Die Stellung Des Chefs Der Heeresleitung in Den Anfängen Der Republik
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HANS MEIER-WELCKER DIE STELLUNG DES CHEFS DER HEERESLEITUNG IN DEN ANFÄNGEN DER REPUBLIK Zur Entstehungsgeschichte des Reichswehrministeriums Nach der Revolution in Deutschland im November 1918 blieben zunächst die militärischen Kommandobehörden und die vier Kriegsministerien der Länder be stehen. Anfang Januar 1919 wurde Gustav Noske Oberbefehlshaber über die Truppen im Raume um Berlin und erhielt den Auftrag, neue Verbände von Re gierungstruppen aufzustellen. Oberst Walther Reinhardt wurde preußischer Kriegs minister. Die Oberste Heeresleitung (OHL) übernahm nach der Rückführung des Westheeres den Befehl über den Grenzschutz-Ost und verlegte hierzu am 12. Fe bruar 1919 ihr Hauptquartier von Kassel nach Kolberg. Am 13. Februar 1919 wurde Noske zum Reichswehrminister ernannt, ohne daß er jedoch zunächst ein Ministerium bilden konnte. Die erste gesetzliche Regelung für „die Bildung einer vorläufigen Reichswehr" gab das Reichsgesetz vom 6. März 1919, durch dessen § 1 der Reichspräsident ermächtigt wurde, „das bestehende Heer aufzulösen und eine vorläufige Reichswehr zu bilden, die bis zur Schaffung der neuen reichsgesetzlich zu ordnenden Wehrmacht" die Reichsgrenzen schützen, den Anordnungen der Re gierung Geltung verschaffen und Ruhe und Ordnung im Innern aufrechterhalten sollte1. In der Ausführungsverordnung vom gleichen Tage wurde verfügt: „§ 1. Die Reichswehr steht unter dem Oberbefehl des Reichspräsidenten. § 2. Die Aus übung der Befehlsgewalt wird vorbehaltlich der unmittelbaren Befehlserteilung durch den Reichspräsidenten dem Reichswehrminister und innerhalb seines Kon tingents dem preußischen Kriegsminister übertragen. Sie sind dem Reichspräsi denten für die Art ihrer Kommandoführung verantwortlich. Die an die Oberste Heeresleitung zu richtenden Befehle und Anordnungen ergehen im Auftrag des Reichspräsidenten durch den Reichswehrminister und durch den der Reichsregie rung als Mitglied angehörenden preußischen Kriegsminister2." Eine übersichtliche Kommandoführung und Verwaltung war nach dieser Rege lung jedoch noch nicht gegeben. Mehr als ein Provisorium war so lange nicht zu er reichen, wie die Friedensverhandlungen noch keine Klarheit über die militärischen Bedingungen gaben, die Deutschland auferlegt werden würden. Die im Frühjahr einsetzenden Beratungen über die künftige politisch-militärische Spitzenorganisa tion standen deshalb bis zur Annahme des Friedensvertrages im Zeichen der Unge wißheit über die Voraussetzungen der Planung und gingen für die künftige Reichs wehr von Größenverhältnissen und einem Maß an Handlungsfreiheit aus, wie sie von den Alliierten tatsächlich nicht zugebilligt werden sollten. 1 Reichs-Gesetzblatt, Jahrg. 1919, S. 295 f. 2 Ebenda, S. 296. 146 Hans Meier- Welcker Am 22. März 1919 fand unter der Leitung Groeners eine Besprechung bei der OHL in Kolberg statt, bei der auch die künftige Organisation der obersten militä rischen Leitung erörtert wurde3. „Trotz Widerstandes von Bayern, Württemberg und Sachsen" wurde, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Entente, ein ein heitliches Reichsheer und als oberste militärische Behörde ein Reichswehrministe- rium hauptsächlich als „politisches Ministerium" mit einem Parlamentarier an der Spitze vorgesehen. Diesem sollte nach dem Wunsche der OHL ein Chef des Stabes mit einem nur kleinen Stabe zur Seite gestellt werden, da für die Facharbeit nach geordnete obere Behörden vorgesehen waren. Das preußische Kriegsministerium wünschte dagegen einen größeren Stab, der etwa die Aufgaben des bisherigen Zentraldepartements des Kriegsministeriums übernehmen sollte. Von den dem Reichswehrministerium nachzuordnenden Oberbehörden sollte das Reichskriegs amt die gesamte Verwaltung sowie die materielle und technische Kriegsvor bereitung übernehmen, während die Verantwortung für Ausbildung, Führung und personelle Kriegsvorbereitung dem Reichsgeneralstab übertragen würde. Der preußische Kriegsminister, Oberst Reinhardt, war allerdings der Auffassung, daß die personelle Kriegsvorbereitung nicht von der materiellen zu trennen sei. Im Reichspersonalamt sollten die gesamten Personalangelegenheiten der Wehrmacht, also auch der Marine, bearbeitet werden. Dieses Amt sollte auch das Pensions- und Versorgungswesen übernehmen. Während die OHL dafür eintrat, daß die Führerausbildung sowie die Weiterbildung der Offiziere vom Generalstab geleitet würden, wünschte das Kriegsministerium einen Generalinspekteur des Er- ziehungs- und Bildungswesens, der für die Ausbildung bis zum Offizier, für die Weiterbildung der Offiziere, die höhere Führerausbildung und die schießtechnische Ausbildung verantwortlich sein sollte. Im Amt des Chefs der Admiralität sollten die bisherigen Aufgaben des Admiralstabes und des Reichsmarineamtes vereinigt wer den. In dieser Besprechung kamen zweifellos Groeners Auffassungen von der künf tigen militärischen Spitzengliederung zum Ausdruck, wenn er sich auch weder bei dieser Gelegenheit noch später besonders eingehend mit dieser Frage befaßt zu haben scheint. Er betonte allerdings in der Besprechung, „daß er für jede aus der Truppe kommende Anregung dankbar sei. Im besonderen ersuchte er, zu allen die künftige Organisation und das Offizierkorps betreffenden Fragen Stellung zu neh men und ihm zuzuleiten"4. Im Ergebnis der Besprechung bei der OHL wurde keine militärische Spitzen stellung vorgeschlagen, es sei denn, man sah das Amt des Chefs eines Reichsgeneral- stabes als eine solche an. Seeckt, in dieser Zeit Chef des Stabes des AOK Nord, da gegen spricht in Notizen, die er am 24. März 1919 für die Reorganisationskommis sion entwarf, von der Notwendigkeit einer „lebendigeren und aktiveren Einfluß- 3 Nachlaß Seeckt Nr. 125. Das Protokoll ist unterschrieben von Frhr. v. Fritsch, dem späte ren Oberbefehlshaber des Heeres. 4 Ebenda, Blatt 12. Die Stellung des Chefs der Heeresleitung in den Anfängen der Republik 147 nahme der obersten Führung. Eine kommandoführende Spitze (Chef des Hee res) . ..5". Von der Dienststelle „Vertreter der OHL im Reichswehrausschuß" liegt eine Denkschrift „Zur Organisation der Obersten Reichsmilitärbehörden" vom 9. Mai 1919 vor6, die von dem Ergebnis der Besprechung bei der OHL ausgeht und die Auffassung Groeners wenigstens teilweise wiederzugeben scheint. Darauf deutet die Einstellung gegen ein „auf das Reich erweitertes preußisches Kriegsministe rium" sowie die Hervorhebung der Generalstabsarbeit unter „frühzeitiger und klarer Trennung der Arbeitsgebiete des Reichsgeneralstabes und des Reichsheeres amtes"7 hin. In der Denkschrift wird die Frage der Schaffung der Stelle eines Generalinspek teurs des Reichsheeres unter dem Reichswehrminister, entsprechend dem Chef der Admiralität, erörtert, jedoch darauf verzichtet, weil die Gefahr naheläge, „daß eine bedeutende, in der Schule des Heeres gebildete Persönlichkeit als Generalinspekteur sehr leicht in eine gegensätzliche Stellung zum Reichswehrminister geraten kann". Schließlich empfiehlt die Denkschrift die Bildung eines „Landesverteidigungs rates ", ein Gedanke, der aber von Groener persönlich in diesen Jahren an keiner anderen Stelle vertreten wird. Dieser Rat sollte dem Reichspräsidenten unmittelbar 5 Nach Friedrich von Rabenau, Seeckt — Aus seinem Leben 1918—1936, Leipzig 1940, S. 466. Diese Notizen sind nicht erhalten. Bei der Art Rabenaus, zu zitieren, ist deshalb gegenüber diesen Angaben Vorsicht geboten. 6 Nachlaß Groener Nr. 216. Vgl. den Aufsatz „Groeners Entwurf" von Dorothea Groener- Geyer, in: Die Gegenwart vom 13. 2. 1954, und D. Groener-Geyer, General Groener, Frankfurt a. M. 1953, S. 146. Die Verfasserin meint, Groener habe den „Entwurf" von „den Vertretern" der OHL beim Reichswehrausschuß der Nationalversammlung ausarbeiten und dem Ausschuß am 9. 5. 1919 vorlegen lassen. Frau Groener-Geyer weist darauf hin, daß „äußere Form, Inhalt und Diktion" das Gepräge ihres Vaters trügen und sagt: „Inhaltlich entspricht die Denkschrift bis in die Formulierungen hinein den Gedankengängen bzw. der Ausdrucksweise meines Vaters ..." (Mitteilung an den Verf. vom 23. 6. 1955.) Die Denk schrift hat den Kopf „Vertreter der OHL im Reichswehrausschuß —Berlin, den 9. Mai 1919 — Großer Generalstab" und ist unterschrieben I. V. von Hauptmann i. Großen Genst. Karmann, der im letzten Satz vermerkt: „Die vorliegende Bearbeitung ist gemeinsam mit Hauptmann im Generalstabe Krukenberg aufgestellt." Einen Hinweis auf eine Auftragserteilung durch Groener oder einen anderen Auftraggeber enthält die Denkschrift nicht. Ein Adressat ist nicht angegeben. Ein Anhalt dafür, daß die Denkschrift dem Reichswehrausschuß vorgelegt wurde, besteht nicht. Vielmehr scheint sie zum internen Gebrauch der OHL bestimmt gewesen zu sein, da der Unterzeichner darauf hinweist, daß sich die „Armeekommission" mit der Organi- sationsfrage „an erster Stelle zu befassen haben" werde, und vorschlägt, „schon jetzt die Ab teilung ,Fremde Heere' zu beauftragen, zu Vergleichszwecken das entsprechende Material anderer Armeen, vor allem Frankreichs, bereitzustellen", also eine Anregung innerhalb der OHL. Es ist daher wahrscheinlich, daß die Denkschrift dem Ersten Generalquartiermeister (Groener) vorgelegt wurde, worauf auch unter dem Kopf der handschriftliche Vermerk „S. E." (Seiner Exzellenz) hinweist. — „Groeners Entwurf" ist auch bereits in wissenschaftliche Dar stellungen einbezogen worden. Siehe z. B. K. D. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Repu blik, Stuttgart und Düsseldorf 1955, S. 248, Anm. 59. 7 Unter Reichsheeresamt wird hier die Nachfolge in den Verwaltungsaufgaben des bisheri gen preußischen