Werner Hübner

Wanderungen in die Zeit

Auf Spurensuche durch die historische Kulturlandschaft von Stadt und Landkreis Titelbild: Kelten- und römerzeitliche Landschaft um Niedererlbach

Am Rande des Hügellandes bei Niedererlbach liegt ein historisch bedeutsames Land- schaftsensemble mit einer bedeutenden Dichte an kelten- und römerzeitlichen Kulturspuren. Der Fundraum liegt an der von den Talöffnungen des Erlbaches und des Stünzbaches ge- gliederten Nahtzone des Hügellandes zum Isartal. Die aus der Ebene steil aufsteigenden Hügel boten einen günstigen Siedlungsraum in natürlicher Schutzlage. Direkt an der Hangkante lag ein Hallstatt-zeitlicher Herrenhof, der durch Grabungen nach- gewiesen ist. Quellen an der Hangkante zur Wasserversorgung und fruchtbarer Boden (Löß) umgeben den Siedlungsbereich. In der Niederung, aber in Sichtweite zum Herrenhof, liegt ein ausgedehntes Gräberfeld (Hügelgräber) aus dieser Epoche. Hier gelangen bedeutende Funde, die das Ensemble zu einem der bedeutendsten keltenzeitlichen Areale Niederbay- erns werden ließen.

Nach der Zeitenwende entstanden – in räumlicher Durchdringung mit dem keltenzeitlichen Areal – römerzeitliche Straßenbauten (Trasse Augsburg-Isartal unter Kaiser Claudius) sowie anschließend ein Landgut. An der Römerstrasse wurde ein Mausoleum entdeckt, eines der wenigen in Niederbayern. Fast alle vor- und frühgeschichtlichen Spuren wurden weitgehend verebnet bzw. sind in den letzten Jahren durch ein Gewerbegebiet überbaut worden.

Impressum

Verfasser: Werner Hübner, Weningstr. 18, 84034 Landshut (Archäologischer Verein Stadt und Landkreis Landshut e.V. arLan) Textredaktion: Margit Jahrstorfer, Paul Riederer (BN), Christoph Stein (arLan) Layout, Grafiken, Bilder (ohne Luftbilder): Christoph Stein (arLan), Peter Geldner (arLan) Druck: Neumann Druck, Landshut Luftbilder: Klaus Leidorf, Luftbildarchäologe Seiten 26, 31, 40, 41

Objektlagepläne der Bodendenkmäler: Bayerisches Lan- desamt für Denkmalpflege Kartengrundlage: Topographische Karte 1:50.000; Landes- amt für Vermessung und Geoinformation, Nr. 4385/08 © arLan, W. Hübner

Verein für Archäologie Herausgeber: Bund Naturschutz in Bayern e.V., Stadt und Landkreis Landshut Kreisgruppe Landshut, 2009 K ulturlandschaft Landshut erleben Wanderungen in die Zeit mit Werner Hübner

Kulturlandschaft Landshut erleben –

Wanderungen in die Zeit

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V., Kreisgruppe Landshut, und die Gesellschaft für Archäologie in Bayern e.V. veranstalten in Zu- sammenarbeit mit dem Verein für Archäologie in Stadt und Land- kreis Landshut e.V. (arLan) schon seit vielen Jahre heimatkundliche Wanderungen. Die bisher durchgeführten, viel besuchten Exkursio- nen unter der Leitung von Werner Hübner und Paul Riederer führ- ten durch die geschichtliche Vergangenheit der Stadt und des Landkreises Landshut. Auf diese Weise sind 14 erlebnisreiche Routen zu den eindrucksvollsten historischen Schätzen der Kultur- landschaft entstanden.

I mmer wieder wurde danach der Wunsch geäußert, die Fülle der Informationen nicht nur mündlich bei den Wanderungen zu übermitteln, sondern auch einmal in schriftlicher Form festzuhalten und weiterzugeben.

Diesem Wunsch entsprechend will ich versuchen, mit diesen Zeilen all das wiederzugeben, was den Wanderern an historischem Wissen, an Überlieferungen, Erklärungen, Hintergrün- den, Forschungsgeschichte und Heimatkunde nahe gebracht werden konnte. Die Sied- lungsgeschichte des Isartales beginnt ja nicht erst mit der Landshuter Hochzeit oder der Gründung der Stadt Landshut und dem Bau der Burg Trausnitz. Seit 7500 Jahren schon leben und arbeiten sesshafte Bauern auf den fruchtbaren Lößfel- dern der Landschaft um das Isartal. Steinzeitbauern, Hirten und Krieger der Bronzezeit, Kel- ten, Römer und Germanen, mittelalterliche Ritter, christliche Missionare und Ordensleute, Kriegsvolk, Pilger, Fuhrleute, Flößer und Bergknappen, sie alle haben Spuren hinterlassen, die der kundige Archäologe noch heute auffinden und deuten kann.

Solchen Spuren einmal nachzugehen über Äcker und Wiesen, in den Wäldern und auf den Bergeshöhen und dabei sogar vielleicht neue zu entdecken, das sollte bei diesen Wande- rungen versucht werden. Landshut, im Januar 2009 Werner Hübner

Heimatliebe und Naturschutz Die Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Landshut hat die Herausgabe dieser heimatkundlichen Dokumentation gerne übernommen. Die Menschen mit Natur- und Kulturschätzen ihrer Hei- mat vertraut zu machen, ihre Heimatliebe zu stärken und damit eine Grundlage zu schaffen für den Schutz von Landschaften mit ihren Pflanzen und Tieren, Kultur- und Bodendenkmä- lern – das ist das verbindende Band von Naturschützern und Freunden der Archäologie. Die hier von Werner Hübner vorgestellten „Wanderungen in die Zeit“ mögen bei vielen Men- schen das Wissen über die Geschichte ihrer Heimat bereichern und die Liebe zur Natur und deren Schutz wecken und stärken. Werner Hübner hat dazu einen außergewöhnlichen Bei- trag geleistet, dafür gilt ihm großer Dank. Landshut, im Januar 2009 Paul Riederer

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Inhaltsverzeichnis

Nr. Seite

1 Viereckige Schanzen, hügelige Gräber und hohe Äcker...... 5

2 Eine Bergnase mit einer Burg und das „gache End“...... 9

3 Im Tal der Kleinen Laaber...... 11

4 Zuflucht und Schutz zwischen Pfettrach und Isar...... 13

5 Zeugen aus bedrängender Zeit: Verstecke zwischen Großer und Kleiner Vils...... 16

6 Die Wacht über das Further Tal: Der Burgstall Bocksberg...... 18

7 Von Thal und Eching geht es in die Bronzezeit...... 21

8 Ein Dorf macht Geschichte: Altheim bei Landshut...... 24

9 Landshut international: „Schwedische“ Schanzen und ein ungarischer Held...... 27

10 Im Binatal: Vergangene Wasserburgen, die Legende vom Fuhrmann und die Nekropole im Käsholz...... 30

11 Im Isartal bei Landshut: Steinzeit-Leute, die Römer und schon wieder überall die Schweden ? ...... 34

12 Im Burgenland: Die Isarleite östlich von Landshut...... 38

13 Das Isartal: alte Kulturlandschaft – Landschaft alter Kulturen...... 43

14 Historische Fahrten ins romantische Hügelland...... 46

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Übersichtskarte „Wanderungen in die Zeit“ in Stadt- und Landkreis Landshut

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Legende zu den einzelnen Wanderkarten

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Wanderung 1: Viereckige Schanzen, hügelige Gräber und hohe Äcker Eine Wanderung in mehreren Epochen: Keltische Viereckschanzen bei Badhaus Ast und Steinzell, hallstattzeitliche Hügelgräber im Kapfinger Wald und mittelalterliche Hochäcker. (Ab Badhaus Ast ca. 2,5 km zu Fuß.)

Von Badhaus Ast führt uns ein Waldweg zu den Hügelgräbern im Kapfinger Wald (15 Minu- ten). Die amtliche Anerkennung als Moorbad „Bad Ast“ hat man nicht erreicht und nennt sich seither deshalb bescheiden „Badhaus Ast“. Wir kommen dabei auch an den noch sichtbaren Spuren (früh-?)mittelalterlicher Hochäcker vorbei. Was sind Hochäcker ? Während des Mittelalters arbeiteten die Bauern mit der sog. Dreifelderwirtschaft, d.h. ein Feld von dreien lag zur Regenerierung brach. Das aber bedeutete: 1/3 des gesamten urba- ren Landes war ungenutzt und brachte keine Ernten.

Um nun zum Ausgleich auch das nicht so fruchtbare Land noch nutzen zu können, wurde der dort nur in geringen Höhen anstehende Humusboden zusammengepflügt. Es entstanden so erhöhte, 30-50 m lange, 10 m breite und heute noch bis zu 1 m hohe Beete, deren Hu- mus bei Trockenzeiten die Restfeuchtigkeit hielt und in Nässezeiten die Feuchtigkeit abflie- ßen ließ. Landstriche, die normalerweise nicht genutzt werden konnten, waren so für den Ackerbau verfügbar.

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Diese sog. Hochäcker wurden mit dem Aufkommen des Kunstdüngers (Liebig 1803-1873) nicht mehr benötigt. Sie sind heute von Wäldern überwachsen und da und dort noch als B o- dendenkmale erhalten geblieben. Einige alte mehr und mehr vergessene Flurnamen deuten noch auf die uralte Wirtschaftsweise hin: Hochacker, Hochfeld, Hößacker, Zeiling (?) u.a.m. Aber schon haben wir tief im Kapfinger Holz den Platz erreicht, der vor nunmehr 2600 Jah- ren einmal als Bestattungsplatz gedient hat. Sechs Grabhügel sind heute noch zu erken- nen. Sie wurden in der Zeit um 600 v.Chr. über den Gräbern aufgeschüttet. In den Wäldern um das Isartal und auch im Isartal selbst sind solche Hügelgräberfriedhöfe – in manchen bis zu 50 Grabhügel – noch zu finden. Unter den Grabhügeln bestattete man in älterer Zeit noch die Asche der verbrannten Toten, später dann setzte sich die Körperbestattung durch. Die Zeit, aus der diese Grabhügel stammen, wird in der Wissenschaft die „Hallstattzeit“ genannt. Der Ort Hallstatt im Salzkammergut ist ein berühmter Fundort für Gräber aus dieser Zeit. Dort hat man am SW-Ufer des Hallstätter Sees Salzbergwerke und reich ausgestattete Grä- ber der frühen Eisenzeit (ab 650 v.Chr.) aufgedeckt. Der Salzhandel und der Handel mit Bernstein (von der Ostsee!) bescherte wohl auch der sonst bäuerlichen Bevölkerung in un- serer Gegend einen gewissen Wohlstand.

Diese Menschen lebten am Nordrand der mediterranen Hochkulturen. Einflüsse dieser Mit- telmeerkulturen sind auch hier bei uns noch bemerkbar (Keramik Grabbräuche, Bewaffnung, Schmuck usw.). Sie hatten gelernt, mit dem neuen Metall Eisen umzugehen. Eine feudal- adlige Gesellschaft lebte auf befestigten Höhen (z. B. Niedererlbach, Bruckberg, v.a. Heu- neburg an der oberen Donau u.v.a.m.). Es war die Zeit, in der das klassische Griechenland aufblühte. Wer weiß, vielleicht hatte einer der hier Begrabenen zu Lebzeiten einmal Namen wie Sokrates, Pythagoras, Thales, Platon oder Archimedes gehört? Dass diese Zeiten mit ih- ren gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen sich bald radikal verändert haben müs- sen, das werden wir am nächsten Punkt unserer Wanderung erfahren.

Dieses nächste Ziel ist die spätkeltische Viereckschanze bei Badhaus Ast. Auf der Südsei- te der kleinen Ortschaft Badhaus Ast haben wir nach kurzem Anstieg die Höhe des Berges erreicht. Überrascht sehen wir uns auf einem mächtigen Erdwall stehen, der zudem noch von einem tiefen Graben umgeben ist. Dieses Erdwerk wird auf älteren Karten noch als „Römerschanze“ bezeichnet, hat aber – wie wir heute wissen – mit den Römern überhaupt nichts zu tun. Das Erdwerk stammt, wie auch die anderen zehn in der Umgebung von Landshut, aus spätkeltischer Zeit und dürfte etwa um 150 v. Chr. errichtet worden sein. Von diesen Viereckschanzen gibt es in Bayern etwa 150 und in Württemberg 100, die oberirdisch als Bodendenkmal noch erkennbar sind. Die Luftbildarchäologie hat aber noch weitere, nur noch im Boden verborgene Schanzen aufspüren können (Gündlkofen, Altdorf u.a.m.).

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Alle keltischen Viereck- schanzen sind nach ei- nem offensichtlichen Mus- ter angelegt und ausge- baut. 80-100 m im Quad- rat, etwa Fußballfeldgrö- ße, umgeben von einem tiefen Graben und einem Wall mit Palisaden. An der Ostseite öffnet sich ein Tordurchlass und in jeder Schanze findet sich ein tiefer Brunnen. Die Bo- denfläche ist planiert.

Lag eplan der Viereckschanze von Steinzell

In der Wissenschaft ist es noch immer nicht einwandfrei geklärt, worum es sich bei diesen Schanzen eigentlich gehandelt hat. Burgähnliche Verteidigungsanlagen sind es jedenfalls nicht, da viele an Plätzen stehen, die für eine solche Verteidigung ungeeignet sind. Siedlun- gen oder Hofanlagen scheinen es auch nicht gewesen zu sein, denn eindeutige Siedlungs- spuren hat man bisher nicht gefunden. Viele Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass es sich bei diesen Erdwerken um Plätze mit einer kultischen oder öffentlichen Bedeu- tung gehandelt hat, z.B. für Märkte, Gerichtsverhandlungen oder religiöse Handlungen der Druiden, vielleicht auch für sportliche Wettkämpfe.

Um diesen Gedanken richtig verstehen zu können, muss man in der keltischen Geschichte ein paar 100 Jahre zurückgehen. Etwa um 400 v.Chr. wanderten keltische Stämme auch aus unserer Gegend in den Balkan, nach Italien, Spanien, Griechenland, ja bis nach Anato- lien (Galater). Noch 450 n.Chr. berichtete ein Bischof aus Trier, er habe auf seiner Reise ins Heilige Land auch die Galater aufgesucht. Er habe sich mit ihnen in seiner Muttersprache (er war nämlich ein Treverer – ein Kelte aus Trier) unterhalten können. Nach der verlorenen Schlacht von Telamon 225 v.Chr. zogen sich die Restkelten endgültig auch aus Norditalien und aus den Balkangebieten in ihre angestammte Heimat zurück. Aber sie hatten in den Mittelmeerländern städtische Kulturen und Lebensweisen, Kunst, Technik, Handwerk und vielleicht sogar die Olympischen Spiele kennen gelernt. In ihrer alten Heimat Bayern und Württemberg errichteten sie dann ab 200 v.Chr. stadtähnliche Großsiedlungen (z.B. Manching, Kelheim, Heidenheim u.a.). Wirtschaftliche Grundlage waren der Eisenerz- bergbau, die Eisenverhüttung und die Eisenbearbeitung. Keltische Waffen, Werkzeuge, Wagen und Schmucksachen waren in der antiken Welt hoch begehrt. Es scheint, als ob die- se Kelten in den Mittelmeerländern auch gelernt hätten, dass und wie man einen Markt hält, sportliche Wettkämpfe veranstaltet, sich versammelt, Gerichtsverhandlungen abhält und auch religiöse Zeremonien, Opferkulte und Feste feiert. Die Plätze dafür könnten unsere Viereckschanzen gewesen sein.

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Später, während des Mittelalters, dienten die Viereckschanzen auch als Viehpferche für die damals übliche Waldweide. Flurnamen mit dem Wortteil „Bi...“ deuten häufig auf eine solche keltische Anlage hin (Biburg, Binsham, Biberg u.s.w). Es fällt auch auf, dass die Brunnen, die man in den Viereckschanzen bisher untersucht hat, extrem tief in den Untergrund hinab- reichen, oft weit unter den Grundwasserspiegel. Möglicherweise tut sich hier eine Verehrung der Erdmutter (Demeter) kund. Als die Römer in Niederbayern auftauchten, waren diese kel- tischen Plätze längst verlassen. Die keltische Bevölkerung war nach Westen abgewandert und dort in den gallischen Krieg Cäsars geraten. In der Nähe der Viereckschanze bei Badhaus Ast befinden sich noch zwei weitere solche Erdwerke: Bei Steinzell (1 km westlich) und Appersdorf (2,5 km nordöstlich).

Rötlich sind die Ge- meindegrenzen darge- stellt, blau das Ge- wässernetz. In der Landkreismitte die Isar mit den Stauseen. Große Symbole: meist noch obertägig er- kennbare Viereck- schanzen

Kleine Symbole: verebnete Anlagen, meist nach Luftbild- nachweis Übersichtskarte Vorkommen von Viereckschanzen und Grabenwerken der LaTene-Zeit in Stadt- und Landkreis Landshut

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Wanderung 2: Eine Bergnase mit einer Burg und das „gache End“ Auf den Schlossberg über dem Isartal westlich von Landshut, wo schon Prinzessin Hedwig das „gache End“ erlebte. (Ca. 3,7 km zu Fuß ab der Ortschaft Schlossberg.)

Westlich der Stadt Landshut, auf der Höhe südlich des Ortes Schlossberg an der „großen Reib`n“ besuchen wir zunächst eine vermutlich schon aus der Bronzezeit (um 1000 v.Chr.) stammende Wallanlage. Der ungewöhnlich große Innenraum deutet darauf hin, dass die- se Anlage wohl nicht so sehr einer Verteidigung gedient hat, sondern eher als Schutz und Versteck für ganze Viehherden in Not- und Gefahrenzeiten.

In dieser offensichtlich sehr unruhigen Zeit um 1000 v.Chr. wurden auch im Isartalgebiet ei- nige solche großräumige, fluchtburgartige Rundwallanlagen ausgebaut, z.B. in Altheim- Duniwang, auf dem Moniberg, in Altheim-Holzen (?). Wenn wir dann von Schlossberg zum Naturfreundehaus hinaufwandern, bewegen wir uns auf dem mittelalterlichen Fuhrweg von München in die 1204 neugegründete Stadt Lands- hut. Dieser Fuhrweg zog nicht wie heute unten am rechten Isarufer entlang, sondern von Schlossberg aus südlich über die Bergeshöhe nach Achdorf. Die damalige sehr steile Auf- fahrt ist noch heute durch alte Fahrspuren erkennbar. Jeder Fuhrmann versuchte, den stei- len Hang so zu überwinden, wie er es seinen Pferden oder Zugochsen zumuten konnte. Es wird auch davon gesprochen, dass sich auf der Bergeshöhe ein Göpelwerk befunden habe, mit dem die Fuhrwerke nach oben gezogen werden konnten. In Achdorf kommt südlich des Klausenbergs ein tiefer Hohlweg herunter, der das „GACHE END“ genannt wird und in dem der alte Fuhrweg entlang lief.

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Auch die polnische Prinzessin Hedwiga musste bei ihrer Fahrt zur Landshuter Hochzeit noch die Schlossberghöhe überwinden, um durch das „GACHE END“ hinunter nach Achdorf- Landshut zu kommen.

Der Isarfluss hatte damals noch zahlreiche Seitenarme und Altwasser, die bis unmittelbar unter den Berghang reichten. Eine untere Straßentrasse entlang des rechten Isarufers konn- te erst 1589/91 bis zum Zollhaus Achdorf ausgebaut werden. Oben auf der schmalen Bergnase, 50 m neben dem Naturfreundehaus, entdecken wir die letzten Spuren einer hochmittelalterlichen Burganlage, die um 1050 n.Chr. dort errichtet wurde. Der damalige Bauherr und Besitzer ist bis heute unbekannt, dürfte aber nach 1204, wie so viele andere adlige Herren zum herzoglichen Hofe nach Landshut gezogen sein (Her- ren von Aich ?). Die verlassenen Burgen verfielen oder wurden von den Bauern als Ziegel- gruben ausgebeutet. Heute sind diese Burgställe nur noch an den Bodenspuren, an Wall und Graben sowie tiefen Löchern als Überreste der Keller und des Bergfrieds zu erkennen. Im Naturfreundehaus finden wir gastlich-gemütliche Aufnahme bei Kaffee und Kuchen.

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Wanderung 3: Im Tal der Kleinen Laaber Auch abseits des lößreichen Isartales, mitten im Hügelland am Oberlauf der Kleinen Laaber sind bedeutende Monumente der historischen Kulturlandschaft zu bestaunen. Allerdings hat der „Bibelsbach“ mit der Heiligen Schrift nichts zu tun. - Altenkofen - Biberg - Türkenfeld – Altenburg (ca.11,3 km zu Fuß.)

Vom Parkplatz an der neuen Kirche in Hohenthann wenden wir uns nach Süden und su- chen den Fußweg nach Altenkofen. Auf der bewaldeten Anhöhe südlich Altenkofen entd e- cken wir ein Grabhügelfeld, einen Friedhof aus der Zeit um 600 v. Chr., der sog. Hallstatt- zeit (auch als frühkeltisch bezeichnet oder als Beginn der Eisenzeit angesehen).

Die Reste einer keltischen Viereckschanze bei Biberg lassen sich ebenfalls noch gut er- kennen. Auch hier wird wieder die Verknüpfung Viereckschanze = Namensteil „Bi...“ deut- lich. „Bi“ bedeutete im Keltischen soviel wie eine befestigte Anlage mit Wall und Graben. Auch im Namen von Ort und Gewässer Bibelsbach findet sich dies wieder.

Die Hohenthanner Flur, das kleine Laabertal und seine Seitentäler waren in der Zeit um 150 v.Chr. von keltischen Bauern besiedelt. Die bäuerliche Besiedelung aber geht zurück bis in die mittlere Jungsteinzeit um 4000 v. Chr. (Oberlauterbacher Gruppe ), wie eine Fundstelle bei Gambach (Keramik, Feuerstein) beweist. Etwa um 50 v.Chr. scheinen die Kelten das Land verlassen zu haben, um nach Westen zu ziehen. Dort aber gerieten sie vermutlich in die Auseinandersetzungen der Römer mit den Galliern und Germanen (Caesar).

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Die Wallfahrtskirche in Heiligen Brunn mit ih- rem angeblich heilen- den Quellwasser lädt zu einer kurzen Rast und Besinnung ein. In ihrer heutigen Gestalt stammt sie aus der Zeit um 1712 / 1714 (Barock).

W allfahrtskirche Heiligen Brunn

Wir setzen unseren Weg fort nach Türkenfeld. Früher hieß dieser Ort auch Turtefeld oder Turtinueld oder Turtinveld. Er ist schon seit dem 11. Jahrhundert urkundlich belegt. Türken- feld wurde eine Hofmark, die noch bis 1828 bestanden hat. Die Burg, deren Wassergraben man heute noch gut erkennen kann, ist wohl schon viel früher verschwunden, nur die Burg- kapelle zeugt noch von alter Macht und Herrlichkeit. Sie ist ein romanischer Bau aus dem 12. Jahrhundert und dem Hl. Ägidius geweiht. Über dem Gewölbe der Apsis befindet sich noch ein Raum, der als Asylkammer für flüchtende Missetäter gedeutet wird. Schießscharten weisen auch auf eine gewisse Bedeutung als Wehrkirche hin. Schließlich wandern wir über die Altenburg zurück nach Hohenthann.

Die Altenburger waren im 12. Jahrhundert Ministerialen der Grafen von Moosburg. 1147 gibt es einen Imprich de Altenpurn. Von Burg und Schloss steht heute nur noch die Burgka- pelle, in der man eine eigenartige uralte Holzbalkenreihe vorfindet, die vielleicht als Bet- oder Sitzbänke diente. An der Ostseite befindet sich ein hölzerner Getreidekasten.

Durch das Bichlholz (Bichl = Hügel) kommen wir vorbei an einigen hallstattzeitlichen Grab- hügeln (um 600 v.Chr.).

Schließlich endet unsere Wanderung am Schloss von Hohenthann, dessen jetziger Bau aus der Rokokozeit stammt. Es wurde noch 1503 als „NOBILIS DOMUS“ bezeichnet. 1704, im spanischen Erbfolgekrieg, brannte es ab. Auch alle Urkunden und die Bibliothek sind da- mals vom Feuer vernichtet worden. Die Edlen von Hohenthann, früher nur Thann genannt, werden urkundlich schon um 1000 n.Chr. erwähnt.

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Wanderung 4: Zuflucht und Schutz zwischen Pfettrach und Isar Der langgestreckte, hoch aufragende Bergrücken zwischen dem Isartal, dem Pfett- rachtal und dem Bucher Tal bot über Jahrhunderte ideale Bedingungen für Schutz und Zuflucht. Burgstall Oswaldsberg, Ungarnrefugium Pfettrach (ca. 8,5 km ab Museum Altdorf)

Der Burgstall Oswaldsberg (Burgstall = Stelle, an der ehemals eine Burg stand) ist einer der mehr als 25 im Umkreis des Isartales um Landshut noch erkennbaren Überreste ehema- liger mittelalterlicher Burganlagen. Die Landschaft um den Ort Altdorf ist uraltes Siedlungsgebiet. Jungsteinzeitliche Bauern, bronzezeitliche Krieger, Kelten, Römer und Germanen und in der Neuzeit Franken, Schlesi- er, Sudetendeutsche, Donauschwaben, Russlanddeutsche, Mittel- und Norddeutsche, Tür- ken, Italiener, sie alle suchten und fanden hier Arbeit, Brot und eine neue Heimat. Mitglieder einer adligen Familie, die Altdorfer, waren Ministerialen der Grafen von Roning und Rotten- burg (erste Erwähnung 1116). Sie standen während des Hochmittelalters in bedeutsamen Ämtern und Würden. Ein Georg Altdorfer war Bischof zu Chiemsee, Albrecht Altdorfer, der berühmte Maler, soll ebenfalls diesem Geschlecht entstammen.

Diese Altdorfer saßen von etwa 1100 an auf ihrer festen Burg auf dem Oswaldsberg und haben sie möglicherweise erst um 1330 verlassen, um in die Stadt Landshut zu ziehen und dort am Hofe des Herzogs hohe Stellungen zu bekleiden. Von den Altdorfern sind einige noch namentlich bekannt:

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MEGINGOZ (1116-1136), ARIBO (1147), RICHOLF (1155), GOTESCALCH (1258), CONRADUS (1224), LIEBHARDUS und HENRICUS von Orth (= Arth) (1249), ULRICH. Nach dem Umzug der Altdorfer nach Landshut verfiel die Stammburg auf dem Oswaldsberg. Die Bauern holten sich nach und nach die Ziegel der Burgmauern als billiges Baumaterial. Wir können heute nur noch durch den tiefen Graben zum Turmhügel steigen. Dort stand einst der mächtige Bergfried, ein Turm, der das Kernwerk der Burg darstellte. Vor dem Graben und dem Turmhügel dehnt sich ein weites Feld aus, der Vorhof der Burg, auf dem die Wirtschaftsgebäude lagen. Wie viel von den Kellern und Grundmauern noch heute in der Erde verborgen ist, müsste durch archäologische Grabungen einmal untersucht werden.

Ungarnrefugium Pfettrach Nach mehreren Kilometern Fußmarsch (ca. 4 km) entlang des Höhenrückens nach Nord- westen erreichen wir eine versteckte, im Walde verborgene Schanzanlage. Eine steile Bergnase zum Tal der Pfettrach wurde nach hinten durch Wall und Graben abgesichert. Es handelt sich hier um eine in der Zeit der Ungarnkriege (900-955 n.Chr.) angelegte Ver- schanzung. Ungarische Reiterhorden überfielen immer wieder Dörfer und offene Siedlungen in Bayern, trieben das Vieh davon, mordeten und plünderten und verschleppten die Überle- benden in die Sklaverei. Der König erlaubte deshalb ausdrücklich, dass zum Schutz von Bauern und Vieh an unzugänglichen Stellen Verschanzungen angelegt werden durften. Bis dahin war es nämlich streng verboten, innerhalb des Königreiches Burgen oder burgähnliche feste Plätze zu errichten. Dies war allein ein Recht des Königs.

So entstanden auch im Landshuter Umland einige sog. „Ungarnrefugien“, deren Reste z.T. noch heute erkennbar sind (Holzen, Bürg, Burglochschanze, Unteraichgarten). Das Erdwerk Pfettrach selbst aber scheint nicht fertig gebaut worden zu sein. Genauere Untersuchungen ergaben, dass wohl an drei Stellen gleichzeitig daran gearbeitet worden sein muss, der gan- ze Bau aber nicht vollendet worden ist.

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Dies könnte ein Hinweis da- rauf sein, in welcher Zeit an dem Erdwerk gearbeitet wur- de. Denn in der Schlacht auf dem Lechfeld am 10.8.955 wurden die Ungarn von Kaiser Otto I. und dem Heiligen Bi- schof Ulrich vernichtend ge- schlagen. Die Ungarngefahr war damit endgültig beseitigt, die weitere Arbeit an dem Erdwerk konnte also einge- stellt werden. Die bis dahin heidnischen Ungarn nahmen nach dieser Schlacht das rö- misch-katholische Christen- tum an und fügten sich in die europäische Völkerfamilie ein.

Lageplan des Ungarnrefugiums von Pfettrach

An der Pfettrach entlang der jetzt stillgelegten Eisenbahnstrecke nehmen wir den Weg zu- rück über Ganslberg zum Heimatmuseum Altdorf. Dort lohnt sich auch der Besuch des Mu- seums mit seiner bedeutsamen archäologischen Sammlung.

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Wanderung 5: Zeugen aus bedrängender Zeit: Verstecke zwi- schen Großer und Kleiner Vils Inmitten des Hügellandes zwischen Kleiner und Großer Vils finden wir beeindrucken- de Wallanlagen aus einer angstvollen Zeit. Burglochschanze bei , Bürg bei Pfaffenbach (ca. 1,6 km zu Fuß und 1,0 km Bürg).

Ca. 2 km südöstlich von Neufraunhofen bei Burghab / Haideck im Burgholz hat sich über Jahrhunderte hinweg ein Zeuge einer not- und todvollen Zeit erhalten: Die Burglochschan- ze.

Sie ist ein Erdwerk, eine Verschanzung, die sich die Bauern in mühevoller Arbeit errichteten, um ihre Habe, ihre Familien, das Vieh und das Saatgut vor den mordenden und brandschat- zenden ungarischen Reiterhorden in Sicherheit bringen zu können.

Von 900 n.Chr. an streiften immer wieder solche Reiterhorden durch das Land, mordeten die hilflosen Bewohner und brannten die Dörfer ab. Das Vieh trieben sie nach Ungarn, die Über- lebenden in die Sklaverei. Der König erlaubte deshalb, dass die Adligen an versteckten Or- ten in Wäldern, auf Bergeshöhen, in Mooren und auf Flussinseln Verschanzungen errichten ließen, damit sich ihre Untertanen in Gefahrenzeiten in Sicherheit bringen konnten. Diese Verschanzungen waren so angelegt, dass die nur zu Pferde und mit Pfeil und Bogen kämp- fenden Ungarn sie nicht überreiten konnten. Bergflanken wurden deshalb steil abgegraben und rückseitig hohe Schildwälle aufgeschüttet.

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Die Burglochschanze hat ihren seltsamen Namen deshalb erhalten, weil in der Mitte der Anlage sich eine tiefe Grube auftut, von der bisher niemand so recht weiß, was es mit dieser Grube eigentlich auf sich hat. Man könnte an Lehmab- bau zur Keramikherstel- lung oder aber an eine Kalkmergelgrube denken. Kalkmergel steht dort an. Vor Verwendung des Kunstdüngers wurde Kalk- mergel als Dünger ge- nutzt. Auch von einem ehemals tiefen Brunnen ist schon gesprochen worden.

Lag eplan der Burgloch-Schanze

Nun wenden wir uns nach Osten, suchen den kleinen Ort Pfaffenbach und entdecken dort noch einmal eine solche Verschanzung aus der Ungarnzeit: Die Bürg.

Auch dieses Erdwerk stammt aus der Notzeit zwischen 900 und 955 n.Chr. und ist ein ein- drucksvoller Zeuge einer bösen Zeit. Die Rückfahrt nach Landshut werden wir von aus über Hohenegglkofen an- treten. Bei Hohenegglkofen, einstmals einem bedeutenden Ort (erstmals erwähnt um 800 n.Chr.), wahrscheinlich auch mit einer Burg, deutet schon der Namensteil „...egg...“ auf ei- nen Straßenort hin. Und tatsächlich scheint es sicher, dass die alte römische Fernstraße von Verona über den Brennerpass - Innsbruck - Rosenheim - Regensburg an dem späteren Ho- henegglkofen vorbeiführte. Diese Straße behielt dann im frühen und hohen Mittelalter als Nord-Süd-Verbindung nach Italien wieder große Bedeutung. Nach der Gründung der Stadt Landshut (1204) wurde diese Straße nach Italien dann über einen Isarübergang in der Stadt Landshut geführt, aber über Hohenegglkofen zog nun der sog. Fürstenweg über Geisenhau- sen, zur Wittelsbacher Burg nach Burghausen.

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Wanderung 6: Die Wacht über das Further Tal: der Burgstall Bocksberg Eine unspektakuläre Landschaft, bei der sich die historischen Eigenarten erst bei nä- herem Hinsehen zu erkennen geben, dann aber umso eindrucksvoller. Schatzhofen-Geberskirchen-Bocksberg (mit Auto, ca.2 km zu Fuß).

Wir wollen über Pfettrach ins Further Tal zu einem nunmehr fast 1000 Jahre alten Boden- denkmal fahren, zum mittelalterlichen Burgstall Bocksberg. Wir treffen uns dazu am Ha- scherkeller auf dem Parkplatz des Nordfriedhofes. Dort hat man eine nun schon in der Wis- senschaft berühmt gewordenen Siedlung aus der Hallstattzeit (um 600 v.Chr.) und andere vorgeschichtliche Spuren gefunden. Berühmt wurde diese Siedlung dadurch, dass hier zum ersten Male eine ganz merkwürdige Siedlungsform auftauchte: Reihenhäuser, die durch Wall und Graben abgesichert waren. Diese Siedlungsform erhielt in der Wissenschaft die Bezeichnung „Typ Hascherkeller“. Eine weitere derartige Siedlung fand man dann auch noch südlich von Mirskofen. Auf der Fahrt über Altdorf und Pfettrach nach grüßt auf einem vorspringenden Bergsporn die Kirche von Arth. Diese Kirche war einst die Burgkapelle der Arther Burg. Die Burg selbst, früher Orth genannt (1031), ist längst vergangen, wie so viele Burgen im Isartal, und nach 1200 n.Chr. aufgelassen worden. Das Mauerwerk haben die Bauern abgebrochen und die Ziegel zum Bau ihrer eigenen Häuser verwendet.

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Südlich der Arther Kirche steht die uralte Kapelle von Hebenstreit, 1031 dem Kloster St. Emmeran gehörig. Es gibt dort eine alte Sage von Riesen, die hier oder in Fronberg gehaust haben sollen. Um 1397 erscheint eine Familie in Moosburg mit dem Namen Ries, die Besitz in der Arther Gegend hatte.

Zunächst aber fahren wir weiter durch Weihmichl, dem ältesten Ort des Umlandes. Ur- sprünglich St. Willibald genannt, wurde Weihmichl früher als zum Bischofssitz Eichstätt ge- hörig in Urkunden erwähnt. Einer dieser Bischöfe, der edle Rotpergus, übte über die un- mündigen Söhne des deutschen Kaisers die Regentschaft aus und wurde dann 1055-1057 sogar Papst Viktor II. Er war bis dahin Bischof von Eichstätt und hatte auch Besitzungen in Weihmichl.

Wir fahren dann weiter nach Furth, eine Ortschaft mit Kloster, Gymnasium, Schloss und Kir- che. 1030 gab es eine Verbindung zu den Ebersbergern, später zum Geschlecht der Kärgl (14.-17. Jhd). Die letzte Schlossherrin war die Freifrau von Hornstein.

Schließlich kommen wir an Schatzhofen vorbei, das schon um 1040 beurkundet ist. Ein ZONTIBOLD tauschte Güter mit dem Kloster Tegernsee. Später übernahm das Kloster Seli- genthal das Patronat und den Besitz über das Dorf. In Schatzhofen besaß die Universität Landshut einen botanischen Garten in der Nähe des Pfarrhauses. Dieser Garten und einige Waldungen der Universität bestehen noch immer. Punzenhofen heißt ein kleiner Ort kurz nach Schatzhofen (Punz = Pons = Brücke).

Auf der Anhöhe hinter dem Ort, dem Plattenberg, finden wir eine wahrscheinlich schon vor- geschichtliche Wallanlage. Man nimmt an, dass sie aus der Zeit um 1000 v.Chr., der sog. Urnenfelderzeit, stammt, aber auch später immer wieder als Refugium benutzt worden ist. Der Fund eines bronzenen Rasiermessers aus der späten Bronzezeit stützt diese Annahme. Das Kirchlein von Geberskirchen, das schon um 1030 bestanden haben soll, wurde angeb- lich mit Mauersteinen der Burg Bocksberg nach 1490 um- und ausgebaut. Wenn wir uns dann durch dichtes Unterholz, Strauchwerk und Brennnesseln hindurchge- müht haben, stehen wir vor den noch immer imposanten Resten einer einstmals mächti- gen mittelalterlichen Burg. Sie wurde zu Beginn des Hochmittelalters (1050-1100) an einer Stelle errichtet, die sicher schon vorher aus der Vorgeschichte her besetzt gewesen war, wie so viele Höhen und Bergvorsprünge im Isartalgebiet.

Über die Geschichte und das Schicksal dieser Burg ist, so wie bei den meisten anderen in unserer Gegend, nur sehr wenig bekannt. Die Bocksberger aber müssen ein bedeutendes und geachtetes Geschlecht gewesen sein, ihre Namen stehen auf alten Urkunden stets an vorderer Stelle. Die bisher bekannt gewordene Geschlechterfolge: 1100 Rupert Wolff (zum Schottenkloster St. Jakob in Regensburg gibt es eine Verbindung) hatte Besitzungen in Burglengenfeld und auch in Bruckberg. 1129 erscheinen die Boselnberger 1133 wird ein Wolff von Bocksberg genannt. Er hatte enge Beziehungen zum Pfalzgraf von Wittelsbach (damals noch nicht Herzog von Bayern). 1133-1166 Wolff von Bruckberg 1129 Adalberc de Pochsperc 1130 Adalberc von Bockesperch

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1160 Routpert Wolff de Bockesperg 1161 Roudpertus genannt Wolf 1183 Rupertus der Wolf von Boukesperg 1190 Albero von Bokisperg und Frau Juta Die letzte Urkunde, auf welcher der Bocksberg erwähnt ist, stammt aus dem Jahre 1257.

Die Bocksberger scheinen besonders einflussreich gewesen zu sein, denn schon 1129 tau- chen sie in Urkunden stets als Zeugen neben dem Bischof von Regensburg, neben dem Herzog Heinrich und neben Pfalzgraf Otto in Donauwörth auf.

1257 taucht der Name Bocksberg in einer Urkunde auf. Wir können annehmen, dass die Bocksberger an den Herzogshof nach Landshut gezogen sind. Die Burg verfiel und wurde als Ziegelgrube ausgebeutet.

Bur gstall Bocksberg, schematischer Lageplan 1: Turmhügel (Stumpfkegel) 3: Grabenanlagen 5: Bachaue 2: tiefer Burggraben 4: steiler Taleinhang (Umzeichnung: arLan)

Auf der Rückfahrt zum Hascherkeller werfen wir noch einen Blick auf den Hügelgräberfried- hof bei Geberskirchen. Diese Hügelgräber stammen aus der sog. Hallstattzeit um 650-500 v.Chr. Aber auch schon vorher in der mittleren Bronzezeit um 1600 v.Chr. scheinen einzel- ne, kleinere Grabhügel dort aufgeschüttet worden zu sein. (Näheres über Hügelgräber siehe Wanderung 1.)

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Wanderung 7: Von Thal und Eching geht es in die Bronzezeit Wie kaum sonst sind hier an der Nahtstelle des Hügellandes zum Isartal und zur Münchner Schotterebene viele wichtige Zeugnisse der Kulturgeschichte vorhanden und erlebbar (ab Thal ca.6,4 km zu Fuß).

Die Wanderung führt zunächst an einem mittelalterlichen Turmhügel zwischen Nie- dererlbach und Thal vorbei zu den bronzezeitlichen Hügelgräbern bei Schirmreuth. Dort sind im Wald verborgen bei genauerem Hinsehen noch 19 Hügelgräber zu erkennen. Von den ursprünglich wohl 2-3 m hohen Grabhügeln sind heute nur noch flache, rund 10 qm große rundliche Erhebungen übrig geblieben. Diese Grabhügel sind als Friedhof in der Zeit zwischen 1600 und 1400 v.Chr. angelegt wor- den und fallen damit in die sogenannte mittlere Bronzezeit. Den Verstorbenen wurden da- mals Schmuck, Tracht, Waffen, Keramik und Gegenstände des täglichen Lebens in das Grab und damit auf den Weg in die Ewigkeit mitgegeben. Diese Grabbeigaben weisen auf einen Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod hin.

Es müssen damals schon weite Handelsverbindungen von der Ostsee bis nach Ägypten (Bernsteinhandel) und bis hinüber nach England (Zinn) bestanden haben und wir können ei- nen durchaus gehobenen Lebensstandard feststellen. Auch die Alpen waren kein unüber- windliches Hindernis. Der Handel mit Kupfer und Salz blühte.

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Vielleicht ist sogar eine der legendären Bernsteinstraßen hier bei Weixerau über die Isar ge- gangen (sieben Rippen ?), an der Stelle, an der später auch die römische Isartalstraße über die Isar führte (und heute die Autobahn!).

Hier in Schirmreuth, aber auch bei anderen Hügelgräbern, zeigt sich eine noch nicht ganz geklärte Besonderheit: Manche Hügelgräber sind mit Erdreich abgedeckt, das nicht aus der unmittelbaren Umgebung stammen kann. Dies deutet auf die Sitte hin, den Toten bei Grab- besuchen Erde aus der Heimat der Besucher mitzubringen und auf den Hügel zu streuen. Botaniker haben gerade auf Hügelgräbern Pflanzen vorgefunden, die sonst in den Wäldern nicht gedeihen und sie bringen dies mit dem ortsfremden Erdreich in Verbindung.

Ein kurzer Weg führt zu den Isarhangleiten oberhalb der Ortschaft Thal. Das in das Isartal hineinragende, vorgelagerte Plateau mit steil abfallenden Flanken (künstlich versteilt ?) wur- de dort mit einer Wallanlage nach Osten (hinten) und, wie sich neuerdings herausgestellt hat, auch an den Steilrändern durch Erdwerke und Palisaden abgesichert. Dies geschah et- wa um 1000 v.Chr. während der sogenannten Urnenfelderbronzezeit.

In dieser Zeit verbrannte man die Verstorbenen und setzte die Asche in Keramikurnen ohne Grabhügel bei. Es muss damals eine sehr unruhige Zeit gewesen sein, auf den Bergeshö- hen, aber auch an anderen versteckt liegenden Orten entstanden befestigte Erwerke mit Pa- lisaden, Wällen und Gräben, in denen man ganze Viehherden in Sicherheit bringen konnte (Schlossberg, Duniwang, Moniberg u.a.m.).

Die Leute hier im Isartal lebten zwar am Rande der mediterranen Welt, bekamen aber die Unsicherheiten jener Zeit, wie sie z.B. im Trojanischen Krieg, im Auszug der Juden aus Ägypten unter Moses, im Untergang von Mykene oder im Skythendruck aus dem Osten zum Ausdruck kamen, auch zu spüren. Neuere Untersuchungen begründen die Vermutung, dass dieses Erdwerk hier durch einen Brand zugrunde gegangen ist. Auf dem weiteren Weg nach Berghofen kommen wir vorbei an einer nur noch an Bodenve r- färbungen erkennbaren jungsteinzeitlichen Siedlung (Altheimer Kultur ?), auf der man ge- legentlich noch Hüttenlehm, Keramik und Feuersteinsplitter finden kann (links des Weges, 70 m vor der Kapelle). Rast und Besinnung finden wir in der Kirche zu Berghofen. Dieses alte romanische Gottes- haus, das um 1400 zu der heu- tigen Form umgebaut wurde, dürfte viel ältere Vorgänger ge- habt haben. In den Grundmau- ern könnte ein römischer Grab- stein verborgen sein. Von be- sonderer kunsthistorischer Be- deutung sind die gut erhaltenen spätromanischen / frühgoti- schen Wandmalereien an den Innenwänden der Kirche. Sie stellen Szenen aus dem Alten Testament und eine Gruppe von Heiligen (Nothelfer) dar.

Fr esken in der Kirche St. Peter und Paul Berghofen

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In der Nähe der Kirche entdeckte man beim Straßenbau germanische Gräber aus der Zeit um 600 n.Chr. (Skelette, Trachtteile, Waffen, Keramik).

Unterhalb der Kirche im Isartal lief die römische Fernstrasse von Niedererlbach kommend nach Weixerau und dort über die Isar auf die linke Uferseite. Diese Fernstraße verband Augsburg, die Hauptstadt Rätiens, mit der Donausüdstraße bei Moos / Plattling. Spuren rö- mischer Besiedlung finden sich bei Niedererlbach und Thal (villa rustica, Brandgräber, röm. Mausoleum, röm. Straßendamm). Bei einer Brotzeit in der Pizzeria Haslfurth könnte man dann noch erzählen von den spätkel- tischen Funden (Bronzehalsring, Glasarmring, Skelette) in Hofham, vom germanischen Friedhof und der jungsteinzeitlichen Kreisgrabenanlage (Kalenderbau ?) von Viecht, von bronzezeitlichen Gräbern bei Kronwinkl, von hallstattzeitlichen Bestattungen bei Weixerau, von der Niedererlbacher Keltenburg und dem Gräberfeld aus der Hallstattzeit (um 600 v.Chr.) (Bernsteinkollier, vgl. Abbildung Titelseite).

Auch davon könnte man berichten, dass die alte römische Straße nach Gründung der Stadt Landshut (1204 n.Chr.) nicht mehr bei Weixerau über die Isar weiterlief, sondern auf der rechten Isarseite über Schlossberg - Achdorf nach Landshut führte. Die Stelle, an der die Strasse nun nach rechts hin abbog, heißt noch heute APOIG = Abbeuge. Oder aber, dass die alte Kirche von Eching (ab 800 n.Chr.) – sie war ja die Patenkirche von St. Martin in Landshut ! – Anfang des 18. Jahrhunderts von einem verheerenden Hochwasser der Isar so schwer beschädigt wurde, dass sie abgerissen und an der jetzigen Stelle neu erbaut werden musste.

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Wanderung 8: Ein Dorf macht Geschichte: Altheim bei Lands- hut Der Name Altheim hat in der Archäologie einen guten Klang, ist doch eine ganze Kul- turgruppe nach diesem Dorf benannt. Die Fundstätte des Grabenwerks bei Altheim zählt zu den berühmtesten Plätzen bayerischer Geschichte. Aber auch andere Epo- chen sind hier in einzigartiger Weise erlebbar, vor allem die ausgedehnten Grabhügel- felder in den hochgelegenen Wäldern am Taferlweg und bei Wachelkofen (ca.8,2 km einfach, kein Rundweg, An- u. Abfahrt mit Auto).

Wir müssen bis zur Eisenbahnunterführung auf dem Wege von Altheim nach Holzen fahren und uns dann eine Rückfahrt von Wachelkofen einrichten. Etwa 100 m vor dieser Unterfüh- rung fand der Oberlehrer Pollinger aus Landshut auf dem Feld an der Ostseite des Weges Spuren einer vorgeschichtlichen Siedlung. Damals wurden überall auf den Lößfeldern Dampfpflüge eingesetzt, die den Ackerboden tiefgründig umdrehten. Leider sind dabei viele im Boden verborgene archäologische Spuren unbeachtet für immer vernichtet worden. Nach Ausgrabungen schon vor dem 1. Weltkrieg und später noch einmal vor dem 2. Weltkrieg war man sich in der Wissenschaft sicher, dass es sich hier bei dieser Siedlung um die Überreste einer eigenständigen jungsteinzeitlichen Kulturgruppe handeln müsse.

Sie erhielt die wissenschaftliche Bezeichnung: „Altheimer Kultur“.

Die bei diesen Grabungen gefundene Keramik bezeugt in Formgebung, Material, Magerung, Gefäßaufbautechnik (Wulst) und Verzierung große Unterschiede und Besonderheiten ge- genüber den bisher hier aufgefundenen jungsteinzeitlichen Kulturen. Auch bei Waffen und Geräten zeigten sich deutliche Unterschiede, wie z. B. zweiflüglige Pfeilspitzen, Lochschei-

Seite 24 K ulturlandschaft Landshut erleben Wanderungen in die Zeit mit Werner Hübner benäxte, aus Knochen hergestellte Werkzeuge, Plattenfeuersteinsicheln, gepickte (nicht ge- schliffene) steinerne Walzenbeile und schließlich auch schon ein Kupferbeilchen. Auch die Art, Häuser zu bauen und diese Häuser mit Wall und Graben abzusichern, hatte sich verän- dert.

Heute wissen wir, dass die- se „Altheimer Kultur“ süd- lich der Donau bis zu den Alpen hin und auch im Nördlinger Ries in der Zeit von ca. 3800 - 3200 v.Chr. bestanden hat. Man weiß nichts über das Herkommen dieser Men- schen, ihre Sprache, ihre religiösen Vorstellungen und auch nicht, wie sie ausge- sehen haben. Aus dieser Zeit wurden bisher keine regulären Körperbestattun- gen aufgefunden, obwohl auch im Isartalgebiet schon zahlreiche Altheimer Sied- lungen bekannt geworden sind.

Lag eplan Grabenwerk der Altheimer Gruppe bei Alt- heim

Was man damals mit den Verstorbenen angestellt hat, ist noch immer rätselhaft. Hat man sie in der Isar versenkt ? In den Zeiten vor den Altheimern wurden die Toten in Hockerstel- lung begraben und auch in den nachfolgenden Kulturstufen wieder. Die Siedlung hier scheint in einer kriegerischen Auseinandersetzung untergegangen zu sein, die in den Gräben um die Siedlung aufgefundenen Skelette waren dort nur hineingeworfen und nicht ordentlich begraben worden. Diese bisher einzigen aus der Altheimer Zeit bekannt gewordenen Skelettfunde, sind jedoch bei einem Bombenangriff auf die Prähistorische Staatssammlung in München verlorengegangen. Auf dem Acker hier kommen gelegentlich immer noch einzelne Keramikscherben, Knochenwerkzeuge, Pfeilspitzen und Hüttenlehm zum Vorschein.

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Das im beackerten Erdreich verborgene Grabenwerk der Alt- heimer Gruppe bei Altheim gibt sich bei bestimmten Schnee- lagen gut zu erken- nen.

Gr abenwerk der Altheimer Gruppe bei Altheim

Auf dem Feld 50 m südwestlich dieser Fundstelle (links des Weges) hat die Luftbildarchäo- logie eine von 4 (!) Gräben umgebene Siedlung aus der Hallstattzeit um 600 v.Chr. ausge- macht. Das weite Feld links hinter der Bahnunterführung in Richtung Holzen und auch das Feld nördlich des angrenzenden Feldweges waren vor 7000 Jahren, zur Jungsteinzeit, der Platz einer ausgedehnten bäuerlichen Siedlung. Die Spuren mehrerer Langhäuser (bis zu 40 m Länge!), alle Nordwest-Südost ausgerichtet, sind auf den Luftbildern zu sehen. Die Boden- funde an Siedlungsmaterial (Keramik, Feuersteingeräte, Hüttenlehm, Pfostenlöcher, Abfall- gruben usw.) weisen auf eine Siedlung der sog. Linearbandkeramik hin. Die Linearbandke- ramik ist eine jungsteinzeitliche Kulturstufe, die auch hier im Isartal von 5600-4800 v.Chr. auf den Lößflächen weit verbreitet war.

Die ganze Flur zwischen Eisenbahn und Gut Holzen wird auf alten Karten „Weinberg“ oder „Weinleite“ genannt. Ein römisches Rebmesser und römische Keramik, die hier gefunden wurden, lassen vermuten, dass die Tradition des Weinbaues im Isartal schon in römischer Zeit vor nunmehr 2000 Jahren begründet worden ist. (Wallanlage sog. Schwedenschanze bei Holzen vgl. Wanderung 11.)

Entlang des sog. Taferlweges wandern wir nun nach Norden auf dem Höhenrücken ent- lang. Dieser Taferlweg ist von einzelnen Grabhügeln gesäumt und scheint eine Altstraße gewesen zu sein. Im Walde östlich von Wachelkofen stehen wir dann vor einem Grabhügel- friedhof aus der Zeit von 650 – 500 v.Chr., aus der sog. Hallstattzeit. Mehr als 30 z.T. noch unberührte Grabhügel bis zu 20 m im Durchmesser liegen nun seit Jahrtausenden verbor- gen im tiefen Wald und decken Verstorbene zu, die unsere Vorfahren gewesen sind. (Nähe- res über Hügelgräber siehe Wanderung 1.)

Der Weg aus dem Wald führt uns zu dem kleinen Kirchlein von Wachelkofen. Es liegt in der Talmulde des Freimöselbaches und wurde zu Ehren des Hl. Kreuzes im 12. Jahrhundert er- richtet (ursprünglich spätromanisch). Es gab aber sicherlich noch ein älteres Bauwerk, wohl aus Holz. Die heutige Gestalt erhielt die Kirche 1750.

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Wanderung 9: Landshut international: „Schwedische“ Schan- zen und ein ungarischer Held Stimmungsvolle Hangquellen an der Isar-Hangleite und die große und kleine Schwe- denschanze bei Schönbrunn. (Ab Rákóczy-Brunnen ca. 4,4 km zu Fuß.)

Die Wanderung beginnt am sog. Rákóczy-Wasserl Schönbrunn. Der ungarische Freiheits- kämpfer Rákóczy (Anführer des Ungarnaufstandes gegen die Habsburger 1703 - 1711) soll mit seinen Getreuen an dieser Quelle auf der Flucht vor den Österreichern übernachtet ha- ben. Der Weg führt uns hinauf zur Einöde Haag. Noch vor 100 Jahren berichtete man davon, dass bei Haag mehr als 50 Grabhügel aus der sog. Hallstattzeit um 600 v.Chr. zu sehen seien. Von diesen Hügelgräbern sind bis heute nur noch 2 übrig geblieben. Am steilen Talrand zum Isartal erhob sich im Hochmittelalter eine mächtige Burg, die in alten Urkunden „die Huth“ genannt wird. Das altgermanische Wort „HUT“ spielt in vielen Flurna- men in Verbindung mit Burganlagen und befestigten Plätzen eine Rolle, z.B. Hüttenkofen, Hutthurm, Huther Tor, Landshut usw.

Später nannte man die Reste dieser Burg „die Große Schwedenschanze“. Mit den Schwe- den hat dieser Burgstall aber nichts zu tun. Noch heute sind Wälle und Graben sowie ein ehemaliger Turmhügel erkennbar. Der Turmhügel ist einer der mächtigsten im Raum Lands- hut. Er wird zur Plateauseite hin von einem aufwändigen und heute noch beeindruckenden Wall- und Grabensystem umgegeben. Die steilen Hänge der Isarleite boten natürlichen Schutz.

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1: Turmhügel (Hauptburg) 2: Wallanlagen

3: Ringgraben- system 4: Wirtschaftsbe- reich

5: Bergsporne, ausgebaut 6: Plateau / Flachhang mit Zugangswegen 7: Isarleite (Steil- hang) (Entwurf: arLan) Lag eplan der Großen Schwedenschanze

Bei dieser Gelegenheit sollte ein kleiner Exkurs über mittelalterliche Burgen gestattet sein: Das Recht, einen befestigten Platz oder gar eine feste Burg im Innern des Königreiches zu errichten, war schon zu Zeiten der Karolinger ganz allein ein Recht des Königs. Der fränki- sche König Karl der Kahle (864 n.Chr.) erließ ein Edikt, das sog. EDICTUM PISTENSE, nach dem es jedermann streng verboten war, sich innerhalb des Königreiches einen befes- tigten Platz zu errichten. Dies war allein ein Recht des Königs, der damit wohl zu verhindern suchte, dass sich im Landesinneren macht- und gewaltbereite Kräfte breit machten. Eine Sorge, die 500 Jahre später, zur Zeit der Raubritter, bittere Wahrheit wurde.

Der König behielt sich jedoch bei allen von ihm eigens genehmigten Burgenbauten das Recht vor, jederzeit mit seinen Mannen jede dieser Burgen betreten zu dürfen (Öffnungs- recht). Zwischen 900 und 955 n.Chr. fielen ungarische Reiterhorden immer wieder auch in Bayern ein, verwüsteten das Land, schleppten Vieh und Menschen fort. In Frankreich musste man sich in dieser Zeit der Normannen erwehren. In diesen Notzeiten erlaubte König Heinrich I., dass die adligen Herren für ihre Untertanen an versteckten Orten befestigte Plätze aus- bauen durften.

So entstanden zunächst die sog. Ungarnrefugien, Erdwall- und Palisadenverhaue, die so angelegt waren, dass die nur zu Pferde mit Pfeil und Bogen kämpfenden Ungarn sie nicht ohne Weiteres überreiten konnten. Pfeile, die steil nach oben geschossen werden mussten, verloren ihre tödliche Wirkung. Deshalb schüttete man hohe Schildwälle auf und versteilte die ins Tal abbrechenden Seiten (z.B. Pfettrach, , Bürg, Holzen, Burgloch).

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Im weiteren Verlauf der mittelalterlichen Geschichte aber setzte sich unter den adligen Fami- lien eine „Mode“ durch: Wer etwas von sich und seinem Geschlechte hielt, brauchte einen befestigten Platz, eine Burg. Das Burgenrecht wurde mehr und mehr von den Herzögen ausgeübt. So entstanden bereits in der Zeit ab 1050 n.Chr. unzählige Burgen auch im Inn e- ren des Reiches. Im Landkreis Landshut waren es mehr als 25 !

Von 1183 - 1300 fiel ein großer Teil der Besitztümer der adligen Familien hier in Bayern an den Herzog und zwar immer dann, wenn keine männlichen Nachkommen die Familientradi- tion weiterführen konnten.

Die Burgen verfielen, die Burgziegel waren den umliegenden Bauern willkommenes Bauma- terial und so finden wir heute meist nur noch einen Burgstall (= Stelle) dort vor, wo einstmals eine Burg stand.

Auf dem Rückweg nach Schönbrunn kommt man an der sog „kleinen Schwedenschanze“ vorbei. Sie ist auch eine Burganlage aus dem hohen Mittelalter und hat mit den Schweden ebenfalls nichts zu tun. Die Bezeichnung „Schwedenschanze“ hängt vielleicht damit zusam- men, dass sich in den Notzeiten des 30-jährigen Krieges Menschen immer wieder dort ver- steckt haben.

Die Lößinseln auf dem rechten Hochufer des Isartales, wie z.B. das Gelände hier vor der Kleinen Schwedenschanze, waren alle schon in der späten Jungsteinzeit (Altheimer Kultur) um 3500 v.Chr. besiedelt. Sie bestehen aus meterhohem Lößboden, den schon diese jung- steinzeitlichen Bauern bewusst aufsuchten und für ihre Landwirtschaft nutzten (Löß = eis- zeitliches Windsediment, kalkhaltig, sehr guter Ackerboden). Die frühe Besiedelung ist an dieser Stelle durch einige Fundstücke (Keramik, Feuersteinsplitter, Hüttenlehm u.a.) gesi- chert.

Von der mittelalterlichen Burg sieht man heute nur noch den Wassergraben. An Stelle des ehemaligen Bergfrieds steht jetzt ein Einfamilienhaus, die nördliche Hälfte der Burg ist wohl ins Isartal abgerutscht.

In der Schlosswirtschaft Schönbrunn endet die Wanderung. Von dieser Schlosswirtschaft ist bekannt, dass sie 1687 zusammen mit dem Kienasthof und dem Schwaiger Söldl zu einem Sitz erhoben wurde, dessen Eigentümer von 1690 der Graf Maxlrain von Hohenwaldeck, 1726 der churfürstliche Kanzler Joseph Mourath,1780 der Regierungsrat Franz Regis von Harscher und schließlich 1782 der Malteser Orden waren. Wenn dann noch ein wenig Zeit bleibt, lohnt sich ein kurzer Abstecher an die Waldkapelle und an den „wachsenden Stein“, wo der Kalk aus dem Quellwasser sintert und einen Kalk- stein allmählich wachsen lässt (so wie in Usterling / Landau). Sintern bedeutet: Wo unterirdi- sche Wässer als Quelle aus dem Berg treten, können sich kalkige oder kieselige Ausschei- dungen als Sintergesteine bilden.

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Wanderung 10: Im Binatal: Vergangene Wasserburgen, die Le- gende vom Fuhrmann und die Nekropole im Käsholz Obwohl vieler kulturlandschaftlicher Eigenart beraubt, lohnt eine Fahrt in das Binatal zur malerischen gelegenen Wallfahrtskirche St. Salvator und zu einem verborgenen Hügelgräberfriedhof im Käsholz (ab Sportplatz Binabiburg ca.3,5 km zu Fuß.)

Ich kann Ihnen keine sauber geputzten Skelette, keine Bronzeschwerter, keinen imposanten Tempelbau, keinen Megalithkreis, kein antikes Theater und keine Pyramide bieten, ja nicht einmal eine ganz gewöhnliche Burgmauer werden wir heute zu sehen bekommen und doch haben die Plätze, die wir heute aufsuchen für die Geschichte unserer Heimat ihre besondere Bedeutung: Diese Geschichte hat sich hier an diesen Plätzen zugetragen. Ich muss dazu Ih- re Phantasie und Vorstellungskraft anregen und dabei hoffen, dass es gelingt, uns aus dem Alltag zu lösen und in eine Zeit zurückzuversetzen, die wohl im Dunkel der Vorgeschichte vergangen ist, die aber doch unmerklich fortwirkt bis in unsere Tage.

Am Parkplatz des Sportplatzes von Binabiburg (erste Erwähnung 1011) beginnen wir unse- re Wanderung. Vorbei an der Stelle östlich des Parkplatzes, an der ehemals eine Wasser- burg und später ein Schloss stand (ab 11. Jhd. n.Chr.). Wir steigen hinauf zu der Wall- fahrtskirche St. Salvator. Diese Kirche, ein Barockbau um 1710, verdankt ihre Entstehung einer Legende. Ein Fuhrmann fand dort eine Hostie in einem Strauche hängend. Der Orts- pfarrer barg die Hostie und an der Fundstelle baute man zunächst eine kleine Kapelle, spä- ter dann die schöne Wallfahrtskirche.

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Die Wallfahrtskirche St. Salvator bei Binabiburg, malerisch auf ei- nem Hügel über dem Binatal gelegen

Auf der mittelalterlichen Salzstraße wandern wir nun etwa 20 Minuten nach Süden in das sog. Käsholz (Käsholz vermutlich abgewandelt von Kasten = Schloss - Holz). Dort finden wir tief im Wald verborgen einen bronze- und hallstattzeitlichen Grabhügelfriedhof (Nekro- pole). Über 50 solche Grabhügel sind noch heute erkennbar.

Die Menschen der Bronzezeit lebten hier am Nordrand der damals schon hoch zivilisierten mediterranen Welt. Vielfältige Handelsverbindungen und die Weitergabe von technischem Wissen vom Mittelmeergebiet über die Alpen hinweg nach Norden lassen sich nachweisen. Am Ende der Jungsteinzeit (ca. 2500 v.Chr.) hatten die Menschen auch hier bei uns gelernt, Metallerze zu finden, abzubauen, zu schmelzen und aus dem Metall Werkzeuge, Waffen und Schmuck herzustellen. Es war zunächst einmal Kupfer, mit dem sich z.B. die Altheimer schon um 4000 v.Chr. be- schäftigt haben. Als dann aber auch hier um 2500 v.Chr. die neue Entdeckung bekannt wu r- de, dass das Kupfer, ein verhältnismäßig weiches Material, hart und scharf wird, wenn man der Kupferschmelze Zinn oder Arsen beimischt (im Verhältnis 90% Kupfer-10%Zinn), hatte man ein neues, festes, und goldglänzendes Material gefunden, das sich gut für Waffen, Panzer, Beinschienen, Helme, Schilder, Geräte, Gefäße, aber auch für Schmucksachen eignete.

Zweitausend Jahre lang wurde nun mit dieser Bronze gearbeitet. Das Zinn musste aus Eng- land oder aus dem Erzgebirge importiert werden, Kupfergruben gab es in Nordtirol. Erst in der beginnenden sog. Hallstattzeit um 650 v.Chr. hatte man dann gelernt, das neue Metall Eisen im Erz zu finden, es zu schmelzen und zu schmieden sowie daraus Waffen und Gerä- te herzustellen.

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Die Verstorbenen wurden unter Grabhügeln beigesetzt. Die Beigaben von Dolchen, Beilen, Schmuck, Keramik und Speisen lassen uns erahnen, dass an ein Weiterleben in einer ande- ren Welt geglaubt wurde. Wir wissen nicht, welche Sprache sie gesprochen haben, welche Namen sie sich gaben, von ihrem Dasein sind bisher nur die Gräber ihrer Toten und die Ge- genstände geblieben, die sie ihren Toten auf den Weg ins Jenseits mitgegeben haben.. Sehr spärlich sind die Spuren ihrer Wohnstätten und Siedlungen noch während der Bronze- zeit. Erst aus der Hallstattzeit, die Zeit der frühen Kelten ab 650 v.Chr., werden neben Grab- hügelfeldern auch größere Siedlungen fassbar. Im Schutz der Wälder haben sich mehrere solche Hügelgräberfriedhöfe im Landkreis erhalten. Andere, im freien, aber landwirtschaftlich genutzten Gelände gelegene Friedhöfe sind verschwunden oder nur noch aus der Luft fest- zustellen. Die Verstorbenen wurden in einer mit Holz verkleideten Grabgrube auf dem Rücken liegend (nicht mehr wie in der Jungsteinzeit in Hockerstellung) beigesetzt. Über dieser Grube schüt- tete man einen Erdhügel auf. Vermutlich haben die Trauergäste dabei Erde aus ihrer Heimat mitgebracht und auf den Hügel gestreut. Bodenkundliche Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass das Hügelerdreich häufig mit Erde vermischt ist, die nicht aus der unmittelba- ren Umgebung stammen kann.

Rötlich sind die Ge- meindegrenzen darge- stellt, blau das Ge- wässernetz. In der Landkreismitte die Isar mit den Stauseen. Die Grabhügel des Käsholzes befinden sich ganz im Südosten des Landkreises. Über sichtskarte Vorkommen von Grabhügel (alle Zeitstu- fen) in Stadt- und Landkreis Landshut

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Nun aber wird Ihnen auch auffallen, dass es unter den Grabhügeln dieses Friedhofes be- sonders hohe und umfangreichere Hügel gibt. Diese größeren Hügel wurden in der Zeit zwi- schen 650 und 500 v.Chr., in der sog. Hallstattzeit, aufgeschüttet. Die alten Friedhöfe aus der mittleren Bronzezeit hat man also wieder aufgesucht und die Verstorbenen dort beerdigt.

Am Ende der mittleren Bronzezeit (um 1300) verschwand die Sitte der Grabhügelbestattung. Die Toten wurden jetzt verbrannt, die Asche in Keramikgefäße gefüllt und in Erdgruben bei- gesetzt. Diese sog. späte Bronzezeit heißt deshalb auch Urnenfelderzeit (1300-650 v.Chr.). Die erneute Aufnahme der Sitte, die Toten in Hügelgräbern zu bestatten, scheint damals um 650 v.Chr. von den in Italien lebenden ETRUSKERN übernommen worden zu sein. Die T o- ten der Hallstattzeit sind aber reicher mit Waffen, Schmuck (Bernstein), Keramik, Hausgerä- ten, Wägen und Speisen (Fleisch) ausgestattet. Ein durchaus annehmbarer Wohlstand scheint sich aus dem Handel mit Bernstein und Salz ergeben zu haben. Noch immer ist die Schrift nicht im Gebrauch, obwohl diese schon seit 3000 v.Chr. im Vorderen Orient bekannt ist und in verschiedener Form auftritt (Bilder-, Keil-, Silben-, Buchstabenschrift) und es sollte noch bis in die römische Zeit hinein dauern, bis auch hier geschrieben und gelesen wurde.

Auf dem Rückweg werden wir aufmerksam auf die neben dem heutigen Weg herlaufenden Fahrspuren einer mittelalterlichen Altstraße von Treidlkofen her. Die Legende des Fuhrman- nes bei St. Salvator deutet auch auf diese Altstraße hin.

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Wanderung 11: Im Isartal bei Landshut: Steinzeit-Leute, Römer und schon wieder überall die Schweden ? Das Isartal östlich von Landshut erweist sich als eine der wichtigsten archäologi- schen Landschaften Niederbayerns. Bedeutende Monumente sind die Schweden- schanzen bei Duniwang und Holzen, Siedlungsplätze der Jungsteinzeit bis zu Hall- statt- und La Tene-Zeit. Vergleichsweise jung mutet die gotische Kirche St. Andreas bei Altheim an (ab Festplatz mit Auto, Fußweg ca. 2 km).

Zwischen der Bundesstrasse 11/15 und dem Ufer der Isar 200 Meter westlich der Einöde Duniwang finden wir bei unserer Wanderung eine geheimnisvolle großflächige Ringschan- ze. Sie wird im Volksmund „Schwedenschanze“ genannt. Und wieder einmal muss ich eingestehen, dass ich Ihnen hier im Isartal keine imposanten antiken Denkmäler vorführen kann, keine Amphitheater, keine Aquädukte, keine Thermen, ja nicht einmal ein paar alte Burgmauern sind zu sehen. Dennoch gibt es hier Plätze, an denen sich die Geschichte festgemacht hat und bis heute zu uns spricht:

Es sind Jahrtausende alte Siedlungsplätze, Grabhügelfriedhöfe, Erdwerke mit Wall und Gra- ben, Spuren römischer Zeiten, germanische Reihengräber, Notverstecke aus der Ungarnzeit und Burgställe vergangener Ritterburgen und Adelssitze.

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Die Ringschanze Duni- wang hier ist ein solcher Ort. Aber soviel wissen wir schon: Mit den Schweden hat dieses uralte Erdwerk zunächst nichts zu tun.

Wir müssen wohl bis in die späte Bronzezeit um 1000 v.Chr. zurückgehen, wenn wir dem wirklichen Alter des Erdwerkes näherkommen wollen. Und wer sich die gewaltige Arbeitsleistung vor Augen führt, die zum Bau einer solchen Anlage notwendig war – alles ohne Bagger – , der wird sich sicher fragen:

Was veranlasste die Men- schen damals dazu, sich zu ihrem an sich schon so be- schwerlichen Dasein eine solche gewaltige Bürde aufzuladen?

Lag eplan der Ringschanze von Duniwang in der Wild- flusslandschaft (Urkatasterplan um 1820; blau: Isar- fluss, rot schraffiert: jetziger Isarstausee Altheim)

Es scheint nun so, als ob in dieser Zeit um 1000 v.Chr., es ist die Zeit des Trojanischen Krieges und der Flucht der Juden aus Ägypten, der Seevölker im östlichen Mittelmeer und der Vulkankatastrophe Santorin, sich die Menschen auch hier im Isartal außergewöhnlich stark bedroht gefühlt haben.

Denn allenthalben entstehen meist auf Bergeshöhen, aber auch wie hier im Tal der Isar großflächige, unregelmäßig geformte Verschanzungen mit Wall und Graben (siehe auch Schlossberg, Moniberg u.a).

Man nimmt an, dass es sich bei diesen Anlagen weniger um Verteidigungswerke gehandelt hat als vielmehr darum, in Zeiten der Not und Gefahr ganze Viehherden verstecken und in Sicherheit bringen zu können. Dass dann in späteren Zeiten immer wieder einmal ein sol- ches Versteck aufgesucht worden ist, zuletzt vielleicht während des 30-jährigen Krieges zur Schwedenzeit, kann man schon annehmen.

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Auf jeden Fall muss die Ringschanze schon bestanden haben, als die Römer zwischen 40 und 50 n.Chr. die VIA MILITARIA durch das Isartal hier vorbei an unserer Schanze ausge- baut haben. Inmitten der Schanze fand man beim Anlegen einer Kiesgrube (!) römische Ke- ramik aus dieser Zeit und einige eiserne Werkzeuge. Die römischen Straßenbauer und Sol- daten haben also schon vor 2000 Jahren diesen befestigten Platz als Lagerplatz benutzt. Leider ist dieses ehrwürdige Bodendenkmal durch Kiesabbau und landwirtschaftliche Nut- zung schon erheblich beschädigt worden. Dennoch ist es ein eindrucksvolles historisches Zeugnis in heute nach ausschließlich modernen Gesichtspunkten gestalteter Kulturland- schaft.

Die Schwedenschanze bei Holzen

Am Teich vor dem Wasserschloss Holzen, einem alten Edelsitz derer von Holzen, steigen wir den Berg hinauf und entdecken dort eine Wallanlage, die einen Bergvorsprung nach Os- ten hin absichert. Dieses Erdwerk konnte noch immer nicht eindeutig einer bestimmten Zeit zugeordnet werden. Möglicherweise stammt es schon aus der späten Bronzezeit um 1000 v.Chr. oder aber es ist ein sog. Ungarnrefugium aus der Zeit der Ungarnkriege von 900 - 955 n.Chr. Zudem haben sich im Bereich des Erdwerkes mehrere Hügelgräber der Hallstattzeit (um 600 v.Chr.) erhalten. Auch dieses Erdwerk hat mit den Schweden zunächst überhaupt nichts zu tun. Vermutlich stammt es aus der Zeit der unseligen, sich über 50 Jahre hinzie- henden Ungarnkriege, die von 900-955 n.Chr. das Land in Angst und Schrecken gehalten haben.

Heinrich I. (rex teutonicorum) genehmigte damals ausdrücklich, dass sich die Bauern an un- zugänglichen und versteckten Plätzen Verschanzungen errichteten, um dort ihr Hab und Gut, ihre Familien und vor allem das Vieh in Sicherheit bringen zu können. Innerhalb des Reiches befestigte Orte oder gar Burgen zu errichten war bis dahin streng verboten gewe- sen und nur dem König allein erlaubt. Auch in unserem Landkreis sind damals solche, „Un- garnrefugien“ genannte Erdwerke entstanden. (Siehe auch Wanderung 4 Pfettrach und 5 Bürg/Burgloch.)

Der Ort, an dem die Verschanzung errichtet wurde, war viele Jahrhunderte vorher schon als Friedhof der sog. Hallstattzeit (650-450 v.Chr.) und vielleicht schon in der mittleren Bronze- zeit um 1600 v.Chr. benutzt worden. 13 jetzt noch erkennbare Grabhügel geben Kunde von Totenbräuchen und religiösen Vorstellungen (Jenseitsglauben) unserer Vorfahren. Auf dem Wege zur Kirche St. Andreas kommen wir auch an der Stelle vorbei, an der vor hundert Jahren der Oberlehrer Pollinger eine vorgeschichtliche Siedlung entdeckte, die beim Tiefpflügen mit dem Dampfpflug aus dem Lößboden gerissen worden war: Das Altheimer Erdwerk, das in der Wissenschaft einer ganzen Kulturgruppe der Jungsteinzeit (3500 v.Chr.) den Namen gegeben hat. (Siehe Karte und Näheres in Wanderung 8.)

Frühes Christentum um Altheim-St. Andreas Nördlich des Dorfes Altheim (urkundlich erwähnt seit 883 n.Chr.) steht das in seiner jetzigen Gestalt spätgotische Gotteshaus St. Andreas. Diese Kirche war wohl ursprünglich die Ka- pelle einer Burg der Altheimer. Die Burg und das Geschlecht sind vergangen, die Kapelle wurde zu dem spätgotischen Kirchenraum umgebaut. Eine Quelle und ein Teich sind ver- mutlich die letzten Spuren des alten Burggrabens.

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Die heutige Gestalt der Kirche stammt aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhun- derts, wie eine Jahreszahl an der Ein- gangstür mit durchgestrichenen 8en (= 1444) andeutet. Bedeutsam aber sind vor allem die spätromanisch / frühgoti- schen Wandmalereien im Innern der Kirche. Seit einiger Zeit verwaltet und betreut eine Eremitin das Gotteshaus. Am Hang östlich der Kirche fand man beim Bau der Einfamilienhäuser die Überreste eines römischen Landhau- ses, einer Villa rustica. Sie wurde um 80 n.Chr. erbaut und wahrscheinlich um 259 n.Chr. von den Alamannen zerstört. An gleicher Stelle entstand ab 500 n.Chr. ein germanischer Friedhof, der bis in die Zeit um 750 belegt wur- de. 20 Gräber konnten untersucht und geborgen werden. Alt heim, St. Andreas

In einem Grab war ein Germane beerdigt, der am Kniebund eine Abbildung des germani- schen Gottes Odin und seines Sohnes Baldur trug. Daneben aber lag ein anderer Germane, auf dessen Brust ein goldenes christliches Blattkreuz befestigt war. Ein Heide und ein Christ im Tode vereint. Es scheint, als hätten in dieser Zeit Heiden und Christen friedlich nebeneinander gelebt. Au- ßerdem fand man in einem Grab eine Bronzeschale, wie sie damals für christliche Messen verwendet wurde. Die Schale stammt aus einer Werkstatt aus Unteritalien und ist eine im sog. koptischen Stil gehaltene Arbeit. Sie ist ein Beweis dafür, dass christliches Brauchtum damals schon hier in Altheim ausgeübt wurde. Diese Christen in Altheim waren wahrscheinlich Arianer und damit der römischen Kirche ge- genüber Heiden. Die Ostgermanen waren – wenn überhaupt – mit dem Christentum in der byzantinischen Form bekannt geworden. Dort aber hatte ein ARIUS gelehrt, Christus sei nicht Gott selbst, sondern nur von Gott als Sohn angenommen. Diese Lehre ist auf dem Konzil zu Nicaea (325 n.Chr.) von Kaiser Konstantin verworfen worden. Die Arianer waren für die römisch-katholische Kirche „Heiden“. Der alte, jetzt längst vergessene Flurname um die Andreaskirche lautet: „HEIDENSTATT“ oder „HEIDENSCHAFT“. Die Erinnerung an den Friedhof und an die römisch-germanische Vergangenheit ist über 1½ Jahrtausende hinweg lebendig geblieben. Diese meist noch „heidnischen“ Bauern in Altheim waren es wohl, die um 700 n.Chr. den Wanderbischof Erhard verprügeln wollten, weil er ihr krankes Vieh nicht heilen konnte. Der Legende nach rettete sich der Bischof auf einem Altarstein schwimmend über die Isar. Der Altarstein lehnt noch heute an der Nordseite der Kirche zu Frauenberg.

Dazu ein Vorschlag: Besuchen Sie das Heimatmuseum in mit seiner sehenswer- ten archäologischen Sammlung.

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Wanderung 12: Im Burgenland: Die Isarleite östlich Landshut Der Höhenzug „Isarhangleite“ zwischen Wartenberg und Landau/Isar bildete über Jahrhunderte den bevorzugten Landschaftsraum für die Errichtung von Burgen (da- runter auch die Burg Trausnitz), von denen das Isartal, aber auch Nord-Süd verlaufen- de Straßenverbindungen überwacht werden konnten. Östlich von Landshut reihen sich die Burgställe wie Perlen an einer Schnur auf: die einst mächtige Straßburg, die Schaumburg, Sterneck, Neudeck und Wolfstein, dem Geburtsort des Konradin (ab Gretlmühle ca. 9 km zu Fuß).

Die Straßburg Vom Parkplatz an der Gretlmühle steigen wir hinauf auf den Platz, wo ab Mitte des 11. Jahr- hunderts eine mächtige Burg des Bischofs von Regensburg stand. Diese Burg – Straßburg genannt – sollte den Isarübergang (Brücke, Furt, Fähre?) der Fernstraße Regensburg - Ita- lien schützen und überwachen. Ein tiefer Graben trennt das weite Burgplateau vom Kern- werk der Burg, auf dem wohl ein hoher Bergfried stand. Noch 1835 sollen dort „imposante Ruinen“ zu sehen gewesen sein. Die Nordseite ist von 2 Zwingerterrassen begrenzt. Diese Zwingerflächen sollten mögliche Angreifer von der inneren Burg fernhalten (Bogenschützen, Armbrustschützen, Belagerungsmaschinen). Die Ost- und Südseite ist durch ein Wall- Grabensystem abgesichert. Die Burg war aus Ziegeln gemauert.

Die ungewöhnliche Ausdehnung der Anlage lässt vermuten, dass eine Vorgängerbefesti- gung schon in ottonischer Zeit (vor 1000 n.Chr.) dort bestanden hat.

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Während der Ausei- nandersetzungen des bayerischen Herzogs mit dem Bischof von Regensburg wurde die Straßburg 1203 zer- stört. Die Fernstraße und den Isarübergang verlegte der Herzog auf die neugegründete Stadt Landshut. Die Straßburg verfiel, Zie- gel und sonstiges Baumaterial holten sich die Bauern für ih- re Höfe.

Lag eplan des Burgstalls Straßburg

Im sog. Itinerarium Antoninii, einem antiken römischen Reisehandbuch des 3. Jahrhun- derts n.Chr., ist eine Fernstraße verzeichnet, die von Verona über den Brennerpass durch das Inntal (PONS AENI) zur Raststation TURUM (Dorfen ?) führte und bei der Station „AD ISARA(m)“, oder wie man es früher glaubte lesen zu müssen: „IOVISURA“, die Isar über- querte. Diese Strasse führte nach Regensburg (Castra Regina).

Dieser römische Isarübergang lag bei Frauenberg/Gretlmühle/Ohu, und die mittelalterli- che Straße nach Italien folgte offensichtlich wieder der alten römischen VIA MILITARIA / PUBLICA. Die Station AD ISARA(m) ist bisher nicht wieder aufgefunden worden. Sie ist wahrscheinlich einem Isarhochwasser zum Opfer gefallen und dann möglicherweise nach Essenbach-Ammerbreite verlegt worden. Im frühen Mittelalter, nach der Neuorganisation der römisch-katholischen Kirche durch Boni- fatius, lebte diese alte römische Straße nach Italien (Rom) wieder auf und bis 1203 mussten Wallfahrer, Pilger, Kleriker, Händler und Kriegsleute von Nord nach Süd und umgekehrt den Isarübergang bei Gretlmühle benutzen. An der Westseite des Frauenberger Tales ziehen noch heute zwei Hohlwege entlang, die wohl die alte Fahrstrasse gewesen sind. Auch durch das Stallwanger Tal zog sich ein solcher Fahrweg nach oben auf die Höhe bei dem jetzt auf- gelassenen Ort mit dem bezeichnenden Namen „Gräben“. Die Gräben = Hohlwege der al- ten Straße sind dort noch zu erkennen. Von der Höhe aus führte dann die Altstrasse über Hohenegglkofen in Richtung Dorfen - Inntal weiter.

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Der Burgstall liegt vorgeschoben an einer Hangschulter über dem Isartal. Das Burgplateau ist ein Acker, seit- lich fallen in meh- reren Stufen die Wallanlagen ab. Vorne liegt der Turmhügel.

Ansicht des Burgstalls Straßburg

Die Schaumburg Von der Straßburg aus wenden wir uns nach Süden in Richtung Frauenberg und von dort dann dem Burgstall Schaumburg zu. Sterneck und Neudeck lassen wir links liegen. Stern- eck soll ein befestigter Ort gewesen sein, bei Neudeck kann man die Spuren der alten Burg- anlage noch gut erkennen. 1251 erscheint noch ein Hohold von Winklsass als Besitzer. Bei Zaitzkofen, kurz vor der Flugverkehrsmarke bei der Abzweigung nach Reithof, finden wir wieder einmal die Reste eines kleinen Hügelgräberfriedhofes mit Grabhügeln aus der mittle- ren Bronzezeit (um 1600 v.Chr.) und der Hallstattzeit (600 v.Chr.). Die meisten Grabhügel sind geplündert und unsachgemäß aufgegraben, nur wenige Funde von dort sind bekannt geworden.

Nun aber zum Burgstall Schaumburg:

Schon 1080 wird als Herr auf Schaumburg ein Heinrich von Hofendorf genannt und um 1170 geht die Burg in den Besitz der Wittelsbacher über. Die Herren von Schaumburg waren eng verwandt mit dem Geschlecht der Roninger und nannten sich auch „von Winklsass“. Nach Wolnzach bestanden ebenfalls enge Verbindungen. Nach 1183 verfiel die Burg und auch hier war sie für die Bauern eine billige Ziegelgrube. Einer der Schaumburger wird auch als „DEFENSOR“ im Dienste des Bischofs auf der Straßburg genannt.

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Lag eplan des Burgstalls Schaumburg

Der Burgstall liegt an der vordersten Hangkante der Isarleite und ist durch die Wallan- lagen noch gut kenntlich. Das Plateau wird be- ackert, der Turm- hügel liegt im

Wald. Ansicht des Burgstalls Schaumburg

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Burg Wolfstein Von der Schaumburg aus streben wir dann dem Platze zu, auf dem einst die mächtige Burg Wolfstein aufragte. Auch Wolfstein dürfte um 1100 (von den Schaumburgern?) erbaut wor- den sein und nach 1183 sind die Wittelsbacher als Burgherren genannt. 1252 brachte die Königin Elisabeth, eine Tochter des Landshuter Herzogs, auf der Burg Wolfstein einen Sohn zur Welt. Er wurde KONRADIN genannt und er war schließlich der letzte Hohenstaufer. Ein trauriges Schicksal stand ihm bevor: Sein Heer erlitt in Italien gegen die Franzosen unter Karl von Anjou eine schwere Niederlage. Konradin geriet nach Verrat in Gefangenschaft und wurde in Neapel 1258 im Alter von 16 Jahren enthauptet.

1324 wird die Gemahlin des Kaisers Ludwig des Bayern, Margareta, als Herrin von Wolfstein bezeichnet und bis 1379 verlebte OTTO V. (er wurde der „FAULE“ genannt) hier seine Tage, nachdem er die Mark Brandenburg an Kaiser Karl IV. verloren hatte. Er soll auch ein Liebes- verhältnis mit der Tochter des Gretlmüllers gehabt haben und ist dann angeblich auf Betrei- ben seiner Landshuter Verwandten auf einer Brücke (!) bei Gretlmühle im Streit erschlagen worden. Die Burg wurde an Mitglieder des Hofadels weiterverliehen. Nach 1517 hat man dann die Gebäude und Mauern abgetragen. Heute findet sich nur noch der Bauernhof, eini- ge tiefe Kellergewölbe erinnern an die alte Burgherrlichkeit.

Die ungewöhnliche Ansammlung von Burganlagen auf engem Raume (6 Burgen) hängt wohl damit zusammen, dass an dieser Stelle ein wichtiger Übergang über die Isar auf der al- ten römischen Fernstrasse nach Italien überwacht und genutzt werden konnte.

Nach dem Bau der Burg Trausnitz und der Gründung der Stadt Landshut (1204) verlor der Isarübergang bei Gretlmühle an Bedeutung. Die Burgen verfielen und sind heute nur noch als Bodendenkmäler zu erkennen.

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Wanderung 13: Das Isartal: Alte Kulturlandschaft – Landschaft alter Kulturen Um Essenbach sind viele günstige Voraussetzungen für vor- und frühgeschichtliche Siedlungsentwicklung gegeben: Mächtiger Löß, ein aus dem Hügelland kommender Wasserlauf, heute längst trocken gelegte Talmoore und eine fischreiche, wilde Isar.

Altheim, Koislhof, Museum Essenbach, Kirche St. Wolfgang (ab Kirchplatz Altheim ca.9,5 km zu Fuß).

In Altheim (erste urkundliche Erwähnung 883 n.Chr.) stellen wir an der aus dem 12. Jahr- hundert stammenden Kirche unsere Fahrzeuge ab und wandern zunächst bis zum Koislhof. Der Name Koisl bezeichnet einen feuchten Ort. Es ist dies ein uralter (vor?-) germanischer Begriff, in dem das Wort Kot steckt (vergl. Ortsnamen wie Cosel, Kussel). Der Koislhof selbst wird schon um 800 n.Chr. urkundlich erwähnt und war bis zur Säkularisation im Besitz des Klosters St. Emmeram in Regensburg. Die Familie des heutigen Besitzers (Mehler) kann auf eine historische Verbindung zur Altenburg bei Hohenthann hinweisen. Der Koislhof selbst liegt tatsächlich an einer solchen sumpfigen Stelle. Am Koislhof fließt der aus dem Mirskofener Tal kommende Sendelbach vorbei. Auch die Worte „sendel“, „sandel“ oder „sindel“ (Sandelzhausen, Sindelfingen, Seine u.a.m.) sind uralte (vielleicht indogerma- nische?) Worte für einen Wasserlauf. Es wird sogar vermutet, dass der Name des indischen Flusses INDUS = SINDUS mit dieser Wortwurzel verwandt ist.

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Der Sendelbach hat es geschafft, über das Isartalmoos hinweg in die Isar einzumünden. Auf dem vom Sendelbach aufgeschütteten Schwemmfächer lief einst die römische Fernstraße von Regensburg nach Verona und später dann im Mittelalter die Straße nach Rom. Auf den Feldern nördlich des Koislhofes stand von 80 - 259 n.Chr. ein römischer Gutshof – eine villa rustica. Direkt am Sendelbach, an der Nordseite des Koislhofes fanden englische Archäologen eine sog. Feuchtbodensiedlung aus der Altheimer Zeit, also der späten Jungsteinzeit um 3500 v.Chr. In dieser Altheimer Zeit war es üblich, an erhöhter Stelle einen befestigten Hof und am Wasser eine weitere Ansiedlung zu haben. Der befestigte Hof konnte auf der Ostseite des Sendelbaches nachgewiesen werden. An dieser Ostseite erkannte man auch Reste kel- tischer Siedlungen um 150 v.Chr.

Nördlich der Bundesstraße 15 bei der Einöde Westen finden sich auf den Feldern wieder Spuren aus der mittleren Jungsteinzeit (4500 v.Chr.) und aus der Hallstattzeit (600 v.Chr.). Gelegentlich fällt dem aufmerksamen Wanderer neben Bodenverfärbungen eine Keramik- scherbe, ein Feuersteinsplitter oder ein Klumpen Hüttenlehm ins Auge. Hüttenlehmklumpen stammen von den mit Lehm verputzten Weidengeflechtwänden, die bei einem Brand durch die Feuerhitze hart gebrannt die Zeiten überdauert haben.

Im Heimatmuseum in Essenbach, in der Ortsmitte an der Abzweigung zum Rathausplatz lassen wir uns die Vor- und Frühgeschichte der Essenbacher Ortsflur erklären.

Im Untergeschoss eines alten Bauernhauses sind die archäologischen Arbeits- und For- schungsmethoden anhand von Schautafeln und Nachbildungen dargestellt. Im oberen Stockwerk befinden sich ausgewählte Funde von der Jungsteinzeit bis zur germanischen Einwanderung, die eine kontinuierliche Besiedelung des Isartals über mehr als 7500 Jahre hinweg bezeugen. Das interessanteste Objekt ist die Rekonstruktion einer römischen Wandmalerei. Dargestellt sind zwei bunte Fische. Das Bild wurde bei den Ausgrabungen in der Villa rustica an der Ammerbreite gefunden. Es könnte durchaus sein, dass diese Villa rustica die im Itinerarium Antoninii genannte Raststation „AD ISARA(M)“ gewesen ist.

Im Bereich der Ammerbreite lagen auch eine Bestattung und eine Siedlung aus der Zeit der Linienbandkeramik, also der Zeit von 5500 - 4800 v.Chr. Der oder die Tote hatte als Schmuck eine Sphondylusmuschel im Grab, eine Muschel, die es nur im Schwarzen Meer oder vor dem Libanon gibt.

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Weiter geht es auf unserem Wanderweg zur kleinen Kir- che St. Wolfgang. Der heuti- ge Bau stammt aus der Zeit um 1300 n.Chr. Der Legende nach soll dort der Hl. Wolf- gang, Bischof von Regens- burg, 972 n.Chr. übernachtet haben, bevor er bei Ohu bzw. Frauenberg die Isar überquer- te. Sehenswerte Wandmale- reien aus spätromanischer / frühgotischer Zeit wurden jetzt erst wieder restauriert.

Während des Rückwegs nach Altheim (4,5 km) haben wir ständig den Blick auf das Isar- tal und können uns darüber unterhalten, welche gewalti- gen Naturkräfte diese großar- tige Tallandschaft geschaffen haben. An der Altheimer Kir- che St. Petrus, die übrigens auch einen Besuch wert ist, beenden wir unseren Spazier- gang. Essenbach, St. Wolfgang

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Wanderung 14: Historische Fahrten ins romantische Hügelland Zu beiden Seiten des Isartales finden wir in den engen Bachtälern eine reizvolle Kul- turlandschaft, die für uns so manches vorgeschichtliche, mittelalterliche oder kunst- geschichtliche Kleinod bereit hält.

Fahrt 1: Jenkofen – Harskirchen – Reichersdorf – Niederaichbach (mit dem Auto ab Schönbrunn ca. 55 km, Fußwege ca. 4 km ohne Goldern / Lehen)

Mit dem Auto fahren wir von Schönbrunn aus bis zu der Ortschaft Jenkofen. Dort treten wir ein in die kleine gotische Kirche Maria Himmelfahrt. Der Landshuter Herzog Georg der Reiche stiftete 1447 dieses Gotteshaus. Das an sich unscheinbare Äußere der Kirche lässt nicht ahnen, welche Kostbarkeiten sie im Innern aufbewahrt: Die alten Altarflügel, die gemal- ten Passionsszenen und das Bild der Sieben Schmerzen Mariens an den Wänden und dann die wunderbaren farbigen Glasfenster aus der Zeit um 1450, auf denen auch Herzog Hein- rich kniend vor den Schutzheiligen dargestellt ist.

An der Straße nach Niederaichbach liegt der kleine Ort Harskirchen am Oberlauf des Aich- baches mit seinem, dem Hl. Andreas geweihten Kirchlein (Rokoko 1750). Nach Osten zu, am Semmelberg (wohl verderbt von Sedlmaierberg), können wir dann den mittelalterlichen Burgstall besteigen. Die Anlage scheint ein durch einen Graben gesicherter Turm gewesen zu sein, wie er am Beginn des allgemeinen Burgenbaues um1050 n.Chr. üblich wurde.

Bevor wir dann nach Niederaichbach gelangen, blicken wir noch in die Kirche St. Margareta von Reichersdorf. Die Hofmarksherren von Nieder- und Oberaichbach ließen sich hier mit

Seite 46 K ulturlandschaft Landshut erleben Wanderungen in die Zeit mit Werner Hübner ihren Familien bestatten. Eindrucksvolle Marmordenkmäler im Innern der Kirche zeugen mit Ahnenwappen, Helmzier und Titelaufzählungen von einstigem Reichtum und Ansehen.

Die Kirche selbst ist jetzt neugotisch ausgestaltet, bemerkenswert sollen sog. Nazarenerbil- der sein. Das Schloss Niederaichbach, der Stammsitz der „AICHPECKHEN“, erscheint bereits im 12. Jahrhundert. Es folgen dann die „STAUDACHER“, die „HERMSDORFER“ (1421) und schließlich bis 1759 die „KÖNIGSFELDER“. Jetzt ist S.H. Fürst von Urach der Besitzer.

Westlich des Schlosses suchen wir uns den Weg hinauf nach Höhenberg. Oben auf der Höhe tauchen im Waldesdunkel die Überreste einer mittelalterlichen Burg vor uns auf. Von den damaligen Burgherren ist nichts mehr bekannt. Aber möglicherweise hatte man hier schon zur Zeit der Ungarneinfälle (900 - 955n.Chr.) eine Verschanzung aufgeworfen. Der Nordwestteil der Burg scheint ins Isartal abgerutscht zu sein, Ziegel und Mauerwerk wurden abgebrochen. Auf dem Rückweg nach Niederaichbach sollten wir noch auf einen (früh?)-mittelalterlichen Altweg achten, der jetzt zur Rechten unseren Weg begleitet. Dieser Altweg führte von Nie- deraichbach über den Höhenberg nach Wolfsbach.

Von Niederaichbach aus machen wir vielleicht einen kleinen Abstecher nach Goldern, ei- nem Ort, der schon um 900 n.Chr. genannt wird. Dort haben während des Mittelalters die „GOLDERER “ am nahegelegenen Isarufer Gold gewaschen und tatsächlich auch gefunden. Ein kurzer Besuch des hallstattzeitlichen Grabhügelfeldes (um 600 v.Chr.) bei Lehen wä- re ebenfalls möglich. Fahrt 2: Moosthann, Oberröhrenbach, Mettenbach

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Über die Autobahn hinweg kommen wir in die Nähe von . Am Postauer Kreisel müs- sen wir dann die Straße nach nehmen. Die mit Lößboden bedeckten Talhänge rechts und links der Straße sind uralter Siedlungsboden. Jungsteinzeitliche Bauern (4800 v.Chr.), bronzezeitliche Krieger, Kelten und Germanen hatten hier über Jahrtausende ihre Heimat. Bei der Kirche in Unterköllnbach waren in einem Reihengrab germanische Krieger in Tracht und mit Waffen begraben.

Unser letztes Ziel aber sind die zwei spätkeltische Viereckschanzen bei Moosthann. Bei- de Schanzen sind noch gut erhalten, die eine am Berghang am Südwestrand des Ortes in offener Lage, die andere etwa 300 m westlich im Wald oben auf der Höhe. Näheres über Viereckschanzen ist bei der Wanderung 1 ausgeführt.

Auch die keltische Bevöl- kerung hier im Moosthan- ner Tal ist spätestens um 50 v.Chr. vermutlich nach Westen abgewandert. Die Viereckschanzen liegen seit dieser Zeit verlassen und vergessen und wur- den vielleicht während des Mittelalters als Vieh- pferche bei der Waldwei- de benutzt.

Noch bis vor 50 Jahren wusste man nicht, dass diese Viereckschanzen spätkeltische (200-50 v. Chr.) Erdwerke sind, man nannte sie bis dahin auf den Landkarten „Römer- schanzen“.

Lag eplan der Viereckschanze bei Moosthann

Vor Oberröhrenbach kommen wir an einer ehemaligen Klosterkapelle vorbei. Sie ist dem Hl. Ulrich und dem Hl. Martin geweiht, in romanischem Stil im 13. Jahrhundert erbaut und später barock umgestaltet worden. In der Wiese links an der Abzweigung nach Mettenbach liegt der Platz einer jetzt verschwundenen Wasserburg.

Auf dem Sollersberg an der „Wieskirche zu Ehren des gegeißelten Heilands” (links auf der Höhe) halten wir noch einmal an und betrachten die schöne Rokokoanlage aus der Zeit um 1750 n.Chr. Über Mettenbach (erste Urkunde 12. Jahrhundert n.Chr.) fahren wir wieder nach Hause.

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Zeit- Abendland/Welt überregional regional/lokal achse 1200 Kaiser Barbarossa Wittelsbacher Herzöge Stadt Landshut gegründet (1204) (1122-1190) in Bayern (1180) Bischöfliche Burg „Straßburg“ fällt (1203) 1000-1100 Kreuzzüge (1095-1244) Ritter aus dem Geschlecht der Schaumburger Heinrich IV.; Gang nach nehmen am Kreuzzug teil Canossa 1077 900 Ungarneinfälle; Otto I. Schlacht auf dem Lech- Auf den Höhen werden Refugien gebaut, z.B. (936-973) feld 955 bei Pfettrach 700-800 Karl der Große (768- Herzog Tassilo III. (748- Bonifatius (672-743) schafft die altbairischen 814) 788) Bistümer (739) 600 Mohammed (570-632) Baierische Herzöge in Regensburg (Agilolfinger) 500 Theoderich der Große Ende der Römerzeit Germanen siedeln im Isartalgebiet; germani- (493-526) (476) sche Reihenfriedhöfe in Altheim, Ergolding, Essenbach, Viecht, Altdorf, Pfettrach u.a. 300 Alemannen verwüsten Die römischen Gutshöfe im Isartal werden im Rätien Rahmen der Alemanneneinfälle zerstört (259) und nicht mehr aufgebaut 0 - 200 Marc Aurel, röm. Kaiser Legionslager Castra Im Isartal um Landshut entstehen ab 80 n. (*121, Ks. 161-180) Regina für III. Italische Chr. 17 Gutshöfe (villae rusticae); Legion (179) Bau der Isartalfernstraße 40-50 n Chr. unter Kaiser Claudius 0 Christi Geburt; Kaiser Römer besetzen Rätien bis zur Donau (15 v. Chr.) Augustus (63 v. Chr. - 14 n. Chr) 400-0 Alexander der Große Latène-Zeit; Viereckschanzen (Spätlatène 200-0) bei Ast, (um 300) Keltische Wanderungen Steinzell u.a.;; Dorf bei Altdorf-Frauenkirche (Mittellatène 350-235); Körpergrab Altdorf (Frühlatène 450-350); 1000-600 Hallstatt-Zeit Hügelgräber, Herrenhöfe 1100-1000 König David 1004-965 Urnenfelderzeit Siedlungen Altdorf, Moniberg, Schlossberg, Duniwang etc. 1800-1600 Trojanischer Krieg; Bronzezeit; Himmels- Hügelgräber; Nachweis von Reitpferden in Moses; Ramses II scheibe von Nebra Ergolding 2400 Endneolithikum (aus- Schnurkeramik, Chamer Gruppe Galgenberg bei Ergolding; Glockenbe- gehende Jungsteinzeit); cher-Kultur Altdorf Pyramiden, Stonehenge 3600-3700 Spätneolithikum (Jung- Altheimer Kultur (Altheim, Ergolding, Altdorf); Michelsberger Kultur (Alt- steinzeit) dorf) 4000 Münchshöfener Gruppe (Altdorf, Eugenbach) 4300-4400 Oberlauterbacher Kultur Keramik (Altdorf, Pfettrach); astronom. (?) Kreisgrabenanlage Viecht 4400-5500 Beginn bäuerlicher Linearbandkeramik, Stichbandkeramik sesshafter Kulturformen

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Kulturlandschaft Landshut erleben Wanderungen in die Zeit mit Werner Hübner

Verein für Arch äologie Stadt und Landkreis Landshut

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