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Expertisen für Demokratie

Politische Bildung nach Christian Demuth

I. Einleitung I. Einleitung II. Wer und was ist Pegida? Pegida scheint auf den ersten Blick eine sehr ost- 1. Wen meint man, wenn man von Pegida deutsche, sächsische oder gar Dresdner Angelegen- spricht? heit zu sein. Auf den zweiten Blick wird jedoch deut- 2. Ein sächsisches, ostdeutsches oder lich, dass es sich um ein Phänomen handelt, wie bundesdeutsches Problem? es bei unseren europäischen Nachbarn (u. a. Däne- 3. Die Demonstranten mark, Ungarn, Österreich, Niederlande, Frankreich, 4. Pegida-Unterstützer und Sympathisanten Schweiz, Polen) und sogar weltweit (USA, Russland) 5. Positionen und Sprache von Pegida schon lange existiert: Überall dort gibt es rechts­ 6. Zusammenfassung: Wer ist Pegida? populistische Bewegungen wie Pegida, die in den III. Erklärungsversuche über Pegida jeweiligen Ausprägungen in ihren Ländern enorme 1. Lokale und regionale Ursachen Folgen für die politische Kultur, die politische Spra- 2. Sozioökonomische Ursachen che und die politischen Diskussion haben. In der 2.1 „Dienstleistungs-Proletariat“ Forschung und den Medien finden sich zwei An­ 2.2 Bedrohte (sächsische) Mittelschicht sätze zur Bewertung solcher rechtspopulistischer 2.3 Solide Mitte Phänomene: Die einen nennen Rechtspopulismus 3. Gesellschaftliche Ursachen eine antidemokratische, auf menschenfeindlichen 3.1 Ringen um Identität, Heimat, soziale und verschwörungstheoretischen Einstellungen be- Anerkennung und Status ruhende Bewegung oder Argumentationsstrategie, 3.2 Rechtsextremismus und gruppen- die (vermeintliche) Ängste in der Gesellschaft für die bezogene Menschenfeindlichkeit eigenen Interessen missbraucht, sei es in der Regie- 3.3 Misstrauen gegen das Establishment: rung oder aus der Opposition heraus. Andere be­ Politik, Parteien und Medien tonen im Gegensatz dazu, Rechtspopulismus bzw. 3.4 Wutbürgerliches Selbstbewusstsein sein Erfolg sei eine Antwort auf nicht angegangene 3.5 Zusammenfassung: Erklärungsversuche gesellschaftliche Probleme der Globalisierung und postdemokratischer Politik. Die derzeitige Flücht- IV. Folgen für das politische System und die lingssituation ist in beiden Sichtweisen nur ein Kata- politische Bildung lysator rechtspopulistischer Zuwächse bei Wahlen V. Thesen: Folgerungen für die politische Bildung und politischem Zuspruch, nicht deren Ursache. 1. Strategische Folgerungen für die politische Heute wird oft vergessen, dass Pegida vor der mas- Bildung siven Zunahme der Flüchtlingszahlen den größten 2. Zielgruppen und didaktische Implikationen Zuspruch verzeichnen konnte.

Impressum | Herausgegeben von Dr. Ralf Melzer, Friedrich-Ebert-Stiftung, FORUM BERLIN | Text: Dr. Christian Demuth | Lektorat: Ulrike Schnellbach | © Friedrich-Ebert-Stiftung 2016 | FES Hiroshimastraße 17 | 10785 Berlin | Gestaltung: Pellens Kommunikationsdesign GmbH | GEGEN Fotos: dpa Picture Alliance | ISBN 978-3-95861-395-9 | www.fes-gegen-rechtsextremismus.de | RECHTS Eine gewerbliche Nutzung der von der FES herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche EXTREMISMUS Forum Berlin Zustimmung durch die FES nicht gestattet. 2 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Für die politische Bildung ist es eine zentrale Aufga- gans, die bei und neben den Demonstrationen un- be, das Phänomen Pegida genauer zu betrachten, terwegs sind. Andere fassen Pegida weiter und be- auch wenn es (bislang) nur in , Sachsen und greifen das Phänomen als Teil einer europäischen Ostdeutschland größere Relevanz hat. Selbst wenn rechtspopulistischen Bewegung, was durch die Ein- Pegida in den nächsten Monaten verschwinden ladungen bzw. Lobpreisungen für europäische würde, so wären die Einstellungen, Ängste, Argumen­ Rechtspopulisten (u. a. Geert Wilders, Viktor Orbán) tationsmuster und Strategien deshalb nicht weg. Es bestätigt zu werden scheint. Wieder andere nennen ist offensichtlich, wie NPD, Nazi-Kameradschaften, Pegida in einem Atemzug mit allen fremdenfeind- die „Neue Rechte“ und auch die seit ihrer Spaltung lichen, asylkritischen oder rechtsextremen Protesten nach rechts gerückte „Alternative für Deutschland“ sowie anderen „-gidas“, die derzeit in Deutschland (AfD) Pegida als Schwungrad für ihre ideologischen zu beobachten sind und die in hohem Maße von be- und parteipolitischen Ziele nutzen. Gerade die AfD kannten Rechtsextremisten organisiert oder beein- versucht die Pegida-Bewegung zu kopieren, von ihr flusst werden. Die in Dresden gegründete Bewegung zu profitieren oder sie gar zu übernehmen. wird so zur Metapher oder zu einem Beispiel des rechtspopulistischen Phänomens und Potenzials in Deutschland. II. Wer und was ist Pegida? Wenn andere hingegen über Pegida sprechen, mei- 1. Wen meint man, wenn man von Pegida nen sie deren im Dezember 2014 und Januar 2015 spricht? veröffentlichten Positionspapiere, die nicht extrem rechts waren. Viele haben bei dem Begriff „Pegida“ Die Gründer des seit gut einem Jahr stattfindenden das heterogene Klientel besonders auf dem Höhe- montäglichen Aufmarsches haben ihrer Bewegung punkt der Demonstrationen im Januar 2015 im den Namen „Patriotische Europäer gegen die Isla­ Blick, für welche die Bewegung eine Projektions­ misierung des Abendlandes“ gegeben. Wer aber fläche für eigene Probleme, Ängste und Forderungen über Pegida spricht, meint oft sehr unterschiedliche darstellt, welche die Politik nicht prioritär angehe Dinge.­ und sprechen von „besorgten Bürgern“. Viele be- haupten, die Organisatoren Bachmann oder Fester- Manche meinen die rechtspopulistischen Organisa- ling eigentlich abzulehnen,1 jedoch sei Pegida „mo- toren wie oder Tatjana Festerling, mentan eben die einzige Möglichkeit, das Missfallen deren Reden und Auftritte spätestens seit der Spal- über die Politik öffentlich auszudrücken“.2 Rechts tung der Bewegung im Januar 2014/Februar 2015 eingestellte Menschen bzw. politisch heimatlose immer radikaler und aggressiver wurden. Manche Rechtskonservative sehen Pegida wiederum als Be- meinen explizit die montags mitmarschierenden wegung gegen einen „linken Mainstream“. Nazi-Kameradschaften und rechtsextremen Hooli- Diese Bewertungsvielfalt hatte Konsequenzen: Kriti- sierte man die Hetze von Pegida als „extrem rechts“ und meinte die Reden und Aussagen der extrem rechten Organisatoren, behauptete Lutz Bachmann, die Kritiker hätten jeden Demonstranten als Nazi bezeichnet – was berechtigterweise Ärger bei poten- ziellen Sympathisanten auslöste, welche die recht gemäßigten Positionspapiere gelesen hatten. Be- zeichnete man den rechten Mob in Heidenau, der Polizisten und Geflüchtete brutal angriff, als „Pack“, bezogen diesen Begriff Pegida-Demonstranten auf sich und riefen: „Wir sind das Pack!“

1. Patzelt 2015. 2. Antwort auf einen Kommentar des Verfassers bei Facebook. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 3

Verteidigte man wiederum die „besorgten Bürger“ eine Befragung­ ablehnten.3 Gleichzeitig war die oder gab den rechtspopulistischen Organisatoren Straßen­befragung der einzige und damit legitime sogar ein Podium für ihre Propaganda, wie dies die Weg, um Informationen über Motivation und Zu- sächsische Landeszentrale für politische Bildung tat, sammen­setzung der Demonstranten zu gewinnen. löste dies wiederum zu Recht Empörung aus: Natür- Zum damaligen Zeitpunkt war der typische Pegida- lich seien nicht alle Nazis, die dort mitmarschierten, Anhänger männlich und zwischen 36 und 55 Jahre aber viele „normale“ Bürger liefen zutiefst extrem alt. Die Teilnehmer wiesen in der Mehrheit eine rechten Brandstiftern hinterher; und die Organi­ mittlere ­formale Bildung und ein durchschnittliches satoren seien eben Rechtspopulisten. Wenn manche Einkommen auf.4 Interessant für die spätere Analyse ferner den Anspruch formulierten, mit den gemä- (siehe Kapitel II.2.) sind jedoch die Unterschiede ßigten Demonstranten im Gespräch zu bleiben, und ­innerhalb der sich an den Interviews beteiligenden wie Sigmar Gabriel eine Veranstaltung der Landes- Personengruppe: Befragt nach dem letzten Bildungs- zentrale mit Befürwortern und Gegnern von Pegida abschluss, gaben 38 Prozent Real- oder Mittelschule besuchten, wurde ihnen vorgeworfen, „zu Pegida“ an, 28 Prozent einen Hochschulabschluss, nur fünf zu gehen – obwohl die rechtspopulistischen Organi- Prozent einen Hauptschulabschluss. In Bezug auf satoren gar nicht bei der Veranstaltung präsent wa- die berufliche Stellung bezeichneten sich ungefähr ren. Andere kritisierten wiederum zu Recht, dass auf 48 Prozent als Arbeiter und Angestellte, 20 Prozent diesen Dialog-Veranstaltungen­ eben auch bekannte als Selbstständige und 18 Prozent als Rentner. Auch Dresdner Nazi-Schläger und Ideologen anwesend beim Einkommen war die Gruppe der Befragten waren, die den Termin für ihre Wortergreifungsstra- recht heterogen. Ein Viertel lag bei einem geringen, tegie nutzten. für sächsische Verhältnisse aber normalen Einkom- men von unter 1.500 Euro netto; 19,4 Prozent ver- 2. Die Demonstranten dienten mit einem Einkommen von 1.500 bis 2.500 für sächsische Verhältnisse relativ gut; 11,1 Prozent Pegida begann am 19. Oktober 2014 mit wenigen können als Besserverdienende (2.500 bis 3.000 Euro) Hundert Teilnehmern. Auf dem Höhepunkt ihres und 12,8 Prozent als Geringverdiener (unter 800 ­Erfolges im Dezember 2014 und Januar 2015 ver- Euro) bezeichnet werden. Zudem marschierte eine sammelten sich je nach Zählung zwischen 17.000 Gruppe (8,8 Prozent) von sächsischen Spitzenver- und 25.000 Demonstranten in Dresden. Nachdem dienern bei Pegida mit (über 3.500 Euro).5 Bilder von Lutz Bachmann als Hitler-Kopie sowie hetzerische Aussagen aufgetaucht waren, in denen Auch bei der politischen Einordnung sind die Pe­gida- er Geflüchtete als „Dreckspack“, „Viehzeug“ und Anhänger, die sich an der Umfrage beteiligten, auf „Gelumpe“ bezeichnete, spaltete sich Pegida Ende den ersten Blick heterogen: Die Forschergruppe um Januar 2015 und die Teilnehmerzahlen pendelten Werner J. Patzelt beschrieb bei ihrer Auswertung im sich auf bis zu 3.000 ein. Angesichts der aktuellen Mai 2015 – die Anzahl der ­Demonstranten war europäischen und lokalen Zuspitzung der Flücht- ­inzwischen bedeutend kleiner als noch im Januar – lingssituation stiegen die Zahlen seit Sommer 2015 50 Prozent der Teilnehmer als eher rechtskonserva- wieder auf etwa 3.000 bis 10.000 an. Am Jahrestag tiv, als „xenophobe Patrioten, rechts von der Mitte; kamen um die 19.000 Demonstranten. „Gidas“ in kritisch zur realen Demokratie, patriotisch einge- anderen Städten sind hingegen eingegangen oder stellt – und wünschen sich weniger Ausländer, gar konnten nie kontinuierlich größere Teilnehmerzah- Muslime, in Deutschland“. 17 Prozent waren laut len binden. Patzelt „rechtsradikale Xeno­phobe“, meist jünger, die Gewalt gegen politische Gegner befürworten und Laut verschiedener Forscher-Teams fand sich bei ­keine weiteren Ausländer oder Muslime mehr in ­Pegida in der Anfangszeit (Dezember 2014 bis Januar Deutschland wünschen. 30 Prozent seien „bedingt 2015) ein heterogenes Publikum ein. Die Straßen- Xenophile, links von der Masse ihrer Mitdemons- Umfragen sind zwar mit großer Vorsicht zu genie- tranten“, welche Rechtsradikale­ und Gewalttätigkeit ßen, weil ungefähr zwei Drittel der Demonstranten ablehnen und bestreiten, dass Deutschland zu viele

3 Vorländer/Herold/Schäller 2015a: 7. Zum Vergleich der Studien siehe: Reuband 2015: 133-143. Siehe Finkbeiner u.a. 2016. 4 Reuband 2015: 139. 5 Vorländer/Herold/Schäller 2015a: 45-48. 4 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Asylbewerber und Bür­ger­kriegs­flüchtlinge auf- die Parteien bedienten sich oder Parteien und Me­ nimmt“. Diese Gruppe könnte sich auch friedliche dien seien gekauft. In exzessiver Weise wird hinge- Muslime in Deutschland vorstellen.6 gen für das Schweizer Modell der direkten Demokra- tie geworben. Zugleich finden sich bei Pegida viele Gleichwohl rekrutierte sich laut allen Studien der Unterstützer von Wladimir Putin oder Viktor Orbán. größte Teil der Teilnehmer zum einen aus dem Die Mehrheit der Demonstranten hat „nicht not- (Mitte-)Rechts-Spektrum, darunter viele (ehemalige) wendigerweise eine demokratische Gesinnung“,14 CDU-7 sowie AfD-Wähler, zum anderen aus der und schon gar nicht ein erkennbares Wissen über Gruppe der nicht Parteigebundenen.8 Laut der For- politische Zusammenhänge und das Funktionieren schungsgruppe um Dieter Rucht nahmen die De- der Demokratie,15 empfinden sich aber als Retter monstranten „kein durchgängig konsistentes Ant- der Demokratie. wortverhalten bezüglich rechter und fremdenfeind- licher Positionen ein, neigten aber bei Antworten, in Vergleicht man die Daten der Umfragen mit den Er- denen eine teils/teils-Position angeboten wird, stark gebnissen der Landtagswahlen 2014 in Sachsen, so dieser Kategorie zu“.9 Pegida-Unterstützer zeigten findet man einige Parallelen: Dort wählten Männer, ein stärkeres Nationalbewusstsein und Vorbehalte Arbeiter und Selbstständige sowie Unzufriedene über- gegenüber Fremden.10 Zwar entsprechen die an der proportional die AfD. Deren Wähler sahen sich auch Umfrage teilnehmenden Pegida-Teilnehmer in ihrem eher auf der Verliererseite (Abb. 1). Ähnliche Einstel- soziodemografischen Profil den Normalbürgern, aber lungen zeigen sich bei den Pegida-Demonstrationen. „in ihrer politischen Selbsteinstufung sind sie es nicht. Sie sind, gemessen an ihren Wahlpräferenzen Über die zwei Drittel der Demonstranten, die sich und ihrer politischen Selbsteinstufung,­ konservativ nicht an Interviews beteiligten, kann wenig ausge- bis rechts, aber nicht rechtsradikal“.­ 11 sagt werden. Während in der Studie vom Team Hans Vorländer nur ein kleiner Teil von ihnen ihre Ableh- Der typische Pegida-Anhänger hat „keinerlei Ver- nung unfreundlich und politisch begründeten,16 trauen in die Medien und wenig Vertrauen in eine überwog bei der Forschergruppe um Dieter Rucht Reihe etablierter politischer und gesellschaftlicher als Begründung der Vorwurf der „Lügenpresse“: „Die Institutionen“.12 Die Mehrheit der Befragten, wenn- Ablehner setzten außerdem häufig Wissenschaft und gleich unterdurchschnittlich im Vergleich zur ge- Universitäten mit der ‚Lügenpresse‘ gleich (‚Ihr wer-­ samten Bevölkerung, unterstützt die Demokratie det doch bezahlt!‘, ‚Ihr seid doch alle von der Pres- zwar als Staatsform, aber nur fünf Prozent empfin- se!‘). Nach der Wahrnehmung der Verteiler haben den die Praxis der Demokratie als positiv – in der oft ‚besonders aggressiv Aussehende‘ die Annahme Gesamtbevölkerung sind das über 50 Prozent.13 der Handzettel verweigert. Das lässt vermuten, dass Blickt man auf aussagekräftige Facebook-Debatten, insbesondere die radikaleren Demonstrierenden so findet man die typischen Aussagen der Politiker- (Rechtsextreme, Hooligans) sich nicht an der Be­ und Parteien-Verdrossenheit: So wird u. a. behauptet, fragung beteiligt haben.“17 das aktuelle politische System sei keine Demokratie,

6 Patzelt 2015. 7 Siehe: Rucht 2015, sowie Geiges/Marg/Walter 2015. 8 In der Studie von Professor Hans Vorländer gaben 62 Prozent an, keiner Partei zuzugehören; 9 Prozent nannten die CDU, 17 Prozent die AfD: vgl. Vorländer/Herold/Schäller 2015a: 52. 9 Siehe Rucht 2015. 10 Umfrage von Wolfgang Donsbach, Pressemitteilung, siehe: www.menschen-in-dresden.de/wp-content/uploads/2015/01/PM_Pegi- da_2015_01_23.pdf 11 Reuband 2015: 133-143 12 Siehe Rucht 2015. 13 Geiges/Marg/Walter 2015 und Finkbeiner u.a. 2016. 14 Pfahl-Traughber 2015. 15 Frank Richter, zitiert bei Sparrer 2015. 16 Vorländer/Herold/Schäller 2015a: 38. 17 Siehe Rucht 2015. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 5

Abb. 1: Vortagswahlbefragung LTW vom 31.8.2014 in Sachsen: Gewinner und Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung (in Prozent)

Eher auf der Gewinnerseite Eher auf der Verliererseite

Gesamt 57 24

CDU-Anhänger 72 13

SPD-Anhänger 61 18

Grüne-Anhänger 61 27

Linke-Anhänger 51 30

AfD-Anhänger 37 46

Quelle: Daten Infratest, LTW 2014 in Sachsen, Vortagswahlbefragung.

3. Pegida-Unterstützer und Sympathisanten viele wie die AfD) ein Indiz für einen festen Unter- stützerkreis. In 28 Stadtteilen erhielt die Pegida-­ Die Zahl der Unterstützer und Sympathisanten von Kandidatin über zehn Prozent, in zehn sogar über Pegida liegt weit über der Beteiligung bei den Auf- 15 Prozent der Stimmen. Nur in fünf Stadtteilen märschen. Weil die meisten Pegida-Veranstaltungen ­erhielt sie unter fünf Prozent (siehe Abb. 2). „nach Einbruch der Dunkelheit stattfanden und in der Regel mit einem Marsch verbunden waren“, Zählt man die AfD-Ergebnisse mit denen von Pegida beteiligten sich wohl weniger ältere Menschen und zusammen, so erhielten rechtspopulistische Bewer- Familien.18 ber in 15 Stadtteilen Ergebnisse über 20 Prozent, in insgesamt 28 Stadtteilen über 15 Prozent und nur in Auch deshalb spiegelt die Zahl der Demonstranten einem Stadtteil unter fünf Prozent (siehe Abb. 3). nicht die tatsächliche Unterstützung für Pegida Diesen Anteil bestätigt eine repräsentative Studie ­wider. Blickt man auf die Oberbürgermeisterwahlen der TU Dresden, nach der 15,3 Prozent der Dresdner am 7. Juni 2015 in Dresden, dann sind die zehn Bevölkerung den Inhalten von Pegida eher oder ­Prozent und damit 21.000 Stimmen (doppelt so vollständig zustimmten.19

Abb. 2: Ergebnisse der Pegida-Kandidatin in Dresdner Stadtteilen bei den OB-Wahlen am 7. Juni 2015

20,0 18,3 15,0 15,4 13,5 10,0 9,7 7,9 Jeder Punkt repräsentiert 5,0 4,5 einen Stadtteil 0,0

Quelle: eigene Auswertung von Daten der Stadt Dresden.

18 Rucht 2015. 19 Stefan Fehser, Eine gespaltene Stadt. Repräsentative Studie der TU Dresden über Einstellungen in Dresden zum Thema Asyl, Dresden Oktober 2015. 6 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Abb. 3: Summe der Ergebnisse der Kandidaten von Pegida und AfD in Dresdner Stadtteilen bei den OB-Wahlen am 7. Juni 2015

30,0 26,5 25,0 20,0 20,0 15,0 10,0 12,5 Jeder Punkt repräsentiert 5,0 einen Stadtteil 0,0

Quelle: eigene Auswertung von Daten der Stadt Dresden.

Abb. 4 macht die sehr hohe Korrelation zwischen • … zum anderen in eher als sozial prekär geltenden den Wahlergebnissen rechter Parteien (NPD, AfD) in Vierteln und Straßenzügen, die – nicht zu verges- den Dresdner Stadtteilen bei den Landtagswahlen sen – in DDR-Zeiten privilegierte Wohnlagen wa- 2014 und der Summe der Wahlergebnisse der Kan­ ren. In diesen Stadtvierteln hatten bislang Links- didaten von Pegida und AfD bei den OB-Wahlen partei und – im Vergleich zu anderen Groß- 2015 deutlich: Wer schon bei den Landtagswahlen städten – CDU starke Ergebnisse erzielt. und damit in Vor-Pegida-Zeiten rechts wählte, ­wählte diese Kandidaten auch bei den OB-Wahlen. Bei den Ergebnissen in den Stadtteilen mit beson- Dies bestätigt die Ergebnisse mancher Demonstra-­ ders hohen Ausschlägen für Pegida besteht nicht tionsumfragen: Offenbar handelt es sich in Dresden überraschend ein starker Zusammenhang zur Unter- in der Mehrheit um das klassische rechte Klientel, bringung von Flüchtlingen im Stadtgebiet. Kandi- das Pegida so stark und aus Protest unterstützt, dass daten rechter Bewegungen von AfD, NPD und es diese Kandidaten wählt oder auf die Straße geht. ­Pe­gida-nahen Initiativen legten dabei nicht nur in Dresden, sondern auch in anderen Städten zu. Doch Abb. 4 zeigt auch einige Unterschiede und Ausschläge nach oben. Die besten Ergebnisse und Die Wahlergebnisse machen deutlich, dass Pegida vor allem auch die höchsten Ausschläge nach oben mehr oder weniger latente und manifeste Unter­ im Vergleich zu den Landtagswahlen (rot markiert) stützung in breiten Schichten der Bevölkerung und erhielten die rechten Kandidaten… in allen Stadtvierteln findet: beim Augenarzt, bei • … zum einen in eher gut bis mittel verdienenden der Physiotherapeutin, beim Friseur oder in der Kan- ländlichen Räumen Dresdens, bislang eigentlich tine. Sympathie beinhaltet dabei keine hundertpro- klare CDU-Hochburgen; zentige Unterstützung, weder inhaltlich noch ideo-

Abb. 4: Korrelation der Wahlergebnisse rechter Parteien (NPD, AfD) bei den Landtagswahlen und der Summe der Wahlergebnisse der Pegida-Kandidatin und des AfD-Kandidaten bei den OB-Wahlen jeweils in Dresdner Stadtteilen (Korr=0,92661311)

30,0 25,0 22,8 22,2 20,0 15,0 10,0 Jeder Punkt repräsentiert 5,0 einen Stadtteil 0,0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Quelle: eigene Auswertung von Daten der Stadt Dresden. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 7

logisch. So lehnen viele die Pegida-Kandidatin bei Die Spaltung der Stadt Dresden ist extrem. Kontakte den Oberbürgermeisterwahlen in Dresden, Tatjana in sozialen Netzwerken wurden ausgesiebt, Kinder Festerling – sie war aus der Hamburger AfD ausgetre- verstehen ihre Eltern (nicht mehr), diese nicht mehr ten, bevor sie rausgeworfen worden wäre, weil sie für ihre Kinder,23 Arbeitsbelegschaften sind gespalten. die alte AfD vor der Spaltung zu rechte Ansichten Engagierte Gegner von Pegida bekommen Mord- teilte – als zu radikalen „West-Import“ ab, ebenso und Gewaltdrohungen. Jene Dresdnerin, welche die den ehemaligen Drogenhändler und Einbrecher rassistischen Aussagen des Pegida-Chefs Bachmann Lutz Bachmann. veröffentlichte, aufgrund derer nun wegen Volks­ verhetzung ermittelt wird, musste den Kontakt zu Gleichwohl sagen viele, Pegida sei eben die einzige Verwandten abbrechen. „Mein Leben hat sich kom- Gelegenheit, seine Probleme und seine Wut auf die plett verändert […]. Mit denen [den Verwandten] Straße zu bringen. Die Stadtbevölkerung, einzelne kann man nicht sprechen. Die sind so von Hass und Institutionen und sogar Familien sind in zwei Lager Neid erfüllt.“24 Im ländlichen Raum scheint eine gespalten. Die Trennung verläuft tendenziell zwi- Mehrheit mit Pegida-Positionen zu sympathisieren, schen westdeutschen Zugewanderten und ostdeut- von der wiederum viele in der Stadt arbeiten. Die schen Einheimischen, zwischen Jung und Alt, zwi- Hypothese ist sicher nicht falsch, dass in faktisch schen Männern und Frauen, zwischen Führungs-, ­allen Familien und Freundeskreisen ständig über Wissens-, Kreativabteilungen einerseits und Technik- ­Pegida gesprochen wird – bzw. Pegida als Metapher und Dienstleistungsabteilungen anderseits, egal ob für die aktuellen Auseinandersetzungen um Asyl, bei Polizei, Kultureinrichtungen oder der Stadtver- Flüchtlinge und Politik dient. Nie in den letzten waltung. Zudem wird tendenziell eine Spaltung ent- 25 Jahren waren Dresden und Sachsen derart politi- lang der Bildungsmilieus deutlich. siert. Die Spaltung der Stadt zeigen auch die Daten. Zwar zeigt der „größte Teil der Dresdner Bevölke- Auch wenn sich laut Straßenumfragen sehr unter- rung (40,6 Prozent) Verständnis und Sympathie für schiedliche Bildungsschichten an Pegida beteiligten, Menschen, die in Deutschland Asyl suchen“, gleich- weisen NoPegida-Demonstranten tendenziell einen wohl sind 39 Prozent unentschlossen, welche Posi­ formal höheren Bildungsabschluss auf,20 während tionen sie zum Thema Asyl vertreten sollen; 20,4 die Mehrheit der Pegidisten, die sich an den Umfra- Prozent sind Asylsuchenden gegenüber feindlich ein­ gen beteiligten, einen mittleren Bildungsabschluss gestellt.25 hatten. Zudem wurde die Pegida-Kandidatin stark in prekären Stadtvierteln gewählt. Ähnlich wie andere 4. Ein sächsisches, ostdeutsches oder rechtspopulistische Bewegungen wird Pegida also bundesdeutsches Problem? nicht allein „vom oft als ‚bildungsfern‘ bezeichne- ten Prekariat getragen. […] Wie der Aufstieg des Weil Pegida im Westen ein Randphänomen blieb, französischen Front National, der britischen UKIP gilt die Bewegung meist als ostdeutsches, sächsisches […] zeigt, ist der Populismus ein Phänomen der un- oder Dresdner Phänomen. Und legt man die Aus- ter Druck geratenen Mitte. Diese wehrt sich gegen wertung der Facebook-Kontakte durch die ZEIT zu- die Einstellungen und den internationalistischen grunde, wird dies klar bestätigt: Die Mehrzahl der Kurs einer als abgehoben wahrgenommenen Elite. Unterstützer stammt aus Dresden und Umgebung, […] Man kann sogar sagen, die Trennlinie verläuft Sachsen sowie Ostdeutschland (siehe Abb. 5). Groß- zwischen Gymnasium und Realschule“.21 Es droht demonstrationen mit mehreren Tausend Teilneh- eine Art neues „Klassenwahlverhalten“22 – diesmal mern gegen Geflüchtete fanden außer in Dresden auf der politisch rechten Seite, wenngleich festzu- bislang ausschließlich im Osten (etwa Erfurt) sowie halten ist, dass in Südeuropa linkspopulistische vor allem in Süd-Ostsachsen statt (etwa Schneeberg Parteien­ reüssieren. oder Sebnitz). Vor allem im Osten wie in Freital und

20 Geiges/Marg/Walter 2015. 21 Cuperus 2014. 22 Baumel 2015: 118. 23 Siehe Ergebnisse der Fokusgruppen-Gespräche mit Pegida-Teilnehmern, vgl. Geiges/Marg/Walter 2015. 24 Moriz/Hach 2015. 25 Stefan Fehser, Eine gespaltene Stadt. Repräsentative Studie der TU Dresden über Einstellungen in Dresden zum Thema Asyl, Dresden Oktober 2015. 8 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Heidenau tobte der Mob auf den Straßen und griff Befragten hätten sich gegebenenfalls an Protest­ Polizisten, THW-Mitarbeiter oder Geflüchtete an. märschen gegen eine Islamisierung beteiligt, wenn sie in der Nähe ihres Wohnorts stattfänden. Die Die „Mitte“-Studien der FES zeigen, dass bundesweit größte Bereitschaft, an solchen Demonstrationen in der „fragilen Mitte“ gruppenbezogene Menschen- teilzunehmen, findet sich unter AfD- (45 Prozent) feindlichkeit sowie rechtsextreme Einstellungen seit und Linkspartei-Sympathisanten (26 Prozent). Die Jahren stark verbreitet sind.26 Hinter Pegida steckt Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland demzufolge keine neue Entwicklung. Die Einstel- werden allerdings deutlich: Im Westen sagten im lungen wurden lediglich zum ersten Mal in dieser Oktober 2015 nur 34 Prozent (Januar 2015: 44), dass Heftigkeit auf die Straße getragen. Allerdings war Pegida kein rechtes Gedankengut vertrete, acht schon im Rahmen der Veröffentlichung von Thilo ­Prozent beurteilten Pegida als „gut“ (8) – im Osten Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ im teilten diese Meinungen hingegen 61 (57) bzw. Jahr 2011 eine Art „Volksbewegung“ entstanden, die 28 (21) Prozent.28 Zehn Prozent aller befragten größere Säle bei Lesungen füllte. Die rechtspopulis- Wahlberechtigten sagten im Januar 2015, dass sie tische Affinität von Teilen der Bevölkerung ist kei- bei einer Wahl für eine Partei stimmen würden, die neswegs nur ein Problem in Ostdeutschland, wenn- den Islam in diesem Land bekämpft; in Ostdeutsch- gleich es hier stärker präsent ist als im Westen und land waren es mit 15 Prozent weit mehr als im sich noch auszuweiten droht. Das Wahlergebnis der ­Westen (neun Prozent, jeweils Forsa). AfD in Bremen am 10. Mai 2015 mit einem Stim- menanteil von 5,5 Prozent sowie aktuelle Wahl­ umfragen machen deutlich, dass rechtspopulistische Abb. 5: Wohnort der Unterstützer Parteien auch im Westen Erfolg haben können. von Pegida bei Facebook

Die Unterschiede bei rechtsextremen Einstellungen ergeben sich eher zwischen wirtschaftlich abdrif- tenden und aufstrebenden Regionen26 – und im ­Osten gibt es eben prozentual mehr und konzen­ trierter prekäre und verunsicherte Bürger und Land- striche, die bereits abgehängt sind oder drohen, ab- gehängt zu werden. Zudem sagen manche, die Bewegung habe im Westen gerade deshalb keinen Erfolg, weil Pegida als Ost-Phänomen wahrgenom- men wird.

Bundesdeutsche Umfragen im Dezember 2014/Ja­ nuar 2015 haben gezeigt, dass knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) Verständnis für die Dresdner Pegida-Aufmärsche hatte, im Osten (53 Prozent) leicht mehr als in Westdeutschland (48 Prozent; ­Emnid 12/2014). 30 Prozent der Befragten antwor- teten, sie hätten „voll und ganz“ Verständnis für die Anliegen der Demonstranten. 19 Prozent antwor- teten mit „eher ja“. Ablehnend äußerten sich 23 Pro- zent (Umfrage von YouGov). Gleichzeitig stellte die klare Mehrheit der Bundesbürger (67 Prozent) fest, dass die Gefahr einer Islamisierung Deutschlands Quelle: Kai Biermann/Paul Blickle/Sascha Venohr 2015. übertrieben dargestellt werde. Nur 13 Prozent aller

26 Zick/Klein 2014. 27 Zick/Klein 2014: 38. 28 Umfrage Forschungsgruppe Wahlen, Politbarometer Januar I/2015 und Oktober II/2015. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 9

Abb. 6: Vergleich der Wahl- und Umfrageergebnisse rechter Parteien (NPD, AfD) (in Prozent)

21,0 18,0 16,0 14,7 14,4 11,5 11,0 6,0 1,0 LTW 2014 Umfrage Sachsen Ergebnis LTW 2014 Ergebnis OB-Wahlen Sachsen 9/2015 Dresden 2014 Dresden

Diese 15 Prozent im Osten entsprechen genau dem und dem Rechtspopulismus zugeordnet werden. Die Ergebnis, das rechte bzw. rechtspopulistische Par- Frage, ob Pegida aufgrund der Abspaltung der Ge­ teien bei den Oberbürgermeister-Wahlen in Dresden mäßigten im Januar/Februar 2015 radikaler wurde 2015 sowie bei den sächsischen Landtagswahlen oder ob die Organisatoren29 schon immer extrem 2014 erhielten, wobei letztere vor Beginn der Pegida- rechts und die Veröffentlichung gemäßigter Posi­ Aufmärsche stattfanden. Durch die Pegida-Proteste tionspapiere von Anfang an taktischer Natur waren, ist deren Potenzial gewachsen: In Dresden und in ist interessant, aber für diese Analyse nicht maß­ Sachsen stieg das Wählerpotenzial um bislang un­ gebend. Heutige Pegida-Reden haben nichts mit den gefähr drei Prozentpunkte (siehe Abb. 6). früheren Positionspapieren gemeinsam. Im Text vom Dezember 2014 hieß es noch, man sei für „die 5. Positionen und Sprache von Pegida Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten“ („das ist Menschenpflicht“) so- Ursprünglich behauptete Pegida, gegen die „Islami- wie für „eine dezentrale Unterbringung der Kriegs- sierung des Abendlandes“ zu sein, nicht gegen Ge- flüchtlinge und Verfolgten, anstatt in teilweise flüchtete und Ausländer an sich. Über den politi- ­menschenunwürdigen Heimen“. Davon ist schon schen Hintergrund Pegidas und ihre wirklichen lange keine Rede mehr. Um gegen den Zuzug von Motive erfuhr man zu Beginn wenig, weil sich die Geflüchteten Stimmung zu machen, verstieg sich Organisatoren Interviews und Diskussionen ver­wei­ Lutz Bachmann sogar zur Aussage, in Syrien gebe es gerten. Die schließlich veröffentlichten Positions­ gar keinen Krieg – was bei Pegida für kurze Zeit papiere waren wenig radikal: In manchen Positio­ durchaus ernsthaft diskutiert wurde. nen lagen sie nah bei der damals noch weniger rechtsradikalen AfD (etwa „gegen gender mainstrea- Bachmann agiert ganz nach der Strategie der „Neuen ming“), es fand sich manche rechts-konservative Rechten“, wenn er sich nicht als links oder rechts, Floskel („Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig sondern als „besorgt“ oder „vernünftig“ bezeichnet gewordenen Asylbewerbern“; „Erhaltung und den oder wenn er die typische Floskel benutzt, man habe Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abend- „nichts gegen Flüchtlinge oder Ausländer, aber…“, landkultur“), aber man forderte auch „sexu­elle um sich scheinbar von harten Nazis zu distan­ Selbstbestimmung“ und bestritt, grundsätzlich „ge- zieren30. Die „Neue Rechte“ spricht nicht mehr von gen hier lebende, sich integrierende Muslime“ „Rasse“, sondern von „Kultur“ und warnt doch wie zu sein. Tatjana Festerling vor einer „Umvolkung der Deut- schen in eine europäisch-afrikanische Mischbe­ Seit der Pegida-Spaltung können die Veranstaltun­ völkerung“. Ganz im rechten Jargon formulierte Fes­ gen und ihre Redner (Geert Wilders, René Stadtke- terling, „der Sinn jeder wirklichen Politik ist der witz, Götz Kubitschek etc.) klar der „Neuen Rechten“ Selbst-Erhalt des Volkes im Dasein“.31 Hört man sol-

29 Siehe etwa Analyse des Blogs Schmetterlingssammlung, http://schmetterlingssammlung.net/2014/12/17/die-identitaren-und-pegida/. 30 Siehe Stöß 2015. 31 Vgl. u.a. www.freiepatrioten.de/PDFDokumente/BaalM%C3%BCller_D%C3%BCgida_260115.pdf. 10 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

che Sätze, wird klar, dass man Rechtspopulismus Demon­stration stand bereits im Februar 2015: „Doch auch als „die volkstümlich und rebellisch-autoritäre eines Tages wird Gerechtigkeit walten, dann richtet Verkündung extremer rechter Theoreme auf der Ba- das Volk, dann gnade euch Gott“.36 Im Oktober sis emotionalisierter Agitation“ verstehen kann, der 2015 wurde ein Galgen mitgeführt, der für Angela sich der „propagandistische[n] Simplifizierungen in Merkel und Sigmar Gabriel reserviert sei. Im Januar Anlehnung an ‚des Volkes Stimme‘“ bedient“.32 2016 rief Festerling bei einem Aufmarsch von Legida in Leipzig von der Bühne: „Wenn die Mehrheit der Diskutierbar bleibt die Frage, ob Lutz Bachmann und Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie Tatjana Festerling Rechtsextreme oder Vertreter der zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, „Neuen Rechten“ sind oder ob sie Argumentationen volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus übernommen haben, die in deren Online-Portalen den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Presse- wie PI-News formuliert werden. Tatsache ist, dass es häusern prügeln.“ gute Kontakte gibt. Echte Nazi-Kader spielen bei den Pegida-Organisatoren keine Rolle, aber man kennt Die Pegida-Redner orientieren sich meist nicht an sich. 33 So sagte ein Pegida-Vertreter im Anschluss an der Nazi-Zeit, sondern an der demokratiefeindli- eine Podiumsdiskussion als Beweis für die Fest­ chen und antiliberalen „konservativen Revolution“ stellung, die Bewegung sei gar nicht so rechts: Die der Weimarer Republik und deren intellektuellen Hälfte der Mitglieder der ehemaligen SSS (der seit Wortführer wie Arthur Moeller van den Bruck, die langem als kriminelle Vereinigung verbotenen Skin- selbst wiederum als Vordenker der Nazis gelten kön- heads Sächsische Schweiz) laufe ja nicht mit (sic); nen. Christoph Giesa analysierte in einem Essay für Pegida sei ihnen zu wenig radikal. Es darf nicht ver- die Bundeszentrale für politische Bildung, dass die gessen werden, dass Begriffe wie „Lügenpresse“ und konservative Revolution schon in den 1920er Jahren „Volksverräter“ zuerst auf Nazi-Demos auftauchten, behauptet habe, „die Weimarer Demokratie suchte bevor sie bei Pegida laut wurden. Tatjana Festerling jede Stimme zu unterdrücken, die sich gegen diese wie­derum ist seit Jahren Autorin des islamfeind- ihre Politik erhob. Sie verfolgte die nationale und lichen und rechtspopulistischen Blogs PI-News. die radikale Opposition, statt sich ihrer gegen den gemeinsamen Feind deutscher Nation zu bedienen‘. Bei den Oberbürgermeister-Wahlen positionierte Heute heißt es, man sei ein Opfer der ‚herrschenden sich Pegida aktiv zwischen AfD und NPD – auch mit Kaste‘, der ‚Mainstreammedien‘, der ‚Gutmenschen‘ einem immer aggressiveren Auftreten bis zu Aufru- und insgesamt des ‚Systems‘. Ansonsten hat sich an fen zum Systemumsturz: Hatten Redner beim Start der Argumentation wenig geändert. Die Strategie von Pegida meist indirekt durch Verweise auf die Re- tritt immer deutlicher zutage: Wer die ganze Zeit vor volution 1848/4934 oder auf die 1989er-Revolution einem ‚Meinungsdiktat‘, ‚Denk- und Sprechverbo- und damit – ähnlich wie die sächsische AfD – mit ten‘ und ‚Zensur‘ warnt, gerät zunächst nicht in dem Bild des Volksaufstands nur gespielt, fordert ­Verdacht, selbst andere Meinungen ausschließen zu ­Pegida mittlerweile aktiv zum zivilen Widerstand wollen. Schaut man allerdings genauer hin, wird auf. Bachmann sagte etwa in Bezug auf das Singen klar: Aus einem inszenierten Abwehrkampf, einer des Deutschlandliedes: „Wenn wir es irgendwann vorgeschobenen Notwehrsituation, ist längst ein mal geschafft haben, die Verräter aus Berlin zu ver- Angriff geworden.“37 Auch deshalb werden Viktor treiben, dann singen wir hier Strophen, so viel wir Orbán, Wladimir Putin oder die Rechts-Konser­ wollen“. In der Zwischenzeit soll man seiner Mei- vativen in Polen als Vorbilder bei Pegida hochge­ nung nach alle drei oder nur die erste Strophe singen.­ halten. Interessant hier auch der Beitrag des Pegida- Stichwortgebers Sebastian Henning: Dieser bezeich- Auf einer Demonstration am 5. Oktober 2015 rief net die auch bei Pegida mitlaufenden gewalttätigen er, „bei der nächsten Wende“ werde kein Wende- Nazis und Hooligans als „virile Jugend“, „Heiß- hals vergessen.35 Auf einem Plakat einer Pegida- sporne“ oder „zornige junge Männer“, ohne die eine

32 Alexander Häusler, zitiert in: Zick/Küpper 2015: 24. 33 Siehe auch Geiges/Marg/Walter 2015: 12ff. 34 PEGIDA-Rede von Götz Kubitschek vom 13.04.2015. 35 Honigfurth 2015. 36 „Pegida schwenkt nach Bachmanns Rückkehr nach rechts“, in: STERN: 09.02.2015. 37 Giesa 2015. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 11

solche Bewegung wie Pegida erst gar nicht in Gang Gruppe. Nur er wagt es, Probleme anzusprechen und komme. „Das war 1813 (sic) nicht anders als 1989 den Belangen der „kleinen Leute“ und „des Volkes“ oder ein Vierteljahrhundert später“.38 Gehör zu verschaffen. Der Populist behauptet im- mer, den gesunden Menschenverstand auf seiner Die Pegida-Führung und zunehmend die AfD be- Seite zu haben. Er ist der einzige Retter der Demo­ nutzt dabei fast schulbuchmäßig rechtspopulistische kratie, während die Eliten „wahre Demokratie“ ver- Argumentationsschema­ta: Das Kernstück (rechts-) hindern oder zerstören; sie werden als „Meinungs-“ populistischer Argumentation ist nicht die pure Aus- oder „Linksfaschisten“ bezeichnet. Ein typischer länderfeindlichkeit. Das Schwungrad besteht in einer Pegida-Satz lautet: „Wir wissen alle, wie es wirklich Freund-Feind-Konstruk­tion, indem eine homogene ist.“ Skepsis oder echte Eigenkritik, die nicht tak- Gruppe („die Deutschen“, „das Volk“, „die Mitte“, tisch eingesetzt werden, ist faktisch nicht zu finden. „die Steuerzahler“) beschworen wird, die bedroht sei oder ausgebeutet werde – und zwar von drei nach Typisch für diese Art von Populismus sind zudem Bedarf austauschbaren,­ ebenfalls homogenen Grup- die Konstruktion der Verantwortung von Minder- pen: Das „Volk“ wird bedroht von „unten“, also von heiten für alle Krisen dieser Welt und das Schüren Migranten, „Asylanten“ und „Sozialschmarotzern“; von Ressentiments und (Krisen-) Ängsten. Für Popu- von „oben“, also von „Politikern“, den „medial- listen ist die Beschreibung gesellschaftlicher Zu­ poli­tischen Eliten“ oder „rot-grün versifften Lin- stände immer von einer Endzeitstimmung („Unter- ken“; oder aber von außen, also den Griechen, den gang des Abendlandes“) geprägt, die mit aggressiv Flüchtlingen oder der Europäischen Union. Diese klingenden und emotional wirkenden Begriffen ge- Gruppen werden explizit nicht zum Volk gerechnet schürt werden muss – weil sonst die emotionale Flam- und daher als „Volksverräter“ bezeichnet. me der Unterstützer zu erlöschen droht. Rechts- po­pulisten wollen gar nicht, dass sich etwas verbes- Diese Argumentationsstruktur – und das macht sie sert, weil sonst ihre Strategie nicht mehr wirkt. in Ostdeutschland so erfolgreich – wurde schon in der DDR von Teilen der Bevölkerung ‚gelernt‘: Wir Ferner ist Emotionalisierung ein wichtiger Bestand- („das Volk“) darben, „die da oben“, die „Bonzen“, teil populistischer Argumentation und erscheint ge- sind schuld daran. Vor allem in kleinbürgerlichen rade in Zeiten des politischen Pragmatismus attrak- Milieus und in kleinen und mittleren Städten mit tiv. Auf die Kritik an der eigenen Position reagiert vielen Vertragsarbeitern bzw. in den Grenzregionen der Populist mit der Märtyrer- und Tabubrecher- wurde über die Vertragsarbeiter oder die Polen und Attitüde: Die Eliten (Medien, „Gutmenschen“, Alt- Tschechen geklagt, welche den DDR-Bürgern angeb-­ Parteien) wollen ihn mundtot machen („Man wird lich mit Devisen die Waren wegkauften. Zudem doch noch sagen dürfen…!“). Zudem benutzt gerade stellte die SED so genannte „Asoziale“, „Rowdys“ Lutz Bachmann – wie alle anderen rechtspolulistisch und „Oppositionelle“ ebenfalls als Bedrohung eines argumentierenden Politiker (Erdogan, Trump etc.) –­ ansonsten scheinbar einheitlich denkenden Volkes exzessiv verschwörungstheoretische Argumentationen dar. In einzelnen Fällen nahmen DDR-Führungs­ und Lügen40 als taktisches Kampfmittel in den so­ kader Ausländerfeindlichkeit in Kauf, um nicht zialen Medien und zur Mobilisierung der Massen.41 selbst für Missstände verantwortlich gemacht zu werden.39 Zudem sehen das Ziel einer (völkischen) Erstens werden Verschwörungstheorien, gestützt auf Volksgemeinschaft und Verlustgefühle in Bezug auf Halbwahrheiten und Lügen, zur Delegitimierung des eine heimelige DDR-Gesellschaft auf den ersten politischen Gegners verwendet. Ein Beispiel ist das Blick (!) sehr ähnlich aus. Gerücht, der „Staat“ bezahle Gegendemonstranten­ zehn oder gar 25 Euro pro Stunde. Der Hintergrund Um diese Argumentation herum kommuniziert der dieser Geschichte: Die CDU-geführte sächsische Populist: Er inszeniert sich als einziger authentischer Staatskanzlei hatte per Zeitungsanzeige einige Pro- Vertreter des Volkes oder einer anderen homogenen moter für das Verteilen von Luftballons auf einer

38 Henning 2015: 53 und 97. 39 Vgl. Siegler 1991. 40 Giammarco 2015. 41 Vgl. Demuth 2015a. 12 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

­Pro-Toleranz-Demonstration­ gesucht; daraufhin ver- 6. Zusammenfassung: Wer ist Pegida? breiteten rechtspopulistische Propagandakanäle wie PI-News oder „Blaue Narzisse“, alle Gegendemons­ ­ Die Unterstützergruppe von Pegida ist sehr hete­ tran­ten seien gekauft. rogen. Die Anhänger stammen aus verschiedenen sozioökonomischen Schichten und finden sich in Zweitens dienen die Verschwörungstheorien zur Dresden faktisch in jedem Stadtviertel. Mehr oder ­Delegitimierung von Kritik. Waren bei Pegida ras­ weniger starke Sympathien für die Grundaussagen – sistische Sprechchöre zu hören, waren dies laut nicht für die Sprache und die Organisatoren – finden Pegida-Rednern immer „diverse Kräfte einge- sich in der Stadtgesellschaft überall. Die Stadt ist ge- schleuster Störenfriede […], deren einziges Bestre- spalten. Echte Unterstützer sind allerdings deutlich ben es sein wird, uns in ein schlechtes Licht zu rü- in der Minderheit, wie das Ergebnis der OB-Wahl cken“. Wochen vor der Dresdner OB-Wahl wurde und auch die Umfragen zeigen. Sie stammen aus der Verdacht des Wahlbetrugs geäußert und nach dem rechts-konservativen Spektrum, das bislang Wahlbeobachtern gesucht, „damit nichts schief- CDU, die in Sachsen stark rechtspopulistisch ar­ geht“. Wie pathologisch Verschwörungstheorien zur gumentierende FDP oder die extrem rechte NPD, Anwendung kommen, zeigt die Reaktion von Lutz neuerdings AfD oder Pegida wählte. Gerade in Sach- Bachmann auf einen Pegida-kritischen Artikel der sen haben die politischen Richtungswechsel von rechtskonservativen Zeitung „Junge Freiheit“, die Angela Merkel ein politisches Vakuum am rechten ihm ideologisch eigentlich nahesteht. Bachmann Rand hinterlassen. Pegida schafft es derzeit im ­erklärte die Kritik kurzerhand zu einem „Lügen­ ­Normalbetrieb, 3.000 bis 10.000 Personen zu mo­ artikel“: „Alles sehr dubios was da abläuft im Hause bilisieren – das sind vergleichsweise wenige ange- Junge Freiheit. Ob es da einen Scheck gab?“ sichts der zunehmenden Verunsicherung in der ­derzeitigen Flüchtlingssituation. Und trotzdem sym- Drittens richtet sich die verschwörungstheoretische pathisieren viele weiterhin mit Pegida, und sei es Hetze gegen die demokratischen Institutionen und nur als Projektionsfläche für ihre persönliche Un­ ihre Vertreter. Gegendemonstranten seien wie Jour- sicherheit oder Unzufriedenheit. nalisten von den Mächtigen gekauft, trug der ­ehemalige FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte den De- Es ist gleichzeitig offensichtlich, dass normale (kon- monstranten in Dresden unter Jubel vor. Bei einer servative) Bürger bei Pegida rechtsradikale Positio­ Pegida-Demonstration im Juni 2015 hieß es in typi­ nen, Verschwörungstheorien und Umsturzfantasien scher rechtsradikaler Diktion, die Regierung Merkel beklatschen. Ein Teil der bürgerlichen Mitte scheint und die etablierten Parteien seien „Marionetten“ sich laut Christoph Giesa „vom demokratischen eines noch größeren Plans zur Freiheitsberaubung Grundkonsens verabschiedet“ zu haben. „Aus die- und Kontrolle der Bürger. Die Bundesrepublik sei sem Milieu heraus mische sich ein verunsicherter ein durch die USA „besetztes Land“ und die „Mas- Bildungsbürger ganz anders als erhofft wieder in die seneinwanderung ein Plan zur Umgestaltung Euro- Politik ein. Er werde zu einem Primitivbürger, ja zu pas“. Lutz Bachmann intonierte es so: „Es ist immer einem ‚gefährlichen­ Bürger‘, der sich aggressiv ge- mehr zu spüren, dass die totale Kontrolle der Men- gen alles wehre, das ihm gegen den Strich gehe, und schen das Endziel ist, um im Notfall die Unlieb- anfällig für jedwede Hetze sei. Er zeige sich missio- samen sofort aufzuspüren und eventuell verschwin- narisch und dogmatisch, rechthaberisch und egois- den zu lassen. Sie wollen die totale Kontrolle und tisch. Der Sinn für Gemein­wesen und Verantwor- die Gleichschaltung aller Menschen.“ Dies werde tung, das Selbstverständnis eines Citoyens sei ihm aber nicht funktionieren: „Pegida wird unermüdlich verlorengegangen.“43 Der Verfassungsschutz­ von weiterarbeiten, um so viel wie möglich Menschen in Sachsen-Anhalt stellt fest: „Die ­Situation ist ernst.“ diesem Land die Augen zu öffnen und diese Pläne Es sei erschreckend, dass „das Bürgertum überhaupt und Schandtaten aufzudecken und zu verhindern.“42 nicht mehr differenziert“. Vor ­Diskussion um die

42 Siehe die rechtspopulistische Internetseite www.epochtimes.de/politik/deutschland/pegida-konkret-lutz-bachmann-und-peter-hild- wettern-gegen-gleichschaltung-der-menschen-220615-a1248857.html. 43 Christoph Giesa im Gespräch mit Ernst Rommeney, „Die bürgerliche Mitte wird infiltriert“, siehe Deutschlandradio 22.08.2015, www. deutschlandradiokultur.de/neue-rechte-die-buergerliche-mitte-wird-infiltriert.1270.de.html?dram:article_id=328958. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 13

Flüchtlingssituation habe es eine klar erkennbare ganzen DDR kaum statt, im Gegenteil wurde teil­ Grenze zwischen rechtsextremen Parteien und neo- weise NS-Propaganda über die Zerstörung Dresdens nazistischen Kameradschaften auf der einen und der am 13. Februar 1945 durch „anglo-amerikanische Zivilgesellschaft auf der anderen Seite gegeben. Bomberverbände“ fortgeschrieben. Auf dem Weg „Diese Grenze löst sich jedoch zunehmend auf.“44 zur Deutschen Einheit gewannen nationalistisch- chauvinistische Parolen nach dem 9. November Die Pegida-Organisatoren agieren zunehmend als 1989, also nach der kritischen Phase der friedlichen gesellschaftliche Brandstifter. Zwar wendet sich Re­volution, zunehmend Raum. Der Ausruf „Wir Bachmann in seinen Ansprachen immer gegen Ge- sind das Volk“ wurde nicht nur durch „Wir sind ein walt oder er entschuldigt sich etwa für die Ausfälle Volk“ ersetzt; die Kritiker des Wegs zur Einheit wur- von Akif Pirinçci. Doch Tatjana Festerling argumen- den auch von vielen nicht mehr als „Teil des Volkes“ tierte in ihren Reden oft sehr ähnlich – Bachmann betrachtet.­ 45 Aus der „friedlichen“ wurde ab Dezem- scheint nur dann zurückzurudern, wenn eine Äuße- ber 1989 teilweise eine „nationalistisch“ motivierte rung oder Aktion Pegida zu schaden droht. Revolution.46 Im Februar 1990 füllte der Holocaust- Leugner David Irving im Februar einen Hörsaal an Die Rede von Widerstand und Systemumsturz ist der TU Dresden, im Juni des gleichen Jahres den mehr als Rhetorik. Die „Neue Rechte“ will einen größten Raum des Dresdner Kulturpalastes mit sei- Systemwechsel ähnlich wie aktuell in Polen. Durch nen kruden Thesen zur Bombardierung Dresdens: die Stärke sowie die neue Mimikry rechtsextremer „Der Holocaust an den Deutschen in Dresden war Kameradschaften in Sachsen besteht in Teilen der echt. Der an den Juden in den Gaskammern von ostdeutschen Bevölkerung wirklich die subjektive Auschwitz ist frei erfunden“.47 Dresden galt 1991 Wahrnehmung, die gesellschaftlichen Verhältnisse wegen der Größe­ der dortigen Nazi-Kameradschaf- seien fragil. ten und wegen seiner Rolle als wichtiger Rückzugs- und Vernetzungsort­ der ostdeutschen Naziszene als „Hauptstadt der Bewegung“.48 III. Erklärungsversuche über Pegida Ähnliches zeigte sich Anfang der 2000er-Jahre: Die Über die Ursachen von Pegida wurde vielfach spe­ größten Lesungen aus dem Sarrazin-Buch „Deutsch- kuliert und geforscht. Lokale, regionale, ostdeutsche land schafft sich ab“ fanden in Dresden und Umge- und europäische Erklärungsmuster wurden ebenso bung statt. An Dresden grenzen mit der Sächsischen bemüht wie soziologische und historische Befunde. Schweiz und dem Erzgebirge zwei Wahlkreise und es ist verkehrstechnisch gut an Regionen in Ost- und 1. Lokale und regionale Ursachen Mittelsachsen angebunden, in denen die NPD und neuerdings die AfD ihre besten Ergebnisse deutsch- Natürlich sind lokale und regionale Erklärungs­ landweit erzielen49. Bis zur Hälfte der Pegida-De- muster zentral, war und ist Pegida doch vor allem monstranten stammten laut den Straßen-Umfragen ein Dresdner bzw. ein sächsisches Phänomen. In aus dem Dresdner Umland. Es existieren zudem in Dresden und Umgebung besteht schon immer vielen Orten im ländlichen Raum eine rechtsextre­ eine starke, mobilisierbare konservative und rechte me kulturelle Hegemonie sowie eine bestens organi- Grundstimmung. Eine echte gesellschaftliche Auf­ sierte Neonazi-Szene, welche die Stimmung durch arbeitung des Nationalsozialismus fand wie in der Gerüchte und Lügen aufheizt.

44 Kranert-Rydzy 2015. 45 Zeitzeugengespräche in der FES-Veranstaltung „Dresden – Hauptstadt der Bewegung“, am 29.09.2015, siehe auch Richter 2015. 46 Siehe Lindner 2015. 47 Vgl. Siegler 1991. 48 Siegler 1991. 49 Bei den Demonstrationen nahmen laut nicht repräsentativen Umfragen überwiegend Leute aus Dresden (44 Prozent) und der unmit- telbaren Umgebung Dresdens (42 Prozent) teil; siehe: Rucht 2015. 14 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Das Problem ist jedoch nicht nur, dass die extrem Bewegung“ nach 1989. Das schon zu DDR-Zeit ge- rechte Szene in Sachsen gut aufgestellt ist. Das Pro- förderte Empfinden, Dresden sei durch die Bombar- blem ist auch, dass dies von der sächsischen CDU dierung am 13. Februar 1945 ein Hauptopfer des und FDP immer wieder geleugnet und rechtsextre- Zweiten Weltkriegs, wurde nach 1990 von offizieller me Vorkommnisse unter den Teppich gekehrt wur- Seite ohne historische Einordnung lange weiter den. Prominenter Vertreter dieser Haltung ist Kurt ­gepflegt. Erst nach langer Anlaufzeit konnten die Biedenkopf mit seiner Aussage, die Sachsen seien immer größer werdenden Nazi-Aufmärsche am „immun gegen Rechtsextremismus“. Zum ersten Mal 13. Februar seit 2012 eingedämmt werden. Teile der äußerte er sich derart 1991. Damals hatte in Dresden CDU Dresden und Sachsen hatten lange jede Gegen- der bis dato größte Neonazi-Aufmarsch seit 1945 bewegung sabotiert,­ indem sie Gegendemonstran- stattgefunden. Der Anlass war die Beerdigung des ten pauschal als Linksextreme diffamierten. Die an- Neonazi-Führungskaders Rainer Sonntag, der bei gesichts der realen­ Zahlen absurde und trotzdem Auseinandersetzungen im Rotlicht-Milieu ermordet gebetsmüh­lenartig wiederholte Gleichsetzung der worden war und nun zum Helden der Bewegung Gefahr von rechtem und linkem Extremismus führ- stilisiert­ wurde.50 Zwei Tage nach der Beerdigung te zu einer faktischen Unterschätzung des Rechts­ ­befand Biedenkopf, dass es in Sachsen „alles andere extremismus. als Rechtsextremismus“ gebe51 – was angesichts der Jagdszenen und Attacken auf Vertragsarbeiter und Zudem ist die demokratische Kultur in Sachsen ins- linksalternative Jugendliche in sächsischen Städten gesamt wenig ausgeprägt, weil Politik und Staat von absurd war. Er wiederholte seine Aussage im Jahr oben herab agieren und Bürger sowie zivilgesell- 2000. Vier Jahre später zog die NPD mit 9,2 Prozent schaftliche Akteure nicht als gleichwertige Partner Stimmenanteil in den sächsischen Landtag ein. akzeptieren. Eine kritische Zivilgesellschaft wurde 2015 erneuerte er seine These, indem er behauptete, seit der Einheit eher geschwächt als gestärkt.53 Laut die an den Ausschreitungen gegen die Polizei betei- einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung bildet ligten Nazi-Hooligans in Heidenau stammten alle Sachsen gemeinsam mit Bayern das Schlusslicht bei aus dem Westen.52 Die sächsische CDU gilt dabei mit der politischen Bildung in allen Schularten.54 Eine einem starken rechts-nationalistischen Flügel als sich neutral gebende und nicht zuständig fühlende konservativster Landesverband der Union. Und Verwaltung sowie die mangelnde Positionierung auch die sächsische FDP mit ihrem Landesvorsit­ selbstgefälliger lokaler Eliten trugen weiter dazu zenden Holger Zastrow fiel immer wieder durch bei, dass sich Dresden jahrelang schwer tat, ein ­populistische Argumentationen auf. Die FDP-nahe klares Zeichen gegen Rechts zu setzen. Kritiker wur- Wilhelm-Külz-Stiftung hatte Akif Pirinçci mit sei- den gern als „Westdeutsche“ oder „Zugezogene“ nen Hasstiraden bereits im November 2014 einge­ dif­famiert, die kein Recht hätten, in Dresden das laden – ein Jahr vor dem Eklat auf der Pegida-­ Wort zu erheben.55 Demonstration. Ferner wird die Pegida-Bewegung in Dresden da- Allgemein besteht in Sachsen – mit der Ausnahme durch begünstigt, dass sie mit Lutz Bachmann an von Leipzig – seit jeher nur eine schwächelnde Ge- der Spitze im Gegensatz zu anderen „-gidas“ eine genmacht gegen rechte Umtriebe. Lange Zeit stell- ­äußerst erfolgreiche und clever kommunizierende ten für viele Dresdner die Gegendemonstrationen Marketingmaschine zur Verfügung hat. Bachmann an jedem 13. Februar das größere Problem dar als schafft es, durch radikale Statements ein rechts­ die marschierenden Nazis, die an den angeblichen populistisches Milieu genauso anzusprechen wie „Bomben-Holocaust“ erinnerten. Auch deshalb mit gemäßigten Positionspapieren eine bürgerliche ­wurde Dresden zum zweiten Mal „Hauptstadt der Klientel. Andere „-gidas“, etwa Legida in Leipzig, re-

50 Sonntag war 1987 aus der DDR ausgewiesen worden und kam Ende 1989 wieder zurück. Auch aus solchen Personalien hält sich hart- näckig das Gerücht, die Nazis seien aus dem Westen gekommen. Allerdings ist auch Teil der Wahrheit, dass viele Neonazi-Führungs­ kader aus dem Westen 1990 in die DDR kamen, um die neue Massenbasis rechtsextremer Unterstützer zu nutzen, und den ostdeutschen Skinheads ideologisches Rüstzeug und organisatorisches Know how vermittelten. 51 Vgl. Siegler 1991. 52 Interview mit Kurt Biedenkopf, in: LVZ, 20.9.2015. 53 Vgl. u.a. Herrmann 2015. 54 Kalina 2014: 46-49. 55 Siehe beispielhaft bei Henning 2015: 118. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 15

duzierten sich viel deutlicher auf offensichtlich Auch wenn diese Spannungen erst mal gar nichts rechtsradikales Gedankengut oder wurden sichtbar mit den Flüchtlingen zu tun haben sollten. […] Das von Nazis oder Rechtsradikalen organisiert. Thema Asyl wird von vielen benutzt, um den Un- mut über die Einheit, den Westen, die eigene Bio­ Die gemäßigten Positionspapiere waren eine zen­ grafie zu transportieren.“58 trale Ursache dafür, dass fast jeder zweite Deutsche meinte, dass Medien und Politiker über die Pegida- Andere Beobachter interpretieren es ähnlich: Gerade Demonstrationen nicht objektiv berichteten,56 denn in Ostdeutschland gebe es nun mal „stärker ausge- in der Tat waren die Forderungen in den Papieren prägte Gefühle der Deprivation, des Zukurz-gekom- nicht rechtsextrem. Bachmann selbst gilt bei vielen – men-Seins“ – man könnte hinzufügen: gefühlter trotz seiner kriminellen Vergangenheit – als authen- Demü­tigung und Abwertung der eigenen Biografie. tischer Gegenentwurf zu den verhassten Politik­ Es ist kein Zufall, dass sich viele Pegida-Sympathi- eliten, ähnlich wie Sarah Palin oder Donald Trump santen in Podiumsdiskussionen als ehemalige DDR-­ bei der US-amerikanischen Tea Party-Bewegung. Der Diplom-Ingenieure, NVA-Offiziere oder Akademiker spricht ‚wie wir‘, entschuldigt sich wegen Fehlern, ent­puppen, die in der Nachwendezeit kein Bein auf gibt zu, er könne nicht besonders gut reden – so den Boden bekamen oder scheiterten, sei es aus Zu- etwa lauten die Einschätzungen. Bachmann ist bei fall, Pech oder persönlichen Gründen, weil ihnen den harten Fans von Pegida die neue Führerfigur, (vermeintlich) Westdeutsche vorgezogen wurden mit der man am Ende der Veranstaltung Selfies oder sie auf die schiefe Bahn gerieten. „Die Nach- knipst. Der Pegida-Anhänger Sebastian Henning wendejahre, als viele ihre soziale Position einbüßten schreibt in seinem Buch über Pegida: „In Bach- und bis heute nur wenige Aufstiegsperspektiven da- manns Worten […] artikuliert sich die Volksseele zugekommen sind, haben tiefe Spuren hinterlassen. selbst.“ Lutz Bachmann sei ein „unternehmungs­ Deshalb will man aber auch die eigenen (imagi- lustiger Kopf“, ein „volkstümlicher Agitator“, ein nierten) Vorrechte, den eigenen Lebensstil umso „absoluter Werbeprofi“, ein „schlauer Fuchs“ und ­erbitterter verteidigen. Der eigene Konformismus ein „Bürgerrechtler“. „Er allein hat Eigenschaften schlägt daher um in die Abwertung all jener, die an- bewiesen, die so selten sind wie roter Schwefel: Aus- ders und vermeintlich unproduktive Mitesser in dauer, Treue und Zuverlässigkeit.“57 einem unter Stress stehenden Sozialsystem sind: Flüchtlinge, Migranten und Muslime“.59 Auch spezifisch ostdeutsche Erfahrungen scheinen einen enormen Einfluss zu haben: In einer interes- Schließlich gab es in der DDR wie in der Bundes­ santen Recherche der Süddeutschen Zeitung wird republik natürlich auch Rassismus, Rechtsextremis- ein ostdeutscher Beobachter mit den Worten zitiert: mus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. „In der DDR war es keine Kunst, den Westen zu Rechtsextremismus wurde von der SED unter den idea­lisieren. Nun stellt man fest, dass auch dieses Teppich gekehrt, indem man Vorkommnisse ver- System erhebliche Nachteile hat. Eine kritische schwieg oder offenkundige Nazis in den Westen aus- Auseinander­setzung der Ostdeutschen mit der west- reisen ließ. Rassistische Parolen waren tabu und deutschen Lebensweise hat es bislang ja auch nicht wurden daher auch nicht diskutiert oder konnten gegeben, vielleicht war das auch noch gar nicht in Frage gestellt werden – es gab sie offiziell nicht. möglich.“ Und nun liege mit der „Zuwanderung Erst in den letzten Monaten vor dem Ende der und der Mangelhaftigkeit ihrer Organisation­ auf DDR wurden sie wieder sagbar.60 Gleichzeitig wur- einmal ein ideales Trägermedium für alle Unzu­ den Vertragsarbeiter in der DDR bewusst isoliert friedenheit auf der Straße. Ideal, weil es Zuwan­ ­untergebracht, eine Vermischung mit der Bevölke- derung und Probleme damit in so vielen Orten gibt, rung war nicht gewünscht. Auch deshalb hatten die dezentral, und damit für jeden erreichbar. Als Auf­ meisten DDR-Bürger (bis heute) wenige Erfahrungen gabe der Gesellschaft so herrlich komplex, dass man mit „Fremden“. Durch den Zuzug von Geflüchteten alles Mögliche in sie hineinprojizieren kann. […] ändert sich dies rapide. Nicht zuletzt wird bei einem

56 Umfrage INSA, 1/2015. 57 Alle Zitate bei Bittner 2015b, siehe: Henning 2015. 58 Cornelius Pollmer, in: Süddeutsche, 21.07.2015. 59 Nachtwey 2015. 60 Siehe Beschreibung bei Richter 2015. 16 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Vergleich zwischen jüngeren und älteren Ostdeut- Will man die Sympathien für Pegida und Co. über schen deutlich, dass erstere in einem ähnlichen Aus- die rechtsradikalen und rechtsextremen Kernunter- maß zum Autoritarismus neigen wie ihre westdeut- stützer hinaus erklären, scheint daher ein Gefühl der schen Altersgenossen, während letztere, in der DDR Verunsicherung ein zentrales Indiz zu sein. „Im sozialisierte viel stärker als Westdeutsche härtere sozio­ökonomischen Bereich ist diese Verunsiche- Strafen von Verbrechen beziehungsweise ein härte­ rung nicht das Ergebnis einer absoluten materiellen res Vorgehen gegen „Außenseiter und Unruhestif-­ Verarmung. […] Es artikuliert sich hingegen eine ter“ aussprechen. „In der ehemaligen DDR wurde Angst vor einem relativen sozialen, beruflichen und Vielfalt beziehungsweise Diversität als Grundidee wirtschaftlichen Abstieg.“64 eher geringgeschätzt oder sogar geächtet und statt- dessen geradezu ein Mythos der Gleichheit beför- In Sachsen ist die hohe Arbeitslosigkeit zwar zurück- dert.“ Diversität und Differenz wird daher von in der gegangen; die Wirtschaft wächst, die Durchschnitts- DDR sozialisierten Leuten eher weniger als etwas löhne sind gestiegen; Umfragen ergaben eine hohe ­Positives gewertet. „Das schlägt sich (…) in der grö- Lebenszufriedenheit. Auf den zweiten Blick haben ßeren Ablehnung von Vielfalt nieder, die sich auf sich aber bei allen positiven Entwicklungen andere die Unterschiedlichkeit von Menschen bezieht, als Unsicherheiten herausgebildet. Es gibt ein enormes auch im Misstrauen gegen demokratische Aushand- Frustpotenzial, sowohl bei den „Wendeverlierern“, lungsprozesse, in denen unterschiedliche Sichtwei­ ­-­ die nach der Einheit nicht Fuß fassen konnten, als sen und Lösungsstrategien debattiert und verhan- auch bei den „Unzufriedenen“, die sich von der delt werden. Befördert wird dies (…) von einem Wiedervereinigung mehr erhofft hatten oder damit weitverbreiteten, Konformismus verlangenden Auto- hadern, dass 25 Jahre nach der Wende noch unter- ritarismus, der jede Abweichung sanktioniert“. 61 schiedliche Tarifsysteme und Renten gelten. Die Be- troffenen wirken als Multiplikatoren dieser Ent­ 2. Sozioökonomische Ursachen täuschungsstimmung in ihrem persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld. Es entstanden zwar mehr Viele Studien zeigen, dass Fremdenfeindlichkeit mit Jobs, aber in Sachsen stieg besonders die Zahl pre- abnehmendem formalen Bildungsabschluss und kärer Arbeitsverhältnisse. Bei prekärer Zeitarbeit, Einkommen zunimmt. Doch die soziökonomische bei Löhnen unter 8,50 Euro (vor Einführung des Problemlage allein erklärt wenig: Nur weil man Mindestlohns) und bei fehlender Tarifbindung stand ­arbeitslos ist, ist man nicht gleich rechtsextrem. Es Sachsen deutschlandweit an der Spitze. Die Dresdner war daher gar nicht überraschend, dass bei Pegida Neuesten Nachrichten titelten im Juni 2014 zu Recht: keineswegs die prekären Milieus mitliefen,62 wie „Sachsens Wirtschaftserfolge teils auf Kosten der manche Beobachter teils dünkelhaft feststellten, Arbeiter“­ . Ein Teil der sächsischen Erfolgsgeschichte um die „Normalität“ der Bewegung zu betonen. Die fuße auf dem Wettbewerbsvorteil durch niedrige Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung haben seit Löhne, der gut für den Aufschwung sei, aber zu La- langem offengelegt, dass auch Teile der so genann- sten der Arbeiter gehe.65 Wenn Pegida-Organisator ten Mitte der Gesellschaft, die Pegida und ähnliche Bachmann von „armen Rentnern“ spricht, ist dies Gruppen unterstützen, starke rechte Einstellungen auch nicht falsch: In Sachsen droht eine massive aufweisen. Eine Umfrage des Bundesverbands für Alters­armut bzw. ein Status-Verlust im Alter, weil Wohnen und Stadtentwicklung (vhw) verdeutlicht, lange Zeiten der Arbeitslosigkeit und Niedriglohn- dass die Zugehörigkeit zu sozialen Milieus entschei- politik ihren Tribut bei den Rentenbeiträgen for- dend für die Einstellung ist. Während das Milieu der dern. Allerdings haben die Geflüchteten mit alle- „bürgerlichen Mitte“, das „prekäre“ Milieu sowie die dem nichts zu tun, sonden die geringen Löhne und moderne Unterschicht/untere Mittelschicht über- lange Jahre von Arbeitslosigkeit. durchschnittlich ablehnend in der Flüchtlingssitu­a­ tion reagiert, unterstürzen die Konservativ-Etablier- Selbstständige haben angesichts schwacher regiona- ten sowie die modernen, eher individualistischen ler Wirtschaftskreisläufe enorm zu kämpfen. Kleine Milieus die Flüchtlingspolitik.63 Unternehmen wurden oft aus dem Nichts, ohne

61 Zick/Krause/Küpper 2015: 68 und 76. 62 Vorländer/Herold/Schäller 2015a: 49f. 63 Presseinformation vhw, Flüchtlinge, Vielfalt, Wetter 2016.≠ 64 Hillebrand 2015; vgl. Bude 2015a. 65 Weckbrodt 2014. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 17

große Rücklagen oder Erbschaften aufgebaut. Die versickert‘, dass ‚Zuwanderer‘ und ‚soziale Rand- meisten Normalverdiener verdienen in Sachsen gruppen‘ ‚Geld von Vater Staat geschenkt bekom- nicht genug, um sich einen größeren Wohlstand men‘. Man grenzt sich pauschal von den ‚Hartzern aufzubauen. Arbeitnehmer mit relativ hohen Tarif­ oder So­zialschmarotzern im eigenen Land‘ ab, die löhnen arbeiten in denselben Firmen neben Leih­ nicht bereit sind, selber zu arbeiten. […] Irgend- arbeitern und treffen nach Feierabend auf Kollegen, wann ist das ganze Geld weg, wir werden es noch die dasselbe leisten, aber ohne Tarif bezahlt werden. erleben und bei meiner Tochter wird dann gar nichts Diejenigen, die es nach 25 Jahren harter Arbeit ge- mehr da sein‘“.68 schafft haben, fürchten um ihren Status. Auch die Erfolgreichen sehen täglich den möglichen Abstieg All diese Themen werden bei Pegida ganz im Stil der und haben Angst davor, „das Schicksal der Verlierer Neuen Rechten sozialrevolutionär und vulgär-anti- der Globalisierung zu teilen“.66 kapitalistisch aufgenommen. Beispiele finden sich zahlreich in den Reden von Pegida: Die Rheingold-Studie mit dem Titel „Das bedrohte Paradies“ zeigte schon 2013 ein latentes Unbehagen „Es gibt Rentner, die ihr Leben lang gearbeitet in Deutschland und letztlich das Potenzial einer Be- haben und sich an Weihnachten trotzdem kaum wegung wie Pegida auf: „Deutschland wird als ein ein Stück Stollen leisten können. Die in kalten bedrohtes Paradies erlebt, in dem Werte wie Gerech- Wohnungen sitzen oder keinen Strom haben. Es tigkeit langsam erodieren. Die Zukunft ist für die gibt in unserem Land Mütter, die ihren Kindern Wähler derzeit nicht mit verheißungsvollen Vorstel- nichts zum Fest der Liebe schenken können, da lungen verbunden, sondern sie erscheint haupt- die finanziellen Mittel fehlen. Es gibt Menschen sächlich als finstere Drohkulisse und Krisenszena- in unserem Land, die auf der Straße leben müs- rio. Das Schreckgespenst der Krise lauert immer sen und nicht genug zu essen haben. Für diese noch vor den Grenzen Deutschlands. Es soll daher werden keine Heime eingerichtet, geschweige weiterhin so lange wie möglich ­gebannt und in denn über eine dezentrale Unterbringung mit Schach gehalten werden. […] Man hört es im Radio, Vollausstattung diskutiert.“ (Lutz Bachmann)69 im TV; liest es in der Zeitung, man hört und liest über die Krise und die geht zum Glück an einem „Jeden Tag ackern Vater und Mutter fleißig und vorbei!­ 67 kommen trotzdem kaum noch klar, weil Abga- ben und Steuern ihnen die Taschen leeren. Und Die derzeitige Flüchtlingssituation hat nun Dro- die stellen ­verwundert fest, wofür der Staat sonst hungen und Krisen in jede Gemeinde und jeden so bereit ist, das Geld rauszuhauen. (…) Und das Stadtteil getragen. In der Rheingold-Studie gab es in einem Land, in dem wir ständig Wirtschafts- aber schon zuvor „eine wachsende Gruppierung, die wachstum hören, die halbe Welt retten, aber un- ­bereit ist, das Paradies Deutschland aktiv zu schüt- seren Arbeitnehmern eine Rentenkatastrophe zen. Der Status quo soll gegen all die verteidigt wer- bevor steht. “ (Tatjana Festerling).70 den, die die eigene Moral nicht teilen. In den Inter- views oder Gruppendiskussionen wehren sie sich „Die Neubürger [aus der ehemaligen DDR] kos­ gegen die vermeintlichen ‚Denkverbote und Tabus teten […] nun das Zuckerbrot der Reisefreiheit in der offiziellen Politik‘. Mit Leidenschaft und und der ständig verfügbaren Kolonialwaren aus ­Vehemenz zeigen sie auf, durch welche Menschen aller Herren Länder. Sie bekamen aber auch die und Machenschaften sie ‚das kränkelnde System Peitsche der ökonomischen Maßregelung zu Deutschland‘ von innen und außen bedroht sehen. spüren“­ (Sebastian Henning).71 In einer Aggressivität, die in den letzten 25 Jahren in Rheingold-Studien noch nicht beobachtet wurde, Bei der Frage, die die Forschungsgruppe um Dieter wird angeprangert, dass ‚das eigene Geld im ­Süden Rucht Pegida-Teilnehmern stellte, ob „tatsächlich

66 Baumel 2015: 116. 67 Siehe: http://www.rheingold-marktforschung.de/veroeffentlichungen/artikel/Wahl_2013_Das_bedrohte_Paradies.html. 68 Siehe: http://www.rheingold-marktforschung.de/veroeffentlichungen/artikel/Wahl_2013_Das_bedrohte_Paradies.html. 69 Rede Lutz Bachmann, 01.12.2014. 70 Rede Tatjana Festerling vom 01.06.2015, siehe www.tatjanafesterling.de/download/150601_Dresden_TF.pdf. 71 Henning 2015: 24. 18 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Abb. 7: Einschätzung von Pegidisten zur sozialen Spaltung

Stimme Stimme eher Stimme Stimme voll überhaupt Weiß nicht nicht zu eher zu und ganz zu nicht zu Mich besorgt eher die wachsende Spaltung zwischen Reichen und 13,7 30,8 28,2 20,5 6,8 Armen und weniger die Frage von Asylbewerbern und Migranten

Quelle: Rucht 2015. die Fragen von Asyl und Migration und nicht viel- Geld selbst verdienen. „Sie leben in finanziell und mehr die Sorge um die Spaltung zwischen Arm und ­beruflich gefährdeten Verhältnissen, verfügen über Reich ausschlaggebend sei“, tendierten immerhin eine niedrige Schulbildung und ein geringes Selbst- „48,7% zur letzteren Problematik, während dem bewusstsein.“76 Von dieser Gruppe wird das Funk­ 44,5% eher widersprachen“ (siehe Abb. 7).72 Unsi- tionieren der Leistungsgerechtigkeit in Deutschland cherheit und soziale Spaltung sind also zentrale extrem in Frage gestellt, so Bude: Man lande nach Gründe für den Zulauf zu Pegida. 20 Jah­ren Paketetragen, Personenheben oder Boden- wischen in der Grundsicherung – wie Arbeitslose, Die Mitte-Studie der FES hält fest: „Eine stabile sozio­ die nie in die Rentenkassen eingezahlt haben. ökonomische Mitte ist die Basis für einen demokra- Flüchtlinge ­wiederum werden als direkte Konkur- tischen Grundkonsens. Wenn Prekarisierung auf der renz auf dem Arbeitsmarkt gesehen. Für sich neh- einen und wachsender Reichtum einiger Weniger men sie kaum Aufstiegschancen wahr und fühlen auf der anderen­ Seite die sozioökonomische Mitte sich, im Gegensatz zum alten Industrieproletariat, aufzehren, sind demokratische Grundorientierun­ gesellschaftlich, finanziell und kulturell zu ‚Prolls’ gen gefährdet.“73 Das betrifft Ostdeutschland be­ abgewertet.77 „Sie erleben sich von der Gesellschaft sonders, weil die Spaltung zwischen Arm und Reich diskreditiert, und fast die Hälfte dieser Gruppe sieht immer noch eine zwischen­ Ost und West ist, egal ob sich als Verlierer der ökonomischen Entwicklung.“78 bei Vermögen oder Einkommen. Hier setzt Rechts­ populismus an.74 Heinz Bude stellt zudem fest, dass die meisten Ange- hörigen dieser Gruppe ihre wichtigsten Lebensziele 2.1 „Dienstleistungs-Proletariat“ meist als unerreichbar ansehen und es aufgegeben Welche sozialen Gruppen finden sich nun bei den haben, die Welt um sich herum zu verstehen. Man Sympathisanten rechtspopulistischer Bewegungen? bleibe immer auf derselben Stufe, auf der man ange- Laut den Studien von Heinz Bude ist eine zentrale fangen hat. Hier setzt die Unterstützung für Pegida Gruppe das so genannte Dienstleistungs-Proletariat, an: Da ist der Rentner, der sagt, er bekomme eine also etwa Paket-Dienstleister, Gebäudereiniger, Pfle- kleine Rente, weil Flüchtlinge Geld bekommen gepersonal oder Angehörige des Sicherheitsgewer- (nicht wegen seiner persönlichen Erwerbsarmut in bes. Sie besitzen meist ein unbefristetes und voll­ der Vergangenheit). Da ist die Betreute in der Fa­ zeitiges Normalarbeitsverhältnis,­ kommen aber trotz milienhilfe, die sagt, sie suche händeringend eine einer wö­chentlichen Arbeitszeit von 40 bis 50 Stun- Wohnung, und den Flüchtlingen werde einfach eine den nur auf ein monatliches Nettoeinkommen von gegeben. Oder der prekäre Selbstständige, der stolz auf ungefähr 1.000 Euro.75 sein eigenes „Unternehmen“ blickt, aber letztlich auf ein minimales Gehalt beschränkt bleibt. Nicht zuletzt Oftmals sind sie aber auch als prekäre Selbststän­di- werden in der Tat Flüchtlinge vor allem in sozial be- ge organisiert. Gleichwohl sind sie stolz, dass sie ihr nachteiligten Stadtvierteln untergebracht.

72 Rucht 2015. 73 Zick/Krause/Küpper 2015: 72. 74 Zick/Klein 2014: 42; 111. 75 Bude 2015a. 76 Bude/Lantermann 2015. 77 Jones 2012. 78 Bude 2015a. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 19

2.2 Bedrohte Mittelschicht Dazu kommt, dass die Sachsen im Gegensatz zum Eine zweite Gruppe sind Personen mit eher mittlerer Spitzen-Image und zur Wirtschaftskraft Sachsens bei oder hoher Bildung, aber relativ geringem Einkom- schwacher Tarifbindung wenig verdienen; nur die men. „Es sind Bürger, die sich [teilweise sogar] als oberen, meist tarifgebundenen Einkommen profi- weltoffen und modern begreifen. 50 Prozent von ih- tierten in den letzten Jahren. Insgesamt steigt laut nen sind älter als 50, 33 Prozent zwischen 30 und FES-Arbeitnehmerstudie der finanzielle Druck auf 50 Jahre und 17 Prozent jünger als 30 Jahre alt. Sie Teile der Mittelschicht.81 Trotz unterschiedlicher würden es ablehnen, als fremdenfeindlich oder rück- Einschätzungen der finanziellen Situation überwiegt wärtsgewandt bezeichnet zu werden.“ Auch in dieser übereinstimmend das Gefühl, es gebe keine beruf- Gruppe besteht das Gefühl einer mangelnden Lei- liche Sicherheit mehr, obwohl man sich anstrengt; stungsgerechtigkeit, weil sie trotz relativ hoher Bil- externe Bedingungen und „die da oben“ bedrohten dung in prekären finanziellen und beruflichen Ver- durch Missmanagement (VW) oder Umstrukturie- hältnissen lebt. „43 Prozent erleben sich als Verlierer rungen den Job. Die vielschichtige Konkurrenz auf der ökonomischen Entwicklung. 72 Prozent sehen mit dem Arbeitsmarkt verstärkt die Unsicherheit noch. tiefem Pessimismus in die Zukunft, und das, obwohl Nicht zuletzt fürchten viele anscheinend auch die sie der Überzeugung sind, alle Fähigkeiten­ für die Ge- Facharbeiter-Konkurrenz von Zuwanderern. „Für staltung eines erfolgreichen Lebens zu besitzen.“79 viele Bürger ist die soziale Welt […] hochgradig angstbesetzt.­ Alle Diskurse der Gesellschaft sind auf Diese Leute sind sauer, wenn sie hören, Deutschland Aufstieg ausgerichtet. Doch aus der Gesellschaft des oder Sachsen gehe es so gut. Während viel Aufwand sozialen Aufstiegs­ der alten Bundesrepublik ist in- wegen der selbstverschuldeten Misere der Griechen zwischen eine Abstiegsgesellschaft geworden. Die getrieben werde, rede „über meine Situation kein Mitte ist in den unteren Bereichen geschrumpft, Ab- Mensch. Aber es werden die Arme aufgemacht für stiegsängste haben sich ausgebreitet. Man trampelt Leute, von denen wir überhaupt gar nicht wissen, was auf der Stelle. Man gibt sich dem Wettbewerb hin, die ­eigentlich in unserem Lande vorhaben“.80 Es är- bildet sich fort, arbeitet immer mehr, verdichtet die gert viele, dass auf einmal Geld da zu sein scheint, das Poren des Tages immer produktiver im Dienste der für „Einheimische“ bislang nicht da zu sein schien – Leistung. Man verzichtet auf Ansprüche an das gute gerade­ in Sachsen betonte die CDU jahrelang, man Leben, ist pflichtbewusst und verhält sich konfor­ müsse sparen. mistisch – aber es geht nicht voran.“82

Abb. 8: Aussagen von Pegida-Teilnehmern zum Thema „Zukunftsängste“

Ich fürchte mich sehr...

...vor dem Verlust nationaler Identität und Kultur.

...davor, dass es den kommenden Generationen in Deutschland eher schlechter gehen wird. ...davor, dass unser Land immer mehr in die Europäische Union einzahlt. ...davor, dass ich Opfer eines Terroranschlages werden könnte. ...davor, dass es mir insgesamt eher schlechter gehen wird. ...vor dem Verlust von Leistungen aus der sozialen Sicherung. ...davor, dass Deutschland an Einfluss in der Welt verliert.

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Quelle: Rucht 2015.

79 Bude/Lantermann 2015. 80 Bude 2015b. 81 Embacher 2015: 7. 82 Nachtwey 2015. 20 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Es ist daher kein Zufall, dass die Mehrheit der Be- bewerbspopulistische Potential offenbar als poli- fragten in den Straßen-Umfragen entweder angab, tisches Sprachrohr auf und scheinen gerade diese ein unterdurchschnittliches Einkommen im Ver- ökonomisch menschenfeindliche Verbindung zu gleich zu sächsischen Normalverdienern83 oder zu kanalisieren. Vor allem hier – bei Personen, die mit Arbeitnehmern in Westdeutschland84 zu erhalten. den Argumenten der AfD sympathisieren – sind „Pegida ist tatsächlich die sich selbst als sozial und marktförmiger Extremismus und Bedrohungsgefüh- ­kulturell bedroht sehende untere Mittelschicht: le besonders stark vertreten“. Hier zeigt sich auch eine Selbständige, Erwerbstätige aus den Zwischenzonen starke Verbindung mit einem Sozialdarwinismus: von Sicherheit und Unsicherheit, deren Leben beson- „AfD-Sympathisanten und bedrohte Personen, die ders stark aus dem täglichen Kampf der Selbstbehaup- marktförmigem Extremismus zustimmten, vertraten tung besteht.“85 Solche Einstellungen spiegeln sich auch besonders stark die Meinung, dass sich, wie in auch in den ­Straßenumfragen wider (siehe Abb. 8). der Natur, auch in der Gesellschaft der Stärkere durchsetzen sollte, dass es wertvolles und unwertes 2.3 Solide Mitte Leben gebe und dass die Deutschen anderen Völ- Viele Pegida-Sympathisanten rekrutieren sich mit kern von Natur aus überlegen­ seien.“ Menschen, dem Blick auf die Einkommens- und Bildungsvertei- die zusätzlich Angst um ­ihren Lebensstandard ha- lung aus der „soliden Mitte“.86 Sie arbeiten laut den ben, sind anfällig für marktförmigen ­Extremismus Stu­dien von Heinz Bude meist in Vollzeit als An­ und rechtsextreme Ein­stellungen – auch in der gestellte, Selbstständige oder Freiberufler.87 Dieser Mitte der Gesellschaft.89 Gruppe geht es „im Großen und Ganzen gut. Man verfügt über eine mittlere Schulbildung und lebt in 3. Gesellschaftliche Ursachen finanziell undberuflich ­ gesicherten, wenn auch nicht üppigen Verhältnissen. Man fühlt sich weder 3.1 Ringen um Identität, Heimat, soziale bedroht noch an den Rand gedrängt. Im Gegenteil: Anerkennung und Status Menschen aus dieser Gruppe haben ein hohes Die Erfolge rechtspopulistischer Parteien in den Selbstbewusstsein und die Gewissheit, ihre Lebens­ Nachbarländern sind nicht nur durch deren Propa- ziele weitgehend erreicht zu haben.“ Trotzdem blickt ganda und sozioökonomische Faktoren zu erklären. etwa die Hälfte pessimistisch in die Zukunft. „Sie Parteien wie der Front National (FN) sprechen auch wünschen sich eine Gesellschaft zurück, in der die Themen wie das (vermeintliche) Brüchigwerden so- tradierten Werte wieder zählen: Sicherheit, Diszi­ ­- zialer Verbindungen und nationaler Ordnungen an, plin und Leistungswille. Sie sehnen sich nach klaren die linke und linksliberale Parteien kaum noch the- Lebensverhältnissen zurück, die nicht länger gestört matisieren. „Die Soziologie der FN-Wähler ist eine werden von Menschen, die anders denken und le- linke Soziologie, die sich heute nicht nur gegen ben als sie.“ Sie haben die Sorge, dass es ihnen in „die Bosse“ richtet, sondern auch gegen eine liberale Zukunft schlechter gehen könnte.88 Globalisierung und gegen die multikulturelle Ge­ sellschaft. […] Dabei ist die Klarstellung wichtig, Diese Gruppe neigt deutlich einem marktförmigen dass nicht der FN auf die Unterschichten setzt, son- Extremismus zu. Diese Form des Extremismus öffnet dern die Unterschichten setzen auf den FN, um aufgrund der ihm innewohnenden Wettbewerbs­ sich gegen die Globalisierung zu wehren und ihre logik und des auf Menschen bezogenen Kosten-Nut- Besorgnis über Migrationsströme zu bekunden.“90 zen-Kalküls die Türen für Abwertung und Ausgren- Letztlich profitieren die untere Mittelschicht und zung mit dem Argument mangelnder Nützlichkeit die Unterschicht nicht davon oder wollen nicht und Ineffizienz. Hier findet sich der Anknüpfungs- ­davon profitieren, dass man in Lissabon studieren, punkt zu Pegida und anderen fremdenfeindlichen in London arbeiten und in Luxemburg ein Bank­ Bewegungen: Diese greifen „das vorhandene wett­ konto eröffnen kann.

83 Patzelt 2015. 84 Vorländer/Herold/Schäller 2015a: 48f. 85 Nachtwey 2015. 86 Vorländer/Herold/Schäller 2015a: 48f. 87 Geiges/Marg/Walter 2015. 88 Bude/Lantermann 2015. 89 Zick/Klein 2014: 117f. 90 Guilluy 2015. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 21

Die Idee eines autoritären Nationalismus bekommt diger des Abendlandes äußerte, selbst aber nicht gerade in Osteuropa (etwa in Ungarn oder Russland) wusste, dass der Dreikönigstag an die „drei Weisen eine immer stärkere Unterstützung – auch in Ost- aus dem Morgenland“ erinnert. Hingegen meinte er, deutschland verbunden mit einem zunehmenden der Dreikönigstag sei auf das Dreikönigsbündnis Anti-Amerikanismus. Es sind viele Rechtskonserva- zwischen Preußen, Sachsen und Hannover zurück- tive dabei, welche mit der Moderne allgemein und zuführen.93 der Modernisierung Sachsens nicht zurechtkom- men, wobei die Modernisierung mit der Deutschen Verstärkt wurden diese Tendenzen durch die Strate- Einheit und einer (vermeintlichen) Übernahme durch gie der seit 1990 regierenden CDU. Diese versuchte Westdeutschland gleichgesetzt wird. In den Straßen- genauso wie die FDP, die Identitätslücke nach dem umfragen äußerten Pegida-Anhänger am meisten Ende der DDR und das gleichzeitig aufwallende Angst vor einem Verlust der nationalen Kultur und ­Nationalgefühl in einer sächsischen Identität zu Identität (siehe Abb. 8). Weil sich in Ostdeutschland bündeln. Bewusster oder unbewusster Teil dieser ganze Landstriche leeren und junge Leute in den Stra­tegie war es, Sachsen immer als „Spitze“ und Westen oder in die Städte ziehen, verstärkt sich die- „herausragend“ und die Sachsen als „besser“ als alle ses Gefühl enorm. Ohnehin haben der Zusammen- anderen Ostdeutschen und Osteuropäer zu bezeich- bruch der DDR und die daraus resultierende Ent­ nen und mindestens (wirtschaftlich) als gleich gut wertung von Biografien viele ideell entwurzelt. Man wie die Westdeutschen. Daraus ergab sich als nicht hat zwar jahrelang die mit einem Sachsenpatrio­ intendierte Nebenwirkung eine Stärkung chauvi­ tismus umrahmte tendenziell marktradikale Politik nistischer und populistischer Positionen. Kritiker unterstützt, doch das Motto „jede(r) ist seines oder sächsischer Verhältnisse wurden schon mal als ihres Glückes Schmid“, hat auch viele allein zurück- „Miesmacher“ oder – zugespitzt – als „Volksverräter“ gelassen. Manche suchen ihr Heil daher (erneut) in dargestellt. Manche Argumentationen von Pegida einer Volksgemeinschaft,91 wenn etwa der Pegida- fallen derart auf fruchtbaren Boden. Autor Sebastian ­Henning schreibt, die DDR habe „zumindest das Volk nicht leugnen“ können, wenn- 3.2 Rechtsextremismus und gruppenbezogene gleich der Materialismus der Honecker-Ära den Menschenfeindlichkeit Volksgedanken verflacht habe, um dann nach 1989 Anders als Sachsen-Anhalt oder Thüringen hat „zur Bevölkerung und Zivilgesellschaft entwertet zu Sachsen bislang keinen Monitor zur gruppenbezo- werden. Nun tritt es [mit Pegida] wieder hervor.“92 genen Menschenfeindlichkeit erstellt. Eine Umfrage Dabei scheint diese Sehnsucht nach einer Volksge- des Instituts für Kommunikationswissenschaften meinschaft nicht nur Ausdruck der Verlustgefühle von 2009 ergab allerdings, dass „der faschistoiden aus der DDR und der Enttäuschungen aus der Wen- Aussage ‚wir sollten eine Führerpersönlichkeit ha- dezeit zu resultieren, sondern auch der hohe Grad ben, die Deutschland zum Wohle aller mit starker an Säkularisierung könnte eine Rolle spielen. Frank Hand regiert‘ jeder vierte Sachse zumindest teilweise Richter hat derart die These aufgestellt, dass bei vie- zustimmt. Der eindeutig rassistischen Aussage ‚Wir len Menschen Religion als ethische Grundlage fehle, sollten darauf achten, dass wir das Deutsche rein er- es dann aber nur noch „die Vernunft“ gäbe. Doch halten und Völkervermischung verhindern‘ kann die ethische Bildung, das humanistische Bildungs­ jeder fünfte Sachse etwas abgewinnen. Den harten ideal sei zu lange vernachlässigt worden und spiele Kern bilden dabei die zehn Prozent Befragten, die bei Pisa auch keine Rolle. Auch deshalb scheint die dieser rassistischen Aussage ‚voll und ganz zustim- Feindlichkeit gegenüber dem Islam so groß: Man men‘“.94 Sachsen ist auch in aktuellen Umfragen habe insgesamt ein Misstrauen gegenüber Transzen- „flüchtlingskritischer“, es liegt mit zehn Prozent denz und Glauben bzw. hat man einfach auch keine weit über dem Durchschnitt der Gesamtbevölke- Ahnung. Ein wunderbares Beispiel ist der FDP Poli­ rung.95 Auch wenn Dresden im Vergleich keine tiker Jörg Neumann, der sich auf dem traditionellen ­besonders hohe Fremdenfeindlichkeit aufweist, so Dreikönigstag der FDP positiv über Pegida als Vertei- hat doch ein Drittel der Dresdner Sympathien

91 Vgl. Bittner 2015b. Siehe Beispiele bei Michael Beleites und Sebastian Henning, in: Henning 2015. 92 Henning 2015: 93. 93 Sparrer 2016. Laut Finkbeiner u.a. (2016) sind fast alle Pegida-Demonstranten konfessionslos. 94 Donsbach 2009. 95 Umfrage Uniqma, in: Sächsische Zeitung, 26./27.09.2015. 22 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

„für die Idee, Ausländer wieder nach Hause zu Vor allem Menschen mit extremen­ Meinungen, die zu schicken, wenn Arbeitsplätze knapp werden, ein Recht glauben, dass ihre Ansichten sozial nicht unbe- Viertel fühlt sich angesichts ‚der vielen Ausländer‘ dingt erwünscht sind, schweigen lieber.“100 ‚wie ein Fremder im eigenen Land‘.“96 Und das, obwohl Dresden von allen deutschen Großstädten 3.3 Misstrauen gegen das Establishment – die niedrigste Ausländerquote aufweist. Politiker, Parteien und Medien Laut Aussagen von Pegida-Demonstranten war das Zwar sind größere Teile der Unterstützer und Sym­ Hauptmotiv für die Teilnahme eine generelle „Un- pathisanten wie beschrieben mehrheitlich nicht zufriedenheit mit der Politik“ sowie „Kritik an ­extrem rechts einzustufen – anders als die Organi­ ­Me­dien und Öffentlichkeit“. Erst danach folgten satoren und ein erheblicher Teil der mitlaufenden Ressentiments gegenüber Zuwanderern und Asyl­ Demonstranten (siehe Abschnitt II.5). Trotzdem prä- bewerbern. Das Misstrauen lag bei den Befragten gen scheinbar „nationalistische und fremdenfeind- weit über dem Durchschnitt der Gesamtbevölke- liche Ressentiments deutlich das Erscheinungsbild rung. Schenken im Durchschnitt etwa 66 Prozent der Abendspaziergänge“.97 Die Göttinger Forscher- den Parteien und 55 Prozent dem Bundestag wenig gruppe formulierte: „Es dominierte das kultura­­-­ oder kein Vertrauen, sind es bei den Pegida-De­ listisch-rassistische antimuslimische Ressentiment.“98 monstranten fast 100 bzw. über 90 Prozent (siehe „Diese dunkle Stimmungslage reicht bis weit in die Abb. 9).101 Mitte der bundesdeutschen Gesellschaft hinein und ist für eine zivilisierte Demokratie gefährlich. Sie Dies bestätigten auch die Mitte-Studien der FES. hat sich in den letzten Monaten in auffälliger Weise ­Personen, die allgemeine Demokratiezweifel haben, Bahn gebrochen, zuerst gegen eine vermeintliche stimmen rassistischen und islamfeindlichen Aus­ ‚Islamisierung‘ als Code für die offene Abwertung sagen stärker zu als der Durchschnitt der Bevölke- von Muslime. (...) Mit Wut, Verachtung und Abwer- rung. „Noch deutlicher zeigt sich dies bei Personen, tung kann man heute Menschen in den öffentli- die eine pauschale Kritik an Politikern üben. Dies ist chen Raum locken.“99 Bei aller Heterogenität der häufig auch ein Ansatzpunkt rechtspopulistischer Demonstranten sind die „-gidas“ trotzdem gleich- Politiker, die sich gezielt als Saubermann, recht- zeitig eine Bewegung des Mitte-Rechts-Spektrums schaffen und bürgernah geben und sich so von der Bevölkerung. Ähnliches zeigt sich bei den Politikern demokratischer Parteien abgrenzen.“102 160.000 Personen, die auf Facebook „gefällt mir“ Auch Personen, die meinen, dass politische Eliten für die Pegida-Seite drückten und besonders viele die Demokratie missachten, stimmen dieser Abwer- „Likes“ auf rechten Seiten setzen und auf solchen, tung wesentlich häufiger zu.103 die Verschwörungstheorien vertreten, etwa die der NPD, der German Defense League, der Germani­ In vielen Fällen scheint es eine Motivation zur Be­ schen Götterwelt, von KenFM, Aufwachen Deutsch- teiligung an Pegida zu sein, „die da oben“ zu ärgern. land oder Thor Steinar. Ähnlich wie die Umfragen Heinz Bude stellt in seiner Analyse der von ihm so unter Demonstranten hat zwar auch die Analyse der genannten „Koalition der Angst“ der oben beschrie- Facebook-Daten nur eingeschränkte Aussagekraft. benen sozialen Gruppen fest: „Man attackiert zuerst „Nicht alle, die Pegida auf Facebook mögen, gehen Politiker, von denen angenommen wird, dass sie zu den Demonstrationen, und nicht alle, die de- sich den Staat als Beute genommen und nichts an- monstrieren, sind Mitglied bei Facebook. […] Gleich- deres im Sinn haben, als wiedergewählt zu werden; zeitig umgeht die Untersuchung der Facebook-­Daten dann spießt man Journalisten auf, denen unterstellt ein typisches Problem jeder Befragung: die soziale wird, dass sie heimlich auf der Gehaltsrolle von Lob- Erwünschtheit. […] Das beeinflusst ihre Antwort. […] byisten und Werbern stehen; und schließlich läuft

96 Donsbach 2009. 97 Vorländer/Herold/Schäller 2015b. 98 Geiges/Marg/Walter 2015: 181. 99 Zick/Küpper 2015: 11. 100 Biermann/Blickle/Venohr 2015. 101 Rucht 2015. 102 Zick/Klein 2014: 90f. 103 Zick/Klein 2014: 92. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 23

Abb. 9: Vertrauen in Institutionen

100 90 80 70 60 Wenig Vertrauen 50 40 Überhaupt kein Vertrauen 30 20 10 0

Die Polizei Die Banken Die Parteien Die Kirchen Die Gerichte Der Bundestag Das Fernsehen

Das Zeitungswesen Die Großkonzerne Die Bundesregierung Die Europäische Union

Bürgerinitiativen und NGOs Quelle: Rucht 2015.

man rot an, wenn Repräsentanten von Verbänden loren zu haben – oder haben es nie gewinnen kön- auf dem Bildschirm erscheinen, die immer nur die nen. Unerfüllbare Versprechungen aus der Wende- erwartbaren Erklärungen abgeben.“ So wird laut Zeit, die kriminellen Energien im Rahmen der Bude „diffuses Systemvertrauen, das besagt, dass bei Treuhandverkäufe, der (vermeintliche) Ausverkauf aller Kritik im Einzelnen im Grunde alles in Ord- der DDR an Westfirmen, betrügerische Gebraucht- nung ist, durch ein ebenso diffuses Systemmiss­ wagen- und Versicherungshändler und die für viele trauen ersetzt, das trotz positiver Nachrichten über als persönliche Katastrophe erlebte Transforma­ die Rückkehr des sozialen Wohnungsbaus oder den tionszeit nach 1990 waren Gründe unter vielen, wa- Aufbau einer europäischen Bankenaufsicht immer rum sich nur wenig Systemvertrauen aufbauen nur die Bestätigung für den Eindruck sucht, dass konnte. nichts in Ordnung ist“.104 Nur aufgrund dieses Systemmisstrauens werden selbst die absurdesten Dazu kommt nun auch noch Systemmisstrauen. Lügen geglaubt oder wenigstens für möglich gehal- Das neoliberale Diktum der „Alternativlosigkeit“, die ten und damit letztlich als wahr bezeichnet. (scheinbare) Machtlosigkeit der Politik, die Delegi­ timierung demokratischer Verfahren, die Krise der In Ostdeutschland wird dieser Beweggrund bestärkt, sozialen Demokratie sowie Erfahrungen post-demo- weil persönliches Versagen sowie gesellschaftliche kratischer Politik besonders im Rahmen der Banken- Probleme eher ‚dem System‘ und ‚denen da oben‘ Krise,105 der Verhandlungen über TTIP oder auch der angelastet werden, die persönliche Verantwortung NSA-Affäre haben zwar in ganz Deutschland das und gesellschaftliche sowie sozioökonomische Ent- Misstrauen in Politik und Staat gestärkt, doch im wicklungen aber weniger reflektiert werden. Viele ­Osten bestand eben kaum Systemvertrauen, welches Politiker bekamen Briefe, in denen gedroht wurde, die Kritik konstruktiv hätte abfedern können.106 wenn sie nicht das lokale oder persönliche Pro- Ferner hat die Berichterstattung über der Ukraine- blem X (Straßenbau, Flutschutz etc.) angehen wür- Krise im Sommer vor Pegida das bestehende Miss- den, gingen die Absender zu Pegida. 60 Prozent der trauen gegen „die“ Medien geradezu explodieren Sachsen, aber nur 47 Prozent deutschlandweit ga- lassen. Laut einer Forsa-Umfrage (10/2015) stimm- ben an, die Politik sei Schuld an der Ausländerfeind- ten 44 Prozent mehr oder weniger der Aussage zu, lichkeit, weil sie keine politische, finanzielle und die Medien in Deutschland­ seien „von ganz oben organisatorische Vorsorge getroffen habe (Umfrage gesteuert“ und verbreiteten „geschönte und unzu- Uniqma 9/2015). Viele scheinen in den 25 Jahren treffende Meldungen“. Allerdings dürfen diese Zah- nach der friedlichen Revolution das Vertrauen ver- len nicht überschätzt werden, weil viele zwar „den

104 Bude 2015a. 105 Vgl. Demuth 2011: 9-38. 106 Vgl. Zick/Krause/Küpper 2015: 69f. 24 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

Medien“ misstrauen, ihrer persönlich genutzten Zei- 21-Gegnern. „All diese Bewegungen verbindet ein tung etc. aber weiterhin Vertrauen entgegenbrin- tiefer antiinstitutioneller Impuls der Selbstermäch­ gen. Die Negativ-Wahrnehmung wird aber durch tigung. […] es war auch [immer] Protest für mehr Verschwörungstheorien und „Wahrheits“-Seiten be- Bürgerbeteiligung. Von seiner Natur her war der kannter rechter Politikunternehmer im Querfront- Wutbürger eher links, ökologisch und libertär, aber bündnis mit linksradikalen Amerika-Hassern im In- seine soziale Basis, die expert citizens, vertraten ihre ternet gefördert. Das von vielen als Staatsversagen Position häufig in einer apodiktischen Weise, die wahrgenommene chaotische Agieren der Verwal- keinen Widerspruch duldete. Hinter seinen plebiszi- tung in der derzeitigen Flüchtlingssituation hat tären, basisdemokratischen Orientierun­gen lauerte dieses Denken noch verstärkt. schon damals bei einigen eine autoritäre Versu- chung, die auf Effizienz und Expertentum setzt.“108 Die Folge: Sichtbare Fortschritte, Korrekturen oder komplizierte Sachverhalte werden nicht wahrge- Dabei besteht ein ausgeprägter Egoismus und eine nommen oder als selbstverständlich erachtet, Miss- Ich-Bezogenheit, nicht nur in Bezug auf das be- stände dagegen überhöht. Schaut man auf die rühmte Nimby-Prinzip („Not in my back yard“), ­Zahlen der FES „Mitte“-Studie, so sieht man, wie sondern allgemein auf die eigene Lage. Hört man groß das Misstrauen bei vielen Nichtwählern, aber Aussagen wie „Die hören nie aufs Volk“, kann man auch bei AfD- und Linkspartei-Wählern ist. Hier sicher sein, dass meistens gemeint ist: „Die hören ­besteht enormes Potenzial etwa für die Forderung nicht auf mich, meine Probleme, meine persönliche der AfD nach mehr direkter Demokratie und einer Meinung und mein Wissen“. Es bedeutet meist nicht autoritären Demokratie à la Orbán oder Putin – „Wir sind das Volk“, sondern „Ich bin das Volk“. oder eben für eine Bewegung wie Pegida. Weil Poli- Gleichwohl schafft es Pegida durch den rechtspopu- tik und Wirtschaft immer komplizierter erscheinen, listischen Diskurs „wir gegen die“, ein Kollektiv an sind auch Verschwörungstheorien zur Komplexi­ egoistischen Einzelpersonen zu mobilisieren. Die tätsreduktion weit verbreitet. Attraktivität von Pegida scheint auch daher zu rüh- ren, „dass sie sich als Solidargemeinschaft anbot, 3.4 Wutbürgerliches Selbstbewusstsein in den wöchentlichen Protesten den einzelnen das Skepsis ist nicht die Sache der Wutbürger, sondern Erlebnis von Zugehörigkeit vermittelte und sonst eine höchst selbstbewusst vorgetragene Pseudoskep-­ wenig erlebten Gleichklang mit vielen anderen her- sis und Selbstsicherheit.107 Dies unterscheidet viele stellte“.109 Dies be­inhaltet die Konstruktion einer Pegidisten nicht von anderen Bewegungen der „deutschen Opferrolle“­ 110 etwa bei der Griechenland- letzten Jahre wie den Piraten oder den Stuttgart krise oder der Aufnahme von Flüchtlingen. Diese kollektive Opfer­rolle wird mit den persönlichen Mo- tivlagen, Vorurteilen­ und realen gesellschaftlichen Problemen zu einem gesellschaftlichen Zerrbild ver- schmolzen und mit verschwörungstheoretischen An- sätzen verschärft, denen zufolge ‚die Deutschen‘ alle Opfer sind. Hier kann auch die Ideologie der „Volks- gemeinschaft“ der „Neuen Rechten“ anknüpfen.

Aus dieser Haltung heraus resultiert die Gegenwehr gegen eine vermeintliche oder echte Political Cor- rectness, insofern diese Gegenwehr nicht ein tak- tischer Versuch ist, rassistische Positionen hoffähig zu machen. Pegidisten haben ein enormes Sen- dungsbewusstsein. Von einer Göttinger Forscher- gruppe durchgeführte Fokusgruppen zeigten, dass

107 Siehe hier die auch die Ergebnisse der Fokusgruppen Geiges/Marg/Walter 2015. 108 Rucht 2015. 109 Geiges/Marg/Walter 2015: 192. 110 Natürlich könnte man auch den Opfermythos um die Bombardierung Dresdens nennen, wenngleich dieser nicht die Unterstützung von so vielen jungen Demonstranten und Auswärtigen erklären kann. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 25

die Befragten „die Mainstream-Medien als unfrei, Halbwissen konfrontiert, durchsetzt mit Un- und gleichgeschaltet, gesteuert und propagandistisch ab- Halbwahrheiten. Dies wird jedoch mit einem hohen lehnen. Diese wirkten nur auf die ‚uniformierten‘ Selbstbewusstsein und dem Bewusstsein vorgetra- Menschen, sie selbst hingegen hätten die ‚Staats­ gen, die (einzige) Wahrheit zu kennen, auch gegen- medien‘ durchschaut. Ihr Wunsch: eine neutrale über Experten, deren Wissen sie als manipuliert oder ­Berichterstattung und nichts weniger als die Wahr- gleich als unwissenschaftlich bezeichnen, wenn die- heit“.111 Die „anderen“ seien „indoktriniert“ und „in- se nicht die Meinung des Fragestellers teilen. fiziert“, wohingegen man sich selbst „richtig infor- miere“, um dann unseriöse und propagandistische 3.5 Zusammenfassung: Erklärungsversuche Seiten wie das Compact-Magazin oder PI-News als Die Analyse macht ersichtlich, warum Pegida gerade Quellen zu nennen.112 in Dresden und Sachsen stark werden konnte. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass das Phänomen Dies ist auch der Unterschied zwischen Stuttgart auf Dresden und Sachsen beschränkt bleibt, wie 21-Wutbürgern und Pegidisten: Die an Protesten man derzeit in Erfurt sieht. Gerade Ostdeutschland ­gegen Stuttgart 21 teilnehmende gesellschaftliche scheint angesichts der sozioökonomischen und Mitte wägt ihre Positionen trotz des populistischen gesellschaftlichen Bedingungen enormes Potenzial Vokabulars weiter ab, während sich bei den Be- für solche rechtspopulistischen Bewegungen zu be­ fragten bei Pegida an keiner Stelle eine solche Ab­ sitzen. Sowohl die Episode Sarrazin als auch die Gut- wägung findet, „im Gegenteil: Hier präsentieren sich tenberg-Affäre haben aber gezeigt, dass auch in gerade in der Wahrnehmung von Politikern und Poli- Westdeutschland (rechts-) populistische Argumen- tik recht geschlossene Vorstellungen, […] die durch tationsweisen gegen das „Raumschiff Berlin“, die die eigene Informationsbeschaffung“ auf rechtspo- ­„politische Klasse“ und den „Parteienzirkus“ erfolg- pulistischen Internetseiten „verstärkt wird“.113 Das reich wirken können116 – ohne all diese Phänome­- hat Folgen für deren Wirkung auf die Demokratie: ne gleichzusetzen. „Pegida ist ein hasserfülltes, sich selbst isolierendes Paralleluniversum. Mit Wutbürgertum wie bei Stutt­ Die Analyse hat zudem die vielfältigen und völlig gart 21 hat das alles nichts mehr zu tun. Wutbürger unterschiedlichen Gründe für die Teilnahme und reden noch, hören anderen­ zu, suchen gemeinsame den Erfolg von Pegida deutlich gemacht. Die Teil- Lösungen, wenn die Wut abgekühlt ist. Der Hass, nehmer und Sympathisanten der derzeitigen Bewe- den Pegida kultiviert und der Pegida charakterisiert, gungen haben nicht dieselben Interessen und Moti- schottet die Bewegung ab, lädt sie mit Aggression vationen. Sie gehen dorthin, weil sie persönlich auf und macht sie zu einer Gefahr für alle. Er ist gekränkt wurden oder gegen GEZ-Gebühren sind; reines Gift für eine demokratische Gesellschaft, er weil sie gegen Parlamentarismus und Pluralismus zerfrisst sie.“114 sind oder gegen einen US-Kulturimperialismus; weil sie keine sozialen Aufstiegschancen sehen, sich zu- Die Erfahrung zeigt, dass bei vielen Wutbürgern rückgesetzt fühlen oder ihren wirtschaftlichen Er- trotz des selbstbewussten Auftretens ein „erkenn- folg bedroht sehen. Weil sie rechtsextrem oder bares Nichtwissen über politische Zusammenhänge DDR-Nostalgiker sind oder weil die Staumauer in und das Funktionieren der Demokratie“ zu beob­ ­ihrer Gemeinde nicht gebaut wird. Nur um einige achten ist. „Dass demokratische Politik sehr lange Ursachen zu nennen. Die einzige wirkliche Klammer dauere und Kompromisse suche, dafür bestehe kaum bildet die Konstruktion eines vermeintlichen ge- Verständnis“, so der Leiter der sächsischen Landes- meinsamen, letztlich aber austauschbaren Feindes. zentrale für politische Bildung, Frank Richter. „Viele Dies zeigt sich auch an ­anderen Bewegungen wie hätten ein sehr technokratisches und autokrati-­ der Plauener Initiative „Wir sind Deutschland“. Man sches Politikverständnis“.115 Oft sehen sich Ge- distanziert sich dort zwar von den rechten Organi­ sprächspartner oder Politische Bildner in Diskus­ satoren, aber nicht von den Pegida-Teilnehmern sionen mit einem im Internet recherchierten selbst, obwohl man eigentlich konkurrierende ver-

111 Geiges/Marg/Walter 2015: 101. 112 Geiges/Marg/Walter 2015: 104f. 113 Geiges/Marg/Walter 2015: 116. 114 Honnigfort 2015. 115 Frank Richter zitiert bei Sparrer 2016. 116 Siehe Interview in der ZEIT, 24.11.2011. 26 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

schwörungstheoretische Positionen vertritt: Es do- Deutschland können nur noch Behinderte Poli­ miniert eine Sichtweise, mit der die Schuld an allen tiker werden‘“.119 Übeln der Welt den USA oder den Politikern zuge- • Gewalt und Alltagsrassismus nehmen zu. Be- schoben wird. Auch die ehemalige­ Pegida-Front- schimpfungen und rassistische Ausfälle werden frau Kathrin Oertel wechselte in dieses Lager – und salonfähig. Drohungen gegen Engagierte, An- warf nun ihrerseits Pegida vor, von den Vereinigten griffe auf Geflüchtete und ausländisch ausseh- Staaten gesteuert zu sein, um amerikanische Kriege ende Personen, Attacken auf Parteibüros sowie in islamischen Staaten zu rechtfertigen.117 die Aggressivität insgesamt – auch bei den Geg- nern – haben seit dem Entstehen von Pegida stark zugenommen. IV. Folgen für das politische System und • Das pluralistische demokratische System wird in die politische Bildung Frage gestellt. Die Forderung von Rechtspopu- listen nach „mehr direkter Demokratie“ hat nicht Pegida und andere rechtspopulistische Bewegungen nur demokratische Mitbestimmung zum Ziel, haben erhebliche Auswirkungen auf das politische wenngleich bei manchen Anhängern sicherlich System, wie auch Entwicklungen in Österreich oder sowohl ein „vulgäres Demokratieverständnis zum Ungarn zeigen: Ausdruck kommt, welches Komplexität, Zeitinten­ ­ • Rechtspopulistische Bewegungen bestimmen das sität und Kompromissfähigkeit politischer Mei- Agenda Setting und werden mit ihren Themen nungs- und Entscheidungsprozesse ignoriert“,120 für andere Parteien zu einem zentralen Bezugs- als auch eine ­legitime Kritik an der par­lamen­ta­ punkt. Zudem haben rechtspopulistische Argu- rischen Demokratie. Die „Neue Rechte“ verbindet mentationen einen absurden Einfluss auf andere mit direkter Demokratie­ hingegen auch das ex­ Themen. Ein Beispiel: Die Rente ist demnach ge- plizite Ziel, ­Parteien, Parlamente und die Ge­ ring wegen der Flüchtlinge, nicht wegen Niedrig- waltenteilung auszuschalten, um gleichzeitig die lohn oder langjähriger Arbeitslosigkeit. Direktwahl eines Präsidenten oder Kanzlers zu • Sprache und politische Kultur verrohen, poli- ­fordern – deutlich orientiert an bonapartistischen tische Diskurse werden emotionalisiert – nicht oder faschistischen121 Forderungen nach einem nur in Debatten um die Flüchtlingsfrage. Die Ver- Führer, der das Volk als Ganzes repräsentiert. In spottung von Einzelpersonen gehört zum Grun- Polen oder Ungarn kann man in der Praxis be­ dinventar von Pegida.118 Politiker werden diffa- obachten, wie die „Neue Rechte“ agieren würde, miert mit Ausdrücken wie „Alkoholiker in Brüssel käme sie an die Macht. und Berlin“, „grüne Männlein mit Zipfelmütze, • Diffuses Systemvertrauen wird geschwächt, dif- Turnschuhen und Holzfällerhemd“, „unverschämt fuses Systemmisstrauen gestärkt bis hin zur quakende Mädchen mit Dauerforderungen auf ­Dominanz. Bei immer mehr Leuten entsteht der den Lippen“ oder als „Kommunisten und Kinder- Eindruck, dass „trotz positiver Nachrichten nichts ficker“ beschimpft. Doch auch der Freitaler Ober- in Ordnung ist“ – wenn sie positive Nachrichten bürgermeister Uwe Rumberg (CDU) sprach von überhaupt noch wahrnehmen. Dieses massive Asyl­suchenden als „Glücksritter, die nach Deutsch- Systemmisstrauen ist fast völlig inkompatibel mit land kommen, um auf Kosten der Gemeinschaft diffusem Systemvertrauen („bei aller Kritik im ein sorgloses Leben ohne Gegenleistung zu füh- Einzelnen ist im Grunde alles in Ordnung“), wie ren“. Die sächsische, der FDP nahestehende es in der politischen Bildung vertreten wird. Ein Wilhelm-Külz-Stiftung­ lud im November 2014 zu solches Klima des Misstrauens ist zum einen einer Lesung von Akif Pirinçci, auf der er „links- ­Voraussetzung dafür, dass der Rechtspopulist sei- versiffte Journalisten“ beschimpfte und die Grü- ne Botschaft des „Untergangs des Abendlandes“ nen als „Kindersex-Partei“ verunglimpfte. „Das an die Frau und den Mann bringen kann. Die an­ Publikum klatscht begeistert. Im Hotelsaal applau­ dauernde, emotionalisierte Übertreibung von Un- dieren zunächst auch einige FDP-Politiker […] eif- tergangsszenarien ist in der rechtspopulistischen rig dem Provokateur. Sie lassen ihn geifern: ‚In Argumentation entscheidend: Der Rechtspopu-

117 Vgl. Demuth 2015a. 118 Schielicke 2015. 119 Löbbers 2014. 120 Vorländer/Herold/Schäller 2015b. 121 Bittner 2015a. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 27

list muss das angefixte Publikum weiter bedienen, • Sachsen wird gerade politisiert. Der sächsischen um es bei Laune zu halten. Auch deshalb kündigt Demokratie tut dies gut. Bachmann jede Woche „Überraschungen“ und Problematisch ist jedoch, dass diese Politisierung „Enthüllungen“ an. Zum anderen führt das dif- durch die hohe Emotionalisierung und Aggressi- fuse Systemmisstrauen dazu, dass jede hanebü- vität nicht zur Diskussion genutzt werden kann, chene Botschaft als möglich erachtet oder gar als auch weil die Konfliktkultur in Sachsen nur Wahrheit hingestellt werden kann. In einem schwach ausgeprägt ist. Zudem folgte die Politi- Rede­beitrag der Pegida-Konkurrenz-Bewegung sierung auf eine Phase der Entpolitisierung – viele „Wir sind Deutschland“ in Plauen behauptete Bürger verstehen aufgrund von Halbwissen oder etwa einer der Organisatoren ernsthaft, „das wah- Überforderung Politik überhaupt nicht mehr und re Ziel der Herrschenden“ sei es, dass Bargeld ab- gehen deshalb rechtspopulistischen Zuspitzun­ zuschaffen. „Wenn das passiert ist, dass man uns gen, Lügen und Halbwahrheiten auf den Leim, das Bargeld ­wegnimmt, dann haben wir keinerlei das aber mit viel Selbstbewusstsein. Das hohe Rechte mehr, dann brauchen wir nicht mehr auf Selbstbewusstsein verhindert, dass die Menschen Arbeit gehen. Dann müssen wir aufrufen zum lernen wollen – sie „wissen“ ja schon „alles“ und Generalstreik“­ .122 besitzen „als Einzige“ die Wahrheit“. • Pluralistische Medien werden massiv in Frage • Die Sachsen müssen sich gegen oder für etwas ­gestellt („Lügenpresse“). In Feuilletons und politi- ­positionieren. Das ist neu, konnten sich die meis­ schen Analysen wird seit Jahren Kritik an Medien ten bislang doch durch eine entpolitisierte Land- geübt, etwa in Bezug auf Medien-Konzentratio­ schaft lavieren. Murren statt Klartext und Haltung nen, die Macht der Werbekunden, Empörungs- waren Normalität. Nie zuvor haben sich so viele und Herden-Journalismus oder Einsparungen in Institutionen und öffentliche Personen in Dres- den Redaktionen. Spätestens durch die defizitäre den zu einem Thema positioniert. Berichterstattung über die Ukraine-Krise hat die Problematisch ist allerdings, dass diese Positio­ Verunsicherung weite Teile der Mitte erreicht. nierung bislang nicht positiv genutzt wird, son- ­Allerdings offenbart sich hier keine konstruktive dern in einer Freund-Feind-Haltung verharrt. Es Kritik, sondern ähnlich wie gegenüber der Politik besteht dazu das Dilemma, dass eine klare Hal- ein massives Misstrauen in das Mediensystem tung gegen die rechtsradikale Pegida-Führung als Ganzes. Propagandistische Kampagnen-Por- von Seiten der Demokraten nötig ist, gleichzeitig tale mit klar rechtspopulistischer Aufladung wie nutzt diese Positionierung nur dem Rechtspopu- ­Netzplanet, Kopp-Verlag, Michael Mannheimer, listen. Weil man ihn als gesellschaftlichen Out­ Honigmann oder Deutsche-Wirtschafts-Nachrich­ sider behandelt, wirkt seine Inszenierung als ten oder auch russische Propaganda nutzen dieses ­Gegner des „Alt-Parteiensystems“ erst recht glaub- Misstrauen für ihre eigenen Geschäfte und politi- würdig. schen Interessen. Im Rahmen der derzeitigen • Selbst die Polarisierung könnte man aber als Flüchtlingssituation haben eine ganze Reihe von ­positive Entwicklung verstehen, folgt man der rechten, populistischen und/oder alarmistischen Demokratietheoretikerin Chantal Mouffe. Sie hat Medien große Wachstumsraten­ erzielt.123 Selbst darauf hingewiesen, dass das neo-liberale TINA- Gesellschaftskundelehrer haben Schwierigkeiten, Prinzip („there is no alternative“) zu einer „Schlie- wie Erfahrungen aus der sächsischen Lehrerfort- ßung des demokratischen Raums“,124 zu einer bildung zeigen, berechtigte Kritik an den Medien Entpolitisierung und zu einer Aushöhlung des und rechtspopulistische Propaganda zu unter- Pluralismus als demokratisches Prinzip moderner scheiden. liberaler Demokratien geführt hat.125 Es ergab sich eine vermeintlich neue Einteilung der politischen Allerdings könnte das Auftauchen von Pegida viel- Welt in Freund und Feind – nicht mehr links ge- leicht sogar positive Folgen für die politische Bil- gen rechts, sondern Pragmatiker versus Ideologen. dung haben. Fünf Aspekte seien hier genannt: Das Problem ist allerdings, dass Pegida und AfD

122 „Wir sind Deutschland“-Kundgebung in Plauen vom 01.11.2015, Video eingesehen am 03.11.2015. 123 Siehe www.10000flies.de/blog/die-likemedien-top-100-im-september-fluchtlingskrise-wirbelt-ranking-durcheinander-focus-springt- auf-platz-2-bild-nur-noch-knapp-vorn/. 124 Mouffe 2010: 84. 125 Mouffe 2010: 34. 28 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

diesen Gegensatz ebenfalls nutzen und verstär- cherweise völlig unfruchtbar, da es gute Gründe für ken – letztere ähnlich wie im neoliberalen Dis- die Annahme gibt, dass keine der beiden Varianten kurs („gesunder Menschenverstand“ gegen „ideo- erfolgreich ist.“ Entscheidend sei nämlich zu verste- logisches Parteienkartell“). Beide argumentieren hen, dass das Schwungrad der populistischen Er- anti-pluralistisch. Bachmann bedient clever ge- folgsstrategie darin besteht, ein „wir gegen sie“ und sellschaftliche Spaltthemen wie die wahrgenom- „wir gegen die da oben (Politiker etc.) oder da unten mene Distanz zwischen Politik und Bürgern, zwi- (Flüchtlinge)“ zu konstruieren. Sei eine solche popu- schen ‚denen da oben‘ und ‚denen da unten‘ listische Konstellation einmal etabliert, sagt Misik, sowie den gesellschaftlichen Konflikt zwischen könne man dagegen nur noch schwer argumentativ Akademikern und Nicht-Akademikern. So nutzt vorgehen – was gerade bei Pegida zu beobachten ist. die Polarisierung den Rechtspopulisten und nicht „Das populistische Element wird dann selbstevi- einer plura­listischen Demokratie. dent, es gilt als Klartext, den die anderen nicht hö- • Als Reaktion auf Pegida engagieren sich viele ren wollen […]. Der Populist verbittet sich jedes Ge- ­Bürgerinnen und Bürger für Geflüchtete. Faktisch genargument, denn dieses ist eben kein solches, ist dies die zentrale gesellschaftliche Gegenbewe- sondern der Versuch ihm das Wort zu verbieten.“126 gung gegen die rechtspopulistische Bewegung in Alternativ wird die verschwörungstheoretische ­Karte Dresden. In manchen Stadtteilen und Gemein- gespielt, indem dem Gegenpart vorgeworfen wird, den bildet sich durch dieses Engagement zum er sei gekauft oder manipuliert.127 ­ersten Mal ein zivilgesellschaftliches Netzwerk. Das Problem ist, dass viele Engagierte auszu­ Was hilft also gegen Rechtspopulismus? Politische brennen drohen, sollten sie nicht mehr unter- Bildung kann natürlich nicht die Fehler von Teilen stützt werden. Das Dauerfeuer der „Asylkritiker“ der Politik oder ungute gesellschaftliche Entwick- und natürlich auch negative Erlebnisse in der lungen ausgleichen.128 Robert Misik sagt, helfen Flüchtlingsarbeit haben hohes Demotivations- würde eine progressive Politik, „der die Bürger zu- Potenzial. trauen, dass sie die Welt besser, das Leben sicherer, • Viele Pegidisten scheinen noch nie vorher de- die Wirtschaft gerechter, die Ungerechtigkeiten ge- monstriert zu haben. Pegida führt also zu politi­ ringer, die Fallhöhe zwischen Privilegierten und Un- schem Engagement, könnte man zugespitzt for- terprivilegierten kleiner macht, und die denen, die mulieren. sich – meist zurecht – als zu kurz gekommen empfin- Das Problem dabei ist: Auch weil diese Menschen den, zumindest das Gefühl gibt, einen Fürsprecher noch nie demonstriert haben oder politische zu haben“­ 129. Dazu scheint die politische Bildung ­Prozesse nicht oder falsch verstehen, überschät- auf den ersten Blick wenig beisteuern zu können. zen sie die Demonstration als Protestform. ‚Ich demonstriere, jetzt muss die Politik mir sofort Es ist zudem klar – auch mit dem Blick auf die euro­ eins zu eins folgen‘: Diese Erwartung ähnelt eher päischen Nachbarn –, dass es keine Patentlösungen dem DDR-Eingabewesen als einem demokra­ gibt und Lösungsansätze in der Theorie besser klin- tischen Diskurs. gen, als sie praktisch umsetzbar sind. Wie Misik l­eider richtig anmerkt, sind manche Zielgruppen kaum noch erreichbar, sie wollen auch gar nicht V. Thesen: Folgerungen für die politische ­erreicht werden. Pegida-Anhänger und -Sympathi- Bildung santen, welche die oben genannte Verachtung ge- genüber politischen und medialen Eliten in der De- Welche Folgen hat dies nun für die politische Bil- mokratie pflegen, sehen politische Bildung – dungsarbeit in Sachsen? ähnlich wie die Medien – als Teil des ‚Systems‘, so dass dabei sowieso nur im Interesse der Herrschen- Die in Sachsen hart diskutierte Frage, ob Pegida ent- den gelogen werde. Oder sie empfinden Bildungs­ weder mit null Toleranz zu begegnen sei oder aber angebote als westdeutsche Arroganz und Pater­ auf deren Ängste eingegangen werden sollte, scheint nalismus. Auch scheint es gerade bei älteren laut dem Wiener Journalisten Robert Misik „mögli- Bürgerinnen und Bürgern nur sehr schwer möglich,

126 Misik 2015: 169. 127 Vgl. Demuth 2015b. 128 Demuth 2015a. 129 Misik 2015: 172. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 29

in der DDR gelernte Denkmuster, die zu rechts­ extreme ­Rechte ihre Strategien teilweise ange- populistischen Argumentationen­ passen, noch zu passt hat. Die „Neue Rechte“ bezieht sich in der verändern. Die Versäumnisse der Wendezeit und der R­egel nicht auf Nazis, sondern auf die antidemo- 1990er-Jahre können nicht einfach kompensiert kratischen Vorläufer der konservativen Revolu­ werden. tion in der Weimarer Republik, die wiederum ­intellektuelle Stichwortgeber der Nazis waren. Sie Gleichwohl lohnt es sich natürlich, Strategien und spricht meist nicht von „Rassen“, sondern von Zielgruppenansprache der politischen Bildung zu „Kultur“ – und meint in der Regel dasselbe. Sie überprüfen. Im Folgenden finden sich Thesen, wie bleibt meist innerhalb­ der Grenzen des Legalen die politische Bildungsarbeit auf Rechtspopulismus und ruft nach Meinungsfreiheit und „Political und andere Formen von Systemmisstrauen130 rea­ Incorrectness“ – und will doch nur die Meinung gieren könnte. der anderen­ verbieten. Sie argumentiert ideolo- gisch – und behauptet, nur die anderen seien 1. Strategische Folgerungen für die politische ­Ideologen und Faschisten, man selbst repräsen- Bildung tiere die Mitte­ jenseits von Links und Rechts. ­Didaktisch scheinen dagegen neben analytischen Blickt man auf die erfolgte Analyse, stellen sich Veranstaltungen auch spielerische Ansätze mög- ­verschiedene Herausforderungen für die politische lich (etwa Hate poetry), um den wahren Charakter Bildung. der rechtspopulistischen Bewegungen transpa- rent zu machen.131 1) Die politische Bildung muss weiter über Rechts- extremismus, Rassismus und Ausländerfeindlich­ ­ 3) Politische Bildungsarbeit muss soziale Ängste in keit aufklären. Organisierte Nazis, NPD oder Ver- den Blick nehmen. Dafür kann es sinnvoll sein, treter der „Neuen Rechten“ sind die wichtigsten sich indirekt über andere Themen mit Pegida- Katalysatoren, Multiplikatoren und Organisa- Anhängern zu beschäftigen. Verschwörungsthe- toren der fremdenfeindlichen Proteste, nicht zu- oretisch und rechtspopulistisch vereinnahmte letzt im ländlichen Raum. Sie bieten sich als Pegida-Anhänger gleichen nämlich eher Impf- P­roblemlöser vor Ort an – etwa als „Bürgerinitia- gegnern als rationalen Diskurspartnern, so dass tiven“ mit Namen wie „Besorgte Bürger für…“ der Versuch der Korrektur von Fehlinforma­ oder „Nein zum Heim“. Dies ist nicht neu, die tionen meist scheitert, stattdessen Vorbehalte NPD verfolgt diese Strategie (im Osten) schon ­sogar noch verstärkt werden. Menschen ordnen lange. Die extreme Rechte ist mit für die Ver­ Informationen meist so ein, dass sie zu ihrer breitung von Lügen, Hetze und Gewalt verant- ­bestehenden Meinung passen; widersprechende wortlich. Seit Jahren wurde vor dem Versuch ge- Informationen blenden sie aus oder tun sie als warnt, die Grauzone zwischen extremer Rechter unglaubwürdig ab (Stichwort „Lügenpresse“). Im und Rechtskonservativen zu verwischen. Mit Experiment überprüften Impfgegner allerdings ­Pegida ist das in Dresden und Sachsen teilweise ihre Einstellung eher, wenn sie Erfahrungsbe- gelungen. Die Rolle der „Neuen Rechten“ und richte der Eltern über Krankheitsfolgen gelesen deren antidemokratische und völkische Ideolo- hatten. Überträgt man dies auf durchaus ähn- gie muss auf die Tagesordnung der politschen liche Argumentationsmuster zur Flüchtlings­ ­Bildung – mit Polen und Ungarn gibt es prak- thematik, dann scheint es erfolgreicher zu sein, tische Beispiele in der aktuellen Politik. nicht defensiv die Argumente des Gegenübers zu entkräften, sondern proaktiv die eigentlich hin- 2) Rechtspopulismus stellt die politische Bildung ter der Hetze stehenden Ängste anzusprechen: vor andere Fragen als die Beschäftigung mit klas- die Angst vor Altersarmut, Gründe für geringe sischen Rechtsextremen – gerade auch, weil Löhne und einer bestehenden Leistungsunge- ­populistische Positionen im gesellschaftlichen rechtigkeit in der Gesellschaft. Diskurs an Bedeutung gewonnen haben und die

130 Vgl. Demuth 2011: 9-38. 131 Vgl. Bednarz/Giesa: 192-201. 30 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

4) Politische Bildung muss den Diskurs ‚Wir gegen gangsszenarien: Viele Unterstützer von Pegida die anderen‘ aufbrechen. Selbst in den Medien und Co. freuen sich geradezu über Missstände und manchmal auch in der politischen Bildung und Katastrophen, weil sie hoffen, hierdurch die wird zu sehr in Schablonen gedacht. Dadurch ­Gesellschaft zum gewünschten Systemumsturz werden populistische Argumentationsschema zu treiben. wie ‚die einen gegen die anderen‘ reproduziert. So wird von Fehlern der Politik gesprochen, ob- 6) Skepsis muss gestärkt, Pseudoskepsis entlarvt wohl vielleicht nur eine bestimmte Partei oder werden. Der Blogger Sascha Lobo hat darauf eine Regierungskoalition zu kritisieren wäre. Es ­hingewiesen, dass es sich bei der neuen Mode des wird die EU für eine Politik verantwortlich „Zweifelns“ – auch im Rahmen von Pegida – um ­gemacht, obwohl einzelne Regierungen im Mi­ eine „Pseudoskepsis“ handelt, genährt von dif- nisterrat bestimmen oder blockieren. Es wird Kri- fusem Systemmisstrauen. Echte Skepsis „ver- tik an den USA geübt und nicht etwa an den sucht, durch Zweifel und Hinterfragen zu verste- rechtskonservativen Politikern der Regierung hen. Sich zweifelnd Wissen erarbeiten statt George W. Bush im Rahmen des Irak-Kriegs. unüberprüft herumzuglauben. Die Frage [also], Aufgebrochen wird das „die“ und „die anderen“ stimmt das überhaupt?“ Die moderne Medien- auch dadurch, indem etwa Gewalt und Intole- maschinerie habe nun im Verbund mit dem In- ranz von Rechtsextremisten und extremen ternet einen „schlechten Bastard der Skepsis ans ­Is­lamisten (Anders Breivik und IS), von Rechts­ bildschirmfahle Licht gebracht. Ein düsterer, populisten und Salafisten verglichen werden. dümmlicher Zwilling der Skepsis, den es schon Islamisten stellen sich gegen Gleichstellung, aber immer gegeben haben mag, der aber durch das auch viele Rechtskonservative tun das. Auf sol- Netz besonders sichtbar wurde und aus allen che Differenzierungen sollte in der bei der Kon- Spalten quillt: die bitterfalsche Pseudoskepsis.­ zeption von Seminaren noch stärker als bisher Nichts glauben, schon gar nicht denen da oben, geachtet werden. Hier könnten Instrumente aus drei Ausrufezeichen, ‚Lügenpresse‘ […]. Skepsis Rhetorik-Wettbewerben helfen, indem etwa fragt, Pseudoskepsis ruft aus. Die Schaumkrone Posi­tionen ausgelost werden. der Pseudoskepsis bildet eben die Verschwö- rungstheorie, die die Beweislast mithilfe des 5) Die Ausbreitung eines diffusen Systemmisstrau- Zweifels schlicht umdreht: Zweifel an A werden ens in bürgerlichen, rechten und linksliberalen als Beweis für B betrachtet“ (SPON, 04.02.2015). Milieus muss stärker als Voraussetzung mitge- Wenn etwas nicht zu belegen ist, macht das alles dacht werden – nicht zuletzt, weil politische Bil- nur bedrohlicher – weil „die da oben“ oder „das dung selbst zum Ziel des diffusen Systemmiss- System“ die Wahrheit angeblich vertuschen. trauens und einer Delegitimierungsstrategie von Das Spannungsverhältnis zwischen Skepsis und rechts wird, indem ihr vorgeworfen wird, sie Pseudoskepsis (besonders auch im Rahmen der lüge „im Sinne der Herrschenden“. Institutio- Political-Correctness-Debatte) sowie die Rolle nen der politischen Bildung werden diese Un­ von Emotionen müssen stärker als bislang in terstellungen bei den „harten Fällen“ schwer ent- die Didaktik der Veranstaltungen, in Veröffent­ kräften können – auch weil es vielen um die lichungen oder in Instrumente (Erklärtafeln, Diffamierung der demokratischen Institutionen ­Videos) eingebunden werden. an sich geht, nicht um Verbesserungen. Es kann allerdings der delegitimierenden Wirkung in 7) Medien-Bildung ist wichtig. Zum einen ist es ­weitere Milieus hinein entgegengewirkt werden. ­erstaunlich, wie gedankenlos viele Nutzer Me­ Dafür wäre es sinnvoll, sich inhaltlich und dieninhalte konsumieren und wie schnell sie un- ­di­daktisch stärker auf diese neue Konstellation seriösen Medienangeboten glauben. Erfahrungen einzustellen. Ziel könnte es sein, bei bestimmten aus der Lehrerfortbildung in Sachsen zeigen, Themen stärker herauszuarbeiten, dass das Glas dass selbst (Gesellschaftskunde-)Lehrer davor sowohl halb voll als auch halb leer sein kann. nicht gefeit sind. Zum anderen ist es erschre- Oder man visualisiert die Pluralität von Dis- ckend, wie sich Gleichgesinnte in Internetforen kursen und Meinungen, um das Argument zu und rechtspopulistischen ‚Informations‘-Seiten entkräften, es gebe ein „Meinungskartell“. Be- gegenseitig bestärken, wodurch sich die Dauer­ deutsam scheint zudem der Umgang mit Unter- erregung nach oben schraubt und „eine auf­ FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 31

trumpfende Besserwisserei“ produziert.132 Sym- Planspielen oder spiele­rischen Positionswech- pathisanten und Anhänger befinden sich dabei seln, um mehr Empathie für die Situation des zunehmend in einer Medienblase, die einer anderen zu entwickeln. ­Pseudo-Logik folgt: Die Medien lügen immer (!), außer sie teilen meine Meinung. Dann ist es die 9) Verschwörungstheorien müssen thematisiert „Wahrheit“. „Wir alle erleben im Netz und auf werden. Trotz des hochaktuellen Themas fehlt den Veranstaltungen, wie einerseits alles als meist der Blick auf die Verbreiter von Ver- ‚Lügen­presse‘ gebrandmarkt wird, […] aber alle schwörungstheorien. Dies mag daran liegen, Inhalte, die zur ­eigenen Gedankenwelt passen, dass die meisten Verschwörungstheoretiker in die werden fleißig kolportiert und geteilt. Wenn den Medien­ als geisteskrank beschrieben wer- es passt, ist Lügenpresse eben gerade recht ge- den, als Menschen, mit denen man sich nicht nug.“133 Diesen Zusammenhang kann die poli- beschäftigen müsse. Zwar gibt es in der Tat tische Bildung transparent machen. viele „Wahnsinnige“ in dieser Gruppe. Doch Politische Bildung sollte künftig ferner vermehrt „der Glaube, dass andere sich verschwören, über unseriöse Angebote wie Netzplanet, Kopp- weist eben nicht darauf­ hin, dass ein Mensch Verlag, Michael Mannheimer, Honigmann oder im medizinischen Sinne geisteskrank ist, son- Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten aufklären, in- dern umgekehrt: Es gibt bestimmte Geistes- dem sie deren ideologische Nutzung von Lügen krankheiten, die mit einem Verschwörungs- und Halbwahrheiten sowie (Verkaufs-)Mechanis- glauben einhergehen“.134 Politische Bildung men aufdeckt. Ihr könnte noch stärker die Rolle könnte sich damit beschäftigen,­ wer Verschwö- zufallen, das (kritische) Zusammenspiel von rungstheorien aktiv verbreitet und damit In­ ­Presse, Politik und Mediennutzern zu erklären. teressen verfolgt. Die bei Verschwörungstheorie- Schließlich müssen die Funktionsweise sowie die Verbreitern beliebte Frage ‚cui bono?’ (wem Unterschiede von Propaganda, politischer Kom- nutzt das?) muss umgekehrt werden: Wer ver- munikation und Umgang mit der Pressefreiheit in dient an Verschwörungs-Büchern oder Wer­be­ Demokratien (z. B. Lüge der Bush-Regierung im anzeigen auf rechten Internetseiten?135 Rahmen des Irak-Krieges) und Autokratien (Putin, Erdogan, Orbán) Thema werden. 10) Die Transformationsphase von Ostdeutschland muss wieder auf die Tagesordnung. Vieles in 8) Politische Bildung muss die Politik- und System- Ostdeutschland ist seit dem Mauerfall gut ge- verdrossenheit angehen. Es gibt derzeit nur we­ laufen, vieles ist aber auch nicht in Ord- nige Menschen, die für Ausrufe der Frustration nung.136 Hatte man in der DDR den Westen über Politiker gar keine Sympathie haben, so der entweder idealisiert oder völlig verteufelt, so Kolumnist Michael Bittner: „Wer mag schon fand in den folgenden 25 Jahren kaum eine Politiker? Fundamentalkritik stößt also immer ­öffentliche Auseinandersetzung statt mit der auf reichlich Zustimmung. Der faschistische sozialen Marktwirtschaft, der Demokratie oder Trick besteht nun [aber] darin, die eigene Partei den eigenen Schicksalsumbrüchen und poli­ nicht als eine Partei unter vielen, sondern als ein- tischen Hoffnungen der Wendezeit, zumal zig legitime Vertretung der ganzen Nation darzu- viele Westdeutsche diese Erfahrungen als stellen.“ Genau hier muss die politische Bildung „Jammern“ diffamieren oder reklamieren, jetzt noch stärker ansetzen: Welche Interessen haben ist mal der Westen dran. Gerade junge Ost­ die neurechten Politikunternehmer? Was läuft deutsche erleben dieses Schweigen und gleich- gut am politischen Betrieb – und was nicht so zeitige laute Murren der Eltern. Zudem werden gut? Auch hier ist das Glas halb voll. Veranstal- diese Denkmuster von Eltern und Großeltern tungen mit Politikern könnten noch stärker als weiter tradiert. Auch die Nazi-Gewaltausbrüche bislang Formate auf gleicher Augenhöhe sein, zwischen 1988 und 1994 mit ihren Kontinui- etwa mit Methoden wie world café, Fishbowl, täten haben bis heute wenig Aufarbeitung er-

132 Misik 2015: 170. 133 Deckow 2015. 134 Klöckner 2012. 135 Siehe Bednarz/Giesa 2015: 135-140. 136 Siehe Beitrag im ZEIT-Magazin, „Tut doch nicht so, als sei alles in Ordnung“, 07.09.2015. 32 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

fahren. Diese Aufarbeitungsprozesse könnte „we agree to disagree“, also das Eingeständnis die politische Bildung leisten – gerade 25 Jahre unterschiedlicher Meinungen, ist allerdings nach der Einheit. Theater und Fishbowl oder für viele Pegidisten schwer zu verstehen, weil Zeitzeugen-Formate wären hier die richtigen ausschließlich sie die „Wahrheit“ zu kennen Methoden – auch mit der Frage: Was wurde glauben. Populären Vorurteilen und Darstel- zum Positiven gewendet? lungen muss (mühsam) mit Fakten widerspro- chen werden – auch wenn das oft wie ver­ 11) Politische Bildung muss Komplexität und Dif- gebliche Liebesmüh erscheint. ferenzierung, aber auch Werte und Haltung be- greifbar machen. Viele Bürger sind überfordert, 13) Was bedeuten Pluralismus und (liberale) De- weil sie sich zum einen nicht, zu wenig oder mokratie? Angesichts des identitären Demo- zu einseitig mit politischen Prozessen und kratieverständnisses in der rechtspopulisti­ ­Themen beschäftigen, zum anderen weil Poli- schen Argumentation sowie der Tradierung tik durch Mehrebenen-Systeme und globale solcher Denkmuster aus der DDR muss wieder Zusammenhänge kompliziert und undurch- echte Demokratiebildung auf die Tagesord- schaubar geworden ist. Die Komplexität von nung – weniger als Institutionen-Lehre, son- Themen (und Lösungen!), verschiedene Blick- dern als Diskussion über Grundsätze der weisen sowie (nicht intendierten) Folgen von ­Demokratie („was steht eigentlich im Grund­ Politik sollten deshalb stärker in die Didaktik gesetz – und was bedeutet dies für Minder- von Veranstaltungen, von Veröffentlichungen­ heitenrechte, soziale Demokratie und Rechts- oder Instrumenten berücksichtigt werden, weil staat“) und pseudodemokratische Argumen­ viele „Meinung“ mit „Fakten“ zum Thema ver- tationen. Demokratie muss verteidigt und wechseln und diese Meinung mit im Internet nicht nur erklärt werden. Rechtspopulisten recherchierten Halbwissen als Wahrheit prä- und ihren Unterstützern geht es um die sentieren. Sowohl bei Pegida-An­­hängern als „Deutungs­hoheit und damit die Macht über auch bei anderen zivilgesellschaftlichen Pro- die Gedanken von Menschen“,138 gegen eine testen der letzten Jahre war die Neigung zu tolerante und liberale­ Zivilgesellschaft mit ­beobachten, Komplexität zu leugnen und eine den Vorbildern eines autoritären Nationalis- unzweifelhafte, neutrale, ‚wahre‘ Objektivität mus wie unter Orbán oder Putin. zu suchen,137 die natürlich der ­eigenen Mei- nung entspricht. In diesem Kontext könnte es 14) Marktförmiger Extremismus ist ein wichtiges helfen, Haltung, Werte und einen moralischen Thema. Die marktradikale Ideologie der letzten Kompass zu thematisieren. Politische Bildung 25 Jahre hatte in (Ost-)Deutschland erheb- muss verstärkt erklären, dass es keine objektive, lichen Einfluss nicht nur auf politische Ent- interessenfreie und moralisch bessere Wahrheit scheidungen, sondern auch auf Mentalitäten oder echte Neutralität gibt. Sie muss Komple­ und Einstellungen. Die Folgen für Demokratie, xität erklären und visualisieren,­ zum Beispiel, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und wie komplex der Syrien-Konflikt mit Dutzen­ politische Einstellungen sollten stärker als bis- den von Akteuren ist. lang Thema der politischen Bildung werden: die Einteilung von Menschen in „nützlich“ 12) Themen wie Flüchtlingspolitik, Islam, Integra- und „nicht nützlich“, das jahrelange Mantra tion oder Heimat müssen kritisch diskutiert von Wirtschaftsführern, „Politker sind unfä- werden, auch im Sinne „gefährlicher Begeg­ hig, Wirtschaftsführer oder Fachleute müssen nun­gen“ (Heinz Bude), in denen es nicht nach bestimmen“, oder die Bewertung „Demokratie Plan läuft und der Widerspruch und Dissens ist zu langsam – in China wird die Autobahn als ­Gewinn gesehen wird – ohne allerdings, das schneller gebaut“ sind nur einige demokratie­ ist entscheidend, den Wortergreifungsstrate- feindliche Aussagen, wie man sie immer gien und der Hetze der extremen Rechten und wieder hören kann. Rechtspopulisten Raum zu geben. Die Prämisse

137 Geiges/Marg/Walter 2015: 195. 138 Bednarz/Giesa 2015: 68. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 33

15) Politische Bildung muss interkulturelle Kom­ sensibilisiert werden. Auch Lehrer sind nicht petenzen vermitteln. Weil es im Osten kaum gefeit vor Verschwörungstheorien. Hier muss Menschen mit Migrationshintergrund gab, die Lehrerfortbildung­ intensiviert werden – spielte auch das Thema eine untergeordnete was ohne politische Veränderungen bei Lehr- Rolle. Was aber nicht heißt, dass es nicht auch plan und ­Schulplanung aber nur punktuell im Westen hohe Defizite gibt, meist in Form Wirkung zeigen wird. eines Aber-Rassismus („Mein Kollege Mehmet ist in Ordnung, aber die Türken...“). 19) Schüler: Politische Bildung muss eine wich- tigere Rolle an den Schulen bekommen. Sie 2. Zielgruppen und didaktische Implikationen muss verpflichtend in der frühkindlichen ­Bildung ansetzen. Demokratie und Werte-­ Manche Zielgruppe wurde von der politischen Unterricht müssen ab der ­5. Klasse Unterrichts- ­Bildung kaum erreicht. Politische Bildung muss – fächer sein – entweder über den Lehrplan in ­genauso wie die Politik – aus ihrer Komfortzone allen Fächern oder durch das Fach Gesell- ­ausbrechen, indem sie ihre Formate und Zielgrup- schaftskunde, ggf. auch über verpflichtende penansprache überprüft. Sie ist teilweise zu elitär Rhe­torikformate in Schulen. und zu sehr auf Bildungsbürger ausgerichtet. 20) Fernsehzuschauer: Demokratie muss immer 16) Junge (Männer) mit formal mittlerer und gerin- wieder gelernt werden. Gerade in Ostdeutsch- gerer Bildung (Haupt- und Realschule): Diese land war es falsch zu glauben, durch die Deut- Zielgruppe ist nicht einfach zu erreichen, auch sche Einheit seien nun alle Bürger Demo-­ weil sie Studien zufolge bislang (!) entpolitisiert kraten. Im Westen wiederum scheint ein De- war. Sie weiß sehr wenig über Politik im Allge- mokratiebekenntnis teilweise zur Floskel ver- meinen sowie politische Prozesse und hat we- kommen zu sein. Zudem ist Demokratiekritik nig Interesse, daran etwas zu ändern. Jedoch schick geworden. Hier müssen die öffentlich- müssten für die Ansprache dieser Zielgruppe rechtlichen Anstalten anspruchsvolle, zugleich Ressourcen aufgebracht und vor allem der An- empathische und spannende Formate entwi- satz der Bildungsarbeit geändert werden. Ziel- ckeln – etwa eine niveauvolle „Sendung mit führend könnte es sein, die Gruppe indirekt, der Maus“ der politischen Bildung für Erwach- etwa über Themen wie „Leistungsgerechtig- sene, die kritisch, realistisch und ohne Schwarz- keit“, oder provokativ anzusprechen. Zudem Weiß-Denken in Form von „Augenöffnern“ scheinen Stolz, Sicherheit und Wertschätzung Demokratie und ihre Prozesse erklärt. Damit von Arbeit wichtige Themen zu sein. Grund- zeigt man auch, dass es keine einfachen Lö- sätzlich muss politische Bildung in Berufs­ sungen gibt, weil alle Entscheidungen auch schulen deutlich gestärkt werden. nicht intendierte Nebenfolgen haben können. Ein Maß an Humor, Spannung und Kreativität 17) Erzieher und Sozialarbeiter: Diese Multiplika- sind nicht schädlich. toren sollten mit politischer Bildung gestärkt werden. Sie stehen rechtspopulistischer Argu- 21) Geflüchtete: Sie unterscheiden sich wahr- mentation oftmals hilflos oder neutral gegen- scheinlich wenig von der einheimischen Be­ über. Auch in dieser Gruppe gibt es diffuses völkerung; auch bei ihnen gibt es gruppen­ Systemmisstrauen. bezogene Menschenfeindlichkeit wie Sexis- mus, Antisemitismus oder Rassismus. Sie ha- 18) Lehrer: In Sachsen mussten viele Russisch­ ben wenig Erfahrung mit Zivilgesellschaft und lehrer zu Gesellschaftskunde umschulen – Demokratie. Diese muss die politische Bildung viele waren davon nicht begeistert. Es fehlen vermitteln. ein Brennen für Demokratie und eine demo- Auch über Formate und Strategien, welche in kratische Haltung, die oftmals fälschlicher­ vielen Einzelfällen schon umgesetzt werden, weise mit „parteipolitischer Positionierung“ muss die politische Bildung nachdenken. verwechselt wird – gerade auch wegen Erfah- rungen in der DDR. Allgemein müssen Lehrer 22) Aufsuchende politische Bildung mit analogen über die im Text beschriebenen Phänomene wie digitalen Angeboten: Politische Bildung 34 EXPERTISEN FÜR DEMOKRATIE 1 I 2016

muss mit ihren Veranstaltungen noch stärker Erklärtafeln, Texten und Bildern, die zudem in im Stadtteil oder auf dem Marktplatz ansetzen, Kommentarspalten zur Diskussion verwendet im Dorfladen, bei Tafeln oder an Begegnungs- werden können? Politische Bildung muss hier orten von Geflüchteten. Im Internet muss wohl schneller (Reaktionen auf aktuelle De­ politische Bildung dorthin, wo viele (junge) batten im Netz), innovativer (etwa über Leute sind: in die sozialen Netzwerke. Ver- Youtube139) sowie visueller und erklärender suche, die Jugend auf eigene Internetangebote (Erklärtafeln) werden. zu locken, werden vermutlich scheitern. Zu- dem sollte die Ansprache so verändert werden, 24) Stärkung der Zivilgesellschaft: Die Stärkung dass man Zielgruppen auch erreicht, ohne ­einer pluralistischen Zivilgesellschaft­ ist we­ gleichzeitig zu verflachen. nigstens in den Städten und in manchen Kom- munen ansatzweise gelungen. Dies muss 23) Strategien der politischen Bildungsarbeit im weiter intensiviert werden. „Wer sich die Frage ­Internet: Die politische Bildung muss passen- stellt, wie es kommen konnte, dass ein paar de Formate und Ideen entwickeln, um im Netz Tausend Rechtsextreme eine stolze Stadt von zu wirken – sonst übernehmen das andere. einer halben Million Menschen einfach so über- Die Frage ist: Wie kann politische Bildung in nehmen, zumindest symbolisch, der ­findet hier sozialen Netzwerken und mittels sozialer In­ die Antwort: weil die bürgerliche Mitte Dres- teraktionen agieren, etwa durch Angebote von dens sie lässt.“140

139 Die Bundeszentrale für politische Bildung plant etwa eine Offensive gegen die Radikalisierung über soziale Netzwerke mit bekannten Youtube-Akteuren 140 Eigenmann 2015. FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 35

Literatur

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Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten An­ Der Autor sich­ten sind nicht notwendigerweise die der Friedrich- Dr. Christian Demuth ist Referent in der Außen­ Ebert-Stiftung. stelle Dresden des FES-Landesbüros Sachsen.

Das Projekt „Gegen Rechtsextremismus“ im Forum Berlin/Abtei- Wenn Sie bis jetzt noch nicht in unserem Verteiler sind und zukünftige lung Politischer Dialog der Friedrich-Ebert-Stiftung bietet kontinuier- Ausgaben der Reihe „Expertisen für Demokratie“ erhalten möchten, lich ­Veranstaltun­gen, Publikationen und Seminare zu aktuellen Er- senden Sie bitte eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an: scheinungsformen von Rechts­extremismus und Rechtspopulismus [email protected]. sowie zu effektiven Gegenstrategien­ an. Mehr ­Informationen zur Arbeit der FES für Demokratie und gegen In der Publikationsreihe „Impulse gegen Rechtsextremismus“ wer- Rechtsextremismus­ finden Sie unter: den die Ergebnisse wichtiger Veranstaltungen zusammengefasst. Sie www.fes-gegen-rechtsextremismus.de wird ergänzt­ durch „Expertisen für Demokratie“, die ausgewählte Analysen und Fachbeiträge­ zu aktuellen Fragestellungen in der Aus­ einandersetzung mit Rechtsextremismus bieten.

Die Reihe „Im Wortlaut“ dokumentiert herausragende Redebeiträge von Veranstaltungen der Friedrich-Ebert-Stiftung­ zum Themenfeld Rechtsextremismus/Rechtspopulismus.­

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