Mark T. Young, Sven Sachs & Pascal Abel Einblicke in die Evolution der alattosuchier – Meeres- krokodile des Mesozoikums

Die Gruppe der Crocodylomorpha, die alle heutigen Krokodile und deren aus- die vage an Zahnwale erinnern und die im offenen gestorbene Verwandte umfasst, hat eine lange, Ozean lebten. Hier möchten wir eine kurze Einfüh- rung in diese bemerkenswerte Gruppe, ihre Entde- abwechslungsreiche Evolution hinter sich. Ihre ckungsgeschichte und ihre außergewöhnliche Arten- ältesten Vertreter aus der Späten Trias (vor ca. vielfalt geben. 237 Millionen Jahren) waren noch reine Land- bewohner, deren Körperbau eher Windhunden Die Artenvielfalt der alattosuchier als heutigen Krokodilen glich. Die Thalattosuchier können grundsätzlich in zwei große evolutionäre Linien unterteilt werden: Teleo- sauroidea und Metriorhynchoidea. Beide Gruppen traten während des Frühen Jura, vermutlich im rst vor etwa 201 Millionen Jahren, mit dem Mas- unteren Toarcium (vor ca. 182 Millionen Jahren), in Esenaussterben an der Trias/Jura-Grenze, hat die Erscheinung, was uns Funde aus der Region Holz- Evolution der Crocodylomorphen eine neue Richtung maden in Baden-Württemberg, der Normandie in eingeschlagen. Dieses Ereignis besiegelte das Ende Frankreich und bei Whitby in England zeigen. zahlreicher Reptiliengruppen, die während der Spä- ten Trias Land, Gewässer und Küsten dominierten. Teleosauroidea Metriorhynchoidea Auf dem Festland erlaubten die nun freigewordenen ökologischen Nischen den frühen Dinosauriern, über Metriorhynchinae Geosaurinae die folgenden 50 Millionen Jahre eine hohe Diversität und globale Verbreitung zu erlangen. Den Crocodylo- sonstige frühe Teleosauroiden Machimosaurini Metriorhynchoidea morphen war es dagegen möglich, sich zu den was- serbewohnenden Raubtieren zu entwickeln, wie wir sie heute kennen. Innerhalb dieser Periode der evolutionären Inno- vationen hat schließlich auch eine Gruppe der Croco- dylomorpha damit begonnen, die Meere zu besiedeln und sich auf diesen Lebensraum in ihrer Lebens- und Ernährungsweise zu spezialisieren: die Thalattosu- 1: Vereinfachter Stammbaum der alattosuchier. chia (1). Die Thalattosuchia traten bereits früh (innerhalb Teleosauroidea von 10 Millionen Jahren nach dem Massensterben an der Trias/Jura-Grenze) sowohl in Europa als auch in Die Teleosauroiden lebten während des Jura und Südamerika in Erscheinung und blieben während des der Unterkreide in marinen und brackigen Ökosyste- gesamten Juras bis in die Unterkreide eine der domi- men, teilweise auch in Süßwasser . Sie waren schon nierenden Gruppen in ihrem Lebensraum. Im Laufe früh in ihrer Evolution Kosmopoliten, wie entspre- der Zeit entwickelten sich aus semi-aquatischen For- chende Funde aus Madagaskar, Europa, Indien und men, die den heutigen Gavialen ähnlich sahen, Arten, China belegen (Steel 1973). Die meisten Teleosauro-

16 · Fossilien · 3 · 2018 iden sahen mit ihrer langgestreckten Schnauze und den gavialartigen Teleosauroiden und den hochent- der hohen Zahnzahl auf den ersten Blick wie heutige wickelten marinen Metriorhynchiden. Ihre Fossilien Gaviale aus (2). Dies gilt jedoch nicht für alle Vertre- finden sich weltweit im Unter- und Mitteljura (vor ter dieser Gruppe. Zu nennen sei etwa die zu den ca. 182–166 Millionen Jahren), z. B. in Großbritannien, Teleosauriden gehörende Untergruppe der Machi- Frankreich, Deutschland, Portugal, China, Chile und mosaurini, die mit Gattungen wie Lemmysuchus (4) Oregon, USA (Wilberg 2015). Bei den meisten die- und Machimosaurus vom Mitteljura bis zur Unter- ser Fossilien handelt es sich um Schädelreste, die lei- kreide vorkamen. Machimosaurinen besaßen kegel- der wenig Aufschluss darüber geben, wie die spätere förmige Zähne und einen robusten Schädelbau, der Anpassung an den marinen Lebensraum vonstat- darauf hindeutet, dass sie sich von harten Beutetie- tenging. Der bekannteste basale Vertreter der Met- ren, wie Schildkröten oder dickschuppigen Fischen, riorhynchoiden ist Pelagosaurus typus, eine Art, die ernährten. Schildkrötenpanzer aus Oberjura-Kalken aus dem unteren Toarcium von Europa bekannt ist, der Schweiz sind außerdem häufig mit charakte- darunter auch durch Funde aus Holzmaden und Dot- ristischen runden Bissspuren und/oder Mach- ternhausen in Baden-Württemberg. Auf den ersten imosaurus-Zähnen (3) erhalten (Young et al. Blick erinnert die gavialartige Gestalt von Pela- 2014). gosaurus an einen Teleosauroiden, aber einige Die längsten Crocodylomorphen der Jurazeit Details machen eine Zuordnung zu den Met- sind ebenfalls unter den Teleosauroiden riorhynchoiden plausibel (z. B. seitlich aus- zu finden. Der größte bekannte Ver- gerichtete Augenöffnungen mit einem treter des Unterjura war Steneosaurus sklerotischen Ring oder die nach unten bollensis (mit > 5 m), aus dem Mittel- gekrümmten Rippen der Beckenwir- jura kennen wir Steneosaurus edwardsi bel). Alle anderen, nur fragmentarisch (~ 6,6 m) und während des Oberjura überlieferten Exemplare (Teleidosau- lebte Machimosaurus hugii (~ 6,9 m). In der Unterkreide war die aus Tunesien 3: Zahn von Machimosaurus hugii, oberes Kimmeridgium (Reuchenette- beschriebene Art Machimosaurus rex (~ Formation) von Solothurn (Schweiz). 7,15 m) zweifellos der Spitzenreiter (Young Höhe ca. 3 cm. Slg. Natural History et al. 2016). Museum, London.

2: Lebensrekonstruktion eines Metriorhynchoidea Teleosauroiden im Urweltmuseum Hauff , Holzmaden. Die zweite Gruppe der Thalattosuchier, die Metriorhynchoiden, lassen sich stammesge- schichtlich in zwei Untergruppen unterteilen. (A) Die Metriorhynchiden. Innerhalb der Evo- lution der Crocodylomorphen stellt diese Gruppe den Höhepunkt in der Spezialisierung an den mari- nen Lebensraum dar. Ihre Vertreter besaßen sowohl eine Schwanzflosse als auch zu Flossen umgestaltete Extremitäten. (B) Die basalen Metriorhynchoiden. Die Gestalt der basalen Metriorhynchoiden vermittelt zwischen

8 · 17 4: Schädel von Lemmysuchus obtusidens, mittleres Callovium (Oxford Clay Formation) von Peterborough (England). Länge ca. 1.4 m. Slg. Natural History Museum, London.

rus calvadosii, Eoneustes gaudryi, Zoneait nagorum) zeigen eine zunehmende Anpassung an den marinen Lebensraum. Die jüngsten bekannten basalen Metri- orhynchoiden stammen aus den seichten Meeresab- von kleinen und schnellen Beutetieren ernähren. lagerungen des Bathoniums von Frankreich, wo sie (B) Geosaurinen. Zu dieser Gruppe gehörten die gleichzeitig mit den großen Teleosauroiden vorka- größten Metriorhynchiden und Topräuber, wie etwa men. Zu dieser Zeit hatten sich allerdings auch bereits Dakosaurus, der in seiner Schädelmorphologie an die ersten echten Metriorhynchiden entwickelt. heutige Killerwale erinnert, aber auch kleinere Arten Die echten Metriorhynchiden sind vom Mittel- wie Geosaurus, der durch seinen schlanken, lang- jura bis zur Frühen Kreidezeit (vor ca. 168–125 Millio- gestreckten Körperbau entfernt einem Barrakuda nen Jahren) bekannt. Interessanterweise sind jedoch ähnelte. die bisher ältesten Metriorhynchiden bereits zu fort- schrittlich, um die Stammväter dieser Gruppe sein zu alattosuchier-Forschung – können. Dies bedeutet, dass die frühesten Vertreter frühe Entdeckungen der Metriorhynchoidae noch entdeckt werden müs- sen. Darüber hinaus ist derzeit noch unklar, wann die Thalattosuchier gehören zu den ersten Gruppen der Metriorhynchiden ausstarben. Das jüngste bekannte fossilen Reptilien, die in einer wissenschaftlichen Fossil dieser Gruppe ist eine isolierte Zahnkrone aus Zeitschrift benannt und beschrieben wurden. Bereits dem Aptium von Sizilien (Chiarenza et al. 2015). 1758 erschienen zwei Arbeiten, die von einem Tha- Stammesgeschichtlich können die echten Metrio- lattosuchier-Skelett (7) aus der Nähe von Whitby in rhynchiden in zwei Untergruppen gegliedert werden: Yorkshire, England, berichteten. In der ersten Arbeit (A) Metriorhynchinen. Diese Gruppe umfasst die stellte ein Kapitän namens William Chapman fest, am besten an den marinen Lebensraum angepassten dass dieses Skelett im Januar 1758 entdeckt wor- Formen. Es sind meist langschnauzige Arten, die sich den sei, während Morton & Wooller in der zweiten Arbeit klarstellten, dass es tatsächlich bereits zehn Jahre früher entdeckt worden war. Ungeachtet des- 5: Skelett von superciliosus, mittleres sen verursachte dieser Fund Meinungsverschieden- Callovium (Oxford Clay Formation) von Peterborough (England). Länge ca. 3 m. Paläont. Slg. Univ. Tübingen. heiten zwischen Naturalisten und Anatomen des

18 · Fossilien · 3 · 2018 frühen 18. Jahrhunderts. Einige sahen in dem Fossil scher Samuel Thomas v. Soemmerring (1755–1830). ein Tier, das eng mit den heute lebenden Krokodilen 1814 beschrieb dieser ein Skelett des teleosauroiden verwandt war, andere hingegen meinten, Merkmale Crocodilus priscus (heute: Steneosaurus priscus) (8A), von Walen und Delfinen zu finden. Nach unseren das in einem Steinbruch in Daiting bei Monheim in eigenen Studien handelt es sich bei diesem Exem- Bayern zum Vorschein gekommen war (Soemmerring plar um einen großen Teleosauroiden der Art Ste- 1814). Zwei Jahre später war es wiederum Soemmer- neosaurus bollensis. Tatsächlich war dieses Exemplar ring, der den ersten Metriorhynchoiden beschrieb wohl der erste fossile Crocodylomorphe, der in einer (Soemmerring 1816). Diese Art, die er für eine Echse wissenschaftlichen Arbeit behandelt wurde. Nach hielt und Lacerta gigantea nannte (jetzt Geosaurus seiner Entdeckung gelangte der Fund zunächst in die giganteus) (8B), wurde im selben Daitinger Stein- Sammlung der Royal Society in London und wurde bruch entdeckt, wenngleich in einer tieferen Schicht. 1781 ins British Museum überführt. Noch heute Dies bedeutet, dass Vertreter der beiden großen Tha- befindet sich das Exemplar im Londoner Natural lattosuchier-Gruppen bereits benannt und beschrie- History Museum. ben worden waren, noch bevor William Buckland In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wur- (1784–1856) dem ersten Dinosaurier im Jahr 1824 den in Europa, insbesondere in England, Frankreich, einen Namen gab. Deutschland und Italien, weitere Thalattosuchier 6: Skelett von Dakosaurus maximus, oberes entdeckt. Die früheste Arbeit, in der ein Thalattosu- Kimmeridgium (Torleite-Formation) von chier benannt wurde, stammt von dem Naturfor- Painten (Bayern). Länge ca. 4 m. Slg. der Werner Rygol GmbH, Painten.

7: Teilskelett eines Steneosaurus bollensis, unteres Toarcium (Whitby Mudstone-Formation) von Whitby (England). Diesen Fund stellte Kapitän Chapman im Jahre 1758 vor. Länge ca. 2 m. Slg. Natural History Museum London.

Fossilien · 3 · 2018 · 19 8: Historische Funde in den Publikationen von Samuel omas v. Soemmerring. A (oben): Skelett von Crocodilus priscus (heute: Steneosaurus priscus) (aus Soemmering 1814). B (unten): Schädel von Lacerta gigantea (heute: Geosaurus giganteus) (aus Soemmering 1816). Beide Funde stammen aus Daiting in Bayern.

Entdeckungen aus Deutschland Im Verlauf der letzten 200 Jahre kam in Deutsch- land eine Vielzahl verschiedener Thalattosuchier- Funde zum Vorschein. Wir geben nachfolgend einen kurzen Überblick über die wichtigsten Funde und Fundorte der jeweiligen Zeitalter. Im Unterjura muss an erster Stelle die Region um Holzmaden in Baden-Württemberg genannt werden, wo die Schichten der Posidonienschie- fer-Formation (Toarcium) viele oft vollständige Skelette lieferten. Diese Funde haben ihren Weg in die Museen in aller Welt gefunden. Der häu- figste in Holzmaden vertretene Thalattosuchier ist der bereits 1824 von George Cuvier (1769–1832) beschriebene Teleosauroide Steneosaurus bol- 9: Schädel von drei Teleosauroiden-Gattungen aus dem unteren lensis (9A). Weitaus weniger häufig sind die Gat- Toarcium (Posidonienschiefer-Formation) um Holzmaden (Baden- tungen Platysuchus (9B), ein Teleosauroide, und Württemberg). A (oben): Steneosaurus, Slg. Urweltmuseum Hauff Pelagosaurus (9C), ein basaler Metriorhynchoide. Holzmaden. B (Mitte): Platysuchus, Slg. Naturkundemuseum Stuttgart. Weitere, jedoch viel seltenere Thalattosuchier- C (unten): Pelagosaurus, Slg. Natural History Museum Budapest.

20 · Fossilien · 3 · 2018 10: Cricosaurus-Skelett mit partieller Weichteilerhaltung aus dem oberen Kimmeridgium (Torleite-Formation) von Painten. Länge ca. 2 m. Ausstellung im Bürgermeister Müller-Museum Solnhofen.

Funde aus dem Toarcium sind z. B. aus Mistelgau in Nusplinger Plattenkalk in Baden-Württemberg Bayern (Rabold & Eggmaier 2013), aus der Region und Dakosaurus maximus ist durch einen Skelett- um Braunschweig in Niedersachsen (Wincierz rest aus Staufen bei Giengen a. d. Brenz sowie zahl- 1967) sowie aus Ahrensburg bei Hamburg (Oertel reiche isolierte Zähne bekannt, insbesondere aus 1925) und Grimmen in Mecklenburg-Vorpommern Schnaitheim in Baden-Württemberg (Fraas 1902; (Stumpf 2012) bekannt. Young et al. 2012). Weiteres, jedoch weniger voll- Aus dem Mitteljura liegen Thalattosuchier- ständi ges Teleosauriden-Material liegt auch aus Funde aus der Ornatenton-Formation (Callovium) dem Kimmeridgium des Langenberg-Steinbruchs des Wiehengebirges in Nordrhein-Westfalen vor. bei Oker nahe Goslar vor (Karl et al. 2008). Eine his- Außer diversen Fragmenten, die Michelis et al. torische Thalattosuchier-Fundstelle ist das Stadt- (1996) beschrieben haben, sowie dem Unterkiefer gebiet von Hannover (Lindner Berg, Tönniesberg). eines Metriorhynchiden (Metzdorf 1997), ist ein Dort waren ebenfalls Schichten des Kimmeridgi- nahezu vollständiger Schädel der Gattung Tyranno- ums aufgeschlossen. Sie lieferten neben vielen neustes zu nennen, der erst kürzlich von Waskow et Zähnen der Gattungen Machimosaurus und Ste- al. (2018) vorgestellt wurde. Keiner der bisher aus neosaurus (Rades 2009) auch Schädel- und sonstige dem Mitteljura vorliegenden Skelettfunde ist auch Knochenfunde, die bereits von Selenka (1866) vor- nur annähernd vollständig. gestellt wurden. Dies ändert sich mit den Belegen aus dem Die Belege für Thalattosuchier aus der Kreide- Oberjura. Speziell aus den Plattenkalken des bay- zeit Deutschlands sind verhältnismäßig spärlich erischen Altmühltals (Kimmeridgium–Tithonium) und konzentrieren sich auf Funde aus dem Valan- liegen mehrere fast komplette und in Verband ginium von Niedersachsen. Bereits Koken (1883) erhaltene Skelette vor. Zu nennen wäre ein 4 m beschrieb Wirbel und andere Knochenreste aus langer, nahezu vollständiger Teleosauridenfund dem Osterwald, die er Enaliosuchus macrospondy- aus Eichstätt (Westphal 1965), sowie die Skelette lus nannte. Weiteres Material lieferte der Fundort der Metriorhynchiden Dakosaurus (6) und Cricosau- Sachsenhagen bei Hannover, von wo neben Einzel- rus (10) aus den kieseligen Plattenkalken von Pain- knochen ein recht vollständiger Schädel eines Met- ten. Hinzu kommen ein weiterer Cricosaurus aus riorhynchiden vorliegt. Dieser Fund, den wir derzeit Wattendorf bei Bamberg (Mäuser 2015) sowie Ske- bearbeiten, wurde erstmals von Schroeder (1921) lettreste verschiedener Arten aus der Mörnsheim- beschrieben und wird zurzeit unter dem Namen Formation von Daiting (Young & Andrade 2009). Cricosaurus schroederi geführt (11). Er ist einer der Mehrere artikulierte Metriorhynchiden der Art Cri- wichtigsten Belege für Thalattosuchier aus der cosaurus suevicus (Fraas 1902) stammen aus dem Kreide von Europa.

Fossilien · 3 · 2018 · 21 Neuere Entdeckungen rus-Arten zum Metriorhynchinen Cricosaurus (10) gezählt. Eine Erklärung für die fehlerhafte histori- In den vergangenen zehn Jahren hat die Thalatto- sche Klassifizierung ist, dass man früher eher auf suchier-Forschung eine Renaissance erlebt, denn es oberflächliche Ähnlichkeiten und weniger auf tat- wurden mehr neue Gattungen und Arten benannt sächliche anatomische Gemeinsamkeiten geach- als in den 100 Jahren zuvor. Während sich die Taxo- tet hat, die heute eine nahe Verwandtschaft bele- nomie der Thalattosuchier bisher in stetem Wan- gen können. Außerdem hat man sich oft gar nicht del befand, war es durch die Anwendung moder- mit den Originalstücken befasst, sondern ganz den ner stammesgeschichtlicher Analyseverfahren Literaturangaben und Zeichnungen vertraut. und einem genauen Vergleich der anatomischen Da sich die neueren Publikationen bisher auf Merkmale möglich, einen besseren Eindruck vom die Metriorhynchoiden konzentriert haben, ist die Stammbaum der Thalattosuchier zu erhalten. Dies Taxonomie der Teleosauroiden noch immer mit gilt insbesondere für die Gruppe der Metriorhyn- vielen Fragezeichen behaftet. So gilt die Gattung choiden. Die traditionellen Methoden der Klassifi- Steneosaurus weiterhin als ein „taxonomischer zierung müssen nicht immer die tatsächlichen Ver- Mülleimer”, der entweder paraphyletisch oder, wie wandtschaftsverhältnisse widerspiegeln. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Gattung Metriorhynchus, in

11: Schädel von Cricosaurus schroederi, unteres Valanginium (Stadthagen-Formation) von Sachsenhagen (Niedersachsen). Länge ca. 45 cm. Slg. Mindener Museum. bei Metriorhynchus, sogar polyphyletisch ist. Die Systematik und Evolution der Teleosauroiden wird der früher alle mitteljurassischen Metriorhynchi- derzeit neu untersucht und die zu erwartenden den zusammengefasst wurden, die eine mittel- Ergebnisse werden uns sicherlich dabei helfen, die lange Schnauze besitzen und deren Zähne keine Thalattosuchier besser zu verstehen, eine Gruppe, deutlichen Schnittkanten aufweisen (Andrews deren langer Dornröschenschlaf erst vor wenigen 1913). Man ging davon aus, dass Metriorhynchus Jahren beendet wurde und die nach wie vor für eine Art „Zwischenform” zwischen Geosaurus und überraschende Erkenntnisse gut ist. Dakosaurus darstellt. Heute wissen wir jedoch, dass viele früher hierzu gestellte Arten gar nicht zu Dank: Diese Arbeit wurde durch das EU SYNTHESYS (http:// www.synthesys.info/) Projekt (Leverhulme Trust Research Metriorhynchus gehörten, sondern z. B. Geosaurus Project Grant RPG-2017-167 an Mark Young) gefördert. und Dakosaurus zugeordnet werden können. Die Die Piktogramme in Abb. 1 basieren auf Illustrationen von Gattung Geosaurus wiederum vereinte alle oberju- Dmitry Bogdanov, Gareth Monger (CC BY 3.0 Lizenz) und rassischen Metriorhynchiden mit einer relativ lan- Nobu Tamura (CC BY SA 3.0 Lizenz), welche die Vorlagen dankenswerterweise über Wikipedia und PhyloPic zur Ver- gen Schnauze, Zähnen ohne deutliche Schnittkan- fügung gestellt haben. Weiterhin danken wir den Kuratoren ten und weniger „robusten“ Knochen und Zähnen der Sammlungen, die wir besucht haben. (Fraas 1902). Heute werden viele dieser Geosau-

22 · Fossilien · 3 · 2018 Wilberg, E. W. (2015): A new metriorhynchoid (Crocodylo- Literatur zum ema: morpha, Thalattosuchia) from the Middle of Ore- Andrews, C. W. (1913): A descriptive catalogue of the mari- gon and the evolutionary timing of marine adaptations ne reptiles of the Oxford Clay, Part Two. British Museum in thalattosuchian crocodylomorphs. J. Vert. Paleont. (Natural History), London. e902846. Chiarenza, A., D. Foffa, M. T. Young, G. Insacco, A. Cau, G. Wincierz, J. (1967): Ein Steneosaurus-Fund aus dem nord- Carnevale & R. Catanzariti (2015): The youngest record of westlichen oberen Lias. Paläont. Z. 41: 60–72. metriorhynchid crocodylomorphs, with implications for Young, M. T., S. L, Brusatte, M. B. de Andrade, J. B. Desojo, the extinction of Thalattosuchia. Cret. Res. 56: 608–616. Beatty, B. L., L. Steel et al. (2012) The cranial osteology Fraas, E. 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(1814): Über den Crocodilus priscus oder 10 Jahren mit der Taxonomie, Biomechanik, ein in Baiern versteint gefundenes schmalkieferiges Kro- Anatomie und Phylogenie mariner Crocody- lomorpher und anderer Meeresreptilen. kodil, Gavial der Vorwelt. Denkschr. Kgl. Akad. Wiss. Mün- chen, Math.-Naturwiss. Cl. 4: 1–74. Sven Sachs, Jg. 1973, ist Gastwissenschaft- Soemmerring, T. v. (1816): Ueber die Lacerta gigantea der ler und paläontologischer Berater am Natur- Vorwelt. Denkschr. Kgl. Akad. Wiss. München, Math.-Na- kunde-Museum Bielefeld. Seit über 20 Jahren turwiss. Cl. 6: 37–59. beschäftigt er sich mit der Erforschung von fossilen Reptilien und Amphibien. Sein beson- Steel, R. (1973): Crocodylia. In: Handbuch der Paläoherpe- deres Interesse gilt der Taxonomie, Gestalt tologie, Teil 16. G. Fischer-Verlag, Stuttgart. und Lebensweise der Plesiosaurier und ande- Stumpf, S. (2012): Reassessment of the fossil rer mariner, mesozoischer Reptilien. fauna from the Lower Jurassic clay pit of Klein Lehmha- gen near Grimmen, NE Germany. Master-Thesis, Ernst- Pascal Abel, Jg. 1994, studiert Geowissen- Moritz-Arndt Universität Greifswald. schaften mit den Schwerpunkten Paläobio- logie und Sedimentologie an der Universität Waskow, K., D. Grzegorczyk & P. M. Sander (2018): The first Erlangen-Nürnberg. Zusätzlich bearbeitet record of Tyrannoneustes (Thalattosuchia: Metriorhynchi- er gemeinsam mit Fachkollegen verschie- dae): a complete skull from the (late Middle Ju- dene mesozoische Reptilien, darunter beson- rassic) of Germany. PalZ. Doi: 10.1007/s12542-017-0395-z ders die Meereskrokodile aus dem Jura Süddeutschlands. Neben der Wirbeltierpalä- Westphal, F. (1965): Ein neuer Krokodil-Fund aus dem Plat- ontologie beschäftigt er sich auch mit paläoökologischen tenkalk des Oberen Malms von Eichstätt (Bayern). N. Jb. Fragestellungen. Geol. Paläont. 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