Rastower, Kraaker und Fahrbinder

BilderbogenInformationsblatt der Gemeinde Rastow - IG Kultur 12. Jahrgang - Nr. 2 - Nov. 2014 2 - Nov. 12. - Nr. Jahrgang

Rastow, Kråk un de Gries Gägend

Hüren Rastow un Kråk tau de Gries de Hügels, Seen un Bäukenwälder. Gägend dat Sanderplacken is, dat Gägend? Bevör ick min Mostrich Nu kümmt ‘ne wied un sandich de Iestid bi uns bät an de Elw hin- dortau gäben dau, willn wi ierst Gägend mit grote Kiefernwälder. nerlåten hett. Dat Rastow un Kråk eins kieken, wat de Lüd’, de an’n För de Lüd achter de „B 321“, in dortau hüren, weit jedwerein, de besten doröwer Bescheid weiten orrer Möhlenbäk taum all eins achter Lübess in’n Harwst möten, dortau seggen. Biespill, wåhnten in de Dörper Za- in’n orrigen Sandstorm kåmen is. chun, Haurt, Ülz, Rastow un Kråk Denn ward ein’n fi x klor, wat ünner För denn Volkskundler und Schrie- all de Sandhåsen. Vun dei wullten Gries Gägend tau verståhn is. wer Johannes Gillhoff (1861-1930), sei up ehr‘n Leihm nix weiten. de sick sien Läben lang mit de Tweitens: de Lüd’ in de Gries Gä- Gries Gägend befåt’t hett, leech sei Wi hemm’ dat hier woll mit „kul- gend sallen ümmer n’ lütt bäten twüschen Hågenow, Lurwigslust un turelle Mikroidentitäten“ tau daun. wat anners wäst sien as de an- Däms. De Schriewer Jürgen Bor- Johannes Gillhoff wier ok öwer- nern Meckelnbörger. Ok nåhdäm chert (1941-2000) öwer wier in de tüücht, dat de Leis in’n Westen de Dütschen achter de Elw treckt Meinung, dat Kråk de Ingang nåh bät an de Lurwigslust-Sweriner sünd, hemm’ Slåwen noch ‘ne gan- de Gries Gägend is. Iesenbahn gåhn ded. Dornåh hürt ze Tied in de Gries Gägend wåhnt. Rastow denn woll noch tau de Bät in dat 16. Johrhunnert salln Ick denk, dat beid’ dat noch ‘n Leis mit tau. Wi seihn, de Herrn sei in de Jåbelheid’ noch slåwisch bäten tau small seihn. Borchert is bi Gelihrten sünd sick – as ümmer – snackt hemm’. Dåmåls hett disse Fahrbedn tau låt vun de B 106 af- wedder nich einig. Gägend noch tau de Gråfschaft bågen. Kümmt’n öwer Sült un Ülz Öwer wi möten dat Ganze doch Swerin hürt, un wenn wi’t genau up Rastow un Kråk tau, markt’n all eins tau fåten kriegen! Dat best is, nähmen, sünd de Rastower bät kort achter Swerin, dat sick de Gä- wenn wi twei Såken dorbi uteinan- 1358 gor kein Meckelnbörger nich gend ännern ded: vörbi is dat mit ner hollen. Ierstens: dat de Gries wäst. Iierst in disset Johr hemm’ de

Vörbi is dat mit de Hügels, Seen un Bäukenwälder. Nu kümmt ‘ne wied un sandich Gägend mit grote Kiefernwälder.

Foto: P Möller

1 Leben auf dem Lande

Sweriner Gråfen ehr Flach an denn meint, dat sei sowat mit de Gries Gägend hett nich ümsüs ’n engen mecklenbörger Herzog verköfft. Gägend funnen harren. Ick glöw Kuntakt tau Neddersassen hatt. Un wat de Kråker west sünd, is öwer nich, dat de Lüd’, de Buern, Öwer de herzoglichen Beamten ok nich ganz klor. Sei hemm’ sick Bäudners un Hüslers väl dormit hemm’ ümmer öwerall twüschen- hunnerte Johren för de Jehanniter- antaufangen wüssten, sei deden mang regiert, dat ein de meckeln- Ritters afrackern müßt, de europa- äben in ehr Dörp hürn un wiern süs börgschen Buern nich mit ehr wiet begäng’ west sünd. de Ünnerdånen vun denn Groß- stolten Kollegen achter de Elw Låter hen hemm’ in de Gries Gä- herzog, de in Meckelnborg up de verglieken kann. gend noch de mihrsten plattdüt- tweite Sülw betont würd. schen Utdrück öwerläwt, und ok De Buern, Bäudners un Hüslers de ollen Sågen un Gebrück deden Näben denn Sand sall de Nåm hemm’ dat mit denn Sand in uns sick hier sihr lang hollen, taum Bie- Gries Gägend vun dat grise Tüch Gägend swor hatt. Suer hemm’ sei spiel de Såg vun Fru Waue, de in kåmen, dat de Lüd hier Anno dor- sick ehrn Läbensünnerholt inne de Twölfen mit ehr Hunnen öwern taumålen sülwst ut Linnen un Wull Tied verdeinen müßt, as de Hüsler- Häben treckt un sick de Fulen vör- spunnen un wääft hemm’. Up de frugens noch mit n’ Kauhgespann knöppt. Jå, in de 1920er Johrn hett Gäuder, wohen sei as Dachläuh- tau Feldn treckt sünd orrer de gan- dat sogor heiten, dat in uns Gägend ners gåhn deden, sallen de Lüd’ ze Bäudnerfomilie in de gläunige dat „echteste“ Meckelnborg tau dåmåls in de Aust secht hemm’: Leis, üm Hö tu måken. Ick weit finnen is. Dortau is tau seggen, dat Kiek, de Grisen kåmen. nich, ob ok de Rastower un Kråker dat Wurt Gries Gägend ierst üm De Griesen kemen ut ne Gägend, dorbi gries‘ Tüüch anhatt hemm’, 1900 upkåmen is. Dåmåls hemm’ wo dat kuhm Gäuder gäben hett, öwer tau de Gries Gägend hüren de Lihrers un Volkskundlers nåh dat mihrste wiern Buerndörper beid’ Dörper tau. de „regionale Identität“ söcht und mit grote Hallenhüser. De Gries René Wiese

In jedem Jahr aufs Neue ... ren, vor 60 Jahren oder sogar vor 65 Jahre in unserer Kirchgemeinde konfirmiert wurden, finden - jähr lich zwischen 50 bis 60 den Weg nach . In feinem „Sündagstüch“ und et- was aufgeregt, bisweilen auch verunsichert, betreten die Jubi- lare zunächst den Pfarrhof, der als Treffpunkt für alle Jahrgänge genutzt wird. Viele werden von Familienangehörigen oder Freun- den begleitet, die diesen Festtag miterleben möchten. Die anfäng- liche Unsicherheit verfliegt jedoch schnell, wenn der erste Wegge- fährte aus der eigenen Konfirman- dengruppe nach Jahrzehnten wie- dererkannt wird oder man auf die Goldene Konfirmanden 2014 vielleicht noch vertrauten Ge- ... ist am Sonntag Rogate, also kommen die Gäste, die die Ein- sichter blickt. Um die Suche und zwei Wochen vor dem Pfingst- ladung der Kirchgemeinde Uelitz das Wiederfinden zu erleichtern, sonntag, eine lebhafte Geschäf- angenommen haben, um in einem erhalten alle Jubilare ein kleines tigkeit auf dem Pfarrhof und rund Festgottesdienst das goldene, dia- Namensschild und eine den Jahr- um die Kirche in Uelitz zu beo- mantene oder eiserne Jubiläum ih- gang anzeigende Schleife ans Re- bachten. Von nah und fern und aus rer Konfirmation zu begehen. Von vers. Die Wiedersehensfreude und allen Gegenden unseres Landes den Konfirmanden, die vor 50 Jah- das Interesse, wie es dem Anderen

2 Leben auf dem Lande in seinem Leben ergangen ist, ist immer sehr groß. Da ist es dann nicht verwunderlich, dass schon mal mit energischer Stimme auf die Einhaltung des Zeitplanes hingewirkt werden muss. Denn schließlich gilt es noch, auf der Treppe des Pfarrhauses ein Erinne- rungsfoto von jedem Jahrgang zu machen. Mit ihrer Pastorin ziehen schließlich alle Jubilare vom Glo- ckenklang begleitet in die festlich geschmückte Kirche ein. Es ist eine schöne Tradition, dass der feierliche Gottesdienst von den ak- tuellen Konfirmanden mitgestaltet wird, die dann selbst nur 14 Tage später ihre eigene Konfirmation Diamantene Konfirmanden 2014 feiern und bewusst Ja zum christ- lichen Glauben sagen. Der bewe- gendste Moment für viele Jubilare ist es, wenn ihnen vorne am Altar der persönliche Segen zugespro- chen wird. Gar nicht so selten gab es in den letzten Jahren auch Ehe- oder Geschwisterpaare, die ihre Jubiläen gemeinsam feiern konn- ten. Wenn wieder zurück in den Kirchenbänken die Aufregung ei- ner Gelöstheit weicht, scheint es in manchem Jahr, als ob die Zeit ste- hen geblieben ist. Denn es herrscht bisweilen die gleiche Unruhe unter den erwachsenen Jubilaren, wie sie wohl zu ihren besten Konfir- mandenzeiten auch geherrscht ha- ben mag. Im Anschluss an den Gottesdienst Eiserne Konfirmanden - auch Jubelkonfirmanden genannt - 2014 versammeln sich alle Jubilare und Gottesdienstbesucher zu einer ge- sprächen über persönliche Schick- in 5 oder 10 Jahren gibt. Am Ende meinsamen Kaffeetafel. Bei le- sale und Erlebnisse wird auch derer steht neben der Einschätzung, dass ckerem Kuchen, der von einigen gedacht, die diesen Tag aufgrund es ein schöner Gottesdienst und Frauen aus der Kirchgemeinde lie- einer Erkrankung nicht miterleben ein gelungener Nachmittag war, bevoll gebacken und bereitgestellt können oder bereits verstorben auch der Dank an die Pastorin und wird, und mit angeregter Unterhal- sind. Ist es dann an der Zeit, sich die helfenden Kirchenältesten. Ein tung klingt der Nachmittag in der voneinander zu verabschieden, besonderer Dank gilt unserer Son- Gaststätte „Landlust“ in Rastow dauert dies meistens etwas länger. ja Krüger, die bereits im Herbst langsam aus. Dabei werden nicht Schließlich ist noch die eine oder wieder mit der aufwendigen Re- nur Erinnerungen geweckt an die andere Adresse auszutauschen cherche und Vorbereitung für das Begebenheiten der eigenen Kon- oder gerade bei den Weitgereisten nächste Jahr beginnt. Denn nach firmandenzeit oder an die Streiche, das Versprechen zu geben, dass es der Jubel-Konfirmation ist vor der mit denen man als Jugendlicher ein erneutes Wiedersehen nicht erst Jubel-Konfirmation. den Pastor geärgert hat. In den Ge- zur nächsten Jubel-Konfirmation Text und Fotos Ramona Shembrowskij

3 Leben auf dem Lande Von der Latrine zum Dusch-WC, die Geschichte des stillen Örtchens (Teil 1) ter“. Das waren Männer mit sehr weiten Mänteln und zwei Eimern in den Händen. Wenn mal jemand musste, schlug der Klomann gegen einen kleinen Obolus seinen Man- tel um den Kunden. Dieser konnte sich dann in einen der Eimer ent- leeren. Es ging jetzt, entgegen der römischen Tradition darum, nicht mehr gesehen zu werden.

trachtete die kunstvollen Mosaike Erst nach mehreren Choleraepide- an den Wänden. Es war kein stilles mien erkannte man 1854 in London, Örtchen, sondern ein Treffpunkt, dass die Krankheit durch verseuch- an dem man den neuesten Tratsch tes Trinkwasser hervorgerufen wur- erfuhr oder auch ein lohnendes de. Direkt neben einer Trinkwasser- Immer dann, wenn sich viele Men- Geschäft machen konnte. Daher pumpe versickerten Fäkalien und schen für längere Zeit an ein und der Ausdruck „sein Geschäft ma- kontaminierten so das Grundwas- demselben Ort aufhalten, tun sich chen“. Besonders an Verkehrskno- ser. Nach Demontage des Pumpen- hauptsächlich zwei Probleme auf. tenpunkten waren an den Straßen- schwengels kam es zum Stillstand Das Eine ist sie zu ernähren, das rändern oft Pissoires eingerichtet. der Epidemie. Etwa 14.000 Men- Andere ist ihren Abfall zu besei- Die vollen Amphoren wurden von schen mussten wegen mangelnder tigen. In diesem Beitrag geht es Urinsammlern abgeholt. Der ver- Wasserhygiene sterben. nicht um die Entsorgung leerer gammelte Urin wurde unter ande- Solche Epidemien traten überwie- „coffee to go“ Becher oder um mit rem zum Waschen von Kleidung „Abtrittswinkel“ Senf beschmierte Pappteller, son- verwendet. Der darin enthaltene am Burgturm zu Neustadt-Glewe dern um ganz natürliche, mensch- Ammoniak löste hervorragend liche Bedürfnisse. auch den gröbsten Schmutz.

Es geht um Toiletten, auch Klosett, Im Mittelalter war es vorbei mit Abort, Abtritt, Null-Null, Locus der Toilettenkultur. Man entleerte oder WC genannt, um nur einige sich dort, wo es gerade nötig war. Bezeichnungen zu nennen. In Burgen gab es Abtrittswinkel, wo man sich hinhockte und sein Die bisher ältesten Toiletten Inneres durch eine Öffnung im wurden auf den Orkney-Inseln Boden in den Burggraben plat- (Schottland) gefunden und sind schen ließ. In den Städten beför- etwa 5000 Jahre alt. Im antiken derte man die Fäkalien durch ein Rom wurden öffentliche Toiletten Rohr, auf die Straße. In Frankreich sogar auf Staatskosten eingerichtet wurde es Vorschrift, drei Mal zu und betrieben. Diese sogenannten rufen, bevor man den Inhalt des Prachtlatrinen bezauberten den Nachttopfes durchs Fenster auf die Benutzer mit grandiosem Luxus. Straße kippte. Es gab kaum öffent- In den Klos des Imperiums saß liche Toiletten, dafür jede Menge man mit bis zu 60 Personen ne- Gestank auf den Straßen und in beneinander, von Scham keine den Parkanlagen. Spur. Man genoss Rezitationen von Dichtern, wärmte seine Füße Um das Jahr 1800 gab es in mehre- Foto: Britta Kley an der Fußbodenheizung oder be- ren Städten „mobile Abtrittsanbie-

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enthaltsdauer der Benutzer dieser Spritzer aus der Grube wieder Einrichtung. dorthin wo sie herkamen. Mitte der achtziger Jahre wurden die Trich- Im Rastower Ballungsgebiet, der terklos entfernt und Spültoilet- Schule, gab es drei Plumpsklos. tenbecken mit Geruchsverschluss Das für die Lehrer befand sich in und mit Druckspülern eingebaut. der Schulscheune. Für die Mäd- Durch diese Maßnahme nahm die chen gab es ein Herzhäuschen mit Geruchsbelästigung deutlich ab. zwei Kabinen und für die Jungen Das hatte jedoch zur Folge, dass eine Urinalrinne. Sie war vom die Auffanggrube durch die groß- Hausmeister gebaut und bestand en Spülwassermengen ständig bis Foto: Britta Kley aus zwei mit Dachpappe ausge- zum Überlaufen voll war. Zeitwei- schlagenen, im Winkel zusammen- se wurde sogar der Weg zur Bau- „Abtrittswinkel“ im Burgturm zu Neustadt-Glewe genagelten Brettern. Das ganze ernstelle Jakobs mit Fäkalien über- war an einer Holzwand befestigt, schwemmt. In diesem Jahr wurde gend in menschlichen Ballungsge- hatte einen freien Auslauf und kein das Gebäude abgerissen. Auch der bieten auf. Auf dem Land waren Dach. Bei Regen- oder Tauwetter Kindergarten bekam damals einen die Exkremente von Tieren vermi- mischte sich das Niederschlags- Waschraum und Spültoiletten. Aber scht mit pflanzlichen Bindemitteln wasser mit dem Urin und die auch hier war die Auffanggrube, die wie Stroh oder auch Sägespäne ein Rinne war trockenen Fußes nicht als Jauchegrube für den Schweine- existentieller Bestandteil der Land- mehr zu erreichen. Mit Ziegelstei- stall gebaut war, viel zu klein. wirtschaft. Ein gut gepflegter, ge- nen und Brettern wurde dann ein Erst in den siebziger Jahren wur- stapelter Misthaufen war der Stolz Weg zur Rinne gebaut. 1966 wur- den die Herzhäuschen in den Ra- jedes Bauern. Öffentliche Toiletten de das Toilettenhaus an der alten stower Haushalten nach und nach waren wegen der geringen Bevöl- Schule in der Fahrbinder Straße abgeschafft und Bäder mit WC kerungsdichte nicht üblich. Man gebaut. Dieser Bau war ein ge- eingerichtet. Voraussetzung hier- entleerte sich in den sogenannten waltiger Fortschritt in Sache Toi- für war das Vorhandensein einer Plumpsklos, in der Nähe eines lettenkultur. Es gab keine Wasser- Klär- oder Auffanggrube für jedes Misthaufens oder am Feldrand. In spülung aber zwei Waschbecken. Wohnhaus. Bevorzugt wurden ge- der kalten Jahreszeit sah man die Die Toilettenbecken waren nur mauerte, mehr oder weniger was- Bäuerin hin und wieder zwischen keramische Trichter. Die mensch- serdichte 3-Kammer-Klärgruben den Kühen hocken. So ein Plumps- lichen Ausscheidungen klatschten mit anschließender Versickerung. klo war oft nur eine aus Brettern in freiem Fall in die darunterlie- Mit dem Bau von Badezimmern zusammengenagelte Einmannka- gende, aus Beton geschüttete Auf- waren wir der Schweriner Be- bine. Unter der mit rundem Aus- fanggrube. Nicht selten gelangten völkerung einen großen Schritt schnitt versehenen Sitzfläche stand meistens ein Eimer. Wenn er bis Der ehemalige Toilettentrakt an der alten Schule in Rastow zum Rand gefüllt war, landete der Inhalt auf dem Misthaufen. Ein sicheres Erkennungszeichen für so ein Klo war der herzförmige Ausschnitt in der hölzernen Tür, der als Lichteinfall diente. Daher auch die Bezeichnung „Herzhäus- chen“. Wichtige Utensilien, wie Kerze und Zündhölzer für die Be- leuchtung bei Dunkelheit und der Nagel, auf dem Zeitungspapier für die Reinigung gespießt war, durften nicht fehlen. Im Sommer lästige Fliegen und üble Gerüche, im Winter eisiger Wind und Zug- Foto: Britta Kley luft bewirkten eine nur kurze Auf-

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Das waren noch Zeiten voraus. In den Mietshäusern gab es schon seit Großherzogs Zeiten Spültoiletten. Diese waren aber nicht in den Wohnungen, sondern im Treppenhaus, im Keller oder auf dem Dachboden untergebracht. Platz für Bäder war nur in herr- schaftlichen Häusern oder Villen. Für alle anderen Städter gab es das Stadtbad am Nordufer des Pfaffen- teichs. Hier konnte man sich ei- nen Raum mit einer Badewanne mieten. Die Schweriner Abwässer wurden in einer Kanalisation ge- sammelt und Richtung Klärwerk in der Bornhövedstraße abgeleitet. Eine Kontamination des Trinkwas- sers war somit ausgeschlossen. Text und Fotos Peter Klodner

Klärwerk Rastow Anfang der 1990er Jahre stellte sich die Gemeinde Rastow u.a. das Ziel, neue Wohngebiete auszuwei- sen, die Straßen- und Wegeverhält- nisse zu verbessern und z.B. für Kraak eine zentrale Trinkwasser- versorgung herbeizuführen.

Die Ausweisung und Erschließung des Rastower Wohngebietes „Am Kraaker Mühlenbach“ wurde in Angriff genommen. Problema- tisch stellte sich damals die Situ- ation hinsichtlich der Errichtung eines Klärwerks dar, dass konzep- tionell in Nähe des Kraaker Müh- Das Klärwerk Rastow, 2003 „Tag der offenen Tür“ lenbachs, etwa 500 Meter entfernt vom Wohngebiet entstehen sollte. beschäftigt war, kaufte die Ge- eine zwischen Uelitz und Lübes- Die Gemeinde hatte bereits das meinde Rastow kurzerhand das se gelegene Container-Kläranlage entsprechende Grundstück von auf Uelitzer Gemarkung gelegene einleitete, gesichert. Die Gemeinde Privat angekauft, als das Projekt Grundstück von Privat und stellte Rastow wurde durch den Zweck- durch übergeordnete Behörden dieses dann dem Zweckverband verband später für den Klärwerks- gestoppt und die Verlegung des für die Errichtung des dringend be- Flächenankauf entschädigt. Standorts weiter hin zum Oberlauf nötigten Klärwerks zur Verfügung. des Kraaker Mühlenbachs orien- Damit war der Grundstein für die In das Rastower Klärwerk werden tiert wurde. Da die Zeit drängte weitere Entwicklung der umlie- heute die Abwässer aus den Orten und der Zweckverband Schweriner genden Dörfer und dem Gewerbe- Achterfeld, Boldela, Fahrbinde Umland in seiner Gründungs- und gebiet Lübesse, welches mit dem (seit dem Jahre 2005), Golden- Aufbauphase mit Grundsatzfragen Dorf zunächst die Abwässer in städt, Jamel, Kraak, Lübesse, Ort-

6 Leben auf dem Lande krug, Pulverhof, Rastow, Sülstorf, bandes in Plate verbunden sind. keine Einleitmöglichkeit gegeben Sülte und Uelitz eingeleitet. Der Für Fahrbinde gibt es eine Ver- ist. Mit dem Rastower Klärwerk ist Ausbau des Klärwerks erfolgte in einbarung zwischen dem Zweck- somit auch die Entwicklung von mehreren Ausbaustufen (AB): verband Schweriner Umland und Fahrbinde und des dortigen Ge- 1. AB im Jahre 1996 für 800 Ein- dem Ludwigsluster Zweckver- werbegebiets, welches sich heute wohnergleichwerte; band ZkWAL. Die Überleitung der überwiegend im Eigentum der Fa. Kosten: rd. 400.000 € Fahrbinder Abwässer wurde not- STRABAG befindet, abgesichert. 2. AB im Jahre 1999 Erweiterung wendig, da im Bereich Fahrbinde Text und Fotos W. Utecht auf 2100 Einwohnergleichwerte; Kosten rd. 700.000 € 3. AB im Jahre 2003 Erweiterung auf 4800 Einwohnergleichwerte; Kosten rd. 1.200.000 € In den Jahren von 1997 bis 1999 wurden rd. 24.000 m³, von 1999 bis 2003 rd. 65.000 m³ und von 2004 bis 2013 etwa 200.000 m³ Abwas- ser in die Rastower Kläranlage eingeleitet. Bevor die gereinigten Abwässer in den Kraaker Mühlen- bach eingeleitet werden, durchflie- ßen sie einen Schönungsteich, der gleichzeitig der Kontrolle dient. Die Länge der Abwasser-Rohrlei- tungen beträgt etwa 70 km (ohne Fahrbinde). Rund 30 Pumpwerke sind in das Abwassernetz einge- bunden, die über Datenleitungen mit der Zentrale des Zweckver-

Aus dem Sagenschatz unseres Kreises: Der Bann von Fahrbinde Am Ende des 19. Jahrhunderts ver- lichst den Rückweg an. sie betraten die Gaststube. Der kauften die Häusler, Büdner und Einmal war wieder solch ein klei- Schankwirt kannte die beiden Lüb- Tagelöhner von Lüblow gern die ner Trupp auf dem Landweg kurz lower, winkte ihnen freundlich zu von ihnen erzeugte Butter an ihre vor Fahrbinde. Es war besonders und sprach: „Willkommen hierzu- „Butterkunden“ in Schwerin. warm,die Sonne strahlte mit aller lande!“ Er fragte nach ihrem Be- Kraft vom hohen Firmament. Kein gehr. Dann stellte er zwei grosse Schon am frühen Morgen, vor Tau Wölkchen war am Himmel zu se- Blechhumpen, gefüllt mit kühlem, und Nebel, zogen die Männer zu hen, kein Lüftchen regte sich, so- würzigem Bier, auf den Tisch. zweit oder zu dritt, die Klappkörbe gar die Vögel schwiegen. Genießerisch schlürften sie die er- auf dem Rücken, auf der staubigen sten Züge. Zugleich öffnete jeder Landstraße zu Fuß in die Stadt. Den Männern lief der Schweiß der Wanderer seinen Tragekorb, Dort versuchten sie, die wohl- aus allen Poren. Da sprach einer holte einen Kanten trockenen schmeckende, goldgelbe Butter der Lüblower: „Gevatter, wir ha- Schwarzbrots und ein Stück ge- mit der frischen Landluft an ihre ben heute unsere Butter günstig räucherten Specks heraus. Das war Käufer gegen ein paar Kupanen, verkauft. Gönnen wir uns eine der Rest ihrer kargen Wegzehr. einer alten mecklenburgischen kurze Rast. Kehren wir ein in die Währung mit dem Büffelkopf da- Schenke von Fahrbinde, stillen wir Nun erblickten sie am Nebentisch rauf, zu veräußern. Wenn sie ihre unseren Hunger und löschen ein einen älteren Fremden, der bestän- Ware in der Stadt an den Mann ge- wenig unseren Durst.“ „Wohlan, dig seine Augen auf die Lüblower bracht hatten, traten sie baldmög- denn“, sagte sein Begleiter, und richtete. Da sahen sie mit einigem

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Erstaunen, dass seine Augen we- die da kommen sollten. Nun stie- nieder, so dass der Mann zu Boden der schwarz noch blau oder grau gen die beiden vom Wagen und taumelte. Dann zerstampfte er ihn waren. Sie hatten eine seltsame untersuchten Deichsel, Geschirr, mit seinen Vorderfüssen und trat so rote Farbe, gleich den Augen eines Zaumzeug und die vier schweren, lange auf den Schwerverletzten Wiesels. Da polterte auf einmal eisenbeschlagenen Räder. ein, bis dieser schliesslich aus draußen vor der Schenke ein leerer vielen Wunden blutete und sein Leiterwagen heran. Sicher wollte Doch trotz aller Suche konnten sie Leben aushauchte. Als die beiden das Gespann in die ins nichts Besonderes entdecken. Da Heuwender noch rasch herbei- Heu. Der Bauer und sein Knecht sprang der Knecht erneut auf den eilten, um dem Bedauernswerten stiegen vom Wagen und wollten Wagen und hieb voller Wut mit zuhelfen, war jedoch alle Mühe die Schenke betreten. In diesem all seinen Leibeskräften auf die umsonst. Der Banner war tot. Lan- Augenblick ging der Alte ans Fen- Rücken der Pferde ein. Aber der ge Zeit soll sein Geist noch des ster, schaute hinaus und sprach zu Wagen schien so fest zu sitzen, als Nachts in den Wiesen herumge- den Anwesenden in der Schenke: wenn er mit Zwölfpfennisgsnägeln spukt haben. Das Flurstück erhielt „Sall ick Pierd un Wagen mal fast- von dem besten Zimmermann, später den Namen Bannerwiese maken?“ Zuerst wusste keiner mit der je Nägel eingeschlagen hat, Der Banner war in Wirklichkeit ein diesen Worten etwas anzufangen. angenagelt wäre. Da merkten die Knecht aus , der die Pferde Einer rief aus: „Das ist unmög- Wirtsgäste mit entsetzten Blicken, jahrelang betreut und öfter gebannt lich!“ Ein anderer meinte: „Das ist dass der fremde Alte Pferde und hatte. alter Weiber Geschwätz. Ich glaub Wagen gebannt hatte. Alle wurden dem Maulaffen kein Wort.“ Da be- von grosser Angst und tiefer Furcht Der Landmann verkaufte die Tiere, merkten alle, dass die Augen des ergriffen und zitterte am ganzen weil sie ihm ungehorsam wurden. fremden Mannes glühend fun- Leibe. In ohnmächtiger Wut über Aber die Pferde hatten den Knecht kelten, wie ein paar Johannis- die störrischen Gäule stiess der erkannt und sich nun gerächt. würmchen, und ihnen wurde doch Bauer einen schamlosen Fluch aus Hans Ulrich Thee - in der SVZ von 1947, ein bisschen mulmig ums Herz. und lästerte Gott und alle Welt. Nun gefunden von Christa Schult Während sich Bauer und Knecht schlich sich der fremde Banner mit ihren Bierhumpen zuwandten, den Worten „Sall ick sei mal wer- ging der Fremdling plötzlich zu rer lösen?“ aus der Gaststube, trat Impressum: dem Gespann hinaus, stellte sich erneut vor die Pferde und murmel- Der vor die Pferde und tätschelte ihnen te dabei leise einige Worte. Dann „Rastower, Kraaker und Fahrbinder liebevoll den Hals. gab er ihnen einen Klaps auf den Bilderbogen“ wird von der Gemeinde Rastow Rücken und rief dem Knecht zu, herausgegeben. Da wieherten die beiden Gäule er möge herabsteigen und mit ihm Redaktion: laut und prusteten vernehmlich mit gemeinsam in die Speichen grei- Interessengemeinschaft den Nüstern, gleich als ob sie den fen. So geschah es. Dann stiegen Kultur, Rastow Alten erkannt hätten. Der kehrte beide zu dem Bauern auf den Wa- Ziegeleiweg 25, 19077 Rastow Mail: [email protected] dann eilends in die Schenke zu- gen. Als der Bauer nun wieder Mobil: 0173-4189878 rück. Der Landmann zahlte die die Peitsche hob, zogen wie ein Die Urheberrechte der Texte liegen Zeche für sich und seinen Knecht Wunder die Pferde an, und wie ein bei den Verfassern, und machte Anstalten weiterzu- Wirbelwind sauste das Gespannfe- der Bilder bei den Personen, die sie beigesteuert haben fahren. Sie stiegen beide auf, und derleicht in Richtung Lewitz. Un- - soweit die Rechte nicht an die Gemeinde der Bauer versetzte seinen Rößern gläubig schüttelten die Leute in der abgetreten wurden. einen leichten Schlag. Aber die Gaststube über das Gesehene die Unverlangt eingesandtes Bild- und Pferde ruckten und rührten sich Köpfe und redeten wirr durchei- Textmaterial wird nicht zurückgesandt. Die Redaktion behält sich vor, nicht. „Hü!“ schrie nun der Mann nander. Auf der Heuwiese liess der eingesandte Texte zu kürzen. laut und gab den Pferden recht Bauer die Pferde absträngen und Redaktionsschluss kräftig eins auf den Buckel, doch laufen, damit sie noch ein wenig der nächsten Ausgabe ist: mit dem gleichen Ergebnis. Das grasten. Während sich nun Bauer Mai 2015 Gespann rührte sich nicht von der und Knecht mit dem Heu zu schaf- Satz & Gestaltung: Peter Möller Stelle. Voller Neugierde traten alle fen machten, lief der Hengst plötz- Druck und Verarbeitung: Druckerei Digital Design Schwerin Anwesenden in der Gaststube an lich mit fürchterlichem Gebrüll die Fenster und harrten der Dinge, auf den Banner los und stiess ihn

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