Plenarprotokoll 14/187

Deutscher

Stenographischer Bericht

187. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Anlage 1 Abgabe einer Regierungserklärung: Terror- Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 18341 A anschläge in den USA und Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO ...... 18301 A Anlage 2 Gerhard Schröder, Bundeskanzler ...... 18301 B Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Uwe Jens (SPD) zur namentlichen Abstim- CDU/CSU ...... 18305 A mung über den Entschließungsantrag zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu Dr. Peter Struck SPD ...... 18307 B den Terroranschlägen in den USA und den Be- Dr. FDP ...... 18309 D schlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/ (Drucksache 14/6920) ...... 18341 C DIE GRÜNEN ...... 18312 A PDS ...... 18315 A Anlage 3 SPD ...... 18316 D Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten CDU/CSU ...... 18318 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ent- Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ...... 18320 D schließungsantrag zu der Regierungserklärung Dr. FDP ...... 18322 D des Bundeskanzlers zu den Terroranschlägen in den USA und den Beschlüssen des Sicher- , Bundesminister BMVg . . . 18324 B heitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO Dr. CDU/CSU ...... 18325 C (Drucksache 14/6920) ...... 18342 B (Wiesloch) SPD ...... 18327 D , Bundesminister BMI ...... 18329 C Anlage 4 CDU/CSU ...... 18332 D Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18335 C NEN) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag zu der Regierungser- Namentliche Abstimmung ...... 18337 A klärung des Bundeskanzlers zu den Terroran- schlägen in den USA und den Beschlüssen des Ergebnis ...... 18337 C Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO Nächste Sitzung ...... 18340 A (Drucksache 14/6920) ...... 18342 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Anlage 5 Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk und Christian Wolfgang Gehrcke (PDS) zur namentlichen Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag namentlichen Abstimmung über den Ent- zu der Regierungserklärung des Bundeskanz- schießungsantrag zu der Regierungserklärung lers zu den Terroranschlägen in den USA und des Bundeskanzlers zu den Terroranschlägen in den USA und den Beschlüssen des Sicherheits- den Beschlüssen des Sicherheitsrates der Ver- rates der Vereinten Nationen sowie der NATO einten Nationen sowie der NATO (Drucksache 14/6920) ...... 18342 C (Drucksache 14/6920) ...... 18343 B

Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Anlage 8 Christa Nickels, Ulrike Höfken, Grietje Bettin, Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Sylvia Voß und (alle BÜNDNIS Dr. Ilja Seifert (PDS) zur namentlichen Ab- 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstim- stimmung über den Entschließungsantrag zu mung über den Entschließungsantrag zu der der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Terroranschlägen in den USA und den Be- zu den Terroranschlägen in den USA und den schlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO Nationen sowie der NATO (Drucksache 14/6920) ...... 18343 A (Drucksache 14/6920) ...... 18343 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18301

(A) (C)

187. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident : Guten Morgen, liebe heißungen der amerikanischen Unabhängigkeitserklä- Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. rung universell gelten. Dort heißt es: Die heutige Sitzung habe ich gemäß Art. 39 Abs. 3 des Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstver- Grundgesetzes in Verbindung mit § 21 Abs. 2 der Ge- ständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen schäftsordnung auf Verlangen des Bundeskanzlers einbe- sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen, un- rufen. veräußerlichen Rechten ausgestattet sind, dass dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Meine Damen und Herren, diese Verheißungen – wenn Abgabe einer Regierungserklärung durch den sie auch Erbe des christlichen Abendlandes sind, das sich Bundeskanzler auch nicht ohne verhängnisvolle Irrungen zu diesen Wer- Terroranschläge in den USA und Beschlüsse ten hin entwickelt hat – stehen nicht im Widerspruch zu des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen einer Interpretation des Islam ohne jeden fundamentalis- (B) sowie der NATO tischen Wahnsinn. Jener gesichts- und auch geschichts- (D) Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der lose barbarische Terrorismus ist gegen all das gerichtet, SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und was unsere Welt im Innersten zusammenhält, nämlich die der FDP vor, über den namentlich abgestimmt werden Achtung vor dem menschlichen Leben und der Men- soll. Weiterhin liegt ein Entschließungsantrag der Frak- schenwürde, die Werte von Freiheit, Toleranz, Demokra- tion der PDS vor. tie und friedlichem Interessenausgleich. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Deutschland steht angesichts dieses beispiellosen An- Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung griffs uneingeschränkt an der Seite der Vereinigten Staa- drei Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. ten von Amerika. Dann ist so beschlossen. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) der Herr Bundeskanzler, Gerhard Schröder. Unser Bekenntnis zur politischen und moralischen Solidarität mit den USA ist in diesen Tagen mehr als Gerhard Schröder, Bundeskanzler: Herr Präsident! eine bloße Selbstverständlichkeit. Gerade hier in Berlin Meine sehr verehrten Damen und Herren! In meiner Re- werden wir Deutschen niemals vergessen, was die Verei- gierungserklärung vom 12. September habe ich, bezogen nigten Staaten für uns getan haben. auf die terroristischen Angriffe gegen die Vereinigten (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Staaten, gesagt: Dies ist nicht nur ein Krieg gegen die GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP sowie USA, dies ist ein Krieg gegen die zivilisierte Welt. Daran bei Abgeordneten der PDS) halte ich fest. Danach ist gefragt worden, ob das jener Kampf der Kulturen sei, von dem so oft gesprochen Es waren die Amerikaner, die ganz entscheidend zum worden ist. Meine Antwort heißt: nein. Sieg über den Nationalsozialismus beigetragen haben, und es waren unsere amerikanischen Freunde, die uns (Beifall im ganzen Hause) nach dem Zweiten Weltkrieg einen Neuanfang in Freiheit Es geht nicht um den Kampf der Kulturen, sondern es geht und Demokratie ermöglicht haben. Sie haben nicht nur die um den Kampf um die Kultur in einer immer mehr Lebensfähigkeit, sondern auch die Freiheit Westberlins zusammenwachsenden Welt. Dabei wissen wir um die garantiert und geschützt. Sie haben uns geholfen, unsere Verschiedenheiten der Kulturen in der Welt und wir res- staatliche Einheit in einem friedlichen, demokratischen pektieren sie. Wir bestehen aber darauf, dass die Ver- Europa wiederzugewinnen. 18302 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Bundeskanzler Gerhard Schröder (A) Klar muss aber sein: Dankbarkeit ist eine wichtige und Was heißt das für die Pflichten der Bündnispartner? (C) auch gewichtige Kategorie. Doch sie würde zur Legiti- Alle Bündnispartner haben ihre moralische und politische mation existenzieller Entscheidungen, vor denen wir un- Solidarität ausgesprochen. Das ist selbstverständlich. Wir ter Umständen stehen, nicht reichen. Bei den Entschei- wissen heute noch nicht, ob und welche Unterstützung die dungen, die wir zu treffen haben werden, lassen wir uns Vereinigten Staaten von den NATO-Partnern erwarten einzig von einem Ziel leiten: die Zukunftsfähigkeit unse- und einfordern. Das könnte auch militärischer Beistand res Landes inmitten einer freien Welt zu sichern; denn ge- sein; ein solcher kann nicht ausgeschlossen werden und nau darum geht es. deswegen darf ich ihn nicht ausschließen. Um welche (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Form der Unterstützung wir auch immer gebeten werden: GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Es ist eine absolute Selbstverständlichkeit, dass wir bei den Entscheidungen das Grundgesetz und die Rechtspre- Die Welt hat auf die barbarischen Anschläge reagiert, chung des Bundesverfassungsgerichts – dabei insbeson- selten einmütig und selten eindeutig. Der Sicherheitsrat dere die Rechte dieses Hohen Hauses – strikt beachten der Vereinten Nationen hat in der grundlegenden Reso- werden. lution 1368 einmütig festgestellt, dass die terroristischen Anschläge von New York und Washington eine, wie es in Mit jedem Recht – wir wissen das – korrespondiert eine der Erklärung heißt, Bedrohung des Weltfriedens und der Pflicht, aber umgekehrt gilt auch: Mit der Bündnispflicht, internationalen Sicherheit darstellen. Der Weltsicher- die wir übernommen haben, korrespondiert ein Recht und heitsrat hat damit eine Weiterentwicklung bisherigen Völ- dieses Recht heißt Information und Konsultation. Wir kerrechts vorgenommen. Bislang galt ein bewaffneter An- als Deutsche und Europäer wollen bei allen notwendigen griff, eine Störung des Weltfriedens, der Weltsicherheit Maßnahmen eine uneingeschränkte Solidarität mit den immer dann, wenn es sich um einen Angriff von einem USA erreichen. Ich betone: Zu Risiken – auch im Mi- Staat auf einen anderen Staat handelte. Mit dieser Resolu- litärischen – ist Deutschland bereit, aber nicht zu Aben- tion – das ist das entscheidend Neue – sind die völker- teuern. Diese werden von uns dank der besonnenen Hal- rechtlichen Voraussetzungen für ein entschiedenes, auch tung der amerikanischen Regierung auch nicht verlangt. militärisches Vorgehen gegen den Terrorismus geschaffen Ich denke, das wird so bleiben. worden. Die Form der Solidarität, von der ich gesprochen habe, Der NATO-Rat hat den Vereinigten Staaten seine volle ist die Lehre, die wir aus unserer Geschichte gezogen ha- Solidarität auf der Grundlage von Art. 5 des NATO-Ver- ben, eine Lehre, die für die zivilisierte Welt bitter genug trages erklärt. Auch er hat, ganz ähnlich wie der Welt- war. Allerdings: Eine Fixierung auf ausschließlich mi- sicherheitsrat, neu interpretiert, was unter einem bewaff- litärische Maßnahmen wäre fatal. Wir müssen und wollen neten Angriff auf einen Bündnispartner zu verstehen sei, ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung des Terro- (B) nämlich nicht nur, wie bei Zustandekommen des NATO- rismus, zur Prävention und zur Bewältigung von Krisen (D) Vertrages gedacht, der kriegerische Angriff eines Staates entwickeln. Dieses Konzept muss auf politische, wirt- auf einen Staat, der NATO-Mitglied ist, sondern – ebenso schaftliche und kulturelle Zusammenarbeit sowie auf Zu- wie der Weltsicherheitsrat – auch ein terroristischer An- sammenarbeit in Fragen der Sicherheit gegründet sein. Zu griff, verstanden als Angriff auf einen Bündnispartner. diesem Zweck werden wir auch in der Europäischen Damit gilt dieser Angriff auf die Vereinigten Staaten als Union unsere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Ter- ein Angriff auf die NATO-Partner. Der NATO-Rat hat die- rorismus weiter verstärken müssen. Gerade jetzt muss sen Beschluss mit unserer vollen Unterstützung gefasst. Europa mit einer Stimme sprechen. Das entspricht dem Geist und dem Buchstaben des NATO-Vertrages. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) CDU/CSU und der FDP) Die NATO hat bisher keine konkrete Aktion beschlos- sen. Voraussetzung für einen Beschluss über konkrete Ak- Auf meinen Vorschlag hin hat darum der belgische tionen ist die Feststellung, dass es sich bei den Anschlä- EU-Ratsvorsitzende Verhofstadt für diesen Freitag eine gen von New York und Washington um einen Angriff von Sondersitzung des Europäischen Rates einberufen, auf außen handelt. Außerdem muss eine konkrete Bitte um der wir die weitere Haltung der Europäischen Union zur Unterstützung durch die Vereinigten Staaten ausgespro- Bekämpfung des Terrorismus beraten werden. Unser chen werden. Das ist zurzeit aus Gründen, die wir alle Ziel muss sein, möglichst alle Länder in ein weltweites kennen, nicht der Fall. System von Sicherheit und Wohlstand zu integrieren. Dazu wollen wir im Rahmen der Entwicklungszusam- Welche Rechte resultieren aus diesen Beschlüssen für menarbeit weitere Anreize für Staaten bieten, die sich die Vereinigten Staaten? Die Vereinigten Staaten können zur Kooperation bei der Bekämpfung des Terrorismus auf der Grundlage der Entscheidung des Sicherheitsrates bereit erklären. Für die Krisenregionen des Nahen Maßnahmen gegen Urheber und Hintermänner, gegen Ostens und Zentralasiens müssen wir eine Perspektive Auftraggeber und Drahtzieher der Attentate ergreifen. für politische und wirtschaftliche Stabilisierung und Sta- Diese sind völkerrechtlich gedeckt. Sie können und sie bilität, für Frieden und Entwicklung eröffnen. Vor allem dürfen, durch diese Weiterentwicklung des Völkerrechts müssen wir jetzt mit vereinten Anstrengungen alles da- gedeckt, ebenso entschieden gegen Staaten vorgehen, die ransetzen, den Durchbruch zum Frieden im Nahen Osten den Verbrechern Hilfe und Unterschlupf gewähren. Um es zu erreichen. klar zu sagen: Auf all das bezieht sich das, was ich unein- geschränkte Solidarität genannt habe. (Beifall im ganzen Hause) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. 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Bundeskanzler Gerhard Schröder (A) Der Bundesaußenminister hat bereits mehrfach die Die Aufgabe, Terroristen und Fanatiker zu ächten und mit (C) Initiative ergriffen, die Konfliktparteien in Israel und aller Entschiedenheit zu bekämpfen, stellt sich daher auch Palästina zum Ende der Gewalt und zur Wiederaufnahme den islamischen Staaten und Glaubensgemeinschaften. ihrer Gespräche zu bewegen. Sein beherztes Engagement (Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜND- in diesem Konflikt ist der beste Beweis für unsere Bereit- NIS 90/DIE GRÜNEN]) schaft, den Konfliktparteien auf ihrem Weg zum Frieden aktiv beizustehen. Sie dürfen nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass es keine politische, aber auch keine religiöse (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Rechtfertigung für terroristische Gewalt geben kann. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS) (Beifall im ganzen Hause) Gestern haben die internationalen Vermittlungsbemü- Viele Menschen in unserem Land fragen nach den hungen zu einem ersten Erfolg geführt: Palästinenserprä- möglichen Auswirkungen der terroristischen Verbre- sident Arafat hat seinen Truppen die strikte Feuereinstel- chen. Die Bundesregierung weiß um diese Sorgen und lung befohlen. Daraufhin hat Israels Ministerpräsident nimmt sie sehr ernst. Wir sagen deutlich: Es gibt nach der- Scharon den Rückzug der israelischen Truppen aus den zeitiger Einschätzung und sorgfältiger Prüfung keinen Palästinensergebieten angeordnet. Anlass zur Furcht oder gar zur Panik. Die Bundesregie- rung und die Sicherheitsbehörden haben entschlossen rea- Diese Entwicklung ist ein ermutigender Schritt in giert und sind weiter wachsam. Wir befinden uns nicht in einer schwierigen Situation, aber eben nur ein Schritt. einem nationalen Notstand. Unmittelbare Konsequenzen, Sie wird die internationalen Bemühungen, eine Allianz die wir aus den tragischen Ereignissen ziehen müssen, gegen den Terrorismus zu schmieden – wenn das wurden und werden gezogen. So wird die Sicherheit des Ganze Erfolg hat; das müssen wir uns wünschen –, Flugverkehrs am Boden wie in der Luft optimiert. Wir ha- sehr erleichtern. In diesem Sinne müssen wir den ben die entsprechenden Vorkehrungen getroffen und um- Dialog mit den gemäßigten Führern der arabischen gesetzt und auch die dafür notwendige Zustimmung der Welt fortsetzen. Bereits in den vergangenen Tagen privaten Luftverkehrsträger erhalten. Das betrifft die Si- habe ich deshalb mit dem jordanischen König Abdullah cherung des Cockpits wie auch die Verbesserung der und dem ägyptischen Präsidenten Mubarak Kontakt Gepäckkontrollen, die Überprüfung der Beschäftigten auf gehalten. Diesem Zweck wird auch ein erneutes Ge- den Flughäfen oder auch die Begleitung deutscher Flug- spräch mit dem ägyptischen Präsidenten am kommen- zeuge durch Sicherheitspersonal. den Dienstag in Berlin dienen. Die Bundesregierung Unsere Nachrichtendienste haben bei der Bekämp- wird darüber hinaus die bestehenden Kontakte zu (B) fung des weltweit agierenden Terrorismus bisher gute Ar- (D) wichtigen Regionalmächten wie etwa zum Iran und zu beit geleistet. Sie haben in enger Kooperation mit den Syrien nutzen, um diese Staaten zu einer Zusam- amerikanischen und europäischen Diensten Anschläge menarbeit in der Bekämpfung des Terrorismus zu be- verhindert und Strukturen des Terrorismus offen legen wegen. können. Sie haben in der Vergangenheit durch ihre Er- Man kann es nicht oft genug betonen: Wir befinden uns mittlungen die Festnahme zum Beispiel des damaligen nicht im Krieg gegen irgendeinen Staat. Finanzchefs aus dem Umfeld von Bin Laden ermöglicht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir werden weiterhin unsere besondere Aufmerksam- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der keit auf die finanziellen Strukturen der terroristischen CDU/CSU, der FDP und der PDS) Netzwerke richten müssen. Wir befinden uns auch nicht im Krieg gegen die islami- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE sche Welt. GRÜNEN, der FDP und der PDS sowie bei Ab- geordneten der CDU/CSU) (Beifall im ganzen Hause) Es ist unsere Aufgabe, aber nicht nur unsere Aufgabe, Terroristen haben uns den Krieg erklärt und sie werden diese Finanzströme zu erfassen und zu unterbinden. Die dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Finanzierung des Terrors darf nicht zur Kehrseite des (Beifall im ganzen Hause) freien Welthandels und des freien Kapitalflusses werden. Die Anschläge von New York und Washington haben (Beifall im ganzen Hause) – das wissen wir alle – nichts, aber auch gar nichts mit Desgleichen werden wir auch auf Finanzierungen des Ter- Religion zu tun. rors genauer achten müssen, die sich mit dem Mantel der (Beifall im ganzen Hause) Wohltätigkeit tarnen. Auch das gibt es. Sie sind Ausdruck einer verbrecherischen Gesinnung. Die Meine Damen und Herren, bereits heute Nachmittag erschreckende Missachtung menschlichen Lebens ist eine werden wir im Bundeskabinett ein Maßnahmenpaket Kampfansage an unsere gesamte Zivilisation. beschließen, um die Bekämpfung des Terrorismus im Lichte der jetzt evidenten Erkenntnisse zu optimieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Dazu gehört auch eine Neuregelung im Strafrecht, die des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der es uns ermöglicht, aus dem Ausland operierende Unter- CDU/CSU und der FDP) stützer krimineller Vereinigungen künftig genauso zu 18304 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Bundeskanzler Gerhard Schröder (A) belangen wie Mitglieder und Unterstützer inländischer des Entwurfs mehr als deutlich: Dieses Gesetz bringt (C) krimineller Vereinigungen. mehr Sicherheit, beispielsweise durch die Personen- überprüfungen im Visaverfahren schon vor der Einreise (Beifall bei Abgeordneten der SPD) bei den deutschen Auslandsvertretungen. Auch erlaubt die Dazu gehört weiter die Abschaffung des Religionsprivi- Neuregelung eine genauere Unterscheidung zwischen den legs im Vereinsrecht; denn die grundgesetzlich garantierte Menschen, die ein Aufenthaltsrecht erlangen können, und Glaubens- und Bekenntnisfreiheit darf nicht jene schüt- den Menschen, für die das nicht gilt. Alle erhalten schnel- zen, die Religion missbrauchen, um Mord und Terror zu ler Gewissheit über ihre weitere Situation und die daraus planen. folgenden Konsequenzen. Dadurch werden sich deutlich weniger Personen hier aufhalten, denen die sichere Per- (Beifall im ganzen Hause) spektive für einen Aufenthalt bei uns fehlt. Wir werden Qualität und Effizienz in der Bekämpfung Die Fragen nach Zuwanderung, Flüchtlingsschutz und des Terrorismus verbessern. Aber – ich denke, auch da Integration stellen sich nicht allein in Deutschland. Unsere sind wir uns ungeachtet der Diskussionen über Details, europäischen Partner diskutieren diese Fragen gleicher- die vor uns liegen, einig – wir werden unter keinen Um- maßen. Im europäischen Vergleich – auch das gilt es ständen den Rechtsstaat abschaffen, um den Terror zu auszusprechen – nehmen wir, was die Zahlen angeht, bekämpfen. schon länger keinen Spitzenplatz mehr ein. Trotzdem ha- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE ben wir als Land in der Mitte Europas ein erhebliches In- GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord- teresse daran, auch auf europäischer Ebene zukunftsfähige neten der CDU/CSU und der FDP) Regelungen bei der Zuwanderung zu beschließen. Mit un- serer eigenen Diskussion und auch mit der Kritik in dieser Begäben wir uns auf einen solchen Weg, dann würden wir Diskussion können wir dazu beitragen. die Werte, die die Terroristen angreifen und die wir zu ver- teidigen haben, selbst infrage stellen. Das darf nicht sein. Wie so viele andere Nationen ist auch Deutschland ganz direkt von den terroristischen Attentaten in den Ver- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE einigten Staaten betroffen. Wir trauern um viele Deutsche, GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeord- die in den entführten Flugzeugen oder im World Trade neten der CDU/CSU und der FDP) Center einen schrecklichen Tod fanden. Ihre genaue Zahl Unser Kampf gegen den Terrorismus ist eine Verteidigung wissen wir immer noch nicht. Unsere Gedanken sind bei unserer offenen Gesellschaft, die auf festen Werten ba- den Opfern und ihren Angehörigen. Ihnen gelten – ich siert, eine Verteidigung unserer Liberalität und auch denke, da spreche ich für alle – unser Mitgefühl und un- sere Anteilnahme. (B) unserer Art, in einer offenen Gesellschaft zu leben. (D) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ FDP) DIE GRÜNEN) Kein Zweifel: Viele unserer Landsleute ängstigen sich. Der Terrorismus – das müssen wir immer wieder deutlich Sie haben Angst vor dem Terror und auch Angst vor machen – wird es nicht so weit bringen, dass wir die Krieg. Es sind insbesondere jene älteren Menschen, die Werte, die wir gegen den Terrorismus verteidigen, selber die Grauen des Zweiten Weltkriegs noch persönlich erlebt infrage stellen. haben, aber auch – wir alle spüren es; Sie spüren es in (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ihren Wahlkreisen – die ganz jungen. Diese Angst mag DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der übertrieben, mag unbegründet sein, gleichwohl ist sie da FDP und der PDS) und sie bewegt die Menschen in unserem Lande. Wir alle zusammen, denke ich, müssen uns bemühen, diese Angst Deshalb darf und wird der Terrorismus uns auch nicht da- zu verstehen. Aber die politischen, ökonomischen und ran hindern, ein modernes, auf die Anforderungen unserer kulturellen Eliten unseres Landes dürfen nicht zulassen, Volkswirtschaft abgestimmtes Zuwanderungsrecht zu be- dass uns diese Angst lähmt. Ich verstehe meine Arbeit so, schließen. dass sie gerade jetzt darin besteht, dabei zu helfen, aus (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Angst Zuversicht zu entwickeln, und ich bin davon über- GRÜNEN und der FDP) zeugt, dass es dazu Anlass gibt, meine Damen und Herren. Mit dem Gesetzentwurf des Bundesinnenministers ha- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ben wir ein zeitgemäßes Zuwanderungsrecht auf den DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Weg gebracht. Das Gesetz wird in Deutschland dringend CDU/CSU) gebraucht. Sinnvolle deutsche Ausländer-, Zuwande- Zu Beginn dieses neuen Jahrhunderts steht Deutsch- rungs- und Integrationspolitik braucht mehr denn je ein land auf der richtigen Seite – fast ist man versucht zu sa- abgewogenes rechtliches Instrumentarium; denn Zuwan- gen: endlich –, auf der Seite der unveräußerlichen Rechte derung wird sich nicht von allein steuern und regeln. aller Menschen. Diese Menschenrechte sind die große Er- Natürlich sind wir offen für Überarbeitungen in dem ei- rungenschaft und das Erbe der europäischen Aufklärung. nen oder anderen Punkt. Notwendige Ergänzungen und Diese Werte der Menschenwürde, der freiheitlichen De- Anpassungen können auch im weiteren parla- mokratie und der Toleranz sind unsere große Stärke im mentarischen Verfahren berücksichtigt werden. Gerade in Kampf gegen den Terrorismus. Sie sind das, was unsere der aktuellen Situation werden die Stärken und Vorzüge Völker- und Staatengemeinschaft zusammenhält, und sie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18305

Bundeskanzler Gerhard Schröder (A) sind das, was die Terroristen zerstören wollen. Diese wie ich finde, richtigerweise darauf hingewiesen: Wenn (C) Werte, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind un- die NATO den Bündnisfall auslöst – dies ist das erste Mal sere Identität und deshalb werden wir sie verteidigen, mit in der Geschichte der NATO und es ist eine historische Nachdruck, mit Entschiedenheit, aber auch mit Beson- Entscheidung –, dann kommt darin auch zum Ausdruck, nenheit. dass es in unserem ganz eigenen Interesse liegt, ohne je- den Vorbehalt an der Bekämpfung des internationalen Ich danke für die Aufmerksamkeit. Terrorismus mitzuwirken. (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU NISSES 90/DIE GRÜNEN) und der PDS) So wie New York und Washington hätte es auch Paris, Frankfurt oder Berlin treffen können. Und es hat uns un- Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort mittelbar getroffen; denn – Sie haben es bereits gesagt, dem Kollegen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion. Herr Bundeskanzler – auch viele deutsche Staatsbürger sind bei diesen menschenverachtenden Attentaten ums Friedrich Merz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Leben gekommen. sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht haben wir Wichtig ist, dass wir uns jetzt Klarheit verschaffen und alle erst am letzten Wochenende, als wir nach langen Ta- dass wir den vielen, die uns heute zuschauen und zuhören, gen in Berlin ein paar Stunden Zeit zum Nachdenken hat- sagen, worum es geht. Wir haben es mit den Feinden der ten, vielleicht auch mit unseren Familien und unseren offenen Gesellschaft, mit einem totalitären Anspruch der Freunden gesprochen haben, richtig verstanden, was in Unfreiheit, der sich gegen uns alle richtet und der die der letzten Woche wirklich geschehen ist. Die Ereignisse Grundwerte der demokratischen und der freiheitlichen dieses Tages, die Bilder, die uns seitdem fast ununterbro- Gesellschaften infrage stellt, zu tun. Deshalb ist eine klare chen begleiten, werden das Bewusstsein der amerikani- und unmissverständliche Antwort erforderlich. Es darf schen Nation über Jahrzehnte prägen. Unser Verhalten, so keinen Zweifel geben, dass alles getan wird, um die Täter wie wir uns auch und gerade als Deutsche in den nächs- und die Hintermänner zur Verantwortung zu ziehen. Der ten Wochen und Monaten den amerikanischen Freunden freiheitliche demokratische Rechtsstaat muss sich als gegenüber zeigen, wird das Verhältnis zwischen Deutsch- wehrhaft erweisen, wenn er auch gegenüber seinen eige- land und Amerika für Jahrzehnte prägen. nen Staatsbürgern glaubwürdig bleiben will. Ich will deshalb zu Beginn nicht den fast schon zu oft (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie gesagten Satz wiederholen, dass der 11. September 2001 (B) bei Abgeordneten der SPD) (D) die Welt grundlegend verändert hat. Aber ich will mit be- sonderem Nachdruck zum Ausdruck bringen, dass wir Deshalb, Herr Bundeskanzler, haben wir Ihr Angebot alle heute zu einem klaren Ja zur Gemeinschaft der freien an die amerikanischen Freunde zu uneingeschränkter So- Völker, zum Bündnis, zur NATO, und vor allem zu unse- lidarität von Anfang an unterstützt. Aber täuschen wir uns ren Freunden in den Vereinigten Staaten von Amerika ge- nicht darüber, dass es schwierig wird. Es wird ziemlich si- fordert sind. cher neben allen Bemühungen um Diplomatie, Auf- klärung und Strafverfolgung auch militärische Aktionen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie geben, ja geben müssen. Das Ziel solcher militärischer bei Abgeordneten der SPD) Operationen wird nicht sein, Vergeltung zu üben. Jeder Dies ist nicht die Zeit für ein „Ja, aber“. Einsatz gegen die Terroristen, gegen ihre Infrastruktur, gegen das Umfeld, das sie schützt und das ihre Taten über- Wir Deutsche stehen in der Pflicht, innerhalb der nord- haupt erst möglich macht, ist Teil einer Strategie der atlantischen Allianz einen Teil der Solidarität zurückzu- Prävention, für Freiheit, für Frieden, für das Recht und für geben, die wir insbesondere von Amerika in über 50 Jah- den Schutz auch unserer Bürger; denn Sicherheit ist und ren erfahren haben. Wir können und müssen das bleibt die Grundlage auch unserer Freiheit. Fundament für die atlantische Allianz im 21. Jahrhundert legen. Die Attentate vom 11. September 2001 markieren (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie den ersten Testfall für die neue NATO, die sich bereits mit bei Abgeordneten der SPD) dem strategischen Konzept von 1999 auf die veränderte Lassen Sie es mich mit einem Wort von Wilhelm von Sicherheitslage eingestellt hat. Man muss fast sagen: In Humboldt sagen: kluger Voraussicht hat die NATO vor zwei Jahren festge- stellt, dass Sicherheitsinteressen des Bündnisses durch Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Akte des Terrorismus, der Sabotage, des organisierten Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu ge- Verbrechens, sogar durch die Unterbrechung der Zufuhr nießen. Denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit. lebenswichtiger Ressourcen berührt sein können. Dies ist Meine Damen und Herren, bei der Herausforderung, auf grausame Weise vor wenigen Tagen Realität gewor- Sicherheit in Freiheit zu gewährleisten, geht es nicht, wie den – eine Realität, der wir alle uns jetzt stellen müssen. manche in diesen Tagen schreiben, um eine Auseinander- Auch deshalb geht es bei weitem nicht allein um die setzung unterschiedlicher Kulturen oder Religionen. Die Dankbarkeit von uns Deutschen für Solidarität im Bünd- Anschläge von New York und Washington sind weltweit nis. Herr Bundeskanzler, Sie haben mit Nachdruck und, und von fast allen Staaten und von ganz unterschiedlichen 18306 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Friedrich Merz (A) Kirchen, Glaubens- und Religionsgemeinschaften und Herr Bundeskanzler, Sie haben es in Ihrer Regierungser- (C) deren geistlichen Oberhäuptern klar und eindeutig verur- klärung gerade eben noch einmal erwähnt: Sie werden teilt worden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist heute Nachmittag im Bundeskabinett erste Vorschläge zur noch nie so schnell und so klar und so eindeutig und so Verbesserung der inneren Sicherheit in Deutschland verab- übereinstimmend zu einer zutreffenden Bewertung und schieden. Dies kann nach unserem Verständnis nur ein An- Beurteilung gekommen wie wenige Stunden nach diesem fang eines später folgenden, umfassenden Konzeptes für Attentat. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben ih- mehr Sicherheit auch nach innen sein. Ich sage Ihnen na- rerseits bisher sehr besonnen reagiert. Dieses gemeinsame mens unserer Fraktion eine zügige, sehr kooperative Bera- Verhalten vieler Staaten und vieler engagierter Menschen, tung zu, damit wir sehr schnell zu richtigen Ergebnissen auch und gerade in den Kirchen in aller Welt, hat eine auch in der Gesetzgebung in Deutschland kommen können. noch nie dagewesene Allianz gegen den internationalen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Terrorismus – um den geht es – überhaupt erst möglich neten der SPD und der FDP) gemacht. So furchtbar die Anschläge waren, sie geben uns jetzt vielleicht die Chance, weltweit zu einer Ächtung des Meine Damen und Herren, ein Land wie Deutschland, Terrorismus zu kommen und ihn wirklich wirkungsvoll zu zweitgrößter NATO-Partner, bevölkerungsreichstes Land bekämpfen. der Europäischen Union, in der geopolitischen Mitte Europas gelegen, muss auch seine internationale Verant- Gleichzeitig ist der Dialog der Kulturen und Religio- wortung wahrnehmen. Absolute Priorität für Sicherheit nen wichtiger denn je. Dies gilt für unser Land, dies gilt nach innen und außen, strategische Koordinierung der für Deutschland mit weit mehr als 2 Millionen hier leben- Sicherheitsaufgaben in einem Aufgabenspektrum, das von den Mitbürgern islamischen Glaubens. Dies gilt aber Prävention bis hin zu massiven militärischen Schlägen zu- auch weltweit. Es war, wie ich meine, ein ermutigendes sammen mit den Bündnispartnern auch in entfernten Kri- und richtiges Zeichen, dass der amerikanische Präsident senregionen reicht – darauf müssen wir uns vorbereiten: vorgestern zum gemeinsamen Gebet in eine Moschee in politisch, materiell, personell und natürlich auch finanziell. Washington gegangen ist. Wenn der amerikanische Präsident im Kongress ein (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem Maßnahmenpaket in der Größenordnung von 20 Milliarden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP Dollar beantragt und innerhalb weniger Stunden 40 Milli- sowie bei Abgeordneten der PDS) arden Dollar bewilligt bekommt, dann ist dies ein deutli- Feindbilder helfen niemandem weiter. Es ist nicht zuletzt ches Signal auch an die Finanzpolitiker der Länder der das geistige Erbe und der Auftrag der Aufklärung, ein freien Welt, ihrerseits neue Prioritäten zu setzen und auch friedliches Miteinander der großen Weltreligionen zu er- in den öffentlichen Haushalten einen Beitrag zu leisten. (B) möglichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (D) Gerade deshalb gilt: Die Bekämpfung des internatio- neten der FDP) nalen Terrorismus, den wir in New York und Washington Diese Entscheidungen erfordern eine neue Setzung der so grausam erlebt haben, macht eine neue, umfassende Si- Prioritäten. Wir bieten Ihnen, Herr Bundeskanzler, dabei cherheitspolitik nach innen und außen notwendig. Das eine nationale Allianz der Entschlossenheit an. Kursbuch „Sicherheit“ muss national, europäisch und global neu geschrieben werden. „Aufklärung und Präven- (Unruhe bei der SPD) tion“ heißt das erste Kapitel. Die Staaten und Staatenge- Sie können sich, auch wenn es um unpopuläre Entschei- meinschaften der freien Welt werden ihre Anstrengungen dungen geht, auf unsere Zustimmung, auf unsere Unter- deutlich steigern müssen, um schon im Vorfeld zu erken- stützung verlassen. nen, wo bestimmte Entwicklungen einsetzen und An- schläge geplant werden. Die Nachrichtendienste brau- (Beifall bei der CDU/CSU) chen jede Unterstützung, um ihren von den demokratisch Denn wir wissen: Wenn wir weiter in einer freien und offe- legitimierten Regierungen gegebenen Auftrag auch wirk- nen Gesellschaft leben wollen, wenn Zivilisation und sam ausführen zu können: politisch, strategisch-konzep- Humanität in aufgeklärten Gesellschaften westlicher Prä- tionell, materiell und personell. Die Zeit jedenfalls, in der gung die Lebensgrundlage auch unserer Kinder sein sollen, die naiven Fantasten dieser Welt mit der Forderung nach wenn die Grundwerte unserer christlich-jüdischen, unserer Abschaffung der Dienste auf Gehör stießen, dürfte end- abendländischen Kultur weiter gelten sollen, dann dürfen gültig vorbei sein. Terroristen unseren Lebensrhythmus nicht bestimmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) Wir können es auch nicht hinnehmen, dass Deutschland Wir stehen vor einer wahrhaft historischen Herausfor- offensichtlich ein bevorzugter Rückzugs- und Ruheraum, derung. Die Freiheit muss jetzt neu verteidigt werden. ja ein bevorzugter Trainings- und Vorbereitungsraum für Ihren Bedrohungen muss offen entgegengetreten werden. Terroristen ist, die sich auf einen gottgegebenen Auftrag Den Feinden unseres freiheitlichen Gesellschaftsmodells berufen und hierfür offenbar auch bei uns ein größeres muss mit Augenmaß, aber unmissverständlich entgegen- Umfeld vorfinden. Dagegen muss entschieden vorgegan- getreten werden. Der 11. September 2001 ist deshalb das gen werden. Ende aller Zweideutigkeiten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD und der FDP) neten der FDP) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18307

Friedrich Merz (A) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf Deutschland eine beispiellose Welle der Trauer, des Ent- (C) das eingehen, was Sie, Herr Bundeskanzler, zum Thema setzens, aber auch der Solidarität mit dem amerikanischen der Zuwanderung und der Einwanderung gesagt haben. Volk erlebt. Zigtausende waren bei der amerikanischen Die Umstände dieses Attentats zeigen aus meiner Sicht Botschaft in Berlin, haben sich in Kondolenzbücher ein- einmal mehr, wie dringend wir ein umfassendes Konzept getragen und haben ihr Mitleiden in Worte gefasst – Trau- zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung brau- ergottesdienste, Gebete, Gedenkminuten. 200 000 Men- chen, das auch den Erfordernissen der inneren Sicherheit schen kamen am Freitag zum Brandenburger Tor, um gerecht wird und das vor allem die Integration der in gemeinsam mit dem Bundespräsidenten und dem ameri- Deutschland lebenden Ausländer fördert. kanischen Botschafter ihr Mitgefühl für die Opfer und das (Beifall bei der CDU/CSU) amerikanische Volk zu zeigen. Wer in diesem Zusammenhang auf Zeit spielt, der leug- All diese Symbole der Solidarität stehen für die Nähe net die notwendigen Konsequenzen, die auch schon vor- des deutschen Volkes zu den Menschen in den Vereinig- her zu ziehen gewesen wären. Wir als CDU/CSU-Bun- ten Staaten von Amerika. In beeindruckender Weise hat destagsfraktion haben jedenfalls als erste Fraktion in Bundeskanzler Gerhard Schröder in den letzten Tagen, diesem Haus bereits vor zwei Jahren ein umfassendes aber auch soeben vor diesem Haus die Solidarität Konzept zur Integration vorgelegt. Noch vor der Som- Deutschlands mit den USA zum Ausdruck gebracht. merpause haben wir unsere Vorschläge in einem umfas- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten senden Antrag „Umfassendes Gesetz zur Steuerung und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Begrenzung der Zuwanderung sowie zur Förderung der Integration jetzt vorlegen“ präzisiert. Wir wollen noch in Er hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass die So- dieser Legislaturperiode zu einer Lösung kommen und lidarität von Regierung und Parlament mehr als eine bloß bieten Ihnen auch hierzu die Zusammenarbeit an. symbolische sein muss und sein wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Aber wir dürfen uns nicht täuschen: Bei allem, was wir der SPD) jetzt zu entscheiden haben, geht es um mehr als lediglich die Solidarität mit den USA; denn wir können die Terror- Bereits wenige Stunden nach den Attentaten haben wir angriffe in den USA nicht gleichsam aus der Zuschauer- hier in diesem Hause eine erste Aussprache miteinander loge bewerten. Wenn wir in der Betrachtung einig sind, geführt. Sie, Herr Bundeskanzler, haben am 12. Septem- dass die Angriffe der gesamten zivilisierten Welt gegolten ber in Ihrer Regierungserklärung im Deutschen Bun- haben, dann galten sie natürlich auch uns. Wir müssen destag den Vereinigten Staaten von Amerika die uneinge- wissen, dass die Angriffe auf New York und Washington schränkte Solidarität Deutschlands zugesichert. Diese nicht singuläre Ereignisse bleiben müssen. (B) Ihre Worte sind vor allem in Amerika auf große Zustim- (D) mung gestoßen; sie haben nicht nur in Washington große Niemand soll dem Irrtum verfallen, der Terror könnte Aufmerksamkeit gefunden. an Deutschland und Europa vorbeiziehen, wenn wir uns Uneingeschränkte Solidarität darf und wird sich nicht jetzt im vermeintlichen Eigeninteresse aus dem Kampf in Worten und Bekundungen des Mitgefühls und der gegen den Terrorismus heraushielten. Trauer, so wichtig diese auch waren, erschöpfen. Den (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Worten müssen Taten folgen. Es wird Schwierigkeiten, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE auch Rückschläge dabei geben. Aber gerade dann wird GRÜNEN und der FDP) sich Solidarität erst wirklich beweisen. Der sichere Freund bewährt sich in unsicherer Zeit. Deutschland muss Natürlich ist Europa im Visier der Terrornetzwerke. Ver- jetzt Kurs halten und darf keine Zweifel zulassen, auch im eitelte Anschläge und Festnahmen in Deutschland und Interesse unseres Landes und seiner Menschen. Frankreich belegen das. Nirgendwo steht geschrieben, dass Deutschland nur als Schlafstätte oder Ruheraum für Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, Ihre Politik in diesem den internationalen Terrorismus dienen könnte. Deshalb Sinne fortsetzen, wenn Sie zu der zum Ausdruck ge- ist es nicht nur Bündnispflicht, sondern auch originäres brachten Solidarität auch weiterhin uneingeschränkt ste- Eigeninteresse, gemeinsam mit unseren amerikanischen hen, dann werden Sie für diese Politik auch in Zukunft Freunden, mit den NATO-Partnern und allen, die sich – in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen und in dieser Bedrohung nicht ergeben wollen, entschlossen den nächsten Monaten – die uneingeschränkte Unterstüt- den Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu zung unserer Fraktion finden. führen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) neten der SPD) Wir müssen alles tun, um denjenigen das Handwerk zu legen, die mit apokalyptischem Schrecken die Welt aus Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort den Fugen heben wollen. Dazu bedarf es jener besonne- dem Kollegen Peter Struck, SPD-Fraktion. nen Entschlossenheit, wie sie unser Bundeskanzler in den letzten Tagen gezeigt hat. Dr. Peter Struck (SPD): Herr Präsident! Meine Da- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten men und Herren! Wir haben in den letzten Tagen in des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 18308 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Dr. Peter Struck (A) Er lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er seiner Ver- der USA gestellt haben und zu enger Kooperation gegen (C) antwortung gerecht wird – auch bei anstehenden harten den internationalen Terrorismus bereit sind. Entscheidungen. Wie diese Verantwortung aussieht, hat (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der damalige Bundeskanzler in den bis DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der dahin schwersten Tagen der Republik, in den Tagen nach CDU/CSU und der FDP) der Entführung von Hanns-Martin Schleyer, 1977 formu- liert: „Die Verantwortung heißt: nichts zu versäumen und Wir sollten alles unternehmen, um eine größtmögliche nichts zu verschulden.“ Das gilt für den Kanzler, für die Koalition gegen den Terrorismus zu schaffen. Dabei müs- Regierung, aber auch für jeden Einzelnen von uns im sen insbesondere die Vereinten Nationen eine wichtige Deutschen Bundestag. Rolle spielen. Denn die erfolgreiche Bekämpfung und Austrocknung des internationalen Terrorismus verlangt (Beifall bei Abgeordneten der SPD) eine komplexe und differenzierte Strategie, die politische, Nichts zu versäumen, um nichts zu verschulden: Dazu wirtschaftliche, kulturelle und militärische – natürlich bedarf es nationaler und internationaler Anstrengungen, auch geheimdienstliche – Elemente miteinander verbin- kriminalistischer und geheimdienstlicher Aktivitäten so- den muss. wie gesetzgeberischer Maßnahmen. Aber es bedarf auch Es besteht kein Zweifel daran – das sollten wir über der Bereitschaft, diesen Kampf notfalls mit militärischen den Deutschen Bundestag auch unseren Bürgerinnen und Mitteln zu führen. Bürgern mitteilen –, dass es eine militärische Vergeltung Ich halte daher die Erklärung der NATO vom 12. Sep- für den kriegerischen Terroranschlag auf das World Trade tember für angemessen und absolut notwendig. In ihr Center und das Pentagon geben wird: wenn klar ist, wer wird zu Recht festgestellt, dass der terroristische Angriff die verantwortlichen Kräfte und die sie unterstützenden vom 11. September gegen die USA als Handlung im Staaten sind. Die militärische Abschreckung funktioniert Sinne von Art. 5 des NATO-Vertrages anzusehen ist, also bei Staaten, aber nicht bei zu Selbstmord bereiten Ter- als Angriff gegen alle NATO-Verbündeten, falls festge- roristen. Sie müssen gefasst und unschädlich gemacht stellt wird, dass der Anschlag vom Ausland aus auf die werden durch zielgenaue Aufklärung und hoch mobile Vereinigten Staaten verübt wurde. Die Aktivierung von militärische Spezialkommandos. Sie müssen ihre Stütz- Art. 5 bedeutet die Einforderung der Beistandspflicht der punkte und staatlichen Fluchtburgen verlieren durch mas- Alliierten. sive internationale Sanktionierung aller Staaten und Re- gierungen, die Terroristen beherbergen, unterstützen und Wir sollten uns über die Bedeutung unseres Handelns nicht ausliefern. Sie müssen ihrer Finanzmittel verlustig in der NATO völlig im Klaren sein. Die NATO, die noch gehen durch die Verstopfung ihrer Geldkanäle und Verei- nie zuvor den Bündnisfall auslösen musste, steht vor ei- telung ihrer Finanztransaktionen. (B) ner bedeutsamen Bewährungsprobe. Die USA realisieren (D) so deutlich wie selten zuvor, dass auch sie als einzige (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Weltmacht verwundbar und auf verlässliche Verbündete des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP angewiesen sind. Daher werden sie in ihrem zukünftigen und der PDS) internationalen Handeln wesentlich davon beeinflusst Aber auch das wird nicht reichen: Wir müssen den werden, wie die Bündnispartner in Zeiten der Krise und gesellschaftlichen Resonanzboden für Terroristen aus Bedrohung Solidarität und Beistand zu leisten bereit sind. Armut, sozialem Elend und verletztem Stolz abbauen. Wer befürchtet hatte, die USA würden unüberlegt und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten in blindem Schmerz auf die Anschläge antworten, sieht des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der sich getäuscht. Die USA haben wohl überlegt angefan- FDP) gen, eine breite Koalition gegen den internationalen Terrorismus zu schmieden, und haben deutlich gemacht, Vordringlich ist dabei – der Bundeskanzler hat darauf hin- dass seine erfolgreiche Bekämpfung den Einsatz unter- gewiesen –, den Nahostkonflikt in friedliche Bahnen zu schiedlichster Mittel mit langem Atem erfordert. lenken und eine Lösung zu finden, die Israel eine gesi- Auf Antrag der USAhat sich der Sicherheitsrat der Ver- cherte Existenz und den Palästinensern einen eigenen einten Nationen mit den Angriffen auf New York und Staat garantiert, der wirtschaftlich lebensfähig ist. Washington befasst. In seiner Resolution vom 12. Sep- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des tember wird das Recht auf individuelle und kollektive BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Selbstverteidigung gegenüber terroristischen Gewalttaten PDS) anerkannt und zum ersten Mal der internationale Terroris- mus völkerrechtlich als Bedrohung des Weltfriedens und Wir müssen den Armutsregionen der Welt eine Perspek- der internationalen Sicherheit qualifiziert. Diese Verän- tive geben durch entwicklungspolitische Maßnahmen, derung des Völkerrechts hat die Möglichkeit eröffnet, ter- aber auch durch die Öffnung unserer Märkte und den Ab- roristische Gewalttäter, ihre Organisationen und die sie bau von Protektionismus gegenüber ihren Produkten. unterstützenden Kräfte mit angemessenen – auch militäri- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schen – Mitteln zu bekämpfen bzw. ihrer Bestrafung zu- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der zuführen. PDS) Sehr zu begrüßen ist, dass sich neben der Europäischen Sie müssen in den Regeln der Welthandelsorganisation Union und Japan auch Russland und China an die Seite auch für sich Vorteile erkennen. Wir müssen den Dialog Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18309

Dr. Peter Struck (A) und die Solidarität der Religionen und Kulturen verstärkt Wir werden alles, was nötig ist, einleiten und auch fi- (C) organisieren und vertiefen, damit deutlich wird, dass nanzieren. Aber wer so tut, als brauche man nur mal eben – nun zitiere ich aus dem gemeinsamen Entschließungs- Milliarden in Geheim- und Sicherheitsdienste zu ste- antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und cken, um die Terrorszene auszuheben, der macht den FDP – keine Religion Verbrechen gegen die Menschlich- Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land etwas vor. keit rechtfertigt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten DIE GRÜNEN) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Wir alle werden möglicherweise Entscheidungen zu treffen haben, die sich niemand von uns jemals erdacht, Meine Damen und Herren, es sind nicht nur welt- und geschweige denn gewünscht hat. Alle bisherigen He- außenpolitische Herausforderungen, denen wir uns jetzt rausforderungen verblassen vor dem, was wir jetzt zu be- stellen müssen, sondern wir sind im Innern genauso wältigen haben. Meine Fraktion unterstützt den Bundes- gefordert, uns von diesen Feinden der freiheitlichen kanzler und die Bundesregierung im Einsatz gegen die Lebensweise der westlichen Welt diese nicht zerstören Herausforderungen dieses Weltterrorismus. zu lassen. Wir dürfen nichts versäumen und nichts ver- schulden, hat Helmut Schmidt gesagt. Wir dürfen nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten versäumen, die Zellen fundamentalistischen Terrors in des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) unseren Städten aufzudecken. Aber wir dürfen nicht ver- Wir sind gewiss, dass nur eine geschlossene und ent- schulden, dass 3 Millionen muslimische Mitbürger in un- schlossene Antwort der zivilisierten Welt die Menschheit serem Land unter Generalverdacht gestellt werden. in Zukunft vor dem Grauen des 11. September schützen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ kann. Freiheit und Demokratie, Menschenwürde und die DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Achtung vor der jeweils anderen Religion dürfen nicht FDP und der PDS) unter den Trümmern des World Trade Centers begraben werden. Wir dürfen nicht versäumen, genauer hinzuschauen, wer an unseren Hochschulen studiert. Aber wir dürfen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nicht verschulden, dass diese die von uns allen gewollte DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Anziehungskraft in der Welt verlieren. CDU/CSU, der FDP und der PDS) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das ist die Verantwortung, vor der wir jetzt stehen. Sie des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP zu übernehmen und sie zu tragen wird keinem von uns und der PDS) leicht fallen; aber wir dürfen und können uns dieser Ver- (B) antwortung nicht entziehen. (D) Wir dürfen nicht versäumen, bei der Regelung der Zu- wanderung sicherheitsrelevante Aspekte im Ausländer- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ recht zu berücksichtigen, wie vom Bundesinnenminister DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der geplant. Aber wir dürfen nicht verschulden, dass Zuwan- CDU/CSU und der FDP) derung als bedrohlich empfunden wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile dem Kolle- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP gen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion, das Wort. und der PDS) Wir dürfen nicht versäumen, alle erdenklichen Aspekte Dr. Guido Westerwelle (FDP): Herr Präsident! für die Sicherheit unseres Landes und unserer Bürger zu Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie werden ver- bedenken. Aber wir dürfen nicht verschulden, darüber die stehen, dass auch ich diese Rede hier nicht beginnen Werte, für die wir, die westlichen Demokratien, stehen, möchte, ohne an die Tausenden von Toten zu erinnern, über Bord zu werfen. die noch immer unter den Trümmern des World Trade Centers und des Pentagons liegen. Sie sind Opfer eines (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten feigen, eines hinterhältigen Terroranschlages. Unsere Ge- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP danken und Gefühle sind bei ihnen, ihren Angehörigen und der PDS) und Freunden. Bundesinnenminister Otto Schily hat bei diesen Aufga- Als jemand, der sehr viel in den USA unterwegs ist, ben die volle Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion. meine ich – da werden mir viele Kolleginnen und Kolle- (Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich!) gen zustimmen –: Es war eine Sternstunde, zu erleben, wie am vergangenen Freitag 200 000 Menschen in Berlin Er hat in den letzten Tagen bewiesen, dass er sich den He- auf die Straße gegangen sind, um Solidarität mit den Ame- rausforderungen mit ganzer Kraft stellt. rikanern und mit den Opfern in Amerika zum Ausdruck zu (Beifall bei der SPD) bringen. Ruhige Hand und kühler Kopf sind auch hier die besseren (Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU Rezepte als hektische Milliardenprogramme. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Ich denke, dass wir jetzt alle in diesem Hause überpar- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) teilich gefragt sind. Deswegen, Herr Bundeskanzler, 18310 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Dr. Guido Westerwelle (A) möchte ich Ihnen auf Ihre Regierungserklärung zuerst keinen Parteienstreit geben. Deutschland verdient eine par- (C) antworten: Sie haben hier eine würdige Regierungser- teiübergreifende Verantwortung. Die FDP ist dazu bereit. klärung abgegeben und ich möchte Ihnen jedenfalls für die Oppositionspartei FDP zusagen und zusichern, dass Wir werden mit Sicherheit erleben, dass das Militär, das, was Sie gesagt haben, was Sie hier als Kurs bestimmt aber auch die inneren Vollzugsbehörden der Polizei im haben, die Zustimmung der Freien Demokraten findet. Rahmen der Terrorismusbekämpfung handeln werden. Jetzt geht es nicht darum, den Parteienstreit fortzusetzen, Aber ich finde, wir sollten bei alledem das Politische nicht sondern jetzt geht es darum, dass wir alle unsere Verant- aus den Augen verlieren: Wir werden den Terrorismus in wortung wahrnehmen, ob wir auf der Oppositionsseite der Welt nicht in erster Linie mit Militär und Polizei, son- oder auf der Regierungsseite sitzen. Wir als Freie Demo- dern nur mit politischen Lösungskonzepten bekämpfen kraten sind dazu bereit. können. (Beifall bei der FDP und der SPD) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNIS- Das ist eine wichtige Herausforderung für das gesamte SES 90/DIE GRÜNEN) Bündnis. Deswegen kann man an diesem Tage hier nicht sprechen, ohne auch auf die besondere Situation der In dieser Situation ist festzustellen: Die Bevölkerung er- Deutschen hinzuweisen. Wir sind heute Morgen vor dem wartet von uns zu Recht, dass wir entschieden handeln, Reichstagsgebäude allesamt an drei Demonstranten vor- um den Terrorismus zu bekämpfen. Aber sie erwartet von beigegangen. Bei uns in Berlin ist es das gute Recht die- uns auch, dass wir so besonnen handeln, dass der Frieden ser Demonstranten, auch unmittelbar vor dem Reichstag in Europa erhalten bleibt. zu demonstrieren. Aber es sei schon erlaubt, an Folgendes Es gibt einen bemerkenswerten Gedanken in dem fa- zu erinnern: Diese drei Demonstranten würden nicht de- belhaften Buch „Kassandra“ von Christa Wolf, der mir in monstrieren, wenn die Vereinigten Staaten nicht die Frei- diesen Tagen immer wieder in den Sinn gekommen ist. heit und den Frieden in Europa und in Berlin gesichert Sie schreibt dort: hätten. Wann Krieg beginnt, das kann man wissen, aber (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wann beginnt der Vorkrieg. Falls es da Regeln gäbe, der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNIS- müsste man sie weitersagen. SES 90/DIE GRÜNEN) Ich persönlich bin zu dem Ergebnis gekommen: Wenn Po- Wir alle wären nicht hier. Wir könnten hier nicht sprechen. litiker mehr über Kriegsszenarien als über Friedenslö- Deutschland hat den Tyrannen nicht aus eigener Kraft sungen sprechen, dann beginnt ebendieser Vorkrieg. Die überwunden, sondern mithilfe der Amerikaner und ihrer Bevölkerung erwartet von uns zu Recht, dass wir uns (B) Verbündeten. Das ist weit mehr als nur eine dankbare (D) Floskel. Das ist nach meiner Überzeugung vielmehr ein zunächst darüber unterhalten, wie man einen solchen Pro- Ausdruck der persönlichen Verantwortung, die wir jetzt zess hin zum Krieg verhindern kann. haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten John F. Kennedy hat einmal gesagt: „Ich bin ein der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Berliner.“ Er wollte damit die Verantwortung seines Lan- und der PDS) des, die Freiheit in Berlin zu sichern, zum Ausdruck brin- Es geht jetzt nicht um eine einseitige Fixierung auf das gen. Wenn wir jetzt sagen: „Wir stehen fest an der Seite Militärische. Wir brauchen vielmehr zuallererst politische der Vereinigten Staaten“, dann ist das Jahrzehnte später Lösungskonzepte. Politiker, die sich jetzt in öffentlichen unser Beitrag dazu, den Frieden und die Freiheit in der Interviews über Kriegsszenarien äußern, denen sollte man Welt zu sichern. Diese große Verantwortung haben jetzt sagen: Friedensszenarien sind jetzt bei uns in der Bevöl- alle Demokraten. Ich denke, in den letzten Tagen konnte kerung gefragt. man erkennen, dass unser demokratisches Gemeinwesen dieser Verantwortung weiß Gott gerecht wird. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten SPD, der CDU/CSU und der PDS) der SPD und der CDU/CSU) Gleichwohl ist es notwendig, Entschiedenheit und Ich freue mich übrigens darüber, dass die Ansichten Härte zu zeigen. Gleichwohl ist es natürlich auch not- mancher, die in dieser Situation mit den üblichen anti- wendig, über die Rolle der Bundeswehr zu sprechen. Wir amerikanischen Reflexen reagieren – dies erfolgt selbst können nicht so tun, als gäbe es hier keine Probleme. am heutigen Tage; bestimmten Kommentaren in süddeut- schen Zeitungen habe ich dies heute entnommen –, im Au- Meiner Einschätzung nach sollten wir in dieser Debatte genblick widerlegt werden. Denn die Vereinigten Staaten zunächst einmal über Prävention und nicht nur über Re- von Amerika handeln, wie es einer reifen Demokratie ent- pression sprechen. Dabei geht es auch um regionale Kon- spricht: entschieden, aber auch verantwortungsvoll. fliktlösungsmechanismen. Wenn etwas in diesen Tagen klar geworden ist, dann das, dass es auf dieser einen Welt (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten keine regionalen Konflikte mehr gibt, von denen andere der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNIS- Teile der Welt unbetroffen sein könnten. Jeder regionale SES 90/DIE GRÜNEN) Konflikt ist in Wahrheit auch ein weltweiter Konflikt. Je- Im gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus und bei der ungelöste regionale Konflikt trägt den Keim in sich, der Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit kann es auch bei uns Unglück zu säen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18311

Dr. Guido Westerwelle (A) Deswegen müssen wir auch und gerade jetzt in diesen was wir brauchen! – Joachim Poß [SPD]: Zu (C) Zeiten eine globale politische Verantwortung wahrneh- Zahlen hat er noch nie ein Verhältnis gehabt!) men, wenn es um die Konfliktlösung im Nahen Osten Deswegen ist es notwendig, dass wir in der Diskussion geht. Wir erneuern hier unseren Vorschlag und appellieren über die innere Sicherheit noch auf das Folgende hin- an Sie als Bundeskanzler und an den Außenminister, die- weisen: Herr Innenminister, das, was rechtsstaatlich not- sen Vorschlag in der Europäischen Union einzubringen. wendig ist, um Freiheit und Sicherheit in Deutschland zu Es geht darum, dass wir als Lösung eine Konferenz für Si- gewährleisten, werden wir mit Ihnen gemeinsam be- cherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten anbieten, schließen. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Aber dass wir sie initiieren; denn man hört viel zu oft, man ich füge auch hinzu: In meinen Augen beruht das Problem könne im Nahen Osten niemals zum Frieden finden, dort der inneren Sicherheit nicht zuerst auf einem Gesetzes- sei alles so verhärtet, das sei nicht mehr zueinander zu defizit, sondern auf einem Vollzugsdefizit. Die Ausstat- führen, das könne nur noch militärisch auseinander ge- tung der Polizeibehörden – übrigens auch der Verfas- schlagen werden. sungsschutzämter – in Deutschland lässt zu wünschen Dies ist sträflicher, ja geradezu tödlicher Leichtsinn, übrig. Dies ist eine finanzielle, eine haushaltspolitische meine Damen und Herren. So wie es uns in Mitteleuropa, Herausforderung. im Nachkriegsdeutschland, im Nachkriegseuropa gelun- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – gen ist, aus Erbfeinden Freunde zu machen, so ist es auch Joachim Poß [SPD]: Darum haben Sie sich in Ih- in anderen Regionen der Welt möglich, Menschen mitei- rer Regierungsverantwortung nicht gekümmert!) nander zu versöhnen, wenn der Wille und die Anstren- gung groß genug sind. Das muss erstes Ziel der deutschen Eine bessere Ausstattung ist notwendig. Ich denke, dass Politik sein. wir dieses Problem lösen werden. Antworten Sie darauf! Richten Sie sich darauf ein! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Michael Glos [CDU/ Ich möchte zum Schluss gerne noch einen Gedanken in CSU]) diese Debatte einführen. Es ist ein Gedanke, der mir eben- falls sehr wichtig ist. Alle haben darauf hingewiesen, dass Ich will Ihnen, Herr Bundeskanzler, und der Bundesre- man nicht im Namen von Religion derartige Verbrechen gierung in dieser Debatte ein paar Bemerkungen aber begehen kann. Das ist völlig richtig. Ich möchte es aus nicht ersparen. Wir haben die Debatte über den Haus- meiner Sicht noch einmal sagen: So, wie ich als Christ halt unterbrochen, als uns die Nachricht von diesem nicht dafür in Haftung genommen werden möchte, dass in schrecklichen Terroranschlag im wahrsten Sinne des Wor- Nordirland kriminelle Fundamentalisten Schulkinder tes getroffen hat. Wir werden diese Debatte über den bombardieren und glauben, sie täten das im Namen der Haushalt aber fortsetzen. Wir müssen sie auch fortsetzen. (B) Bibel, so ist es auch unzulässig, Andersgläubige in Haf- (D) Vorgestern meldete die Deutsche Presse-Agentur eine tung zu nehmen, weil sich Straftäter auf den Koran beru- Erklärung eines Sprechers des Verteidigungsministe- fen. Bei dem einen geht es nicht um die Bibel, bei dem an- riums. Dieser verglich die Situation der Bundeswehr mit deren nicht um den Koran. Beides sind Verbrechen. einem Kaufhaus, in dem viele leere Regale stehen und (Beifall im ganzen Hause) mehrere Abteilungen wegen Umbaus geschlossen sind. Dies sagt nicht ein Oppositionspolitiker, sondern ein Das möchte ich – gerade als Liberaler, der unverdächtig Sprecher des Verteidigungsministeriums. Herr Bundes- ist, dass es ihm an Toleranz mangeln würde – zur wehr- kanzler, wenn es Staatsräson ist, dass jetzt auch die Op- haften Demokratie sagen. position zum Bündnis steht – und wir tun das –, dann ist (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- es Ihre Staatsräson, dafür zu sorgen, dass die Bundeswehr NIS 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: entsprechend anständig ausgestattet wird. Je nach Situation! Sie sind ja wendig! Mal so, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) mal so!) Diese Strukturfragen haben wir zu beantworten und ich – Ich glaube, das sind wir alle in diesem Augenblick. Oder gehe davon aus, dass Sie, Herr Finanzminister, einen kor- etwa nicht? Ich meine das übrigens ganz ernst. rigierten Haushalt vorlegen werden. Bezogen auf das liberale Verständnis möchte ich Ihnen Ich möchte an das anknüpfen, was Sie, Herr Kollege etwas sagen, was ich gerade in dieser Zeit für ganz be- Struck, gesagt haben. Sie haben gesagt, man dürfe nicht sonders wichtig halte: Toleranz ist gut. Toleranz gegen- den Eindruck erwecken – Sie haben völlig Recht dabei –, über Intoleranz ist in meinen Augen aber nicht liberal, dass dann, wenn man nur Milliarden in die Terrorismus- sondern dumm. bekämpfung stecken würde, die Probleme gewisser- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten maßen gelöst seien. Sonst würde man den Bürgern etwas der SPD und der CDU/CSU) vormachen. Da haben Sie Recht. Ich sage Ihnen aber auch: Wenn wir diese Milliarden D-Mark nicht in die Ter- Darauf muss man in dieser Situation hinweisen; denn da- rorismusbekämpfung stecken, lösen wir die Probleme rum geht es. auch nicht und machen den Bürgerinnen und Bürgern Herr Bundeskanzler, für das, was Sie in Ihrer Regie- auch etwas vor. rungserklärung gesagt haben, haben Sie die Rücken- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – deckung der Freien Demokraten. Wir gehen davon aus, [SPD]: Zuerst einmal gucken, dass Sie uns auch weiter informieren. Zu dem, was Sie uns 18312 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Dr. Guido Westerwelle (A) nicht gesagt haben, können wir uns nicht äußern. Wir ha- wir uns in der Verteidigung unserer Werte, der Verteidi- (C) ben Verständnis dafür, dass Sie zwar mehr wissen, aber gung von Demokratie, Freiheit und Toleranz, gegen Ter- natürlich nicht alles sagen können. Sie sehen ein, dass wir ror und Unmenschlichkeit einig sind. unsere Zustimmung nur Punkt für Punkt zu dem, was Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Ihren Erklärungen geäußert haben, geben können. sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn Sie einen entschiedenen, aber zugleich auch beson- nenen Weg gehen, werden Sie die Unterstützung über die Wir, meine Fraktion, meine Partei, stehen zu dieser So- Parteigrenzen hinweg erhalten. Das kann ich zumindest lidarität. Wir meinen: Es war richtig und notwendig, dass für die Freien Demokraten in diesem Hause sagen. die Bundesregierung der Feststellung des Bündnisfalls im NATO-Rat zugestimmt hat. Alles andere hätte die Solida- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ritätserklärung vom selben Tag zu Worten ohne Wert ge- der SPD, der CDU/CSU und der PDS) macht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile Kollegin sowie bei Abgeordneten der SPD) Kerstin Müller, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Dennoch fragen sich viele Menschen besorgt: Welche Konsequenzen wird dies haben? Bei vielen wächst die Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Angst vor einer Eskalation der Gewalt. Werden die USA Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Acht Tage sind einen Rachefeldzug starten? Wird das Bündnis durch seit dem schrecklichen Anschlag auf das World Trade seine Beistandspflicht in eine unkalkulierbare Zukunft Center und das Pentagon in den USA vergangen. In Ame- steuern? rika versuchen die Menschen inzwischen, wieder so etwas wie Alltag zu leben: Die Börse hat wieder geöffnet, die Wir müssen hier und heute nicht über einen Einsatz der Straßen füllen sich wieder mit Menschen und die Kinder Bundeswehr beraten. Wenn diese Frage ansteht, werden gehen wieder in die Schule. wir zu gegebener Zeit im Bundestag darüber zu beraten haben. Ich betone: Die deutsche Zustimmung zum Bünd- Aber nicht nur dort, sondern auch hier merken wir alle, nisfall löst keinen Automatismus aus. Wir haben den USA dass das nicht so schnell geht. Die Bilder lassen sich nicht unsere Unterstützung zugesichert. Dies enthebt uns aber so schnell verdrängen – mir geht das jedenfalls so –: nicht der Verantwortung, dass wir, der Deutsche Bundes- Frauen, die ihre Männer suchen, Fotos von Vermissten, die tag, in eigener Souveränität über unseren Beitrag zur Er- Angehörige in den Straßen von Manhattan aufgehängt ha- greifung der Täter und zur Bekämpfung des internationa- ben, und Hilfsmannschaften, die seit einigen Tagen nur len Terrorismus zu entscheiden haben. noch Tote bergen. Ich glaube, es wird lange dauern, bis wir (B) alle wirklich begreifen, was dort eigentlich geschehen ist. Dennoch kann es sein, dass begrenzte Militäraktionen (D) nötig sind, um den Terror und seine Strukturen gezielt zu Wir Politiker neigen ja dazu, alles und jedes sofort zu bekämpfen. Ich hoffe und erwarte aber auch, dass die kommentieren. Ich muss Ihnen sagen: Angesichts dieser USA, die Bündnispartner, mit der gleichen Besonnenheit Katastrophe fällt es mir persönlich schwer, auch nur über und klugen Zurückhaltung vorgehen, die sie in den ver- meine eigenen Empfindungen zu sprechen. Ich glaube, gangenen Tagen gezeigt haben. Natürlich haben die USA ganz vielen Menschen in Deutschland geht das genauso. nach dem Völkerrecht das legitime Recht auf Selbst- Bei den Hunderttausenden, die am Freitag vor dem Bran- verteidigung gegen diesen furchtbaren Angriff. Aber das denburger Tor standen, waren das tief und ehrlich emp- Völkerrecht kennt weder Rache noch Vergeltung. Das fundene Mitgefühl für die Menschen in Amerika, aber Völkerrecht steht für universale Werte, die wir gemein- auch die Hilflosigkeit, die Ratlosigkeit und die Sorge vor sam verteidigen müssen. Ich kann daher nur davor war- dem, was auf uns zukommt, zu spüren. Wir sind ange- nen, den Eindruck zu erwecken, wie jetzt in so manchem sichts des Ausmaßes von Gewalt und Terror fassungslos. Leitartikel und so mancher Rede geschehen, als könne Wir spüren alle: In der vergangenen Woche hat sich man das Problem des internationalen Terrorismus allein etwas Grundlegendes verändert. Es ist eine politische militärisch lösen. Zäsur. Nichts wird mehr so sein wie vorher, weil der Terror Wir haben es mit einer ganz neuen Bedrohung zu tun, eine neue Dimension bekommen hat. Das war nicht nur die es so und in dieser Brutalität vorher nicht gab. Wir ha- ein Angriff auf Tausende unschuldiger Menschen. Das ben es mit einem Gegner zu tun, der aus dem Hinterhalt war ein Anschlag auf die demokratische und offene Ge- zuschlägt. Kein Land und keine Regierung greift uns an, sellschaft, ein Anschlag auf die Werte, die das Fundament sondern ein Gegner mit vielen Gesichtern. Es ist ein welt- unserer Gesellschaft bilden: auf Demokratie, Freiheit und weit verzweigtes Netz des Terrors, das uns bedroht. Es ist Toleranz, ja, auf die Menschlichkeit selbst. Weil das so ist, weder ein Mangel an Solidarität noch ein Mangel an Ent- müssen wir dazu Stellung beziehen, so ängstlich und be- schlossenheit, wenn wir angesichts dieser Bedrohung fra- sorgt wir auch sein mögen. Wir können uns nicht weg- gen: Was ist das richtige und angemessene Mittel gegen ducken, weil wir Teil dieser Wertegemeinschaft sind und diese Bedrohung? Gerade dieser Gegner erfordert zuerst weil der Angriff auch uns galt. Besonnenheit und kluge Abwägung und dann zielgerich- tetes und entschlossenes Handeln. Deshalb haben wir Amerika unsere Solidarität versi- chert, nicht nur aus einer Bündnisverpflichtung heraus, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- nicht nur weil uns Amerika beim Aufbau von Demokratie wie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. und Liberalität unterstützt hat. Wir sind solidarisch, weil Roland Claus [PDS]) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18313

Kerstin Müller (Köln) (A) Gerade die Unberechenbarkeit seiner Reaktion erfor- brauchen eine weltweite, gemeinsame internationale Of- (C) dert unsererseits eine Reaktion, die nicht die Gefahr der fensive gegen die Strukturen des Terrorismus. Dazu Eskalation mit unabsehbaren Folgen für den internationa- gehört – einige Vorredner haben es schon gesagt –: Wir len Frieden und nicht zuletzt auch für die Sicherheit der müssen dessen Finanzquellen austrocknen. Menschen in Deutschland in sich birgt. Die erste Antwort (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- auf die Frage nach den richtigen und angemessenen Mit- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) teln haben die USA selbst gegeben, indem sie auf sofor- tige Gegenschläge verzichtet und zunächst die Überein- Der Hauptverdächtige, Osama Bin Laden, zum Beispiel stimmung aller Bündnispartner gesucht haben. Sie kann sich zur Finanzierung seines Netzwerkes auf umfas- haben sich damit für den multilateralen Weg entschieden. sende Geldquellen stützen. Wir aber wissen auch heute Der andere, der unilaterale Weg wäre der nationale Al- noch viel zu wenig über seine Finanziers. Wenn wir sol- leingang gewesen, der mit ziemlicher Gewissheit zu einer chen Organisationen den Finanzhahn zudrehen wollen, unmittelbaren Eskalation geführt hätte. brauchen wir auf den internationalen Finanzmärkten mehr Transparenz. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass die USA auch die weiteren Maßnahmen zur Ergreifung der Täter und ih- Wir brauchen eine enge internationale Kooperation der rer Hintermänner sowie den Kampf gegen den internatio- Geheimdienste. Nicht nur die EU-Staaten, auch die USA, nalen Terrorismus gemeinsam mit den Bündnispartnern China und Russland müssen ihre Waffenexportpolitik abstimmen werden. Schon heute ist der deutsche Außen- überdenken. Vor allem müssen wir unsere Konzepte einer minister in den USA, um weitere Gespräche zu führen. internationalen Strukturpolitik weiterentwickeln, die zu Auch deshalb war es richtig, dass die NATO-Partner den einer Entspannung der Konflikte in den Krisenregionen Bündnisfall erklärt haben, vorausgesetzt, der Angriff er- dieser Welt führen. Es geht darum, allen Menschen dieser folgte vom Ausland aus. Sie haben damit nicht nur dem Erde die Teilhabe am sozialen Fortschritt und die Chance NATO-Vertrag entsprochen, der 1999 ausdrücklich für auf ein besseres Leben zu ermöglichen. den Fall terroristischer Angriffe erweitert wurde. Indem Ich sage aber auch: Ohne ein politisches Konzept, das wir uns bereit erklärt haben, den Bündnisfall festzustel- über den Tag hinausweist, ohne ein Angebot zur wirk- len, haben wir die USA darin bestärkt, den Weg des ge- samen Lösung der sozialen und ökonomischen Konflikte meinsamen Vorgehens einzuschlagen und die Hilfe sowie auf dieser Erde, werden wir nicht in der Lage sein, Fana- auch den Rat der Bündnispartner in Anspruch zu nehmen. tikern und ihren terroristischen Netzwerken den sozialen Nährboden zu entziehen. An dieser Aufgabe müssen wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN arbeiten. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nicht nur das: Auch der Schulterschluss mit den Ver- (B) sowie bei Abgeordneten der SPD) (D) einten Nationen wurde offensichtlich ganz bewusst ge- sucht. Das ist in dem Bemühen um ein klares und ein- In diesem Sinne hat Bundespräsident Johannes Rau an- mütiges Vorgehen des Weltsicherheitsrates deutlich lässlich der Kundgebung am letzten Freitag zu Recht ge- geworden. Russland und China stehen an der Seite der sagt: Der beste Schutz gegen Terror, Gewalt und Krieg ist USA. Nahezu alle arabischen Staaten – ich möchte das be- eine gerechte internationale Ordnung. Deshalb brauchen sonders betonen – haben unmissverständlich und klar die wir eine Neuausrichtung der Sicherheitspolitik. Im Vor- Anschläge verurteilt. Yassir Arafat hat gestern erklärt, dergrund muss dabei stehen, wie den neuen globalen Be- dass sich die palästinensische Autonomiebehörde mit all drohungen durch Krisenprävention und zivile Konfliktbe- ihren Mitteln an einem internationalen Antiterrorbündnis arbeitung begegnet werden kann. beteiligen wird. Das heißt, es ist ein großes, globales (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Es gibt Bündnis entstanden, getragen von der Solidarität mit Leute, die besprechen Warzen, und glauben, sie Amerika, aber auch von einem gemeinsamen Ziel, näm- werden geheilt!) lich dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Wann hat es je eine so große internationale Übereinstim- Wie schnell militärische Maßnahmen, Terrorakte und mung gegeben? Vergeltungsschläge in eine mörderische Gewaltspirale führen können, zeigt das Beispiel Israel. Gerade der deut- Diese Entwicklung könnte auch eine große, historische sche Außenminister hat in der letzten Zeit alles daran- Chance bedeuten. Es könnte jetzt ein Neuanfang gelin- gesetzt, Israelis und Palästinenser wieder an den Ver- gen, und zwar nicht nur im Kampf gegen den internatio- handlungstisch zu bringen, um eine politische Lösung des nalen Terrorismus, sondern auch im Kampf gegen Ge- Konfliktes zu erreichen. walt, Extremismus und Intoleranz insgesamt. (Michael Glos [CDU/CSU]: Der wäre besser (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in seine Fraktion gegangen! Da wird er ge- sowie bei Abgeordneten der SPD) braucht!) Es könnten neue Allianzen im Kampf gegen Armut und Ich freue mich, dass es ihm, gemeinsam mit den europä- Ausgrenzung, gegen Rassismus und für den Schutz der ischen Partnern, gerade jetzt gelungen ist, einen Waffen- Menschenrechte möglich werden. Diese Chance sollten stillstand zwischen den Konfliktparteien zu vereinbaren. wir nutzen. Das ist in dieser Situation ein wirklich großer Erfolg. Eines sollte auch klar sein: Dieser Kampf darf sich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht in erster Linie auf militärische Mittel stützen. Wir sowie bei Abgeordneten der SPD) 18314 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Kerstin Müller (Köln) (A) Es zeigt: Gerade in Zeiten wie diesen sind politische Sicherlich müssen wir auch im Innern den Kampf ge- (C) Erfolge möglich. Die Konfliktparteien haben die histo- gen den Terrorismus führen. Es kann zum Beispiel nicht rische Chance ergriffen; sie haben erkannt: Der Weg der sein, dass extremistische Organisationen unter dem Deck- Gewalt führt in die Sackgasse und nur eine politische Lö- mantel des Religionsprivilegs hier ihr Unwesen treiben, sung wird einen dauerhaften Frieden bringen. Beide Sei- die ohne diesen Status schon längst verboten wären. Es ten müssen jetzt zügig und ohne Wenn und Aber auf der ist daher ein sehr vernünftiger Vorschlag des Bun- Grundlage des international anerkannten Mitchellplans desinnenministers, das Vereinsrecht entsprechend zu än- den Weg zurück, zu friedlichen Verhandlungen finden. dern. Aber wir müssen genau prüfen, welche Maßnahmen Dies ist ein Beispiel: Die Lösung des Nahostkonflikts, die wirklich zu mehr Sicherheit führen und welche nur vorge- Akzeptanz und die Tatsache, dass die Menschen in Israel ben, es zu tun. Innere Sicherheit im Rechtsstaat zu ge- friedlich mit den Palästinensern leben, ist ein wichtiger währleisten heißt, die richtige Balance zwischen Sicher- heit und Freiheit zu finden. Sicherheit ist die erster Schritt im Kampf gegen den Terror, und zwar ein Voraussetzung für Freiheit. Das hat Otto Schily dieser ganz konkreter politischer Schritt. Tage gesagt und das ist richtig. Aber wenn wir jetzt als Re- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aktion auf die Anschläge in blindem Aktionismus Frei- sowie bei Abgeordneten der SPD) heitsrechte abbauen, dann haben die Terroristen schon ge- wonnen. Das können wir nicht wollen. Der notwendige Kampf gegen den extremistischen Islamismus darf nicht zum Kampf gegen den Islam wer- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- den. Ein solcher Kampf ist genau das, was die Täter und SES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Peter Hintermänner der Anschläge erreichen wollen. Bedenken Dreßen [SPD]) Sie: Weltweit gibt es 1 Milliarde Muslime. Sie üben ihre Herr Kollege Scholz – ich weiß nicht, ob er anwesend Religion friedlich aus. Viele leben in toleranter Nachbar- ist –, ich finde es absolut unangemessen, wenn Sie jetzt im schaft mit Menschen anderer Kultur und Religion. Viele Windschatten der Tragödie in den USA Ihre alten Lieb- Muslime sind selbst Opfer von Gewaltherrschaft und ter- lingsforderungen vom letzten Jahr durchsetzen wollen: roristischer Verfolgung, zum Beispiel in Afghanistan. Ge- Aufhebung der Trennung von Geheimdienst und Polizei, rade für die Menschen in den arabischen Ländern muss Einsatz der Bundeswehr im Inneren oder Einrichtung ei- dieser Unterschied klar und sichtbar bleiben. Der jetzt be- nes nationalen Sicherheitsrates. Ich frage mich: Was soll ginnende Kampf gegen den Terrorismus ist nicht der das? Ohne sorgfältige und gewissenhafte Prüfung der Kampf „Abendland gegen Morgenland“. Wenn dieser tatsächlichen Sicherheitslage solche Forderungen zu er- Unterschied verwischt wird, dann kann das dazu führen, heben, nenne ich Panikmache. dass der internationale Terror zusätzliche Unterstützung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) erfährt. sowie bei Abgeordneten der SPD) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Damit führen Sie keine Debatte über das, was notwendig wie bei Abgeordneten der SPD und der PDS) ist. Das schafft auch nicht mehr Sicherheit. Im Gegenteil: Wir sollten sehr darauf achten, dass dieser Unterschied Das verunsichert die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. auch in der innenpolitischen Debatte klar zu erkennen ist. Wenn Herr Beckstein dieser Tage – anders als Herr Merz Uns geht es um die Verteidigung der Freiheit sowie die heute – einem Zuwanderungsgesetz erneut eine Absage Verteidigung von Demokratie und Toleranz. Daher kön- erteilt, mit der Begründung, er glaube nicht, dass man nen wir im Bereich der inneren Sicherheit keine Schnell- nach dem Terroranschlag in den USA noch unbefangen schüsse gebrauchen. Vielmehr sind Ruhe und Besonnen- darüber diskutieren könne, ob man Leute zum Beispiel heit auch in der Innenpolitik geboten. aus Irak, Leute aus der arabischen Welt zu uns leichter (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- kommen lasse, dann finde ich das sehr problematisch; SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) denn damit stellt er alle Angehörigen muslimischen Glau- bens unter einen Generalverdacht. Dem müssen alle De- Viele Menschen haben Sorgen. Sie fragen sich: Wie ist mokraten entschieden entgegentreten. Eine solche De- es möglich, dass einer der Täter acht Jahre lang unerkannt batte dürfen wir in Deutschland jetzt nicht lostreten und unauffällig unter uns lebte, ohne dass es auch nur die geringsten Hinweise gab? Leider muss man antworten: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weder noch so strikte Sicherheitsgesetze oder ein noch so sowie bei Abgeordneten der SPD und der starker Geheimdienst bieten absoluten Schutz vor solchen PDS) Tätern. Wir müssen uns die Entwicklung in den USA sehr genau anschauen. Dort wurden allein im letzten Jahr Wir dürfen den Kampf der Kulturen auch im Inneren 12 Milliarden US-Dollar für Terrorismusbekämpfung aus- nicht zulassen. Wir brauchen gerade jetzt den Dialog der gegeben. Die USA haben einen der bestausgestatteten Ge- Kulturen. Auch die muslimischen Gemeinden sind heimdienste der Welt und haben für ihn allein im letzen schockiert und trauern. Auch sie haben sich solidarisch er- Jahr 30 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Dennoch ist es klärt. Wenn sie jetzt von Morddrohungen und Anfeindun- nicht gelungen, diese lange vorbereitete Tat, an der viele gen auf der Straße berichten – das ist schon Alltag in Personen im Vorfeld beteiligt waren, zu verhindern. Daher Deutschland –, dann muss ich feststellen, dass das sehr müssen wir doch erst einmal genau analysieren: Wo lagen gefährliche Entwicklungen sind, und dann müssen wir al- die Schwachstellen und Fehler? Arbeiten die Dienste mit les unternehmen, damit unsere ausländischen Mitbürger den richtigen Schwerpunkten? Was muss angesichts der in Deutschland Schutz und Sicherheit erhalten. neuen Herausforderungen ihre Aufgabenstellung sein? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18315

Kerstin Müller (Köln) (A) Wir müssen uns auch immer wieder klarmachen: Wir denten Johannes Rau auf der Berliner Kundgebung ge- (C) wollen eine Gesellschaft von freien Bürgern. Eine Gesell- funden? schaft von freien Bürgern bleibt immer verwundbar. Ab- (Beifall bei der PDS) solute Sicherheit gibt es in der offenen Gesellschaft nicht. Dann war da noch das Wort von Frau Merkel an die Adresse des Bundespräsidenten, wir dürften uns nicht ins Benjamin Franklin hat einmal gesagt – das wurde in „Hinterzimmer der Gemütlichkeit“ zurückziehen. Solche der letzten Woche oft zitiert –: Sätze lassen leider ahnen, wohin die in Sprache gebettete Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, Verächtlichmachung von Besonnenheit und Zurückhal- wird am Ende beides verlieren. tung führen kann. Lassen Sie uns deshalb alle gemeinsam die notwendigen (Beifall bei der PDS) Diskussionen über den richtigen Weg gegen den Terror Frau Merkel, wir wollen auch keine Spirale der Wortge- mit Sorgfalt führen – außen- wie innenpolitisch. Was wir walt. tun, darf das freiheitliche Fundament unserer Gesellschaft nicht beschädigen; denn es geht ja gerade um die Vertei- Über alle Parteigrenzen hinweg besteht große Einig- digung unserer freiheitlichen Gesellschaft. Wir müssen keit darüber, dass der 11. September einen tiefen Ein- sie vor dem Terror schützen – nach innen wie nach außen. schnitt in der Geschichte darstellt. Wenn das richtig ist – wie auch ich finde –, bedarf es aber auch ganz neuer Danke schön. Antworten auf neue globale Herausforderungen. Ich habe (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN momentan jedoch das Gefühl, dass auf diese Zäsur nicht und bei der SPD) mit wirklich neuen, sondern immer noch mit ziemlich al- ten Überlegungen reagiert wird. Wenn die militärische Vergeltung im Mittelpunkt steht, ist das alt. Wenn in der Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort Innenpolitik nach Einschränkung individueller Freiheiten dem Kollegen Roland Claus, PDS-Fraktion. gerufen wird, ist das alt. Dies alles ist in der Vergangen- heit schon da gewesen Roland Claus (PDS): Herr Präsident! Meine sehr ver- (Michael Glos [CDU/CSU]: In der DDR!) ehrten Damen und Herren! Die Bilder des unfassbaren Leids wird niemand vergessen. Wir alle erleben in diesen und es hat nichts genutzt. Tagen, dass sehr viele Bürgerinnen und Bürger ihre Trauer (Beifall bei der PDS) und Wut, ihre Solidarität mit dem amerikanischen Volk Die Welt braucht eine neue Sicherheitsarchitektur. (B) eben auch mit dem Ruf nach Besonnenheit und auch mit (D) der Angst vor Krieg verbinden. Die Politik ist wie selten Den globalisierten Terrorismus kann die Völkergemein- zuvor in die Pflicht genommen. schaft nur gemeinsam wirksam bekämpfen. Zivile Kon- fliktlösungen müssen Vorrang haben und die Gefahren ei- Herr Bundeskanzler, ich finde, Sie haben Recht: Es ner Spirale der Gewalt müssen eingedämmt werden. geht in der Tat um die Kultur dieser einen immer mehr zu- sammenwachsenden Welt. Die weinende Schülerin vor (Beifall bei der PDS) der Hedwigs-Kathedrale, die mir in Erinnerung bleibt, ist Indem wir dies sagen, wissen wir natürlich, dass die Er- nicht weniger solidarisch mit den Vereinigten Staaten, nur greifung der Schuldigen nicht ohne repressive Maßnah- weil sie uns Politikern zuruft: „Kein Krieg!“. Ich denke, men vonstatten gehen kann. Über das Maß dieser Repres- wir sind uns einig: Wenn der globalisierte Terror den glo- sion kann aber erst entschieden werden, wenn die balisierten Krieg zur Folge hätte, dann hätte nicht die Zi- Schuldigen ausgemacht sind und ihr Aufenthaltsort aus- vilisation, dann hätte der Terror obsiegt. findig gemacht wurde. Solche repressiven Maßnahmen (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten müssen dann mit den Betreffenden, so auch den arabi- der SPD) schen Staaten, und nicht gegen sie vereinbart werden. (Beifall bei der PDS) Die Logik des Todes ist die Logik der Terroristen. Sie darf aber nicht die Logik einer freien und gerechten Welt Ein militärischer Schlag, dem Unschuldige zum Opfer werden. fallen, wird nicht nur das Leben dieser Unschuldigen kos- ten, er wird auch seinerseits wieder neue Rufe nach Rache (Beifall der Abg. Dr. Heidi Knake-Werner und Vergeltung hervorbringen. Dies und nichts anderes [PDS]) hat gemeint, als er überlegt hat, wie denn die Der Kampf gegen den globalisierten Terrorismus ist Verantwortlichen für den Terror zu ergreifen sind. Ich will gewinnbar, ein Krieg aber nie. Ihnen sagen: Auch diese Frage ist der Linken natürlich nicht egal. (Beifall bei der PDS) (Beifall der Abg. Dr. Heidi Knake-Werner Herr Bundeskanzler, ich weiß um die Last, die Sie in [PDS]) diesen Tagen zu tragen haben. Ihre Regierungserklärung verdient Respekt. Aber lassen Sie mich dennoch nachfra- Meine Damen und Herren, auch wir meinen: Die Welt gen. Ich unterstelle Ihnen bekanntlich nicht, dass Sie der darf nicht in Gut und Böse aufgeteilt werden. Kein Volk kriegerischen Vergeltung das Wort reden. Aber warum ei- dieser Erde ist ein Schurkenvolk; keine Religion der Welt gentlich haben Sie kein Wort zur Rede des Bundespräsi- ist eine Schurkenreligion. Pauschale Feindbilder werden 18316 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Roland Claus (A) pauschale Hassreaktionen hervorbringen. Das kann nie- für die ganze Welt geben. Die UNO hat eine Antiterror- (C) mand wollen. konvention beschlossen, die, wenn sie weltweit ratifiziert Die technische und logistische Realisierung der An- wird, Grundlage für entschiedene weltweite Schritte ge- schläge von New York und Washington zeigt: Dagegen gen den Terrorismus sein kann. hilft keine Armee; dagegen hilft kein Raketen- (Beifall bei der PDS) schutzschild. Eher ist zu befürchten, dass in der Logik des Wahnsinns der Gegenschlag bereits kalkuliert ist. Staat- Friede muss gerecht sein und sich mit Wohlstand liche Unterstützung von Terror muss geächtet und mit – sei er auch relativ – verbinden. Wer Sicherheit will, der politischen und ökonomischen Mitteln überwunden wer- muss sich real für eine gerechte Welt und für eine neue den. Entschiedener als zuvor haben wir darüber nachzu- Weltwirtschaftsordnung einsetzen. Friede muss auch in- denken, wie endlich die Waffenexporte eingeschränkt und nerhalb der Gesellschaft freiheitlich und demokratisch die Finanzstrukturen des internationalen Terrorismus zer- sein. Es geht um das Gemeinwohl. Also muss die Ge- schlagen werden können. meinschaft mehr Mittel für soziale, kulturelle und bil- dungspolitische Integration aufbringen. Mehr Transpa- (Beifall bei der PDS) renz, eine starke Zivilgesellschaft und interkultureller Auch wir – ich will das noch einmal betonen – haben Austausch sind Markenzeichen eines modernen Weges zu keine fertigen Rezepte für die Lösung der komplizierten mehr Sicherheit. Probleme. Nur: Es muss doch auch in Deutschland legi- Natürlich sehen auch wir die Notwendigkeit, Maßnah- tim sein, vor einer Spirale der Gewalt zu warnen, ohne des men zur Verbesserung der Flugsicherheit zu ergreifen und Antiamerikanismus verdächtigt zu werden. Es sind in der zu wirksameren Formen der Terrorismusbekämpfung im Gesellschaft sehr viele, die wie wir vor dieser Spirale der Landesinnern zu gelangen. Aber Bürgerrechte, Demokra- Gewalt warnen: Kirchen, Gewerkschaften, Verbände, tie und Weltoffenheit dürfen nicht im Zeichen des Zorns Friedensorganisationen. Unter den Besorgten sind ganz abgebaut werden. Junge genauso wie auch die Älteren, die aus eigener Er- fahrung wissen, was Krieg wirklich bedeutet. (Beifall bei der PDS) Der Terror darf keine Gewalt über uns gewinnen. Jetzt Es genügt auch nicht, bei den geplanten Maßnahmen nur muss sich erweisen, wie zivilisiert die zivilisierte Welt ist. in Kategorien der Repression zu denken. Es ist doch an- In Berlin leben Zehntausende muslimischer Mitbürgerin- gebracht, zur gemeinsamen Terrorismusprävention mit nen und Mitbürger als Mitbürger, wie gesagt, nicht als nicht deutschen Verbänden und Vereinen in der Bundes- Feindbilder. republik in Beratung zu treten und dieses Thema auf die Es ist nicht unsolidarisch oder antiamerikanisch, wenn Tagesordnung zu setzen. (B) (D) sich die PDS-Fraktion entschlossen hat, den Beschluss Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es in dieser des NATO-Rats nicht mitzutragen. Es muss erlaubt sein, Legislaturperiode noch ein Jahr miteinander zu tun. Wie sich dem Vorrang oder dem Übermaß des Militärischen zu auch immer sich jede und jeder heute entscheidet, ich habe entziehen. die Hoffnung, dass wir uns ganz am Anfang dieser Kon- (Beifall bei der PDS) flikte so verhalten, dass wir uns nach diesem Jahr immer noch in die Augen sehen können. Ebenso wie ich keinem Eine Kriegsrhetorik wie die von der Notwendigkeit ei- Abgeordneten unterstelle, unbedacht oder gar kriegslüs- nes – ich zitiere – „Kreuzzuges“, die der Präsident der tern zu sein, sollten Sie einer kritischen Minderheit im Vereinigten Staaten jetzt gewählt hat, macht es schwer, Hause nicht unlautere oder unerlaubte Motive unterstellen. kritisch solidarisch zu sein. Es ist die Verantwortung der NATO-Verbündeten, hier klare Antworten einzuholen. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten Wir dürfen doch fragen: Was eigentlich ist das Ziel eines des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Militärschlages? Was soll an seinem Ende stehen? Mit welchem Ergebnis kommt man aus ihm wieder heraus? – Wenn wir dem globalisierten Terror mit globalisierter Es bleibt uns die Hoffnung, dass aus militärischer Rheto- Vernunft und globalisierter Gerechtigkeit begegnen, dann rik nicht analoge Militärpolitik wird. kann Friede sein. Neues Denken von Sicherheitspolitik verdient eine Ich danke Ihnen. Chance. Nein, die Terroristen sind weder Repräsentanten (Beifall bei der PDS) noch die Stimme des in bitterer Armut lebenden Teils der Welt. Nichts rechtfertigt ihre Anschläge. Dennoch muss es zu einer neuen Sicherheitsarchitektur der Welt gehören, Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile dem Kolle- mehr für Entwicklung und sozialen Ausgleich zu tun, gen Gernot Erler, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der PDS sowie des Abg. Hans Georg Wagner [SPD]) Gernot Erler (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegin- nen und Kollegen! Die Terrorakte vom 11. September damit dem Terror der Nährboden entzogen wird. Gemein- sind eine einzige große Herausforderung – gemessen an sames Handeln aller Staaten gegen den Terrorismus ist der Zahl der Opfer, gemessen an dem Umfang der Zer- nur in einem solidarischen Verbund aller Staaten möglich. störungen, gemessen an der Symbolkraft der Ziele, Die NATO ist nur in einem Teil der Welt ein solcher gemessen an der Inszenierung, die die Medien der Ver- Verbund. Die Hälfte der Welt kann nicht die Antworten einigten Staaten zwang, die eigene Verwundung abzu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18317

Gernot Erler (A) bilden und in die ganze Welt zu versenden, gemessen auch Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Pflicht, (C) an dem Umstand, dass die Täter womöglich noch in der diese Angst ernst zu nehmen – und wir tun das; ich versi- Selbstgewissheit des Gelingens ihrer Untat diese mit chere das. Es ist aber auch unsere Pflicht als Abgeordnete, spekulativen Börsengewinnen verbunden haben. Antworten in der Sache auf diese Sorgen und Befürch- Es gibt kein erkennbares, definierbares Ziel dieser An- tungen zu geben. Ich will das ein Stück weit versuchen schläge, nein es handelt sich um die Herausforderung an und dabei auch zeigen: Es gibt auch Hoffnung. Ich wende sich. Wir erkennen, dass uns die Verwundung und die mich der politischen Reaktion in den Vereinigten Staaten Demütigung der stärksten Macht innerhalb der Welt- zu. Hätten wir überrascht sein können, wenn die verwun- gemeinschaft als rein zerstörerischer Selbstzweck gegen- dete Großmacht noch mitten im ersten Schmerz ausgeteilt übertritt. Diese Herausforderung hat eine ungeheure hätte, sozusagen einen zwangsweise ungenauen Befrei- Spannung über die ganze Welt gelegt. Sie hat Amerika ungsschlag geführt hätte? Ich bin froh, dass es nicht pas- und die ganze Weltgemeinschaft mit hinein in eine sehr siert ist. ernste Bewährungsprobe gestellt. Wir alle stehen mitten in dieser Prüfung: die Bundesregierung, die Lan- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE desregierungen, der Bundestag, unsere Sicherheitsorgane, GRÜNEN und der FDP) die seit einer Woche Enormes leisten, bis an die Grenze Wir hören jetzt einige Worte, die uns erschrecken, auch der Belastbarkeit gehen und denen wir dafür Dank und wenn wir ihre nach innen gerichtete Funktion erkennen. Vertrauen aussprechen müssen, aber auch jeder Einzelne. Entscheidend ist aber: In der Praxis, faktisch, passiert et- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ was ganz anderes. Wir sind Zeuge der Bildung eines brei- DIE GRÜNEN) ten Bündnisses, einer großen Allianz gegen den Terro- rismus, die auf Dauer angelegt ist, die Russland, China Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorgelegte Ent- und auch arabische und islamisch orientierte Staaten ein- schließungsantrag vergewissert sich noch einmal der Empfindungen, die wir in dieser Woche geteilt haben, und bezieht, ja sogar solche, bei denen hiermit eine Umkehr der Schritte, die wir in diesen sieben Tagen gemeinsam verbunden sein könnte. Diese große Allianz ist keine, die gegangen sind. Eigentlich ist der Entschließungsantrag sich zum Krieg hinwendet, sondern eine, die auf umfas- die kürzeste Zusammenfassung dieser Tage nach dem sende politische, diplomatische, ökonomische und kul- Schock. Da ist die Rede von „Bewunderung“: ein seltenes turelle Mittel setzt. Wir sagen ganz entschieden: Das ist Wort in der parlamentarischen Arbeit, aber ehrlich ge- der richtige Weg. Wir unterstützen diesen Weg. Es gibt meint. Sie bezieht sich auf die menschliche Antwort, die uns Hoffnung, dass Amerika in diesem Moment der Er- Amerika auf die eigene Verwundung gegeben hat, auf die- schütterung die Umsicht und die Kraft zeigt, diesen Weg ses Aufbäumen der amerikanischen Gesellschaft, für das einzuschlagen. (B) exemplarisch Bürgermeister Giuliani richtige Worte fand, (D) und auf diese tausendfache spontane Hilfsbereitschaft Wir wollen, dass diese große Allianz gegen die Geißel und die Zeichen von Menschlichkeit. Das ist eine ein- der Gewaltanwendung und des Terrorismus von Dauer ist. drucksvolle Antwort, die beste Antwort auf die brutalen, Wir wollen aber auch noch etwas anderes: Die Stunde ei- menschenverachtenden Gewalttaten gewesen. ner großen Gefahr ist manchmal auch die Geburtsstunde einer großen Vision, einer umwälzenden Erinnerung. Er (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten selbst und seine schwarzen Brüder und Schwestern in des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Amerika waren in größter Bedrängnis, als Martin Luther Der Entschließungsantrag würdigt auch die ungezähl- King unter dem Motto „I have a dream“ die Konturen ei- ten spontanen Gesten in Deutschland: in jedem Dorf, in ner besseren Gesellschaft, einer besseren Welt zeichnete. jeder Stadt, bei jedem Zusammentreffen von Menschen in Dieser Traum hatte nachhaltige politische Auswirkungen. diesen Tagen. Diese haben von den Menschen her eine Verbundenheit und Anteilnahme demonstriert, die – das Wir haben die Chance, aus der Allianz gegen etwas – müssen wir bekennen – keiner von uns durch noch so gut gegen den Terrorismus –, die sich jetzt bildet, eine Allianz gewählte Worte hätte zum Ausdruck bringen können. Ich für etwas zu machen. kann nur sagen: Das hat gut getan – uns, aber auch denen, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ denen diese Zeichen gelten. DIE GRÜNEN) Der Entschließungsantrag würdigt auch die politischen Wir müssen eine umfassende Umkehr heraus aus der Ge- Reaktionen in dieser Woche nach der Herausforderung: waltanwendung in der internationalen Politik organisie- die bemerkenswerten Beschlüsse der Vereinten Nationen, ren. Jede bessere Weltordnung beginnt mit diesem Weg, die Beschlussfassung der Allianz und das, was Bund und mit dieser Entscheidung. Der Schreck, der uns allen in die Länder zum Schutz aller Bürger in unserem Land im In- neren getan haben und tun werden. Glieder gefahren ist, muss neue Kräfte für diese Umkehr wecken. Deswegen ist es in der Tat ein Zeichen der Hoff- Alle diese Maßnahmen konnten aber eines nicht ver- nung, dass YassirArafat jetzt und gerade jetzt einen um- hindern: Nach all den Zeichen der Anteilnahme und Ver- fassenden einseitigen Waffenstillstand ausgerufen hat und bundenheit verbreitet sich doch um uns herum jetzt Angst dass die israelische Regierung mit dem Stopp aller offen- aus vor dem, was kommen könnte. Es ist die Angst vor siven militärischen Aktionen geantwortet hat. dem Krieg; sie schlägt sich in jeder Diskussion, in zahl- reichen Anrufen, Briefen und Appellen nieder, die uns Ab- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ geordnete täglich erreichen. DIE GRÜNEN) 18318 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Gernot Erler (A) Eine Antwort auf die Kriegsangst ist also aufzuzeigen: Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort (C) Es gibt Hoffnung. Es gibt gute Ansätze. Wir sind ent- dem Kollegen Michael Glos, CDU/CSU-Fraktion. schlossen, diese zu verfolgen. Aber es gibt für uns als Ab- geordnete noch eine andere Pflicht. Wir müssen denjeni- Michael Glos (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine gen, die Angst vor dem Schlimmen haben, das noch sehr verehrten Damen und Herren! Wir lassen nicht zu, passieren kann, klarmachen, dass etwas sehr Schlimmes, dass die grundlegenden Werte unseres Zusammenlebens etwas sehr Gefährliches schon passiert ist. Der Ernstfall von Terroristen zerstört werden. Wir werden Freiheit und ist schon da. Er lauert nicht erst vor der nächsten Tür. Die- Recht mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ver- ser Ernstfall ist am 11. September eingetreten. teidigen. Deswegen steht Deutschland angesichts dieses Dieser Triumph der Gewalt und diese Verhöhnung aller furchtbaren, hinterhältigen Angriffs fest an der Seite un- Gebote internationalen und menschlichen Zusammenle- serer amerikanischen Freunde und unserer Partner im bens dürfen so nicht stehen bleiben, dürfen keinen Be- Bündnis der NATO. stand haben. Sie müssen auch eine direkte Beantwortung (Beifall bei der CDU/CSU) finden. Die Vereinten Nationen wissen, warum sie eine umfassende internationale Anstrengung verfolgen, um die Unser Land hat von den Vereinigten Staaten von Ame- Täter zu stellen und zu bestrafen und die, die sie schützen rika ehrliche Freundschaft und echte Solidarität erfahren; und unterstützen, zur Rechenschaft zu ziehen. Das ist ich erinnere nur an die Luftbrücke nach Berlin, an den keine moralische Frage, sondern eine sicherheitspoliti- Marshall-Plan und an den Dienst amerikanischer Solda- sche Frage. Die Vereinten Nationen haben mit der Formel ten in Deutschland. Ohne die Hilfe Amerikas hätten wir „Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Si- im Kalten Krieg nicht unsere Freiheit bewahrt und hätten cherheit“ ihr Signal für die höchste Alarmstufe gegeben. nach dem Zusammenbruch des Ostblocks nicht unsere Einheit erreicht. Deswegen fühlen wir uns von den Wenn dieser Triumph der Gewalt Bestand hat, dann schrecklichen Bildern, die wir gesehen haben, ganz be- wird das Beispiel Schule machen, dann wird es Zulauf zu sonders belastet und selbst getroffen. Es war auch ein An- den Netzen des Terrorismus geben, dann wird es neue An- griff auf unsere Lebensform. schläge geben, dann werden der Hydra der menschenver- achtenden Gewaltaktionen tausend Arme wachsen. Das (Beifall bei der CDU/CSU) dürfen wir nicht zulassen. Aus tiefer Überzeugung und aus Mitgefühl mit den Op- fern, um die wir trauern und für die wir beten – es waren (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auch 100 Deutsche darunter, denen unser ganz besonde- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) res Gedenken gelten muss –, müssen wir an den Maßnah- Das Problem besteht jetzt darin, verschiedene Dinge men, die einzuleiten sind, festhalten, auch wenn sie ge- (B) miteinander zu verknüpfen: die Täter zu stellen und sie zu fährlich sein können. (D) bestrafen, ihre Netze unter Druck zu setzen, ihren Triumph (V o r s i t z: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf zu vereiteln – aber das alles so, dass diese große Allianz, die Seiters) ich erwähnt habe, Bestand hat. Die USA reagieren auf die Terrorwelle, wie ich meine, Ich habe am Tag nach den Attentaten eine E-Mail von sehr entschlossen und auch sehr besonnen. Herr Bundes- Dale Fuller erhalten, einem 21-jährigen amerikanischen kanzler, Sie haben in unserer Runde, in der wir uns manch- Studenten, der zehn Monate als Praktikant in meinem mal treffen, selber gesagt, Präsident Bush und seine Re- Büro gearbeitet hat. Er hat seinen Bericht darüber, wie er gierung suchten die Gemeinsamkeit mit allen Staaten, in Minneapolis diesen Tag erlebt hat, mit folgenden Sät- die den Terror ablehnen. Die Partner in der NATO, Russ- zen beschlossen: land, China und viele andere Staaten in der Welt machen Ich hoffe, dass Gott uns allen hilft und dass es keinen gemeinsam Front gegen den Terror. Krieg gibt. Aber wir müssen etwas gegen diese Ter- Umso bedauerlicher war es – daran trägt aber niemand roristen machen. Denkt an uns in Amerika! Unsere von uns Schuld –, dass Parlamentarier aus 143 Ländern im Herzen und unser Land sind verletzt. Rahmen der IPU, der Interparlamentarischen Union, bei Das sind einfache Worte. Sie umschreiben aber die ganze ihrem Treffen in Burkina Faso noch nicht einmal eine Mehr- Komplexität unserer Aufgaben. Wir müssen die Täter heit dafür erreichen konnten, dass zumindest die Flaggen stellen. Wir müssen etwas gegen den Terrorismus ma- auf Halbmast gesetzt werden. Das zeigt, dass der Antiame- chen. Wir müssen dem verwundeten Amerika helfen. rikanismus noch sehr groß ist. Aber wir müssen gleichzeitig den Krieg verhindern und Ich finde es richtig, dass Sie mithelfen, gegen den diese große Allianz bewahren. Antiamerikanismus bei uns in Deutschland anzukämpfen. Politik ist manchmal sehr schwer. Aber ich sage all de- Umfragen zeigen: Nur 37 Prozent der Bevölkerung in un- nen, die jetzt Befürchtungen und Angst haben: Wir bitten serem Land sind derzeit mit Präsident Bush einverstan- euch um Vertrauen und wir bitten euch auch darum, uns den. Diesen Antiamerikanismus will ich Ihren Parteien bei dieser schwierigen Aufgabe zu begleiten. nicht pauschal zuschieben; dafür ist es auch nicht die rich- tige Stunde. Aber er muss uns zum Nachdenken darüber Vielen Dank. anregen, welche Vorurteile gegenüber Amerika und dem jetzigen Präsidenten bei uns in den Medien, auch in (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ den öffentlich-rechtlichen, geschürt worden sind. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18319

Michael Glos (A) Ich bin der Meinung, George Bush meistert die Krise mit führen dürfen und dass wir an der Seite der Vereinigten (C) großem staatsmännischen Format. Die USA haben ein Staaten eben nur Stellvertreter seien. Es gibt keine Stell- großes Bündnis zur Bekämpfung des Terrors ge- vertreterkriege, wenn es um die Freiheit geht. Herr Bun- schmiedet. Zu diesem Bündnis muss und wird Deutsch- deskanzler, ich appelliere an Sie, dass Sie auch in Ihre Par- land seinen Beitrag leisten. Die Opposition ist dazu selbst- tei hineinwirken. Ich fand es genauso unangemessen, dass verständlich bereit. eine führende SPD-Politikerin davon sprach, dass dieser „schießwütige Cowboy“ – diesen Ausdruck sollten wir Der NATO-Rat hat am 12. September einstimmig fest- tunlichst sein lassen – wohl zur Vernunft gekommen sei. gestellt: Die Terrorattacken sind ein Bündnisfall nach Allein mit solchen Worten schafft man Stimmungen, die Art. 5 des Nordatlantischen Vertrages, wenn feststeht, nicht gut für unser Land sind. dass diese Angriffe von außen gegen die USA geführt wurden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sich hinter diese Maßnahmen gestellt und hat dazu aufge- Deutschlands Solidarität im westlichen Bündnis an der rufen, Täter, Drahtzieher und Unterstützer gemeinsam zur Seite der ganzen zivilisierten Welt muss klar und eindeu- Verantwortung zu ziehen. tig sein. Ich zitiere jetzt eine Zeitung, die der Bundesre- Herr Bundeskanzler, Sie haben den Vereinigten Staaten gierung nahe und der Opposition sehr wenig nahe steht, mit unserer Zustimmung die uneingeschränkte Solida- nämlich die „Süddeutsche Zeitung“. rität Deutschlands versichert. Dieses Wort – es ist heute (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Heute bitte vor einer Woche hier im Deutschen Bundestag ausgespro- nicht!) chen worden – muss auch eine Wochen später noch gel- ten. Deswegen appelliere ich an eine geschlossene Zu- Sie schrieb am Wochenende: „Selbst wenn sie wollte, stimmung des Deutschen Bundestages. Dass die PDS könnte die Bundeswehr nicht kämpfen.“ Solche Analysen abschwenkt, das war zu erwarten. Sich aus Solidarität mit dürfen kein Vorwand für Deutschland sein, um kleinere Amerika auf eine Bühne zu stellen ist leichter, als die kon- Lasten als andere schultern zu müssen. Wir müssen die kreten Maßnahmen mitzutragen. Herr Bundeskanzler, wir vorhandenen Möglichkeiten – die Bundeswehr hat auch müssen uns deshalb fragen, ob es richtig ist, dass diejeni- ihre Stärken – selbstverständlich zur Verfügung stellen. gen, die aus der Gemeinsamkeit der Demokraten aus- Wir müssen aber etwas dafür tun – die Haushaltsberatun- scheren, noch dabei sitzen, wenn die Fraktionsvorsitzen- gen stehen vor der Tür –, um die Lage unserer Streitkräfte den im Deutschen Bundestag unterrichtet werden. nachhaltig zu verbessern. Hier geht es um unsere Freiheit und um unsere Bündnissolidarität. Diese Solidarität kann (Beifall bei der CDU/CSU) man nur erfüllen, wenn man die entsprechenden Mittel hat. (B) Ich bin der Meinung, dass die gemeinsam eingebrachte (D) Resolution nachdrücklich die klare Haltung, die die Bun- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- desregierung und alle Fraktionen schon vor einer Woche neten der FDP) zum Ausdruck gebracht haben, noch einmal unterstreicht. Deutschland steht nach Bevölkerungszahl und Wirt- Ich werbe deswegen für eine geschlossene Mehrheit. Das schaftskraft im Bündnis der NATO an zweiter Stelle. Un- wäre ein klares Signal an unsere Verbündeten: Deutsch- ser Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit muss der Bedeu- land steht zu seinen Verpflichtungen. Das wäre auch ein tung unseres Landes entsprechen. Deswegen müssen wir klares Signal an den internationalen Terrorismus: den Auftrag und die Ausrüstung unserer Bundeswehr Deutschland ist entschlossen, Zivilisation und Demokra- der neuen Bedrohungslage anpassen, die sich übrigens tie zu verteidigen. Dieses Signal wäre gut für unser Land. schon länger abzeichnet. Herr Bundeskanzler, ich appel- Wir wollen mit dieser Entschließung ein gemeinsames liere an Sie – das ist keine Sache des Finanzministers und Fundament für die folgenschweren Entscheidungen der Finanzpolitiker, wie immer gesagt wird; man kann da bauen, die im Parlament in den kommenden Wochen und auch nicht „herumeicheln“ –, dieses Problem durch ein Monaten möglicherweise noch zu treffen sein werden. Machtwort von Ihnen zu lösen. Wenn dazu im Haushalt Diese Entscheidungen sind es dann letztlich, die unseren Umschichtungen notwendig sind, um Prioritäten zuguns- Mut und unsere Konsequenz auf eine große Probe stellen ten der Sicherheit zu setzen, dann können Sie mit uns da- werden. Deutschland muss bereit sein, den Kampf gegen rüber reden. Wir werden diese Schwerpunktverlagerun- den Terrorismus an der Seite unserer Verbündeten auch gen, wenn es darauf ankommt, mittragen. Auch davor mit militärischen Mitteln zu führen, wenn die Amerikaner werden wir uns nicht drücken, wenn wir damit unsere Si- geeignete Verbände der Bundeswehr anfordern. Wir alle cherheit stärken können. wissen, dass der Einsatz für unsere Soldaten gefährlich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ist. In Kenntnis dieser Gefahr müssen wir dennoch so ent- scheiden, wie unsere Pflicht, unsere Bündnissolidarität Die Anschläge in den Vereinigten Staaten stellen aber und auch unsere Überzeugung uns das abverlangen. auch dringende Fragen an die innere Sicherheit in Deutschland, über die Herr Schily sicher gleich sprechen Die Bürger erwarten von ihrer Regierung und ihrem wird. Wir müssen den Gefahren des Terrors entschlossen Parlament einen klaren und festen Kurs. „Wir alle sind begegnen. Ich begrüße, dass heute eine Sondersitzung des Amerikaner“ hat Peter Struck vor einer Woche hier ge- Innenausschusses stattfindet, der sich ganz intensiv mit sagt. Aber zwei Tage später hat sich der Regierende Bür- der Bedrohungslage befasst. Dazu gehört auch – ich hoffe, germeister von Berlin, Wowereit, davon verabschiedet, Sie legen das im Innenausschuss dar –, inwieweit unsere indem er gesagt hat, dass wir keine Stellvertreterkriege Hilfskräfte, der Katastrophenschutz, das Technische 18320 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Michael Glos (A) Hilfswerk usw., in der Lage sind zu helfen, wenn ein Ter- Staaten im Bündnis muss deshalb gefestigt werden. Ich (C) roranschlag bei uns passieren würde, wozu es ja sehr hatte jedoch das Gefühl, sie ist bei unseren Mitbürgerin- leicht kommen kann. All das muss sorgfältig diskutiert nen und Mitbürgern emotional gefestigt, weil sie das Ge- werden und wo Mittel fehlen, muss sehr schnell gehandelt fühl haben: Wir selbst sind getroffen. Deswegen kann die werden. Bundesrepublik Deutschland im Kampf gegen den inter- nationalen Terrorismus nicht abseits stehen. Es geht nicht, Dazu gehört aber auch, dass Bund und Länder immer wie oft leichtsinnigerweise gesagt wird, um Vergeltung. wieder Polizeikräfte in ausreichender Stärke mit moderns- Es geht um unsere Freiheit. Es geht auch um die Toleranz ter Ausrüstung zur Verfügung stellen. Deswegen muss bei uns und um die Lebensqualität, um das, was unser Le- noch einmal überdacht werden, ob wir den Bundesgrenz- ben reich und lebenswert macht. Das gilt auch für unsere schutz dauerhaft so reduzieren können, wie das geschehen Kinder und für unsere Enkel sowie für alle Zukunft. ist. Wenn die Polizei in ihren Aufgaben beim Kampf gegen den Terror durch einen Einsatz von Soldaten in bestimm- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ten Fällen – zum Beispiel für Wachaufgaben – wirksam Wir gehen nicht blind durch die Gegend. Wir spüren entlastet werden kann, dann darf auch dies selbstverständ- auch die großen Sorgen unserer Mitbürgerinnen und Mit- lich kein Tabu sein. bürger in Bezug auf das, was da kommen wird. Die größ- (Beifall bei der CDU/CSU) ten Gefahren aber würde es geben, wenn eine solche Tat ungestraft bliebe und die Helfer des Terrorismus nicht zur Der Bund und die Länder müssen auch die Nachrich- Verantwortung gezogen würden. Deswegen sage ich: tendienste wieder stärken. Wir dürfen an unserer Ent- Angst ist allemal ein schlechter Ratgeber. Das Beste, was schlossenheit, jede terroristische oder extremistische für ein sicheres Leben in Frieden und Freiheit getan wer- Gruppierung aufzudecken und lahm zu legen, keinen den kann, ist, diesem Terror jetzt und für immer das Hand- Zweifel lassen. Der Terrorismus kann nur unschädlich ge- werk zu legen. macht werden, wenn seine Strukturen aufgespürt werden, weltweit und ganz besonders auch bei uns in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Deswegen ist die Bundesregierung aufgefordert, für eine neten der FDP) bedrohungsgerechte Ausstattung des Bundesnachrichten- Ich möchte Winston Churchill zitieren, der in seinen dienstes Sorge zu tragen. Dort, wo es rechtliche Hürden Memoiren geschrieben hat: Die Freude an schön klingen- beim Austausch der Informationen zwischen den Sicher- den Phrasen, das Zurückschrecken vor unerfreulichen heitsdiensten gibt, müssen diese beseitigt werden. Die Tatsachen, der Wunsch nach Popularität ohne Rücksicht Verfassungsschutzämter müssen ausgebaut werden – auf lebenswichtige Staatsinteressen sind gefährlich für ein Stärkung, nicht Abbau ist das Gebot der Stunde. Land. Er hat gesagt, Hitler sei nur so stark geworden, (B) Ich könnte jetzt eine lange Liste aus Zitaten zusam- (Joachim Poß [SPD]: Wovon reden Sie jetzt (D) mentragen, wo sich führende Politiker der Koalition zur eigentlich?) inneren Sicherheit geäußert haben. Ich will dies nur bei- weil die Demokratien lange nicht eingesehen hätten, dass spielhaft tun. Der Bundesumweltminister bezeichnete es er unter großen Opfern besiegt werden müsse. als Erfolg, dass er in Niedersachsen gemeinsam mit dem damaligen Ministerpräsidenten Schröder „den Verfas- Deswegen appelliere ich an uns alle: Lassen Sie uns sungsschutz halbiert“ hat. Kerstin Müller – sie hat vorhin gemeinsam die Lehre der Geschichte beherzigen. Mit hier geredet – hat sich im „Handelsblatt“ vom 14. Ja- Stärke und mit Standhaftigkeit werden wir auch den Ter- nuar 1999 gegen eine Regelanfrage beim Verfassungs- rorismus in die Schranken weisen. schutz bei Einbürgerungen gewandt, weil sie gegen einen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – „Gesinnungs-TÜV“ sei. Rezzo Schlauch, der heute nicht Joachim Poß [SPD]: Entschuldigen Sie die Be- redet, hat über den Verfassungsschutz gesagt: „Zeitungs- merkung von Herrn Ramsauer?) ausschnitte sammeln, daraus Dossiers anlegen, ... finde ich überflüssig“. Vizepräsident Dr. h. c. : Ich erteile (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wird sich jetzt das Wort dem Kollegen Staatsminister Dr. Ludger Volmer alles ändern!) für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. So könnte ich diese Liste fortführen. Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass diejenigen, die ich angeführt Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen habe, jetzt sagen: Wir haben uns geirrt, wir schlagen jetzt Amt: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und einen anderen Weg ein. Herren! Der Terrorangriff auf die USA hat großes (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) menschliches Leid gebracht. Er hat ein Nervenzentrum der westlichen Welt zerstört. Er hat eine aufregende mul- Toleranz gibt sich selbst auf, wenn sie sich missbrauchen tikulturelle Stadt verwüstet. Er hat aber noch ein Weiteres lässt. Deswegen muss es bei uns heißen: Keine Chance für bewirkt: Er hat das festgefügte Weltbild ins Wanken ge- die Feinde der Freiheit! bracht, das manch einer mit den dominant wirkenden Meine sehr verehrten Damen und Herren, die abscheu- USA verband. liche Katastrophe verbindet sich für viele Landsleute mit Der Schock in der amerikanischen Gesellschaft über dem Schicksal von Angehörigen und Bekannten, die den Verlust der vermeintlichen Unverwundbarkeit geht seitdem vermisst sind. Die Solidarität mit den Vereinigten mit der verstörten Einsicht bei uns einher, dass die Ga- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18321

Staatsminister Dr. Ludger Volmer (A) rantiemacht für unsere Sicherheit nun Opfer geworden ist. alition, die zum einen dem Terror entschlossen entgegen- (C) 50 Jahre lang haben die USA geholfen, in Europa Sicher- treten will und zum anderen verhindern möchte, dass das heit, Freiheit und Demokratie zu sichern. Deshalb ist es afghanische Talibanregime die gesamte Region destabili- jetzt, in dieser schweren, schicksalshaften Stunde, an uns siert. Ägypten hat eine internationale Terrorismuskonfe- Europäern, den USA beizustehen. renz vorgeschlagen; die EU wird am Freitag einen Son- derrat zur Terrorismusbekämpfung einberufen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Fast die gesamte arabisch-islamische Welt – das scheint mir entscheidend zu sein – hat die Terroranschläge Wir werden dies, wie es Bundeskanzler Gerhard schärfstens verurteilt. Auch sie hat wie wir teure An- Schröder erneut betont hat, mit aller Entschlossenheit tun, gehörige in den Trümmern des World Trade Centers ver- aber auch mit der nötigen Besonnenheit, mit Augenmaß loren. Nicht wenige arabische Staaten haben selber sehr und mit dem Blick auf die Folgen unseres Handelns. Wir schmerzvolle Erfahrungen mit dem Terrorismus gemacht. bewundern eine amerikanische Haltung, die Trauer und Wenn die Spuren der Täter in die arabisch-islamische Wut zwar in starke Worte kleidet, jedoch ohne übereilte Welt weisen, so soll dies Anlass sein, die arabischen Staa- Aktionen versucht, gemeinsam mit den Partnern einen ten in der internationalen Allianz zur Bekämpfung dieser vernunftgesteuerten Plan zu entwickeln, wie die neue, er- Geißel der Menschheit willkommen zu heißen. schreckende Dimension des Terrorismus bekämpft wer- den kann, ohne die Falschen zu treffen, ohne potenzielle (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Freunde zu Gegnern zu machen, ohne den gezielten sowie bei Abgeordneten der SPD) Kampf gegen Verbrecherorganisationen in einen allge- Dieser Kampf wird umso effektiver sein, je mehr sich meinen Kampf der Kulturen münden zu lassen. der Dialog der Kulturen vertieft. Wenn aber der Kultur- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dialog ein unabdingbarer außenpolitischer Faktor ist, sowie bei Abgeordneten der SPD) dann muss er auch ein innenpolitischer sein und bleiben. Es war eine großartige Geste, dass Präsident Bush in ei- Außenminister Fischer ist heute in Washington, um un- ner Washingtoner Moschee zu Toleranz gegenüber den seren amerikanischen Freunden erneut unsere Solidarität Moslems aufgerufen hat. Auch in Deutschland sollten wir zu versichern und mit ihnen das weitere Vorgehen abzu- auf unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger stimmen. zugehen und ihnen zeigen, dass wir den Unterschied zwi- Die NATO hat mit ihrem Beschluss vom 12. Septem- schen Islam und Islamismus sehr genau begriffen haben. ber ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Verei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nigten Staaten gesetzt. Die nordatlantische Allianz ist kein sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS) (B) Schönwetterbündnis. Gegen menschenverachtende Mör- (D) der, die ohne Hemmungen die Grundlagen menschlichen Ein weiterer Faktor für die Bekämpfung des islamisti- Zusammenlebens zerstören wollen, muss das Bündnis ge- schen Terrors sind rasche und sichtbare Erfolge im israe- meinsam auftreten. Wir als Verbündete des angegriffenen lisch-palästinensischen Friedensprozess. Jede weitere Partners haben nicht nur das moralische Recht, sondern Eskalation im Nahen Osten würde die extremistischen auch die moralische und politische Verpflichtung, unseren Kräfte in der gesamten islamischen Welt fördern. Beitrag zur Verteidigung zu leisten und die Täter, Organi- (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) satoren und Sponsoren terroristischer Akte zur Rechen- schaft zu ziehen. Diese Verpflichtung wird ausdrücklich Die Bundesregierung begrüßt daher die gestrige Er- auch in der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten klärung von Präsident Arafat als einen wichtigen Schritt Nationen vom 12. September 2001 formuliert, in der der auf dem Weg zum Frieden im Nahen Osten. Angriff auf die USA als Bedrohung des internationalen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Friedens und der Sicherheit bewertet wird. und bei der SPD) Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus wird Es ist eine strategische Entscheidung der Palästinenser, schwierig und langwierig sein. Täter, Mithelfer und An- sich unmissverständlich auf die Seite der Antiterrorkoali- stifter müssen bestraft werden. Tun wir das nicht, dann tion zu stellen und dazu beizutragen, dass die internatio- wird dies nur zu einer weiteren Eskalation einladen. Soll nalen Netzwerke des Todes zerstört werden können. Wir die Gefährdung aber nicht binnen kurzer Zeit in anderer hoffen, dass Präsident Arafat die Kraft hat, sich in dieser Gestalt wieder erstehen, muss die gesamte internationale Stunde null der internationalen Politik mit seinem Be- Gemeinschaft in einer konzertierten Aktion, in einer kenntnis zum Waffenstillstand und zum Neuanfang gegen weltweiten Koalition, handeln. Es steht nicht Kultur ge- interne Widersacher, die heute Nacht wieder gezündelt gen Kultur, sondern Zivilisation gegen Barbarei. haben, zu behaupten, und dass er von israelischer Seite die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entsprechende Resonanz erhält. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Aus vielen Ländern kommen dazu ermutigende Si- gnale: aus Russland, aus China, aus Pakistan und aus Die Bundesregierung und insbesondere Bundesaußen- Indien. Die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, minister Fischer haben sich in den letzten Monaten enga- Usbekistan und Kirgistan haben ihre uneingeschränkte giert und fortlaufend um eine Wiederbelebung des Frie- Unterstützung zugesagt. Es bildet sich eine regionale Ko- densprozesses bemüht. Der Außenminister hatte sich auch 18322 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Staatsminister Dr. Ludger Volmer (A) mit Präsident Arafat mehrfach kurzgeschlossen und die Monate von Kritikern vorgetragen wurde, sollte ernsthaft (C) gestrige Erklärung eng mit ihm abgestimmt. Wir werden bedacht werden. Auch wenn keine noch so ungerechte dieses Engagement fortsetzen. Wir werden weiterhin da- Struktur Terror rechtfertigen kann, müssen wir realisti- ran arbeiten, dass die Israelis und die Palästinenser Ge- scherweise sehen, dass ein Mehr an Gerechtigkeit in der spräche aufnehmen, und zwar wie es der Mitchellplan Welt ein Mehr an Fairness bei der Lösung von Regional- vorsieht: ohne jede Vorbedingung. konflikten, ein Mehr an Dialogen auf Augenhöhe auch mit den kleineren und ärmeren Staaten, ein Mehr an Sicher- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heit für uns bedeuten wird. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auch die pakistanische Seite hat die Terroranschläge sowie bei Abgeordneten der SPD) schnell und entschieden verurteilt. Dieser Schritt war in der gegenwärtigen schwierigen und aufgeheizten Lage al- Lassen Sie mich abschließend noch sagen: Das Zu- les andere als einfach. Präsident Musharraf hat sich klar sammenstehen in dieser schicksalhaften Stunde macht zu Unterstützungsersuchen der USA bekannt. Seine uns bewusst, dass unsere transatlantischen Gemein- Regierung ist bemüht, einen breiten nationalen Konsens samkeiten essenziell sind, Meinungsverschiedenheiten für einen konstruktiven Kurs zu finden. Sie bedarf unse- in einzelnen Fragen, die uns in der letzten Zeit viel be- rer Unterstützung, damit nicht über innere Destabili- schäftigt haben, dagegen geringfügig. Bei aller furchtba- sierung islamistisch-fundamentalistische Gruppen die ren Tragik der Ereignisse liegt darin sogar eine Chance für Verfügungsmacht über das pakistanische Atomwaffenpo- eine erneuerte transatlantische Partnerschaft, die Chance tenzial erhalten. für einen intensivierten Dialog gerade auch der jüngeren Generation diesseits und jenseits des Atlantiks, die den Wenn militärische Aktionen gegen die Beherrscher Af- Weltkrieg, die Nachkriegszeit und den Kalten Krieg nicht ghanistans gerechtfertigt und unvermeidlich sein sollten, oder nicht bewusst erlebt hat. Die Bekämpfung von Bar- stellt sich die Frage, mit welchem Ziel sie geführt werden barei wird von nun an die gemeinsame Agenda von Ame- sollen. Wenn sie unvermeidlich sind, dürfen sie nicht die rikanern und Europäern mitbestimmen und andere einbe- Voraussetzung dafür zerstören, dass auch Afghanistan ziehen, die am Prozess der Zivilisation mitarbeiten selber die Chance auf eine Zukunft, die Chance auf eine wollen. aufgeklärte Regierungsführung, die Chance auf die Be- wältigung des Armuts- und Flüchtlingsproblems, die Ich danke Ihnen. Chance auf Modernisierung und Demokratie hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) sowie bei Abgeordneten der SPD) (B) (D) Meine Damen und Herren, viele Menschen sind ver- Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Für die unsichert, gerade auch Mitglieder und Anhänger meiner FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt. Partei, aber auch die anderer Parteien. Sie haben Angst, (Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Für wen hat auf eine schiefe Bahn zu geraten, auf der die Politik in un- denn der Volmer gesprochen? – Gegenruf vom aufhaltsame militärische Eskalation abrutscht. Viele se- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Er sitzt doch ne- hen sich vor der Gewissensfrage, eventuell dem Einsatz ben dem Bundeskanzler!) militärischer Mittel zustimmen zu müssen. Sie sehen sich damit einer Situation ausgesetzt, die sie durch präventive Sicherheitspolitik hatten verhindern wollen. Solche Be- Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Herr Präsident! denken sind ernst zu nehmen. Wenn man diese Menschen Meine Damen und Herren! Wir brauchen drei Haltungen, dafür gewinnen will, militärische Aktionen auch gegen wenn wir die Herausforderungen bewältigen wollen. Wir große innere Zweifel zu tolerieren, müssen deren Dimen- brauchen zuallererst ein freiheitliches Bewusstsein. Nie- sionen überschaubar sein und muss ein Ende absehbar mand muss meine Fraktion, die Freien Demokraten, da- sein. Es muss deutlich sein, dass die absolute Priorität bei rüber belehren. Es ist bare Selbstverständlichkeit, dass politischen Maßnahmen liegt. zum Erhalt des freiheitlichen Bewusstseins in den trans- atlantischen Beziehungen das gehört, was für uns in der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Bundesrepublik Deutschland Staatsräson war. Das kann wie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. man nur wiederholen. Das bedarf überhaupt keiner weite- [PDS]) ren Bemerkungen. Auch deshalb möchte ich sagen: Der 11. Septem- (Beifall bei der FDP) ber 2001 hat die Welt von Grund auf verändert. Vieles, was über den Tag hinausweist, wird grundsätzlich neu zu Ich repräsentiere eine Partei, die auch in Zeiten, in de- beraten sein. Wir werden eine neue Sicherheitspolitik ent- nen es in der Bundesrepublik Deutschland viele kritische werfen müssen, die dem Terrorismus als Bedrohung Stimmen von Kolleginnen und Kollegen und von den Me- Nummer eins begegnen kann. Diese wird nicht in erster dien gegen die Supermacht Amerika mit Wirkungen, die Linie militärisch ausgerichtet sein. Eine umfassende Poli- wir noch immer spüren, gab, wusste: Die Bundesrepublik tik der Krisenprävention muss darauf abzielen, dem Ter- Deutschland wird ihre eigene Rolle weltweit nicht geach- ror mit den Mitteln einer internationalen Strukturpoli- tet finden, wenn sie sich nicht als Partner der Vereinigten tik den sozialen Resonanzboden zu entziehen. Vieles Staaten von Nordamerika sieht und sich nicht europäisch übrigens, was in der Globalisierungsdebatte der letzten einbettet. Das ist die Voraussetzung; hierbei geht es um Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18323

Dr. Wolfgang Gerhardt (A) das freiheitliche Bewusstsein. Wenn Sie jetzt nach Ame- serer Verantwortung für die Sicherheit der Bundesbürger (C) rika blicken, spüren Sie, dass dies in dieser Nation tief in Deutschland einschließlich der ausländischen Mitbür- verankert ist. gerinnen und Mitbürger gehört die Fähigkeit, diejenigen zu bekämpfen, die das Leben von Menschen bedrohen. Es ist mir bitter aufgestoßen, dass jemand von einem „schießwütigen Cowboy“ gesprochen hat. Das ist in der In manchen Reden, die ich in den letzten Tagen gehört gegenwärtigen Lage so unpassend, wie es nur sein kann. habe, habe ich dieses eine Wort vermisst. Hier diskutiert niemand wie im Generalstab oder in Kriegsszenarien. Wer (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) aber Verantwortung hat, muss unseren Mitbürgern sagen: Wer sich die Gesichter der Rettungskräfte in New York Wenn wir dieser Menschen habhaft werden und sie ansieht, diese Charaktere wahrnimmt und sieht, dass sie bekämpfen wollen, müssen wir in der Lage sein, militäri- die amerikanische Fahne in den größten Trümmern auf- sche Fähigkeiten zu entwickeln. Das ist eine bare Selbst- stellen, der kann nur ahnen, welche Kraft in diesem Land verständlichkeit. steckt. Diese Kraft muss mit uns zusammen weltweit für (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Menschenwürde und Frieden nutzbar gemacht werden. Darauf kommt es jetzt an. Deshalb kommt es darauf an, die Öffentlichkeit nicht mit falschen Bildern vertraut zu machen. Wir müssen uns mit Dieses Land hat eine gewaltige ökonomische Kraft: Entschlossenheit gegen solche menschlichen Charaktere Sein Anteil am weltweiten Bruttosozialprodukt liegt bei wehren, in welchen Gesellschaften – einschließlich der 30 Prozent, der Anteil an den Internetverbindungen liegt der Bundesrepublik Deutschland – sie sich auch immer bei 40 Prozent. Weil das Land – wie Paul Kennedy befinden. Wir können sie nicht alle in psychiatrische An- schreibt – so international ist, stellt es 70 Prozent der No- stalten einweisen und glauben, sie therapieren zu können. belpreisträger seit 1975. Es bestreitet 36 Prozent der welt- weiten Rüstungsausgaben – mehr als die folgenden neun Diplomatische Mittel werden im Übrigen nur dann Staaten zusammen. Jeder von uns spürt, dass die ameri- wirkungsvoll eingesetzt werden können, wenn dahinter kanische Führung einsieht, dass es allein mit einem Ko- militärische Fähigkeiten stehen. Es gibt Menschen auf loss, einer Militärmaschinerie und purer Kraft nicht geht. dieser Welt, die durch einen Botschafterbesuch nicht da- Wenn es eine komplette Veränderung über den Atlantik von zu überzeugen sind, ihre Meinung zu ändern. Auch hinweg gegeben hat, dann die, dass die Amerikaner gibt es Bedrohungen, die durch schlichte Verhandlungen spüren, dass ihnen ihre eigene Kraft nichts nützt, wenn sie und Diplomatie nicht hinwegzudiskutieren sind. keine Verbündeten haben. Das ist eine wichtige Erkennt- In dieser großen, weltweiten Allianz gegen den Terro- nis. rismus haben sich in anderen Ländern Führungseliten öf- (B) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie fentlich zu dieser Allianz bekannt, deren Gesellschaften (D) bei Abgeordneten der SPD) jedoch schwanken. Niemand weiß, ob sie morgen noch zur Allianz stehen, oder ob dort emotionale, soziale oder Deshalb kommt es auf uns an, und zwar mehr, als wir religiöse Bewegungen die Oberhand gewinnen, die vom vielleicht vermutet haben, und mehr, als manche von uns Bekenntnis zur Allianz nichts halten. Oft sind sie fana- mögen oder uns auch zutrauen. Bei den Haushaltsbera- tisch und haben mit Problemen zu kämpfen, die wir uns tungen werden wir deshalb eine andere Diskussion als überhaupt nicht vorstellen können. bisher führen müssen. Es wird eine Auseinandersetzung mit der Bundesregierung und auch mit dem Bundesver- Nein, es wird keine sauberen, schnellen und klaren teidigungsminister stattfinden müssen. Angesichts dieser Siege geben, wie dies Paul Kennedy ausgedrückt hat. Lage kann der Haushalt so nicht bestehen bleiben. Darü- Dies wünschen sich die Amerikaner; denn bisher war es ber werden wir zu diskutieren haben. für sie in der Geschichte immer so. Aber es wird nicht mehr so sein. Es wird einer unendlichen Anstrengung der (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) freien Gesellschaften bedürfen, um diesem Phänomen, In dieser Situation müssen wir – der Bundeskanzler hat das eine dramatische Bedrohung der Freiheit von Men- es auch getan – der Öffentlichkeit ehrlicherweise sagen: schen und Menschenwürde in diesem beginnenden Jahr- Wir werden bei allen ökonomischen Anstrengungen, tausend darstellt, zu begegnen. allem freiheitlichen Bewusstsein und aller Armuts- Hier wird sich erweisen müssen, ob die Bundesrepu- bekämpfung am Ende nicht darum herumkommen, auch blik Deutschland nach einer unglaublichen Entwicklung militärische Mittel einzusetzen, und zwar gegen Men- ökonomischer, freiheitlicher und demokratischer Stabi- schen, die – entgegen dem, was wir uns als „Gutmen- lität in der Lage ist, nach der größten Katastrophe des letz- schen“ in Deutschland so oft vorstellen – absolut nicht ten Jahrhunderts die größte Herausforderung ohne Panik, therapierbar sind. Die Gegner sind nicht fest lokalisierbar. mit Standing, mit freiheitlichem Bewusstsein, dem Be- Es handelt sich nicht um die traditionelle staatliche Aus- kenntnis zu ihren Verfassungsgrundsätzen, aber auch dem einandersetzung. Die Situation ist auch nicht die gleiche Bekenntnis, den Feinden von Demokratie im Ernstfall wie bei Pearl Harbor. Damals wusste man noch, gegen entgegenzutreten, zu bewältigen, ob sie sich dessen be- wen man anzutreten hatte. Jetzt handelt es sich um eine wusst ist und in der Lage ist, ihre innere und wirtschaftli- Auseinandersetzung, die viele Kräfte in vielen politischen che Stabilität zu bewahren. Bereichen beanspruchen wird. Am Ende werden notwen- digerweise auch die militärische Kraft und die militäri- Zum Abschluss, Herr Bundeskanzler, zu den Haus- schen Fähigkeiten eingesetzt werden müssen; denn zu un- haltsberatungen: Es reicht heute, nach diesem Ereignis 18324 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Dr. Wolfgang Gerhardt (A) nicht mehr aus, nur über die Probleme der Wirtschaft zu Wenn wir nicht verstehen – diese Debatte macht ein- (C) diskutieren. Es gibt keine Wachstumsrate in den Vereinig- drücklich deutlich, wie gut wir es verstehen –, dass dieser ten Staaten. Die Konjunktur schwächelt und die Katastro- Angriff ein Angriff auf uns alle war, ein Angriff auf unser phe tut ihr Übriges dazu. Sie dürfen nicht nur woanders hin- Leben, unsere Würde sowie auf unsere Vorstellungen von schauen. Wenn wir jetzt einen Beitrag leisten wollen, dann einem friedlichen Zusammenleben und einem friedlichen müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, ökonomisch Austragen von Konflikten, ein kalt geplanter, menschen- und beschäftigungsdynamisch nach vorn zu kommen. Ge- verachtend ins Werk gesetzter, gut organisierter und leider rade weil die Vereinigten Staaten jetzt so betroffen sind, ha- auch wirkungsvoll finanzierter Angriff, dann können wir ben wir – lassen Sie es mich so ausdrücken – ein Stück wirt- die umfassende Antwort, die jetzt notwendig ist, nicht schaftspolitische, ökonomische Führungsverantwortung in entwickeln. den freiheitlichen Gesellschaften. Wir sind keine beliebige Unsere Antwort entscheidet darüber, ob wir die Kraft Volkswirtschaft. finden, ökonomisch und kulturell, sozial und finanziell (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten – auch unter Einsatz militärischer Mittel – dem interna- der CDU/CSU) tionalen Terror mit seiner Brutalität, Gewalt und Men- schenverachtung eine möglichst enge Grenze zu ziehen. Deshalb wird dies nicht nur eine Haushaltsberatung mit Blick auf die Sicherheit. Es wird auch keine Haus- (Michael Glos [CDU/CSU]: Er redet wie das haltsberatung in der Weise, wie sie der Finanzminister Sandmännchen!) einmal in einer Weltlage angenommen hat, die anders war Sie entscheidet zuletzt auch darüber, ob wir die Entwick- als die heutige. Es wird eine Beratung, bei der zuallererst lung bestimmen oder ob wir es einem blutigen Terroris- die Regierung die Frage beantworten muss, ob sie wirk- mus überlassen wollen, zu entscheiden, wann und wo lich glaubt, mit diesem Haushalt den ökonomischen und Menschen erneut in den Tod gerissen werden. Es gibt in sicherheitspolitischen Beitrag der Bundesrepublik meinen Augen überhaupt keine andere Alternative, als Deutschland angesichts der Veränderung der Weltlage diese Grenze umfassend, kraftvoll und wirkungsvoll zu leisten zu können. Ich sage Ihnen: Es wäre klug, wenn uns ziehen. das Kabinett angesichts der Ereignisse einen neuen Haus- Wenn ich von einer umfassenden Antwort spreche, ist halt vorlegen würde. dem, was der Bundeskanzler in seiner Regierungser- (Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist doch Unsinn!) klärung gesagt hat, nichts hinzuzufügen Der vorliegende wird der Lage in keinem Bereich mehr (Michael Glos [CDU/CSU]: Dann wäre ich gerecht. sitzen geblieben!) (B) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten außer einem Gedanken: Das alte Denken in den Katego- (D) der CDU/CSU) rien des Ost-West-Konfliktes, einschließlich seiner anti- amerikanischen Chiffren und Sentiments, ist endgültig Während der Haushaltsdebatte dürfen diese Ereignisse passé. nicht vergessen werden. Die Debatte wird vonseiten der Freien Demokratischen Partei aber eine klare Präzision (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten erfahren, was wir nach diesen Anschlägen politisch und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ökonomisch in Deutschland für notwendig erachten. Das Im Lichte dieser Bedrohung, die nicht neu ist, deren ist unsere Pflicht. Heute haben Sie unsere Unterstützung, Qualität, Umfang und Wirkungsweise jetzt aber so ent- aber demnächst müssen wir uns wieder mit Ihnen ausei- setzlich sichtbar geworden sind, wird vielleicht verständ- nander setzen. Das ist notwendig. Nichtsdestoweniger licher, was die Staats- und Regierungschefs der NATO finden Sie uns bei den von Ihnen abgegebenen Erklärun- schon 1999 in Washington formuliert haben, nämlich dass gen gegenüber den Vereinigten Staaten von Nordamerika Krisenprävention, umfassende Sicherheitspolitik und, in an Ihrer Seite. sie eingeschlossen, der Kampf gegen den internationalen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Terror gemeinsame Aufgaben sind. Insofern geht es nicht nur um eine umfassende Antwort, es geht auch um eine (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) entschiedene, das heißt zielgerichtete, angemessene und maßvolle Antwort. Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich erteile hat in seinen Erinnerungen im Zusam- nunmehr das Wort dem Bundesminister der Verteidigung, menhang mit Frieden und Friedensbewahrung geschrie- Rudolf Scharping. ben, dass es gerade für Deutschland nach der Einheit nicht mehr darum gehen könne, alleine verbale Beiträge zu leis- Rudolf Scharping, Bundesminister der Verteidigung: ten; es gehe um mehr: Wir stehen vor einer Entscheidung, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Gefühle die sehr ernst sein wird und sich nicht auf verbale Beiträge beschäftigen die Menschen in Deutschland besonders beschränken kann und darf. stark: das Gefühl des Mitempfindens, der Solidarität, des Das wirft die Frage auf, ob wir gemeinsam die Fähig- Zusammenstehens auf der einen Seite und das Gefühl von keiten haben, diese Antwort zu geben. Diese Fähigkeiten Angst, Unsicherheit, Sorge vor Terror und Krieg auf der sind in der Strategie der NATO und in den daraus ent- anderen Seite. Das Zweite berührt die Sorgen um die Si- wickelten Anforderungen an die Streitkräfte beschrieben. cherheit und die Freiheit des eigenen Lebens. Sie konsequent, ohne zeitlichen Verzug und ohne inhaltli- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18325

Bundesminister Rudolf Scharping (A) che Abstriche umzusetzen ist die praktische Verwirkli- schlossenheit und die Gemeinsamkeit, die in diesen Tagen (C) chung dessen, was unser gemeinsames Interesse an Si- in diesem Hohen Hause sichtbar geworden sind, auch alle cherheit und unser gemeinsamer Wille zur Bewahrung anderen notwendigen Entscheidungen tragen werden. von Frieden, Freiheit und rechtsstaatlicher Demokratie Vielen Dank. praktisch bedeuten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Die Bundesrepublik Deutschland kann dazu einen Bei- DIE GRÜNEN) trag leisten. Dieser Beitrag wird von ihr erwartet. Nicht allein deshalb, sondern auch weil es in unserem ureigens- ten Interesse als freiheitlicher Demokratie liegt, dass nicht Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich erteile andere nach ihrer menschenverachtenden Ideologie oder das Wort der Kollegin Dr. Angela Merkel für die Fraktion ihrem menschenverachtenden Fanatismus entscheiden, von CDU und CSU. welches freiheitliche und demokratische Land jeweils Ziel ihrer Angriffe ist, werden wir ihn leisten. Dr. Angela Merkel (CDU/CSU): Herr Präsident! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Meine Damen und Herren! „Wir werden das World Trade DIE GRÜNEN) Center wieder aufbauen“ – der New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani hat diesen Satz vor ein paar Tagen ge- Es wird im Übrigen nüchtern zu prüfen sein, ob wir den sagt. Inmitten der größten Katastrophe, die Amerika je schon vorhandenen Fähigkeiten schnell neue hinzufügen heimgesucht hat, inmitten all der Zerstörung, inmitten all müssen. Das gilt auch im Sinne der jetzt notwendigen um- des Leids, der Toten und der Verletzten sagt er ein wenig fassenden Antwort und beschränkt sich beileibe nicht auf trotzig, vor allem aber entschlossen und mutig: „Wir wer- die Erneuerung der Bundeswehr alleine. Aber dazu wird den das World Trade Center wieder aufbauen.“ noch an anderer Stelle der Debatte etwas gesagt werden. Ich möchte nur deutlich machen: Es geht nicht nur darum, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- die USA – wie manche sagen – zu unterstützen, sondern neten der SPD und der FDP) darum, die Chance, die die Tragödie in den USA bietet Wie wir die Amerikaner kennen, werden sie es wahr- – davon haben einige in dieser Debatte zu Recht gespro- scheinlich größer und schöner bauen als je zuvor. Das im- chen –, zu nutzen, den jeweiligen nationalen Identitäten poniert mir, das imponiert vielen Menschen. eine globale und zivilisatorische Identität hinzuzufügen Damit kein Missverständnis aufkommt: Es kann nie- und eine gemeinsame Antwort auf jenen mittelalterlichen mand sagen, dass die Menschen in den Vereinigten Staa- und vordemokratischen Geist zu entwickeln, der sich ten bei dem, was sie erlebt haben, und bei dem, was – frei von jeder Vorstellung von der Würde des einzelnen geschehen ist, nicht mindestens so viel Verzweiflung (B) Menschen – in Europa mit fürchterlicher Brutalität im (D) empfinden wie wir. Es kann niemand sagen, dass die Müt- Dreißigjährigen Krieg und während der faschistischen ter und Väter in den USA oder in Großbritannien nicht die Zeit ausgetobt hat und der sich jetzt kaltblütig der techni- gleichen Ängste haben wie die Mütter und Väter in schen Möglichkeiten der Zivilisation des 21. Jahrhunderts Deutschland – vor dem, was geschehen ist, aber auch vor bedient. Diese Antwort muss, wie gesagt, umfassend, ent- dem, was jetzt kommen mag. Ich will hinzufügen: Ich schieden, klar und angemessen sein. finde diese Angst verständlich. Sie drückt die Fassungs- Wir alle haben uns in den 50 Jahren, in denen wir in die losigkeit aus. Sie ist ein Maß für die Ungewissheit über westlichen Demokratien und ihre Gemeinschaften hinein- das, was kommt. Sie lässt bei vielen Erinnerungen wieder gewachsen sind, nicht vorstellen können, dass der Bünd- aufkommen oder aber Gelesenes fast real erscheinen. nisfall der NATO zum ersten Mal wegen und zum Schutz Ich bin aber fest davon überzeugt: Angst darf nicht un- der gemeinsamen Werte, ausgelöst durch einen Angriff ser Ratgeber sein. Deshalb hat Giuliani etwas ganz Be- auf die USA, erklärt werden muss. Wir haben uns in den sonderes geschafft. Er hat ausgedrückt, was es bedeutet, letzten 50 Jahren auf die Solidarität der westlichen De- den Sieg der Freiheit gegenüber dem Terror durchzuset- mokratien verlassen. Das war gut für Deutschland. Also zen. Diese Worte von Giuliani fassen für mich die Ent- haben die westlichen Demokratien und insbesondere die schlossenheit zum Sieg der Menschenwürde gegenüber Vereinigten Staaten einen Anspruch darauf, dass wir jetzt der Barbarei in Worte. Sie stehen auch in der Stunde der mehr tun, als sie nur zu unterstützen. Das wäre schon viel. größten Not dafür, dass wir nicht kapitulieren vor Feigheit (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und Zerstörungswut. Aber wir müssen gemeinsam eine Antwort geben, wis- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) send, dass diejenigen, die über mehrere Jahrzehnte für uns Das ist der Geist, der die Menschen nicht im Gesche- eingestanden sind, jetzt einen Anspruch darauf haben, henen gefangen nimmt, sondern der sie aus Trauer und dass wir mit ihnen gemeinsam für unsere Interessen und Verzweiflung wieder ausbrechen lässt. Das ist der Geist für unsere Wertvorstellungen eintreten. einer Debatte, die der Zukunft zugewandt ist. Das ist der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Geist, den ich mir auch für die kommenden Debatten in Deutschland wünsche und der auch von der heutigen De- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) batte ausgehen muss; denn verantwortungsbewusste Poli- Das wird sehr harte und ernste Entscheidungen erfor- tik – ob in der Regierung oder in der Opposition – war und derlich machen. Ich hoffe – das sage ich auch im Interesse bleibt immer eines: die Gestaltung der Zukunft. Es ist der Soldaten und ihrer Familien –, dass der Ernst, die Ent- vielleicht ein oft dahingesagtes Wort, aber es sollte gerade 18326 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Dr. Angela Merkel (A) auch in den kommenden Wochen der Kern unseres Han- Deshalb ist es so wichtig, dass wir versuchen, aus die- (C) delns bei allen Entscheidungen – ob im Nordatlantischen ser großen Krise auch eine Chance zu machen. Es geht um Bündnis oder in der Europäischen Union, ob in der Re- nicht mehr und nicht weniger als um den Aufbau einer Ar- gierung oder in der Opposition – sein: jeder in seiner chitektur des 21. Jahrhunderts. Mit Sicherheit Rolle, jeder an seinem Platz. Genau deshalb nehmen wir – keine Frage – ist dies eine globale Architektur. Für mich als Union unsere Aufgabe als kritischer Wächter, aber ist in den letzten Tagen noch einmal ganz deutlich gewor- auch als zuverlässiger Begleiter der Bundesregierung sehr den, wie sehr die zwei Seiten einer Medaille zusammen- energisch und konsequent wahr. hängen: die politische Demokratie und die wirtschaftliche Ordnung einer globalen Welt. Wir haben dies in Deutsch- (Beifall bei der CDU/CSU) land immer wieder erlebt. Freiheitliche Demokratie und Es ist richtig, dass das, was am 11. September stattge- soziale Marktwirtschaft waren zwei Seiten einer Erfolgs- funden hat, eine Kriegserklärung an die zivilisierte Welt geschichte. Genauso wird es in einer globalen Welt sein. ist. Der 11. September war eine Zäsur. Heute sind wir (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- dabei, zum ersten Mal auch über die Konsequenzen und neten der FDP) Folgerungen zu beraten. Es geht dabei um sehr konkrete Konsequenzen in wirtschaftlicher Hinsicht, in politischer Von den Gegnern der Globalisierung haben wir so viel Hinsicht, in diplomatischer Hinsicht und – um das ganz Kritisches über die Globalisierung gehört. Ich kann nur ausdrücklich hinzuzufügen – auch in militärischer Hin- sagen: In der letzten Woche hat die Wirtschaftsordnung sicht. Es geht darum, dass wir einer vollkommen neuen eine schwere Bewährungsprobe bestanden. Das gemein- Lage gegenüberstehen. same besonnene Vorgehen von amerikanischer Noten- bank und Europäischer Zentralbank hat dazu geführt, dass Es ist in den letzten Tagen viel von Dankbarkeit, ja diese Wirtschaftsordnung im Rahmen des Möglichen ei- sogar von Schuld die Rede gewesen, in der gerade wir nigermaßen stabil blieb. Das war ein Riesenerfolg. Wenn Deutschen nach 50 Jahren Beistand durch die Amerikaner der Euro seine erste Bewährungsprobe bestanden hat, gegenüber den USA stünden. Das ist ohne Zweifel rich- dann war dies in der letzten Woche. Wir können dankbar tig. Aber wäre es das allein, es würde auf Dauer nicht tra- sein, dass wir ihn haben. gen. Eine wahre Freundschaft lebt auch, aber nicht allein (Beifall bei der CDU/CSU) von Dankbarkeit. Wahre Freundschaft lebt von ihrer Trag- fähigkeit für die Zukunft. Jetzt geht es um eine neue politische Ordnung. Kerstin Müller hat gesagt: Es wird nichts mehr so sein, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- wie es war. Ich halte das für falsch. Die Werte, auf die wir neten der FDP) diese Ordnung gründen, werden die gleichen Werte blei- (B) Der Bundeskanzler hat deshalb Recht, wenn er von un- ben wie vor dem 11. September. Es sind die Werte der (D) eingeschränkter Solidarität mit den NATO-Partnern Freiheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität. und den USA spricht. Er hat Recht, wenn er sagt: Es darf (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nicht heißen „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht neten der FDP) nass“. Deshalb füge ich hinzu: Eine tragfähige Partner- schaft zwischen den Staats- und Regierungschefs inner- Aber wir werden die Linien neu ziehen müssen. Wir wer- halb des Bündnisses der NATO, der Europäischen Union den sehr klar sagen müssen, wo die Unterschiede liegen. und darüber hinaus gründet diese uneingeschränkte Soli- Sie werden gezogen werden zwischen Demokratie und darität auf Selbstbewusstsein zwischen den Partnern. Eine Diktatur, zwischen Achtung der Menschenwürde und ih- rer Missachtung, zwischen Freiheit und Unfreiheit. tragfähige Partnerschaft gründet diese Solidarität auf ak- tives Engagement für den anderen. Eine tragfähige Part- (Joachim Poß [SPD]: Auch nicht neu!) nerschaft gründet diese Solidarität auf Taten und nicht Jeder im internationalen Rahmen und jeder bei uns zu alleine auf Worte. Hause wird gefragt werden, wie er sich zu diesen Linien Meine Damen und Herren, wenn dieser 11. September stellt. Da wird es keine Halbheiten geben, da wird es keine eine Zäsur markiert, wenn dieser 11. September ein Tag Ausflüchte geben. Deshalb wird sich die Staatengemein- war, der für die Geschichte des 21. Jahrhunderts eine aus- schaft in dieser Krisensituation auch neu ordnen. Es geht schlaggebende Bedeutung hat – ich glaube das –, dann geht nicht nur um eine neue Architektur der NATO, es geht ge- es darum, den Gegner genau zu erkennen, und dann geht es nauso um eine neue Architektur von Allianzen, die in den darum, die Ordnung für das 21. Jahrhundert zu finden. nächsten Tagen und Wochen ihre Bewährungsproben zu bestehen haben. Ich halte die Resolution des UN-Sicher- Nach der Beendigung des Kalten Krieges, Ende der heitsrates für einen ersten Vorboten dieser neuen Archi- 80er-, Anfang der 90er-Jahre, gab es Aufsätze und Bücher, tektur. Aber sie muss sich bewähren und das wird in der in denen wichtige Autoren vom Ende der Geschichte ge- Praxis erfolgen. schrieben haben. Wir wissen heute: Die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts haben spätestens am 11. September ein (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- klares Gesicht bekommen. Wir haben keine Illusionen neten der FDP) mehr über die Gefahren unseres Jahrhunderts. Niemand Meine Damen und Herren, national heißt das für uns kann mehr sagen, er habe es nicht gesehen. Alle Warnun- auch vieles. Es heißt auf der einen Seite, dass sich jeder in gen vor solchen Gefahren sind durch die Realität über- diesem Lande, in jeder Vereinigung, in jeder Partei, ent- troffen worden. scheiden muss, wie er sich zu den Grundwerten unserer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18327

Dr. Angela Merkel (A) Ordnung stellt. Ich wünsche mir, dass gerade auch die schlossenheit, Mut und richtiges Handeln mit kühlem (C) Vertretungen der ausländischen Bürgerinnen und Bürger Kopf bedeuten. Wenn Besonnenheit jedoch Wankel- in unserem Lande diese Trennlinie sehr klar ziehen. Das mütigkeit bedeutet, dann ist dies nicht unser Verständnis. würde unserer Gemeinsamkeit im Lande und der Integra- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- tion sehr helfen. derspruch bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Es muss eine Besonnenheit sein, bei der klar wird, dass wir nicht nur wissen, was wir nicht wollen oder wovor wir Es wird für uns heißen, dass wir nicht werden warten uns fürchten, sondern auch wissen, was wir anstreben und können, bis jemand auf uns zukommt und uns um etwas wozu wir uns entschließen. Das ist das Allerwichtigste. bittet. Vor allen Dingen werden wir nicht die Attitüde ein- nehmen können, dass der Kelch an uns vielleicht vorüber- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei gehe. Es geht in dieser Stunde um die Fragen: Welche Abgeordneten der FDP) Rolle wird Deutschland in der Welt des 21. Jahrhunderts In den nächsten Wochen wird es um diese Fragen gehen. spielen? Werden wir in der Lage sein, entsprechend un- serer ökonomischen Kraft auch eine politische Kraft in Ich sage auch: So wie wir den Schulterschluss mit der dieser Weltordnung zu sein? Regierung in dem Kampf gegen die Bedrohung einge- gangen sind und auch weiterhin eingehen werden, so wer- (V o r s i t z: Vizepräsidentin ) den wir die Tatsache, dass dies in der innenpolitischen De- Es ist unser ureigenes Interesse, zu klären, inwieweit batte eine Zäsur war, nicht einfach wegschieben können. wir in diesen Wochen und Monaten zu dem bereit sind, Verantwortung einer Opposition heißt immer auch Ver- was nach Art. 5 des NATO-Vertrages von uns mit großer antwortung für diejenigen Dinge, die in unserem Lande Wahrscheinlichkeit verlangt werden wird, nämlich die geleistet werden. Wenn angeblich, wie Frau Müller gesagt Ausübung und Auslebung des Bündnisfalles. Es ist das hat, nichts mehr so ist, wie es war – eine Auffassung, die erste Mal, dass wir nach dem Ende des Kalten Krieges ich noch nicht einmal teile –, dann darf der Bundeshaus- – unserem ureigenen Interesse als wiedervereinigtes Land halt mit Sicherheit nicht das Einzige sein, was so bleibt, folgend – für Freiheitlichkeit einstehen können. wie es war. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich sage dies so betont, weil ich weiß, dass in den Herr Bundeskanzler, wir sehen uns hier nächste Woche neuen Bundesländern viele Menschen keine Dankbarkeit zu einer anderen Debatte wieder. Diese Debatte wird et- für 50 Jahre NATO fühlen, wie das in den alten Bundes- was mit den Fragen zu tun haben, wie unsere Bundes- (B) ländern der Fall ist. Aber auch mit diesen Menschen wer- wehr ausgerüstet ist und wie unsere innere Sicherheit (D) den wir darüber sprechen, dass es keine freiheitliche Ord- ausgestattet ist. Genau diese Fragen werden dann zu be- nung in der Bundesrepublik Deutschland geben wird, antworten sein. Da wir uns einig sind, dass es sich um wenn wir jetzt die Zeichen der Zeit verschlafen. Es ist für neue Schwerpunkte, um neue Aufgaben handelt, erwarten mich keine Petitesse, wenn der Regierende Bürgermeister wir auch einen neuen Bundeshaushalt. von Berlin in dieser Auseinandersetzung von „Stellvertre- terkriegen“ spricht. Es sind keine Stellvertreterkriege, Herzlichen Dank. sondern es waren Angriffe auf unsere ureigenen Werte; (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) deshalb dürfen wir uns nicht anders verhalten als andere. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich erteile das Wort Herr Staatsminister Volmer – als solcher scheinen Sie dem Kollegen Gert Weisskirchen für die SPD-Fraktion. gesprochen zu haben –, wenn Sie hier, abweichend von dem, was der Bundeskanzler gesagt hat, und sogar ab- Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Frau Präsi- weichend von Ihrem eigenen heute abwesenden Minister, dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin darum bitten, dass die militärischen Aktionen kurz Merkel, es wird Ihnen nicht gelingen, einen Misston in die seien, dann kann das nicht der Maßstab sein. Der Maßstab Debatte hineinzubringen; muss die Frage sein, ob wir unsere Werte wie die Freiheit erfolgreich verteidigen und mit welchen Mitteln dies am (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wider- besten gelingt. Deutschland hat dabei nicht darüber zu spruch bei der CDU/CSU) entscheiden, ob ihm die Vorgehensweise der USA passt denn, liebe Frau Kollegin Merkel, Sie und wir, das ganze oder nicht. Haus bis auf die PDS, haben deutlich Zustimmung zu dem (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vorschlag signalisiert, über den wir nachher abstimmen werden, dass sich der Bundestag für ein international Wir dürfen weder Wut noch Angst haben; das dürfen abgestimmtes Vorgehen und für besonnenes Handeln aus- nicht unsere Ratgeber sein. Sicherlich ist es auch richtig, spricht, weil es im Interesse aller Völker, auch der Bun- dass Besonnenheit gefragt ist. Die Diskussionen der desrepublik Deutschland, liegt, den Terrorismus weltweit nächsten Wochen deuten sich aber schon an. Wenn in die- zu bekämpfen. sen Tagen von Besonnenheit gesprochen wird, dann spüre ich durch viele Ritzen, dass dahinter ein ganz unter- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schiedliches Verständnis steht. Besonnenheit kann Ent- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 18328 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (A) Der Kollege Dr. Gerhardt hat einen, wie ich finde, sehr sich hingaben. Das Einzige, was mir einfällt, sind (C) wichtigen Punkt angesprochen. Er hat den amerikani- biblische Bilder vom „Fall der Türme deiner schen Historiker Paul Kennedy zitiert. Dieser hat gerade Feinde“. am letzten Sonntag im „Independent on Sunday“ darüber Er fügt hinzu: geschrieben, dass es jetzt wohl so sei, dass Amerika ins 21. Jahrhundert eingetreten ist. Sind denn die Terror- Das Problem mit der ... Rede von unserem schläge gegen New York und Washington die Schatten- – dem amerikanischen – risse, die die Zukunft auf unsere Gegenwart wirft? Ich meine: Eiskalte Selbstmörder, die Tausende gemordet und Kampf gegen das reine Böse ist, dass dies genau die nicht unterschieden haben, welche Hautfarbe ihre Opfer Sprache ist, derer sich auch diese Leute hatten, welcher Religion oder welcher Nationalität sie zu- – die Terroristen nämlich – gehörten, haben das oberste Recht zerstört, das jedem Menschen eignet, nämlich das Recht auf Leben. Deswe- bedienen. gen müssen wir die Kraft aufbringen, gegen diesen inter- Allzu rasch wird bei dem Versuch, die neue Form des nationalen Terrorismus auch gemeinsam zu handeln. internationalen Terrors zu erklären, zu ideologischen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Schablonen gegriffen. Nein, der Kampf, der jetzt statt- der CDU/CSU) findet, ist nicht ein Kampf zwischen Kulturen und nicht ein Kampf zwischen Zivilisationen. Es ist der Kampf ge- Noch ein weiterer Gedanke mag das verdeutlichen: gen den internationalen Terrorismus, der jetzt geführt Morgen findet wie jedes Jahr der Tag des Kindes statt; die wird. Vereinten Nationen rufen dazu auf. Wie viele Kinder sind vorletzten Dienstag in den Explosionen umgekommen? (Beifall bei der SPD) Wie vielen Kindern ist die Mutter weggenommen worden Wir müssen uns fragen: Was treibt die Täter an? Zu- und wie vielen der Vater? Auch das ist ein Grund, warum allererst unbändiger Hass. Worauf zielen sie? Auf die alle Staaten bis auf zwei die Anschläge verurteilt haben. Grundfesten des modernen Lebens. Wahllos morden sie, Es waren nämlich Anschläge auf die Universalität der um Schrecken zu verbreiten, um Menschen einzuschüch- Menschenrechte. Die Terroristen müssen wissen: Wir tern, um die Institutionen der Staaten zu zerstören, die sie werden diesen Fortschritt der Zivilisation mit allem, was zu ihrem Feind erklärt haben. Worauf zielt ihre Logik? wir vernünftigerweise gegen sie einsetzen können, vertei- Ihre Halluzination ist es, in einem heiligen Krieg zu digen. kämpfen. (Beifall bei der SPD) Wir sollten uns selbstkritisch fragen: Erinnert uns das (B) (D) Verstört uns und auch andere nicht das unerhört Grau- nicht an die Vergangenheit des Christentums? Wer einmal same, wie sich technische Intelligenz mit dem Trieb nachgelesen hat, was Hernán Cortés Kaiser Karl über mischt, sich und unschuldige andere unentrinnbar mas- seine Erfahrungen mit der Expansion berichtet hat, der senhaft in den Tod zu reißen? Verstört es uns nicht auch, spürt den Fieberwahn, den Gewalt und Expansion bei de- wenn gesagt wird, eine jede Gesellschaft werde verwund- nen auslösten, die sich von Gott erwählt glaubten. Sie ge- barer, je moderner sie wird? Wir alle haben in diesen letz- fielen sich als Conquistadores, als Werkzeuge der christ- ten Tagen erlebt, dass die Welt auf den gemeinsamen lichen Welt wie Kolumbus, der Cristóbal Colón, der Fernsehblick darauf geschrumpft ist, was vor uns allen Christus tragende Kolonisator. stehen kann. Jeder hat in den Abgrund sehen können. Von Wer also den Kampf der Kulturen verhindern will, der daher ist es sehr verständlich, dass mit Angst auf diese kann auf gar nichts anderes setzen als auf die Kraft der Verstörung reagiert wird. Von Angst aber dürfen wir uns Freiheit. Sie ist stark, wo sie sich an die Vernunft bindet. nicht hinreißen lassen. Schärfe des Denkens, Klarheit Die Freiheit ist dann unbezwingbar, wenn Konflikte des Verstandes, auch eine Debatte darüber, wie vernünf- zwischen Kulturen im Dialog ausgetragen werden. Das tig auf die neuen Formen internationalen Terrors geant- setzt aber voraus, dass sich die Kulturen wechselseitig wortet werden muss, sind jetzt nötig. als gleichberechtigt anerkennen. Menschen verschiedener Es ist sinnvoll, jetzt einmal einen Blick auf die ameri- Kulturen sind fähig, gemeinsame Werte zu teilen. Der kanische Debatte zu werfen. Die, wie ich finde, absur- Träger des Nobelpreises für Ökonomie Amartya Sen hat deste Antwort auf die Frage, wie der Terrorismus entstand den Wert der Freiheit als den überragenden erkannt, weil und was er bedeutet, hat der christlich-fundamentalis- die Freiheit der Pfeiler ist, auf dem alle anderen Werte tische Fanatiker Jerry Falwell gegeben. Er beschuldigt das ruhen. säkulare Amerika, Gott erzürnt und so die Katastrophe (Beifall bei Abgeordneten der SPD) heraufbeschworen zu haben. Das ist der Grund, warum das Jahr 2001 von der UNO Es gibt aber andere in den USA, die jetzt ungeschminkt zum Jahr des Dialoges zwischen den Kulturen ausgerufen und selbstkritisch über die Ursachen reden. Stephen worden ist. Der iranische Präsident war es, der diesen Vor- Greenblatt, ein großer Renaissance-Forscher, sagt: schlag gemacht hat. Viele Tausende von jungen Iranern haben jetzt mit ihren Kerzen in Teheran deutlich gemacht, Ich versuche mir vorzustellen, welchen Phantasien dass sie sich gegen den Terrorismus wehren und dass sie sie sich an die Seite der zivilisierten Welt stellen, um dagegen – die Täter – zu kämpfen, dass die Terroristen die Religion und den Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18329

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (A) Islam für ihre finsteren Zwecke missbrauchen. Das ist ein Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich erteile das Wort (C) wunderbares, deutliches Zeichen, dass im Islam und bei dem Bundesminister des Innern, Otto Schily. Muslimen jetzt die Erkenntnis gewachsen ist: Der Terro- rismus muss auch innerhalb des Islam bekämpft werden. Otto Schily, Bundesminister des Innern (von Abge- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ordneten der SPD mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Heute erinnere ich mich an die US-amerikanischen Sol- Wenn es also wirklich einen Kampf gibt, dann ist es daten, die ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus, den nicht der Kampf zwischen den Zivilisationen, sondern der Nationalsozialismus geopfert und aufs Spiel gesetzt ha- im Innern der Zivilisationen, jeweils zwischen jenen Mus- ben. Ich erinnere mich an die US-amerikanischen Solda- limen, Christen, Hindus, Buddhisten oder auch Juden, die ten, die am Ende des Krieges mit uns Kindern ihre Es- für einen modernen Entwurf ihrer Gesellschaft streiten, sensrationen geteilt haben. Ich erinnere mich an die jungen und denen, die für einen rückwärts gewandten Entwurf ih- Amerikaner, die zu uns gekommen sind, um die Demo- rer Gesellschaft kämpfen. kratie in Deutschland aufzubauen. Ich erinnere mich an Wer Hass sät, wer Gewalt privatisiert, wendet sich ge- die amerikanischen Geschäftsleute, die – so im Gespräch gen menschliches Zusammenleben, gleich in welcher Re- mit meinem Vater – zusammen mit ihren ehemaligen Fein- gion der Erde. Die Stärke der offenen Gesellschaft, der den die Wirtschaft in Deutschland wieder aufgebaut ha- liberalen Demokratie und des reformfähigen sozialen ben. Ich erinnere mich an den Tag, an dem wir gemeinsam Rechtsstaates kann und darf aber von den Terroristen vor dem Schöneberger Rathaus John F. Kennedy zugeju- wirklich nicht erschüttert werden. belt haben, weil er an der Seite Berlins und für Freiheit stand. Ich erinnere mich an viele Gespräche mit vielen res- Der moderne Staat, die Demokratie, muss sich aller- pektablen Botschaftern der Vereinigten Staaten, Herrn dings schützen können. Weil Terroristen international Burns, Herrn Burd, Herrn Kornblum und anderen, die in agieren, muss auch die internationale Staatengemeinschaft großer demokratischer Offenheit auch über Meinungsver- gemeinsam handeln. Das ist jetzt zum Beispiel in Jerusa- schiedenheiten in der Politik mit uns gesprochen haben. lem deutlich geworden, wo, wie in Teheran, junge Men- Ich erinnere mich an die Worte des amerikanischen Präsi- schen unterschiedlichen Glaubens, Palästinenser wie Ju- denten Bush vor der Mauer hier in Berlin. den, ihre Solidarität gezeigt haben. Sie haben gemeinsam Ich finde, wir haben allen Grund, in diesen Tagen die deutlich gemacht, dass es darauf ankommt, die Hinter- Unverbrüchlichkeit der Freundschaft zu Amerika zu männer, die Drahtzieher von Attentaten und die Förderer betonen. islamistischer Terroristen, die religiöse Gefühle miss- (B) brauchen, die so ihre Gier nach Macht maskieren, die (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE (D) Menschen in den Untergang führen und die versuchen, GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Staaten zu zerbrechen, zur Verantwortung zu ziehen. Das ist nicht nur eine Frage der Rhetorik, sondern etwas, Liebe Frau Kollegin Merkel, Sie haben eben zu Recht was unser Volk mit dem amerikanischen Volk verbindet, darauf hingewiesen, dass man eine neue globale Archi- der Nation, die in der Menschheitsgeschichte allen voran tektur braucht. Ich bitte Sie: Bedenken Sie aber auch die als Symbol für die Menschenrechte, für Freiheit und De- schwierige innere Situation in Afghanistan. Afghanistan mokratie gilt. ist ein Land, das seit Jahren, ja fast seit Jahrzehnten ge- In diesen Tagen sind wir Zeugen mörderischer schunden ist und politisch hin und her gestoßen wird. Es Verbrechen geworden, deren grauenvolle Dimension uns wird von einer selbst ernannten Elite regiert, die die Ab- alle im tiefsten Innern erschauern lässt. Es sind Ver- hängigkeit von Menschen nutzt. Ich nenne nur Drogen-, brechen, in denen sich Hass, Fanatismus, Feindschaft Menschen- und Waffenhandel. Das alles zeigt die Gier und Menschenverachtung auf unvorstellbare und er- dieser selbst ernannten Elite, über andere zu herrschen. schreckende Weise verdichtet haben. Es sind Tage des Eine Strategie gegen diesen Terror muss daher viel Schreckens, der Trauer und des Zorns. Es sind für viele mehr als nur militärische Mittel umfassen. Sie braucht ei- – das ist schon in einigen Debattenbeiträgen gesagt wor- nen viel breiter angelegten Ansatz mit einer vernünftigen, den – auch Tage der Sorgen, der Angst und der Furcht. klaren Mischung aus militärischen Zielen, die auf den In dieser Lage muss jeder seine Verantwortung kennen Punkt genau definiert werden müssen, und darüber hinaus und wahrnehmen. Wir müssen Festigkeit und Ent- aus zivilen Mitteln. Durch diesen neuen politischen An- schlossenheit beweisen. Zaghaftigkeit und Unsicherheit satz, auch durch eine stärkere Mobilisierung der Entwick- dürfen nicht die Devise sein. Wir sind auf die Mitwirkung lungspolitik, wird es erst möglich, den Boden auszutrock- aller angewiesen. Deshalb danke ich heute dem gesamten nen, auf dem ein solch schrecklicher Terrorismus Parlament – ich möchte über ein paar kleinere Unstim- entstehen kann. Die Erarbeitung eines solchen Ansatzes migkeiten hinwegsehen –, dass es diese Einmütigkeit be- ist die gemeinsame Anstrengung der internationalen wiesen hat. Staatengemeinschaft. Das wird der Deutsche Bundestag (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der hier gemeinsam beschließen. FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Herzlichen Dank. SES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir sollten diese Einmütigkeit in den Vordergrund DIE GRÜNEN) rücken. 18330 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Bundesminister Otto Schily (A) Ich bedanke mich auch für das Angebot zur Zusam- Vielmehr kam und kommt es stets darauf an, rasch he- (C) menarbeit. Gernot Erler und Frau Merkel haben es hier rauszufinden, was geht, was zum Erfolg führt. mit Recht angesprochen: Ich glaube in der Tat, dass uns (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der der American Spirit, der Geist des Mutes und des auf- FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- rechten Ganges, den wir heute in Amerika beobachten SES 90/DIE GRÜNEN) können, als Vorbild dienen kann. Die Feuerwehrleute, die Bergungskräfte, die Börsianer, die Schuhputzer, die Unmittelbar nach Bekanntwerden der Anschläge ha- Krankenschwestern, die unzähligen Menschen, die sich ben wir zu Sofortmaßnahmen gegriffen, im Bereich der zur Blutspende bereit erklärt haben, und auch Hillary Luftsicherheit, der Verkehrswege, der Infrastruktur ins- Clinton mit ihrer eindrucksvollen Rede sind Vorbilder für gesamt, des Objektschutzes. Wir haben unsere uns. Wir sollten in dieser Situation von unserer Zaghaf- Aufklärungsmaßnahmen verstärkt. Denn Aufklärung ist tigkeit und von unserem Hang zum Pessimismus Ab- natürlich das wichtigste Mittel im Kampf gegen den Ter- schied nehmen. rorismus. Wir werden heute im Kabinett eine Reihe von weiteren Maßnahmen beschließen. Diese, Herr Merz, (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE sind – ich sage dies, damit bei Ihnen kein Irrtum entsteht GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) – noch nicht vollständig; das wird weiterzuführen sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit Entschlos- Ich bedanke mich jedoch schon jetzt ausdrücklich für das senheit, Klarheit und Festigkeit den Kampf gegen den Angebot, das Sie, Herr Merz, gemacht haben, in diesen Terrorismus gewinnen werden. Aber dieser Kampf wird Fragen eng mit uns zusammenzuarbeiten. Das ist der schwierig werden und er wird lange dauern. Darüber Konsens der Demokraten, der jetzt im Vordergrund ste- sollte sich niemand Illusionen machen. hen muss. Ich neige bekanntlich nicht zu Dramatisierungen und (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Übertreibungen. Ich bin für realistische Einschätzungen. FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Ich habe aktuell stets darauf hingewiesen, dass im Au- SES 90/DIE GRÜNEN) genblick keine konkrete Gefahr für unser Land besteht. Ich bin froh darüber, dass Bedenken, die in kirchlichen Das ist die Einschätzung unserer Dienste und unserer eu- Kreisen zeitweise durchaus vorhanden waren, überwun- ropäischen Nachbarn. Aber niemand sollte sich über den den werden konnten und dass wir jetzt endlich dem Zu- Ernst der Lage täuschen. Die Sicherheitssituation kann stand ein Ende bereiten, dass Vereine, die sich mit reli- sich in sehr kurzer Frist grundlegend verändern. giösen Zielsetzungen tarnen, weiter ihr Unwesen treiben Es ist allerdings nicht hilfreich, wenn sich einige in dürfen. Wir werden das Religionsprivileg im Vereins- (B) der Ausmalung ausufernder Schreckensszenarien über- recht beseitigen. (D) bieten. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP – Zuruf BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ von der CDU/CSU: Höchste Zeit!) CSU und der FDP) Wir müssen zusammen mit der Polizei und unter An- Nicht hilfreich ist ebenso, wenn manche die engagierte, wendung des Strafrechtes dafür sorgen, dass wir alle gefahrvolle und schwere Arbeit unserer Polizei und un- terroristischen Gruppen erfassen, nicht nur jene, die ihre serer Sicherheitsdienste wider besseres Wissen Zielsetzungen mit Aktivitäten im Innern entfalten. Des- bemäkeln. halb ist es dringend erforderlich, das Strafgesetzbuch zu ändern. Wir werden das umsetzen, indem wir einen (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der § 129 b einfügen. FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Endlich!) Gerade jetzt und auch künftig sollten wir unserer Polizei, Wir werden darüber hinaus auch andere Maßnahmen den Sicherheits- und den Verfassungsschutzbehörden un- ergreifen müssen, etwa im Bereich der Überprüfung des sere besondere Anerkennung, unseren besonderen Dank Sicherheitspersonals beim Luftverkehr. Auch dafür wer- und auch unser Vertrauen aussprechen. den wir heute die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Überdies werden wir – das ist schon von mehreren ange- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der sprochen worden – dafür sorgen müssen, dass wir den FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Geldern auf die Spur kommen, mit denen der Terrorismus SES 90/DIE GRÜNEN) Mord und Totschlag finanziert. Das ist ja einer der Aber selbstverständlich werden wir unsere Anstren- schrecklichsten Zusammenhänge, deren wir ansichtig gungen erhöhen müssen. Manche Gemächlichkeit und werden. Umstandskrämerei müssen wir ablegen. In meinem Haus (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE gilt der Grundsatz – der gerade im Bereich der inneren Si- GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) cherheit seine Bedeutung hat –, dass sich niemand da- Meine Damen und Herren, wir werden uns von man- durch auszeichnet, dass er mir umständlich erklärt, was chen Vorurteilen und Denkgewohnheiten verabschieden angeblich nicht geht. müssen. An anderer Stelle werden wir über das Zuwan- (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr gut!) derungsgesetz zu reden haben. Ich werde mich – das si- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18331

Bundesminister Otto Schily (A) chere ich Ihnen zu – von diesem Projekt nicht verab- menarbeit zwischen den Ländern und dem Bund. Wir hat- (C) schieden. ten gestern eine Schaltkonferenz der Innenminister der Länder und des Bundes. Ich möchte nicht versäumen, (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE meinen besonderen Dank an meine Kollegen in den Län- GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordne- dern auszusprechen. Es ist vorbildlich, in welcher Ein- ten der CDU/CSU) mütigkeit und Entschlossenheit Bund und Länder gegen Das wäre ein Sieg der Terroristen. Diesen Sieg dürfen wir den Terrorismus vorgehen und sich über die Maßnahmen nicht zulassen. Ich bin dem Herrn Bundeskanzler für das geeinigt haben. dankbar, was er in seiner Regierungserklärung dazu ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜND- sagt hat. Aber eines muss auch klar sein: Das Sicherheits- NISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und problem bei der Zuwanderung ist gar nicht in erster der FDP) Linie ein Problem der Arbeitsmigration, die wir steuern und regeln wollen, sondern die Frage danach, welche Per- Es wird auch – das gehört zu dem, was wir gestern in sonen unter dem Zeichen des Flüchtlings- oder Asyl- der Schaltkonferenz gemeinsam erörtert haben – ein In- schutzes zu uns kommen. Darunter befinden sich leider einandergreifen von militärischen und polizeilichen einige, die das Asyl- und das Flüchtlingsrecht missbrau- Operationen notwendig sein. Wenn man es mit einer chen. Herausforderung wie dem Terrorismus zu tun hat, darf man sich nicht auf philosophische Haarspaltereien einlas- (Michael Glos [CDU/CSU]: Genau! Das sagt sen. Ich habe das übrigens bereits viel früher, schon im Herr Beckstein auch immer!) vergangenen Jahr, der Weizsäcker-Kommission gesagt. Es Wenn sich unter denen einige befinden, die terroristischen ist eine Situation, die eine Verbindung von polizeilichen Aktionen dienen, dann müssen wir – das versteht sich von und militärischen Strategien erforderlich macht. Wir wer- selber – diesen Herrschaften auf die Spur kommen. den jetzt gegen Bin Laden, wo immer er sein sollte, ver- mutlich nicht die üblichen Verfahren – ein Auslieferungs- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der gesuch zu stellen, im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- innerhalb von mehreren Jahren herauszufinden, wo er ist, SES 90/DIE GRÜNEN) um dann vielleicht eine Entscheidung zu treffen – einhal- Deshalb darf mir und anderen an dieser Stelle niemand in ten können. Auch im Kosovo-Konflikt gab es, wie Sie fest- den Arm fallen: Es kann nicht sein, dass bestimmte stellen können, wenn Sie den Dingen genau auf den Grund Dateien, die wir zur Verfügung haben, um diese Dinge gehen, eine polizeiliche Zielsetzung, die wir mit militäri- aufzuklären, nicht genutzt werden. Datenschutz ist in schen Mitteln gemeinsam durchgesetzt haben. Ordnung, aber der Datenschutz darf nicht zur Behin- (B) Es wird also ein Ineinandergreifen von militärischen (D) derung von Kriminalitäts- oder Terrorismusbekämpfung und polizeilichen Strategien geben müssen. Das darf aber führen. nicht so missverstanden werden, dass nun die Bundes- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der wehr überall in der Bundesrepublik postiert werden soll; FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- das ist nicht der Fall. Aber im Rahmen der durch die Ver- SES 90/DIE GRÜNEN) fassung gezogenen Grenzen wird auch die Bundeswehr ihre Aufgaben bei der Sicherung der Infrastruktur und mi- Kerstin Müller und auch einige von der SPD-Fraktion litärischer Einrichtungen in Deutschland zu erfüllen ha- haben hier gesagt, der Rechtsstaat dürfe dafür nicht geop- ben; das versteht sich ganz von selbst. fert werden. Ich bin nicht dafür, dass wir uns jetzt in Schuldzuwei- (Michael Glos [CDU/CSU]: Vielleicht werden sungen verstricken. Herr Kollege Glos, das sage ich an die Grünen geopfert, aber nicht der Rechts- Ihre Adresse. Ich begrüße es, dass der Freistaat Bayern so- staat!) eben durch eine Kabinettsentscheidung den Personalein- Das stimmt mit meinen Überzeugungen überein. Alles an- satz beim Verfassungsschutz erhöht hat. Ich werde daraus dere wäre ja auch eine Torheit und das sieht, glaube ich, nicht den Vorwurf ableiten, dass es in der Vergangenheit ir- niemand in diesem Hause anders. Aber man muss schon gendwelche Versäumnisse gegeben hat. sehr sorgfältig unterscheiden: Ist es ein Verstoß gegen die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Freiheitsrechte, wenn wir dafür sorgen, dass niemand BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) seine Identität verschleiert oder andere darüber täuscht? Identitätssicherung, damit der Staat seine Kontroll- Ich habe mich in den Haushaltsdebatten der vergange- pflichten und Kontrollrechte ausüben kann, ist in einem nen Jahre in sehr guter Kooperation mit dem Finanzminis- Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit. ter für Mittel für die innere Sicherheit eingesetzt. Sie wis- sen – ich habe das in jeder Haushaltsdebatte gesagt –, dass (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE wir die Mittel für die Institutionen, die für die innere GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Sicherheit zuständig sind, nicht gekürzt, sondern erhöht Die Zeit lässt es nicht zu, dass ich Ihnen alle Einzel- haben. Ich habe einige Zahlen vor mir liegen, die ich Ih- heiten vortrage. Selbstverständlich gehört dazu auch, dass nen jetzt nicht alle erläutern kann. Ich möchte nur fol- wir den Katastrophenschutz voranbringen. Wir haben gende Zahl nennen: Für die Luftsicherheit haben wir seit schon vor den Ereignissen einiges in Bewegung gebracht. 1998, also seit unserem Regierungsantritt, 1,2 Milli- Ich bin in dieser Beziehung sehr dankbar für die Zusam- arden DM aufgewendet. Das ist nun wahrlich kein kleiner 18332 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Bundesminister Otto Schily (A) Betrag. Ich könnte Ihnen viele weitere Zahlen nennen. Sie Mit „geistiger Offenheit“ meine ich sehr viel mehr als (C) haben Unrecht, Herr Glos, wenn Sie sagen, wir hätten die bloße Toleranz im Sinne von Ertragen unterschiedlicher Mittel für den BGS zurückgeführt; im Gegenteil. Wir ha- religiöser und weltanschaulicher Auffassungen. Geistige ben ihn nur anders organisiert. Das ist übrigens die BGS- Offenheit heißt, die eigenen Überzeugungen infrage zu Reform, die Ihre alte Regierung beschlossen hat. stellen, infrage stellen zu lassen und infrage stellen zu können, anstelle des Verharrens in starren Dogmen der (Michael Glos [CDU/CSU]: Ich habe gesagt, wir müssen darüber nachdenken, ob das richtig Gedankenfreiheit Raum zu geben und niemanden zu ver- ist!) dammen, der fortschreitende Erkenntnis sucht. Wir wollen uns da nicht in irgendwelche Dinge ver- (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) stricken. Wir müssen uns heute und morgen in einer geistig-kultu- Eines will ich Ihnen allerdings auch ankündigen: Wir rellen Offensive vereinen, die die Erkenntnisfähigkeit der werden den Personaleinsatz und die Sachmittel für die Menschen in einer mitunter geistvergessenen Welt erwei- innere Sicherheit an einigen Stellen verstärken müssen. tert, ihre moralischen Willensimpulse stärkt und ihre see- Da muss ich die Hilfe des Parlaments, vor allem natürlich lisch-geistigen Fähigkeiten gesunden lässt. Niemand die der Regierungsfraktionen, in Anspruch nehmen. Das kann sich der Einsicht entziehen: Die Verbrechen begin- wird notwendig sein. Allerdings sollten nicht einfach nur nen im Geist und in der Seele von Menschen, derer sich quantitative Forderungen gestellt werden. Es kommt viel- das Böse bemächtigt. mehr auf die Verbesserung der Qualität an. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Vizepräsidentin Anke Fuchs: Herr Minister, ich des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) muss Sie an die Einhaltung Ihrer Redezeit erinnern. Wer mit der Forderung, es müssten Zigtausende Polizei- beamte eingestellt werden, durch die Lande wandert, den Otto Schily, Bundesminister des Innern: Ich bin sofort frage ich: Woher soll ich die eigentlich nehmen? Man fertig. muss sehr vorsichtig sein, um die Dinge richtig zu ent- Der Kampf gegen das Böse ist ein realer Kampf. Das scheiden. Wir werden den sicherheitsempfindlichen Be- Böse ist eine geistige, eine gesellschaftliche Realität. Wir reichen den Vorrang geben. Dort werden wir eine Verstär- werden und wir müssen diesen Kampf furchtlos aufneh- kung vornehmen. Das werden wir gemeinsam tun. men. Wir werden ihn gewinnen, wenn wir in uns und in Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ab- den anderen den Frieden suchen und finden. schluss sagen, dass für die Bundesregierung Folgendes Vielen Dank. (B) gilt: Wir müssen und wir werden gegen die Terroristen, die (D) diese Verbrechen zu verantworten haben, mit äußerster (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Konsequenz und mit der gebotenen Härte vorgehen. Wir GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) werden alle polizeilichen und militärischen Mittel aufbie- ten, über die die freiheitlich-demokratische Staatsordnung, Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich erteile dem Kolle- die wehrhafte Demokratie verfügt. Wir werden den Kampf gen Wolfgang Bosbach für die CDU/CSU das Wort. gegen den hasserfüllten, menschenfeindlichen Terroris- mus aber nur gewinnen, wenn er zugleich ein Kampf für Der Kollege Ludwig Stiegler weiß schon, dass er heute die Universalität und Unverbrüchlichkeit der Menschen- nicht mehr zum Reden kommt. rechte ist, wenn er ein Kampf für geistige Freiheit, für so- (Ludwig Stiegler [SPD]: Der Cantus firmus ist ziale Gerechtigkeit, für den Rechtsstaat und für die unbe- schon gesungen!) dingte Achtung der Würde des Menschen ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der Bundesminister Schily, Sie haben sich an dieser Stelle PDS) sehr kämpferisch, sehr entschlossen gezeigt und haben Wir dürfen uns nicht – ich wiederhole bewusst das, was vieles gesagt, was wir voll unterstreichen können und was der Bundeskanzler heute in seiner Regierungserklärung wir immer schon gesagt haben, und zwar bereits vor dem formuliert hat – in einen angeblichen Kampf der Kulturen 11. September 2001. Wir hätten uns aber viel mehr ge- hineintreiben lassen. Im Gegenteil: Es ist an der Zeit, dass freut, wenn Sie diese Entschlossenheit und den kämpferi- wir ein geistiges Zeichen für den interkulturellen Dialog, schen Einsatz auch schon vor den mörderischen Anschlä- für Aufklärung, für Verständnisbereitschaft und geistige gen in den USA gezeigt und schon vorher so wie heute Offenheit setzen. Religiöser, hasserfüllter Fanatismus hat gesprochen hätten. in der Menschheitsgeschichte zu den schlimmsten Ver- (Beifall bei der CDU/CSU) brechen geführt. Diese Verbrechen waren zugleich immer die Verleugnung der vermeintlich eigenen religiösen Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn sich wenigstens Überzeugungen, auf die sich die Fanatiker berufen haben. ein Teil von dem, was Sie heute gesagt haben, in der Koa- litionsvereinbarung wiederfinden würde. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP) (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das ist wahr!) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18333

Wolfgang Bosbach (A) Dazu, dass Sie in diesen Tagen das Ende einer permis- nen. Der Kollege Gerhardt hat zu Recht darauf hingewie- (C) siven Gesellschaft fordern und darauf hinweisen, dass die sen, dass es in dieser Welt leider zu viele Despoten, zu Haltung nach dem Motto „anything goes“ nicht mehr tole- viele Terroristen gibt, die sich nicht von Argumenten, son- rabel sei, muss ich Ihnen sagen, dass Sie diese Überzeu- dern nur von einer entschlossenen Gegenwehr beein- gungsarbeit nicht bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion drucken lassen. leisten müssen. Wir liefern Ihnen gern die Adressen der- jenigen, bei denen das notwendig ist. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn es richtig ist, dass Konsequenzen gezogen wer- den müssen, müssen wir das Recht fortentwickeln, wie Sie werden auch sehr genau registriert haben, wer bei dies heute auch das Bundeskabinett zumindest in Teilen Ihren Ausführungen geklatscht und wer mehr Betroffen- beschließen wird. Wir werden auch im Haushalt Konse- heit als Freude gezeigt hat. quenzen ziehen müssen. Entscheidend ist aber, dass wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) zunächst alle darin übereinstimmen, dass der äußeren und inneren Sicherheit endlich die notwendige politische Die sicherheitspolitische Lage hat sich in der Tat seit Priorität eingeräumt werden muss. dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs, seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation nachhaltig geändert. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber trotz dieser geänderten Lage sind die Gefährdungen Selbstverständlich geht es dabei auch, aber nicht nur, um für die innere und äußere Sicherheit Deutschlands nicht die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel für geringer geworden. Sie sind lediglich ganz anders als Personal und Technik. Es geht aber vor allen Dingen um noch vor 15 oder 20 Jahren, aber deswegen nicht weniger eine andere politische Haltung der Koalition zu allen Fra- bedrohlich, nicht weniger gefährlich. gen der äußeren und inneren Sicherheit. Wir stehen nicht erst heute, nicht erst seit den schreck- (Beifall bei der CDU/CSU – Ludwig Stiegler lichen Ereignissen der vergangenen Woche, sondern be- [SPD]: Wer hat denn die Prioritäten gesetzt?) reits seit vielen Jahren vor völlig neuen Herausforderun- gen hinsichtlich der Sicherheitspolitik unseres Landes. Ich nenne als ein Beispiel die Bundeswehr. Die Bünd- Der international operierende Terrorismus, der von Staa- nisfähigkeit stellt man doch nicht allein dadurch unter ten gedeckt und unterstützt wird und daher über erhebli- Beweis, dass man Auslandseinsätzen zustimmt, sondern che logistische und finanzielle Möglichkeiten verfügt und dadurch, dass man die Armee in allen Teilstreitkräften so dem es immer wieder gelingt, junge Menschen zu rekru- ausstattet, dass sie ihre Bündnispflichten in vollem Um- tieren, die aus religiösem oder politischem Fanatismus be- fang erfüllen kann. reit sind, das eigene Leben hinzugeben, um mörderische (Beifall bei der CDU/CSU) (B) Attentate auszuüben, ist für uns alle eine existenzielle Be- (D) drohung. Der Kampf gegen den religiös oder politisch Davon sind wir weit entfernt. Das weiß nicht nur die mi- motivierten gewaltbereiten Extremismus und gegen den litärische Führung der Bundeswehr, sondern auch die internationalen Terrorismus erfordert daher Besonnenheit Bundesregierung, ohne dass sie bislang entsprechend ge- gleichermaßen wie Entschlossenheit. handelt hat. In den vergangenen Tagen gab es in vielfältiger und Es muss auch endlich aufhören, dass diejenigen, die für auch beeindruckender Form Gesten der Trauer für die Op- einen starken Staat – nicht nur in Worten, sondern auch in fer in den USA, Worte des Mitgefühls für die Hinterblie- Taten – und für eine wehrhafte Demokratie kämpfen, un- benen und für das gesamte amerikanische Volk. Die Ges- ter den Generalverdacht gestellt werden, sie wollten in ten waren richtig und wichtig, aber es darf jetzt nicht bei Wahrheit einen Polizeistaat. Wir wollen keinen allmäch- Worten und Gesten bleiben. Die USA haben aus einer tigen Staat, der die Bürger ständig kontrolliert oder sie gar ganzen Fülle von Gründen einen Anspruch darauf, dass ihrer Freiheitsrechte beraubt. Wir wollen einen starken gerade wir sie in ihrem Kampf gegen den internationa- Staat, der sich gegen seine Gegner zu wehren und seine len Terrorismus tatkräftig unterstützen. Dies liegt auch Bürger zu schützen weiß. in unserem eigenen Interesse. (Beifall bei der CDU/CSU) In den letzten Tagen war oft – an dieser Stelle ist schon Im Kampf gegen den Rechtsextremismus waren wir zu Recht darauf hingewiesen worden – von Vergeltungs- uns völlig einig: keine Toleranz der Intoleranz. Nichts an- schlägen die Rede und davon, dass man Gewalt nicht mit deres darf beim Kampf gegen Extremisten aller Schattie- Gegengewalt beantworten solle. Wichtiger als militäri- rungen und Kriminelle gelten. sche Aktionen seien politische Lösungen. Aber es geht nicht um Vergeltung, nicht um Rache, sondern um (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Prävention, um die Verhinderung von neuen, Tod und Zer- ordneten der SPD und des Abg. Dr. Guido störung mit sich bringenden Anschlägen, nicht nur in den Westerwelle [FDP]) USA. Wir wollen auch weiterhin ein liberales Land und eine to- Wer wollte bestreiten, dass eine friedliche Konfliktlö- lerante Gesellschaft sein. Aber wenn wir das auf Dauer sung einer gewaltsamen vorzuziehen ist? – In diesem bleiben wollen, müssen wir diejenigen entschlossen Hause niemand. Wir wissen aber aus vielen, auch eigenen bekämpfen, die diese Toleranz dazu nutzen, unser Land leidvollen Erfahrungen, dass todbringender Terror und und seine freiheitliche Ordnung zu bekämpfen. Für uns ist mörderische Banden nicht mit sicherlich gut gemeinten „law and order“ kein Schimpfwort. Recht und Gesetz sind Gesten und Appellen erfolgreich bekämpft werden kön- – jedenfalls für die rechtstreuen Menschen in unserem 18334 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Wolfgang Bosbach (A) Land – keine Bedrohung, keine Gefahr und keine Fessel. Wir sind mit Ihnen darin einig, dass sich zur Abwehr von (C) Sie sind unabdingbare Voraussetzungen für ein Leben in Gefahren und zugunsten von mehr Sicherheit auch in der Freiheit und Sicherheit. Ausländer- und Asylpolitik einiges ändern muss. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass Sie bei Ihren (Beifall bei der CDU/CSU) Vorstellungen auch Forderungen der Union aufgegriffen Die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten ist die vor- haben, die zum Teil schon seit vielen Jahren auf dem Tisch nehmste Aufgabe des Staates. Deshalb müssen wir ange- liegen. Aber beim Thema „Zuwanderung und Integration“ sichts der dramatischen Ereignisse in allen Bereichen der geht es nicht nur darum, einige zum Teil seit langem be- äußeren und inneren Sicherheit überprüfen, ob wir in per- kannte Probleme zu lösen. Es geht uns, der CDU/CSU, soneller und technischer Hinsicht so ausgestattet sind, um eine grundsätzliche Neuorientierung unserer Auslän- dass wir die potenziellen Gefahren rechtzeitig erkennen der- und Integrationspolitik. und abwehren können. Es ist richtig, dass wir uns mitten im Übergang von der Der Kollege Glos hat beispielhaft den Bundesgrenz- Industrie- zur Informationsgesellschaft befinden und dass schutz erwähnt. Mit Verlaub, Herr Innenminister, Sie ha- wir uns selber schaden würden, wenn wir bei dem welt- ben den Kollegen Glos nicht richtig zitiert und mögli- weiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe nicht mit- cherweise missverstanden. Er hat darauf hingewiesen, machten. Dies kann aber im Umkehrschluss nicht bedeu- ten, dass wir sowohl unter humanitären als auch unter dass der Bundesgrenzschutz heute eine völlig andere Auf- wirtschaftlichen Gesichtspunkten ständig mehr Zuwan- gabenstellung hat und vor völlig anderen Herausforde- derung nach Deutschland zulassen. rungen steht als noch vor 15 oder 20 Jahren. Machen wir uns aber bitte nichts vor: Spätestens mit der EU-Erweite- (Zuruf von der SPD: Thema verfehlt!) rung nach Ost- und Südosteuropa wird auch der Bundes- Allein in den letzten zehn Jahren sind 8,1 Millionen grenzschutz wiederum vor neue Herausforderungen ge- Ausländer nach Deutschland gekommen. Im gleichen stellt werden. Zeitraum haben 5,8 Millionen Ausländer unser Land ver- (Ludwig Stiegler [SPD]: Wozu sagen Sie uns lassen. Der positive Wanderungssaldo beträgt in diesen das? Um das zu sehen, brauchen wir eure Hin- zehn Jahren 2,3 Millionen. In diesem Zeitraum haben wir weise nicht! Das war doch reichlich überflüs- mehr Menschen aufgenommen als die Vereinigten Staaten sig! Das wissen wir auch so!) von Amerika. – Wir haben in den letzten zehn Jahren 1,8 Millionen Asylbewerber aufgenommen und damit Deshalb müssen wir immer überprüfen, ob Verfassungs- doppelt so viel wie die USA, viermal so viel wie England schutz, Bundesnachrichtendienst, Bundesgrenzschutz und sechsmal so viel wie Frankreich. Wir haben keinen und die Polizeien des Bundes und der Länder auf der Mangel an Zuwanderung, sondern einen deutlich erkenn- (B) Höhe der Zeit sind. Nichts anderes hat der Kollege Glos baren Mangel an Integration und ein nicht ausgewogenes (D) gesagt. Damit hat er Recht. Verhältnis von Zuwanderung aus humanitären Gründen (Beifall bei der CDU/CSU) einerseits und aus wohl verstandenem eigenen staatlichen Interesse andererseits. Die aktuelle und dringend notwendige Debatte über (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Guido mehr äußere und innere Sicherheit kann nur dazu führen Westerwelle [FDP]: Das ist der Punkt! Genau – dazu fordern wir die Bundesregierung auf –, dass schon das wollen wir ändern!) bei den Haushaltsplanberatungen in der nächsten Wo- che der Haushalt so umgeschichtet wird, dass deutliche Ihr Gesetzentwurf, Herr Schily, trägt den Titel „Steue- Prioritäten für mehr äußere und innere Sicherheit gesetzt rung und Begrenzung der Zuwanderung“. Der Titel ist werden. Mehr Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. gut. Es kommt bei einem Gesetz, aber nicht darauf an, was draufsteht, sondern darauf, was drinsteht. Ihr Gesetzent- Daneben müssen wir das Recht fortentwickeln. Wir ha- wurf ist leider nicht dazu geeignet, die Zuwanderung nach ben bereits vor dem 11. September einen Gesetzentwurf Deutschland im Sinne einer Begrenzung zu reduzieren, zur Bekämpfung des Terrorismus mit vielen konkreten sondern er ist dazu geeignet, Zuwanderungsanreize zu Maßnahmen vorgelegt. Wir erwarten von der Bundes- schaffen und weitere Zuwanderungsmöglichkeiten zu regierung, dass sie diesen Gesetzentwurf nachhaltig un- eröffnen. Das ist der Grund, warum dieser Gesetzentwurf terstützt. Der Bundesinnenminister hat sich in den letzten aus unserer Sicht nicht zustimmungsfähig ist. Tagen und auch heute sehr dezidiert zum Thema „innere Sicherheit“ geäußert. Er hat dabei Vorschläge unterbrei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) tet, die von der Union ausdrücklich begrüßt werden, und Wir haben auch heute mehrfach von dieser Stelle aus zwar insbesondere deshalb, Herr Schily, weil uns diese gehört – für uns als Union ist das eine Selbstverständlich- Vorschläge sehr bekannt vorkommen. Sie sind nicht, wie keit –, dass wir niemanden unter Generalverdacht stellen der Kollege Özdemir gestern gesagt hat, „abenteuerlich“. dürfen. In Deutschland leben 3,5 Millionen Muslime. Der Diese Vorschläge sind notwendig. allergrößte Teil von ihnen ist rechtstreu, weder extremis- tisch noch gewalttätig und lehnt den Terrorismus als Mit- Herr Schily, Sie sagen: Datenschutz darf nicht zum tel der Politik ebenso ab wie wir. Aber wir müssen zur Täterschutz werden. Wir sagen: Richtig. Diese Erkenntnis Kenntnis nehmen, dass es darunter auch Menschen gibt, war – mit Verlaub – noch bis vor wenigen Tagen politisch die unter dem Deckmantel der Humanität oder der Reli- höchst unkorrekt. gionsfreiheit extremistischen oder terroristischen Bestre- (Jörg Tauss [SPD]: Quatsch!) bungen Vorschub leisten. Rund 32 000 von ihnen gelten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18335

Wolfgang Bosbach (A) als extremistisch und gewaltbereit. Darüber muss man of- Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau (C) fen reden können, ohne der Ausländerfeindlichkeit be- Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 11. Septem- zichtigt zu werden. ber hat vieles verändert: Wir haben eine neue Situation. Eine neue Situation verlangt, dass man nicht einfach Vor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) schläge recycelt nach dem Motto „Was ich schon immer So heißt es im Verfassungsschutzbericht: Zu einer zu diesem Thema sagen wollte“. Eine neue Situation be- nachhaltigen Bedrohung haben sich die Aktivitäten der deutet für uns als politische Klasse, als Menschen, die „Arabischen Mujahedin entwickelt, die sich in einem lo- Verantwortung übernommen haben und in die Verant- sen Netzwerk am internationalen Jihad“ beteiligen. Ihre wortung gewählt worden sind – Opposition und Regie- antiwestliche Zielrichtung, ihre Gewaltbereitschaft und rung –, dass wir nicht den Eindruck erwecken dürfen, als ihr transnationales Zusammenwirken machen ihre Ge- ob sich die Bundesrepublik Deutschland im Kriegszu- fährlichkeit aus. Wegen ihrer Leitfunktion kommt der Or- stand befinde. Wir dürfen nicht so tun, als ob nationale Pa- ganisation „Al Qaida“ des saudischen Millionärs Osama nik angesagt wäre. Wenn man seiner Verantwortung ge- Bin Laden eine besondere Bedeutung zu. – Es kann und recht werden will, bedeutet Führung in diesem Zusammenhang, der Bevölkerung deutlich zu machen: darf uns nicht genügen, die Aktivitäten in Deutschland zu Wir sind dafür gewählt, um in dieser Republik Verant- beobachten, sondern wir müssen uns von denen trennen, wortung zu übernehmen, ohne Panik zu säen, ohne Ängs- die in diesen Organisationen Mitglied sind. te zu schüren und ohne dazu beizutragen, dass weniger Si- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) cherheit in der Bevölkerung entsteht. Was spricht eigentlich dagegen, bei der Beantragung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines Visums eine Kopie des Reisepasses anzufertigen sowie bei Abgeordneten der SPD) und vom Antragsteller einen Fingerabdruck zu verlangen Ich bin froh, dass der Bundeskanzler in seiner Rede zu oder vor der Einbürgerung eines Ausländers beim Verfas- Besonnenheit gemahnt hat, dass er die Notwendigkeit sungsschutz anzufragen, ob dort Erkenntnisse vorliegen, deutlich gemacht hat, die Sicherheit – sofern dies in un- dass sich der Bewerber um die deutsche Staatsangehörig- serer Macht steht – mit Sofortmaßnahmen zu erhöhen, so- keit verfassungsfeindlich betätigt hat? Warum sollten wir weit dies noch nicht geschehen ist, dass es aber nicht da- jemanden einbürgern, von dem wir wissen, dass er die öf- rum gehen kann, Sicherheit gegen Freiheit auszuspielen. fentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet? Wir brauchen beides: Sicherheit und Freiheit gehören zu- (Beifall bei der CDU/CSU) sammen. Wer das eine vom anderen trennt, hat nicht ver- standen, wofür unsere Zivilisation, unsere Gesellschafts- Warum sollte sich der Staat bei einer so wichtigen Ent- ordnung steht. scheidung wie der Verleihung der Staatsbürgerschaft (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D) künstlich dümmer stellen, als er tatsächlich ist? Wenn wir sowie bei Abgeordneten der SPD) beim Kampf gegen den Rechtsextremismus eine Unkul- tur des Wegsehens beklagen und Zivilcourage einfordern, Das Vereinsgesetz wurde bereits mehrfach – auch vom dann darf auch der Staat nicht wegschauen und sich düm- Innenminister – angesprochen. Deshalb möchte ich mich mer stellen, als er ist. Wir müssen auch Staatscourage zei- an dieser Stelle kurz fassen und nur eines dazu sagen: Ich gen und nicht nur Zivilcourage verlangen. glaube, wir sind uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg darin einig – wichtig ist auch die Tonlage –: Die Änderung (Beifall bei der CDU/CSU) des Vereinsgesetzes durch die Streichung des Religions- In einem freiheitlichen Rechtsstaat müssen wir immer privileges, die wohl alle wollen, ist keine Maßnahme, die die Balance zwischen viel Freiheit auf der einen Seite und sich gegen den Islam richtet. Extremismus kann sich be- einem Höchstmaß an Sicherheit für alle Menschen auf der dauerlicherweise in allen Religionen finden. Ich will nur anderen Seite halten. Der Bonner Staatsrechtler Professor ein Beispiel in Erinnerung rufen, das einige vielleicht Isensee hat einmal gesagt: schon vergessen haben: Viele haben noch den schreckli- chen Vorfall im Kopf, als eine japanische Sekte einen Gift- Der Rechtsstaat gibt sich nicht nur preis, wenn er die gasangriff auf die U-Bahn in Tokio unternommen hat. Wir Freiheit seiner Bürger unterdrückt, sondern auch, sind nicht davor gefeit, dass es Erscheinungen dieser Art wenn er ihnen die Sicherheit vorenthält. Der Rechts- in den verschiedensten Religionen geben kann. Deshalb ist staat hat nicht nur ein einziges Feindbild, die Despo- es richtig, diese Maßnahme zu treffen. Sie richtet sich nicht tie, sondern deren zwei, die Despotie und die gegen eine Religion, sondern gegen den Missbrauch der Schwäche. Religion durch Extremisten. Deshalb ist sie richtig. Deswegen gilt für uns: Wir müssen Stärke zeigen und un- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sere Pflicht tun. sowie bei Abgeordneten der SPD) Danke. Wir müssen jetzt – auch darauf wurde bereits hinge- wiesen – Maßnahmen treffen, um die Flugsicherheit zu (Beifall bei der CDU/CSU) erhöhen, weil auch auf diesem Feld ein Anspruch unserer Bevölkerung besteht, sich sicher zu fühlen. Auch hier Vizepräsidentin Anke Fuchs: Als letztem Redner wird etwas geschehen. erteile ich dem Kollegen Cem Özdemir für Bündnis 90/ Stichwort Waffenrecht. Viele Maßnahmen sind be- Die Grünen das Wort. Ich bitte Sie, auch diesem Redner reits vor diesem schrecklichen Ereignis in die Wege ge- noch aufmerksam zuzuhören. leitet worden. Wir sind der Meinung: Wir brauchen in 18336 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Cem Özdemir (A) unserer Gesellschaft nicht mehr, sondern weniger Waffen. Notwendigkeit besteht – Stichwort „Oderbruch“ –, im (C) Das führt zu mehr Sicherheit für alle. Katastrophenfall eingesetzt werden. Es besteht also kein Änderungsbedarf. Ich rate, Vorschläge zukünftig genau (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf ihre Praktikabilität hin zu prüfen, bevor man sie sowie bei Abgeordneten der SPD) macht. Auch das Stichwort Geldströme ist bereits gefallen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Ich glaube, dass wir auf diesem Gebiet in Zukunft – das bezieht sich nicht nur auf den religiösen Extremismus, ich SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) denke auch an die UCK und andere Fälle – sehr genau hin- Ich bin sehr froh darüber, dass der Bundeskanzler, aber schauen müssen, wo unter dem Deckmantel der Humani- auch der Verteidigungsminister deutlich gemacht haben, tät Gelder für extremistische, terroristische und men- dass hier kein Änderungsbedarf besteht, dass vielmehr die schenrechtsverachtende Zwecke akquiriert werden. So geltende Rechtslage ausreichend ist, um die notwendigen etwas kann mit Sicherheit nicht hingenommen werden. Maßnahmen durchzuführen. Wir müssen sehen, wie wir ein solches Vorgehen durch rechtsstaatliche Maßnahmen unterbinden können. Froh bin ich auch darüber, dass klargemacht worden ist, dass wir von dem Vorhaben, ein Einwanderungs- Ich möchte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, gesetz zu verabschieden und damit anzuerkennen, dass um auch namens meiner Fraktion unseren Polizeien zu die Bundesrepublik Deutschland ein Einwanderungsland danken. Sie müssen in diesen Tagen Überschichten fahren geworden ist, nicht abrücken werden. Jetzt ist es erst recht und haben einen sehr schweren Job zu erfüllen, um Si- notwendig, dass wir mehr für die Integration von Flücht- cherheit zu gewähren. lingen tun und dass wir die Bedürfnisse unserer Wirt- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- schaft nach Zuwanderung befriedigen. Wir müssen noch SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) in dieser Legislaturperiode gemeinsam das Einwande- rungsgesetz verabschieden. Ich glaube, ich kann an dieser Stelle fraktionsübergreifend den Dank an unsere Polizei dafür aussprechen, dass sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in diesen Tagen ihre Arbeit in bewährter Weise so macht, sowie bei Abgeordneten der SPD) wie wir das von ihr kennen. Ich glaube, die aktuellen Er- Der feige Anschlag in den USA – das ist von verschie- eignisse haben auch gezeigt, dass die Zusammenarbeit denen Rednern so gesagt worden – war ein Anschlag auf zwischen dem FBI und den bundesrepublikanischen die offene Gesellschaft. Wenn das stimmt, dann war dies Diensten sehr gut funktioniert und sich bewährt hat. auch ein Anschlag auf unsere Art zu leben. Menschen un- Ich möchte noch eines deutlich machen. In der „Welt terschiedlicher religiöser Herkunft und unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes, die vor Hunger, politischer Un- (B) am Sonntag“ vom 16. September 2001 hat Elie Wiesel ge- (D) schrieben: Terrorismus ist die Herrschaft der Angst. – terdrückung und religiöser Verfolgung geflohen sind, ha- Wenn dies zutrifft, dann sind wir alle aufgefordert, dafür ben gemeinsam – das ist die Gründungsgeschichte – die zu sorgen, dass dies nicht gilt, Vereinigten Staaten von Amerika aufgebaut. Der Anschlag hat nicht nur ihre, sondern auch, wie gesagt, unsere Art zu (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- leben getroffen, die darin besteht, dass Menschen unter- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) schiedlicher Herkunft und unterschiedlicher religiöser dass der Terrorismus sein Ziel, uns in Angst und Schrecken Zugehörigkeit friedlich zusammenleben. Unsere Antwort zu versetzen, nicht erreichen wird. Unter diesem Aspekt auf den Anschlag darf nicht dazu führen, dass die Gesell- bitte ich, alle Vorschläge, die in der jetzigen Debatte ge- schaft entlang religiöser Linien gespalten wird. Wer das macht werden, zu überprüfen. Ich glaube, dass sich jeder, will, dem muss man mit einem klaren Nein entgegentreten. der Vorschläge macht, gefallen lassen muss, dass seine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorschläge daraufhin überprüft werden, inwiefern sie ge- und bei der SPD) eignet sind, einen solchen feigen Anschlag, wie wir ihn er- lebt haben, in Zukunft zu verhindern. Wir wollen weiterhin in einer interkulturellen und interreligiösen Gesellschaft leben. Wir alle sind aufgefor- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dert, eine solche Gesellschaft zu verteidigen. Ich bin des- sowie bei Abgeordneten der SPD) halb sehr froh darüber, dass der amerikanische Präsident Wenn man die einzelnen Vorschläge prüft, dann wird Bush eine Moschee besucht hat. Ich kann alle Mitglieder man zu dem Ergebnis kommen – ich hoffe, dass wir uns dieses Hohen Hauses nur auffordern, in ihren Wahlkrei- darüber einig sind –, dass der Datenschutz eben kein Tä- sen – sofern das nicht schon geschehen ist; ich weiß, dass terschutz, sondern eine Errungenschaft ist, für den sowohl viele Kollegen das schon getan haben – das Beispiel von die alte als auch die jetzige Regierung eingetreten sind, Präsident Bush aufzugreifen und Gespräche mit Musli- und dass im Bereich des Datenschutzes Änderungsbedarf men zu organisieren. Wir brauchen in unserer Gesell- besteht, eben weil er nach unserer Meinung zu den Er- schaft auch den Dialog mit dem Islam. Wir müssen den rungenschaften unserer Gesellschaft gehört. Wir werden Islam aus den Hinterhöfen herausholen und in das Licht ihn mit Sicherheit nicht abschaffen. der Öffentlichkeit führen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- sowie bei Abgeordneten der SPD) SES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden das Grundgesetz mit Sicherheit nicht Es ist klar, dass Integration keine Einbahnstraße sein ändern. Die Bundeswehr kann bereits heute, wenn die kann. Wir müssen auch von muslimischen Organisationen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18337

Cem Özdemir (A) in der Bundesrepublik Deutschland erwarten können, Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine (C) dass sie die Spielregeln unserer Gesellschaft beachten. Stimme nicht abgegeben hat? – Ich stelle fest, dass alle Nur, das tun 99 Prozent der Muslime genauso wie Chris- ihre Stimmen abgegeben haben. Ich schließe die Abstim- ten, Juden, Andersgläubige und Atheisten. mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Zum Schluss: Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Ab- was wir tun können, um die Integration zu verstärken. Die stimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Stichwörter sind „Religionsunterricht“ und „Fakultäten“, Wir setzen die Abstimmung fort und kommen zum Ent- an denen Lehrstühle für den Islam geschaffen werden schließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache müssen, damit der moderne, zeitgenössische Islam eine 14/6919. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Heimat in der Bundesrepublik Deutschland bekommt. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist Herzlichen Dank. gegen die Stimmen der PDS abgelehnt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen sowie bei Abgeordneten der SPD) Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 13.09 bis 13.14 Uhr) Vizepräsidentin Anke Fuchs: Ich schließe die Aus- sprache. Mir liegen Erklärungen nach § 31 der Geschäfts- Vizepräsidentin Anke Fuchs: Die unterbrochene ordnung vor, und zwar von Herrn Dr. von Stetten, von Sitzung ist wieder eröffnet. Frau Nickels und anderen sowie von Herrn Gehrcke, Herrn Dr. Seifert, Herrn Dr. Jens und Frau Dr. Antje Wir danken den Schriftführerinnen und Schriftführern, Vollmer. dass sie so schnell gearbeitet haben. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungs- Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- anträge, und zwar zunächst über den Entschließungsantrag führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim- der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnis- mung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der ses 90/Die Grünen und der FDP auf Drucksache 14/6920. SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstim- der FDP zu der Regierungserklärung zu den Terroran- mung. Bei der Stimmabgabe bitte ich alle Kolleginnen und schlägen in den USA und zu den Beschlüssen des Sicher- Kollegen, darauf zu achten, dass die Stimmkarte, die Sie heitsrates der Vereinten Nationen sowie der NATO auf haben, auch Ihren Namen trägt. Ich bitte die Schriftführe- Drucksache 14/6920 bekannt. Abgegebene Stimmen 611. rinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzu- Mit Ja haben gestimmt 565, mit Nein haben gestimmt 40, (B) nehmen. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich Enthaltungen 6. Der Entschließungsantrag ist damit ange- (D) eröffne die Abstimmung. nommen.

Endgültiges Ergebnis Klaus Hasenfratz Iris Follak Abgegebene Stimmen: (Heidelberg) Norbert Formanski Reinhold Hemker 611; Klaus Brandner Rainer Fornahl Frank Hempel davon Hans Forster Rolf Hempelmann ja: 565 Rainer Brinkmann (Detmold) Dr. Barbara Hendricks nein: 40 Hans-Günter Bruckmann Lilo Friedrich (Mettmann) Harald Friese Monika Heubaum enthalten: 6 Ursula Burchardt Anke Fuchs (Köln) Reinhold Hiller (Lübeck) Dr. Michael Bürsch Arne Fuhrmann Stephan Hilsberg Ja Hans Martin Bury Monika Ganseforth Gerd Höfer Hans Büttner (Ingolstadt) Konrad Gilges Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD Marion Caspers-Merk Iris Gleicke Walter Hoffmann Wolf-Michael Catenhusen Günter Gloser (Darmstadt) Dr. Uwe Göllner (Wismar) Dr. Herta Däubler-Gmelin Renate Gradistanac Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Arndt-Brauer Christel Deichmann Günter Graf (Friesoythe) Ingrid Holzhüter Angelika Graf (Rosenheim) Eike Hovermann Hermann Bachmaier Peter Dreßen Dieter Grasedieck Christel Humme Detlef Dzembritzki Lothar Ibrügger Dieter Dzewas Barbara Imhof Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Peter Eckardt Achim Großmann Brunhilde Irber Eckhardt Barthel (Berlin) Wolfgang Grotthaus Gabriele Iwersen (Starnberg) Ludwig Eich Karl-Hermann Haack Renate Jäger Ingrid Becker-Inglau Marga Elser (Extertal) Jann-Peter Janssen Wolfgang Behrendt Peter Enders Hans-Joachim Hacker Ilse Janz Dr. Gernot Erler Klaus Hagemann Johannes Kahrs Hans-Werner Bertl Petra Ernstberger Manfred Hampel Ulrich Kasparick Friedhelm Julius Beucher Annette Faße Alfred Hartenbach Sabine Kaspereit Lothar Fischer (Homburg) Anke Hartnagel Susanne Kastner 18338 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Vizepräsidentin Anke Fuchs (A) Joachim Poß Jella Teuchner (C) Hans-Peter Kemper Dr. Carola Reimann Dr. Gerald Thalheim Klaus Kirschner Margot von Renesse Wolfgang Thierse Marianne Klappert Renate Rennebach Franz Thönnes Klaus Bühler (Bruchsal) Siegrun Klemmer Bernd Reuter Uta Titze-Stecher Hartmut Büttner Hans-Ulrich Klose Dr. Edelbert Richter Adelheid Tröscher (Schönebeck) Christel Riemann- Hans-Eberhard Urbaniak Fritz Rudolf Körper Hanewinckel Rüdiger Veit (Emstek) Karin Kortmann Reinhold Robbe Simone Violka Peter H. Carstensen René Röspel (Pforzheim) (Nordstrand) Nicolette Kressl Dr. Hans Georg Wagner Volker Kröning Michael Roth (Heringen) Hedi Wegener Angelika Krüger-Leißner Birgit Roth (Speyer) Dr. Konstanze Wegner Horst Kubatschka Gerhard Rübenkönig Wolfgang Weiermann Albert Deß Ernst Küchler Marlene Rupprecht Reinhard Weis (Stendal) Helga Kühn-Mengel Thomas Sauer Gunter Weißgerber Thomas Dörflinger Ute Kumpf Dr. Hansjörg Schäfer Gert Weisskirchen Marie-Luise Dött Konrad Kunick Gudrun Schaich-Walch (Wiesloch) Maria Eichhorn Werner Labsch Rudolf Scharping Dr. Ernst Ulrich von Bernd Scheelen Weizsäcker (Lübeck) Brigitte Lange Dr. Jochen Welt Christian Lange (Backnang) Siegfried Scheffler Dr. Dr. Hans Georg Faust Detlev von Larcher Horst Schild Hildegard Wester Albrecht Feibel Christine Lehder Otto Schily Lydia Westrich Robert Leidinger Dieter Schloten Dr. Ingrid Fischbach Klaus Lennartz Horst Schmidbauer Dr. Norbert Wieczorek Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Elke Leonhard (Nürnberg) Jürgen Wieczorek (Böhlen) Dr. Hans-Peter Friedrich Götz-Peter Lohmann (Aachen) Helmut Wieczorek (Hof) (Neubrandenburg) Silvia Schmidt (Eisleben) (Duisburg) Erich G. Fritz Christa Lörcher (Meschede) Heidemarie Wieczorek-Zeul Jochen-Konrad Fromme Erika Lotz Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Dieter Wiefelspütz Hans-Joachim Fuchtel Dr. Dr. Frank Schmidt Heino Wiese (Hannover) Dr. Jürgen Gehb Dieter Maaß (Herne) (Weilburg) Klaus Wiesehügel Dr. Heiner Geißler Winfried Mante Regina Schmidt-Zadel Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Georg Girisch Dirk Manzewski Engelbert Wistuba Michael Glos Tobias Marhold Dr. Emil Schnell Barbara Wittig (B) Dr. Reinhard Göhner (D) Lothar Mark Walter Schöler Verena Wohlleben Dr. Wolfgang Götzer Ulrike Mascher Karsten Schönfeld Hanna Wolf (München) Heidemarie Wright Kurt-Dieter Grill Fritz Schösser Hermann Gröhe Heide Mattischeck Peter Zumkley Gerhard Schröder Horst Günther (Duisburg) Ulrike Mehl Gisela Schröter CDU/CSU Ulrike Merten Dr. Mathias Schubert (Großhennersdorf ) Richard Schuhmann Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (Delitzsch) Hansgeorg Hauser Ursula Mogg Brigitte Schulte (Hameln) (Rednitzhembach) Christoph Moosbauer Reinhard Schultz Siegmar Mosdorf (Everswinkel) Ursula Heinen Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Manfred Heise Jutta Müller (Völklingen) Dietmar Schütz (Oldenburg) Günter Baumann Siegfried Helias Christian Müller (Zittau) Dr. Angelica Schwall-Düren Hans Jochen Henke Franz Müntefering Ernst Hinsken Bodo Seidenthal Dr. Sabine Bergmann-Pohl Volker Neumann (Bramsche) Erika Simm Klaus Holetschek Gerhard Neumann (Gotha) Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Hans-Dirk Bierling Josef Hollerith Dr. Edith Niehuis Dr. Cornelie Sonntag- Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Rolf Niese Wolgast Joachim Hörster Wieland Sorge Dr. Hubert Hüppe Günter Oesinghaus Wolfgang Spanier Susanne Jaffke Eckhard Ohl Dr. Margrit Spielmann Dr. Norbert Blüm Georg Janovsky Leyla Onur Jörg-Otto Spiller Dr.-Ing. Rainer Jork Manfred Opel Dr. Ditmar Staffelt Dr. Maria Böhmer Dr. Harald Kahl Holger Ortel Antje-Marie Steen Sylvia Bonitz Bartholomäus Kalb Adolf Ostertag Ludwig Stiegler Steffen Kampeter Kurt Palis Rolf Stöckel Wolfgang Börnsen Dr.-Ing. Dietmar Kansy Albrecht Papenroth Rita Streb-Hesse (Bönstrup) Irmgard Karwatzki Dr. Reinhold Strobl (Amberg) Wolfgang Bosbach Georg Pfannenstein Dr. Peter Struck Dr. Wolfgang Bötsch Ulrich Klinkert Johannes Pflug Joachim Tappe Klaus Brähmig Norbert Königshofen Dr. Eckhart Pick Jörg Tauss Dr. Eva-Maria Kors Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18339

Vizepräsidentin Anke Fuchs (A) Hartmut Koschyk Anita Schäfer Dr. Thea Dückert Carl-Ludwig Thiele (C) Thomas Kossendey Hartmut Schauerte Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Dieter Thomae Rudolf Kraus Heinz Schemken Dr. Uschi Eid Jürgen Türk Dr. Martina Krogmann Karl-Heinz Scherhag Hans-Josef Fell Dr. Guido Westerwelle Dr. Hermann Kues Dr. Gerhard Scheu (Berlin) Norbert Schindler Katrin Göring-Eckardt Nein Rita Grießhaber Dr. Karl A. Lamers Christian Schmidt (Fürth) Gerald Häfner SPD (Heidelberg) Dr.-Ing. Joachim Schmidt Antje Hermenau Dr. (Halsbrücke) Kristin Heyne Dr. Uwe Jens Andreas Schmidt (Mülheim) Ulrike Höfken Dr. Paul Laufs Michael von Schmude Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ Karl-Josef Laumann Birgit Schnieber-Jastram Dr. Angelika Köster-Loßack DIE GRÜNEN Dr. Steffi Lemke Annelie Buntenbach Peter Letzgus Dr. Dr. Helmut Lippelt Ursula Lietz Reinhard Freiherr von Dr. Reinhard Loske Monika Knoche Walter Link (Diepholz) Schorlemer Oswald Metzger Hans-Christian Ströbele Gerhard Schulz Kerstin Müller (Köln) Dr. Klaus W. Lippold Diethard Schütze (Berlin) PDS (Offenbach) Clemens Schwalbe Christa Nickels Monika Balt Dr. Manfred Lischewski Dr. Christian Schwarz- Cem Özdemir Dr. Wolfgang Lohmann Schilling Simone Probst Petra Bläss (Lüdenscheid) Wilhelm Josef Sebastian Christine Scheel Maritta Böttcher Julius Louven Rezzo Schlauch Eva Bulling-Schröter Dr. Michael Luther Heinz Seiffert Albert Schmidt (Hitzhofen) Roland Claus Erich Maaß (Wilhelmshaven) Dr. h. c. Rudolf Seiters (Leipzig) Heidemarie Ehlert Bernd Siebert Christian Sterzing Dr. (Recklinghausen) Werner Siemann Jürgen Trittin Dr. Dr. Martin Mayer Dr. Ludger Volmer (Siegertsbrunn) Wolfgang Gehrcke Bärbel Sothmann Sylvia Voß Dr. Klaus Grehn Wolfgang Meckelburg Carl-Dieter Spranger Helmut Wilhelm (Amberg) Dr. Dr. Gregor Gysi Margareta Wolf (Frankfurt) Uwe Hiksch Dr. Angela Merkel Andreas Storm Friedrich Merz Dr. Barbara Höll Dorothea Störr-Ritter FDP Carsten Hübner Meinolf Michels Matthäus Strebl Hildebrecht Braun Sabine Jünger (B) Dr. Gerd Müller (Heilbronn) (D) (Augsburg) Gerhard Jüttemann Elmar Müller (Kirchheim) Michael Stübgen Rainer Brüderle Dr. Evelyn Kenzler (Bremen) Dr. Rita Süssmuth Dr. Heidi Knake-Werner Günter Nooke Dr. Susanne Tiemann Jörg van Essen Rolf Kutzmutz Franz Obermeier Edeltraut Töpfer Ulrike Flach Heidi Lippmann Friedhelm Ost Dr. Hans-Peter Uhl Paul K. Friedhoff Ursula Lötzer (Bayreuth) Dr. Norbert Otto (Erfurt) Heidemarie Lüth Dr. Peter Paziorek Dr. Wolfgang Gerhardt Pia Maier Andrea Voßhoff Hans-Michael Goldmann Angela Marquardt Dr. Friedbert Pflüger Dr. Theodor Waigel Joachim Günther (Plauen) Kersten Naumann Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Rosel Neuhäuser Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ulrich Heinrich Christine Ostrowski Marlies Pretzlaff Annette Widmann-Mauz Walter Hirche Petra Pau Dr. Bernd Protzner Heinz Wiese (Ehingen) Dr. Dr. Uwe-Jens Rössel Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Ulrich Irmer Christina Schenk Hans Raidel Klaus-Peter Willsch Dr. Gustav-Adolf Schur Dr. Bernd Wilz Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Winfried Wolf Helmut Rauber Willy Wimmer (Neuss) Gudrun Kopp Peter Rauen Jürgen Koppelin Enthalten Christa Reichard (Dresden) Werner Wittlich Ina Lenke Dagmar Wöhrl Sabine Leutheusser- SPD Erika Reinhardt Wolfgang Zeitlmann Schnarrenberger Hans-Peter Repnik Benno Zierer Gudrun Roos Wolfgang Zöller Franz Romer Günther Friedrich Nolting BÜNDNIS 90/ Hans-Joachim Otto Hannelore Rönsch BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (Frankfurt) (Wiesbaden) DIE GRÜNEN Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Detlef Parr Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Klaus Rose (Bremen) Christian Simmert Kurt J. Rossmanith (Köln) Dr. Günter Rexrodt Dr. Antje Vollmer Adolf Roth (Gießen) Gerhard Schüßler PDS Dr. Norbert Röttgen Dr. Dr. Christian Ruck Grietje Bettin Marita Sehn Manfred Müller (Berlin) Volker Rühe Ekin Deligöz Dr. Dr. Ilja Seifert 18340 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

Vizepräsidentin Anke Fuchs (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) der FDP) Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord- nung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- tages auf Dienstag, den 25. September 2001, 18 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 13.15 Uhr) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18341

(A) Anlagen zum Stenographischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 19.09.2001 Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 19.09.2001 Gila DIE GRÜNEN Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 19.09.2001 Brandt-Elsweier, Anni SPD 19.09.2001 Späte, Margarete CDU/CSU 19.09.2001 Brinkmann (Hildes- SPD 19.09.2001 heim), Bernhard Steiger, Wolfgang CDU/CSU 19.09.2001 Caesar, Cajus CDU/CSU 19.09.2001 Stünker, Joachim SPD 19.09.2001 Dr. Doss, Hansjürgen CDU/CSU 19.09.2001 Weisheit, Matthias SPD 19.09.2001 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 19.09.2001 Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 19.09.2001 Joseph DIE GRÜNEN Wolf, Aribert CDU/CSU 19.09.2001 Frankenhauser, CDU/CSU 19.09.2001 Wolff (Wolmirstedt), SPD 19.09.2001 Herbert Waltraud Dr. Friedrich CDU/CSU 19.09.2001 Dr. Zöpel, Christoph SPD 19.09.2001 (Erlangen), Gerhard Friedrich (Altenburg), SPD 19.09.2001 Peter Anlage 2 Götz, Peter CDU/CSU 19.09.2001 Erklärung nach § 31 GO (B) Haupt, Klaus FDP 19.09.2001 des Abgeordneten Dr. Uwe Jens (SPD) zur nament- (D) lichen Abstimmung über den Entschließungsantrag Hauser (Bonn), CDU/CSU 19.09.2001 zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu Norbert den Terroranschlägen in den USA und den Be- schlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Natio- Hohmann, Martin CDU/CSU 19.09.2001 nen sowie der NATO (Drucksache 14/6920) Hornung, Siegfried CDU/CSU 19.09.2001 Warum ich mit „Nein“ gestimmt habe. Jung (Düsseldorf), SPD 19.09.2001 Auf einem Transparent vor der amerikanischen Bot- Volker schaft der USA in Berlin steht die Aufforderung: „De- mocratic civilized revenge“. Dass auf die menschenver- Dr. Küster, Uwe SPD 19.09.2001 achtenden Anschläge der Terroristen in New York und Lehn, Waltraud SPD 19.09.2001 Washington eine unmissverständliche gezielte Antwort gegeben werden muss, steht für mich außer Frage. Lensing, Werner CDU/CSU 19.09.2001 Auch ich unterstreiche die Erklärung der NATO sowie Lewering, Eckhart SPD 19.09.2001 die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. September 2001. Es ist gut, dass die Bundesrepu- Nolte, Claudia CDU/CSU 19.09.2001 blik Deutschland bei ihrer besonderen Vergangenheit in diese Vertragswerke eingebunden ist. Nur so hat sie die Rehbock-Zureich, SPD 19.09.2001 Möglichkeit der Einflussnahme, die genutzt werden muss. Karin Leider ist die Sprache, die von führenden Politikern in Dr. Riesenhuber, CDU/CSU 19.09.2001 diesen hektischen Tagen benutzt wird, verwirrend oder Heinz verräterisch. Die Sichtweise des stellvertretenden Vertei- digungsministers der USA auf „ending states“ macht be- Dr. Schmidt-Jortzig, FDP 19.09.2001 sorgt. Das Wort „Krieg“ im Zusammenhang mit den ter- Edzard roristischen Verbrechen liefert „Wasser auf die Mühlen“ Schmitt (Berg), Heinz SPD 19.09.2001 der Terroristen. Diese Terroristen sind Verbrecher, müssen zur Verantwortung gezogen und dürfen nicht zu Kriegs- Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 19.09.2001 gegnern hochstilisiert werden. Es besteht die Gefahr einer Hans Peter „selffulfilling prophecy“. 18342 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001

(A) In der vorliegenden Entschließung (Punkt 7) wird nun Anlage 4 (C) auf die „uneingeschränkte Solidarität“ verwiesen und die „Bereitstellung militärischer Fähigkeiten“ in Aussicht ge- Erklärung nach § 31 GO stellt. Diese Begriffe beinhalten zum Beispiel die Mög- der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer (BÜND- lichkeit der Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten zum NIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Ab- direkten Einsatz in Afghanistan oder dem Irak und ande- stimmung über den Entschließungsantrag zu der res mehr. Hiermit würde für mich der „Rubikon“ zur Ter- Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den rorismusbekämpfung überschritten werden. Die Gefahr, Terroranschlägen in den USA und den Beschlüs- dass wir – wie 1914 – in einen Weltkrieg „hineinschlid- sen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen dern“, ist im Bereich des Möglichen. Davor will ich war- sowie der NATO (Drucksache 14/6920) nen. Auch wenn ein möglicher Militäreinsatz der Bun- deswehr im Parlament noch einmal zusätzlich zur Ich habe mich in der Abstimmung der Stimme enthal- Abstimmung gestellt werden muss, könnten diese ten, da ich die in Absatz 7 des Entschließungsantrages im- Begriffe später als Hinweise auf diese Option ausgelegt plizierte Öffnung zu einer militärischen Bekämpfung des werden. internationalen Terrorismus in der Sache für nicht erfolg- Für mich ist diese Problematik – wie auch der versprechend halten kann. Bei meiner jahrzehntelangen Mazedonieneinsatz der Bundeswehr – eine Gewissens- Beschäftigung mit den Ursachen des Terrorismus, seinen frage. Bekanntlich soll man den Anfängen wehren und bei Täterbiografien, seiner potenziellen Eskalationsgefahr wichtigen Entscheidungen stets das Ende bedenken. Ich und den vorliegenden internationalen Erfahrungen bin sicher, dass eine denkbare weitere Abstimmung im mit militärischer Terrorismusbekämpfung habe ich die Parlament zu konkreten Bundeswehreinsätzen dann für Erkenntnis gewonnen, dass der Terrorismus militärisch andere ebenfalls auch zur Gewissensfrage wird. Aufgrund nicht besiegbar ist. Umso mehr unterstütze ich die sonsti- meiner Erfahrung und Erkenntnis liegt diese Reiz- gen in dem Antrag genannten positiven Ansätze und Stra- schwelle niedriger. tegien, insbesondere alle Bemühungen der Bundesre- gierung und insbesondere des Bundesaußenministers, Wichtig zur Bekämpfung des Terrorismus in der Welt den Zentralkonflikt der islamischen Welt im Nahen Osten sind aus meiner Sicht ebenfalls enge Kooperation zwi- politisch zu befriedigen. schen USA, Russland, China und allen friedliebenden Staaten; die Einhaltung internationaler Verträge und Ab- sprachen; das stärkere Engagement der großen In- Anlage 5 dustrienationen zur Verhinderung von grauenhaften krie- gerischen Konflikten sowie wirklich politische und Erklärung nach § 31 GO (B) wirtschaftliche Hilfe für die ärmsten und sich entwi- (D) ckelnden Länder in der Welt. der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk und Christian Simmert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag zu der Regie- Anlage 3 rungserklärung des Bundeskanzlers zu den Ter- roranschlägen in den USA und den Beschlüssen Erklärung nach § 31 GO des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen so- des Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von wie der NATO (Drucksache 14/6920) Stetten (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung Wir haben in der Fraktionssitzung vom 12. September über den Entschließungsantrag zu der Regierungs- 2001 dem Beschluss des Parteirates von Bündnis 90/Die erklärung des Bundeskanzlers zu den Terroran- Grünen zugestimmt und teilen seine Intention: solidarisch schlägen in den USA und den Beschlüssen des Si- im NATO-Bündnis auf eine besonnene und effiziente cherheitsrates der Vereinten Nationen sowie der Strategie in der Bekämpfung des Terrorismus hinzuwir- NATO (Drucksache 14/6920) ken. „Angesichts der terroristischen Angriffe auf US-Bür- Bei allem Erschrecken über den Terroranschlag muss gerinnen und Bürger können wir der Inanspruchnahme man nüchtern feststellen: Wir befinden uns nicht im des Bündnisfalles nicht widersprechen.“ Mit dieser Zu- Krieg. Amerika gehört unsere volle Solidarität und auch stimmung zum Bündnisfall haben wir den Weg eröffnet, die Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus, un- über verschiedene Konsultationsprozesse auf die USA abhängig von der Frage des Bündnisfalles. Es kann aber einzuwirken und ein besonnenes und angemessenes Ver- keinen Automatismus für von den USA getroffene mili- halten zu erreichen. Diesen Weg haben wir beschritten tärische Einsätze für die Bundeswehr geben. Der Bundes- und wir halten ihn für richtig. tag hat jeweils die Maßnahmen, die die Bundeswehr zu er- Der heute zu beschließende interfraktionelle Antrag greifen hat, zu bestimmen. Es wäre für uns Abgeordnete zur Erklärung der Bundesregierung betreffend „Terroran- sicherlich leichter, eine generelle Zustimmung zu erteilen, schläge in den USA und Beschlüsse des Sicherheitsrats doch so einfach können und dürfen wir es uns nicht der Vereinten Nationen sowie der NATO“ eröffnet aus un- machen. serer Sicht hingegen den Weg zu einem Vorratsbeschluss Ich stimme der gemeinsamen Resolution zu, um damit zur Zustimmung für „uneingeschränkte Solidarität“, aus zu demonstrieren, dass Bündnis keine einseitige Angele- der die Zustimmung für militärische Unterstützung resul- genheit ist und Solidarität keine Einbahnstraße. tieren kann, und aus der wiederum eine Zustimmung zu Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 187. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. September 2001 18343

(A) möglichen Einsätzen der Bundeswehr abgeleitet werden Ich habe wie die große Mehrheit meiner Fraktion dem (C) kann. Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Augenblicklich fehlen die Informationen über kon- Bündnis 90/Die Grünen und FDP nicht zugestimmt – weil krete Handlungsanforderungen. Die Grundlage, auf der unsere Sorgen, dass die NATO in ihrer Erklärung vom über die „uneingeschränkte Solidarität“ entschieden wer- 12. September 2001 die Priorität beim Militär angesiedelt den soll, ist also nicht geklärt. hat, nicht ausgeräumt wurden – im Gegenteil –; weil wir befürchten, dass aus der Bereitstellung geeigneter militäri- Auf der anderen Seite muss der Deutsche Bundestag scher Fähigkeiten der Einsatz dieser Fähigkeiten werden den USA weiterhin Unterstützung und Solidarität entge- wird; weil in der Entschließung nicht ein Wort zur Be- genbringen. Darüber hinaus muss die Bundesrepublik kämpfung der sozialen Ursachen des Terrorismus – Hun- Deutschland weiterhin zur friedlichen Lösung des Nah- ger, Armut, Unterdrückung, eine sozial ungerechte und ostkonfliktes beitragen. Auch dies macht der Antrag deut- nicht demokratische Weltwirtschaftsordnung – gesagt lich. wird, was bedauerlich und unverständlich ist. In Abwägung dieser Punkte werden wir uns in der Ab- Andere Punkte des Entschließungsantrages – genauer stimmung über den Antrag enthalten. gesagt: sieben von zehn Punkten – finden meine Zustim- mung ebenso wie die meiner Fraktion. Deshalb haben sich einige Abgeordnete der PDS der Stimme enthalten. Ihre Anlage 6 Abwägung ist anders ausgefallen, auch wenn sie unsere Erklärung nach § 31 GO Kritik, die ich dargelegt habe, vollständig und ohne Ein- schränkung teilen. derAbgeordneten Christa Nickels, Ulrike Höfken, Grietje Bettin, Sylvia Voß und Steffi Lemke (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Anlage 8 Abstimmung über den Entschließungsantrag zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu Erklärung nach § 31 GO den Terroranschlägen in den USA und den Be- schlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Na- des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (PDS) zur na- tionen sowie der NATO (Drucksache 14/6920) mentlichenAbstimmung überden Entschließungs- antrag zu der Regierungserklärung des Bundes- Der Terrorakt, der das amerikanische Volk tief getrof- kanzlers zu den Terroranschlägen in den USA und fen hat, ist auf das Schärfste zu verurteilen. Den Hin- den Beschlüssen des Sicherheitsrates derVereinten (B) terbliebenen, Verletzten und Geschädigten gilt unsere Nationen sowie der NATO (Drucksache 14/6920) (D) ganze Solidarität und Anteilnahme. Ich habe mich der Stimme enthalten. Ich möchte das Wir stimmen dem interfraktionellen Entschließungsan- hier kurz begründen: Die Punkte 1 bis 5 sowie 8 und 9 des trag des Deutschen Bundestages in der Gewissheit zu, dass von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP die von der Bundesregierung bekundete uneingeschränkte vorgelegten Antrags finden meine Zustimmung. Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika kei- nen Raum für eine Geisteshaltung von Rache und Vergel- Punkt 6 will feststellen, dass unter Umständen „der ter- tung eröffnet und dass die Erkenntnis, dass Terrorismus roristische Angriff vom 11. September 2001 gegen die mit militärischen Mitteln nicht zu besiegen ist, Eingang in Vereinigten Staaten als Handlung im Sinne des Artikels 5 die Strategie zu dessen Bekämpfung findet. des Washingtoner Vertrages zu gelten“ habe. Diese Mei- nung teile ich nicht, zumal ja das Bundesverfassungs- gericht noch nicht entschieden hat, ob die Zustimmung Anlage 7 der Bundesregierung zur 1999 erfolgten Änderung des NATO-Vertrages rechtskräftig war. Erklärung nach § 31 GO Im Punkt 7 wird unter anderem „die Bereitstellung ge- des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (PDS) zur eigneter militärischer Fähigkeiten“ zur Unterstützung der namentlichen Abstimmung über den Entschlie- Bekämpfung des internationalen Terrorismus unterstützt. ßungsantrag zu der Regierungserklärung des Das lehne ich aber ab. Bundeskanzlers zu den Terroranschlägen in den USA und den Beschlüssen des Sicherheitsrates Um weder die positiven Aspekte zu negieren noch die der Vereinten Nationen sowie der NATO (Druck- aus meiner Sicht abzulehnenden Punkte zu ignorieren, sache 14/6920) enthalte ich mich bewusst der Stimme.

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