Unternehmen Bauer Verlag Bauer ohne Power Heinrich Bauer Verlag: Mit strammer Spargesinnung, patronalem Führungs- stil und völliger Abschottung trieb Heinz Bauer dem größten Zeitschriftenkonzern Europas die Dynamik aus. Jetzt will sich der stille Hanseat bessern – zu spät?

Einigkeit macht stark und furchtlos: Clan-Chef Heinz Bauer mit Frau Gudrun und Tochter Mirja

an darf sich das vielleicht ten wir uns der Welt nicht ein biss- den Mauern des Hörensagens ver- mal so vorstellen, dass bei chen öffnen?“ Dann, mit Daumen und schanzt. Der Vater von vier Töch- Mden Bauers an der Elb- Zeigefinger: „Nur so weit ...?“ tern, Herr über den Heinrich Bauer chaussee die schöne Gudrun an ei- Und Heinz mag erwidert haben: Verlag (HBV), repräsentiert den bis nem stillen Nachmittage in der „Och.“ Oder: „Tja.“ Oder: „Hm.“ zum Verdruss bekannten Archetypus FOTO: JÜRGEN JOOST „Maxi“ blättert, als sie unvermittelt Oder: „Ma’ guck’n.“ des medienscheuen Mediengewalti- innehält – und, sozusagen von Flieger Man weiß es nicht. War ja keiner gen. Sein Vertrauen ist ein wildes zu Flieger (auch sie besitzt die Pilo- dabei. Man steckt ja nicht drin. Tier, das im Dunkel lebt. tenlizenz), das Wort an ihren Gatten Zeit seines nunmehr 60-jährigen Der letzte ausführliche Feldver- richtet: „Heinz, was meinst du, soll- Lebens hat sich Heinz Bauer hinter such über Den Großen Schweiger

106 managermagazin 6/00 Unternehmen Bauer Verlag i Chronik Der rasante Aufstieg des 1875 von geht zurück aufs Frühjahr 1996. Da- schen Schwierigkeiten steckt. Heinz Ludolph Bauer gegründeten Ver- mals musste „Capital“ einen Bericht, Bauer muss erleben, wohin patriar- lags, der nach dem Zweiten Welt- für den sich weder Bauer noch seine chalische Abschottung, öffentliche krieg mit dem Druck von Lohnsteu- Führungscrew zur Verfügung gestellt Abstinenz, mithin der Mangel an un- ertabellen einträgliche Geschäfte hatten, mit einer finsteren Gegendar- ternehmerischer Inspiration führen: machte, vollzog sich in den 60er stellung epischer Länge büßen. Die Erlöse stagnieren, das Inlands- und 70er Jahren. Reihenweise ent- In puncto Hintergründigkeit kann geschäft schrumpft. Das Image des wickelte oder kaufte das Haus neue es der Hanseat locker mit Bayerns Hauses ist allenfalls so lala (siehe Titel: „Bravo“, „Quick“, „Fernseh- Weltgroßmogul Leo Kirch (73) auf- Imageprofile mm 2/2000). woche“, „Auto-Zeitung“, „Tina“. nehmen. Doch während dessen me- Damals führten der legendäre diale Dauerabstinenz bei Journalis- Schwere Leseschwäche Alfred Bauer und des- ten sozusagen die Flammen lustvol- Auflagenentwicklung von Bauer- sen Generalbevoll- ler Fantasie züngeln lässt – Kirchs Bestsellern (in Millionen Exemplaren) mächtigter und späte- Drähte reichen ja bis in die höchste 3,0 rer Testamentsvoll- Politik, ihm könnte jederzeit eine strecker Siegfried Geheiminfo rausrutschen –, umgab mm Moenig das Regiment. Heinz Bauer sich und die Seinen im- Auf den mächtigen mer nur mit dem ewigen Garnichts. Manager Moenig soll Gemeinsam ist den beiden, dass sie 2,5 die Perfektionierung trefflich von der Öffentlichkeit leben, der internen „Sah- dass ihre Blätter und TV-Sender zu nehäubchen-Theorie“ den großen Schnüfflern des Privaten Bauer-Mythos zurückgehen: Der Ver- zählen – und dass sie trotzdem oder Siegfried trieb deckt die Kosten. eben deshalb mit den Medien wenig 2,0 Moenig Jede Anzeige sorgt für zu schaffen haben wollen. Ein Inter- Profit. view hat Europas größter Zeitschrif- Der Sohn Heinz Bauer habe, wie tenverleger noch nie gegeben. Vertraute melden, unter den beiden Drei Milliarden Mark Umsatz Allgewaltigen arg gelitten. Von den macht sein in über 100 Einzelfirmen 1,5 unternehmerischen Qualitäten des verknoteter Familienbetrieb. 82 Pub- Filius sollen weder der Vater noch likationen in einer Auflage von 21 Moenig angetan gewesen sein. Millionen Exemplaren schmeißt der Nachdem Alfred Bauer 1984 ge- Verlag weltweit unters Lesevolk. Der storben war, baute Moenig die Ma- Gewinn vor Steuern: geschätzte 400 1,0 nager Gerd Bolls und Peter Heiden- Millionen Mark. 1995 1996 1997 1998 1999 2000 reich (1997 ausgeschieden) zu sei- Bauer stößt journalistisch eher be- nen Nachfolgern auf. scheidenen Stoff aus: „Tina“, „Bella“, Heinz Bauer, der Drucker gelernt „Maxi“, medialen Popanz wie „Pra- Große Markenartikler vermögen und im schweizerischen Zug eine line“, „“ oder „Schlüssel- zwischen all den Nackten und Nar- Handels-Maturitätsprüfung abgelegt loch“. Dazu kommen die im Bauer- ren im Aldi-nahen Bauer-Sortiment, hatte, ließ sich nur selten in der Firma Kosmos schon als intellektuelle Glit- das den Charme einer Druckerpresse sehen. Dies änderte sich erst nach zerobjekte geltenden Schriften „TV ausschwitzt, relativ selten geeignete dem Tod seines Sohnes Hendrik, der Movie“, „Bravo“, „Playboy“ oder die Werbeträger zu erkennen. 1988 im Alter von 5 Jahren starb. „Geldidee“. Das Maß voll machen Ist der HBV, fragen Beobachter Bauer zog es ins Unternehmeri- Comics und Rätselheftchen. vom Fach, trotz seiner hohen Profita- sche. Der umtriebige Bolls, der Ist die ständige Unansprechbarkeit bilität ein Fall für den Therapeuten? wie Moenig Generalvollmacht an- des Erfolgsverlegers falsche Beschei- Zweierlei ist gewiss: 1. Ein konkre- strebte, zeigte sich wenig begeistert. denheit oder doch nur echte Scham? ter Plan, wie die Dinge in absehbarer Nach diversen Reibereien wech- Den Massengeschmack zu treffen, Zeit gerichtet werden könnten, liegt selte Bolls 1993 zu Burda. hat Heinz Bauer mal durchblicken in der Hamburger Verlagszentrale of- Von dem Weggang des Strategen lassen, sei eine hohe Kunst. fenbar nicht vor. 2. Wohl aber ein paar Bolls, heißt es, habe sich das Haus Jahrelang beherrschte er sie auch lose Ideen, zu denen auch die Öffent- bis heute nicht erholt. „Damals ent- wie kein zweiter. Doch jüngste Ge- lichkeitshinwendung gehört. stand diese Wagenburgmentalität“, schehnisse lassen vermuten, dass der Vordergründig scheint ja alles in sagt ein Manager. HBV, der am 26. Mai sein 125-jähriges bester Ordnung: Der Europameister Bestehen feiert, in ernsten künstleri- im Massenvertrieb ist Marktführer in

108 managermagazin 6/00 Unternehmen Bauer Verlag Masse statt Klasse Womit der Heinrich Bauer Verlag sein Geld verdient

er Heinrich Bauer Verlag publi- Klare Familienverhältnisse Dziert 82 Zeitschriften in einer Wichtige Beteiligungen der Verlagsgruppe Bauer Gesamtauflage von weltweit rund 21 Familienstämme der Geschwister Millionen Exemplaren. 33 Titel er- Familie Heike von Alten Heinz Heinrich Bauer Marlies Bauer-Hollmann scheinen bei der Tochter Verlags- 96% 4% union Pabel Moewig in Rastatt. Heinrich Bauer Verlag KG Die Programmzeitschrift „TV Mo- Geschäftsführer: vie“ (Auflage: 2,5 Millionen) ist die Heinz Heinrich Bauer mm meistverkaufte Zeitschrift Europas. Geschäftsleitung: Zu den ausländischen Bestsellern Günter Sell Konrad Wiederholz Manfred Braun gehören die US-Blätter „Woman’s Anzeigen Ausland Verlage World“ und „First for Women“ mit Editions Bauer, Verlagsunion Pabel Moewig 100% 100% 1,6 beziehungsweise 1,5 Millionen Paris Exemplaren sowie „Take a Break“ Magdeburger Verlags- Europress, 100% 100% (1,3 Millionen Exemplare) in England. und Druckhaus Prag Heinrich Bauer Ediciones, Bauer ist zwar Marktführer bei Klaus Helbert 50,0% 100% Programm-, Jugend-, Frauen- und Madrid MME Film- und Heinrich Bauer North America, 44,9% 100% Yellow-Titeln in Deutschland. Doch Fernsehproduktion New Jersey der Einstieg in anspruchsvolle Le- H. Bauer Publishing, Radio Hamburg 25,0% 100% sermärkte ist bislang nicht gelun- London Wydawnictwo H. Bauer, gen, die Umsätze vieler Bauer-Titel RTL2 32,2% 100% sinken. Warschau

110 managermagazin 6/00 Unternehmen Bauer Verlag

diversen Segmenten (siehe Kasten Lange Bremsspur kurrenz trabt Bauer davon (siehe links). Doch der Wettbewerb im Zeit- Keine Dynamik im Bauer-Umsatz Grafik Seite 118): Während die Um- schriftenmarkt wird schärfer, der (in Millionen Mark) sätze der HBV-Zeitschriften 1999 um Preisdruck wächst. Der Jubilar steckt 6,1 Prozent zurückgingen, legte die 2259 2250 2195 2238 in der Klemme. 2151 Konkurrenz immerhin leicht zu. Seine weitgehend anzeigenfreien In der Verlagsspitze setzt sich die Verkaufsschlager für Busenfreunde frohe Erkenntnis durch: Wenn wir verlieren rapide an Spannerkund- die Lage schon nicht ändern kön- schaft: die Auflage der „Neuen Re- nen, dann wenigstens die Art, wie vue“ stürzte von einst 1,7 Millionen wir über sie reden. Soll heißen: kein auf heute 317 518 Exemplare ab. Verstecken mehr. Image bolzen. Nor- Die Marktumsätze einzelner Ti- mal sein. tel brachen teilweise drastisch ein: Geht das? Ist der Konzernherr nor- „TV Hören & Sehen“ büßte seit 1990 mal? Im Job, sagen orthodoxe Bauer- knapp 40 Prozent des Umsatzes ein, Anhänger, sei der Mann unschlagbar: noch schlimmer erging es „Fernseh- detailversessen, akribisch, präzise. woche“ (minus 50 Prozent), „Praline“ Bauer-Gegner filtern aus dem Prä- (minus 58 Prozent) und „Wochen- 601 595 627 627 632 zisen das Pedantische. Bauer vermit- end“ (minus 68 Prozent). tele den Eindruck, sein Unternehmen Unterm Strich verbuchte das fünft- zu bewachen, statt es zu führen: Er größte deutsche Medienunterneh- schnüre ständig mit einem Taschen- 153 men seit 1990 einen Zuwachs der 134 123 130 138 rechner durch die Gänge, schere sich Marktumsätze von lächerlichen 76 1995 1996 1997 1998 1999* um jeden Kleinkram, selbst um die Millionen Mark. Das sind nicht min- Vertrieb Anzeigen Sonstige Anzahl von Lampen in einer Drucke-

der lächerliche 3,3 Prozent. Die Kon- *Hochrechnung. mm rei. Und er habe, mault einer, der im

managermagazin 6/00 111 Unternehmen Bauer Verlag

ein Zeichen dafür, dass das Imagebe- wusstsein im Hause Bauer gewach- sen ist. Früher hätten wir gesagt: Statt mit so einem vom manager magazin zu sprechen, sollten wir lieber Um- satz machen. Der haut uns sowieso in die Pfanne.“ Was heißt Pfanne? Und was heißt Umsatz? Der Satz war noch warm, da meldet Braun bereits den traurigen Befund: „Auf unseren deutschen Kernmärkten verbuchen wir kein nennenswertes Umsatzwachstum, weil wir unsere Vertriebspreise nicht wesentlich er- höhen können.“ Doch Worten und Gesichtsaus- druck des Managers entnehmen wir, dass die Führungsriege die Dinge voll im Griff hat, mithin nur an einem He- bel zu ziehen oder auf einen Knopf zu drücken, jedenfalls nur irgendeine Kleinigkeit zu bewerkstelligen habe, um den festgefahrenen Verlagsriesen wieder in Fahrt zu bringen. Den Beweis müssen die Herren al- Über ihnen nur Heinz Bauer, um sie herum viel heiße Luft: lerdings erst antreten. Das Manage- Die Bauer-Geschäftsleiter (v. l.) Konrad Wiederholz, Manfred Braun und ment des Branchenprimus fühlte sich Günter Sell auf dem Dach der Hamburger Verlagszentrale offenbar für überraschende Wendun- gen des unternehmerischen Gesche- Zorn ging, unentwegt diesen arme dass es den weltläufigen Fritzen- hens jahrelang nicht zuständig. Statt Leute quälenden, milliardenschwe- kötter in Wahrheit zum knapp vor- Strategie gab’s immer nur Taktik. ren Alle-wollen-nur-mein-Geld-ich- nehmeren Axel Springer Verlag Seit langem attackiert das Privat- will’s-aber-lieber-behalten-Blick. (ASV) ziehe, wo viele seiner Kumpel TV Bauers Kernkompetenzen und Zu Beginn des vermutlich letzten sitzen, von denen einer („Welt“- stillt den Hunger der Volksmassen Drittels seines dem unaufhörlichen Chefredakteur Mathias Döpfner) nach Bescheuertem und spießig Ausstoß von Druckerzeugnissen ge- demnächst in den Vorstand einrü- Schamlosem. „Von allen Verlagen“, weihten Lebens scheint der ver- cken wird. gibt der für das Anzeigengeschäft zu- schlossene Patron zu ahnen, dass Verlagsvisagist Fritzenkötter war ständige Sell zu Protokoll, „haben wir zum Unternehmer-Sein mehr gehört, schnell klar: Das patriarchalisch ge- am stärksten unter der Konkurrenz als nur Unternehmer zu sein. Und so führte Unternehmen, dessen größte des Privatfernsehens gelitten.“ öffnet er sich. Behutsam, sachte, leise, Stärken die Herstellung (Drucke- Sell, der in jüngster Zeit mit Struk- scheu. Ein Reh. Ein Geist (siehe Kas- reien) und der Vertrieb von Billigpro- tur und Organisation seiner Anzei- ten Seite 116). dukten sind, muss ein normales „Me- gensparte herumexperimentierte, ist Zur imagepolierenden Lockerung dienhaus“ werden: souverän, respek- skeptisch, ob er den Annoncenum- der Verschwiegenheitsverhältnisse tiert. Und, wenn die Leser schon satz 2000 um die geplanten 30 Millio- hatte er Anfang 1999 extra Andreas Reißaus nehmen, wenigstens von der nen Mark erhöhen kann: „Es wird Fritzenkötter (41) engagiert, Helmut Anzeigenkundschaft geliebt. nicht einfach sein.“ Kohls einstigen Pressewart. Auch die HBV-Geschäftsleiter hat Über 90 Prozent des HBV-Umsat- Der Transfer war in etwa so sinn- der historische Kitzel der Fritzen- zes stammen aus dem müden Zeit- fällig, als hätte sich ein Geheimdienst kötter’schen Wendebemühungen ge- schriftengeschäft. Doch außer den eine PR-Agentur zugelegt. packt: Manfred Braun (47) ist absolut Fernsehzeitschriften „TV Movie“ Armer Fritzenkötter, haben sie ge- geschichtsprächtig aufgeladen. Kon- und „TV 14“ ist dem HBV seit zehn feixt: Was will Kohls Strippenzieher rad Wiederholz (57) auch. Günter Jahren kein verlegerischer Coup beim beratungsresistenten Bauer, der Sell (57) auch. Alle drei also. mehr gelungen. Der HBV kann die doch alle Strippen selbst zieht? Viele „Dass wir hier heute zusammen- fehlende Dynamik kaum kompensie-

FOTO: BARBARA DOMBROWSKI & TOM EBERT & TOM DOMBROWSKI BARBARA FOTO: glaubten und glauben es noch heute, sitzen“, meint Braun, „ist sicherlich ren. Diversifikation mit „Augenmaß“

114 managermagazin 6/00 Unternehmen Bauer Verlag Heinz Bauer über ...... die Zukunft des in ihrem Bereich einen hohen Ge- Viele Anzeigen in prestigeträchti- Heinrich Bauer Verlags staltungsspielraum und tragen viel gen Marken und Millionenauflagen Wir sind ein Familienunternehmen, Verantwortung. Für gemeinsame An- bei hohen Vertriebspreisen, ver- und darauf sind wir stolz. Eines Tages liegen gibt es Verlagsleitertagungen bunden mit geringer Remission – werden das Eigentum und die Füh- und in Abständen Bereichsleiter- natürlich träume ich davon. Ge- rung der Firma auf die nächste, dann und Chefredakteurstagungen. nauso wie ich in der Schule danach fünfte Generation übergehen. Auch strebte, sowohl in Deutsch als auch diese Generation wird die Stärken ... Marke und Markenwert in Mathe eine Eins zu schreiben. eines Familienunter- Wir pflegen unsere Marken. Zeit- nehmens wahren und schriften bedürfen ständiger behut- ... die von Bertelsmann-Chef weiterentwickeln – samer Anpassungen an sich wan- Middelhoff vertretene zum Beispiel die delnde Trends und Leserbedürf- Theorie, dass Medienkon- Kraft zu schnellen nisse. Auch Marketing, PR und werb- zerne ohne Cyber-Cash nicht Entscheidungen und liche Unterstützung spielen eine wettbewerbsfähig seien auch die abgewogene zunehmende Rolle. Neue Marken in Herr Middelhoff leitet kein Fami- Risikobereitschaft. Teilmärkten, in denen wir noch nicht lienunternehmen, sondern eine vertreten sind, werden und wurden Aktiengesellschaft, die einer ge- ... die HBV- entwickelt – wie „Bravo Screenfun“ meinnützigen Stiftung gehört. Die- Führungsspitze und „Geldidee“. „Bravo“ hat in se Stiftung führt nicht den Kon- Das oberste Ent- Deutschland einen Bekanntheitsgrad zern, sondern dient dem Zweck, bis scheidungsteam wird von 97 Prozent. In zahlreichen Län- auf eine bestimmte Dividende zur Großverleger wie bisher aus weni- dern ist „Bravo“ das Synonym für den Verwirklichung der Gemeinnützig- Heinz Bauer gen Managern beste- Jugendmarkt. „Bravo-TV“ ist seit Jah- keit möglichst alle Gewinne zu the- hen, die sich gegen- ren erfolgreich, „Bravo“-CDs werden saurieren. Da so nur relativ geringe seitig in ihren Stärken ergänzen. Ich mit einer Platin-CD nach der ande- Einkommensteuer und niemals wünsche mir, dass sich diese Mana- ren ausgezeichnet, und schon bald Erbschaftsteuer gezahlt werden ger auf die langfristige Entwicklung wird Bravo.de im Internet eine viel muss, gibt es allein in diesem Punkt ihrer Position im Unternehmen kon- besuchte Site sein. einen gravierenden Unterschied zu zentrieren, nicht aber auf eine schnel- unserem Verlag. Die Vorstellungen le persönliche Karriere. Idealerweise ... die Schwächen von Herrn Middelhoff über Finan- würde die persönliche Entwicklung im Anzeigengeschäft zierungsspielräume müssen also kongruent zu der des Unternehmens Jedes Verlagshaus hat historisch be- zwangsläufig völlig andere sein als verlaufen. dingte Stärken und Schwächen. Aber in einem familienbezogenen Un- wir wollen unsere Noten natürlich ternehmen. Wir sind in der glück- ... seinen Führungsstil in allen Disziplinen verbessern. Das lichen Lage, unsere Investitionen Die Unternehmensstrategie wird im Anzeigengeschäft stärken wir durch aus eigener Kraft tätigen zu kön- Kreis der Geschäftsleitungsmitglie- die Entwicklung von Zielgruppen- nen. Das hat den positiven Effekt der festgelegt. Diese stehen in ständi- zeitschriften. Auflage kann für einen großer Unabhängigkeit. gem Kontakt zu den Bereichsleitern Verlag nicht alles sein, jedoch kann und Chefredakteuren des Unterneh- ein Großverlag ohne Titel mit hohen ... einen Börsengang mens. Auf diese Art wird die Unter- Auflagen keinen Erfolg haben. Zeit- Gingen wir mit unserem Kern- nehmensstrategie in operationale schriften, die ihre Auflage fast ver- geschäft an die Börse, würde dies Teilziele zerlegt und kommuniziert. schenken, aber ein glänzendes An- den Charakter eines Familienun- Auf Grund unserer sehr straffen Füh- zeigengeschäft einfahren, gehören ternehmens aufheben. Und genau rungshierarchie haben die Einzelnen zugegeben nicht zu unseren Stärken. das wollen wir nicht.

habe Bauer betrieben, schmeichelte 1984 stieg Bauer bei Sat 1 ein, von knapp 500 Millionen Mark vor die „FAZ“. Andere meinen: Der HBV 1986 wieder aus. Bei TM3 dasselbe: sich her. habe einfach nur fest geschlafen. 1995 rein, 1997 raus. Die Exkur- Auch im Internet bewies Bauer bis- Im Zeitungsgeschäft verfügt Bauer sion, sagen Insider, habe rund 30 Mil- lang wenig Geschick: Das voyeur- mit der Magdeburger „Volksstimme“ lionen Mark verschlungen. Übrig starke Praline Interaktiv („Intimrasur nur über eine Tageszeitung. Bei den geblieben ist allein eine Minder- Special“) gehört zwar zu den schärfs- elektronischen Medien sieht es kaum heit am Sex-und-Suff-Sender RTL 2. ten Angeboten im Netz, bleibt für besser aus. Statt schöner Linien nur Der verbucht zwar neuerdings Ge- geile E-Commerce-Spiele aber denk-

FOTO: DPA FOTO: Gekritzel. winne, schiebt aber Anlaufverluste bar ungeeignet. Verstörungsfördernd

116 managermagazin 6/00 Unternehmen Bauer Verlag

„Der Ertrag“, sagt Braun, „ist heute absolut und prozentual eindeutig bes- ser als vor 1o oder 20 Jahren.“ Viele bezweifeln das. Gewiss, Bauer ist der Top Act im Gewerbe der Billigheimer, die Ikone aller Kostenquetscher, er gilt als

Abgehängt Hamburger Verlage im Vergleich (Umsätze in Milliarden Mark) 5,0

4,5 Gruner + Jahr Axel Springer 4,0 Verlag

3,5

3,0

Bauer Verlag 2,5

2,0 Imagepfleger, Coach, Strippenzieher: PR-Chef Andreas Fritzenkötter will 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99*

den schmuddeligen Bauer Verlag zum modernen Medienhaus reden *Prognose. mm

kommt hinzu, dass die Jugendmarke „Wieso war ,Ergo‘ eine Pleite?“, stärkster Sparer der Innung. Er soll „Bravo“ immer noch ihres Internet- fragt Wiederholz heiter. „Wir haben intern sogar schon mal die Kosten Auftritts harrt. Bliebe noch die Min- ein Objekt probiert und feststellen eines Chefredakteurs pro verkauftem derheitsbeteiligung an der Produk- müssen, dass wir im Markt damit Exemplar überschlagen haben. tionsfirma Me, Myself & Eye (unter Probleme bekommen werden. Also Wem nix einfällt, der spart halt. anderem „Peep“, „Bravo TV“). Im haben wir es nicht gemacht.“ Eines ist sicher: Die Dynamik wurde Frühherbst sollen 25 Prozent der Überhaupt ist Wiederholz generell gleich mit weggespart. Firma an die Börse. gut drauf. Kein Wunder, der Auslands- Die 5634 Beschäftigten erwirtschaf- Bauers Führungskadern schwant, chef ist der einzige, der regelmäßig ten die höchsten Pro-Kopf-Umsätze dass nennenswertes Wachstum nur Erfolge nach Hamburg depeschiert. unter den Großverlagen, der Per- erzielt werden kann, wenn es gelingt, Bauer macht – meist mit Export- sonalaufwand ist konkurrenzlos ge- wie Braun sagt, in „neue Gattungen“ versionen heimischer Titel wie ring. Zentrale Redaktionen beliefern und „neue Geschäftsfelder“ zu ex- „Tina“ oder „Bravo“ – ein knappes gleichzeitig mehrere Programmtitel, pandieren. Drittel seiner Umsätze jenseits der diverse Chefredakteure kümmern Die Versuche freilich, mit an- Grenzen: In Polen ist man Marktfüh- sich um mehrere Blätter. Die Redakti- spruchsvollem Lesestoff in neue Pro- rer, in Tschechien die Nummer zwei. onsetats sind knapp bemessen, eine duktwelten vorzustoßen, wo junge „Ein wirklich sehr angenehmes Ge- Führungsbürokratie existiert nicht. und einkommensstarke Zielgrup- schäft“, befindet der Mann. Das Controlling arbeitet hocheffizi- pen lauern, floppten: Ambitionier- Man muss spätestens hier sagen: ent. Mit so wenig Aufwand bedruckt te Annoncen-Umfelder wie „Chan- Heinz Bauer steht nicht sonderlich kein anderer Verlag so viel Papier. cen“, „Esquire“, „Wiener“ und „Yoyo“ auf Umsätze. Er sei ein „Netto-Opti- Zoff mit den Betriebsräten, gehan- mussten eingestellt werden. mierer“, raunt ein Gewährsmann. dikapt durch die zersplitterte Kon- Ein Imagedesaster erlebte Bauer Steuer-Netto, versteht sich. zernstruktur, bleibt nicht aus: „Die schließlich mit seinem Magazin- Dem kommt die fiskaltechnisch einzige Sozialleistung des HBV ist Spezimen „Ergo“. Nach zweijährigem günstige Konstruktion des HBV in seine Nähe zum Hauptbahnhof“, Gewürge wurde das Projekt 1996 Kommanditgesellschaften entgegen. knurrt ein Betriebsrat. noch vor Erscheinen beendet. Ver- Gewinne und Verluste lassen sich Der Profit-Fetischismus, den auch

FOTO: BARBARA DOMBROWSKI & TOM EBERT & TOM DOMBROWSKI BARBARA FOTO: senkte Zigmillionen: runde 60. lebhaft hin und her optimieren. hochrangige Gefolgschaft als Mittel-

118 managermagazin 6/00 Unternehmen Bauer Verlag

standsmuff erlebt, führt dazu, dass Wie in KG üb- Bauer talentierte Führungskräfte sel- lich, haben die Ge- ten gewinnt – aber oft verliert. Allein schäftsleiter kei- beim Konkurrenten Springer Verlag ne Prokura. Pläne, hat ein knappes Dutzend ehemali- Manfred Braun ger Bauer-Leute angeheuert: Claus- zum Generalbe- Dieter Grabner etwa, der Münche- vollmächtigten zu ner Bauer-Statthalter („Bravo“), und befördern, gebe es etliche Entwicklungsredakteure. Zu- nicht. „Ist nicht letzt landete „Playboy“-Chefredak- notwendig“, sin- teur Peter Lewandowski bei Springer. niert Wiederholz. Andere, wie der „TV Movie“-Grün- Eine starke Füh- dungschefredakteur und spätere AOL- rungsfigur, die ne- Europe-Chef Andreas Schmidt, haben ben dem Prin- schon vor Jahren das Weite gesucht. zipal die Rolle „Man geht nicht zu Bauer, man kommt des verlegerischen von Bauer“, heißt ein Branchenspott. und strategischen Ein Dilemma: Der dringend gebo- Ideengebers spie- tene Einstieg in neue Leser- und An- len könnte, fehlt. zeigenmärkte ist mangels redaktio- Flache Hierar- Spitze Leser: Die „Praline“-Homepage genießt ganz neller Fachkräfte schlicht unmöglich. chien gestalten offensichtlich eine alarmierende Popularität Man kann nicht sagen, dass der Entscheidungs- Konzernherr, der erst im hohen Alter prozesse oftmals unberechenbar: Im- delte Um- und Aufbruchstimmung von über 50 Jahren zum richtigen Ver- mer öfter und selten zur Freude der mündet. Auf dem Weg in die Norma- leger wurde (siehe Kasten Seite 108), journalistischen Kreativkräfte greift lität werden sogar Pläne verraten. den Schlamassel, in dem er heute Frau Bauer ins Geschehen ein. 35 Millionen Mark will Bauer etwa steckt, nicht rechtzeitig kommen sah. Die Verlegergattin mischt fast in den längst fälligen Internet-Auf- Schon 1993 forderte er intern, der überall mit, wo’s wichtig wird: Bei tritt von „Bravo“ stecken. In spätes- Verlag müsse „Verkrustungen in den den Quartalsgesprächen mit Chefre- tens drei Jahren, kündigt Braun an, Ablauf- und Führungsstrukturen“ be- dakteuren und Verlagsleitern ist sie soll aus Bravo.de eine „dominierende seitigen und „wegkommen von der zugegen, bei der Endabnahme von Jugendplattform“ werden. Selbst ein Angestelltenmentalität“. Das Haus Zeitschriftenprojekten auch. Bei der Börsengang ist langfristig drin. benötige „dringend neue Impulse“. Eröffnung einer Druckerei in Polen Vier neue Blätter, darunter eine Doch die blieben aus. soll sie das Wort auf Polnisch an die Computerzeitschrift, sollen 2000 an Auch strukturell ist der HBV nicht Bauer-Proletarier gerichtet haben. den Kiosk gebracht werden, zwei da- auf dem neuesten Stand. Der Milliar- Was tiefe Rührung zur Folge hatte. von in Segmenten, in denen Bauer denkonzern, dem eine Führungs- Intern ist es mit gefühlsbetonten bislang „nicht groß“ vertreten ist. ebene praktisch fehlt, kommt zwar Aufwallungen nicht weit her. Auf den Exportchef Wiederholz zieht eine ohne lästige Gremien oder Aufsichts- Führungskräftetagungen, berichtet Filiale in Mexiko hoch und kündigt räte aus. Entscheidungen fallen ge- Fritzenkötter, herrsche eine „sehr ra- eine Titeloffensive für Polen an. Die wöhnlich schnell. Chefredakteure tional geprägte Diskussionskultur“. Investitionen dürften insgesamt bei genießen – solange die Zahlen stim- Girlandenhaftes Herumvisionie- rund 200 Millionen Mark liegen. men – große Freiheiten. ren, wie es Mediengroßstrategen so „Wir versuchen heute“, sagt Braun, Die Einfachbauweise des Verlags, gern pflegen, weil es zuweilen zu „Titel schneller zu entwickeln, sagen Medienschaffende, gewähr- neuen Erkenntnissen führt, geht dem schneller einzuführen und – wenn es leiste überdies direkten Zugriff auf introvertierten Bauer und seiner Ex- nicht funktioniert – auch schneller alle Tochtergesellschaften. Doch sie pertentruppe völlig ab – obwohl viel wieder vom Markt zu nehmen.“ entspreche nicht mehr der Konzern- reden ja nichts kosten würde. Ob dies ausreicht, den stehenden größe und den heutigen Manage- Am Geld zum Expandieren fehlt es Riesen wieder in Bewegung zu set- menterfordernissen. nicht. Allein, niemand weiß so genau, zen, wird in der Branche ernstlich be- Seine drei in der Branche angese- wo man es reinstecken soll: Zeitun- zweifelt. Es fehlt der große strategi- henen Topmanager sind überlastet gen? Nichts auf dem Markt. Fernse- sche Strich: „Bauer ist wie einer, und, wie Mitarbeiter behaupten, hen? Dito. Edelblätter? Keine Chance. der will, aber nicht kann“, höhnt ein zuweilen voneinander genervt. Sell, Fritzenkötter immerhin ist es zu Hamburger Verlagsmanager. Andere dessen Anzeigengeschäft lahmt, ste- verdanken, dass alle Konzeptlosig- sagen: Er kann. Aber er will einfach he intern in der Kritik. keit in eine gewisse, sinnesgewan- nicht. Klaus Boldt

managermagazin 6/00 121