18. Wahlperiode 15.11.2019 Drucksache 18/3914

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Körber FDP vom 22.08.2019

30 Jahre Grenzöffnung – Verkehrsverbindungen zwischen Oberfranken und Thüringen

Zum 09.11.2019 jährt sich die historische Grenzöffnung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zum 30. Mal. Während für den Individualverkehr die ehemalige Grenze nicht mehr sichtbar ist, ist bei den Ange- boten des öffentlichen Nahverkehrs die innerdeutsche Grenze immer noch sichtbar. Es fehlen entweder Infrastrukturen oder es fehlen Angebote im öffentlichen Nahverkehr. Die Anfrage beschäftigt sich im Speziellen mit dem fehlenden Bahnlückenschluss zwi- schen Oberfranken und Südthüringen im Raum /Hildburghausen, aber ergän- zend mit den Angeboten im öffentlichen Verkehr und tariflichen Grenzen im öffentlichen Nahverkehr.

Ich frage die Staatsregierung:

1.1 Welche vor 1945 bereits bestehenden Verkehrsverbindungen (Straße/Schiene) zwischen Bayern und Thüringen wurden nach der Grenzöffnung wiederherge- stellt? 1.2 Welche Verkehrsverbindungen (Straße/Schiene) zwischen Bayern und Thürin- gen wurden nach 1945 – neu – hergestellt? 1.3 Wie hat sich der ÖPNV auf den in 1.1/1.2 genannten Verkehrsverbindungen seit 1989 entwickelt?

2.1 Wie bewertet die Staatsregierung das Gutachten des Verkehrsplanungsbüros TKK aus Karlsruhe zum Bahnlückenschluss zwischen Coburg und Südthüringen, welches im Auftrag des Freistaates Thüringen, der IHK Südthüringen und der IHK Coburg erstellt wurde? 2.2 Wie erklärt die Staatsregierung sich den Widerspruch zwischen den im Freistaat Bayern vorgegebenen Reaktivierungskriterien und dem tatsächlichen Verkehrs- netzeffekt (Gutachten S. 84)? 2.3 Welchen Beitrag würde ein Bahnlückenschluss zum Verkehrsleitbild des Regio- nalplans Oberfranken-West leisten?

3.1 Wie hoch sind die CO2-Emissionen im Zusammenhang mit dem „Modal Split“ zwischen den Regionen Coburg und Südthüringen? 3.2 In welcher Höhe könnten CO2-Emissionen durch eine Realisierung des Bahn- brückenschlusses eingespart werden? 3.3 Welche Maßnahmen strebt die Staatsregierung an, um die aus 3.1/3.2 resul- tierenden CO2-Emissionen um zumindest 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr reduzieren zu können?

4.1 Wie stellen sich die Verkehrsverflechtungen im Berufs-/Ausbildungsverkehr zwi- schen den Landkreisen Coburg und Hildburghausen dar? 4.2 Sind der Staatsregierung Beschwerden darüber bekannt, dass aufgrund fehlen- der öffentlicher Verkehrsverbindungen Arbeits-/Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können? 4.3 Welche ökonomische Entwicklung bis 2030 ist durch einen Bahnlückenschluss für die Region Coburg/Südthüringen zu erwarten?

Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de – Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung. Drucksache 18/3914 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 2/9

5.1 Wie hoch schätzt die Staatsregierung das Potenzial an Zusteigern in den ICE am Bahnhof Coburg aus den Landkreisen Hildburghausen, Schmalkalden-Meinin- gen und Wartburgkreis? 5.2 Wie hoch wird dieses Potenzial ausgeschöpft, wenn es den Bahnlückenschluss gibt? 5.3 Wie stark reduziert sich das Potenzial, wenn es den Bahnlückenschluss nicht gibt?

6.1 Wie viele Baurechte aus dem Bebauungsplan „Bahnhofstraße“ in Tiefenlauter (Gemeinde Lautertal, Landkreis Coburg) wurden bislang für eine Bebauung ge- nutzt? 6.2 Wie bewertet die Staatsregierung die Situation zur Grundlage der Rechtfertigung der Planung seitens der Gemeinde, falls noch nicht alle Baurechte in Anspruch genommen wurden?

7.1 Wie bewertet die Staatsregierung die tarifliche Situation im Hinblick auf die regio- nalen Verkehrsverbünde im Grenzbereich zwischen Oberfranken und Südthürin- gen? 7.2 Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, um eine tarifliche Integration auch interregional zu ermöglichen? 7.3 Wie ist Oberfranken im Allgemeinen an andere Verkehrsverbünde angeschlos- sen?

8.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die Qualität der landkreisübergreifenden Busli- nien zwischen Coburg und Hildburghausen? 8.2 Sieht die Staatsregierung den Bedarf für zusätzliche landkreisübergreifende Nahverkehrslösungen? 8.3 Welche Fördermöglichkeiten bietet der Freistaat Bayern gegenüber den beiden Landkreisen, wenn diese ihre Verkehrsverbindungen verbessern wollen?

Antwort des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie hinsichtlich der Frage 4.2 vom 02.10.2019

1.1 Welche vor 1945 bereits bestehenden Verkehrsverbindungen (Straße/ Schiene) zwischen Bayern und Thüringen wurden nach der Grenzöffnung wiederhergestellt?

Straßen: – Bundesstraßen Es wurden alle Bundesstraßen bzw. Fernverkehrsstraßen wieder in Betrieb genom- men, dies waren die B 2, B 4, B 85, B 89, B 19 und B 285. – Staatsstraßen bzw. Landstraßen erster Ordnung Bis auf die St 2199 Ludwigsstadt (Ottendorf) – Lehesten – Wurzbach, die in einem Steinbruch endete und auch in Thüringen keine Weiterführung hatte, wurden alle Staatsstraßen wieder in Betrieb genommen. – Kreisstraßen Bis auf die NES 1 wurden sämtliche Kreisstraßen wieder in Betrieb genommen. – Gemeindliche Straßen und Wege Bei der Grenzöffnung 1989/1990 wurden etwa 50 gemeindliche Straßen und Wege in Betrieb genommen. Drucksache 18/3914 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 3/9

Schienenwege: Folgende Strecken wurden nach der Grenzöffnung wiederhergestellt: – Der eisenbahntechnische Lückenschluss zwischen Neustadt und Sonneberg, ein 3,5 km langer elektrifizierter Abschnitt, wurde 1991 wieder in Betrieb genommen. – Die Schienenverbindung von Mellrichstadt nach Meiningen wurde im Jahre 1991 wiederhergestellt. – Auf der Strecke von Nürnberg nach Berlin zwischen Hochstadt-Marktzeuln und der Landesgrenze wurde auf der bereits elektrifizierten Strecke im Jahre 1991 das zwei- te Gleis wiederhergestellt.

1.2 Welche Verkehrsverbindungen (Straße/Schiene) zwischen Bayern und Thü­ ringen wurden nach 1945 – neu – hergestellt?

Straßen: Grundsätzlich wurden alle verkehrswichtigen Straßenverbindungen wiederhergestellt. Im Einzelnen wurden folgende Maßnahmen realisiert: – Autobahnen – Die A 71 Schweinfurt – Suhl wurde neu gebaut. – Die A 73 wurde in Oberfranken zwischen Lichtenfels und der Landesgrenze neu gebaut.

Schienenwege: Die Fernverkehr-Schienenverbindung „Deutsche Einheit Nr. 8.1“ wurde neu gebaut bzw. ausgebaut. Die ICE-Neubaustrecke besteht aus einer Ausbaustrecke zwischen Nürnberg und Ebensfeld sowie einer Neubaustrecke zwischen Ebensfeld und Erfurt. – Die ICE-Bestandsstrecke Nürnberg – Ebensfeld wird abschnittsweise um zwei Gleise erweitert. Mit der Gesamtfertigstellung wird nicht vor 2028 gerechnet. – Die ICE-Neubaustrecke Ebensfeld – Erfurt wurde im Bereich Ebensfeld – Erfurt neu gebaut. Die Inbetriebnahme der Neubaustrecke erfolgte zum Fahrplanwechsel am 10.12.2017.

1.3 Wie hat sich der ÖPNV auf den in 1.1/1.2 genannten Verkehrsverbindungen seit 1989 entwickelt?

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV): Durch das ganz erheblich und abrupt gestiegene Verkehrsaufkommen aus Thüringen nach der Öffnung der Grenze ab Oktober 1989 wurden nicht nur die Städte Hof, Coburg, Kulmbach, und Bayreuth, sondern auch die an den Verkehrsachsen liegenden kleineren Gemeinden erheblich belastet. Während im Raum Coburg schon unmittelbar nach der Grenzöffnung im Oktober 1989 neue „grenzüberschreitende“ Linienverkeh- re eingerichtet wurden, wurden im Nahverkehrsraum Hof Anfang 1990 Linienverkehre nach Sachsen (Plauen, Oelsnitz, Rodewisch) sowie Schleiz in Thüringen aufgenom- men. Die Errichtung eines bis in den Raum Plauen reichenden Verkehrsverbundes wur- de angestrebt und fand in Form des Liniennetzes des EgroNet-Nahverkehrssystems ab 2000 ihre Umsetzung. Derzeit genehmigte Buslinienverkehre zwischen Oberfranken und Thüringen: Coburg: – Omnibusverkehrsgesellschaft Sonneberg mbH: Grümpen – Coburg – Omnibusverkehrsgesellschaft Sonneberg mbH: Sonneberg – Sonneberg – Transdev GmbH: Hildburghausen – – Transdev GmbH: Hildburghausen – Hellingen – Transdev GmbH: Eisfeld – Coburg – Transdev GmbH: Heldburg – Weitramsdorf Kronach: – KomBus Verkehr GmbH: Ziegenrück – Naila – KomBus Verkehr GmbH: Bad Lobenstein – Nordhalben (nur Wochenende vom 01.05.–03.10.) – OVF GmbH: Kronach – Sonneberg – Omnibusverkehrsgesellschaft Sonneberg mbH: Sonneberg – Pressig Drucksache 18/3914 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 4/9

Hof: – Bachstein GmbH: Hof – Gefell – KomBus Verkehr GmbH: Schleiz – Hof

Schienenpersonennahverkehr (SPNV): In der folgenden Tabelle wird die Nachfrageentwicklung bei grenzüberschreitenden Streckenabschnitten des Schienenpersonennahverkehrs von 1996 bis 2018 darge- stellt. Dabei ist zu beachten, dass im Jahr 1996 die Fahrgäste noch nicht nach den heutigen Standards gezählt wurden und somit eine Vergleichbarkeit mit den Zahlen von 2012 und 2018 nur bedingt gegeben ist.

Besetzung Mo–Fr

Streckenabschnitt 1996 2012 2018

Mellrichstadt Renntwertshausen 860 780 710

Neustadt (b. Coburg) Sonneberg 800 570 630

Ludwigstadt Probstzella 300 370 580

2.1 Wie bewertet die Staatsregierung das Gutachten des Verkehrsplanungs­ büros TKK aus Karlsruhe zum Bahnlückenschluss zwischen Coburg und Südthüringen, welches im Auftrag des Freistaates Thüringen, der IHK Süd­ thüringen und der IHK Coburg erstellt wurde?

Die Zuständigkeit für die Schieneninfrastruktur liegt gemäß Grundgesetz beim Bund, egal welche Art Schienenverkehr auf dem Netz fährt. Sofern die Schieneninfrastruktur nicht von der bundeseigenen DB AG und ihren Töchterunternehmen betrieben wird, handelt es sich um eine private unternehmerische Tätigkeit. Die Staatsregierung hatte den Schienenlückenschluss zwischen Coburg und Südthü- ringen bei der Aufstellung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans (BVWP 2030) beim Bund angemeldet und das erwähnte Gutachten beigefügt, weil er insbesondere dem Schienenpersonenfernverkehr dienen sollte. Die Gutachter des Bundes haben den Lü- ckenschluss als Projekt in der ersten Bewertungsrunde bereits ausgeschlossen, weil aus deren Sicht im Gegensatz zu den Ergebnissen der Fa. TTK bei Weitem keine Wirt- schaftlichkeit der Maßnahme zu erwarten sei. Nach Kenntnis der Staatsregierung hat zudem bisher kein Eisenbahnverkehrsunternehmen konkretes Interesse angemeldet, eine solche Fernverkehrsverbindung eigenwirtschaftlich zu betreiben.

2.2 Wie erklärt die Staatsregierung sich den Widerspruch zwischen den im Freistaat Bayern vorgegebenen Reaktivierungskriterien und dem tatsächli­ chen Verkehrsnetzeffekt (Gutachten S. 84)?

Eines der Reaktivierungskriterien des Freistaates bezieht sich auf die Fahrgastnach- frage im SPNV. Sie betrachtet isoliert den Nachfrageffekt auf dem zu reaktivierenden Abschnitt, zumal auch der Bund einen Einsatz von Fördermitteln für SPNV-Ausbau­ investitionen für Streckenabschnitte mit weniger als 1.000 Fahrgästen am Tag per se als unwirtschaftlich ansieht und nicht gewährt. Die im Gutachten aufgeführten Verkehrs- netzeffekte werden jedoch zu einem maßgeblichen Teil dem hypothetisch unterstellten Fernverkehrsprodukt zugeordnet. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2.1 verwie- sen. Drucksache 18/3914 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 5/9

2.3 Welchen Beitrag würde ein Bahnlückenschluss zum Verkehrsleitbild des Regionalplans Oberfranken-West leisten?

Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 2.1 verwiesen.

3.1 Wie hoch sind die CO2-Emissionen im Zusammenhang mit dem „Modal Split“ zwischen den Regionen Coburg und Südthüringen?

Der Staatsregierung liegen hierzu keine Informationen vor.

3.2 In welcher Höhe könnten CO2-Emissionen durch eine Realisierung des Bahnbrückenschlusses eingespart werden?

Der Staatsregierung liegen hierzu keine Informationen vor. Eine Schadstoffreduzierung durch den Bahnlückenschluss muss jedoch nicht zwingend resultieren. Sowohl beim Infrastrukturbau und -unterhalt als auch beim Zugbetrieb entstehen Schadstoffemis- sionen, die im Vergleich zu einer optimierten Busanbindungslösung auch höher sein können. Somit wäre der Bahnlückenschluss in diesem Fall die ökologisch nachteiligere Lösung.

3.3 Welche Maßnahmen strebt die Staatsregierung an, um die aus 3.1/3.2 re­ sultierenden CO2-Emissionen um zumindest 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr reduzieren zu können?

Ziel der Staatsregierung ist es, in den bayerischen Regionen die bestmögliche Mobilität möglichst umweltschonend zu erreichen. Um den verkehrsbedingten Schadstoffaus- stoß im Raum Coburg/Südthüringen zu reduzieren, ist dabei ein breiter Mix an Maß- nahmen notwendig, der bei allen Verkehrsträgern, bei allen Verantwortungsebenen und bei allen Verkehrsteilnehmern ansetzt. Für den Bereich der Eisenbahninfrastruktur sei beispielhaft der geplante Neubau des Bahnsteigs 6 am Coburger Bahnhof aufgeführt, mit dem bestehende Engpässe im dortigen Bahnnetz abgebaut werden und das Schie- nenverkehrsangebot stabiler, pünktlicher und damit attraktiver gemacht wird. Auch zur Stärkung des ÖPNV und des Radverkehrs ergreift die Staatsregierung umfangreiche Maßnahmen. Der Minderungsbeitrag bei den Treibhausgasemissionen lässt sich je- doch in der Regel für einzelne Maßnahmen nicht abschätzen, da die tatsächlichen Verlagerungseffekte und damit der Klimaschutzbeitrag nicht ohne Weiteres aus dem Verkehrsaufkommen bzw. der Verkehrsleistung der einzelnen Verkehrsträger (bzw. der jeweiligen Veränderung) abgeleitet werden können.

4.1 Wie stellen sich die Verkehrsverflechtungen im Berufs-/Ausbildungsver­ kehr zwischen den Landkreisen Coburg und Hildburghausen dar?

Aufgrund der hohen Arbeitsplatzdichte weist die Stadt Coburg einen deutlichen Ein- pendlerüberschuss auf. Im Jahr 2017 pendelten rund 17.900 Beschäftigte mehr in das Oberzentrum ein als aus. Der Binnenpendleranteil in Coburg liegt bei etwa 30 Prozent. Ein deutlich positives Verhältnis von Ein- zu Auspendlern hat darüber hinaus auch die Stadt (ca. 1.300), die mit Arbeitsplatzschwerpunkten wie Haba, Valeo und dem Medical-Park Arbeitskräfte aus dem Umland und insbesondere Thüringen anzieht. Aus den meisten Kommunen pendeln täglich jedoch deutlich mehr Menschen aus als ein. Städte und Gemeinden mit einem ausgeprägt negativen Pendlersaldo sind die Kommunen Weitramsdorf, Lautertal, Rödental, Ahorn, , Großhei- rath, , , Seßlach, Sonnefeld und . Die Städte und Gemeinden mit den größten Einpendlerzahlen nach Coburg sind Rö- dental (ca. 2.100), Neustadt bei Coburg (ca. 1.200), Weitramsdorf (ca. 1.130) und Lau- tertal (ca. 1.000). Hauptziel der Berufsauspendler aus der Stadt Coburg ist die Nachbar- stadt Rödental. Weitere Pendlerrelationen mit nennenswerter Relevanz für den ÖPNV sind die Beziehungen zwischen Neustadt b. Coburg und Rödental. Neben den Bindun- gen an das Oberzentrum Coburg zeigen die Pendlerströme hinsichtlich ihrer räumlichen Ausrichtung weitere Schwerpunkte in die bzw. aus den angrenzenden Nachbarstädten Drucksache 18/3914 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 6/9

auf. Die wichtigsten Relationen über die Kreisgrenze hinweg sind zwischen Sonneberg und Neustadt b. Coburg, außerdem gibt es in nennenswertem Umfang Einpendlerströ- me aus Sonneberg und Eisfeld nach Coburg sowie aus Hildburghausen nach Bad Ro- dach.

4.2 Sind der Staatsregierung Beschwerden darüber bekannt, dass aufgrund fehlender öffentlicher Verkehrsverbindungen Arbeits-/Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können?

Dahin gehende Beschwerden sind der Staatsregierung nicht bekannt.

4.3 Welche ökonomische Entwicklung bis 2030 ist durch einen Bahnlücken­ schluss für die Region Coburg/Südthüringen zu erwarten?

Der Staatsregierung sind hierzu keine Prognosen bekannt. Bis 2030 sind zudem derzeit keine Lückenschlüsse vorgesehen.

5.1 Wie hoch schätzt die Staatsregierung das Potenzial an Zusteigern in den ICE am Bahnhof Coburg aus den Landkreisen Hildburghausen, Schmalkal­ den-Meiningen und Wartburgkreis?

Das Nachfragepotenzial für die ICE-Bedienung ist sehr stark von der Bedie- nungshäufigkeit des Fernverkehrs abhängig. Je mehr Fernzüge in Coburg halten, umso attraktiver wird dieses Angebot für Reisende. Eine Studie des Gutachters „GVS“ aus dem Jahr 2015 prognostizierte 190 Reisende pro Tag für die damals von der DB Fern- verkehr AG geplanten zwei ICE-Zugpaare in Tagesrandlage. Für den Planfall mit zwei- stündlichem ICE-Halt in Coburg wurden 1.140 Reisende am Tag erwartet. Die Nachfra- ge aus den Landkreisen Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen und Wartburgkreis wurde in der Studie nicht dargestellt. Weitere Daten aus anderen Quellen liegen nicht vor, da der Schienenpersonenfernverkehr nicht in die Zuständigkeit des Freistaates Bayern fällt. Laut Presseveröffentlichungen lag die tatsächlich eingetretene Nachfrage für die drei in Coburg haltenden ICE-Zugpaare im Jahr 2018 bei rund 600 Reisenden am Tag. Aus dieser Entwicklung kann geschlossen werden, dass die Prognose von 2015 bei einem zweistündlichen Systemhalt voraussichtlich übertroffen werden würde.

5.2 Wie hoch wird dieses Potenzial ausgeschöpft, wenn es den Bahnlücken­ schluss gibt?

Für den Fall eines Lückenschlusses im Schienennetz zwischen Coburg und dem Land- kreis Hildburghausen würde sich das Reisendenpotenzial entsprechend der „GVS-Stu- die“ von 2015 für den zweistündlichen ICE-Systemhalt in Coburg auf 1.240 Reisende am Tag erhöhen. Weitere Analysen liegen nicht vor.

5.3 Wie stark reduziert sich das Potenzial, wenn es den Bahnlückenschluss nicht gibt?

Für den Fall, dass es anstelle einer direkten Bahnverbindung zwischen Coburg und dem Landkreis Hildburghausen nur einen zweistündlichen Schnellbus Coburg – Eis- feld geben sollte, ermittelte der Gutachter „GVS“ 1.210 Reisende am Tag für einen zweistündlichen ICE-Systemhalt. Die konkreten Potenziale der einzelnen thüringischen Landkreise wurden dabei nicht ausgewiesen. Drucksache 18/3914 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 7/9

6.1 Wie viele Baurechte aus dem Bebauungsplan „Bahnhofstraße“ in Tiefen­ lauter (Gemeinde Lautertal, Landkreis Coburg) wurden bislang für eine Be­ bauung genutzt?

Der Bebauungsplan „Bahnhofstraße“ im Gemeindeteil Tiefenlauter der Gemeinde Lautertal schafft Baurechte für insgesamt zwölf Grundstücke, von denen zwei (Fl.Nr. 294/51 und 294/2) bereits vor Aufstellung des Bebauungsplans bebaut waren. Seitdem wurde ein weiteres Grundstück (Fl.Nr. 294/55) bebaut. Für die Grundstücke Fl.Nr. 112/7 und 112/8 wurden Genehmigungsfreistellungsverfahren durchgeführt. Die Gemeinde rechnet mit einem zeitnahen Baubeginn.

6.2 Wie bewertet die Staatsregierung die Situation zur Grundlage der Rechtfer­ tigung der Planung seitens der Gemeinde, falls noch nicht alle Baurechte in Anspruch genommen wurden?

Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städ- tebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Baugesetz- buch – BauGB). Bei der Beurteilung dieser Erforderlichkeit wird den Gemeinden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein erheblicher Spielraum zugestanden. Erfor- derlich ist eine Planung nicht nur, wenn sie dazu dient, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Rahmen zu lenken, sondern auch, wenn die Gemeinde die planerischen Voraussetzungen schafft, die es ermöglichen, einer Bedarfslage gerecht zu werden, die sich erst für die Zukunft abzeichnet (BVerwG Beschl. v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99). Umgekehrt formuliert: Nicht erforderlich sind nur solche Bauleitpläne, die ei- ner positiven städtebaulichen Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förde- rung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Bauleitplanung nicht bestimmt ist (BVerwG Beschl. v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99). Die Aufstellung des Bebauungsplanes „Bahnhofstraße“ im Gemeindeteil Tiefenlauter der Gemeinde Lautertal erfolgte, nachdem im Gemeindeteil Tiefenlauter zunehmender Bedarf nach Bauplätzen angemeldet wurde und der Schaffung von Wohnraum in den kleineren Gemeindeteilen Rechnung getragen werden sollte. Dies kann nach obigen Maßstäben grundsätzlich eine Grundlage für die Rechtfertigung der Planung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB bieten. Es ist das Wesen einer Angebotsplanung, dass sie den betreffenden Grundstückseigentümern zunächst nur die Möglichkeit, aber kei- ne Pflicht zur Bebauung vermittelt. Aus dem Umstand, dass nach Inkrafttreten eines Bebauungsplans nicht umgehend alle Baurechte in Anspruch genommen werden, lässt sich kein Rückschluss auf eine fehlende Rechtfertigung der Planung ableiten.

7.1 Wie bewertet die Staatsregierung die tarifliche Situation im Hinblick auf die regionalen Verkehrsverbünde im Grenzbereich zwischen Oberfranken und Südthüringen? 7.2 Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, um eine tarifliche Integra­ tion auch interregional zu ermöglichen? 7.3 Wie ist Oberfranken im Allgemeinen an andere Verkehrsverbünde ange­ schlossen?

Der ÖPNV in den betroffenen Nahverkehrsräumen weist die Besonderheit auf, dass die Landkreise und kreisfreien Städte und Bayreuth sowie die Landkreise Forchheim und Lichtenfels in den Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) inte- griert sind, während die Landkreise und kreisfreien Städte Coburg und Hof sowie die Landkreise Kronach und Wunsiedel den ÖPNV im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit organisieren. Für den Tages- und Ausflugsverkehr steht aktuell bereits das „EgroNet- Ticket“ zur Verfügung. Der Nahverkehr im Landkreis Coburg besteht aus dem Stadtbusnetz der SÜC Bus und Aquaria GmbH sowie den Regionalbuslinien der OVF (Omnibusverkehr Franken GmbH). Darüber hinaus führen auch Fahrten der OVG Sonneberg nach Coburg (vgl. Antwort zu 1.3). OVF und SÜC haben sich in der VGC (Verkehrsgemeinschaft Coburg) zusammengeschlossen. Eine Tarifgemeinschaft besteht hier zwar nicht, jedoch werden die Fahrscheine der SÜC und der OVF beim Umsteigen anerkannt. Auf den OVF-Linien werden darüber hinaus gemeinsame Fahrausweise Bus/Schiene (B/S) ausgegeben. Drucksache 18/3914 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 8/9

Der Tarif der VGC im Orts- und Nachbarortslinienverkehr Coburg ist ein Zonentarif. Es gibt zwei Tarifzonen, wobei Tarifzone I das Stadtgebiet Coburg abdeckt, Tarifzone II den Nachbarortsverkehr. Die Tarifstruktur der OVF (außerhalb der VGC) basiert auf dem Kilometertarif. Der Tarif errechnet sich somit aus der Anzahl der gefahrenen Kilo- meter. Die Landkreise und kreisfreien Städte Coburg, Hof, Kronach, Kulmbach und Wun- siedel im Fichtelgebirge streben einen Beitritt zum VGN an, womit der gesamte Regie- rungsbezirk zum Verbundraum gehören würde. Der Freistaat wird eine vorbereitende Studie maßgeblich fördern, in der die verkehrliche und wirtschaftliche Sinnhaftigkeit dieser Verbundintegration untersucht wird. Bei einem positiven Ergebnis wird der Frei- staat die kommunalen Aufgabenträger auch bei Einmal- und Dauerkosten der Verbund- integration unterstützen. Inwieweit eine über die Landesgrenze reichende Kooperation mit ÖPNV-Angeboten in den angrenzenden Landkreisen Sonneberg und/oder Hildburghausen – etwa in Form von Überlappungsbereichen oder Übergangstarifen – realistisch ist, hängt zum einen vom Ergebnis der VGN-Erweiterungsstudie ab. Zum anderen bleibt abzuwarten, wie sich die Verbundlandschaft auf Thüringer Seite weiterentwickeln wird. Unabhängig da- von sind bilaterale Vereinbarungen zwischen Verkehrsunternehmen und Verbünden über eine Tarifanerkennung denkbar.

8.1 Wie beurteilt die Staatsregierung die Qualität der landkreisübergreifenden Buslinien zwischen Coburg und Hildburghausen?

Die Linienverkehre werden auf der Grundlage von Liniengenehmigungen nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) erbracht. Im Liniennetz des Landkreises Coburg führt eine bezuschusste Linie von Bad Rodach nach Hildburghausen (Linie 216). Für die Linienverkehre haben die durchführenden Unternehmen die Qualitätsstandards des 4. Nahverkehrsplans von Stadt und Landkreis Coburg zu beachten. Der Nahverkehrs- plan ist unter http://www.coburgmobil.de/3-nahverkehrsplan-von-stadt-und-landkreis- coburg-2015-2020/ abrufbar.

8.2 Sieht die Staatsregierung den Bedarf für zusätzliche landkreisübergreifen­ de Nahverkehrslösungen?

Es gibt bereits konkrete Planungen für eine landkreisübergreifende Expressbuslinie vom Höllental (Landkreis Hof) über Naila (Anschluss an die Regionalbahn von Hof) via Kronach nach . Der Start der Expressbuslinie ist im zweiten Quartal 2020 geplant. Das Vorhaben ist bereits im Förderprogramm zur Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum für bedarfsorientierte Bedienformen des allgemeinen ÖPNV und Pilotprojekte landkreisübergreifender Expressbusverbindungen im Omni- busverkehr vorgemerkt. Der Freistaat Bayern unterstützt zudem die Realisierung eines zwischen dem Aufga- benträger des SPNV (Freistaat und Bayerische Eisenbahngesellschaft – BEG) mit den Aufgabenträgern des allgemeinen ÖPNV (Landkreise; Gebietskörperschaften) abge- stimmten regionalen Busliniennetzes bzw. einer Liste von Linien als Ergänzungssys- tem zum SPNV in Bayern (landesbedeutsame Buslinien). Für eine engere Vernetzung zwischen Schiene und Straße wird ein getaktetes und auf die Fahrzeiten des SPNV abgestimmtes Busliniennetz mit kurzen Reisezeiten entwickelt, das Mittelzentren, Ar- beitsplatzschwerpunkte und touristische Destinationen ohne Schienenanschluss syste- matisch mit dem SPNV verknüpft. Im Gegensatz zum klassischen allgemeinen ÖPNV, der primär dem flächenhaften Ausbildungs- und Pendlerverkehr der jeweiligen Land- kreise dient, sollen diese landesbedeutsamen Buslinien vornehmlich die Funktion ei- ner übergeordneten landkreisüberschreitenden ÖPNV-Direktverbindung mit optimalem SPNV-Anschluss übernehmen. Der Freistaat hat sich bereit erklärt, die Betriebskosten- defizite maßgeblich zu fördern. In Planung ist aktuell eine Linie von Gersfeld über Bad Neustadt, Bad Königshofen und Maroldsweisach nach Coburg. Drucksache 18/3914 Bayerischer Landtag 18. Wahlperiode Seite 9/9

8.3 Welche Fördermöglichkeiten bietet der Freistaat Bayern gegenüber den beiden Landkreisen, wenn diese ihre Verkehrsverbindungen verbessern wollen?

Der Betrieb von neuen landkreisübergreifenden Verbindungen kann im Förderpro- gramm zur Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum für bedarfsorientierte Be- dienformen des allgemeinen ÖPNV und Pilotprojekte landkreisübergreifender Express- busverbindungen gefördert werden. Zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse unterstützt der Freistaat weiter kom- munale und private Verkehrsunternehmen bei der Beschaffung von neuen Bussen, die im ÖPNV (Linienverkehr nach § 42 PBefG) eingesetzt werden. Die Förderung erfolgt antriebsneutral mit Festbeträgen abhängig von der Länge des Busses bis zu 85.000 Euro je Bus. Daneben werden Erdgasbusse und Mild-Hybridbusse mit zusätzlich 10.000 Euro (Technologiekomponente) gefördert. Seit dem Jahr 2019 wird für neue Elektrobusse zusätzlich zur o. a. Fahrzeugförderung statt der Technologiekomponente ein Zuschuss in Höhe von 40 bis 60 Prozent der antriebsbedingten Mehrkosten ge- währt, sofern keine Förderung seitens des Bundes erfolgt. Die Förderung des Bundes für die Anschaffung von Bussen mit Elektroantrieb in Bezug auf die antriebsbedingten Mehrkosten ist gerade auch wegen begrenzter Haushaltsmittel des Freistaates vorran- gig vor einer Landesförderung. Seitens des Freistaates Bayern werden neben der o. a. allgemeinen Busförderung nur einzelne (innovative) Projekte im Bereich der Elektromo- bilität und des autonomen Fahrens subsidiär gefördert, wenn keine Bundesförderung erreicht werden kann. Soweit Bedarf an zusätzlichen Bushaltestellen, Fahrgastinformationssystemen oder Buswartehäuschen besteht, werden diese mit 55 bis 60 Prozent (in Abhängigkeit der Höhe der Investitionen) aus dem Bayerischen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bezuschusst. Zusätzlich unterstützt der Freistaat reguläre Leistungsausweitungen im ÖPNV durch die Erhöhung der ÖPNV-Zuweisungen in den Jahren 2018 und 2019.