Zwangsmühle für Lentföhrden

Die Kampener Mühle

Gesammelt und aufgeschrieben von Uwe Looft Lentföhrdener Ortsgeschichte 7 Zwangsmühle für Lentföhrden Die Korn- und Knochenmühle in Kampen

Die Mühle in Campen (so schrieb man jahrhundertelang) ist sehr alt – aber wie alt wirklich, bleibt bisher unbekannt. Der Familienforscher Claus Averhoff (Voßhöhlen) berichtet 1995 über eine Stauung der Schirnau durch das Zister- zienserkloster Reinfeld. Er zitiert aus einer nicht näher beschriebenen Topographie.

Die bis dato älteste bekannte schriftliche Überlieferung stammt aus dem Jahre 1649. Es sollte ein neuer Mühlstein beschafft werden. König Frederik III. ver- fügt, ihm die Kosten in Rechnung zu stellen. Daher muss die Mühle in könig- lichem Eigentum gewesen sein.

Mittlerweile hat sich ein weiterer Fund ergeben, schon 1966 veröffentlichte Wolfgang Prange vom Landesarchiv Schleswig einen Artikel zur Entstehung und inneren Aufbaus des Gutes Bramstedt. Diesen Bericht hat Jan-Uwe Schadendorf wiederentdeckt. Prange berichtet von Caspar Fuchs, Besitzer des adeligen Bramstedter Gutes. Er heiratete 1540 Elisabeth Vaget, Tochter des Vorbesitzers Dirick Vaget. Dieser wird im alten Fleckensbuch um 1530 als Bürgermeister genannt. 8

Karte von Danckwerth, um 1650

Er scheint zu seinem Landesherren in guter Beziehung gestanden zu haben. Hans Hinrich Harbeck schließt in seiner Bramstedter Chronik aus, dass ihm sein Fleckensamt die Nutzung dieser Besitztümer eingetragen hat: 10 Hufen in , Hagen, Borstel, , und Bram- stedt. Dazu kamen Wiesen, Weiden, Jagdrechte, Fischereirechte und Holz- rechte sowie Mattenfreiheit (also keine Abgaben in der Mühle). Auch Gerichts- barkeit an Halß und Handt, alle Freiheiten, so alß andere vom Adel ihre Güter in unsern Fürstentümern Schleswig und Holstein inne haben.

Caspar Fuchs war Sekretär des Dänenkönigs Christian III. Am 28.12.1540 bestätigte der König ihm den erblichen Besitz von Vagets Gütern. Weiterhin erhielt Caspar Fuchs auf Lebenszeit – nicht erblich! – zwei Hufen und eine Kate in Weddelbrook und die bei Kampen im Kirchspiel erbaute Mühle, ebenfalls deren Gerichtsbarkeit. Demnach muß unsere Mühle schon vor der Säkularisation in königlichem Besitz gewesen sein. Mit dem Tod von Caspar Fuchs fiel die Mühle wieder an die dänische Krone, nach der Reformation kam sie als Fideikommiss (unveräußerliches Stamm- gut) 1665 an die Barone von Blome in Heiligenstedten.

Weitere frühere bestimmbare Information liegt bisher nicht vor.

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Das Erdbuch

(steuerliche Grundstücksabgaben) des Amtes nennt für 1567 als abgabepflichtige Kampener Hufner Henneke Moller und Hinrich Mhoer.

Für die folgenden Jahre: 1601: Hinrich Stamer Johan, Timme Schutten, Hinrich Schutten, Johan Borneman, Pawel Weßel. 1606/07: Hinrich Stamer Johan, Timme Schutten, Hinrich Schutten, Johan Borneman. 1629/30: Hanß Moller, Heinrich Schutten, Tim Schutten Johan Borneman. 1647/48: Hanß Möller, Hinrich Schutte, Tim Schutte, Johan Borneman, Tieß Tieß. 1656/57: Marx Michels, Tihm Tieß, Paul Borneman, Hinrich Struve, Carsten Siemens. 1665: Marx Michelsen, Tieß Tieß, Paul Borneman, Detlef Pingell, Carsten Siemens, Daniel Wulff, Zubauer.

Zeichnung von 1931

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Kloster Reynevelde

Reinfelder Stadtwappen: Der Krummstab erinnert an das Kloster

1186 ersucht Graf Adolf III. im Rahmen der deutschen Ostkolonisation das Kloster Loccum um Entsendung von Mönchen und Laienbrüder in den slawischen Gau Boule. Im Winterfeldzug von 1138-1139 wurden die Wenden endgültig unterworfen, viele ihrer Orte fielen wüst oder wurden von Kolonisten aus dem gesamten norddeutschen Raum, aber auch vom Rhein und aus Friesland, übernommen. Die grauen Mönche legten Hand an, rodeten den Wald und erbauten be- scheidene, hölzerne Gebäude, in denen sie klösterlich leben konnten. Um 1238 wurde der Klosterstandort verlegt. Die endgültige Klosterkirche wurde vom Lübecker Bischof geweiht. Die Zisterzienserregel verbot den Genuss von Fleisch, Fisch hingegen war ausdrücklich erlaubt. Da auch das frommste Mönchlein essen musste, legte man im Laufe der Zeit insgesamt 61 Fischteiche an. Gezüchtet wurden Karpfen, Schleie, Zander, Aale, Hechte und Lachse. Die Karpfenzucht spielt in Reinfeld noch heute eine Rolle. Man betrieb auch Land- und Forstwirtschaft sowie ein eigenes Gestüt. Das Kloster besaß bedeutenden Landbesitz außer dem holsteinischen noch in Lauenburg, Mecklenburg und Pommern sowie Anteile an der Lüneburger Saline. Die Mönche verfügten über Mühlen in Wismar (Gröninger Mühle), Gadebusch, Schwerin (3), Nütschau und Neritz. Zahlreiche Dörfer waren klosteruntertänig, so auch Fuhlendorf (schon ab 1189), Bimöhlen und eventuell auch Gayen. Durch seinen Reichtum und gute Beziehungen zur Hansestadt Lübeck war das Kloster auch ein Politikfaktor. Die Mönche konnten sogar in Lübeck direkt eine Handelsniederlage einrichten. 1942 wurde das letzte Gebäude der Klosterzeit abgerissen und durch einen Luftschutzbunker ersetzt.

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Die Klostergeschichte begann mit einigen wenigen Mönchen, für sein Ende genügte ein einziger: Martin Luther. Mit einsetzender Reformation entzogen die Landesherren von Mecklenburg und Pommern dem Betrieb viel Grund- besitz. Damit begann der wirtschaftliche Niedergang, auch die Lüneburger Salzpfannen mussten verkauft werden. Ebenso nahm die Zahl der Mönche ständig ab (in der Blütezeit des Klosters waren es an die 60). Das endgültige Aus kam im April 1582. Der dänische König Frederik II. säkularisierte das Kloster und übergab das Abteigebiet an seinen Bruder Herzog Johann von Sonderburg. Dieser ließ die meisten Bauten schleifen und erbaute in den Jahren 1755 – 1604 aus dem Abbruchmaterial ein Renaissanceschloss (1772 abgebrochen).

In Kampen erinnert noch die Flurbezeichnung Klosterwisch an die Mönche.

Nachricht vom Stadtarchiv Reinfeld

Modell des Reinfelder Klosters

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Diese Karte von Wolfgang Prange stellt den Zustand um 1530 dar. Demnach besaß das Reinfelder Kloster in Nützen 5 Hufen, in Kampen 3.

13 Es ist durchaus wahrscheinlich, das die Reinfelder Klosterbrüder hier ihre Finger im Spiel hatten, den Mühlenteich mit Dämmen umgaben und die Schirnau aufstauten. Wie lange Kampen zum Kloster Reinfeld gehörte, wissen wir nicht. Im Jahre 1567 erscheint der Ort im Rechnungsbuch des Augustiner- Chorherrenstiftes Segeberg. Für das Jahr 1653 wird ein Marten Lop (auch Loep) als Müller genannt. Er pachtete für jährlich 700 Mark Lübsch. In den schwedischen Kriegswirren kam ihm der Pachtvertrag abhanden. Der Segeberger Amtmann von Buchwald stellte einen neuen aus. Am 21.02.1655 heiratete Daniel Wulff die Witwe Elsabe Lops, eine geborene Stamer Johan. Ab 1659 ist der Mühlenbetrieb durch Wulff nachweisbar. Wie lange er lebte, wissen wir nicht, sein Sohn Daniel ertrank 1693 im Mühlen- teich.

Kisdorf, 25.02.1663

Beim Kirchspielvogt Dietrich Pohlmann in erscheint Anke Lentforde, Ehefrau des dortigen Hufners Hanß Lentforde, und sagt freiwillig aus, dass ihr Großvater Eler Loep das erste Wohnhaus bei der Mühle zu Campen auf seine Kosten erbaut hat, da zuvor dort kein Haus gestanden, und dass er es an seinen Sohn Jürgen Loep vererbte. Dieser habe es nach seinem Tode ihr, seiner Tochter Anke Lentföhr, vermacht. Sie selbst habe das Haus ihrem Onkel Marten Loep, dem verstorbenen Ehemann der jetzigen Müllerin Elsabe verkauft. Martin Loep habe das Haus, nachdem es leider abgebrannt ist, wieder auf seine Kosten aufbaut und jährlich 24 Schilling Grundheuer gezahlt.

oberschlächtig unterschlächtig

14 Die Kampener Wassermühle wurde mit einem unterschlächtigen Wasserrad angetrieben. Das Wasserrad hatte einen Durchmesser von etwa drei Metern und drehte sich um die 10mal in der Minute.

Seine Tochter Elisabeth heiratete am 15.08.1680 Otto Paustian I.. Dessen Familie stammte aus Tilsit. Er betrieb die Mühle von 1680 bis 1699. Otto verstarb am 30. Dezember 1699 um 3 Uhr nachts im 53. Lebensjahr.

Der Ehe entstammten 11 Kinder: Claus *14.07.1681 ∞ 27.07.1737 Jungfrau Schröder Elsabe *28.02.1683 t 27.04.1685 Otto *1683 t 27.04.1685 Cathrin Elsbe t 28.09.1689 Daniel *09.03.1687 Otto *17.03.1689 ∞ 27.06.1721 Elisabeth Schacht Elisabeth *07.12.1690 ∞ 22.09.1713 Lieutnant J. F. Kühfer Anna Margareth *24.07.1692 ∞ 21.09.1714 Cornet Joh. Fr. Annion Johan *08.11.1694 Emerentz *15.02.1698 ∞ 19.11.1716 Jochim Aberhof aus Barmstedt Andreas Kay *17.04.1700

Im gleichen Jahr ist der Bramstedter Hufner und Kirchspielvogt H. Pawel Blancke so auf einer Hochzeitt zu Cajen gewesen undtt zwischen den und Campen unvormothlichen Todes verblichen.

1702 verhört Amtsverwalter Schnell auf Anordnung des Segeberger Amtmannes von Lenten je zwei alte Männer aus den Dörfern Kisdorf, Wakendorf, , Kaltenkirchen, Lentföhrden, Nützen, und Ulzburg. Vermutlich hat sich der Kampener Müller über den Gebrauch von Grützmühlen (Queeren) beschwert. Nach deren Aussagen ist es altes Recht, dass die Mühlengäste bis zu 24 Stunden auf das Mahlen ihres Korns warten müssen, ehe sie berechtigt sind, zu einer anderen Mühle zu fahren, und dass sich dann mit dem Müller wegen der entzogenen Matten einigen müsse. Nach Ottos Tod heiratete Witwe Elisabeth mit 8 Kindern 1705 einen Christian Bartels (Pastor Stocks vermeldet für den 24.10.1704 dem Ehepaar Christian und Elisabeth Bartels die Geburt eines Sohnes Christian Daniel). Am 12.09.1705 schloss man einen Teilungsvertrag. Witwe Paustian, Bartels als künftiger Vormund der Kinder sowie der vom Gericht eingesetzte Bauern- vogt Jasper Siemens aus Lentföhrden. Es wurde vereinbart, dass jedes der acht lebenden Kinder 300 Mark Lübsch (100 Reichsthaler) und eine Aussteuer 15 erhalten sollten. Der Vertrag wird am 12.09.1705 in der Kirchspielvogtei Kaltenkirchen protokolliert. Im Jahr 1717 wird für Bartels ein Wohnrecht auf der Lohe protokolliert. Christian Bartels starb am 17.04.1733, Elisabeth lebte bis zum 17.04.1743.

1718 kauft Otto Paustian II. sich für 5.000 Reichstaler das Erbpachtrecht vom Preetzer Probst Wolfgang von Blome. Er betrieb vorher die Oldesloer Mühle des verstorbenen Müllers Schacht und heiratete dessen Tochter Elisabeth Schacht. Die Mitgift dürfte zum Kauf des Erbpachtrechtes hilfreich gewesen sein.

Familienkrach

Bei der Umsetzung dieses Kaufes gab es allerdings Probleme. Am 01.11.1718 bitten Blome den Segeberger Amtmann um Rechtshilfe, weil Elisabeth und ihr Sohn Daniel Schwierigkeiten bei der Herausgabe der Mühle machten. Otto Paustian II. klagt mit Datum vom 20.04.1719, dass sein Bruder Daniel eine Schlägerei angefangen habe und seine Mutter ihn einen Dieb gescholten habe, als er die Mühle übernehmen wollte. Der Amtmann befiehlt Elisabeth, die Mühle auf dem bevorstehenden Kieler Umschlag 1719 an ihren Sohn Otto herauszugeben. Sie teilt ihm daraufhin mit, dass ihr der Verkauf nicht bekanntgegeben worden sei, und Blome möchte sich an den jetzigen Besitzer Daniel wenden. Daniel teilt dem Amtmann mit, dass seine Mutter und sein Stiefvater Christian Bartels schuldig seinen, die noch ausstehende Pacht an Wulf von Blome zu zahlen, da er selbst mit diesem keinen Vertrag geschlossen habe. Am 20.04.1719 beschwert sich Otto beim Amtmann Hanneken darüber, dass sein Bruder Daniel sich unterstanden habe, die Schütten aufzuziehen, um das Wasser abzulassen und ein Viertel der Schaufeln des Wasserrades herauszubrechen. Dadurch stand die Mühle vier Tage still, außerdem habe er ihn geschlagen. Otto verlangte Schadensersatz und forderte, dass Daniel das zur Mühle gehörende Wohnhaus zu räumen und bietet ihm an, 200 Reichsthaler zu zahlen, die Daniel dem Stiefvater gegeben hatte. Endlich kam es zum Prozess, dessen Urteil sich nicht erhalten hat. Das Urteil wird zugunsten von Otto Paustian II. und Wulf Blome ausgegangen zu sein, da Otto in den Kaltenkirchener Kirchenregister als Kampener Müller bezeichnet wird. Bartels, der Verlierer, pachtete daraufhin die Mühle des verstorbenen Müllers Marx Schacht in Oldesloe: Da sein Stief-Sohn Otto Paustian sich auf die Mühle gesetzet und daselbst täglich die Haußhaltung führet und das gantze Wesen als Meister regiert, und

16 er, Bartels, wegen Einnahme der Molten und anderer Sach hinlänglich Anstalt auf der Mühle zu Oldesloe, umb ohne allen Schaden zu seyn, gemacht, und aber anseiten der Amtsstube zu Reinbek von ihm Versicherung begehrt wird, daß die Pension an Sechzehen Hundert Mark Lübsch in dänischen Cronen vom Maytag 1720 an bis Maytag 1721 in Terminen als auf Michaelis und Ostern bezahlt werden könten und sollten, so verpflichtet sich Bartels unter Verpfändung seines gesamten Vermögens, die Pacht zu zahlen. Ottos Ehe blieb kinderlos, von 1728 bis 1758 führte nun sein Bruder die Mühle weiter. Claus Paustian vergrößerte den Betrieb um eine Krügereikonzession (Gaststätte). Damit wurden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Bauern konnten sich die Wartezeit trefflich verkürzen und der Müller hatte eine zusätzliche Einnahmequelle. Eine durchaus gängige Praxis. Ob es hier auch ein Brennrecht gab, ist bisher nicht bekannt. Dieser Claus heiratete 1727. Claus verstarb am 18.10.1758. Er hatte noch ein zweites Mal geheiratet (E. M. E. Schröder), die Kinder aus beiden Ehen führten den Betrieb gemeinsam weiter.

Was kostete ein Kirchenstuhl?

Das älteste bekannte Originaldokument aus dem Jahre 1734 bezeugt den Kauf eines Kirchenstuhls in der Kaltenkirchener Kirche durch den Pensionär Claus Paustian.

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Er ersteigert das Recht, dass er sich auf eigene Kosten den Stuhl sich zurechtmachen lasse und für den Stuhl 16 rtl, schreibe sechzehn Reichs- thaler, an die Kirche zahlen wollt. Um 1700 kostete eine gute Kuh 30-40 Mark (etwa 10-13 Reichsthaler).

Im Vertrag wurde weiterhin geregelt, dass er oder seine Nachfolger den Stuhl auf eigene Kosten reparieren sollen, so dass die Kirche damit nicht belastet werden soll. Er erhielt das Recht, den Stuhl ganz oder teilweise zu verkaufen, die Kirche hatte keinerlei Rechte am Stuhl, solange die Nachfolger bei Antritt jeweils einen Reichsthaler bezahlten.

Der Kirchenstuhl wurde jeweils an den folgenden Mühlenbetreiber weitergege- ben. Dafür wurden Abgaben erhoben. Im Jahre 1829 war es 1 Reichsthaler, 1852 3 Mark und 1883 3 Mark und 60 Pfennig.

Warum kaufte man einen Kirchenstuhl? Beim Kirchenbesuch wurde nicht nur Gottesdienst abgehalten, der Kirchgang diente gleichzeitig als Nachrichtenbörse und von der Kanzel wurden auch amt- liche Mitteilungen verlesen. Wer nun seinen eigenen Stuhl besaß, der gehörte zu den Honoratioren oder war zumindest gut bei Kasse.

18 Für die Bramstedter Maria-Magdalenen-Kirche waren beispielsweise fünf Kirchenstühle der Obrigkeit vorbehalten: Für den Königlichen Kirchspielvogt, dem Adeligen Gut, dem Amtmann des Amtes Segeberg, und noch zwei weitere für das Adelige Gut.

Verlängerungscontract von 1769

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Der Pastor und das Geld

Da der Kirchenstuhl nicht der Besoldung diente und die Kirche ihre Prediger nicht bezahlte, wovon lebten diese dann? Das Kirchspiel Kaltenkirchen umfasste in seiner größten Ausdehnung die Orte Kaltenkirchen, Nützen, Kampen, Lentföhrden, , Schmalfeld, Ulz- burg, Henstedt, Götzberg, Wakendorf II, Bredenbekshorst, Struvenhütten, , Hüttblek, Oersdorf, Winsen, Kisdorf, , Kaden, Mönkloh und Weddelbrook. Die Gemeindemitglieder mussten ihren Pastor unterhalten und das nicht auf freiwilliger Basis. Dem Pastor stand eine gewisse landwirtschaftliche Fläche zu, die von den Gemeinden bewirtschaftet werden mussten. Hand- und Spanndienste waren verbindlich festgelegt. Auch mussten sie ihm die Ernte einbringen und mit Feuerung (Holz und Torf) versorgen.

Im Laufe der Zeit wurden diese Lasten durch Geldabgaben ersetzt. Die Höhe gliederte sich nach Feuer- und Instenstellen. Eine volle Feuerstelle zahlte einen Reichstaler, ein Inste 16 Schilling (1775). Weiterhin galt es, Naturalabgaben an die Kirche zu leisten und das Pastorat in Schuss zu halten.

Eine Fülle von Akzidenzien (Gebühren) sollten Pastor und Organisten Lebens- unterhalt und Amtsführung sichern. So kostete die Taufe eines ehelichen Kindes 1 Schilling, die eines unehelichen 3 Schillinge, eine Leichenrede mit Sermon (Ablesen einer vorgedruckten Predigt) 3 Schillinge (1737). Für das Jahr 1753 heißt es: ...für eine Leiche, die unter Absingen eines Liedes um die Kirche getragen oder in die Stille beerdigt werden, ist die Gebühr.... 12 Schilling. Trug die Braut auf ihrer Hochzeit die Brautkrone, war wieder Bargeld fällig. Auch für die Konfirmation bzw. den Konfirmationsunterricht musste bezahlt werden, eine Pflicht seit 1850. Galt doch dieses Ereignis gleichzeitig als Schul- entlassung und als Voraussetzung für den Einstieg in das Berufsleben. Für kinderreiche Familien der unteren sozialen Schicht eine herbe Belastung.

Diese recht weltlichen Forderungen dürften der Gottesfurcht nicht gerade dienlich gewesen sein. Und ein Pastor für 21, wenn auch unterschiedlich große, Ortschaften, da konnte der Heilige Geist wohl nicht tief durchdringen. Die Finanzfrage wurde mit Gesetz vom 10.03.1906 in Schleswig-Holstein durch die Einführung der Kirchensteuer geregelt. Sie setzte sich zusammen aus Zuschlägen zur Einkommens- und Lohnsteuer und aus Zuschlägen zu Grund- und Gebäudeabgaben

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Und, auch wenn es banal ist, selbst ein Pastor brauchte Geld und musste bezahlt werden. Eine Kirchensteuer gab es noch nicht, dies war ein Mittel der Kirchenfinanzierung.

Die Kaltenkirchener Michaeliskirche 1861

Das Jahr 1760 bereitet Kopfschmerzen. Eine Quelle berichtet von einen Johann Hinrich Paustian, Sohn von Claus, der 1775 in das Geschäft von Friedrich Schulz (Tilsit!) als gleichberechtigter Teilhaber eintrat. Schulz war Viehhändler. Dieser Paustian ist sonst nicht weiter bekannt. Wir wissen noch, dass er 1771 Kaufmannsgeselle in Memel war, 1784 wird er als Kaufmann in Preußen bezeichnet. Ob die Familie noch Vermögen oder Beziehungen zur alten Heimat hatte, ist bisher nicht sicher zu erkennen.

Das Jahr 1769 wurde von entscheidender Bedeutung. Nicolaus Friedrich Paustian (*30.09.1744), verheiratet mit Margarethe Tiedemann, Tochter des Rantzauer Müllers, erhielt seinen Hausbrief. 1780 wird die Mühle Eigentum der Familie Blome als Gegenleistung der verschuldeten Dänischen Krone. Im gleichen Jahr schließt Nicolaus Friedrich mit der Familie Blome einen Erbpachtvertrag bis zum ewigen Tag. Die Mühle wird endgültig Familien- besitz. Bereits ein Jahr später erweitert er die Wassermühle um eine Windmühle. 21 Auch der Grundbesitz konnte vergrößert werden. Am 01.11.1816 schloss er auf dem Krankenbett einen Übernahmebetrag mit seinem Sohn Georg Andreas. Für 32.000 Reichsbankthaler sollte er die Mühle samt Zubehör übernehmen. Georg Andreas heiratete am 17.08.1817 die Müllerstochter Catharina Elisa- beth Abel aus Kaden. Die eigentliche Betriebsübernahme erfolgte 1820 nach dem Tod des Vaters.

Wie viele Menschen auf unserer Mühle Arbeit fanden, ist nicht mehr belegt. Aber für das Jahr 1819 gibt es noch Belege zur Mühle in Kaden. Dort arbeiteten: Ein Großknecht, ein Futterknecht, im Sommer ein Kuhhirte, zwei Müllergesellen, gelegentlich ein Brau- und Brennerknecht, ein Ackerbau- knecht, ein Lehrbursche, zwei Hausmädchen und gelegentlich ein Kinder- mädchen. Kinder wurden, ebenso wie in Kampen, von Hauslehrern unter- richtet.

1819, Kaden: Die Menge des gemahlenen Roggens

Zur Familie Abel gab es familiäre Beziehungen: Eine Charlotte Kupfer (die Mutter war eine Paustian) war um 1730 Hausjungfer in Kaden, Georg Andreas Paustian heiratete 1817 Catharina Elisabeth Abel, 1821 heiratet Friedericia Sophia Paustian einen Franz Martin Abel aus Kaden. 1852 übernahm Jacob August Christian Paulsen für 65.000 Mark Courant ab. Dieser verstarb 1903. 1861 ging die Mühle für 16.000 Taler endgültig in Familieneigentum über.

22 Der König lässt heiraten

Ein kostbares Schriftstück aus dem Jahre 1806 mit Siegel des Dänenkönigs Christian VII. zeigt, mit welchen Umständen damals eine Heirat verbunden sein konnte. Der Wortlaut dieses seltenen Dokumentes:

Wir Christian der Siebente, von Gottes Gnaden König zu Dänemark, Norwegen, der Wenden und Gothen, Herzog zu Schleswig, Holstein, Stormarn und der Dithmarschen, wie auch zu Oldenburg thun kund hiermit, dass Wir auf geschehenes Ansuchen , allergnädigst concedieren (Anm.: erlauben, gestatten) und bewilligt haben, wie wir auch hiermit und Kraft dieses concedieren und bewilligen, dass Hans Mäckelmann in Struvenhütten, Kirchspiel Kaltenkirchen, sich mit seiner verlobten Braut Wilhelmina Maria Paustian zu Campen ohne sonst gewöhnlich vorhergehende öffentliche Verlobung und Ankündigung von der Kanzel, wo und wann sie wollen, durch des Priesters Hand, im Hause ehelich copulieren (Anm.: trauen, vermählen) lassen möge. Jedoch mit dem Bedinge, dass diese Ehe nicht zu Recht Erhebliches im Wege sey, welches der Prediger von dem copuliert werden, vorher genau zu untersuchen und darüber von ihnen, sofern sie nicht zu seiner Gemeinde gehören, ordentliche Bescheinigung ihres Seelsorgers oder allenfalls einen schriftlichen Eid zu fordern hat. Es soll auch Kirchen und Schulen, samt deren Bedienten, an der ihnen zustehenden Befugniß hierdurch nichts benommen seyn, wonach sich ein jeder allerunterthänigst zu achten hat.

Urkundlich unter Unserem vorgedruckten Königlichen Insiegel. Gegeben in unserer Königlichen Residenzstadt Kopenhagen, byn 10ten Nov. 1804.

Auf Sr. Königlichen Majestät allergnädigsten Befehl.

Den Grund für diesen Erlass kennen wir nicht. Sicher ist nur, dass hier rechtliche Gründe vorgelegen haben müssen, die sich der unteren Gerichtsbarkeit entzogen und vor Ort nicht entschieden werden konnten. Der übliche Obolus, der an die Kirche zu deren Finanzierung nötig war, wurde auch hier fällig.

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König Christian VII.

Der dänische König ist mit der Geschichte Holsteins auch durch die Affäre um den Staatsrat Dr. Johann Friedrich Struensee verbunden. Der spätere Hofarzt stammte aus Altona und kam durch Vermittlung an den dänischen Hof. Er machte schnell Karriere und führte in dem verarmten Land wichtige Reformen durch: Abschaffung der Folter, Ausbildung erster Geburts- helfer, Verbesserung der Armenfürsorge, Abschaffung der Pressezensur und sein Bruder Karl Gustav sanierte den Staatshaushalt. Der König galt als willensschwacher, perverser Wüstling. Struensee und die als schön bezeichnete Königin Karoline Mathilde begannen eine Liebesaffäre. Das hätte den König nicht weiter gestört, er hatte andere In- teressen, aber der alteingesessene Adel fühlte sich von Struensee brüskiert. Sein früherer Freund, der ewig klamme Abenteurer Graf Schack Karl zu Rantzau, fädelte eine Verschwörung ein. Dem König redet er unsinnige Mord- pläne Struensees ein – dieser wolle selber den Thron besteigen. In einem bemerkenswert fingierten Scheinprozess wird er zum Tode verurteilt und 1772 hingerichtet. Die Königin wurde geschieden und sollte auf einem Schloss bei Aalborg gefangengehalten werde. Jetzt drohte das verwandte britische Königshaus (King George III. war ihr Bruder) mit Krieg. Das reichte aus, sie wurde freigelassen, ihre Mitgift zurückbezahlt. Sie stirbt am 10.05.1755 im Celler Schloss, vor ihrem 24. Geburtstag, an Scharlach. Der König wird 1784 von seinem Sohn durch einen längst fälligen Staats- streich abgesetzt.

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Ein folgenreicher Justizirrtum

Das Berliner Kammergericht wird sich mit unserer Mühle nicht befasst haben, aber mit dem Wassermüller Johann Arnold. Er war Pächter einer gräflichen Wassermühle in Pommerzig, östlich der Oder (heute Polen). Ein anderer Adeliger legte Karpfenteiche an, so dass er für seine Mühle nicht mehr genug Energie bekam. Die Erträge sanken, Pacht konnte nicht mehr bezahlt werden. Der Graf klagte auf Räumung. Dem Einwand Arnolds, er könne nicht mehr arbeiten wie vorher, wurde nicht stattgegeben. Eine Berufung blieb erfolglos, es wurde geräumt und versteigert. Hier versagen die Quellen, war er ein Streithansel oder tatsächlich im Recht? Die Folgen der Aktion lassen auf ersteres schließen. 1779 erreichte er es, das König Friedrich II. von Preußen ihn an der Bitt- schriftenlinde in Potsdam bemerkte und anhörte. Friedrich zog Erkundigungen über den Querulanten Arnold ein, aber die fielen so einseitig aus, das er das juristische Urteil als ungerecht empfand.

Die Angelegenheit wurde auf königliche Order an das Berliner Kammergericht verwiesen, welches schnell arbeiten musste. Das Ergebnis enttäuschte Müller und König: Die Berufung wurde abgelehnt. Der alte Fritz war sauer, zitierte Richter und Justizminister ins Berliner Schloss. Friedrichs Zorn war groß: Der Justizminister von Zedlitz musste gehen, drei Richter auch – aber in Festungs- haft. Preußens König begründete seine Aktion damit, das auch der geringste seiner Untertanen ebenso ein Mensch sei wie Majestät selbst. Der König hob das Urteil durch einen Machtspruch auf (wir befinden uns noch im Absolutismus). Hätte es damals eine Zeitung mit vier großen Buchstaben gegeben, sie hätte gejubelt, wie das Volk es tat. Die Oberschicht hingegen war empört. Wassermüller Arnold wurde wieder in seine alten Rechte eingesetzt und damit hätte der Fall erledigt sein können.

Aber der Fall wirkte nach: Das Kammergericht hatte Mut bewiesen vor Fürstenwillen. Damals bildete sich ein geflügeltes Wort: Es gibt noch Richter in Preußen. Der neue Justiz- minister, Johann Heinrich Kasimir von Carmer schuf mit zwei Mitarbeitern das Preußische Allgemeine Landrecht, das modernste Gesetzbuch der damaligen Zeit (Vorläufer des BGB). Es wurde 1794 verkündet, nach dem Tode des Königs. Trotzdem, Friedrich hatte seine Finger im Spiel: In einer Rand- bemerkung schrieb er 1785 es ist aber sehr Dicke und Gesetze müssen kurtz und nicht weitläufig seindt.

25 Kosakenwinter 1813/14

Im Rahmen der napoleonischen Kriege stand der dänische Gesamtstaat auf Seiten Napoleons. Unter dem Oberbefehl des schwedischen Kronprinzen Karl Johann fiel die alliierte Nordarmee 1813 in Schleswig-Holstein ein. Diese Truppen (Schweden, Preußen und Russen) musste sich aus dem Land versorgen und saugten das vormals wohlhabende Land völlig aus. Einzelne Hofstellen waren mit bis zu 150 Mann belegt. Die Kosaken waren weder grausamer oder begieriger als die anderen Sol- daten, ihr ungewohntes Aussehen sorgte dafür, das diese Zeit nach ihnen benannt wurde.

Auch in Kampen waren sie einquartiert. Eine schwere Belastung für die wenigen Dorfbewohner. Nach einer alten Überlieferung stahlen sie dem Müller nachts zwei Pferde und versteckten diese im Moor. Der Müllersknecht beob- achtete das jedoch, meldete es seinem Chef Nicolaus Friedrich und der konnte die Tiere zurückbekommen, was wohl als ein kleines Wunder angesehen werden darf. In dieser Zeit sanken die Erträge spürbar, die Familie kämpfte um ihre Existenz. Die Einquartierungen des in russischen Diensten stehenden Generals Fried- rich Karl von Tettenborn führten zu einer spürbaren Verarmung in den beiden Herzogtümern. Diese Zeit brachte Städter und Dorfbewohner in ärgste Be- drängnis, selbst große Güter gingen in Konkurs.

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Gut zu erkennen: Die Lage des Mühlenteiches (Varendorf’sche topographisch militärische Karte von 1789-1796) Hier betrieben die Müller auch eine Fischzucht

1852 übernahm Jacob August Christian Paulsen für 65.000 Mark Courant ab. Dieser verstarb 1903. 1861 ging die Mühle für 16.000 Taler endgültig in Familieneigentum über.

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Mühlenzwang

Wassermühlen kamen im späten 8. Jahrhundert auf, sie lösten die schwer- fälligen Quetschmühlen ab und erleichterten eine der härtesten und zeitauf- wendigsten Arbeiten der Bauern. Die komplizierte Antriebstechnik und die teuren Mahlsteine, die meist von weither bezogen werden mussten, verlangten allerdings hohe Investitionen. Im frühen 13. Jahrhundert führten Lehnsherren und Klöster auch hier die neue Techniken ein (Das Kloster Prüm in der Eifel besaß allein 35 eigene Wassermühlen). Diese Mühlen waren die ersten Arbeitsgeräte, die ohne menschliche oder tierische Muskelkraft auskamen. 1185 erließ Kaiser Friedrich I. Barbarossa das Mühlenregal. Danach waren 2/3 der Einnahmen an den Landesherrn bzw. dem Kloster abzuliefern, der Wasserstand des Mühlenteiches durch einen Merkpfahl zu kontrollieren und der Mühlenzwang einzuhalten.

Für die Volkswirtschaft war das ein Fortschritt, aber für die einzelnen Betroffen war die Wirkung recht unterschiedlich. Die Mühlenerbauer wollten ihre Investitionen natürlich wiedersehen und verdienen. Sie achteten streng auf Rentabilität. Das Herrenrecht legte durch den Mühlenzwang fest, welche Dörfer bei welcher Mühle mahlen lassen mussten. Für die Bauern, die jetzt Mahlgäste waren, bedeutete das aber mehr Abgaben, Abhängigkeiten und Zeitverluste. Bisher mahlten sie ihr Korn selbst, wenn es auch mühsam war. Sie hatten kleine, handbetriebene Mahlsteine oder Tretmühlen.

Auf der Zwangsmühle wurde in Reihenfolge des Eintreffens (Wer zuerst kommt, mahlt zuerst) gemahlen oder nach Absprache. Als Entlohnung erhielt der Müller Bargeld oder einem Naturalanteil des Mahlgutes, die Matte. Obwohl dieser Anteil durch die Landesherrschaften penibel festgelegt war, kam es hier häufig zu Differenzen. Eine Mühle besaß häufig auch eine Kruggerechtigkeit und/oder ein Brenn- recht (Beispielsweise Rusch-Korn aus Itzehoe, auch die Mühle in Kaden hatte diese Privilegien).

Die Kampener Wassermühle war die Zwangsmühle für das gesamte Kirchspiel Kaltenkirchen und damit auch für Lentföhrden. Die Bauern der Dörfer waren der Mühle auch zu Hand- und Spanndiensten verpflichtet. Auch ein Grund, Müller nicht populär zu machen.

Der Mühlenzwang in Holstein wurde mit Gesetz vom 10.05.1854 aufgehoben.

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J. F. Andersen

Am 28.03.1843 kaufte Georg Andreas Paustian in Kisdorf das Grundstück Achtern Sengel von Görries Stegemann. Im gleichen Jahr erbaute er hier eine Windmühle und einige Nebengebäude, da die Kampener am 15.02.1843 abbrannte. Er verlegte seinen Standort, um näher an seinen Kunden zu sein. Am 07.07.1852 übernahm sein Sohn Jakob August Christian Paustian für 65.000 Mark Courant den Betrieb. Danach wurde der Müller Johann Heinrich Sebelin Pächter, 1862 konnte er für 16.000 Reichsthaler kaufen. 7.000 Thaler konnte er in bar begleichen, der Rest wurde mit 4 % verzinst. Zusätzlich kaufte er die Mühlenhufe für 2.666 2/3 Thaler. Daneben musste er das Altenteil für die Witwe Hartmann (ehemals Mühlenhufe) übernehmen. Damit kaufte er zu teuer. Sebelin verstarb 1879. Schon in finanziellen Schwierigkeiten, führte seine Witwe Hedwig den Betrieb bis 1881 weiter. Danach fiel der Betrieb an August Paustian zurück, der ihn am 01.07.1884 an den Müller Johann Friedrich Andersen aus Winsen verkaufte. 1888 brannte die Mühle durch Blitzeinschlag ab. Der Betrieb entwickelte sich zur größten Landhandelsfirma des Kreises und hatte Niederlassungen in -Berne, , , Ochsenzoll, Friedrichsgabe und Wakendorf II.

Kisdorfer Mühle 1888 29

Gutsbesitzer Nicolaus Friedrich Paustian (1825-1920) nimmt in der Müllerfamilie eine Sonderstellung ein. Der Sohn des Georg Andreas Paustian und der Catharina Elisabeth (geb. Abel) war der erste Bürgerliche, der das Gut Bramstedt sowie das Bramstedter Schloss erwerben konnte (1857). Der Vorbesitzer, Graf Ludwig von Kielmannsegge aus Wunstorf, ließ das Gut schon vorher von N. F. Paustian verwalten.

König Christian IV. von Dänemark schenkte das Gut 1633 der ihm zur linken angetrauten Wiebeke Kruse. Bis zu diesem Zeitpunkt unterstand die Mühle dem königlich dänischen Amt Segeberg. Die Pacht wurde an die Glückstädter Kanzlei gezahlt, daher der Name Kanzleimühle. Ab etwa 1720 wurde sie (mit kurzen Unterbrechungen) von der Müllerfamilie Wichmann bewirtschaftet. Paustian heiratete am 01.11.1846 Meta Elisabeth Wichmann, Tochter des Erbpachtmüllers Johann Nicolaus Wichmann.

Das Bramstedter Gut wurde 1874 aufgehoben, die Gemeinden Hitzhusen und

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Weddelbrook, bisher gutszugehörig, wurden eigenständige Kommunen. Die Gutsherrschaft umfasste auch noch Bereiche von Wiemersdorf, Hagen und Borstel. Neben der Wassermühle besaß Paustian auch kurzfristig den Hof in Bissen- moor und das Gut Gayen, welches 1891 an seinen Sohn Otto übergeben wurde. Im gleichen Jahr entstand dort ein neues Wohnhaus mit Wirt- schaftsgebäude. Gayen, vorher vom Bramstedter Gut aus mitbetrieben, konnte nun unter Carl Paustian selbständig wirtschaften. 1903 wurde Gayen an den Bergwerksbesitzer Dr. Schrader aus Recklinghausen verkauft. Das Gut besaß auch Ländereien in Lentföhrden (zwischen dem Lohn und Bissenmoor). Müller Otto Paustian besaß in Bramstedt den ersten Telefonanschluß mit der Rufnummer 1. Der letzte Betreiber der Bramstedter Mühle war Fritz Paustian. In den 60er Jahren musste sie, technisch völlig veraltet, dem Neubau der Kreissparkasse weichen. Ironie der Geschichte? Einst war die Kampener Mühle Bramstedter Guts- besitz, dann kam das Bramstedter Gut in den Besitz eines Kampener Müller- sohnes....

Auch sie ist verschwunden: Die Mühle in Bad Bramstedt

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Ein Kampener Mühlenarbeiter (aus einem Ahnenpass). Karl Oeser diente im 1. Weltkrieg und war vor Verdun eingesetzt. Nach Kriegs- ende wurde er durch ein Missverständnis erst spät entlassen. Sein Geburtsort

32 Kampen wurde mit Sylt gleichgesetzt. Dorthin wurden die Soldaten nicht ent- lassen, da sie an der Volksabstimmung zu Dänemark nicht teilnehmen durften. Ein Kaufvertrag

Über die Bedingungen einer Betriebsübernahme sind wir durch folgenden erhaltenen Vertrag unterrichtet:

Kund und zu wissen sei hiermit, dass zwischen dem Mühlenbesitzer Jacob August Christian Paustian in Kampen, als Verkäufer einerseits und seinem Sohn August Paustian daselbst, als Käufer andererseits, nachstehender Kaufvertrag verabredet und unterm heutigen Tage förmlich vollzogen worden ist.

§ 1

Er verkauft, überläßt und tritt zum Eigentum ab, der Mühlenbesitzer Jacob August Christian Paustian in Kampen 1) Seine in der Grundsteuermutterrolle des Gemeindebezirks Kampen unter Artikel Nr. 6 aufgeführten Grundgüter, groß nach dem angehefteten Auszug 35 Hektar 16 Ar 07 Quadratmeter mit 124 89/100 Thlr. Reinertrag.

2) Von seinen in der Grundsteuermutterrolle des Gemeindebezirks Nützen unter Artikel Nr. 35 aufgeführten Grundgütern die auf dem angehefteten Auszug verzeichneten Parzellen groß 33 Hektar 39 Ar 88 Quadratmeter mit 122 78/100 Thlr. Reinertrag mit den sämtlichen darauf stehenden Gebäuden sowie an Inventar; alles beim Antritt vorhandene Heu, Stroh und ungedroschene Korn, 4 Pferde, 10 Kühe, 6 Starken, einige Schweine, 4 Bauwagen, 2 Pflüge, 1 Kartoffelpflug, 1 Untergrundpflug, 3 Paar Schottische Eggen, 1 Dreschmaschine nebst ...... , 1 Häckselmaschine, 1 Staubmühle, 1 Ringelwalze, diverses Ackergerät, sämtliches Mühlen und Fabrikinventar und was Verkäufer sonst noch für nötig hält dabei zu geben, und zwar die Gebäude mit allem was darin und daran ..... niet- und nagelfest ist, die Ländereien, wie dieselben in ihren Grenzen und Scheiden gelegen, befriedigt und bestellt sind, mit allen diesem Grundbesitz anklebenden Rechten und Gerechtigkeiten aber auch Abgaben, Lasten und Beschwerden überhaupt so, wie die seitherigen Besitzer denselben besessen und benutzt haben, oder doch den Rechten nach hätten besitzen oder benutzen können an seinen Sohn August Paustian in Kampen um und für die wohlbehandelte Kauf - und Überlassungssumme von 85.000 M geschrieben: fünfundachtzig Tausend Reichsmark, wovon für das mitverkaufte Inventar 25.000 M gerechnet werden.

§ 2

33 Für die Größe und den Ertrag der Grundstücke wird vom Verkäufer keine Gewähr geleistet.

§ 3

Die Kaufsumme der 85.000 M wird folgendermaßen berichtigt:

1) Käufer übernimmt die auf dem Besitz protokollierten Schulden zum Betrage von 52.600 M und zwar die Forderung

a) der Spar- und Leihkasse in Kaltenkirchen von 21.600 M b) der Witwe J. W. Martens, geb. Paustian in Barmstedt von 12.600 M c) der Anna Emilie Paustian in Barmstedt von 12.600 M d) der Sophia Friedr. Böttcher, geb. Paustian in Barmstedt von 3.800 M sind 52.600 M

2) Der Rest von ...... 32.400 womit die Kaufsumme der 85.000 M erfüllt ist, bleibt für den Verkäufer in der Priorität hinter dem im § 4 verschriebenen Altenteil zu vier pro Cent pro Anno, in halbjährlichen Terminen am 1. Mai und 1. November jeden Jahres zu entrichtenden Zinsen und gegen halbjährige beiden Teilen zu jeder Zeit freistehender Loskündigung, deren Kosten stets den Schuldner treffen, stehen und werden dafür die Immobilien zum Spezialpfand gesetzt.

§ 4

Verkäufer reserviert sich für sich und seine Ehefrau Sophie Christine geb. Böttcher, folgenden lebenslänglichen Altenteil:

1) jährlich 800 Pfund Roggenmehl, 400 Pfund Weizenmehl, 200 Pfund Buchweizenmehl, 1.600 Pfund gute feste Kartoffeln, 100 Pfund Roggenstroh, 2.500 Soden trockenen Torf, ein fettes Schwein, welches geschlachtet 200 Pfund wiegen muß und 2 Fuder Busch

2) zwei Pfund Butter wöchentlich, das Mehl ist in vierteljährlichen Raten am 1. Mai, 1. August, 1. November und 1. Februar, das Schwein in der in der vollen Woche vor Weihnachten, der Torf vor dem 1. September und die Kartoffeln vor dem 1. November jedes Jahr zu liefern. Diese Altenteils- prästationen sind vom Käufer künftigen Wohnsitze des Verkäufers kostenfrei zu liefern, jedoch nicht weiter als in einer Entfernung von 22 Kilometern. 34 Wenn Altenteiler es vorziehen sollte, den Wert der Altenteilleistung oder einen Teil desselben in barem Gelde zu empfangen, so muß Käufer oder dessen Besitznachfolger unweigerlich darauf eingehen und ist alsdann der Wert der Naturalien durch die beeidigten Kirchspiel...... festzustellen. Sollte einer der Altenteiler mit Tod abgehen, so bleibt der überlebende Teil im unverkürzten Genuß des ganzen Altenteils bis an sein Lebensende. Dieser Altenteil wird in der Priorität vor den in § 3 aufgeführten Restkaufgelde von 32.400 M protokolliert und werden dafür die Immobilien zum Spezialpfand gesetzt.

§ 5

Für das im § 3 aufgeführte Restkaufgeld und für den im § 4 verschriebenen Altenteil haftet das gesamte Inventar als Sicherheit.

§ 6

Käufer hat die auf dem Besitz ruhende Rentenpflicht zu übernehmen, 1.350 M.

§ 7

Das beim Antritt des Käufers vorgefundene Getreide, Mehl, rohe Knochen, Knochenmehl, Horn und Hornmehl und Düngersäcke übernimmt derselbe gegen Barzahlung.

§ 8

Sollte Käufer den Besitz wieder verkaufen oder derselbe auf irgendeine Weise in das Eigentum eines Dritten übergehen, so ist das ganze im § 3 aufgeführte Restkaufgeld sofort ohne vorherige Kündigung fällig und muß sofort an den Verkäufer bezahlt werden. Verkäufer reserviert sich für alle Fälle das Vorkaufsrecht.

§ 9

Sollte vor dem Antritt des Käufers ein oder mehrere Gebäude in Feuer aufgehen, so ist der Verkäufer nicht verpflichtet, dieselben wieder neu aufführen zu lassen, sondern bleiben lediglich für den Käufer die Brandentschädigungsgelder stehen und hat dieser dann später selbst den Neubau zu besorgen.

§ 10

Der eigentümliche Ab- und Antritt des Besitzers erfolgt am 1. November 1883, doch steht es dem Verkäufer frei, den Antrittstermin auf einen früheren oder späteren Tag zu verlegen. 35

§ 11

Käufer hat, vom Antrittstage angerechnet, alle auf dem Besitz ruhenden und demselben künftig etwa auferlegte werdenden Königlichen und Kommune Abgaben, Lasten und Leistungen ohne Ausnahme zu übernehmen und abzuhalten, wie sie fällig und gefordert werden, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung und auf den Zeitraum auf welchen dieselben sich beziehen.

§ 12

Die Kosten dieses Kontrakts einschließlich Stempelabgabe und der Protokollationsgebühren werden von dem Verkäufer einseitig getragen. Dessen zur Urkund haben Kontrahenten diesen Kontrakt nach gesehener Durchlesung und Genehmigung des Inhalte unter Entsagung aller darwieder zu erdenkenden Einreden und Ausflüchte, namentlich der Einrede der Simulation, der ...... Lässion sowie der Rechtsregel, dass ein allgemeiner Verzicht nicht gelte, wenn nicht ein besonderer vorhergegangen, mit Bewilligung der Protokollation im betreffenden Schuld- und Pfandprotokoll auch ohne ihre Gegenwart eigenhändig unterschreiben.

So geschehen zu Kaltenkirchen den 3. April 1883

August Paustian sollte der letzte Müller in Kampen werden.

Anfang des 20. Jahrhunderts begann ein erstes Mühlensterben. Den Mahl- zwang gab es nicht mehr, eine lange nicht gekannte Marktwirtschaft setzte sich mit einiger Verzögerung durch, die Industrialisierung des Mühlenge- werbes setzte ein, die Betriebe wurden motorisiert. Dem war man nicht mehr

36 gewachsen. Der Betrieb wurde noch als Knochenmühle weitergeführt. Aber das Endprodukt entsprach nicht den Erwartungen der Kunden – es war mit Sand gestreckt worden, vielleicht kriegsbedingt. Eine geplante Absenkung des Wasserspiegels (aufgrund häufiger Über- schwemmungen) des Mühlenteiches hätte ebenfalls betriebliche Schwierig- keiten bereitet. Die alte Mühle wurde 1915 abgebrochen, der etwa 14 Hektar große Mühlenteich wurde durch russische Kriegsgefangene (sehr wahrscheinlich vom Lager Springhirsch) zugeschüttet, die Fläche in Wiesen verwandelt, der Müller finanziell durch die Wassergerechtsame entschädigt. Die Schirnau-Ge- nossenschaft verkaufte für 24.000 Mark an Gutsbesitzer Ebert in Springhirsch.

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Knochenmehl

Düngung war schon in der Antike bekannt. Homer erwähnt in der Odyssee einen Misthaufen, den die Knechte auf die Äcker bringen. Die Römer waren praktische Leute, sie leiteten den Inhalt der Kloaken zur Bewässerung gleich auf die umliegenden Gärten. Die Inka düngten mit Muscheln und Fisch. Gallier benutzten Mergel und Kalk. Germanen nutzen Stallmist, der aber nur begrenzt zur Verfügung stand. Ab dem 16. Jahrhundert setzte man in Deutschland Kalk und Lupinen ein.

Der Forschungsreisende Alexander von Humboldt machte Europa mit dem Guano bekannt. Der Pelikankot wurde schon von den Inka zur Dünung eingesetzt. Bereits 1802 wurde sein Wert erkannt, aber erst ab 1841 wurde aus Peru importiert. Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges spielte er aber in Deutschland wegen fehlender Seeverbindungen keine Rolle mehr.

In Großbritannien machte man aus Knochen Federmesser und Knöpfe. Das Rohmaterial wurde weltweit aufgekauft, bis zu 100.000 Tonnen im Jahr. Die Produktionsabfälle kamen auf die Äcker. Knochen enthalten Phosphor und Kalk. Das ist gut – schlecht nur, dass sie sich nicht im Boden lösen. Ein Aufschließen ist nur mit Säure möglich. Den Gedanken, dem Knochenmehl gleich Säure zusetzen, äußerte Justus von Liebig laut, die Briten setzten ihn schnell um. Das war um 1840. Sie waren fair genug, den deutschen Ursprung des nun einsetzenden Erfolges anzuer- kennen, nannten das Düngemittel German Compost. J. B. Lawes, ein kleiner Gutsbesitzer aus Rothamstedt, beschäftigte sich inten- siv mit dem Thema. Er verbesserte das Verfahren und entwickelte den Super- phosphat.

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August Detlef Paustian

39 Aber die Familiensaga ist hiermit noch nicht beendet. 1920 übernahm August Detlef Paustian die noch heute bestehende Hofstelle. Er war mit Marie Weide- mann aus Roge (bei Neustadt/Ostholstein) verheiratet. Diese Ehe blieb kinder- los. Da der traditionsreiche Familienname erhalten werden sollte, wurde Günther Weidemann (*06.02.1927), ein Sohn des Bruders von Marie Weide- mann, adoptiert. Er kam am 01.11.1949 auf den Hof und heiratete am 20.09.1952 Inge Gripp aus Lentföhrden.

Inge und Güe entstammt der Sohn Karsten August, der den rund 40 Hektar großen Hof heute bewirtschaftet.

Eine alte Scheune

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Segeberger Zeitung 1938 Die Scheune wurde 1989 wegen Baufälligkeit abgebrochen

Zeittafel der Pächter, Besitzer und Eigentümer

Zisterzienserkloster Reinfeld Dänische Krone 1540 - Caspar Fuchs vom Gut Bramstedt Dänische Krone Barone von Blome 1659 - 1680 Daniel Wulff 1680 – 1699 Otto Paustian I. 1699 – 1705 Witwe Elisabeth Paustian 1705 – 1718 Daniel und Elisabeth Bartels 1718 – 1727 Otto Paustian II. 1728 – 1758 Claus Paustian 1760 - ? Übergabe an Johann Friedrich Paustian (unsicher!) 41 1758 – 1769 Witwe Schröder und deren Kinder 1769 – 1820 Nicolaus Friedrich Paustian 1820 – 1852 Georg Andreas Paustian 1852 - 1883 Jacob August Christian Paustian 1883 – 1920 August Paustian seit 1915 ist die Mühle erloschen, die Landwirtschaft wird weiterbetrieben 1920 - 1953 August Detlef Paustian 1953 - 1991 Günther Paustian 1991 - Karsten August Paustian

Die Pinneberger Erbpachtmühle der Familie von Pein um 1850 Auch hier gab es verwandtschaftliche Beziehungen

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Unehrliche Müller?

Das Mittelalter war eine Ständegesellschaft. Den untersten Stand bildeten die unehrlichen Berufe. Damit meinte man nicht betrügerisch, sondern ohne Ansehen, ehrlos. Ein Aufstieg in eine andere Standesklasse war nahezu unmöglich. Kinder konnten auch nur einen unehrlichen Beruf erlernen, daher verblieb eine bestimmte Tätigkeit häufig über Generationen innerhalb einer Familie. Eine Heirat war nur mit einer ebenfalls unterständischen Partnerin möglich. Zu dieser Menschengruppe gehörten Scharfrichter, Schauspieler, Tänzer, Ab- decker, Prostituierte (Hübschlerinnen), Büttel (Gendarmen und Gerichts- diener), Musikanten, Töpfer, Türmer, das fahrende Volk, Höker, Bettler, Schäfer, Totengräber und Zöllner (nicht mit denen der Bibel zu verwechseln). Diese Randgruppen mussten häufig isoliert hausen, teils sogar außerhalb der Stadtmauern. Man zählte auch die Müller zu diesem Stand. Als Vertreter der grundherr- schaftlichen Interessen war der Müller in einer bäuerlichen Gesellschaft in einer zwiespältigen Lage, die mit zum schlechten Ruf des ganzen Berufs- standes führte. Da das kostbare Getreide absolut überlebenswichtig war, unterstellte man den Müllern pauschal, die Matten zu ihrem Vorteil auszulegen und hielt sie im Zweifelsfalle eher für betrügerisch als ehrbar. Ein tatsächlich unehrlicher Müller war so lebensbedrohend wie der Henker.

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