Kommunismus war verschwunden (ebd.: 297f.). So sind „na sceni ostali samo srpski nacionalizam i 'svet'“ (ebd.: 298), weshalb die ehemals nächsten Feinde logischerweise „bili samo oružje u rukama onog pravog 'neprijatelja'“ (ebd.). Dementsprechend soll auch in der folgenden Besprechung der Heterostereo- type der Serben der vierten Gruppe, also 'dem Westen', die meiste Aufmerksamkeit geschenkt werden, wohingegen Stereotype über die am nächsten stehenden Feinde der Serben und über die 'ewigen Feinde' nur in ihrer Bedeutung als Handlanger oder wichtiger Bestandteil 'des Westens' erörtert werden sollen. Des Weiteren spielen auch die 'ewigen Freunde' der Serben in der Bericht- erstattung zur Handke-Kontroverse keine Rolle, weshalb auch diese Gruppe in der folgenden Darstellung unberücksichtigt bleibt.

2.6.2.2.2 Stereotype über 'den Westen' Der Westen und vor allem Europa werden im serbischen Nationalismus in erster Linie als nicht authentisch wahrgenommen und insofern der eigenen Natürlichkeit gegenübergestellt. Wie Čolović feststellt, herrschen nach Ansicht serbischer Nationalisten in Europa Dekadenz, Fäulnis, Vergessen und Korruption, die einem geistlosen Materialismus und Bereicherungs- und Expansionsdrang geschuldet sind (vgl. Čolović 1997: 53). Diesem Bild von Europa oder 'dem Westen' liegen im Allgemeinen verschiedene Dichotomien zugrunde: „pravoslavlje suprotstavljeno katoličanstvu, slovenstvo suprotstavljeno germanstvu, patrijarhalnost suprotstavljeno modernosti“ (Milosavljević 2002: 297), was mit der Zeit „dobilo i sadržinu duhovne 'superiornosti' prema materijalističkom ništavilu.“ (Ebd.) Diese geistige 'Überlegenheit' macht die Serben im Selbstverständnis serbischer Nationalisten auch zu Bewahrern des wahren Europa, was nach Čolović auch als polemische Antwort „na takođe mitsku predstavu o Zapadu kao otelovljenju pravde, kulture i prosperiteta“ gesehen werden kann, welche den Balkan und Serbien am Balkan mit „zaostalost, primitivizam i varavarstvo“ (Čolović 1997: 54) gleichsetzt. So stellt die katholische Kirche, wenn sie als Symbol für den Westen wahrgenommen und nicht mit den Kroaten gleichgesetzt wird, den größten Feind der Serben dar, da sie danach trachtet, die Orthodoxie zu vernichten. Die Orthodoxie ist der katholischen Kirche, wie Milosavljević in ihrer Analyse erläutert, nach Ansicht serbischer Nationalisten aus dem einfachen Grund ein Dorn im Auge, als sie selbst die Verbindung zu Gott verloren hat und dem 'imperialistischen Geist' verfallen ist. Um auch die Orthodoxen leichter beherrschen zu können, versucht sie nun unter ihnen diese 28

Verbindung zu kappen, um sie dadurch dumpf und gefügig zu machen (vgl. Milosavljević 2002: 271). Dementsprechend werden auch die südslawischen Völker katholischen Glaubens aufgrund ihrer Inkorporation in die westliche Welt als Feinde und Verräter wahrgenommen, die den Verlust des eigenen Wesens für materielle Bereicherung in Kauf genommen haben (vgl. Čolović 1997: 54). Dieser Verlust des eigenen Wesens droht dabei vor allem durch den blinden Fortschrittsglauben, der im Westen herrscht und der, so Živković, vor allem mit den Deutschen in Verbindung gebracht wird, welche als „metodični kao mašine, pedantni, posvećeni radu i lišeni smisla za humor“ (Živković 2012: 79) wahrgenommen werden. Der Fortschrittsglaube kappt dabei nach Ansicht serbischer Nationalisten die Verbindung mit der Vergangenheit, was unweigerlich zum Verlust des Wesens führt: „Umesto kontinuiteta bića, Evropa je prihvatila profanu temporalnost, istoriju shvaćenu kao progres, istoriju bez 'vertikale', bez duše.“ (Čolović 1997: 53f.) Der Westen im Ganzen stellt dagegen eine Bedrohung dar, da von ihm ausgehende Weltanschauungen, wie Kosmo- politismus und Pluralismus, die 'natürliche' Gesellschaftsordnung des Patriarchats gefährden. Dabei ist aber auch der Westen selbst aufgrund seiner Seelenlosigkeit vom Untergang bedroht (vgl. ebd.: 53). Zwei Ursachen werden im serbischen Nationalismus für die falsche Entwicklung des 'faulen' Europa bzw. Westens ausgemacht. Einerseits wird der Humanismus als Ursprung der Abkehr vom rechten Weg gesehen, da er Gott durch den Menschen ersetzte, wodurch nichts mehr von Dauer und alles relativ wurde. Andererseits verfällt Europa, weil es den authentischen Menschen und die einzige natürliche Herrschaftsform, nämlich die ethnisch reine Nation verraten hat. Anstatt es aber den Serben gleich zu tun und so den drohenden Untergang in letzter Sekunde abzuwenden, setzt der Westen alles daran, die Serben, welche insofern das schlechte Gewissen Europas darstellen, zu vernichten (vgl. ebd.: 59-62). Wie bereits angeklungen sein sollte, sind die einzelnen stereotypen Vorstellungen des serbischen Nationalismus in bestimmte narrative Zusammenhänge eingebunden, weshalb abschließend noch auf die Bedeutung von Mythen eingegangen werden soll, da in diesen, als Wesensgeschichten, die Vorstellung von der Welt, wie sie im serbischen Nationalismus vorgestellt wird, besonders prägnant zum Ausdruck kommt.

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2.7 Mythen

2.7.1 Was ist ein Mythos?

Der Begriff 'Mythos' ist eine Entlehnung von griechisch mỹthos, was „Wort, Erzählung“ (Kluge 1883: 641) bedeutet. Anamaria Dutceac Segesten stellt fest, dass dieser Begriff im Griechischen nach Aristoteles dem Begriff 'Logos' entgegengestellt war „to signify the irrational, emotional, impulses of human behaviour, the poetic side of the mind.“ (Dutceac Segesten 2011: 75) Dement- sprechend definiert auch Reinhard Lauer den Mythos einerseits als eine Denkform, andererseits als „die Tradierung von Inhalten, die dieser Denkform unterzogen werden.“ (Lauer 1995: 105)

2.7.1.1 Das Mythische Denken nach Ernst Cassirer Die für den Mythos besondere Denkform hat Ernst Cassirer eingehend untersucht. Er analysiert das mythische Denken im Vergleich mit dem empirisch-theoretischen Denken der Naturwissenschaft und stellt fest, dass sich die beiden Denkformen vor allem in Bezug auf ihren Objekt- und Kausalitätsbegriff unterscheiden (vgl. Cassirer 1987: 39f.). Das empirisch-theoretische Denken, so Cassirer, kennzeichnet sich vor allem dadurch, dass es zwischen verschiedenen Realitäts- und damit auch 'Objektivationsstufen' unterscheidet. So sucht es nach abstrakten Systemen, die den sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen zugrunde liegen, wobei dieses Ordnungssystem im dialektischen Zusammenspiel zwischen Analyse und Synthese konstruiert wird (vgl. ebd.: 43f.). Dadurch unterscheidet sich die durch empirisch-theoretisches Denken gewonnene Erkenntnis fundamental von der sinnlichen Wahrnehmung: „Während die sinnliche Auffassung sich mit der Feststellung des 'Was' der einzelnen Inhalte begnügt, wird jetzt dieses bloße 'Was' in die Form des 'Weil' verwandelt“ (ebd.: 44). Durch diesen Anspruch, all- gemeine Gesetzmäßigkeiten hinter dem sinnlich Wahrnehmbaren zu entdecken, wandelt sich auch die Auffassung von Objektivität: „'Objektiv […] heißt nun nicht mehr all das, was sich […] als ein einfaches 'Dasein' und als ein einfaches 'So-sein' vor uns hinstellt, sondern was in sich die Gewähr der Konstanz, der bleibenden und durchgängigen Bestimmtheit besitzt.“ (Ebd.: 44f.) Die über empirisch-theoretisches Denken gewonnenen Erkenntnisse erheben dabei niemals den Anspruch auf absolute Wahrheit: „Das positive Sein des empirischen Objekts wird gleichsam durch eine doppelte Negation gewonnen: durch seine Abgrenzung gegen das 'Absolute' einerseits und gegen den Sinnenschein andererseits.“ (Ebd.: 45) Während also das empirisch-theoretische Denken nach dem 'Objektiven' hinter dem 'Besonderen' sucht, stellt für das mythische Denken ebendieses sinnlich erfassbare Besondere bereits das 'Objektive' dar. Damit bleibt es in der Gegenwart gefangen: 30

[E]s besitzt weder den Antrieb noch die Möglichkeit, das hier und jetzt Gegebene zu berichtigen, zu kritisieren, es in seiner Objektivität dadurch einzuschränken, dass es an einem Nicht-Gegebenen, an einem Vergangenen oder Zukünftigen gemessen wird. (Ebd.: 47)

Wenn aber in diesem Sinne 'objektiv' gegeben ist, was gegenwärtig präsent ist, dann folgt daraus, dass alles was zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, auf derselben Realitätsstufe angesiedelt ist. Inso- fern existieren bestimmte Trennlinien, ohne die empirisch-theoretisches Denken nicht vorstellbar wäre, im mythischen Denken nicht. Cassirer nennt hier die Unterscheidung zwischen 'Vorstellung' und 'Wirklichkeit', insbesondere zwischen 'Traum' und 'Wirklichkeit', weiters zwischen 'Leben' und 'Tod', 'Bild' und 'Sache, letzten Endes die Unterscheidung zwischen ''Ideellem' und 'Reellem' insgesamt (vgl. ebd.: 48-51). Dabei ist es aber die Kategorie des 'Ideellen', die dem mythischen Denken unbekannt ist, weshalb es, „wo immer ihm ein rein Bedeutungsmäßiges entgegentritt, dieses Bedeutungsmäßige selbst, um es überhaupt zu fassen, in ein Dingliches, in ein Seinsartiges umsetzen muss.“ (Ebd.: 51) Dies wird insbesondere bei mythischen Handlungen deutlich, bei denen der Vollzieher der Handlung sich tatsächlich in das von ihm dargestellte Wesen verwandelt (vgl. ebd.). Als Folge dieses Verharrens auf dem zu einem bestimmten Zeitpunkt Gegebenen ergeben sich im Mythischen kausale Zusammenhänge auf gänzlich andere Weise: Jede Gleichzeitigkeit, jede räumliche Begleitung und Berührung schließt hier schon an und für sich eine reale kausale 'Folge' in sich. […] [F]ür die mythische Ansicht ist es tatsächlich die Schwalbe, die den Sommer macht. (Ebd.: 59f.)

In diesem Lichte erscheint nichts zufällig, sondern alles zu einem bestimmten Zweck zu erfolgen. Insofern 'erklärt' das mythische Denken „das individuelle Geschehen durch die Setzung und Annahme individueller Willensakte.“ (Ebd.: 63) Ebendiese Omnipräsenz individueller Willensakte im Mythos bedingt jenes Merkmal, das Dutceac Segesten als das für den Mythos entscheidende annimmt, nämlich „the presence of a plot“ (Dutceac Segesten 2011: 73). Denn erst durch die Anwesenheit eines Narrativs, das scheinbar unzusammen- hängende Ereignisse zu einer kohärenten Geschichte zusammenfügt und dadurch erklärt, vermag der Mythos, der Realität Bedeutung zu verleihen, wodurch er auch für uns bedeutsam wird, denn „we as social beings need narratives to structure our lives.“ (Ebd.) Doch wie ist erklärbar, dass Mythen, wo sie sich doch ausschließlich mit dem individuell Gegebenen beschäftigen und meist in undenklicher Vorzeit spielen, auch für unsere Gegenwart bedeutsam sein können?

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2.7.1.2 Der Mythos als Wesensgeschichte Hier wird ein weiteres Merkmal des Mythos augenscheinlich, nämlich dass er die je individuell herausragenden Ereignisse, von denen er erzählt, ihrer historischen Einzigartigkeit beraubt, wodurch sie für unsere Gegenwart bedeutend werden. Cassirer erklärt dies durch die im mythischen Denken wirkende „gedankliche und reale 'Indifferenz' des Ganzen und der Teile. Das Ganze 'hat' nicht Teile und zerfällt nicht in sie; sondern der Teil ist hier unmittelbar das Ganze und wirkt und fungiert als solches.“ (Cassirer 1987: 65) Zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt vorhandene Teile des Ganzen, etwa einer Nation, tragen demgemäß das Wesen des Ganzen in sich, unabhängig von der historischen Situation. Mythen werden so zu zeitlosen Modellen, zu Wesensgeschichten.

2.7.1.3 Politische Mythen Um aber im politischen Alltag wirkmächtig zu sein, müssen Mythen 'rationalisiert' werden. Eben diese 'Rationalisierung' des Mythos sieht Dutceac Segesten als das Charakteristikum an, welches politische Mythen von anderen unterscheidet: However, it would appear that the supernatural, fantastic elements of myth must be downplayed in its contemporary political use in order to endow particular stories with credibility. In that sense, not all myths are political, but a myth stripped of its sacred aspects, a myth that does not only rationalize and explain the world but also claims at the level of its rhetoric to be a rational, factual account of the past is indeed political. (Dutceac Segesten 2011: 77)

Und so stellt auch Ivan Čolović (1997: 18) im Falle des -Mythos fest, dass im serbischen nationalistischen Diskurs dieser von allen Spuren heidnischer Kulte und Gottheiten, antiker ethischer Werte und deren christlicher Überarbeitung gereinigt erscheint, sodass '[n]acionalizovano', Kosovo se pretvara u nekoliko fabula koje su, zajedno sa drugim sličnim fabulama, u službi simbolične legitimacije etnički centriranog političkog poretka, to jest njegove potrebe da svom imaginarnom etničkom središtu da privid realnosti i kontinuiteta. (Čolović 1997: 18)

Politische Mythen sind insofern bewusste Produkte von Individuen mit bestimmten politischen Interessen, „who thought to capture the popular narratives diffused at the societal level, eventually retell or reinterpret them, and then emply them in order to bolster their own interests.“ (Dutceac Segesten 2011: 77) Angesichts dieser Verwendung politischer Mythen als Instrument zur Erreichung politischer Interessen definiert Dutceac Segesten den politischen Mythos folgendermaßen: [M]yth is a narrative about the past of a community, composed of highly selected (historically accurate or not) events, which has the capacity to mobilize emotions and generate or modify attitudes among the members of that community. (Ebd.: 80)

Zu bemerken ist hier noch, dass Dutceac Segesten darauf hinweist, dass es nicht von Bedeutung ist, ob der Mythos historisch korrekt ist, was auch Schöpflin betont: 32

[M]yth is not identical with falsehood or deception. Members of a community may be aware that the myth they accept is not strictly accurate, but, because myth is not history, this does not matter. It is the content of the myth that is important, not its accuracy as a historical account. (Schöpflin 1997: 19f.)

Wie können nun aber politische Mythen dermaßen wirksam in einer Gesellschaft werden? Um diese Frage zu beantworten, scheint es sinnvoll, sich den Funktionen von Mythen zuzuwenden.

2.7.1.4 Die Funktionen von Mythen Schöpflin nennt als die Hauptfunktion von Mythen, dass sie ein Instrument der kulturellen Reproduktion sind: „It acts as a means of standardization and of storage of information. It provides the means for the members of a community to recognize that, broadly, they share a mindset, they are in much the same thought-world.“ (Schöpflin 1997: 20) Von dieser Hauptfunktion ausgehend, unterscheidet Dutceac Segesten zwischen drei generellen Funktionen von Mythen: einer integrativen, einer kognitiven und einer kommunikativen. Unter der integrativen Funktion fasst sie die Fähigkeit von Mythen als Mittel zur Selbst-Definition, als Mittel zur Gemeinschaftsbildung und als Mittel zum Identitätstransfer (vgl. Dutceac Segesten 2011: 80). Mythen dienen also dazu, die Illusion einer Gemeinschaft zu schaffen, zugleich aber auch die Grenze nach außen zu verstärken, denn diejenigen, die nicht dieselben Mythen teilen, sind von vornherein von der Gemeinschaft ausgeschlossen (vgl. Schöpflin 1997: 20). Unter der kognitiven Funktion versteht Dutceac Segesten die bereits angesprochene Funktion von Mythen, die Komplexität der Realität zu reduzieren und zu standardisieren und dem Leben so Sinn zu geben (vgl. Dutceac Segesten 2011: 80). Diese Funktion von Mythen kann oft von politischer Seite dazu missbraucht werden, die komplexen Gründe für die jeweilige Situation einer Gemein- schaft zu verschleiern, indem eine einfache, aber nicht weiter erforschbare Ursache für das Schick- sal der Gemeinschaft durch den Mythos angeboten wird, da in diesem jedes Ereignis auf individuelle Willensakte zurückgeführt wird. Auf dem einfachsten Level nennt Schöpflin hier die Aussage: „the flood was caused because the river god was angry“ (Schöpflin 1997: 25). Auf einem komplexeren Level: „our misfortunes are caused by evil aliens beyond our control“ (ebd.). Wie sich also zeigt, wird hier die Tür zu Verschwörungstheorien aufgestoßen. Dies kann dazu führen, dass eine rationale Überprüfung blockiert wird, was vor allem durch den Umstand ermöglicht wird, dass Mythen in erster Linie eine emotionale Reaktion hervorrufen (vgl. ebd.: 26). Dies führt zur dritten Funktion von Mythen. Diese sieht Dutceac Segeset in dem Vermögen von Mythen, Emotionen zu kommunizieren (vgl. Dutceac Segesten 2011: 80). Schöpflin weist darauf hin, dass Mythen die Kommunikation innerhalb einer Gruppe intensivieren, da sie die Kluft zwischen den individuell verschiedenen Gedanken,

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Emotionen und Grammatiken zu transzendieren vermögen (vgl. Schöpflin 1997: 23). Dadurch wird auch die Übertragung politischer Botschaften erleichtert: „[C]ommunication within the community is intensified, making it far simpler to transmit the messages from the ruler to the ruled and enhancing the solidarity and thus the trust, between the two parties.“ (Ebd.: 24) Zwar können von politischer Seite nicht irgendwelche Mythen instrumentalisiert werden, die nicht im Bewusstsein der Bevölkerung verankert sind, jedoch kann bewusst gesteuert werden, welche Mythen erinnert und welche vergessen werden, um bestimmte Ziele zu erreichen. Da Mythen ihre Botschaften nicht auf einer rationalen, sondern vielmehr auf einer emotionalen Ebene verkünden, dienen sie vor allem dazu, Emotionen, etwa die Liebe zur Nation, und Enthusiasmus zu mobilisieren, wodurch die Legitimität der Herrschaft gesichert und gestärkt wird (vgl. ebd.: 26f.). Zudem können solcherart evozierte Emotionen leicht in politische Handlungen überführt werden (vgl. Dutceac Segesten 2011: 81).

2.7.2 Mythen im serbischen Nationalismus

2.7.2.1 Der serbische nationalistische Diskurs als (Kosovo-)Mythos Čolović stellt in Bezug auf den stark nationalistisch geprägten öffentlichen Diskurs der 90er-Jahre in Serbien fest, dass in diesem die Erzählung gegenüber der Analyse oder der Debatte überwiegt. Das kommt vor allem im häufigen Gebrauch des historischen Präsens, welches den Eindruck erweckt, „da se prošli događaji odvijaju pred našim očima“ (Čolović, 1997: 11), und des epischen Perfekts, welcher gegenwärtigen Ereignissen „patinu daleke i slavne prošlosti“ (ebd.) verleiht, zum Ausdruck. Insofern spricht er auch vom „srpski politički etnomit“ (ebd.: 9), der den öffentlichen Diskurs Serbiens bestimmt und der sich aus „niz manje-više povezanih fabula u kojima je reč o srpskom narodu, srpskoj državi, srpskoj zemlji i drugim važnim nacionalnim temama“ (ebd.: 13) zusammensetzt. Der gesamte Mythos ist dabei im politischen Diskurs immer nur latent anwesend, während immer nur einzelne Fragmente aktualisiert werden.5 Besonders häufig werden dabei Fragmente aus dem Kosovo-Mythos zitiert, wodurch dieser „postao mit o mitu“ (ebd.: 18). Der Kosovo-Mythos, so Dutceac Segesten, vermittelt die Vorstellung vom serbischen Volk als auserwähltem Volk, weshalb sie ihn auch als Mythos der 'Auserwähltheit' definiert. Die verschie- denen Attribute, aufgrund derer das serbische Volk von Gott auserwählt wurde und welche bereits im Zuge der Autostereotype der Serben besprochen wurden, nämlich 'junaštvo', 'slobodarstvo' und

5 Čolović hat diesen vollständigen politischen Ethnomytos auf den Seiten 14-16 seines Buches Politika simbola (1997) treffend ausformuliert. Auf die vollständige Wiedergabe wird hier aber verzichtet, da dies den Rahmen sprengen würde und insofern nicht notwendig ist, als die einzelnen Fragmente bereits besprochen wurden. 34

'mučeništvo' finden dabei in den beiden mythischen Helden des Kosovo-Mythos ihren mythischen Ausdruck. Am bedeutsamsten ist Fürst Lazar für den Kosovo-Mythos, der sich selbst opferte, um Serbien zu beschützen. So erhielt er, dem Mythos zufolge, am Tag vor der Schlacht eine Botschaft der Mutter Gottes, in welcher sie ihn vor die Wahl stellte, ob er die Schlacht gewinnen und sein irdisches Reich vorerst bewahren wolle, bis es wie alles Irdische einmal untergehen würde, oder ob er die Schlacht verlieren und dafür ein himmlisches Königreich errichten wolle, das ewig fortbesteht. Mit seiner Entscheidung für das himmlische Königreich wurde das serbische Volk zu einem 'nebeski narod', das, wie dargestellt, der nationalistischen Ideologie zufolge durchwegs 'geistige Werte' über 'materiellen Besitz' stellt. Das Opfer des eigenen Lebens und der Freiheit des serbischen Volkes war insofern nur ein vorläufiges, da es dem serbischen Volk Leben und Freiheit in der Ewigkeit garantierte (vgl. Dutceac Segesten 2011: 101-105). Dass Fürst Lazar zudem eine Kirche gebaut haben soll, bevor er in die Schlacht zog, um seine Bereitschaft für den Tod zu signalisieren, […] schafft Parallelen zwischen dem Tod Lazars und der Kreuzigung Christus und erweckt den Eindruck, dass die Serben bereit sind, für das Himmelreich zu sterben und zu kämpfen. (Bieber 2005: 406)

Ebenso stellt der zweite Held des Kosovo-Mythos, Miloš Obilić, der der Legende zufolge vorgegeben haben soll, die serbische Armee zu verraten, um so den Sultan Murad ermorden zu können, den Inbegriff eines Märtyrers dar, der sich für das serbische Volk geopfert hat (vgl. ebd.). Als Verräter fungiert im Mythos dagegen Vuk Branković, der durch den Rückzug seiner Truppen die Niederlage herbeigeführt haben soll. Dieser wird oft als Sündenbock für die im nationalistischen Diskurs oft bedauerte Uneinigkeit der Serben gesehen, die für die bedauernswerten gegenwärtigen Zustände verantwortlich gemacht wird und oft in der Aussage gipfelt, dass die Serben 'sich selbst die größten Feinde' sind (vgl. Milosavljević 2002: 169-171).

2.7.2.2 Der Mythos von der Verschwörung gegen die Serben Als ein gegenwärtiger Mythos kann die in den 90er-Jahren in Serbien weitverbreitete Theorie von der Verschwörung gegen die Serben gesehen werden. Wie Milosavljević feststellt, ist diese Verschwörung seit jeher im Gange, wobei, wie für Verschwörungstheorien üblich, vieles unerklärt bleibt: „Ne zna se kad i ne zna se gde, ne zna se ko je sve u njega uključen, ne zna se ni zašto je napravljen, ali se zna šta mu je cilj i ko ga sprovodi. Cilj je uništenje Srba, a sprovodilac je Zapad.“ (Milosavljević 2002: 298) Insofern gab diese Verschwörungstheorie in den 90er-Jahren auch die einfachste und zugleich am wenigsten begründete Antwort auf die Frage, was eigentlich geschieht: „Zavera Zapada bila je 'uzrok' i krize Jugoslavije i njenog raspada, i ratova na njenim prostorima, i ekonomske propasti, a često i 'mržnje' susjednih naroda.“ (Ebd.) Auch Živković sieht in 35

Verschwörungstheorien grundsätzlich den Versuch, unterschiedlichen gesellschaftlichen Phänomen- en einen Sinn zu geben, wobei er angesichts des Booms der Theorie von der Verschwörung des Westens gegen Serbien während der 90er-Jahre in Serbien, nach den zugrundeliegenden Motiven fragt. So kann die Verschwörungstheorie einerseits als zynische Manipulation vonseiten des Regimes gesehen werden, die die eigene Verantwortung verwischen soll. Andererseits kann sie aber auch als Versuch der Bevölkerung verstanden werden, die immer undurchsichtigeren Verhältnisse zu begreifen. Diese beiden Motive schließen einander dabei nicht aus (vgl. Živković 2012: 276- 278). So kann die Verbreitung der Verschwörungstheorie gegen die Serben als Erklärung dafür gesehen werden, dass Milošević Wahlen gewann, obwohl seine autoritäre Führung das Land offensichtlich ins Verderben stürzte, da er es schaffte, die Verantwortung auf äußere Feinde abzuwälzen. Živković bemerkt in diesem Zusammenhang, dass es die Politik Amerikas und Europas Milošević auch nicht gerade schwer machte, ein solches Bedrohungsszenario zu kreieren, da diese mit ihren Bombardements auf bosnische Serben und Serbien selbst zur Entstehung von Paranoia beigetragen haben. Und auch die vor allem von Amerika und Deutschland forcierte Parallele zum Holocaust und den Serben als den neuen Nationalsozialisten trug nicht gerade dazu bei, diesen Eindruck zu entkräften. Als Folge daraus konnten auch die antinationalistische Opposition und die Antikriegsbewegung leicht als Verräter und Kollaborateure des Westens stigmatisiert werden (vgl. ebd.: 266-278). Die Verschwörungstheorie wurde dabei nicht von Milošević selbst, sondern anfangs vor allem von der 'Nova srpska desnica', einer kleinen Gruppe extrem nationalistischer Intellektueller, in der auflagenstarken Belgrader Wochenzeitung Duga verbreitet und in der Folge von Wahrsagern und Astrologen in der Schundpresse und sogar im staatlichen Fernsehen, das vom Regime kontrolliert wurde, popularisiert. Milošević hat die Verbreitung der Verschwörungstheorie also zumindest gut- geheißen (vgl. ebd.: 276f.). Die gegenwärtigen Ereignisse wurden in dieser Zeitung als Kampf der 'Neuen Weltordnung' ('Novi svetski poredak') gegen Serbien dargestellt, wobei all jene Stereotype über den Westen, die bereits beschrieben wurden, zur Verwendung kamen. Für die Bevölkerung wurde die Realität dagegen aufgrund verschiedener Entwicklungen immer verworrener. So stellt Eric Gordy fest, dass das Regime selbst „between Communism, socialism, nationalism, and reform“ (Gordy 1999: 16) oszillierte und die einzige Konstante der Autoritarismus bildete. Die Struktur blieb also die selbe, nur die Rhetorik änderte sich, wodurch die gesellschaft- liche Wirklichkeit immer undurchsichtiger wurde: „This rhetoric has changed so many times in the past few years in that many observers describe their attempts at following the regime's ideology as producing 'dizziness' (vrtoglavica).“ (Ebd.; Kursiv-Setzung im Original) Während der autoritäre Zug die einzige Konstante bildete, war es doch nie Milošević selbst, der inhaltliche 36

Positionen vertrat, sondern immer nur Stellvertreter, welche sich ideologisch positionierten: „By rotating its cast of ideological surrogates through the musical chairs of power, the regime protects itself from its own positions and actions.“ (Ebd.: 17) Diese Strategie wurde nach Živković von der Opposition als Simulation des nationalistischen Diskurses aufgefasst, worauf sie in erster Linie mit noch nationalistischeren Positionen antwortete. Zudem stellten sich erste Transit-Erscheinungen ein, während sich die Bevölkerung zugleich der größten Selbstverständlichkeiten im Alltag nicht mehr sicher sein konnte, wodurch der Blick auf das sich ohnehin in Veränderung befindende gesellschaft- liche Ganze und das Wirken der Politik darin vollends verstellt wurde. Das Zusammenspiel all dieser Faktoren machte die Bevölkerung anfällig für die leichte Erklärung, die die Theorie von der Verschwörung des Westens gegen Serbien liefert (vgl. Živković 2012: 280-290).

3. Peter Handke und Jugoslawien

Peter Handkes Beschäftigung mit Jugoslawien setzte schon einige Zeit vor der um seinen Serbien- Text Winterliche Reise entstandenen Kontroverse ein, wobei sich diese Beschäftigung zunächst im fiktionalen Bereich (etwa Die Wiederholung) abspielte und erst mit der Nationalstaatswerdung Sloweniens in den nicht-fiktionalen Bereich wechselte.6 Berücksichtigt man die daraus folgende Tatsache, dass Handkes Beschäftigung mit Jugoslawien nicht ausschließlich auf aktuelle Zustände und Entwicklungen zurückzuführen ist, so rückt die Frage in den Vordergrund, welche Konstanten sich in Handkes Texten zu Jugoslawien erkennen lassen und in welchem Zusammenhang diese mit Handkes Literaturverständnis im Allgemeinen stehen. Insofern ist es zunächst Ziel dieses Kapitels, Handkes Literaturverständnis näher zu beleuchten, und in weiterer Folge, das aus diesem Literaturverständnis entwickelte Jugoslawien-Bild des Autors zu beschreiben. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen dann mit der Winterlichen Reise in Verbindung gebracht und zuletzt auf die Rezeption dieses Textes in den deutschsprachigen Medien eingegangen werden.

6 Auf die enge Verflechtung von Realität und Fiktion auch in diesen, zumindest in der Öffentlichkeit als nicht- fiktional behandelten, Texten soll noch eingegangen werden. 37

3.1 Handkes Literaturverständnis

Vorangestellt sei dieser Beschreibung von Handkes Literaturverständnis die Anmerkung, dass Handke der Grundannahme dieser Arbeit nur bedingt zustimmen würde, der zufolge es unmöglich ist, die Welt als solche objektiv zu erfassen, und daher nur beschreibbar ist, wie die Wirklichkeit in bestimmten Gesellschaften wahrgenommen und Wissen über sie produziert wird. So geht zwar auch Handke davon aus, dass der Mensch die Welt nur sprachlich erfassen kann, weshalb er auch auf die unzähligen, je subjektiven Möglichkeiten der Weltwahrnehmung hinweist, zugleich hält er aber paradoxerweise an der Vorstellung von einer den Dingen innewohnenden, also objektiven Essenz fest, die vom Subjekt erkannt werden kann. Diese Essenz kann seiner Meinung nach mithilfe der Literatur entdeckt werden, da sie die Möglichkeit subjektiver, den herrschenden Diskursen nicht unterworfener Welterfahrung bietet, der im Rückschluss ein höheres Ausmaß an Authentizität zugesprochen wird. Daraus ergibt sich ein teils widersprüchliches Verständnis des Verhältnisses zwischen Subjektivität und Objektivität, Fiktionalität und Nicht-Fiktionalität, Politik und Literatur, das in der Folge ausgelotet werden soll. Einen guten Einblick in Handkes Literaturverständnis bietet sein 1967 veröffentlichter Essay „Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms“, in dem er eingangs die Bedeutung der Literatur für ihn als Leser herausstreicht, sich selbst besser kennen zu lernen. So lautet der erste Satz seines Essays: „Literatur ist für mich lange Zeit das Mittel gewesen, über mich selber, wenn nicht klar, so doch klarer zu werden.“ (Handke 1972: 19) Diese Funktion, sich selbst besser verstehen zu lernen, erfüllt die Literatur für Handke allerdings nicht nur, wenn man sie rezipiert, sondern auch wenn man sie produziert. Das Schreiben ist demnach für Handke ein Akt der Reflexion. Insofern behandelt sein Schreiben auch nur ein Thema: Ich habe keine Themen, über die ich schreiben möchte, ich habe nur ein Thema: über mich selbst klar, klarer zu werden, mich kennenzulernen oder nicht kennenzulernen, zu lernen, was ich falsch mache, was ich falsch denke, was ich unbedacht denke, was ich unbedacht spreche, was ich automatisch spreche […]. (Ebd.: 26)

Das Schreiben dient Handke also dazu, bewusster zu leben, es löst einen Prozess aus, der ihn sowohl gegenüber sich selbst, als auch gegenüber seiner Umwelt aufmerksamer und damit auch kritischer macht. Dies leitet über zu einer anderen Bedeutung, die Literatur für Handke als Lesenden wie als Schreibenden hat. Die Literatur bleibt für Handke ein Teil der Wirklichkeit, wenngleich sie innerhalb dieser einen besonderen Status genießt, insofern als durch Literatur die Möglichkeit zur Veränderung eröffnet wird: Ich erwarte von einem literarischen Werk eine Neuigkeit für mich, etwas, das mich, wenn auch geringfügig, ändert, etwas, das mir eine noch nicht gedachte, noch nicht bewußte Möglichkeit der Wirklichkeit bewußt macht, eine neue Möglichkeit zu 38

sehen, zu sprechen, zu denken, zu existieren. (Ebd.: 19f.; Kursiv-Setzung im Original)

Der Gedanke, dass Literatur dazu beitragen soll, die gesellschaftliche Wirklichkeit zu dekonstruieren und als eine Möglichkeit unter vielen erfahrbar zu machen, wird in der Folge noch radikaler ausgedrückt: „Ich erwarte von der Literatur das Zerbrechen aller endgültig scheinenden Weltbilder.“ (Ebd.: 20) Ziel ist es für Handke dabei nicht, das als Konstrukt enttarnte Bild von der gesellschaftlichen Wirklichkeit in irgendeiner Form zu korrigieren oder objektiver zu zeichnen, sondern auf die Pluralität der möglichen Weltzugänge hinzuweisen. Eine realistische Beschreibung der Welt ist nicht Ziel seiner Literatur: „Es interessiert mich als Autor übrigens gar nicht, die Wirklichkeit zu zeigen oder zu bewältigen, sondern es geht mir darum, meine Wirklichkeit zu zeigen (wenn auch nicht zu bewältigen).“ (Ebd.: 25; Kursiv-Setzung im Original) Ebendieses Aufzeigen einer anderen Möglichkeit, die Welt wahrzunehmen, soll dabei nicht auf den Schreibenden beschränkt bleiben, sondern auch den Lesenden dazu bringen, die Welt anders wahrzunehmen. Die Epiphanie, welche der Schreibende also im Prozess des Schreibens erlebt, soll vom Lesenden im Prozess des Lesens wiederholt werden: […] aufmerksam zu werden und aufmerksam zu machen: sensibler, empfindlicher, genauer zu machen und zu werden, damit ich und andere auch genauer und sensibler existieren können, damit ich mich mit anderen besser verständigen und mit ihnen besser umgehen kann. (Ebd.: 26)

In diesem Sinne ist Literatur also durchaus gesellschaftskritisch und damit im weitesten Sinne auch politisch, da sie darauf abzielt, die unveränderbar erscheinende Wirklichkeit hinterfragbar zu machen und damit die Suche nach neuen Wirklichkeitskonstruktionen zu ermöglichen. Wichtig ist dabei, dass es Handke nicht um den Entwurf einer Utopie, also einer (noch) nicht existenten Welt geht, vielmehr begibt er sich innerhalb der bestehenden Welt auf die Suche. Deshalb lehnt Handke ein politisches Engagement bei Schriftstellern ab und will sich selbst auch nicht als engagierten Schriftsteller bezeichnen, denn es liegt ihm fern, der Welt eine Utopie als Gegenbild gegenüberzustellen, die als Zielvorstellung gesellschaftliche Veränderungen leiten soll: „Ein engagierter Autor kann ich nicht sein, weil ich keine politische Alternative weiß zu dem, was ist, hier und woanders, (höchstens eine anarchistische). Ich weiß nicht, was sein soll.“ (Ebd.) In seinem ein Jahr zuvor veröffentlichten Essay „Die Literatur ist romantisch“ hat Handke die Gründe, aus denen er eine Politisierung der Literatur für problematisch hält, näher ausgeführt. In diesem Text unterscheidet er zwischen engagierten Menschen und engagierten Schriftstellern, wobei er behauptet, dass es letztere schlicht nicht geben kann, da eine engagierte Literatur seiner Meinung nach einen Widerspruch in sich darstellt. Denn Engagement ist immer eindeutig und mit einem bestimmten Zweck verbunden, wohingegen die Kunst weder eindeutig noch mehrdeutig [ist], sie hat in sich nicht zählbare nicht begrenzbare Bedeutungen, man könnte ebensogut sagen, sie hat überhaupt keine 39

Bedeutung über sich hinaus, sie ist Bedeutung. (Handke 1972a: 43f.; Kursiv- Setzung im Original)

Literatur stellt also eine Form dar, welche „als solche auf nichts gerichtet [ist], höchstens ein ernsthaftes Spiel.“ (Ebd.: 44; Kursiv-Setzung im Original) Wird nun aber versucht, Engagement in die literarische Form einzubauen, verliert dieses zwangsläufig an Eindeutigkeit und Direktheit, womit auch der beabsichtigte Zweck des Engagements unterminiert wird. Die literarische Form „verfremdet das ihr eingeordnete Engagement.“ (Ebd.: 45) Wie gestaltet sich nun aber eine solche Literatur, die keine utopischen Gegenentwürfe zur vorherrschenden Wirklichkeit schaffen, sondern in der Wirklichkeit verhaftet bleiben und trotzdem aber neue Möglichkeiten der Wahrnehmung selbiger eröffnen möchte, welche es dem Schreibenden wie dem Lesenden ermöglichen, bewusster und kritischer in der Welt zu handeln? Handke strebt danach, diesem an sich selbst gestellten Anspruch gerecht zu werden, indem er seine Blickrichtung ändert. Anstatt wie der Großteil der Menschen den Blick auf das Ereignis, das Außergewöhnliche, das Zentrale zu richten, versucht er seine Aufmerksamkeit dem Konstanten, Gewöhnlichen und Nebensächlichen zu widmen. In diesem Zusammenhang hat Lothar Struck auf die Parallele zu Adalbert Stifters 'Sanftem Gesetz' hingewiesen (vgl. Struck 2012: 105). Tatsächlich kann dieses von Stifter in der Vorrede zu seinem Erzählband Bunte Steine formulierte 'Sanfte Gesetz' helfen, Handkes Bestreben verständlicher zu machen. Stifter nennt hier den Grund, aus dem für ihn das Kleine, Beständige mehr Wert hat, als das Große, Vergängliche, aus dem Lauf der Dinge Herausstechende: Die Kraft, welche die Milch im Töpfchen der armen Frau empor schwellen und übergehen macht, ist es auch, die die Lava in dem feuerspeienden Berge empor treibt, und auf den Flächen der Berge hinabgleiten läßt. Nur augenfälliger sind diese Erscheinungen, und reißen den Blick des Unkundigen und Unaufmerksamen mehr an sich, während der Geisteszug des Forschers vorzüglich auf das Ganze und Allgemeine geht, und nur in ihm allein Großartigkeit zu erkennen vermag, weil es allein das Welterhaltende ist. Die Einzelheiten gehen vorüber, und ihre Wirkungen sind nach Kurzem kaum noch erkennbar. (Stifter 1853: 8)

Wenngleich Handke den Dichter nicht als Hilfswissenschaftler verstanden haben will, da es ihm, wie ausgeführt, nicht um die Erforschung einer objektiven Wirklichkeit geht (vgl. Handke 1972: 25), will er, ebenso wie Stifter, das Ewige und Permanente ins Blickfeld rücken, das in jenen Kleinigkeiten verborgen liegt, die den Alltag der Menschen bestimmen und die von den großen Ereignissen der Geschichte weitgehend unberührt, die Welt, wenn man so will, zusammenhalten. Insofern kann man mit Lothar Bluhm feststellen, dass Handke die Aufgabe des Dichters darin sieht, im Erzählen und in seiner Literatur „den in den Dingen verborgenen Sinnzusammenhang hervortreten zu lassen.“ (Bluhm 1998: 78) Bluhm betont dabei, dass Handke in diesem Zusammenhang explizit darauf hingewiesen hat, dass zu diesem Unterfangen immer auch die Erfindung notwendig ist (vgl. ebd.).

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Literatur erhält für Peter Handke nach Jean Bertrand Miguoué erlösenden Charakter, als im Schreiben die Harmonie der Dinge, ihr verborgener Sinnzusammenhang zum Vorschein gebracht wird, welcher in der Literatur wiederum mit der Anordnung der Wörter in Einklang zu bringen ist (vgl. Miguoué 2013: 50). Insofern Literatur, wie dargestellt, nicht nur für den Schreibenden selbst diese Wirkung erzielt, sondern auch für die Lesenden, wird der Schriftsteller zu einer Art Heilverkünder, welcher dem Publikum eine harmonischere, dabei immer bereits vorhandene Welt entdeckt. Ebenso wie bei Handke die Gegenstände seiner Beschreibung scheinbar nebensächliche, außer Acht gelassene sind, so sind auch die Geschichten, von denen Handke erzählen will, scheinbar nebensächlich. Der großen Geschichte, welche von den Historikern (und heute den Medien, wie er in seiner Winterlichen Reise schreibt) erzählt wird und welche sich auf zentrale Ereignisse konzentriert, stellt er seine kleinen, nebensächlichen Geschichten gegenüber, weshalb, wie Miguoué feststellt, Handkes Umgang mit der Geschichte auch von vielen als „Ästhetik der Gegen- geschichtsschreibung“ (ebd.: 48) bezeichnet wird. Wie Miguoué weiter ausführt, ermöglicht Handke der Verweis auf diese kleine Geschichten, welche von der großen Geschichte überschattet werden, letztere zu hinterfragen: „Das Schreiben wird somit bei Handke zu einer 'Gegenoperation', wobei das schreibende Subjekt von einer Gegenperspektive aus das Selbstverständliche, das Für- Wahr-Gehaltene und den Mehrheitsdiskurs hinterfragt.“ (Ebd.: 49f.) Wie sich also zeigt, bemüht sich Handke in seinen Texten das Übersehene, Nicht-Beachtete sowohl was die Gegenstände als auch die Ereignisse betrifft, ins Zentrum seiner Wahrnehmung und seines Schreibens zu rücken und so weg vom Außergewöhnlichen hin zum Alltäglichen, Ewigen und Natürlichen zu gelangen. Insofern spricht Miguoué auch von einer „Poetisierung der Peripherie“ (ebd.: 51) bei Handke, welche sich in beinahe allen Aspekten seiner Dichtung wiederfinden lässt: „Die Wahl der Orte, der Themen, der Figuren; die Gestaltung des Texts und der Sprache. Alles hängt von dem Projekt ab, die Wirklichkeit ausgehend vom Unscheinbaren anders darzustellen.“ (Ebd.). Die Suche nach dem Ewigen und Natürlichen in den Dingen, welche Handke an die Peripherie führt und ihm in einzelnen Augenblicken anhand nebensächlicher Gegenstände und Ereignisse eine andere Wahrnehmung der Welt ermöglicht, macht für Ulrich Dronske den mystifizierenden Charakter von Handkes Texten aus. In ihnen entdeckt er ein Spiel zwischen Innen und Außen, zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen dem Existenten und der Utopie, dem Fiktionalen und dem Realen [...], das auf der Ebene der Form darin sich äußert, dass die Trennung der Textsorten aufgehoben und damit zugleich die Struktur der Referentialität der Texte uneindeutig wird. (Dronske 2001: 167)

Handkes Texte bezeichnet er dementsprechend als „Schwellentexte“ (Dronske 1997), welche,

41 indem sie vorhandene Unterscheidungen (etwa zwischen Realem und Fiktionalem) und Genregrenzen (etwa zwischen Essay und Erzählung) überschreiten, „einen gleichsam umfassenden und gleichermaßen realen wie literarischen Raum [...] installieren, in dem sich ein konkret mit Wirklichkeit aufgeladenes und zugleich literarisch geformtes 'Gegenbild' einstellt.“ (Ebd.: 74) Insofern ist es auch beinahe unmöglich im Werk Peter Handkes zwischen 'literarischen' und 'nicht literarischen' Texten zu unterscheiden, wiewohl gerade in der Kritik zu Handkes Serbien-Texten versucht wurde, der Multidimensionalität der Texte durch eindeutige Zuweisung zu einem Genre beizukommen (vgl. Miguoué 2013: 99-103). Wie fügt sich nun aber die Beschäftigung Peter Handkes mit Jugoslawien in seinen hier knapp umrissenen Zugang zur Literatur und sein Verständnis des Verhältnisses zwischen Literatur und Wirklichkeit? Im Folgenden soll Peter Handkes Jugoslawien näher beschrieben werden.

3.2 Peter Handkes Jugoslawien und seine Hinwendung zu Serbien

Wie erläutert, gilt Handkes Interesse dem Peripheren, dem Nebensächlichen, dem er grundsätzlich mehr Wirklichkeit zuspricht als dem Zentrum. Eine solche Peripherie Europas stellte für Handke lange Zeit der Vielvölkerstaat Jugoslawien und innerhalb Jugoslawiens insbesondere die Teilrepublik Slowenien dar. Diese zeichneten sich in seinen Augen durch Authentizität und Natürlichkeit aus und erfüllten dadurch die Funktion eines in der Wirklichkeit vorhandenen Gegenbildes zur Konsum- und Warenwelt Westeuropas. Aufgrund des Umstands, dass Handke sein Jugoslawienbild im Kontrast zur künstlichen Konsum- und Warenwelt Westeuropas entwickelt, dient dieses Bild der Zivilisationskritik, welche mehr über Westeuropa aussagt, als über Jugoslawien. So schreibt etwa Christoph Parry, dass „Handkes 'Jugoslawien' [...] wenig mit den realen Verhältnissen im Lande zu tun [hat]; vielmehr projiziert er seine Gefühle und Privatmythologie darauf.“ (Parry 2003: 342) Diese Privatmythologie Handkes besteht in der Suche nach dem Natürlichen und Authentischen, welches er in Jugoslawien und zunächst insbesondere in Slowenien zu entdecken glaubte. Dass Handke gerade im jugoslawischen Slowenien eine Projektionsfläche für seine Privatmythologie findet, ist nach Dronske vordergründig auf persönliche Gründe zurückzuführen. So fühlte sich seine Mutter als Slowenin und Handke galt vor allem sein slowenischer Großvater und nicht sein deutscher Vater oder sein ebenfalls deutscher Stiefvater als Vorbild. Zugleich verhindert aber eben die deutsche Nationalität von Vater und Stiefvater, dass Handke sich selbst eindeutig als Slowene definieren konnte. Insofern kann er sich in Slowenien zwar heimisch, aber nie ganz zuhause fühlen, da er immer bis zu einem gewissen Grad Fremder bleibt, während er in 42

Österreich zwar (auch sprachlich) zuhause, also kein Fremder ist, sich aber nicht heimisch fühlt (vgl. Dronske 1997: 72). Handkes Jugoslawien-Bild ist also in erster Linie aus einer Suche nach und Konstruktion von Identität heraus zu begreifen. Diese Identitätskonstruktion hat dabei auch politische Implikationen. Wie Dronske anhand von Handkes 1986 veröffentlichtem Roman Die Wiederholung feststellt, zeichnet sich das slowenische 'Volk'7 in erster Linie durch seine Rückständigkeit aus. Durch eben diese Rückständigkeit und den damit einhergehenden Mangel erhalten die Dinge ihre Ursprünglichkeit und wirken so realer und dauerhafter als in der von Überfluss geprägten Wegwerfgesellschaft des Westens (vgl. Dronske 2001: 169f.). Diese dauerhafte, essentialistische Präsenz der Dinge schafft eine Art poetisch grundierte „Märchenwirklichkeit“ (Bluhm 1998: 76), die vor allem durch Geschichtslosigkeit geprägt ist. Mit der Geschichtslosigkeit eng verknüpft ist die zweite politische Implikation von Handkes Jugoslawien-Bild. So imaginiert Handke Jugoslawien als ein Land, welchem es durch seinen erfolgreichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die Schaffung eines Vielvölkerstaates gelungen ist, aus dem Lauf der Geschichte auszusteigen und eine dauerhafte von Toleranz und Weltoffenheit geprägte Gesellschaft hervorzubringen. Dabei handelt es sich, wie Bluhm betont, weniger um ein politisches Statement, als eher um eine literarische Metapher, denn: Handkes Verständnis von Geschichte ist das einer Geschichte als Raum des Wünschbaren, konkreter noch: als Raum jener alternativen Möglichkeiten, die den tatsächlichen Verhältnissen adhäsiv und einem wirklichen Menschsein gerecht sind. (Bluhm 1998: 76)

Dass es sich bei diesem Jugoslawien-Bild trotz der gegenteiligen Intention in erster Linie doch um eine utopische Verklärung handelt, welche vor allem im literarischen Bereich als Metapher eine Funktion hat, und nicht um eine Darstellung der realen Verhältnisse, wird in Handkes Text „Noch einmal für Jugoslawien“ deutlich, welcher durch die Beschreibung der unterschiedlichen Kopfbedeckungen in Skopje eben dieses harmonische Mit- und Nebeneinander unterschiedlicher Völker zelebriert. Der Beitrag erschien in der Serie „Europa im Krieg“ der tageszeitung im Jahr 1992, also zu einem Zeitpunkt, als dieses Jugoslawien bereits zerfiel (vgl. Parry 2003: 330). Mit dem Zerfall Jugoslawiens verlor Handkes Jugoslawien-Bild seine Deckung in der Realität, auf die es, wie dargelegt, trotz seiner poetischen Grundierung immer angewiesen blieb, denn schließlich geht es Handke eben nicht darum eine nicht vorhandene Gegenwelt zu kreieren, sondern in der realen Welt Gegenbilder zur herrschenden Weltwahrnehmung zu entdecken. In Slowenien wandte

7 Handke versteht unter 'Volk' dabei eine, wie Parry erläutert, nicht durch Staatsangehörigkeit, sondern durch eine wie auch immer geartete innere Besonderheit, welche erworben und nicht angeboren ist, definierte Gemeinschaft von Einzelpersonen. So spricht er etwa in Die Lehre der Sainte-Victoire von einem „Volk der Leser“. In den 80ern begann Handke dann jedoch seine Auffassung von einem 'Volk' auch auf real existierende 'imaginäre Gemein- schaften' zu projizieren (vgl. Parry 2003: 333). 43 man sich, um die Bestrebungen, einen unabhängigen Nationalstaat gründen zu wollen, legitimieren zu können, von der Geschichte Jugoslawiens ab und versuchte stattdessen sich auf der West-Ost- Achse weiter westlich zu positionieren, in dem man auf die Zugehörigkeit Sloweniens zu Mitteleuropa verwies und sich so in die Tradition der Länder der ehemaligen Habsburgermonarchie stellte. Da Handke eben diese Tradition als bedrückend empfindet und in dieser Neupositionierung Sloweniens vor allem einen Verrat am Wesen und einen Verlust der Authentizität des slowenischen Volkes sah, sollte er von den nun zur Auswahl stehenden Geschichten Jugoslawiens […] die wählen, die die Kontinuität des serbischen und später jugoslawischen Widerstandes gegen die Donau-Monarchie und später gegen das Dritte Reich betont. (Ebd.: 335)

Eben diese Kontinuität fand Handke in Serbien, wobei er nun nicht mehr Serbien im größeren jugoslawischen Kontext als Gegenbild zur kapitalistischen Gesellschaft entdeckte, sondern sowohl der antifaschistische Widerstand als auch die vermeintlich entdeckte Authentizität und Natürlichkeit auf das serbische Volk beschränkt blieben. Eben durch diese Beschränkung weist nun Handkes Hinwendung zu Serbien eine eindeutige Parallele zum serbischen Nationalismus auf, welcher in den 90er Jahren den öffentlichen Diskurs dominierte. Wenngleich diese Parallele nicht zu unterschätzen ist, darf sie doch nicht als reine Übernahme serbisch nationalistischer Positionen wahrgenommen werden, da Handkes Hinwendung zu Serbien, wie dargestellt, schlüssig aus seinem literarischen Programm zu erklären ist. Zudem wäre eine reine Beschränkung auf die Parallelen zum serbischen Nationalismus unzulässig, da sich in einem solchen Fall die Lektüre der Serbien- Texte auf politische Aussagen beschränken würde, wodurch die Multidimensionalität dieser Texte unberücksichtigt bliebe. Eben diese Multidimensionalität und Mehrstimmigkeit der Texte macht es aber schwierig, einzelne Aussagen als politische Statements des Autors aufzufassen.

3.3 Handkes Serbien-Texte

3.3.1 Veröffentlichungsgeschichte

Wie dargestellt, stellen Handkes Texte 'Schwellentexte' dar, welche, indem sie die Grenze zwischen Realem und Fiktionalem ebenso überschreiten wie Genregrenzen, darum bemüht sind, konventionalisierte Formen der Weltwahrnehmung aufzubrechen und neue Perspektiven auf die Welt zu ermöglichen. So liegt ein Großteil der Irritation, die Handkes Text Winterliche Reise im deutschsprachigen Raum und etwas später in ganz Westeuropa auslöste, im Umstand begründet, dass dieser Text nur schwer eindeutig einem Genre zugeordnet werden kann. Diese Irritation wurde nach Miguoué vor allem dadurch verstärkt, dass bei der Veröffentlichung in der Süddeutschen

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Zeitung die politischen Aspekte des Textes in den Vordergrund gerückt wurden, wodurch die literarischen Aspekte entweder gar nicht rezipiert oder als unzulässige Verschleierungstechnik abqualifiziert wurden. So entschied sich die Redaktion der Zeitung für den durchaus provokant zu nennenden Titel „Gerechtigkeit für Serbien“, demgegenüber der in Bezug auf seine Größe kaum lesbare Untertitel in den Hintergrund trat. Der Text wurde so als politischer Essay präsentiert und schlug eine entsprechende Rezeption des Textes als Zeitungsartikel vor, an welchen andere Ansprüche gestellt werden, als an einen literarischen Text. Die Absicht des Autors, seinen poetischen Umgang mit der Lage in Jugoslawien der Medienberichterstattung als eine andere Möglichkeit der Welterfahrung gegenüberzustellen, wurde so von Anfang an zunichte gemacht (vgl. Miguoué 2013: 81). Hierbei darf aber auch Peter Handke selbst nicht aus der Verantwortung genommen werden, denn schon allein durch die Veröffentlichung in einer Zeitung, welche zum Ziel hatte, ein breiteres Publikum zu erreichen, unterwarf er seinen Text den in diesem Medium herrschenden Regeln und stellte ihn außerdem durch seinen Bezug zu aktuellen Ereignissen und eine genaue Datierung der Reiseberichte als Augenzeugenbericht dar, was eine politische Lesart des Textes noch zusätzlich begünstigte (vgl. Düwell 2007: 578). Handke versuchte in der Folge, in Anbetracht der politisch begründeten Entrüstung um seinen Text, die Lesart des Textes in eine literarische Richtung zu lenken, indem er zunächst den Text bei Suhrkamp veröffentlichte. In dieser Publikation vertauschte er Titel und Untertitel wodurch der Akzent, wie Miguoué ausführt, stärker auf die literarischen Aspekte des Textes gelenkt wurde und das Motiv der Reise in den Vordergrund trat: „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina“. Zudem wurde die Buchversion mit Kapiteln versehen, welche den Akzent ebenfalls stärker auf den literarischen Reisebericht legen (Vor der Reise, Der Reise erster Teil, Der Reise zweiter Teil, Epilog) (vgl. Miguoué 2013: 87-89). Neben der Veröffentlichung als Buch versuchte Handke außerdem die Lesart seines Textes im Zuge einer Lesetournee zu beeinflussen, welche ihn durch Deutschland, Österreich, die Schweiz, Slowenien, Serbien und später auch nach Frankreich und Spanien führte. Doch auch dieses Unterfangen schlug insofern weitgehend fehl, als das Publikum eine Diskussion um den Zeitungstext erwartete, während Handke ausschließlich über die literarischen Aspekt des Textes diskutieren wollte und insbesondere gegenüber politischen Aktivisten, gelinde gesagt, wenig Diskussionskompetenz bewies, was wiederum zu weiteren Skandalen führte (vgl. Gritsch 2009: 28f.). Wie sich also zeigt, ist eine grundsätzliche Diskrepanz zwischen der allgemeinen Lesart des Textes und der Lesart des Textes im Sinne des Autors festzustellen. Die Unterschiede zwischen beiden sollen in der Folge angesprochen werden.

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3.3.2 Zwei verschiedene Lesarten des Textes

Eine rein politische Lesart des Textes ist tatsächlich, wenngleich sie in der Öffentlichkeit die vorherrschende war, nicht die einzig mögliche. So ist der Text selbst zweigeteilt. Den Rahmen, welchen in der Buchversion die beiden Kapitel „Vor der Reise“ und „Epilog“ bilden, bestimmen vor allem polemisch vorgebrachte medienkritische Stellungnahmen. In den beiden eingeschlossenen Kapiteln hingegen wird von den Reiseerlebnissen erzählt. Vom Umfang nimmt der Reisebericht etwas mehr Platz ein, als der Rahmen (67 zu 58 Seiten). Folgt man der Intention des Autors, dienen die medienkritischen Äußerungen insbesondere des ersten Kapitels „Vor der Reise“ in erster Linie dazu, die Reise zu legitimieren und den Kontext zu klären, in dem die Reise stattfand. Aus einer solchen Perspektive wären die essayistischen Aspekte des Textes den erzählerischen unterzuordnen (vgl. Miguoué 2013: 102). So stellt das Ich zu Beginn des Textes fest, dass ihm Serbien im Grunde völlig unbekannt ist und ihm auch die über das Land verfassten Zeitungsberichte aufgrund ihres schablonenhaften Charakters mit der Zeit immer mehr die Wirklichkeit eher zu verschleiern schienen, anstatt sie abzubilden: Beinah alle Bilder und Berichte der letzten vier Jahre kamen ja von der einen Seite der Fronten oder Grenzen, und wenn sie zwischendurch auch einmal von der anderen kamen, erschienen sie mir, mit der Zeit mehr und mehr, als bloße Spiegelungen der üblichen, eingespielten Blickseiten – als Verspiegelungen in unseren Sehzellen selber, und jedenfalls nicht als Augenzeugenschaft. Es drängte mich hinter den Spiegel; es drängte mich zur Reise in das mit jedem Artikel, jedem Kommentar, jeder Analyse unbekanntere und erforschungs- oder auch bloß anblickswürdigere Land Serbien. (Handke 1996: 13)

Darauf folgt ein kommentierender Hinweis, der zu verstehen gibt, wie der Leser den Text rezipieren soll: „Und wer jetzt meint: 'Aha, proserbisch!' oder 'Aha, jugophil!' – das letztere ein Spiegel-Wort (Wort?) –, der braucht hier gar nicht erst weiterzulesen.“ (Ebd.; Kursiv-Setzung im Original) Das Ich weist hier also von Beginn an den möglichen Vorwurf einer Parteinahme von sich und beschränkt sein Vorhaben darauf, angesichts der als eingespielt empfundenen öffentlichen Wahrnehmung Serbiens auf die verschiedenen Zugänge zur Wirklichkeit hinzuweisen. Insofern reiht sich der Text nahtlos in Handkes bisheriges Werk ein. Die darauffolgenden medienkritischen Ausführungen dienen nach einer solchen Sichtweise dazu, die These zu untermauern, wonach die Medien nicht die Wirklichkeit beschreiben, sondern ein bestimmtes Bild von den Verhältnissen in Jugoslawien konstruieren und fortwährend reproduzieren, das andere Formen der Wahrnehmung marginalisiert und für ungültig erklärt. Die Reise selbst erscheint dann dagegen als bewusst subjektive, literarische Verarbeitung von Reiseerfahrungen, welche nicht zum Ziel haben, den konstruktiven Charakter medialer Berichterstattung an sich für ungültig zu erklären und damit in direkte Konfrontation mit der Kriegsberichterstattung zu treten, sondern als Verweis auf andere mögliche Formen der Wahrnehmung, die angesichts der Macht der

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Medien leicht aus dem Blick geraten. Dass es dem Ich-Erzähler eben nicht darum geht, eine Position der Wahrheit einzunehmen, von welcher aus Recht gesprochen werden kann (ein Vorwurf, den er den Medien macht), stellt er dabei in einem weiteren kommentierenden Kommentar mit Verweis auf Zolas „J'accuse“ im Epilog klar: „Wohlgemerkt: hier geht es ganz und gar nicht um ein 'Ich klage an'. Es drängt mich nur nach Gerechtigkeit. Oder vielleicht überhaupt bloß nach Bedenklichkeit, Zu-bedenken-Geben.“ (Handke 1996: 124) Wie Christoph Parry feststellt, wäre Handkes Medienkritik, insofern sie eine Problematik anspricht, welche die gesamte postmoderne Welt betrifft, niemals so skandalisierend rezipiert worden, hätte Handke nicht mit polemisch vorgetragenen Spekulationen und persönlichen Angriffen ganz bewusst provoziert (vgl. Parry 2000: 125). Durch diese Provokationen geriet aber die eigentliche Intention des Autors, auf die Pluralität der Weltwahrnehmung hinzuweisen, aus dem Blick, ebenso wie die im Text auffindbare Vielstimmigkeit, die diese Pluralität literarisch widerzuspiegeln versucht. Der Text wurde so vorwiegend als essayistischer Text und als Parteinahme in einer öffentlichen Debatte gelesen. Die Schilderungen vom alltäglichen Leben wurden entsprechend nicht als bewusst subjektives, ebenfalls konstruiertes Bild verstanden, sondern als Beleg für die, aus dieser Sichtweise den gesamten Text bestimmende These von einer einseitigen Berichterstattung, welcher der Autor nun sein objektives, der Wahrheit entsprechendes Bild entgegenstellen möchte (vgl. Miguoué 2013: 103). Hierbei ist zu betonen, dass auch im Text selbst eine solche Argumentationslinie aufzufinden ist, nämlich als im Epilog die zuvor in den Reisebeschreibungen geschilderten, von einem starken Maß an Fiktionalisierung geprägten, subjektiven Eindrücke direkt als Korrektiv zu dem im Rahmen analysierten Medienbild eingesetzt werden: „Und ich dachte und denke: Wo war denn jene 'Paranoia', der häufigste aller Vorbehalte gegen das Serbenvolk?“ (Handke 1996: 128) Insofern sieht Dronske das Problem des Textes auch darin, dass die bei Handkes literarischen Texten wirksamen Mechanismen zur Simulation einer sinndurchfluteten fiktionalen Welt [dazu] dienen […], die Beweise für Aussagen über real existierende politische Konflikte zu schaffen. (Dronske 1997: 80)

Dabei ist festzustellen, dass beide Lesarten, eine stärker auf die politischen und eine stärker auf die literarischen Aspekte fokussierte, grundsätzlich möglich sind und keine der Lesarten die jeweils andere gänzlich ausblenden kann (vgl. Miguoué 2013: 103). In der Folge soll aber erst die Intention des Autors ernstgenommen werden, wonach der Text als Verweis auf die Pluralität aller Welterfahrung zu verstehen ist. Zu diesem Zweck gilt es zuerst auf die Polyphonie innerhalb des Textes hinzuweisen.

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3.3.3 Polyphonie

In Anlehnung an Bachtin kann man von einem polyphonen Text sprechen, wenn sich darin "eine Vielzahl von divergenten Stimmen, Perspektiven und Weltanschauungen in der Orchestrierung des Autors, der wiederum als eine Stimme an dem dynamischen Sinnkonstituierungsprozess teilnimmt" (Volkmann 1998: 128), finden lassen. Entsprechend stellt Miguoué fest, dass in Handkes Text „ein Gespräch inszeniert wird zwischen verschiedenen Erzählformen und -perspektiven oder zwischen verschiedenen Diskursen zur Zeitgeschichte.“ (Miguoué 2013: 124) Insofern erachtet er eine Lektüre, welche allein darin besteht, einzelne im Text vorgefundene Äußerungen textinterner Instanzen direkt mit Ansichten des Autors zu identifizieren für reduktionistisch, nicht zuletzt da dadurch das fiktionalisierende Element dieser Vielstimmigkeit unberücksichtigt bleibt (vgl. ebd.). Wie bereits angeklungen, ist im Text auch eine auktoriale Stimme zu finden, welche dabei nicht nur vorgibt, wie der Text zu lesen ist, sondern auch mögliche Vorwürfe von vornherein anspricht und das erzählende Ich zwingt, seine Gedanken deutlicher zu formulieren: „– Was, willst du etwa die serbischen Untaten, in Bosnien, in der Krajina, in Slawonien, entwirklichen helfen durch eine von der ersten Realität absehende Medienkritik? – Gemach. Geduld. Gerechtigkeit.“ (Handke 1996: 29) Doch diese auktoriale Instanz wirkt nicht nur explizit, sondern auch implizit, indem sie die Geschehnisse ordnet, Ereignisse weglässt, andere dafür besonders genau wiedergibt, um so gewisse Aspekte hervorzuheben, die der Autorintention entsprechen. Insofern kommt es zwangsläufig zu einer Fiktionalisierung der Ereignisse, welche immer auch die Gefahr der Manipulation in sich birgt. Wie Parry feststellt, wird aber auch diese Gefahr in Handkes Text reflektiert und problematisiert. Die politische, stark emotional vorgebrachte Verdammung der serbischen Machthaber durch einen Oppositionellen etwa fällt nicht einfach unter den Tisch, stattdessen wird der innere Konflikt des Ich-Erzählers offen zum Ausdruck gebracht, der diese politische Stellungnahme in seinem Text eigentlich nicht haben möchte, da sie das friedliebende Bild stört, das er von diesem Land konstruieren möchte (vgl. Parry 2000: 126). Auch dadurch wird deutlich, dass die von politischen Aspekten weitgehend gereinigte, idyllische Beschreibung des Landes eben nicht den Anspruch auf Objektivität erhebt, sondern vielmehr als subjektive Akzentuierung der im öffentlichen Diskurs weitgehend ausgesparten Lebenswirklichkeit der Menschen zu verstehen ist: Doch seltsam: obwohl ich vor diesem Menschen endlich nichts Offizielles oder Vorgeplantes mehr an der Situation spürte – statt Statements abzugeben, litt er, zornig und klar –, wollte ich seine Verdammung der Oberherren nicht hören; nicht hier, in diesen Räumlichkeiten, und auch nicht in der Stadt und dem Land; und nicht jetzt wo es vielleicht doch um einen Frieden ging, nach einem Krieg, der mit ausgelöst und zuletzt wohl entschieden worden war auch noch durch fremde, ganz andere Mächte. (Handke 1996: 86)

Liest man diese Stelle dagegen nicht als Reflexion über die Gefahr der Manipulation, welche von der Fiktionalisierung des Reiseberichts ausgeht, also als Reflexion über das Erzählen selbst, 48 sondern als direktes Statement des Autors, so ergibt sich eine völlig andere Lesart. Der innere Konflikt des Ich-Erzählers erscheint dann als Bewertung der Aussagen des Oppositionellen als unpassend und unzulässig, zumal die wahren Verbrecher 'fremde, ganz andere Mächte' zu sein scheinen, denen eine Kritik an den Machthabern im eigenen Land in die Hände spielt. Implizit schwingt nach einer solchen Lesart zudem mit, dass Kritik an den Machthabern den Frieden gefährdet und somit auch den Interessen des Volkes zuwiderläuft. Wie noch zu zeigen sein wird, ist in den serbischen Beiträgen ausschließlich die zweite Lesart zu finden. Ein weiterer Aspekt der Vielstimmigkeit in Handkes Text ergibt sich aus dem Umstand, dass der Ich-Erzähler nicht nur seine eigenen Erlebnisse erzählt, sondern viele der im Reisebericht getroffenen Aussagen von Menschen stammen, mit denen der Ich-Erzähler auf seiner Reise zusammentrifft. Hierbei ist mit Miguoué festzustellen, dass diese Aussagen, welche immer wieder auch in direkter Rede wiedergegeben werden, die Vielstimmigkeit noch zusätzlich verstärken. So dienen dem Ich-Erzähler seine beiden serbischen Reisebegleiter als Übersetzer, woraus sich ergibt, dass viele der getroffenen Aussagen, von der Perspektive seiner beiden Übersetzer zumindest beeinflusst sind, wobei auch deren Perspektiven nicht miteinander übereinstimmen müssen (vgl. Miguoué 2013: 131). Die Sichtweise des erzählenden Ichs wird so nicht als einzig gültige dargestellt, sondern der Erzählfluss immer wieder von anderen, mitunter durchaus kritischen Per- spektiven durchzogen. Eine privilegierte Stellung kommt in diesem Zusammenhang, wie Bluhm betont, im ersten Teil der Reise der 'S.' genannten Ehefrau des Ich-Erzählers zu, auf deren vom Ich-Erzähler abweichende Wahrnehmung immer wieder explizit verwiesen wird (vgl. Bluhm 1998: 82). So macht sie den Ich- Erzähler auf Situationen aufmerksam, die dieser sonst übersehen hätte (vgl. Handke 1996: 53; 54f.), stellt ihre Eindrücke mitunter aber auch denen des Ich-Erzählers entgegen, was zur Relativierung letzterer beiträgt und somit wiederum auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Wirklichkeitserfahrung verweist: „S. meinte nachher, diese Belgrader seien ernst und bedrückt gewesen. Mir dagegen erschien die Bevölkerung, zumindest so auf den ersten Blick, eigentümlich belebt […], und zugleich, ja, gesittet.“ (Ebd.: 58) In der Folge soll nun aber nur auf die Wahrnehmung des Ich-Erzählers eingegangen werden, da dieser Ich-Erzähler meist mit dem Autor gleichgesetzt wurde und dessen Wahrnehmung als politisches Statement Peter Handkes interpretiert wurde.

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3.3.4 Die Wahrnehmung des Ich-Erzählers

3.3.4.1 Der Ich-Erzähler als Kritiker der Medien Im ersten Kapitel präsentiert sich der Ich-Erzähler als aufmerksamer Medienkonsument, welchem die Berichterstattung zu Jugoslawien mit der Zeit immer einseitiger erscheint. Dabei findet er eine solche 'antiserbische Berichterstattung' nicht nur auf die Kriegsberichterstattung beschränkt, sondern auch im Bereich der Kultur, wie er anhand der Kritiken zu Kusturicas Film 'Underground' bemerkt (vgl. Miguoué 2013: 140). Diese Einseitigkeit scheint ihm dabei ideologisch motiviert und im Dienste politischer Interessen zu stehen, wie er etwa anhand eines Artikels in 'Le Monde' bemerkt, in dem die Verfasserin versucht nachzuweisen, dass die Veröffentlichung des Films im Westen, in Anbetracht der Tatsache, dass er auf serbischem Boden gedreht und damit bestimmt von serbischen Unternehmen mitfinanziert worden war, gegen das Handelsembargo der Vereinten Nationen gegen Serbien verstößt (vgl. Handke 1996: 26f.). In der Folge versucht der Ich-Erzähler seinen Eindruck einer antiserbischen Haltung der westeuropäischen Medien (und als Folge daraus der Öffentlichkeit insgesamt) weiter zu untermauern, indem er auf die Bildersprache der Medien verweist, welche die Wirklichkeit für die Öffentlichkeit konstruiert. Dass der Ich-Erzähler dabei über ein mögliches Posieren der Kriegsopfer spekuliert (vgl. ebd.: 41f.) und im Epilog Assoziationen nahelegt, die seine Medienkritik als Aufdeckung einer Verschwörung der Medien gegen Serbien erscheinen lassen (vgl. ebd.: 127; 129), gehört zu jenen Provokationen, die den Blick auf die eigentliche Intention, nämlich einer Verabsolutierung des medial erzeugten Bildes entgegenzusteuern, verstellen, zugleich aber auffällige Parallelen zum serbischen nationalistischen Diskurs darstellen. Der Hauptkritikpunkt, auf den der Ich-Erzähler abzielt, besteht dabei nicht darin, dass die Medien Bilder der Wirklichkeit konstruieren, sondern dass die medial konstruierten Bilder nicht mehr in kritischer Distanz zur Politik stehen, sondern ideologisch motiviert sind. Insofern rechtfertigen sie im Grunde politische Entscheidungen und werden damit selbst zu Akteuren im Zeitgeschehen: Freilich: Ist es ein irrläuferischer Mechanismus, wenn einer zu einem jeden neuen Journalistenbericht von wieder so einer Horde Slivovica trinkender serbischer Nationalisten, bäuerlicher Illuminierter und Paranoiker vor sich eine gar nicht so unähnlich üble Auslandsreporterhorde sieht, abends an einer Hotelbar, in der Hand statt des Pflaumenschnaps eben einen aus Trauben oder sonstwas gebrannten? (Ebd.: 46f.; Kursiv-Setzung im Original)

Einer solchen politischen Vereinnahmung will der Ich-Erzähler mit seinen Reisebeschreibungen dagegen nicht zum Opfer fallen, weshalb er explizit darauf hinweist, dass der Versuch, den herrschenden Diskurs zu hinterfragen, leicht zu einem ebenso ideologisch motivierten Gegenimpuls werden kann: „So dachte ich dann, es könnte die Gefahr solcher Gegenläufigkeiten sein, daß in ihnen sich etwas äußere, was vergleichbar wäre mit den Glorifizierungen einst des Sowjetsystems

50 durch manche Westreisende der dreißiger Jahre.“ (Ebd.: 46) Daraus erklärt sich auch das Vorhaben des Ich-Erzählers in seinen Reisebeschreibungen vor allem die Alltagswirklichkeit der Menschen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken und damit auf einen Aspekt der Wirklichkeit zu verweisen, der in der alltäglichen medialen Berichterstattung ausgespart bleibt. So erklärt er zu Beginn der Reisebeschreibungen: Was ich von unserer Reise durch Serbien zu erzählen habe, sind allerdings nicht vorsätzliche Gegenbilder zu den vielfach vorgestanzten Gucklöchern auf das Land. Denn was sich mir eingeprägt hat, das waren, ohne meinen Vorsatz und ohne mein Zutun, fast einzig dritte Dinge – jenes Dritte, welches bei dem deutschen Epiker Hermann Lenz 'nebendraußen' zu sehen oder zu sichten ist, und welches bei dem alten Philosophen […] Edmund Husserl 'die Lebenswelt' heißt. (Ebd.: 51)

Diesem Anspruch, eben nicht bloß ein Gegenbild konstruieren zu wollen, werden die Reisebeschreibungen jedoch nicht gerecht, da Serbien in ihnen als Gegenbild zur westlichen, kapitalistischen Gesellschaft konstruiert wird und sich eben dadurch mit der den serbischen Nationalismus bestimmenden Selbstwahrnehmung überschneidet. Gerade die weitgehende Aus- sparung des Politischen in den Reisebeschreibungen, welcher der Autorintention zufolge ver- hindern soll, dass diese Beschreibungen zu einer ebenfalls ideologischen Glorifizierung der Serben verkommt, ist insofern selbst als politisch zu betrachten, denn damit einher geht eine Betonung der Natürlichkeit, die sich mit der Ideologie des serbischen Nationalismus weitgehend deckt. Auf das Serbien-Bild, welches der Ich-Erzähler in seinen Reisebeschreibungen konstruiert, soll nun näher eingegangen werden.

3.3.4.2 Der Ich-Erzähler auf der Suche nach Authentizität Wie bereits dargestellt, entwickelt sich das Serbien-Bild, das im Text konstruiert wird, aus dem bereits zuvor in anderen Werken Handkes entwickelten Jugoslawien-Bild, welches in erster Linie der Identitätskonstruktion dient, insofern es ein Gegenbild zur kritisch betrachteten kapitalistischen Warenwelt darstellt. Aus der Sicht des Ich-Erzählers fielen die anderen ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens mit dem Erlangen ihrer Eigenstaatlichkeit aber unter den Einfluss des Westens, womit ein Wesensverlust einherging. Vor allem der Einfluss des Deutschen wird in diesem Zusammenhang kritisch betrachtet. So heißt es etwa gleich zu Beginn der Reise angesichts des kleinen Langen- scheidt-Wörterbuchs, welches der Ich-Erzähler auf die Reise mitnimmt: [W]o da auf dem üblichen gelben Umschlag einst 'Serbokroatisch' stand, hieß es jetzt nur noch 'Kroatisch' (Auflage von 1992), und ich fragte mich dann beim Durchblättern, ob hinten, unter 'Gebräuchliche Abkürzungen', schon zu der Zeit, da auch das Serbische noch ausdrücklich mittun durfte, 'DIN, Deutsche Industrienorm' vorkam […]. (Handke 1996: 52)

Am Ende der Reisebeschreibungen wird dieser Vorwurf, mit der Eigenstaatlichkeit die eigene

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Identität verloren zu haben und unter westlichen und insbesondere deutschen Einfluss gefallen zu sein, noch einmal expliziter am Beispiel Sloweniens geäußert. Hier berichtet der Ich-Erzähler von einer Wanderung durch Slowenien kurz vor seiner Reise nach Serbien, auf der er etwa in einem Hotel alles „vollends ausgerichtet auf die Deutschsprachigkeit“ (ebd.: 109) vorfand und der slowenische Staatspräsident sich jetzt im staatlichen Fernsehen „in der Haltung eines Kellners, fast Lakaien, den Ausländern sein Land“ (ebd.: 110) andiente. Serbien imaginiert der Ich-Erzähler im Gegensatz dazu, vor allem aufgrund seiner widerständigen Haltung gegenüber dem Westen, dessen als ungerecht empfundene Anschuldigungen es nicht einfach hinnehmen will, als von einem erhöhten Grad an Wirklichkeit durchdrungen und schafft so ein positives Gegenbild zur als negativ empfundenen, 'entwirklichten' westlichen Gesellschaft: Zum Beispiel ist mir von dort das Bild einer, im Vergleich zu der unsrigen, geschärften und fast schon kristallischen Alltagswirklichkeit geblieben. Durch den Kriegszustand? Nein, vielmehr durch ein sich offensichtlich europaweit geächtet wissendes ganzes, großes Volk, welches das als unsinnig und ungerecht erlebt und jetzt der Welt zeigen will, auch wenn diese so gar nichts davon wahrnehmen will, daß es, nicht nur auf den Straßen, sondern ebenso abseits, ziemlich anders ist. (Ebd.: 115)

Diese 'kristallische Alltagswirklichkeit' wird vom Ich-Erzähler zuvor in den Reisebeschreibungen in verschiedenen Situationen konstruiert. So etwa bei der Stadtbeschreibung Belgrads, welche vor allem auch als fiktives Gegenbild zum medial konstruierten Bild zu lesen ist. In dieser zeichnen sich die Bewohner der Stadt durch ihre besondere Bewusstheit sich selbst und ihren Mitmenschen gegenüber aus, wobei in dieser Beschreibung, wie Dronske bemerkt, auch eine gewisse moralische Reinheit und Unschuld anklingt (vgl. Dronske 2001: 174), wenn der Ich-Erzähler etwa, obwohl er nach ihnen Ausschau hielt, „keinen serbischen Slivovitztrinker gesichtet [hat], dafür, um einen Straßenbrunnen, Leute, die Wasser tranken, von der Hand in den Mund“ (Handke 1996: 58). Dass sich diese ganze Szenerie auch noch unter dem Schein des islamischen Halbmonds abspielt, verstärkt den Eindruck noch zusätzlich, dass es sich hierbei in erster Linie um ein imaginiertes, betont friedliches Gegenbild zum medial konstruierten Bild handelt. Dass sich die Alltagswirklichkeit angesichts des durch das Handelsembargo ausgelösten Mangels durch eine besondere Gegenständlichkeit der Dinge auszeichnet, welche eben dadurch, dass sie keine einfachen Wegwerfartikel darstellen, an Wirklichkeit gewinnen, kommt in der Folge bei der Beschreibung eines Belgrader Marktes zum Ausdruck. Hier erblüht Serbien trotz des Mangels in einer „volkstümliche[n] Handelslust“ (ebd.: 72), welche, wie Dronske betont, in ihrer Lebendigkeit und Heiterkeit einen rebellischen Gestus im Vergleich zur gefühlskalten Geschäftemacherei im Westen erhält (vgl. Dronske 2001: 175). Ähnlich erlebt der Ich-Erzähler das aufgrund des Embargos in Plastikflaschen verkaufte Benzin, welches, indem es wieder zu etwas Seltenem, Wertvollem geworden ist, wieder tatsächlich erfahrbar wird und nicht bloß ein Konsumgut darstellt:

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Und auch bei all den Treibstoffkäufen danach hat sich mein erster Eindruck dort erhalten, daß die grünrotgrüne dicke Flüssigkeit, wie sie da in einem langsamen und gut sichtbaren breiten Strahl von überaus behutsamen Händen jeweils in den Tank gegossen wurde, sich wie noch nie als das sehen ließ, was sie in der Tat ja auch war, ein Bodenschatz […]. (Handke 1996: 88; Kursiv-Setzung im Original)

Wie Miguoué betont, werden die Beschreibungen eben durch den Versuch, eine natürliche Gegenständlichkeit der Dinge zu konstruieren, welche der westlichen Welt abhanden gekommen ist, zu Idealisierungen, welche auch als reiner Exotismus gelesen werden können, insofern sie die Natur gegenüber der Zivilisation aufwerten und so ein märchenhaftes Bild des Anderen konstruieren (vgl. Miguoué 2013: 150f.). Diese Idealisierung geschieht dabei im Rückgriff auf verschiedene Vorstellungen, die den westeuropäischen Diskurs über den Balkan kennzeichnen, welche, wie im Kapitel 2.4 dargestellt, allesamt auf der Vorstellung vom Balkan als dem unvollkommenen Eigenen beruhen und vor allem in der Betonung der Rückständigkeit und Irrationalität des Balkan Ausdruck finden. Diese negativen Zuschreibungen werden im serbischen Nationalismus als Kennzeichen der Originalität und Natürlichkeit des Serbentums positiv umgedeutet, welche nur durch absolute Abschottung gegenüber äußeren Einflüssen bewahrt werden kann. Ebenso wurde, wie dargestellt, diese vermeintliche Naturverbundenheit immer wieder vonseiten einzelner westlicher Intellektueller als etwas wahrgenommen, dass dem Westen abhanden gekommen ist. Abhanden gekommen ist es ihm, da der Balkan eben nicht als etwas absolut Fremdes, sondern etwas unvollkommenes Eigenes gesehen wird, diese vermeintliche Naturverbundenheit also auch dem westlichen Teil Europas einmal eigentümlich gewesen sein muss. In eben diese Tradition stellt sich auch der Ich-Erzähler, etwa, wenn er sich angesichts der eben besprochenen 'Handelslust' wünscht, „die Abgeschnittenheit des Landes – nein, nicht der Krieg – möge andauern; möge andauern die Unzugänglichkeit der westlichen oder sonstwelchen Waren- und Monopolwelt.“ (Handke 1996: 72) Ebenso wie im serbischen nationalistischen Diskurs wird Serbien in Handkes Text zu einem positiven Gegenbild zu den als bedrückend und unwirklich empfundenen westlichen Verhältnissen und damit auch in gewisser Weise zu einer innerhalb der Welt auffindbaren Utopie. Serbien stellt damit, ebenso wie im serbisch nationalistischen Selbstverständnis, eine Art Vorbild dar, das Europa wieder auf den rechten Weg zurückführen soll. Widersprüchlich ist an einer solchen Vorgangsweise des Ich-Erzählers, wie Miguoué hervorhebt, dass zwar einzelne stereotype Vorstellungen des Westens über Serbien dekonstruiert, andere dafür kritiklos übernommen und sogar zu essentialistischen Kategorien erhoben werden. Dies hat zur Folge, dass der im Text entwickelte poetische Diskurs derselben Schwarzweißmalerei verfällt, die er im medialen Diskurs anprangert (vgl. Miguoué 2013: 151f.). Als Folge daraus wird das Andere wiederum nicht als Subjekt wahrgenommen, sondern bleibt ein Objekt, das „nicht wegen dessen, was es ist, thematisiert [wird], sondern als 'Ferment' für eine Debatte in der eigenen Gesellschaft.“

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(Ebd.: 153) Wie Miguoué in der Folge feststellt, muss dabei aber berücksichtigt werden, dass diese Position im Text nicht verabsolutiert, sondern durchaus auch selbstkritisch mit den eigenen Vorstellungen umgegangen wird (vgl. ebd.: 155). So wird im Text zweimal explizit auf die eigene Außenposition verwiesen, wodurch das eben konstruierte Bild gleich wieder relativiert wird: „Was weiß ein Fremder?“ (Handke 1996: 59; 129) Insgesamt lässt sich aber festhalten, dass die Beschreibung Serbiens vor allem als Konstruktion eines Gegenbildes zur westlichen Gesellschaft stattfindet und insofern in erster Linie an ein westliches Publikum gerichtet ist. Dabei stellt der Ich-Erzähler im Epilog fest, dass der Text auch „neben dem und jenem deutschsprachigen Leser genauso dem und jenem in Slowenien, Kroatien, Serbien zugedacht“ (ebd.: 133f.) war. Was ist nun aber die Botschaft, die der Text eben diesen Lesern unterbreiten will?

3.3.5 Die Winterliche Reise als Friedenstext

Sowohl Lothar Bluhm als auch Svjetlan Lacko Vidulić verweisen darauf, dass Handke betont hat, dass es sich bei seinem Text um einen Friedenstext handelt, der zur Versöhnung zwischen den untereinander verfeindeten Gruppen beitragen soll (vgl. Bluhm 1998: 74; Lacko Vidulić 2007: 1). Wie Vidulić darstellt, kommt diese Intention des Textes dabei insbesondere im Epilog zum Ausdruck (vgl. Lacko Vidulić 2007: 1). In diesem wird auf die Notwendigkeit verwiesen, dass ein Friede nur möglich ist, wenn die Menschen wieder in einen normalen Alltag zurückfinden, der nicht vom allgegenwärtigen Tod überschattet ist: „Nein, der Frieden ging nur so: Laßt die Toten ihre Toten begraben. Laßt die jugoslawischen Toten ihre Toten begraben, und die Lebenden so wieder zurückfinden zu ihren Lebenden.“ (Handke 1996: 128) Damit meint der Ich-Erzähler aber nicht, dass die begangenen Verbrechen verdrängt werden sollen, sondern dass diese Verbrechen nicht die Leben der Hinterbliebenen beherrschen dürfen: „Die bösen Fakten festhalten, schon recht. Für einen Frieden jedoch braucht es noch anderes, was nicht weniger ist als die Fakten.“ (Ebd.: 133) Dieses 'Andere' wird in der Folge 'das Poetische' genannt, worunter ein Erinnern der durch die Ereignisse in Vergessenheit geratenen gemeinsamen Erlebnisse der untereinander fremd und zu Feinden Gewordenen zu verstehen ist: „Oder sag statt 'das Poetische' besser das Verbindende, das Umfassende – den Anstoß zum gemeinsamen Erinnern, als der einzigen Versöhnungsmöglichkeit, für die zweite, die gemeinsame Kindheit.“ (Ebd.) Hier geht es also um die Beschwörung einer verloren gegangenen Zeit der Unschuld, welche noch nicht von politischen Vorstellungen der Vergangenheit und der Gegenwart bestimmt war, wodurch überhaupt erst Konflikte entstehen, sondern in der die Gegenwart noch unmittelbar als solche wahrgenommen wurde. Eine solche nicht 54 durch die Politik bestimmte Wahrnehmung, ein Wahrnehmen der Nebensächlichkeiten, welche die Menschen miteinander verbindet, wird hier als Möglichkeit des Friedens dargestellt: Oder einfach von der, unser aller, Gefangenschaft in dem Geschichte- und Aktualitäten-Gerede ablenken in eine ungleich fruchtbarere Gegenwart: 'Schau, jetzt schneit es. Schau, dort spielen Kinder' (die Kunst der Ablenkung; die Kunst als die wesentliche Ablenkung). (Ebd.: 134)

Dass diese Botschaft, in der westeuropäischen Rezeption nicht wahrgenommen und der Text vielmehr als konflikteskalierend charakterisiert wurde, hat laut Lothar Bluhm drei Gründe: Den ersten Grund findet Bluhm im Text selbst. So ist die Medienkritik derart polemisch vorgebracht, dass die Reisebeschreibungen ihnen gegenüber in den Hintergrund treten müssen und somit die Lesart nicht mehr zu verändern vermögen. Den zweiten Grund sieht Bluhm im Thema des Textes, welches aufgrund der heftigen Emotionen, die mit diesem verknüpft sind, und des Umstands, dass es in moralische Schemata, wie gut/schlecht, eingebunden ist, für kritische Abwägungen unempfänglich ist. Verstärkend wirkt hierbei noch der Systemtransfer der Literatur in die Politik, durch welchen das literarische Werk nach politischen Maßstäben beurteilt wird und daher eine literarische Intervention von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Den dritten Grund sieht Bluhm schließlich in Handkes Poetik, welche zu komplex und spekulativ ist, um im politischen Bereich richtig verstanden zu werden (vgl. Bluhm 1998: 85f.). Wie wurde Handkes Winterliche Reise nun aber im deutschsprachigen Raum rezipiert? Welche Vorwürfe wurden dem Autor gemacht?

3.3.6 Die Rezeption der Winterlichen Reise

Die umfassendste Analyse der Rezeption der Winterlichen Reise im deutschsprachigen Raum stammt von Kurt Gritsch, weshalb der folgende Abschnitt sich auch an dessen Darstellung im Buch Peter Handke und „Gerechtigkeit für Serbien“: Eine Rezeptionsgeschichte (2009) hält. Gritsch stellt fest, dass im deutschsprachigen Raum insbesondere das erste und das letzte Kapitel, also jene Teile, die von einer sehr polemischen Medienkritik bestimmt sind, rezipiert wurden. Die Debatte um Handkes Text wurde dabei hauptsächlich im Jänner und Februar des Jahres 1996 geführt, wobei zu Beginn der Debatte noch näher am Text argumentiert wurde, während es gegen Ende fast nur mehr darum ging, sich für oder gegen Handke auszusprechen (vgl. Gritsch 2009: 9-14). Ende März flaute die Debatte fast gänzlich ab und flammte nur noch anlässlich einiger skandalträchtiger Auftritte Handkes, wie etwa im Wiener Akademietheater oder im Österreichischen Parlament wieder auf. Dem im selben Jahr erschienenen Sommerlichen Nachtrag wurde im Vergleich weitaus weniger Aufmerksamkeit geschenkt, was unter anderem daran liegen mag, dass dieser gleich als Buch veröffentlicht wurde und somit von vornherein kein so breites Publikum erreichte, wie die 55 zuerst in einer Zeitung veröffentlichte Winterliche Reise (vgl. ebd.: 161-167). Der Hauptvorwurf, welcher Handke nach Gritsch gemacht wurde, war, dass Handke mit seinem Eintreten für Serbien indirekt den Holocaust leugne, da er den 'Genozid' in Bosnien in Frage stelle (vgl. ebd.: 168). Ein Vorwurf, der nur unter der Prämisse haltbar ist, dass die Serben die zeitgenössischen Nationalsozialisten darstellen, eine wie bereits dargestellt, problematische Gleichsetzung. Dabei bemüht aber auch Handke den Vergleich mit der NS-Zeit, wobei er jedoch angesichts der Herabstufung des serbischen Teils der Bevölkerung Kroatiens zu einer Minderheit die Erinnerung an das Ustaša-Regime wachruft und von diesem ausgehend fragt: „Wer also war der Aggressor?“ (Handke 1996: 34) Insofern ist festzustellen, dass auch Handke eine bestimmte Form der Erinnerungskultur an die NS-Zeit anwendet, welche sich wiederum mit jener im serbisch nationalistischen Diskurs deckt, wonach, wie dargestellt, die Serben ihr Schicksal mit dem der Juden teilen. Vonseiten der Kritiker wurde Handkes Standpunkt dagegen als In-Schutz-Name der Täter verstanden (vgl. Gritsch 2009: 172f.). Dass Handkes Fragen in ihrem Gehalt der serbischen Propaganda entstammen, war ein weiterer Vorwurf der Handke gemacht wurde, insbesondere angesichts der Tatsache, dass er die Zerstörung Dubrovniks in Frage stellte (vgl. Handke 1996: 48) und die bosniakische Bevölkerung Bosniens als „die serbokroatisch sprechenden, serbischstämmigen Muselmanen Bosniens“ (vgl. ebd.: 38) bezeichnete. Zudem sei er der Opposition in Serbien in den Rücken gefallen, indem er pauschalisierend für 'die Serben' Gerechtigkeit gefordert und nicht zwischen dem Volk und seinen Machthabern differenziert habe. Des Weiteren wurde seine Sehnsucht nach einer vorkapitalistischen Idylle kritisiert und der aus Fragen bestehende Dialog zwischen der auktorialen Instanz und dem Ich-Erzähler wurde als Immunisierungsstrategie abgetan. Hinter den Provokationen wurde schließlich das Bedürfnis vermutet, den eigenen Marktwert zu steigern (vgl. Gritsch 2009: 172- 179). Nach dieser Beschreibung des für die Arbeit relevanten Kontext, welcher dazu dienen soll, einzelne, in der serbischen Berichterstattung zur Handke-Kontroverse vorgefundene Aussagen, sinnvoll einordenbar zu machen, beginnt die nun folgende Analyse mit einer allgemeinen Beschreibung des Korpus.

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III. Die Handke-Kontroverse in serbischen Printmedien 1996

1. Beschreibung des Korpus

Das Korpus umfasst Beiträge aus serbischen Tages-8, Wochen-, 2-Wochen- und Monatszeitungen9, Kultur- und Literaturzeitschriften10, zudem noch Vor- und Nachworte einzelner 1996 erschienener Übersetzungen von Werken11 Handkes, in denen auf die Kontroverse Bezug genommen wird, und eine eigenständige Buchpublikation12, die einen eindeutigen Bezug zur Kontroverse aufweist. In Bezug auf die Tages-, Wochen-, 2-Wochen- und Monatszeitungen wurde versucht ein möglichst breites politisches Spektrum abzudecken. So befinden sich im Korpus sowohl regimenahe13 als auch unabhängige bzw. oppositionelle14 Zeitungen. Eine Mittelposition nimmt die Wochenzeitung NIN ein, welche sich zu diesem Zeitpunkt weitgehend vom Regime emanzipiert hatte, aber trotzdem darauf achten musste, nicht zu kritisch zu erscheinen, um nicht erneut unter die Kontrolle des Regimes gebracht zu werden (vgl. Marković 1996). In Bezug auf die nationalistische Ideologie sind innerhalb der Gruppe der oppositionellen Zeitungen beide Extreme vertreten.15 Gehofft wird, dass sich durch die im Korpus vertretene politische Bandbreite Beiträge finden, die miteinander in Konflikt treten, und sich so die bedeutenden Streitpunkte innerhalb der diskursiven Aufarbeitung der Handke-Kontroverse herauskristallisieren. Insgesamt wurden 145 Beiträge gefunden, die sich auf die im Jahr 1996 entbrannte Handke- Kontroverse beziehen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann dabei nicht erhoben werden, da das benutzte Zeitungsarchiv der Serbischen Nationalbibliothek Lücken aufweist. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass mindestens vier Beiträge fehlen.16 Fünf der aufgefundenen Beiträge stellen Auszüge aus der Winterlichen Reise dar. Sie wurden in den Zeitungen Naša (Handke 1996b; Handke 1996c) und Intervju (Handke 1996d), der Literaturzeitschrift Književnost (Handke 1996k), sowie in Radomir Smiljanićs Buch (Handke 1996h) veröffentlicht. Einen Tag bevor in Naša borba am 12. Jänner 1996 die ersten Auszüge veröffentlicht wurden, brachte die Wochenzeitung NIN einen Beitrag von Handkes Reisebegleiter und Übersetzer ins Serbische Žarko Radaković (1996: 40), in welchem dieser von der gemeinsamen

8 Borba, , , Jedinstvo, Naša borba, Politika, , Večernje novosti 9 Duga, Intervju, Nedeljni telegraf, NIN, Republika, Srpska reč, Velika Srbija, Vreme 10 Itaka, Književnost, Književne novine 11 Konstantinović (1996: 61-63); Tadić (1996: 3-7) 12 Smiljanić (1996) 13 Borba, Dnevnik, Duga, Intervju, Jedinstvo, Politika, Politika ekspres, Večernje novosti 14 Naša borba, Dnevni telegraf, Nedeljni telegraf, Republika, Srpska reč, Velika Srbija, Vreme 15 Stark nationalistisch ausgerichtet: Velika Srbija – antinationalistisch ausgerichtet: Republika, Srpska reč 16 Zwei in Vreme und je einer in Dnevnik und Intervju. 57

Reise durch Serbien berichtet und vor allem darum bemüht scheint, die Leserschaft mit dem Schriftsteller Handke bekannt zu machen. Dieser Artikel markiert den Beginn der Berichterstattung über Peter Handke und die Kontroverse im Jahr 1996. Etwas über einen Monat später, am 23.2.1996 veröffentlichte der NIN dann den gesamten Text in der Übersetzung Nenad Briskis und Žarko Radakovićs (Handke 1996e). Bis Ende Mai 1996 erschien Handkes Winterliche Reise außerdem dreimal in Buchform. Die erste Veröffentlichung ist eine in Podgorica vom Verlag 'Oktoih' herausgegebene, nicht genehmigte Übersetzung von Zlatko Krasni (Handke 1996f.). Die erste genehmigte Übersetzung erschien in Priština beim Verlag 'Grigorije Božović' in der Übersetzung von Žarko Radaković und Nenad Briski (Handke 1996g). Die dritte Übersetzung (Handke 1996i) ist in der von Života Ivanović erstellten Sammlung von im Ausland veröffentlichten Beiträgen zur Handke-Kontroverse Handke i njegovi kritičari (Ivanović 1996l) enthalten. Zieht man in Betracht, dass Handkes Text in zwei Teilen in den Wochenendausgaben der Süddeutschen Zeitung vom 5./6. und 12./13.1.1996 erschienen war, lässt sich feststellen, dass die serbische Öffentlichkeit relativ schnell Gelegenheit hatte, sich zumindest mit Auszügen des Textes vertraut zu machen, und auch der gesamte Text in verschiedener Form zugänglich gemacht wurde. Bei den in Naša borba in der Übersetzung von Drinka Gojković veröffentlichten Auszügen handelt es sich dabei um Stellen aus den Reisebeschreibungen und dem Epilog, der Fokus liegt also auf dem stärker literarisch geprägten Teil des Textes. Während das gesamte, von der Kritik des Ich- Erzählers an der westlichen und vor allem deutschen Berichterstattung und seiner Skepsis an der alleinigen Schuld der serbischen Politik am Kriegsausbruch dominierte erste Kapitel ausgespart bleibt, werden auch in den Auszügen aus dem Epilog eben jene Stellen ausgelassen, welche sich mit dem Massaker von Srebrenica sowie der schablonenhaften westlichen und vor allem deutschen Berichterstattung beschäftigen (In der Buchfassung sind dies die Seiten 122-129). Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dem in Intervju veröffentlichten Auszug um das erste von der Medienkritik dominierte Kapitel und den Beginn des zweiten (Handke 1996d: 48-52). Hier ist kein Übersetzer angeführt und auch der Auszug scheint an relativ willkürlicher Stelle abzubrechen. Anhand der in den beiden Zeitungen veröffentlichten Auszüge lässt sich insofern noch nicht feststellen, ob die Rezeption der Texte stärker auf den politischen oder auf den literarischen Gehalt des Textes fokussiert ist. Betrachtet man den weiteren Verlauf der Rezeption in serbischen Printmedien, scheint diese sich aber vorwiegend mit den politischen Aspekten des Textes zu beschäftigen. So beziehen sich fast alle Beiträge mit dem an ein Pamphlet erinnernden Titel „ za Srbiju“ auf den Text und in den Beiträgen selbst scheint zunächst vor allem die Kontroverse in den westlichen Medien im Vordergrund zu stehen: Im Korpus scheinen 15 Beiträge auf, in welchen bereits in 58 westeuropäischen Medien veröffentlichte Reaktionen auf Handkes Text unkommentiert wiedergegeben werden17, sowie eine Sammlung von Reaktionen auf Handkes Text in Buchform.18 Neben diesen Beiträgen wurden auch Interviews Handkes für westliche Medien in serbischen Zeitungen veröffentlicht.19 Exklusiv für serbische Zeitungen verfasste Beiträge serbischer Autoren mit implizitem oder explizitem Bezug zur Handke-Kontroverse befinden sich im Korpus 115.20 Diese stellen das eigentliche Analysematerial dieser Arbeit dar.21 Eine Beschäftigung mit Handkes Serbien-Text aus literaturkritischer Perspektive findet in diesen so gut wie gar nicht statt. Einzig die Beiträge von Žarko Radaković im NIN sind stärker an den literarischen Aspekten des Textes interessiert. Wird auf den Umstand verwiesen, dass Handkes Text stark literarisch geprägt ist, scheint dies eher dazu zu dienen, die um den Text entstandene Kontroverse als eindeutig von politischen Interessen geleitet darzustellen. Entsprechend steht auch eher diese im Westen geführte Kontroverse in den Beiträgen im Vordergrund und weniger die Inhalte des Textes selbst. Dieser Eindruck wird durch den Umstand bekräftigt, dass nur vier Beiträge anlässlich des Erscheinens des Sommerlichen Nachtrags im Korpus aufscheinen. Dieser Text wurde, wie Kurt Gritsch feststellt, auch in den westlichen Medien kaum beachtet, da er gleich bei Suhrkamp erschien, weshalb er im Vergleich zur Winterlichen Reise weniger Publikum fand, und zudem allgemeiner Konsens darüber zu herrschen schien, dass Handke im Grunde nichts Neues brachte (vgl. Gritsch 2009: 47f.). In Serbien erschienen Auszüge aus Sommerlicher Nachtrag am 18.10.1996 im NIN, wiederum in der Übersetzung von Žarko Radaković (Handke 1996l: 44-46). Als Buch wurde der Text erst 1997 vom Verlag 'Grigorije Božović' veröffentlicht, scheint aber auch da keinen größeren Widerhall in der serbischen Presse hervorgerufen zu haben: Svjetlan Lacko Vidulić (2008: 207) listet in seiner Untersuchung zur Wirkung der Handke Kontroverse seit 1991 in Serbien für das Jahr 1997 bloß drei Beiträge auf (im Gegensatz zu 41 im Jahr 1996).

17 Anonym (1996r: 16); Anonym (1996s: 13); Anonym (1996t: 13); Anonym (1996u: 15); Ćosić (1996a: 16); Deichmann (1996: 15); Dor (1996: 16); Ivanji (1996a: 13); Karahasan (1996: 15); Schmid (1996: 15); Schneider (1996: 13); Schneider (1996a: 13); Stefanelli (1996: 13); Thumann (1996: 29); Winkler (1996: 13) 18 Ivanović (1996l) 19 Handke (1996m: 2); Ivanović (1996j: 16); Ivanović (1996k: 16) 20 Ursprünglich für ausländische Medien verfasste Beiträge serbischer Autoren wurden unter der Bedingung in das Korpus aufgenommen, dass sie zur Gänze als eigenständige Beiträge in der Zeitung abgedruckt und nicht als Teil der westlichen Debatte präsentiert werden. Insofern bleiben Zitate aus Stellungnahmen serbischer Autoren in anderen Beiträgen unberücksichtigt, da diese Stellungnahmen auch in den Beiträgen selbst grundsätzlich als Beiträge der im Westen geführten Debatte gewertet werden. Der Beitrag Bora Ćosićs ist Bestandteil des Korpus, da er bereits als eigenständiger Artikel in Naša borba erschienen war (Ćosić 1996: 6), bevor er in Borba als Teil der westlichen Debatte aufscheint (Ćosić 1996a: 16). 21 Im Unterschied zu der Untersuchung Svjetlan Lacko Vidulićs werden im engeren Korpus neben ausführlichen Beiträgen auch Kurzmeldungen und ungezeichnete oder auf Meldungen der Nachrichtenagentur 'Tanjug' zurückgehende Artikel miteingeschlossen. Der Grund hierfür liegt darin, dass in diesen Äußerungen zu finden sind, die, wie es scheint, gebetsmühlenartig wiederholt werden und so stark dazu beitragen, gewisse Rahmenbedingungen für die Rezeption der Handke-Kontroverse zu setzen. Kurzmeldungen und ungezeichnete Beiträge befinden sich insgesamt 29 im Korpus. 59

Den zweiten Schwerpunkt der Berichterstattung zur Handke-Kontroverse in serbischen Printmedien stellt Handkes erneuter Besuch in Serbien Mitte Mai 1996 dar. Spätestens im Zuge dieses Besuchs scheint der literarische Diskurs vollends vom politischen überlagert und Handke zu einem Kämpfer für die 'serbische Sache' stilisiert worden zu sein. Bände spricht hier etwa Milorad Pavićs Rede in der Serbischen Nationalbibliothek am 15.5.1996, in welcher er Handke zu einem weiteren großen Freund der Serben (genannt werden: Grimm, Goethe, Hugo, Tolstoj) ernannte, was letzten Endes auch das serbische Volk adelt: „Jednom reči, dobro je imati jednog Petera Handkea. Ali, Petera Handkea mogu imati samo velike nacije.“ (Pavić 1996: 39)22 Veronika Seyr beschrieb diesen Besuch im standard folgendermaßen: Regime-nahe Künstlervereine hatten für Handke diesen Auftritt organisiert, Milosevics [sic!] Funktionäre huldigen dem Schriftsteller als 'Rächer der Welt- verschwörung gegen die Serben' - was dieser ebenso geduldig über sich ergehen lässt wie die auf der Bühne dargebrachten Balladen und Volkstänze, die Klavierstücke, den Operngesang, die Blumengebinde. Die Crème de la Crème der Nationalisten geben sich hier ein Stelldichein: viele Uniformen, Akademie-mitglieder, Regierungsschriftstelle rund [sic!] -journalisten, Kirchenvertreter, einfache Menschen - Ehrfurcht, Rührung, Tränen, Begeisterungsstürme. Belgrad hat seinen Helden. […] Mein Eindruck war, dass ihn die nationalistische Propaganda- maschinerie hereingelegt hatte und er das Ausmaß seiner Funktionalisierung nicht ganz erfasste. (Seyr 1996)

Die politische Instrumentalisierung des Besuchs wurde später in Vreme, Republika und im NIN explizit thematisiert.23 Nach Handkes zweitem Serbien-Aufenthalt scheint auch die Rezeption anderer Werke Handkes, welche ursprünglich nichts mit der Handke-Kontroverse zu tun haben, zunehmend vom öffentlichen politischen Diskurs geleitet: So wurde etwa Handkes Stück Ritt über den Bodensee unter der Regie von Dušan Anđić im 'Međunarodni art centar' in Belgrad laut der Rezension von Stevan Šerban (1996: 21) in Politika als Kritik Handkes an der 'Neuen Weltordnung' inszeniert. Auch in seiner zweiten Rezension (Šerban 1996a: 21) zur Bühnenfassung von Peter Handkes Erzählung Wunsch- loses Unglück mit dem Titel Užas praznine (Regie: Filip Gajić) sieht Stevan Šerban die Kritik an der westeuropäischen Zivilisation als zentral an. Insofern nehmen diese beiden Rezensionen implizit auf die Handke-Kontroverse Bezug, weshalb sie auch Eingang ins Korpus finden. Ein anderes Werk Handkes, das ebenfalls 1996 in serbischer Sprache erschienen ist, aber keinen direkten Bezug zur Handke-Kontroverse aufweist, ist die zweisprachige Gedichtsammlung Gedicht an die Dauer. Pesma za trajanje.24 Dieser Band wurde im Zuge von Handkes Besuch am 15.5.1996 in der übervollen serbischen Nationalbibliothek in Anwesenheit des Autors präsentiert, der das

22 Der hier zitierte, am 24.2.1996 in Vreme erschienene Artikel entspricht der am 15.5.1996 von Pavić gehaltenen Rede. 23 Bosiljčić (1996: 65); Đorđević (1996: 16); Pavković (1996: 37) 24 Auf diesen wird in der Folge mit Pesma za trajanje verwiesen. 60

Gedicht auch persönlich auf Serbisch las. Da das von Zoran Konstantinović verfasste Nachwort25 einen Bezug zur Handke-Kontroverse aufweist, befindet sich auch dieses im Korpus. Erstmals in serbischen Printmedien veröffentlichte, also nicht aus westlichen Zeitungen über- nommene kritische Stimmen zu Peter Handke und seinem Essay lassen sich nur wenige finden, sind aber doch vorhanden. Wie Lacko Vidulić richtig feststellt, gehören diese „wenigen kritischen Stimmen […] zum oppositionellen, 'anderen Serbien', das nur im Ausland eine breitere Resonanz finden konnte“ (Lacko Vidulić 2008: 210). Kritische Beiträge sind nur in Wochen-, 2-Wochen- und Monatszeitungen, aber in keiner einzigen Tageszeitung zu finden, nämlich in Vreme26, Republika27 und Srpska reč.28 Nicht gänzlich geteilt werden kann Lacko Vidulićs Einschätzung, wonach „kritische Distanz [auch] […] in Formen des beredten Schweigens zu erkennen gewesen“ (ebd.) sei. Im untersuchten Zeitraum setzt die Berichterstattung zur Handke-Kontroverse in allen Tages-, Wochen-, 2-Wochen- und Monatszeitungen spätestens mit dem Besuch Handkes in Belgrad ein, beschränkt sich aber in einigen Fällen auch auf diesen. Von beredtem Schweigen kann man hierbei wenn dann nur bei den Zeitungen Dnevni telegraf und Naša borba sprechen. Dnevni telegraf, die erste private Tageszeitung Serbiens (vgl. wikipedia zu Slavko Ćuruvija), beschränkte sich zwar in seiner Berichterstattung zur Handke-Kontroverse auf unkommentierte Kurzmeldungen oder Ankündigungen, dies dürfte aber eher der Ausrichtung der Zeitung geschuldet sein, welche sich vor allem darum bemühte, verschiedene Wirtschafts- und Korruptionsskandale aufzudecken. Für eine solche Einschätzung spricht auch, dass in der denselben Inhabern gehörenden Wochenzeitung Telegraf von so einem beredten Schweigen keine Rede sein kann. Naša borba wiederum brachte bis zu Handkes Besuch in Belgrad die meisten Beiträge zur Handke-Kontroverse, darunter auch das erste Exklusiv-Interview mit Handke. Nach einem Bericht von der Präsentation des Buches Pesma za trajanje in der Serbischen Nationalbibliothek folgt dann aber nur noch eine kurze Meldung der Aussagen des in Amerika lebenden serbischen Schriftstellers Charles Simić29 am 17.5.1996, also dem Tag an dem die meisten anderen Tageszeitungen ihre Berichte von Handkes Lesung der Winterlichen Reise im Jugoslovensko dramsko pozorište (JDP) veröffentlichten. Danach bricht die Berichterstattung in Naša borba abrupt ab. Hier könnte man unter Umständen davon sprechen, dass versucht wurde, durch bewusste Verweigerung der weiteren Berichterstattung zu Handkes Besuch die politische Vereinnahmung zu kommentieren. In Naša borba wurde einzig noch ein kurzer Bericht über das Erscheinen des Sommerlichen Nachtrags und die erste Reaktion im Spiegel

25 Konstantinović (1996: 61-63) 26 Slapšak (1996: 16-17) 27 Racković (1996: 18); Stefanov (1996: 17-18); Đorđević (1996: 16) 28 Šop (1996: 54-55) 29 Anonym (1996k:12) 61 veröffentlicht.30 Die Handke-Kontroverse wurde dafür des Öfteren dazu genutzt, Kritik an den gegenwärtigen gesellschaftlichen wie auch politischen Verhältnissen in Serbien zu üben, wobei in Bezug auf die politischen Verhältnisse in erster Linie das bereits genannte 'andere Serbien' und das Milošević- Regime zu Zielscheiben wurden. Aus dieser allgemeinen Beschreibung ergeben sich folgende drei thematischen Bereiche, welche in der Folge genauer analysiert werden sollen: 1) Die Darstellung der Person Peter Handke, 2) Die Darstellung der Kontroverse in den westlichen Medien, 3) Die Darstellung der serbischen Gesellschaft. Innerhalb dieser Bereiche wird zwischen affirmativen und kritischen Beiträgen unterschieden. So kann dargestellt werden, welche Aussagen miteinander in Konflikt treten, was Rückschlüsse darauf zulässt, welche Aspekte den dominanten Diskurs bestimmen und daher bevorzugtes Ziel von Kritik sind.

2. Analyse der Beiträge

2.1 Die Person Peter Handke

Vor dem Erscheinen der Winterlichen Reise dürfte Peter Handke der breiten Öffentlichkeit in Serbien weitgehend unbekannt gewesen sein. So hatte Handkes 1991 veröffentlichter Essay Abschied des Träumers vom Neunten Land nach Lacko Vidulić zwar „eine umfassende Handke- Renaissance“ (Lacko Vidulić 2008: 208) in Serbien eingeleitet, welche aber auf kulturelle Zirkel beschränkt geblieben zu sein scheint. Vasa Pavković schreibt etwa im NIN: Teško je reći kakav je istinski status Petera Handkea, proznog pisca, kod nas. […] [Č]ini se da je individualistički, usamljenički Handkeov glas sve donedavno bio prisan uskoj, elitnoj grupi čitalaca. (Pavković 1996: 37)

Das änderte sich erst mit dem Erscheinen der Winterlichen Reise und der darauffolgenden, vor allem in Europa geführten Kontroverse. Wobei, wie Vidulić feststellt, zwar „weitere Prosa- und Dramentexte in Neu- oder Erstübersetzungen“ (Vidulić 2008: 210) erschienen, aber das „kulturpolitische und öffentliche Interesse an Handkes nicht unmittelbar instrumentalisierbaren Werken […] verständlicherweise nicht viel größer [war] als vor dem politischen Umbruch.“ (ebd.: 211) Dementsprechend bemühten sich viele der Beiträge, welche rund um die Handke-Kontroverse

30 Bisenić (1996e: 13) 62 erschienen, darum, die breite Leserschaft mit dem Schriftsteller bekannt zu machen, wobei es vor allem notwendig gewesen zu sein scheint, Handkes Engagement für Serbien zu begründen. Dass diesbezüglich Erklärungsbedarf vorhanden war, zeigte sich nicht zuletzt bei der im Anschluss an die Lesung der Winterlichen Reise im JDP abgehaltenen Diskussion mit Peter Handke, als aus dem Publikum unter anderem folgende Frage gestellt wurde: Da li se Vama nekada u životu dogodila neka velika nepravda, čim pišete tekst o pravdi za jednu zemlju, za koju Vas ništa ne vezuje. Vaša majka je Slovenka, rođeni ste u Austriji, govorite nemački, a sada živite u Francuskoj? (Stefanović 1996a: 12)

Handkes Antwort ist dabei wenig ausgiebig: „To je slučaj za psihoanalitičare (smeh).“ (Ebd.) Wie wurde also Handkes unverhofftes Eintreten für Serbien erklärt? Dominant scheinen in den affirmativen Beiträgen zwei Erklärungsmuster, die sich teils überschneiden. Diese werden in der Folge eingehender dargestellt.

2.1.1 Affirmative Beiträge: Die Person Handke

2.1.1.1 Handke, der slowenische Jugoslawe Handkes vordergründige Motivation, sich überhaupt Serbien zu widmen, wird in mehreren Artikeln in seinem Naheverhältnis zu Jugoslawien gesehen, wofür mitunter auch seine slowenische Abstammung mütterlicherseits angeführt wird. Hierbei ist zu betonen, dass die slowenische Abstammung Handkes zumeist ausgespart bleibt und viel öfter bloß vom österreichischen oder deutschen Autor Peter Handke die Rede ist. Bereits im ersten 1996 zu Handke erschienenen Artikel, dem Beitrag Žarko Radakovićs im NIN (12.1.1996) mit dem Titel „Još jedanput za Jugoslaviju“, bemüht sich der Autor in erster Linie Handkes Verbundenheit mit Jugoslawien hervorzukehren: Danas je nadaleko evidentna činjenica da je jedan od vodećih savremenih evropskih pisaca, Austrijanac Peter Handke, 'najčvršće vezan' za jugoslovensko tle. (Komparatista Zoran Konstantinović je svojevremeno postavio pitanje: „Zar ne bismo Handkea mogli da nazovemo i 'naš pisac'?“) Gotovo da nema Handkeovog poznatijeg teksta u kome se Jugoslavija makar ovlaš ne pominje, opsežnije promišlja njena povest, ili doživljava do u tančina njen prostorni i mentalitetski kolorit. (Radaković 1996: 40)

Der Grund für diesen Bezug Handkes könnte dabei, nach Meinung Radakovićs, auch in dessen slowenischen Wurzeln liegen: „Povest Handkeove 'nepopravljive zaljubenosti u jugoslovenski atlas' je duga. Možda je uvrežena već u piščevom poreklu“ (ebd.). Daraufhin geht er auf die zahlreichen Bezüge zu Jugoslawien im Werk Handkes ein, um zu schließen, dass dieser „pisac nikada nije svoje zbilja daleko slovenačko poreklo i svoje blisko književno vezivanje za prostor između Karavanki i Đevđelije odvajao od geografije i povesti celovite Jugoslavije.“ (Ebd.) Das führte schließlich dazu, dass „Peter Handke, jedan od vodećih i najuticajnijih pisaca danas, već četvrtu godinu traga za 63 izoštrenjem slike raspada njemu bliskih meridijana.“ (Ebd.) Handkes Verbundenheit zu Jugoslawien scheint in diesem wie auch in einigen darauffolgenden Beiträge dazu zu dienen, sein Interesse für Serbien als nicht durch die aktuellen Ereignisse motiviert darzustellen und ihn dadurch als kompetenten Sprecher zu legitimieren. Dabei wird auch immer wieder seine slowenische Abstammung betont. So ist etwa in neun Beiträgen entweder von Handkes 'slovenačko poreklo' oder dem Umstand, 'da mu je majka Slovenka' die Rede.31 Mitunter scheinen Handkes slowenische Wurzeln als Beleg für seine Objektivität zu dienen, insofern er einer ist, der trotz seiner slowenischen Wurzeln nicht dem slowenischen Nationalismus verfallen ist und jetzt eben Gerechtigkeit für Serbien fordert, welches, wie immer wieder in den Beiträgen betont wird, den westlichen Medien als Sündenbock dient. Dies scheint implizit bei jenen drei Beiträgen der Fall zu sein, die sich mit der von Handke in Ljubljana abgehaltenen Lesung beschäftigen und dabei Handkes slowenische Wurzeln erwähnen (insgesamt beschäftigen sich fünf Beiträge32 mit der dortigen Lesung). Sowohl der Beitrag von Stevan Šićarov (1996: 2) als auch jener von Slobodan Pašić (1996: 7) setzen dies in direkten Zusammenhang mit den heftigen Reaktionen, welche aus dem slowenischen Publikum kamen: So schreibt Šićarov: „Čuveni austrijski pisac kome je majka Slovenka […] doživeo da mu se publika smeje“ (Šićarov 1996: 2). Und Slobodan Pašić formuliert, dass „jedan od najuglednijih svetskih pisaca […] ponovo dobro iznervirao Slovence, koji već godinama sa neskrivenim antipatijama gledaju na Handkea (inače po majci slovenačkog porekla)“ (Pašić 1996: 7) und etwas später, dass er vom Publikum „dočekan 'na nož'“ (ebd.) wurde. Die Erwähnung von Handkes slowenischer Herkunft mütterlicherseits scheint hier also dazu zu dienen, das absolute Unverständnis, welches Handke nach diesen Darstellungen entgegengebracht wurde, hervorzuheben und Handke als eine Art 'verstoßener Sohn' der Slowenen darzustellen. Ein weiterer Zusammenhang, in dem Handkes slowenische Abstammung thematisiert wurde, scheint der vom Deutschen ausgehende Assimiliationsdruck zu sein, der Handke aufgrund seiner Herkunft nur allzu gut bekannt ist. So wird in der Biographie, welche der Winterlichen Reise im NIN beigefügt ist, Handkes Geburtsort Griffen als „tada još [...] u potpunosti austrijsko-slovenačko“ (Anonym 1996d: 2) beschrieben und auch Milena Marjanović beschreibt Griffen in Politika ekspres auf ähnliche Weise: „Peter Handke je rođen u Grifenu […] u mestu nekada potpuno slovenačkom, a sada definitivno ponemčenom.“ (Marjanović 1996a: 7) Eine beinahe identische Formulierung findet sich bei Konstantinović (1996: 63). In Anbetracht der Tatsache, dass die Debatte in den westlichen Medien, welche, wie noch zu zeigen

31 Bisenić (1996c: 13); Jovanović-Lazić (1996: 14); Kosanović (1996: 20); Pašić (1996: 7); Radaković (1996: 40); Stanković (1996: 28); Šićarov (1996: 2); Tanjug (1996b: 20); Tanjug (1996e: 8) 32 Anonym (1996h: 3); Jakšić (1996: 7); Pašić (1996: 7); Slapšak (1996: 16-17); Šićarov (1996: 2) 64 ist, in Serbien vor allem als Beweis für eine Verschwörung gegen Serbien rezipiert wurde, einen Schwerpunkt in der Berichterstattung zur Handke-Kontroverse darstellt, erhalten diese Aussagen über das sprachliche Schicksal der Bevölkerung Griffens beinahe den Charakter von Warnungen. Das Deutsche bedroht nach dieser Sichtweise seit jeher die slowenische oder slawische Identität, wobei dies auch in der Winterlichen Reise suggeriert wird, wo Slowenien als seit seiner Unabhängigkeit völlig unter deutschen Einfluss gefallen dargestellt wird (vgl. Handke 1996: 111). Dass diese Stelle auch als Warnung und Aufforderung an die Serben gelesen wurde, ihre Identität gegenüber dem deutschen Einfluss zu verteidigen, legt etwa folgende Anmerkung im Beitrag von Ž. I. nahe, der ausführlich den Beitrag von Andreas Kilb (1996) in der Zeit behandelt und in Bezug auf eben jenes Zitat über die Verdeutschung Sloweniens aus der Winterlichen Reise feststellt: Ne, ni nemački autor u 'Cajtu' ne primećuje Handkeove reči o tome da u Sloveniju pre najznačajnijeg slovenačkog dnevnika, 'Dela' na štandove stiže nemački 'Bilt'... / Doduše, Handke nije stigao da isto takvu situaciju vidi i kod Tuđmana i Izetbegovića. (I. 1996: 55)

Hier werden also bis auf Serbien alle Kriegsparteien als unter deutschem Einfluss stehend dargestellt, während nur Serbien es geschafft hat, sich diesem zu widersetzen und seine Identität zu bewahren. Ob nun aber durch seine slowenische Abstammung motiviert oder nicht, der Auslöser für Handkes Forderung nach 'Gerechtigkeit für Serbien' wird meist in seiner Faszination für das ehemalige Jugoslawien gesehen. So hat Handke selbst im Zuge seines erneuten Besuchs betont, dass sein Engagement für Serbien seiner Zuneigung zu Jugoslawien entsprungen ist, denn kein Volk habe seiner Ansicht nach so sehr zu Jugoslawien gehalten, wie das serbische (vgl. L. 1996: 22). Diese nostalgische Liebe zu Jugoslawien wurde dabei aber oft als nur oberflächlicher Auslöser abgetan, während der wahre Grund für Handkes Interesse für Serbien in seiner Verpflichtung der Wahrheit gegenüber gesehen wurde. So steht etwa in einer in Politika veröffentlichten Tanjug- Meldung: „Očigledno zaljubljen u Jugoslaviju, ne samo zbog toga što u njemu teče slovenska krv (po majci) Handke ne traži zaborav svega što se dogodilo, već samo punu istinu.“ (Tanjug 1996b: 20) Handkes auch auf seine Abstammung zurückzuführende Nähe zu Jugoslawien wird hier also insofern relativiert, als sie nur als oberflächlicher Impuls für die Beschäftigung des Schriftstellers mit Jugoslawien dargestellt wird. Auch Jelena Kosanović schreibt in Borba, dass Handkes Trauer um Jugoslawien zwar „sentimentalni razlog“ (Kosanović 1996: 20) für sein Engagement ist, es aber noch tiefere Gründe für dieses gäbe: „[Razlog] leže u intelektualnom izazovu koji sam po sebi predstavlja traženje pravde. To je Handkeov moralni lični čin podjednako rehabilitacion [sic!] za srpski narod, koliko i za pojam zapadnoevropskog intelektualaca.“ (Ebd.)

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2.1.1.2 Handke, der einsame Sucher nach der Wahrheit Im Vergleich zum als eher oberflächlich angesehenen Grund der Verbundenheit Handkes mit Jugoslawien scheint seine Suche nach der Wahrheit in den Beiträgen zur Handke-Kontroverse als der eigentlich bedeutsame auf. Wie im Kapitel 3.3.4 dargestellt, nennt auch der Ich-Erzähler in der Winterlichen Reise die ihm mechanisch scheinenden Medienberichte als Beweggrund, nach Serbien fahren zu wollen und sich sein eigenes Bild zu machen. Dies wird in den Beiträgen immer wieder betont, wobei die reale Person Peter Handke durchwegs mit dem Ich Erzähler gleichgesetzt wird. So schreibt etwa Miroslav Stojanović in Politika: „Iritiran izveštavanjem međunarodnih medija, i udelom jednog broja zapadnih intelektualaca u tome, Handke je, posle dugog oklevanja, odlučio da otputuje u 'ukletu' zemlju Srbiju“ (Stojanović 1996: 20). Und im Begleittext zur Veröffentlichung der Winterlichen Reise im NIN steht in ähnlicher Formulierung: Iritiran 'jednostranim ratnim izveštavanjem u međunarodnim medijima', pisac je odlučio da lično otputuje u Srbiju (zapadna glasila su je jednodušno proglasila 'zemljom agresora') i da na licu mesta, iskustveno, proveri verodostojnost medijskog izveštavanja o Srbiji. (Anonym 1996d: 2)

Auch in zahlreichen weiteren Beiträgen wird Handkes Bedürfnis, 'hinter den Spiegel' zu blicken, als seine Hauptmotivation dargestellt, nach Serbien zu fahren. Der Versuch im Text selbst, Serbien aus möglichst vielen, einander mitunter auch widersprechenden Perspektiven zu beleuchten, und damit auf die vielen verschiedenen möglichen Zugänge zur Wirklichkeit hinzuweisen, bleibt in den serbischen Beiträgen weitgehend unberücksichtigt. Stattdessen wird der Text als Verkündigung der Wahrheit über die Serben präsentiert und Handke zum tapferen Verkünder derselben stilisiert, der sich als Einziger dem von den westlichen Medien konstruierten Lügengebäude entgegenzustellen wagte. So wird immer wieder ein Zitat aus der tageszeitung zitiert oder modifiziert aufgegriffen, wonach Handke etwas Schreckliches gemacht habe, nämlich die Wahrheit gesagt, wodurch implizit jede von Handkes Wahrheit abweichende Feststellung zur Lüge erklärt wird. Im selben Kontext ist Čedomir Mirkovićs im Artikel33 von M.D. zitierte Aussage zu sehen, wonach „uloga tog teksta […] liči na ulogu dečaka u bajci o carevom novom odelu.“ (D. 1996: 26) Mit seinem Text wird Handke also zum Non-Konformisten und kindlichen Gewissen Europas, zu einem, der es gewagt hat, sich sein eigenes Bild zu machen und offenen Herzens auf die Serben zuzugehen, und die daraus gewonnenen Einsichten dem in den westlichen Medien verbreiteten Lügengebäude entgegenzustellen. Daher ist es, wie des Öfteren hervorgehoben wird, auch reiner Zufall, dass Handke die Serben verteidigt, denn im Grunde könnte das serbische Schicksal, nämlich zu Unrecht von den Medien an den Pranger gestellt zu werden, auch jedem anderen Volk widerfahren.

33 Interessant ist bei diesem Artikel zudem, dass in ihn eine kurze Meldung unter dem Motto 'Šta je istina' eingesetzt ist, in welcher von der Erkenntnis eines Sachverständigen die Rede ist, welcher herausgefunden hat, dass der Brand in der venezianischen Oper 'La Firence' vermutlich gelegt und nicht, wie ursprünglich angenommen, Folge eines Kurzschlusses war. 66

Besonderes Gewicht scheint dabei der Umstand zu haben, dass Handke nicht irgendjemand, sondern ein Schriftsteller von Weltrang ist, weshalb seine Sicht der Dinge, so der erweckte Eindruck, von vornherein zutreffender ist, als jene der meisten anderen Analytiker der jüngsten Geschehnisse. Auf die Betonung des literarischen Status Peter Handkes soll in der Folge näher eingegangen werden, bevor die Darstellung Handkes als Non-Konformist behandelt wird.

2.1.1.2.1 Handke, der bedeutende und wahrhaftige Schriftsteller Handkes literarischer Status wird in auffallend vielen der Zeitungsbeiträge explizit hervorgehoben. So kommt kaum ein umfangreicherer Artikel ohne Verweis auf diesen aus und auch in mehreren Kurzmeldungen wird Handkes Bedeutung für die Literatur hervorgehoben. Etwa wird er in der im englischen Teil der Zeitung Borba am 13.2.1996 veröffentlichten Kurzmeldung von der Absage der geplanten Lesung Handkes in Berlin als „one of the four greatest living writers in the German language“ (Anonym 1996a: 8) gehandelt. Handke wird in den Beiträgen auch als „čuveni“ (Stojanović 1996: 20), „slavni“ (Bobić-Mojsilović 1996: 21), „ugledn[i]“ (Anonym 1996c: 8), „veliki“ (Ostojić 1996: 6) oder „poznati“ (Pantelić 1996: 11) Schrifsteller bezeichnet, genauso wie als „jedan od najznačajnijih savremenih pisaca na nemačkom jeziku“ (Tanjug 1996a: 8), „jedan od najuglednijih svetskih pisaca“ (Pašić 1996: 7), „jedan od najistaknutijih pisaca“ (Popović 1996: 23), „jedan od najčuvenijih pisaca“ (Jeličić 1996: 48) oder als „veliki evropski pisac svetske reputacije“ (Anonym 1996g: 71), „[k]njiževnik svetskog ugleda“ (Ivanović 1996: 16), „književnik svetskog glasa“ (Kosanović 1996: 20) und „pisac evropskog kalibra“ (Mirković 1996: 22) charakterisiert.34 Des Weiteren wird des Öfteren betont, dass Handke im vorangegangen Jahr (also 1995) bzw. in diesem Jahr (1996) im engsten Kreis der Anwärter für den Literaturnobelpreis war35 und der Verlag 'Narodna knjiga' nahm Handke im selben Jahr als jüngsten Schriftsteller mit Wunschloses Unglück in seine Reihe '100 klasika' auf. Oft bleibt es dabei in den Beiträgen nicht bei einem einmaligen Verweis auf Handkes Rang, stattdessen kommt es in einigen zu einer regelrechten Überladung an Formulierungen, welche die Größe und Bedeutung Handkes hervorheben, was den Eindruck bestärkt, dass der Status Handkes der Untermauerung verschiedener Argumente dient. Als Beispiel für eine solche Überladung kann etwa die bereits zitierte Tanjug-Meldung in Politika dienen, in welcher, obwohl es sich um einen Artikel mittlerer Länge handelt, insgesamt fünf Mal auf den Umstand hingewiesen wird, dass es sich bei Peter Handke um eine bekannte und bedeutende Persönlichkeit handelt. So ist vom „knjiga

34 Solche oder ähnliche Formulierungen befinden sich in beinahe allen untersuchten affirmativen Beiträgen. 35 Etwa in: Anonym (1996d: 2); Ivanović (1996a: 16); Bisenić (1996e: 13) 67 uglednog“ (Tanjug 1996b: 20) bzw. „poznatog austrijskog pisca“ (ebd.), vom „knjiga jednog velikog evropskog intelektualca“ (ebd.) sowie weitere zweimal vom „poznati austrijski intelektualac“ (ebd.) selbst die Rede. In diesem Artikel dient diese häufige Wiederholung dabei in erster Linie dazu, Handke im Gegensatz zu seinen Kritikern als wahrhaftigen Intellektuellen zu präsentieren, im Vergleich zu welchem eben diese Kritiker als minderwertig erscheinen. Dementsprechend lautet der erste Satz des Artikels: „Knjiga 'Pravda za Srbe' poznatog austrijskog književnika Petera Handkea, koja je izazvala polemike, pa i osporavanja kod nekih kvaziintelektualaca, postupno osvaja izdavače u zapadnoj Evropi.“ (Ebd.) Einmal als Quasi- Intellektuelle abqualifiziert erscheint jegliche Kritik am Text des 'angesehenen Schriftstellers' Handke als unqualifiziert. Dem selben Argumentationsschema zuzuordnen ist folgende Aussage Čedomir Mirkovićs, welcher von M.D. am 28.6.1996 in dessen Artikel „Polemika o Pravdi za Srbiju“ (Politika) zitiert wird: „Isto, oni listovi, u nemoći da obore Handkea argumentima, pokušali su da mu uz pomoć literata pariraju, ali oni nisu bili tog profila i snage kakva je Handkeova.“ (D. 1996: 26) Hier wird zudem suggeriert, dass die Kritik, die Handke entgegengebracht wird, nicht einer ehrlichen Entrüstung über den Inhalt des Textes entspringt, sondern ein 'Auftragswerk' darstellt, also im Dienste fremder Interessen geübt wird. So werden diese kritischen Stimmen einerseits abqualifiziert, andererseits aber auch in einen Zusammenhang mit einer Verschwörung gegen die Serben gestellt. Insbesondere zu Beginn der Berichterstattung zur Handke-Kontroverse scheint durch die Betonung des literarischen Ranges Peter Handkes implizit oder explizit auf die im westlichen Diskurs vermeintlich stattfindende Propaganda gegen Serbien verwiesen zu werden und somit auch als Beweis dafür zu dienen, dass die westlichen Medien indoktriniert sind bzw. antiserbische Propaganda betreiben. So ist immer wieder in Abwandlungen die Aussage anzutreffen, dass nicht einmal sein literarischer Rang Handke davor bewahren konnte, aufgrund seiner Forderung nach 'Gerechtigkeit für Serbien' zum Opfer einer Medienkampagne zu werden. Bereits am 27.1.1996 schrieb Miroslav Stojanović im Lead seines Artikels „Handkeov srpski greh“ (Politika): Opasan rizik drukčijeg mišljenja: čuveni pisac Peter Handke zasut žestokim kritikama zbog teksta objavljenog u minhenskom listu 'Zidočje [sic!] cajtung' pod naslovom 'Pravda za Srbiju'[.] (Stojanović 1996: 20).

Noch expliziter ist dieser Gedanke in einer am 12.2. in Jedinstvo veröffentlichten Tanjug-Meldung mit dem Titel „Otkazan susret sa publikum“ ausformuliert: Handke, inače, važi za jednog od četiri najveća živa pisca na nemačkom jeziku. Međutim, ni takve zasluge za ovdašnju kulturu nisu ga sačuvale od prave lavine optužbi koja se na njega sručila samo zato što se kao humanista usudio da pogleda i u 'srpsko dvorište' i prenese nemačkoj javnosti svoje utiske o ljudima koje je novembra prošle godine sretao na prostorima oko Dunava, Save, Morave i Drine. (Tanjug 1996: 2)

Indem hier die polemisch vorgetragene Medienkritik unerwähnt bleibt, wird zudem der Eindruck 68 erweckt, Auslöser der Kontroverse sei die Tatsache, dass Handke 'gewagt' hat, die Serben als Menschen zu beschreiben, was implizit als Beweis für die antiserbische Haltung des Westens gilt. Dieses Argumentationsmuster ist des Öfteren anzutreffen. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Handke die gegen ihn erhobenen Vorwürfe 'stoisch' ertrage, wodurch der Kontrast zwischen den aggressiven Medien und deren friedliebendem Opfer Peter Handke noch zusätzlich verstärkt wird, so etwa bei Tadić (1996: 6) und Anonym (1996o: 15). Milorad Pavić (Vreme: 24.2.1996) wiederum stellt die Bedeutung Handkes als Schriftsteller in einen engeren Zusammenhang mit dessen Entscheidung, sich für das serbische Volk starkzumachen: [O]n se svojim putopisom pridružio velikim piscima prošlosti koji su se zalagali za istinu o malom srpskom narodu od Getea i Grima, do Viktora Igoa i Tolstoja. I podsetio na njih, na te velikane prošlosti. / Jednom reči, dobro je imati jednog Petera Handkea. Ali, Petera Handkea mogu imati samo velike nacije. (Pavić 1996: 39)

Peter Handke wird hier also aufgrund seines Eintretens für das serbische Volk in die Riege der ganz Großen der Literatur aufgenommen, wodurch im Rückschluss wiederum das serbische Volk selbst, welches zwar zu den sogenannten 'kleinen Völkern' zählt, geadelt wird, da es die Geschichte hindurch von wahrhaftigen Größen in Schutz genommen bzw. als schützenswert befunden wurde. Indirekt ist damit auch ausgedrückt, dass das serbische Volk schon immer ungerechtfertigten Anschuldigungen ausgesetzt ist, was wiederum den Eindruck verstärkt, dass seit jeher eine Verschwörung gegen das serbische Volk im Gange ist. Darauf soll aber erst später näher eingegangen werden. Bedeutsam ist Pavićs Artikel in jedem Fall, da er diesen auch bei der Buchpräsentation von Pesma za trajanje in der Serbischen Nationalbibliothek vorgetragen hat, woraufhin vor allem der eben zitierte Abschnitt in beinahe allen Zeitungen, welche von dieser Veranstaltung berichteten, wiedergegeben wurde. Ebenfalls im Zusammenhang mit einer Verschwörung gegen die Serben wird der literarische Status Handkes in der Ankündigung zur Feuilleton-Serie des Tanjug-Korrespondenten Života Ivanović mit dem Titel „U odbranu dostojanstva jednog naroda“ im Dnevnik genannt, in dem „saznaćemo zašto je ovaj ugledni književnik ustao u odbranu srpskog naroda, a protiv 'huškačkog novinarstva' dirigovanog po notama moćnika novog svetskog poretka.“ (Anonym 1996i: 16) Und im Lead seines ersten Beitrags für diese Serie schreibt Ivanović, dass „[k]njiževnik svetskog ugleda Peter Hendke [sic!] […] založio se za odbranu naroda koji se neosnovano i nezasluženo našao na medijskom stubu srama.“ (Ivanović 1996: 16) S. Ostojić zitiert am 14.5.1996 Petar Sarić, den Chefredakteur des Verlags 'Grigorije Božović' bei der Präsentation der serbischen Ausgabe der Winterlichen Reise: U vreme medijske blokade, iskrivljene slike o Srbiji i srpskom narodu, u moru kleveta i napada veliki nemački i austrijski pisac je došao u Srbiju, napisao knjigu i progovorio istinu o njoj. Objavljivanje ove knjige na nemačkom izazvalo je pravu 69

lavinu kritika i ogorčenja u nemačkoj javnosti […]. To je preraslo u pravu hajku na Handkea jer je smogao snage da progovori istinu o Srbiji i srpskom narodu. (Ostojić 1996: 6)

Hier erscheint Handke also als der einzige, der sich nach Serbien gewagt und die Wahrheit gesagt hat, anstatt dumpf die über das serbische Volk verbreiteten Lügen und Anschuldigungen zu schlucken, wofür er nun mit einer regelrechten Hetzjagd bestraft wird. Ebenso sieht es Jasminka Jeličić: Za razliku od ostalih zapadnih pisaca i novinara i njihovih sredstava informisanja koji su demonizovali Srbe kao krvnike, ultranacionaliste i jedine krivice za rat […], Peter Handke se usudio da saopšti potpuno drugačije viđenje srpske stvarnosti – pravu istinu i da tako na Zapadu koliko-toliko probije medijsku blokadu uperenu protiv Srba. (Jeličić 1996: 48)

Auch hier hat Handke also die 'korrekte' Wahrheit gesagt, wobei es gerade sein literarischer Status ist, der ihn zur Erkenntnis selbiger ermächtigt. So schließt Jeličić mit Ivo Andrić: „'Pitam se postoji li uopšte pisac koji zaista zna zašto piše.' Jednostavno, istina pravim piscima sama izlazi iz pera.“ (Ebd.) In der Folge soll nun auf die bereits angeklungene Darstellung Handkes als Non-Konformist, der sich der allgemein vorherrschenden Meinung entgegenstellt und die Wahrheit spricht, näher dargestellt werden.

2.1.1.2.2 Handke, der unbeeinflussbare Nonkonformist Immer wieder wird in den Beiträgen auf Handkes „antikonformistički stav“ (Ć. 1996: 20) und auf sein von der öffentlichen Meinung abweichendes „drugačije viđenje“ (Jeličić 1996: 48) verwiesen, genauso wie darauf, dass sein Denken absolut „izdvojeno“ (Bisenić 1996: 15) ist oder dass er im Unterschied zu allen anderen „[b]ez predrasuda“ (D. 1996: 26) nach Serbien gefahren ist und darüber berichtet hat. Zum Nonkonformisten stilisiert wird Handke bereits im ersten Beitrag, dem Artikel von Žarko Radaković im NIN. Handke wird hier zunächst als jemand beschrieben, der sich vorbehaltlos auf seine Wahrnehmung einlässt und allein dieser traut: „Kao Piščev pratilac na putu po Srbiji ostao sam zadivljen smelošću Petera Handkea da se upusti u najčistija opažanja, doživljavanja i promišljanja svega usput, ovoga puta našom zemljom.“ (Radaković 1996: 40) Darauf folgen einige der Winterlichen Reise entnommene Zitate, welche vor allem Handkes Skepsis gegenüber den von den Medien vermittelten Bildern Ausdruck verleihen, um danach Handke als einsamen Bergsteiger vorzustellen: U ovom trenutku pisac Peter Handke pešači, sam, pirinejskim masivom. Uoči odlaska, na dan objavljivanja srpskog putopisa u nemačkom listu, javio se telefonom. „Šta kažeš“, pitao je. „Čoveče!“, rekao sam. „Javiću se za nedelju dana“, rekao je i nestao u samoću. (Ebd.)

Gerade im Kontrast zu den im Artikel zuvor gebrachten Zitaten aus der Winterlichen Reise, in 70 welchen die Skepsis des Ich-Erzählers gegenüber der medialen Berichterstattung zum Ausdruck kommt, entwickelt das Bild von Handke als einsamem Bergsteiger eine besondere Kraft. Handke erscheint so als jemand, der, am allgemein verbreiteten Bild zweifelnd, versucht sich darüber zu erheben bzw. der darum bemüht ist, sich unabhängig und von niemand beeinflusst einen Überblick zu verschaffen. Die absolute Unabhängigkeit, Unbeeinflussbarkeit und Objektivität Handkes greift auch Bisenić in seiner Einleitung zum Exklusivinterview mit Handke in Naša borba auf: Intervju od Petera Handkea nije ni lako a ni teško dobiti. Kada se za to zainteresujete, sve je u njegovim rukama. Rukovodstvo 'Suhrkamp Verlag-a' […] s najvećom pažnjom proslediće piscu vašu želju, ali bez ikakvih sugestija za ovu ili onu odluku. […] Preporuku za to neće izdati ni naš književnik Žarko Radaković koji je s Handkeom putovao kroz Srbiju jer ta vrsta poverljive i savezničke bliskosti ne podrazumeva takva ograničavanja. (Bisenić 1996: 15)

Dass Handke beide Male privat, auf eigene Kosten und auf eigene Initiative Serbien bereist hat, wurde von Beginn an in den Beiträgen thematisiert und als weiterer Beweis für Handkes Unbeeinflussbarkeit gesehen. So schreibt Miroslav Stojanović: „Ovoga puta je želeo, sasvim privatno i daleko od javnosti, da ode što dalje od velikog grada, nasilja [sic!] uopšte, i prokrstari nepoznatim predelima.“ (Stojanović 1996: 20) Ebenso kehrte Bobić-Mojsilović im bereits zitierten Artikel heraus, dass Handke „samoinicijativno i o svome trošku“ (Bobić-Mojsilović 1996: 21) in Serbien war. Insbesondere im Zuge von Handkes Besuch in Belgrad Mitte Mai wurde sowohl von Handke selbst als auch in den Berichten immer wieder darauf verwiesen, dass er erneut auf eigene Kosten hier ist. Dass Handke ein Nonkonformist ist, wird mitunter auch dadurch hervorgehoben, dass er sich völlig untypisch für einen Österreicher oder Deutschen verhält. So stellt etwa Nebojša Ćurčić in Politika fest: „Handkeu ništa nije sveto. On je zaboravio i Cer i Mojkovac, prešao preko kostiju predaka koje su ti isti Srbi pobili u Prvom ratu genocidno sa braneći.“ (Ćurčić 1996: 21) Wiewohl Ćurčić sich hier auf die Kritik von Bora Ćosić bezieht, erscheint der Umstand, dass der Österreicher Handke die Serben verteidigt, hier tatsächlich als historische Einzigartigkeit und Handke als jemand, der es geschafft hat, seine durch die Geschichte vorgegebene Sichtweise zu überwinden. Mirko Žarić kehrt dagegen mithilfe von Stereotypen die Einzigartigkeit Handkes heraus. Dies tut er, indem er Handke als Ausnahme von der Regel präsentiert: „Znajući germansku preciznost i tačnost, došao sam u baštu 'Grand' hotela pola sata pre razgovora, očekujući Handkea već za stolom. Rekli su mi da je otišao na prijem u Skupštinu grada Prištine“ (Žarić 1996: 9), woraufhin er enttäuscht den Nachhauseweg antritt. Auch als er Handke dann endlich trifft, erlebt er ihn als völlig atypisch für einen Österreicher, was ihn wiederum nicht an seinen eigenen Stereotypen zweifeln lässt, sondern ihm vielmehr bestätigt, dass er es hier mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit zu tun hat: „Nema u Handkeu ni malo one 'austrijske' nadmenosti, naprotiv, zrači iz njegove pojave 71 određena vrsta dobrote, neke vrste blagonaklonosti i razumevanja“ (Žarić 1996: 9). In einem anderen Zusammenhang beschreibt Nenad Stefanović in Duga Peter Handke als atypisch deutsch. Er stellt fest, dass er Handke aufgrund seines literarischen Verfahrens immer als Antipode zu Thomas Mann gesehen hat: „[O]n ciljno polazi od instinkta, namerno pre opipava stvarnost nego što je sagledava, čini se namerno atipično nemački.“ (Stefanović 1996: 70) Doch mit dem Erscheinen der Winterlichen Reise stellte er dann fest, dass Handke „nije antipod Tomasa Mana, već dosledni nastavljač preispitivanja i potrebe za sumnjom“ (ebd.) und Handke sich damit in die Geistestradition „samokritike, sumnjičavost, duh tvrdih glava koje su išle suprotno od većine“ (ebd.) stellt, welche „paralelan u nemačkoj istoriji“ (ebd.) verläuft und der auch “Šuber, Šiler, Helderlin, Hegel, Romel, Epler“ (ebd.) zuzuordnen sind. Indem Stefanović einerseits Thomas Mann, das 'Gewissen Deutschlands' während des Zweiten Weltkriegs, und andererseits auch Rommel, der bekanntermaßen lange Zeit als Inbegriff eines 'ritterlichen' Soldaten gehandelt und dem auch immer wieder Verbindungen mit dem Stauffenberg-Attentat nachgesagt wurden, als in einer Traditionslinie mit Handke stehend nennt, wird implizit der Eindruck einer Wiederholung der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs erweckt. Handke wird so zu jemandem, der sich dem Serbien erneut bedrohenden Faschismus entgegenstellt.36 Dass die Serben während des Zusammenbruchs Jugoslawiens erneut zu Opfern des Faschismus und somit zu den neuen 'Juden' geworden sind, kommt auch im zweiten Artikel, in dem Handke als neuer Thomas Mann dargestellt wird, zum Ausdruck. So schreibt Mirjana Bobić-Mojsilović in Telegraf: Ako ništa drugo, pravda je da neko ko nije budala – pokuša da nama, omraženima, ozloglašenima, ocrnjenima i prokaženima, nama-divljacima, ubicama i remetiocima srećne Evrope, nama – koji ćemo i tako i tako sve platiti, nama – o kojima se zna kako se piše, nama – kojima je na rukave već okačena značka srama, pruži ruku. Držim da je Handkeov gest – gest vrlo germanski i vrlo viteški. On je svojim gestom postao novi Tomas Man nemačke književnosti. Danke, Handke. (Bobić-Mojsilović 1996: 21)

Dass Handke den stigmatisierten Serben die Hand gereicht hat, wird hier als 'germanische' und 'ritterliche' Geste gewertet, wodurch Handke, wie einst Thomas Mann, als moralisches Gewissen Deutschlands erscheint. Der Eindruck, dass sich Handke hier dem Faschismus entgegenstellt, wird insbesondere durch die Formulierung „nama – kojima je na rukave već okačena značka srama“ (ebd.) erweckt. Andererseits aber auch durch die abschließende Danksagung an Handke, welche einen Verweis auf das Lied „Danke Deutschland“, das 1991 im kroatischen Fernsehen HRT ausgestrahlt wurde und als offizielle Danksagung für die Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens durch Deutschland fungierte. Obwohl in Kroatien selbst ein Flop, wurde das Lied vom

36 Nicht klar ist, ob mit 'Epler' der SPD Politiker Erhard Eppler gemeint ist, welcher in den 80ern stark pazifistische Positionen vertrat, jedoch während der 90er für eine Militärintervention in Bosnien eintrat, oder Johannes Eppler, der deutsche Nachrichtendienstler im Zweiten Weltkrieg, welcher wie Rommel am Afrikafeldzug beteiligt war (vgl. wikipedia zu Erhard Eppler und Johannes Eppler). 72

Serbischen Staatsfernsehen immer wieder gemeinsam mit Szenen von den unter dem Jubel der kroatischen Bevölkerung in Zagreb einrückenden Deutschen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ausgestrahlt und so in den Zusammenhang einer faschistischen oder neonazistischen Verschwörung Deutschlands und Kroatiens gegen Serbien gestellt (Vuletić 2011: 22) Dem faschistischen Deutschtum stellt Mojsilović durch diesen Verweis also in gewisser Weise das moralisch gefestigte, 'ritterliche' Germanentum eines Thomas Mann und jetzt auch eines Peter Handke gegenüber. Die Theorie einer neofaschistischen Verschwörung Deutschlands gegen Serbien wurde insbesondere in der Feuilleton-Serie von Života Ivanović („U odbranu dostojanstva jednog naroda“; Dnevnik) und dem Buch Peter Handke ili nemačko-srpska rapsodija von Radomir Smiljanić näher ausgeführt, soll aber erst im Kapitel 2.2.1 ausführlicher behandelt werden. Handkes Verteidigung der Serben wird auch noch in anderen Beiträgen als höchst moralische Tat präsentiert. So stellt Bobić-Mojsilović in ihrem zweiten Beitrag zu Handke die Entscheidung, diesen und nicht Bernhard-Henry Lévy37 zu lesen, als eine zutiefst ethische dar, wobei sie eine solche Entscheidung zugleich auch als zutiefst serbisch bezeichnet, wodurch auf das im nationalistischen Diskurs weitverbreitete Stereotyp von den Serben als Volk mit besonders stark ausgeprägtem ethischen Bewusstsein verwiesen wird: „Da, ja sam pristrasna: između Bernar-Anri Levija i Petera Handkea, biram Handkea. Izbor je etički. Dakle, vrlo srpski.“ (Bobić-Mojsilović 1996a: 21) Ebenfalls im Zusammenhang mit der Darstellung Peter Handkes als moralisches Gewissen zu sehen, ist folgende Aussage von Ljiljana Vukić in Jedinstvo, in welcher Handke als von keinem anderen Interesse geleitet dargestellt wird, als dem, das moralisch Richtige zu tun. Sie schreibt in ihrem Bericht von der Lesung in Frankfurt, in der Tilman Zülch „je pokušao da opovrgne stavove ovog velikog pisca“ (Vukić 1996: 6), woraufhin die Diskussion abgebrochen wurde: „Svi smo bili za jedno iskustvo bogatiji i srećniji – da ima ovakvih ljudi koji ljudski moral stavljaju ispred svih interesa.“ (Ebd.) Rastegorac erklärt Handke zu „neka vrsta preostale savesti Evrope“ (Rastegorac 1996: 2) und Željka Pašić zitiert in Vreme Žarko Radaković, der Künstler im Allgemeinen und damit auch Handke als „neku vrstu savesti čovečanstva“ (Pašić 1996: 47) sieht, die aber aufgrund ihrer spezifischen Sprache oft falsch interpretiert würden. Mit welchen anderen Aussagen diese Darstellung Handkes als unbeeinflussbarem Nonkonformisten und moralischem Gewissen zuweilen bis aufs Engste verknüpft wird, zeigt sich besonders deutlich im Artikel von Jelena Kosanović „Smatraj me svojim snom“ in Borba über Handkes Besuch in Belgrad: Bereits im Lead wird Handke implizit als einsamer Sucher nach der Wahrheit charakterisiert, welcher schon allein durch seine Reise nach Serbien den Groll der Journalisten auf sich gezogen hat, da er sich dadurch ihrer 'nützlichen Wahrheit' entgegenstellt, ohne dass sie ihm ein

37 Bernard-Henri Lévy hatte sich als einer der ersten französischen Intellektuellen für eine militärische Intervention in Bosnien ausgesprochen (vgl. wikipedia zu Bernard-Henri Lévy). 73 wie auch immer geartetes Naheverhältnis zu Serbien unterstellen könnten: U Handkeovom činu samog odlaska u Srbiju su, pre svega novinari, videli gest intelektualne i književne nadmoći i prezira prema medijskom poimanju korisne istine. Reakcije bi bile sigurno manje burne da je Handke, bar malo manji pisac nego što jeste, da je Rus, ili da ga je dovela ovdašnja vlast. (Kosanović 1996: 20)

Indem Handke sich also erdreistet, sich vor Ort ein eigenes Bild zu machen, stellt er für die Medien eine Bedrohung dar, da er dadurch in der Lage ist, die tatsächliche Wahrheit hinter der 'nützlichen Wahrheit' der Medien zu sehen. Dementsprechend werden auch im Artikel selbst aus der 'korisna istina' gleich zu Beginn Lügen und Verdammungen, denen zum Trotz Handke in Freundschaft auf die Serben zugegangen ist, wodurch er selbst, genau so wie sie, zur Zielscheibe wurde. Dieses Opfer Handkes sieht Kosanović schließlich als den Grund für das Übermaß an Emotionalität bei Handkes erneutem Besuch: Petera Handkea Beograd je dočekao sa velikom radošću, povišenim emocijama i zahvalnošću. Ne samo zbog toga, što je Srbima, hronično opterećenim potrebama da budu voljeni, nakon četiri godine, osuda, laži, Handke pružio prijateljsku ruku, nego i zbog toga što im se učinilo da je Handke, objavljivanjem 'Pravde za Srbiju', koja je izazvala burne reakcije i polemike, pa i osudu i gnev u velikom broju zapadnoevropskih medija, na neki način podelio svoju sudbinu sa Srbima. (Ebd.)

Hier wird ganz eindeutig ein Kontrast zwischen den Hass und Lügen verbreitenden Medien und dem friedliebenden Peter Handke aufgebaut, der jetzt eben genau dafür angegriffen wird, dass er nicht 'mithassen' wollte.38 Dabei hat, wie in der Folge betont wird, „ovaj pisac svetskog glasa“ (ebd.) genau gewusst, worauf er sich einlässt, als er mit seinem Essay „jednoglasju, obrascu i klišeu, proizvodnji laži“ (ebd.) den Kampf ansagte bzw. diese herausforderte und zwar nicht (unbedingt), weil er auf der Seite der Serben, sondern weil er auf der Seite des Rechts auf eine andere Meinung steht: „Handke nije na srpskoj strani, ili možda jeste, ali to nije bitno. On je na strani prava na drugačije mišljenje.“ (Ebd.) Nachdem in der Folge noch einmal der Lead wiedergegeben wird, wonach allein die Tatsache, dass Handke nach Serbien gereist ist, genügt, um auf ihn loszugehen und zwar umso mehr, als sich seine Verteidigung Serbiens nicht mit irgendwelchen anderen Gründen erklären lässt, wird auch Handkes Trauer um Jugoslawien, zu welchem, wie Handke zitiert wird, „Srbima više od drugih naroda bilo i stalo“ (ebd.), als „sentimentalni razlog“ (ebd.) abgetan. Die wahren Gründe liegen, so Kosanović, in der intellektuellen Herausforderung, vor welche einen die Suche nach Gerechtigkeit stellt. Diese Suche wird in der Folge als „moralni lični čin“ (ebd.) charakterisiert, welcher „podjednako rehabilitacion [sic!] za srpski narod, koliko i za pojam zapadnoevropskog intelektualca“ (ebd.) ist. Dass Handke sich dieser Herausforderung stellt und allein seinen eigenen Eindrücken traut, anstatt einfach die Ansichten der Medien zu übernehmen, ist eine höchst moralische Tat und macht es Kosanović

38 Gegen Ende des Artikels wird Handke in der Zeit zitiert, wonach er „nije otišao da mrzi zajedno sa drugima.“ (Kosanović 1996: 20) 74 zufolge auch unmöglich, Handke als Teil politischer Propaganda darzustellen, wenngleich dies auch immer wieder vonseiten des 'Westens' versucht wird: „Upravo zbog te Handkeove odanosti vlastitom uverenju, tom moralnom činu, Handkea, ma koliko to činili zapadnoevropski, pre svega nemački mediji, nije moguće uvući u kontekst političke propagande.“ (Ebd.) Hier wird Handke also wieder, indem er sich von niemandem beeinflussen lassen und nur auf seine eigene Wahrnehmung vertrauen wollte, zum Verkünder einer höheren (oder der 'korrekten') Wahrheit, welche nun von all jenen die ihre 'nützliche Wahrheit' gefährdet sehen, versucht wird zu diskreditieren. In der Folge wird Handke in der Zeit zitiert, wonach er nicht nach Serbien gefahren ist, um mit den anderen 'mitzuhassen', und gleich darauf Handke während seines zweiten Belgrad Besuchs zitiert, wonach er dieses Land „koja stoji prezrena pred svetskom javnošću“ (ebd.) nicht betrachten, sondern auf sich wirken lassen wollte. Nachdem festgestellt wird, dass das Belgrader Publikum Handke vollauf verstanden hat, schließt der Artikel dann folgendermaßen: „Zbog toga na Handkeovu poruku, parafrazu dijaloga iz jedne Kafkine priče: 'Smatraj me svojim snom', odgovaramo njegovim rečima: 'Blagoslov prijateljski pruženoj ruci'.“ (Ebd.) In diesem Artikel wird die nonkonformistische Haltung Peter Handkes also vor allem durch die Kontrastierung zur, wie sie hier dargestellt wird, völlig vereinheitlichten, hasserfüllten Sichtweise des Großteils der westlichen Medien hervorgehoben, für welche bereits das alleinige Unterfangen, nach Serbien zu reisen, einen nicht tolerierbaren Frevel darstellt. Dieses Unterfangen wird daraufhin, als einzig von dem Bedürfnis geleitet, sich ein eigenes Bild zu machen, dargestellt, weshalb es sich hierbei auch um eine höchst moralische Tat handelt, da Handke keinerlei 'weltliches' Interesse vorgeworfen und er auch nicht von fremden politischen Interessen vereinnahmt werden kann. Vielmehr hat Handke im Gegensatz zu allen anderen, welche Hass und Lügen verbreitet haben, dem zu Unrecht an den Pranger gestellten Volk die Hand gereicht und damit in Kauf genommen, wie das serbische Volk, Opfer einer Kampagne zu werden. Eine zumindest ähnliche Sichtweise kommt auch in zahlreichen anderen Artikeln zum Ausdruck. So ist nicht nur in der bereits zitierten Tanjug-Meldung (Tanjug 1996: 2) und dem Beitrag von Bobić- Mojsilović (1996: 21) die Formulierung zu finden, dass Handke 'usudio se' oder 'drznuo se' oder 'odvažio se' nach Serbien zu fahren und sich sein eigenes Bild zu machen, wobei dies immer wieder als die eigentliche 'Sünde' Handkes gegenüber der westlichen Medienwelt dargestellt wird. Miroslav Stojanović schreibt etwa in seinem ebenfalls bereits zitierten, bezeichnenderweise den Titel „Handkeov 'srpski greh'“ tragenden Artikel in Politika: „Jedan od najčuvenijih pisaca na nemačkom jeziku se 'drznuo' da saopšti drukčije viđenje“ (Stojamović 1996: 20). Života Ivanović schreibt am 12.5.1996 im Dnevnik: Dobitnik mnogih najuglednijih svetskih nagrada među kojima 'Gerhard Hauptman', 'Bihner', 'Franc Kafka', prošle godine u najužem krugu kandidata za Nobelovu nagradu za književnost, usudio se da učini nešto strašno – rekao je istinu o Srbima. 75

(Ivanović 1996: 16)

Und auch M. Marjanović spricht in ihrem Artikel „Pesma za trajanje“ in Politika ekspres von Handke als einem „od retkih intelektualaca sa Zapada koji se odvažio da pređe Drinu, a na licu mesta u Srbiji načini svoj putopis“ (Marjanović 1996a: 7) Dementsprechend verlangt es auch einiges an Mut bzw. Tapferkeit, dem einheitlichen Medienbild seine eigene Sicht der Dinge entgegenzustellen, wobei hierbei, wie auch schon bei Kosanović dargestellt, des Öfteren hervorgehoben wird, dass Handke eben nicht auf der Seite der Serben, sondern auf der Seite der Wahrheit steht. Dass Handke die Serben verteidigt ist also reiner Zufall. So schreibt etwa Jasminka Jeličić in Velika Srbija, es habe ein „strani pisac negde u svetu rekao o nama istinu, i to ne zato što on posebno voli Srbe, nego zato što je on neumoren tragač za istinom, bez obzira na čijoj strani ona bila.“ (Jeličić 1996: 48) Auch Života Ivanović sieht dies ähnlich und betont, dass Handke auch jedes andere Volk verteidigen würde, das zu Unrecht von den Medien an den Pranger gestellt wird: „Hendke [sic!] će ustati svojim perom u odbranu dostojanstva jednog naroda, samo slučajno srpskog, jer koliko […] založiće se za odbranu bilo kog drugog naroda koji se neosnovano i nezasluženo nađe na medijskom stubu srama.“ (Ivanović 1996: 16) Ebenso meint Avramović in Književne novine, dass „Srbi su tu samo metafora za udes koji preti bilo kom drugom narodu.“ (Avramović 1996: 4) Dieser Verweis scheint dabei vor allem dazu zu dienen, den möglichen Vorwurf einer politischen Vereinnahmung des Schriftstellers zu entkräften, schließlich wird so hervorgehoben, dass es dem Schriftsteller um die Wahrheit geht und nicht darum, Partei zu ergreifen. Doch nicht nur, dass Handke keine eigenen, 'weltlichen' Interessen verfolgt, vielmehr wird auch in manchem Artikel, wie bereits in jenem von Kosanović, der Eindruck erweckt, als habe er seine literarische Karriere geopfert, indem er sich auf die Suche nach der Wahrheit gemacht hat. So schreibt etwa Nebojša Ćurčić: „Ovaj, doskora, ugledni austrijski pisac prvo je izdao sebe. Umesto da je kao svaki pravi literata ostao u svojoj umetničkoj sobi čitajući slobodne novine, on je poželio da proveri da li je baš sve tako.“ (Ćurčić 1996: 21) Und in der Einleitung zum zweiten Teil des Interviews mit Handke in Naša borba steht etwa, dass Handke „ima hrabrosti da nervom slobodnog intelektualca pogleda 's druge strane ogledala' po cenu 'intelektualnog samoubistva', kako je njegova poslednja proza već okarakterisana.“ (Bisenić 1996a: 15) Die Selbstlosigkeit Handkes kommt in Radakovićs Artikel „Handke u Vavilonskoj kuli“ im NIN in anderer Weise zum Ausdruck: „U diskusiji, kojom je svaki put nesebično podario publiku (nije je izbegavao, kako lažno prenose neki mediji) izrekao je Peter Handke niz značajnih komentara i sentenci.“ (Radaković 1996b: 43) Hier erscheint Handke beinahe als eine Art Messias, der seine Jünger mit der Wahrheit beschenkt. Dieser Eindruck wird noch zusätzlich dadurch verstärkt, dass Radaković das Wort 'pisac' beinahe im gesamten Artikel groß schreibt. 76

Im selben Artikel wird zuvor auch der bereits in seinem ersten Artikel thematisierte Umstand, dass Handke sich voll und ganz auf seine Umgebung einlässt, noch einmal behandelt. Die Winterliche Reise charakterisiert er als „u prvom redu obeležje 'rada na terenu' i pokušaja približavanja određenom geografsko-klimatsko-civilizacijskom prostoru“ (ebd.), welches erst möglich ist „po očišćenju od uobičajenog medijskog predstavljanja datoga područja. Očišćenju od ratnog i okoloratnog“ (ebd.), also erst, wenn man den Raum von allen schablonenhaften Zuschreibungen und allem Vergänglichen befreit hat und in sein Wesen vordringen kann. Wie Radaković weiter ausführt, ist Handke dies auch auf seiner zweiten Reise gelungen, weshalb er auf den Lesungen nach der Reise „delovao šire i smirenije, pa i zrelije, otvorenije, opuštenije: kao autor koji konačno vlada 'svojim književnim prostorom'.“ Dabei macht Radaković diese Wandlung an einem ganz bestimmten Moment fest, nämlich als Handke im JDP Teile der Winterlichen Reise auf Serbisch gelesen hat: Beše to čitanje koje je pisac performativno gradio baš u onom nama dobro znanom nastupu u Jugoslovenskom dramskom pozorištu u Beogradu, pošavši poput Kaspara ni od čega u čitanje na našem, a njemu stranom jeziku, sričući kao prvak, krećući se sporo, mukotrpno preskačući jezičke zapreke, postavljajući meni kraj njega na bini sijaset značenjskih pitanja, da bi postepeno, mic po mic, ulazio u strukture našega jezika, baš kao i naše geografije, hidrogeografije i mentaliteta, i pri kraju čitanja istinski progovorio, prorecitovao i sasvim ovladao tekstom i glumom na stranom jeziku. Veličanstvenog li Kaspara, pomislio sam tada ('a mislim to i sada', u Drezdenu). (Ebd.; Kursiv-Setzung im Original) Hier ist es also die Sprache, über die Handke zum Wesen Serbiens und damit letztendlich auch zur Wahrheit über die Serben vordringt, mit welcher er dann auf den weiteren Lesungen seine Zuhörer beschenkt. Hier wird der Gebrauch der serbischen Sprache, die Einsicht in ihre Struktur, ganz klar im Sinne jenes Verständnis der Funktion von Sprache dargestellt, welches, wie im Kapitel 2.5.1 näher erläutert auf Herder zurückgeht, der die Sprache als Manifestation des 'Volksgeistes' sah. Indem Handke sich also auf den Gebrauch der serbischen Sprache einlässt und Schritt für Schritt in die in ihr ruhende tiefere Wahrheit vordringt, gelingt es ihm, die durch die Sprache als Exklusionskriterium aufgestellte Barriere zu überwinden und Einblick in das Wesen des serbischen Volkes zu erlangen. Handke wird so einer von 'uns' (eine Behauptung, die Radaković, wie bereits zitiert, schon in seinem ersten Beitrag aufgestellt hat). Stellt man die bisher beschriebene Darstellung der Person Peter Handke in den weiteren Kontext der für den nationalistischen Diskurs bestimmenden Stereotype, so ergibt sich, dass Handke im Grunde mit jenen stereotypen Charaktereigenschaften beschrieben wurde, die für den 'serbischen Helden' typisch sind. Darauf soll in der Folge näher eingegangen und damit auch die bisherige Darstellung zusammengefasst werden.

77

2.1.1.3 Handke, ein 'serbischer Held'? Wie dargestellt, wurde Handke in den ihm gegenüber positiv eingestellten Beiträgen zum bedeutenden Schriftsteller stilisiert, der sich selbstlos schützend vor die Serben gestellt hat und somit auch zu einer Art Gewissen des vom rechten Weg abgekommenen Europa geworden ist. Die Charaktereigenschaften, welche Handke dabei zugeschrieben werden, entsprechen im Grunde jenen, welche im Zuge der Kontextualisierung unter dem Autostereotyp 'Heldenhaftigkeit' näher erläutert wurden. Wie dem typischen serbischen Krieger wird auch Handke eine außerordentliche Tapferkeit zugeschrieben, die in erster Linie darin besteht, dass er es 'gewagt' hatte, sich dem bösen Westen entgegenzustellen und die Serben vor diesem zu verteidigen. Zugleich ist dieses Eintreten für die Serben angesichts der 'Verteufelung' dieser ein zutiefst humaner Akt, weshalb Handke eben auch zum Gewissen Europas werden kann; eines Europa, das, wie dargestellt, auch die Serben im nationalistischen Selbstverständnis wieder auf den rechten Weg zurückführen wollen. Der damit einhergehenden 'moralischen Reinheit', welche, wie erläutert, den 'weiblichen' oder 'kindlichen' Geist des serbischen Helden prägt und welche im Kampf unter Beweis gestellt wird, wird in der Darstellung Handkes neben der Charakterisierung als 'germanisch' oder 'ritterlich' vor allem durch die Betonung seiner Interesselosigkeit in Bezug auf materiellen oder persönlichen Vorteil Ausdruck verliehen, ebenso wie durch die damit einhergehende Betonung seiner absoluten Unabhängigkeit und Unbeeinflussbarkeit, durch welche er als allein der Wahrheit verpflichtet erscheint. Der 'weibliche' Geist Handkes klingt auch in anderen Beiträgen an, so wird er etwa in Žarko Radakovićs Beitrag „Na meti“ als an Anteilnahme interessiert charakterisiert, indem gesagt wird, dass er sich immer wieder bei Radaković erkundigt habe, „kako je u Beogradu“ (Radaković 1996a: 37). Beinahe besorgt um die in Deutschland lebenden Serben erscheint Handke wiederum im Beitrag von Dragan Bisenić „Dan sa Handkeom“: „Okupljene, nekako pokunjene Srbe, Handke je pitao da li imaju teškoće s Nemcima i u Njemačkoj zbog toga što su Srbi.“ (Bisenić 1996c: 13) Eine besondere Empfindsamkeit Handkes kommt auch im Zuge seines erneuten Besuchs in Belgrad zum Ausdruck. So schreibt etwa A.L. im Beitrag „O pravdi za Srbiju“ in Večernje novosti: „Po završetku čitanja, Handke je želeo da ovaj susret sa Beograđanima okonča, ali, osetivši da se publika oseća zbunjeno i pomalo 'uskraćeno', Handke je, ipak, pristao na razgovor.“ (L. 1996: 22) Die besondere Empathie Handkes kommt auch im Artikel „Među Karadžićevim Srbima“ von S.D. über Handkes Reise nach Bosnien im NIN zum Ausdruck, nach welcher er sich über das Leid der Bosnier betroffen zeigt und erklärt, wie notwendig es ist, den dort lebenden Menschen zuzuhören: „Na radoznalo novinarsko zakeranje da objasni šta to oni tamo imaju sada tako važno da pričaju, da kažu..., Handke će bez oklevanja reći – Ništa! ali imaju potrebu samo bol da izraze, a taj bol je, reći će, velik.“ (D. 1996a: 41) Die Besonderheit seiner Zuneigung zu Serbien hat Handke selbst im Zuge der an die Lesung im 78

JDP anschließenden Diskussion mit folgenden Worten beschrieben: „Naklonost prema srpskom narodu je drugačija nego što mi se događalo u naklonosti prema ženama, i mislim da sam u mojoj naklonosti prema Srbiji jak i veran.“ (Stefanović 1996a: 11) Gerade vor dem Hintergrund, dass Handke auch während dieser Diskussion seine durch seine Familie mütterlicherseits bedingte Verbindung zu Jugoslawien hervorkehrt und er zudem weiter feststellt, dass zu diesem Jugoslawien seiner Ansicht nach die Serben am meisten gehalten haben, lässt die Assoziation von Serbien als neuem 'Mutterland' Handkes zu. Eben die Vorstellung Serbiens als 'Mutter', welche die serbischen Helden verteidigen und schützen, ist, wie dargestellt, für die stereotype Darstellung des serbischen Helden bezeichnend. Dass diese Aussage Handkes als bedeutsam eingestuft wurde, zeigt sich darin, dass sie in den meisten Beiträgen zu dieser Lesung vorkommt und im Beitrag von Radmila Stanković für Telegraf auch als Titel dient: „Verniji sam Srbiji nego ženama“ (Stanković 1996: 28f.) Auch die Betonung, dass es sich bei Handke um einen Schriftsteller von herausragender Bedeutung handelt, kann in einem Zusammenhang mit der Charakterisierung Handkes als typischen 'serbischen Held' gesehen werden, denn Heldenhaftigkeit kennzeichnet nicht das gesamte serbische Volk, sondern nur einzelne herausragende Persönlichkeiten, welche fähig sind, das leidende serbische Volk von seinem Joch zu befreien. Im Falle Handkes stellt dieses Joch, wie noch zu zeigen sein wird, die Verschwörung des Westens gegen Serbien dar, welche Handke tapfer aufdeckt. Dieser Gedanke kommt, in etwas abgeänderter Form auch bei Stefanović in Duga zum Ausdruck. Stefanović sieht Handkes Eintreten für Serbien in erster Linie auf Deutschland bezogen, welchem er durch seinen Nonkonformismus dazu verhilft, sich weiterzuentwickeln. Eben dadurch wird Handke aber auch zu einem Vorbild für die Serben, wobei Stefanović in diesem Zusammenhang auch gleich Handke mit einem Helden aus den serbischen Epen, nämlich Banović Strahinja, vergleicht: Tako je završeno Handkeovo književno veče u Beogradu, čoveka tvrde glave, koji principijelno misli drugačije od važećeg i vladajućeg stava – to je istinski poziv na civilizacijsku tradiciju. Kao što su Srbi u srednjem veku imali jednog Banović Strahinju, i pesnika koji ga je opevao – čoveka koji se usudio da bude drugačiji, i koji je bio zaloga srpskog izlaska iz Turskog ropstva. Takvi ljudi su, pre svega, potrebni svom narodu, i kad su u svađi s njim, […], ti narodi umeju da ih priznaju kao nepohodne zaloge svog istorijskog stajanja na obema nogama. / Handke je uputio nedvosmislenu poruku Srbima u priči o Kafkinom prijatelju: 'Smatrajte me svojim snom'. To je prava, handkeovska poruka, cinična i plemenita. Samo što je neće shvatiti svi Srbi. Shvatiće je tek neki, što je sasvim dovoljno. Budućnost jednog naroda uvek je pothranjena u hipotalamusu njegove elite. Srpski narod, i pored svega, tu klicu elite ipak ima. (Stefanović 1996a: 12; Hervorhebung im Original)

Banović Strahinja erscheint insbesondere in der Version von Vuk Karadžić als Inbegriff eines Nonkonformisten, der die menschliche Moral über die traditionellen Regeln der Gesellschaft stellt. So schreibt Margaret H. Beissinger: There is no doubt that this song is exceptional. In the stern male world that the epic songs project, the dignity that characterizes Ban, who makes a humane decision out 79

of sync with the song's – and his society's – strict patriarchal conventions, is striking. (Beissinger 2011: 443)

Die menschliche Entscheidung des Helden liegt dabei darin, dass Banović Strahinja seine Frau, welche zuvor vom türkischen Vlah Alija geraubt und geschändet wurde, nicht für den damit begangenen Ehebruch mit dem Tod bestraft, wie es die gesellschaftlichen Regeln vorschreiben würden und ihr zudem verzeiht, dass sie sich beim Kampf mit Vlah Alija auf dessen Seite gestellt hat, um dem ihr bei einem Sieg Banovićs drohenden Tod zu entrinnen (vgl. ebd.). Wenngleich Handke in diesem Beitrag natürlich nicht als Inkarnation des Banović Strahinja erscheint, wird durch den Vergleich mit diesem außerordentlichen Helden aus der serbischen Volksdichtung doch auch Handke der Status eines Helden verliehen, der dabei nicht nur jener Gesellschaft, der er angehört, hilft sich weiterzuentwickeln, sondern auch der serbischen Gesellschaft durch sein Vorbild Hilfe zur Selbsthilfe bietet. Der Status eines Helden wird Handke auch in „Četiri pesme o velikom hodaču Peteru Handkeu“ von Časlav Đorđević in Itaka verliehen, in welchen Handke aufs Neue als außerordentliche, das Wesen der Dinge erfassende und begreifende Persönlichkeit dargestellt wird, was es ihm im Gedicht „Veliki slušač“ ermöglicht vom Gesang des Gusla-Spielers geleitet, das Wesen des serbischen Kriegers zu durchdringen. Hier werden der Fürst Miloš Obilić und Milan Toplica zu Gefährten Peter Handkes: Zvuk gusala ga mami i nosi sve u dalj / Držeći se za tanke niti zvuka / on započinje put kroz vreme / on već diže pehar / već pije vino / već oseća omamu prkosa i za pobratime / već ima Miloša i Toplicu Milana / I tek sada shvata / zašto predstoji tako dugo opremanje junaka / u svaki boj: / treba umreti sa zvezdom na ramenu / sa sokolom u srcu / sa zamahom koplja u ruci / Umreti čist umreti u sjaju / jer odozgo gleda Bog i zna / šta je inat i šta čast (Đorđević 1996: 106)

Dass hier Miloš Obilić zum Gefährten Handkes wird, bringt sehr gut zum Ausdruck, wie Handkes Eintreten für 'Gerechtigkeit für Serbien' gesehen wurde. So wird Handke, wie einst Miloš Obilić, zu jemandem, der nur scheinbar dem Feind angehört (Miloš Obilić, weil er vorgibt, zu den Türken überzulaufen, Handke aufgrund seiner Herkunft), wo er doch in Wirklichkeit versucht, den Feind von innen heraus zu zerschlagen und so das serbische Volk vor dem Untergang zu beschützen. Wie sich also zeigt, ist es durchaus gerechtfertigt, eine Verbindung zwischen der Darstellung Peter Handkes in den Beiträgen und der typischen Charakterisierung serbischer Helden zu erstellen, nicht zuletzt auch, da eine solche Nähe Handkes zu serbischen Helden auch in den beiden genannten Beiträgen explizit hergestellt wurde. Dass Handke zum Helden der Serben oder, wenn man so will, zu einer Art Messias stilisiert wurde, der die Serben beschützt, wodurch es fast an Frevel grenzt, sich kritisch über ihn zu äußern, geht auch aus folgender Anekdote Andrej Ivanjis in Vreme hervor, der auf die Frage eines alten Kollegen, wie ihm Handkes Lesung gefallen habe, antwortet, dass Handke es verstünde, mit dem Publikum zu kokettieren. Die Reaktion auf diese Aussage fällt

80 folgendermaßen aus: Kolega je pocrveneo u licu i besno prosiktao 'kako se samo usuđujem da ljubaznost jednog velikog pesnika okarakterišem kao koketiranje'. Bez pozdrava, vidno uzbuđen i lično povređen, kao da sam oskrnavio neke njevgove svete, neostvarene snove, okrenuo mi je leđa i otišao bez pozdrava. (Ivanji 1996: 39)

Doch wie wird Handke in jenen, wenigen, Beiträgen dargestellt, welche sich kritisch mit dem Schriftsteller auseinandersetzen? Dieser Frage soll in der Folge nachgegangen werden.

2.1.2 Kritische Beiträge: Die Person Handke

Handkes literarische Bedeutung wird auch in den seinem Essay gegenüber kritisch eingestellten Beiträgen thematisiert, jedoch unter umgekehrten Vorzeichen, wonach Handke eben nicht gerade auf Grund seines literarischen Status die Wahrheit sagt, sondern ihn dieser eben nicht davor bewahrt, Dummheiten zu schreiben. So formuliert etwa Svetlana Slapšak in Vreme: Postoji jedan aspekt pisanja koji me je na početku zbunjivao: na mnogim mestima, naime, Handke jednostavno ne piše naročito pametno. Čitalac od pisca njegovog uzrasta i ugleda ipak očekuje izvestan nivo refleksije/autorefleksije. (Slapšak 1996: 17)

Implizit kommt dies auch im Beitrag von Miodrag Racković in Republika zum Ausdruck, wenn er in ironischem Ton die Formulierung der meisten Artikel kopiert: Ovaj ugledni pisac se, eto, usudio da, na osnovu vlastitog uvida, pokuša dokazati da su sve priče o divljačnim i surovim Srbima plod nesmiljene medijske manipulacije, u službi svetskih centara moći, ukratko, znak duhovne i moralne atrofije evropskog sistema mišljenja. (Racković 1996: 18; Kursiv-Setzung im Original)

Racković bezeichnet dieses Vorhaben in der Folge als Krankheitssymptom des europäischen Denkens, welchem er den Namen „Handkeov sindrom“ (ebd.) gibt. Dieses Syndrom beschreibt er, als die naive Sehnsucht des in überstabilisierter Harmonie lebenden Europäers nach Wahrhaftigkeit, welche er im 'Wilden', 'Unzivilisierten' zu finden glaubt: Handkeov sindrom jeste bolest evropske naivnosti, neki vid prezrenja pod krinkom dobrohotnosti, on ne vidi pljačkaše, surove egzekutore i zločince koji prave nevina lica. Izvan svih racionalnih klasifikacija, u tom austrijskom piscu koji se poziva na svoje slovenačko, balkansko poreklo, proradio je virus onih davnih posetilaca Bisetre koji vole da gvozdenim šiljcima bockaju ludake. (Ebd.)

Diese Faszination Handkes mit dem Rückständigen, sowie die Naivität des Schriftstellers werden auch in den meisten anderen kritischen Beiträgen thematisiert. So schreibt etwa Bora Ćosić in seiner durchwegs in ironischem Ton gehaltenen Replik auf Handke in Bezug auf den Umstand, dass Benzin nun in Plastikflaschen verkauft werde: Veli da taj austrijski književnik u ovoj sceni veoma uživa. Jer u njoj vidi neku iskonsku prisnost tih ljudi, osuđenih na ovu vrstu prodaju. […] Austrijski književnik možda je u tome pronašao ono zrno ljudske prisnosti, na našem Zapadu, potpuno 81

izgubljene. (Ćosić 1996: 6)

Dass Handke offensichtlich naiv ist, wird dann auch in den Beiträgen betont, welche nach Handkes erneutem Besuch in Belgrad veröffentlicht wurden und welche sich vor allem damit beschäftigen, dass Handke, ohne es zu merken, politisch instrumentalisiert wurde. Milan Đorđević (Republika: Juli) schreibt in Republika etwa, dass bei der Lesung von Pesma za trajanje (Handke 1996j) in der Nationalbibliothek lauter Verfasser von Texten für die berüchtigte Rubrik „Odjeci i reagovanja“ der Zeitung Politika anwesend waren und dass Handke sich auch gut dafür geeignet hätte, direkt bei Milošević vorstellig zu werden. Dabei wirft er dem Schriftsteller selbst aber keine bösen Absichten vor, sondern sieht dies eher als Beweis für dessen Naivität: Handke je, izgleda, naivan i dobronameran čovek. […] [O]n zaista ni ne sanja o čemu se ovde radi. Njega kao pisca interesuju samo neposredni doživljaji i u svom famoznom putopisu piše samo o onom što je video i što za njega, izgleda, ima ukus nečeg egzotičnog. (Đorđević 1996: 16)

Ebenso beschreibt Miodrag Stanisavljević den Umstand, dass Handke die politische Instrumentalisierung seiner Person nicht durchschaut hat, mit, leicht gehässigem, Mitleid39: Siroti Handke je poverovao u priču neke nacionalno uspaljene ludače koja je moj zezadžijski kuplet iz prvoaprilskog broja 'Republike' ('Svi Srbi i Srbijanke/pevaju u horu/Danke Handke! Danke Handke') interpretirala kao odu iz narodnog srpskog stvaralaštva. Siroti Handke se femkao: milo mu je, ali ne zaslužuje on sve to. (Stanisavljević 1996: 65)

Auch in den kritischen Beiträgen wird die Frage behandelt, was Handke dazu bewogen haben könnte, nach Serbien zu reisen und diesen Text zu verfassen. Sowohl Ljiljana Šop (1996: 54) als auch Svetlana Slapšak (1996: 16) gehen dabei davon aus, dass Handke nicht, wie im bestimmenden Diskurs behauptet, völlig selbstlos gehandelt hat. So schreibt Šop in Srpska reč: Šta je Petera Handke dovelo u Srbiju, sa kojom jedva i Srbi izlaze na kraj (uglavnom izvlačeći deblji kraj) sada više i nije važno. Intelektualna radoznalost, avanturizam, želja da ovaj anahronizam Evrope vidi svojim očima, nedostatak književne inspiracije u domovini, pomisao na komercijalne efekte, potreba da izazove skandal? (Šop 1996: 54)

Und Slapšak stellt in Vreme fest, dass der Text „s neprijatnim naglaskom na publicitet“ (Slapšak 1996: 16) verfasst ist. Sie wirft Handke zudem vor, indirekt die offizielle serbische Politik zu verteidigen, indem er feststellt, dass in Serbien auch normale und warmherzige Menschen leben, was trotz aller kritischen Distanz, die man gegenüber den westlichen, insbesondere deutschen Medien haben muss, nicht notwendig ist. Dass Handke nun aber so tut, als wäre dies notwendig, hat nach Slapšak vor allem „težinu u vaganju srpske politike.“ (Ebd.) Denn damit Handke u celini prihvata rasno/rasističko objašnjenje situacije i na rasističku postavku Srbi to čine jer su takvi, odgovara ne manje rasističkom Srbi to ne čine jer nisu takvi, odnosno, još gore, nije mogućno da Srbi to čine jer jesu/nisu takvi. (Ebd.)

39 Der Slogan 'Danke Handke' wurde, wie aus dem Archiv hervorgeht, erstmals von Bobić-Mojsilović in Telegraf (14.2.1996) geäußert (vgl. Bobić-Mojsilović 1996:21). 82

Wie sich also zeigt, wurde die Person Handke in kritischen Beiträgen völlig anders dargestellt, als in der Mehrheit der Beiträge, wobei vor allem die Qualität des Textes, die Kompetenz des Autors und die Motive desselben in Frage gestellt wurden.

2.2 Die Darstellung der Kontroverse in den westlichen Medien

Wie im vorigen Kapitel beschrieben, wurde Peter Handke im Großteil der Beiträge als bedeutender Schriftsteller und Nonkonformist dargestellt. Gerade aus der Darstellung Handkes als Non- konformist ergibt sich in den Beiträgen ein Kontrast zwischen Handke und jener Gesellschaft, mit der er nicht konform geht. Handke wird so zu einer Art Gegenbild vor allem zur deutschen (aber auch westlichen oder westeuropäischen) Gesellschaft. Wie diese in den positiv gestimmten Beiträgen zur Handke-Kontroverse dargestellt wird, soll in der Folge näher beschrieben werden, bevor die Darstellung der Kontroverse in den westlichen Medien in diesen Beiträgen behandelt wird.

2.2.1 Affirmative Beiträge

2.2.1.1 Die Darstellung Deutschlands bzw. des 'Westens' Direkte Aussagen über den Zustand der westlichen, insbesondere deutschen Gesellschaft kommen in den Beiträgen nur selten vor. Wenn doch, wird diese aber vor allem als von einem blinden Glauben an Fortschritt durchdrungen dargestellt, auf den alle Tätigkeiten ausgerichtet sind. So stellt etwa Nenad Stefanović in Duga fest, dass es Handke in seinem Text eigentlich darum geht, die Tugend des Zweifelns unter den Deutschen zu verbreiten: Jer, Srbi su kod Handkea samo povod da bi progovorio o Nemcima, da bi u njima podstakao vrlinu sumnje, koja naizgled u nemačkom duhu, naizgled iz perspektive stereotipa, ne postoji. Ali, duh samokritike, sumnjičavost, duh tvrdih glava koje su išle suprotno od većine i te kako je paralelan u nemačkoj istoriji. (Stefanović 1996: 70)

Wenngleich hier ganz explizit darauf verwiesen wird, dass es sich bei der Aussage, 'die Deutschen kennen keinen Zweifel', um ein Stereotyp handelt, wird dieses doch nicht entkräftet, schließlich wird weiterhin behauptet, dass dieses Stereotyp trotzdem auf die Mehrheit der Deutschen zutrifft, nicht aber auf einige „'harte Köpfen' [sic!]“ (ebd.), zu denen auch Handke zählt, wodurch wiederum dessen Außerordentlichkeit hervorgekehrt wird. Noch expliziter kommt die stereotype Vorstellung vom blinden Fortschrittsglauben der westlichen Gesellschaft in Stevan Šerbans Kritik zur Aufführung der Bühnenfassung von Wunschloses Unglück (Užas praznine) in Politika zum Ausdruck, in welcher der komplexe Inhalt des Stücks auf folgende einfache Frage reduziert wird: 83

„Ključno pogrešno pitanje zapadnoevropske civilizacije: Kako?, koje se pretvorilo u kancerogenu protezu evropskog duha, Handke ruši kao kulu od karata jedinim ispravnim pitanjem: Zašto?“ (Šerban 1996a: 21) Dieser blinde Fortschrittsglaube wird hier zudem als 'Krankheit' charakterisiert, wodurch der Vorstellung vom 'faulen Westen' noch stärker Ausdruck verliehen wird. Die deutsche Gesellschaft wird in den Beiträgen auch als in erster Linie von wirtschaftlichen Interessen bestimmt dargestellt, welchen moralische Überlegungen untergeordnet werden. So charakterisiert Mirjana Jovanović-Lazić in Književne novine Deutschland nicht nur als allein auf Erfolg ausgerichtete Nation, sondern auch als allein durch die Wirtschaft zusammengehalten. Sie stellt fest, dass mit dem Friedensschluss in Dayton nun allmählich wieder objektivere Stimmen in Deutschland zugelassen werden und gerade deshalb die als „gotovo orkestrirane“ (Jovanović 1996: 14) charakterisierten Reaktionen der deutschen Öffentlichkeit verblüffen. Die derart einhellige Reaktion der abseits der Wirtschaft völlig unterschiedlichen Deutschen ist für sie daher auch ein Beweis, dass Handke mit seiner Kritik an den Medien ins Schwarze getroffen hat: Da je [Handke] začeprkao nekakvu rak-ranu, jasno je i zbog same uravnoteženosti u reagovanjima na 'Pravdu za Srbiju'. Jer, u zemlji koja pokušava da jedinstveno bude uspešna, malo je, inače, ujedinačenosti u pristupu stvarima. Nemac će uvek požuriti da strancu ukaže na razlike u shvatanjima, načinu života, humoru i kulturnoj tradiciji među različitim pokrajinama. Ekonomski bum koji od Nemaca čini entitet samim time što su poput piva i kobasica nudi malo mogućnosti za razumevanje tolike ostrašćenosti u 'slučaju Handke'. (Ebd.)

Und so liegt der wahre Grund für die Heftigkeit und Einhelligkeit der Reaktionen ihrer Meinung nach auch darin, dass das Gewissen der Deutschen zugunsten des Erfolgs verdrängt und die vorgegebenen Denkstrukturen durch die Medienmanipulation fest verankert sind, ein Zustand aus dem man nur ungern erweckt wird: „U vremena u kojima je tako teško probuditi zapretanu ljudsku savest, umetnik mora da računa sa opiranjem analizi koja narušava strukturu zadatog mišljenja, ne zaboravljajući da javno mnjenje deluje po sistemu spojenih sudova.“ (Ebd.) Hier wird also in gewisser Weise das Stereotyp vom auf einem blinden Fortschrittsglauben und Materialismus verfallenen Deutschland aktiviert, das moralische Bedenken zugunsten des Erfolgs verdrängt. Handke kommt in dieser Darstellung die Funktion des 'schlechten Gewissens' zu, das versucht, die Menschen zu wecken bzw. auf den rechten Weg zurückzubringen. Eine Rolle, die, wie dargestellt, im serbischen Nationalismus Serbien selbst einnimmt, da es seine 'Natürlichkeit' im Gegensatz zum 'faulen Europa' bewahrt hat. Eine ähnliche Charakterisierung Deutschlands, als in erster Linie an wirtschaftlichem Erfolg orientiert, kommt auch im Artikel „Dan sa Handkeom“ von Dragan Bisenić in Naša borba zum Ausdruck, in dem ein in Frankfurt lebender Unternehmer zitiert wird, der auf Handkes Frage, ob sie als Serben in Deutschland Probleme haben, antwortet, dass in Deutschland allein das Geld zähle: „Privrednik Vukić kaže da svi žele da zarade pare i da ih mnogo ne zanima ko je ko“ (Bisenić

84

1996c: 13). Diese Fixierung auf wirtschaftlichen Erfolg kommt auch in Bezug auf Siegfried Unseld, den damaligen Leiter des Suhrkamp-Verlages, zum Ausdruck. Er scheint in zwei der drei Beiträge40, in welchen er vorkommt, als in erster Linie an den Verkaufszahlen interessiert auf. So schreibt etwa Radaković im NIN: „Diskusija je posle nastavljena neobavezno, na ručku, a u njoj su sudelovali šef 'Zurkamp ferlaga' Zigfrid Unseld (koji je zadovoljno trljao ruke, jer je za samo dve nedelje prodato više od 20 hiljada primeraka knjige 'Pravda za Srbiju“) [i drugi].“ (Radaković 1996a: 37) In ähnlicher Weise äußert sich M. Čolić in Politika ekspres in seinem Artikel „Pravda i - zarada“, in welchem es um den Verkauf der Rechte für die serbische Ausgabe von Handkes Text und die bereits erschienene Raubübersetzung geht: „Nemački izdavač nije krio zadovoljstvo: knjiga je išla 'k'o 'alva'.“ (Čolić 1996: 5) In der Folge kommt in diesem Artikel der Direktor des Verlags 'Clio' Zoran Hamović zu Wort, welcher das Buch eigentlich herausgeben, aber die Bedingungen des Suhrkamp- Verlags nicht akzeptieren wollte, da der Verlag seiner Meinung nach Politik mit wirtschaftlichen Mitteln betreibt, etwa indem eine viel zu hohe erste Auflage verlangt wird: „[T]o je politička propaganda nižeg reda i guranje Handkea u ulogu našeg političkog i profesionalnog prijatelja, […]. To ni Handkeu ni nama nije potrebno.“ (Ebd.) Dass Handke mit dieser Art von Propaganda nichts zu tun hat, wird dabei bereits zuvor deutlich gemacht, indem explizit darauf hingewiesen wird, dass Handke keinerlei wirtschaftliche Interessen hat und die Rechte auch gratis abgegeben hätte, wodurch ein Kontrast zwischen dem 'interesselosen Handke' und dem geldgierigen Suhrkamp- Verlag hergestellt wird: „[A]vans […] brzo je […] povećan na 5.000 DEM, što bi verovatno i prihvatili, bez obzira na činjenicu da je Handke bio spreman da nam s obzirom na dobru saradnju, ta prava ustupi besplatno.“ (Ebd.) Indem betont wird, dass Handke mit diesem Vorgehen des Verlags nichts zu tun hat, wird der Verlag in gewisser Weise zu einem Verräter der lauteren Absichten Peter Handkes, da er durch seine Verkaufspolitik all jenen in die Hände spielt, die Handke vorgeworfen haben, mit seinem Text serbische Propaganda zu betreiben. Wie noch zu zeigen ist, wird im Laufe der Berichterstattung immer wieder nach solchen Verrätern, welche Handkes lautere Absichten zunichte machen, gesucht bzw. werden solche auch gefunden. Die Feststellung, dass über die Wirtschaft Politik betrieben wird, wird in anderen Beiträgen auf ganz Deutschland angewandt, welches heutzutage über die Wirtschaft versuche, neue Gebiete zu erobern, wie etwa in folgender Äußerung Aleksandar Tišmas im Interview mit Dragan Bisenić in Naša borba: Osim toga, mi se nalazimo na jednom od pravaca nemačkih prodora. Ma koliko oni danas imali demokratsku državu i demokratsko društvo, sama njihova snaga tera ih ka tome da traže prostor za sebe. Prošlo je vreme kada je trebalo geografski osvajati, jer postoje mogućnosti ekonomskog širenja. Ja ne verujem da oni mogu više tome da odole, čak i da hoće, jer svako od njih traži i novaca i ulaganja. Na tom putu nalazi se i skraćena Jugoslavija. Potrebno je sada naći neki model, a da to ne bude

40 Bisenić (1996c: 13); Radaković (1996a: 37); Čolić (1996: 5) 85

konflikt. (Bisenić 1996d: 11)

In der Feuilleton-Serie Života Ivanovićs (insbesondere Ivanović 1996i: 19) wird dieses wirtschaftliche Expansionsbestreben Deutschlands schließlich als Hauptgrund für den Zerfall Jugoslawiens dargestellt. Auf diese Sichtweise soll im folgenden Teil dieses Kapitels näher eingegangen werden, das sich mit dem in den Beiträgen zur Handke-Kontroverse immer wieder aktivierten Mythos einer Verschwörung gegen die Serben beschäftigt.

2.2.1.2 Die Verschwörung gegen Serbien Wie bereits im Zuge der Kontextualisierung dargestellt, stellt der Mythos einer Verschwörung gegen Serbien einen bestimmenden Aspekt des serbischen Nationalismus dar. Besonders explizit kommt die Vorstellung einer solchen Verschwörung im Buch Peter Handke ili Nemačko-srpska rapsodija von Radomir Smiljanić (1996) zum Ausdruck, bei dessen Präsentation in den Räumlichkeiten der Serbischen Schriftstellervereinigung auch Handke selbst anwesend war. Radomir Smiljanić geht in diesem Buch von einer ständigen Bedrohung der Serben durch fremde Mächte aus, deren gewalttätiges Expansionsbestreben sich seit jeher auf das Territorium des serbischen Volkes richtet. Das serbische Volk erscheint so als friedliebendes Opfer fremder Aggression. Dementsprechend formulieren Radomir Smiljanić und Slobodan Filimonović im dem Buch vorangestellten Text: Cenjeno čovečanstvo, / svet poznaje i islamizaciju i germanizaciju i, takođe nasilno, katoličenje (odnosno unijaćenje, kroatizaciju), ali ne poznaje pravoslavizaciju, jer je nikada nije bilo. Srbi nikada nisu druge nasilno ognjem i mačem, krstom i polu- mesecom nagonili u svoju veru i naciju, njima je to vekovima činjeno, a i danas ih genocidnim sankcijama tzv. Novi svetski poredak nagoni na pokornost, na odustajanje od svog legitimnog prava. (Smiljanić/Filimonović 1996; 1)

Bereits in diesen einleitenden Worten kommt die Zielsetzung des Buches eindeutig zum Ausdruck, nämlich Handkes Text als eine weitere Bestätigung der Theorie von einer Verschwörung der 'Neuen Weltordnung' gegen die Serben zu positionieren. Dementsprechend werden im Buch auch nur jene Auszüge aus Handkes Text gebracht, in welchen Handke sich kritisch zur Berichterstattung in den Medien äußert und diese dann neben andere Dokumente gestellt, die eine solche Verschwörung vermeintlich belegen, wobei immer wieder auch auf die Historizität dieser Verschwörung verwiesen wird. Dies wird besonders deutlich durch den Umstand, dass den Auszügen aus Handkes Text, ein Auszug aus dem Buch des deutschen Balkanforschers Hermann Wendel Der Kampf der Südslawen um Freiheit und Einheit (1925) vorangeht. Dabei meldet sich Smiljanić in kommentierenden Einschüben zu Wort, mit deren Hilfe er versucht, jene Feststellungen, welche Wendel etwa über die Rolle der Großmächte während der Balkankriege macht, direkt auf die gegenwärtigen bzw. jüngst vergangenen Ereignisse zu übertragen und so eine Kontinuität herzustellen, die implizit als Beleg 86 für die Behauptung dient, dass seit jeher und auch in der Gegenwart eine solche Verschwörung gegen die Serben im Gange ist: Još u balkanskim sukobima (a šta je ovo danas drugo do 'balkanski sukobi', izazvani uglavnom spolja, ovaj građanski secesionistički rat sa ciljem uklanjanja Jugoslavije, potiskivanaja 'bizantijskih' Srba kao slobodarskog, za vazala nepodobnog naroda) svetske sile – tvrdi Vendel – rado su se pozivale na 'evropsku saglasnost' ('evropska saglasnost' je u stvari današnja Evropska Unija, ranije Evropska Zajednica, plus SAD, plus Vatikan, a sve sa Nemačkom na čelu – prim.: R.S.). (Smiljanić 1996: 21; Kursiv-Setzung im Original)

In diesem Zitat werden gleich mehrere Stereotype genannt, die für den serbischen nationalistischen Diskurs typisch sind. So werden die Serben als 'freiheitsliebendes' Volk charakterisiert, welches die 'Neue Weltordnung', die alle Feinde Serbiens in sich vereint, zurückdrängen, also aus ihrem Territorium vertreiben möchte, da es nicht zum Vasall geeignet ist. Historische Veränderungen, etwa dass Wendel Frankreich als die treibende Kraft hinter der europäischen Politik, Smiljanić aber eine von Deutschland ausgehende faschistische Verschwörung im Gange sieht, versucht der Autor dabei zu glätten: „Naročito je to radila Francuska (danas Miteranova, tačnije petenovska, pronemačka, višijevska Francuska, najbolji tumač nemačkih želja. […]).“ (Ebd.: 21f.) In einem den Auszügen aus Handkes Text folgenden Kapitel mit dem Titel „'Epistolarni Monolog' sa Handkeom“ wird die Vorstellung einer faschistischen bzw. neonazistischen Verschwörung gegen die Serben noch konkretisiert: Moramo se upitati, veoma poštovani i dragi kolega Handke, uvek se moramo pitati šta je to danas – nacizam!? Pa nije valjda da nacizam mora imati one štucovane brčiće i da mora urlati 'Der Hass ist unser Gebet' […]. Međutim, taj nacizam danas […] moramo prepoznati i u onoj čuvenoj pesmi Vašeg prethodnika u odbrani Srba i Srbije Bertolda Brechta. Jer ta pesma iz daleke i užasne godine 1941., 'Serben- bericht' […], koja govori o stradanju srpskog naroda u njemu nametnutom ratu od strane nemačkih nacista, […] savršeno je primenljiva i aktuelna na situaciju hrvatsko-nacističke 'oluje' […], te ofanzive na civile […], to jest, masakriranje iz vazduha i iz stotina haubičkih cevi i višecevnih raketobacača nedužnog civilnog srpskog stanovništva. 'Najveće etničko čišćenje posle drugog svetskog rata' za koje su se pobrinuli neonacisti vladajućih krugova nasilničkih klika Zapada, […] da ostane – gotovo nezapaženo. Jer su počišćeni Srbi... Samo, ostaje ipak veliko pitanje, mada ne i nedoumica, da će i ti zločini, iz 'srodstva po izboru' onih Aušvica i Jasenovaca ostati nezapaženi. ('Bela ruža', […], primila je u svoje okrilje izgnanu i desetkovanu braću kninske organizacije 'Veritas'. Oni, […], zapisuju sve činjenice potanko o novom 'magnum crimenu' hrvatskih i nemačkih neonacista […]. (Ebd.: 56f.; Kursiv-Setzung im Original)

Wie bereits aus diesen Zitaten hervorgeht, wird durch die Konstruktion einer Verschwörung gegen die Serben jegliche Schuld an den Ereignissen auf außenstehende Mächte abgewälzt, wobei auch die anderen Kriegsparteien nur noch als Handlanger dieser fremden Mächte erscheinen, welche sich darum kümmern, dass die Verbrechen ersterer unbemerkt bleiben. Denn wie einige Seiten weiter festgestellt wird, ist es letzten Endes die 'Welt', welche die Serben in die Knie zwingen will: Jer, taj svet je učinio sve, pa i više od toga sve, kako bi i Beograđane, i građane Srbije i SR Jugoslavije, i, naravno i naročito, Srbe, pretvorio baš u to: u nepreglednu gomilu bednika i jadnika koji živi izdišu i pritom bolno i mizerno, srceparatelno i pred osionim Zapadom na krhkim i mršavim kolenima vapijuće preklinju za milost. 87

(Ebd.: 62)

Auf vergleichbare Weise wie Smiljanić argumentiert auch Života Ivanović in seiner Feuilleton-Serie „U odbranu dostojanstva jednog naroda“ in Dnevnik (12.-24.5.1996). Auch hier wird bereits in der dem ersten Beitrag vorangestellten Einführung die Zielrichtung der Serie klar definiert: U feljtonu Živote Ivanovića, dugogodišnjeg urednika Tanjuga saznaćemo zašto je ovaj ugledni književnik ustao u odbranu srpskog naroda, a protiv 'huškačkog novinarstva' dirigovanog po notama moćnika novog svetskog poretka. (Anonym 1996i: 16)

Die Serie selbst lässt sich grundsätzlich in fünf Teile einteilen. Der erste Teil (Ivanović 1996) stellt eine Analyse der gegenwärtigen globalen Mediensituation dar, in welcher der Eindruck einer weltumfassenden Manipulation durch die Medien erweckt wird. Der zweite Teil (Ivanović 1996a-c) ist eine kommentierte Zusammenfassung von Handkes Winterlicher Reise, wobei hier bereits die Abschnittsüberschriften41 den Fokus ganz klar auf die medienkritischen Aspekte des Texts legen. Der dritte Teil (Ivanović 1996d-g)42 behandelt die entbrannte Kontroverse und fasst Beiträge europäischer, amerikanischer und serbischer Kritiker zusammen. Im vierten Teil (Ivanović 1996h-i) wiederum werden die Beiträge von Peter Brock, Klaus Bittermann und Wolfgang Pohrt näher behandelt, welche allesamt die Rolle der Medien in Bezug auf den Zerfall Jugoslawiens kritisieren und teils auch versuchen, Deutschland als faschistisches Land darzustellen. Der fünfte Teil (Ivanović 1996j-k) stellt ein Interview dar, das Handke dem österreichischen Nachrichtenmagazin profil gegeben hat. Wie bereits erwähnt, ist das Ziel dieser Serie eine Verschwörung der Medien offenzulegen, wobei nicht klar ist, wer hinter einer solchen Verschwörung steckt bzw. wer eigentlich wen beeinflusst. So beschreibt Ivanović in seinem ersten Beitrag ausgehend von einem Artikel aus der Zeit, welcher sich kritisch mit dem Medienreich Rupert Murdochs auseinandersetzt, die gegenwärtige Situation der Medien folgendermaßen: Nad kontinente cele zemljine kugle nadvio se medijski Moloh. Sama javnost postaje roba – ističe 'Cajt' u osvrtu na Merdokovo 'medijsko carstvo' koje sada obuhvata sve kontinente i okružuje celu planetu. Merdok izrasta u simbol medijske katastrofe, teže i opasnije od samog Černobila. Celo čovečanstvo je uhvaćeno u jednu jedinu satelitsku mrežu. Tako zapravo treba da izgleda taj 'vrli novi svet', svet u kome život zagađuje nekontrolisana, transnacionalna, manipulisana informacija čije zagađenje postaje opasnije od atomskog. (Ivanović 1996: 16)

Beim Artikel, aus dem Ivanović hier zitiert, handelt es sich um den Beitrag „Die Welt im Netz des Rupert Murdoch“ von Reiner Luyken (1994), wobei beim Vergleich mit dem Original festzustellen ist, dass, abgesehen davon, dass nicht eindeutig ersichtlich ist, wo das Zitat endet und wo Ivanovićs

41 „Obmana kompjuterskih TV gledalaca“, „Mučeničke poze za strance“, „Medijska obmana“, „Poštena Evropa dovedena u pitanje“, „'Opšta svetska zavera novinara'“, einzig „Tuga za izgubljenom domovinom“ fällt aus diesem Schema heraus. 42 Der Beitrag vom 17.5. fehlt in den Beständen der Serbischen Nationalbibliothek. 88

Argumentation beginnt, der Umgang mit den Zitaten eine ganz bestimmte Funktion erfüllt. Ein Umstand, der in dieser Serie immer wieder zu beobachten ist. So lässt sich etwa die Feststellung, dass Rupert Murdoch zum Symbol einer medialen Katastrophe erwächst im gesamten Artikel nirgends finden, vielmehr wird festgestellt, dass Wapping, der Sitz der bedeutenden britischen Zeitungen in Murdochs Besitz, das „Symbol der neuen Medienwelt“ (Luyken 1994) darstellt, welche sich Murdoch geschaffen hat. Dementsprechend weist Luyken in der Folge auch nur auf die Richtung hin, in welche sich die Medienlandschaft entwickelt, wenn er sagt, dass [h]ier, in Wapping, […] seine [Murdochs] handverlesene Schar von Statt- und Steigbügelhaltern vor[führt], wie die neue Welt aussehen wird. Eine Welt, in der unkontrollierte, transnationale Medienmacht wie der Niederschlag des explodierten Atommeilers in der Ukraine das Leben kontaminiert. (Ebd.)

Während in Ivanovićs Darstellung also Murdoch das Symbol einer bereits eingetretenen Katastrophe in der Medienwelt ist, weist Luyken auf die mehr als problematische Entwicklung der Medienlandschaft hin. Von dieser Veränderung der Perspektive ausgehend erhalten auch die weiteren Zitate aus Luykens Artikel eine völlig andere Bedeutung und beziehen sich plötzlich nicht mehr nur auf Murdochs Medienimperium sondern auf die Arbeitsweise aller Medien in der Welt. So bezieht sich Luyken etwa ganz konkret auf die Vorgehensweise des Chefredakteurs der Sunday Times, wenn er sagt: Reporter schildern nicht die Realität, wie sie sich ihnen darstellt, sondern werden mit einer von Neil abgesegneten 'Schreibanleitung' ausgestattet. Da steht vorab, vom Einstieg in die Geschichte bis zum Schluß, alles drin, was der Reporter zu berichten hat. Die Honorare, mit denen derartiger Kloakenjournalismus vergolten wird, sind großzügig. (Ebd.)

Ivanović erweckt dagegen den Eindruck, als handle es sich hierbei um eine Vorgehensweise, die in der Medienlandschaft allgemein Usus ist: Mediji se pretvaraju u informativnu samouslugu, novinari ne opisuju stvarnost kakvu vide, već unapred dobijaju smernice u kojima je od početka do kraja utvrđeno sve što novinar treba da izvesti. Honorari kojima se takvo kanalizacijsko novinarstvo pozlaćuje veoma su visoki. (Ivanović 1996: 16)

In der Folge zitiert Ivanović dann George Kennan43, welcher meint, dass es die Medien sind, welche den Politikern vorschreiben, was sie zu tun haben, woraus Ivanović dann am Ende seiner Analyse schließt: Mediji su postali ti koji stvaraju potrebu za upotrebu oružja. Ovakvo novinarstvo postaje zanimanje bez morala i od njega i ne treba očekivati nešto drugo do satanizaciju određene strane u ratnom sukobu, one koja ne odgovara političkim, ekonomskim i drugim interesima svetskih moćnika. (Ebd.)

Hier sind es also ganz eindeutig die Medien, welche im Interesse ihrer Auftraggeber, die dabei nicht näher benannt werden (sieht man von Rupert Murdoch ab), die Regierungen einzelner Staaten dazu

43 George F. Kennan war ein US-amerikanischer Historiker und Diplomat, der von Mai 1961 bis Juli 1963 Botschafter in Belgrad war (vgl. wikipedia zu George Kennan). 89 bringen, gemäß den politischen, wirtschaftlichen und übrigen Interessen der Mächtigen der Welt in Konflikte einzugreifen. Genau umgekehrt schildert Ivanović die Situation in einem späteren Beitrag der Serie, in welchem er erst einen nicht namentlich genannten amerikanischen Journalisten zitiert, welcher in Bezug auf Meldungen von Verbrechen von Seiten der Muslime im Bosnien-Krieg feststellt: „Urednici nisu želeli da veruju u takve izveštaje – priznaje jedan američki novinar dodajući da je očigledno da su urednici manipulisali novinarima, ali sada se otkriva da su urednicima manipulisali i političari.“ (Ivanović 1996h: 16) Hierbei ist nicht klar, ob eben jener zweite Teil der Parataxe ein Einschub Ivanovićs oder weiter Teil des Zitats ist. Unabhängig davon entsteht hier aber eher der Eindruck einer Befehlskette, welche von den Politikern selbst auszugehen scheint. Auf jeden Fall erklärt Ivanović im selben Artikel die Textauswahl Klaus Bittermanns für sein Buch Serbien muss sterbien folgendermaßen: „Smisao izbora tekstova za svoju knjigu Biterman vidi u nastojanju da pokaže da je nemačka politika preko medija presudno uticala na rasturanje bivše Jugoslavije.“ (Ebd.) So wird in diesem Artikel auf jeden Fall im Gegensatz zum ersten der Eindruck erweckt, als wäre die deutsche Politik darum bemüht gewesen, die Medien in ihrem Sinne zu beeinflussen und nicht umgekehrt. Auch im darauffolgenden Beitrag wird der Eindruck erweckt, als wären die deutschen Medien im Dienste der deutschen Politik gestanden, wobei das Interesse Deutschlands (und Österreichs) darin gesehen wird, neue Wirtschaftsgebiete zu erobern. Die starke deutsche Mark zwang demnach die übrigen Länder Europas dazu, den deutschen Kurs mitzugehen: „Evropa je sve više živela u znaku nemačkog vođstva, pod sve većim nemačkim diktatom. Nemci će pod Kolom ostvariti, zahvaljujući nemačkoj marki, ono što nisu mogli tenkovima i avionima.“ (Ivanović 1996i: 19) Eben durch den in diesem Zitat aufs Neue anklingenden Vergleich mit Nazi-Deutschland bzw. durch die damit unterstellte Kontinuität werden die Ereignisse wiederum auf ein vereinfachendes Täter-Opfer- Schema reduziert, welches es ermöglicht, jegliche Schuld an den Ereignissen von sich zu weisen und sich selbst erneut als Opfer des Faschismus darzustellen. Dass die Medien während des Zerfalls Jugoslawiens und insbesondere während des Krieges in Bosnien die entscheidende Rolle gespielt haben und so zu einer Kriegspartei wurden, kommt auch in einigen anderen Beiträgen mehr oder weniger explizit zum Ausdruck. So ist bereits im Beitrag von Ž.I. (anzunehmen ist, dass es sich hierbei wiederum um Života Ivanović handelt) in Intervju zu lesen: Ni Orfulusu, ni mnogim drugim njegovim kolegama, novinarima, fotoreporterima, kao, uostalom, ni diplomatama i političarima, još kao da nije jasno da je medijski rat bio suština rata na bosanskom ratištu i da su Srbi doživeli poraz upravo zahvaljujući tome što su izgubili medijski rat. Nemački listovi i nemačko javno mnjenje izgleda ne može da prihvati istinu da je medijski rat protiv Srba upravo pokrenut u samoj Nemačkoj, da su ga pokrenuli novinari tipa Georga Rajsmilera, Viktora Majera, Karla Gustava Štrema, Hansa Petera Rulmana koji su zapravo i stvorili satansku sliku Srba u nemačkim medijima, odakle je ona prešla u druge svetske medije. (I. 90

1996: 55)

Dasselbe Zitat findet sich ebenso in Duga im Artikel „Oluja u medijskoj pustinji“ (Anonym 1996g: 70-71), welcher jenem von I. (1996: 54-55) stark ähnelt, in dieser Zeitung jedoch ohne Autor, dafür aber als Übersetzung von Ivana Ivanović ausgewiesen ist (gemeint ist hierbei wohl, dass sie für die Übersetzungen der Zitate aus den deutschen Kritiken verantwortlich zeichnet). Ebenso im Zusammenhang mit der Vorstellung von einem Medienkrieg zu sehen, ist folgendes Zitat aus Milorad Pavićs viel zitiertem Beitrag (erstmals veröffentlicht in Vreme, 24.2.1996): Da bi se razumela situacija na Balkanu danas, treba imati na umu jednostavnu činjenicu – za razliku od Hrvata i Muslimana, Srbi nemaju nikakvu međunarodnu finansijsku ni religioznu podršku, a to znači ni medijsku. To je izazvalo jedan specifičan jezički efekat, koji je gotovo bez presedana. Ma kakva bila istina o Srbima, jezik kojim se danas o njima u svetu govori i piše postao je lažan. Veštački, mehanički jezik koji ne ocrtava jedan živi fenomen, nego daje policijsku sliku- robota. (Pavić 1996: 39)

An diesem Zitat ist insbesondere interessant, dass hier eine Art 'Alle-sind-gleich-schuld-These' anklingt, wie sie auch in anderen Beiträgen zum Ausdruck kommt. So wird etwa des Öfteren hervorgehoben, dass Handke die Serben nicht von jeglicher Schuld frei sprechen möchte, sondern stattdessen eben nur 'Gerechtigkeit für die Serben' fordert (etwa I. 1996: 55; Anonym 1996g: 71). Indem aber die Serben in diesem Zitat ganz eindeutig als schutzlos der Weltöffentlichkeit ausgeliefert dargestellt werden, während ebendiese die anderen Kriegsparteien protegiert, erscheinen die Serben wiederum als die eigentlichen Opfer. Eine solche Interpretation wird dann noch verstärkt nahegelegt, wenn Pavić, wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt, Handke in die Reihe weiterer Größen stellt, die sich für die Wahrheit über das serbische Volk eingesetzt haben und so den Eindruck erweckt, als wäre das serbische Volk seit jeher das Opfer fremder Mächte. Dementsprechend fällt etwa in der Zusammenfassung von Pavićs Rede in der Tanjug-Meldung „Pisma za trajanje“, die Relativierung „Ma kakva bila istina o Srbima“ ganz unter den Tisch und es ist nur mehr von einem Medienkrieg gegen das serbische Volk die Rede: [R]ekao je da je on [Handke] „u trenutku rasplamsanog medijskog rata protiv Srba shvatio da je jezik kojim se o njima govori i piše postao lažni jezik, te poput Getea, Grima, Igoa i Tolstoja, nekada, na osnovu ličnih utisaka progovorio o Srbima“. (Tanjug 1996c: 8)

Expliziter wird diese These in Ljubomir Tadićs Vorwort zu Handke i njegovi kritičari (Ivanović 1996l) ausgesprochen, in dem eingangs festgestellt wird, dass „moćne vlade i (njihovi) moćni elektronski i drugi mediji na evropskom Zapadu i u SAD, uz pristanak zvanićne, klonule Rusije“ (Tadić 1996: 3) ihre Sicht der Dinge als einzige Wahrheit durchgesetzt haben, nämlich, dass es sich während des Zerfalls Jugoslawiens nicht um einen Bürgerkrieg, sondern um serbische Aggression gehandelt hat. Dass die westlichen Staaten die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens anerkannt

91 haben, wird in der Folge als „dalekosežna i zločinačka strategija razbijanja Jugoslavije“ (ebd.: 4) charakterisiert. Die Wahrheit ist laut Tadić aber, dass ein Bürgerkrieg im Gang war, was auch Handke erkannte, der damit zum Kern des Problems vorgedrungen ist, nämlich „da u građanskom ratu nema agresora.“ (Ebd.: 6) Dass die Serben aber als die Aggressoren bezeichnet werden, macht sie wiederum zu den eigentlichen Opfern. Stefanović erachtet in seinem zweiten Beitrag in Duga (25.5.1996) den Medienkrieg als das Wesen des vergangenen Krieges schlechthin, wobei in diesem vor allem die Darstellung des Verhaltens Peter Handkes zusätzlich interessant ist: - Ti si četnik!? - rekao mi je (upitao) Peter Handke […]. Pronicljivo me je odmerio i s neskrivenim radošću i radoznalošću izrekao opisno oduševljenje, kao da je konačno sreo taj egzemplar Srbina, kao dinaroidnog specifikuma. Žarko Radaković uzalud lista preterane epitete o mojem mestu u (beščašćenom) srpskom novinarstvu i rečenicama koje sam napisao o Handkeu, ali se i Handkeu, pa i označenoj malenkosti, dopalo da u prvom rukovanju konzumiramo ovaj lutajući pojam, koji više ne znači ništa, posle jednog rata u kojem su svi pojmovi izraubovani i značenja im izmenjana kao jaja pod ciganskim šeširom. (Stefanović 1996a: 8; Hervorhebung im Original)

Hier kommt zum Ausdruck, dass während des Krieges ein begriffliches Chaos entstanden ist, wodurch indirekt gesagt wird, dass die Sprache nicht mehr als Orientierungshilfe dient, sondern zu einem Mittel zur Manipulation geworden ist. Dementsprechend gibt es auch nur eine Möglichkeit mit einer solchen Sprache umzugehen, nämlich, sich über sie lustig zu machen: (Kasnije će na tribini govoriti da je on u srpskom jeziku Po-četnik, a ja nisam mogao da suzdržim, a da se ne nasmejem, što je Handke primetio pa je i njemu bilo smešno, jer se doista ništa drugo ne može uraditi sa ovom pojmovnom i logičnom zavrzlamom od medijskog rata unutar Srbije i protiv Srbije. Izuzev izvrtati sve na glavu i terati lekovitu šegu.) (ebd.)

Dass Deutschland oder 'der Westen' schlechthin über die Medien die Serben bekriegt haben, klingt auch in vielen anderen Beiträgen an, was den Schluss nahelegt, dass die Darstellung der Kontroverse um Peter Handke auf Basis der Auffassung erfolgte, dass eine Verschwörung im Gange sei, deren Opfer die Serben sind. Eine kurze Zusammenschau von Äußerungen, welche allesamt diesem Bild einer medialen Verschwörung gegen Serbien zuordenbar sind, sollen diesen Eindruck untermauern: So wird die öffentliche Meinung Deutschlands als „indoktrinirano“ (I. 1996: 54) oder die meisten Massaker in Bosnien als „inscenirani“ (Anonym 1996g: 71) charakterisiert. Die im Westen herrschende öffentliche Meinung wird auch als „javna laž“ (D. 1996: 26) oder „korisna laž“ (Avramović 1996: 4), welche von einer „stranka mržnje“ (ebd.) lanciert wurde und in einer „hajci na pojam srpstva“ (ebd.) kulminierte, charakterisiert. Es sei eine „anti-srpsk[a] kampanj[a]“ (Anonym 1996b: 7), eine „kampanja protiv 'prljavih negativaca'“ (Rastegorac 1996: 2) oder auch „informativn[a] blokad[a]“ (Ostojić 1996a: 8) bzw. „medijska blokada“ (Ostojić 1996: 6) in der Welt im Gange, wobei z.B. auch von einem „moru kleveta i napada“ (ebd.) die Rede ist. Ebenso wie, dass die Medien die 92

Serben „demonizovali“ (Jeličić 1996: 48) und eine „satansku sliku Srba“ (Anonym 1996g: 71) geschaffen haben bzw. Handke „protiv medijskog linča Srba“ (Stojanović 1996: 20) die Stimme erhoben hat. Die Vorstellung einer Geschlossenheit der Medien kommt zudem in einigen Beiträgen dadurch zum Ausdruck, dass diese als „antički hor“ (M. 1996: 42) bezeichnet werden, die vermeintliche Einhelligkeit der öffentlichen Meinung im Westen wird wiederum zu einem „nametnutom […] horskom pevanju“ (Jovanović-Lazić 1996: 14). Kroaten und Muslime werden als 'Schützlinge Deutschlands' dargestellt (Anonym 1996a: 8; Tanjug 1996: 2). Dass Handke trotz einer solchen feindlichen Haltung der Medien gegenüber Serbien seinen Text in eben solch einem Medium veröffentlichen konnte und sich die Kontroverse gerade in Deutschland abspielt, das in den Beiträgen als federführend in der antiserbischen Kampagne dargestellt wird, stellt dabei nicht die dominierende Darstellung des antiserbischen Klimas im Westen in Frage. Stattdessen wird es als Beweis dafür gesehen, dass mit dem Friedensschluss auch die Medien langsam die Waffen niederlegen. So fragt etwa Radmila Stanković Peter Handke: „A da li je ranije bilo uslova da se ona [Winterliche Reise] štampa – pitamo Handkea.“ (Stanković 1996: 28) Als dieser antwortet, dass es möglich gewesen wäre, er aber zu faul gewesen sei, beharrt sie dann aber auf ihrer Sichtweise: „Ali, čak i da ste bili vredni kao Švaba, takva knjiga pre dve godine teško da bi ugledala svetlost dana kod bilo kog inostranog izdavača – upozoravamo ga.“ (Ebd.) Woraufhin Handke dann einlenkt und meint, dass sie damit vielleicht doch Recht hat. Dass die Schuldfrage auf Basis der Sichtweise einer Verschwörung gegen Serbien auf eine einfache Alternative reduziert wurde, soll durch folgendes dem der Feuilleton-Serie „Handke je rekao nešto strašno – istinu!“ – eine Zusammenschau aus Beiträgen zur Debatte in den westlichen Medien – vorangestellten Text aus Borba deutlich gemacht werden: „Ko je kriv za rat na Balkanu? Srbi ili Nemci i njihovi štićenici?“ (Anonym 1996n: 1) Ebenfalls direkt auf die Schuldfrage bezieht sich Zoran Avramović, der hervorhebt, dass den Serben völlig zu Unrecht die Rolle des Aggressors zugeschoben wurde: Ustalasala se, naročito ona intelektualna javnost Zapadne Evrope koja je nosila barjak mržnje prema svemu što je srpsko. Novinarska pera, televizijski izveštači, naučnici, francuski filozofski i umetnici, biznismeni, 'javnost', a osobito vladajući političari sveta, sve su učinili da dokažu svoju istinu o Srbiji agresorima i onim drugim – žrtvama. […] Oni koji su vojnom silom isterani sa svog vekovnog prostora, postadoše agresori!! (Avramović 1996: 4)

Wie wurde nun aber die Kontroverse um Handkes Text in den westlichen Medien vonseiten des Großteils der Beiträge dargestellt? Dieser Frage soll in der Folge nachgegangen werden.

93

2.2.1.3 Die Darstellung der im Westen geführten Handke-Kontroverse Wie bereits im Zusammenhang der Beschreibung des Korpus erwähnt, steht in der Berichterstattung zur Handke-Kontroverse in serbischen Medien neben Handkes erneutem Besuch in Belgrad die im Westen geführte Debatte im Vordergrund, womit einhergeht, dass in erster Linie die medienkritischen Aspekte der Winterlichen Reise für die analysierten Beiträge relevant waren. Die Reisebeschreibungen dienen dementsprechend nur als Beweis für die Medienkritik und sind dieser untergeordnet. Letztere wird dabei einhellig als Aufdeckung eben jener Verschwörung gegen Serbien gelesen, welche, wie zuvor beschrieben, nach weitverbreiteter Ansicht im Gange ist und welche die Serben völlig zu Unrecht und zur Verwirklichung der in erster Linie wirtschaftlichen Interessen des 'Westens' oder Deutschlands an den Pranger stellt. Ziel ist es demnach, Serbien dem Westen einzuverleiben und damit seiner Identität zu berauben, wogegen Handke nun die Stimme erhoben hat. So schreibt etwa Nebojša Ćurčić in Politika, Handke habe „naneo udarac integralnoj, globalnoj, mastrihskoj Srbiji bez granica, bez teritorija, bez ičega.“ (Ćurčić 1996: 21) Vor allem angesichts der Tatsache, dass einige der Reaktionen auf Handkes Text sehr polemisch und teils auch untergriffig gehalten waren (was angesichts Handkes polemischer Unterstellungen auch nicht weiter verwunderlich ist), ist festzustellen, dass eine solche Einbettung der Handke- Kontroverse in den größeren Rahmen einer Verschwörung gegen die Serben nicht allzu schwer fiel. So werden vor allem zu Beginn in den Darstellungen der Kontroverse im Westen bevorzugt die Beiträge jener Autoren eingehend behandelt, die sich besonders polemisch zu Wort gemeldet haben (v.a. Peter Schneider, Marcel Ophuls, Gustav Seibt und Wolfram Schütte), während objektivere Beiträge meist in einem Satz abgehandelt werden. Eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Kritiker findet dabei so gut wie nicht statt. Zwar werden kritische Einwände ausführlich wiedergegeben, jedoch wird im selben Atemzug mithilfe kommentierender Einschübe klargemacht, was von solcher Kritik zu halten ist. So schreibt etwa Miroslav Stojanović im ersten Beitrag zur Handke-Kontroverse in Politika: „Prvi je Handkea uzeo u nišan njegov kolega Peter Šnajder […], optužujući Handkea da 'žrtve rata', a za Šnajdera su to isključivo muslimani, gleda rezonom i očima 'njihovih okupatora'.“ (Stojanović 1996: 20) Bei der Zusammenfassung des Beitrags von Slobodan Šnajder wiederum, erscheint bereits durch die am Beginn stehende Anmerkung, dass Šnajder „trenutno živi u Nemačkoj“ (ebd.), dessen Kritik in einem ganz bestimmten Licht, nämlich als ebenso von der westlichen Verschwörung gegen Serbien beeinflusst. So nimmt Šnajder dann auch „zdravo za gotovo i ono čega više ne žele da se sećaju ni oni koji su to pakleno 'otkriće' lansirali – postoji, kaže Šnajder, pedeset hiljada silovanih žena, u najvećem broju od strane srpskih vojnika.“ (Ebd.) Dass Slobodan Šnajder schon allein deshalb nicht weiter zu kommentieren ist, weil er in Deutschland lebt, hat auch Handke selbst bei seinem erneuten Besuch in Belgrad festgestellt: „A on to radi zbog toga što živi od nemačkih para i za njega je to prilika da lepo živi.“ (Dimitrijević 1996: 94

42) Diesen Vorwurf, dass die Kritik an seinem Text durch persönliche Interessen motiviert ist, weitet er dann auch auf die anderen Schriftsteller aus dem ehemaligen Jugoslawien aus, die in Deutschland oder den USA leben und sich kritisch geäußert haben: „Nemačke i američke novine više ne moraju da jure i kupuju pisce kao što su Slobodan Šnajder, Bora Ćosić, Čarls Simić – oni se sami nude za prodaju.“ (Ebd.) Dass Kritik an Handkes Text immer von Personen kommt, die sich zumindest haben blenden lassen, weshalb deren Kritik auch nicht weiter diskussionswürdig ist, kommt auch in anderen Beiträgen zum Ausdruck, welche die insbesondere in Deutschland geführte Kontroverse zusammenfassen. So wertet Ž.I., nachdem er die öffentliche Meinung in Deutschland an sich als „indoktrinirano“ (I. 1996: 54) charakterisiert hat, bei der Besprechung von Peter Schneiders Reaktion dessen Argumente als als „navodni argument“ (ebd.: 55) oder „još jedan briljantni argument“ (ebd.) ab, um letztendlich die gesamte Kritik Schneiders zu entwerten, indem er ihn als „tipičan predstavnik nemačke nacije“ (ebd.: 55) abstempelt. Ebenso verfährt er mit Thomas Schmidt, dessen Kritik, Handke versuche die Schuldfrage neu zu stellen, er als „[p]otpuno u skladu sa opštevažećim nemačkim stavom“ (ebd.) charakterisiert. Ähnlich verfährt Mirjana Jovanović-Lazić in Književne novine, welche nach der nicht weiter kommentierten Zusammenfassung des Beitrags von Gustav Seibt mit den Worten „[n]i drugi prozvani književnik […] Peter Šnajder […] nema argumentaciju“ (Jovanović-Lazić 1996: 14) auf die Zusammenfassung des Beitrags von Peter Schneider überleitet. Auch auf dessen Kritikpunkte wird in der Folge keine Antwort gegeben. In anderen Beiträgen wiederum wird Kritik an Handkes Text von anderen, wenn man so will, außerliterarischen Interessen geleitet dargestellt. So stellt etwa Žarko Radaković fest, dass sich bisher vorwiegend Journalisten zu diesem Text „u kome je na književan način zatraženo [...] preispitivanje uloge medija u raspadu bivše Jugoslavije“ (Radaković 1996a: 36) geäußert haben, womit angedeutet wird, dass hier Personen diskutieren, die gar nicht über die Kompetenz verfügen, den Text zu beurteilen. Jene wenigen Schriftsteller dagegen, die sich ebenfalls zu Wort gemeldet haben, „uglavnom 'slobodno', interpretiraju 'atomizovane' delove teksta, nego govore 'mimo njega' – verovatno prema svojim interesima – dakle, prema tekstu subjektivno, evidentno 'daleko od teksta'“ (ebd.: 37). Diesen Vorwurf, dass Kritik an Handkes Text einer fragmentarischen und falschen Art zu Lesen entspringe, wiederholte Radaković auch bei der Buchpräsentation zu Pesma za trajanje, wo er feststellte, dass diese Fragmentarisierung „najčešće biva u funkciji lažnog istoriografisanja i medijskih manipulisanja.“ (Stanić 1996: 14) Dass Kritik an Handkes Text im Dienste fremder Interessen steht und nicht ehrlicher Entrüstung entspringt, kommt auch im Beitrag von M. Jakšić in Politika zu Handkes Lesung in Ljubljana zum Ausdruck. Hier werden aus anderen Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien gekommene Gäste, 95 welche in der Folge die Lesung störten, als 'bezahlte Provokateure' bezeichnet: Kako saznajemo iz pouzdanih slovenačkih izvora, provokatori mahom nisu bili Slovenci nego su došli iz drugih republika prethodne Jugoslavije, a zadatak im je da putuju na ovakve diskusije i pokušaju utiske sa njih da kanališu pravcem koji poslodavac traži od njih, tako da su se na rubnim delovima njihovog angažmana događale i neke tragikomične situacije. (Jakšić 1996: 7)

Dass diese nicht ihre eigene Meinung äußerten, sondern im Interesse ihres Auftraggebers sprachen, zeigte sich nach Ansicht Jakićs daran, dass pojedinci su se čak povremeno i smejali svojim često ponavljanim primedbama, pošto im baš i nisu zvučale kao nekakva spontano izražena emocionalna ekspresija, nego daleko više kao napamet naučene, dobro profilisane smetnje na vezama između autora knjige i publike. (Ebd.)

Insbesondere zu Beginn der Berichterstattung ist dementsprechend auch des Öfteren die Aussage zu finden, dass eine Kampagne gegen Handke in Gange sei, etwa in allen dreien auf eine Tanjug- Meldung zurückgehenden Beiträgen anlässlich der Absage der geplanten Lesung in Berlin. So ist in der Version in Dnevni telegraf zu lesen, dass „Nemačka vodi kapanju protiv austrijskog pisca“ (Anonym 1996: 2), wobei aus dieser Version eindeutig hervorgeht, dass Handke selbst aufgrund der heftigen Reaktionen seine Lesung abgesagt hat. In der Version in Jedinstvo erscheint dies nicht mehr so eindeutig, so ist bereits über dem Titel „Otkazan susret sa publikom“ (Tanjug 1996: 2) zu lesen: „Pojačava se kampanja protiv Handkea zbog teksta o Srbiji“ (ebd.). Dadurch wird eben nahegelegt, dass nicht Handke, sondern jemand anders die Lesung abgesagt hat. Im Text selbst wurde Handke dann „prinuđen da otkaže prvi u nizu susreta sa publikom“ (ebd.). In der Version in Borba („Against book on Serbia“) wird vollends der Anschein erweckt, als handle es sich bei der Absage um Zensur: „A media campaign in Germany against writer Peter Handke […] intensified Sunday by the cancellation of a conference he was to give on February 15 in Berlin.“ (Anonym 1996a: 8) Die Spezifizierung, dass Handke selbst die Lesung abgesagt hat (ob aus freien Stücken oder nicht), kommt in diesem Beitrag nicht mehr vor. In ähnlicher Weise ist in Politika bei Nebojša Ćurčić zu lesen: „Srećom, intelektualna Evropa je uočila grehe mladog Handkea. Njegovo književno veče u Berlinu, na kome je trebalo da čita odlomke iz prokazanog eseja 'Pravda za Srbe' otkazano je.“ (Ćurčić 1996: 21) Mirjana Bobić-Mojsilović stellt den, gelinde gesagt, gewagten Vergleich mit Salman Rushdie an: „Izgleda da je samo naslov, koji odudara od orkestrirane propagande protiv Srbije, bio dovoljan da se na pisca baci anatema, slična onoj odapetoj streli koju je iranski ajatolah Homeini odapeo u pravcu Salmana Ruždija i njegovih 'Satanskih stihova'.“ (Bobić-Mojsilović 1996: 21) Hier erwächst die Kontroverse um Handkes Text also zu einer medialen Fatwa gegen den Schriftsteller. Die Auffassung, dass Handke, wie zuvor die Serben, zum Opfer der Medien geworden ist, kommt auch in anderen Beiträgen zum Ausdruck, wobei hier immer wieder Formulierungen im Zusammenhang mit Krieg oder Gewalt aufscheinen, welche den Eindruck erwecken, als wäre nun 96

Handke wie zuvor die Serben zur Zielscheibe der kriegsführenden Medien geworden. So meint Miroslav Stojanović in seinem Beitrag „Handkeov 'srpski greh'“ in Politika, welcher bezeich- nenderweise unter dem Motto „Intelektualci i medijsko nasilje“ (Stojanović 1996: 20) steht, dass als erster Peter Schneider „Handkea uzeo na nišan“ (ebd.). Radakovićs zweiter Beitrag im NIN ist mit „Na meti“ (Radaković 1996a: 36) betitelt und in der Folge die Formulierung zu finden, dass der Eindruck entsteht, „da se vodi rat između pisca i žurnalista.“ (Ebd.) In der bereits zitierten Tanjug- Meldung (Tanjug 1996: 2) ist dann auch von „[l]ovcima na Handkea“ die Rede und im Beitrag von S. Ostojić wird Petar Sarić zitiert, der meint, dass die Debatte um Handke „je preraslo u pravu hajku na Handkea jer je smogao snage da progovori istinu o Srbiji i srpskom narodu.“ (Ostojić 1996: 6) Mehrmals ist etwa auch die Formulierung zu finden, dass Handkes beide Serbien-Texte oder er selbst „dočekan na nož“ (etwa Pašić 1996: 7; Žarić 1996: 9; Radaković 1996c: 39) wurden. Im Tekst von Žarić ist zudem die Formulierung zu finden, dass schon allein der Umstand, dass Handke nach Serbien gereist ist, „smetalo velikim 'proizvođačima' svetskog javnog mnjenja pa krenuše, na Handkea, iz svih, 'oruđa i oružja'.“ (Žarić 1996: 9) Im selben Zusammenhang ist auch die bereits behandelte, immer wieder zu findende Formulierung zu sehen, dass allein der Titel 'Gerechtigkeit für Serbien' genügt, um auf den Schriftsteller loszugehen. Wie sich also zeigt, wurde in den Beiträgen immer wieder der Eindruck einer einhelligen und äußerst heftigen Verurteilung Peter Handkes erweckt, wobei vereinzelt doch auch zu lesen ist, dass die Reaktionen so heftig nicht sind. Života Ivanović etwa scheint in einem Beitrag seiner bereits diskutierten Serie eher der Ansicht, es hielten sich objektive und polemische Beiträge die Waage: „Pored objektivnih priloga sa ozbiljnim stavom prema tekstu pojavljivali su se i takvi čiji su autori protivrečili rečenicama koje Peter Handke uopšte nije napisao.“ (Ivanović 1996c: 19) Im darauffolgenden Beitrag dagegen stellt Ivanović nach der Zusammenfassung der Beiträge von Peter Schneider und Gustav Seibt, welche zu den polemischsten der in Deutschland geführten Debatte zählen, fest: „U tom smislu kretaće se skoro sve kritike Handkea u nemačkim listovima pošto je jasno da je Handke zapravo svojim pozivom na pravičnost prema Srbima dirnuo u samo osinje gnezdo.“ (Ivanović 1996d: 15) Die Auffassung, die als Hetze gegen Handke dargestellte Kontroverse beweise, dass dieser mit seinen medienkritischen Aussagen ins Schwarze getroffen hat, kommt auch in anderen Beiträgen zum Ausdruck. So wird in der Tanjug-Meldung vom 11.6.1996 (Tanjug 1996i: 8; Tanjug 1996j: 15) etwa die Meinung vertreten, Handke habe, da er versucht hat, Licht in die Verhältnisse zu bringen, die Wut der führenden westeuropäischen Zeitungen auf sich gezogen: „Handke je hteo da dočara sadašnju stvarnost na našim prostorima. Baš to je izazvalo bes vodećeg dela zapadno-evropske štampe.“ (Ebd.; ebd.) Ebenso meint etwa, wie bereits zitiert, Mirjana Jovanović-Lazić, dass die Einhelligkeit der Reaktionen eindeutig zeige, dass Handke mit seinen Aussagen „je začeprkao 97 nekakvu rak-ranu“ (Jovanović-Lazić 1996: 14) und eben damit zu erklären sei, dass man sich nur ungern von eingeübten Denkstrukturen löst (vgl. ebd.). Gleich argumentiert Čedomir Mirković in Politika, der sich fragt, wie ein so vielschichtiges und nur teils politisches Buch solch einen Schock in der Öffentlichkeit auslösen konnte. Er meint, dass, wenn man sich auf die Funktionsweise der öffentlichen Meinung einlässt, onda bi se moglo reći da je pojednostavljena slika koja se ustoličila o dramatičnim događajima na Balkanu, i o Srbima kao jedinim krivcima, izazvala i nešto nalik na neurotizovanost, na psihološku nelagodnost (kojoj je, po logici stvari, svojstvena podsvesna sumnja u verodostojnost široko rasprostranjenih, 'činjenica'). Poziv na buđenje i otrežnjenje mora da izazove , panični i tvrdoglav, bar u početnoj fazi. (Mirković 1996: 22)

Dass dieser Weckruf auch als „otrežnjenje“ (ebd.) bezeichnet wird, lässt wiederum die Assoziation mit den einem Blutrausch verfallenen Medien zu. Wie sehr es gelungen ist, die unter Anführungs- zeichen gesetzten Tatsachen im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern, wird zusätzlich noch durch die Betonung, dass die Kontroverse um einen belletristischen Text entstanden ist, hervorgehoben: „A uzbuđenje i panika dolaze, evo, od dejstva prevashodno beletrističkog dela.“ (Ebd.) Hier werden die politischen Aspekte des Textes also heruntergespielt, um die Aufregung um selbigen noch grundloser erscheinen zu lassen. Ähnlich äußert er sich auch im Artikel „Polemika o pravdi za Srbiju“ von D.M. ebenfalls in Politika: „Burne reakcije, po njegovom mišljenju, jedan su od dokaza moralne osetljivosti evrop- skog mnenja, uprkos svemu, uprkos amneziji koja je vladala.“ (D. 1996: 26) Hier löst Handke, der, wie dargestellt, mitunter auch als Gewissen Europas charakterisiert wurde, Gewissensbisse in der Öffentlichkeit aus, was die Möglichkeit eröffnet, dass Europa vielleicht doch noch zur Vernunft kommt, wobei in der Folge Ljubomir Tadić zitiert wird, der solche Hoffnungen dämpft, denn „javna laž koja vlada svetom ogromna [je] i očigledno je da joj se neće suprotstaviti javna istina nego – pojedinci kakav je Handke.“ (Ebd.) In seinem Vorwort zu Handke i njegovi kritičari ist er dagegen überzeugt, dass sich die Wahrheit durchsetzen wird. So zeigen Handkes und andere Beispiele, „da se iskrivljenoj slici jugoslovenske stvarnosti približava kraj. On neće nastupiti tako brzo, ali – uvereni smo – neizbežan je.“ (Tadić 1996: 7) Dass Handkes Text Gewissensbisse auslöst, meinte bereits zuvor Milena Marjanović in ihrem Beitrag „Gledanje u oči, pucanje u živac“ in Politika ekspres. Sie stellt fest, dass Handkes Text „probudio je savest nekih, izazvao grižu savesti drugih.“ (Marjanović 1996a: 7) und etwas später fragt sie dann: „Da li je Handke u putopisu učinio nešto nedopustivo rekavši istinu koju je video? Za mnoge […] jeste.“ (Ebd.) Durch die Einordnung als 'Reisebericht', welche die literarischen Aspekte des Textes über die politischen stellt, erscheint die darauffolgende Aufzählung dessen, was Handke alles vorgeworfen wird, als absurd und damit als Beweis für die vermeintliche Verschwörung. Das darauffolgende Zitat aus der Frankfurter Zeitung Novo wird dann auch gleich 98 als Anzeichen gedeutet, dass sich die Verschwörung gegen Serbien ihrem Ende nähert: Čemu toliko buke. Da nije 'svojim esejom pogodio u živac izvesne ljude', pita se frankfurtski list 'Novo'. Nije li to znak da iskrivljena medijska slika o ratu u bivšoj Jugoslaviji neće još dugo da se održi!!! Ima li dovoljno intelektualaca u Evropi poput Handkea, Žaka Merlinoa, Žerarda Bodsona, Emira Kusturice koje laž proganja? (Ebd.)

Sowohl bei Lubomir Tadić als auch bei Milena Marjanović wird also wieder das Motiv der herausragenden Einzelpersönlichkeiten aktiviert, die grundsätzlich dazu fähig sind, das serbische Volk von seinem Leid zu befreien. Diese Hoffnung, dass mit Handkes Text das Ende der Verschwörung gegen Serbien eingeläutet ist, kommt auch in der Feuilleton-Serie „Handke je rekao nešto užasno – istinu!“ in Borba zum Ausdruck. So ist auf der Titelseite vom 11.6. in der Ankündigung der Serie die Frage zu lesen: „Da li će Evropa tražiti oproštaj od Srba za greške počinjene prema celom narodu?“ (Anonym 1996n: 1) Im dem ersten Teil der Serie vorangestellten Text ist dann zu lesen: Iskrivljenoj slici o jugoslovenskoj stvarnosti se bliži kraj. Pravda i istina su i na ovim prostorima bile u velikom iskušenju. Handke je svojim esejom stao u red dostojanstvenih pisaca koji su ustali protiv 'pravljenja istine' što se, naravno, mnogima u Evropi nije svidelo. On stojički podnosi sve napade jer kako i sam kaže – istinito i pravedno je postupio. (Anonym 1996o: 15)

Indem hier am Schluss darauf hingewiesen wird, dass Handke alle 'Angriffe' 'stoisch' hinnehme, wird wieder das Bild von den aggressiven Medien aktiviert, deren Opfer der friedfertige Handke geworden ist. Das gleiche Verfahren wiederholt sich in der Ausgabe vom 15./16.6., wo die Medien als „opsednutih ratom i slikom o neprijatelju“ (Anonym 1996p: 29) charakterisiert werden und die gleiche Aggression auch Handkes Kritiker Peter Schneider zugeschrieben wird, wodurch die Antwort auf die Frage, wer von den beiden im Recht ist, von vornherein entschieden scheint: „Peter Šnajder je posle toga optužio Handkea za 'pristrasnost prema Srbima' i 'istorijsku glupost'. Ko je u pravu? Handke pita, Šnajder besni!“ (ebd.) Dass der Vorwurf, die Medien seien hasserfüllte Kriegshetzer, zutreffend ist, wird in der darauffolgenden Ausgabe wiederum darin gesehen, dass Handke von den Medien für seinen Text angegriffen wird: U redakcijama se sa optužbom da su 'učestvovali u mržnji' mire još teže nego sa prigovorom da su izvrtali činjenice i izveštavali jednostrano. 'Pravda za Srbiju' ide intelektualcima i novinarima na živce, zato što potajno znaju da je Handke u pravu. (Anonym 1996q: 15)

Die im Zuge dieser Serie abgedruckten Beiträge zur Kontroverse in den westlichen Medien stellen dabei eine Zusammenschau aus positiven und negativen Stimmen dar. Dabei verleiten, wie sich aus der obigen Darstellung ergibt, positive, abwägende Stimmen durch die Rahmengestaltung, in welche diese eingebettet sind, eben nicht dazu, die in den westlichen Medien geführte Kontroverse an sich als objektiver und differenzierter als allgemein dargestellt wahrzunehmen. Vielmehr scheinen sie eher als Beweis dafür zu dienen, dass sich das 'Lügengebäude' der westlichen Medien

99 nicht mehr lange wird aufrechterhalten können und die einzelnen polemischen Antworten also nur noch, wenn man in der vorherrschenden Diktion bleibt, 'Rückzugsgefechte' darstellen. Dass mit Handkes Text das Ende der Verschwörung gegen Serbien eingeläutet ist, kommt in der Feuilleton-Serie von Života Ivanović besonders deutlich zum Ausdruck. Wie bereits erwähnt, zeichnet Ivanović in dieser Serie das Bild einer insbesondere von Deutschland ausgehenden Verschwörung, wobei er in den letzten Teilen der Serie darum bemüht ist, die Zahl der Stimmen in westlichen Medien, welche das Bestehen einer solchen Verschwörung aufdecken, zu vergrößern. So wird etwa der Artikel von Ian Traynor im Guardian (Traynor 1996: 162-169), in dem insbesondere die Berichterstattung der FAZ kritisch beleuchtet wird, sehr genau zusammengefasst, aber gerade jene Teile, welche nicht in das Bild einer manipulativen, die Serben verteufelnden Berichterstattung der Medien passen, weggelassen (vgl. Ivanović 1996f: 14; Ivanović 1996g: 12). Etwa die Aussage, dass es allein auf den Krieg in Bosnien zutreffen mag, dass die Berichterstattung einseitig war, aber: „Unter solchen Gegebenheiten einseitig zu sein, war in Wirklichkeit eine zutreffende Wiedergabe der Lage vor Ort.“ (Traynor: 1996: 167) Ähnlich verfährt Ivanović bei der Zusammenfassung des Artikels „German Writer Sets Off Storm on Serbia“ von Stephen Kinzer in der New York Times: „Za ne mali broj Nemaca odbrana Srba slična je odbrani nacizma – piše 'Njujork Tajms' ističući da je izmanipulisano nemačko javnjo mnjenje uvereno da su Srbi počinili u najnovijem ratu na Balkanu zločine slične nacističkim.“ (Ivanović 1996g: 12) Während hier also der Eindruck entsteht, auch Kinzer sei der Meinung, dass die gesamte deutsche Öffentlichkeit aufgrund von Manipulation davon überzeugt ist, dass die Serben mit den Nationalsozialisten zu vergleichen sind, steht im Original allein: „Defending the Serbian cause strikes some Germans as akin to defending Nazism.“ (Kinzer 1996) Von einer manipulierten Öffentlichkeit ist hier keine Rede. Indem Ivanović die Aussagen einzelner Beiträge auf diese Art und Weise leicht verzerrt, kann er im darauffolgenden Beitrag behaupten, dass „[d]anas se skoro svakodnevno objavljuju širom sveta tekstovi u kojima novinari otkrivaju manipulisanje, jednostranost, pristrasnost, greške i zablude u izveštavanju sa ratnih poprišta na Balkanu.“ (Ivanović 1996h: 16) Dies lässt in der Folge auch ihn hoffen, dass die Wahrheit doch noch ans Licht kommt: „Da li će, posle priznanja svesnog ili nesvesnog učešća u satanizaciji celog jednog naroda uslediti izvinjenje srpskom narodu, zbog toga što je neosnovano i nezasluženo stavljen na medijski stub srama, pokazaće vreme.“ (Ebd.)

Wie sich also zeigt, wurde die Kontroverse um Handkes Text eindeutig in den bereits bestehenden Mythos einer Verschwörung gegen Serbien eingebettet und jede Kritik an Handkes Text als entweder durch persönliche Interessen oder den Versuch, das 'Lügengebäude' zu schützen, motiviert dargestellt. Insbesondere zu Beginn der Rezeption der im Westen stattfindenden Kontroverse wurde 100 dabei versucht, den Eindruck einer möglichst einhelligen und heftigen Verurteilung von Handkes Text zu erwecken, was wiederum als Beweis dafür herangezogen wurde, dass der 'Westen' und vor allem Deutschland den Serben tatsächlich feindlich gesinnt ist. Wie dargestellt wurde etwa ab Mitte Mai in den regimetreuen Zeitungen Borba, Dnevnik, Politika und Politika ekspres die Hoffnung wiederholt, dass mit Handkes Text das Ende dieser Verschwörung eingeläutet ist, wodurch der eschatologische Aspekt des Mythos stärker in den Vordergrund trat. Der Frage, ob es aber auch Beiträge gab, in denen das Bild einer umfassenden Manipulation der westeuropäischen Öffentlichkeit durch die Medien in Frage gestellt und wie die Kontroverse in den westlichen Medien in kritischen Beiträgen insgesamt dargestellt wurde, soll in der Folge nachgegangen werden.

2.2.2 Kritische Beiträge: Die Darstellung der Handke-Kontroverse

Während, wie dargestellt, in den affirmativen Beiträgen die medienkritischen Aspekte von Handkes Text als Bestätigung der bereits im öffentlichen Diskurs vorhandenen Vorstellung, dass eine mediale Verschwörung gegen Serbien im Gange sei, gesehen wurden, stellt Svetlana Slapšak eine solche Interpretation der Rolle der westlichen Medien in Frage. So stellt sie zwar fest, dass die westlichen Medien „jesu površni, zluradi, neznalački, kupljeni i manipulativni“ (Slapšak 1996: 16). Dies will sie aber nicht als eine besondere Eigenschaft der westlichen Medien verstanden wissen und weist deshalb darauf hin, dass es weniger ein Problem ist, dass Handke diese Medien hasst, sondern vielmehr „što nije čitao srpsku štampu od 1987. pa nadalje, i što, na kraju krajeva, zaboravlja da on može ovaj oštri napad na vladajući mentalitet da objavljuje u vodećim novinama tog istog kulturnog prostora.“ (Ebd.) Indem Slapšak hier an die Rolle der serbischen Medien bei der nationalen Mobilisierung der serbischen Gesellschaft erinnert, weist sie auf einen Umstand hin, der im dominierenden Diskurs völlig ausgeblendet wird und macht so deutlich, dass es nicht zulässig ist, jegliche Verantwortung an den 'Westen' oder die 'westlichen Medien' abzuwälzen. In der Folge stellt sie sich dann auch gegen die im dominierenden Diskurs vorherrschende Sichtweise, die westlichen Medien ließen nur eine Art der Berichterstattung über Serbien zu, indem sie eben darauf hinweist, dass Handke seinen Text immerhin in diesen Medien veröffentlichen konnte. Auch die Auffassung, die Medien der Welt hätten die Serben 'verteufelt', hält sie für überzogen: „Situacija sa svetskim medijima ipak nije takva da bi imalo težinu pokazivanje kako su i Srbi ljudi.“ (Ebd.) Dass Handke trotzdem so tut, als ob es notwendig wäre, zu zeigen, dass auch die Serben Menschen sind, hat, wie sie meint, einzig innerhalb Serbiens Gewicht, wodurch Handke implizit das serbische Regime unterstützt (vgl. ebd.: 17). 101

Der im dominierenden Diskurs vorherrschenden Sichtweise, dass Handke aufgrund seines Textes von allen Seiten angegriffen werde, stellt sich Nenad Stefanov in Republika entgegen. Er meint, dass man beim Lesen des Interviews mit Handke in Naša borba, den Eindruck gewinne, als wäre sein Text „dočekan na nož“ (Stefanov 1996: 17) und dass eine solche Selbststigmatisierung Handkes zum Einzigen, der sich Frieden wünsche, bereits in seinem Text zu finden sei. Einer solchen Darstellung der Kontroverse widerspricht Stefanov: Reagovanja je svakako bilo masovno u smislu brojnosti medija koji su prihvatili raspravu o 'pravdi za Srbiju'. […] Negativne i čisto polemičke reakcije bile su u manjini. […] Većina tekstova koji se bave Handkeom oprezna je u oceni i primarno prihvata pitanje pravde i nepravde kako ga je Handke postavio. (Ebd.)

In der Folge beschäftigt er sich dann mit jenen, insbesondere der linken Szene zuzuordnenden Zeitschriften, die Handke ausdrücklich verteidigt haben, und stellt fest, dass deren Einstellung gegenüber dem Krieg in Jugoslawien keine selbstbewusste, sondern vorwiegend über die Einstellung gegenüber den konservativen Medien definiert ist, wodurch etwa in Konkret „Ratko Mladić doživi da bude stilizovan u geriljerosa koji se u bosanskim šumama brani od imperijalista.“ (Ebd.: 18) Dass in den kritischen Beiträgen versucht wurde, das Bild von der einhelligen Verdammung sowohl der Serben als auch Peter Handkes durch die Medien zu hinterfragen bzw. zu relativieren und so einen Gegendiskurs zu erstellen, zeigt deutlich, dass diese Sichtweise für den dominierenden Diskurs bestimmend war.

2.3 Die Darstellung der serbischen Gesellschaft

Wie bereits aus den vorangegangen Darstellungen klar geworden sein sollte, wird Serbien oder die serbische Bevölkerung in den Beiträgen zur Handke-Kontroverse in erster Linie in der Rolle des Opfers der westlichen Medien gesehen, welche das serbische Volk völlig unbegründet und, wie immer wieder suggeriert wird, im Dienste 'fremder' Interessen an den medialen Pranger gestellt haben. Die um Handke entstandene Kontroverse wurde dabei vor allem als Bestätigung dieser bereits zuvor im – den öffentlichen Diskurs dominierenden – nationalistischen Diskurs vorhandenen und mit Kriegsende immer stärker in den Vordergrund rückenden Verschwörungstheorie gesehen. Wie im theoretischen Teil beschrieben, kann diese Theorie einer Verschwörung des Westens gegen Serbien als zeitgenössischer Mythos aufgefasst werden. Die Beschreibung Peter Handkes mithilfe von Charaktereigenschaften, welche normalerweise dem typischen serbischen Helden zugeschrieben werden einerseits und die, wie klar geworden sein sollte, Darstellung des serbischen

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Volkes als Opfer des gegen dieses verschworenen 'Westens' andererseits legen dabei nahe, dass die Handke-Kontroverse in den serbischen Printmedien als eine weitere Episode in diesen Mythos eingebettet wurde, welche aber wie in manchen Beiträgen zum Ausdruck kommt, vielleicht das Ende des Leidens des serbischen Volkes einläutet. Betrachtet man die Darstellung der Handke-Kontroverse als Teil dieses Mythos, so ist festzustellen, dass im Grunde nur noch die Rolle des Verräters in den eigenen Reihen, welche im Kosovo-Mythos Vuk Branković zukommt, noch nicht verteilt ist (sieht man von Siegfried Unseld ab, welcher in einem Beitrag als Verräter in Handkes Reihen angesehen werden kann). Doch auch solche Verräter auf serbischer Seite werden im Zuge der Berichterstattung zur Handke-Kontroverse immer wieder identifiziert. Es handelt sich hierbei einerseits um die antinationalistische Opposition, welche als Kollaborateur mit dem Westen dargestellt wird. Andererseits aber werden auch das Regime oder diesem nahestehende Gruppen als mögliche oder tatsächliche Verräter gehandelt. Diese drohen dann meist durch die zu befürchtende politische Instrumentalisierung Handkes, dessen lautere Absichten zunichte zu machen.

2.3.1 Affirmative Beiträge: Verräter in den eigenen Reihen

2.3.1.1 Verräter an der wahren serbischen Kultur

2.3.1.1.1 Die antinationalistische Opposition In mehreren Beiträgen zur Handke-Kontroverse wird die demokratische, antinationalistische Opposition, das so genannte 'andere Serbien', angegriffen und, wie etwa bei Zoran Avramović in Književne novine, ganz explizit als Teil der Verschwörung gegen Serbien verunglimpft (vgl. Avramović 1996: 4). Mitunter wird in den Beiträgen auch explizit auf jene Stelle in Handkes Serbien-Text verwiesen, in welcher der Ich-Erzähler einem Vertreter dieser Opposition nicht zuhören möchte (vgl. Handke 1996: 86). Wie dargestellt, kann diese Stelle je nachdem, ob man die literarischen oder die politischen Aspekte des Textes in den Vordergrund stellt, unterschiedlich gedeutet werden. Während sie aus einer stärker an den literarischen Aspekten orientierten Lesart als Reflexion des Ich-Erzählers über das Erzählen und die Gefahr der Manipulation, die Erzählen an sich immer in sich birgt, gelesen werden kann, erscheint sie aus einer an den politischen Aspekten interessierten Lesart, als politische Stellung- nahme des Autors selbst. Aus letzterer Perspektive wird, obwohl Handke nicht an der Authentizität des von diesem Mann ausgedrückten Leids zweifelt, durch die Anmerkung, dass er dessen Kritik „nicht in dieser Stadt und diesem Land“ (Handke 1996: 86) hören möchte, doch nahegelegt, dass ihm eine solche Kritik aus dem Mund eines Serben unpassend erscheint, zumal die wahren

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Verbrecher ja „fremde, ganz andere Mächte“ (ebd.) zu sein scheinen. Der Vorwurf, der nach einer solchen Lesart hier implizit ausgedrückt zu werden scheint, ist der, dass Kritik an den „Oberherren“ (ebd.) im Grunde Kritik am eigenen Volk ist und wer diese äußert, sich somit auch gegen sein eigenes Volk stellt. In den Beiträgen, die sich implizit oder explizit auf dieses Zitat beziehen, wird ausschließlich dieser Vorwurf aufgegriffen und als Stellungnahme des Autors selbst interpretiert. So schreibt etwa Mirjana Bobić-Mojsilović: „Handke je genijalan kada opisuje onu neimenovanu srpsku budalu koja se diči svojim prezirom spram vlastitog okruženja, i koji ga ljubi, uveren da je pogodio namere tipičnog stranca.“ (Bobić-Mojsilović 1996a: 21) Hier wird zudem die Kritik jenes Oppositionellen nicht als eigenständig, sondern als Anbiederung an den 'Fremden' begriffen, was wiederum einem ehrlosen Verrat am eigenen Volk gleichkommt: „Jer, taj detalj otkriva […] našu potpuno iščašenu opsednutost svetom – u ime koje su mnogi ovde, spremni da služe svome vlastitom poniženju. Mi, koji na to nismo spremni, uživali smo u Handkeu.“ (Ebd.) Aus einer solchen Sichtweise erwächst Handke dann auch zum Beschützer des wahren Serbentums vor dem 'verlogenen Kosmopolitismus' der antinationalistischen Opposition, die der 'Welt' hörig ist: Jer, nije nas Handke samo odbranio od sveta. Skidajući oplatu sa jednog tipa srpskih intelektualaca, oplatu koju su sami sebi mazali jeftinim bojama o 'jedinom mogućem moralnom angažmanu' i sličnim ispraznostima, Handke nas je odbranio od najglupljijih i najpokvarenijih među nama. A to su, upravo, oni koji su u ime svoga lažnog kosmopolitizma blatili srpske nacionaliste, ali još više jednog Emira Kusturicu – što nije muslimanski nacionalista! (Ebd.)

Dass dieser 'verlogene Kosmopolitismus' der antinationalistischen Opposition in Wahrheit dem feindlichen Lager zuzurechnen ist, kommt dabei im Nachsatz des letzten Satzes besonders deutlich zum Ausdruck. Hier wird unterstellt, dass der wahre Vorwurf an Emir Kusturica nicht ist, serbischer Nationalist zu sein, sondern eben, nicht auf der Seite des Feindes (und wie in anderen Beiträgen bezeichnet, 'Schützlings' des Westens) zu stehen. So wird auch die antinationalistische Opposition selbst zum Feind Serbiens. Eine ähnliche Argumentation verfolgt auch Nebojša Ćurčić in Politika, wobei hier in ironischer Weise die Sünde (oder der Verrat) Handke in die Schuhe geschoben wird: Poseban greh Handke je učinio prema delu srpskih intelektualaca koji se s pravom gnušaju ovog naroda i njegovih vođa. Ti, nadasve, hrabri ljudi se godinama upinju da Evropi dokažu kako je u pravu što nema obzira prema Srbima. Sada se pojavljuje jedan Austrijanac da pokvari posao. (Ćurčić 1996: 21)

Dass dieser Teil der serbischen Intelligenz als mit Europa unter einer Decke steckend gesehen wird, wird dabei in der Folge besonders deutlich: Kako će sutra taj deo čaršije pogledati u oči nekom uvaženom predstavniku Zapada koji će im s pravom prigovoriti zbog nedostatka budnosti. Umesto da su ga [Handkea] spremno dočekali na Horgošu i objasnili mu u kakav mrak ulazi, oni su dremuckali u Beogradu. (Ebd.)

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Indem die antinationalistische Opposition Handke also nicht am Grenzübergang erwartet und Handkes Blick nach den Interessen des Westens vorgeformt hat, ermöglichte sie es Handke, sich unbeeinflusst ein Bild zu machen. Damit hat er „naneo udarac integralnoj, globalnoj, mastrihtskoj Srbiji bez granica, bez teritorija, bez ičega.“ (Ebd.) Die antinationalistische Opposition wird also auch hier zu einem Feind Serbiens, der als Handlanger des 'Westens' mit daran arbeitet, Serbien von der Landkarte zu tilgen, während sich Handke mit seinem Text diesen Plänen tapfer entgegengestellt hat. Auch Zoran Avramović nutzt die Handke-Kontroverse um ganz gezielt auf die antinationalistische Opposition loszugehen und sie als Teil der antiserbischen Verschwörung darzustellen. So spricht er in seinem Beitrag „Stranka mržnje i Handke“ von einer „hajci na pojam srpstva“ (Avramović 1996: 4) in der Mitglieder „neregistrovane internacionalne stranke mržnje“ (ebd.) federführend waren, welche nun wiederum auf Handkes Text losgehen. Verstärkung erhalten diese „i od nekoliko članova stranke mržnje iz srpske sredine.“ (Ebd.) In der Folge werden Svetlana Slapšak und Bora Ćosić als zwei Mitglieder dieser 'Partei' vorgestellt, die sich besonders durch ihren Hass auf das eigene Volk hervortun, wobei bei beiden der Umstand, dass sie im Ausland leben, besonders betont wird, was sie noch zusätzlich diskreditieren soll: „Neka se stranci ne zaleđu: zlo Srba najbolje poznaju oni Srbi koji su pobegli od Srba u civilizaciju.“ (Ebd.) Diese 'Zivilisation' wird etwas später ironisch aufs Korn genommen, wenn Avramović behauptet, dass er niemandem das Recht absprechen möchte, sein eigenes Volk zu hassen, schließlich falle „nedostojno nacionalno ponašanje […] u univerzalna ljudska prava“ (ebd.), weshalb hier auch „argumenti o časti i ponosu“ (ebd.) nicht helfen. Gegen Ende des Artikels wird dieser vermeintliche Hass auf das eigene Volk, dann noch expliziter in die Nähe von 'Ehrlosigkeit' gerückt, da mit ihm ein Unverständnis für die 'nationalen Rechte' einhergeht: Za njih je banalna stvar što su Srbi iskorenjeni iz dalmatinske krajine u kojoj su živeli od 14. veka. Za njih je prava blasfemija tvrdnja da su Srbi branili i pravo da ne žive u državi koja se stvara pod silom međunarodnog poretka, među njima nije bilo boraca za odbranu kulturnog identiteta, političke nezavisnosti, nacionalnog istorijskog nasleđa. (Ebd.)

Hier sieht man sehr schön, wie die eigene Rolle im Zerfall Jugoslawiens wiederum ausschließlich als eine verteidigende dargestellt wird, keinesfalls als eine aggressive. Das macht natürlich die Weigerung, der die 'nationalen Rechte' des serbischen Volkes verteidigenden Politik zu folgen, noch viel verwerflicher, schließlich lässt sich aus einer solchen Perspektive zwar über die politischen Mittel, mit denen man für diese Rechte kämpft, diskutieren, keinesfalls aber über die Notwendigkeit ihrer Verteidigung. Der Krieg erscheint so nur als eine Möglichkeit unter vielen zur Wahrung 'nationalen Rechts' und die Weigerung, die aus einer solchen Sichtweise folgende grundsätzliche Rechtmäßigkeit dieses Krieges anzuerkennen, als Verrat bzw. Akt des Hasses, der noch in die

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Geschichtsbücher eingehen wird: Ali, ta nesposobnost da razlikuju temeljna prava jednog naroda i različita sredstva odbrane tih prava, njih nimalo ne opravdava. I za njihovu mžrnju biće mesta u nacionalnoj istoriji. Neka nova pokolenja čitaće kako se prelazi iz kritike nerazumne struje političkog ponašanja u vlastitoj naciji u mržnju te iste nacije. (Ebd.; Hervorhebung im Original)

2.3.1.1.2 Das Regime Doch die Handke-Kontroverse ist nicht nur Anlass, die antinationalistische Opposition des Verrats am serbischen Volk zu bezichtigen. Jasminka Jeličić nutzt ihren Beitrag zur Handke-Kontroverse in der Parteizeitung Velika Srbija der sich 1996 in der Opposition befindenden 'Srpska radikalna stranka', um Kritik am Regime zu üben, wobei dieses hier nicht nur als eigentlicher Verräter der 'nationalen Rechte' Serbiens dargestellt wird, sondern auch als Verräter an der eigenen kulturellen Tradition. Bereits im Lead ist zu lesen: „Hantkeov [sic!] poduhvat je još veći pošto se u Srbiji, zahvaljujući socijalistima, sve manje zna o Srbima.“ (Jeličić 1996: 48) In der Folge wird, nach einer kurzen Zusammenfassung der bisherigen Handke-Kontroverse, das Regime ganz konkret des Kniefalls vor dem Westen bezichtigt: U Srbiji su mnogi režimski listovi senzacionalno izveštavali o hrabrom podvigu stranog pisca, koji je u traganju za istinom za kojom ni rukovodeća struktura u Srbiji nije tragala, bio dovoljno odlučan da tu istinu i saopšti suprotstavljajući se svima u trenutku kada su zapadni moćnici potpuno držali pod svojom kontrolom režim u Srbiji, koji je ispunjavajući uslove koje su mu postavljali strani nalogodavci, i sam zanemario potragu za pravdom za Srbiju. (Ebd.)

Doch das Regime hat, im Gegensatz zu Handke, nicht nur verhindert, dass im Westen die Wahrheit über Serbien vernommen wird, sondern, indem es den freien Fernsehsender Studio B unter seine Kontrolle gebracht hat, auch innerhalb Serbiens verunmöglicht, dass die Bevölkerung diese Wahrheit erfährt. Handke hat jetzt mit seinem Text dafür gesorgt, dass diese Wahrheit auch in Serbien gehört wird: Ni u Srbiji ne može da se čuje istina o Srbima. Oni koji drže vlast ne žele da je kažu, a onima koji to žele, ne dozvoljavaju. I zato je više nego sramno za ovaj režim, što je, dok su ministri informisanja u Srbiji zavodili mrak, jedan strani pisac negde u svetu rekao o nama istinu, i to ne zato što on posebno voli Srbe, nego zato što je on neumorni tragač za istinom, bez obzira na čijoj strani ona bila. (Ebd.)

Was hier anklingt, ist die vonseiten der nationalistischen Opposition nach dem Wechsel Miloševićs zur Friedenspolitik immer wieder geäußerte Kritik, das Regime verrate die 'serbischen Interessen' und sei, indem es mit seiner geistlosen Propaganda die Menschen einlulle, dafür verantwortlich, dass die Bevölkerung den Bezug zur serbischen Kultur verliere. Ein Vorwurf, der, wie im Zuge der Besprechung des serbischen Nationalismus dargestellt, immer wieder gegenüber dem Regime erhoben wurde, insbesondere angesichts der Propagierung des Turbo-Folk durch das Regime. Auch 106 hier erwächst Handke, indem er im Gegensatz zum Westen und dem Regime die Wahrheit über die Serben äußert, zum Beschützer des Serbentums, wobei ihn gerade der Umstand, dass er ein wahrhaftiger Schriftsteller ist, dazu befähigt zum Wesen seines Anschauungsobjekts, in diesem Fall der Serben, durchzudringen, wodurch wiederum die romantische Vorstellung des Schriftstellers als Verkünder einer höheren Wahrheit aktiviert wird: „Jednostavno, istina pravim piscima sama izlazi iz pera.“ (Ebd.)

2.3.1.1.3 Vuk Karadžić Mit der Kulturlosigkeit des serbischen Volkes beschäftigt sich Nenad Stefanović in seinem zweiten Beitrag zur Handke-Kontroverse in Duga ganz explizit, wobei er weder das Regime noch die antinationalistische Opposition dafür verantwortlich macht, dass die Verbindung zur wahren serbischen Kultur abhanden gekommen ist, sondern niemand Geringeren als Vuk Karadžić. Bereits zu Beginn des Artikels kommt eine starke Verachtung der den Verfasser des Beitrags umgebenden Kulturlosigkeit zum Ausdruck, als er Szenen des Zusammentreffens Peter Handkes mit der serbischen Bevölkerung beschreibt. So zum Beispiel in folgender Szene: Grupi […] pritrčava jedna mlada, agresivna novinarka, koja izgovara reč radio kao da zaista veruje da u njemu žive mladi ljudi, a i da okolina u to treba da poveruje. Ambiciozna novinarka počinje sa ozbiljnim pitanjem. (Kad god čujem da neka novinarka postavi pitanje duže od pet reči, ja se uhvatim za šlic, došapnuo mi je jedan srbo-mačista, takođe prisutan u grupi.) (Stefanović 1996a: 8)

Etwas später vergleicht Stefanović dann Milorad Pavić mit Peter Handke, wobei Pavić als eine Art 'Neureicher' im Bereich der Kultur dargestellt wird, während Handke sozusagen auf ein reiches kulturelles Erbe zurückgreifen kann und es daher nicht mehr nötig hat, die eigene Kultiviertheit explizit hervorzukehren, was ihn natürlich zum wahren Kultur- und Sympathieträger macht: Dok je Pavić govorio, upoređivao sam njega i Handkea, hipotetički, kao dva simbola savremene nemačke i srpske književnosti, kao dva vrha. Razlike su bile uočljive, ne toliko zbog Pavićevog pompeznog stila, u kojem ima nekog, po mom ukusu, nedozvoljivog egocentrizma i samohvale, za razliku od Handkea koji je uvek spreman za šalu na sopstveni račun i umanjivanje svog značaja kao svetskog pisca, a sigurno je slavniji od Pavića, ne – zbog tih ličnih osobina zbog kojih Pavić odbija poštovaoce od neposredne veze s autorom, a Handke pravi fan klub poklonika, ne, dakle, zato, nisam ih zbog toga upoređivao i vagao, već kao lakmuse onoga što se mora činiti u srpskoj literaturi i onoga što je već učinjeno u Njemačkoj. (Ebd.: 10)

Während Handke auf der Arbeit seiner Vorgänger aufbauen kann, kann Pavić dies nicht, da Vuk Karadžić, indem er seine Sprachreform ausschließlich auf Grundlage der bäuerlichen Sprache durchführte, die Kontinuität mit der byzantinischen Tradition gekappt hat, weshalb Pavić auch erst den serbischen Barock reaktivieren muss. Im Gegensatz zu Handke kann Pavić aus diesem Grund auch nicht dem postmodernen Kunstideal entsprechend offen mit der Sprache umgehen, d.h. mit ihr spielen, und so ihr volles Potential ausschöpfen, sondern ist in erster Linie ein Arbeiter, der versucht die serbische Sprache überhaupt einmal auf ein Niveau zu erheben, auf dem ein solcher 107 postmoderner Umgang mit Sprache erst möglich wird: Pavić nema te preteče, on i danas popunjava rupe koje je ostavila Vukova reforma, on ponovo reaktivira srpski barok, vizantijsku tradiciju, on je po sili prilika pre svega nacionalni radnik u kulturi a tek potom igrač sa jezikom. Srpska literatura tek će za dvadeset ili trideset godina moći da iznedri postmoderan pogled na svet, koji je Handkeu u nemačkom jeziku, etabliranom i ispitanom, po prirodi istorijskog procesa pripao. Zato mi, recimo, i ne smeta Pavićeva pompeznost, ali mi smeta Vukova reforma. U odnosu na nemački jezik, naš se tek formira, i nalazi se u onom magmatičnom stanju koji je nemački imao na kraju 19. veka. (Ebd.)

Wie bereits im Zusammenhang der Darstellung der Person Peter Handke dargestellt, wird Handke in diesem Artikel dann noch konkreter zu einem Vorbild für die serbische Kultur ernannt und mit dem mittelalterlichen serbischen Helden Banović Strahinja verglichen (vgl. ebd.: 12).

2.3.1.2 Verrat an Peter Handke Doch in den Beiträgen werden nicht nur Verräter an der wahren serbischen Kultur ausgemacht, sondern auch Verräter an Handkes lauteren Absichten. Das sind all jene, die versuchen, Handke für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Um einen solchen Vorwurf gegenüber der eigenen Person von vornherein zu entkräften, weisen viele Verfasser von Beiträgen explizit darauf hin, dass sie schon lange ergebene Leser Handkes sind. Dadurch versuchen sie sich von der 'Kulturlosigkeit' all jener abzugrenzen, die Handke erst jetzt hochjubeln, wo er für Serbien eintritt. Am weitesten zurück geht dabei Mirko Žarić, der angibt, bereits 1969 erstmals von Handke gehört und ihn als Non- konformisten erlebt zu haben. Deshalb sei er dann auch beinahe enttäuscht gewesen, als er hörte, dass Handke einige der bedeutendsten Auszeichnungen erhalten hat, denn damit, so seine damalige Annahme, sei Handke Teil des Establishments geworden. Die Kontroverse um Handkes Text beweise aber, dass dem doch nicht so ist (vgl. Žarić 1996: 9). Dass die Behauptung, man selbst habe schon vor Beginn der Handke-Kontroverse Handkes Werk geschätzt, dazu dient, sich dem Vorwurf der politisch motivierten Begeisterung für den Schriftsteller zu verwehren, zeigt sich besonders deutlich in der Besprechung der Übersetzung von Handkes Noch einmal für Thukydides im NIN. Vasa Pavković nutzt den Beginn dieser Besprechung, um ausgiebig die politische Instrumentalisierung Handkes insbesondere während dessen erneuten Besuchs in Belgrad zu kritisieren: Ali, bez imalo sumnje u Handkeove namere, ostao je, recimo, nagorak ukus promocije u Narodnoj biblioteci i slike 'šarolikog' publikuma 'aktivista' koji mu je frenetično aplaudirao. Verovatno da niko od zvaničnika u sali nikada pre toga nije čitao Handkea, a o njihovoj ljubavi za istinu i književnost je smešno govoriti. / Odvratno. (Pavković 1996: 37)

Seine eigene Begeisterung für Handke stellt er dann sogleich als bereits viel länger während dar: „Ali: Još jedanput za Tykidida sam pročitao pre tih zbitija i smestio knjižicu na policu, u niz vrednih

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Handkeovih proza.“ (Ebd.; Kursiv-Setzung im Original) Doch die durchwegs als aufrichtig angesehene Forderung Handkes nach 'Gerechtigkeit für Serbien' wurde schon früher verraten, nämlich als die nicht genehmigte Übersetzung der Winterlichen Reise beim in Podgorica ansässigen 'Oktoih'-Verlag erschienen war. Auch hier macht wieder die 'Kulturlosigkeit' einzelner serbischer Patrioten Handkes lautere Absichten zunichte. So wird im Beitrag von M. Čolić zu diesem Thema der Herausgeber des 'Clio'-Verlags Zoran Hamović zitiert: Sve je napravljeno tako kako samo mi to možemo učiniti i zapravo potkrepljujemo sliku o nama koju dobar deo Zapada forsira, a protiv čega je upravo Handke ustao. Pojavila se dakle 'Pravda za Srbiju', što je zapravo podnaslov knjige. Napravljen je takav graf da se naslov originala nepismeno složi, dakle nije 'Zimsko putovanje' već 'Zimko putovanje.. [sic!]'. Handke ne zaslužuje ta dva gesta: piratsko izdanje i prepev prevod […]. (Čolić 1996: 5; Hervorhebung im Original)

Hamović aktiviert hier gleich eingangs das Stereotyp, wonach die Serben sich selbst die größten Feinde sind, indem er andeutet, dass er im Grunde nicht überrascht ist, dass gerade die Serben selbst, die guten Absichten Handkes zunichte machen und sich durch diese, noch dazu schlecht gemachte, Übersetzung, als 'kulturlos' erweisen. Ähnlich sieht es Sava Dautović im NIN in seinem ebenfalls zu diesem Thema verfassten Beitrag. Auch hier wird gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Handke politisch instrumentalisiert würde. : Moglo se, naravno, od samog početka pretpostaviti da naši dežurni rodoljupci neće propustiti priliku da prigrle Petera Handkea i da njegov putopis upotrebe u funkciji širenja 'makar i poetske Istine' o Srbima i Srbiji. Trebalo im je samo malo vremena da savladaju prvobitnu sramežljivost i malu grižu savesti što velikog austrijskog i evropskog pisca nisu ni primetili kada je u vreme dejtonske groznice o svom ruvu i kruvu šetao promrzlom srbijanskom provincijom i njenom depresivnom metropolom. I, svakako, da se uvere da Handke neće poginuti na megdanu na koji je izazvao najmoćnije svetske medije i njihove političke mentore s kojima su fabrikovali stereotipe o učešću i odgovornosti Srba u tekućem ratu na prostorima bivše Jugoslavije. (Dautović 1996: 36)

Dass diese sogenannten Patrioten mit Handke nicht viel am Hut haben, wird hier durch den Hinweis nahegelegt, dass sie Handke bei seinem ersten Besuch in Belgrad nicht einmal bemerkt haben. Dabei soll wohl durch die Betonung, dass es sich bei Handke um 'einen großen österreichischen und europäischen Schriftsteller' handelt, suggeriert werden, dass die betreffenden Personen von Kultur keine Ahnung haben. Peter Handke selbst wird auch hier wieder als allein der Wahrheit verpflichtet dargestellt, der zuliebe er selbstlos die mächtigsten Medien der Welt zum Kampf herausfordert, während all jene, die sich erhoffen aus Handkes Unterfangen politischen Nutzen ziehen zu können, erst einmal lieber berechnend abwarten, wie sich die Sache entwickeln wird. Die Befürchtung, dass Handke politisch instrumentalisiert und sein als ehrlich verstandenes Eintreten für Serbien dadurch zunichte gemacht werden könnte, kommt auch in anderen Beiträgen zum Ausdruck. So fragt sich etwa I. Rastegorac in Književne novine anlässlich des erneuten Besuchs von Handke: „Da li se i ovoga puta potvrdila stara istina da i najčistiji, najdublji i najčestitiji umovi, kada se dotaknu politike, moraju, pre ili kasnije, od nje biti (zlo)upotrebljeni?“ 109

(Rastegorac 1996: 2)

Auch in gegenüber Handke kritisch eingestellten Beiträgen wird das Regime kritisiert bzw. auf die politische Instrumentalisierung Peter Handkes hingewiesen. Auf diese Beiträge soll in der Folge näher eingegangen werden.

2.3.2 Kritische Beiträge: Die Darstellung der serbischen Verhältnisse

Die 'Kulturlosigkeit' insbesondere der serbischen Machthaber steht auch in jenen Beiträgen im Vordergrund, die eine kritische Distanz zu Peter Handke aufweisen. Ljiljana Šop stellt auf Grundlage der Kritik von Bora Ćosić fest, dass Handke offensichtlich nur Vertreter der beiden Regierungsparteien getroffen habe, denn diese zeichnen sich tatsächlich durch ihren schamlosen Stolz aus: „Handke je na jugu sretao sve same ponosne, dostojanstvene i zadovoljne ljude, kakvi su danas u Srbiji svi socijalisti i JUL-ovci bez ostatka.“ (Šop 1996: 55) Darüber, wie es sein konnte, dass Handke hingegen all jene nicht gesehen hat, die sich für den von ihm so sehr bewunderten Handel mit Benzin in Plastikflaschen schämten, stellt sie einige Vermutungen an: Postiđene, očajne, užasnute, one koji u toj ponižavajućoj kupovini benzina nisu videli nikakve razloge za ponos, Handke nije sreo. Možda su se od stida sakrili ispred njegovog objektivnog, pronicljivog oka, ili nije smeo, hteo želeo, umeo da ih vidi. Možda mu ponosni nisu dali da se približi posramljenima? Ili su mu putovanje upriličili naši ponosni dostojanstvenici, a on nije razumeo da ono košta i one posramljene? Sve je mogućno. (Ebd.)

Bereits hier stellt Šop die in den meisten Kritiken gepriesene Objektivität Handkes, seine alleinige Verpflichtung der Wahrheit gegenüber, in Frage und suggeriert, dass sein Blick, bewusst oder unbewusst, von den serbischen Machthabern geleitet wurde. Dass Handke auf diese Art das Regime unterstützt und daher anzunehmen ist, dass er auch weiter von diesem instrumentalisiert werden wird, kommt dabei etwas später noch deutlicher zum Ausdruck: Da li je Handke bio svestan na čiju vodenicu navodi vodu svojim 'mirovnim pledoajeom'? Ne znam, ali ako mu je esej o Srbiji uistinu onakav kako su ga pročitali Bora Ćosić, Dževad Karahasan, Sonja Biserko, ne bih se začudila da ga, koliko sutra, objavi BMG i da na ovogodišnjem Sajmu knjiga u Beogradu bude izdavački poduhvat godine. Na promociji bi u prvom redu dostojanstveno i ponosno aplaudirali našem vrsnom putopiscu On i Ona, i njihova ponosna svita. (Ebd.)

Indem sie in der Folge darauf hinweist, dass es schon Bürgern Serbiens schwer fällt die hiesigen Verhältnisse zu durchschauen, dies insofern einem Fremden ganz unmöglich sein muss, leitet sie über auf den Umstand, dass das Regime den Fernsehsender Studio B unter seine Kontrolle gebracht hat. Dieses Unterfangen ist dabei nur ein weiterer Beweis für die 'Kulturlosigkeit' des Regimes: „Mafijaški prepadi, otimačina svega što požele, što im treba, što im može nauditi, postali su stil i manir vladajuće stranke.“ (Ebd.) Je offener und rücksichtsloser das Regime dabei vorgeht, um so 110 hilfloser und apathischer wird, nach Meinung Šops, dabei die Bevölkerung, weshalb sie auch die optimistischen Botschaften der Opposition, welche von einem baldigen Umsturz sprechen, heftig kritisiert. Denn diese schläfern die Bevölkerung neben den Frohbotschaften des Regimes noch zusätzlich ein: „Ali ako je njihov [režimski] manipulativni optimizam efikasan, opozicioni optimizam bez pokrića deluje mi kontraproduktivno, kao droga dalekosežno opasnija od one kojom narod kljuka vlast.“ (Ebd.) Dass die Übernahme des Fernsehsenders schließlich für die meisten Journalisten nicht einmal eine Meldung darstellt, ist für sie ein weiterer Beweis für die immer stärker um sich greifende Kulturlosigkeit, von welcher Handke bloß den sie begleitenden Stolz gesehen hat. Und so schließt sie auch mit der Feststellung, dass mit dem Abfallen jeglicher Scham der Stolz proportional anwächst, welcher dann wiederum von einem neuen Peter Handke beschrieben werden kann: Ponos ovde danas proporcionalno raste sa gubitkom stida, građanske hrabrosti i elementarnog ljudskog poštenja. Ponos policajca koji je pretukao našeg fotoreportera Đorđa Vukoja, ponos kolumnista koji hvale poziciju, ponos novinara koji su ostali u preotetom Studiju B da se dokopaju pozicionog uredničkog stola – to su ti ponosi i dike dostojni pera nekog novog Petera Handkea. / Pa nam posle Handke kriv! (Ebd.)

Mit dem letzten Satz wird wiederum die Neigung, die Schuld an der eigenen Lage auf andere abzuwälzen, kritisiert. Dass Handke von Personen hochgejubelt wird, die zuvor nichts mit seinem Werk zu tun gehabt haben, ist Thema des Beitrags von Bojan Bosiljčić in Vreme, wobei er von dieser Feststellung auf den bedauernswerten Zustand des kulturellen Lebens in Serbien an sich schließt. So bezieht er sich zu Beginn seines Beitrags ironisch auf die im serbischen Nationalismus fest verankerte Überzeugung von der Überlegenheit der byzantinischen Kultur über die westliche und zitiert die oft zu hörende Phrase, wonach am Hof der Nemanjiden mit goldenen Gabeln gegessen wurde, als die europäischen Herrscher noch mit Fingern aßen. Dann stellt er fest: „Čista matematika zakonomerost takve projekcije kulturno-civilizacijskog razvoja nalagala bi da danas Srbi lete na Mars ili se, čak, ne guraju u autobusu, ali je Otomanska imperija imala drugačiji plan.“ (Bosiljčić 1996: 65) Bošiljčić selbst sieht dabei weniger das Osmanische Reich als vielmehr den überzogenen Nationalstolz der Serben für die 'Kulturlosigkeit', welche er in der gegenwärtigen serbischen Kulturszene feststellt, verantwortlich. Dies zeige sich besonders deutlich am Beispiel Handkes, der erst jetzt, wo, und allein, weil er 'Gerechtigkeit für Serbien' fordert, als großartiger Schriftsteller anerkannt wird: Posle svega, ostaje nepoznanica na temelju kojih kriterijuma ovdašnja kulturna javnost označava samu sebe uopšte kulturnom kada je za aklamaciju jednom piscu, nakon svih njegovih knjiga i scenarija, odabrala trenutak pojavljivanja njegove literarno najefemernije knjige? (Ebd.)

Der Schluss, den Bosiljčić daraus zieht, ist dann auch, dass eine kulturelle Szene, welche anstatt

111 sich der Welt zu öffnen, nur solche 'fremden' Einflüsse zulässt, welche sich zuvor mit der Nation loyalisiert haben, sich schnell isoliert und damit jegliche Chance auf Weiterentwicklung oder auch Neuanfang selbst verunmöglicht: Onaj koji besramno podiže cenu ulaznice u jednu kulturu, tražeći izjave lojalnosti u formi apela za pravdu, uskoro će biti sasvim sam. Tako se još jednom zorno potvrđuje da u osnovi svakog preporoda leži duhovni preporod, koji u ovoj zemlji svakako neće moći da izvedu oni delatnici kulture koji, šćućureni u svom rezervatu, ulaz dopuštaju samo onima koji donose bogate darove. Jer, kao i u svakom rezervatu, pravi darovi ostaju daleko napolju, u nedokučivosti slobodnog prostora i sveta koji se ne može sačekati, ka kojemu se mora ići. (Ebd.)

Ähnlich wie Bosiljčić argumentiert auch Milan Đorđević in Republika, der feststellt, dass all die erklärten Kämpfer für die serbische Sache, welche bei den Buchvorstellungen anwesend waren, bis vor Kurzem weder von Handke gehört haben, noch mit ihm etwas hätten anfangen können: Do pre nekoliko meseci skoro sve te uvažene ličnosti nisu ni čule za pisca Petera Handkea. A o nekakvom čitanju njegovih knjiga ili gledanju komada, tu nije moglo biti reči. Uostalom, čitanje njegovih komada ili neke od proza, samo bi ih sablaznilo. Ali danas, kad je svima jasno da Handke 'voli našu zemlju', 'voli naš narod' i da je spreman da svedoči 'u našu korist', sve je drukčije. (Đorđević 1996: 16)

Dass Handke auch bei seinem zweiten Besuch nicht bemerkt hat, von wem er da eigentlich vereinnahmt wird, führt Đorđević dabei auf den naiven Glauben Handkes, sich allein auf seine Wahrnehmung verlassen und mit ihrer Hilfe zum Wesen der Dinge durchdringen zu können, zurück, welcher dazu führte, dass Handke „video je, ipak, malo ili gotovo ništa.“ (Ebd.) Dementsprechend konnte er auch nicht begreifen, was die hier Lebenden längst erkannt haben, nämlich, dass er nur zu gut in die Kulturoffensive des Regimes passt, mit der das Regime versucht, den von der Opposition immer wieder geäußerten Vorwurf, es sei für die 'Kulturlosigkeit' in Serbien verantwortlich, abzuwehren: „Ne može nas šokirati jer to je samo jedna od karnevalskih predstava i kulturnih manifestacija ('Sa kulturom je sve lepše!') usred lažne normalnosti kojom se prikrivaju ovdašnja beda, zapuštenost i besperspektivnost.“ (Ebd.) Wie sich also zeigt, wird der Vorwurf der 'Kulturlosigkeit', auch in den Handke gegenüber kritische Distanz wahrenden Beiträgen, gegen das Regime erhoben, wobei dieses in diesen Beiträgen damit nicht Handkes lautere Absichten verrät, sondern vielmehr Handkes Naivität kritisch beleuchtet wird, welche es dem Regime überhaupt erst ermöglicht, ihn zu vereinnahmen.

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3. Was blieb von der Friedensintention?

Wie sich aus der Analyse ergibt, bildet insbesondere in den affirmativen Beiträgen die in Deutschland und Westeuropa geführte Kontroverse den eigentlichen Bezugspunkt der Berichterstattung. Die Inhalte der Texte treten demgegenüber in den Hintergrund. Fokussiert werden dabei insbesondere die medienkritischen Aspekte, während die Erwähnung der Reise- beschreibungen und des darin gezeichnete Serbien-Bilds eher dazu zu dienen scheint, die um einen 'gewöhnlichen Reisebericht' entbrannte Kontroverse als überzogen und rein politisch motiviert darzustellen. Insofern werden auch diese nicht eigenständig, sondern vorwiegend in Bezug auf die Kontroverse behandelt. Wie dargestellt, wurde die Handke-Kontroverse in den weiteren Rahmen des Mythos einer Verschwörung des Westens gegen Serbien eingebettet, wodurch Serbien als Opfer westlicher Aggression erscheint, während die anderen Nationen Jugoslawiens als Handlanger des Westens und damit als die eigentlichen Schuldigen dargestellt werden. Die Friedensbotschaft des Textes blieb vor diesem Hintergrund unberücksicht, vielmehr wurde die Kontroverse als Bestätigung des etablierten Gut/Böse-Schemas gesehen. Hierbei ist zu betonen, dass auch Handke mit einigen in Interviews und während seines Besuchs getätigten Aussagen dazu beigetragen hat, dass die Botschaft, abseits der Politik wieder aufeinander zuzugehen, völlig unterging, indem er immer wieder Äußerungen tätigte, die dieser Intention zuwiderliefen. So verglich er etwa während der Lesung im JDP, wie es scheint, ganz gezielt das slowenische Publikum mit dem serbischen, als er in Serbien ein slowenisches Wort verwendete und die Reaktionen dann explizit mit dem umgekehrten Fall in Ljubljana verglich: [P]ovremeno bi neku reč rekao na slovenačkom. Kada je video da publika to prima sa simpatijama, rekao je: „Ovaj tekst sam na svom maternjem, slovenačkom, čitao i u Ljubljani, ali mi se na jednom mestu desilo da sam jednu reč kazao na srpskom i reakcije su bile katastrofalne.“ Publika u JDP mu je nakon toga dugo aplaudirala. (Stanković 1996: 29)

In Verčernje novosti wird diese Aussage sogar in einem eigenen Kästchen innerhalb des Artikels hervorgehoben (vgl. L. 1996: 22). Die 'aggressiven Slowenen' werden hier also gegen die 'friedlie- benden, toleranten Serben' ausgespielt. Dass die Slowenen die eigentlichen Verbrecher sind, hat Handke dann auch in einem NIN gegebenen Interview explizit formuliert und die Entrüstung, die ihm vonseiten der Slowenen entgegenschlug, mit dem aus ihrem Verbrechen resultierenden schlechten Gewissen erklärt: Znate, kad neko počini zločin zbog kojeg bi sebe trebalo da kazni samoubistvom, a on to ne učini, onda on postaje zao i svoju krivicu prebacuje na drugog. Slovenci jesu počinili neku vrstu zločina, oni u jugoslovenskom ratu nisu bili pod agresijom, pa možda moraju mene da napadaju. (Dimitrijević 1996: 42)

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Wie sich also zeigt, nutzte auch Handke selbst die um die Winterliche Reise entstandene Kontroverse nicht, bereits bestehende Freund/Feind-Schemata aufzubrechen, stattdessen bestärkte er selbige mit solchen und ähnlichen Äußerungen.

Zusammenfassung

Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigte sich mit der „Berichterstattung zur Handke Kontroverse in serbischen Printmedien im Jahr 1996“, wobei aus diskursanalytischer Perspektive der Frage nachgegangen wurde, welche Rolle dem serbischen Nationalismus entstammende Sprach- und Denkmuster in den analysierten Beiträgen spielten. Um die theoretische Basis der Arbeit offenzulegen, wurde im ersten Teil geklärt, was in dieser Arbeit unter 'Diskurs' verstanden wird. Als Diskurs wurden jene Sprach- und Denkmuster definiert, die zu einem gegebenen Zeitpunkt in einem gegebenen gesellschaftlichen Kontext die Deutung und Herstellung von Wirklichkeit regeln. Die Möglichkeit, eine außersprachliche Wirklichkeit zu erkennen, wurde verneint und Wahrheit als „rhetorisches Produkt“ (Jeßing/Köhnen o.J.: 327) definiert, das innerhalb bestimmter Machtkonstellationen entsteht. Um trotz der Unmöglichkeit, eine transzendente Wirklichkeit zu entdecken, Ideologien kritisieren zu können, wurde zwischen Äußerungen unterschieden, die hegemoniale Diskurse in Frage stellen, und solchen, die die scheinbare 'Natürlichkeit' hegemonialer Diskurse bestätigen und damit auch verstärken. Eine Kritik an letzteren ist aber immer nur aus der Position einer „subjektiven 'Wahrheit'“ (Jäger 2013: 208) möglich, deren Grundannahmen transparent gemacht werden müssen. Aus diesem Grund wurde der zweite Teil der Arbeit, welcher sich mit dem für selbige relevanten Kontext beschäftigt und so dazu beitragen soll, einzelne in den Beiträgen aufgefundene Aussagen sinnvoll einordnen zu können, auch mit allgemeinen Überlegungen zur 'Nation' eröffnet. Damit sollte die Perspektive, von welcher aus der serbische Nationalismus behandelt wird, offengelegt und hinterfragbar gemacht werden. Die Nation wurde als 'gedachte Ordnung' definiert und insofern als ein historisch kontingentes, soziales Konstrukt begriffen, das Menschengruppen zu 'vorgestellten Gemeinschaften' zusammenschließt. Nationen sind also nicht metageschichtlich gegeben, wie dies vor allem von nationalistischer Seite behauptet wird. Mit der Beantwortung der Frage, unter welchen Umständen sich eine Bevölkerung mit einer Nation identifiziert und eine emotionale Bindung zu dieser herstellt, wurde das Kapitel zum serbischen Nationalismus eingeleitet. Nationalismus wurde allgemein als Nationalstolz definiert, welcher vor allem in Krisenzeiten innerhalb einer bestimmten Bevölkerung Verbreitung finden kann. Gerade die

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Konstruktion eines von anderen Nationen ausgehenden Bedrohungsszenarios führt in solchen Zeiten zu einer verstärkten Homogenisierung nach innen und Abgrenzung nach außen, womit eine zunehmend mit 'emotionalen Kollektivwerten' besetzte Personalisierung von Nationen einhergeht. Mit dieser Personalisierung ist die Wahrnehmung der serbischen Nation als Körper verbunden, für den fremde Einflüsse ebenso wie von den (vermeintlichen) Interessen des Kollektivs abweichende individuelle Interessen als schädlich empfunden werden. Wie die aus einer solchen Sichtweise resultierende Abschottung nach außen positiv bewertet werden konnte, wurde in der Folge unter Berücksichtigung des geopolitischen Imaginariums Europas erläutert: Im serbischen Nationalismus wird die vonseiten des 'Westens' unterstellte Rückständigkeit als 'Natürlichkeit' positiv umgewertet und zum höchsten Wert der Nation erhoben. Dementsprechend wird argumentiert, dass diese 'Natürlichkeit' dem 'Westen' aufgrund seines blinden Materialismus und Fortschrittsglaubens abhanden gekommen ist. Die 'Natürlichkeit' der Nation wird so zu etwas, das gegenüber dem Westen bewahrt werden muss. Von diesen Überlegungen ausgehend wurden in der Folge jene als 'natürlich' erachteten Kriterien behandelt, welche die Zugehörigkeit zur Nation definieren. Als für den serbischen Nationalismus wichtigstes Kriterium wurde die gemeinsame Abstammung aller Angehörigen der serbischen Nation definiert, für welche insbesondere die Geschichte und die Sprache als Beweis dienen. Die Sprache wurde wiederum sowohl als Beweis für die gemeinsame Abstammung als auch als eigenständiges Kriterium definiert, wobei insbesondere auf die Bedeutung der Philosophie Herders, wonach sich in der Sprache der 'Volksgeist' manifestiert, und auf die Rolle von Schriftstellern eingegangen wurde. Als zweites bestimmendes Kriterium wurde, wenngleich der Abstammung grundsätzlich unter- geordnet, die Kultur definiert. Hierbei wurde festgestellt, dass innerhalb des serbischen Nationa- lismus keine Einigkeit herrscht, welche kulturelle Tradition dem Wesen des serbischen Volkes entspricht. Daraus folgte der wechselseitig geäußerte Vorwurf, der jeweils andere 'verrate' oder 'gefährde' das wahre Serbentum. Insbesondere vonseiten des Regimes wurde die serbische ländliche Kultur zur wahren serbischen Kultur stilisiert, während vor allem Vertreter der nationalistischen Opposition in Orthodoxie und byzantinischer Hochkultur die authentische serbische Kultur zu entdecken glaubten. Nach der Besprechung der Kriterien, welche herangezogen werden, um die Zugehörigkeit zur serbischen Nation zu definieren, wurden in der Folge die Charaktereigenschaften, welche der als homogen erachteten Nation zugeschrieben werden, behandelt. Stereotype wurden als „reduktionistische Ordnungsraster“ (Lüsebrink 2005: 88) definiert, welche insbesondere im öffentlichen Diskurs in erster Linie als Hilfsmittel in der politischen Argumentation dienen und insofern „uprošćeni, bespogovorni argumenti“ (Milosavljević 2002: 21) darstellen. Des Weiteren wurde zwischen Auto- und Heterostereotypen der Serben unterschieden. Erstere vermitteln in erster 115

Linie ein Idealbild und haben insofern direktive Funktion. Als stereotypes Hauptcharakteristikum der Serben kann dabei der Umstand erachtet werden, dass sie 'geistige' Werte über 'materiellen' Besitz stellen, was sich nach der Ideologie des serbischen Nationalismus besonders deutlich an drei Charaktereigenschaften der Serben zeigt, nämlich ihrer Leidensfähigkeit, ihrer Heldenhaftigkeit und ihrem Freiheitssinn. Bei der Behandlung der Heterostereotype wurde eingangs die Beschränkung auf die Stereotype über den Westen damit gerechtfertigt, dass dieser nach Friedensschluss als Hauptbedrohung für die Serben gesehen wurde. Eine Bedrohung geht vom Westen aufgrund dessen geistlosen Materia- lismus und Bereicherungsdrangs aus, welcher insbesondere in Bezug auf Deutschland in einem blinden Fortschrittsglauben gesehen wird. Zuletzt wurde in diesem Kapitel auf die narrativen Zusammenhänge eingegangen, in welchen die unterstellten stereotypen Eigenschaften besonders gut zum Ausdruck kommen. Als solche 'Wesensgeschichten' wurden Mythen definiert, wobei eingangs auf das mythische Denken, wie es Ernst Cassirer beschrieben hat, näher eingegangen wurde. Davon ausgehend wurden Mythen als 'Wesensgeschichten' definiert und auf die spezifische Rolle verwiesen, die Mythen im politischen Bereich spielen können. Nach dieser allgemeinen Beschreibung von Mythen wurden zwei den serbischen Nationalismus bestimmende Mythen näher erläutert, der Kosovo-Mythos und der zeitgenössische Mythos von einer Verschwörung des Westens gegen Serbien. Der Kosovo-Mythos vermittelt die Vorstellung vom serbischen Volk als 'auserwähltem Volk', die Protagonisten zeichnen sich durch die typischen Autostereotype der Serben aus. Der im serbischen Nationalismus immer wieder bedeutsame Verrat wurde in diesem Mythos von Vuk Branković begangen. Der Mythos von der Verschwörung gegen Serbien kann grundsätzlich als einfachste Erklärung für die Ereignisse der 90er-Jahre in Serbien gesehen werden. Je nach Betrachtungsweise stellt er ein machterhaltendes Mittel des Regimes dar, welches dazu diente, die Verantwortung für die missliche Lage auf 'den Westen' abzuwälzen, oder einen Versuch der Bevölkerung, die undurchsichtigen Ver- hältnisse in Serbien zu begreifen. Ziel der Verschwörung ist es auf jeden Fall, Serbien zu ver- nichten. Als Kollaborateur des Westens wurde dabei insbesondere die antinationalistische Opposi- tion Serbiens stigmatisiert. Der zweite relevante Kontext ist Handkes Serbien-Text Winterliche Reise. Um der Gefahr zu entgehen, diesen allein aus politischen Gesichtspunkten zu behandeln, wurde vorab Handkes Literaturverständnis näher beschrieben, um so Kontinuitäten zwischen dem Gesamtwerk und der Winterlichen Reise ausmachen zu können. Von diesem ausgehend konnte dargelegt werden, dass sich Handkes Hinwendung erst zu Jugoslawien und in der Folge zu Serbien schlüssig aus dessen Literaturverständnis erklären lässt, weshalb eine allein auf die politischen Aspekte fokussierte Lesart der Winterlichen Reise nicht die einzig mögliche ist. Diese Erkenntnis ermöglichte es im 116

Zuge der Analyse der Beiträge eine kritische Distanz zu den aufgefundenen Beiträgen, welche sich fast ausschließlich mit den politischen Aspekten des Textes auseinandersetzen, einzunehmen. Die Besprechung von Handkes Winterlicher Reise wurde mit einem kurzen Überblick über die Veröffentlichungsgeschichte des Textes eröffnet, welche die Gründe für die Diskrepanz zwischen der vom Autor vorgeschlagenen und aus seinem Literaturverständnis ableitbaren Lesart und der die Regel darstellenden, auf die politischen Aspekte reduzierten Lesart des Textes darlegen sollte. Diese beiden Lesarten wurden in der Folge am Text selbst dargestellt, wobei festgestellt wurde, dass beide Lesarten legitim und keine Lesart die jeweils andere gänzlich für ungültig erklären kann. In der Folge wurde die vom Autor vorgeschlagene Lesart des Textes ernstgenommen, wonach der Text als Verweis auf die unzähligen Möglichkeiten der Welterfahrung zu verstehen ist. Deshalb wurde zunächst auf die Polyphonie des Textes eingegangen, welche es unmöglich macht, die Bedeutung des Textes auf die Verkündigung einer Wahrheit durch den Autor zu reduzieren. Da der Text aber vom Großteil der Leserschaft als Verkündigung eben einer solchen Wahrheit gelesen wurde, wurde in der Folge die Wahrnehmung des Ich-Erzählers eingehend behandelt, welche sich insbesondere durch seine Kritik an den Medien einerseits und seine Suche nach Authentizität andererseits auszeichnet. Im Zuge dessen wurde auf die Parallelen zum serbischen Nationalismus verwiesen. Insofern konnte festgestellt werden, dass die Wahrnehmung des Ich-Erzählers trotz des gegenteiligen Anspruchs nicht vermag, aus den gegebenen Diskursen auszubrechen, und sich damit auf einen Gegendiskurs beschränkt, der gleich schablonenhaft konstituiert ist, wie der im Text kritisierte herrschende Diskurs. In der Folge wurde noch auf die Friedensbotschaft des Textes eingegangen, welche sich an die Bevölkerung des ehemaligen Jugoslawien richtet und im Vorschlag zum Ausdruck kommt, abseits der Politik wieder nach dem Verbindenden zu suchen. Abgeschlossen wurde das Kapitel mit einem kurzen Überblick über die Rezeption der Winterlichen Reise im deutschsprachigen Raum. Die Analyse der Beiträge zur Handke-Kontroverse wurde mit einer allgemeinen Beschreibung des Korpus eingeleitet. In dieser wurden die einzelnen Printmedien, welchen die Beiträge entnommen sind genannt und die Auswahl der herangezogenen Printmedien begründet. Danach wurde ein kurzer Überblick über die Veröffentlichungsgeschichte der Winterlichen Reise in Serbien gegeben und der Verlauf der Berichterstattung umrissen. Hier konnte festgestellt werden, dass sich die Berichterstattung auf die politischen Aspekte konzentriert. So stellt die im Westen geführte Kontroverse einen Schwerpunkt der Berichterstattung dar. Das ist einerseits an den zahlreichen veröffentlichten Stellungnahmen insbesondere aus deutschsprachigen Printmedien erkennbar, aber auch am eigentlichen Analysematerial, welches sich auf exklusiv für serbische Printmedien verfasste Beiträge serbischer Autoren beschränkt. Den zweiten Schwerpunkt der Berichterstattung stellt Handkes erneuter Besuch in Belgrad im Mai des Jahres 1996 dar, bei dem weniger der Text als 117 die Person Peter Handke im Vordergrund stand. Die politische Instrumentalisierung dieses Ereignis- ses wurde in verschiedenen Beiträgen explizit thematisiert. Aus dem Umstand, dass einige Beiträge zur Handke-Kontroverse auch dazu dienen, Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen Serbiens zu üben, ergab sich schließlich die Einteilung der Analyse in drei Bereiche: 1) Die Darstellung der Person Peter Handke, 2) Die Darstellung der im Westen geführten Handke- Kontroverse, 3) Die Darstellung der serbischen Gesellschaft. Innerhalb dieser Bereiche wurden affirmative und kritische Beiträge getrennt analysiert. Wie im Zuge dieser Analyse nachgewiesen werden konnte, spielen verschiedene Denkmuster des serbischen Nationalismus in den affirmativen Beiträgen eine wichtige Rolle. So wird in diesen die gesamte Kontroverse als weitere Episode des Mythos einer Verschwörung des Westens gegen Serbien interpretiert. Dementsprechend zeichnen sich diese Berichte vor allem durch Schwarz- Weiß-Malerei aus. Die Protagonisten dieser Episode (Handke, der Westen und Serbien) werden mit den im serbischen Natioanlismus üblichen Charaktereigenschaften beschrieben. Handkes Eintreten für Serbien wird in den Beiträgen nur vordergründig durch seine enge Verbindung zu Jugoslawien erklärt, wobei vor allem die Erhebung Handkes zum 'jugoslawischen Autor' der Legitimierung Handkes als kompetenten Sprecher zu dienen scheint. Seine slowenischen Wurzeln werden einerseits als Beleg für die Objektivität Handkes gesehen, insofern er als einziger nicht dem slowenischen Nationalismus verfallen ist. Andererseits werden sie in einen Zusammen- hang mit dem vom Deutschen ausgehenden Assimilationsdruck gestellt und so als Beleg aus erster Hand für die Notwendigkeit interpretiert, sich dem deutschen Einfluss zu widersetzen. Als eigentlicher Grund für Handkes Eintreten für Serbien wird in den meisten Beiträgen aber seine Suche nach der Wahrheit genannt. Handke wird zum Einzigen (oder einem der Wenigen) stilisiert, der sich dem vermeintlichen Lügengebäude des Westens entgegenstellt. Dem Text wird dementsprechend eine eindeutige Aussage zugeschrieben, welche als Verkündigung der 'korrekten Wahrheit' dargestellt und dem Autor zugeschrieben wird. Die Betonung des literarischen Status Handkes dient in diesem Zusammenhang zum einen dazu, seinen Stellungnahmen Gewicht zu verleihen und im Rückschluss jegliche Kritik an Handkes Text von vornherein zu entwerten, wodurch eine Beschäftigung mit einzelnen Kritikpunkten vermieden werden kann. Zum anderen wird Handkes Status auch in einen direkten Zusammenhang mit der Vorstellung einer Verschwörung gegen Serbien gestellt. So ist immer wieder das Argument zu finden, dass die um Handke entstandene Kontroverse die Existenz dieser Verschwörung belege, da nicht einmal bedeutende Persönlichkeiten vor einer Hetzkampagne gefeit sind, wenn sie versuchen, die Wahrheit zu sagen. Indem Handke zu jemandem stilisiert wird, der als einziger die Wahrheit sagt, erscheint er auch als Nonkonformist, der sich im Gegensatz zur Mehrheit im Westen unabhängig ein Bild von den tatsächlichen Verhältnissen machen möchte. Dementsprechend wird immer wieder auf Handkes 118

Objektivität und Unbeeinflussbarkeit verwiesen, welche sich etwa darin zeigt, dass er auf eigene Kosten nach Serbien reist. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auch hervorgehoben, dass Handke sich nicht wie ein typischer Österreicher oder Deutscher verhält, etwa indem er dem blinden Fortschrittsglauben Deutschlands seine Zweifel entgegenstellt und so zum 'Gewissen' Deutschlands oder des ganzen Westens wird. Außerdem wird in einigen Beiträgen die Erinnerung an Thomas Mann und damit an die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs aktiviert, wodurch der Eindruck einer kontinuierlichen Bedrohung Serbiens vonseiten des Faschismus entsteht. Das Schicksal der Serben erscheint so dem Schicksal der Juden gleichwertig, was auch in verschiedenen Beiträgen zum Ausdruck kommt. Ein weiterer Beleg für Handkes Einzigartigkeit wird schließlich darin gesehen, dass er es bewusst in Kauf genommen hat, der Wahrheit zuliebe zum Opfer einer Kampagne zu werden und damit das Schicksal der Serben zu teilen. Dies wird als Beweis für Handkes Objektivität gesehen, denn wie die Serben selbst stellt er, so die dominante Sichtweise, den 'geistigen' Wert der Wahrheit über alle 'weltlichen' Interessen und ist sogar bereit, seine Karriere als Schriftsteller zu opfern. Insofern kann die Beschreibung Handkes als stereotype Beschreibung des serbischen Helden gesehen werden: So zeichnet auch er sich durch eine besondere Tapferkeit und moralische Reinheit aus, wobei er als herausragende Persönlichkeit dazu in der Lage ist, die Serben von ihrem Leid zu befreien. Dass Handke zudem mit dem serbischen Helden Banović Strahinja verglichen wird und in einem anderen Beitrag Miloš Obličić zum Weggefährten erhält, untermauert diesen Eindruck. Im Gegensatz dazu wird insbesondere Deutschland als Feind Serbiens dargestellt. Dieses wird in den Beiträgen, wie für den serbischen Nationalismus typisch, als von einem blinden Fortschrittsglauben und Materialismus durchdrungen und allein durch die Wirtschaft zusammengehalten dargestellt. Wirtschaftliche Interessen werden auch als Hauptgrund für die vermeintliche Verschwörung gegen Serbien gesehen, wobei hier immer wieder auch die Kontinuität einer faschistischen Bedrohung suggeriert wird. Bedeutende Akteure in dieser Verschwörung sind die Medien, welche dann entweder im Dienste der wahren, nicht weiter benannten Machthaber der 'Neuen Weltordnung' die westliche Öffentlichkeit und damit auch die westlichen Regierungen manipulieren oder direkt im Dienst der westlichen Regierungen stehen. Entsprechend werden die Medien als Kriegspartei während des Zerfalls Jugoslawiens dargestellt, welche die Öffentlichkeit bewusst manipuliert und indoktriniert und die Serben 'verteufelt' haben. Die Serben erscheinen so als das wahre Opfer während des Zerfalls Jugoslawiens, während 'der Westen' und die anderen Kriegsparteien als 'Handlanger des Westens' als die eigentlich Schuldigen erscheinen. Einer Beschäftigung mit der eigenen Verantwortung kann so aus dem Weg gegangen werden. Die um Handkes Text entstandene Kontroverse wurde vor diesem Hintergrund in erster Linie als hysterische Reaktion angesichts der Aufdeckung jener Verschwörung durch Peter Handke und somit 119 als Beleg für die tatsächliche Existenz dieser Verschwörung gesehen. Dass Handke die teils polemischen Reaktionen selbst provoziert hat, wurde weitgehend ausgespart und so ein Kontrast zwischen dem 'friedliebenden Handke' und den 'aggressiven Medien' hergestellt, wobei hier zu sagen ist, dass die teils sehr polemischen Reaktionen eine solche Interpretation nicht allzu schwer gemacht haben. In jedem Fall wurde die Kontroverse als einhellige Verurteilung des Schriftstellers und damit als erneutes Aufflammen des zuvor gegen Serbien und jetzt gegen Handke geführten Medienkrieges dargestellt, was sich auch in den zur Beschreibung der Kontroverse verwendeten Formulierungen widerspiegelt. Dabei wurde die unterstellte Hysterie mitunter auch als erwartbare Reaktion auf die durch Handkes Text ausgelöste 'Erweckung' gesehen, womit vor allem nach Handkes erneutem Besuch und angesichts einiger affirmativer Reaktionen in den westlichen Medien immer wieder die Hoffnung einherging, dass mit Handkes Text das Ende der Verschwörung gegen Serbien eingeläutet ist. Bei der Darstellung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse Serbiens scheint neben der Darstellung des serbischen Volkes als Opfer, die sich aus dem Mythos der Verschwörung gegen Serbien ergibt, vor allem das Thema des 'Verrats' und damit einhergehend der 'Kulturlosigkeit' im Vordergrund zu stehen. Während Handke als 'Beschützer der Serben' dargestellt wird, werden in den Beiträgen immer wieder auch innerhalb Serbiens Feinde der wahren serbischen Kultur ausgemacht. Besonders häufig wird die antinationalistische Opposition als 'Verräter' stigmatisiert und als Kollaborateur des Westens dargestellt. Mitunter erscheinen aber auch das Regime, da es dem Dayton-Friedensvertrag zugestimmt hat und mit seiner geistlosen Propaganda das Volk einlullt, oder Vuk Karadžić als Verräter am wahren Serbentum. Letzterer, da er mit seiner an der bäuerlichen Sprache orientierten Sprachreform die Verbindung zum geistigen Erbe des Serbentums gekappt hat und damit für die dem serbischen Volk attestierte 'Kulturlosigkeit' verantwortlich ist. Verrat droht auch von all jenen, die versuchen, Handkes als aufrichtig und von keinen 'weltlichen' Interessen geleitet angesehene Intention für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Hierbei ist auffallend, dass sich viele der Verfasser von Beiträgen selbst dieses Vorwurfs zu verwehren versuchen, indem sie sich als seit langem ergebene Leser Peter Handkes positionieren. Auch in den kritischen Beiträgen stehen politische Aspekte im Vordergrund. Der Text wurde auch hier als politisches Statement des Autors gelesen. Hier ist in erster Linie der Versuch festzustellen, einzelnen Aussagen zu widersprechen, die in den, den herrschenden Diskurs bestimmenden Beiträgen gebetsmühlenartig wiederholt werden. So wird Handkes literarischer Status zwar nicht in Frage gestellt, aber nicht als Argument dafür gesehen, dass sein Serbien-Text die Wahrheit über die Serben verkündet, sondern festgestellt, dass auch ein solch bedeutender Schriftsteller Dummheiten schreiben kann. Handke erscheint so vor allem als naiv, insofern als er nicht bemerkt, wem er mit seinen Statements in die Hände spielt und von wem er instrumentalisiert wird. Auch dass Handke 120 völlig selbstlos handelt und allein der Wahrheit verpflichtet ist, wird in einzelnen Beiträgen hinterfragt und die Vermutung geäußert, dass es Handke eher um Publizität und die Steigerung seiner Verkaufszahlen geht. In Frage gestellt wird in diesen Beiträgen auch, ob die Verurteilung Handkes in den westlichen Medien tatsächlich so einhellig ist, wie in den meisten Beiträgen dargestellt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Berichterstattung zur Handke-Kontroverse in erster Linie aus politischer Perspektive erfolgt und sich die Einstellung zu Peter Handke meist aus der Haltung gegenüber dem dominanten politischen Diskurs ergibt, welcher stark nationalistisch geprägt ist. Insofern sind auch die wenigen kritischen Stimmen dem 'anderen Serbien' zuzuordnen, welches antinationalistische Positionen vertrat. Die Friedensbotschaft des Textes blieb vor diesem Hintergrund im Großen und Ganzen unberücksichtigt, wobei, wie dargestellt, auch Handke selbst in Interviews das Seine tat, diese Botschaft in den Hintergrund zu drängen und die im herrschenden Diskurs bereits etablierten Freund/Feind-Schemata zu bestärken.

Sažetak

Ovaj diplomski rad nosi naslov Danke Handke. Izvještavanje o kontroverzi oko Petera Handkea u srpskim tiskanim medijima 1996. godine. Pitanje na koje se želi naći odgovor putem analize priloga prikupljenih u različtim srpskim tiskanim medijima glasi: „Koju je ulogu odigrala srpska nacionalistička ideologija pri izvještavanju o toj kontroverzi?“ Budući da ovaj rad sebe shvaća u tradicji analize diskursa u prvom od tri glavna dijela obrađen je pojam 'diskurs' kako ga koristi (post-)strukturalistička teorija diskursa. Kao 'diskurs' definirani su misaoni i jezički obrasci koji u datom društvenom okviru i u datom povijesnom trenutku uređuju interpretaciju i proizvođenje stvarnosti. Time, stvarnost nije shvaćena kao transcendentalan fenomen koji se na objektivan način može razotkriti, već kao povijesno kontingentan 'retorički proizvod' koji je črvsto vezan za moć. Iz te perspektive problem je nemogućnost kritiziranja pojedinih misaonih obrazaca kao 'ideologije' u smislu pogrešne svijesti. Ovaj je problem riješen time što je u ovom radu ideologija definirana kao 'znanje u službi moći' koja se može kritizirati iz perspektive 'subjektivne istine'. Pri tome se teži tome da temeljne pretpostavke te 'subjektivne istine' postanu što je više moguće transparentne. Iz tog razloga, drugom dijelu rada koji se bavi kontekstom bitnim za ovaj rad, prethodi kratko poglavlje u kojem je opisana perspektiva iz koje se u ovom radu gleda na 'naciju'. 'Nacija' je definirana kao povijesno kontingentan socijalni poredak koji spaja određene grupe ljudi u 'imaginarnim zajednicama'. Dakle, nacije iz te perspektive ne

121 predstavljaju metapovijesni fenomen nego su stvorene u određenim povijesnim situacijama i pod specifičnim socijalnim uslovima. Poglavlje o srpskom nacionalizmu, koje predstavlja prvi od dva dijela konteksta, započeto je konstatacijom da je u srpskom nacionalizmu, za razliku od pretpostavke ovog rada, nacija shvaćena kao objektivan fenomen koji postoji neovisno o povijesnim uslovima. Polazeći od toga opisano je, kako je u srpskoj nacionalističkoj ideologiji nacija predstavljena kao osoba koja posjeduje tijelo i čija se homogenost mora čuvati stranih, za nju štetnih utjecaja, kako bi zadržala svoju prvobitnu 'prirodnost' shvaćenu kao najbitniji zalog za njezin opstanak. Slijedećim su korakom predstavljeni različiti kriteriji koji određuju tko pripada srpskoj naciji, a tko ne, pri čemu je zajedničko porijeklo predstavljeno za srpski nacionalizam kao najbitniji kriterij kojem su svi ostali potčinjeni. Kao dokaz zajedničkog porijekla svih pripadnika srpske nacije služe i povijest i jezik, dok jezik i sam predstavlja kriterij pripadnosti. Kultura, inače potčinjena zajedničkom porijeklu, u ovom radu tematizirana je kao samostalan kriterij, jer mogu se, polazeći od kulturne tradicije na koju se pozivaju različiti nacionalistički akteri, razlikovati dvije glavne struje unutar srpske nacionalističke ideologije. Te dvije tradicije su 'seljačka kultura' s jedne i 'bizantska kultura' s druge strane. Njihovi pripadnici su jedni drugima za vrijeme 90-ih predbacivali da je onaj drugi 'nekulturan,' odnosno da izdaje 'pravu srpsku kulturu' (takvim 'izdajicama' smatrani su uostalom i pripadnici antinacionalističke opozicije koji su stigmatizirani kao 'lažni kozmopoliti'). Nakon što su opisani kriteriji koji određuju pripadanje srpskoj naciji, obrađene su karakterne osobine koje se u srpskom nacionalizmu pripisuju srpskoj naciji i drugim nacijama. Te karakterne osobine nazvane su 'stereotipima' koji pojednostavljuju kompleksnu realnost i koji u javnom diskursu služe kao „uprošćeni, bespogovorni argumenti“ (Milosavljević 2002: 21). Stereotipi o srpskoj naciji pri tome predstavljaju idealnu sliku pripadnika srpske nacije koji se prvenstveno ističu time što duhovnim vrijednostima daju prednost prema svoj profanoj materijalnosti. Iz te glavne karakterne osobine mogu se izvesti tri druge važne osobine koje se pripisuju srpskom narodu, naime 'mučeništvo', 'junaštvo' i 'slobodarstvo'. Za razliku od toga, Zapad je u srpskom nacionalizmu okarakteriziran po bezdušnom materijalizmu koji ugrožava srpsku naciju. Na kraju ovog poglavlja tematizirani su mitovi koji su od važnosti za srpsku nacionalističku ideologiju. Mit je definiran kao priča o biti koja se bazira na specifičnom modelu razmišljanja i koja može odigrati specifičnu ulogu u političkom području. Kao najbitniji mit u srpskom nacionalizmu predstavljen je Kosovski mit u kojem nalazimo predstavu o srpskom narodu kao 'nebeskom narodu', čiji se protagonisti ističu stereotipnim karakternim osobinama, tipičnim za srpski nacionalizam. Kao primjer suvremenog mita može se navesti teorija o svjetskoj zavjeri protiv Srbije, koja je bila vrlo popularna u Srbiji tijekom 90-ih. Ta teorija se s jedne strane može smatrati sredstvom održavanja moći od strane Miloševićeva režima koji je time pokušao odbaciti svu odgovornost na vanjskog 122

'neprijatelja' ili kao pokušaj stanovništva da nađe odgovor na pitanje „Šta nam se događa?“, odgovor koji je u sve mutnijoj društvenoj situaciji u Srbiji bilo sve teže naći. Drugi za ovaj rad bitan kontekst jest Handkeov tekst o Srbiji Zimsko putovanje. Kako bi se izbjegla opasnost, baviti se ovim tekstom isključivo putem vizure političkog ključa te time ostati na istoj razini koja dominira i većinu analiziranih priloga - što bi onemogućilo uspostavljanje kritičke distance prema njima - pokušalo se približiti tekstu kroz Handkeovo shvaćanje književnosti. Tako se uspjelo pokazati da se Handkeovo obraćanje Jugoslaviji, a poslije Srbiji, može uvjerljivo objasniti njegovim shvaćanjem književnosti. Političko čitanje time nije jedini mogući način čitanja tog teksta. Naposljetku spisateljeva intencija, po kojoj tekst želi ukazati na mogućnost brojnih različitih interpretacija svijeta, shvaćena je ozbiljno i tematizirana je polifonija, koja se može pronaći u tekstu i koja sprečava da se značenje teksta svede na navještenje jedne istine od strane autora. A budući da je većina čitatelja pročitala tekst upravo na taj način, slijedeći dio ovog poglavlja se bavi percepcijom pripovijedača u prvom licu koja se ističe kritikom zapadnih medija i potragom za autentičnošću. U tom kontekstu tematizirana je i paralela između te potrage za autentičnošću i ideologije srpskog nacionalizma. Iz toga se moglo zaključiti da percepcija pripovijedača u prvom licu ne uspijeva izbiti iz danih diskursa nego ostaje u postojećim okvirima. Time se svodi na obični protudiskurs, onoliko šabloniziran koliko i sam diskurs koji kritizira. Na kraju je tematiziran i poziv za mir, izrečen u epilogu teksta, koji se obraća čitalaštvu u bivšoj Jugoslaviji koje po pripovjedaču treba – neovisno o politici - težiti zajedničkom doživljaju svakodnevnog života, ne bi li se tako približili jedni drugima. Poglavlje završava kratkim pregledom o recepciji Zimskog putovanja na njemačkom govornom prostoru. Treći dio rada, tj. analiza priloga o kontroverzi oko Petera Handkea u srpskim tiskanim medijima (pojam obuhvaća novine i knjige), započet je općim opisom korpusa. Obrazložen je izbor tiskanih medija kojem slijede: pregled o različitim kategorijama pronađenih priloga koji se svrstavaju u prijevode odnosno odlomci iz Zimskog putovanja, reakcije na tekst preuzete iz stranih novina i prvi put u srpskim tiskanim medijima objavljeni prilozi. Dok su prilozi iz prve dvije kategorije uzeti u obzir, sama analiza se fokusira na priloge treće kategorije. Tako se moglo napraviti razlikovanje između dva glavna težišta u izvještavanju o kontroverzi. Naime kontroverza na Zapadu (prije svega u Njemačkoj) i Handkeov drugi posjet Srbiji u svibnju 1996. o kojem su sve novine izvještavale i koji predstavlja vrhunac političke instrumentalizacije te godine. Pored afirmativnih priloga pronađen je i manji broj kritičkih članaka. Sama analiza priloga obuhvaća tri područja koja proizlaze iz općeg opisa korpusa: 1) prikaz osobe Petera Handkea, 2) prikaz zapadne kontroverze oko Petera Handkea, 3) prikaz suvremenog političkog i društvenog stanja Srbije. Unutar svakog područja, afirmativni i kritički prilozi odvojeno se analiziraju. Analizom afirmativnih priloga prikazano je da misaoni obrasci porijeklom iz nacionalističke 123 ideologije igraju važnu ulogu. Dakle, čitava kontroverza je prikazana kao nova epizoda mita o svjetskoj zavjeri protiv Srbije, te se samim time ističe izrazitim šabloniziranjem: Peter Handke je prikazan kao hrabar otkrivač te zavjere koji stavlja duhovnu vrijednost istine ispred svih profanih interesa i time postaje savjest bezdušnim materijalizmom zaraženog Zapada, prije svega Njemačke. Prema tome, može se reći da je Handke prikazan kao tipični srpski junak kojem su pripisane sve stereotipične karakterne osobine i koji je sada krenuo osloboditi mučenički srpski narod od njegovog jada, na čemu mu se zahvaljuje euforičnom izrekom 'Danke Handke'. Zapad, a prije svega Njemačka, za razliku od toga, prikazan je kao neprijatelj Srbije koji se ističe slijepom posvećenosti napretku kojem su potčinjene sve duhovne i moralne vrijednosti. Shodno tome, sada žele osvojiti Srbiju kako bi širili svoje ekonomsko područje. Pogotovo je Njemačka promatrana glavnim pokretačem te zavjere čiji je motiv da svoj gubitak u Drugom svjetskom ratu pretvori u pobjedu. Time je stvoren dojam kontinuiteta fašističke prijetnje Srbiji. Važnu ulogu u tom poduhvatu igraju zapadni mediji, iako nije jasno jesu li sredstvo zapadnih vlada ili neimenovanih svjetskih moćnika 'Novog svetskog poretka'. U svakom slučaju po toj interpretaciji, mediji su vodili rat protiv Srbije u službi stranih interesa i time sami postali ratna strana u raspadu Jugoslavije koja je 'demonizovala' čitavi srpski narod. Iz toga proizlazi da su Srbi postali prava žrtva raspada Jugoslavije, dok Zapad i druge ratne strane, nazvane 'štićenicima Zapada', djeluju kao istinski dužnici. Kontroverza koja je nastala oko Handkeova teksta, u prvom redu prikazana je kao histerična reakcija na Handkeovo otkriće i time predstavlja dokaz da zavjera protiv Srbije uistinu postoji. Da je Handke svjesno provocirao i time sam izazvao neke od polemičkih reakcija, u većini analiziranih priloga nije uzeto u obzir. Ovim je stvoren kontrast između 'miroljubivog' Handkea koji je posvećen samo istini i 'agresivnih' medija koji rade sve da bi spriječili da 'prava istina' izađe na svijetlo dana. Dakle, kontroverza oko Handkea je prikazana kao obnavljanje medijskog rata, s jedinom razlikom što ovaj put nije uperen protiv Srba nego protiv samog autora. Prije svega, nakon Handkeova posjeta režimskim novinama izrečena je nada da sama kontroverza pokazuje na to da su pravda i istina o Srbiji na vidiku, dakle da se svjetskoj zavjeri protiv Srbije bliži kraj. Prije svega, reakcije na Zapadu koje nisu protiv Handkea smatrane su dokazom za to. U prilozima se često mogu naći i izjave o suvremenom političkom i društvenom stanju Srbije. Pored prikaza srpskog naroda kao nevine žrtve svjetske zavjere, važnu ulogu u tim izjavama igra tema 'izdaje'. Izdaja pojedinih pripadnika srpskog naroda jest u tome da izdaju pravu srpsku kulturu (u prvom redu antinacionalistička opozicija nazvana kolaboratorom sa Zapadom, a ponekad i sam režim, pa čak i Vuk Karadžić) ili da izdaju Handkeov iskreni poduhvat time što ga pokušavaju instrumentalizirati sukladno svojim političkim interesima. I u kritičkim prilozima fokus je na političkim aspektima. Tekstu je pripisano jedno isključivo 124 značenje koje se izravno pripisuje autoru. Autori navedenih priloga prije svega pokušavaju relativizirati pojedine izjave koje se u afirmativnim prilozima stalno ponavljaju. Handkeov literarni status u njima ne predstavlja dokaz da je pisac rekao istinu, nego upravo suprotno, naime dokaz da i veliki pisci znaju napisati glupost. Handke je shodno tome prikazan kao naivan (mada i dobronamjeran) čovjek koji ne primjećuje kome pomaže svojim izjavama. Sumnja se i u to da je Handkeu stalo samo do istine, a ne i do 'profanih interesa' kao što je to publicitet. Osim toga je ispitano, je li kontroverza na Zapadu uistinu tako jednodušna protiv Handkea kao što je često prikazana. Sve u svemu može sa zaključiti da se izvještavanje o kontroverzi oko Petera Handkea 1996. godine odvijalo u prvom redu iz političke perspektive i da je stav prema Handkeu prije svega uvjetovan stavom prema političkoj situaciji u Srbiji u to vrijeme, zbog čega su kritički glasovi ograničeni na tzv. 'drugu Srbiju' koja je bila antinacionalistički nastrojena. Poziv na mir koji se može pronaći u samom tekstu pod tim uslovima prošao je nezapaženo, a treba se istaknuti da je i sam Handke u intervjuima dao svoj doprinos da ta poruka bude gurnuta u pozadinu i da pojača već etablirani obrazac prijatelja/neprijatelja.

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Literaturverzeichnis

Primärliteratur-Korpus

Beiträge zur Kontroverse

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Übersetzungen:

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Aus dem Ausland übernommene Interviews mit Peter Handke

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Aus dem Ausland übernommene Beiträge zur Kontroverse

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