Denkmale in

Augustusburg: Zu Hause in der Altstadt Inhaltsverzeichnis

Vorwort Matthias Damm, Dirk Neubauer……………………………………………………………………………….………………………………………… Seite 1

Kleine Einführung zur Geschichte Falk-Uwe Langer…………………………………………………………………………………………………………………………………………………..…... Seite 2

Das Gebäude Markt 10 Heidrun und Uwe Weber……………………………………………………………………………………………………………………………...... Seite 4

Pfarrgasse 1 und 2: Pfarrhaus und Kantorat Joachim Müller …………………………………… ……………………………………………………………………………………………………………...... Seite 9

Das ehemalige Amtswaschhaus des Schlosses Martin Teller ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………...... Seite 11

Die „Alte Apotheke“ Brigitte und Thomas Lindner……………………………………………………………………………………………………………………………….. Seite 15

Der „Lotterhof“ im Wandel der Zeiten Familienverband Spielhaus und Mittag………………………………………………………………………………………………………….. Seite 23

Enge Gasse 10 Falk-Uwe Langer ……………………………………………………………...... Seite 29

Markt 1 Gesine und Maik Hunger …………………………………………...... Seite 31

Zur Arbeit der „Chronikgruppe“ der Stadt Augustusburg Dr. Rüdiger Wirth ………………………………………………………...... Seite 34

Impressum: Herausgeber: Landratsamt Mittelsachsen mit Unterstützung der Autoren, der Stadt Augustusburg sowie der Stiftung für Kunst und Kultur der Sparkasse Mittelsachsen Fotos: Die Bildrechte liegen bei den jeweiligen Autoren. Titelbild: Stadt Augustusburg, Rücktitel: „Chronikgruppe“ der Stadt Augustusburg Design & Druck: Design & Druck C. G. Roßberg, Frankenberg/Sa., www.rossberg.de Vorworte 1

Liebe Bürgerinnen und Bürger, das vorliegende Heft zur Bewandtnis der Augustusburger Altstadt liest sich wie eine Geschichts- broschüre, erzählt aber zunächst einmal vom Bürgerfleiß und eigentümerseitigen Engagement in der Gegenwart. Einheimische und Zugezogene haben kräftig Hand angelegt, den Ort nach Zeiten des Verfalls wieder aufleben zu lassen – mit rekonstruierender Tat, frischer Farbe und kreativer Nutzungsänderung. Mit einem Rückblick auf Geschehenes, ausgestattet mit den entsprechenden Geschichtsdaten, kommen sie hier selber zu Wort. Auf diese Weise entsteht das stimmige Bild eines Schöpferprozesses, das sich im Miteinander der einzelnen Bauherrnverdienste zu einem stimmungs- vollen Ganzen fügt. Ich wünsche dem Leser viel Freude beim Studium der kleinen Broschüre und so manche interessan- te Anregung! Vielleicht fühlt sich der/die eine oder andere sogar zum eigenen Handeln an einem leer stehenden Gebäude inspiriert.

Matthias Damm Landrat des Landkreises Mittelsachsen

Liebe Bürgerinnen und Bürger, eine alte Stadt bekam ein neues und doch altes Gesicht. Diese Broschüre zeigt, wie sehr sich Bürger unserer Stadt mit dem Vermächtnis identifizieren, was uns frühere Generationen hinterlassen ha- ben. Sie zeigt, dass man Altes mit neuem Leben erfüllen kann. Jetzt und damals im Einklang. Ermög- licht durch viel Liebe zur Sache, Willen und Fleiß. Und es lehrt uns, was Achtung vor der Geschichte bedeutet. Die hier aufgeführten Projekte sind nicht einfach nur Häuser, die man saniert hat. Sie sind Zeitzeugen, die teils hunderte Jahre bestehen und nun auch weitere hundert Jahre überdauern kön- nen. Sie sind Zeitkapseln, die unseren Nachkommen erzählen, was Heimat eigentlich ausmacht, wie alles entstand. Geschichte lehrt uns auch, Zukunft zu bestimmen. Ich danke deshalb allen Sanierern für diesen Beitrag, die Wurzeln unserer schönen Stadt und damit zugleich deren Zukunft bewahrt zu haben.

Dirk Neubauer Bürgermeister Stadt Augustusburg 2 Kleine Einführung zur Geschichte

„Um die Augustusburg herum zieht sich im Os- pierten Schlossanlage, ließ der an den Hang der ten und Norden die nach der alten Schellenburg Quarzporphyrkuppe geschmiegten Burgsiedlung genannte und mit ihr entstandene, ungefähr viel Aufmerksamkeit widerfahren. Herrschaft- in der Mitte der ca. drei Stunden entfernten liche Privilegien wie das 1456 eingeräumte Nachbarstädte , Frankenberg, Braurecht, 1564 das Stadtrecht sowie 1615 das und gelegene Stadt (Städtlein) Brau- und Zunftrecht verhalfen den Anwohnern Schellenberg (Superintendentur Chemnitz II, zu einem bescheidenen Wohlstand, der sich bis Amtshauptmannschaft Flöha; Bezirksschul- heute in der Architektur der Häuser spiegelt. Die inspektion Flöha; Bahnstation Erdmannsdorf: Topographie des Standortes hat hierbei ein unre- Annaberg-Chemnitzer Linie; Kaiserliches Post- gelmäßiges Straßennetz auf stark abschüssigem amt, z. Z. Postverwalter Schönfelder. Omnibus- Terrain, bauliche Hilfskonstruktionen zur Siche- verbindung mit der Post und dem Hotel „Zum rung bzw. Terrassierung des Geländes (Heisten) weißen Hirsch“). Laut ministerieller Verordnung sowie das Fehlen landwirtschaftlich genutzter vom 1. Mai a. 1899 hat sie ihren alten Namen Baulichkeiten ebenso wie von Zeitzeugen der aufgegeben und trägt jetzt, wie übrigens schon Industrialisierungsperiode bedingt. Mit Hilfe der 50 Jahre lang um a. 1600 den Namen Augus- 1913 errichteten Drahtseilbahn wurde jedoch tusburg im Erzgebirge.“ der Tourismus als wichtige Einnahmequelle für Stadt und Städter entdeckt. So berichtet die „Neue Sächsische Kirchenga- lerie“ im Jahre 1904. Im militärischen Schutz, Von wenigen Ausnahmen abgesehen wird aber zugleich auch im politischen Schatten der die Bausubstanz heute von traufständig obenauf platzierten Befestigungsanlage be- ausgerichteten, zweigeschossigen Häusern in findlich, gelang es dem Ort erst im Jahre 1833, geschlossener Bebauung geprägt. Die einstige sich durch administrative Selbstverwaltung Fachwerkständigkeit des Obergeschosses aus selbigem zu lösen. Das Schicksal der Stadt wurde gegen Ende des 19. bzw. zu Anfang blieb aber stets mit dem 1206 ersterwähnten des 20. Jahrhunderts vielerorts durch massive Adelssitz verwandt. Insbesondere das Fürs- Aufmauerung zugunsten einheitlich wirkender tengeschlecht der Wettiner, seit 1324 mit der Putzfassaden ersetzt. Geringe Dachüberstände, Gebietsherrschaft betraut und von 1567 bis spärlich belichtete Dachgeschosse, die flächen- 1573 Bauherr der für Jagdrepräsentation konzi- deckende Verwendung von Naturschiefer sowie 3 die Wirkung der oft unverputzten Sockelberei- Hiervon soll nachfolgend die Rede sein: Von che aus einheimischem Baumaterial prägen das persönlichen Bezügen und familiärer Verant- Erscheinungsbild der Stadt. wortung für das bestehende Alte, von der Moti- vation und den Erfahrungen der Zugezogenen, Durch die Ausweisung eines förmlich festge- von handwerklicher Meisterschaft und eigener setzten Denkmalschutzgebietes im Jahre 2001 baulicher Tat. Damals wie heute gilt der Vorsatz, wird die Altstadt von Augustusburg einer be- sich des Schlosses als würdig zu erweisen und sonderen Pflege anheimgestellt. Die Wertschät- Zukunft zu entwickeln aus einer Gegenwart der zung der Bewohner drückt sich in qualitätvoller schaffenden Tat. Sanierungsleistung, liebevoll dekorierten Fas- saden und gemeinschaftlichen Aktionen aus. Falk-Uwe Langer 4 Das Gebäude Markt 10

Betritt man den Augustusburger Markt, dann Unterlagen erstmals belegt ist ein Besitzer im wird der Blick zunächst auf das mächtige und Jahr 1577. Im 17. und 18. Jahrhundert wechsel- den Platz dominierende Gebäude des ehe- ten mehrfach die Besitzverhältnisse. So gehörte maligen Gasthofes „Lehngericht“ gelenkt. In es beispielsweise Anfang des 18. Jahrhunderts südlicher Richtung vom Marktplatz abgehend dem kurfürstlich-sächsischen Amtsschreiber befindet sich die Enge Gasse und an der Ecke und Steuereinnehmer Carl Christian Junghanß, Enge Gasse – Markt gelegen, steht das Haus welcher im Haus einige Veränderungen vorge- Markt Nr. 10. Es ist ein Einzeldenkmal laut nommen hat. So belegt die Untersuchung der Kulturdenkmalliste. Holzbalken, dass mehrere 1719/20 geschlagen Das Gebäude befindet sich auf dem Flurstück und verbaut worden sind. 1723 erwarb der 11 und hat die Brandkatasternummer 6. Es Landrichter und Amtschirurg Johann Carl Otto passt sich gut in die Umgebung ein und hat ein das Gebäude, welcher hier 1724 eine Badestu- einfaches, schmuckloses Äußeres mit einem et- be einrichtete und fortan betrieb. Die Badestu- was „trutzigen“ Charakter. Zum Markt hin zeigt be wurde später abgeteilt und im Haus Markt sich die Frontseite mit einer Breite von sieben 12 neu errichtet. Einige Jahre betrieben die Fenstern und über mehrere Etagen. Auf der Besitzer im Haus eine Fleischerei. 1838 wurden Seite der Engen Gasse ist das Haus gut zwölf Räumlichkeiten für die Mädchenschule durch Meter lang. Interessanterweise liegt hier etwas die Gemeinde angemietet. Auch in der Folgezeit über Straßenniveau der Ausgang des Gewölbe- wechselte das Haus häufig den Eigentümer, kellers, denn der Höhenunterschied zwischen ehe es 1928 in den Besitz der Familie Harnisch dem Eingangsbereich auf der Marktseite und überging. Von dessen Erben erwarben es im der Engen Gasse beträgt an dieser Stelle gut Jahr 2008 die heutigen Besitzer. zwei Meter. Auf der Hofseite des Gebäudes schließen sich mehrere ehemalige Wirtschafts- Zu dem Zeitpunkt des Kaufs stand das Haus gebäude und ein sehr verwinkelter und teilwei- bereits einige Zeit leer und die letzte Besitzerin se sehr schmaler Garten an. Von diesem hat war in ein Altenheim gezogen. Nach und nach man einen direkten Blick zum Schloss. gab das Haus, welches über Jahrhunderte hinweg immer weiter ver- und zugebaut wurde, Das heutige Haus Markt 10 hat eine sehr einen Teil seiner Geheimnisse preis. Im 20. wechselvolle und abwechslungsreiche (Be- Jahrhundert hatten bis zu fünf Parteien hier eine sitzer-)Geschichte, welche bis in das letzte Wohnung gefunden. Interessanterweise hatte Viertel des 16. Jahrhunderts, also ungefähr bis man die Toilettenanlagen für alle Wohnungen in in die Zeit des Schlossbaus, zurückreicht. In den einem Raum konzentriert. Die einzelnen Räume 5

Hoffnung für das altehrwürdige Bauwerk durch einen Verkauf: Zustand Markt 10 im Jahre 1996; Foto: Archiv untere Denkmalschutzbehörde. 6 Das Gebäude Markt 10 waren sehr stark verbaut und von der ur- hat sich eine von ehemals mindestens zwei sprünglichen Struktur des Hauses war auf den Schwarzküchen im Haus erhalten. Diese wurde ersten Blick nicht viel zu erkennen. Nach und in den letzten Jahren nur noch als Abstellraum nach stellte sich heraus, dass es drei Häuser genutzt. Eine wirkliche Besonderheit stellt gewesen sein müssen, die zu unterschiedlichen die neben dem Eingangsbereich aufgestellte Zeitpunkten miteinander verbunden worden Mangel aus Urgroßmutters Zeiten dar. Das sind. Zu diesem Befund passt die merkwürdige technische Meisterwerk der Firma Paul Thiele Anordnung der Keller, welche sich teilweise un- aus Chemnitz (Wäschemangelfabrik Chemnitz ter den Nachbarhäusern befinden und in denen in Sachsen, Schloßstraße 6) ist voll intakt und in tieferen Schichten Wasser hindurchfließt. an der Unterseite klebt noch der Transport- Zu den stark überformten Teilen des Hauses schein aus dem Jahr 1928. Daraus geht hervor, gehört ein ehemaliger Laubengang auf der dass die Mangel zunächst mit der Bahn von Hofseite, welcher wahrscheinlich im 20. Jahr- Chemnitz nach Erdmannsdorf und von dort mit hundert geschlossen und in Wohnräume umge- der Drahtseilbahn nach Augustusburg geliefert wandelt wurde. Direkt neben dem Laubengang wurde.

Mit seiner besonderen Farbigkeit bestimmt das Bauwerk heute die Ansicht des Marktplatzes – Aufnah- me von 2017; Foto: Privatarchiv Familie Weber. Das Gebäude Markt 10 7

Im Bereich der einstigen Schwarzküche im Erdgeschoss befindet sich diese bemerkenswerte Bogen- konstruktion – Aufnahme 2017; Foto: Privatarchiv Familie Weber. 8 Das Gebäude Markt 10

Der so romantisch anmutende Zustand des der historische Laubengang auf der Hofseite Hauses täuschte jedoch. Das Haus befand sich zunächst freigelegt und später restauriert. 2008 nach Einschätzung eines Gutachtens Beginnend im Jahr 2011 wurden in der der STEG in einem ruinösen Zustand. An der 1. Etage des Hauses Wohnräume eingerichtet freistehenden Giebelwand waren größere und dabei besonderes Augenmerk auf die Destruktionsfäuleschäden vom Echten Haus- Erhaltung vorhandener alter Bausubstanz schwamm vorhanden. Infolge der Zerstörung und die Ergänzung durch historische Materi- größerer Fachwerkbereiche war inzwischen alien gelegt. Besonders in den Jahren 2013 eine statische Instabilität erreicht, die dringen- und 2014 konnten die Restaurierungsar- den Handlungsbedarf erforderte. Ein ähnliches beiten in größerem Umfang weitergeführt Schadensbild war ebenfalls im hofseitigen Ge- werden. So wurde unter anderem ein weiterer schossdeckenbereich zum Dach vorhanden. Es Teil der historischen Fassade als sichtbare gab Blendrahmeneinfachfenster, Verbundfens- Fachwerkwand rekonstruiert, die Naturschie- ter und Kastenfenster im Haus aus unterschied- ferverkleidung erneuert und ergänzt, das lichen Zeiten, allesamt reparaturbedürftig. Die Dach zumindest teilweise neu eingedeckt Geschossdecken des Gebäudes, die als Holzbal- und zwölf Holzfenster in der zweiten Etage kendecken eingebaut wurden, waren wie auch eingebaut. die Dielung der Fußböden stark angegriffen und mussten erneuert werden. Die Beheizung des Zu den Baumaßnahmen im Inneren des Hauses Gebäudes erfolgte über Kachelöfen. Die gesam- gehörten zum Beispiel die Verlegung von Holz- te Haustechnik war erneuerungsbedürftig. dielen, der Einbau einer Heizungs- und einer Warmwasseranlage, die Erneuerung der Elekt- Sofort 2008 musste als erste Notmaßnahme roinstallation und die Aufarbeitung der vorhan- eine Sicherung des Giebels in der Engen Gas- denen Türen. Die Erhaltung und Sanierung eines se vorgenommen werden, da das Fachwerk historischen Gebäudes ist eine Daueraufgabe. in seiner Substanz so stark angegriffen war, Im vergangenen Jahr setzten wir die Arbeiten dass es einzustürzen drohte. Anschließend im Außenbereich fort mit der Sanierung des konnte im Erdgeschoß in den existierenden Natursteinmauerwerks am Sockel der Fassade Räumlichkeiten eine kleine provisorische in der Engen Gasse. Perspektivisch geplant ist Wohnung eingerichtet werden. Danach wurde die Sanierung einer der Schwarzküchen, die das Haus entkernt und vor allem die Um- und Erneuerung weiterer Holzfenster, die Rekonst- Anbauten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun- ruktion der Eingangstür und die Freilegung und derts entfernt. Nach diesen Sicherungsmaß- Wiederherstellung der historischen Toreinfahrt nahmen erfolgte die Neugestaltung des (ge- an der Fassade zum Markt. sicherten) Fachwerkes auf der Fassadenseite an der Engen Gasse. Im Jahr 2010 wurde Heidrun und Uwe Weber 9 Pfarrgasse 1 und 2: Pfarrhaus und Kantorat

„Nur wenige Häuser am Berg.“ – So steht eigenen Pfarramtes der Stadt Schellenberg es über einem alten Kupferstich von 1774 wurde eine Pfarrwohnung erforderlich. Dazu geschrieben. kaufte der 1603 amtierende Pfarrer Abraham Die beiden Gebäude an der Pfarrgasse gehörten Homilius diese Baulichkeiten für die Kirchfahrt dazu. Hier befanden sich glaubhaften Über- Schellenberg und richtete darin seine Diensträu- lieferungen zufolge das Waschhaus und die me ein. Mit der zusätzlichen Nutzungsfunktion Wohnung des Bettmeisters der einstigen Burg „Kantorat“ war die Übernahme des Schuldiens- auf dem Schellenberg. Mit der Errichtung eines tes für die Kinder der Stadt verbunden.

Reizvolles Platzensemble zwischen Kirche und Pfarrhaus um 1900; Foto: Archiv „Chronikgruppe“ Augustusburg 10 Pfarrgasse 1 und 2: Pfarrhaus und Kantorat

Schadensbedingt mussten beide Objekte 1735 abgerissen und in der heute noch gültigen Form neu errichtet werden, wobei die Solidität des Bauens angesichts neuerlicher Reparatu- ren 1886 augenscheinlich zu wünschen übrig ließ.

1919 ging der Schuldienst in staatliche Verantwortung über. Die städtische Schule am Schloßberg übernahm die Aufgaben, doch von Leerstand auf der Pfarrgasse keine Spur: Aus Mangel an baulichen Kapazitäten blieben die Räume des Kantorates als Kindergarten, Wohn- raum und teilweise noch immer als Unterrichts- zimmer im Dienst. Erst nach dem 2. Weltkrieg – namentlich 1948 – konnten sämtliche Räume wieder als Pfarr- und Kantoratswohnung sowie für die kirchlichen Dienste genutzt werden. Zur Pfarrhaus und Kantorat heute; Foto: Archiv Verbesserung der Bedingungen trugen diverse „Chronikgruppe“ Augustusburg Innenrenovierungen in den Jahren 1956 sowie 1993 bei. nicht immer aufgebracht werden können. So mussten für die beiden beschriebenen Gebäude Die „wenigen Häuser am Berg“ sind – speziell in jüngster Zeit umfangreiche Dachrenovierun- nach frisch abgeschlossenen Renovierungen – gen vorgenommen werden, um die Bausubstanz schön anzusehen. Sie erfordern aber auch eine für die kommende Zeit und veränderte Anforde- permanente Kontrolle und Planung für die Erhal- rungen zu bewahren. tung sowie die dazu notwendigen finanziellen Mittel, die ohne entsprechende Unterstützung Joachim Müller 11 Das ehemalige Amtswaschhaus des Schlosses Augustusburg (Schlossstraße 3)

Laut Chronik des Hauses diente ab 1572 das 1878 erbt Organist Johann Gottlieb Schröpfer schon vor dieser Zeit erbaute Haus mit der Woh- das Gebäude von seiner Frau Juliane, geborene nung des „Bettmeisters“ als Amtswaschhaus für Renckewitz. 1927 kauft Malermeister Kurt Emil das neu erbaute Schloss. Lohr das Haus.

Im Jahr 1602 erhielt Anna Richter, die Witwe des Im Jahr 2004 wechselte das Haus in der „Bettmeisters“, das Haus vom Kurfürsten zuge- Schlossstrasse 3 wieder einmal in seiner wech- sprochen. Zwischen 1617 und 1703 wechselten selvollen Geschichte die Besitzer. mehrfach die Besitzer des Grundstücks. Dabei war es für die Käufer keineswegs Liebe Laut Hauschronik baute 1703 der Amtszimmer- auf den ersten Blick. Von außen wurde der meister Georg Findeisen das Haus neu auf. Es graue „Kasten“ trotz seiner Größe kaum wahr- wird vermutet, dass er Keller und Erdgeschoß genommen. Dazu trugen das dunkle Bitumen- vom Vorgängerbau übernommen hat. Im gleichen schindeldach, der zementfarbene Putz aus den Jahr fand das Gebäude kurzzeitig als Lazarett 1970er Jahren und der mit Brettern verschalte Verwendung. und verputzte Laubengang maßgeblich bei. 1740 erhielt Johann Georg Renckewitz das Haus von seinem Schwager. Als Schloss- und Stadt- Doch beim zweiten Blick erschlossen sich dem organist erbaute er die Orgel der Schlosskirche. geschulten Auge die erhaltenen Details, die Bis zum Jahr 1783 ist es im Besitz von Angehöri- eine Restaurierung lohnenswert erscheinen gen der Familie Renckewitz. ließen. Im Inneren des Hauses waren unter anderem Ab 1838 bis zur Fertigstellung der Grundschule Porphyrplatten im Eingangsbereich, Türen aus im Jahre 1878 wurde die Niederstube des Hau- allen Epochen, ein tonnengewölbter Keller, und ses als Schulzimmer genutzt. eine Schwarzküche erhalten geblieben. Haupt- 12 Das ehemalige Amtswaschhaus des Schlosses Augustusburg (Schlossstraße 3)

Das Gebäude Schlossstraße 3 vor Beginn der Restaurierung im Winter 2004; Foto: Martin Teller.

haus und Anbau verband im Obergeschoss ein Die Porphyrplatten im Eingangsbereich konnten Laubengang. nach dem Einbau einer Fußbodenheizung wie- Als positiv stellte sich heraus; dass in der der an Ort und Stelle verlegt werden. Nachkriegszeit keine größeren Baumaßnahmen Im großen Raum, der in der Vergangenheit auch vorgenommen wurden. So mussten kaum als Schulraum und Lazarett genutzt wurde, er- „Betonsünden“ zurückgebaut werden. setzen neue Tonziegelplatten die 2004 vorge- Die Fensteröffnungen hatten die ursprüngliche fundenen morschen Dielen. Der alte Innenputz Größe und bei genauer Betrachtung konnte man konnte mit mehr als 20 Farbschichten erhalten im Erdgeschoss auch noch die Renaissance- werden. Leider fanden sich darunter keine fenstergewände erahnen. außergewöhnlichen Farbfassungen. Lediglich einfache Gliederungen und unterschiedlichste 2006 wurde unter der Leitung von Diplom- Sockelgestaltungen waren erhalten geblieben. Restaurator Martin Teller mit der grundlegenden Sanierung begonnen. Jüngere Trennwände ent- Im Obergeschoss wurden ebenfalls die fernte man dabei, um den Räumen ihre ursprüng- Raumgrößen wieder hergestellt. So ergaben liche Größe zurückzugeben. sich zwei große Räume auf der Straßenseite Das ehemalige Amtswaschhaus des Schlosses Augustusburg (Schlossstraße 3) 13

Das einstige Amtswaschhaus 2007 nach Fertigstellung der Rekonstruktionsarbeiten; Foto: Martin Teller. und zwei kleinere auf der Gartenseite. Die Leider hatte sich bis 2004 die äußere Schale Konstruktion der Außenwände, die vermutlich vom Fachwerk bis zu 15 cm entfernt und wurde aus einem Umbau von 1703 stammten, erwies größtenteils nur noch vom stark zementhaltigen sich als so marode, das sie erneuert werden Außenputz zusammengehalten. musste. Diese bauliche Situation zu rekonstruieren wäre nicht sinnvoll gewesen. So wurde sie durch Es ist zu vermuten, dass der damalige Besitzer, ein modernes Ziegelmauerwerk ersetzt. Der Amtszimmerermeister Georg Findeisen, das Putzfassadencharakter blieb erhalten und der Obergeschoss und den Dachstuhl bei seinem historische Dachstuhl von 1703 hat wieder eine in der Hauschronik beschriebenen Umbau neu stabile Unterkonstruktion. Im Inneren wurde aufgestellte. Keller und massives Erdgeschoss auf das neue Mauerwerk eine Wandheizung wird er übernommen haben. Für das Oberge- installiert und der darauf aufgebrachte Lehmputz schoss richtete er ein innen liegendes Fachwerk erhielt einen Kalkfarbenanstrich. auf und versah es mit einer Außenschale aus Naturstein. Die Gefache wurden ebenfalls mit Durch die neu aufgebrachte Dachaußendäm- Naturstein ausgesetzt. mung konnte der liegende Dachstuhl sichtbar 14 Das ehemalige Amtswaschhaus des Schlosses Augustusburg (Schlossstraße 3) bleiben. Bei der Dacheindeckung entschied man gründerzeitliche Füllungstüren. Die Außentüren sich für ein Biberschwanzziegeldach. auf der Straßen- und Gartenseite wurden nach Als Fassadenputz wurde ein in Spritzbewurf- historischem Vorbild rekonstruiert. technik aufgebrachter Kalkputz verwendet. Ein Der Laubengang auf der Gartenseite konnte historischer Befund dazu wurde über der Außen- anhand eines glücklicherweise erhaltenen ge- tür auf der Gartenseite freigelegt. Er konnte in bliebenen Eckständers vollständig rekonstruiert den neuen Putz integriert werden. Die Anstriche werden. Das Fachwerk des Anbaues ist nach erfolgten in Kalktechnik. Die Renaissancegewän- der Ergänzung nun wieder sichtbar. Ein wild neu de im Erdgeschoß wurden freigelegt, konserviert gepflasterter Innenhof schafft eine Verbindung und restauriert, die Fensterfaschen im Oberge- zum Terrassengarten, der an die Schlossmauer schoss erhaben angeputzt. grenzt. Die vorhandenen Trockenmauern konn- ten stabilisiert und ergänzt werden. Das komplette Haus erhielt neu hergestellte und mit Leinölfarbe gestrichene Kreuzstockfenster. Durch die denkmalgerechte Restaurierung und Viele der historischen Innentüren, die vorge- Sanierung blieb der Stadt Augustusburg ein funden wurden, konnten aufgearbeitet werden. wichtiges Baudenkmal erhalten. So finden sich vom Keller bis zum Dach sowohl handgehobelte spätbarocke Türen als auch Martin Teller

15 Die „Alte Apotheke“ Augustusburg

1. Zur Geschichte Im Jahre 1518 wurde dieses Haus durch Die Geschichte des Hauses ist auf Grund seiner Hofmusikus Simon Fischer erbaut. Bis ins Jahr Lage in der Altstadt sehr eng mit der Entwick- 1728 hatte das Haus in der Schlossstraße lung der ,,Schellenburg“ – später mit dem Schloß weitere 6 Besitzer. Schneidermeister Johann ,,Augustusburg“ – und dem damaligen kurfürstli- Andreas Schneider erwarb dieses Objekt 1725, chen Amtssitz verbunden. Ein paar wesentliche riss es bis auf die Grundmauern ab und ließ es historische Etappen möchten wir besonders mit erweitertem Grundriss erneut aufbauen. Im hervorheben. Keller belegen drei Gewölbe und eine Zisterne,

Malerisch der Anblick des Hauses um 1935; Foto: Privatarchiv Familie Lindner. 16 Die „Alte Apotheke“ Augustusburg

Vor dem Start der Rekonstruktionsmaßnahmen im Jahre 1994; Foto: Privatarchiv Familie Lindner. Die „Alte Apotheke“ Augustusburg 17 die bis heute erhalten werden konnten, den ur- durch ein Ladenkaffee ergänzt werden. Das sprünglichen Zustand. Seit dieser Zeit ist dieses zweite Geschäft könnte an einen Interessenten Haus bis zum heutigen Tage im Wesentlichen im kreativen Bereich vermietet werden. Dies unverändert geblieben. Es folgten 7 weitere alles jedoch nicht ohne vorher mit Bauplanern, Besitzer die weitestgehend, wie bereits im Bank und Stadtverwaltung und natürlich mit der 16. Jahrhundert, Bedienstete der Burg bzw. des Familie besprochen zu haben. Schlosses und Amtes der jeweiligen Kurfürsten waren (Amtmann, Advokat, Schneidermeister, Schließlich konnten wir unser Objekt im Novem- Zinngießer …). Mit dem Erwerb des Hauses ber 1995 erwerben und von nun an nannten durch Apotheker August Wilhelm Beyer im Jahre wir unser „neues Zuhause“ liebevoll „Alte 1841 – die Jahreszahl steht noch heute auf dem Apotheke“. Unser Sohn gestaltete ein hübsches Gesims des ehemaligen Einganges zum Offizin Logo, welches Fachwerk, Alte Apotheke und der Apotheke – war dieses Haus ununterbro- Geschäfte stilvoll miteinander verbanden. chen 155 Jahre lang Apotheke und wurde von 8 Pharmazeuten geführt. In 1995 wurde das 3. Endlose Überraschungen Haus von uns erworben, umfangreich saniert Uns war klar, dass ein altes Haus neben Aus- und seither als Wohn- und Geschäftshaus dauer, Sensibilität, hohem persönlichen Einsatz, genutzt. gepaart mit einigen handwerklichen Fähigkeiten und nicht zuletzt auch Geld viel vom einem 2. Wie wir unser Haus fanden Bauherrn abverlangt. Kurz nach Unterzeichnung Im Sommer des Jahres 1993 hatte ich mich mit des Kaufvertrages gingen wir ans Werk und Hilfe meines Mannes in einem kleinen von uns machten eine detaillierte Bestandsaufnahme. angemieteten und vorgerichteten Laden mit Wir mußten feststellen, dass das gesamte einem Kunstgewerbegeschäft in der Altstadt Fachwerk und 50 Prozent der Deckenbalken Augustusburg selbständig gemacht. Nach in einem äußerst schlechten Zustand waren, einiger Zeit reiften Überlegungen, ein eigenes die eine komplette Erneuerung unumgänglich Haus in der Altstadt zu erwerben und Wohnen, machten. Arbeiten und Leben miteinander zu verbinden. Wir hatten Informationen, dass die Apotheke Diese gravierenden Mängel waren durch ein ihren Sitz verlegen wollte und dass damit das aufgeständertes Fachwerk und verputzte Haus, das unter Verwaltung der Treuhandan- Innenwände nicht sichtbar gewesen. Auf Grund stalt stand, über ein Ausschreibungsverfahren des engen Budgets musste zunächst die not- verkauft werden sollte. Es gab zahlreiche wendige Dachsanierung aufgeschoben werden. Bieter, jedoch konnten wir mit unserem Konzept Fast ein Jahr dauerten die Arbeiten am Haus. überzeugen. Dies sah 2 Wohnungen für uns und Neben der Arbeit von vielen Gewerken wurde die Eltern, sowie 2 Läden vor. Mein Geschäft jede freie Minute und Urlaub von 2 Jahren in sollte verlagert und erweitert werden, sowie unser neues Zuhause investiert. Freude über 18

Historischer Stich von Wilhelm Dilich aus dem 17. Jahrhundert; Quelle: Archiv Stadt Augustusburg 19 20 Die „Alte Apotheke“ Augustusburg

Im entkernten Zustand zeigte das Bauwerk seine Schwachstellen auf – Aufnahme März 1996; Foto: Privatarchiv Familie Lindner.

Erreichtes aber auch Ärger durch Rückschläge laufenden Engagement für das Geschäft musste wechselten sich ab. Familie und Freunde unter- noch viel Arbeit aufgewendet werden, bis alles stützten uns dabei mit Rat und Tat. Im Herbst so wurde, wie wir uns das vorgestellt hatten. des Jahres 1996 war die größte Hürde geschafft Dabei hat sich in diesen Jahren viel verändert. und der Einzug eines Formgestalters mit Werk- Nach wie vor betreibt meine Frau mit viel Liebe statt und Atelier folgte. Der Umzug des eigenen und Leidenschaft ihren Laden. Die Kaffeestube Geschäftes als ehemaliges „Burgstübchen“ wurde in einen neuen Verkaufsraum umgestal- ins neue Haus erfolgte im Frühjahr und wurde tet. Das Keramikatelier hat 2008 seinen Stand- mit seinem kleinen Kaffee als „Alte Apotheke – ort nach Lichtenwalde verlegt. Anschließend Kunstgewerbehandlung & Kaffeestube“ eröffnet. hatte sich unsere Tochter mit einem kleinen Kinderladen selbständig gemacht und verkauf- 4. Die „Alte Apotheke“ heute te vornehmlich Kinderbekleidung und Zubehör, Mittlerweile wohnen, arbeiten und leben wir seit welches sie teilweise selbst herstellte, bis zum 20 Jahren in unserem Haus. Neben dem jährlich Jahre 2015. Derzeit werden diese Räume für Die „Alte Apotheke“ Augustusburg 21

Das Hinsehen ist eine Freude geworden – die „Alte Apotheke“ Frühjahr 2008; Foto: Privatarchiv Familie Lindner. 22 Die „Alte Apotheke“ Augustusburg wechselnde Ausstellungen genutzt. stärker verwachsen und hoffen, daß wir noch Die zweite Wohnung, die bis 2013 durch unsere lange Zeit unseren Lebensabend gemeinsam Eltern bewohnt war, wurde 2015 in eine kleine verbringen können. Ferienwohnung verwandelt. In den vielen Jahren sind wir mit unserer „Apotheke“ immer Brigitte & Thomas Lindner 23 Der Lotterhof im Wandel der Zeiten

Die Anfänge Hieronymus Lotter ließ ursprünglich das Die Entstehung des Lotterhofes ist eng mit dem Anwesen vom Erdgeschoss bis in das Bau des Renaissance-Schlosses Augustusburg zweite Dachgeschoss komplett im Fachwerkstil verbunden. Hieronymus Lotter, der vom Kurfürs- mit Lehmausgefachung errichten. Sämtliche ten August I. von Sachsen zum kurfürstlichen Zwischendecken sind mit einer 25 cm starken Oberbaumeister für den Bau der Augustusburg Stampflehmkonstruktion gefertigt. Ein mäch- ernannt worden war, erwarb 1567 das Wiesen- tiges Balkenwerk mit einer Dimension bis zu grundstück für den Bau seines Wohnhauses, 45 cm Balkenhöhe trägt die Deckenlast. Im das er aus ihm überlassenen Steinen, Hölzern Erdgeschoss und in der erste Etage sind die und Lehm der Brandruine der alten Schellen- Süd- und Nordräume mit etwa 3 m hohen und burg, der Vorgängerburg der heutigen Augus- etwa 25 m² großen Räume großzügig gefasst tusburg, errichtete. und gestatteten so eine vielseitige Nutzung. So wurden im Verlaufe der Zeiten diese Räume Als wir das Anwesen 1994 erwarben, stellten nicht nur für Wohnzwecke genutzt, sondern wir fest, dass es im Verlaufe seiner Existenz auch als Rathaus, Kindergarten, Ferienobjekt bereits 29 Eigentümer gab. Die Besitzer wurden und in der Nachkriegszeit als notdürftiges lückenlos aufgezeichnet. Der Kurfürst August I. Massenquartier. von Sachsen und seine Gemahlin, Anna von Sachsen, haben sich nachweislich mehrfach Sanierungsmaßnahmen kurzzeitig im Lotterhof aufgehalten. Aber wie Schon im Jahre 1709 veranlasste der marode viele Bauknechte, Tagelöhner, Kinder, Soldaten, Bauzustand des Lotterhofes den damaligen Gesinde, Begüterte, Glückliche und Verzweifel- Besitzer C. Christian Junghans zur Sanierung te; Liebe, Leben, Geburt und Tod haben diese des Erdgeschosses und des größten Teiles der Mauern darüber hinaus erlebt? Die Chronisten ersten Etage. Dabei wurde das hölzerne Fach- wissen zu berichten, dass sich „Lotter‘s Haus“, werk durch massives Bruchsteinmauerwerk so dessen offizielle Bezeichnung, seit 1611 ersetzt. Das Fundament blieb jedoch unverän- mehrfach in einem beklagenswerten, ruinösen dert. So fanden wir bei unseren Umbauarbeiten Zustand befand. Alte Gerichtsakten beurkunde- in den vergangenen Jahren eine nur 40 cm tiefe ten mehrfach eine gerichtliche Versteigerung Gründung der Fundamente, bestehend aus dieses Anwesens. großflächigen Natursteinplatten, vor. Allerdings 24 Der Lotterhof im Wandel der Zeiten

Ein schwieriger Start: Verbraucht und „in die Jahre gekommen“ zeigte sich das Bauwerk vor dem Beginn der Sanierungsmaßnahmen im Jahre 1994; Foto: Familienverband Spielhaus und Mittag. Der Lotterhof im Wandel der Zeiten 25 beginnt in einer Tiefe von etwa 60 cm mas- Dürftige Mieteinnahmen und die Mangel- sives Quarzporphyrfelsgestein vulkanischen wirtschaft bei der Beschaffung notwendiger Ursprungs. Baustoffe in der DDR machten die notwendigen Instandhaltungen und Reparaturen unmöglich. Einen weiteren umfassenden baulichen Eingriff Dies führte in den folgenden Jahren zu einer erlebte der Lotterhof 1920 durch Herrn Emil Verschlechterung der Bausubstanz, sodass das Schmaltz. Der begüterte Eigentümer betrieb Gebäude schließlich vom Zerfall bedroht war. den Steinkohlebergbau in Oelsnitz. Er ließ den Dachstuhl umbauen – verbunden mit dem Als wir das Anwesen erwarben, war es in einem Einbau eines nach Osten gerichteten Zwerch- beklagenswerten Zustand. Birken wuchsen giebels und der in zwei Reihen gesetzten aus der Dachrinne. Der Außenputz war in Schleppgauben. Auch das Rundbogenportal großflächigen Feldern von der Wand abgefallen. an der Ostseite des Lotterhofes mit seinem Regenwasser drang in das Dachgeschoss ein Schlussstein und der Biberschwanzziegelabde- und wurde notdürftig in Wannen aufgefangen. ckung, ließ Herr Schmaltz errichten. Diese Methode verhinderte natürlich nicht, dass

Schön anzusehen und qualitätvoll restauriert zeigt sich die Hauptseite des Gebäudes heute – Aufnahme von 2017; Foto: Familienverband Spielhaus und Mittag. 26 Der Lotterhof im Wandel der Zeiten die Stampflehmdecken durchnässt wurden, Bauablauf ohne Verzögerungen fortgeführt was zu Fäulnis der Dachsparren und Decken- werden konnte. balken und teilweise auch zum Herunterfallen der vollgesogenen Decken führte. Bereits die Bei der Sanierung der Bausubstanz wurden die ersten Schritte der baulichen Bestandsaufnah- im Verlaufe von mehr als vier Jahrhunderten me brachten uns Ernüchterung nach der Phase vollzogenen baulichen Veränderungen sichtbar. der vorausgegangenen Freude am historischen So galt es, die hinter der geputzten Mauerfassa- Unikat des Lotterhofes. de im Obergeschoss teilweise noch befindliche Fachwerkstruktur, bestehend aus Andreaskreu- Ein Großteil der auf den steinernen Außenmau- zen, sorgfältig zu sanieren. Die dünnen Wände ern aufliegenden Deckenbalken an den Balken- dieser Außenfassade erfüllten aber nicht mehr enden war durch die aufsteigende Feuchtig- den heutigen Anspruch an die Wärmedämmung. keit verfault. Mehrere Dachsparren mussten Also wurde beispielsweise an der Wandinnensei- ausgewechselt werden. Die Stampflehmdecken te eine Vorblendung mit ungebrannten Lehmzie- mussten instand gesetzt werden. Um das Haus geln vorgenommen. Es war damals nicht nur ein wieder bewohnbar zu machen und den heu- Problem, solche Lehmziegel zu erweben, auch tigen Wohnkomfort herzustellen, bedurfte es die Maurer mussten sich erst in die Fertigkeiten einer Generalsanierung. Unter diesen Umstän- der Verarbeitung von Naturlehmprodukten und den verließen alle Mieter bis auf eine damals Lehmputzen einarbeiten. 73 Jahre alte Bewohnerin das Anwesen. Im Erdgeschoss wurde hinter einer Mauerver- Da sich das Objekt in der Liste eingetragener blendung ein großer Kamin entdeckt. Dessen Baudenkmale Sachsens befindet, galt es, die Rauchabzug erfolgte über eine gut erhaltene baulichen Eingriffe behutsam vorzunehmen, Schleppesse zum Hauptschornstein. Da diese um so die denkmalrelevanten Details zu erhal- historischen Zeitzeugen aus der Zeit Hierony- ten. So waren wir für die aktive Unterstützung mus Lotters unwiederbringlich sind und diese eines auf den Denkmalschutz spezialisierten Stelle heute keine andere funktionelle Rele- Architekten sehr dankbar. In der Bauhaupt- vanz besitzt, wurde die Verblendung wieder phase von 1995 bis zum Jahr 2000 fanden so geschlossen. Sicher interessiert dies auch wöchentlich Bauberatungen im Beisein von Generationen nach uns noch, wie hier Lotter bei Bauausführenden, des erwähnten Architekten, loderndem Kaminfeuer gearbeitet haben muss. der Bauherrschaft sowie von Mitarbeitern der Unteren Denkmalschutzbehörde des Zu den besonders schützenswerten Details Landratsamtes statt. Es erwies sich zählt die vom Erdgeschoss in das erste Ober- als von unschätzbarem Wert, dass in diesen geschoss führende Blockstufentreppe aus Beratungen in aller Regel vor Ort authentische Tannenholz, geschlagen um 1475. Diese aus Lösungen getroffen werden konnten, damit der jeweils einem massiven Holzbalken bestehen- Der Lotterhof im Wandel der Zeiten 27

Im Ensemble von Hauptgebäude, Gartenhaus und Garten weiß das Grundstück viel von Geschichte und Zeitgeschmack zu berichten – Aufnahme 2017; Foto: Familienverband Spielhaus und Mittag. den Stufen wurden über die Jahrhunderte so ab- auch teilweise zwischen den Etagen versetzte getreten, dass die inzwischen hervorstehenden Wände mussten die Elektriker, besonders aber Aststümpfe eine Unfallgefahr darstellten. Mit die Heizungsbauer bei ihrer Installation mit der Denkmalschutzbehörde wurde deshalb Eini- Geschick und Einfallsreichtum überwinden. gung derart erzielt, dass auf diese Blockstufen eine abnehmbare hölzerne Trittplatte aufgedü- Die Bemalung der Außenfassade wurde den belt wurde. So ist ein gefahrloses Begehen der historischen Befunden aus der Barockzeit Treppe gewährleistet und der Nachwelt bleibt nachempfunden. Die Ausführung erfolgte in die darunterliegende Originaltreppe erhalten. wochenlangem Einsatz in Eigenleistung. Dabei wurden auf den noch nicht gänzlich abgebun- Die baulichen Gegebenheiten des denkmal- denen Kalkputz kaseinhaltige Naturfarben geschützten Baukörpers bereiteten in der aufgetragen. Bauphase des Innenausbaus den Installateuren erhebliche Probleme. Stark dimensionierte, Das Dach wurde so wie alle Häuser des Alt- tragende Natursteinwände im Erdgeschoss, stadtkernes und des nahe gelegenen Schloss- Fehlböden an diversen Stellen der Decken, aber komplexes mit Naturschiefer eingedeckt. 28 Der Lotterhof im Wandel der Zeiten

Wie die Objektbezeichnung „Lotterhof“ ver- pflanzten Hecken Schutz boten und sich Rasen, muten lässt, wird der Hof von einem Ensem- Blumen und Bäume zu dem entwickelten, was ble mehrerer Gebäude gebildet. So wird das man heute sieht. Haupthaus von zwei weiteren Nebengebäuden flankiert. Mit der denkmalgerechten Sanierung des auf dem Lotterhof befindlichen Aussichtspunktes Das parallel zum Haupthaus stehende ein- „Kantors Ruh“ fand schließlich eine über ein geschossige Gebäude war zu Zeiten des Jahrzehnt dauernde Objektsanierung 2005 Schlossbaues ein Gebäudeteil einer Schmiede. einen gewissen Abschluss. Dabei wissen Ursprünglich hatte dieses Gebäude noch einen Grundeigentümer gut, dass Werterhaltungs- rechtwinkligen Queranbau, der aber vor etwa und Sanierungsmaßnahmen an einem Bauwerk 70 Jahren abgetragen wurde. Wir bezogen niemals enden. das ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Gebäude in die Sanierungsmaßanhmen mit ein. Resümee: Heute wird dieses als Gartenhaus bezeichnete Wir sind davon überzeugt, dass die Bewah- Gebäude als Ferienwohnung genutzt. rung der historischen Bausubstanz einen wichtigen Generationsauftrag darstellte. Nur An der Einfahrt des Lotterhofes befindet sich durch das Engagement und den Einsatz des das zweite Nebengebäude, das aber nicht unter Familienverbandes konnten wir dieses große Denkmalschutz steht. Es diente einst als Pfer- Projekt, die Sanierung des Lotterhofes, zum destall und wurde unter anderem über mehrere Abschluss bringen. Wir sind in diesen Zeiten Jahrzehnte von der Augustusburger Ortsfeuer- der schweren körperlichen Arbeit, des stän- wehr als Gerätehaus genutzt. digen Baudrecks und vielerlei Entbehrungen fest mit dem Lotterhof verwachsen. Zudem Die Gestaltung der Außenanlagen erfolgte nach freuen wir uns, dass auch unsere Mieter und Entwürfen einer Landschaftsarchitektin. Die Feriengäste das besondere Flair schätzen, Schwerpunkte lagen dabei auf der Sanierung das der Lotterhof bietet, durch seine Lage der stark eingefallenen etwa 20 m langen und zwischen Kirche und Wald, neben der Altstadt teilweise bis zu 3 m hohen Natursteinmauer an in fast unmittelbarer Nähe des Schlosses der Nordwestflanke des Grundstücks sowie auf Augustusburg. der Anlage des Parkplatzes, der Gehwege und Sitzplätze. Es dauerte viele Jahre bis die neu ge- Familienverband Spielhaus und Mittag

29 Enge Gasse Nr. 10

Wegen seiner besonderen Bauweise über Mauerwerk der Sockelzone und zugehörigen Stadtgrenzen hinaus bekannt ist dieses mar- Heiste erhebt sich ein doppeltes Fachwerk mit kante Gebäude mit seinen beiden Fachwerk- einer „für das Erzgebirge einzigartigen Vielfalt geschossen: Leicht in den Straßenzug hinein- der verwendeten Schmuckelemente“ 1. Eine springend gehört es zu den wenigen Bauten im Denkmaldokumentation aus dem Jahre 1994 Landkreis, deren Entstehung in die Zeit vor dem huldigt der „barocken Fülle und Dynamik“ der Dreißigjährigen Krieg zu datieren ist. Über dem reich mit Kreuzverstrebungen versehenen

Das Gebäude auf der Engen Gasse vor dem Start Enge Gasse heute der Rettungsmaßnahmen zu Beginn der 1950er Jahre; Foto: Privatarchiv Johanne Rudolph. 30 Enge Gasse Nr. 10

Holzkonstruktion2. Bis in das Jahr 1518 reicht Zuwendung gelang es, die bemerkenswerten – in lückenloser Folge – das Verzeichnis der Traditionen des Hauses in einer adäquaten namentlich bekannten Hausbesitzer zurück. Bauweise fortleben zu lassen. Der beauftragte Nach nicht belegbaren Aussagen war einst Architekt, Max Werner aus Karl-Marx-Stadt, in diesem Bauwerk das Rentamt des Schlos- vermochte bei Auswechslung der Balkenschwel- ses, eine Art Zahlstelle unter anderem für die le über dem Erdgeschoss festzustellen, dass die Entlohnung der am Bau beteiligten Handwerker, an der Unterseite vorhandenen Balkenlöcher auf untergebracht3. Als gesichert hingegen gilt eine ursprüngliche Fachwerkständigkeit auch die Brauberechtigung der objektansässigen des Erdgeschosses schließen lassen. Besitzer in den Jahren 1845 bis 1866 sowie die langjährige Eigentümerschaft von Webern bzw. Mit seinem zum Nachbargebäude (Enge Gasse Webermeistern vor Ort (1845 bis 1914). 12) hin gerichteten Zwischenbau und seiner malerischen Architektur zählt das heute von In einer beispiellosen Rettungsaktion unter Frau Johanne Rudolph bewohnte Gebäude zu fachlicher Leitung des Dresdener Institutes für den seltenen Sachzeugen einer Geschichte, die Denkmalpflege konnte in den Jahren 1955 und dem Stadtbild von Augustusburg eine besonde- 1956 der Verlust des Gebäudes mit seiner aus re, unverwechselbare Note verleiht. der Lotrechten geratenen, nach vorn geneig- Die Familie Rudolph hat sich seit dem Erwerb ten Fassade abgewendet werden. Zu diesem des Anwesens im Jahre 1958 nachdrücklich Zeitpunkt war die Straßenfront in der damals üb- für den Erhalt des Gebäudes eingesetzt, unter lichen Weise mit Ziegeldrahtgewebe überspannt anderem durch fassadenseitige Sanierungsar- und flächig überputzt gewesen – von Fachwerk beiten in den Jahren 1994 und 2004. keine Spur. Der damalige Besitzer wollte gänzlich neu aufmauern, das Material – Hohlblocksteine Falk-Uwe Langer, untere Denkmalschutzbe- aus Beton – lag bereits vor der Tür. Lediglich mit hörde, unter Verwendung eines Gespräches Hilfe von staatlicher Maßgabe sowie finanzieller mit Frau Johanne Rudolph am 04.01.2017

ANMERKUNGEN:

1 Werner Spickenreuther in: Historisches Fachwerk um Augustusburg; erschienen in: „Erzgebirgische Heimatblätter“, Ausgabe 4/2001, S. 6; 2 ABM-Projektgruppe 187/94, Bearbeiterin: Frau Vieweg, S. 2; 3 Partielle Bauuntersuchung, vorgenommen im Jahre 2000 durch Einhart Grotegut, 31 Markt 1

Das Gebäude Markt 1 wurde erstmals urkund- Generationen Fischer als Schöppe erwähnt. lich 1545 erwähnt, der Schlussstein über dem • 1773 – 1798 mehrere Besitzer mit den Renaissanceportal lautet auf 1564. verschiedensten Berufen (Leineweber, • Der Erbauer war 1591 Hans Fischer, Amtmann, Fleischhauer, Seifensieder) Amtsland- und Stadtschöppe: „Fischer war • 1798 „wurde das Haus von Grund auf wohlhabend. Er hat der Kirch 1592 50 Taler erneuert“ (Chronik Pöttrich), davon zeugt der vermacht. Schlussstein am Portal auf der Marktseite Er lag in der alten Stadtkirche vorm Taufstein • 1803 – 1941, verschiedene Besitzer mit in halber Mannsgröße in Stein gehauen mannigfaltigsten Berufen, die wahrscheinlich begraben.“ größtenteils auch im Hause ausgeübt wurden • 1766 wird ein Johann Christoph Kluge, (Gerichtsschöppe, Ratmann und Inspektor, Erbrichter zu Plaue, nach mehreren Braumeister).

Das Gebäude Markt 1 in den 1970er Jahren; Foto: Privatarchiv Familie Hunger. 32 Markt 1

Das Haus besitzt beispielsweise noch eine im Die Wohnung gefiel uns jedoch, mit ihren histo- Grundbuch eingetragene Brauberechtigung rischen Details wie Rundbögen, uralten Decken- und einen Brunnen . balken, Innentüren und Sprossenfenstern. • 1941 Besitzer Weichold, Eberhard, Konter- Nach und nach konnten wir in Eigenleistung ein admiral aus Berlin (wahrscheinlich wurde der Bad mit Innentoilette sowie eine Etagenheizung Beruf nicht im Hause ausgeübt …) einbauen und die Elektrik modernisieren, ohne • 1942 Besitzer Albin Delling, Kohlenhandel den historischen Charakter der Wohnung zu und Grünwarenladen beeinträchtigen. Dann kam die Wende und wir stellten beim Rat 1988 bekamen wir als junge Familie eine der Stadt Augustusburg einen Kaufantrag. Wohnung im Erdgeschoß des Hauses Markt 1 Es reifte die Idee, in der anderen Hälfte des zugewiesen. Erdgeschosses, den Räumen der ehemaligen Der Zustand des Hauses war im Inneren katas- Gemüse- und Kohlenhandlung, ein kleines trophal, auch die Außentoilette, mit zwei kleinen gemütliches Restaurant zu eröffnen. Kindern, eine Zumutung. Dem Kaufersuchen wurde entsprochen und

Geschafft: Das Gebäude am Hang präsentiert sich nach abgeschlossener Rekonstruktion als eine Zier- de des Marktplatzes – Aufnahme 2017; Foto: Privatarchiv Familie Hunger. Markt 1 33 nach der Kreditzusage der Sparkasse konnten Das Hauptproblem waren unterschiedliche wir das Gebäude erwerben und mit der Planung Höhen, insgesamt mehr als 50 cm, die durch beginnen. Die Umsetzung stellte sich letztlich verschiedene Ebenen und Stufen ausgegli- schwieriger als gedacht heraus. chen werden mussten. Nach Entkernung, Die Räume waren feucht, voller Schutt und Un- Dämmung, Trockenbau und dem Einbau von rat, die Decke musste komplett neu eingezogen neun Dachgauben, Heizungs- und Sanitärins- werden. In einem neu errichteten Anbau fand tallation, entstand ein großzügiger offener und sich Platz für Küche und Toiletten. moderner Wohnbereich. In die Lüftungsanlage Bei der Sanierung legten wir Wert auf authen- des Restaurants integrierten wir den Schorn- tische Materialien, wie Solnhofener Naturstein- stein für einen Kamin. böden, Rochlitzer Porphyr und Kalkputz. Eine große Summe beanspruchte auch das Durch Zufall entdeckten wir ein kleines zuge- Decken des Daches mit Naturschiefer. mauertes und mit Bauschutt verfülltes Gewölbe Nach einjähriger Bauzeit konnten wir unser mit historischen, leider unvollständigen Gewän- neues Heim beziehen. den aus Hilbersdorfer Porphyr, welches dem Besonders glücklich sind wir, dass sich 2016 Gastraum noch heute eine individuelle Note gibt unser langjähriger Traum vom Anbau eines Bal- und Platz für kleine Gesellschaften bietet. kons an der Rückseite des Gebäudes erfüllt hat. Wir freuen uns, dass bei der Gemeinde und Nach ungezählten Arbeitsstunden und umfang- der Denkmalschutzbehörde ein Umdenken reicher Leistungen vieler Gewerke konnten wir eingesetzt hat und eine Verbindung von histo- im April 1992 das Restaurant „Landsknecht“ rischer Substanz und modernen Elementen nun eröffnen, welches durch eine kleine Terrasse möglich ist. mit sonnigen Außenplätzen erweitert wurde. Die Fassade des Hauses wurde ebenfalls 2016 Noch heute ist das Lokal ein Kleinod der Augus- von Martin Teller mit Kalkfarbe und Sanierputz tusburger Altstadt und zieht Einheimische und restauriert. Die Fachwerk-Balken erhielten Touristen aus aller Welt an. einen Anstrich aus Leinöl. 1993 begannen wir mit dem Ausbau des Weitere Projekte stehen mit der Neugestaltung Ober- und Dachgeschosses. Die beiden Etagen des Garten- und Hofbereiches in den nächsten bestanden aus abgetrennten Verschlägen und Jahren an und sicher wird es immer wieder Kammern, unter dem Dachfirst befand sich etwas zu reparieren und sanieren geben. ein Wäscheboden, alles verbunden mit alten Holzstiegen. Gesine und Maik Hunger 34 Zur Arbeit der „Chronikgruppe“ der Stadt Augustusburg

Nach dem Erscheinen der Festschrift zum Chronik aller Häuser, die bis 1945 in Augustus- 800. Jahrestag der Ersterwähnung der Herren burg erbaut wurden, zu verfassen. von Schellenberg im Jahre 2006 mit dem Titel „Schellenberg – Augustusburg, Beiträge zur Vorausgegangen war eine fleißige Recherche 800-jährigen Geschichte“ formierte sich auf von Herrn Manfred Wild aus Erdmannsdorf, der Initiative der damaligen Bürgermeisterin Evelyn im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaß- Jugelt eine ehrenamtlich arbeitende Gruppe ge- nahme (ABM) von 1999 bis 2001 die histori- schichtsinteressierter Bürger mit dem Ziel, eine schen Archivbestände der Stadt sichtete und

Die Stadt Augustusburg in einer undatierten Darstellung der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (vor 1893); Foto: Archiv „Chronikgruppe“ Augustusburg. 35 erschloss. Während der nachfolgenden ABM- gelagert im Landratsamt von Mittelsachsen in Tätigkeit von Herrn Dr. Dieter Schubert wurden Freiberg. Die Fülle von gefundenen Informati- die gesammelten Daten digitalisiert. Die Viel- onen ist enorm. Gleichzeitig rief die „Chronik- zahl der gefundenen und bisher unbeachteten gruppe“ die Einwohner bzw. Hausbesitzer von Materialien sollten eine wertvolle Grundlage für Augustusburg mehrmals zur Mithilfe auf. Unter die Arbeit der „Chronikgruppe“ werden. Recht anderem wurden im Privatbesitz befindliche Bil- bald stellte sich heraus, dass sowohl in den neu- der und Angaben zu baulichen Veränderungen eren Akten des Stadtarchivs als auch in anderen der letzten Jahre gesucht. Zudem erfolgte eine Archiven weitere wichtige Informationen zu Anfrage nach Erinnerungen zu Straßenumbe- den Gebäuden von Augustusburg ruhen. So nennungen. Je nach Ausrichtung der deutschen wurde bis heute recherchiert: im Schlossarchiv, Politik wurden auch in Augustusburg die Stra- in dem das „Augustusburger Wochenblatt und ßen nach bekannten Personen der jeweiligen Anzeiger“ aufbewahrt wird, erschienen ab der Epoche benannt bzw. umbenannt. Die Suche Mitte des 19. Jahrhunderts; im Kirchenarchiv der nach den jeweiligen Daten und den Biographi- Gemeinde St. Petri und teilweise im Kreisarchiv, en der Namensgeber gestaltete sich mitunter

Der Standort ist identisch, die Zeiten haben sich geändert: Aufnahme der Stadt im Frühjahr 2016; Foto: „Chronikgruppe“ Augustusburg. 36 Zur Arbeit der „Chronikgruppe“ der Stadt Augustusburg enorm zeitaufwändig. In einer Häuserchronik ist In Privatbesitz konnten viele interessante es jedoch unerlässlich, auf diese historischen photographische Aufnahmen von städtischen Geschehnisse hinzuweisen. Denn wer kennt Häusern gefunden werden. Mit ihnen wird zwar heute noch eine August-Förster-Straße, eine der sich wandelnde Zeitgeschmack im Detail Hermann-Gensel-Straße, eine Leo-Schlageter- deutlich, jedoch ist Augustusburg eine der weni- Straße oder eine Johannes-Walther-Straße. gen deutschen Städte, dessen Stadtbild bzw. Silhouette sich in den letzten 100 Jahren bis auf Besondere Schwierigkeiten bereitete die wenige Ausnahmen unverfälscht erhalten hat. Umwandlung der Nummerierungen der Häuser Aus allen Richtungen gesehen, gibt es keine in der Vergangenheit in die heutige Zählung. störenden Objekte wie Windräder oder Fabrik- So wurden beispielsweise im Augustusburger hallen, die den Blick des Betrachters einengen. Wochenblatt und Anzeiger einige Annoncen Zum Beweis seien die der „Chronikgruppe“ von Geschäftseröffnungen, -übergaben oder- vorliegenden Gesamtansichten aus der Zeit schließungen nur mit Name und Straße ange- um 1890 – 1900 angeführt. Diese Konstanz in geben. Die damaligen Einwohner kannten ihre Verbindung mit dem Heimatbegriff wird für viele Mitbürger und verzichteten deshalb auf weitere Menschen in Zeiten rasanter politischer und Details. Das Einwohnerverzeichnis von 1895 globaler Veränderungen immer wichtiger. listet lediglich die Reihenfolge der Brandkatas- Sowohl von der Stadtverwaltung Augustus- ternummern und die zugehörigen Hausbesitzer burg als auch von den Mitarbeitern der bisher auf. Die Nummerierung der alten Marienberger genutzten Archive erhielt die „Chronikgruppe“ Straße, vor Fertigstellung der Umgehungsstra- dankenswerterweise viel Unterstützung. Erst ße 1927, begann in Höhe der heutigen Hohen vor kurzem wurde ihr in dem frisch sanierten Straße Nr. 15 und die Flurstücksnummern „Stadthaus“ ein eigener Arbeitsraum zugewie- erwiesen sich als veränderlich. sen. Er soll unter anderem den regelmäßigen Für die Stadtgeschichte interessant dürfte die Zusammenkünften dienen, aber auch Platz für Lokalisation der ehemaligen Mittel- (oder auch eine beginnende Sammeltätigkeit von histo- Sudel-) gasse sein, die ungefähr im Bereich der rischen Sachzeugen bieten. Zu besonderen Marienberger Straße 11 spitzwinklig abzweigte, Anlässen sollen temporäre Ausstellungen dann parallel zu dieser verlief und in der Nähe stattfinden. der Wendeschleife des Hohlweges endete. Ein erstes sichtbares Ergebnis der chronis- Die Bebauung stammte vorwiegend aus dem tischen Arbeit sind die in der Altstadt ange- 17. und 18. Jahrhundert. Um 1900 wurden die brachten Häusertafeln, die dem interessierten Häuser von der Stadt Augustusburg aufgekauft Leser Wissenswertes zu einzelnen Häusern der und im Vorfeld der gründerzeitlichen Neube- Stadt vermitteln sollen. Diese Sammlung ist in bauung abgerissen. Damit war der Weg für eine der Zukunft beliebig erweiterbar, erst recht mit Verbreiterung der Marienberger Straße frei und dem 2016 vom Bürgermeister Dirk Neubauer die Mittelgasse verschwand. initiierten virtuellen Stadtrundgang, bei dem Zur Arbeit der „Chronikgruppe“ der Stadt Augustusburg

per Internet unter anderem Daten zu Biogra- Bild von der Vergangenheit abrunden und eine phien Augustusburger Persönlichkeiten oder Druckversion der Häuserchronik erscheinen historischer Begebenheiten abgerufen werden kann. können. Bleibt zu hoffen, dass viele weitere interes- Dr. Rüdiger Wirth sante stadtgeschichtliche „Neufunde“ unser Leiter der Chronikgruppe Augustusburg Impressum Herausgeber: Landratsamt Mittelsachsen Frauensteiner Straße 43, 09599 Freiberg mit Unterstützung der Autoren sowie der Stadt Augustusburg und der Stiftung für Kunst und Kultur der Sparkasse Mittelsachsen

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