SIPPE UND F AMILIE IM E DICTUM R OTHARI

Hausarbeit

zurErlangungdesMagistergrades

der

PHILOSOPHISCHENFAKULTÄT

der

WestfälischenWilhelms-Universität

zu

Münster(Westf.)

vorgelegtvon

JörgMaxThom

Oldenburg(i.O.)

1999 INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

Einleitung ...... 1 1DerSippenbegriffdes19.undfrühen20.Jahrhunderts ...... 5 1.1DasAufkommendesSippenbegriffs ...... 5 1.2DarstellungdesSippenbegriffs ...... 7 1.2.1DieSippealsAbstammungsgemeinschaft ...... 7 1.2.2DieBedeutungderSippeinStaat 39 undGesellschaft ...... 10 1.2.3DiewirtschaftlicheBedeutungderSippe ...... 11 1.2.4DieBedeutungderSippeimRecht ...... 13

2DergegenwärtigeStandderForschungzurSippe ...... 15 2.1DieKritikamSippenbegriff ...... 15 2.1.1DieKritikanderTheoriederSippensiedlung ...... 15 2.1.2DieKritikamSippenbegriff ...... 17 2.2BedeutungderSippenachheutigemForschungsstand ...... 21

3DieFamiliebeidenGermanenderVölkerwanderungszeit ...... 24 3.1Forschungsstand ...... 24 3.2DieBedeutungderFamilieimRecht ...... 25

4.AnalysedesSippenbegriffsimEdictumRothari ...... 26 4.1.ZurQuelleEdictumRothari ...... 26 4.1.1FormaleAnalyse ...... 26 4.1.2Quellenbegriffe 191 ...... 28 4.2InhaltlicheAnalyse ...... 30 4.2.1Standeszugehörigkeit ...... 30 4.2.1.1UnterscheidungderStände ...... 30 4.2.1.2StandeszugehörigkeitvonNachkommen ...... 33 4.2.2EheundMunt ...... 36 4.2.2.1EherechtlicheBestimmungen ...... 36 4.2.2.2Munt ...... 41 4.2.3Erbrecht ...... 46 4.2.4InnersegmentäresStrafrecht ...... 52 4.2.4.1BestrafungeinerFrau ...... 52 4.2.4.2BestrafungeinesMannes ...... 55 4.2.5IntersegmentäresStrafrecht ...... 57 4.2.5.1Wergeld ...... 57 4.2.5.2Fehde 330 ...... 60 4.2.6Eideshilfe ...... 64

5.Exkurs:fara ...... 67 Schlussbetrachtung ...... 70 Quellen ...... 73 Literatur ...... 74 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ZEITSCHRIFTEN UND N ACHSCHLAGEWERKE

HRG=HandwörterbuchzurDeutschenRechtsgeschichte LexMA=LexikondesMittelalters ZRGGA=ZeitschriftfürRechtsgeschichte,GermanistischeAbteilung ZGO=ZeitschriftfürdieGeschichtedesOberrheins

ALLGEMEINE A BKÜRZUNGEN

Abt.=Abteilung Aufl.=Auflage Bd.=Band ders./dies.=derselbe/dieselbe Diss.=Dissertation Hg.=Herausgeber hrsg.von=herausgegebenvon ibidem=amangegebenenOrt Phil.-Hist.=Philosophisch-Historische Rez.zu=Rezensionzu S.=Seite ser.=Serie zit.als:=zitiertals -1-

EINLEITUNG

Der Inhalt der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der Bedeutung von Verwandtschaftsstrukturen, die möglicherweise unter dem Begriff „Familie“ zusammengefaßt werden können und wie sich eben diese Verwandtschaftstrukturen aus dem langobardischen Recht erschließen lassen. Die Darstellung erfolgt anhand einer Analyse der Normen der ältesten langobardischen Rechtsquelle, des „Edictum Rothari “1. Der Begriff der Sippe wurde im 19. und frühen 20. Jahrhundert zentraler Bestandteil in der historischen und rechtshistorischen Forschung bei der Untersuchung und Erklärung der germanischen Gesellschaft der Frühzeit und der Gesellschaften der germanischen Königreiche des frühen Mittelalters. Dabei fand der Sippenbegriff in der rechtshistorischen Forschung vor allem in den Arbeiten Heinrich Brunners 2 die entscheidendeAusformung. Die Kritik, die in der Mitte dieses Jahrhunderts vor allem von Felix Genzmer und Karl Kroeschell 3 geäußert wurde, führte soweit zu einer weitreichenden Neubewertung der Stellung der Sippe in den germanischen Gesellschaften und vor allem im Recht, daß der Sippenbegriffdes19.undfrühen20.JahrhundertszumindestinderRechtsgeschichteim wesentlichen als überwunden betrachtet werden kann. Der Widerspruch, den Genzmers und Kroeschells Arbeiten erfahren haben, wies allerdings zu Recht darauf hin, daß die Quellenbasis der beiden Untersuchungen recht schmal sei. 4 Die Kritik am Sippenbegriff an einer rechtshistorischen Quelle nachzuvollziehen, blieb anderen überlassen.

1 Im deutschen Sprachraum ist es teilweise bis heute üblich, vom Edictus Rothari zu sprechen. Diese Bezeichnung ist seit der Edition der langobardischen Gesetze durch Friedrich Bluhme gebräuchlich (Friedrich Bluhme: Leges Langobardorum, in: Monumenta Germaniae Historica, Bd. 4, unveränderter Nachdruck der Ausgabe Hannover 1868, Stuttgart 1984, S. X, Anm. 12). Nach Bengt Löfstedt ist aber nicht die maskuline Form edictus die richtige Schreibweise des Titels, sondern das grammatikalisch korrekteNeutrum edictum .ZudemkommtdieSchreibweise edictum alsSelbstbezeichnungindenQuellen häufiger vor als edictus (Bengt Löfstedt: Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze. Beiträge zur frühmittelalterlichen Latinität (Acta Universitatis Upsaliensis. Studia Latina Upsaliensia, Bd. 1), Diss. Uppsala,Stockholm/Göteborg/Uppsala1961,S.232,Anm.2). 2 Heinrich Brunner: Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, in: ZRG GA 3 (1882), S. 1 – 101 [zit. als: Brunner, Sippe]. Der.: Deutsche Rechtsgeschichte, 1. Bd, 2. Aufl., Berlin 1906 [zit. als: Brunner, Rechtsgeschichte]. 3 Felix Genzmer: Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, in: ZRG GA 67 (1950), S. 34 – 49 [zit. als: Genzmer, Sippe]. Karl Kroeschell: Die Sippe im germanischen Recht, in: ders.: Studien zum frühen und mittelalterlichen Recht (Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Bd. 20), Berlin 1995,S.13–34(auch:ZRGGA77(1960),S.1-25[zit.als:Kroeschell,Sipppe]. 4 Walter Schlesinger: Randbemerkungen zu drei Aufsätzen über Sippe, Gefolgschaft und Treue, in: Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Bd. 1: Germanen, Franken, Deutsche, Göttingen 1963, S. 286 – 334, insbes. S. 286 - 293 (auch in: Festschrift Otto Brunner. Alteuropa und moderneGesellschaft,Göttingen1963,S.11–59). -2-

Alexander Callander Murray 5 untersuchte die Lex Salica und konnte anhand dieser normativen Quelle den Sippenbegriff des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ebenfalls nicht bestätigen. Eingedenk der Tatsache, daß Rückschlüsse von den Verhältnissen eines germanischen Volkes auf ein anderes problematisch sind 6, ist es erforderlich, weitere Quellen zu untersuchen, um festzustellen, ob sich der traditionelle Sippenbegriff anihnenverifizierenoderfalsifizierenläßt. Eine solche Untersuchung soll in dieser Arbeit für die Langobarden mittels einer weiterennormativenQuelle,dem EdictumRothari ,vorgenommenwerden.Das Edictum Rothari ist die älteste 7 und umfangreichste unter den langobardischen Rechtsaufzeichnungen. Erlassen wurde es am 22. November des Jahres 643 vom langobardischen König Rothari (636 - 653) 8. Es basierte auf einer Befragung Rechtskundiger und wurde von der langobardischen Heeresversammlung zu Pavia angenommen und bekräftigt. 9 Bis zur Eroberung des langobardischen Königreiches durch Karl den Großen im Jahre 774 erfolgten mehrere Ergänzungen und Veränderungen des Edikts durch jahresweise Satzungen der Nachfolger Rotharis, vor allemdurchLiutprand(712–744). 10 Das Edictum Rothari bildet einen geschlossenen Bestand an Gesetzen, die unter der Herrschaft eines Königs, in diesem Falle des Rothari, Rechtskraft besaßen und auf dem Wege der Verschriftlichung gefestigt wurden. Es eignet sich besonders gut für eine Untersuchung des Sippenbegriffs, da es einen historischen Querschnitt durch alle Lebensbereiche, die vom Recht betroffen sind, bietet. Es ist zugleich die älteste langobardische Rechtsaufzeichnung und bietet damit die früheste Einsicht in Lebensbereiche,dievonhistoriographischenQuelleninderRegelnichterfaßtwerden.

5 Alexander Callander Murray: Germanic Kinship Structure. Studies in Law and Society in Antiquity and the Early Middle Ages (Pontifical Institute of Mediaeval Studies. Studies and Texts, Bd. 65), Toronto 1983 6 Wilhelm Grönbech dazu: „Es ist absolut kein Grund, anzunehmen, daß die Norweger und die Dänen, die Langobarden und die Angelsachsen jemals genau dieselben sozialen und gesetzlichen Sitten hatten.“ (KulturundReligionderGermanen,2Bde,12.,unveränderteAufl.,Darmstadt1997,Bd.1,S.389). 7 Der Versuch Bruno Paradisis, dem bekannten Edictum noch eine andere Rechtsaufzeichnung Rotharis vorzuschalten (Il prologe e l’epiloge dell’Editto di Rothari, in: Studia et documenta historiae et iuris 43 (1968), S. 1 - 31), kann als gescheitert betrachtet werden. Dazu: Gerhard Dilcher: Gesetzgebung als Rechterneuerung. Eine Studie zum Selbstverständnis der mittelalterlichen Leges, in: Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte. Festschrift für Adalbert Erler zum 70. Geburtstag, Aalen 1976, S. 13 – 35, insbes. S. 20 - 24 [zit. als: Dilcher, Gesetzgebung] und Clausdieter Schott: Der Stand der Leges-Forschung, in: FrühmittelalterlicheStudien13(1979),S.29–55[zit.als:Schott,Stand]. 8InderälterenForschungalsKönigRotharbezeichnet. 9 Ed. Roth. INCIPIT, Ro. 386 „Praesentem vero dispositionis nostrae edictum [...] antiquas legis patrum nostrorum quae scriptae non erant, condedimus, et, quod pro commune omnium gentis nostrae utilitatibus expediunt, pari consilio parique consensum cum primatos iudices, cunctosque felicissimum exercitum nostrum augentes constituimus [...]“ und Ro. 388. Dazu: Bluhme, Leges S. X. Franz Beyerle: DieGesetzederLangobarden,Weimar1947,S.X[zit.alsBeyerle,Gesetze]. 10 Beyerle, Gesetze, S. XIV – XVI. Gerhard Dilcher: Langobardisches Recht, in: HRG, Bd. 2, Berlin 1978,Sp.1607-1618[zit.als:Dilcher,Recht]. -3-

Nicht betrachtet werden sollen die Novellen der Nachfolger Rotharis sowie die Gesetze und Kapitularien der Herzöge von Benevent und der fränkischen und deutschen Könige und Kaiser, die nach dem Verlust der Selbständigkeit im Jahre 774 für das langobardische Königreich erlassen wurden, da die Veränderungen, die im Laufe der Zeit am Bestand des Edikts vorgenommen wurden, den erwähnten historischen Querschnitterschwerenwürden. Die entscheidenden Fragen sind: Inwieweit kann die Untersuchung des Edikts zusätzliche Argumente bei der weiteren Einschränkung des traditionellen Sippenbegriffs bieten? Kann der Begriff der „Familie“ eine Alternative für den Sippenbegriff darstellen? In Kapitel 1 dieser Arbeit wird die Entstehung und der Inhalt des traditionellen Sippenbegriffs erläutert. Kapitel 2 wird die Kritik am Sippenbegriff des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und den gegenwärtigen Forschungsstand darstellen. Kapitel 3 wird den Begriff der „Familie“ definieren und den Forschungsstand bezüglich der Familie und ihre Bedeutung im Recht umreißen. Diese drei Kapitel dienen dazu, den Forschungsgegenstandzuumreißenundeinzugrenzen. Zu Beginn des vierten Kapitels werden zunächst die Quellenbegriffe der wichtigsten verwandtschaftlichen Beziehungen definiert, bevor eine inhaltliche Analyse vorgenommen werden kann. Die Analyse wird an folgenden Rechtsbereichen vorgenommen: am Anfang sollen die Normen betrachtet werden, in denen die Standeszugehörigkeit aufgrund der Abstammungsverhältnisse geregelt wird. Ehe und Munt sind zwei eng miteinander verwobene Rechtsbereiche, die anschließend untersucht werden sollen. Das Erbrecht ist der Bereich, in dem sich die Bedeutung der Verwandtschaft am ehesten nachweisen läßt. Deshalb wird auch das Erbrecht eine Rolle in dieser Untersuchung spielen. Die Strafbefugnis der Verwandtschaft im innersegmentären Strafrecht 11 ist an den Normen des Edikts anschließend nachzuweisen, während im intersegmentären Strafrecht der Einfluß der Verwandtschaft vom Willen des Königs zur Friedenswahrung abzugrenzen sein wird. Die Funktion der Verwandten alsEideshelferbildetdenAbschlußderUntersuchung. Ziel der Analyse ist es, mit Hilfe der Interpretation von Normen des Edikts einen Beitrag zur Überwindung der Brunnerschen Sippentheorie zu leisten. Die Untersuchung

11 Der Begriff von der „segmentären Gesellschaft“ stammt vom Emile Durkheim (1858 - 1917) (Über die Teilung der sozialen Arbeit, Frankfurt am Main 1977, S. 215 – 222). Dazu: Uwe Wesel: Frühformen des Rechts in vorstaatlichen Gesellschaften. Umrisse einer Frühgeschichte des Rechts bei Sammlern und JägernundakephalenAckerbauernundHirten,FrankfurtamMain1985,S.211-214. -4- wird erweisen, daß der Sippenbegriff, der in der Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhundertsentstandenist,nirgendsinderQuelle EdictumRothari vorkommt. Als Exkurs soll zum Schluß der Begriff fara untersucht werden, obwohl er nicht zur rechtshistorischenMateriedereigentlichenAnalysegehörtundim Edictum nurineinem Gesetz vorkommt 12 , jedoch von der Literatur vielfach als Beleg für die traditionelle Sippentheorieaufgefaßtwurde.

12 Ro.177. -5-

1D ER S IPPENBEGRIFF DES 19. UND FRÜHEN 20.J AHRHUNDERTS

1.1D AS A UFKOMMEN DES S IPPENBEGRIFFS

Der Ausdruck „Sippe“ ist für die Frühzeit und das Mittelalter in vielen germanischen Sprachen nachzuweisen, bedeutet ursprünglich „Friede“ oder „friedlich lebende Gemeinschaft“ und nimmt im Laufe des Frühmittelalters die Bedeutung „Verwandtschaft“ an. Mit diesem Bedeutungswandel verschwindet der Ausdruck in allen Sprachen, im Deutschen bleibt der negativ besetzte Ausdruck „Sippschaft“. Der Ausdruck „Sippe“ ist in der deutschen Sprache erst im 18. Jahrhundert wiederzufinden. 13 In der rechtshistorischen Literatur erscheint der Begriff „Sippe“ zuerst in der ersten Auflage von Jacob Grimms „Germanischen Rechtsalterthümern“, allerdings eher beiläufig im Abschnitt über Erbrecht: „Sippe , ahd. sibbja, sibba, ags. sib (gen. sibbe) bedeutet eigentlich friede, freundschaft, wie wir noch heute [i.e 1828 (J.M.T.)] letzteren ausdruck zugleich für verwandtschaft gebrauchen; [...]“. 14 Im Kapitel über „liegendes eigen“ entwickelt Grimm im Zusammenhang mit dem Begriff der „Nachbarschaft“ die Grundlage des rechtshistorischen Sippenbegriffs des 19. und frühen 20. Jahrhunderts: „sippe und nachbarschaft stifteten das natürlich band unter freien männern, aus ihnen entsprang erbrecht, blutrache, gegenseitiger schutz, gleiches recht und gericht, aus ihnen kannmanauchdieältestegemeinschaftdesgrundeigentumsleiten.“ 15 .

13 [Friedrich] Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23., erweiterte Aufl., bearbeitet von Elmar Seebold, Berlin/New York 1999, S. 765 [zit. als: Kluge, Wörterbuch]. Siehe auch: Stichworte „Sippe“, „Sippen“, „Sippschaft“ in: Jacob Grimm; Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, 1. Abt., Leipzig 1905, Sp. 1223 - 1229 [zit. als: Grimm, Wörterbuch]. Günther Nierenz: Die Sippe, sprachgeschichtlich und rechtsgeschichtlich untersucht, in: Genealogie, 31./32. Jahrgang, 16 (1982/83), S. 694 – 703; 737 – 747. Carola L. Gottzmann: Sippe, in: Sprachwissenschaft 2 (1977), S. 217 – 258. Frank Heidermanns: Etymologisches Wörterbuch der germanischen Primäradjektive (Studia Linguistica Germanica,Bd.33),Diss.Köln1990,Berlin/NewYork1993,S.472f. 14 JacobGrimm:DeutscheRechtsalterthümer,Bd.1,1.Ausgabe,Göttingen1828,S.467[kursiveStellung und Abkürzungen von J. Grimm] [zit. als: Grimm, Rechtsalterthümer, 1. Ausg.]. Zu den Anfängen der Sippentheorie: Kroeschell, Sippe, S. 21 – 23. Allgemein dazu: Kroeschell, Karl: Die in der deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichte, in: ders.: Studien zum frühen und mittelalterlichen Recht (Freiburger Rechtsgeschichtlche Abhandlungen, Neue Folge, Bd. 20), Berlin 1995, S. 89 - 110 (auch in: Beiträge zum Verständnis der Germania des . Bericht über die Kolloquien der Kommission für die Altertumskunde Nord- und Mitteleuropas in Jahr 1986, hrsg. von und Dieter Timpe, Teil 1 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-Hist. Klasse, Dritte Folge, Nr. 175), Göttingen 1989, S. 198 – 215) [zit. als Kroeschell, Germania]. Zu Grimms „Rechtsalterthümern“: Ruth Schmidt-Wiegand: Goldmine oder Steinbruch? Die „Rechtsalterthümer“ Jacob Grimms im Urteil unserer Zeit, in: Jahrbuch der Brüder Grimm-Gesellschaft 1 (1991), S. 99 – 116 (auch: Marburger Universitätsreden,Bd.15,Marburg1991). 15 Grimm,Rechtsalterthümer,1.Ausg.,Bd.2,S.6. -6-

Karl Friedrich Eichhorn erläutert ebenfalls im Zusammenhang mit dem Erbrecht in seiner „Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte“ die Bedeutung von Sippe als „Frieden“ und „Verwandtschaft“. 16 Diese Wiederentdeckung der Mehrdeutigkeit des Wortes „Sippe“ eröffnete ein neues Bedeutungsfeld für diesen Ausdruck, das über die rein verwandtschaftlichen Verhältnisse hinausging, indem man „Sippe“ nun auch als „Friedensgemeinschaft“auffassenkonnte. Alexander von Daniels kommt in seinem „Handbuch der deutschen Reichs- und Staatenrechtsgeschichte“ bei der Beschreibung der älteren Zustände der Verfassung noch ohne den Begriff „Sippe“ aus. 17 Heinrich Gottfried Gengler erwähnt die Sippe in seinem „Deutschen Privatrecht“ nur im Zusammenhang mit dem Erbrecht. 18 In seiner „Deutschen Rechtsgeschichte“ 19 löst Gengler den Ausdruck „Sippe“ schon als „Friedensgemeinschaft“ auf. Auch andere Autoren machen von dem vorgeschlagenen BedeutungsfeldGebrauch,soHeinrichZoepflinseiner„DeutschenRechtsgeschichte“ 20 . Die Ausdrücke „Sippe“ und „Geschlecht“ werden häufig synonym verwendet, wobei sich die „Sippe“ im Laufe des 19. Jahrhunderts durchsetzt. Otto Gierke behandelt die „Sippe“ bzw. das „Geschlecht“ in seinem „Deutschen Genossenschaftsrecht“ sehr ausführlich 21 , während Johann Friedrich (Ritter von) Schulte in seinem „Lehrbuch der deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte“ die Sippe nur kurz streift, aber schon auf ihre Bedeutung als die Abstammungsgemeinschaft 22 zu sprechen kommt. 23 Heinrich von Sybel spricht in seiner „Entstehung des deutschen Königtums“ zwar von Geschlechtern, meint aber das selbe. 24 Auch Konrad Maurer schreibt in seinem Aufsatz „Über angelsächsische Rechtsverhältnisse“ ebenfalls nur von Geschlechtern, die aber ähnliche FunktionenerfüllenwiebesagteSippen. 25

16 Karl Friedrich Eichhorn: Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, 5., verbesserte Auflage, Teil 1, Göttingen1843,S.312Anm.a. 17 A[lexander] von Daniels: Handbuch der deutschen Reichs- und Staatenrechtsgeschichte, Teil 1: GermanischeZeit,Tübingen1859,S.313–322. 18 Heinrich Gottfried [Phillip] Gengler: Das Deutsche Privatrecht, in seinen Grundzügen für Studierende erläutert, 4., verbesserte Aufl., Erlangen/Leipzig 1892, S. 639 – 643 [zit. als: Gengler, Privatrecht]. [Die ersteAuflagevon1856standleidernichtzurVerfügung.(J.M.T.)] 19 Heinrich Gottfried Gengler: Deutsche Rechtsgeschichte im Grundrisse, Heft 2, Erlangen 1850 [zit. als: Gengler,Rechtsgeschichte]. 20 HeinrichZoepfl:DeutscheRechtsgeschichte,Bd.2,4.Aufl.,Braunschweig1872,S.1f. 21 Otto Gierke: Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1: Rechtsgeschichte des deutschen Genossenschaftsrechts,Berlin1868,S.14–28. 22 SieheKap.1.2.1. 23 Johann Friedrich (Ritter von) Schulte: Lehrbuch der deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte, Stuttgart 1861,S.26f. 24 Heinrich von Sybel: Entstehung des deutschen Königtums, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1881, S. 1 – 70. DieAusdrücke„Geschlecht“und„Sippe“werdenvonSybelteilweisesynonymverwendet. 25 Konrad Maurer: Ueber angelsächsische Rechtsverhältnisse, in: Kritische Ueberschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 1 (1853), S. 47 – 120 und S. 405 - 431, insbes. S. 52 – 62, fortgesetzt in: Kritische Ueberschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 3 (1856), S. 26 –61[zit.als:Maurer,Rechtsverhältnisse]. -7-

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlangt der Sippenbegriff die Ausformung, die Kroeschell die „klassische Lehre von den Sippenverbänden“ nennt. 26 Heinrich Brunner entwickelt in seiner „Deutschen Rechtsgeschichte“ eine Theorie, die trotz Kritik bis in dieMittedes20.Jahrhundertsbestehenbleibensollte. 27 In der von Andreas Heusler und Rudolf Hübner überarbeiteten vierten Ausgabe von Jacob Grimms „Deutschen Rechtsaltertümern“ von 1899 nimmt der Sippenbegriff nun einen breiteren Raum ein. Im bereits zitierten Abschnitt über das Erbrecht ist eine kurze ZusammenfassungderSippentheorieeingeflochten. 28

1.2D ARSTELLUNG DES S IPPENBEGRIFFS

Der von Heinrich Brunner entwickelte Sippenbegriff macht am Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Schule. Im folgenden soll die Theorie von den Sippen bzw. Geschlechtern bis zu ihrer Revision in der neueren Forschung dargestelltwerden.

1.2.1D IE S IPPE ALS A BSTAMMUNGSGEMEINSCHAFT

Die „Sippe“ als Gemeinschaft der Verwandten oder als Abstammungsgemeinschaft zu verstehen, deckt sich mit dem Bedeutungsfeld „Verwandtschaft“, das dem Begriff „Sippe“innewohnt. 29 Nach Ansicht der (rechts-) historischen Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gab es zwei Arten von Sippe. Jeder Germane sei Mitglied einer Sippe gewesen, die ihre Abstammung und damit auch Identität von einem gemeinsamen Vorfahren hergeleitet habe. Die Abstammung wurde agnatisch, d.h. ausschließlich von den männlichen Vorfahren, sog. „Vater-“, „Speer-“, „Ger-“ oder „Schwertmagen“, hergeleitet. Dieser Verband wurde „feste“, „geschlossene“ oder „engere“ Sippe genannt. Dabei habe jede Person nur einer Sippe angehören können, in die man hineingeboren worden sei und die man auch nicht habe wechseln könnten. 30 Diese feste Sippe wurde für Sippenstrafrecht,

26 Kroeschell,Sippe,23. 27 Heinrich Brunner: Deutsche Rechtsgeschichte, 1. Aufl., Leipzig 1887, S. 81 – 95; 2. Aufl. Leipzig 1906, S. 110 – 133 [zit. als: Brunner Rechtsgeschichte, im folgenden wird stets nach der 2. Aufl. zitiert]. Auch noch in der durch Frhr. v. Schwerin besorgten 8. Aufl. der Kurzfassung seines Handbuches: Brunner, Heinrich: Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 8. Aufl., nach dem Tode des Verfassers besorgt von Claudius Freiherr von Schwerin, München/Leipzig 1930 [zit. als: Brunner, Grundzüge]. Dazu:Kroeschell,Germania,S.211f. 28 Grimm,Rechtsalterthümer,4.Ausg.,Bd.1,S.642–648. 29 Kluge,Wörterbuch,S.765.Grimm,Wörterbuch,Bd.10,Sp.1223–1226. 30 Brunner, Rechtsgeschichte, S. 111 – 117. Heinrich Rosin: Der Begriff der Schwertmagen in den Rechtsbüchern unverwandten Quellen des deutschen Mittelalters, Breslau 1877. Siegfried Rietschel: Sippe, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, hrsg. von Johannes Hoops, Bd. 4, Straßburg -8-

Sippengerichtsbarkeit, Mund 31 und die Bildung militärischer Einheiten 32 verantwortlich gemacht. Da dieses Modell der „festen“ oder „geschlossenen“ Sippe zahlreiche Erscheinungen, wie etwa die Teilnahme von Verwandten mütterlicherseits an der Blutrache, nicht erklären konnte, behalf man sich mit dem Ausdruck der „wechselnden“ oder „offenen“ Sippe, zu der auch Verwandte der weiblichen Seite, die sog. „Mutter-“, „Kunkel-“, „Spill-“, oder „Spindelmagen“ gezählt wurden. Damit konnte, so der damalige Forschungsstand, eine Person verschiedenen Sippen angehören, wobei allerdings die SippedesVatersdominantblieb. 33 Der Grad der Verwandtschaft und damit die Zugehörigkeit zu einer Sippe, soll bei den einzelnen Stämmen unterschiedlich behandelt worden sein. Verallgemeinert kann man sagen, daß zu einem engeren Kreis von Verwandten Vater, Mutter und Geschwister gezählt, während Großeltern, Neffen, Enkel, Urenkel und dergleichen zum weiteren Kreis der „Magschaft“ (d.h. Verwandtschaft) gerechnet wurden. Die angenommene Zugehörigkeit zur Verwandtschaft endete logischerweise an einer Grenze, an der eine Blutsverwandtschaft nicht mehr festgestellt werden konnte. 34 Auch heute noch in der Forschung akzeptiert ist die augenfällige Betonung der durch die Germanen vorgenommenen Abzählung der Verwandtschaftsgrade im Erbrecht. 35 Die Systeme, nach denen dort der Grad der Verwandtschaft bestimmt wurde, waren sehr vielfältig. Es

1918/19, S. 181 – 184; insbes. S. 182. Karl von Amira: Germanisches Recht, Bd. 2, 4. Aufl., ergänzt von Karl August Eckhardt (Grundriß der germanischen Philologie, Bd. 5/2), Berlin 1967, S. 64 – 66 [zit. als: Amira, Recht]. Zu diesem Thema: Genzmer, Sippe S. 34f. Karl Kroeschell: Sippe, in: LexMA, Bd. 7, München 1995, Sp. 1934f. [zit. als: Kroeschell in LexMA]. Josef Fleckenstein: Agnatio, in: LexMA, Bd. 1, München/Zürich 1980, Sp. 211. H. - R. Hagemann: Agnaten, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 61 – 63 977 [zit. als: Hagemann, Agnaten]. G. Hanard: Familia, domus, dot ou l’insaissable famille romain. Des origines aux Sévères, in: Mélanges Fritz Sturm, offerts par ses collègues et ses amis à l’occasion de son soixante-dixième anniversaire, hrsg. von Jean-François Gerkens; Hansjörg Peter; Peter Trenk- Hinterberger;RogerVigneron(FacultédeDroitdeLausanne),Liège1999,S.205-223. 31 SieheKap.1.2.4. 32 SieheKap.1.2.2. 33 Brunner, Rechtsgeschichte, S. 111 – 117. Sybel, S. 37 – 41. Wird auch noch vertreten von: Hans Planitz: Deutsche Rechtsgeschichte, 2. Aufl., bearbeitet von Karl August Eckhardt, Graz/Köln 1961, S. 52.Dazu:Genzmer,Sippe,S.34f. 34 Brunner, Rechtsgeschichte, S. 114 - 117. Felix Genzmer: Staat und Gesellschaft in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, in: Germanische Altertumskunde. Eduard Schröder zum 80. Geburtstag, Hermann Schneider verbesserter Nachdruck der 1. Aufl. 1938, München 1951, S. 123 – 170, insbes. S. 129 [zit. als: Genzmer, Staat]. Julius Ficker: Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgermanischen Rechte, Bd. 1 (Ders.: Untersuchungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1), Innsbruck 1891, S. 474 – 531. Claudius Freiherr von Schwerin: Germanische Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Berlin 1943, S. 20f. [zit. als: Schwerin, Rechtsgeschichte]. Ulrich Joachim Mader: Sippe und Gefolgschaft bei Tacitus und in der westgermanischen Heldendichtung. Diss. Kiel 1940, Würzburg 1940, S. 12 – 20. Richard von Kienle: Germanische Gemeinschaftsformen (Deutsches Ahnenerbe, Reihe B: Fachwissenschaftliche Untersuchungen, Abt. Arbeiten zur Germanenkunde, Bd. 4), Stuttgart 1937, S. 14 - 18. Karl von Amira: Erbenfolge und Verwandtschafts-Gliederung nach den alt-niederdeutschen Rechten, München 1874 [zit. als:Amira,Erbenfolge].Grönbech,Bd.1,S.371-390.SieheauchKap.4.2.3. 35 Die Positionierung der Sippe in den Abschnitten über Erbrecht bei Jacob Grimm und Karl Friedrich EichhornistfolglichkeinZufall.SieheauchKap.1.1. -9- wurde nach Knieen, Vetternschaften, Geschwisterschaften, nach der längsten Linie und dergleichen gezählt. Gemeinsam ist allen Systemen jedoch, daß der Grad der Verwandtschaft nicht nur für eine Erbschaft oder Erbfolge von Bedeutung war, sondern auch für das Ausmaß der Rechte und Pflichten, die eine Person seinen Verwandten gegenüber besaß. Den genauen Umfang einer Sippe zu bestimmen, war praktisch unmöglich, da die Grenzen fließend waren und sich der Kreis der als zugehörig betrachtetenPersonenständigänderte. 36 Neben der Zugehörigkeit zu einer Sippe durch Blutsverwandtschaft wurde auch noch noch die Möglichkeit angenommen, einer Sippe durch Geschlechtsleite beitreten zu können. Dabei sei eine Person förmlich in die Sippe aufgenommen worden, deren Zugehörigkeit zu der aufnehmenden Sippe zuvor nicht festgestanden habe, weil sie z.B. unehelichgeborenoderfreigelassenwordensei. 37 Weiterhin wurden neben der erwähnten Form noch andere Möglichkeiten der künstlichen Verwandtschaft, Wahlkindschaft bzw. Adoption, Waffensohnschaft, Wahl-, Bluts- oder Schwurbrüderschaft vermutet, die aber nicht in diesen Kontext gehören, da sie keine Sippenzugehörigkeit begründeten, sondern nur ein persönliches Verhältnis zwischen den beteiligten Personen gefestigt haben sollten. Eine Teilnahme der aufgenommen Person an einer Gemeinschaftaktion der Sippe, z.B. Blutrache, habe sich formell nur über das persönliche Verhältnis zu einem Angehörigen der agierenden Sippe,nichtzuderSippealsGanzesbegründet. 38

36 Die Systeme im Detail zu erläutern, ist hier nicht der Platz. Dazu: Ficker, 277 – 474. Schwerin, Rechtsgeschichte, S. 21. Kienle, 25f. Andreas Heusler: Institutionen des deutschen Privatrechts, Bd. 2 (Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft, 2. Abt., Teil 2, Bd. 2), Leipzig 1886, S. 586 – 607 [zit. als: Heusler, Institutionen]. Karl Lamprecht: Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Untersuchungen über die Entwicklung der materiellen Kultur des platten Landes auf Grund der Quellen zunächst des Mosellandes, Bd. 1: Darstellung, Leipzig 1886, S. 36 – 42 [zit. als: Lamprecht, Wirtschaftsleben]. 37 Max Pappenheim: Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Recht, in: ZRG GA 29 (1908), S. 305–333;insbes.S.307–315[zit.als:Pappenheim,Verwandtschaft].Brunner,Rechtsgeschichte,131f. 38 Pappenheim, Verwandtschaft, S. 315 – 333. Amira, Recht, S. 69f. Brunner, Rechtsgeschichte, 132. Zoepfl, Bd. 2, S. 52 – 58. Genzmer, Staat, S. 133 – 135. Heutiger Forschungsstand bezüglich persönlicher Beziehungen zu einer Personengruppe: Hans Kuhn: Philologisches zur Adoption bei den Germanen, in: ZRG GA 65 (1947), S. 1 – 14. Bernhard Jussen: Patenschaften und Adoption im frühen Mittelalter. Künstliche Verwandtschaft als soziale Praxis (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 98), Göttingen 1991. Irene Wiebrock: Die Sippe bei den Germanen der Frühzeit bis zum Ausgang der Völkerwanderung – eine Untersuchung anhand der schriftlichen Quellen. Diss. Marburg 1979,Würzburg1979,S.53–60. -10-

39 1.2.2D IE B EDEUTUNG DER S IPPE IN S TAAT UND G ESELLSCHAFT

Die Institution Sippe wurde als älter als der Staat behauptet. Sie sei der Träger der Macht und allen Rechts gewesen. Sie habe je nach Sichtweise eine Konkurrenz zum Staate 40 , eine Untergliederung des Staates oder den Kern des Staatsaufbaus dargestellt, wobei die Macht nur von der Sippe an den Staat delegiert wurde bzw. „der Staat aus der Sippe“ 41 herausgewachsensei. Die Sippe sei ebenso von großer Bedeutung für die innere Gliederung der germanischen Gesellschaft gewesen. Während der traditionelle Sippenbegriff von einer Gleichheit der Sippengenossen ausging, wurde der Sippe in der Zwischenkriegszeit und während des Dritten Reiches noch zusätzlich eine strenge Hierarchie zugesprochen, die sich in der neugefundenen Figur des Sippenältesten, -oberhauptes, oder –führers niederschlug. Dieser Sippenälteste war es nun, dem zahlreiche Führungsfunktionen zugeschrieben wurden. Er habe Klage erhoben, führte die Sippe in der Fehde und habe allgemein die GeschickederSippebestimmt. 42 Der einzelne Germane habe ohne Sippenzugehörigkeit praktisch nicht existieren können. Als Sippeloser habe er niemanden gehabt, der für ihn einstand, ihn vor Gericht unterstützteoderihnrächte. 43 Da die Sippe als konstituierender Bestandteil der germanischen Gesellschaft aufgefaßt wurde, war es folgerichtig, ihr auch eine Bedeutung im Wehrwesen zuzuweisen. Die wehrfähigen Männer einer Sippe unterstützten sich, in der Sicht der damaligen Forschung, nicht nur gemeinsam in der Fehde, sie zogen auch gemeinsam in den Krieg, standen in der Schlacht beieinander. Als Beleg für diese Annahme galt eine Textstelle bei Tacitus‘ Germania , „[...] non casus nec fortuita conglobatio turmam aut cuneum facit, sed familiae et propinguitates. “44 Diese Stelle ist Grundlage für die Annahme, daß

39 Die Frage, ob die Germanen bereits einen Staat hatten oder im Laufe der Völkerwanderung erst noch ausbildeten, kann hier leider nicht diskutiert werden. Dieses Kapitel geht vom Diskussionsstand der Autorendes19.undfrühen20.Jahrhundertsaus,dersichsehrunterschiedlichdarstellt. 40 Karl Lamprecht: Deutsche Geschichte, 1. Abt.: Urzeit und Mittelalter, Bd. 1, 6., unveränderte Aufl., Berlin1920,S.179–187[zit.als:Lamprecht,Geschichte].Lamprecht,Wirtschaftsleben,S.19f. 41 Hermann Conrad: Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1: Frühzeit und Mittelalter, 2., neubearbeite Aufl., Karlsruhe 1962, S. 12. Conrads Handbuch vertritt trotz seines späten Erscheinungsdatums immer noch die traditionelleSicht. 42 Mader, S. 20f. Kienle, S. 24f. Ernst Mayer: Germanische Geschlechterverbände und das Problem der Feldgemeinschaft, in: ZRG GA 44 (1924), S. 52 – 64 [zit. als: Mayer, Geschlechterverbände]. Herbert Meyer: Rasse und Recht bei den Germanen und Indogermanen (Forschungen zum deutschen Recht, Bd. 2, Heft3),Weimar1937,S.74[zit.als:Meyer,Rasse]. 43 SieheauchKap.1.2.4.Dazu:Lamprecht,Geschichte,S.181. 44 Tacitus,Germania,c.7.Dazu:RudolfMuch:DieGermaniadesTacitus,3.,beträchtlicherweiterteAufl., unter Mitarbeit von Herbert Jankuhn, hrsg. von Wolfgang Lange, Heidelberg 1967, S. 161. Karl Müllenhoff: Die Germania des Tacitus, neuer, vermehrter Abdruck, besorgt durch Max Roediger (Ders.: DeutscheAltertumskunde,Bd.4),Berlin1920,S.201f. -11-

Sippen ganze Heeresabteilungen stellten. 45 Ebenso hat man die langobardische fara als SippeundHeeresabteilunggedeutet. 46 Die Sippe wurde ebenso als eine Kultgemeinschaft gedeutet. Ausgehend von dieser Deutung einer Verehrung gemeinsamer Vorfahren, sollte jede Sippe ihren Kultus besessen haben. 47 Der Totenkult soll dabei eine wichtige Rolle gespielt haben, da der Tote nach landläufiger Auffassung die Sippe nicht verlassen habe, sondern über seinen Tod hinaus gegenwärtig geblieben gewesen sein soll. 48 Er sei so ein Mitglied der Sippe geblieben und habe seine noch lebenden Sippengenossen unterstützt, indem er ihnen u. a.imTraumerschienenseiunddenrechtenWeggewiesenhabe. 49

1.2.3D IE WIRTSCHAFTLICHE B EDEUTUNG DER S IPPE

Die Germanen erwirtschafteten ihren Lebensunterhalt im wesentlichen mit Ackerbau und Viehzucht. Tacitus und Caesar berichten an einigen Stellen von einem gemeinschaftlichen Besitz an zu bearbeitendem Boden, und daß die Flächen regelmäßig gewechselt worden seien. 50 Die von Caesar genannten gens cognatioque , üblicherweise mit „Sippen“ übersetzt, teilten sich eine Feldflur. Die Angehörigen einer Sippe hätten demnach kein eigenes Land besessen; es sei Gemeinschaftsbesitz geblieben. Die Sippe wurde somit von der Forschung des 19. Jahrhunderts als Träger der „Markgenossenschaft“ ausgemacht. Dabei hätten die gleichberechtigten Genossen jährlich die landwirtschaftliche Anbaufläche zu gleichen Teilen unter den Hausvorständen aufgeteilt. Diese Flächen seien dabei im gemeinsamen Besitz der Beteiligten geblieben. Die Genossenschaft habe auch die gemeinsame Nutzung des nichtbebauten Landes, Wald, Heide, Moor und Gewässer geregelt, für die der Ausdruck

45 Hans Delbrück (Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte, 2. Teil: Die Germanen,Berlin1921,S.5)willdasaberaufganzeDorfgemeinschaftenausgeweitetwissen.Auchdazu: Wilhelm Arnold: Deutsche Urzeit, 3. Aufl., Gotha 1881, S. 287 und S. 316f. [zit. als: Arnold, Urzeit]. Brunner,Rechtsgeschichte,S.118f.Conrad,S.20f.Genzmer,Sippe,S.37-41.Wiebrock,S.93–95. 46 Mehrzur fara imKap.5. 47 Grönbech, Bd. 2, S. 249 – 263 und S. 322 - 332. Conrad, S. 31f. Kienle, S. 115 – 123 und S. 126 - 135. Meyer, Rasse, S. 91 – 103. Dazu: Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte, Bd. 1 (Grundriss der germanischen Philologie, Bd. 12), 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin 1956, S. 345 – 347 und S. 483 – 485. 48 Grönbech,Bd.1,S.319-330.Genzmer,Staat,137–141.Meyer,Rasse,S.91f. 49 Kienle,S.115–135. 50 „Agri pro numero cultorum ab universis vices occupantur, quos mox inter se secundum dignationem partiuntur. “ (Tacitus, Germania, c. 26.) Dazu: Much, S. 332 - 339. Müllenhoff, 364 - 371. „Sed privati ac seperati abgri apud eos nihil est, uno in loco incolendi causa licet. “ (Caesar, De Bell. Gall. IV, 1.) und „Neque quisquam agri modum certum aut fines habet propios, sed magistatus ac principes in annos singulos gentibus cognationibusque hominum quique una coierunt, quantum et quo loco visum est agri, attribuuntatqueannopostaliotransirecogunt “(Caesar,DeBell.Gall.VI,22). -12-

„Mark“ 51 benutzt wurden sei, da diese Flächen üblicherweise am Rande des Gebietes gelegenhätten,dasdieGenossenschaftverwaltetethabe. 52 Was lag da bei der Annahme von gemeinsamen Landbesitz näher, als auch eine gemeinsame Siedlung der Sippengenossen anzunehmen? 53 Es entstand die Theorie der „Sippensiedlung“, nach der die Sippengenossen auch beisammen wohnten, bzw. ihre Höfe Siedlungen oder ganze Dörfer bildeten. Seit Wilhelm Arnolds „Ansiedlungen und Wanderungen Deutscher Stämme“ 54 und Ernst Förstemanns „Die deutschen Ortsnamen“ 55 ,sindOrtsnamenalsQuellefürSprachforschungund(Landes-)Geschichte anerkannt. 56 Sigmund Riezler fand heraus, daß die Orte in der Nähe Münchens, deren Namen auf „–ing“ enden, einige Gemeinsamkeiten besäßen. Sie bilden geschlossene Siedlungen, die in der Mitte einer Feldflur liegen, die relativ fruchtbar ist. Er nimmt an, daß diese Orte von Sippen oder einzelnen Familien, die sich zu Sippen entwickelten, gegründet wurden. Durch einen Personenamen, hinter dem Riezler den Urahn der jeweiligen Sippe vermutet, erweitert mit dem besitzanzeigenden Suffix „-ing“, habe der Ort seinen Namen erhalten. 57 Sippensiedlungen seien vor allem in Gebieten zu finden, die im Zuge der Völkerwanderung von Germanen erobert und besiedelt wurden, so in

51 Maurer,Rechtsverhältnisse,S.63-73.Dazu:W.Klötzer:MarkI(GemeineMark,Allmende),in:HRG, Bd.3,Berlin1971,Sp.280–286. 52 Gierke, Genossenschaftsrecht I, 53 – 89. Brunner, Rechtsgeschichte, S. 86 – 91, S. 105 – 109 und S. 128. Friedrich Kauffmann: Deutsche Altertumskunde, 1. Hälfte: Von der Urzeit bis zur Völkerwanderung (Handbuch des Deutschen Unterrichts an höheren Schulen, Bd. 5: Deutsche Altertumskunde, Bd. 1), München 1913, S. 427 – 429; 454 - 459. Mayer, Geschlechterverbände, S. 64 - 113. Georg Ludwig Maurer: Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof-, Dorf- und Stadtverfassung und der öffentlichen Gewalt, 2. Aufl., Wien 1896, S. 5 – 9; S. 40 – 171 [zit. als: Maurer, Einleitung]. Kienle, S. 98 - 115. Wiebrock, S. 95 – 100. Lamprecht, Wirtschaftsleben, S. 42 - 51. Richard Hildebrand: Recht und Sitte auf den primitiveren Kulturstufen, 2., wesentlich umgearbeitete Aufl., Jena 1907, S. 54 – 133. Conrad, S. 40 – 43. Kienle, S. 98 - 114. Zoepfl, Bd. 2, S. 137 - 139. Arnold, Urzeit, S. 317 - 322. Kritisch zu Gemeineigentum und Markgenossenschaft: Alfons Dopsch: Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, Aus der Zeit von Caesar bis auf Karl den Großen, 1. Teil, Neudruck der 2., veränderten Aufl. von 1923, Aalen 1961, S. 62 -88. Georg Grosch: Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im frühen Mittelalter. Eine staats- und rechtsgeschichtliche Untersuchung (Historische Studien, Heft 96), Berlin 1911, S. 27 - 72. Den aktuellen Stand der Forschung zusammenfassend: Fritz Wernli: Markgenossenschaft, in: HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 302 – 316 [zit. als:Wernli,Markgenossenschaft].MehrzurKritikanderTheoriederSippensiedlungsieheKap.2.1. 53 Die Theorie der Sippensiedlung und auch ihre Kritik (Kap. 2.1 dieser Arbeit) blieben im wesentlichen auf die Fächer Germanistik und Geschichte beschränkt. Die klassische Sippentheorie rezipierte diese Theorie nicht. Man beschränkt sich wie Brunner (Rechtsgeschichte, S. 84) hauptsächlich auf die Zitation Caesars(DeBell.Gall.IV,22). 54 Wilhelm Arnold: Ansiedelungen und Wanderungen Deutscher Stämme zumeist nach hessischen Ortsnamen, 2. Aufl., Marburg 1881 [zit. als: Arnold: Ansiedelungen] [Die 1. Aufl. Marburg 1875 stand nichtzurVerfügung.]. 55 Ernst Förstemann: Die deutschen Ortsnamen, unveränderter Neudruck der Ausgabe Nordhausen 1863, Walluf1973. 56 Zum aktuellen Stand der Ortsnamenforschung siehe Adolf Bach: Deutsche Namenkunde, Bd. 2: Die deutschen Ortsnamen, 2., unveränderte Aufl., Heidelberg 1981, S. 1 – 12. Unter Benutzung des alten Sippenbegriffs: Dieter Berger: Duden. Geographische Namen in Deutschland. Herkunft und Bedeutung derNamenvonLändern,Städten,BergenundGewässern,Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich1993,S.13. 57 Sigmund Riezler: Die Ortsnamen der Münchener Gegend, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländischeGeschichte44(1887),S.33–110;insbes.S.48–70[zit.als:Riezler,Ortsnamen]. -13-

Bayern, aber auch in Schwaben und Italien, wo Orte, die den Namen auf fara bilden, als Sippensiedlungenzugeltenhätten. 58

1.2.4D IE B EDEUTUNG DER S IPPE IM R ECHT

Die Sippe wurde ihre wichtigste Stellung im Recht zugesprochen. Hier habe sie ihre wichtigste Funktion erfüllt, Schutz zu gewähren und ihre Angehörigen rechtlich zu unterstützen. Es sei die Aufgabe der Sippe gewesen, eine Rechtsverletzung, die an einem ihrer Sippengenossen begangen wurde, zu rächen bzw. den Sippengenossen zu verteidigen, wenn er angegriffen wurde. Alle Angehörigen einer Sippe seien verpflichtet gewesen, sich an einer Fehde 59 zu beteiligen, um z. B. für den Totschlag eines Sippengenossen Blutrache zu üben. Dabei sei es in erster Linie nicht darum gegangen, den Täter zu bestrafen, sondern ein beliebiges Mitglied der gegnerischen Sippe zu töten, dessen Angehörige ihrerseits zur Tat schritten, um seinen Tot zu rächen. Beendet worden seine Fehde durch den Tod aller Beteiligten einer oder beider Sippen oder durch den AbschlußeinesSühnevertrages. 60 Die Alternative für die zerstörerische Fehde sei die Zahlung eines Wergeldes 61 gewesen. Es hatte nach Brunner „den Charakter des Sühngeldes“ 62 und wurde an alle Sippengenossen ausgezahlt, da alle zur Rache verpflichtet gewesen seien und sich diese Verpflichtung quasi abkaufen ließen. 63 Die Verteilung des Wergeldes innerhalb der Sippe sei nach festen Regeln vorgenommen worden, die in den einzelnen Stämmen unterschiedlich gehandhabt worden sei. 64 Ebenso wie beim Empfang seien alle Mitglieder der Sippe bei der Aufbringung des Wergeldes in die Pflicht genommen worden. 65 Die Sippengenossen, so Brunner, waren auch vor Gericht, verpflichtet einem der ihren beizustehen, indem sie bei einem Eid als Eideshelfer fungierten. 66 Eide seien

58 GeradeletzteresbliebnichtohneKritik,mitdersichKap2.1.näherbeschäftigt. 59 ZumVorkommenderFehdeim EdictumRothari sieheKap.4.2.5.2. 60 Brunner, Rechtsgeschichte, S. 119 und S. 221 – 231. Conrad, S. 47 – 49. Genzmer, Staat, S. 130 - 133. Kienle,S.36–48.Arnold,Urzeit,S.340-343. 61 „Wer-“ von lat. vir (Mann). Brunner, Rechtsgeschichte, S. 119. Heinrich Brunner: Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, in: ZRG GA 3 (1882), S. 1 – 101 [zit. als: Brunner, Sippe]. – Lamprecht, Wirtschaftsleben, S. 23 – 29. Maurer, Rechtsverhältnisse (Fortsetzung), S. 26 - 61. Siehe auch Kap. 4.2.5.1. 62 Brunner,Rechtsgeschichte,S.120. 63 Brunner,Rechtsgeschichte,S.119f.Brunner,Sippe,1f. 64 Brunner,Rechtsgeschichte,S.120-122. 65 Brunner,Rechtsgeschichte,S.122. 66 Brunner, Rechtsgeschichte, S. 123f. – Lamprecht, Wirtschaftsleben, S. 30f. Genzmer, Staat, S. 129f. SieheauchKap.4.2.6. -14- vorzugsweise an der Gerichtsstätte abgelegt worden, die sich auf dem Stammgut einer Sippe,demHandgemal 67 ,befundenhätte. Neben der Schutzfunktion der Sippe, die sich in Rache, Fehde und Wergeld ausdrückt haben sollte, gab es auch noch andere Gebiete des Rechts, in dem der Sippe eine bedeutende Rolle zugesprochen wurde. Eine der wichtigsten angenommen Wirkungsbereiche der Sippe war das Erbrecht 68 , von dem auch die Sippentheorie ihren Ausgang nahm. 69 Der Umfang der Personengruppe, die als Sippe bezeichnet werden konnte, zeigte sich daran, welche Angehörigen als Erben zugelassen wurden. 70 Dabei gilt zu beachten, daß, wie im vorherigen Kapitel erläutert, nach Auffassung der älteren Lehre in den Zeiten vor der Völkerwanderung kein Sondereigentum an Grund und Boden bestand und die Sippe Eigentümerin des Landes war. Die Ehe 71 der Germanen sei nicht sippenendogam gewesen, d.h. eine Auswahl der Brautleute innerhalb einer Sippe sei nicht nachzuweisen. Vielmehr habe es sich um eine sippenexogame Ehe gehandelt, bei der die Brautleute aus verschiedenen Sippen gekommen seien und ein Heiratsvertrag zwischen den beteiligten Sippen ausgehandelt worden sei. 72 Laut Brunner gab es auch eine Gesamtmuntschaft 73 der Sippe über Unmündige und über die weiblichen Angehörigen, falls keine Väter oder Ehemänner vorhanden waren, die in der Regel die Muntinnehatten. 74

67 Die Bedeutung des Begriffes „Handgemal“ ist bis heute nicht sicher geklärt. Die Erklärung als Gerichtsstätte geht auf Philipp Heck (Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung insbesondere über die ständische Bedeutung des Handgemals (Arbeiten zur deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Heft 11), Stuttgart 1936, S. 176 - 192) und Herbert Meyer (Das Handgemal als Gerichtszeichen des freien Geschlechts bei den Germanen. Untersuchungen über Ahnengrab, Erbhof, Adel und Urkunde (Forschungen zum Deutschen Recht, Bd. 1, Heft 1), Weimar 1934 [zit. als: Meyer, Handgemal]) zurück und wird im wesentlichen noch heute vertreten (Ruth Schmidt-Wiegand: Handgemal, §2. Rechtshistorisches, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 13, 2. Aufl., Berlin/New York 1999, S. 613f. W. Weber: Handgemal: in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1960 - 1965). Willy Krogmann:Handmahal,in:ZRGGA71(1954),S.156–166. 68 SieheKap.4.2.3. 69 SieheKap.1.1. 70 Kienle,S.14–18. 71 Die Ehe fällt in den Bereich des Rechts, weil es sich um ein Rechtsgeschäft handelt. Brunner, Rechtsgeschichte,S.94–102.Lamprecht,Wirtschaftsleben,S.31–36.SieheauchKap.4.2.2.1. 72 Conrad,S.35–39.Brunner,Rechtsgeschichte,S.126. 73 ZurlangobardischenMuntsieheKap.4.2.2.2. 74 Brunner,Rechtsgeschichte,S.124-126. -15-

2D ER GEGENWÄRTIGE S TAND DER F ORSCHUNG ZUR S IPPE

2.1D IE K RITIK AM S IPPENBEGRIFF

Der Sippenbegriff, wie er hauptsächlich von Heinrich Brunner geprägt wurde, blieb nicht ohne Kritik, die in Deutschland allerdings erst 1950 von Felix Genzmer 75 offen geäußert wurde. 76 Während des Dritten Reiches erfreute sich die Sippentheorie und der ihr innewohnende systemkohärente Führerbegriff verständlicherweise großer Beliebtheit,wiez.B.dieWerkevonKienle,Mader 77 oderHerbertMeyer 78 belegen.

2.1.1D IE K RITIK AN DER T HEORIE DER S IPPENSIEDLUNG

Schon kurz nach der Veröffentlichung von Riezlers „Ortsnamen der Münchener Gegend“ 79 im Jahre 1887 wird Kritik an der Theorie der Sippensiedlung geäußert. Riezler konstatierte, daß es sich bei den Orten, deren Namen auf „-ing“ enden, um Niederlassungen ganzer Sippen handele. Friedrich Kluge veröffentlicht 1908 seine Kritik an Riezlers Arbeit. Er führt aus, daß es sich bei den Ortsnamen mit „-ing“- Endung durchaus um Patronymikalbildungen handele, was aber keinesfalls auf Sippensiedlungen hinweise. 80 Diese Auffassung wird von Alfons Dopsch gestützt. Er dementiert gänzlich, daß die Ortsnamenforschung für die Besiedlungsgeschichte brauchbar sei und belegt an bayerischen und englischen Beispielen, daß Besiedlungs- und Bewirtschaftungsformen nicht mit der Namensgebung korrelierten. 81 Trotz dieser Kritik hält Riezler in seiner Arbeit „Die Landname der Baiuvaren“ an seiner Theorie der Sippensiedlung fest. 82 Hans Dachs stellt in seinem Aufsatz „Sippensiedlung oder Grundherrschaft?“ fest, daß die „-ing“-Orte auf ehedem herzoglichem Land gelegen

75 WieAnm.3. 76 Heinrich Dannenbauer erwähnt im Vorwort zum Wiederabdruck seines Aufsatzes „Adel, Burg und Herrschaft“ (Adel, Burg und Herrschaft bei den Germanen. Grundlagen der deutschen Verfassungsentwicklung, in: Herrschaft und Staat im Mittelalter, hrsg. von Otto Brunner (Wege der Forschung, Bd. 2), Nachdruck der Ausgabe von 1956, Darmstadt 1964, S. 60 – 134 [ursprünglich in: Historisches Jahrbuch 61 (1941)].), daß sein Aufsatz, dessen Inhalt der 1941 herrschenden Auffassung entgegenstand, zunächst keinen Herausgeber fand, bis sich J. Spörl, der Herausgeber des Historischen Jahrbuchs,bereiterklärte,denkontroversenTextabzudrucken(S.60). 77 BeidewieinAnm.34. 78 WieAnm.42. 79 WieAnm.57. 80 Friedrich Kluge: Sippensiedlung und Sippennamen, in: Vierteljahrschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte6(1908),S.73–84,insbes.S.79–84[zit.als:Kluge,Sippensiedlung] 81 Dopsch,S.237–327,insbes.S.241. 82 Siegmund Riezler: Die Landname der Baiuvaren (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Phil.-Hist. Klasse, Jahrgang 1920, 16. Abhandlung), München 1921, S. 33 – 47 [zit. als: Riezler,Landname]. -16- seien und es sich bei diesen Orten um grundherrliche Bildungen handele. 83 GrundherrlicheSiedlungennimmtauchJosephSturminseinemAufsatz„Ortsnamenals Zeugnisse grundherrlicher Siedlung“ an. 84 Franz Beyerle stellt in „Ortsnamen der Landnahmezeit“ einen Zusammenhang zwischen Personennamen und Ortsnamen her. 85 Er lehnt die Sippensiedlung ab und führt die Patronymika auf das Stammgut einer Sippe zurück. Beyerle stellt somit die Sippentheorie als solche nicht in Frage. 86 Heinrich Dannenbauer erklärt nebenbei in seinem Aufsatz „Adel, Burg und Herrschaft“ 87 die Sippensiedlung mitsamt der Markgenossenschaft für obsolet. Für ihn sind die Orte mit „-ing“-Namen Gründungen von Adligen, angelehnt an adlige Herrschaft. 88 Damit trifft er sich mit den Ansichten Dachs‘. Karl Haff faßt die Kritik an der Theorie der Sippensiedlung nochmal zusammen und erweitert sie um Beispiele aus skandinavischer Forschung, die zu ähnlichen, ablehnenden Ergebnissen kommt. 89 Fritz Langenbeck kommt in seinen „Untersuchungen über Wesen und Eigenart der Ortsnamen“ 90 zu dem Ergebnis, daß die Vielfalt der Ortsnamen nicht monokausal zu deuten sei und daß „gleiche Endungen keine Schlüsse auf gleichen Ursprung erlaub[t]en“ 91 . Fritz Wernli erwähnt in seiner „Ortsnamenkunde“ 92 von 1977 die Theorie der Sippensiedlung schon gar nicht mehr. Die Sippensiedlung war schon früh in die Kritik geraten und konnte die Sippentheorie nicht stützen. Mit dem Wegfall der Vorstellung von der Sippensiedlung gerät die sozialgeschichtliche Grundlage der Sippentheorie ins Wanken, was aber von derrechtshistorischenForschungbisheutenochnichtwahrgenommenwurde. 93

83 Hans Dachs: Sippensiedlung oder Grundherrschaft? (Kritik der Riezlerschen Sippensiedlungstheorie), in:KorrespondenzblattdesGesamtvereinsderdeutschenGeschichts-undAltertumsvereine78(1930),Sp. 103–109. 84 Joseph Sturm: Ortsnamen als Zeugnisse grundherrlicher Siedlung, in: Zeitschrift für Ortsnamenforschung4(1928),S.26–39. 85 Zur Gültigkeit dieses Zusammenhangs: Siehe Adolf Bach: Deutsche Namenkunde, Bd. 2: Die deutschen Ortsnamen,2.,unveränderteAufl.,Heidelberg1981,S.142–144. 86 Franz Beyerle: Ortsnamen der Landnahmezeit und karolingische Personennamen als sozialgeschichtlicher Anschauungsstoff, in: Festschrift Karl Haff zum siebzigsten Geburtstag dargebracht, hrsg. von Kurt Bussmann und Nikolaus Grass, Innsbruck 1950, S. 13 – 32, insbes. S. 20 – 25 und S. 29 – 32[zit.als:Beyerle,Ortsnamen]. 87 WieinAnm.76. 88 Dannenbauer,S.122f. 89 Karl Haff: Der umstrittene Sippebegriff und die Siedlungsprobleme, in: ZRG GA 70 (1953), S. 320 – 325.MehrzurKritikanderSippensiedlungbeiKroeschell,Sippe,S.20f. 90 Fritz Langenbeck: Untersuchungen über Wesen und Eigenart der Ortsnamen (Vorwiegend auf Grund oberrheinischerVerhältnisseundForschungen),in:ZGO99(1951),S.54-138. 91 Langenbeck,S.137. 92 Fritz Wernli: Ortsnamenkunde, Siedlungsgeschichte und Verfassungsgeschichte. Ein Beitrag zur Frage der –heim-Ortsnamen, einer fränkischen Staatskolonisation und einer bürokratischen Verfassung (Studien zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, 7. Heft), Degersheim 1977 [zit. als: Wernli, Ortsnamenkunde]. 93 ErstKroeschell(Sippe,S.19f.)kommtaufdasProblemzusprechen. -17-

2.1.2D IE K RITIK AM S IPPENBEGRIFF

Die eigentliche Kritik 94 am Sippenbegriff nahm im Bereich der Rechtsgeschichte ihren Ausgang. In seinen 1885 erschienenen „Institutionen des Deutschen Privatrechts“ 95 meldet Andreas Heusler Zweifel an der Sippentheorie an, da die Familie 96 keine juristische Person sei. „Wer das Wergeld empfängt oder zahlt, wer die vormundschaftlichen Rechte übt, thut das alles nicht Namens der Familie und als ihr Organ, sondern blos als ihr Angehöriger, aber in eigenem Namen und kraft persönlicher Berechtigung, er bekommt das Wergeld, weil er der Nächste ist, nicht weil er die Familie dabei repräsentiert.“ 97 Zwei Jahre später veröffentlicht Heinrich Brunner seine „Deutsche Rechtsgeschichte“, mit dem der traditionelle Sippenbegriff seine entscheidende Ausformung erhält. 98 Als Andreas Heusler und Ruldolf Hübner 1899 die vierte Ausgabe von Jacob Grimms „Deutschen Rechtsaltertümern“ herausgeben, sind die Zweifel an der Sippentheorie offenbar verflogen, denn sie vertreten nun die Sippentheorie nach Brunner. 99 Diese Sippentheorie findet auch 1905 Eingang in Heuslers„DeutscheVerfassungsgeschichte“. 100 In England meldet Bertha Surtees Phillpotts Bedenken an der Sippentheorie an. In „Kindred and Clan“ 101 sucht Phillpotts nach Solidarität unter Verwandten bzw. Sippenangehörigen als das wichtigste Indiz für das Vorhandensein von „Sippe“. Zu diesem Zweck untersucht sie nordeuropäisches Recht in Skandinavien, Norddeutschland, den Niederlanden, England und Nordfrankreich. Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf Empfang und Aufbringung von Wergeld als Ausdruck der Solidarität unter Verwandten. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß sich die Sippe in vielen Fällen nicht nachweisen ließe. Eine Ausnahme stellten Randgebiete dar, z.B. Dithmarschen und Friesland 102 . Sie stellt damit die Sippe nicht grundsätzlich in Frage, sucht aber nach einer Erklärung für ihr Nichtvorhandensein und findet sie in einem Niedergang der

94 An dieser Stelle sollen Untersuchungen genannt werden, auf die im folgenden nicht näher eingegangen wird:Schulze,Grundstrukturen,S.33–39. 95 WieAnm.36. 96 ErvermeidetdenAusdruck„Sippe“. 97 Heusler,Institutionen,S.258–262. 98 SieheKap.1.1. 99 Siehe die Einflechtung der Sippentheorie in Grimms Werk (Rechtsalterthümer, 4. Ausg., Bd. 1, S. 642 – 648). Ob Heusler persönlich diese Erweiterung eingefügt hat, oder der Mitherausgeber Rudolf Hübner, spielt dabei keine Rolle (siehe S. 3). Felix Genzmer hielt Heusler für einen Anhänger dieser Sippentheorie (Genzmer,Sippe,S.43). 100 Andreas Heusler: Deutsche Verfassungsgeschichte, Leipzig 1905, S. 4f. [zit. als: Heusler, Verfassungsgeschichte] 101 Bertha Surtees Phillpotts: Kindred and Clan in the Middle Ages and After. A Study in the Sociology of theTeutonicRaces,NeudruckderAusgabeCambridge1913,NewYork1974. 102 Phillpotts, S. 125 - 143, S. 147 - 159, S. 245 – 257, S. 270f. und S. 275. Der schwerwiegenste Fehler, derPhillpottsdabeiunterläuft,ist,daßsieihrepositivenBeispieleimHoch-undSpätmittelalterfindetund darausRückschlüsseauffrühereZeitenzieht. -18-

Institution „Sippe“, der vor allem durch Migration hervorgerufen worden sei. 103 Ihre Arbeit wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allem Anschein nach in Deutschland nicht rezipiert, obwohl Claudius Freiherr von Schwerin 1914 eine Rezensionveröffentlicht. 104 Zur Zeit des Dritten Reiches genießt die Vorstellung der Sippenältesten bzw. –führer eine besondere Aufmerksamkeit. 105 Dennoch können seinerzeit ernstzunehmende Historiker und Rechtshistoriker wie Heinrich Dannenbauer und Franz Beyerle 106 ihre Kritik nicht verbergen. Dannenbauer bezieht sich dabei auf die klassiche Lehre nach Brunner, in der die Sippe genossenschaftlich organisiert gewesen sei und kein Oberhauptkannte. 107 Felix Genzmer veröffentlicht 1950 seinen Aufsatz „Die germanische Sippe als Rechtsgebilde“ 108 , der für die deutschsprachige Kritik an der Sippentheorie zum Meilenstein werden sollte. Genzmer untersucht die einzelnen Bereiche, in denen die Sippe eine Rolle gespielt haben soll, und entkräftet die Bestandteile der Sippentheorie. Zunächst untersucht er den auffälligen Widerspruch zwischen geschlossener und offener Sippe, der von der älteren Literatur nicht hinreichend erklärt werden konnte. 109 Der Ausdruck „Sippe“ habe mehrere Bedeutungen, u. a. „Friede“, „Verwandtschaft aller Art“, aber keine davon bezeichne einen Personenverband. 110 Bezüglich der Sippe als Heeresabteilung verwirft er die Übersetzung der entsprechenden Quellenbegriffe als „Sippe“ 111 und rechnet vor, daß eine normale Sippe nicht genügend männliche Angehörige gezählt haben könne, um eine militärische Einheit zu stellen. 112 Der Bedeutung der Sippe im Recht wendet er seine besondere Aufmerksamkeit zu. Anhand isländischer Texte 113 widerlegt er die Rolle der Sippe bei der Rache und der Fehde. 114 Auch für den Wergeldempfang kann er keine Beteiligung der Sippe ausmachen.

103 Phillpotts,S.257–265. 104 Claudius Freiherr von Schwerin: Rezension zu: Bertha Surtees Phillpotts: Kindred and Clan in the middle ages and after. A study in the sociology of the teutonic races, Cambridge 1913, in: ZRG GA 35 (1914), S. 477 – 480 [zit. als: Schwerin, Rezension]. Diese Rezension ist ein Verriß. Von Schwerin deckt zahlreiche methodische Mängel auf, von denen die Benutzung jüngerer Quellen für ältere Rechtszustände (siehe Anm. 77) einer ist (S. 478f.). Ganz im Sinne der klassischen Sippentheorie sieht von Schwerin in der Wanderung nicht die Ursache für den Verfall der Sippe, sondern in der Lockerung der Sippenbindung dieUrsachefürdieWanderung(S.479). 105 SieheKap.1.2.3.BesondershervortatsichHerbertMeyer,z.B.in„DasHandgemal“(S.57-59). 106 Beyerle,Ortsnamen,S.21. 107 Dannenbauer,S.106f.,Anm.95. 108 WieinAnm.2. 109 Genzmer,Sippe,S.35f.SieheauchKap.1.2.1. 110 Genzmer,Sippe,S.35. 111 Genzmer,Sippe,S.38f. 112 Genzmer,Sippe,S.39–41. 113 Allerdings macht auch Genzmer den Fehler, ältere Rechtszustände durch jüngere, isländische Quellen zuerklären. 114 Genzmer,Sippe,S.41–43. -19-

Vielmehr handele es sich (an Tacitus, Germania, c. 21 demonstriert) um Freiheiten der Übersetzung, die auch anders gedeutet werden könnten. 115 Er kommt zu dem Schluß, daß man den Ausdruck „Sippe“ durchaus für einen „unscharf begrenzten und wechselnden Verwandtenkreis“ 116 verwenden dürfe. „Die Sippe als Rechtsbegriff, insbesondere als rechtlich gestalteter Verband, ist vielmehr eine Erfindung der Professorendes19.Jahrhunderts.“ 117 Karl Kroeschell veröffentlicht 1960 seinen Aufsatz „Die Sippe im germanischen Recht“ 118 , der maßgebend ist für die Kritik am Sippenbegriff. Nach einem Abriß der Sippentheorie und ihrer Entstehung 119 betrachtet Kroeschell das Problem anhand angelsächsischer Quellen. Im Mittelpunkt seiner Betrachtung steht dabei der „sippelose Mann“, der in der traditionellen Sicht „völlig rechtlos und schutzlos“ 120 gewesen sei. Kroeschell stellt fest, daß der Ausdruck mægleas nicht „sippelos“, sondern „verwandtenlos“ bedeute, was nicht gleichbedeutend sei. 121 Der Ausdruck freondleas ließe sich auch nicht als „sippelos“ übersetzen, sondern wörtlich als „freundlos“, d. h. ohne Gefährten, die für einen einstünden. 122 Ebenso ließe sich auch beim Wergeld keine Beteiligung einer „Sippe“ feststellen. 123 „Wenn das richtig ist, so ist damit in unser Bild von den germanischen Verfassungszuständen ein grosses Loch gerissen.“ 124 Als AlternativebietetKroeschell„Herrschaft“an.Erführtaus,daßjederAngelsachseeinem Herrn unterstanden habe. Diese Herrschaft leitet er wiederum aus der Hausherrschaft ab, dajederMannzuder familia einesHerrengehörthabe. 125 Genzmers und Kroeschells Kritik am traditionellen Sippenbegriff blieb nicht ohne Widerspruch. Walter Schlesinger geht in seinem Aufsatz „Randbemerkungen zu drei Aufsätzen über Sippe, Gefolgschaft und Treue“ 126 u. a. auf Genzmer und Kroeschell ein. Er wirft Genzmer vor, daß das alles nicht ganz neu sei und zitiert Wilhelm Grönbech, der auch „keinen ‚rechtlich gestalteten Verband‘ im Sinne des 19. Jahrhunderts“

115 Genzmer,Sippe,S.44–47.InderdeutschenÜbersetzungwurde„Sippe“für domus eingesetzt(S.44). 116 Genzmer,Sippe,S.48. 117 Zitat: Genzmer, Sippe, S. 49. Man darf dabei nicht vergessen, daß Genzmer 1938 noch in „Staat und Gesellschaft“(wieinAnm.34)dieSippentheorievertritt. 118 WieinAnm.3. 119 Kroeschell,Sippe,S.14–24. 120 Zitat:Kroeschell,Sippe,S.25. 121 Kroeschell,Sippe,S.24–26. 122 Kroeschell,Sippe,S.28f. 123 Kroeschell,Sippe,S.26f. 124 Zitat:Kroeschell,Sippe,S.31. 125 Kroeschell,Sippe,S.32-34. 126 Walter Schlesinger: Randbemerkungen zu drei Aufsätzen über Sippe, Gefolgschaft und Treue, in: Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Bd. 1: Germanen, Franken, Deutsche, Göttingen 1963, S. 286 - 334 (auch in: Festschrift Otto Brunner. Alteuropa und moderne Gesellschaft, Göttingen1963,S.11–59). -20- erkennen könne. 127 Gegen Kroeschell wendet Schlesinger ein, daß dieser die angelsächsischen Verhältnisse zu stark verallgemeinert habe und zitiert wiederum PhillpottsgegenKroeschell,dasiedieSonderstellungderangelsächsischenVerhältnisse aus der Migration herleite. 128 Für eine Neuinterpretation des Sippebegriffs brauche man eine breitere Quellenbasis, als sie bei Genzmer und Kroeschell geboten werde. 129 Im Anschluß wirft er eine Reihe von Fragen auf, u. a. nach dem Problem der farae , die er abernichtselbstbeantwortenkann. 130 Reinhard Wenskus bearbeitet in seinem Aufsatz „Probleme der germanisch-deutschen Verfassungs- und Sozialgeschichte“ 131 auch das Problem der Sippe. Er stimmt mit Genzmer überein, die klassische Lehre für unhaltbar zu erklären, den Ausdruck „Sippe“ aber für Verwandtschaft gelten zu lassen. 132 Kroeschells Ansatz, die Verwandtschaft als Sozialfaktor auszuschließen, erklärt er hingegen für hinfällig 133 und belegt dies mit Beispielen aus der Geschichte und der Ethnologie. 134 Die Verwandtschaft sei keine feste Einheit. Ihre „Zuordnung war für jeden Zweck etwas anders.“ 135 Auch in seiner Habilitationsschrift „Stammesbildung und Verfassung“ 136 lehnt Wenskus den rechtshistorischen Sippenbegriff ab. 137 Der Rechtshistoriker stelle fest, daß wichtige Funktionen von der Sippe wahrgenommen geworden seien, weil er dazu neige, in der Rechtsordnung ihren Schwerpunkt zu sehen, während der Historiker feststelle, daß die SippeinnerhalbderVölkerschaftalsGesamtheitkaumwirksamgewordensei. 138 Zum Schluß soll noch auf zwei sprachgeschichtliche Arbeiten verwiesen werden. Carola Gottzmann veröffentlichte 1977 einen Aufsatz 139 , in dem sie der Bedeutung des Ausdrucks „Sippe“ in volkssprachlicher Dichtung nachgeht und zu folgendem Ergebnis

127 Zitat: Schlesinger, S. 287. Allerdings erwähnt Schlesinger nicht, daß Grönbechs Werk „Kultur und Religion der Germanen“ 1909 bis 1912 in dänischer Sprache erschienen war und einem größeren deutschen Leserkreis erst seit der ersten Auflage der deutschen Übersetzung 1937 zugänglich ist (Vorwort von Otto Höfler, seit der Neuauflage von 1954 und noch in der 12. Aufl. von 1997). Der Schwerpunkt des Werkes liegt zudem nicht auf der Kritik am Sippenbegriff. Man kann auch nicht davon ausgehen, daß ein Absatz in einem mehrbändigen Werk schon eine umfassende Kritik begründen kann. Schlesingers Kritik anGenzmergehtdaherfehl. 128 Schlesinger,S.288–293. 129 Schlesinger,S.293. 130 Schlesinger, S. 293 – 296. Diese Fragen sind von der neueren Forschung teilweise beantwortet worden, siehenächstesKapitel.ZumProblemder farae sieheKap.5. 131 Reinhard Wenskus: Probleme der germanisch-deutschen Verfassungs- und Sozialgeschichte, in: Historische Forschungen für Walter Schlesinger, hrsg. von Helmut Beumann, Köln/Wien 1974, S. 19 – 46 [zit.als:Wenskus,Probleme] 132 Wenskus,Probleme,S.26f. 133 Wenskus,Probleme,S.27. 134 Wenskus,Probleme,S.27–37. 135 Wenskus,Probleme,S.32. 136 Reinhard Wenskus: Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes, Köln/Graz1961[zit.als:Wenskus,Stammesbildung]. 137 Wenskus,Stammesbildung,S.300. 138 Wenskus,Stammesbildung,S.305. 139 Gottzmann,wieinAnm.13. -21- kommt: „Das Wort Sippe erscheint als Sammelbegriff für eine Gruppe von miteinander verwandten Menschen.“ 140 Unabhängig davon erscheint 1983 von Günther Nierenz ein Aufsatz 141 , in dessen erstem Teil er der Bedeutung der Worte „Sippe“ und „Friede“ nachgeht, die Unterschiedliches bezeichnen: „Für das innere Leben, für das Wesen der Gemeinschaft:Sippe;fürdenSchutzunddieAbwehrzersetzenderKräfte:Friede.“142 Im zweiten Teil der Arbeit untersucht Nierenz „das Wesen Sippe“, wie er es nennt, im Recht und differenziert, daß das „Wesen Sippe“ tot sei, der Ausdruck „Sippe“ aber in derGenealogieweiterhinzuEhrenkomme. 143

2.2B EDEUTUNG DER S IPPE NACH HEUTIGEM F ORSCHUNGSSTAND

Der heutige Forschungsstand wird nach wie vor von Kroeschells Kritik an der Sippentheorie geprägt, wobei die nichtdeutsche Forschung maßgeblich für den gegenwärtigenStandderForschungist. Eines der wichtigsten Werke zum Thema „Sippe“ ist „Germanic Kinship Structure“ des Kanadiers Alexander Callander Murray. 144 In seiner Einleitung stellt er heraus, daß er einen Beitrag zur Widerlegung der traditionellen Sippentheorie leisten möchte. 145 Nach einer ausführlichen Übersicht über die Forschungsgeschichte 146 diskutiert Murray die Frage, ob die frühe germanische Gesellschaft auf clan (Klan, Sippe) oder lineage (Abstammung, Geschlecht) basierte, die er jedoch nicht beantwortet, da die Diskussionsgrundlage zu unsicher sei. 147 Die antiken Quellen, Tacitus‘ Germania und Caesars De Bello Gallico , werden von Murray einer eingehenden Betrachtung unterzogen, wobei sich herausstelle, daß viele der als sicher geglaubten Interpretationen bezüglich des Sippenbegriffes eher mißverständlich seien bzw. einen Zustand beschrieben, der in späterer Zeit nicht mehr anzutreffen sei. 148 Bevor Murray zur eigentlichen Aufgabenstellung seiner Arbeit kommt, werden noch drei wichtige

140 Zitat:Gottzmann,S.256[HervorhebungvonGottzmann.] 141 Nierenz,wieinAnm.13. 142 Nierenz,S.702. 143 Nierenz,S.747. 144 AlexanderCallanderMurray:GermanicKinshipStructure.StudiesinLawandSocietyinAntiquityand the Early Middle Ages (Pontifical Institute of Mediaeval Studies. Studies and Texts, Bd. 65), Toronto 1983 145 „[...] I believe that the conculsions made on these pages will clear away some of the misconceptions which have obscured the few paths through the uncertainty of barbarian social and legal history .“ (Murray,S.2) 146 Murray,S.11–32. 147 Murray,S.33–38. 148 Murray, S. 39 – 65. und S. 109 - 111. Caesar wird von Murray mangels Authentizität angezweifelt (S. 42–50),Tacitus‘AussagensindteilweisemitarchäologischenFundenbelegbar(S.51–65). -22-

Quellenbegriffe untersucht: vicini 149 , fara 150 und genealogia 151 . Kern der Arbeit ist die Untersuchung der Beziehung zwischen frankish kinship und Lex Salica .152 Ergebnis dieserAnalyseist,daßdieQuellendieklassischeLehrenichtbestätigenkönnen.Murray geht von variierenden Gruppen nahestehender Verwandter aus, die die mutmaßlichen FunktionenderSippeausübten. 153 In der jüngsten französischen Forschung wird der Sippenbegriff ebenfalls abgelehnt. Im Jahre 1986 erscheint das mehrbändige Handbuch „Histoire de la famille“, das seit 1997 in einer deutschen Übersetzung vorliegt. Das für das Thema dieser Arbeit interessante Kapitel „Europa in der Zeit der Völkerwanderung“ stammt von Pierre Guichard und Jean-Pierre Cuvillier. 154 Guichard und Cuvillier schließen sich darin der Meinung Murrays an, demnach es keine Sippen im rechtshistorischen Sinne gegeben habe, allenfalls Adelsgeschlechter, auf die manche Merkmale der Sippe zuträfen.155 In ihrer Arbeit über den Zusammenhang von Familie und Macht verwendet Régine Le Jan den Ausdruck „Sippe“ nur zum Zusammenhang mit Adelssippen. 156 Der Begriff Sippe schrumpftdamitaufdenBereichderAdelsfamiliebzw.–sippezusammen. Eine weitere wichtige Arbeit führt uns in den Bereich des Familienstrafrechtes. Gunhild Gross untersucht in „Der Bruder als Rächer und Strafer der Schwester“ 157 anhand der Leges und literarischer Quellen die Strafgewalt und die Verpflichtung des Bruders gegenüber seiner Schwester zum Schutz. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß es keine übergeordnete Organisation gewesen sei, die die Bestrafung vornahm oder Rach übte, sondernganzkonkretderVateroderBrudereinerFrau. 158 Unter den neuen, d. h. nach 1970 entstandenen Untersuchungen finden sich einige abweichende Meinungen, die, wie im Falle David Herlihys 159 , auf schmaler Literaturbasis oder auf ideologisch vorgefaßter Meinung basieren, wie im Falle des

149 Murray, S. 67 – 87. Vicini sind, möglicherweise erbberechtigte Nachbarn, die Verwandte sein können, abernichtmüssen. 150 Murray,S.89–97.SieheKap.5. 151 Murray,S.99–108. Genealogiae sindadligeFamilien,keineSippenimrechtshistorischenSinne. 152 Murray,S.115–215. 153 Murray,S.217-224. 154 Pierre Guichard/Jean-Pierre Cuvillier: Europa in der Zeit der Völkerwanderungen, in: Geschichte der Familie,hrsg.vonAndréBurgière;ChristianeKlapisch-Zuber;MartineSegalen;FrançoiseZonabend;Bd. 2:Mittelalter,Darmstadt1997,S.13–87 155 Guichard/Cuvillier,S.41–45und59-68. 156 Régine Le Jan: Famille et pouvoir dans le monde franc (VIIe-Xe siècle). Essai d’anthropologie sociale (Histoire ancienne et médiévale, Bd. 33. Université de Paris I – Panthéon Sorbonne), Paris 1995, S. 387 – 401. 157 Gunhild Gross: Der Bruder als Rächer und Strafer der Schwester, Diss. Frankfurt am Main 1966, München1966 158 SieheKap.4.2.4. 159 DavidHerlihy:MedievalHouseholds(StudiesinCulturalHistory),Cambridge(Mass.)/London1985 -23-

Handbuchs „Die Germanen“ der Akademie der Wissenschaften der DDR. 160 Herlihy arbeitet mit Quellen, die er aber im Sinne der traditionellen Sippentheorie interpretiert. An neuerer Literatur zitiert er nur Murray, den er aber mit den Argumenten der klassischen Lehre zu widerlegen versucht. 161 Das Autorenkollektiv des Handbuchs „Die Germanen“ leitet ihren Abschnitt über „Sippe und Großfamilie“ mit einem Engels-Zitat ein, welches die Richtung der weiteren Darstellung vorgibt. 162 Der folgende Text gibt im wesentlichen eine veraltete Anschauung der germanischen Verhältnisse wider. Ein weiterer Fall ist Heinrich Mitteis wichtiges Lehrbuch „Deutsche Rechtsgeschichte“. Darin wird im, seit der ersten Auflage von 1949 fast unveränderten, Haupttext die traditionelle Sippentheorie wiedergegeben. Die Kritik am Sippenbegriff wird nur anhand der Literaturangaben nachvollzogen, was aber auf den Haupttext keinen Einfluß zuhabenscheint. 163

Zusammengefasst kann über den heutigen Forschungsstand bezüglich der Sippe gesagt werden, daß der von Brunner geprägte rechtshistorische Sippenbegriff nicht mehr haltbar ist. Murray hat nachgewiesen, daß die in der Lex Salica vorkommende Verwandtschaft keiner festen Organisationsstruktur unterworfen war. Die Verwandtschaft spielte dennoch eine große Rolle im germanischen Recht. Der Ausdruck „Sippe“ ist nach Genzmer nur mehr als „Gesamtheit der Verwandtschaft“ zu verstehen. In den folgenden Kapiteln wird der Ausdruck „Sippe“ weitestgehend vermieden, um eine begriffliche Nähe zur Brunnerschen Sippentheorie zu vermeiden. Stattdessen wird indenmeistenFällenderAusdruck„Verwandtschaft“verwendet.

160 Bruno Krüger u.a. (Hg.): Die Germanen. Geschichte und Kultur der germanischen Stämme in Europa (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR, Bd. 4), Bd. 1: Von den Anfängen bis zum 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, 2. Aufl. Berlin 1978, Bd. 2: Die Stämme und Stammesverbände in der Zeit vom 3. Jahrhundert bis zur Herausbildung der politischen Vorherrschaft der Franken, Berlin 1983, S. 516 – 521 [zit. als: Krüger u. a.]. 161 Herlihy, S. 44 - 48. Herlihy ignoriert fast die gesamte neuere Literatur zu diesem Thema, vor allem die deutschunditalienischsprachige. 162 Krügeru.a.,S.516. 163 Aktuelle Auflage: Heinrich Mitteis: Deutsche Rechtsgeschichte. Ein Studienbuch, neubearbeitet von HeinzLieberich,19.,ergänzteAufl.,München1992,S.23f. -24-

3D IE F AMILIE BEI DEN G ERMANEN DER VÖLKERWANDERUNGS -ZEIT

3.1F ORSCHUNGSSTAND

Die Familie 164 gilt auch für die Völkerwanderungszeit und das frühe Mittelalter als Grundlage der Gesellschaft. 165 Sie bleibt es auch, wenn wir die Sippe als wichtigste GrundgemeinschaftdergermanischenGesellschaftausschließen. Zunächst soll der Begriff „Familie“ definiert und dabei von dem lateinischen Ausdruck familia 166 abgegrenzt werden. Der Ausdruck familia wird vom altlateinischen Wort famulus 167 (Diener, Sklave) abgeleitet und bezeichnet in der Spätantike und im Frühmittelalter die „Hausgemeinschaft“, die Gesamtheit aller Hausbewohner: Eheleute, Kinder und Sklaven. Gebräuchlicher ist es aber, den Ausdruck familia auf den Verband der Angehörigen einer Grundherrschaft zu beziehen. Auch die Gemeinschaft des Klosters wird als familia bezeichnet. 168 Erst seit dem 16. Jahrhundert wird der Ausdruck familia als Fremdwort in die deutsche Sprache aufgenonnen und im Sinne des heutigen Begriffes der Familie verwendet. 169 Im Früh- und Hochmittelalter ist der Ausdruck hîwiski („zumHausgehörig“,Hausgenossen)fürFamilienangehörigeüblich. 170 Unter Kernfamilie, Kleinfamilie, Sonderfamilie, Einzelfamilie 171 wird die eheliche Gemeinschaft von Mann und Frau inklusive deren Kinder bezeichnet. Der heutige 164 E. Meineke: Familie, Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 8, 2. Aufl., Berlin/New York 1994, S. 181 – 183 [zit. als: Meineke, Familie]. Dieter Schwab: Familie, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1067 – 1071[zit. als: Schwab, Familie I]. Ders.: Familie, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Bd. 2, Neudruck der Ausgabe 1975, Stuttgart 1979, S. 253 - 301[zit.als:Schwab,FamilieII].Hans-WernerGoetz:Familie,A.BedeutungundBegriff;C.DieFamilie in der Gesellschaft des Mittelalters, in: LexMA, Bd. 4, München/Zürich 1989, Sp. 256f. und Sp. 270 - 275. Vismara, Giulio: Familie, B. Recht, III. Italien, in. LexMA, Bd. 4, München/Zürich 1989, Sp. 260 – 262 [zit. als: Vismara, Familie]. Schulze, R.: Familie, B. Recht, VI. Germanisches und deutsches Recht, in: LexMA, Bd. 4, München/Zürich 1989, Sp. 264 – 268 [zit. als: Schulze, Familie]. Thomas Schuler: Familien im Mittelalter, in: Die Familie in der Geschichte, hrsg. von Heinz Reif, 1982, S. 28 – 60. Duby, George: Stuctures familiales dans le moyen âge occidental, in: XIIIe congrès international des sciences historiques,Moscou,16–23Août1970,Moskau1970. 165 Michael Mitterauer: Die Familie als historische Sozialform, in: Vom Patriarchat zur Partnerschaft: Zum Strukturwandel der Familie, hrsg. v. Michael Mitterauer und Reinhard Sieder, München 1977, S. 13 – 37 [zit.als:Mitterauer,Familie].Goetz,Sp.256f. 166 Karl Kroeschell: Familia, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1066f. [zit. als: Kroeschell, Familia]. K. Schulz: Familia, in: LexMA, Bd. 4, München/Zürich 1989, Sp. 254 – 256. Peter Weimar: Familie, B. Römisches Recht, in: LexMA, Bd. 4, München/Zürich 1989, Sp. 257 - 259. Meineke, Familie, S. 181f. Schwab,FamilieII,S.256f.Guichard/Cuvillier,S.12-24. 167 A. Walde; J. B. Hofmann: Lateinisches Etymologisches Wörterbuch, 2 Bde, 5. Aufl., Heidelberg 1982, Bd.1,452f. 168 Schulz, Sp. 254f. Kroeschell, Familia, Sp. 1066f. Karl Bosl: Die „Familia“ als Grundstruktur der mittelalterlichen Gesellschaft, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 38 (1975), S. 403 – 444 [zit. als:Bosl,Familia]. 169 Meineke, Familie, S. 181. Schwab, Familie I, Sp. 1067. Günther Drosdowski: Duden. Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage (Duden, Bd.7),Mannheim/Wien/Zürich1989,S.175.Goetz,Sp.256f. 170 Meineke, Familie, S. 191 – 183. Bosl, Familia, S. 407f. Schulz, Familia, Sp. 255. Schwab, Familie I, Sp.1067.Ders.,FamilieII,S.266-271.Goetz,Sp.256f. -25-

Forschungsstand zur Familie bei den Germanen der Völkerwanderungszeit geht nicht mehr von Großfamilien aus. Vielmehr haben historische und archäologische Untersuchungen erwiesen, daß die Germanen in Kleinfamilien lebten. 172 Ebenso muß man bei der germanischen Ehe mehrheitlich von einer Einehe ausgehen. Mehrehen waren möglich, blieben aber auf die Führungsschichten beschränkt, die sich die Polygynie aus politischen Grunden leisten wollten und wirtschaftlich leisten konnten. 173 Im Inneren war die Familie patriachalisch organisiert. 174 Die Angehörigen einer Familie, die in einem Haus lebten und alle Hausgenossen (z.B. Gesinde) standen unter der Herrschaft des Hausherren. 175 Familienangehörige, die aus dem Haus auszogen und eigene Familien bildeten, schieden damit auch aus der alten Hausherrschaft aus und bildeteneineneue. 176

3.2D IE B EDEUTUNG DER F AMILIE IM R ECHT

Die Verwandtschaft nimmt die Stelle im Recht ein, welche die traditionelle Sippentheorie der Sippe zugedacht hatte. Statt von Sippengenossen oder Angehörigen der Sippe kann man besser von Familienangehörigen oder Verwandten im allgemeinen sprechen. Im Kap. 4 wird nachzuweisen sein, daß man, ohne den Ausdruck „Sippe“ zu benutzen, das Vorkommen von Familie und Verwandtschaft im Recht beschreiben kann. 177 EineorganisierteSippeläßtsichim EdictumRothari nichtnachweisen. Im Inneren stand der Familie eine Strafgewalt zu, vor allem gegenüber Frauen, wie am langobardischen Beispiel zu belegen ist. 178 Hierbei gilt zu beachten, daß es, nicht nur im langobardischem Recht, nicht irgendein Verwandter war, der die Bestrafung vorzunehmen hatte oder dazu berechtigt war, sondern ganz konkret der Vater oder

171 Wenn im folgenden von „Familie“ die Rede ist, so meint das immer die Kernfamilie, sofern nichts anderesangegebenist. 172 Gerhard Mildenberger: Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen von den Anfängen bis zur Völkerwanderungszeit, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1972, S. 63 (die 2. Aufl. von 1977 stand nicht zur Verfügung). Bei der Gelegenheit wird von Mildenberger die Sippe als Lebensgemeinschaft abgelehnt (S. 63). Michael Mitterauer: Der Mythos von der vorindustriellen Großfamilie, in: Vom Patriarchat zur Partnerschaft: Zum Strukturwandel der Familie, hrsg. v. Michael Mitterauer und Reinhard Sieder, München 1977, S. 38 – 63 [zit. als: Mitterauer, Mythos]. Hans K. Schulze: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 2: Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Hof, Dorf und Marsch, Burg, Pfalz und Königshof, Stadt, Stuttgart 1986, S. 11f. [zit. als: Schulze, Grundstrukturen]. Schwab, Familie I, Sp.1067.Goetz,Sp.270f.Guichard/Cuvillier,S.68-79 173 Mildenberger,S.63. 174 Mildenberger,S.64.Schulze,Grundstrukturen,S.28-33.Goetz,Sp.271. 175 Schwab,FamilieI,Sp.1068. 176 Karl Kroeschell: Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, in: ders.: Studien zum frühen und mittelalterlichenRecht(FreiburgerRechtsgeschichtlcheAbhandlungen,NeueFolge,Bd.20),Berlin1995, S. 113 – 155 (auch: Göttinger Rechtswissenschaftliche Studien 70 (1968) [zit. als: Kroeschell, Haus]. Schwab,FamilieII,S.257f.Guichard/Cuvillier,S.39–41. 177 Dazu:Guichard/Cuvillier,S.59–69. 178 SieheKap.4.2.4. -26-

Bruder, in Vertretung des Vaters, wie Gunhild Gross dezidiert nachweist. 179 Ebenso konnte der Schutz für eine Frau von ihren nächsten Verwandten übernommen werden, ohnedaßeineSippeeingeschaltetwerdenmußte. 180

4.A NALYSE DES S IPPENBEGRIFFS IM EDICTUM R OTHARI

Nachdem in Kapitel 2 die Kritik am Sippenbegriff des 19. und frühen 20. Jahrhunderts dargelegt und in Kapitel 3 der gegenwärtige Forschungsstand bezüglich Familie und Verwandtschaft dargestellt wurde, soll in diesem Kapitel das Edictum Rothari untersucht werden. Dabei werden alle Bestimmungen des Edikts analysiert, von denen verwandtePersonenjederArtbetroffenwerden.

4.1.Z UR Q UELLE EDICTUM R OTHARI

4.1.1F ORMALE A NALYSE

Das Edictum Rothari 181 besteht aus 388 einzelnen Gesetzen, die überwiegend im kasuistischen „Si quis “-Stil abgefaßt und in manchen Handschriften mit kurzen Überschriften versehen sind, die den Inhalt des jeweiligen Gesetzes zusammenfassen. Den Gesetzen ist ein kurzes Incipit vorangestellt, das den Grund für die Aufzeichnung darlegt: „[...] pro subiectorum nostrorum commodo [...]“ 182 . In den Prolog integriert ist eine Liste der 17 mythischen und historischen langobardischen Könige, die das Volk bis zur Abfassung des Edikts regiert haben, inklusive König Rothari selbst. 183 Die Sprache der Quelle ist Latein, das mit insgesamt 83 langobardischen Rechtswörtern durchsetzt ist,dieteilweisevondenVerfasserndesEdiktslateinischglossiertwerden.184

179 Gross,S.45–64. 180 DieSchutzfunktiondrücktsichinFormderRacheaus(Gross,S.5–44). 181 SieheauchKap.0. 182 Ed.Roth.INCIPIT 183 Ibidem. 184 Z. B. „De wegworin id est orbitaria . [...]“ (c. 26). Zu den langobardischen Wörtern: Van der Rhee, Florus: Die germanischen Wörter in den langobardischen Gesetzen, Diss. Utrecht, Rotterdam 1970 [zit. als Van der Rhee, Wörter] (Zu wegworin : S. 136f.). Ruth Schmidt-Wiegand: Die volkssprachigen Wörter in den Leges barbarorum als Ausdruck sprachlicher Interferenzen, in: dies: Stammesrecht und Volkssprache. Ausgewählte Aufsätze zu den Leges barbarorum. Festgabe für Ruth Schmidt-Wiegand zum 1.1.1991, hrsg. von Dagmar Hüpper und Clausdieter Schott, Weinheim 1991, S. 191 – 212 (auch in: Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), S. 56 - 87) [zit. als: Schmidt-Wiegand, Wörter]. Zur Sprache der Quelle: Bengt Löfstedt: Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze. Beiträge zur frühmittelalterlichen Latinität (Acta Universitatis Upsaliensis. Studia Latina Upsaliensia, Bd. 1), Diss. Uppsala, Stockholm/Göteborg/Uppsala 1961. Veraltet: Wilhelm Bruckner: Sprache der Langobarden (Quellen und Forschung zur Sprach- und Culturgeschichte der germanischen Völker, Bd. 75), Straßburg 1895[zit.als:Bruckner,Sprache]. -27-

Bei einer oberflächlichen Durchsicht des Edikts scheinen die einzelnen Bestimmungen willkürlich zusammengestellt worden zu sein. Bei näherem Hinsehen ergibt sich aber eine Ordnung. Friedrich Bluhme teilt das Edictum in vier Abschnitte ein: 1. Delikte, die sich gegen den König oder Personen richten in Ro. 1 – 152; 2. Erb- und Familienrecht in Ro. 153 – 226; 3. Sachen-, Schuld-, und Vertrags- bzw. Beweisrecht sowie VermögensdelikteinRo.227-368;4.ErgänzungeninRo.369–388. 185 Das Edictum Rothari ist in zahlreichen Handschriften überliefert. Friedrich Bluhme verwendete für seine Edition 186 im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica elf lateinischeHandschriftenundeinenfrühenDruck. 187 Bedauerlicherweise hat Bluhme für seine Edition kein Stemma der Handschriften angefertigt, so daß über den Zusammenhang der Abstammung der Handschriften voneinanderhierkeineAussagegemachtwerdenkann. Anders als für spätere Rechtsbücher der Langobarden 188 , sind seit Bluhmes Edition, die 1868 erschienen ist, keine umfangreicheren Handschriften des Edikts mehr gefunden worden. Bekannt geworden sind allerdings eine Anzahl von Fragmenten, die jedoch nichts wesentlich Neues zur Kenntnis der Quellen beizutragen haben. 189 Eine neue Edition des Edikts durch die Monumenta ist in absehbarer Zeit nicht vorgesehen, könnte aberinItalienvorgenommenwerden. 190

185 Bluhme,Leges,S.X. 186 Zu Bluhmes Edition: Löfstedt, S. 5 – 7. Friedrich Bluhme: Rez.: Monumenta Germaniae Historica. Ed. G. H. Pertz. Legum Tom. IV 1868, in: Historische Zeitschrift 61 (1869), S. 410 – 421 [zit. als: Bluhme, Rez.MGH,LL4]. 187 Bluhme, Leges, S. XII – XLVI. Alban Dold: Zum Langobardengesetz. Neue Bruchstücke der ältesten Handschrift des Edictus Rothari, in: Deutsches Archiv 4 (1941), S. 1 – 52 [zit. als: Dold, Langobardengesetz]. Ders.: Zur ältesten Handschrift des Edictus Rothari. Urfassung des Langobardengesetzes. Zeit und Ort ihrer Entstehung, Stuttgart/Köln 1955 [zit. als: Dold, Handschrift]. Gegen Dolds Angaben: Rudolf Buchner: Rez. zu: Dold: Zur ältesten Handschrift [...], in: ZRG GA 74 (1957), S. 433. Florus van der Rhee: Zum Langobardengesetz, in: Deutsches Archiv 24 (1968), S. 224 – 227 [zit. als: Van der Rhee, Langobardengesetz]. Van der Rhee, Wörter, S. 13f.; 17 und 145 - 152. Löfstedt, S. 2f. Florus van der Rhee: Iren und Langobarden. Paläographischer und orthographischer Einfluß der Iren auf den Codex Sangallensis 730 (Edictum Rothari), in: Atti del 6° congresso internazionale di studi sull’alto medioevo, Milano, 21 – 25 ottobre 1978, Bd. 2, Spoleto 1980, S. 709 – 715[zit.als:VanderRhee,Iren]. 188 Bluhme hat in seiner Praefatio (Leges, S. XCVIII - CXVIII) zur Edition der Lombarda , des systematischen Rechtsbuches des 12. Jahrhunderts, 30 Handschriften aufgeführt. Mittlerweile sind 63 Handschriften und Fragmente bekannt. Dies ist ein Ergebnis des DFG-Forschungsprojekts „Langobardisches Strafrecht“, das Dr. Christoph H. F. Meyer unter der Leitung von Prof. Dr. Heinz Holzhauer am Institut für deutsche und europäische Rechtsgeschichte der Westfälischen Wilhelms- UniversitätMünsterdurchgeführthatundandemderAutorbeteiligtwar. 189 Klaus Siewert: Zu den Leges Langobardorum. Studien zur Überlieferung und zum volkssprachigen Wortschatz. Fragment Münster. Universitäts- und Landesbibliothek, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften Göttingen aus dem Jahre 1993, Philologisch-Historische Klasse, Göttingen 1993, S. 189 - 236. Ders.: Neues zur Überlieferung der Leges Langobardorum, in: Deutsches Archiv 48 (1992), S. 165f. Ders.: VVIDRIGILD und ALDIO in einem neuentdeckten Fragment der Leges Langobardorum, in: Sprachwissenschaft11(1986),S.445f.Löfstedt,S.5. 190 Rudolf Schieffer: Monumenta Germaniae Historica. Bericht für das Jahr 1997/98, in: Deutsches Archiv 54 (1998), S. I – XV, insbes. S. IV. Hartmann, Wilfried: Brauchen wir neue Editionen der Leges? In: Mittelalterliche Texte. Überlieferung - Befunde - Deutungen. Kolloquium der Zentraldirektion der -28-

191 4.1.2Q UELLENBEGRIFFE

Der gebräuchlichste Ausdruck für Verwandtschaft im Edictum Rothari lautet parentes 192 (parentum , parentibus (etc.)). Parentes bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur „Eltern“, sondern auch „Großeltern“, „Verschwägerte“ und andere lebende Verwandte. Zur Unterscheidung von parentes im Sinne der Gemeinschaft aller Verwandten wird in einigen Gesetzen der Ausdruck parentes proximi 193 verwendet, um den Kreis der betroffenen Verwandten einzuschränken. Wenn ausdrücklich Vorfahren gemeint sind, wird antecessores bzw. der Genitiv Plural antecessorum 194 benutzt. Neben dem Plural parentes wird oft die Einzahl parens 195 (parenti , parentis ) verwendet. Beyerle übersetzt parens i. d. R. mit „Gesippe“; es sollte dafür aber besser „Verwandter“ gelesen werden, um eine Interpretation des Ausdruckes im Sinne der Sippentheorie zu vermeiden. Die Verwandtschaft als Ganzes wird mit parentilla oder cognatio 196 bezeichnet. Der im klassischen Latein übliche Ausdruck für Verwandtschaft, cognatio , wird nur an dieser Stelle benutzt und erläutert die nachfolgende Bezeichnung parentilla . Für einzelne verwandte Personen werden die üblichen Bezeichnungen pater , mater , filius , etc. verwendet. Eine Sonderstellung nimmt dabei der Vaterbruder ein, der mit barba (barbanus )197 bezeichnet und mit patruus übersetzt wird; der Mutterbruder, avunculus , kommt nicht vor. Nepos 198 muß hier als „Neffe“ gelesen werden und nicht wie im klasischenLateinals„Enkel“,während consobrinus 199 denVetterbezeichnet. Zu den Ausdrücken, die im folgenden mit Verwandtschaft in Verbindung gebracht werdenkönnen,gehörenauch heredes 200 ,„Erben“bzw.dieEinzahl heres 201 ,„Erbe“.Von

Monumenta Germaniae Historica am 28. / 29. Juni 1996, hrsg. v. Rudolf Schieffer, Hannover 1996, S. 233 – 245; inbesondere S. 243f. [zit. als: Hartmann, Editionen]. Dazu: schriftliche Auskunft (E-Mail) bezüglich einer Monumenta-Edition des Edikts von Dr. Christoph H. F. Meyer: „Der Erkenntniszugewinn würdenichtdenAufwand,derdafürerforderlichwäre,rechtfertigen.“ 191 Verwendete Hilfsmittel: Gerhard Köbler: Wörterverzeichnis zu den Leges Langobardorum (Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft, Bd. 8), Gießen-Lahn 1977. Ingeborg Schröbler: Langobardisch – deutschesGlossar,in:FranzBeyerle.DieGesetzederLangobarden,Weimar1947,S.497–508. 192 Die deklinierten Formen dieses hier im Nominativ/ Akkusativ Plural angegebenen Substantivs kommen in Ro. 13; c. 15; c. 16; c. 32; c. 138; c. 143; c. 164; c. 174; c. 179; c. 182; c. 183; c. 186 - 193; c. 197; c. 199-203;c.208;c.209;c.214;c.216;c.221;c.374undc.385vor. 193 SieheRo.158;c.159;c.163;c.171;c.247. 194 SoinRo.153. 195 Siehe Ro. 153; c. 163; c. 195 und c. 225. Dazu Beyerle, Gesetze, S. 50f.; 55 und 91. Walde-Hofmann, Bd.2,S.232. 196 Beide ausschießlich in Ro. 153. In Bluhmes Edition heißt es cugnationem , oder alternativ cognacionem (Bluhme,Leges,S.35).Dazu:Löfstedt,83–88. 197 Siehe Ro. 163 „[...] aut barbanis, quod est patruus, [...]“ und c. 164 „[...] barbas, quod est patruus [...]“auchc.186.Schröbler,S.500.VanderRhee,Wörter,S.36-38. 198 Siehec.164,hierinBluhmesEdition: nipote .Walde-Hofmann,Bd.2,S.161–163. 199 In Bluhmes Edition consubrini/o ; siehe Ro. 163 und c. 164. Dazu: Löfstedt, S. 83 – 88. Walde- Hofmann,Bd.1,S.265. 200 Zu finden in Ro. 2; c. 158; c. 160; c. 163; c. 171; c. 175; c. 177; c. 183; c. 222 – 226; c. 227; c. 367 undc.385. 201 SoinRo.153;157;c.182;c.199. -29-

Bedeutung sind auch die sacramentales 202 (sacramentalis ), „Eideshelfer“, da sie in der klassischen Lehre als Sippenangehörige zu verstehen waren. Da bei den Langobarden die Munt eine große Rolle spielte, soll der Ausdruck mundium 203 (mundio ) in dieser Zusammenstellung genannt werden. Das dazugehörige Kompositum muntoald 204 („Muntwalt“), mit dem derjenige bezeichnet wird, der die Munt über eine weibliche Person innehat, kommt im Edictum Rothari noch nicht vor. Statt dessen werden Formulierungenwie„[...] mundiusdeeapertenuerit [...]“(Ro.26) 205 verwendet. Es fehlt der Begriff familia 206 , da man ihn zur Zeit der Abfassung des Edikts nicht im Sinne von „Verwandtschaft“ verwendet hat. Familia bedeutet: Hausgemeinschaft der Hausherren mit seiner Familie, im modernen Sinne, und den Sklaven des Hauses.207 AuchimSinnevon„Hausgemeinschaft“wird familia nichtverwendet. Das Substantiv gens 208 (gentes ) wird benutzt, bezeichnet aber das Volk im Sinne der gens langobardorum .209 Der Ausdruck fara 210 , der von einige Autoren als Synonym für Sippe angesehen wird, bedeutet „Fahrtgemeinschaft“ und wird in Kap. 5 gesondert betrachtet. Die Vokabel vicini 211 , die in der Theorie von der Sippensiedlung eine Rolle spielt,bedeutethierwirklichnur„Nachbarn“.

202 SieheRo.165;c.179;c.198;c.359;c.362undc.363. 203 InRo.160;c.161;c.165;c.178;c.182–184;c.186-188;c.190;c.195–200;c.204;c.214–216; c.369undc.385.Dazu:VanderRhee,Wörter,S.105-107.Bluhme,Mundschaft,S.376–378. 204 Der Begriff taucht erst bei Liutprand (Leges Liutprandi c. 12, c. 14, c. 30, c. 31, c. 93, c. 100, c. 125) auf.Schröbler,S.505.VanderRhee,Wörter,S.107f.Bluhme,Mundschaft,S.378. 205 ÄhnlichinRo.165;c.182;c.187;c.189;c.190;c.191;c.201undc.385. 206 Walde-Hofmann,Bd.1,S.452. 207 Schulz,Sp.254–256.Kroeschell,Familia,Sp.1066f.SieheauchKap.3.1. 208 In Ro. 386 bezeichnet Rothari sein Volk als „[...] gentis nostrae [...]“. Zu gens : Walde-Hofmann, Bd. 1,S.592. 209 Andere Ausdrücke für Sippe, die Wiebrock (Wiebrock, S. 7 - 51) verwendet hat, kommen im Text der Quellenichtvor. 210 Fara kommtnuraneinerStellevor,inRo.177. 211 SieheRo.16;c.146;c.300;c.346.Dazu:Walde-Hofmann,Bd.2,S.781.Auch:Murray,S.67–87. -30-

4.2I NHALTLICHE A NALYSE

4.2.1S TANDESZUGEHÖRIGKEIT

4.2.1.1U NTERSCHEIDUNG DER S TÄNDE

Die langobardische Gesellschaft tritt uns im Recht in drei nur scheinbar klar voneinander getrennten Ständen 212 gegenüber: liberi , aldii und servi , die im allgemeinen mit„Freie“,„Halbfreie“und„Unfreie“bzw.„Sklaven“ 213 übersetztwerdenkönnen. Diese drei Stände haben einen unterschiedlichen Wert, der sich durch eine unterschiedliche Höhe des Wergeldes darstellt. Das Verprügeln eines freien Mannes wird z. B. mit drei solidi pro Hieb gesühnt 214 , das Verprügeln eines Alden oder eines Dienstsklaven (servus ministerialis ) nur mit einem solidus pro Hieb 215 . Der Wert eines totgeschlagenen Sklaven bemaß sich nach der Tätigkeit, die er ausübte. 216 Ein erfahrener Dienstsklave war 50 solidi 217 wert, ein unerfahrener Dienstsklave immerhin noch 25 solidi 218 , ein minderer Viehhirte 20 solidi 219 , der Lehrling eines Viehhirten noch 16 solidi 220 .

212 Der Einfachheit halber bleibt es im folgenden bei der Bezeichnung „Stand“; nicht zu verwechseln mit den Ständen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Dazu: Gabriele von Olberg: Freie, Nachbarn und Gefolgsleute. Volkssprachliche Bezeichnungen aus dem sozialen Bereich in den frühmittelalterlichen Leges (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte, Bd. 2), Diss. Phil. Münster 1982, FrankfurtamMain/Bern/NewYork1983,S.19–25[zit.als:Olberg,Freie]. 213 Man kann sich vortrefflich darüber streiten, ob servi als „Sklaven“ oder als „Knechte“ zu übersetzen sei. In der älteren Literatur wird dem Ausdruck „Knecht“ der Vorzug gegeben, z.B. in Beyerles Übersetzung (Gesetze der Langobarden). Dies wird von Jacob Grimm damit begründet, daß zwischen den germanischen servi und den Sklaven der antiken Welt ein qualitativer Unterschied bestünde (Grimm, Rechtsalterthümer, 4. Ausg., S. 418). Hermann Nehlsen (Sklavenrecht zwischen Antike und Mittelalter. Germanisches und römisches Recht in den germanischen Rechtsaufzeichnungen, Bd. 1: Ostgoten, Westgoten, Franken, Langobarden (Göttinger Studien zur Rechtsgeschichte, Bd. 7), Göttingen/Frankfurt/Zürich1972)bestehtjedochaufderÜbersetzung„Sklaven“,daerdiesenUnterschied nicht zu erkennen vermag und eher eine Übernahme antiken Sklavenrechts durch die Germanen vermutet (Nehlsen,S.58–61;414-416).ImfolgendenwirdderAusdruck„Sklaven“bevorzugt. 214 Ro. 43: „Si quis hominem liberum [...] percusserit [...] , pro una ferita conponat ei solidos tres; [...]“. Die maximale Anzahl von Hieben, die zu sühnen sind, beläuft sich dabei auf vier. Darüber hinaus wird nicht mehr gezählt; der Betroffene möge sich damit bescheiden: „[...] si quattuor fecerit, solidos duodicem;siveroampliusduraverit,feritasnonnumerentur,sedsitsibicontemtus. “ 215 Ro. 77: „Si quis haldium alienum aut servum menesterialem [sic!] percusserit [...] , pro una ferita conponatsol.unum; [...] “.BeiderAnzahlderHiebewirdgenausoverfahrenwieimvorherigenBeispiel. 216 Nehlsen,S.363–365. 217 Ro. 130: „Si quis servum alienum ministerialem occiserit probatum [...] conponat solidos quinquagenta. “ 218 Ro.131. 219 Ro.136. 220 Ibidem.MehrzumWergeldsieheKap.4.2.6.1. -31-

Was man unter den drei erwähnten Ständen genau zu verstehen hat, ist strittig. Mit liberi ist kein einheitlicher Stand, sog. „Gemeinfreie“ 221 , gemeint, wie noch im 19. Jahrhundert vermutet wurde. Vielmehr handelte es sich um eine Gruppe von Personen, die nicht im Sinne des Liberalismus des 19. Jahrhunderts frei waren, sondern in ganz unterschiedlichen Abhängigkeitsverhältnissen zum Herrscher standen. 222 Die Gruppe umfaßte sowohl Menschen mit geringer Abhängigkeit wie Adelige und Personen, deren Vorfahren schon frei waren, sog. „Altfreie“, als auch Personen, die auf Königsland angesiedelt wurden und zum Kriegsdienst verpflichtet waren, sog. „Königsfreie“ 223 , mit relativ starker Abhängigkeit vom König. Zur letzteren Gruppe gehören die langobardischen arimanni 224 und exercitales . Letztere begegnen uns im Edictum Rothari anvierStellen. 225 Für aldii (Alden) werden im 19. Jahrhundert noch alle Romanen gehalten, was sich aber heute nicht mehr halten läßt. Die These, daß es sich bei den Alden um Germanen handelte, die schon vor den Langobarden in Italien siedelten, ist glaubwürdiger, kann aber keine abschließende Erklärung des Aldionats bieten. Die These, daß das Aldionat

221 Gerhard Dilcher: Gemeinfreie, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1513 – 1516 [zit. als Dilcher, Gemeinfreie]. Fritz Wernli: Die Gemeinfreien des Frühmittelalters (Studien zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte,2.Heft),AffolternamAlbis1960[zit.als:Wernli,Gemeinfreie]. 222 Gerhard Dilcher: Freiheit, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1228 – 1233 [zit. als: Dilcher, Freiheit]. Karl Bosl: Freiheit und Unfreiheit. Zur Entwicklung der Unterschichten in Deutschland und Frankreich während des Mittelalters, in: ders.: Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa. Ausgewählte Beiträge zu einer Strukturanalyse der mittelalterlichen Welt, München/Wien 1964, S. 180 – 203 [zit. als: Bosl,Freiheit]. 223 Theodor Mayer: Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, in: ders.: Mittelalterliche Studien. Gesammelte Aufsätze, Lindau/Konstanz 1959, S. 139 – 163 (auch in: Deutsches Archiv 6 (1943), S. 46 - 70) [zit. als: Mayer, Königtum]. Ders.: Die Königsfreien und der Staat des frühen Mittelalters, in: Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte. Mainauvorträge 1953 (Vorträge und Forschungen, Bd. 2), Nachdruck der Ausgabe Lindau/Konstanz 1955, Darmstadt 1963, S. 7 – 56 [zit. als: Mayer, Königsfreie]. Karl Bosl: Über soziale Mobilität in der mittelalterlichen „Gesellschaft“. Dienst, Freiheit, Freizügigkeit als Motiv sozialen Aufstiegs, in: ders.: Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa. Ausgewählte Beiträge zu einer Strukturanalyse der mittelalterlichen Welt, München/Wien 1964, S. 156 – 179, insbes. 167 – 170 [zit. als: Bosl, Mobilität]. H. Krause: Königsfreie, in: HRG, Bd. 2, Berlin 1978, Sp. 1029 – 1032. Zusammenfassend: Olberg, Freie, S. 3 - 19. Dies.: Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges Barbarorum (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung. Schriftenreihe des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster,Bd.11),Berlin/NewYork1991,S.31-45und244–246[zit.als:Olberg,Bezeichnungen]. 224 Der Ausdruck „(h)arimannus “ kommt erst nach Rothari in langobardischen Gesetzen vor. Er wird zuerst in Li. c. 44 (Leges Liutprandi c. 44) verwendet (Schröbler, S. 503). Fedor Schneider: Die Entstehung von Burg und Landgemeinde in Italien. Studien zur historischen Geographie, Verfassungs- und Sozialgeschichte (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, Heft 68), Berlin 1924, S. 71 - 169. Gerhard Dilcher: Arimannia, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 220 – 223 [zit. als: Dilcher, Arimannia]. Jörg Jarnut: Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, in: ZRG GA 88 (1971), S. 1 – 28 [zit. als: Jarnut, Beobachtungen]. Neil Christie: The Lombards. The Ancient Longobards (The Peoples of Europe), Oxford/Cambridge (Mass.) 1995, S. 117 - 119. Olberg, Freie, S. 124-134.Dies.,Bezeichnungen,S.89–97. 225 Ro. 20, 23, 24 und 373. Jarnut (Beobachtungen, S. 3 - 28) geht davon aus, daß zur Zeit Rotharis die Ausdrücke arimanni und exercitales synonym verwendet wurden. Erst später unterschied sich deren Bedeutung,undderBergiff arimannus lösteden exercitalis ab -32- aus Freigelassenen gebildet wurde, kann dessen Vorhandensein auch nicht erklären. 226 Über die Rechtsverhältnisse der Alden ist bereits einiges bekannt, was auch in den folgenden Kapiteln zum Ausdruck kommt. Dennoch wissen wir nicht genau, welche Personengruppemit aldii gemeintist. Die Freigelassenen, im Langobardischen mit dem Adjektiv fulcfree 227 bezeichnet, nahmen eine sonderbare Zwischenstellung ein. Sie wurden teilweise den Alden, teilweise den Freien gleichgestellt. Insbesondere die Stellung der freigelassenen Frauen ist nicht eindeutig. Sie können durch Heirat mit einem Sklaven in den unfreien Stand zurückfallen: Ro. 217: „[...] ; libertatem suam amittat [...]“. Sie können aber durch HeiratmiteinemfreienMannzueinerWohlgeborenen,quasiFreigeborenen,aufsteigen. Ro. 222: „[...] ; tamen debeat eam libera thingare, sic libera, quod est vurdibora, [...]“ 228 . Der Vorgang der Freilassung ist detailliert in einem Gesetz, das mit „De manomissionibus “ überschrieben ist, geregelt. Ro. 224: „Si quis servum suum proprium aut ancillam suam liberos dimittere voluerit, sit licentia qualiter ei placuerit. [..]“. Dabei werden vier Arten von Freilassung unterschieden: 1. „[...] fulcfree, [...] id est haamund “, d. h. ohne Munt 229 und Erbanspruch des bisherigen Herren oder eines Dritten, 2. „[...] inpans, id est in votum regis [...]“, d. h. in den „Bann“ des Königs, worunter man Königsfreiheit verstehen kann, 3. „[...] fulcfree [...] , et haamund a se [...] non fecerit [...]“, unter der Munt und im Haus des bisherigen Herren mit dessen Erbanspruch, ähnlich den Verwandten des Herren „[...] , tamquam si cum fratrem aut cum alio parente suo libero Langobardo [...]“ und 4. kann ein Sklave auch zum Alden

226 Nehlsen, S. 373 – 376. Dopsch, S. 207f. Van der Rhee, Wörter, S. 21 – 27. Dilcher, Recht, Sp. 1612. Katherine Fischer Drew: Class Distictions in 8th Century Italy, in: dies.: Law and Society in Early Medieval Europe. Studies in Legal History, London 1988, S. 73 – 95 (auch: Rice Institute Pamphlet 39,3 (1952)), insbes. S. 73 - 75. Reinhard Wenskus: Aldius. §1. Geschichtliches, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin/New York 1973, S. 135f. [zit. als: Wenskus, Aldius]. Wilhelm Bruckner: Aldius, in: Beiträge zur Geschichte der Deutschen Sprache und Literatur 17 (1893), S. 573 – 575 [zit. als: Bruckner, Aldius]. Erich Molitor: Zur Entwicklung der Munt. Eine ständegeschichtliche Untersuchung, in: ZRG GA 64 (1944), S. 112 – 172, insbes. S. 119 - 122. Giovanna Princi Braccini: Nuove voci longobarde tra apparato e glosse nelle „Leges Langobardorum“, in: Studi Medievali, ser. 3, 35 (1994), S. 67 – 99, insbes. 68 - 85. Olberg, Freie, S. 77 - 92. Dies., Bezeichnungen, S.78–89. 227 Olberg, Freie, S. 113 - 123. Dies., Bezeichnungen, S. 105 - 112. Joseph Schütz: Zwei germanische Rechtstermini des 7. Jahrhunderts. Fredegari: befulci – Edictus Rothari: fulcfree, in: Festschrift für Erwin Wedel zum 65. Geburtstag, hrsg. von Reinhard Ibler, Heinz Kneip, Klaus Trost (Slavische Sprachen und Literatur, Bd. 20), München 1991, S. 409 - 414. Van der Rhee, Wörter, S. 59 - 62. Schröbler, S. 502. Alfred von Halban: Das römische Recht in den germanischen Volksstaaten. Ein Beitrag zur deutschen Rechtsgeschichte, Teil 2 (Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Heft 64), Breslau 1901,S.52-59. 228 „ vurdibora “wirdvonBeyerlemit„wohlgeboren“übersetzt(Beyerle,Gesetze,S.89). 229 ZurMuntsieheKap.4.2.2.2. -33- gemacht werden: „[...] haldium facere voluerit [...]“. Damit sind verschiedene MöglichkeitendessozialenAufstiegsgegeben. 230

4.2.1.2S TANDESZUGEHÖRIGKEIT VON N ACHKOMMEN

Breiten Raum nehmen im Edictum Rothari die Regelungen zur Standeszugehörigkeit vonKindernein,diehierdetailliertbetrachtetwerdensollen. Das eheliche Kind eines Mannes und einer Frau, die beide demselben Stand angehören, ist dabei selbstverständlich auch vom selben Stand wie die Eltern, was im Edikt nicht näher geregelt werden mußte. Interessanter ist die Regelung des Nicht- Selbstverständlichen. Das Kind einer Verbindung zwischen Mann und Frau ungleichen Standes nimmt dabei in der Regel den minderen Stand an. Die Regelungen im einzelnen: - Der natürliche, d. h. uneheliche, Sohn eines freien Mannes und einer Sklavin ist selber Sklave, es sei denn, der Vater kauft ihn und läßt ihn frei. Ansonsten bleibt der Sohn im Besitz desjenigen, dem auch die Mutter gehört. Ro. 156: „De filio naturale, qui de ancilla alterius natus fuerit, si pater conparaverit eum, et liberum thingaverit, libertas illi permaneat. Et si non liberaverit eum, sit servus, cuius et mater ancilla. [...]“. Dieses Gesetz zeigt die Norm an, daß die Kinder einer Sklavin dem Besitzer der Sklavin gehören. Dies wird bestätigt durch Ro. 231, in dem die Kinder einer Sklavin an den rechtmäßigen Herren auszuliefern sind: „[...] filiûs ipsius [...] proprio domino retradat, quatinusfiliimatresequantur. [...]“. 231 - Die Kinder eines Alden und einer freien Frau (oder einer Freigelassenen) sind nach dem Tod des Alden frei, sofern sie nicht im Haus des verstorbenen Vaters bleiben wollen. Ro. 216: „Si haldius cuiuscumque libera uxorem tulerit, id est fulcfrea 232 ,[...] mortuos fuerit. [...] Et si filii de ipsa muliere fuerint, et noluerint in casa patris sedere, [...] et vadant sibi ubi voluerint liberi. “ Dies ist eines von zwei Gesetzen, in denen die Kinder nicht automatisch in den minderen Stand eingeordnet wurden. Der Ausdruck

230 Theodore John Rivers: Symbola, manumissio et libertas Langobardorum: An Interpretation of gaida and gisil in Edictus Rothari 224 and Its Relationship to the Concept of Freedom, in: ZRG GA 95 (1978), S. 57 – 78. Ennio Cortese: Thinx, garethinx, thingatio, thingare in gaida et gisil. Divagazioni longobardistiche in tema di legislatione, manumissione dei servi, successioni volontarie, in: Rivista di storia del diritto italiano 61 (1988), S. 33 – 64 [zit. als: Cortese, Thinx]. Emil Goldmann: Beiträge zur Geschichte der germanischen Freilassung durch Wehrhaftmachung (Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Heft 70), Breslau 1904, S. 36 – 65. A. I. Njeussychin: Der Freiheitsbegriff imEdiktdesRothari,in:ZRGGA66(1948),S.64–110,inbes.S.68–82.Drew,S.76–80. 231 Dazu:Grönbech,Bd.2,S.363f. 232 Der Ausdruck fulcfrea ist irreführend, bezeichnet fulcfree doch im allgemeinen Freigelassene. Die Bezeichnung libera für die Frau ist laut Bluhmes Edition (Leges, S. 52) jedoch kein Fehler, sondern in allenHandschriftenzufinden.EinefreigelasseneFrauseieigentlich liberta .Olberg,Freie,S.113–123. -34- cuiuscumque deutet an, daß Alden zu jemandem gehören, wenn auch nicht dessen „Besitz“ sind wie Sklaven. Es ist anzunehmen, daß auch die Söhne des Alden in dieses Verhältnis eintraten, sofern sie nicht willentlich dessen Haus verließen. Dies zeigt wieder die Zwischenstellung der Alden, die zu irgendjemandem gehörten, aber nicht in jedemFallzumBleibengezwungenwerdenkonnten. - Die ehelichen Kinder eines Alden und einer Aldin oder Freigelassenen folgen dem Vater, sie sind Alden wie der Vater. Ro. 218: „Si haldius cuiuscumque haldia aut liberta uxorem tulerit, si filiûs ex ipso coito habuerit, patri sequantur: sint haldii quales et pater. “ Daß die Kinder denselben Stand hatten wie die Eltern, ist ganz selbstverständlich, bedurfte aber der Erweiterung um die Norm, daß Kinder den niedrigerenStandannahmen,wennVaterundMutternichtdesselbenStandeswaren. - Die Kinder eines freien Mannes und einer zum Zwecke der Heirat freigelassenen Frau sind ebenfalls frei, da man in diesem Falle die Frau als gleichberechtigte Freie anzusehen hatte. Ro. 222: „Si quis ancillam suam propriam matrimoniare voluerit sibi ad uxorem, sit ei licentiam; tamen debeat eam libera thingare, [...] . Tunc intellegatur libera et legetima uxor, et filii qui ex ea nati fuerint, legetimi heredes patri efficiantur. “ Die Selbstverständlichkeit muß hier erst durch die Freilassung der Frau hergestellt werden.AufdieseBestimmungwirdinweiterenKapitelneingegangen. 233 - Die Kinder einer Aldin oder Freigelassenen mit einem Sklaven sind ebenfalls Sklaven, ebenso wie die Mutter durch ihre Heirat zur Sklavin geworden ist. Die Mutter kann aber nach dem Tode ihres Gatten mit ihren Kindern fortziehen, so der Herr des Verstorbenen sie nicht behalten will. Ro. 217: „Si haldia aut liberta [...] servum tulerit, libertatem suam amittat. Et si dominus neclexerit eam replecare ad servitium, mortuo tamen marito, vadat sibi una cum filiis suis. [...] “ Dies ist der zweite Fall, in dem die Kinder nicht automatisch den minderen Stand annehmen. Allerdings kann der Herr die Kinder nach dem Tode des Sklaven auch behalten, falls er das wünscht. Daß die Kinder im Falle einer Freilassung den Stand der Mutter annehmen, ist nicht ausdrücklich gesagt, kannabergemutmaßtwerden. - Die Kinder eines Alden und einer Sklavin sind auch Sklaven und gehören dem Herren der Sklavin. Ro. 219: „Si haldius ancillam suam aut alterius tulerit ad uxorem, filii qui exeanascuntur,sintservicuiusetmaterancilla. “Diesentsprichtderobenaufgestellten Norm, daß Kinder einer Sklavin dem Besitzer der Sklavin gehören. Interessant an diesem Gesetz ist aber auch, daß offenbar der Alde selbst eine Sklavin besitzen kann: „ [...] ancillamsuam [...]“.

233 Nehlsen,S.389f. -35-

- Zu Kindern einer Sklavin und eines Sklaven ist nichts ausgesagt. Ro. 220: „Si ancilla cuiuscumque in casam alterius ad maritum intraverit et servum tulerit, nihil de ipsa casa marito mortuo consequatur, nisi quantum secum adduxit. “ Die Sklavin verläßt nachdemTodedesGattendasHausmitdem,wassiemitgebrachthat.Obsieeventuelle Kinder zurücklassen muß, ist damit nicht ausgesagt, das Gegenteil aber auch nicht. Daß sie die Kinder mitnehmen kann, ist zu bezweifeln. Der einzige Hinweis darauf ist, daß die Sklavin in ein fremdes Haus eintritt und alles, was sie erwirtschaftet hat, für dieses Haus erbracht hat. Das mag auch für die Kinder, die evtl. in dieser Zeit geboren wurden, gelten. Das Grundsätzliche an dieser Bestimmung ist, daß Ehen zwischen Sklaven möglich waren, auch unter Sklaven verschiedener Herren, wenngleich sie nicht weiter geschützt zu sein scheinen. Weder ist im Edictum geregelt, ob verheiratete Sklaven durch Verkauf getrennt werden konnten noch waren Ehefrauen von Sklaven gegen ÜbergriffederHerrengeschützt. 234 - Eheliche Kinder einer freien Frau und eines Sklaven konnte es de iure nicht geben, da eine solche Verbindung nicht gestattet war. Diese wurde mit dem Tode oder, im Falle der Frau, wahlweise mit dem Verkauf ins Ausland bestraft. Ro. 221: „Si servus liberam mulierem aut puellam ausus fuerit sibi in coniugium sociare, animae suae incurrat periculum, et illa qui servum fuerit consentiens, habeant parentes potestatem eam occidendiautforisprovinciatransvindendi [...]“. 235 Uneheliche Kinder kommen, mit Ausnahme des erstgenannten Falles des unehelichen Sohnes eines freien Mannes und einer Sklavin, im Edictum nicht vor. Dabei wird es sicherunehelicheKindergegebenhaben,trotzderu.a.inRo.189:„ Sipuellaautmulier liberam voluntariae fornicaverit [...] parentes in eam dare vindictam [...]“ ausgedrückten strengen Sexualmoral. Außereheliche Beziehungen konnten rigide bestraft werden. Z. B. Ro. 212: „Si quis cum uxorem suam alium fornicantem invenerit, liberum aut servum, potestatem habeat eos ambos occidendi; [...]“. 236 Voreheliche Beziehungenwerdennichterwähnt. Festzuhalten bleibt, daß von den Regeln der Standeszugehörigkeit nur die Kernfamilie, d.h.Vater,MutterundKinder,betroffensind,allenfallsnochderHerreinesSklaven.

Es läßt sich zusammenfassen, daß sich die langobardische Gesellschaft als komplizierter erweist, als die eingangs erwähnten drei Schichten vermuten lassen. Die verschiedenen

234 Erst im Jahre 734 wird durch Liutprand (Leges Liutprandi c. 140) die verheiratete Sklavin ausdrücklich vorÜbergriffendesHerrengeschützt(Nehlsen,S.367f.). 235 Nehlsen,S.387–389. 236 Osenbrüggen,S.68.Conrad,S.153. -36-

Arten von liberi sind am Edikt nicht zu belegen. Es werden alle liberi gleich behandelt. Ein eigener Adelsstand ist ebenfalls nicht zu erkennen. Die Stellung der Sklaven weist Unterschiede auf, je nach Verwendung des Sklaven. Am auffälligsten ist die Gruppe der servi ministeriales , die teilweise den Alden gleichgestellt werden. Welche Personengruppe sich hinter den Alden verbirgt, ist auch am Edictum nicht endgültig zu klären. Ebenso weist die Stellung der Freigelassenen unterschiedliche Positionen auf, diemitdemEdiktalleinnichterklärbarsind.

4.2.2E HE UND M UNT

Der Ausdruck „Ehe“ 237 (lat.: matrimonium ) kommt im Edictum Rothari und den Novellen nicht wörtlich vor. 238 Statt dessen wird der Begriff mit „[...] uxorem/maritum tulerit. [...]“ 239 oder„[...] incasa [...] admaritumintraverit [...]“ 240 umschrieben.

4.2.2.1E HERECHTLICHE B ESTIMMUNGEN

Die verschiedenen Formen der Ehe, die bei allen germanischen Völkern vorkamen, findensichzumeistauchim EdictumRothari . Die wichtigste Form war die „Muntehe“, bei der die Munt 241 einer Frau auf den Ehemann übertragen wurde. Diese Form der Ehe ist in der älteren Forschung auch als „Kaufehe“ 242 bezeichnet worden, da in diesem Fall eine „Brautgabe“, langobardisch

237 Paul Mikat: Ehe, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 809 – 833 (auch in: ders.: Religionsrechtliche Schriften, Abhandlungen zum Staatskirchenrecht und Eherecht, hrsg. von Joseph Listl (Staatskirchliche Abhandlungen, Bd. 5), Berlin 1974, S. 847 – 868) [zit. als: Mikat, Ehe]. Ders.: Dotierte Ehe – rechte Ehe. Zur Entwicklung des Eheschließungsrechts in fränkischer Zeit (Rheinische-Westfälische Akademie der Wissenschaften. Geisteswissenschaften, Vorträge G 227), Opladen 1978 [zit. als: Mikat, Ehe II]. Heinrich Beck: Ehe, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 6, 2. Aufl., Berlin/New York 1986, S. 478f. [zit. als: Beck, Ehe]. R. Schulze: Eherecht, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 6, 2. Aufl., Berlin/New York 1986, S.480 – 500 [zit. als: Schulze, Eherecht]. Clausdieter Schott: Ehe, VI. Germanisches und deutsches Recht, in: LexMA, Bd. 3, München/Zürich 1986, Sp. 1629f. [zit. als: Schott, Ehe]. Grimm, Rechtsalterthümer, 4. Ausg., S. 578 – 627. Le Jan, S. 263 - 271. Richard Thurnwald: Die menschliche Gesellschaft in ihren ethno-soziologischen Grundlagen, Bd. 2: Werden, Wandel und Gestaltung von Familie, Verwandtschaft und Bünden im Lichte der Völkerforschung, Berlin/Leipzig 1932, S. 60 - 164. Schulze, Grundstrukturen, S. 19 - 33. Joseph Freisen: Geschichte des kanonischen Eherechts bis zum Verfall der Glossenliteratur, Neudruck der 2. Ausgabe Paderborn 1893, Aalen 1963, S. 104 - 120. Eduard Osenbrüggen: Das Strafrecht der Langobarden, Neudruck der Ausgabe Schaffhausen 1863,Aalen1968,S.84-91. 238 Raymund Kottje: Eherechtliche Bestimmungen der germanischen Volksrechte (5. – 8. Jahrhundert), in: Frauen in Spätantike und Frühmittelalter. Lebensbedingungen – Lebensnormen – Lebensformen. Beiträge zu einer internationalen Tagung am Fachbereich Geschichtswissenschaften der Freien Universität Berlin, 18.bis21.Februar1987,hrsg.vonWernerAffeldt,Sigmaringen1990,S.211–220,insbes.S.212. 239 Soz.B.inRo.216undc.217. 240 EbenfallsinRo.217. 241 MehrzurMuntinKap.4.2.2.2. 242 Z. B. Grimm, Rechtsalterthümer, 4. Ausg., S. 583 – 590. Siegfried Rietschel: Ehe, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hrsg. Johannes Hoops, Bd. 2, Straßburg 1911 – 13, S. 499 – 502. Rudolf Köstler: Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, in: ZRG GA 63 (1943), S. 92 – 136, insbes. S. -37- meta 243 , Bestandteil des Abschlusses war. Nach heutiger Ansicht war die germanische EheaberkeinKaufvertrag,sonderneinpersonenrechtlicherVertrag. 244 Auch beim Rechtsgeschäft der Ehe wurde das Selbstverständliche nicht geregelt. Ausnahmesituationen erzeugten aber Handlungsbedarf, der vom Edictum Rothari gedeckt werden sollte und dabei Einblick in den üblichen Handlungsablauf gibt. In Ro. 183 wird geregelt, was zu tun sei, wenn der Bräutigam vor der Ehe, aber nach Übergabe der Brautgabe verstarb. Das Gesetz sieht vor, daß die Hälfte der Brautgabe (meta ) zurückgegeben werden sollte und zwar auf die gleiche Weise, wie sie zuvor gegeben worden sei: „[...] ipsa per mano simili modo retradatur sicut priori marito tradita fuit. “ und grundsätzlich geht es weiter: „Nam aliter sine traditione nulla rerum dicimus subsistere firmitatem. “ Daraus läßt sich ablesen, daß jemand, vermutlich der Bräutigam, vor der Ehe eine meta von Hand zu übergeben hatte. Empfänger der Brautgabe war der Muntwalt. Diese Übergabe war Teil des Rechtsgeschäftes der Ehe und diente der Bekräftigung des Heiratsversprechens und als materieller Ausgleich für denVerlust,welcherderFamiliederBrautnachFortgangderselbenentstandenwar. 245 Die nächste Handlung nach Übergabe der meta war die Übergabe der Braut aus der Hand ihres Muntwalts an den Bräutigam, z.B. Ro. 181: „Si pater filiam suam aut frater sororem legetimam alii ad maritum dederit, [...]“. Inhalt des Gesetzes ist der Ausschluß der verheirateten Frau von weiteren Ansprüchen, nachdem sie vom Muntwalt am Tag der Heirat mit Gut ausgestattet worden war: „[...] in hoc sibi sit contempta de patris vel matris substantia, quantum ei pater aut frater in diae traditionis nuptiarum dederi: et amplius non requirat. “ Die Bedeutung der Übergabe als rechtsgültige Handlung wird im Falle eines weiteren Unglücks deutlich. Verstarb die Braut vorher, so sollte die Brautgabe (meta ) zurückerstattet werden, während die übrige Habe der Toten beim Muntwalt verblieb, da die Übergabe der Braut noch nicht stattgefunden hatte: Ro. 215: „Si quis puellam [...] , ut ipsa ante moriatur quam a patre, aut qui mundium eius potestatem habet, tradita fuerit tunc meta, quae data fuerat ab illo sponso, reddatur ei

95 – 98, 113f. und 119 - 128 [zit. als: Köstler, Raubehe]. Grönbech, Bd. 2, S. 354 – 360. Brunner, Rechtsgeschichte, S. 95 - 98. Genzmer, Staat, S. 135. Kienle, S. 56 – 58 und S. 68 - 71. Zoepfl, Bd. 2, S. 4. 243 Meta ist im Edictum Rothari an zahlreichen Stellen belegt (c. 167, c. 178, c. 179, c. 182, c. 183, c. 190, c. 191, c. 215) sowie in den Novellen (Leges Liutprandi c. 89, c. 114, c. 117, c. 119; Leges Aistulfi c. 14). Schröbler,S.504.VanderRhee,Wörter,S.98f. 244 Mikat, Sp. 810 - 815. Schulze, Eherecht, S. 483 - 488. Kottje, S. 213 – 215. Korbinian Ritzer: Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung in den christlichen Kirchen des ersten Jahrtausends (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen. Veröffentlichungen des Abt–Herwegen–Instituts der AbteiMariaLaach,Bd.38),2.,verbesserteundergänzteAufl.,Münster1962,S.157–159. 245 Erst in Li. c. 89 (Leges Liutprandi c. 89) wurde die Braut zur Empfängerin der Brautgabe, wodurch letztere nicht mehr als Entschädigung angesehen werden kann, sondern eher als wirtschaftliche AbsicherungderFrau.Schulze,Eherecht,S.486-488. -38- tantum quantum in ipsa meta dedit. Nam alias res illius sint, qui mundium eius in potestatemhaberevidetur,eoquodantetraditionemmortuaest. “ Die dritte Handlung, die das Rechtsgeschäft einer Muntehe vorsah, war die Heimführung der Braut in das Haus des Bräutigams und das Beilager 246 . Während das Beilager keine Erwähnung findet, läßt sich die Heimführung an den Bestimmungen im Falle einer verzögerten Heimführung ablesen. Ro. 178: „Si quis sponsaverit puellam liberam aut mulierem, et post sponsalias factas et fabola firmata duo annûs sponsus neclexerit eam tollere, et dilataverit nuptias exequi: [...] pater aut frater [...] distringere fideiussorem, quatinus adinpleat metam illam, quae in diae sponsaliorum promisit: [...]“. Inhalt des Gesetzes ist, daß die Brautgabe vom Muntwalt für die Braut beansprucht werden konnte, falls der Verlobte die Braut nicht binnen zwei Jahren geheiratet hatte. Aus diesem Gesetz läßt sich eine weitere Selbstverständlichkeit rekonstruieren: Vor der Ehe war auch bei den Langobarden eine Verlobung 247 (despontio )üblich. Die Verwandten einer Frau waren an der Eheanbahnung beteiligt, was sich wiederum aus der Regelung eines Konfliktfalles rekonstruieren läßt. Ro. 192: „Si parentes de puella sponsa cum alio conludio fecerint “ lautet die Überschrift. Falls die Verwandten einer Frau diese einem anderen zur Frau geben als demjenigen, dem die Ehe zuvor versprochen wurde, sollen die Verwandten die Brautgabe in doppelter Höhe zurückzahlen: „Si pater filiam suam aut frater sorore aut aliqui ex parentibus puellam alii spunsaverint [sic!] et postea cum alio extraneo arte conludium ficerint, aut fraudem consenserint, cum illo, qui [...] ducat uxorem: tunc ipsi parentes [...] conponant spunso [...] in dupla meta [...].“ Dies ist einer von zwei Hinweisen darauf, daß die Verwandten einerFrau,nichtnurderMuntwalt,anderAnbahnungeinerEhebeteiligtwaren. 248 Die materielle Ausstattung der Frau findet einige Beachtung. Dabei muß bedacht werden, daß die Ehe im Frühmittelalter noch keine Gütergemeinschaft 249 war, sondern

246 Lizzie Carlsson: Vom Alter und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, in: ZRG GA 77 (1960), S. 311 – 323. Gegen Carlsson: Ragnar Hemmer: Über das Beilager im germanischen Recht, in: ZRG GA 76 (1959), S. 292 – 301 [zit. als: Hemmer, Beilager I]. Ders.: Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, in: ZRG GA 78 (1961), S. 298 – 309 [zit. als: Hemmer, Beilager II]. Karl August Eckhardt: Beilager und Muntübergabe zur Rechtsbücherzeit, in: ZRG GA 47 (1927), S. 174 – 197 [Dieser AufsatzbehandelteinenspäterenZeitraum,istaberzumVerständnisdesBeilagershilfreich.]. 247 Schulze, Eherecht, S. 496f. F. Geißler: Brautwerbung, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 3, 2. Aufl., Berlin/New York 1978, S. 421 – 425, insbes. S. 423 - 425. G. Di Renzo Villata:Ehe,III.Italien,in:LexMA,Bd.3,München/Zürich1986,Sp.1625f. 248 Rudolf Köstler: Muntgewalt und Ehebewilligung in ihrem Verhältnis zueinander nach langobardischem und nach fränkischem Recht, in: ZRG GA 29 (1908), S. 79 – 135, insbes. S. 79 – 94 [zit. als: Köstler, Muntgewalt].Geißler,S.421-423. 249 Werner Ogris: Gütergemeinschaft, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1871 – 1874 [zit. als: Ogris, Gütergemeinschaft]. Ders.: Güterrecht, eheliches, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1874 – 1876 1874 [zit. als: Ogris, Güterrecht]. Ders.: Gütertrennung, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1876f. [zit. als: Ogris, -39- nur eine gemeinsame Verwaltung der im Prinzip getrennten Güter durch den Mann kannte. 250 Die Güter, die eine Frau besitzen konnte, werden im Edictum Rothari behandelt: Die Morgengabe, langobardisch morgingab 251 , die die Frau nach der ersten Nacht mit dem Ehemann von diesem empfing, wird in Ro. 182 erwähnt. Auch diese Selbstverständlichkeit, die das Rechtsgeschäft der Ehe erst vollständig macht, findet nur im Zusammenhang mit einer Ausnahmesituation Erwähnung. Es geht in diesem Gesetz um den Tod des Ehemannes und die Wiederheirat der Witwe. In einem solchen Falle sollte die Frau sowohl morgingab als auch faderfio 252 , die materielle Ausstattung durch den Vater (Mitgift oder Aussteuer, im Falle der Ausstattung durch die Mutter), für sich behalten, sofern der nächste Verwandte des Verstorbenen der neuen Ehe nicht zustimmte. „[...] Et si noluerit accepere, habeat ipsa mulier et morgenegab 253 et quod de parentes adduxit, id est faderfio [...]“. Auch hier zeigt sich der Einfluß der Verwandten auf die Eheanbahnung: „[...] parentes vero eius potestatem habeant, eam dandi ad alium maritum, ubi ipsi et illa voluerint. [...]“ Allerdings erkennt man auch, daß eine Verheiratung ohne die Zustimmung der Frau nicht so ohne weiteres möglich war. 254 Eine Heirat ohne die Zustimmung der Verwandten stand unter Strafe und wurde mit insgesamt 40 solidi gebüßt. Ro. 214: „Si quis liberam puellam absque consilio parentum aut voluntate duxerit uxorem, conponat [...] anagrift 255 solidos XX et propter faida 256 alios vigenti. [...]“ Mit der Munt verfahre man, wie es das Gesetz vorsieht: „De mundio autem qualiter convenerit, et lex habet; [...]“. Ähnliche Regelungen enthält Ro. 188. Bestandteile einer rechtsgültigen Muntehe waren also: 1. Heiratsversprechen bzw. Verlobung (desponsatio ), 2. Übergabe der Brautgabe (meta ), 3. Übergabe der Braut und

Gütertrennung]. 250 Werner Ogris: Verwaltungsgemeinschaft, in: HRG, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 878 – 879 [zit. als: Ogris, Verwaltungsgemeinschaft]. 251 Die Morgengabe ist nicht nur im Edictum Rothari (c. 199, c. 200, c. 216) belegt, sondern auch in den Novellen (Leges Liutprandi c. 7, c. 103, c. 117; Leges Aistulfi c. 14) und in den Leges anderer germanischer Völker (Leges Allamannorum , Leges Burgundionum , Lex Ribuaria u.a.). Schröbler, S. 505. Van der Rhee, Wörter, S. 101 – 104. Grimm, Wörterbuch, Bd. 6, Sp. 2567f. Werner Ogris: Morgengabe, in: HRG, Bd. 6, Berlin 1993, Sp. 837f. [zit. als: Ogris, Morgengabe]. Theo Mayer-Mali: Morgengabe, in: HRG,Bd.3,Berlin1984,Sp.678–683.Zoepfl,Bd.2,S.19-21. 252 Der Ausdruck faderfio kommt auch in Ro. 199 und c. 200 vor. Schröbler, S. 500. Van der Rhee, Wörter,S.44-46.Grimm,Rechtsalterthümer,4.Ausg.,S.610-612.Zoepfl,Bd.2,S.21–23. 253 VonBeyerlezu morgingab verbessert(Beyerle,Gesetze,S.66). 254 Guichard/Cuvillier,S.77. 255 Anagrift oder anagrip ist das Antasten einer freien Frau zwecks ehelicher oder außerehelicher Verbindung. Das Wort kommt in Ro. 188 - 190, c. 214, Leges Liutprandi c. 127, sowie in anderen Quellenvor.Schröbler,S.499.VanderRhee,Wörter,S.27-29. 256 ZurFehde,langobardisch faida ,sieheKap.4.2.6.2. -40- der Munt, 4. Beilager (welches im Edictum keine Erwähnung findet), 5. Morgengabe (morgingab ). NebenderMuntehegabesauchweitereFormenderEhe: Die Friedelehe war eine vollwertige Ehe, ohne Übertragung der Munt. 257 Daß eine solche Friedelehe auch bei den Langobarden möglich gewesen sein könnte, ist aus dem Edictum nicht direkt ersichtlich. Raub- und Entführungsehen 258 stehen im Edictum Rothari unter Strafe. Ein Mann, der eine Frau gewaltsam gegen ihren Willen, und wohl auchgegendenWillenihrerVerwandten,zurFraunahm,büßtedieseTatmit900 solidi , was dem Wergeld für Totschlag 259 entsprach. Ro. 186: „Si vir violentias fecerit, et invitam tullerit uxorem, sit culpabilis sol. nongentos, [...]“. Die Frau konnte sich in einem solchen Fall einen Muntwalt frei wählen und gehen, wohin sie wollte: „[...] Et mulier ipsa licentiam habeat [...] elegendum, qui mundium eius in potestatem debeat habere, [...] ubi sibi ipsa elegerit. “ Falls die Frau doch bei ihm bleiben wollte, mußte er sich nach der Buße auch noch formell die Munt über die Frau verschaffen. Ro. 187: „Si quis violento nomine tullerit uxorem, conponat ut supra [sic!] , et postea mundium eius faciat. [...]“. Falls jemand eine verheiratete Frau mit deren Einverständnis entführt und zu seiner Frau gemacht hatte, wurden beide mit dem Tode bestraft. Ro. 211: „Si liber aut servus uxorem alterius tulerit, eamque sibi in coniugium sociaverit, ambo occidantur,sitamenamboconsenserint “. 260 Die Kebsehe 261 , d. h. die Ehe eines Freien mit einer Sklavin, kommt nicht vor, da eine Sklavinerstfreigelassenwerdenmußte,bevorderfreieMannsieheiratenkonnte,wiein Kap. 4.2.1.2 bereits erläutert. Ro. 222: „Si quis ancillam suam propriam matrimoniare volueritsibiaduxorem,siteilicentiam;tamendebeateamliberathingare, [...]“. Eheverbote 262 finden sich auch im Edictum . Eine Ehe mit leiblichen Verwandten (Geschwistern oder Elternteilen) findet dabei keine Erwähnung, da solche

257 Mikat, Sp. 816 f. Schulze, Eherecht, S. 488 – 492. Kottje, S. 218. Herbert Meyer: Friedelehe und Mutterrecht, in: ZRG GA 47 (1927), S. 198 – 286, vor allem zur Unterscheidung der Ehetypen S. 277 – 286 [zit. als: Meyer, Friedelehe]. Else Ebel: Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen. Philologische Studien zu sogenannten „Friedelehe“ (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 8), Berlin/New York 1993 [zit. als: Ebel, Konkubinat]. Köstler, Raubehe,S.98f.,108und128-130.Kienle,S.71–76.LeJan,S.271-275. 258 Adalbert Erler: Frauenraub (raptus), I. Allgemein, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1210 – 1212. Ekkehard Kaufmann: Frauenraub (raptus), I. Strafrechtlich, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1212 – 1214 [zit. als: Kaufmann, Frauenraub]. Mikat, Sp. 815f. Schulze, Eherecht, S. 490f. Kottje, S. 218. Köstler, Muntgewalt,S.81–94.Köstler,Raubehe,S.93–95und110–119.Osenbrüggen,S.109–113.Conrad, S.36-38 259 Z.B.Ro.14. 260 SieheauchKap.4.2.4.1. 261 Mikat,Sp.817f.Kottje,S.219.H.-W.Strätz:Kebsehe,-kind,in:HRG,Bd.2,Berlin1878,Sp.695f. 262 Mikat, Sp. 823 – 825. Schulze, Eherecht, S. 492 - 495. Köstler, Raubehe, S. 108f. Di Renzo Villata, Sp.1625.Osenbrüggen,S.92-95.Kienle,S.60f. -41-

Verbindungen in den meisten Kulturen außerhalb des Denkbaren liegen. In Ro. 185 werden Ehen eines Mannes mit Stiefmüttern, Stiefschwestern und Schwägerinnen ebenfalls zum verbotenen Inzest gezählt: „De incestas et inlecetas nuptias. Nulli leciat novercam suam, id est matrinia, qui fuit uxor patris, neque privignam, quod est filiastra, neque cognatam, qui fuit uxor fratris, uxorem ducere. [...]“. Die Schwägerschaft war bei Germanen allgemein kein Ehehindernis, so daß in dieser Norm bereits kirchlicher Einfluß zu erkennen ist. 263 Ein weiterer Hinderungsrund für eine Ehe war die Standesgrenze, aber nur zwischen einer freien Frau und einem Sklaven, wie im vorherigem Kapitel erwähnt (Ro. 221). Ehen unter nichtstandesgemäßen Partnern waren ansonsten möglich, ebenso wie Ehen unter Alden oder Ehen unter Sklaven. AndereEhehindernissesindnichtersichtlich. Eine Möglichkeit der Eheauflösung 264 , wie sie für germanische Völker allgemein angenommen wird, kann auch aus dem Edictum Rothari nicht direkt erschlossen werden. Allerdings soll eine inzestuöse Ehe getrennt werden, notfalls mit königlicher Gewalt. Ro. 185: „[...] et mox separetur ab ea, constrictus a rege [...]“. Einer Frau, die gewaltsam zu Ehe gezwungen wurde, steht es frei, zu gehen, wie oben schon erwähnt (Ed. Roth. c 186). Solche Ehen haben keinen Bestand. Andere Gründe für eine Eheauflösungsindnichtzuersehen.

4.2.2.2M UNT

Die Munt 265 spielte im langobardischen Recht eine große Rolle. Anders als in anderen Bereichen des Rechts gibt es für die Munt im langobardischen Recht eine zentrale Aussage, die an Deutlichkeit nicht missen läßt. Ro. 204: „Nulli mulieri liberae sub regni nostri ditionem legis Langobardorum viventem liceat in sui potestatem arbitrium, id est selpmundia vivere, nisi semper sub potestatem virorum aut certe regis debeat permanere: [...]“. Keine freie Frau, die im Reich Rotharis nach langobardischem Recht lebte, durfte selbstmündig (selpmundia ) nach ihrem eigenen Ermessen leben. Sie sollte ständig unter der Munt von Männern leben. Eine praktische Bedeutung dieser Norm

263 Schulze,Eherecht,S.493und495. 264 Mikat,Sp.825f.Schulze,Eherecht,S.498f. 265 Friedrich Bluhme: Die Mundschaft nach Langobardenrecht, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte 11 (1873), S. 375 – 401 [zit. als: Bluhme, Mundschaft]. Werner Ogris: Munt, Muntwalt, in: HRG, Bd. 3. Berlin 1984, Sp. 750 – 761 [zit. als: Ogris, Munt]. Gerhard Köbler: Munt, in: LexMA. Bd. 6, München/Zürich 1993, Sp. 918 f. [zit. als: Köbler, Munt]. Molitor, S. 112 – 172. Conradin Tunzelmann von Adlerflug: Zum Wesen der langobardischen Munt, Diss. Freiburg 1897. Pohl-Resl, Brigitte: "Quod melegibuscontangetauere".RechtsfähigkeitundLandbesitzlangobardischerFrauen,in:Mitteilungendes Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 101 (1993), S. 201 – 227, insbes. S. 201 - 211. Ennio Cortese: Per la storia del mundio in Italia, in: Rivista italiana pe le scienze giuridice, ser. 3, 8 (1955/56), S.323–474[Zit,als:Cortese,Mundio].Kienle,S.84–94.Zoepfl,Bd.2,S.29–37undS.39-52. -42- wird gleich mitgeliefert: „[...] nec aliquid de res mobiles aut inmobiles sine voluntate illius, in cuius mundium fuerit, habeat potestatem donandi aut alienandi. “ Sie durfte weder mobile noch immobile Habe ohne Zustimmung ihres Muntwalts verschenken oder veräußern. Damit werden gleich zwei wesentliche Merkmale der Munt im langobardischen Recht deutlich: 1. Männer haben die Munt über Frauen inne, 2. PersoneninderMuntanderersindinihrerGeschäftsfähigkeiteingeschränkt. BeschäftigenwirunszunächstmitderFunktionderMunt: Munt bedeutet nicht nur Beschränkung, sondern vor allem Schutz 266 . Personen, die aufgrund ihres Geschlechts oder Standes nicht kämpfen konnten, wie Frauen und Kleriker, oder nicht kämpfen sollten, wie Alden und Sklaven, bedurften des Schutzes einer wehrfähigen Person. Damit ist nicht nur die Verteidigung mit Waffengewalt gemeint, sondern auch die Vertretung vor Gericht, die letztlich auch im Zweikampf münden konnte. 267 Dieser Fall wird in Ro. 198 deutlich: „Si quis puellam aut mulierem liberam, qui in alterius mundium est, fornecariam aut strigam clamaverit [...]“. Wenn jemand eine Frau beleidigte, über die er nicht die Munt hatte, und es ihm nicht ernst war, so mußte er beeiden, daß er die Schmähworte (hier „Hure“ oder „Hexe“) ungerechtfertigterweise ausgesprochen habe, und er mußte 20 solidi büßen. Blieb er aber bei seinen Beschuldigungen, mußte er im Zweikampf seine Behauptungen beweisen: „[...] Nam si perseveraverit et dixerit se posse probare, tunc per camphionem 268 causa ipsa, id est per pugnam, ad Dei iudicium decernatur. [...]“. Der Gegner des Anklägers im Zweikampf wird kaum die Frau gewesen sein, sondern deren Vertreter vor Gericht, der Muntwalt. Weitere Schutzfunktionen können nur indirekt erschlossen werden. In Ro. 188 269 sollte eine eigenmächtige Verbindung einer Frau mit einem Mann mit insgesamt 40 solidi gebüßt werden. 20 solidi für anagrip 270 und 20 zur Unterdrückung der Fehde 271 : „[...] et propter faida aliûs viginti; [...]“. Das Interessante daran ist, daß die Familie der Frau zur Fehde schreiten konnte, um die vermeintlichen odertatsächlichenInteressenderFrauzuschützen. 272

266 Gross,S.19–23.Osenbrüggen,S.80-84.Pohl-Resl,S.204f.und226f. 267 Z.B.inRo.165. 268 Camphio ist der Kämpfer im Zweikampf. Das kann der Vertreter einer der Parteien persönlich sein, oder ein bezahlter Stellvertreter, ein Lohnkämpe. Schröbler, S. 504. Van der Rhee, Wörter, S. 90 – 92. RegelnfürLohnkämpenwurdeninRo.368aufgestellt. 269 ÄhnlichRo.190. 270 SieheAnm.255. 271 ZurFehdesieheKap.4.2.6.2. 272 Man könnte auch meinen, daß hier eher die pekuniären Interessen der Familie zu schützen gewesen seien. Zum vermögensrechtlichen Aspekt der Munt: Molitor, 177f. Cortese, Mundio, S. 384 - 388. Kroeschell,Haus,S.113–155,insbes.S.143f. -43-

Der Empfang von Wergeld 273 durch den Muntwalt kann ebenfalls als Indiz für die Vertreter- und Schutzfunktion angesehen werden, da die Zahlung von Wergeld die Fehde abwenden sollte. Als erstes Beispiel soll hier der schlimmste Fall dienen, der eintreten konnte: die Tötung einer Frau. Ro. 201: „Si quis puellam aut mulierem liberam per qualibit occasionem occiderit, conponat solidos mille duocentûs, medietatem parentibus, aut ad quem mundius de ipsa pertenit, et medietatem regi. [...]“. Auch in Ro. 186 wurde die Buße für eine Eheschließung gegen den Willen der Frau und der Verwandten zur Hälfte an den König und zur Hälfte an eben diese Verwandten geleistet: „[...] sit culpabilis sol nongentos, medietatem regi et medietatem parentibus mulieris [...]“. Die Buße für Wegwehr (langobardisch wegworin 274 ) oder andere Beleidigungen sollte in Ro. 26 auch zur Hälfte an den König und zur Hälfte an die Verwandten geleistet werden: „Si quis mulieri libere aut puellae in via se anteposuerit, aut aliqua iniuria intulerit, noningentos solidos conponat, medietatem regi et medietatem cui ipsa iniuria inlata fuerit, aut mundius de ea pertenuerit. “ Ungewöhnlich ist, daß die Hälfte der Buße auch an die Frau gezahlt werden konnte. In den bisher besprochenen Fällen war ausschließlich der Muntwalt der Empfänger des Wergelds. WasdasinderPraxisbedeutete,kannleidernichterschlossenwerden. Deutlicher abzulesen am Edictum Rothari ist die Beteiligung des Muntwalts am Zustandekommen einer Ehe, wie im vorherigen Kapitel schon erläutert. Dabei handelte es sich nicht nur um eine Beschränkung der freien Partnerwahl, sondern indirekt auch um den Schutz der Braut, indem der Muntwalt und die Familie der Braut bei der Partnerwahl die wirtschaftliche Potenz des Bräutigams, ausgedrückt in der Brautgabe, imBlickbehalten,umeinewirtschaftlichabgesicherteZukunftderEhesicherzustellen. Die Person des Muntwalts soll als nächstes betrachtet werden: Die Munt über eine verheirate Frau hatte in einer Muntehe der Ehemann, wie im vorherigen Kapitel ausgeführt. Wenn man davon ausgeht, daß die Muntehe der Regelfall der langobardischen Ehe war, traf das auf die Mehrzahl der verheirateten Langobardinnen zu. Bei einer unverheirateten Frau ist der Muntwalt üblicherweise der Vater. Sollte dieser verstorben gewesen sein, traten die Brüder an die Stelle des Vaters. Ro.161: „Si fuerint filii legitimi et filii naturales et sorores tam legetimas quam naturales, pro mundio earum tollant legitimi filii partes duas, naturales vero partem tertiam .“. Die ehelichen Brüder erhielten zwei Drittel der Munt, die nichtehelichen ein Drittel. Diese merkwürdige Teilungsregelung irritiert etwas. Mundium bedeutet nicht nur Munt,

273 ZumWergeldsieheKap.4.2.6.1. 274 Schröbler,S.507.VanderRhee,Wörter,S.136f.S.Anm.184. -44- sondern bezeichnet auch das Gut, das bei der Übertragung der Munt entgegengenommen wurde, z. B. die Brautgabe. Ein solches Gut wäre teilbar, ebenso wie ein etwaiger Anspruch auf Wergeld. 275 Ähnliche Regelungen weist Ro. 160 auf. Die Position des Bruders als Muntwalt anstelle des Vaters wird in Formulierungen deutlich, wieRo.181exemplarischbelegt:„ Sipaterfiliamautfratersororem [...]“. Sollten keine Verwandten mehr leben, die die Munt übernehmen konnten, konnte die Munt auch von dritten übernommen werden. Der wichtigste dritte ist dabei der König. Ro. 385: „Si mundius de puella libera, parentes mortuos, ad curtem ceciderit “. 276 In Ro.186 konnte sich eine Frau nach einer erzwungenen Ehe freiwillig in die Munt (hier: Hand) des Königs begeben: „[...] ad manum regia [...]“. Zum Rechtsgeschäft der Eheschließung gehörte die Übertragung der Munt vom bisherigen Muntwalt auf den Ehemann. Ro. 187 bestimmt, daß sich der Frauenräuber nach erzwungener Ehe auch noch die Munt über seine geraubt Frau verschaffen soll: „[...] et postea mundium eius faciat [...]“, ebenso, wer die Braut eines anderen heiratet: Ro. 190: „[...] et mundium eius, qualiter steterit, faciat [...]“, Ro. 191: „[...] et mundium eius, si convenerit, faciat [...]“. Nach dem Tode des Ehemannes lag die Munt bei dessen Verwandten. Ro. 182 bietet eine komplizierte Regelung. Falls die Verwandten des ersten Mannes einer Wiederheirat nicht zustimmten, verloren sie die Munt über die Witwe: „[...] Et mundium eius prioris mariti parentes non habeant, pro eo quod ei denegaverunt volontatem suam: [...]“. Die Munt geht wieder an ihre Verwandten oder an den Königshof, wenn sie keine Verwandten mehr hat: „[...] ideo redeat mundium eius ad proximûs parentes, qui prius eam ad maritum dederunt. Et si parentes non fuerint legitimi,tuncmundiusilleadcurtemregisperteneat. [...]“ Die erworbene Munt konnte auch wieder verloren werden. In Ro. 195 wird bestimmt, daß der Muntwalt, ausgenommen Vater und Bruder, die Munt verliert, wenn er der Frau nach dem Leben trachtete, sie gegen ihren Willen verheiraten wollte oder einer Gewalttat gegen die Frau zustimmte: „Si quis mundium de puella libera aut muliere potestatem habens, excepto pater aut frater, et in animam ipsius puellae aut mulieris insidiatus fuerit, aut alii invitam ad maritum tradere voluerit, aut volentibus ad eius violentiam faciendam consensum praebuerit, aut consilium dederit et provatur, ammittat mundium ipsius [...]“. Die Frau hatte die Wahl, heimzukehren oder an den Königshof zu gehen: „[...] et illa potestatem habeat de duas vias: vult ad parentis

275 Folgerichtig übersetzt Beyerle in Ro. 183 mundium mit Muntschatz. Diese Norm ist vor allem deshalb irritierend, weil es den Anschein hat, als ob die pekuniären Interessen der Verwandten im Vordergrund stünden.Pohl–Resl,S.205. 276 ÄhnlichinRo.182,dasweiteruntennochbesprochenwird. -45- reverti, vult ad curtem regis [...] se commendare, qui mundium eius in potestatem debeat habere. [...]“ In Ro. 196 wird ähnlich verfahren, falls der Muntwalt die Frau zu Unrecht der Unzucht bezichtigt: „[...] et crimen ei iniecerit, quod adulterassit, amittat mundium ipsius [...]“. Gleiches galt für das Verbrechen, die Frau eine Hexe zu schelten. Ro. 197: „De crimen nefandum. [...] eamque strigam, quod est mascam, clamaverit, [...]“. Trotz der großen Anzahl der Normen zur Munt über Frauen darf nicht außer acht gelassen werden, daß Munt auch über andere Personengruppen ausgeübt wurde. 277 Wie in Kap. 4.2.1.1 erläutert, wird in Ro. 224 bestimmt, daß ein Sklave ganz ohne Munt „[...] a se extraneum, id est haamund, facere [...]“, in den Bann des Königs „[...] inpans, idestinvotumregis [...]“oderindieMuntdesbisherigenHerren„[...] ethaamundase, id est extraneum non fecerit [...]“ freigelassen werden konnte. Daran ist abzulesen, daß nicht nur Frauen in der Munt ihres Ehemanns oder ihrer Verwandten stehen konnten. Die Weisen der Freilassung waren nicht in jedem Falle identisch. Der Freigelassene konnte mit oder ohne Munt freigelassen werden. Auch dabei muß beachtet werden, daß die Freilassung mit Munt nicht unbedingt eine Beschränkung der Freiheit durch den Herren sein mußte, sondern auch der Fürsorge des ehemaligen Herren für seinen Sklaven entspringen konnte. Persönliche Freiheit und Munt waren kein Widerspruch, schließlich standen freie Frauen auch unter der Munt eines Mannes, ohne daß man sie als nichtfrei bezeichnen würde. Der oder die Freigelassene befand sich, wie die Frau, im Schutz eines Stärkeren, seines ehemaligen Herren oder des Königs. Sollte der Freigelassene, der noch unter der Munt seines ehemaligen Herren stand, ohne eheliche, d. h. erbberechtigte Kinder versterben, so erbte eben dieser Herr als Muntwalt: „[...] si filiûsautfiliaslegitimas,quifulcfreefactusest,nondemiserit,patronussuccidat, [...]“. Auch Alden konnten unter der Munt ihres Herren stehen. Ro. 235 bestimmt, daß ein Alde, der nicht haamund gemacht wurde, ohne Zustimmung seines Herren kein Land, keinen Hof verkaufen und keine Sklaven freilassen durfte: „Non liceat haldius cuiuscumque, qui haamund factus non est, sine voluntate patroni sui terra aut mancipia vindere, sed neque liberum dimittere. “ Damit war die Geschäftsfähigkeit des Alden genausoeingeschränktwiediederSklavenundderFrauen.

Zusammenfassend kann über Ehe und Munt gesagt werden, daß die Wahl des Muntwalts in Ro. 186 und der Empfang von Wergeld durch die Frau selbst in Ro. 26 nur Ausnahmen in einem ansonsten festen Regelwerk der Muntverwaltung waren. Die

277 Bluhme,Mundschaft,S.393–401. -46-

Norm, daß keine langobardische Frau ohne männlichen Muntwalt leben konnte (Ro. 204),bleibtdavonunangetastet.DieMunthattenebenderbetontenSchutzfunktionauch eine stark vermögensrechtliche Komponente. 278 Die Munt über andere Personen innezuhaben, konnte sehr lukrativ sein, was der Empfang von Wergeld, Erbe und Brautgabe belegen. Ehe und Munt der Langobarden waren folglich ausgesprochen patriarchalischeInstitutionen. 279

4.2.3E RBRECHT

Im Erbrecht 280 ist die Rolle der Sippe bzw. die Verwandtschaft am ehesten zu erkennen. Jacob Grimm steht am Anfang der Sippentheorie, insofern er in seinen „Rechtsaltertümern“ im Abschnitt über das Erbrecht die Sippe beiläufig als „Friedensgemeinschaft“ charakterisiert. 281 Paul Kayser attestiert in seinem Aufsatz „Das Erbrecht nach den Edicten der langobardischen Könige“ 282 eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen Erblasser und Erbe, „[...] so daß der Begriff des gesetzlichen Erben vondemdesVerwandtenvölliguntrennbarist.“ 283 Die in der traditionellen Sippentheorie wichtige Abzählung der Verwandtschaftsgrade, die für die Erbfolge in Frage kommen, findet unter der Überschrift „De gradibus cugnationum “ auch im Edictum Rothari Erwähnung . Ro. 153: „Omnis parentilla 284 usque in septimum geniculum nomeretur, ut parens parenti per gradum et parentillam heres succedat; [...]“. Ein Erbe hatte die Namen seiner Verwandtschaften und Vorfahren darzulegen: „[...] sic tamen ut ille qui succedere vult, nominatim unicuique nomina parentum antecessorum suorum dicat. [...]“. Was genau unter geniculum (eigentlich

278 Olberg,Freie,S.88. 279 Schulze,Eherecht,S.482. 280 Karl Kroeschell: Erbrecht, Erbe, Erbschaft, I. Germanisches und deutsches Recht, in: LexMA, Bd. 3, München/Zürich 1986, Sp. 2105 – 2107 [zit. als: Kroeschell, Erbrecht]. Ders.: Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, in: ders.: Studien zum frühen und mittelalterlichen Recht (Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Bd. 20), Berlin 1995, S. 35 – 64, inbes. S. 56 - 58 (auch in: Studien zu den germanischen Volksrechten. Gedächtnisschrift für Wilhelm Ebel (Rechtshistorische Reihe, Bd. 1), Frankfurt am Main/Bern 1982, S. 87 - 116) [zit. als: Kroeschell, Söhne]. Guilio Vismara: Erbrecht, Erbe, Erbschaft, IV. Italien, in: LexMA, Bd. 3, München/Zürich 1986, Sp. 2110f. [zit. als: Vismara, Erbrecht]. H.–R. Hagemann: Erbrecht, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 971 – 977 [zit. als: Hagemann, Erbrecht]. Max Pappenheim: Zur Erbfolgeordnung des altlangobardischen Rechts, in: Forschungen zur Deutschen Geschichte 23 (1883), S. 616 – 631 [zit. als: Pappenheim, Erbfolgeordnung].Pohl-Resl,S.211–222. 281 Grimm,Rechtsalterthümer,1.Ausg.,S.467.SieheKap.1.1. 282 Paul Kayser: Das Erbrecht nach den Edicten der langobardischen Könige, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte8(1869),S.466–488. 283 Ibidem,S.466. 284 Mertens, Hans-Georg: Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, in: ZRG GA 90 (1973), S. 149 – 164. H. Hofmeister: Parentel, Parentelordnung, in: HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 1502 – 1510. Ekkehard Kaufmann: Erbfolgeordnung, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 959 – 962 [zit. als: Kaufmann, Erbfolgeordnung]. -47-

„Knie“) zu verstehen und wer zu den sieben Gliedern zu zählen ist, wird allerdings nirgendwoim EdictumRothari angegeben. 285 Im folgenden wird wieder nur an den Ausnahmefällen sichtbar, wer zu der erbenden Verwandtschaftgezähltwurdeundwernicht. In Ro. 154 werden die Erbansprüche ehelicher Söhne gegenüber natürlichen, d. h. nichtehelichen 286 , Söhnen betont: „Si quis dereliquerit filium legitimum unum [...] et filiûs naturalis unum aut plures, filius legitimus tollat duas portiones de patris substantia, naturalis tertia [. ..] “. Der eheliche Sohn bekam zwei Drittel des Erbes, die Nichtehelichen nur ein Drittel. 287 Sollten zwei Eheliche Ansprüche haben, bekamen die Nichtehelichen ein Fünftel, bei drei Ehelichen nur ein Siebtel: „[...] Si duo fuerint legitimi, habeant naturales quintam partem, quanticumque fuerint; si tres fuerint legitimi, habeant naturales septimam partem; [...]“. An diesem Gesetz ist abzulesen, daß eine Erbteilung unter den Söhnen des Erblassers üblich war und die nichtehelichen Söhne zur erbfähigen Verwandtschaft gezählt wurden, wenn auch mit erheblich verringertenAnsprüchen. Die Nachkommen der Söhne waren wiederum erbfähig, sollte einer der Söhne vor dem Erblasser verstorben sein, und zwar bis ins siebte Glied wie in Ro. 153 ausgeführt. Auch dies ergibt sich aus einer Negation. Die Nachkommen der nichtehelichen Söhne waren eben nicht zum Erbe zugelassen. Ro. 157: „De eo qui de filio naturale generatus fuerit, [...] heres non fiat , [...]“. Damit schieden die Nachkommen eines Nichtehelichen aus der Verwandtschaft aus. Ein weiterer Fall unterstreicht dies. Sollte ein Nichtehelicher getötet worden sein, fiel dessen Erbe seinen ehelichen Brüdern zu, nicht den Söhnen des Getöteten. Ro. 162: „Si fuerint filii legitimi et naturales duo aut plures, et contegerit casus, ut unus ex naturales occisus fuerit, [...] . Facultatem vero illius mortui ad legetimos fratres revertatur, nam non ad naturalis. [...]“. Die Söhne einer ehemaligen Sklavin und eines Freien waren legitime Erben, wie in Ro. 222 ausgeführt: „[...] et filii quiexeanatifuerint,legetimiheredespatriefficiantur. “288 Zwischen Schuldrecht und Erbrecht ergeben sich Verknüpfungspunkte. Sollte ein Schuldner seine Schulden nicht zahlen, so durfte sein Gut nach dreimaliger Mahnung

285 Kayser,S.471–476.Freisen,S.411-420. 286 Was man unter „natürlichen“ Söhnen zu verstehen hat war zumindest im 19. Jahrhundert strittig (Kayser, S. 468). Es können die Söhne aus einer Verbindung eines Freien mit einer Sklavin oder einer Aldin sein. In jedem Falle sind die Kinder nicht aus einer standesgleichen Muntehe hervorgegangen und deshalb als „unehelich“ zu bezeichnen. Ob die Kinder aus einer Friedelehe, so es diese bei den Langobardengab,als„ehelich“oder„unehelich“zubezeichnensind,bleibtfraglich. 287 ZurBenachteiligungnichtehelicherSöhne:Grönbech,Bd.2,S.363–367. 288 SieheauchKap.4.2.1.2. -48- gepfändet werden, wie in Ro. 245 festgelegt. 289 Dieses Recht konnte auf die Erben ausgeweitet werden. Der Nächstverwandte konnte als Erbe auch schon zu Lebzeiten des Schuldners haftbar gemacht werden. Ro. 247: „Nulli leciat alium pro alio pignerare, excepto illo, qui gafan 290 esse invenitur, id est coheres parens proximior, qui illi ad hereditatem, si casus evenerit, venturus est .“ Der Kern dieses Gesetzes ist eigentlich, daß niemand anderes als der Schuldner und sein Nächstverwandter gepfändet werden durfte. Nach dem Tode eines Mannes übernahm sein Sohn als Nächstverwandter mit dem Erbe auch die Schulden und Verpflichtungen des Vaters. Ro. 365: „Si quis post mortem patris filium [...] negaverit, [...]“. Falls der Sohn diese Schulden bestritt, sollte er sich durch Eid oder Zweikampf, so er konnte, von den Schulden befreien: „[...] ut praebeat filius sacramentum secundum qualitatem pecuniae, unde pulsatur, quod pater ipsiuseidebitornonfuissit,autperpugnadefendat,sipotuerit .“ 291 Zwischen diesen beiden Sätzen findet sich die Formulierung „[...] ita decernimus [...]“, was, zusammen mit der Position des Gesetzes am Ende des Edikts, darauf hinweist, daß diese Norm nicht zum Kanon der mündlich überlieferten Gesetze gehört, sondern von Rothari stammt. Ergänzt wird diese Norm durch Ro. 385: „Si mundius de puella libera, parentes mortuos, ad curtem regis ceciderit, et pater vel frater devitum demiserit, in quotam portionem patri vel fratri heredes successerit, ita et devitum persoluat. Simili modo et, si naturales filii fuerint. “ Die Schulden verstorbener Verwandter wurden im Falle der Übernahme der Munt über eine Frau durch den Königshof nicht vom König beglichen, sondern den ehelichen und unehelichen Brüdern gemäß ihrem Erbanteil auferlegt. Diese beiden Gesetze sind ein Hinweis darauf, daß ein Erbe nicht nur aus GeldundGütern,sondernauchausSchuldenbestehenkonnte.

Bislang war nur von Söhnen die Rede. Aber auch eheliche Töchter waren erbberechtigt, allerdings nur, wenn keine ehelichen Söhne vorhanden waren, die das Erbe und damit auch die Munt über ihre Schwestern übernehmen konnten. Uneheliche Töchter werden garnichterwähnt.GabeseineehelicheTochter,solltedasErbegedritteltwerdenundzu je einem Drittel unter der Tochter, den nichtehelichen Söhnen und den Nächstverwandten aufgeteilt werden. Ro. 158: „Si quis dereliquerit filiam legitimam unam et filium naturalem unum aut plures, et alios parentes proximos aut heredis, aequaliter dividant substantiam defuncti, id est in tres partes [...]“. Sollte es keine 289 WeitereSchuldrechtsbestimmungeninRo.246undc.248. 290 Das Wort gafan(d) ist nur in diesem Gesetz überliefert. Schröbler, S. 502. Van der Rhee, Wörter, S. 62 –64. 291 Auch in Ro. 362 mußten die Söhne den Verpflichtungen (wadia ) nachkommen, die der verstorbene Vatereingegangenwar. -49-

Nächstverwandten gegeben haben, erbte deren Anteil der Königshof: „[...] Et si parentes proximi non fuerint, tunc curtis regia suscipiat ipsas quattuor uncias. 292 “ Die Existenz weiterer Töchter verminderte den Anteil der Nächstverwandten, nicht aber den der Söhne. Ro. 159 : „Si quis dereliquerit filias legitimas duas aut plures, [...] illias filias tollan t [...] medietas naturalis filii [...] tertia pars, et [...] parentes legitimi [...] sextapars; [...]“. 293 Bei der Teilung der vermögensrechtlichen Ansprüche, die aus der Munt über die Töchter bzw. Schwestern erwuchsen, erhielten die nichtehelichen Söhne ein Drittel der möglichen Einkünfte, während zwei Drittel an die ehelichen Söhne (Ro. 161: „[...] pro mundio earum [i. e. sorores , J. M. T.] tollant legitimi filii partes duas, naturales vero partem tertiam. “), an andere rechtmäßige Erben oder den Königshof fielen. Ro. 160: „[...] Pro mundio autem superscriptarum tollant naturales filii tertiam partem, et heredeslegitimiautcurtisregiapartesduas. “ Witwen, die in ihr Elternhaus zurückgekehrt waren, erbten genauso wie ihre (unverheirateten) Schwestern, wobei ihre Morgengabe und die Brautgabe, die sie nach dem Tode ihres Mannes wieder mitgebracht hatten, vom Erbgut ausgenommen waren. Ro. 199: „[...] tunc illa vidua, qui in domo patris aut fratris regressa est, habeat sibi in antea morgingab et metfyo 294 . [...] Reliqua patris vel fratris substantia aequa lanciae dividant,sicutinhocedictumlegitur. [...]“ StarbjemandohneErben,fielseinGutandenKönigshof.Ro.223:„ Siquissineheredis mortuus fuerit, et res ipsius ad curtem regis pervenerit [...]“. Alle Ansprüche an das Erbe endeten damit: „[...] quia postquam ad manum regis pervenit, terminum posuit [...]“. 295 Das galt auch für das Gut freigelassener Personen, die ohne rechtmäßige Erben und ohne daß ein anderer über sie die Munt innehatte, verstarben. Ro. 224 (I): „[...] Et si sine heredes legetimûs ipse qui haamund factus est, mortuus fuerit, curtis regia illi succidat,namnonpatronusautheredespatroni. [...]“ Starb ein in die Munt seines ehemaligen Herren Freigelassener ohne leibliche Erben, beerbte ihn sein ehemaliger Herr und jetziger Muntwalt. Ro. 224 (III): „[...] si filiûs aut filias legitimas [...] non demiserit, patronus succidat, [...]“. Ansonsten vererbte ein Freigelassener nach denselben Regeln wie ein Freier. Ro. 225: „Si libertus [...] filiûs dereliquerit legetemûs, sint illi heredes [...]“. Starb er ohne besagte leibliche Erben,

292 VierUnzensindgleicheinDrittel. 293 IndiesenTeilengleichlautend:Ro.160. 294 Metfyo ( metfio )isteinanderesWortfür meta .Schröbler,S.505.VanderRhee,Wörter,S.100. 295 ÄhnlichRo.231. -50- galten die von ihm getroffenen Erbregelungen. In allen anderen Dingen folgte ihm sein HerrwieeinVerwandter:„[...] Aliasverores [...] patronussuccedatsicutparentisuo. “ Eine Erbregelung zugunsten dritter war auch im langobardischem Recht möglich (Ro. 171–174),sollhierabernichtbehandeltwerden,dakeineVerwandtenbetroffenwaren. Ansonsten erbte der Königshof, wie schon erwähnt (Ro. 158 – 160, Ro. 163, Ro. 223, Ro.231). 296 Ehefrauen beerbten ihren verstorbenen Ehemann nicht. Im Gegenteil: Die Munt über die Witwe lag bei den Verwandten des Verstorbenen, sofern sie nicht wieder geheiratet hatte oder die Verwandten des ersten Mannes die Munt verwirkt hatten, weil sie ihrem Willen nach Wiederverheiratung nicht entsprochen hatten. Ro. 182: „[...] vidua, si voluerit, ad alio marito ambolandi [...] . Et mundium eius prioris mariti parentes non habeant, pro eo quod ei denegaverunt volontatem suam: [...]“. In einem solchen Falle fiel die Munt zurück an die nächsten Verwandten der Frau: „[...] ideo redeat mundium eius ad proximûs parentes [...]“. 297 Da, wie in Kap. 4.2.2.1 erwähnt, nur eine gemeinsame Verwaltung der im Prinzip getrennten Güter durch den Mann bestand, erhielt eine Frau, die ihren Mann oder dessen Verwandtschaft verließ, auch nur das Gut zurück, das sie in die Ehe eingebracht hatte. Ro. 182: „[...] habeat ipsa mulier et morgenegabetquoddeparentesviroadduxit,idestfaderfio [...]“. 298 Ebenfalls vom Erbe ausgeschlossen blieb derjenige, der einem Verwandten nach dem Leben trachtete, um diesen zu beerben. 299 Ed. Roth 163 : „Si quis in mortem parentis sui insidiatus fuerit, [...] et ille cui insidiatur, filiûs non dereliquerit, non sit illi heredes cuius de anima tractavit, [...]“. Statt dessen fiel die Erbschaft an den nächsten Verwandten oder an den Königshof: „[...] nisi alii parentes proximi; et si parentis aliûs proximûs aut legetimûs non habuerit, tunc illi curtis regia succedat. [...]“ Dieses Gesetz beinhaltet zudem eine, wahrscheinlich nicht vollständige, Liste derjenigen Verwandten, die für eine Erbfolge in Frage kamen: „[...] id est si frater in mortem fratris sui, aut barbanis, quod est patruus, seu consubrini [...]“. Es fehlt der avunculus , der Mutterbruder, was darauf hinweist, daß die Verwandten der mütterlichen Linie ohnehin nichtalsErbeninFragekamen. Eine Enterbung war nicht ohne weiteres möglich. Ro. 168 regelt eindeutig, daß niemand den eigenen Sohn ohne wichtigen Grund enterben noch dessen gesetzlich zustehendes Erbe verschenken durfte: „Nulli liceat sine certas culpas filium suum exhereditare, nec

296 Kayser,S.476-487. 297 SieheKap.4.2.2.2. 298 SieheauchKap.4.2.2.1. 299 DazuauchKap.4.2.4.2. -51- quod ei per legem debetur, alii thingare. “ Die wichtigen Gründe werden gleich im nächstenGesetzaufgezählt.Ro.169:„ Iustasautemculpasexhereditandifiliumhasesse dicimus: si filius contra animam aut sanguinem patris insidiatus aut consiliator fuerit, aut si patrem percusserit volontariae, aut si cum matrinia sua, id est noberca, peccaverit, iuste a patre exhereditetur. “ Die gerechten Gründe sind: 1) wenn der Sohn einen Anschlag auf das Leben seines Vaters unternimmt oder jemanden dazu anstiftet, 2) wenn er den Vater vorsätzlich schlägt, 3) wenn er mit seiner Stiefmutter geschlechtlichverkehrt. Ebenso wie der Vater den Sohn nicht ohne Grund enterben konnte, durfte der Sohn sein väterliches Erbe auch nicht zu Lebzeiten des Vaters verschenken oder verkaufen. Ro. 170: „Item, sicut nec patribus licitum est filium suum sine iusta causa aut culpa exhereditare, ita nec filiûs leceat vivo patre cuicumque res suas thingare aut per quodlebettitulumalienare, [...]“.

Das Erbrecht kann bezüglich der verwandtschaftlichen Verhältnisse folgendermaßen zusammengefaßt werden: Es wird zwar in Ro. 153 erwähnt, daß die Erbfolge bis ins siebte Glied gültig ist, wer aber hierzu gezählt wurde, kann nur mühsam und unvollständig aus anderen Gesetzen erschlossen werden. Die häufigste Erwähnung finden die Kinder des Erblassers: eheliche wie nichteheliche Söhne und auch Töchter. Daneben Brüder, Vaterbrüder (patrui ) und Vettern (consubrini ), wie in Ro. 163 ausgeführt. Was unter consubrini genau zu verstehen ist, wird nicht näher erläutert. Auffällig ist, daß der Mutterbruder (avunculus ) in dieser Aufzählung fehlt, was den Schluß nahelegt, daß die mütterliche Verwandtschaft nicht erbberechtigt war. In diesem Zusammenhang muß unterstellt werden, daß nur die Vettern der väterlichen Linie mit consubrini gemeint sind. Die Töchter des Erblassers waren auch nur erbberechtigt, solange sie im Hause des Vaters lebten. Verheiratete Töchter erbten nicht, es sei denn, sie lebten als Witwe wieder im Hause des Vaters (Ro. 199). Schwiegersöhne, Schwager und andere angeheiratete Personen finden ebenfalls keine Erwähnung, da auch hier die Verwandtschaft nur über eine Heirat zustandekommt und verheiratete Frauen von der Erbschaft,wieerläutert,ausgeschlossensind. Zusammengefaßt kann das Erbrecht als deutlichstes Indiz für patrilineare VerwandtschaftsbeziehungenbeidenLangobardenzurZeitRotharisgesehenwerden. -52-

4.2.4I NNERSEGMENTÄRES S TRAFRECHT

Innersegmentäres Strafrecht ist das Strafrecht, das von Mitgliedern eines gesellschaftlichen Segments 300 über andere Mitglieder ausgeübt wird. Im folgenden soll das zu bearbeitende Segment die Familie bzw. Verwandtschaft sein. Man kann also auch von einem Familienstrafrecht sprechen. 301 Dabei sind zwei Themenkomplexe zu unterscheiden: 1) eine Frau wird von ihren Verwandten oder ihrem Ehemann gestraft und2)einMannwirdvonseinenVerwandtenbestraft.

4.2.4.1B ESTRAFUNG EINER F RAU

Beschäftigen wir uns zunächst mit den Fällen, in denen eine andere Person als der Ehemann die Frau strafte. Üblicherweise waren dies die „Verwandten“ als nicht näher spezifizierte Gruppe oder konkret der Muntwald, worunter man in der Regel den Vater oder Bruder zu verstehen hat. Ro. 189 bestimmt, daß die Verwandten einer Frau diese bestrafen durften, wenn sie freiwillig außerehelichen Geschlechtsverkehr hatte: „Si puella aut mulier liberam voluntariae fornicaverit [...] parentes in eam dare vindictam. [...]“. Wie diese Bestrafung auszusehen hatte, wird nicht genannt. Die Verwandten könnten sich auch mit dem betroffenen Mann darauf einigen, daß er die Frau heiratet. Dann zahlte er nur 20 solidi für anagrip 302 : „[...] Et si forte ambarum partium steterit, ut ille qui fornicaverit eam tollat uxorem, conponat pro culpa, id est anagrip solidos viginti; [...]“ Kam keine Einigung zustande, büßte er 100 solidi zur Hälfte an den König und zur Hälfte an den Muntwalt: „[...] et si non convenerit, ut eam habeat uxorem, conponat solidos centum, medietatem regi, et medietatem ad quem mundius de ea pertenuerit. [...]“. Lehnten die Verwandten es aber ab, die Frau zu bestrafen, konnten königliche Gastalde 303 oder Schulheiße 304 die Frau im Auftrag des Königs festnehmen

300 SieheEinleitung,Anm.11. 301 Heinz Holzhauer: Zum Strafgedanken im Mittelalter, in: Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung in der rechtsgeschichtlichen Forschung, hrsg. von Stephan Buchholz; Paul Mikat; Dieter Werkmüller (Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, Neue Folge, Bd. 69), Paderborn/München/Wien/Zürich 1993, S. 179 – 192, insbes. S. 184 - 187 [Holzhauer, Strafgedanken]. Ders.: Privatstrafe, in: HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 1993 – 1998 [zit. als: Holzhauer, Privatstrafe]. Gross, S. 45f., 51 – 53 und 84 - 86. Karl von Amira: Die germanischen Todesstrafen. Untersuchungen zur Rechts- und Religionsgeschichte (Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.- Hist. Klasse, Bd. 31, 3. Abhandlung), München 1922, S. 7- 22 [zit. als: Amira, Todesstrafen]. Genzmer, Staat,S.132f.Conrad,S.46. 302 SieheAnm.255. 303 Schröbler, S. 502. Van der Rhee, Wörter, S. 73f. Paolo Delogu: Gastalden, in: LexMA, Bd. 4, München/Zürich 1989, Sp. 1131f. Gerhard Dilcher: Gastalde, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1388f. [zit.als:Dilcher:Gastalde]. 304 Schröbler, S. 506. Van der Rhee, Wörter, S. 115 - 119. F. Ebel: Schultheiß, in: LexMA, Bd. 7, München1995,Sp.1591f.[zit.als:Ebel,Schultheiß].AdalbertErler;M.Neidert:Schultheiß,Schulze,in: HRG,Bd.4,Berlin1990,Sp.1519–1521. -53- und über sie richten, wie es dem König gefiel: (Ro. 189) „[...] Et si parentes neglexerint aut noluerint in ipsa dare vindictam, tunc liceat gastaldium regis aut sculdahis ipsam ad manum regis tollere et iudicare de ipsa, quod regi placuerit. “305 An diese Norm angelehnt ist Ro. 179, in dem es um die untreue Braut geht: „[...] de sponsa sua, quod adulterassit postquam eam spunsatam [sic!] habuit [...]“. Konnten ihre Verwandten sie nicht durch einen Eid von dem Vorwurf der Untreue reinigen 306 , erhielt der Bräutigam sein Gut (Brautgabe) zurück und die Frau sollte mit der Strafe für Unzucht bestraft werden: (Ro. 179) „[...] Et si parentes [... ] eam mundare non potuerint de ipso crimen, tunc spunsus recepiat res suas quas dedit, et illa patiatur pena adulterii, sicut in hoc edictum constitutum est. “ Mit pena adulterii ist vermutlich die in Ro. 189 angesprochene Bestrafung durch die Verwandten gemeint, wobei allerdings immer noch nichtsdarüberausgesagtist,wiedieBestrafungauszusehenhatte. Das dritte Gesetz, das zum Familienstrafrecht gezählt werden kann, ist das schon Kap. 4.2.1.2 angesprochene Ro. 221. Ein Sklave, der eine freie Frau geheiratet hat, sollte mit dem Tode bestraft werden: „Si servus liberam mulierem aut puellam ausus fuerit sibi in coniugium sociare, animae suae incurrat periculum, [...]“ 307 . Die Verwandten der Frau hatten die Macht, sie zu töten oder ins Ausland zu verkaufen und mit ihrer Habe nach Gutdünken zu verfahren: „[...] et illa qui servum fuerit consentiens, habeant parentes potestatem eam occidendi aut foris provincia transvindendi, et de res ipsius mulieris faciendi quod voluerint. [...]“ Weigerten sich die Verwandten, die Frau zu strafen, konnten auch in diesem Falle ein königlicher Gastalde oder ein Schultheiß gegen die Frau vorgehen, indem sie sie an den Königshof brachten und unter die Sklavinnen einreihten: „[...] Et si parentes eius hoc facere distulerint, tunc liciat gastaldium regis aut sculdhais ipsam in curte regis ducere et in pisele inter ancillas statuere. “ Im Gegensatz zu Ro. 189 sind hier die Strafen genauer ausgeführt. Ob dieselben Strafen, Versklavung oder Tod, auch in den ähnlich gelagerten Ro. 179 und Ro. 189 Anwendung finden sollten, kann vermutet werden, ist aber letzlich nicht zu beweisen. In Ro. 193 wird bestimmt, daß eine Frau, die mit einem fremden Sklaven außer Landes gegangen ist, von ihren Verwandten und dem Herren des Sklaven verfolgt und gemäß dem Gesetz bestraft werden sollte: „Si puella libera servuum alienum foris provincia secuta fuerit, requirant eos pariter dominus servi et parentes puellae: et si eos invenerint, ambo poenam iuxta legem susteneant. [...]“ Auch dies ist als Verweis auf die vorgenannten Gesetzezuverstehen.

305 Osenbrüggen,S.97–100. 306 ZumEidsieheKap.4.2.6. 307 Dazu:Nehlsen,S.387–389. -54-

Die in den Gesetzen Ro. 189, Ro. 193 und Ro. 221 enthaltenen Sanktionen sind nicht als eine Form der privaten Rache zu verstehen, auch wenn in den genannten Gesetzen der Ausweis eines Strafmaßes fehlt, weil dieses der Maßgabe der strafenden Familie oblag. In Ro. 189 und Ro. 221 wird der Verwandtschaft die Bestrafung der Frau regelrecht durch den König auferlegt, was man aber nicht als Ableitung der Straffunktion von der Gewalt des Königs auf die Familie deuten kann. Der König mischt sich vielmehr zum Zwecke der Friedensbewahrung und Fehdevermeidung in das orginäre Strafrecht der Familie ein. Indem gegen die beteiligte Frau eine drastische Strafe verhängt wurde und auch der Mann nicht ungestraft davonkam, wurde der Anlaß zu einer Fehde vermieden 308 , die für die Familie der Frau eine weitaus stärkere BedrohungdarstelltealsdieBestrafungderFrau. Waren in den genannten Gesetzen die Verwandten die Strafer der Frau, so ist dies im folgenden der Ehemann: Ro. 202: „Si mulier in morte mariti sui consiliaverit per se aut per supposita persona, sit in potestatem mariti de ea facere quod voluerit; simul et de res ipsius mulieris. [...]“ Wenn eine Frau den Tod ihres Mannes herbeiführen wollte, von eigener Hand oder durch eine andere Person, 309 stand es in der Macht des Mannes, sie nach seinem Willen zu bestrafen und auch mit ihrem Besitz nach Gutdünken zu verfahren. Diese Norm gab dem Mann eine sehr weitreichende Vollmacht, seiner Rache freien Raum zu lassen, da es zu der Bestrafung keine näheren Bestimmungen gab. Ein Hinweis auf eine zu erwartende Strafe gibt Ro. 203: „Si mulier maritum suum occiderit, ipsa occidatur, et res eius, si filii non fuerint, parentes mariti habeant potestatem.“ Eine Frau, die ihren Mann getötet hatte, sollte selbst getötet werden. 310 Über ihr Gut konnten die Verwandten des getöteten Ehemannes verfügen, sofern sie keine Söhne hatte. Der Rache des Mannes war auch im Falle des Ehebruchs der Frau keine Grenzen gesetzt. Ro. 212; „Si quis cum uxorem suam alium fornicantem invenerit, liberum aut servum, potestatem habeat eos ambos occidendi; et si eos occiderit, non requirantur. “. Wer

308 MehrzurFehdesieheKap.4.2.5.2. 309 Eine Verknüpfung der Tatbestände Ehebruch und Gattenmord findet sich in der Geschichte von der Ermordung König Alboins. Die Ehefrau Alboins, Rosemunda, hatte Peredeo, den Schildträger des Königs zu dem Mord angestiftet, nachdem sie ihn heimlich dazu gebracht hatte, mit ihr den Beischlaf auszuüben. Nach diesem Ehebruch konnte Rosemunda Peredeo dazu bewegen, den König umzubringen, um der gerechtfertigten Tötung durch den König zu entgehen (Paulus Diaconus, Hist. Lang. II, 28). Dazu: : Die Heldensage von Alboin und Rosimund, in: Festgabe für Otto Höfler zum 75. Geburtstag, hrsg. von (Philologica Germanica, Bd. 3), Wien/Suttgart 1976,S. 214 - 254. Wilfried Menghin: Die Langobarden. Archäologie und Geschichte, Stuttgart 1985, S. 99 – 102. Julius Weise: Italien und die Langobardenherrscher von 568 bis 628. Diss. Halle-Wittenberg 1886, Halle an der Saale1886,S.22–28. 310 DieBestrafungkonnteindiesemFallenatürlichnichtvomEhemanndurchgeführtwerden. -55- seine Frau beim Ehebruch, gleichgültig ob mit einem Freien oder einem Sklaven, ertappte,hattedieMacht,beidezutöten,wofürernichtbelangtwerdensollte. 311 Vor dem Hintergrund von Ro. 202 und Ro. 212 wird folgendes deutlich: Das Edictum Rothari setzt dem Ehemann enge Grenzen, innerhalb derer er seine Frau mit dem Tode bestrafen kann. Ausdrücklich werden nur Ehebruch und Mordversuch genannt. Noch stärker als bei den Normen zur Bestrafung durch die Verwandten (Ro. 189 und 221) stand hierbei für den Gesetzgeber nicht die Durchsetzung religiös-moralischer Normen im Mittelpunkt, sondern das Interesse an der Friedenswahrung und Fehdevermeidung 312 , demsichfiskalischeÜberlegungenhinzugesellten.

4.2.4.2B ESTRAFUNG EINES M ANNES

Das Familienstrafrecht beschränkte sich nicht nur auf die Bestrafung weiblicher Familienangehöriger, sondern erstreckte sich auch auf die männlichen. Wenn wir die Rolle des Mannes im Normenbestand des Edikts untersuchen, so muß man feststellen, daß es nirgends ein Tötungs- oder Züchtigungsrecht der Verwandten gegenüber Männern gab, wie wir es im vorherigen Kapitel für Frauen festgestellt haben. Die einzigen Sanktionsmöglichkeiten, die ein Vater gegenüber seinen Söhnen hatte, bestanden darin, sie von der Erbfolge auszuschließen. 313 In Ro. 163 wird bestimmt, daß jemand, der einen Verwandten getötet oder dazu angestiftet hatte, nicht dessen Erbe werden konnte. Statt dessen sollten die nächsten Verwandten erben : „Si quis in mortem parentis sui insidiatus fuerit, [...] aut consiliatur fuerit, [...] non sit illi heredes cuius de anima tractavit, [...] “. Die eigentliche Bestrafung oblag dem Willen des Königs: „[...] De anima autem illius homicidae sit in potestatem regis iudicare quod illi placuerit; [...]“. Der Besitz des Mörders sollte an die nächsten Verwandten und rechtmäßigen Erben fallen: „[...] res vero, quas humicida reliquerit, parentes proximi et legetimi

311 Ein solcher Fall ist der Tod König Rodoalds, Sohn Rotharis, der von einem betrogenem Ehemann erschlagen wurde, weil er mit dessen Frau geschlechtlich verkehrt hatte (Paulus Diaconus, Hist. Lang. IV, 48). An dieser Stelle soll ausnahmsweise auf ein späteres Gesetz hingewiesen werden. Im Jahre 731 änderte Liutprand diese strenge Norm in c. 121 (Leges Liutprandi c. 121). Unter christlichem Einfluß wurde das Strafrecht des Ehemannes beschnitten: „[ ... ] potestatem habet maritus eius, in eam vindicta dare, sibi in disciplina, sibi in vindicionem, ubi voluerit; verumtamen non occidatur, nec ei sematio corporis fiat [...]“. Körperliche Züchtigung und Verkauf in die Sklaverei waren noch erlaubt, Tötung und Verstümmelung nicht mehr. Osenbrüggen, S. 68, 100 - 103. Zur Behandlung des Ehebruchs in anderen Kulturen:Thurnwald,S.71-74. 312 ZudenwichtigenRegelungenderFehdevermeidungsieheKap.4.2.5.2. 313 SieheKap.4.2.3. -56- habeant; [...]“ 314 Diese Norm wird bei den rechtmäßigen Enterbungsgründen aus Ro. 169aufgegriffen. 315 In Ro. 164 geht es um eine Beleidigung, nämlich daß die eheliche Abkunft und damit auch das Erbrecht eines Verwandten, z. B. eines Neffen durch den Onkel, in Frage gestellt wird: „Si quis ex parentibus, id est barbas, quod est patruus, aut quicumque ex proximis dixerit de nipote suo aut consubrino doloso animo, quod de adulterio natus sit, nam non de certo patre: [...]“. Der Beschuldigte schwörte in diesem Falle mit Eideshelfern, daß er ehelicher Abkunft sei und ihm das Erbe rechtlich zustünde. Tut er das, sollte er das Erbe erhalten und genießen: „[...] tunc ille cui crimen mittitur, quaerat sibi liberos sacramentales, et praebeat sacramentu: quod filius legetimus sit et per lege res ipsas ad eum pertineat nec alteri eam per legem dimittere debeat; si hoc fecerit, habeat et fruatur, [...]“. Wichtig ist dabei wieder der vermögensrechtliche Aspekt des Falles. Es wurde verhindert, daß jemand einen Verwandten von der Erbfolge ausschloß, indem er ihn unehelicher Abkunft bezichtigte. Der Beleidiger wurde nicht ausdrücklich von der Erbschaft ausgeschlossen wie in Ro. 163, konnte sich in der Erbfolge aber auch nichtineinebesserePositionbringen.

Zusammengefaßt kann man über das Familienstrafrecht sagen, daß das Ungleichgewicht im Strafmaß zwischen den Strafen für Frauen und für Männer recht auffällig ist. Ob der langobardische Hausherr ursprünglich über die männlichen Mitglieder seiner Familie eine ebenso weitreichende Strafgewalt hatte wie über die Frauen, kann gemutmaßt werden, ist aber am Edictum nicht mehr zu beweisen. Auffällig ist, daß der Einfluß des Herrschers auf die Bestrafung der Frau in jedem Falle strafverschärfend wirkte. 316 Die Verwandten wurden dazu angehalten, keine Nachsichtigkeit zu üben, anderenfalls schrittenVertreterdesKönigsein. Während der Mordversuch für beide Geschlechter strafbewährt war, wenn auch mit sehr unterschiedlichem Strafmaß, wurde nur der Ehebruch der Frau belangt. Der Ehebruch des Mannes findet keine Erwähnung, wenn man davon absieht, daß der Nebenbuhler vombetrogenenEhemannmitsamtderFrauerschlagenwerdenkonnte(Ro.212). Dieses Familienstrafrecht, das hier ansatzweise skizziert werden konnte, ist alles andere als vollständig, sondern zeigt nur einen Zustand in einer Umbruchphase der langobardischen Gesellschaft von einer germanischen „Gesellschaft“ der 314 Es gilt hierbei zu bedenken, daß eine Bestrafung durch die Familie auf Schwierigkeiten stoßen könnte, weil außer dem Getöteten und dem Totschläger niemand im praktischen Sinne in der Lage gewesen sein könnte,eineTodes-oderKörperstrafezuvollziehen. 315 SieheebenfallsKap.4.2.3. 316 DiesestrafverschärfendeWirkunghatesnichtnurbeidemLangobardengegeben:Thurnwald,S.73f. -57-

Völkerwanderung zu einem frühmittelalterlichen Personenverbandsstaat, in dem der Einfluß der Familie zugunsten des Herrschers im Personenverband zurückgedrängt wurde.

4.2.5I NTERSEGMENTÄRES S TRAFRECHT

Nachdem im innersegmentären Strafrecht die Konflikte innerhalb des Segments „Familie“ bzw. „Verwandtschaft“ behandelt wurden, sollen nun die Normen zur KonfliktbewältigungzwischendenSegmentenbetrachtetwerden. Konflikte zwischen Familien wurden auf dem Wege der Fehde ausgetragen. Es lag im vitalen Interesse des Herrschers, die zerstörerischen Konflikte zwischen den Familien auf friedliche Weise zu lösen. Diesem Zweck diente das Kompositionensystem317 , das eine Buße 318 (compositio ) in Form einer Geldzahlung anstelle einer Fehde anbot. Im folgenden Unterkapitel soll untersucht werden, welche Rolle der Familie beim Empfang vonWergeld 319 zukam.

4.2.5.1W ERGELD

Die Buße im Kompositionensystem bemaß sich nach dem Stand der geschädigten Person und dem Ausmaß der Schädigung. 320 Der Mord, ein heimlicher Totschlag an einer Person, sollte mit der Hochbuße von 900 solidi gesühnt werden. Ro. 14: „Si quis homicidium in absconse penetraverit in barone libero aut servo vel ancilla, et unus fuerit aut duo tantum, qui ipsum homicidium fecerint, noningentos solidos conponat. [...]“ Was im ersten Satz dieser Norm noch wie eine Gleichbehandlung aller Personen aussieht, wird im dritten Satz eingeschränkt: „[...] si servus aut libertus, conponat ipsum,utadpraetiatusfuerit. [...]“DerWerteinerPerson,ihrWergeld,bemaßsichnach ihrem Stand, z. B. 900 solidi für einen freien Mann, und an der Verwendung im Falle eines Sklaven. 321 Die Bußen für Körperverletzungen sollen in diesem Zusammenhang nichtbehandeltwerden.

317 K. O. Scherner: Kompositionensystem, in: HRG, Bd. 2, Berlin 1978, Sp. 995 – 997. Osenbrüggen, S. 14 - 27. Franz Beyerle: Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, Teil 1: Sühne, Rache und Preisgabe in ihrer Beziehung zum Strafprozeß der Volksrechte (Deutschrechtliche Beiträge, Bd. 10, Heft2),Heidelberg1915,S.261f.[zit.als:Beyerle,Entwicklungsproblem]. 318 EkkehardKaufmann:Buße,in:HRG,Bd.1,Berlin1971,Sp.575–577[zit.als:Kaufmann,Buße]. 319 Andreas Roth: Wergeld, I. Germanisches und deutsches Recht, in: LexMA, Bd. 8, München 1997, Sp. 2199 - 2201. W. Schild: Wergeld, in: HRG, Bd. 5, Berlin 1998, Sp. 1268 - 1271. Genzmer, Felix: Rache, Wergeld und Klage im altgermanischen Rechtsleben, Tübingen 1941 (Sonderdruck aus: Jahresbände des NSD – Dozentenbundes 1937/38, S. 280 – 297) [zit. als: Genzmer, Rache]. Grönbech, Bd. 1, S. 363 – 368undBd.2,S.368–371.Olberg,Bezeichnungen,S.48-60. 320 ZumgesamtenKomplex:Gross,S.19–23. 321 WieschoninKap.4.2.1.1erläutert.Beyerle,Entwicklungsproblem,S.235-262. -58-

In der traditionellen Sippentheorie spielt die Aufbringung und der Empfang von Wergeld eine wichtige Rolle, da die Zahlung von Wergeld die Fehde vermeiden sollte. 322 Der Wergeldempfang durch Verwandte, parentes , ist am Edictum Rothari an zahlreichen Stellen nachzuweisen. In Ro. 15 soll der Grabraub (langobardisch grabworfin 323 ) mit 900 solidi gebüßt werden. Als Empfänger werden die Verwandten des Bestatteten genannt: „Si quis sepulturam hominis mortui ruperit et corpus expoliaverint aut foris iactaverit, nongentos solidûs sit culpavelis parentibus defuncti. [...]“ In Ro. 16 wird bestimmt, daß im Falle des Ausraubens einer unbestatteten Leiche 80 solidi an die Verwandten gezahlt werden sollen: „Si quis hominem mortuum in flumine aut foris invenerit aut expoliaverit et celaverit, conponat parentibus mortui solidos octoginta; [...]“. In Ro. 143 soll das Wergeld gar zweifach erlegt werden, wenn jemand nach dem Erhalt der Wergeldes noch Rache 324 genommen hat: „[...] iubemus ut in dublum reddat ipsam conpositionem iterum parentibus [...]“. In diesen Gesetzen werden als Empfänger des Wergeldes die parentes als unbestimmte Gruppe genannt. Dabei steht zu vermuten, daß die Verwandten gleichzusetzen sind mit den Erben des Geschädigten, da dieser in allen Beispielen selber kein Wergeld mehr empfangen konnte. Ein weiterer Normenbestand weist einige interessante Abweichungen auf. In Ro. 186 wird bestimmt, daß ein Mann, der eine Frau gewaltsam gegen ihren Willen zur Frau genommen hat, diese Tat mit der Totschlagbuße von 900 solidi zu büßen habe, und zwar zur Hälfte an die Verwandten der Frau und zur Hälfte an den König: „Si vir mulier violentias fecerit, et invitam tullerit uxorem, sit culpabilis sol. nongentos, medietatem regi et medietatem parentibus mulieris: [...]“. Sollte die Frau keine Verwandten gehabt haben, fiel der gesamte Betrag an den Königshof: „[...] et si parentes non habuerit, ipsi nongenti solidi ad curtem regis exegantur. [...]“. 325 Ähnlich wird in Ro. 191 verfahren: „Si quis puellam aut viduam spunsata alterius rapuerit, sit culpabiles parentibus puelle, aut ad quem mundius de ea pertenit sold. noningentos, medietatem regi et medietatem parentibus puellae, id est patri aut fratri, aut qui proximi sunt; [...]“. Raubte jemand die Braut eines anderen oder eine Witwe, so sollte er 900 solidi büßen, halb an den König und halb an die Verwandten oder den Muntwald. Letzteres ist ungewöhnlich, da der Muntwald selten direkt als Empfänger des Wergeldes auftritt. Schließlich handelte es

322 ZurSippentheoriesieheKap.1.2.4,zurFehdedasfolgendeKapitel. 323 Schröbler,S.503.VanderRhee,Wörter,S.78f. 324 MehrzurRachesiehenächstesKapitel. 325 Erler, Sp. 1210 – 1212. Kaufmann, Frauenraub, Sp. 1212 – 1214. Mikat, Sp. 815f. Schulze, Eherecht, S. 490f. Kottje, S. 218. Köstler, Muntgewalt, S. 81 – 94. Köstler, Raubehe, S. 93 – 95 und 110 – 119. Osenbrüggen,S.109–113.SieheauchKap.4.2.2.1. -59- sichbeidemMuntwaltinderRegelumeinenVerwandten.Bemerkenswertistebenfalls, daß die Verwandten näher beschrieben werden als Vater, Bruder und die anderen Nahestehenden. Das umreißt die bislang unspezifische Gruppe der Verwandten etwas näher, wenn auch nicht genau. In beiden Fällen wurde die Frau keinesfalls getötet. Der Grund für die Verhängung der Hochbuße von 900 solidi ist in der Absicht des Gesetzgebers zu vermuten, den Schutz der Frau zu verstärken. Einen Hinweis darauf gibt die Beteiligung des Königs am Wergeldempfang, die in den zuvor genannten Fällen des Totschlags nicht zu finden ist. Wir haben es hier mit einem alten Normenbestand (Ro. 14, Ro. 15 und Ro. 16) und einer Strafverschärfung (Ro. 186 und Ro. 191) durch denGesetzgeber(KönigRothari)zutun. Die Vermutung von der Strafverschärfung durch den König findet Bekräftigung in Ro. 200: „Si maritus uxorem suam occiderit inmerentem, quod per legem non sit merita mori, conponat solidos mille duocentûs, medietatem illis parentibus, qui eam ad maritum dederunt et mundium susciperunt, et medietatem regi, [...]“. Ein Ehemann, der seine Frau getötet hatte und diese dem Gesetz nach nicht für ein Vergehen mit dem Tode bestraft werden sollte, büßte diese Tat mit 1.200 solidi , zur Hälfte an den König und zur Hälfte an die Verwandten, die auch die Brautgabe empfangen hatten. Die (ungerechtfertigte) Tötung einer Frau wurde nicht nur mit der Totschlagbuße von 900 solidi gebüßt, sondern mit einem Drittel mehr, nämlich 1.200 solidi . Auch in diesem Falle profitierte der König von der Strafverschärfung. Für die mutwillige Tötung einer freien Frau sollten ebenfalls 1.200 solidi gezahlt werden, wie im vorherigen Falle halb an die Verwandten oder den Muntwalt und halb an den König. Ro. 201: „Si quis puellam aut mulierem liberam per qualibit occasionem occiderit, conponat solidos mille duocentûs, medietatem parentibus, aut ad quem mundius de ipsa pertenit, et medietatem regi. [...]“ Die fiskalischen Interessen des Königs spielten dabei auch eine Rolle. Sollte die Getötete keine Verwandten gehabt haben, fiel die gesamte Summe an den Königshof: „[...] Et si parentes non habuerit, tunc ipsa conpositio in integrum ad curtem regis perveniat [...]“. Die Strafverschärfung kommt auch in der Buße für BeleidigungenderFrauzumAusdruck.Ro.26:„ Siquismulierilibereautpuellaeinvia se anteposuerit, aut aliqua iniuria intulerit, noningentos solidos conponat, medietatem regi et medietatem cui ipsa iniuria inlata fuerit, aut mundius de ea pertenuerit. “ Wer einer Frau den Weg versperrte (langobardisch wegworin 326 ) oder sie auf andere Weise beleidigte, sollte 900 solidi zahlen, zur Hälfte an den König, zur Hälfte an die Verwandten der Frau oder an die Frau selbst, was ungewöhnlich ist, weil sonst die Frau

326 Schröbler,S.507.VanderRhee,Wörter,S.136f.S.Anm.184. -60- keine direkte Empfängerin des Wergeldes ist, sondern ihre Verwandten oder ihr Muntwald. 327 Das führt zu einem weiteren Feld des Wergeldempfangs, das aber nur kurz gestreift werden soll, dem Empfang von Wergeld bzw. Bußgeldern durch den Geschädigten selbst. In Ro. 30 ist ausgeführt, daß jemand 80 solidi an einen Mann zahlen muß, den er vom Pferde zu Boden geworfen hat: „Si quis hominem liberum de caballo in terra iactaverit per quolibet ingenio iniquo animo, octuginta solidos ei conponat; [...]“. Dieses Gesetz stellt eine Ausnahme dar, denn in der Mehrzahl der Gesetze ist der Empfänger einer Buße nicht genannt. Es ist anzunehmen, daß z. B. im Falle einer Körperverletzung der Geschädigte oder sein Herr, falls der Geschädigte kein Freier ist, derEmpfängerderBußeist.DieHochbußevon900 solidi teiltensichderKönigundder Geschädigte in den Fällen, in denen der König ein Interesse daran hatte, den Frieden zu wahren. So wird ein Mann, der auf dem Weg zum König ist, unter den Schutz seines Herrschers gestellt. Vergreift sich jemand an dem Geschützten, so muß er dies mit 900 solidi büßen. Ro. 18: „Si quis adversariis manum armatam super quemcumque ad regem venientem iniecerit, suam iniuriam aut qualemcumque culpam vindicandam, noningentos solidûs sit culpabilis, medietatem regi et medietatem cui iniuria inlata fuerit. “ Auch hier gilt es festzuhalten, daß eine Strafverschärfung durch den König und imInteressedesKönigsvorgenommenwurde. 328 Eine gemeinsame Aufbringung des Wergeldes durch die parentes , die angesichts der teilweise enormen Summen durchaus sinnvoll erscheint, wird nicht im Edictum erwähnt. Eine solche Aufbringung wurde nicht durch das Gesetz geregelt und fiel in den RauminformellerRegelungeninnerhalbderVerwandtschaft. 329

330 4.2.5.2F EHDE

König Rothari drückt in Ro. 74 klar aus, warum die Bußtaxen so hoch angesetzt wurden: „In omnis istas plagas aut feritas [...], ideo maiorem conpositionem posuimus

327 SieheauchKap.4.2.2.2. 328 Dabei sollte nicht vergessen werden, daß der König vor dieser Beteiligung am Wergeld gar kein Geld ausdiesenFällenbezog. 329 Brunner (Rechtsgeschichte, S. 297f) erwähnt am fränkischen Beispiel die Möglichkeit, aufgrund von Bußzahlungenvölligzuverarmen. 330 Ekkehard Kaufmann: Fehde, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1083 – 1093 [zit. als: Kaufmann, Fehde I].ders.:Fehde,§2.Rechtshistorisches,in:ReallexikondergermanischenAltertumskunde,Bd.8,2.Aufl., Berlin/New York 1994, S. 292 – 285 [zit. als: Kaufmann, Fehde II]. E. Meineke: Fehde, §1 Sprachliches, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 8, 2. Aufl., Berlin/New York 1994, S. 279 – 282 [zit. als: Meineke, Fehde]. Osenbrüggen, S. 3 - 12. H. Böttcher: Blutrache, II. Rechtshistorisches, in: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 3, 2. Aufl., Berlin/New York 1978, S. 85 – 101. Brunner,Rechtsgeschichte,S.221–231. -61- quam antiqui nostri, ut faida 331 , quod est inimicitia, post accepta suprascripta conpositione postponatur, et amplius non requiratur, nec dolus teneatur, sed sit sibi causa finita amicitia manentem. [...]“ Rothari hat die Beträge der Bußtaxen gegenüber den Beträgen der „Alten“ erhöht, damit die Fehde nach Empfang der Buße aufgegeben werde und kein Argwohn, sondern Freundschaft herrsche. 332 Zum einen wird in diesem Gesetz die in den vorherigen Kapiteln angesprochene Strafverschärfung nochmals bestätigt, zum anderen wird der Begriff „Fehde“ (langobardisch faida ) umrissen als inimicitia , „Feindschaft“. Aufgrund einer Missetat bestand ein Zustand der Feindschaft zwischen Täter und Geschädigtem bzw. deren Anghörigen. Die Partei des Geschädigten sann auf Rache für die Tat und rächte sich nicht unbedingt am Täter, sondern an einem beliebigen Angehörigen der feindlichen Partei oder dessen Gut, was wiederum die Rache dieser Partei nach sich zog. 333 Dabei stand nicht immer ein Totschlag am Anfang einer Fehde. Fehden konnten sich an weitaus geringeren Anlässen entzünden. 334 Ro. 45: „De feritas et conpositionis plagarum, quae inter hominis liberûs eveniunt, per hoc tinorem, sicut subter adnexum est conponantur, cessante faida hoc est inimicitia .“ Schlägereien und Wundbußen sollten nach den (im Text des Edikts) folgenden Vorschriften gebüßt werden, und Fehde hatte zu unterbleiben, was darauf hinweist, daß auch Körperverletzungen infolge von Schlägereien zu Fehden führen konnten. Die Auswirkungen einer Fehde konnten ausgesprochen zerstörerisch sein, wie Gregor von Tours für den fränkischen Bereich am Beispiel der Fehde des Sichar eindruckvoll darlegt. 335 Eine Fehde konnte ganze Familien auslöschen und große materielle Zerstörungenanrichten. 336 Rache, das Hauptmotiv der Fehde, war nach dem langobardischem Recht aber nicht zulässig. Ro. 143: „Si homo occisus fuerit liber aut servus, et pro humicidio ipso conpositio facta faerit [sic!] , et pro ampotandam inimicitia sacramenta prestita, et postea contegerit, ut ille qui conpositionem accepit, se vindicandi causam occiderit hominem de parte, que conpositionem accepit: iubemus ut in dublum reddat ipsam conpositionem iterum parentibus aut domino servi. [...]“. Falls nach dem Totschlag eines Freien oder Sklaven die Buße gezahlt und ein Eid geleistet wurde und jemand von

331 Schröbler,S.500f.VanderRhee,Wörter,S.46–48. 332 Dazu: Kroeschell, Karl: Deutsche Rechtsgeschichte 1 (bis 1250), 10. Aufl., Opladen 1992, S. 43 - 45 [zit.als:Kroeschell,Rechtsgeschichte].Böttcher,S.89. 333 Um die gegnerische Partei empfindlich zu treffen, konnte sogar ihr „bester Mann“ das Ziel der Rache werden(Brunner,Rechtsgeschichte,S.224).Auchdazu:Genzmer,Rache,S.292–295. 334 Böttcher,S.89f.Genzmer,Rache,S.294. 335 Gregor von Tours, Historiae VII, 47 und IX, 19. Kroeschell, Rechtsgeschichte, S. 46 – 49. Kaufmann, Ekkehard: Die Fehde des Sichar, in: Juristische Schulung 1 (1961), S. 85 – 87 [zit. als: Kaufmann, Sichar]. 336 Genzmer,Rache,S.287. -62- der Partei, die die Buße angenommen hatte, jemandem von der anderen Partei vindicandi causam , der Rache halber, erschlagen hatte, sollte die Buße in doppelter Höhe zurückgezahlt werden. Das galt auch für geringere Vergehen, wie Körperverletzungen: „[...] Simili modo de plagas aut feritas [...].“ In Ro. 19 bestimmt Rothari 337 , daß jemand, der um ein Unrecht zu rächen, bewaffnet oder mit einem Heer, das bis zu vier Mann umfaßt, in ein Dorf eindrang, diese Tat mit dem Leben oder mit 900 solidi büßte, die zur Hälfte an den König und zur Hälfte an den Geschädigten zu zahlen waren: „Si quis pro iniuria sua vindecanda super quemcumque cum mano armatacocurrerit,autexercitumusqueadquattuorhominesinvicointraverit,illeprior pro inlecita praesumptionem moriatur, aut certe conponat solidos noningentos, medietatem regi et medietatem, cui iniuria inlata fuerit. [...]“ 338 Von den Mittätern sollte jeder 80 solidi zahlen: „[...] Et illi, qui cum ipso fuerint, si liberi sunt, unusquisque octugentasolidosconponat [...]“. 339 Eine Fehde konnte durch die Preisgabe des Täters beendet werden, der dann einer Bestrafung durch die Verwandten des Opfers entgegensah 340 , oder durch den Abschluß eines Sühnevertrages 341 , in dem eine Bußleistung vereinbart wurde. Ro. 143 gibt einen Hinweis auf einen solchen Vertrag, der von den fehdeführenden Parteien beeidet wurde: „[...] et pro humicidio ipso conpositio facta faerit, et pro ampotandam inimicitia sacramentaprestita,etposteacontegeri [...]“. Die Unterdrückung von Fehde war im Interesse der Herrscher des frühen Mittelalters, auch der langobardischen. 342 In Ro. 143 wird das Gebot zur Friedenswahrung von König Rothari mit dem Prädikat „[...] iubemus [...]“ („...wir bestimmen...“) unterstrichen. Das Kompositionensystem diente als Ersatz für Fehde, wie im vorherigen Kapitel ausgeführt. Im Edictum Rothari liegen zudem noch eine Reihe von Gesetzen vor, in denen die Fehde ausdrücklich untersagt wird: In Ro. 75 wird die Tötung eines Kindes im Mutterleib behandelt : „Si infans in utero matris suae nolendo ab aliquem occisus fuerit: [...]“.DasGesetzschließtmitdenWorten:„[...] ,cessantefaida,eoquodnolendo fecit .“ Die Fehde sollte unterbleiben, weil es nicht mit Absicht geschah. 343 Ähnliches

337 Ed. Roth. c 19 wird von Beyerle als Zusatz Rotharis zum Edictum angesehen (Beyerle, Gesetze, S. X). EbensoRo.137,c.138,c.144,c.145,c.152,c.223,c.242–244undc.367. 338 DieAnführerschaftwirdauchananderenStellenmit900 solidi oderdemLebengebüßt:Ro.249undc. 279. 339 Osenbrüggen,S.38–40. 340 Heinz Holzhauer: Preisgabe. in: HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 1896 – 1900 [zit. als: Holzhauer, Preisgabe].Holzhauer,Privatstrafe,Sp.1994.Beyerle,Entwicklungsproblem,S.515–582. 341 Holzhauer,Strafgedanken,S.183f.Beyerle,Entwicklungsproblem,S.345–368. 342 „Weil die Fehden das Volksvermögen ruinieren und die Mannschaft dezimieren, ist es das Ziel der Obrigkeit, einen Prozeßsieger zu ermitteln, [...]“ (Holzhauer, Strafgedanken, S. 191). Osenbrüggen, S. 9 - 12.Böttcher,S.89f.undS.97–100. 343 Osenbrüggen,S.71. -63- wird in Ro. 138 bestimmt: „Si duo aut tres aut plures homines arborem unum inciserint et alium hominem supervenientem ex ipsum arborem occiserint [...] incidentes arborem, [...] pariter conponant. [...]“ Falls zwei oder drei oder mehrere Männer einen Baum umgehauen hatten und dieser einen Mann erschlagen hatte, der darunter herging, sollten die Baumfäller zu gleichen Teilen büßen. „[...] cessante faida, ideo quia nolendo fecerunt .“ Fehde sollte auch hier nicht sein, weil es nicht mit Absicht geschah. Auch in Ro. 387 wird die Fehde untersagt, weil die Tötung eines Mannes unabsichtlich geschah: „Si quis hominem liberum, casum facientem, nolendo occiderit, conponat eum, sicut adpretiatus fuerit, et faida non requiratur, eo quod nolendo fecit. “ Interessant an diesen Gesetzen ist der Zusatz nolendo („ohne Absicht“). 344 Trotz dieser Intention, die in den letzten Gesetzes des Edikts hinzugekommen ist, änderte sich am Strafmaß nichts. Diese Tatenwurdengenausobestraft,alswäredieTatmitAbsichtgeschehen. 345 Auch in anderen Gesetzen wird die Fehde untersagt, so in Ro. 162: „[...] Ideo ita previdemusproter [sic!] faidaposponenda,idestinimicitiapacificanda .“Auchhiertritt der Gesetzgeber als Friedensbewahrer auf, indem er die Fehde untersagt. In den schon erwähnten Gesetzen bezüglich Ehe und Munt 346 werden Bußen zur Verhinderung der Fehde gefordert. In Ro. 188 werden 20 solidi für anagrip und 20 solidi für die Fehde gefordert: „[...] conponat anagrip solidos viginti et propter faida aliûs viginti [...]“, dergleicheninRo.190undRo.214. Bei der Durchsicht der Normen des Edikts fällt auf, daß nirgendwo die Fehde zugelassen wird. Es finden sich ausschließlich solche Gesetze, in denen Fehde ausdrücklich untersagt wird. Rache und Fehde sind im langobardischen Recht kein Rechtsinstitut. 347

Das intersegmentäre Strafrecht kann wie folgt zusammengefaßt werden: Konflikte zwischen gesellschaftlichen Gruppen oder Segmenten wurden häufig auf dem Wege der Selbsthilfe 348 ausgetragen. Um die gewaltsame Austragung solcher Konflikte zu verhindern, sollte ein compositio (z. B. Wergeld) gezahlt werden. Die wichtige Aufgabe des obersten Friedenswahrers fiel dabei dem Herrscher zu. Am Edictum Rothari ist deutlich nachzuweisen, daß der Gesetzgeber zahlreiche Strafverschärfungen eingefügt

344 Osenbrüggen,S.31-36. 345 900 solidi waren in jedem Fall für einen erschlagenen Freien fällig, gleich ob man ihn mit einem SchwertodereinenBaumerschlagenhatte. 346 SieheKap.4.2.2. 347 Für Brunner war die Fehde noch ein Recht (Rechtsgeschichte, S. 223). Böttcher, S. 87 – 90 und S. 98 – 100. 348 Ekkehard Kaufmann: Selbsthilfe, in: HRG, Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 1615f. [zit. als: Kaufmann, Selbsthilfe]. -64- und Rache wie Fehde ausdrücklich untersagt hat, um seiner Aufgabe als Friedenswahrer nachzukommen.

4.2.6E IDESHILFE

Der Eid 349 ist in germanischer Zeit das bedeutendste Mittel des gerichtlichen Beweises 350 , so auch bei den Langobarden. In zahlreichen Gesetzen finden sich Vorschriften, nach denen Eide von einzelnen oder im Verbund mit Eideshelfern geleistet werden sollten. Z. B. sollte sich jemand, der des Ehebruchs beschuldigt wurde, durch einen Reinigungseid oder durch einen Zweikampf von dem Vorwurf befreien. Ed Roth. Ro. 213: „Si quis alii de uxorem suam crimen miserit, quod cum ea fornicassit, liceat ei cui crimen mittitur, aut per sacramentum aut per camfionem se purificare; [...]“. Ein ähnliches Verfahren wurde in Ro. 228 vorgeschrieben. In diesem Gesetz geht es um den Besitz einer Sache. Der Beklagte konnte die Anschuldigung, etwas zu Unrecht zu besitzen, durch einen Eid oder durch Zweikampf bestreiten: „[...] per sacramentum debeat negare, aut per pugna defendere, si potuerit. “ Ebenso in Ro. 9: „ Si quis qualemcumque hominem ad regem incusaverit [...] liceat ei, qui accusatus fuerit, cum sacramentum satisfacere et se eduniare. [...]“ Jemand, der vor dem König eines Verbrechens beschuldigt wurde, konnte sich durch Eid reinigen. Sollte der Beschuldiger anwesend sein, konnte der Beschuldigte das Verbrechen mit Hilfe eines Lohnkämpen 351 (in einem Zweikampf) von sich weisen: „[...] Et si tales causa emerserit, et adest homo in praesenti, qui crimen mittat, liceat eum per camfionem, id estperpugnam,crimenipsumdesuperse,sipotuerit,eicere. [...]“ Die für diese Arbeit interessante Form des Eides ist der Eid mit zwölf Eideshelfern. In Ro. 359 ist das Verfahren des Eides genau beschrieben: „Si qualiscumque causa inter homines liberos et sacramentum dandum fuerit, si usque ad vigenti solidos fuerit causa ipsa aut amplius, ad euangelia sancta iurit cum duodecim aidos 352 suos, id est sacramentales [...]“. Bei einem Streit zwischen zwei Freien und einem Streitwert von mehr als 20 solidi sollte der Eid auf das Evangelium geleistet werden. Die

349 „Der Eid war eine bedingte Selbstverfluchung. Der Schwörende setzte für die Wahrheit seines Wortes sein Heil oder ein bestimmtes Gut ein“ (Brunner, Rechtsgeschichte, S. 257). U. Kornblum: Eid, 2. Gerichtlicher Eid, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 863 – 866 [zit. als: Kornblum, Eid]. Adalbert Erler: Eid,1.Ethnologisch,in:HRG,Bd.1,Berlin1971,Sp.861–866[zit.als:Erler,Eid].H.Drüppel:Eid.A. Lateinischer Westen. IV. Germanisches und deutsches Recht, in: LexMA, Bd. 3, München/Zürich 1986, Sp. 1677 – 1680. Brunner, Rechtsgeschichte, S. 123f. S. 257 – 261. Beyerle, Entwicklungsproblem, S. 416–423. 350 U. Kornblum: Beweis, in: HRG, Bd. 1., Berlin 1977, Sp. 401 – 408 [zit. als: Kornblum, Beweis]. Schröder-Künßberg,S.92f. 351 SieheAnm.268. 352 Schröbler,S,499.VanderRhee,Wörter,S.20f. -65-

Zusammensetzung der Gruppe der Personen, die den Eid leisten sollten, sah wie folgt aus: „[...] ita ut sex illi nominentur ab illo qui pulsat, et septimus sit ille, qui pulsatur, et quinque quales voluerit liberos, ut sint duodicem. [...]“. Sechs Freie sollten vom Kläger bestimmt werden und fünf vom Beklagten. Mit dem Beklagten selbst ergab sich eine Gruppe von zwölf Personen, die den Eid leisteten. Lag der Streitwert zwischen zwölf und 20 solidi , sollten nur drei freie Männer vom Kläger und zwei vom Beklagten benannt werden, womit sich mit dem Beklagten eine Gruppe von sechs Personen ergab, die auf gesegnete Waffen schworen: „[...] Quod si minor fuerit causa de vigenti solidis usque ad duodicem, sibi sextus iurit ad arma sacrata; tres ei nominit qui pulsat, et duos liberos sibi elegat qui pulsatur, quales voluerit; et sextus sit ipse. [...]“. Bei einem Streitwert, der unter zwölf solidi lag, reduzierte sich die Anzahl der Personen, die den Eidleistetenaufdrei:„[...] Etsiminorfueritcausadeduodicemsolidis,sibitertiusiurit ad arma: unum ei nominit et alium sibi querat, et tertius sit ipse. “ Die zwölf Eideshelfer sind nach dieser Norm tatsächlich nur elf. Erst mit dem Beklagten ergab sich die Zahl zwölf, die sich mit sinkendem Streitwert reduzierte. In anderen Gesetzen werden dabei ausdrücklich zwölf sacramentales 353 gefordert. Z. B. muß in Ro. 198 ein Eid mit zwölf Eideshelfern geleistet werden: „[...] tunc praeveat sacramentum cum duodecim sacramentalissuos, [...]“. In der traditionellen Sippentheorie ist die Eideshilfe eine der vornehmsten Aufgaben der Sippe. Im folgenden soll nun untersucht werden, ob das Edictum Hinweise auf die Zusammensetzung der Gruppe der Eideshelfer gibt. Ro. 164 bestimmt, daß jemand, dessen eheliche Abkunft in Zweifel gestellt wurde, sich mit zwölf „freien“ Eideshelfern von den Vorwürfen freisprechen konnte: „[...] tunc ille cui crimen mittitur, quaerat sibi liberos sacramentales, et praebeat sacramentum [...]“. Ein Zweikampf in dieser Sache wurde für sündhaft und untragbar erklärt: „[...] grave et impium videtur esse ut talis causa sub uno scuto per pugnam dimittatur. “ In der Frage, wem die Munt über eine Frau zusteht (Ro. 165), werden „legale“ oder „rechtmäßige“ gefordert.: „[...] preveat sacramentum cum legitimos sacramentales suos duodicem [...]“. Auch in Ro. 166 soll sich ein Mann, der beschuldigt wird, seine Frau getötet zu haben, mit seinen rechtmäßigen Eideshelfern reinigen: „[...] ita decernimus 354 , ut purificet se maritus cum sacramentales suos legitimos [...]“. Wie in Ro. 164, wird auch in diesem Gesetz ein Zweikampf für absurd und unmöglich erklärt: „[...] Quia absordum et inpossibile videtur esse, ut talis causa sub uno scuto per pugnam dimittatur. “ In beiden Fällen

353 VonBeyerlemit„Eideshelfer“übersetzt,z.B.Beyerle,Gesetze,S.77. 354 Auch hier bringt sich König Rothari als Gesetzgeber in den Text mit ein. Allerdings ist hier keine Strafverschärfungzuerkennen. -66- diente der Eid zur Verhinderung eines Zweikampfes. Der Einsatz von Freien als Eideshelfer ist auch in Ro. 153 geboten, um Erbansprüche gegenüber dem Königshof zu beweisen: „[...] Et si intentio fuerit contra curtis regis, tunc ille, qui querit, preveat sacramentumcumlegitimûssagramentales [sic!] suos; [...]“. Verwandte als Eideshelfer kommen in folgenden Gesetzen vor: Eine Frau konnte in Ro. 202 vom Vorwurf des Gattenmordes gereinigt werden, indem ihre Verwandten für sie den Reinigungseid vornahmen: „[...] Nam si illa negaverit, liceat parentibus eam pureficare, aut per sacramentum [...]“. Alternativ konnte auch ein Zweikampf die Entscheidung bringen: „[...] aut per camfionem, id est per pugna. “ Ähnliches schrieb auch Ro. 179 vor. Die Verwandten einer Braut konnten diese mit zwölf Eideshelfern von dem Vorwurf reinigen, sie sei ihrem Bräutigam untreu gewesen: „Si dixerit sponsus de sponsa sua, quod adulterassit postquam eam spunsatam habuit, leceat [sic!] parentibus eam pureficare cum duodicem sacramentalis suos: [...]“. In beiden Fällen waren Frauen die Beschuldigten, die selbst keinen Eid leisten konnten und von ihren Verwandten per Eideshilfe geschützt werden mußten. Diese beiden Gesetze können aber nicht als Beleg dafür dienen, daß Eideshelfer in jedem Falle Verwandte des Beschuldigtengewesenseienmüssen. Aber auch außerhalb dieses Komplexes des Schutzes von Frauen waren sog. „nächstgeborene“ Eideshelfer vorgeschrieben. In Ro. 360 sollte der Kläger dem Beschuldigten nächstgeborene Eideshelfer benennen: „[...] Et ille, qui pulsat et wadia 355 suscipit, proximioris sacramentalis qui nascendo sunt, debeat nominare: [...]“. Dabei bleibt unklar, wem die Eideshelfer nächstgeboren sein sollten, dem Kläger oder dem Beklagten. Ausgeschlossen blieben solche Personen, die gegen den Kläger Feindschaft hegten, weil sie ihn verletzt hatten, ihm nach dem Leben trachteten oder er sein Gut jemand anderem überlassen hatte: „[...] tantum est excepto illos, qui gravem inimicitiam cum ipso qui pulsat commissam habet, id est si ei plaga fecit, aut in mortem consensit, aut res suas alii thingavit, ipse non potest esse sacramentales, quamvis proximus sit, eo quod inimicus aut extraneus invenitur esse. “ Verstarb einer der Eideshelfer, konnte, laut Ro. 362, der Kläger einen anderen rechtmäßigen Nächstverwandten als Eideshelfer bestimmen: „[...] Et si aliquis de ipsos sacramentalis mortuus fuerit, potestatem habeat ille qui pulsat, in locum mortui alium similem nominare de proximûs legitimûs, aut de natûsautdegamahalos 356 idestconfabulatûs. [...]“

355 Von Beyerle mit „Wette“ übersetzt (Beyerle, Gesetze, S. 143). Schröbler, S. 507: „Haftungssymbol zur Begründung einer Personal- oder Sachhaftung für den Fall der Nichterfüllung einer Schuld.“. Van der Rhee,Wörter,S.129-131. 356 „Verschwägerte“(Beyerle,Gesetze,S.145).Schröbler,S.502.VanderRhee,Wörter,S.70f. -67-

Bezüglich der Eideshilfe kann also zusammengefaßt werden, daß ausschließlich freie Männer dazu herangezogen werden konnten, keine Frauen. Ob diese Männer in jedem Fall mit dem Kläger oder dem Beklagten verwandt sein mußten, läßt sich mit dem Edictum Rothari nicht belegen. Eine Einbeziehung von Verwandten in die Eideshilfe kann also nur auf informellem Wege vonstatten gegangen sein; vorgeschrieben war sie nicht, wenn man von den Regelungen in Ro. 360 und Ro. 362 absieht. Eine Ausnahme stellen auch die Schutzregeln für Frauen (Ro. 179 und Ro. 202) dar. Diese Regeln sind jedoch nicht ausreichend, um ganz allgemein eine Verwandtschaft der Eideshelfer zu konstituieren.

5.E XKURS : FARA

Marius von Avenches notiert zum Jahre 569 in seiner Chronik: „Hoc Anno Alboenus rex Langobardorum cum omni exercitu relinquens atque incendens Pannoniam suam patriam cum mulieribus vel omni populo suo in fara Italiam occupavit, [...]“ 357 In jenem Jahr verläßt Alboin, König der Langobarden, mit seinem Heer, mit Frauen und dem ganzen Volk, seine Heimat Pannonien und besetzte Italien in fara . Über den Ausdruck fara 358 ist in der Forschung viel gerätselt worden. Er kommt so selten in den Quellen vor, daß seine Bedeutung bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte. Bei Paulus Diaconus heißt es „[...] eligere voluisset Langobardorum fara s, hoc est genealogia vel lineas “359 , wobei die letzten Begriffe allgemein mit ‚Geschlecht‘ oder ‚Sippe‘ übersetzt werden. König Alboin bestimmte nach der Ankunft in Italien seinen Neffen Gisulf zum Statthalter von Forojuli (Cividale in Friaul), der aber sein Amt nicht antreten wollte,

357 Marii Episcopi Aventicensis Chronica, in: Monumenta Germaniae Historica, Auctores Antiquissimi, Bd. 11, Chronica Minora, Bd. 2, Berlin 1894, S. 225 – 240, insbes. S. 238. Wenskus bezweifelt allerdings, daß Marius, der im Burgundischen lebte, den langobardischen Wortsinn von fara richtig erkannt und benutzt hat (Reinhard Wenskus: Fara, II. Historisches, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 8, 2. Aufl., Berlin/New York 1994, S. 196 – 205, inbes. S. 198 [zit. als: Wenskus, Fara]). Hervorhebungen von J. M. T. Gregor von Tours weiß auch von Alboins „[...] exercitu, cum uxoribusetliberis [...]“zuberichten(GregorvonTours,HistoriaeIV,41). 358 Jörg Jarnut: Fara, in: LexMA, Bd. 4, München/Zürich 1989, Sp. 283f. [zit. als: Jarnut, Fara]. Carlo Guido Mor: Fara, in: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1074 - 1077. Heinrich Beck: Fara, I. Fara (langobardisch), §1. Sprachgeschichtliches, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 8, 2. Aufl., Berlin/New York 1994, S. 193f. [zit. als: Beck, Fara]. M. Pfister: Fara, I. Fara (langobardisch), §2. Bedeutung - §4. faramannus/faramannia, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 8, 2. Aufl., Berlin/New York 1994, S. 194 – 196. Wenskus, Fara, S. 196 – 205. Walde-Hofmann, Bd. 1, S. 456. Schröbler, S. 501. Van der Rhee, Wörter, S. 48 – 50. Schmidt-Wiegand, Wörter, S. 200. Murray, S. 89 - 97. Olberg, Bezeichnungen, S. 134 - 140. Dies., Freie, S. 237 – 244, dort und bei Murray auch weitere Beispiele aus anderen Quellen. Die burgundischen Beispiele konnten in diesem Zusammenhang nichtbeachtetwerden. 359 PaulusDiaconus,Hist.Lang.II,9. -68- bevor ihm nicht von ihm ausgewählte farae überlassen wurden. Eine weitere Belegstelle für den Ausdruck fara ist Ro. 177: „Si quis liber homo potestatem habeat intra dominium regni nostri cum fara sua megrare ubi voluerit [...]“. Ein freier Mann konnte mit seiner fara innerhalb des Reiches ziehen wohin er wollte. Das Glossarium Matritense vermerkt zu diesem Gesetz: „Fara. Id est rebus “360 ; das Glossarium Cavense: „Fara Id. parentela “361 und das Glossarium Vaticanum: „Fara. genealogia. generatio. “362 Mit diesen unterschiedlichen Erläuterungen durch die Glossen ergibt sich einWiderspruch,dererklärtwerdenmuß. Die Vertreter der älteren Forschung waren der Ansicht, daß es sich bei den langobardischen farae um Sippen handelte. 363 Da der Begriff fara auch in zahlreichen Ortsnamen Italiens und Burgunds vorkommt, sahen einige darin auch einen Beleg für dieTheoriederSippensiedlung. 364 Diese Interpretationen lassen allerdings eine sprachwissenschaftliche Betrachtungsweise völlig außer acht. Etymologisch ist der Begriff fara vom Begriffsfeld „fahren“ abzuleiten, wie R. Henning 365 schon 1892 nachgewiesen hat. Damit ergibt sich eine ganz andere Interpretation: fara ist nicht als „Sippe“, sondern als „Fahrtgemeinschaft“ anzusehen. Hennings Übersetzung hat sich allgemein durchgesetzt 366 , und tatsächlich ist die Einteilung des langobardischen Volkes in mehrere Marschsäulen oder Fahrtgemeinschaften militärisch und organisatorisch sinnvoll. Ein so geteiltes Volk war militärisch nicht so leicht aufzuhalten und auch leichter zu versorgen, wenn man bedenkt, daß das langobardische Volk beim Betreten Italiens 100.000 bis 150.000 Menschengezählthabensoll. 367

360 Glossarium Matritense 20, S. 651. (Glossarium Matritense, ed. Friedrich Bluhme, in: Monumenta Germaniae Historica, Leges, Bd. 4, unveränderter Nachdruck der Ausgabe Hannover 1868, Stuttgart 1984,S.651f.). 361 Glossarium Cavense 42, S. 653. (Glossarium Cavense et Vaticanum, ed. Friedrich Bluhme, in: Monumenta Germaniae Historica, Leges, Bd. 4, unveränderter Nachdruck der Ausgabe Hannover 1868, Stuttgart1984,S.652-657). 362 GlossariumVaticanum24,S.653.(Ibidem). 363 Z. B. Ludo Moritz Hartmann: Geschichte Italiens im Mittelalter, Bd. 2, 1. Hälfte: Römer und Langobarden bis zur Theilung Italiens, Leipzig 1900, S. 43f. [zit. als: Hartmann, Geschichte]. Brunner, Rechtsgeschichte. S. 117f. Karl von Amira: Grundriss des germanischen Rechts, 2. verbesserte Aufl., Straßburg 1897, S. 67 [zit. als: Amira, Grundriss]. Halban, S. 139f. Schlesinger, S. 294. Auch noch T. M. Charles-Edwards:Kinship,StatusandtheOriginesoftheHide,in:PastandPresent56(1972),S.3-33. 364 Riezler, S. 61f. Gegen Riezler: Kluge, Sippensiedlung, S. 91 und Remigius Vollmann: Neufahrn, Neufra,Niefern,in:ZeitschriftfürOrtsnamenforschung1,1(1925),S.202-207. 365 R. Henning: Die germanische fara und die faramanni, in: Zeitschrift für deutsches Alterthum 36 (1892), S. 316 – 326 [zit. als: Henning, Fara]. Gegen Hennig: Rudolf Kögel: Die altgermanische fara, in: Zeitschrift für deutsches Alterthum 37 (1893), S. 217 - 231. Als Erwiderung: R. Henning: Zur Überlieferungvonfaraund–faro,in:ibidem,S.304–317[zit.als:Henning,Überlieferung]. 366 Murray,S.91f.Olberg,Freie,S.237-240.Beck,Fara,S.193f. 367 Jörg Jarnut: Geschichte der Langobarden, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1982, S. 34 [zit. als: Jarnut, Geschichte].Menghinnimmt150.000bis200.000Menschenan(Menghin,S.94-96). -69-

Joachim Werner nimmt an, daß die Langobarden schon in Pannonien in farae siedelten, was er mit Gräberfunden im Gebiet des früheren Pannonien belegt. Er kommt zu dem Schluß, daß es sich bei den farae nicht nur um Familien bzw. Sippen handelte, sondern auch um militärische Einheiten, die zusammen siedelten. 368 Fedor Schneider sieht in langobardischen Siedlungen in Italien ebenfalls militärische Niederlassungen, in denen Krieger mitsamt ihren Familien lebten, aber nicht als Bauern, sondern als Grundherren. Das Vorbild für diese Niederlassungen war, laut Schneider, das byzantinische Limitanei-System. 369 Letztere These stützt Gian Piero Bognetti, der den Kontakt der Langobarden mit der byzantinischen Kultur und ihrem Militärsystem, insbesondere während ihres Militärdienstes für Byzanz, als ursächlich für die Entwicklung der farae ansieht. 370 Es ist offensichtlich, daß es sich bei den farae um militärische Einheiten handelte, was die Bedeutung „Fahrtgemeinschaft“ nicht ausschließt. 371 Diese Fahrtgemeinschaften führten nicht nur Krieger mit sich, sondern auch deren Familien, was den verwandtschaftlichen Zusammenhang einer fara erklären könnte. 372 Dabei ist nicht davon auszugehen, daß alle Mitglieder der fara miteinander verwandt sein mußten. Eine gemeinschaftliche Niederlassung dieser Fahrtgemeinschaft in Orten, die teilweiseheutenocheinenOrtsnamenmit fara führen,istanzunehmen. 373 Es bleibt Paulus Diaconus‘ Satz „[...] faras, hoc est genealogia vel lineas [...]“. Paulus schrieb sein Werk über zwei Jahrhunderte nach Marius‘ Notiz und über ein Jahrhundert nach der Abfassung des Edikts. In dieser Zeit hat sich möglicherweise ein Bedeutungswandel des Begriffs fara vollzogen. Paulus geht von Zuständen des 8. Jahrhunderts aus, in dem die langobardische Gesellschaft von einflußreichen Adelsfamilien dominiert wurde. Paulus Diaconus war Mitglied einer solchen Familie und begründet die starke Stellung des Adels in der Provinz Friaul, aus der er stammt, mitderAuswahlangeblichvornehmer,wahrscheinlichabermilitärischstarkerfarae ,die

368 Joachim Werner: Die Langobarden in Pannonien. Beiträge der langobardischen Bodenfunde vor 568, A: Textteil (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, Abhandlungen, Neue Folge, Heft55A),München1962,S.115f.Menghin,S.57–84. 369 Schneider, S. 91 – 140. Das Limitanei-System besteht aus Siedlungen dienstverpflichteter Grenzsoldaten,diedurchausalsBauernlebten.Delbrück,S.230-232. 370 Gian Piero Bognetti: L’influsso delle istituzioni militari romane sulle istituzioni longobarde del secolo VI e la natura della „fara“, in: ders.: L’Età longobarda, Bd. 3, Mailand 1967, S. 3 – 46 (auch in: Atti del Congresso Internazionale di Diritto Romano e Storia del Diritto (Verona, 27-29 settembre 1948), Bd. 4, Mailand1953,S.167–210).KritischzuBognetti:Murray,S.90f. 371 Walter Goffart: Barbarians and Romans A.D. 418 – 584, Princeton 1980, S. 255 – 258. Kritik an Goffart: Herwig Wolfram: Zur Ansiedlung reichsangehöriger Föderaten. Erklärungsversuche und Forschungsziele, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 91 (1983), S. 5 – 35. Ernst Mayer: Italienische Verfassungsgeschichte von der Gothenzeit bis zur Zunftherrschaft, Bd. 1, Leipzig1909,S.12–15. 372 Maurikios, Strategikon, 10, 4 und Prokop, Gotenkriege, 1,12. Prokop schildert einen vergleichbaren VorgangamBeispielderostgotischenWanderungvonThrakiennachItalien. 373 Pfister,Fara,S.194-196.Mor,Sp.1074-1077. -70-

Gisulf nach der Besetzung Friauls bei sich behielt. Im Laufe der Jahrhunderte wandelten sich die Kerne der militärischen Einheiten zu Adelssippen. 374 Dazu passt die Glosse „Fara Id. parentela “ aus dem Glossarium Cavense und „Fara. genealogia. generatio “ aus dem Glossarium Vaticanum. 375 Die Glosse „Fara. Id est rebus “ aus dem Glossarium Matritense 376 kann dagegen als Erklärung zur „(Fahr-) Habe“ einer Fahrtgemeinschaft dienen oder hat möglicherweise noch eine ganz andere Bedeutung, die sich aus einem anderen Beispiel für den Bedeutungswandel ergibt, das David Herlihy 377 zitiert: Ende des 9. Jahrhunderts schenkte ein Mann names Maio dem Kloster Monte Cassino einen Hof (curtis ), der nach ihm selbst benannt war: Fara Maionis .378 Das führt zu einem weiteren Bedeutungsfeld für fara , der Benennung von Orten oder Höfen und trifft sich mitdemNachweisvonOrtsnamenmit fara alsBestandteil. 379 Damit ergeben sich zwei Bedeutungsfelder für den Begriff fara : 1) Fahrtgemeinschaft, militärische Einheit zum Zwecke der Landnahme, möglicherweise am byzantinischem Beispiel orientiert, 2) Niederlassung der Fahrtgemeinschaft in Form einer Siedlung, die einem Namen mit fara als Namensbestandteil bekam; in späterer Zeit die Bezeichnung eines Hofes oder Dorfes. 380 Dies charakterisiert gleichzeitig den Bedeutungswandel, den der Begriff fara im Laufe der drei Jahrhunderte durchgemacht hat; von der Fahrtgemeinschaft,überdieNiederlassung,zurOrtschaft. 381

SCHLUSSBETRACHTUNG

Nach der im vorliegenden erfolgten intensiven Beschäftigung mit den Normen des Edikts kann festgestellt werden, daß sich der Begriff der Sippe im Sinne der traditionellen Sippentheorie auch in bezug auf die Quelle nicht sinnvoll anwenden läßt. Die Ergebnisse der Untersuchung stützen also die Tendenzen der vorhergehenden sippekritischenForschung.GrundhierfüristderUmstand,daßsieindenrekonstruierten

374 Murray, S. 94 – 97. Kritik an Murray (m. E. nicht zutreffend): Herlihy, S. 44 – 48. Ich [J. M. T.] möchte allerdings auch nicht so weit gehen wie Murray und in den farae Gefolgschaften sehen. Mor, Sp. 1075.Guichard/Cuvillier,S.45. 375 BeidesieheAnm.361und362. 376 SieheAnm.360. 377 Herlihy,S.45–48. 378 „Quidam etiam vir nomine Maio de comitatu Teatino obtulit in hoc monasterio curtem quae ducitur Fara Maionis, [...]“ und „[...] Fara Maionis, et fara que dicitur Biana cum finibus et pertinentiis earum. Hic Maio fuit consanguineus Poterici praepositi sancti Liberatoris sub praedicto, et obtulit in hoc monasteriuoeandemfaram. “(LeoMarsicanus,Chronica,34,Sp534f.).SieheauchHerlihy,S.191. 379 Pfister,Fara,S.194-196.Mor,Sp.1074f. 380 Das Bedeutungsfeld „Nachkommenschaft“, das Kögel (S. 218f.) annimmt, halte ich nicht für gegeben, da fara nichtvon„gebären“sondernvon„fahren“abzuleitenist. 381 Olberg,Freie,S.242–244.Wenskus,Probleme,S.26f.Christie,S.76f.und111f. -71-

Aussagen des Edikts zu den verwandtschaftlichen Verhältnissen der Langobarden kein Hinweisfindet,derdieKategoriendertraditionellenSippentheoriebestätigenkönnte. Die in Kap. 4.1.2 vorgestellte Terminologie der Quelle in bezug auf verwandtschaftliche Verhältnisse läßt in vielen Fällen eine andere Übersetzung als den von der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts benutzten Ausdruck „Sippe“ zu. Ohne die Festlegung auf diesen Ausdruck und unter Verwendung der Übersetzung des gebräuchlichsten Wortes parentes als Verwandtschaft, ergibt sich für die meisten Normen ein anderes Bild von denVerwandtschaftsverhältnissendervomGesetzbetroffenenPersonen. Wir können Familienangehörige im modernen Sinne als betroffene und handelnde Personen im Edictum Rothari erkennen. Rechtsbereiche wie Standeszugehörigkeit, Ehe und Munt sowie Erbrecht gehören ganz ohne Zweifel zu jenen, in denen Personen, die sich verwandtschaftlich nahestehen, mithin zu einer Familie gehören, von Bedeutung sind,. Im innersegmentären Strafrecht begegnen uns konkrete Familienangehörige, z. B. im Falle einer zu strafenden Frau, Vater, Bruder oder Ehemann. Im intersegmentären Strafrecht sind die betroffenen Personen ganz unspezifisch benannt. Eine verwandtschaftliche Beziehung der Eideshelfer ist bis auf wenige Ausnahmen nicht nachzuweisen. Es ist keine strukturierte Organisation, die uns aus dem Text der Quelle entgegentritt, sondern eine unspezifizierte Gruppe von Verwandten. In vielen Fällen wird der Verwandte ganz konkret benannt: es ist der Vater, der Bruder oder der Erbe einer Person. Zwischen den genannten spezifischen und unspezifischen Nennungen der Verwandtschaft als Ganzes ist keine Struktur zu erkennen, die als Sippe im traditionellen Sinne gedeutet werden kann. Der Organisationsgrad der Verwandtschaft steht auf einem viel niedrigerem Niveau, als es die Forschung des 19. und 20. Jahrhundertangenommenhat. Der Begriff der Familie bietet nur im eingeschränkten Maße eine Alternative zum Sippenbegriff, weil der Ausdruck „Familie“ zur Zeit der Abfassung des Edikts noch nicht die Bedeutung hatte, den er seit dem 16. Jahrhundert in der deutschen Sprache besitzt. Das Ergebnis dieser Arbeit kommt damit der Vermutung Genzmers nahe, daß der Ausdruck „Sippe“ für diesen begrenzten und wechselnden Verwandtenkreis verwendet werden kann, aber nicht mehr im Sinne der traditionellen Sippentheorie. Doch ist dieses Ergebnis in seiner Ablehnung des traditionellen Sippenbegriffs in der Skepsis hinsichtlich der Anwendbarkeit des Ausdrucks „Familie“ trotz seiner Teilergebnisse letztlich nur ein ausschließender Befund. Die Beantwortung der Frage aber, wie sich -72- nun das komplexe verwandtschaftliche Gefüge er Langobarden zutreffend bezeichnen ließe und welche Organisation innerhalb der Verwandtschaftsverhältnisse angenommen werden darf, bleibt noch Aufgabe zukünftiger Forschung zu diesem zuletzt vernachlässigtenThema. -73-

QUELLEN

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