Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten

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IV Sachverständigenkommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

    1 Inhalt B.IV Erwerbs- und Sorgearbeit unabhängig vom Geschlecht für alle ermöglichen 44

B.V Gleichstellungspolitische Ziele 46 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 4 Abkürzungsverzeichnis 5 Literaturverzeichnis Kapitel B 49

A. Einführung 15 C. Handlungsempfehlungen 59

A.I Vorstellung und Vorgehensweise der Kommission 16 C.I Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit 61 Vorbemerkung 61 A.II Gleichstellung der Geschlechter: 1. Arbeitszeit und mobiles Arbeiten 62 ein nicht erreichtes Ziel 17 2. Entgeltgleichheit und geschlechtergerechte 1. Verwirklichungschancen als Frage des Geschlechts 17 Bewertung von Tätigkeiten 66 2. Die Bedeutung von Familie in einer gleich- 3. Förderung betrieblicher Gleichstellungspolitik 70 stellungsorientierten Lebensverlaufsperspektive 18 3. Barrieren und Hindernisse für gleiche C.II Berufswahl und berufliche Weiterbildung 77 Verwirklichungschancen 19 Vorbemerkung 77 1. Gleichstellungsorientierte Berufsberatung A.III Fokus des Gutachtens 23 und -orientierung 77 2. Organisation von Weiterbildung 78 3. Finanzierung von Weiterbildung 79 B. Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit 25 C.III Gleichstellung in der selbstständigen Erwerbsarbeit 81 Vorbemerkung 81 B.I Übergangsphasen und Entscheidungssituationen 1. Zugang zu Kapital, Kompetenzen und im Lebensverlauf 27 Netzwerken optimieren 82 1. Berufseinstieg 27 2. Soziale Sicherung für (Solo-)Selbstständige 2. Karriereentscheidungen und Berufsaufstieg 29 verbessern 83 3. Das Leben mit Kindern 30 4. Eintritt eines Pflegefalls in der Familie 31 C.IV Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit 86 5. Wiedereinstieg nach sorgebedingter Vorbemerkung 86 Erwerbsunterbrechung 32 1. Berufsprofile, Aus- und Weiterbildung, 6. Trennung oder Scheidung 32 Aufstiegs­möglichkeiten 88 7. Pflegebedürftigkeit 33 2. Förderung geeigneter Nachfrage- und Honorierungs- 8. Berufsausstieg und Alterssicherung 33 strukturen für höherqualifizierte Beschäftigte 93 3. Reform der institutionellen Rahmenbedingungen B.II Gleichstellungsorientierung für Pflegeberufe 94 in der Erwerbs- und Sorgearbeit 34 4. Statistik 96 1. Organisation der Erwerbsarbeit 34 5. Kampagne zur Aufwertung der sozialen 2. Organisation der Sorgearbeit 35 Dienstleistungen 97 3. Sorgearbeit als Beruf: die SAHGE-Berufe 36 4. Indikatoren für Ungleichheit 37 C.V Rahmenbedingungen und 5. Ein Indikator für Ungleichheit in der Sorgearbeit: Infrastruktur der Sorge für Kinder 98 Der Gender Care Gap 38 Vorbemerkung 98 1. Infrastruktur für Kinderbetreuung weiter verbessern 98 B.III In Paarbeziehungen und Familien 2. Rahmenbedingungen vor und nach der Geburt verbundene Leben („linked lives“) 40 eines Kindes verbessern 102 1. Aushandlungsprozesse in Paarbeziehungen 41 3. Volle Nutzung der Elternzeit und partnerschaftliche 2. Institutionelle, gesellschaftliche und ökonomische Aufteilung der Sorgearbeit durch Förderung einer Rahmenbedingungen 42 Familienarbeitszeit ermöglichen 103 3. Das Gegenteil von Partnerschaftlichkeit: 4. Einführung eines flexiblen Zeitbudgets für Gewalt in Paarbeziehungen 43 Eltern minderjähriger Kinder 105 5. Stärkung Alleinerziehender durch eine Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes 106

2 C.VI Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge D.II Überwindung von Partnerschaftsgewalt 165 für pflege­bedürftige Personen 108 Vorbemerkung 165 Vorbemerkung 108 1. Intensivierung von Präventionsmaßnahmen 166 1. Geschlechtergerechte Pflegeinfrastrukturen schaffen 109 2. Ausbau der Hilfesysteme 167 2. Freistellung für informell Pflegende 113 3. Regelmäßiges Monitoring der Maßnahmen 167

C.VII Rahmenbedingungen und Infrastruktur der D.III Flucht 169 privaten Haushaltsführung 115 Vorbemerkung 169 1. Mindeststandards guter Arbeit 115 1. Generierung von Wissen und 2. Zertifizierung guter haushaltsnaher öffentliche Kommunikation 170 Dienstleistungsarbeit 117 2. Maßnahmen zum Gewaltschutz 170 3. Förderung der Nachfragestrukturen durch 3. Gleichstellungsorientierte Arbeitsmarktintegration 171 Gutscheine für haushaltsnahe Dienstleistungen 117 4. Standards für Gewaltschutzkonzepte und Gleichstellung 173

C.VIII Der Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit 119 D.IV Stärkung von Strukturen und Instrumenten für Vorbemerkung 119 die Durchsetzung von Gleichstellung 175 1. Arbeitsförderungsrechtliche Unterstützung durch Vorbemerkung 175 Information, Beratung und Weiterbildung 119 1. Gleichstellungsaktionspläne und -strategien 176 2. Rechte auf und bei Rückkehr in den Betrieb 2. Schritte zu einer geschlechtergerechten Haushaltspolitik 176 oder die Dienststelle 120 3. Stärkung der gleichstellungsorientierten 3. Betriebliches Wiedereinstiegsmanagement 121 Gesetzesfolgenabschätzung 176 4. Schaffung einer Einrichtung für den Transfer C.IX Anreize bei der Ressourcen- und Arbeitsteilung in von Wissen über Gleichstellung 177 Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft 123 1. Abbau einkommensteuerrechtlicher Anreize zur Literaturverzeichnis Kapitel D 178 Spezialisierung auf Erwerbs- und Sorgearbeit in der Ehe 124 2. Beitragsfreie Mitversicherung 127 3. Minijobs 129 E. Zusammenfassung 183 4. Güterstandsrecht in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft 131

C.X Rente und Alterssicherung: Bilanz des Lebenslaufs 136 Vorbemerkung 136 1. Prävention vor Nachsorge 139 2. Honorierung von Sorgearbeit systematisieren 139 3. Verlagerung von der abgeleiteten zur eigenständigen Sicherung 141 4. Nachsorgender sozialer Ausgleich bei niedrigen Rentenansprüchen 142 5. Verbesserung des Zugangs von Frauen zur betrieblichen und privaten Alterssicherung 142

Literaturverzeichnis Kapitel C 143

D. Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik 157

D.I Gleichstellungsorientierte Gestaltung der digitalen Arbeit 159 Vorbemerkung 159 1. Ermöglichung und Regulierung von mobilem Arbeiten 159 2. Regulierung und Anreizsteuerung bei digitalen Plattformen 160 3. Wirksame Instrumente gegen Cyber Harassment 162 4. Genderkompetentes Arbeitsmarktmonitoring 163

D. Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik 157 E  3 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Verteilung der (normalen) Erwerbsarbeitszeiten 99

Abbildung 2: Verteilung der gewünschten und tatsächlichen Erwerbsarbeitszeiten von Frauen mit Kindern 100

Abbildung 3: Verteilung der gewünschten und tatsächlichen Erwerbsarbeitszeiten von Männern mit Kindern 100

Abbildung 4: Steuersatz auf einen zusätzlichen Euro nach Jahresbruttoeinkommen in den Steuerklassen III, IV und V (Steuertarif 2017) 125

Tabelle 1: Durchschnittliche Rentenzahlbeträge, Versicherungsjahre und Entgeltpunkte von Männern und Frauen in der Gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenzugang, Altersrenten am 31.12.2015) 137

Tabelle 2: Allgemeine Entwicklungstrends und ihre voraussichtliche Auswirkung auf die Alters­- sicherungsansprüche von Frauen 138

4 Abkürzungsverzeichnis

Abs. – Absatz a. F. – alte Fassung AGG – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ArbZG – Arbeitszeitgesetz ASVG – Allgemeines Sozialversicherungsgesetz Art. – Artikel BA – Bundesagentur für Arbeit BEEG – Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz BGleiG – Bundesgleichstellungsgesetz BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BMWi – Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BVerfGE – Bundesverfassungsgericht CEDAW – Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women (Frauenrechts- konvention der Vereinten Nationen) EIGE – European Institute for Gender Equality (Euro- päisches Gleichstellungsinstitut) EStG – Einkommenssteuergesetz EU – Europäische Union FPfZG – Familienpflegezeitgesetz FüPoG – Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst GFK – Genfer Flüchtlingskonvention GG – Grundgesetz GKV – gesetzliche Krankenversicherung GRV – gesetzliche Rentenversicherung IntV – Integrationskursverordnung i. V. m. – in Verbindung mit KMU – kleine und mittlere Unternehmen LSBTIQ* – Lesbisch, Schwul, Bi, Trans*, Inter* und Queer MuSchG – Mutterschutzgesetz n. F. – neue Fassung o. J. – ohne Jahr o. P. – ohne Paginierung PSG – Pflegestärkungsgesetz PflegeZG – Pflegezeitgesetz SAHGE – Soziale Arbeit, Haushaltsnahe Dienstleis­ tungen, Gesundheit und Pflege, Erziehung SchwarzArbG – Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung SGB – Sozialgesetzbuch

Zusammenfassung 183 E  5 6     7 Die Mitglieder der Prof. Dr. Holger Bonin ist Chef-Koordinator der arbeitsmarkt- Sachverständigenkommission politischen Forschung am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn und Professor für Volkswirtschafts- für den Zweiten Gleichstellungsbericht lehre mit den Schwerpunkten Arbeitsmarkt- und Sozi- der Bundesregierung alpolitik an der Universität Kassel. In seiner empirisch ausgerichteten Forschung untersucht er insbesondere Vorsitz fundamentale strukturelle Veränderungen an den Ar- beitsmärkten, die Wirksamkeit aktiver arbeitsmarktpo- Prof. Dr. Eva Kocher ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürger- litischer und familienpolitischer Maßnahmen sowie liches Recht, Europäisches und Deutsches Arbeitsrecht sowie die Folgen von demografischem Wandel und Zuwan- Zivilverfahrensrecht an der Europa-Universität Via­drina derung. Holger Bonin ist unter anderem Mitglied der in Frankfurt (Oder). Sie leitet das Forschungspro- Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in jekt „Koordination selbstständiger Unselbststän- NRW“ des Landtags Nordrhein-Westfalen, des Rates für digkeit: Erwerbsarbeit jenseits der Organisation im Migration und der Leitung des Netzwerks Bildungs- Internetzeitalter“ und war beteiligt am Forschungs- forschung der Baden-Württemberg Stiftung. Er gehört projekt „Arbeits- und sozialrechtliche Regulierung dem bevölkerungswissenschaftlichen Ausschuss, dem für Übergänge im Lebenslauf. Ein Beitrag für ein sozialpolitischen Ausschuss und dem wirtschaftspo- Soziales Recht der Arbeit“ (2010 bis 2012). Sie ist litischen Ausschuss im Verein für Socialpolitik an. unter anderem Mitglied im Deutschen Arbeitsge- Anschrift: Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), richtsverband und im Deutschen Juristinnenbund. Schaumburg-Lippe-Straße 5–9, 53113 Bonn Anschrift: Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), Juristische Fakultät, Große Scharrnstraße 59, 15230 Frankfurt (Oder) Prof. Dr. Ute Klammer ist geschäftsführende Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Mitglieder Duisburg-Essen (UDE) und Professorin an der Fakul- tät Gesellschaftswissenschaften. Von 2008 bis 2015 Prof. Dr. iur. Thomas Beyer hat eine Professur für Recht war sie Prorektorin für Diversity Management und in der Sozialen Arbeit mit den Schwerpunkten Sozial- Internationales der UDE. Ihre Forschungsschwer- wirtschaft, Recht der Bildung, Recht der Inklusion punkte sind: Sozialpolitik, insbesondere Alters­ an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Tech- sicherung und Familienpolitik, Erwerbstätigkeit nischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und soziale Sicherung von Frauen, europäische inne. Seit 2004 ist er ehrenamtlicher Landesvorsitzen- und international vergleichende Wohlfahrtsstaats- der der Arbeiterwohlfahrt in Bayern, seit 2012 Vize- forschung. Aktuell leitet sie Forschungsprojekte präsident des AWO-Bundesverbandes. Beyer gehört zum Gender Pay Gap, zum Gleichstellungswissen seit 2014 dem Präsidium des Deutschen Vereins für und Gleichstellungshandeln an Hochschulen sowie öffentliche und private Fürsorge an. Zu seinen aktu- zur Nachqualifizierung zugewanderter Akademi- ellen Veröffentlichungen zählen Rechts- und Praxis- kerinnen und Akademiker. Sie ist unter anderem fragen des Wohlfahrtswesens und des Ehrenamtes. Vorstandsmitglied der Sektion Sozialpolitik in der Anschrift: Technische Hochschule Nürnberg, Fakultät Sozial­ Deutschen Gesellschaft für Soziologie und Mitglied wissenschaften, Bahnhofstr. 87, 90402 Nürnberg des Sozialbeirats der Bundesregierung und war Vor- sitzende der Sachverständigenkommission für den Jun.-Prof. Dr. Eva Blome ist Juniorprofessorin für Gender Stu- Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. dies im Arbeitsbereich Neuere deutsche Literatur und Anschrift: Universität Duisburg-Essen, Institut Arbeit Literaturtheorie am Institut für Deutsche Philologie und Qualifikation, Forsthausweg 2, 47057 Duisburg der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Sie ist außerdem Sprecherin des Vorstands des Interdiszipli- Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe ist Inhaberin des Lehrstuhls für nären Zentrums für Geschlechterforschung (IZfG) an Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissen- der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Ihre schaft an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Forschungsschwerpunkte sind: Kultur- und literatur- Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Haushalts- und wissenschaftliche Geschlechterforschung vom 18. Familienwissenschaften, Gender-, Zeit- und Dienst- Jahrhundert bis zur Gegenwart, Bildung und soziale leistungsforschung. Sie leitet das an ihrem Lehrstuhl Ungleichheit in Literatur und Gesellschaft, Intersektio- angesiedelte Kompetenzzentrum zur Professiona- nalitätsforschung, Postkoloniale Theorien, Gleichstel- lisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher lungspolitik an Hochschulen in Theorie und Praxis. Dienstleistungen (2013–2017) und damit verbunde- Anschrift: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, ne Forschungsprojekte. Frau Meier-Gräwe ist unter Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (IZfG), anderem Vorsitzende des Fachausschusses „Struk- Robert-Blum-Str. 13, 17489 Greifswald turwandel des Haushalts“ der Deutschen Gesell-

8 schaft für Hauswirtschaft (dgh), externe Expertin Prof. Dr. Carsten Wippermann ist Professor für Sozio- der Gemeinschaftsinitiative EQUAL bei der Europä- logie und Methoden der empirischen Forschung an der ischen Union, Mitglied im Auswertungsbeirat zur Katholischen Stiftungsfachhochschule München, Zeitverwendungserhebung 2012/2013 des Statisti- Abteilung Benediktbeuern sowie Gründer und schen Bundesamtes in Wiesbaden und in der Famili- Leiter des DELTA-Instituts für Sozial- und Ökologie- enpolitischen Kommission der Heinrich-Böll-Stiftung forschung GmbH. Seine Forschungsschwerpunkte in Berlin sowie Mitglied in der Enquete-Kommission sind: Wertewandel und Lebensstile, Lebenswelten und „Zukunft der Familienpolitik in NRW“ des Landtags soziale Milieus (DELTA-Milieus®), Gleichstellung Nordrhein-Westfalen. und Geschlechterrollen von Frauen und Männern, Anschrift: Justus-Liebig-Universität Gießen, Institut für Generationenwandel, Bildung, Erziehungsziele und Wirtschaftslehre des Haushalts und Verbrauchsforschung, Erziehungsstile, Gesundheitsbewusstsein und Gesund- Bismarckstr. 37, 35390 Gießen heitsverhalten, Ernährung, Umwelteinstellungen, Alltagsästhetik, politische Orientierung, Menschen Prof. Helmut Rainer, Ph.D. ist Professor für Volkswirtschafts- mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung. lehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München Anschriften: Katholische Stiftungsfachhochschule München, und leitet das Zentrum für Arbeitsmarktforschung und Abteilung Benediktbeuern, Don-Bosco-Str. 1, 83671 Benediktbeuern; Familienökonomik am ifo Institut. Seine Forschungs- und DELTA-Institut für Sozial- und Ökologieforschung GmbH, schwerpunkte liegen in den Bereichen Arbeitsmarkt- Fischhaberstraße 49a, 82377 Penzberg und Familienökonomik. Er war beteiligt an der Ge­­- samtevaluation der ehe- und familienbezogenen Maß- Anne Wizorek ist freiberufliche Beraterin für digitale Medien nahmen und Leistungen in Deutschland und leite- und Autorin. Sie lebt im Internet und in Berlin. An der te die Geschäftsstelle zum Achten Familienbericht. Freien Universität und Humboldt Universität Berlin Anschrift: ifo Institut, ifo Zentrum für Arbeitsmarktforschung studierte sie Neuere deutsche Literatur, Allgemei- und Familienökonomik, Poschingerstraße 5, 81679 München ne und Vergleichende Literaturwissenschaften so- wie Skandinavistik. Ihre Schwerpunktthemen sind: Prof. Dr. Stephan Rixen ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffent- Sexismus; sexualisierte Gewalt; Kommunikation in liches Recht, Sozialwirtschafts- und Gesundheitsrecht an digitalen Medien; Cyber Harassment; intersektiona- der Universität Bayreuth. Er war zum Beispiel am For- ler Feminismus. Wizorek schreibt hierzu regelmäßig schungsprojekt „Bestandsaufnahme zur Situation der Artikel für Medien wie z. B. ZEIT Online, Tagesspie- Frauenhäuser, der Fachberatungsstellen und anderer gel, VICE Magazin und hält Vorträge in Deutschland, Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen Österreich und der Schweiz. Sie ist Gründerin des und deren Kinder“ (2012) beteiligt. Er ist unter ande- Grimme Online Award nominierten Gemeinschafts- rem Mitglied des Scientific Advisory Board des Max- blogs kleinerdrei.org. Der von Anne Wizorek initiier- Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik, des te Hashtag #aufschrei stieß im Jahr 2013 eine Debatte Fachausschusses „Jugend und Familie“ des Deutschen zu Alltagssexismus an und wurde als erster Hashtag Vereins für öffentliche und private Fürsorge sowie mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Ihr Berater der „Kommission für gesellschaftliche und Buch „Weil ein #aufschrei nicht reicht – Für einen soziale Fragen“ der römisch-katholischen Deutschen Feminismus von heute“ erschien im S. Fischer Verlag. Bischofskonferenz. Kontakt über: annewizorek.de Anschrift: Universität Bayreuth, Rechts- und Wirtschafts- wissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl für Öffentliches Recht I, Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok ist seit 2014 Professorin für Soziale Universitätsstr. 30, 95447 Bayreuth Ökonomie und Sozialpolitik an der Hochschule für Ange- wandte Wissenschaften in München. Ihre Forschungs- Christina Schildmann ist Leiterin des wissenschaftlichen schwerpunkte liegen im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sekretariats der Kommission „Arbeit der Zukunft“ der Sozialpolitik sowie der Verhaltensökonomie. Zwischen Hans-Böckler-Stiftung. Zuvor war sie in der Friedrich- 2009 und 2012 war Aysel Yollu-Tok Forschungsbeauf- Ebert-Stiftung für die Bereiche Familienpolitik tragte am Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR in und Geschlechterforschung zuständig sowie für Darmstadt/Berlin, mit dem sie aktuell das Forschungs- die abteilungsübergreifende Gender­koordinierung. projekt „Umsetzung, Kosten und Wirkungen einer Ar- Christina Schildmann hat Politikwissenschaft, Ge- beitsversicherung“ durchführt. Sie ist im geschäftsfüh- schichte und Germanistik studiert. Ihre Arbeits- renden Vorstand der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt schwerpunkte sind unter anderem Arbeitszeit- e. V. und assoziiertes Mitglied des Harriet Taylor Mill- politik, geschlechtsbezogene Auswirkungen der Instituts für Ökonomie und Geschlechterforschung Digitalisierung sowie Arbeitsbedingungen in den an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. sozialen Dienstleistungen. Anschrift: Hochschule München, Fakultät für angewandte Anschrift: Hans-Böckler-Stiftung, Reinhardtstraße 38, 10117 Berlin Sozialwissenschaften, Am Stadtpark 20, 81243 München

    9 Die Geschäftsstelle für den Verfasserinnen und Verfasser Zweiten Gleichstellungsbericht der Expertisen der Bundesregierung

Dr. Regina Frey Dr. Christian Alt, Katrin Hüsken und Jens Lange Politikwissenschaft Deutsches Jugendinstitut Leitung der Geschäftsstelle Ganztagsschulen in der Primarstufe – Betreuungswünsche zwischen Vielfalt Debora Gärtner und Knappheit Volkswirtschaftslehre Wissenschaftliche Mitarbeit Prof. Dr. Martin Baethge und Dr. Volker Baethge-Kinsky Georg-August-Universität Göttingen Katrin Lange Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Politikwissenschaft geschlechtsspezifischen Aspekten Wissenschaftliche Mitarbeit Dr. Christina Boll Sophie Rotino Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut Rechtswissenschaft Die Arbeitsteilung im Paar – Theorien, Wissenschaftliche Mitarbeit Wirkungszusammenhänge, Einflussfaktoren und exemplarische empirische Evidenz Sebastian Scheele Soziologie Prof. Dr. Gerhard Bosch und Dr. Claudia Weinkopf Wissenschaftliche Mitarbeit Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen Anne Stahlmann Minijobs Haushalts- und Dienstleistungswissenschaften Wissenschaftliche Mitarbeit Prof. Dr. Andrea D. Bührmann Georg-August-Universität Göttingen Gudrun Hahnenstein „Diversity- und Intersektionalitätscheck“ für den Sachbearbeitung Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Jessica Schon Lucy Chebout Projektassistenz Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Heteronormativitäts-Analyse zum Gutachten der Sachverständigenkommission zum Zweiten Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (ISS) Gleichstellungsbericht der Bundesregierung Zeilweg 42, 60439 Frankfurt a. M. Prof. Dr. Claudia Gather, Dr. Ingrid Biermann, Standort der Geschäftsstelle in Berlin: Dr. Patricia Bliemeister, Judith Langowski, Brachvogelstraße 1, 10961 Berlin Lena Schürmann und Jeannette Trenkmann Telefon: 030. 6167179-0 Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin [email protected] (Solo-)Selbstständigkeit als gleichstellungs- www.gleichstellungsbericht.de politische Herausforderung

Prof. Dr. Bernd Käpplinger und Eva Kubsch Justus-Liebig Universität Gießen Gleichberechtigung und partnerschaftliche Weiterbildung

Dr. Johannes Keil unter Mitarbeit von Prof. Dr. Christoph Ehmann Fachhochschule Dresden und Philipps-Universität Marburg Erwachsenenbildungsförderung – Hürden und Benachteiligungsaspekte für die Beteiligung von Frauen an beruflicher Weiterbildung

10 Nina Klünder Veranstaltungen Justus-Liebig Universität Gießen der Sachverständigenkommission Differenzierte Ermittlung des Gender Care Gap auf der Basis von repräsentativen Zeitverwen­ dungsdaten 2012/13

Katrin Lange Fachveranstaltung Geschäftsstelle Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Institut für Sozialarbeit Gleichstellung der Geschlechter – ein nicht erreichtes und Sozialpädagogik e. V. Ziel. Zum Gutachten der Sachverständigenkommission für Die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen am 29.09.2016 in Berlin Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“ und ihre Bilanzierung Fachforen

Kathrin Mahler Walther Qualifizierung für haushaltsnahe Dienstleistungen Europäische Akademie für Frauen in Politik und Fachforum am 17.02.2016 in Berlin Wirtschaft Berlin e. V. (EAF) Referentinnen und Referenten: Wie können kleine und mittlere Unternehmen Elke Ferner, MdB bei der Ermöglichung von Zeitsouveränität für Martina Feulner ihre Beschäftigten unterstützt werden? Thomas Fischer Heidi Holzhauser Prof. Ray Rees Helga Klingbeil-Weber Ludwig-Maximilians-Universität München Dr. Inge Maier-Ruppert Economic Perspectives on the Income Taxation Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe of Couples and the Choice of Tax Unit: A Review of the Literature Neubewertung und Aufwertung von sozialen und personenbezogenen Dienstleistungen Sebastian Scheele Fachforum am 15.03.2016 in Berlin Geschäftsstelle Zweiter Gleichstellungsbericht Referentinnen und Referenten: der Bundesregierung, Institut für Sozialarbeit und Prof. Dr. Christof Baitsch Sozialpädagogik e.V. Michaela Evans Gender und Sozialraumorientierung in der Pflege Armando García Schmidt Sarah Lillemeier Prof. Dr. Helen Schwenken unter Mitarbeit Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe von Verena Hucke und Shari Heuer Dr. Barbara Stiegler Universität Osnabrück Integration von Flüchtlingen unter einer Gleich- Betriebliche Arbeitszeitarrangements, stellungsperspektive – Bestandsaufnahme und betriebliche Routinen zur Unterstützung Forschungsbedarf partnerschaftlicher Arbeitszeitarrangements, Wahlarbeitszeitgesetz Dr. Ulrike Spangenberg, Fachforum am 11.04.2016 in Berlin Institut für gleichstellungsorientierte Prozesse und Referentinnen und Referenten: Strategien (GPS) Dr. Christina Boll Das Ehegattensplitting: Steuer- und verfassungs- Karl Brenke rechtliche Aspekte aus Gleichstellungssicht Prof. Dr. phil. Stephan Höyng Prof. Dr. Monika Huesmann Prof. Dr. Monika Schröttle, Kathrin Mahler Walter Technische Universität Dortmund Dr. Sandra Lewalter Gewalt in Paarbeziehungen Prof. Dr. Heide Pfarr

Die Sachverständigenkommission wird ausgewählte Expertisen sowohl auf ihrer Website www.gleichstellungsbericht.de als auch in einem Materialband veröffentlichen.

    11 Wiedereinstieg nach familienbedingter Geschlecht, Flucht, Integration Erwerbsunterbrechung Welche Standards braucht es für eine Fachforum am 13.04.2016 in Berlin gleichstellungsorientierte Flüchtlingspolitik Referentinnen und Referenten: Fachforum am 23.06.2016 in Berlin Volker Baisch Referentinnen und Referenten: Lisa Eisenbarth Dr. Delal Atmaca Thomas Fischer Zakia Chlihi Heidi Holzhauser Prof. Dr. Dorothee Frings Petra Kather-Skibbe Maren Gag Dr. Frank Meissner Heidi Holzhauser Svenja Pfahl Prof. Dr. Ina Kerner Heike Rabe Gleichstellungsorientiertes Personalmanagement Dr. Birgit Schweikert Fachforum am 18.04.2016 in Berlin Prof. Dr. Helen Schwenken Referentinnen und Referenten: Klaus Schwerma Dr. Annette von Alemann Marion Eckertz-Höfer Prof. Dr. Eva Kocher Fachgespräche Dipl.-Päd. Eva Kubsch Andreas Merx Fachgespräch zum Ehegüterrecht Prof. Dr. Barbara Sieben am 08.09.2016 in Berlin Referentinnen und Referenten: Genderaspekte bedürfnisgerechter Pflege Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb alter Menschen – Reformbedarf und Reformideen Dr. Gudrun Lies Benachib in der Diskussion Brigitte Meyer-Wehage Fachforum am 22.04.2016 in Berlin Dr. Angelika Nake Referentinnen und Referenten: Dr. Lore Peschel-Gutzeit Prof. Dr. Margret Flieder Eva Maria Weskop-Deffaa Prof. Dr. Josefine Heusinger Heike Hoffer, LL.M. Gewalt in Paarbeziehungen Prof. Dr. Thomas Klie Fachgespräch zur Kurzexpertise Prof. Dr. Susanne Kümpers am 05.09.2016 in Berlin Prof. Dr. Sigrid Leitner Referentin: Prof. Dr. Gudrun Piechotta-Henze Prof. Dr. Monika Schröttle Prof. Dr. Elisabeth Reitinger Prof. Dr. Erika Sirsch Dr. Hürrem Tezcan-Güntekin Prof. Dr. Hildegard Theobald Dr. Gesa Witthöft

Digitalisierung der Arbeitswelt und Geschlechtergerechtigkeit (Arbeiten 4.0) und Gewalt im Netz im Kontext des Arbeitsplatzes Fachforum am 06.06.2016 in Berlin Referentinnen und Referenten: Prof. Dr. Martin Baetghe Dr. Tanja Carstensen Prof. Dr. Rüdiger Krause Dr. Ulrike Lembke Dr. Kira Marrs Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe Daniel Schönefeld

12 Tagungen, Kongresse und Anhörungen Vortrag zur Arbeit der Sachverständigenkommission mit Beteiligung der Kommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundes-­ re­­gierung auf der Auftaktveranstaltung zu den Frauen­ AktionsTagen Mönchengladbach am 11.11.2016 in Mönchengladbach Prof. Dr. Ute Klammer 23. Bundeskonferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros (BAG) Vortrag für den Paritätischen Gesamtverband am 07.09.2015 in Warnemünde Arbeitskreissitzung des Bereichs Frauen Prof. Dr. Ute Klammer am 16.11.2016 in Berlin Christina Schildmann Prof. Dr. Eva Kocher

Vortrag auf der Studientagung des Katholischen Vortrag auf der Abschlussveranstaltung „Erster Deutschen Frauenbundes – „(Un-)beteiligt?! Politische Aktionsplan Gleichstellung“ der Stadt Frankfurt Partizipation, sozio-ökonomische Teilhabe und Sorge­ am 01.12.2016 in Frankfurt am Main verantwortung in einer Gesellschaft des langen Lebens“ Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe am 16.10.2015 in Bonn Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe

Vortrag im Rahmen des Frühjahrstreffens der für die Gleichstellung und Frauenpolitik zuständigen Abteilungs- und Stabsstellenleitungen der Länder am 26.02.2016 in Hannover Prof. Dr. Eva Kocher

Hauptversammlung dbb bundesfrauenvertretung am 04.03.2016 in Königswinter Prof. Dr. Eva Kocher

Anhörung vor dem Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Vorstellung der Arbeit der Sachverständigenkommission am 11.05.2016 in Berlin Prof. Dr. Eva Kocher

Fachinput auf der Fachveranstaltung „3fach gefordert, 2fach unbezahlt & 1fach unersetzlich. Bezahlte und unbezahlte Arbeit im Fokus“, Veranstaltung des Deutschen Frauenrats in Kooperation mit ver.di am 10.06.2016 in Berlin Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe

Sprecherinnensitzung der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros am 26.07.2016 in Berlin Prof. Dr. Eva Kocher

Vortrag zur Arbeit der Sachverständigenkommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung auf dem NRW-Dialogforum 2016 „Transformation – Beschleunigung – Gestaltbarkeit“ des Forschungsinstituts für Gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) am 04.11.2016 in Düsseldorf-Kaarst Prof. Dr. Ute Klammer

    13 14 A. Einführung

Einführung A  A 15 A.I Vorstellung und Vorgehensweise konsistente wie auch ziel- und wirkungsorientierte der Kommission Gleichstellungspolitik entwickeln und umsetzen kann (siehe D.IV). Aufgabe der Sachverständigen- kommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht Die Bundesregierung legt laut Beschluss des Deut- war es laut Berichtsauftrag, vor diesem Hintergrund, schen Bundestages sowie des Bundesrats einmal in „politische Entscheidungen über Maßnahmen zur jeder Legislaturperiode einen Bericht zur Gleichstel- zukünftigen Gestaltung der Geschlechterverhältnisse lung von Frauen und Männern vor. Dementsprechend und der Chancengleichheit zwischen den Geschlech- beauftragte die Bundesministerin für Familie, Senio- tern in der Bundesrepublik Deutschland sachverstän- ren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig, im April dig [vorzubereiten]“. Das vorliegende Gutachten kon- 2015 eine interdisziplinäre Kommission mit der Er- zentriert sich deshalb darauf, Erkenntnisse aus dem stellung des vorliegenden Gutachtens zum Zweiten Ersten Gleichstellungsbericht durch die Erarbeitung Gleichstellungsbericht. konkreter Handlungsempfehlungen zu operationali- sieren. Das Gutachten widmet sich der Frage, welche Der Sachverständigenkommission gehörten an: konkreten Schritte im Hinblick auf weichenstellende Übergänge im Lebensverlauf erforderlich sind, um – - Prof. Dr. Eva Kocher entsprechend den Ergebnissen des Ersten Gleichstel- Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder) lungsberichts – die tatsächliche Gleichberechtigung (Vorsitzende) von Frauen und Männern durchzusetzen und beste- - Prof. Dr. Thomas Beyer hende Nachteile zu beseitigen. Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm - Jun.-Prof. Dr. Eva Blome Die Sachverständigen wollen mit ihrem Gutachten Universität Greifswald die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung so- - Prof. Dr. Holger Bonin wie andere Akteurinnen und Akteure in Wirtschaft Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), und Gesellschaft dabei unterstützen, Politik gleich- Bonn und Universität Kassel stellungsorientiert und auf Basis von wissenschaft- - Prof. Dr. Ute Klammer lich geprüftem Wissen zu gestalten. Das Sachverstän- Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), digengutachten richtet sich insofern an eine breite Universität Duisburg-Essen politisch interessierte Öffentlichkeit und bewegt sich - Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe an der Schnittstelle von Wissenschaft und politischem Institut für Wirtschaftslehre des Haushalts und Handeln. Dies bringt besondere Herausforderungen Verbrauchsforschung an der Universität Gießen mit sich: Einerseits soll der vorliegende Text wis- - Prof. Helmut Rainer, Ph.D. senschaftlichen Ansprüchen genügen, andererseits Ludwig-Maximilians-Universität München bemüht er sich um eine Sprache, die für möglichst vie- und ifo Institut le Leserinnen und Leser verständlich ist. Die Sachver- - Prof. Dr. Stephan Rixen ständigenkommission hofft, dass ihr diese Gratwande- Universität Bayreuth rung gelungen ist, bittet jedoch um Verständnis dafür, - Christina Schildmann dass bisweilen wissenschaftlich-technische Begriffe Hans-Böckler-Stiftung im Gutachten vorkommen. Diese werden soweit wie - Prof. Dr. Carsten Wippermann möglich erläutert. Katholische Stiftungsfachhochschule München (KSFH), Abtl. Benediktbeuern; DELTA-Institut für Sozial- und Die zwölf Sachverständigen sind Angehörige unter- Ökologieforschung, Penzberg schiedlicher Fachdisziplinen (Rechtswissenschaft, - Anne Wizorek Ökonomie, Soziologie, Haushalts- und Familienwis- Freiberufliche Autorin senschaften, Literatur- und Kulturwissenschaften) - Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok und kommen aus verschiedenen gesellschaftlichen Hochschule München Bereichen. Der daraus entstehende interdisziplinäre Arbeitsprozess war für alle Beteiligen gleichermaßen Der Erste Gleichstellungsbericht enthielt bereits eine herausfordernd und fruchtbar. Die Sachverständigen- umfassende Analyse der Situation der Gleichstellung kommission hofft, dass die Ergebnisse des Diskussions- der Geschlechter in Deutschland. Das vorliegende Gut- prozesses der politischen Praxis Anstoß für wirksame achten knüpft konkretisierend am Ersten Gleichstel- gleichstellungspolitische Maßnahmen geben können. lungsbericht und den dort geleisteten Analysen an. Die regelmäßige Gleichstellungsberichterstattung ist ein Für die exzellente und zuverlässige wissenschaftli- wichtiges Element im Rahmen wirksamer institutionel- che Unterstützung sowie Organisation über mehr als ler Mechanismen, mit deren Hilfe eine Regierung eine eineinhalb Jahre hinweg dankt die Sachverständi-

16 genkommission den Mitarbeiterinnen und Mitarbei- A.II.Gleichstellung der Geschlechter: tern der Geschäftsstelle am Institut für Sozialpäda- ein nicht erreichtes Ziel gogik und Sozialarbeit sehr herzlich, namentlich der Leiterin Dr. Regina Frey, den wissenschaftlichen Mit- arbeiterinnen Debora Gärtner, Katrin Lange, Sophie 1. Verwirklichungschancen als Frage des Geschlechts Rotino und Anne Stahlmann, dem wissenschaftlichen Mitarbeiter­ Sebastian Scheele, der Sachbearbeiterin Eine demokratische und offene Gesellschaft bietet Gudrun Hahnenstein sowie der Projektassistentin allen Menschen die gleichen Chancen, Vorstellungen Jessica Schon. und Lebensentwürfe zu entwickeln und zu verwirkli- chen, die zu ihnen passen. Das heißt nicht, dass Poli- tik und Gesellschaft für jeden individuellen Wunsch Das Gutachten wurde Bundesministerin Manuela Verwirklichungsmöglichkeiten schaffen müssten; Schwesig am 17. Januar 2017 überreicht. die Ressourcen sind schließlich begrenzt. Allerdings: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen gewähr- leisten, dass Verwirklichungschancen sowie Chan- cen und Risiken im Lebensverlauf unabhängig vom Geschlecht verteilt sind. Dies verlangt auch das Grundgesetz (GG). Art. 3 Abs. 2 GG macht es der Po- litik zur Aufgabe, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern durchzusetzen und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken.

Diese Gedanken begründen die Leitidee von der Gleichstellung der Geschlechter, wie sie die Sach- verständigenkommission zur Grundlage des vorlie- genden Gutachtens gemacht hat: „Wir streben eine Gesellschaft mit gleichen Verwirklichungschancen von Frauen und Männern an, in der die Chancen und Risiken im Lebensverlauf gleich verteilt sind.“

Die Sachverständigenkommission geht dabei davon aus, dass „Geschlecht“ nach wie vor ein wichtiger Begriff ist, um ungleiche Verwirklichungschancen und ungleiche Verteilungen von Chancen und Risi- ken zu beschreiben – und um Maßnahmen zu entwer- fen, mit deren Hilfe Wege zu einer gleichberechtigten Gesellschaft beschritten werden können. Vergleich- bare Analysen werden in der internationalen wis- senschaftlichen Fachdiskussion mithilfe des Begriffs „Gender“ durchgeführt; die interdisziplinäre Quer- schnittsperspektive der Gender Studies bietet hier wichtige Anregungen. „Geschlecht“ dient der Kommis- sion also als vergleichsweise offener Orientierungsbe- griff; mit seiner Hilfe können Probleme beschrieben und analysiert werden. Er kann aber auch als Kom- pass bei der Suche nach Problemlösungen dienen.

So können Fragen des Geschlechts sowohl für Frauen als auch für Männer diskutiert werden. Eine Analy- se entlang des Begriffs „Geschlecht“ umfasst sexuelle Orientierungen (wie heterosexuell, lesbisch, schwul, bisexuell) wie auch Geschlechtsidentitäten (wie Mann, Frau, Trans*, Inter*, „Queer“; zu den Begriffen und Schreibweisen siehe B). Entlang des Begriffs kön- nen auch die Probleme thematisiert werden, die mit gesellschaftlichen Erwartungen und Zuschreibun-

Einführung A Gleichstellung der Geschlechter: ein nicht erreichtes Ziel II.1 17 gen verbunden sind, die Menschen auf ihr Geschlecht muss und sich nun fragt, ob er offen mit seiner sexu- reduzieren (Stereotypen). Denn diese beschränken die ellen Orientierung umgehen soll oder ob das zu Nach- Verwirklichungschancen aller Menschen. teilen bei der Pflege führen könnte; eine zweifache Mutter, die in einer Führungsposition in einem Wirt- Die Sachverständigenkommission betont, dass glei- schaftsunternehmen arbeitet, nach ihrer Scheidung in che Verwirklichungschancen für Frauen und Männer einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt und mit nur erreicht werden können, wenn auch Strukturen für die Kinder ihrer Lebenspartnerin sorgen möchte; erkannt und beseitigt werden, die Männer aufgrund des eine 35-jährige alleinerziehende Verkäuferin in einem Geschlechtes an der Verwirklichung ihrer Lebensent- Discounter, die drei Kinder hat und die für ihre beiden würfe hindern. Zum einen lassen sich Vorstellungen Jüngsten eine Randzeitenbetreuung von guter Qualität über typische Aufgaben und Eigenschaften von Frauen während ihrer Spätschicht finden muss: Sie alle kämp- nur auflösen, wenn entsprechende Vorstellungen über fen mit unterschiedlichen Barrieren und Hindernissen Männer ebenfalls aufgegeben werden. Zum anderen für die Verwirklichung ihrer Lebensentwürfe; sie alle behindert ein Denken, das dieses oder jenes dem einen haben ein Recht auf gleichen Respekt und gleichwerti- oder anderen Geschlecht zuordnet und zuschreibt, ge Verwirklichungschancen, ohne auf ihr Geschlecht, auch Männer oft dabei, ihr Leben nach eigenen ihre Herkunft oder ihre Lebenssituation reduziert zu Wünschen zu gestalten. Daraus ergeben sich spezifi- werden. Sie benötigen Verwirklichungschancen dafür, sche Ansprüche an die Gleichstellungspolitik; diese ihren Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit zu verdie- kann wirksamer werden, wenn sie auch Belange, Be- nen, sich um Kinder, Pflegebedürftige, Nachbarschaft darfe und geschlechtsbezogene Benachteiligungen von und Ehrenamt zu kümmern, Karriere in einem Unter- Männern in der Gesellschaft identifiziert und beseitigt. nehmen zu machen, sich selbstständig zu machen, sich gesellschaftlich zu engagieren und im Alter eigenstän- Individuelle Menschen sind aber immer mehr als nur dig finanziell abgesichert zu sein. Sie benötigen diesel- Frau, Mann, Trans*, Inter* oder queer. Um Menschen ben Verwirklichungschancen für bedürfnisgerechte und gesellschaftlichen Problemen in ihrer Spezifik Pflege – sei es als Pflegende, sei es als Gepflegte. gerecht werden zu können, bedarf es eines „intersek- tionalen“ Blicks auf soziale Konstellationen. Das be- Ziele wie „Geschlechtergerechtigkeit“ oder „Ge- deutet, dass berücksichtigt wird, wie unterschiedliche schlechtergleichstellung“ adressieren also Probleme, soziale Differenzen und Kategorien (z. B. Geschlecht, mit denen die meisten Menschen in ihrem Leben Alter, Behinderung, Staatsangehörigkeit, soziale Stel- zu tun haben – und zwar auch diejenigen, die diese lung) miteinander verwoben sind. Probleme nicht direkt mit Fragen des Geschlechts in Verbindung bringen. Es ist allerdings nicht im- Geschlecht und andere soziale Unterschiede müssen mer einfach, die Bedeutung von Geschlecht und deshalb in ihren Verwobenheiten („intersections“) geschlechtsbezogener Benachteiligung in konkreten und Wechselwirkungen analysiert werden. Eine in sozialen Konstellationen zu erkennen und zu bewer- Westdeutschland geborene, verheiratete, 50-jährige ten, insbesondere wenn man die Wechselwirkungen Frau ohne Berufsausbildung; eine in Oberbayern leben- mit anderen gesellschaftlichen Ungleichheitsver- de, teilzeitbeschäftigte, 30-jährige Mutter, die sich in hältnissen im Blick behalten möchte. Wenn Perso- ihrer Kirchengemeinde engagiert und sich fragt, wie ihr nen oder Institutionen „genderkompetent“ handeln Glaube mit einem modernen Frauenbild und den An- sollen, bedarf es entsprechender Informationen, forderungen eines modernen Arbeitslebens vereinbart Kenntnisse und Fähigkeiten; dies wird im Folgenden werden kann; ein verheirateter 45-jähriger Mann mit „Genderkompetenz“ genannt. Hochschulabschluss, dessen Eltern aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren und dessen Mutter nun pflegebedürftig ist; eine 32-jährige Trans*Person, deren 2. Die Bedeutung von Familie in einer gleich- 8- und 10-jährige Kinder nach der Scheidung viele stellungsorientierten Lebensverlaufsperspektive Kilometer entfernt bei der Mutter leben; ein 15-jähri- ges Mädchen, das im Jahr 2015 aus Syrien geflüchtet Das Ziel der Geschlechtergleichstellung ist in ist, sich in seiner sexuellen Orientierung noch nicht Deutschland weiterhin nicht erreicht. Dies zeigt sich sicher ist und Hilfe bei der Bewältigung ihrer Gewalt­ z. B. in nicht verwirklichten Lebensplänen und lässt erfahrungen sucht; ein Vater, der in einer Anlagenbau- sich statistisch abbilden. Um ungleiche gesellschaft- firma viel „auf Montage“ unterwegs ist und nicht weiß, liche, wirtschaftliche und politische Partizipation wie er sich unter diesen Bedingungen ernsthaft um und diesbezügliche Problemlagen und Fortschritte seine Kinder kümmern kann; ein 75-jähriger schwuler griffig darstellen zu können, wurden verschiedene Mann, der nach dem Tod seines Lebenspartners, der ihn Indikatoren entwickelt (siehe B.II.4 und 5). Diese In- gepflegt hatte, in eine Senioreneinrichtung umziehen dikatoren für die ungleiche Verteilung von Erwerbs-

18 und Sorgearbeit, Einkommen, Vermögen und beruf- schen Lebensgemeinschaften: Ehe und Eingetragene lichen Positionen sind Hinweise auf nicht erreichte Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschafts- Gleichstellung und dafür, dass Verwirklichungs- gesetz (LPartG); nichteheliche Lebensgemeinschaf- chancen ungleich verteilt und vom Geschlecht ab- ten unabhängig von der sexuellen Orientierung; hängig sind. In Kapitel B wird dies für eine Fülle an alle Lebensgemeinschaften mit Kindern (unter Ein- Lebens- und Arbeitsbereichen erläutert. beziehung von Stief-, Pflege- und Adoptivkindern); Regenbogen- und Patchworkfamilien; Wahlfamilien, Das Gutachten wählt für die Beschreibung des Stan- in denen sich Menschen in selbst definierten Solida- des der Geschlechtergleichstellung in Deutschland ritätsverbünden gegenseitig Beistand bei der Alltags- die Perspektive des Lebensverlaufs. Bereits der Erste bewältigung leisten. Die Verwirklichungschancen für Gleichstellungsbericht hat gezeigt, dass diese Pers- ein familiäres Leben mit Kindern können allerdings pektive erhellende Erkenntnisse liefert, wenn man entlang von Geschlechtsidentitäten und sexueller nicht nur über die Verwirklichungschancen und Orientierung eingeschränkt sein (etwa durch das deren Abhängigkeit von Geschlecht, sondern auch fehlende Adoptionsrecht für Eingetragene Lebenspart- über die Chancen und Risiken im Lebensverlauf nerschaften). nachdenken möchte. Eine Gleichstellungsperspek- tive verlangt, Maßnahmen in Politik und Wirtschaft Die Bedeutung familiärer Einbindungen zeigt sich danach zu betrachten, wie sie auf das Individuum sehr deutlich an demjenigen Knotenpunkt im mit seinen Wünschen und in seinen vielfältigen Lebenslauf, der eine sehr große Bedeutung für die gesellschaftlichen und persönlichen Bezügen wir- Gleichstellung der Geschlechter hat, nämlich der ken. Lebenslagen und soziale Einbindung von Men- Geburt eines Kindes oder der Aufnahme eines Kin- schen ändern sich aber über den Lebensverlauf hin- des etwa durch Adoption oder Pflegschaft. Es gibt weg. Mit einer Lebensverlaufsperspektive erkennt kaum eine Übergangsphase mit gravierenderen man, dass sich im Leben immer wieder Übergangs- gleichstellungspolitischen Implikationen. Empi- phasen ergeben, in denen Entscheidungen zu treffen risch zeigt sich dabei: Je früher Väter Verantwortung sind: Berufseinstieg, Weiterbildung und Karriere; in der Betreuung und Erziehung von Kindern über- Geburt oder Adoption eines Kindes; das Zusammen- nehmen, desto eher werden sie auf Dauer zu aktiven ziehen mit einer Partnerin oder einem Partner; eine Vätern und desto nachhaltiger befördert dies die Krankheit oder das Entstehen einer Behinderung; Gleichstellung (siehe B.III.2 und C.V). Und damit der Eintritt eines Pflegefalls in der Familie; die Über- wird es auch eher möglich, dass beide Elternteile nahme ehrenamtlicher Tätigkeiten; eigene Gewal- gleiche Verwirklichungschancen in der Sorgearbeit terfahrungen; Flucht und Aus- oder Einwanderung; und in der Erwerbsarbeit bekommen. Denn viele ein Arbeitsplatzwechsel; die Aufnahme einer selbst- Nachteile, die Eltern in ihrer beruflichen Entwick- ständigen Erwerbstätigkeit; der Wiedereinstieg nach lung im Lebensverlauf haben, hängen damit zu- Elternzeit, die Krankheit oder Pflege von Angehöri- sammen, dass sie die Lebenswelten der Elternschaft, gen; die Trennung oder Scheidung von einem Part- der Erwerbsarbeit, der Pflege eigener Angehöriger ner oder einer Partnerin; der Ruhestand. Welche und der Selbstsorge während wichtiger Lebenspha- Entscheidungen an diesen Knotenpunkten getroffen sen mühsam ausbalancieren müssen. Aufgrund der werden, ist nicht nur von persönlichen Präferenzen gesellschaftlichen Geschlechterstereotypen und und den verfügbaren Ressourcen abhängig, sondern Arbeitsteilungen treffen die entstehenden Nachtei- von einer Vielzahl weiterer Rahmenbedingungen le heute ganz überwiegend diejenigen Frauen und auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, individueller Männer, die in der Familie die Hauptverantwortung und gegebenenfalls familiärer Ebene. für Sorgearbeit übernehmen. Das Ergebnis sind hohe Risiken im weiteren Lebensverlauf in Form ge- Eine der wichtigsten Übergangssituationen ergibt ringer Aufstiegschancen, geringer Einkommen und sich aus der Entscheidung von Menschen, ihr Leben geringer Renten. miteinander zu verbinden und füreinander Verant- wortung zu übernehmen (zur Bedeutung von „linked lives“ in der Lebensverlaufsperspektive siehe B.III). 3. Barrieren und Hindernisse für gleiche Denn ab diesem Moment werden Entscheidungen Verwirklichungschancen nicht mehr unabhängig voneinander getroffen, häu- fig werden auch Arbeitsteilungen vereinbart. Ungleiche Verwirklichungschancen gehen zu einem wichtigen Teil auf Diskriminierungen, Gewalt, struk- Dieses Gutachten verwendet hierbei einen weiten turelle Benachteiligungen einschließlich finanziel- Begriff von Familie; denn relevant für das Prinzip ler Anreize und Fehlanreize sowie gesellschaftliche der „verbundenen Leben“ sind alle privaten solidari- Stereotypen zurück.

Einführung A Gleichstellung der Geschlechter: ein nicht erreichtes Ziel II.3 19 a. Diskriminierungen Art. 14 der Europäischen Menscherechtkonvention, Art. 2 Abs. 1 und Art. 26 des Internationalen Paktes Mit Diskriminierung bezeichnet man Nachteile, die über bürgerliche und politische Rechte sowie Art. 2 eine Person erleidet, die einer bestimmten gesell- Abs. 2 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, schaftlich definierten Gruppe angehört oder einer soziale und kulturelle Rechte. gesellschaftlichen Gruppe zugeordnet wird: weil sie z. B. Mann, Frau, Trans* oder Inter* ist; weil sie eine Diskriminierungen sind also Grund- und Menschen- Zuwanderungsgeschichte hat oder einer ethnischen, rechtsrechtsverletzungen. Nicht alles, was umgangs- kulturellen oder religiösen Gruppe zugeordnet wird; sprachlich als Diskriminierung bezeichnet wird, weil sie behindert ist; weil sie alt oder jung ist; weil sie ist allerdings rechtswidrig. Diskriminierung im hetero-, bi-, homosexuell oder queer ist; weil sie reich rechtlichen Sinne liegt nur vor, wenn eine konkre- oder arm ist; weil sie aus Ost- oder aus Westdeutschland te Verantwortlichkeit für eine bestimmte Ungleich- kommt. Diskriminierung, die Menschen wegen solcher behandlung festgestellt werden kann und wenn der Gruppenzugehörigkeiten oder Zuschreibungen wider- für die benachteiligende Ungleichbehandlung ver- fährt, beraubt die betroffenen Menschen ihrer Chancen antwortliche Staat, Arbeitgeber oder Auftraggeber 1 zur Freiheitsentfaltung. hierfür keine Rechtfertigung in Anspruch nehmen kann. Das AGG verwendet deshalb den Rechtsbegriff Dennoch geschieht Diskriminierung – aufgrund von der „Benachteiligung“ anstelle des Begriffs der „Dis- Vorurteilen, Rollenerwartungen, Stereotypisierun- kriminierung“, um sich von umgangssprach­ lichen­ gen und Machtverhältnissen. Gerade Frauen werden Verwendungsweisen­ abzugrenzen. In diesem Gut­ dadurch von Macht- und Führungspositionen fernge- achten wird jedoch in Anlehnung an die europa- halten. Nach der Frauenrechtskonvention der Verein- rechtliche Terminologie „Diskriminierung“ auch als ten Nationen (Convention on the Elimination of All Rechtsbegriff verwendet. Forms of Discrimination Against Women, CEDAW) „[verletzt] die Diskriminierung der Frau die Grund- Das Recht unterscheidet verschiedene Formen der sätze der Gleichberechtigung und der Achtung der Diskriminierung. Unmittelbare Diskriminierung Menschenwürde, [hindert] die Frauen daran, unter bezeichnet eine Benachteiligung, die direkt am den gleichen Voraussetzungen wie Männer am poli- Geschlecht einer Person ansetzt, z. B. wenn eine Frau tischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen nicht für eine Führungsposition in Betracht gezo- Leben ihres Landes teilzunehmen, [hemmt] das gen wird, weil die Entscheidungsträgerinnen oder Wachstum des Wohlstands von Gesellschaft und Entscheidungsträger davon ausgehen, dass Frauen Familie und [erschwert] der Frau die volle Entfal- hierfür ungeeignet sind. Eine unmittelbare Benach- tung ihrer Fähigkeiten im Dienste ihres Landes und teiligung wegen des Geschlechts läge ebenfalls vor, der Menschheit“. wenn Männer als Erzieher in Kindertagesstätten nicht erwünscht sein sollten. Von einer mittelbaren Geschlechtsbezogene Diskriminierung ist rechts- Dis­kriminierung wird gesprochen, wenn scheinbar widrig (siehe Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Art. 3 Abs. 3 merkmalsneutrale Regelungen, Politiken oder Prakti- Satz 1 GG oder auch Art. 21 Abs. 1 EU-Grundrechte- ken in der Praxis ein Geschlecht stärker als das ande- Charta) – und zwar nicht nur, wenn sie durch den re treffen (siehe § 3 Abs. 2 AGG). So stellt es eine mit- Staat geschieht, sondern auch in gesellschaftlichen telbare Diskriminierung dar, wenn Teilzeitarbeit im und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Das Allge- Vergleich zu Vollzeit schlechter bezahlt wird, denn meine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll „Benach- Teilzeitarbeit wird von Frauen häufiger ausgeübt teiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der als von Männern. Mittelbare Diskriminierung kann ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion auch vorliegen, wenn sich das Beurteilungswesen oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters in einer Organisation oder einem Unternehmen an oder der sexuellen Identität […] verhindern oder […] einem „männlichen“ Bild von Führung orientiert beseitigen“ (§ 1 AGG). Art. 3 Abs. 3 GG nennt als und sich dies negativ auf die durchschnittliche rechtswidrige Benachteiligungen darüber hinaus Leistungsbeurteilung von Frauen auswirkt. Solche solche aus Gründen der Abstammung, der Rasse, „faktischen Diskriminierungen“ (vgl. BVerfGE 109, der Sprache, der Heimat und der Herkunft, des Glau- 64, 90) müssen vermieden werden (zu strukturellen bens sowie religiöser oder politischer Anschauun- Benachteiligungen siehe A.II.3.c). gen; Art. 21 EU-Grundrechte-Charta bezieht sich u. a. auf Hautfarbe, soziale Herkunft, genetische Merk­ male, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, 1 Da es sich hier in der Regel nicht um individuelle Personen, sondern Vermögen und Geburt. Ähnliches regeln völkerrecht- um Institutionen bzw. juristische Personen handelt, spricht das Gut- liche Normen des Menschenrechtsschutzes wie z. B. achten hier und im Folgenden von „Arbeitgeber“ bzw. „Auftraggeber“.

20 b. Gewaltverhältnisse Handlungsbedarf. Die Sachverständigenkommission­ bezeichnet solche Sachverhalte im Folgenden als Auch geschlechtsbezogene (sexualisierte und an- „strukturelle Benachteiligung“. derweitig benachteiligende) Belästigungen sind Diskriminierungen (siehe § 3 Abs. 3 und 4 AGG); Wie strukturelle Rahmenbedingungen so zusam- geschlechtsbezogene Gewalt ist eine besonders menwirken können, dass sich Nachteile aufgrund des schwerwiegende Form des Machtmissbrauchs und der Geschlechts ergeben, zeigt sich etwa bei haushaltsna- Menschenrechtsverletzung. 37 % der in Deutschland hen Dienstleistungen und häuslicher Betreuung. Eine lebenden Frauen haben in ihrem Erwachsenenleben Folge der stärkeren Erwerbsbeteiligung von Frauen mindestens einmal körperliche und/oder sexualisier- sowie der steigenden Zahl von Hilfe- und Pflegebe- te Übergriffe erlebt; etwa jede siebte in Deutschland dürftigen in der alternden Gesellschaft ist eine erhöhte lebende Frau musste seit ihrem 16. Lebensjahr straf- Nachfrage nach diesen Dienstleistungen. Vorhandene rechtlich relevante sexuelle Gewalt erleiden (siehe Angebote sind jedoch teilweise wenig professionell D.II). Von unterschiedlichen Formen geschlechtsbe- und schlecht bezahlt. Haushaltsnahe Dienstleistun- zogener Belästigung im öffentlichen und privaten gen und häusliche Betreuung werden häufig irre- Raum sowie in Arbeitskontexten berichten fast 60 % gulär und zu einem nicht unerheblichen Anteil der Frauen. Auch Männer sind von Gewalt betroffen; durch transnationale Haushaltsarbeiterinnen und sie werden häufiger als Frauen Opfer von Gewalt im Haushaltsarbeiter erledigt. Die Folge sind Ungleich- außerhäuslichen Bereich durch ihnen unbekann- heitsverhältnisse nach Geschlecht und Migrations- te Personen. Besonders stark von Gewalt betroffen hintergrund oder ethnischer Zugehörigkeit. sind Frauen mit Migrationshintergrund, geflüchte- te Frauen und obdachlose Frauen sowie – besonders Was mit strukturellen Benachteiligungen gemeint massiv – Frauen mit Behinderungen (genauer unter ist, lässt sich auch am Beispiel der Lebensphase zei- D.III). Von Gewalt, Drohungen, Stalking, Mobbing gen, in der das gemeinsame Leben mit Kindern zu und Cybersexismus im Netz (Cyber Harassment, ge- gestalten ist. Die Handlungsmöglichkeiten von nauer unter D.I.3) sind in sehr hohem Maß jüngere Eltern werden in Deutschland nach wie vor durch Frauen betroffen. eine unzureichende Betreuungsinfrastruktur, starre Arbeitszeitmodelle und staatliche Anreize geprägt Wie andere Formen der Diskriminierung dient ge- und eingeschränkt. Vor allem Mütter landen beim schlechtsbezogene Belästigung und Gewalt als Macht- Wiedereinstieg in das Erwerbsleben nach einer instrument und „Platzanweiser“ vor allem gegenüber Geburt häufig in Minijobs, von denen der Aufstieg in Frauen und marginalisierten Gruppen. Erfahrungen eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit mit sexualisierter und geschlechtsbezogener Gewalt häufig nicht gelingt (siehe B.III.2 und C.IX). Ein Pro- haben oft negative Auswirkungen auf die Lebens­ blem ist dies u. a. deshalb, weil in einer Gesellschaft, gestaltung der Betroffenen und damit auf ihre Ver- die auf Erwerbsarbeit beruht, wirtschaftliche Unab­ wirklichungschancen im Lebensverlauf. Nicht selten hängigkeit und Existenzsicherung letztlich einer sind es solche Angriffe auf die persönliche Autonomie, Absicherung durch Erwerbsarbeit bedürfen. die zu Brüchen im Lebensweg und in der beruflichen Entwicklung führen (siehe B.III.3 und D.III). Unter den hierzulande geltenden Rahmenbedingun- gen finden jedoch viele Mütter nach der Geburt eines c. Strukturelle Benachteiligungen Kindes kaum Wege zurück in eine gleichberechtig- te Stellung in der Erwerbsarbeit, auch wenn sie dies Wenn institutionelle Regeln und Rahmenbedin- wünschen. Trennungen oder Scheidungen sind oft mit gungen nachteilige Wirkungen für ein Geschlecht hohen wirtschaftlichen und sozialen Risiken behaftet. mit sich bringen, kann es sich um mittelbare (oder Weitere beschränkende Rahmenbedingungen in der faktische) Diskriminierung in einem rechtlichen Erwerbsarbeit betreffen die Realisierung von Arbeits- Sinne handeln. Eine genaue juristische Prüfung ist zeitwünschen. Planbare und flexible Arbeitszeiten, wie allerdings aufwendig, müssen doch rechtfertigende sie sich Beschäftigte mit Sorgepflichten oft wünschen, Argumente und Legitimationsstrukturen abgewo- stehen häufig in Konflikt mit Praxis und Organisation gen werden. Die Tatsache, dass eine benachteiligende in den Betrieben und werden auf dem Arbeitsmarkt Regelung oder Struktur rechtmäßig ist, heißt aber nicht entsprechend der Nachfrage angeboten. nicht, dass sie auch gleichstellungspolitisch akzep- tabel und gerecht ist. Wenn strukturelle Rahmen- Letztlich zeigt sich an vielen Stellen: Wirtschaft, bedingungen Verwirklichungschancen beeinträch- Arbeit und Gesellschaft in Deutschland sind so tigen oder Risiken und Chancen im Lebensverlauf organisiert, dass die eigenständige Existenzsiche- ungleich verteilen, besteht gleichstellungspolitischer rung auf einem Vollzeitarbeitsverhältnis aufbaut.

Einführung A Gleichstellung der Geschlechter: ein nicht erreichtes Ziel II.3 21 Damit sind nicht alle Beschäftigten in gleicher mene Rollenverteilungen […] dürfen durch staatliche Weise in der Lage, Erwerbsarbeit und Sorgearbeit Maßnahmen nicht verfestigt werden.“ (BVerfGE 85, gemäß ihren Lebensvorstellungen zu gestalten. Die- 191, 206f. (Nachtarbeitsverbot)). se Strukturen erschweren es Frauen wie Männern, in bestimmten Phasen ihres Lebens im jeweils gewoll- Dieses Gutachten identifiziert in diesem Sinne Struk- ten Maße sowohl in der Erwerbsarbeit aktiv zu sein turen und Regelungen, die problematische Gleichstel- als auch für andere und sich selbst zu sorgen und sich lungswirkungen haben, prüft Einflussmöglichkeiten gesellschaftlich zu engagieren. Die vorherrschenden des Staates sowie von Politik und Gesellschaft und Leitbilder und strukturellen Rahmenbedingungen schlägt Wege zur Reform vor, um zu gleichen Verwirk- stellen die Gleichstellungspolitik vor schwierige lichungschancen und gleichen Chancen und Risiken Aufgaben (siehe genauer C.I). im Lebensverlauf beizutragen. d. Rollenbilder und Geschlechterstereotype

Eine bestimmte Arbeits- und Zeitverteilung kann auch auf unterschiedliche Präferenzen und Ent- scheidungen der Betroffenen zurückgehen. Zugleich werden individuelle Entscheidungen nicht nur im Paar- und Familienkontext getroffen (siehe B.III), son- dern immer auch auf der Grundlage und im Umfeld gesellschaftlicher und institutioneller Rahmenbedin- gungen. Beides lässt sich kaum voneinander trennen.

Jede strukturelle Benachteiligung ist mit einer un- gleichen Verteilung von Anerkennung, Ressourcen und Chancen verbunden. Es kann folglich durchaus rational sein, wenn Menschen einen Weg wählen, der geringeren gesellschaftlichen Widerstand verspricht: beispielsweise wenn junge Männer oder Frauen einen Beruf entlang der gesellschaftlichen Geschlechter­ stereotype wählen. Denn Geschlechterstereotype und Anreize für rollenkonforme Entscheidungen haben zur Folge, dass nichtstereotypes und nichtrollenkon- formes Verhalten großen Verwirklichungsproblemen unterworfen und mit Schwierigkeiten beim Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen verbunden ist.

Dies ist der Hintergrund, vor dem die Frauenrechts- konvention CEDAW in Art. 5 die Vertragsstaaten – darunter auch Deutschland – dazu auffordert, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, „um einen Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau zu bewirken, um so zur Beseiti- gung von Vorurteilen sowie von herkömmlichen und allen sonstigen auf der Vorstellung von der Unterle- genheit oder Überlegenheit des einen oder anderen Geschlechts oder der stereotypen Rollenverteilung von Mann und Frau beruhenden Praktiken zu gelan- gen“. Ähnliches verlangt auch das Grundgesetz – das insofern auch völkerrechtsfreundlich und im Lichte der CEDAW auszulegen ist. Es macht es der Politik zur Aufgabe, zu gewährleisten, dass die Verwirklichung von Entscheidungen nicht vom Geschlecht abhän- gig ist. Art. 3 Abs. 2 GG richtet sich laut Bundesver- fassungsgericht auch gegen die gesellschaftlichen Wirkungen der Geschlechterdifferenz: „Überkom-

22 A.III.Fokus des Gutachtens

Das Gutachten knüpft an die umfassende Analyse der Gleichstellungssituation in Deutschland an, die im Ersten Gleichstellungsbericht geleistet wurde. Insbesondere bedeutet dies, dass sich auch das vor- liegende Gutachten an einer Lebensverlaufsper- spektive orientiert, um den Stand und mögliche Handlungsansätze für die Gleichstellungspolitik zu untersuchen. In den letzten fünf Jahren haben sich die Erwerbsbiografien und damit auch die Lebens- verläufe allerdings weiter ausdifferenziert. Armuts- gefährdete Alleinerziehende (vor allem Frauen), (prekäre) Selbstständige, die mit ihrem Unterneh- men beständig um das wirtschaftliche Überleben kämpfen, und Menschen, die Angehörige pflegen, werden immer stärker zu Risikogruppen. Das Gut- achten nimmt außerdem in den Blick, dass die Folgen der Digitalisierung zunehmend alle Lebens- und Arbeitsbereiche durchdringen.

Das vorliegende Gutachten greift Empfehlungen des Ersten Gleichstellungsberichts auf, um sie weiter- zuentwickeln und für die aktuelle gesellschaftliche Situation zu konkretisieren. Dabei war zu berück- sichtigen, welche politischen und gesetzlichen Ent- wicklungen es seither auf maßgeblichen Feldern gegeben hat. Dieses Gutachten soll zwar nicht die Umsetzung der Empfehlungen des Ersten Gleich- stellungsberichts systematisch erfassen und aus- werten. Es berücksichtigt in seinen Analysen und Empfehlungen aber, dass zwischenzeitlich gleich- stellungspolitisch relevante Maßnahmen neu ein- geführt wurden, insbesondere das ElterngeldPlus, die Familienpflegezeit, das Pflegeunterstützungs- geld, das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) und das Mindestlohngesetz (MiLoG). Erste Schritte zu einem Gesetz für mehr Lohngerechtig- keit zwischen Frauen und Männern sind unternom- men worden; zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Gutachtens lag dem allerdings noch kein Gesetzentwurf vor. Auch die gleichstellungspolitisch relevanten Befunde der Gesamtevaluation familien- politischer Leistungen aus dem Jahr 2014 werden im vorliegenden Gutachten berücksichtigt.

In Anknüpfung an die Lebensverlaufsperspektive konzentriert sich das Sachverständigengutachten auf die gleichstellungsorientierte Gestaltung von Er- werbs- und Sorgearbeit. Diese Schwerpunktsetzung wird im folgenden Kapitel B ausführlich begründet und in ein Verhältnis zu weiteren gleichstellungspo- litischen Zielen gesetzt.

Einführung A Fokus des Gutachtens III 23 24 B. Die gleichstellungs­ orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B  B 25 Um konkrete Handlungsempfehlungen zu entwi- Risiken der Geschlechter im Lebensverlauf haben die ckeln, baut dieses Gutachten auf der gleichstellungs- individuelle gesundheitliche Situation und bestehen- politischen Analyse des Ersten Gleichstellungs- de Behinderungen ebenfalls bedeutenden Einfluss. berichts (Bundesregierung 2011) auf und es fragt: Alleinerziehende oder Personen, die in ihrem Lebens- Welche Schritte sind erforderlich, um einer Gesell- lauf einschneidende Gewalterfahrungen gemacht schaft mit gleichen Verwirklichungschancen von haben, sind in ihren Chancen und Risiken in beson­ Frauen und Männern, in der die Chancen und Risiken derer Weise benachteiligt. im Lebensverlauf gleich verteilt sind, näherzukom- men (siehe A.II)? Insofern ist das Geschlecht eine soziale Kategorie, die nicht isoliert von anderen sozialen Kategorien wie Die Lebensverlaufsperspektive richtet den Blick auf das ethnischen oder kulturellen Orientierungen, Staatsan- Individuum mit seinen Wünschen und in seinen viel- gehörigkeit oder Klasse gelebt wird. Diese Differenz- fältigen gesellschaftlichen und familiären2 Bezügen. kategorien müssen gerade in ihren Verwobenheiten Die gleichstellungspolitische Analyse interessiert sich und Überkreuzungen analysiert werden. Der Fokus dafür, inwiefern unterschiedliche Verwirklichungs- liegt dabei auf dem gleichzeitigen Zusammenwirken chancen und Risiken etwas mit dem Geschlecht zu sozialer Ungleichheiten; es geht „nicht allein um die tun haben (siehe A.II). Im Mittelpunkt stehen hierbei Berücksichtigung mehrerer sozialer Kategorien, die gesellschaftlich vorherrschenden „Existenzweisen“ sondern ebenfalls um die Analyse ihrer Wechsel- (Maihofer 1995) von Männern und Frauen, unabhän- wirkungen“ (Walgenbach 2012: 1). Das Anliegen der gig von der sexuellen Orientierung; schließlich soll der „intersektionalen Perspektive“, „auch Differenzen Zweite Gleichstellungsbericht eine Gleichstellungspo- und Machtverhältnisse innerhalb der Genusgruppen litik für Frauen und Männer unterstützen. Die gleich- [Frau/Mann] zu erfassen“ und Geschlechterverhält- stellungspolitische Perspektive muss jedoch auch die nisse im Kontext weiterer Differenz- und Hierarchie- spezifischen Verwirklichungsprobleme anerkennen, verhältnisse zu betrachten, bedeutet eine „Komplexi- die mit einer Vielfalt von Geschlechteridentitäten tätsproduktion“ (Kerner 2011); deren Anforderungen einhergehen (ausführlich dazu ADS 2015: 21ff.). Das kann dieses Gutachten nicht umfassend gerecht wer- vorliegende Gutachten bemüht sich deshalb darum – den, zumal in Bezug auf die Themen des Gutachtens soweit mit den zur Verfügung stehenden Daten und empirische Evidenz nur beschränkt verfügbar ist. statistischen Erkenntnissen möglich –, die Situation Soweit möglich, wird das Gutachten Intersektionalitä- von Personen zu berücksichtigen, die jenseits zwei- ten jedoch reflektieren und die Wirkungen von Hand- geschlechtlicher und/oder heterosexueller Normen lungsempfehlungen für unterschiedliche Gruppen leben (LSBTIQ*3). Bei der Auswertung empirischer von Männern und Frauen zu benennen suchen. Befunde ist auch im Blick zu behalten, dass sich mög- licherweise nicht alle als Mann oder Frau kategorisier- Die gleichstellungspolitische Analyse von Verwirkli- ten Personen tatsächlich jeweils als solche verstehen. chungschancen sowie von Chancen und Risiken zeigt in Anknüpfung an den Ersten Gleichstellungsbericht Menschen haben jedoch nicht nur unterschiedliche im Folgenden zunächst gleichstellungspolitische Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen. Problemlagen in den Lebensverläufen auf (B.I). Sie verfügen auch über unterschiedliche kulturelle Anschließend werden die Barrieren und Rahmen­ und familiäre Hintergründe, haben unterschiedli- che Migrationserfahrungen, leiden unterschiedlich unter Rassismus, leben in unterschiedlichen Famili- 2 Zum Begriff der Familie siehe A.II.2. enformen, gehören verschiedenen Generationen und sozioökonomischen Gruppen an und verfügen über 3 Die Abkürzung „LSBTIQ*“ steht für „Lesbisch, Schwul, Bi, Trans*, ungleiche Ressourcen. Soziale Ungleichheiten, die Inter*, Queer“. Das Sternchen * ist ein Platzhalter und steht für die sich mit Ungleichheiten aufgrund des Geschlechts Offenheit in Bezug auf ganz verschiedene Geschlechtsidentitäten. verschränken, bestehen nicht nur im Hinblick auf Im Einzelnen wird der Begriff „Trans*“ als weit gefasster Oberbegriff diejenigen Diskriminierungsdimensionen, die das für verschiedene Identitäten verstanden, die mit einem Unbehagen Grundgesetz (GG) oder das Allgemeine Gleichbe- hinsichtlich dem zugewiesenen Geschlecht einhergehen. Dieses handlungsgesetz (AGG) thematisieren (siehe A.II.3.a). Unbehagen kann sich auf vielfältige Weise äußern, temporär oder So macht es im Erleben von Geschlechterungleichheit dauerhaft sein und mit dem dringenden Wunsch nach hormo- auch einen Unterschied, ob Menschen im Osten oder neller/chirurgischer Behandlung verbunden sein oder nicht (vgl. Westen Deutschlands, ob sie vor oder nach der Wie- Franzen/Sauer 2010, S. 7ff.). Der Begriff „Inter*“ umfasst interge- dervereinigung aufgewachsen sind und ob sie heute schlechtliche Menschen, die mit körperlichen Merkmalen geboren in den neuen oder den alten Bundesländern leben. Auf werden, „die medizinisch als ‚geschlechtlich uneindeutig‘ gelten“ die Verwirklichungschancen sowie die Chancen und (Franzen/Sauer 2010, S. 11).

26 bedingungen in der Gestaltung der Erwerbs- und B.I.Übergangsphasen und Sorgearbeit, die diese Problemlagen mitgestalten, Entscheidungssituationen im skizziert (B.II). Zudem wird aufgezeigt, wie Entschei- dungen in Familien und Paarbeziehungen durch Lebensverlauf gesellschaftliche Rahmenbedingungen beeinflusst werden (B.III). Abschließend wird auf die Ziele einge- Wie der Erste Gleichstellungsbericht gezeigt hat, sind gangen, die sich hieraus für die in diesem Gutachten insbesondere die Übergangsphasen Berufseinstieg, behandelten gleichstellungspolitischen Handlungs- Karriere und Aufstieg, Familiengründung, Eintritt felder ergeben (B.IV und B.V). eines Pflegefalls, Wiedereinstieg nach einer sorge­ bedingten Erwerbsarbeitspause, Trennung oder Schei- dung sowie der Berufsausstieg wichtige Wendepunkte für die Entwicklungen der Lebensverläufe von Frauen und Männern.

1. Berufseinstieg

Der Erste Gleichstellungsbericht hält fest: „Seit Jah- ren engen junge Frauen und Männer ihre Berufs- und Studienfachwahl ein, indem sie Berufe mit einem hohen Frauen- bzw. Männeranteil präferieren.“ (Bundesregierung 2011: 97). Dies gilt nach wie vor (BIBB 2016: 123ff.). 58 % der erwerbstätigen Männer arbeiten in einem männerdominierten Beruf, z. B. als Mechatroniker oder als Maler und Lackierer. Von allen erwerbstätigen Frauen arbeiten 52 % in einem frauen- dominierten Beruf, z. B. als Erzieherin oder Friseurin (vgl. Hausmann/Kleinert 2014: 4; Busch-Heizmann 2015: 572). Nur etwa 10 % arbeiten jeweils in einem vom anderen Geschlecht dominierten Beruf (Busch- Heizmann 2015).

Als männer- bzw. frauendominiert bezeichnet die Sachverständigenkommission dabei alle Berufe mit einem Anteil an Männern bzw. Frauen von 70 % an allen Beschäftigten (analog zu Busch-Heizmann 2015: 572; Hausmann/Kleinert 2014: 4).4 Die Berufe der Sozialen Arbeit, Gesundheit und Pflege, Erziehung und Bildung zählen zu den frauendominierten Beru- fen. Sie werden im Folgenden mit den ebenfalls durch einen sehr hohen Frauenanteil gekennzeichneten haushaltsnahen Dienstleistungen zusammengefasst und deshalb abgekürzt als SAHGE-Berufe (für eine Definition siehe C.IV). Die Abkürzung „SAHGE“ ist in- spiriert von der mittlerweile eingeführten Abkürzung „MINT“ für Berufe in Mathematik, Informatik, Natur- wissenschaft und Technik, siehe auch Mergner 2011: 9). Beispielsweise waren im Jahr 2015 bundesweit nur 16 % der Schülerinnen und Schüler nichtakademi- scher medizinischer Gesundheitsberufe männlich –

4 Neben der Grenze von 70 % existiert auch eine Definition für „weib- lich dominierte“ bzw. „männlich dominierte“ Ausbildungsberufe mit jeweils mindestens 80 % Auszubildenden des entsprechenden Geschlechts (BIBB 2016: 123).

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Übergangsphasen und Entscheidungssituationen im Lebensverlauf I.1 27 mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Ebene beobachten (Bundesregierung 2002: 163ff.; Bundesländern, in denen die Anteile von 11 % in ADS 2015: 46; Hinz/Gartner 2005; siehe auch C.I.2, (Bremen) bis 25 % in (Brandenburg) reichten. In tech- C.IV). 3,4 Prozentpunkte des Gender Pay Gap ent- nischen Ausbildungsberufen machten die Frauen stehen allein dadurch, dass Frauen in anderen Bran- einen Anteil von bundesweit 11 % aus. Und nur 5 % chen tätig sind als Männer und dass in weiblich aller Personen, die mit der Betreuung von Kindern dominierten Branchen geringere Vergütungen ge- unter 14 Jahren in Tageseinrichtungen zu tun haben, zahlt werden. Zudem arbeiten Frauen häufiger als waren Männer (BMFSFJ 2016a: 40f., 42f., 80). Männer in kleineren Betrieben; die Betriebsgröße trägt weitere 2,7 Prozentpunkte zur Lohnlücke bei Die Nachteile beginnen bereits beim Berufseinstieg: (Boll 2015: 1090). Es gibt außerdem einen empi­ Für viele SAHGE-Berufe wird in vollzeitschulischen rischen Zusammenhang zwischen dem gewählten Systemen ausgebildet; im Gegensatz zu den Berufen Beruf und der Dauer einer späteren Unterbrechung des dualen Ausbildungssystems wird folglich keine der Erwerbstätigkeit zum Zweck der Betreuung von Vergütung bezahlt, sodass es auch an einer vollstän- Kindern oder Angehörigen (Stuth/Hennig 2014); die digen Einbeziehung in die Sozialversicherung fehlt; Unterbrechungsdauer wiederum hat Einfluss auf die ganz im Gegenteil ist in der Regel sogar ein Schul- spätere Lohn- und Karriereentwicklung. geld zu zahlen (siehe genauer C.IV). Rund ein Drittel der Männer und Frauen mit Migra­ Berufswahlentscheidungen sind durch gesellschaft- tionshintergrund in der Gruppe der 25- bis 55-Jährigen liche Norm- und Rollenvorstellungen geprägt und hat keinen Berufsabschluss – dreimal so viel wie bei Veränderungen unterworfen, die nicht nur etwas Menschen ohne Migrationshintergrund (Pimminger mit persönlichen Präferenzen zu tun haben. Hier 2015a: 19). Der Anteil der Frauen ohne Berufsabschluss wirken einerseits die in Gesellschaft, Schule, Familie ist dabei etwas höher als derjenige der Männer; dies und Berufsberatung vermittelten Rollenbilder; an- gilt aber genauso für die Gruppe ohne Migrationshin- dererseits setzen diskriminierende Strukturen auf tergrund. Untersuchungen zeigen, dass insbesondere Arbeitsmärkten Anreize für rollenkonformes Ver- Frauen, die ein Kopftuch tragen, bei der Stellensuche halten („horizontale Arbeitsmarktsegmentation“; zu deutlicher Diskriminierung ausgesetzt sind (Weich- den Wechselwirkungen zwischen Präferenzen und selbaumer 2016). Der UN-Ausschuss gegen jede Form institutionellen Strukturen siehe Kubon-Gilke et von rassistischer Diskriminierung äußerte sich im al. 2016). Frauen oder Männer, die diese „gläsernen Jahre 2015 in Bezug auf Deutschland besorgt vor Wände“ zu überwinden suchen, begegnen erhebli- allem über die ethnisch-religiöse Diskriminierung chen Hindernissen und Barrieren (Bundesregierung muslimischer Frauen beim Zugang zu Erwerbsarbeit 2002: 183ff.; EU KOM 2007: 4). Geschlechterstereo- (UN Doc. CERD/C/DEU/CO/19–22, 15. 05.2015, Rn. 14). type wirken sich beim Berufszugang aus, mit dem Effekt, dass männlich konnotierte Persönlichkeits- Diskriminierungen und Stereotypisierungen grei- merkmale in männlich dominierten Tätigkeitsberei- fen auch bei der Teilhabe geflüchteter Männer chen von Vorteil sind, weiblich konnotierte Persön- und Frauen am deutschen Arbeitsmarkt. So finden lichkeitsmerkmale in weiblich dominierten Berufen geduldete Männer deutlich schneller Zugang zum (Weichselbaumer 2004; siehe auch Weichselbaumer Arbeitsmarkt als geduldete Frauen (Schwenken 2003 zur Diskriminierung in Bewerbungsverfahren 2017: 17). Geflüchtete Frauen werden zudem un- wegen sexueller Orientierung). Trans*Menschen abhängig von ihren Qualifikationen in Richtung leiden in einem besonders hohen Maß unter Dis-­ weiblich dominierter Berufe – in der Sorgearbeit und ­kriminierung­ im Erwerbsleben; nach einer EU- in niedrigqualifizierten Dienstleistungsbereichen – Umfrage in Deutschland erleben 30 % von ihnen beraten (vertiefend dazu D.III). Diskriminierung bei der Arbeitssuche (ADS 2015: 22; FRA 2014: 16ff.; vgl. auch Franzen/Sauer 2010). Im Jahre 2014 haben sich laut Gründungsmonitor der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 915.000 Die geschlechterstereotype Verteilung von Berufen Personen selbstständig gemacht. 43 % aller Unter- und Tätigkeiten hat darüber hinaus weitreichen- nehmensgründungen erfolgten durch Frauen; dies de Auswirkungen auf Chancen und Risiken im war der höchste bislang verzeichnete Frauenanteil Lebensverlauf (Engelbrech 2005). Frauen gelangen in (Gather et. al 2017: 35). Erwerbstätige ohne deutsche ihrer beruflichen Laufbahn sehr früh überwiegend Staatsbürgerschaft haben insgesamt eine höhere in Tätigkeiten und Branchen mit durchschnittlich Selbst­ständigenquote (13 % im Jahr 2012) als Erwerbs- geringerer Einkommens- und Entwicklungsper­ tätige mit deutscher Staatsbürgerschaft (11 %); der spektive. Eine geschlechterhierarchische Bewertung Frauenanteil in beiden Gruppen unterscheidet sich von Tätigkeiten lässt sich bis hin zur betrieblichen allerdings kaum (Pimminger 2015a: 34).

28 Männliche Selbstständige sind allerdings generell Im Jahre 2014 lag der Anteil von Frauen in Führungs- eher in Branchen mit höherem Entgeltniveau und positionen in Deutschland unverändert bei 29 % und in MINT-Berufen zu finden, während Frauen eher in damit weiterhin unter dem EU-Durchschnitt (Des­ Dienstleistungsbranchen mit niedrigem Entgeltni- tatis 2016a). Nach Inkrafttreten des Gesetzes für die veau und in SAHGE-Berufen tätig sind. Diese Diffe- gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern renzen dürften zum Teil auch den unterschiedlichen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und Finanzierungsbedarf von Gründerinnen und Grün- im öffentlichen Dienst (FüPoG) wuchs der Frauenan- dern erklären. Zwar war 2013 der Anteil der Grün- teil unter Aufsichtsratsmitgliedern um 3,7 Prozent- derinnen, die finanzielle Mittel für die Gründung punkte auf 25,8 % (BMFSFJ 2016b). Im öffentlichen eingesetzt haben, mit 61 % fast genauso groß wie der Dienst lag der Frauenanteil in Führungspositionen Anteil der Gründer, der bei 66 % lag. Frauen setzten (Abteilungsleitungen) bei obersten Landesbehör- aber deutlich häufiger kleinere Summen für ihre den 2015 zwischen 13 % in Thüringen und 35 % in Gründung ein als Männer. So benötigten fast drei Bremen; bei obersten Bundesbehörden betrug er Viertel aller Gründerinnen, die finanzielle Mittel ein- durchschnittlich 33 %. Im Bereich der Justiz besetz- setzten, weniger als 5.000 Euro für die Realisierung ten Frauen Leitungsfunktionen (ab Besoldungsgrup- ihrer Geschäftsidee. Unter den Gründern brauchten pe R 3) mit einem Anteil von 13 % in Baden-Württem- dagegen mehr als die Hälfte mehr als 5.000 Euro, berg bis 37 % in Berlin; Hochschulprofessuren waren etwa ein Viertel benötigte sogar mehr als 25.000 lediglich zu 22 % mit Frauen besetzt (BMFSFJ Euro. Nichtsdestotrotz sehen sich Gründerinnen 2016a: 14–25). genauso häufig wie Gründer mit Finanzierungs- schwierigkeiten konfrontiert: Im Jahre 2013 gaben Die Unterschiede in der Karriereentwicklung von 19 % der Frauen an, dass dies ein Stolperstein auf Frauen und Männern entstehen durch eine Viel- ihrem Weg in die Selbstständigkeit gewesen sei. Da- zahl von Einzelentscheidungen im Lebensverlauf. bei benannten unabhängig vom Geschlecht ca. 35 % Betriebliche Rahmenbedingungen, die eine Verein- der Befragten bürokratische Hürden und Verzögerun- barkeit von Karriere und Sorgearbeit erschweren, gen als größte Herausforderung bei einer Existenz- stellen dabei Barrieren für berufliche Karrieren Sor- gründung. Zwar haben Gründerinnen etwas häufiger gearbeitender dar; bei diesen handelt es sich über- Bedenken, dass ihre fachlichen und kaufmänni- wiegend um Frauen. Karrieren werden aber auch schen Fähigkeiten für die Selbstständigkeit nicht durch stereotype Rollenbilder in Unternehmen und aus­reichen. Doch sind sie mindestens genauso über- im öffentlichen Dienst beeinflusst, sowohl vonsei- zeugt davon, dass ihre Geschäftsidee weit genug aus- ten der Beschäftigten selbst als auch vonseiten der gereift ist, um erfolgreich zu sein (Abel-Koch 2014). Personalentscheiderinnen und Personalentscheider. So belegen Auswertungen von Beurteilungsrichtli- Zu beachten ist, dass Berufseinstiege und Tätigkeits- nien und -statistiken aus dem öffentlichen Dienst, wechsel im Laufe eines Lebens zunehmend häufiger dass die Verfahren und Kriterien zur Leistungsbeur- erfolgen. Auch „Erwerbshybridisierung“ (Bögen- teilung zum Teil nicht objektiv genug sind, um zu hold/Fachinger 2015: 208) findet statt; damit ist die verhindern, dass stereotype Annahmen – z. B. dass gleichzeitige Mehrfachbeschäftigung und Kombi- Männer entschlussfreudiger oder führungsgeeig- nation verschiedener Beschäftigungsarten gemeint. neter seien als Frauen – die Bewertung beeinflussen Manche pendeln auch als „Grenzgänger des Arbeits- (z. B. Jochmann-Döll/Tondorf 2013; Tondorf/Sauer markts“ (Fachinger 2014) zwischen abhängiger Be- 2015; genauer siehe C.I.3). schäftigung, Selbstständigkeit und Arbeitslosigkeit­ hin und her, ohne einer dieser Statusgruppen über In Bezug auf die berufliche Weiterbildung lässt sich einen längeren und stabilen Zeitraum hinweg feststellen, dass vollzeiterwerbstätige Männer und anzugehören. Dies betrifft Frauen und Männer Frauen zwar mit ähnlichen Raten teilnehmen. Aller- unterschiedlich. dings: Männer partizipieren stärker an betrieblicher Weiterbildung als Frauen und bekommen die Weiter- bildungsteilnahme häufiger von einem Arbeitgeber 2. Karriereentscheidungen und Berufsaufstieg finanziert. Bei Aufstiegsweiterbildungen wie etwa Meisterkursen ist der Männeranteil überdurchschnitt- Bereits der Erste Gleichstellungsbericht beschrieb, lich hoch, während Frauen überdurchschnittlich an welch unterschiedliche Verwirklichungschancen Anpassungsweiterbildungen teilnehmen. In der Kon- Frauen und Männer im Hinblick auf berufliche Kar- sequenz profitieren Männer, was das Einkommen rieren haben und dass die Aufstiegsmöglichkeiten angeht, deutlich stärker als Frauen von der Teilnah- von Frauen häufig durch sogenannte gläserne De- me an Weiterbildung (vgl. Käpplinger/Kubsch 2017; cken beschränkt sind (Bundesregierung 2011: 126ff.). genauer siehe C.II).

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Übergangsphasen und Entscheidungssituationen im Lebensverlauf I.2 29 Trans*Personen scheinen häufig unterhalb ihrer Qua- über ein Einkommen, das kaum zur materiellen lifikation zu arbeiten. Eine EU-weite Umfrage von Sicherung der eigenen Existenz und zur Absicherung 2012 stellte zudem fest, dass viele Befragte wegen ih- von Phasen der Einkommenslosigkeit ausreicht rer Transgeschlechtlichkeit am Arbeitsplatz negati- (Gather et al. 2017: 75). Auch wenn die materielle ven Kommentaren oder Verhaltensweisen ausgesetzt Situation im Kontext des Haushalts, in dem eine waren oder solche gegenüber Arbeitskolleginnen Frau lebt, zu betrachten ist, steht das gleichstellungs­ und Arbeitskollegen beobachteten, die als lesbisch, politische Ziel der eigenständigen Existenzsicherung schwul, bisexuell oder transsexuell/-gender wahrge- faktisch infrage (Gather et al. 2017: 95; siehe C.III). nommen wurden. Viele Trans*Menschen verstecken (immer oder häufig) aktiv ihre Transgeschlechtlich- keit im Arbeitskontext (ADS 2015: 21ff.). Auch die 3. Das Leben mit Kindern sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität sind in Deutschland nicht selten Grund für Diskrimi- Die Entscheidung für die Geburt oder die Aufnahme nierungserfahrungen (FRA 2014: 16ff.; ADS 2015: 16). eines Kindes in den Haushalt ist eine der wichtigsten Weichenstellungen für die weiteren Lebensverläufe Sowohl Frauen als auch Männer mit Migrationshin- von Männern und Frauen; sie bedeutet eine Entschei- tergrund arbeiten häufiger unfreiwillig in Teilzeit dung für ein mit anderen eng und in gegenseitiger als Frauen und Männer ohne Migrationshintergrund. Verantwortung verbundenes Leben (zum weiten Der Anteil der Beschäftigten mit sehr niedrigen Verständnis von Familie siehe A.II.2). Wochenarbeitszeiten ist bei Frauen mit Migrati- onshintergrund deutlich höher als bei Frauen ohne Ob und wann Menschen eine solche Entscheidung Migrationshintergrund. Ähnliches gilt für das Ein- treffen, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Ent- kommen. Rund die Hälfte der Frauen ohne deutsche wicklung Paare oder Individuen für sich erwarten. Staatsbürgerschaft bezog 2013 ein Bruttomonatsein- Eine befristete Beschäftigung beispielsweise wirkt kommen von unter 1.500 Euro. Die Einkommens­ sich hierbei für Frauen und für Männer unter- unterschiede zwischen Frauen und Männern sind schiedlich aus. 9 % aller abhängig Beschäftigten in bei Zuwanderinnen und Zuwanderern nach dem Deutschland hatten im Jahre 2015 einen befristeten Zuzug größer als vor dem Zuzug nach Deutschland Arbeitsvertrag (Frauen: 10 %, Männer: 9 %, Desta- (vgl. Pimminger 2015a: 23–28). tis 2016c). Im ersten Halbjahr 2012 waren 44 % der Neueinstellungen befristet (IAB 2013); besonders Barrieren und Hürden bei der beruflichen Entwick- häufig wird in Erziehung und Unterricht (76 %) lung unterscheiden sich auch in der selbstständigen und in der öffentlichen Verwaltung (60 %) befristet Erwerbstätigkeit nach Geschlecht. Die Einkommens- eingestellt, also in Branchen, in denen Frauen über- lücke zwischen Männern und Frauen in der berufli- durchschnittlich stark vertreten sind. Die Tatsache, chen Selbstständigkeit ist sogar wesentlich höher als dass damit vor allem junge Frauen mit unsicheren in der abhängigen Beschäftigung; selbst in Branchen, Beschäftigungsverhältnissen zu Beginn ihres Kar­ in denen weibliche Selbstständige stärker repräsen- rierestarts zu kämpfen haben, hat negative Folgen für tiert sind, verdienen selbstständige Männer mehr. die Familiengründung: Frauen, die mit einem befris- Der durchschnittliche Monatsumsatz von Männern, teten Vertrag in das Berufsleben einsteigen, neigen die sich im Vollerwerb selbstständig gemacht haben, dazu, die Geburt eines ersten Kindes aufzuschieben. lag 2013 bei knapp 18.000 Euro; bei den Frauen waren Hierdurch bekommen sie in den ersten zehn Jahren es nur 4.600 Euro. Zwar ist zu beachten, dass Frauen nach Eintritt in den Arbeitsmarkt insgesamt weniger im Vollerwerb weniger Zeit in ihre Selbstständigkeit Kinder als Frauen, die ihr Arbeitsleben mit einem un- investieren, seltener im Team gründen und weniger befristeten Vertrag beginnen. Besonders ausgeprägt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, was ist ein solches Muster bei Frauen mit mittlerem insbesondere mit dem Bildungsabschluss, dem Alter, beruflichen Qualifikationsgrad. Wenn der Mann der Nationalität, Kindern, den Gründungsmotiven von befristeter Beschäftigung betroffen ist, so hat sowie mit der Branche korreliert; jedoch zeigt sich dies auf die Familienplanung von Paaren keinen auch zwischen Vollerwerbsgründerinnen und Vol- statistisch signifikanten Einfluss (Auer/Danzer, im lerwerbsgründern ein substanzieller Unterschied in Erscheinen). den Monatsumsätzen, der sich in einer Größenord- nung von etwa 6.000 Euro bewegt. Gründerinnen Wie schon im Ersten Gleichstellungsbericht fest­ brechen ihre Projekte nicht häufiger ab als Gründer gestellt wurde, hat kaum eine Übergangsphase gravie- und sind im Hinblick auf das langfristige Überleben rendere gleichstellungspolitische Implikationen als ihres Vorhabens mindestens genauso erfolgreich. eine Geburt oder die Aufnahme eines Kindes in den Allerdings verfügen viele selbstständige Frauen Haushalt (siehe Bundesregierung 2011: 44). Zu diesem

30 Zeitpunkt nimmt die private Sorgearbeit im Haus- 4. Eintritt eines Pflegefalls in der Familie halt deutlich zu und die Arbeitsteilung in der Fami- lie muss neu ausgehandelt werden (siehe B.III.1). Im Wenn ein Pflegefall in der Familie eintritt, besteht Ergebnis reduzieren viele Frauen ihre Erwerbstätig- Unsicherheit, wie sich die Gesundheit des oder der keit auf Teilzeittätigkeiten, sobald Verantwortung für Betroffenen weiterentwickeln wird. Von den Ange- ein Kind übernommen werden muss. Am häufigsten hörigen sind schwierige Entscheidungen über die geschieht dies in Form einer 20-Stunden-Woche (siehe Betreuung und Pflege zu treffen. auch C.V). Die Analysen des Ersten Gleichstellungsberichts Dafür, wie die Sorgearbeit für Kinder in einer Fami- zeigen, dass nicht selten ein großer Teil der Pflege lie aufgeteilt wird, ist zunächst die Zeit unmittel- oder jedenfalls der häuslichen Betreuung informell bar nach Geburt oder Aufnahme des Kindes in die und unbezahlt geleistet wird, und zwar vor allem Familie von Bedeutung (vgl. C.V). 96 % der Mütter durch Familienangehörige. Von den im Dezember beantragten 2014 Elterngeld. Der Anteil der Väter, 2013 insgesamt 2,63 Millionen pflegebedürftigen die Elterngeld beantragten, ist deutlich geringer, Menschen in Deutschland wurden 71 % zu Hause nimmt jedoch kontinuierlich zu: von 20 % im Jahre gepflegt (Destatis 2015c: 7). Eine Rolle spielen 2008 auf ca. 25 % 2010 und 34 % 2014. 87 % der Müt- dabei Kostenaspekte: Wer es sich leisten kann, ter schöpften jedoch die maximale Bezugsdauer aus, nimmt mehr professionelle Pflege in Anspruch (Bun- während 79 % der Väter lediglich für zwei Monate desregierung 2011: 182f.). Der Anteil an Männern, Elterngeld beantragten. Vor der Familiengründung die in informelle Pflegearrangements eingebun- verteilen sich die Arbeitszeiten von Frauen und den sind, ist deutlich gestiegen; Männer unterstüt- Männern sehr ähnlich. Die Vollzeiterwerbstätigkeit zen nicht nur; sie machen heute mehr als ein Vier- ist dabei die am stärksten verbreitete Arbeitsform. tel der Hauptpflegepersonen aus – gegenüber dem Nach der Gründung einer Familie und dem Ende Anteil von einem Fünftel im Jahre 1998 (BMG 2011: 27; einer etwaigen Elternzeit ergibt sich ein anderes Bild; vgl. Bundesregierung 2011: 182ff.; DZA 2012: 3f.; zur dann herrscht in Westdeutschland das Arrangement Datenlage Langehennig 2012: 14ff.). Dennoch werden einer Zuverdiener-Familie vor (zum Zuverdiener- Angehörige nach wie vor ganz überwiegend haupt- Modell als sozialstaatliche Orientierung siehe B.IV). sächlich von Frauen gepflegt oder betreut – meist Während junge, kinderlose Paare sich noch über- durch Ehepartnerinnen, Töchter oder Schwieger- wiegend an egalitären Modellen der Arbeitsteilung töchter (Wetzstein et al. 2015: 3; vgl. Bundesregie- orientieren, erfolgt nach der Geburt oder Aufnahme rung 2016a: 212). Der Frauenanteil steigt dabei mit eines Kindes häufig eine „(Re-)Traditionalisierung“ dem Pflegeumfang (Wetzstein et al. 2015: 8; BAR- (Bundesregierung 2011: 188). Danach wird es immer MER GEK 2015: 199ff.). Die umfangreich pflegenden schwieriger, die Arbeitsteilung wieder zu verändern, Erwerbstätigen sind im Durchschnitt 50 Jahre alt nicht zuletzt aufgrund von „Gewöhnungsprozessen“ (Boll 2015: 1092). (Wanger/Bauer 2015: 6f.; genauer zu den Aushand- lungsprozessen in Paarbeziehungen siehe B.III.1). Unabhängig von der nach wie vor erheblichen Geschlechterdisparität ist die Anzahl der Pflegeper- Der Einschnitt der Familiengründung tritt im Er- sonen insgesamt gestiegen. Übernahmen im Jahre werbsverlauf von Müttern mit Migrationshinter- 2001 noch 3,8 % aller Männer informelle Pflege, grund sogar noch etwas stärker hervor: Ihre Erwerbs- waren es im Jahre 2013 4,9 %; bei den Frauen stieg der tätigenquote liegt deutlich unter jener von Müttern Anteil im selben Zeitraum von 6,2 % auf 7,2 % (BAR- ohne Migrationshintergrund. Der Abstand verrin- MER GEK 2015: 197). Ein zunehmender Anteil der gert sich jedoch mit steigendem Alter des jüngsten informell Pflegenden ist erwerbstätig: Im Jahre 2001 Kindes (Pimminger 2015a: 17). waren es noch 51 %, 2012 dann 66 % (Geyer/Schulz 2014: 294; vgl. auch Bestmann et al. 2014: 14; BMG Studien über gleichgeschlechtliche Paare legen nahe, 2011: 31). Auch der Anteil derjenigen, die zusätzlich dass die Arbeitsteilung in diesen Paarkonstellati- zur Pflege in Vollzeit erwerbstätig sind, ist gestiegen, onen egalitärer angelegt ist als in heterosexuellen und zwar von 31 % im Jahre 2001 auf 38 % im Jahre Konstellationen (Buschner 2014). Allerdings spielt in 2012 (Geyer/Schulz 2014: 297). Informell Pflegen- lesbischen Partnerschaften für die Arbeitsteilung eine de müssen also zunehmend Selbstsorge, Sorge für wichtige Rolle, wer die leibliche und wer die soziale andere und Erwerbsarbeit in alltagstauglicher Mutter des Kindes ist (Buschner 2015) – mit entspre- Weise ausbalancieren. Für viele stellt sich die Frage, chenden „traditionalisierenden“ Auswirkungen auf wie sich neben der informellen Sorge der Wunsch Erwerbstätigkeit, soziale Absicherung und eigenstän- nach Erwerbsarbeit erfüllen lässt, ohne dass es zu dige wirtschaftliche Sicherheit (Kruppa 2009: 144). Überlastungen­ kommt.

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Übergangsphasen und Entscheidungssituationen im Lebensverlauf I.4 31 5. Wiedereinstieg nach sorgebedingter Es spricht auch einiges dafür, dass gerade für Frauen Erwerbsunterbrechung der Schritt in die Selbstständigkeit eine Möglichkeit bietet, wieder in die Erwerbsarbeit einzusteigen und Eine weitere kritische Übergangsphase im Lebensver- dabei zeitlich flexibel sein zu können. Informelle lauf ist der Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit nach Verantwortlichkeit für familiäre Sorgearbeit scheint einer sorgebedingten Erwerbsunterbrechung. Bereits für Frauen nicht selten das Motiv für die Aufnahme der Erste Gleichstellungsbericht hat gezeigt, dass der einer selbstständigen Tätigkeit zu sein. Dafür spricht, Zeitpunkt nach dem Ende der Elternzeit eine sehr dass im Jahre 2013 fast die Hälfte aller Gründerinnen bedeutsame Schwelle in den Erwerbsarbeitsverläufen mindestens ein Kind hatte, während nur ein Drittel von Frauen ist (vgl. Bundesregierung 2011: 190ff.). Je der Gründer mit Kindern unter 18 Jahren in einem länger die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nach Haushalt lebten (Abel-Koch 2014: 1), und dass 34 % einer sorgearbeitsbedingten Erwerbsarbeitspause der Gründerinnen und sogar 43 % der Gründerinnen ist, desto schwieriger wird eine qualifikationsadä­ mit Kindern vor Eintritt in die Selbstständigkeit nicht quate und vollzeitnahe Rückkehr in den Beruf. erwerbstätig waren, während dies für nur 21 % der Dieser Zusammenhang, der etwa auf einem wachsen- Gründer zutraf (ebd.: 1f.). den Verlust an beruflich relevanten Qualifikationen, auf schwächer werdenden beruflichen Netzwerken und Kontakten zum alten beruflichen Umfeld, aber 6. Trennung oder Scheidung auch auf struktureller Diskriminierung beruhen kann, ist statistisch nachweisbar und beharrlich. Die Scheidung einer Ehe oder die Aufhebung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft hat für die be- Nach zwei Jahren Erwerbsunterbrechung sind nur troffenen Haushalte fundamentale wirtschaftliche 35 % der Mütter in Westdeutschland, aber bereits Folgen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sind die 55 % der Mütter in Ostdeutschland wieder erwerbstä- Geschiedenen auf eine eigenständige wirtschaftli- tig; nach drei Jahren sind es in Westdeutschland gut che Sicherung angewiesen. Je ungleicher die Rollen- die Hälfte, in Ostdeutschland zwei Drittel. Die Zah- verteilung innerhalb der Ehe oder Eingetragenen len für Mütter, die von Ostdeutschland nach West- Lebenspartnerschaft zuvor war, desto schwieriger deutschland umgezogen waren, liegen dazwischen wird die Bewältigung dieser Übergangssituation (Grunow/Müller 2012: 21). Mehr als die Hälfte der für die wirtschaftlich schwächere Partnerin bzw. Mütter geben an, dass sie gerne zu einem früheren den wirtschaftlich schwächeren Partner (Bröckel/ Zeitpunkt wieder in das Erwerbsleben zurückkehren Andreß 2015; Gärtner 2016). Unterhaltsansprüche würde (IGES 2014). Die Mehrheit der Wiedereinstei- schaffen hier seit der Unterhaltsrechtsreform von gerinnen und Wiedereinsteiger steigt aktuell nicht 2008 nur noch befristet und sehr begrenzt Ausgleich in Vollzeit ein, sondern in Teilzeit (Wanger 2015): (Lenze 2014). Im Jahre 2012 arbeiteten 70 % der Mütter mit Kin- dern unter drei Jahren auf Teilzeitbasis, dagegen Nicht nur wirtschaftliche Belastungen sind ein Prob- nur 20 % der Frauen ohne Kinder (Destatis 2013: lem. Zwar ist bei Scheidungen inzwischen das geteil- 42). Der Anteil der erwerbstätigen Mütter nimmt te Sorgerecht zum Regelfall geworden; bei 96 % der mit steigendem Alter des jüngsten Kindes deutlich Scheidungen im Jahre 2013, bei denen gemeinsame zu; erst ab dessen zwölften Lebensjahr sind Mütter minderjährige Kinder betroffen waren, verblieb das wieder genauso häufig erwerbstätig wie Frauen ohne Sorgerecht bei beiden Elternteilen (vgl. bpb et al. Kinder (BMFSFJ 2014b: 38). 30 % bis 40 % der Frauen, 2016: 51). Dies bringt aber die Notwendigkeit mit die mindestens drei Jahre pausiert haben, sind für den sich, neue und oft durchaus komplizierte Sorge­ Job, in den sie zurückkehren, formal überqualifiziert arrangements vereinbaren zu müssen. Die Aushand- (Boll 2015: 1092). lungsprozesse dazu sind häufig konfliktreich. Meist behalten oder erhalten die Kinder ihren Lebensmit- Der Wiedereinstieg scheint nicht selten ungeplant telpunkt bei der Mutter; darauf deutet jedenfalls zu erfolgen; häufig ist Anlass für eine Berufsrück- die Tatsache hin, dass 90 % der knapp 1,7 Millionen kehr der Wegfall von Unterstützung im Haushalt – Alleinerziehenden im Jahre 2014 Frauen waren. wie dies z. B. bei Trennung und Scheidung geschieht Seit 2004 ist der Anteil der alleinerziehenden Väter (Diener et al. 2013: 3; Diener et al. 2015: 16, 72). sogar leicht zurückgegangen (von 12 % im Jahre 2004 15 % der Wiedereinsteigerinnen sind alleiner­ auf 10 % im Jahre 2014, vgl. bpb 2016: 47). Die vor- ziehend und haben nach einer längeren Erwerbs­- herrschenden Sorgearrangements führen zu Nach- unterbrechung besondere Schwierigkeiten, eine teilen für Väter, für die es zum Teil schwer wird, adäqua­te und aus­kömmliche Beschäftigung zu fin- sich um ihre Kinder zu kümmern und ausreichend den (BMFSFJ 2010: 25, 28). Kontakt zu ihnen zu halten.

32 Die Zahlen über die finanzielle Situation alleinerzie- Pflegefachkräfte in der Alltagspraxis aufgrund von hender Mütter und Väter werfen ein Schlaglicht auf Zeitdruck und Ressourcenmangel nicht ihren eigenen die wirtschaftlichen Risiken, die mit Trennung oder fachlichen und ethischen Überzeugungen entspre- Scheidung verbunden sind. Alleinerziehende werden chend handeln können, gefährdet dies ihre Motiva­ häufig durch Trennung zu solchen (bpb 2016: 47). Im tion und damit den Verbleib im Beruf. Jahre 2014 lebten 36 % aller Alleinerziehenden von einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.300 Euro. Auch hier ist eine Geschlechterdif- 8. Berufsausstieg und Alterssicherung ferenz festzustellen: 21 % der alleinerziehenden Väter mit Kindern unter 18 Jahren lagen in diesem Einkom- Nimmt man die Leistungen der gesetzlichen, betrieb- mensbereich, aber 37 % der alleinerziehenden Mütter lichen und privaten Rentenversicherung zusammen, (bpb 2016: 53; siehe auch die Hinweise auf den hohen erhielten Frauen im Jahr 2015 im Durchschnitt eine Anteil an Grundsicherungsbezug: Bundesregierung um 53 % niedrigere eigene Rente als Männer. Die- 2011: 145). Das Risiko von Einkommensarmut bei Al- ser Gender Pension Gap (siehe auch B.II.4 und C.X) leinerziehenden hat sich seit 2005 nochmals um 6,6 % war in Westdeutschland mit 58 % 30 Prozentpunkte erhöht, während es bei Paaren um mehr als 11 % zu- größer als in Ostdeutschland (BMAS 2016). Der aktuelle rückgegangen ist (Stichnoth 2016); die Armutsrisiko- Gender Pension Gap verweist dabei nicht in ers- quote Alleinerziehender beträgt inzwischen fast das ter Linie auf heutige Verhältnisse, sondern auf die Dreifache der Gesamtbevölkerung (Hauser 2015: 200; unterschiedlichen Erwerbsverläufe und Geschlech- zu den sozialrechtlichen Barrieren, neue Beziehungen terarrangements von Frauen und Männern in den einzugehen, durch Regelungen zur Bedarfsgemein- vergangenen Jahrzehnten. So spiegelt der kleinere schaft im SGB II siehe Bundesregierung 2011: 62, 73). Gender Pension Gap in Ostdeutschland die stärkere Erwerbstätigkeit von Frauen in der DDR wider.

7. Pflegebedürftigkeit Im Gender Pension Gap drücken sich nicht nur nied- rigere Ansprüche an die gesetzliche Rente aus. In ihm Pflegebedürftigkeit ist eine große Herausforderung spiegelt sich auch, dass Frauen seltener Zugang zu im Lebensverlauf. Die Pflegebedürftigen müssen Betriebsrenten haben als Männer. Zudem erwerben einen Umgang mit neu entstehenden Abhängig- sie, wo sie Zugang haben, damit im Durchschnitt keiten finden, dem Verlust von Fähigkeiten und niedrigere Ansprüche. Schließlich haben Frauen der Veränderung der eigenen Lebensführung. In seltener – und gegebenenfalls geringere – Altersein- dieser schwierigen Situation müssen Pflegebedürftige künfte aus der privaten Vorsorge, selbst wenn sie im darauf vertrauen können, auf eine qualitativ hoch- Rahmen der Riester-Förderung in höherem Maße von wertige professionelle Pflege und eine verlässliche den Zu­lagen für Kinder profitieren. Die zweite Säule Infrastruktur zurückgreifen zu können. Dies ist auch (betriebliche Alterssicherungssysteme) und dritte für Angehörige und andere informell Pflegende wich- Säule (private Vorsorge) der Alterssicherung tragen tig, um sich z. B. koordinierend in die Betreuungsar- somit nicht zur Verringerung des Gender Pension Gaps rangements einbringen zu können. bei, sondern vergrößern ihn weiter.

Bedürfnisgerechte Pflege beinhaltet die Berücksichti- Rentnerinnen und Rentner mit Migrationshinter- gung von Geschlechteraspekten. Genderkompetenz grund sind von Armutsrisiken besonders betroffen, in der Pflege ist jedoch nicht besonders gut entwickelt; da sie durchschnittlich geringere Rentenansprüche dies gilt auch für interkulturelle Kompetenz sowie Di- aufgebaut haben als Personen ohne Migrations­ versitätskompetenz, also beispielsweise Sensibilität hintergrund (Brettschneider/Klammer 2016). Der für lesbische, schwule, bisexuelle, Trans*-, Inter*- und Unterschied zeigt sich allerdings insbesondere queere (LSBTIQ*) Pflegebedürftige. Die Ausbildungs- bei Männern; bei Frauen mit und ohne Migrations- curricula für die Pflege bilden diesbezüglich bislang hintergrund sind die Rentenanwartschaften ähnlich einen Flickenteppich. In den derzeitigen Debatten gering, insbesondere in Westdeutschland (Frick et um die Reform der Pflegeberufe werden Geschlechter­ al. 2009: 132f.). aspekte bislang kaum thematisiert.

Zudem benötigt der Wunsch der Pflegebedürftigen, würdevoll und unter Berücksichtigung der eigenen Identität und geschlechtsbezogener Bedürfnisse gepflegt zu werden, angemessene Rahmenbedingun- gen, etwa was die Personalbemessung angeht. Wenn

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Übergangsphasen und Entscheidungssituationen im Lebensverlauf I.7 33 B.II.Gleichstellungsorientierung erfahrungen als solche die Ungleichheiten zu ver- in der Erwerbs- und Sorgearbeit stärken: Bei Personen mit Migrationserfahrung ist die Geschlechterdifferenz in der Erwerbsbeteiligung nach dem Zuzug nach Deutschland größer als vorher. Am In vielen der aufgezeigten Übergangsphasen stehen größten ist sie mit 18 Prozentpunkten bei Personen die Menschen vor der Herausforderung, Erwerbs­ mit Universitätsabschluss (ebd.). leben und Familienleben aufeinander abzustimmen und miteinander zu vereinbaren. Dies gelingt oder Die Erhöhung der Erwerbstätigenquote von Frauen, misslingt Frauen und Männern jedoch auf ganz un- wie sie in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat, terschiedliche Weise, was insbesondere mit der gesell- geht vor allem auf einen Anstieg der Teilzeitbeschäf- schaftlich geschlechterstereotypen Zuweisung von tigung zurück (Bundesregierung 2011: 111f.). 45 % Sorgearbeit an Frauen zu tun hat. Gleichstellungs­ der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen barrieren ergeben sich dabei aus der Art und Weise, waren 2014 in Teilzeit tätig; bei den Männern betrug wie Erwerbsarbeit und Sorgearbeit gesellschaftlich auf der Anteil lediglich 9 % (BMFSFJ 2016a: 54f.). In der der Basis geschlechtsstereotyper Arbeitsteilung organi- Altersgruppe von 30 bis unter 55 Jahren hatten 16,5 % siert sind: Sorgearbeit wird vor allem Frauen und Ein- der Frauen einen Minijob, wobei der Anteil in den neu- kommenserzielung vor allem Männern zugewiesen. en Bundesländern durchweg unter 10 % lag (in Nie- dersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland hingegen betrug der Anteil über 20 %). Das heißt: Auch 1. Organisation der Erwerbsarbeit wenn der Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen gestiegen ist, ist ihr Anteil am Erwerbsarbeitsvolumen Die geschlechterstereotype Verteilung von Erwerbs- nicht gleichermaßen gewachsen (knapp 41 % im Jahre arbeit zeigt sich zunächst an den unterschiedlichen 2014, vgl. auch Agentur für Querschnittsziele 2016). Raten abhängiger und selbstständiger Beschäftigung, Erwerbsarbeit ist maßgeblich für die wirtschaftliche Das gesetzliche Rentenversicherungssystem knüpft Eigenständigkeit und Grundlage der wirtschaftlichen in Deutschland trotz einiger Ausgleichstatbestän- Existenzsicherung jeder Person. Sie ist in Deutschland de, die z. B. den Bereich der Kindererziehung betref- immer noch ganz entscheidend auch vom Geschlecht fen, am Prinzip der beitragsbezogenen Rente und abhängig; hier hat sich seit dem Ersten Gleichstellungs- damit am Lebenserwerbsverlauf an. Deshalb hat die bericht nichts Wesentliches geändert: 53 % der Frau- Erwerbsbeteiligung gravierende Auswirkungen auf en im Alter von 15 bis unter 65 Jahren waren 2014 in die eigenständige Alterssicherung; dies wurde bereits Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt; im Ersten Gleichstellungsbericht ausgeführt (siehe bei den Männern waren es 59 % (Beschäftigtenquote, B.I.8). In den niedrigen eigenständigen Rentenan- BMFSFJ 2016a: 54f.). Rechnet man geringfügig Beschäf- wartschaften von Frauen in Deutschland spiegeln tigte (in sogenannten Minijobs), Beamtinnen und sich gleichzeitig und kumulativ niedrige Erwerbs- Beamte sowie Selbstständige ein, lag die Erwerbstä- beteiligung, hohe Teilzeitraten, niedrige Entgelte, tigenquote bei Frauen bei 73 % und bei Männern bei häufige und längere Erwerbsunterbrechungen sowie 82 % (Destatis 2016c). In Westdeutschland lag die die Beschäftigung in den nicht sozialversicherungs- Erwerbstätigenquote von Frauen im Jahre 1991 bei pflichtigen Minijobs (Klenner et al. 2016: 1). Kom- 54,6 %, bis 2012 stieg sie auf 67,5 %. In Ostdeutschland pensierende Elemente wie die Mütterrenten gleichen ging die Erwerbstätigenquote von Frauen kurz nach der die erwerbsbiografisch bedingten Einkommensein- Wiedervereinigung deutlich zurück, 2012 lag sie mit bußen im Alter nicht annähernd aus (Möhring 2014). 69,1 % leicht über der im Westen (Holst/Wieber 2014). Für die Personen, die zwischen 1956 und 1965 geboren wurden, wird sich der Abstand zwischen Die Erwerbsbeteiligung von Frauen (Erwerbsquo- Frauen- und Männerrenten im Westen nur leicht, im te) liegt in Gesamtdeutschland noch rund 10 % un- Osten allerdings stark verringern. In beiden Fällen ter derjenigen der Männer (Pimminger 2015a: 15ff.). geht dieses Ergebnis jedoch auf geringer ausfallende Bei den Personen mit Migrationshintergrund ist der Rentenanwartschaften von Männern und nicht auf Geschlechterunterschied in der Erwerbsbeteiligung steigende Anwartschaften von Frauen zurück. Frau- noch stärker ausgeprägt. Das dürfte zunächst mit der en in Ostdeutschland werden auch in diesen Alters- Qualifikationsstruktur zusammenhängen: Der Anteil kohorten höhere eigenständige Renten als Frauen in Geringqualifizierter ist in dieser Bevölkerungs­gruppe Westdeutschland erzielen. besonders hoch (bei Geringqualifizierten ist der Ge- schlechterunterschied in der Erwerbsbeteiligung Die Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung haben auch in anderen Bevölkerungsgruppen besonders darüber hinaus gravierende Auswirkungen auf die be- ausgeprägt). Darüber hinaus scheinen Migrations­ rufliche Entwicklung. So baut sich die Verdienstlücke

34 (Gender Pay Gap, siehe auch B.II.4) zwischen weibli- andererseits aber auch die Gefahr, dass Vereinbar- chen und männlichen Beschäftigten „in einem Prozess keitsfragen unsichtbar werden und dass diejenigen, sich wechselseitig verstärkender Effekte“ (Boll 2015: die Verantwortung für unbezahlte Sorgearbeit tragen, 1089) über den Erwerbsverlauf hinweg auf. Eine zent- durch entgrenzte Arbeit überfordert werden. Durch rale Rolle spielen auch hier Erwerbsunterbrechungen die zunehmende auch berufliche Bedeutung der so­ und Teilzeitbeschäftigung, die vertikale und horizon- zialen Medien als Sichtbarkeitsräume für Beschäftigte tale Segregation der Arbeitsmärkte, also die Tatsache, und als Medien für die persönliche Profilierung erhält dass Frauen und Männer in unterschiedlichen Bran- „Präsenzkultur“ eine neue Dimension. Selbst wenn chen tätig sind, und dass Frauen schlechtere Zugangs- physische Präsenz weiterhin wichtig bleibt, ändert chancen zu Karrieren und Führungspositionen haben. sich durch diese Kommunikationsformen die Zusam- Zudem arbeiten Frauen häufiger als Männer in kleine- menarbeit (vgl. ausführlich D.I). ren Betrieben (siehe Boll 2015: 1089). Die Digitalisierung verändert auch Formen der Soweit Betriebe familienfreundliche Leistungen an- Arbeitsteilung. So werden unter dem Begriff „Platt- bieten, sind diese oft wenig formalisiert, sodass die formisierung“ nicht nur neue Organisationsformen Verhandlungslast auf den Arbeitnehmerinnen und von Verbrauchermärkten (z. B. beim Buchhandel oder Arbeitnehmern liegt. Familienfreundliche Leistun- bei der Vermittlung von Ferienwohnungen), sondern gen und Arbeitszeiten richten sich zudem häufig ebenso neue Formen der Arbeitsteilung und Arbeitsor- implizit nur an Frauen und ihre Nutzung wird in der ganisation diskutiert. Durch die Bedeutungszunahme betrieblichen Organisationskultur nicht selten als von Plattformen als Vermittlerinnen für Dienstleis- Desinteresse an einem beruflichen Aufstieg verstan- tungsarbeit verschieben sich Unternehmensrisiken den (vgl. Bernhardt 2015: 1085ff.). hin zu den soloselbstständig Beschäftigten. Gleich- zeitig können Formen der Entbetrieblichung von All dies ist Ausdruck dessen, dass die Erwerbsarbeit Erwerbsarbeit aber neue Zugänge für Personengrup- in Deutschland nach wie vor so organisiert ist, dass pen schaffen, die bisher in der Erwerbsarbeit wenig sie von einem Idealbild des in Vollzeit erwerbstätigen Raum fanden, etwa Alleinerziehende, Frauen mit Arbeitnehmers geprägt ist, dessen Verfügbarkeit für Migrationshintergrund oder Menschen mit Behinde- den Beruf nicht durch Verantwortlichkeiten in der rung (Weltbank 2015). Hier könnten allerdings auch Sorgearbeit beschränkt ist. Arbeitgeber bieten plan- prekäre Arbeitsmärkte entstehen; Gewalt in Form von bare flexible Arbeitszeiten, die von Beschäftigten mit Cyber Harassment kann zu neuen Ausgrenzungen Familienpflichten oft gewünscht werden, nicht ent- führen (vgl. EU Parl 2016; siehe auch D.I.3). sprechend der Nachfrage an (Klenner/Schmidt 2007: 494; Schilling 2008: 51). Das stereotype Bild einer „Führungspersönlichkeit“ erscheint weithin nicht 2. Organisation der Sorgearbeit mit Teilzeitarbeit und Erwerbsunterbrechungen vereinbar. Im öffentlichen Dienst zeigt sich dies Vereinbarkeitssorgen und Diskriminierungsgefahren teils sogar explizit in Personalbeurteilungen (siehe haben nicht nur mit der Organisation der Erwerbs- C.I.3.d). Diese Arbeits-, Führungs- und Organisati- arbeit zu tun, sondern rühren auch von der gesell- onskulturen bringen Nachteile für alle Personen mit schaftlichen Organisation der Sorgearbeit her. Die sich, die sich nicht ausschließlich der Erwerbsarbeit Sachverständigenkommission verwendet den Begriff widmen. Dies betrifft auch Männer, die aktive Väter „Sorgearbeit“ (auf Englisch „care“ bzw. „care work“) als sind oder pflegebedürftige Angehörige betreuen. Begriffsrahmen für alle Sorgetätigkeiten, unabhängig von Gegenstand und Art der Sorge und unabhängig Ob die Digitalisierung als wichtige Treiberin von Ver- von der Organisationsform (unbezahlt/bezahlt, infor- änderungen auf dem Arbeitsmarkt hier Änderungen mell/formell, privat/professionell, Ehrenamt/Erwerbs- bringen kann, scheint aktuell noch offen. Die Digita- arbeit). Care bzw. Sorgearbeit „umfasst Tätigkeiten der lisierung der Arbeit hat viele Facetten: Sie verändert Pflege, Zuwendung, Versorgung für sich und ande- Tätigkeiten, die Arbeitsorganisation, die Arbeitskräf- re“ (Rudolph 2015: 105; zur internationalen Debatte tenachfrage, Unternehmensstrukturen und die (inter- vgl. Scheele 2017: 6ff.). nationale) Arbeitsteilung. Durch den technologischen Umbruch werden (Zugangs-)Chancen und berufli- Das Nachdenken über die Organisation von Sorgear- che Entwicklungsmöglichkeiten neu verteilt – mit beit ist für die Geschlechtergleichstellung von gro- derzeit noch nicht überschaubaren Auswirkungen ßer Bedeutung, denn Sorgearbeit ist „auf das engste auf die Geschlechterverhältnisse. Die Möglichkei- verflochten mit der gesellschaftlichen Geschlech- ten zeit- und raumungebundenen Arbeitens bieten terordnung“ (Beckmann 2016: 3). Dies lässt sich einerseits neue Vereinbarkeitsmöglichkeiten, bergen geschichtlich anhand der Entstehung einer verge-

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Gleichstellungsorientierung in der Erwerbs- und Sorgearbeit II.2 35 schlechtlichten Sphärentrennung zwischen privat mobil als Männer; zudem machen sich auch bei der und öffentlich nachzeichnen und zeigt sich struk­ Verfügbarkeit und der Nutzung eines PKW Ge- turell an den vergeschlechtlichten Leitbildern männ- schlechterdifferenzen bemerkbar (Bundesregierung lich konnotierter Autonomie und weiblich konno- 2016a: 234). Dies könnte einer der Gründe dafür sein, tierter Fürsorglichkeit (vgl. Beckmann 2016: 6ff.). Die dass der Gender Pay Gap in ländlichen Regionen in Vergeschlechtlichung von Sorgearbeit lässt sich auch Westdeutschland etwa 10 % höher als in Metropol- empirisch an der Lebenswirklichkeit der Gegenwart Regionen ist (vgl. auch Hirsch et al. 2013). ablesen. Die auf den ersten Blick sehr unterschied- lichen Tätigkeiten der Sorge für Kinder, der Sorge Die Auswirkungen der Art und Weise, wie Sorgearbeit für pflegebedürftige Personen und der haushaltsna- gesellschaftlich organisiert ist, auf die Erwerbsbetei- hen Dienstleistungen sind ähnlichen Mechanismen ligung von Frauen werden seit langem thematisiert. unterworfen: beispielsweise einer Geschichte der Dabei sollte nicht aus dem Blick geraten, dass die Delegation an Frauen, der Unsichtbarkeit und der Organisation von Sorgearbeit das gesamte Leben Abwertung. Der Begriff der „Sorgearbeit“ bietet eine gravierend beeinflusst. Da die Rahmenbedingungen Chance, Sichtbarkeit zu schaffen und der Abwertung in der Erwerbsarbeit durch individuelle Haushalte entgegenzuwirken. kaum zu beeinflussen sind, droht das Beziehungs- und Familienleben von den Einseitigkeiten der Erwerbs­ Die Organisation der Erwerbsarbeit führt dazu, dass arbeit dominiert zu werden. diejenigen, die Sorgearbeit übernehmen, ein Verein- barkeitsproblem haben. Dies gilt zunehmend auch für Väter, insbesondere wenn sie das Sorgerecht 3. Sorgearbeit als Beruf: die SAHGE-Berufe nach einer Scheidung mit der Mutter teilen (Henry- Hutmacher/Schmitz 2010). Auch Großeltern werden Dass die Herkunft der sozialen, personenbezogenen in arbeitsteilige Arrangements einbezogen und und haushaltsnahen Dienstleistungen in der infor- betreuen zunehmend Enkelkinder, während sie gleich- mellen Sorgearbeit liegt, ist mitverantwortlich dafür, zeitig erwerbstätig sind (DZA 2016: 14). Die Haupt- dass Tätigkeiten in den SAHGE-Berufen historisch last der unbezahlten Sorgearbeit für Kinder verbleibt nicht wie andere Berufe professionalisiert wurden. allerdings aktuell immer noch bei den Müttern. Die Da die Sorgearbeit gesellschaftlich traditionell Frau- Erwerbstätigenquote bei Vätern mit Kindern unter en zugewiesen ist, wurden in Deutschland auch die drei Jahren liegt bei 82 %; diejenige der Mütter mit entsprechenden Berufe historisch explizit als „Frauen- Kindern unter drei Jahren hingegen bei nur 32 %. Hier berufe“ institutionalisiert. Im Jahre 2015 waren 87 % bestehen große regionale Unterschiede: von 27 % in der in Pflegediensten und 85 % der in Pflegeheimen Nordrhein-Westfalen bis zu 44 % in Mecklenburg- Beschäftigten Frauen (Destatis 2015c: 10, 19). Ähnlich Vorpommern und Brandenburg (BMFSFJ 2016a: 60f.). sieht es in der Kindererziehung und -betreuung aus Nicht nur die informelle Sorge für Kinder (Betreuung (BMFSFJ 2016a: 80). und Erziehung) wird überwiegend von Müttern geleis- tet; es sind auch überwiegend Frauen, die Angehörige Für die alternde Gesellschaft steht der Ausbau perso- informell pflegen. Frauen, deren Biografien bereits nenbezogener Dienstleistungen in hoher Qualität längere Erwerbsunterbrechungen aufweisen, sind dringend an. Nach aktuellen Arbeitsmarktprognosen häufiger auch diejenigen, die im Pflegefall ihre Er- wird die Gesamtheit der Tätigkeiten in Bildung und werbstätigkeit erneut aufgeben oder darauf verzichten, Erziehung, in den Gesundheits und Sozialberufen wieder in den Beruf zurückzukehren (Boll 2015: 1092). sowie in der Körperpflege bis 2030 den mit Abstand größten Berufsbereich ausmachen, der ein Viertel bis Auch Tätigkeiten wie die alltägliche Arbeit im Haus- ein Drittel der Erwerbstätigen erfassen soll (Baethge/ halt, werfen Fragen der Vereinbarkeit auf. In einer im Baethge-Kinsky 2017: 17f.). Für über ein Drittel der Jahre 2015 in Nordrhein-Westfalen durchgeführten SAHGE-Berufe besteht bereits erhöhter Fachkräfte­ Befragung von Berufstägigen mit Sorgeverantwortung bedarf (Bußmann 2015). nannten diese die Belastung durch den Haushalt als zweitwichtigsten Grund dafür, nicht genügend Zeit Die in diesen Berufen geleistete Arbeit wird bis heute für Familie zu haben (MFKJKS NRW 2015: 175). gering bewertet und entgolten. Während die monat- lichen Bruttoverdienste vollzeitbeschäftigter Fach­ Insbesondere im ländlichen Raum sind darüber hi- kräfte bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen und naus die Mobilitätsanforderungen, die mit Sorgear- Kraftfahrzeugteilen 2009 im Durchschnitt bei 3.187 beit verbunden sind, nicht zu unterschätzen (vgl. Euro lagen, verdienten vollzeitbeschäftigte Fachkräfte Rüger/Becker 2011). Frauen sind dort nicht zuletzt in Dienstleistungsbereichen personaler Versorgung wegen ihres höheren Anteils an Sorgearbeit weniger (z. B. in Kindertageseinrichtungen, Grundschulen

36 und Pflegeeinrichtungen) monatlich zwischen 517 (EIGE) veröffentlicht, liegt Europa aktuell – auf einer Euro und 1.278 Euro weniger (Roloff 2011); erhebliche Skala von 1 (keine Gleichstellung der Geschlechter) Verdienstdifferenzen bestehen gerade auch zwischen bis 100 (völlige Gleichstellung der Geschlechter) – bei als gleichwertig einzuschätzenden Berufen (Lillemei- einem Wert von 52,9; für Deutschland beträgt der Wert er 2016: 20ff.). Nach einer Prognose aus dem Jahre 55,3 (EIGE 2015: 24). Beim Gender Equality Index 2015 könnte es bis 2020 zu einer weiteren Spreizung werden die Bereiche Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht dieser Lohnschere kommen: Danach steigen in der und Gesundheit anhand verschiedener Einzelindika- Chemie-, Auto- und Elektroindustrie die durchschnitt- toren einbezogen. lichen Bruttostundenlöhne von 2012 bis 2020 um rund sechs Euro; für das Gastgewerbe, die Tätigkeiten b. Gender Pay Gap in privaten Haushalten sowie den Bereichen Erzie- hung, Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen wird Der bekannteste Gleichstellungs-Indikator ist sicher- dagegen nur mit einem Anstieg um 1,10 bis 1,50 Euro lich die Entgeltlücke bzw. der Gender Pay Gap, der gerechnet (Böhmer/Weisser 2015). Die geschlechter- auch in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregie- hierarchische Bewertung von Tätigkeiten beschränkt rung als zentraler Indikator für Geschlechtergleich- sich im Übrigen nicht nur auf die Ebene der Berufe. stellung dient (Bundesregierung 2016b: 102). Er gibt Sie lässt sich auch auf der tariflichen und betrieb- an, um wieviel Prozent der durchschnittliche Brutto- lichen Ebene beobachten, wo z. B. psychosoziale stundenverdienst der erwerbstätigen Frauen niedriger Fäh­ igkeiten­ geringer als technische bewertet werden ist als der durchschnittliche Bruttostundenverdienst (Bundesregierung 2002: 163ff.; Hinz/Gartner 2005). der erwerbstätigen Männer. Seit dem Ersten Gleich- stellungsbericht hat sich an der Lohnlücke nichts Die Gleichstellungsprobleme bei der Vereinbarung Wesentliches geändert: Im Jahre 2015 betrug sie in von Erwerbs- und Sorgearbeit verschärfen sich an der Deutschland 21 %, mit weiterhin deutlichen Unter- Schnittstelle von privat organisierter und beruflich schieden zwischen den alten Bundesländern (mit prekär organisierter Sorgearbeit. Bei der Organisation Berlin) mit 23 % und den neuen Bundesländern der privaten Haushaltsarbeit geht dies z. B. zulasten mit 8 % (Destatis 2016b). Der Gender Pay Gap ist zu prekär Beschäftigter, insbesondere von Migrantinnen. Beginn der Erwerbsbiografien statistisch relativ klein, Schätzungen zufolge beschäftigen 3,6 Millionen Haus- steigt dann sehr stark an und wird im Folgenden auch halte in Deutschland Haushaltshilfen; darunter sind nicht wieder geringer (BMFSFJ 2015: 20). mindestens 2,6 Millionen Fälle irregulärer Beschäf- tigung ohne jeden sozialversicherungsrechtlichen Die sogenannte Bereinigung der Entgeltlücke ist ein Schutz (Enste 2016). Auch professionelle Sorgearbeit Versuch einer rein statistischen Erklärung von Ent- für ältere Menschen wird in Form häuslicher Betreu- geltunterschieden. Die bereinigte Entgeltlücke misst ung und Pflege zum Teil von – häufig zugewanderten – den Abstand der durchschnittlichen Bruttostunden- Frauen geleistet, und zwar sowohl stundenweise als löhne von Frauen und Männern, der verbleibt, wenn auch in Live-in-Konstellationen; die 24-Stunden-Verträ- man den Einfluss persönlicher Merkmale he­raus­- ge bei letztgenannten bedeuten besonders belastende rechnet, die das Niveau der Bruttostundenlöhne Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten (siehe C.VII). systematisch beeinflussen. Das Statistische Bundes- amt verwendet für diese Bereinigung 15 lohnrele- vante Merkmale, darunter das Ausbildungsniveau, 4. Indikatoren für Ungleichheit die Berufserfahrung, das Dienstalter, die Berufsgrup- pe, den Beschäftigungsumfang, die Tarifbindung des Ergebnis der gesellschaftlichen Organisation von Arbeitgebers, die Unternehmensgröße, den Einfluss Erwerbs- und Sorgearbeit ist, dass die wirtschaftliche der öffentlichen Hand auf die Unternehmensfüh- und soziale Lage von Menschen stark vom Geschlecht rung, den Wirtschaftszweig und die Art des Wohn- abhängt. Der Grad der Ungleichheit lässt sich in stark orts (Ballungsraum oder nicht). Bezöge man Erwerbs- verdichteten statistischen Kennziffern abbilden. Es unterbrechungen und andere erwerbsbiografische gibt inzwischen eine ganze Reihe dieser Indikatoren Merkmale ein, ließe sich ein noch größerer Anteil für den Stand der Gleichstellung, die im Folgenden nä- des Entgeltabstands zwischen Frauen und Männern her betrachtet werden. „erklären“ (vgl. Boll 2015: 1089f.). Wenn allerdings behauptet wird, Diskriminierung könne allenfalls a. Gender Equality Index für die unerklärte „bereinigte“ Entgeltdifferenz verantwortlich sein, werden Statistik und Recht Dass Gleichstellung noch nicht verwirklicht ist, unzulässig miteinander vermengt. Denn ein statis- gilt in ganz Europa. Nach dem Gender Equality In- tischer Unterschied zwischen den Durchschnitts- dex, den das Europäische Gleichstellungsinstitut verdiensten der Geschlechter sagt nichts über das

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Gleichstellungsorientierung in der Erwerbs- und Sorgearbeit II.4 37 Ausmaß geschlechtsbezogener Diskriminierung arbeitsbedingter Erwerbsarbeitsunterbrechungen) im Einzelfall aus (siehe A.3.a). Außerdem und viel die Einkommensdifferenz noch einmal erheblich wichtiger: Die für die Bereinigung herangezoge- höher ist, als es die Differenz der Bruttostundenlöhne nen Merkmale reflektieren strukturelle Ungleich­ (Gender Pay Gap) oder die Differenz der monatlichen behandlungen auf den Arbeitsmärkten und können Bruttoeinkommen (Gender Overall Earnings Gap) sie deshalb weder rechtfertigen noch legitimieren anzeigen. Der Rückstand von Frauen gegenüber Män- (ebd.: 1090). Zum Teil weisen die zur Bereinigung nern im Gesamteinkommen des Lebensverlaufs ist verwendeten Merkmale sogar direkt auf Entgelt­ am unteren Ende der Verteilung der Lebenserwerbs- diskriminierung hin. So wird ein geringeres Stunden- einkommen am höchsten und nimmt mit steigendem entgelt von Teilzeitbeschäftigten oder von Personen Lebenserwerbseinkommen ab: Für die untersten 5 % mit Erwerbsunterbrechungen in der Regel gegen das Frauen und Männer mit dem niedrigsten Lebenser- Verbot der mittelbaren Diskriminierung verstoßen werbseinkommen liegt die Lücke bei 69 %, für die (§ 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). 5 % mit dem höchsten Lebenserwerbseinkommen bei 34 % (siehe genauer C.I.2). Die Erklärungen des Gender Pay Gap durch struk- turelle Merkmale machen also deutlich: Ungleiche d. Gender Pension Gap Zugangs- und Realisierungschancen von Erwerbs- einkommen für Frauen und Männer sind hartnäckig, Ein guter Indikator für die ungleiche gesellschaftli- widerständig, dauerhaft – und haben langfristige che und wirtschaftliche Bewertung der Leistungen Konsequenzen. Daher sind Politik und Gesetzgeber von Frauen und Männern über den Lebensverlauf gefordert, institutionalisierte Rahmenbedingungen hinweg ist der Gender Pension Gap (BMFSFJ 2011: 9; und Anreize, die zur Entgeltungleichheit zwischen Frommert et al. 2013). Demnach bezogen Frauen im Frauen und Männern beitragen, zu verändern und Jahre 2015 in Deutschland um 53 % geringere eigene Anreize anders zu setzen. Alterssicherungsleistungen als Männer (siehe B.I.8 und C.X; BMAS 2016). Die große Rentenlücke wird Ein Instrument, das die Entgeltlücke beeinflussen auch im europäischen Vergleich deutlich. Der „Gen- könnte, ist der Mindestlohn. Im Ersten Gleichstel- der Gap in Pensions in the EU“ der EIGE (2015), der lungsbericht wurde auf Erfahrungen aus Großbri- auf einer anderen Datenbasis beruht, betrug 2012 im tannien verwiesen, wo sich kurz nach seiner Einfüh- europäischen Durchschnitt 38 %, für Deutschland rung der Entgeltunterschied zwischen Männern und dagegen 45 %. Dies war der schlechteste Wert unter Frauen um einen Prozentpunkt verringerte (vgl. Bun- allen berücksichtigten EU-Ländern. desregierung 2011: 157). Seit 2015 gilt in Deutsch- land ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde (ab Januar 2017: 8,84 Euro). Eine Simulati- 5. Ein Indikator für Ungleichheit in der Sorgearbeit: onsstudie kam zu dem Ergebnis, dass eine Erhöhung Der Gender Care Gap der Bruttostundenlöhne auf 8,50 Euro den Gender Pay Gap bei konstant gehaltener Beschäftigung um Die Ungleichheit in wirtschaftlicher Hinsicht steht 2,5 Prozentpunkte reduzieren könnte (vgl. Boll et al. in engem Zusammenhang damit, wie Frauen und 2015: 29). In den neuen Bundesländern sank der Gen- Männer in Deutschland ihre Zeit verwenden. der Pay Gap von 2014 zu 2015 von 9 % auf 8 % (vgl. Destatis 2016b). Ob sich diese Verbesserung durch a. Gender Time Gap die Einführung des Mindestlohns verursacht wurde, ist allerdings empirisch noch nicht gesichert. Der Gender Time Gap, der sich auf die wöchent- liche Erwerbsarbeitszeit bezieht, macht die un- c. Gender Lifetime Earnings Gap terschiedliche Zeitverwendung von Frauen und Männer zum Teil sichtbar. Im Durchschnitt betrug Im Jahre 2016 wurde mit dem Gender Lifetime der Unterschied zwischen den üblichen wöchentli- Earnings Gap erstmals berechnet, wie sich die chen Erwerbsarbeitszeiten abhängig beschäftigter Gesamterwerbseinkommen im Lebensverlauf bei Frauen und Männer im Jahre 2015 in Deutschland Frauen und Männern unterscheiden. Dieser Wert be- 8,2 Stunden (21 %). Dieser Wert lag deutlich über trägt in Deutschland im Durchschnitt 48,8 % (BMFSFJ dem EU-28-Schnitt von 5,8 Stunden (IAQ 2016, 2016c). Damit liegt er über dem europäischen Durch- Datenquelle European Labour Force). Wenn man schnitt, der im Jahre 2010 41,4 % betrug. Er zeigt an, bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammennimmt, dass bei Berücksichtigung der geringeren Arbeitsvolu­ arbeiten Frauen über 18 Jahre mehr als Männer, mina von Frauen (aufgrund Teilzeitarbeit) und deren nämlich durchschnittlich 45,5 Stunden pro Woche geringerer Erwerbstätigenquote (aufgrund sorge­ (davon etwa 16 Stunden Erwerbsarbeit), während

38 Männer im Schnitt auf 44,5 Stunden kommen Im Gegensatz zur oben vorgestellten Definition von (davon etwa 25 Stunden Erwerbsarbeit) (Destatis Sorgearbeit, die sowohl bezahlte als auch unbezahlte 2015a; vgl. auch Meier-Gräwe/Klünder 2015, Daten- Sorgearbeit erfasst (siehe B.II.2), analysiert der Gen- quelle Zeitverwendungserhebung 2012/13). der Care Gap lediglich die unbezahlte Sorgearbeit. Inwieweit die Haushalte weitere haushalts- und per- Die Indikatoren für die wirtschaftlichen Ungleich- sonenbezogene Dienstleistungen einkaufen oder z. B. heiten, insbesondere der Gender Pension Gap und in öffentlichen Einrichtungen nutzen, wird nicht ana- der Gender Pay Gap, sind Ausdruck einer Ausgren- lysiert. Der hier angewandte Begriff „Care“ stützt sich zung von Sorgearbeit aus der Ökonomie. Gesell- auf die vom Statistischen Bundesamt verwendeten schaftliches Leben und wirtschaftliches Wachstum Kategorien für die Aktivitäten der unbezahlten Arbeit sind aber ohne die lebensnotwendigen Tätigkeiten (in Anlehnung an das „Satellitensystem Haushalts- der Sorgearbeit nicht möglich (Madörin, nach Klün- produktion“). Für die unbezahlte Arbeit werden beim der 2017: 4). Selbst bei einer eher vorsichtigen Gender Care Gap die Tätigkeiten der Haushaltsfüh- Bewertung allein der unbezahlten Arbeit in der Haus- rung (einschließlich Reparaturarbeiten, Gartenpflege, haltsarbeit lag deren Bruttowertschöpfung 2013 mit Sorge für Tiere), Pflege und Betreuung von Kindern 987 Milliarden Euro deutlich über der Bruttowert- und Erwachsenen sowie ehrenamtliches Engagement schöpfung im produzierenden Gewerbe mit 769 und informelle Hilfen für andere Haushalte einbe­ Milliarden Euro (Schwarz/Schwahn 2016). Wirt- zogen – jeweils einschließlich der dazugehörigen schaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge Wegezeiten. können nur verstanden werden, wenn auch die un- bezahlte Arbeit einbezogen wird (Stiegler 2013: 177). Im Ergebnis zeigt sich, dass erwachsene Frauen in Statt den Blick auf die Marktökonomie zu verengen Deutschland im Durchschnitt täglich 87 Minuten und die Versorgungs- bzw. Care-Ökonomie auszublen- mehr Care-Arbeit verrichten als Männer, was einem den, sollte stärker das Ganze der Ökonomie in den Gender Care Gap von 52,4 % entspricht; Frauen wen- Blick genommen werden (vgl. Meier-Gräwe 2015: 9; den also gut anderthalbmal so viel Zeit für Care-Arbeit Scheele 2017: 7). auf wie Männer. Der größte Gender Care Gap (110,6 %) zeigt sich im Alter von 34 Jahren: Frauen leisten dann b.Gender Care Gap durchschnittlich 5 Stunden und 18 Minuten Care- Arbeit täglich, Männer dagegen nur 2 Stun­den und 31 Die Sachverständigenkommission schlägt deshalb Minuten. In dieser „Rush Hour des Lebens“ bündeln vor, künftig systematisch den Blick auf die Diffe- sich zentrale Lebensereignisse und -entscheidungen renzen in der gesamten Zeitverwendung zu richten. wie Beruf, Wahl einer Partnerin oder eines Partners Eine Möglichkeit der griffigen Zusammenfassung der und Verantwortlichkeit für Kinder und Eltern (vgl. Empirie zur unbezahlten Sorgearbeit bietet der Gen- Bertram/Deuflhard 2015). Männer wenden mit zu- der Care Gap, der im Auftrag der Kommission erstmals nehmendem Alter mehr Zeit für Care-Arbeit auf, errechnet wurde (für Details zum Folgenden vgl. Frauen dagegen etwas weniger. Dennoch bleibt der Klünder 2017). Die Kommission schlägt vor, den Gender Care Gap deutlich positiv. Unabhängig vom Gender Care Gap künftig regelmäßig zu berechnen. Er Alter wenden alleinlebende Frauen täglich mehr Zeit betrug 2012/2013 52,4 %. 5 für Care-Tätigkeiten auf als alleinlebende Männer. In Paarhaushalten mit Kindern fällt – vor allem auf- Der Gender Care Gap erfasst den relativen Unter- grund der Kinderbetreuung – die meiste Care-Arbeit schied in der täglich für Care-Arbeit verwendeten an. Mütter verrichten in dieser Konstellation täglich 2 Zeit zwischen Männern und Frauen. Er gibt an, um Stunden und 30 Minuten mehr Care-Arbeit als Väter, wieviel Prozent die Zeit, die Frauen im Durchschnitt sodass der gesamte Gender Care Gap für Personen in pro Tag für Care-Arbeit aufwenden, die durchschnitt- Paarhaushalten mit Kindern 83,3 % beträgt. liche Dauer der täglichen Care-Arbeit von Männern übersteigt. Als Datengrundlage zur Berechnung des Eine detaillierte Analyse der Care-Arbeit differen- Gender Care Gap dienen die Daten der dritten ziert zwischen direkter Care-Arbeit mit und an ande- repräsentativen Zeitverwendungserhebung, die 2012 ren Personen (Kinderbetreuung im Haushalt sowie bis 2013 vom Statistischen Bundesamt durchgeführt Unterstützung, Pflege und Betreuung von erwach- wurde. Insgesamt wurden über 5.000 Haushalte und senen Haushaltsmitgliedern) und unterstützen- mehr als 11.000 Personen ab zehn Jahren an drei der Care-Arbeit (alle haushälterischen Tätigkeiten, Tagen – an zwei Wochentagen und an einem Tag am Wochenende – zu ihren täglichen Aktivitäten frei- willig schriftlich befragt. In der folgenden Analyse 5 Der Gender Care Gap zeigt sozusagen – analog zum Begriff „Gender werden Personen ab 18 Jahren betrachtet. Pay Gap“ – den „Gender Unpaid Gap“ auf (vgl. König et al. 2015).

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Gleichstellungsorientierung in der Erwerbs- und Sorgearbeit II.5 39 Ehrenamt und Unterstützung für andere Haushal- B.III.In Paarbeziehungen und Familien te). Bei der direkten Care-Arbeit ist der Gender Care verbundene Leben („linked lives“) Gap noch deutlicher ausgeprägt: Frauen sind mehr als doppelt so viel in die direkte Care-Arbeit invol- viert wie Männer (108,3 %). Bei der unterstützenden Die Entscheidungen in Übergangsphasen und an Care-Arbeit beträgt der Gender Care Gap dagegen Knotenpunkten sind von einer Vielzahl gesellschaft- lediglich 47,4 %. Ähnliches gilt für Personen, die in licher, wirtschaftlicher und individueller bzw. fami- Paarhaushalten mit Kindern leben: Hier wenden Müt- liärer Rahmenbedingungen abhängig. Dazu gehört ter mehr als doppelt so viel Zeit für die Kinderbetreu- insbesondere der individuelle soziale Kontext. Die ung und die Unterstützung von erwachsenen Haus- Lebensverlaufsperspektive verweist zudem auf das haltsmitgliedern auf wie Väter (110,4 %); sie leisten Konzept der verbundenen Leben („linked lives“), auch 72,7 % mehr an unterstützender Care-Arbeit. wonach wesentliche Lebensentscheidungen nicht individuell isoliert, sondern eingebettet in soziale Beziehungen mit anderen Menschen getroffen werden (vgl. Bundesregierung 2011: 31, 42f.).

Die sozialen Kontexte der Haushalte fallen sehr unter- schiedlich aus. So zeigt die Statistik, dass Kindererzie- hung zu 69 % in Ehen, zu 20 % durch Alleinerzie­hende und zu 10 % in nichtehelichen gemischtgeschlecht- lichen sowie Eingetragenen und nicht eingetrage- nen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften stattfindet (Destatis 2015b: 115, eigene Berechnung).

Die Lebensweisen der Menschen in Deutschland ha- ben sich in den letzten Jahrzehnten geändert: Wa- ren 1996 noch 74 % der 40- bis 85-Jährigen verheiratet, sind es 2014 nur noch knapp 68 %; andere Lebens­- weisen nehmen zu (DZA 2016: 30). Bei den unter 30-Jährigen ist das Leben ohne Partner oder Partnerin (alleinlebend oder bei den Eltern) die mit Abstand vorherrschende Lebensform; dabei gewinnt in der Altersklasse 25 bis 29 Jahre die nichteheliche Lebens- gemeinschaft zwar deutlich an Bedeutung, verbleibt aber in einer Minderheitenposition. Gleichgeschlecht- liche Partnerschaften einschließlich der Eingetra- genen Lebenspartnerschaften machen einen Anteil von 0,1 % an allen Familien mit Kindern aus. Ab der Altersklasse 35 bis 39 Jahre ist die Ehe die häufigste Lebensform für westdeutsche Frauen und Männer sowie ostdeutsche Frauen. Während annähernd zwei Drittel der westdeutschen Frauen in diesem Alter verheiratet sind, gilt dies nur für knapp 40 % der ost- deutschen Männer (Konietzka/Kreyenfeld 2015: 1101f.).

2015 lebten in Deutschland insgesamt 5,2 Millio- nen Kinder bei unverheirateten Eltern, davon 3,8 Millionen bei Alleinerziehenden (Destatis 2015b). In Ostdeutschland kamen 58 % der Kinder im Jahre 2014 nichtehelich zur Welt, gegenüber 29 % in West- deutschland (iwd 2016). Zwischen den Jahren 1996 und 2012 ging in Westdeutschland der Anteil verhei- rateter Frauen, in deren Haushalt Kinder unter 18 Jah- ren leben, von 85 % auf 76 % zurück. Im Osten sank der entsprechende Anteil sogar von 75 % auf 57 %. Dazu gegenläufig ist der Anteil von Frauen mit Kin-

40 dern in nichtehelichen Lebensgemeinschaften im und die Frau nicht erwerbstätig ist; in diesem Fall über- Osten von 11 % auf 18 % gestiegen. Ein noch größeres nimmt die Frau den überwiegenden Teil der privaten Gewicht haben in Ostdeutschland alleinerziehende Sorgearbeit. Vollzeiterwerbstätigkeit des Mannes und Mütter. Im Jahre 2012 waren 25 % aller ostdeutschen Teilzeitbeschäftigung der Frau (Zuverdiener-Arrange- Frauen mit minderjährigen Kindern alleinerziehend ment) praktizieren 22 % (zum Ganzen Wanger/Bauer (Westdeutschland: 18 %). 10 % der Westdeutschen 2015: 7f.). Leben Kinder unter 16 Jahren im Haushalt, und 12 % der Ostdeutschen mit Kindern unter 18 ändert sich bei der Mehrheit der heterosexuellen Jahren leben in einer Familie, ohne biologisch ver- Paare die Arbeitsteilung: Der Anteil der Paare mit wandt zu sein (Konietzka/Kreyenfeld 2015: 1101f.). Bei Kindern unter 16 Jahren, bei denen beide vollzeiter- den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sind es vor werbstätig sind, macht nur 22,2 % aus; bei 45,4 % allem Frauenpaare, bei denen Kinder im Haushalt dieser Paare arbeiten die Mütter in Teilzeit, bei 20 % ist leben (Buschner 2015: 1104). die Frau nicht erwerbstätig (Wanger/Bauer 2015: 7f.). Die Partnerinnen und Partner gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften scheinen die Aufgaben meist egali- 1. Aushandlungsprozesse in Paarbeziehungen tär zu verteilen (Buschner 2015: 1106f.; vgl. aber die Angaben oben B.I.3. zur Elternschaft). Die gesellschaftliche Verteilung von Erwerbs- und Sor- gearbeit hängt ganz wesentlich von der Arbeitsteilung Dabei gehen fast 90 % der Menschen (fälschlicher- in Familien und insbesondere in Paarbeziehungen ab. weise) davon aus, dass während einer Ehe oder Ein- Entscheidungen über solche Arbeitsteilungen sind getragenen Lebenspartnerschaft alles, was während das Ergebnis komplexer Aushandlungsprozesse; Part- der Partnerschaft erworben wird, beiden gleicherma- nerinnen und Partner verhandeln sie mal explizit, ßen und gemeinsam gehört (BMFSFJ 2014a). Es gibt mal eher implizit. Geschlechterhierarchische Tradi- wenige Daten dazu, wie Verheiratete oder Verpart- tionen der Rollenteilung sind heute sowohl rechtlich nerte ihre Ressourcenverwaltung tatsächlich prakti- als auch gesellschaftlich hinterfragbar: „Die Ehegatten zieren. Studien deuten allerdings darauf hin, dass die regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Ein- Partnerinnen und Partner ihre Ressourcen keineswegs vernehmen.“ Und: „Beide Ehegatten sind berechtigt, zur Verwendung „in einen Topf werfen“; vielmehr erwerbstätig zu sein. Bei der Wahl und Ausübung einer sieht es danach aus, als wirkten beim Ausgabeverhal- Erwerbstätigkeit haben sie auf die Belange des ande- ten familieninterne Entscheidungsstrukturen und ren Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht ökonomische Verhandlungspositionen (Beblo 2012: zu nehmen.“ (§ 1356 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB; für die 193; Beblo/Beninger 2013; siehe auch Rees 2017) Das Eingetragene Lebenspartnerschaft gibt es allerdings geltende Güterrecht in Deutschland unterstützt in kein entsprechendes gesetzliches Leitbild für den solchen Entscheidungsprozessen jedenfalls den­ gemeinsamen Haushalt). jenigen Partner oder diejenige Partnerin, der oder die selbst wirtschaftliche Ressourcen (insbesondere Entscheidungen über Erwerbs- und Zeitkonstellatio- durch Erwerbsarbeit) erworben hat (siehe C.IX.4). nen in Paarbeziehungen sind somit grundsätzlich ent- scheidungsoffen. Damit gehen auch Unsicherheiten Was asymmetrische Arbeitsteilungen für die wirt- und Verunsicherungen einher. Wer sich heute für eine schaftliche Selbstständigkeit der betroffenen Frau- Paarbeziehung und für Kinder entscheidet, dem ste- en und Männer bedeuten, wurde bereits erläutert hen mehr Möglichkeiten zur Verfügung als früheren (B.II): Die Nachteile eines auch nur vorübergehenden Generationen – auch weil mehr Orientierungs­muster Ausstiegs aus der Erwerbsarbeit oder einer länger für familiäre Arbeitszeitarrangements existieren andauernden Teilzeitbeschäftigung lassen sich über (Bertram/Deuflhard 2015). den Lebensverlauf hinweg kaum kompensieren. Die Entscheidungsspielräume der betroffenen Personen Die Vorstellung, dass in einer Ehe Partnerin und Part- reduzieren sich damit auf längere Sicht erheblich. Die- ner jeweils hälftig an den Einkünften und Ausgaben se Reduktion kann auch den Einfluss der betreffenden partizipieren, deckt sich nicht unbedingt mit der Person auf die Entscheidungsprozesse in der Partner- gelebten Realität. Bei gemischtgeschlechtlichen schaft vermindern. Paaren tragen die Partnerinnen und Partner meist zunächst auf ganz unterschiedliche Art und Weise Die zeit- und ressourcenbezogenen Aushandlungspro- zum Haushaltsvermögen bei. Nur bei knapp der Hälf- zesse in Paarbeziehungen finden in einem komplexen te (45 %) der Paare ohne Kinder sind beide in Vollzeit Wirkungsgeflecht statt. So spielt in Regenbogen- und erwerbstätig (Zweiverdiener-Arrangement). 14 % der Patchworkfamilien die Frage, wie der getrennt leben- Paare ohne Kinder praktizieren ein Alleinernährer- de (bzw. biologische) Elternteil in die Erziehung ein- Arrangement, in dem der Mann in Vollzeit beschäftigt gebunden ist, eine große Rolle dafür, wie stark sich

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B In Paarbeziehungen und Familien verbundene Leben („linked lives“) III.1 41 der Co-Vater bzw. die Co-Mutter in einer etwaigen Frauen, deren Partner lediglich zwei Monate Eltern- Stieffamilie beteiligt (Buschner 2015: 1107). Zu den geld beziehen; sie arbeiten zudem doppelt so häu- wichtigsten Faktoren für die Frage, wer mehr Er- fig in Vollzeit (40 % gegenüber 21 %). Andererseits werbsarbeit leistet und wer sich stärker auf Sorgear- reduzieren 42 % der Väter mit einem Elterngeldbe- beit konzentriert, gehört aber die Ressourcenausstat- zug von drei und mehr Monaten im Anschluss daran tung der Partnerinnen und Partner (zum Ganzen Boll ihre Arbeitszeit; bei den übrigen Vätern tut dies nur 2017). So zeigt sich, dass Mütter, die vor der Geburt jeder vierte (Pfahl et. al. 2014). ein höheres Einkommen als ihr Partner hatten, mit einer höheren Rate wieder in den Beruf einsteigen (Hoherz 2014). 2. Institutionelle, gesellschaftliche und ökonomische Rahmenbedingungen Für die Ergebnisse der Aushandlungsprozesse inner- halb von Paaren über die Verwendung von Zeit und Die Kalküle und persönlichen Wertvorstellungen, Einkommen im Haushalt spielt eine Rolle, wie stark die in partnerschaftlichen Aushandlungsprozessen sich die eigenen Einkommenspotenziale der beiden wirken, sind abhängig von gesellschaftlichen, ökono- Verhandelnden voneinander unterscheiden. Wird mischen und institutionellen Rahmenbedingungen. eine potenzielle Instabilität von Partnerschaften in Betracht gezogen, spielt auch die jeweilige individu- Welche Bedeutung gesellschaftlichen Rollenbildern elle Rückfallposition nach Ende der Partnerschaft eine zukommt, legte bereits der Erste Gleichstellungs­ wichtige Rolle (Boll 2017: 25, 60). Persönliche Wert- bericht dar (für die Pflege siehe z. B. Bundesregierung vorstellungen stellen folglich nur einen von mehre- 2011: 68, 79, 158, 213ff.). Geschlechterstereotype Rol- ren Faktoren in einem Kontext dar, der es erforderlich lenbilder können z. B. erklären, warum Frauen, die macht, auch ökonomische Kalküle zu berücksich­ mehr verdienen als ihr Partner, deutlich mehr an tigen (vgl. Peukert 2015). Hausarbeit und familiärer Sorgearbeit übernehmen als dieser (Wieber/Holst 2015). Und wenn Männer Von großer Bedeutung für die erzielten Aushand- Aufgaben im Haushalt übernehmen, so müssen sie lungsergebnisse sind auch Effekte der Einübung weitgehend den Qualitätsanforderungen genügen, die und Gewöhnung (Kubon-Gilke et al. 2016). Durch Frauen festlegen (Henry-Hutmacher/Schmitz 2010: die Einübung von Rollen entstehen bei der Partne- 14). Verinnerlichte und kulturell verankerte gesell- rin oder dem Partner, die oder der sich in der infor- schaftliche Rollenbilder können zum Teil auch die mellen Sorgearbeit – also marktfern – spezialisiert, immer noch erheblichen Unterschiede zwischen Ost- Spezialisierungsvorteile durch wachsende Routine in und Westdeutschland erklären (Wanger/Bauer 2015: der Haushaltsproduktion; zugleich leiden ihre oder 7); im Unterschied zur Mehrheit der Frauen in West- seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt (Boll 2017). deutschland scheinen Frauen in Ostdeutschland das Dazu passt die Beobachtung, dass mehr als jede zwei- Alleinernährer-Arrangement abzulehnen (Matysiak/ te Mutter (58 %) in Deutschland auch dann noch Steinmetz 2008). Wie institutionelle und gesellschaft- Teilzeit arbeitet, wenn das jüngste Kind bereits das liche Rahmenbedingungen persönliche Orientierun- Teenageralter erreicht hat (im europäischen Durch- gen prägen können, zeigt sich beispielsweise an der schnitt beträgt dieser Anteil lediglich 32 % (vgl. Pfahl Erwerbsbeteiligung von Müttern, die in Ostdeutsch- et al. 2015)). Spezialisierung kann auch helfen zu land aufgewachsen sind und heute ihren Lebensmit- erklären, warum die Übernahme von Sorgearbeit, telpunkt in Westdeutschland haben. Je länger diese etwa die Betreuung von Kindern, mit einer gerin- Mütter vor der Geburt ihres Kindes in Westdeutsch- geren Beteiligung an beruflichen Weiterbildungs- land gelebt haben, umso mehr gleicht die Dauer der maßnahmen einhergeht; was sich insbesondere bei Erwerbsunterbrechung nach der Geburt der von west- Frauen zwischen 30 und 40 Jahren beobachten lässt. deutschen Müttern – ein Hinweis auf fortschreitende (Frey/Flörcken 2011: 23). „kulturelle Adaption“ (Grunow/Müller 2012: 26).

Mit der Geburt bzw. Aufnahme eines Kindes in die Die ökonomischen Verhandlungspositionen der Part- Familie werden also entscheidende Weichen gestellt: nerinnen und Partner hängen wiederum nicht nur Je früher Väter Verantwortung in der Betreuung und vom jeweiligen Einkommenspotenzial ab. Auch die Erziehung von Kindern übernehmen, desto nach- öffentliche Kinderbetreuungs- oder Pflegeinfrastruk- haltiger lässt sich eine partnerschaftliche Arbeitstei- tur, betriebliche Arbeitszeitroutinen sowie steuerli- lung zwischen den Eltern verwirklichen (vgl. C.V). che und sozialversicherungsrechtliche ökonomische So kehren die Partnerinnen von Vätern, die mehr als Anreize beeinflussen die Aushandlungsprozesse in drei Monate Elterngeld beziehen, mehr als dreimal Paarbeziehungen und Familien (ausführlich zum so häufig nach einem Jahr zurück in den Beruf als Ganzen Boll 2017).

42 Leistungen für Eltern, die ihre Kinder nicht in beiträgt und sich auf die Sorgearbeit konzentriert. eine öffentlich geförderte Kindertageseinrichtung Damit verbunden ist eine langfristige Schwächung geben (Betreuungsgeld), werden aktuell nur noch in der beruflichen Karriereperspektiven, womit über Bayern und Sachsen bezahlt, nachdem das Bundes- den Lebensverlauf hinweg erhebliche Einkommens­ verfassungsgericht entschieden hat, dass der Bund risiken verbunden sind (Bonin et al. 2013; Prognos hierfür nicht zuständig ist (NJW 2015, 2399; vgl. dazu 2014: 391, genauer in C.X.1–3). auch Rixen 2015: 3139f.). Diese Leistung kann sich nachteilig insbesondere auf solche Kinder auswir- Große Bedeutung für die Arbeitsteilung in Paarbezie- ken, die in bildungsarmen und sozial benachteiligten hungen kommt auch den Rahmenbedingungen zu, Familien aufwachsen, wenn sie zur Folge hat, dass die- die Arbeitgeber schaffen. So wird die Nutzung von se Angebote frühkindlicher Bildung, Betreuung und Elternzeit und Elterngeld durch Väter entscheidend Erziehung, die für diese Zielgruppe besonders wichtig von der Arbeitszeitflexibilität beeinflusst, die der wären, seltener in Anspruch nehmen (Fuchs‐Rechlin Betrieb oder die Dienststelle ermöglichen (vgl. Pfahl et al. 2014). Ein Betreuungsgeld fördert darüber hin- et al. 2014). Wenn familienfreundliche Regelungen aus Alleinverdiener-Arrangements – mit sämtlichen in Betrieben auf traditionellen Geschlechterrollenbil- wirtschaftlichen Nachteilen, die damit für die nicht dern gründen und ihre Inanspruchnahme beispiels- erwerbstätige Person verbunden sind. Schon der Erste weise der beruflichen Karriere schadet, wirkt dies als Gleichstellungsbericht empfahl aus gleichstellungs- „Traditionalisierungsfalle“ (Bernhardt 2015: 1085ff.; politischer Sicht, auf diese Leistung zu verzichten zum Begriff siehe Rüling 2007). (Bundesregierung 2011: 76f., 81).

Das in Deutschland bestehende Steuer- und Abgaben- 3. Das Gegenteil von Partnerschaftlichkeit: system wirkt einer gleichberechtigten Arbeitsteilung Gewalt in Paarbeziehungen zwischen Eheleuten und Eingetragenen Lebenspart- nerinnen und Lebenspartnern derzeit ebenfalls Gleichstellungspolitik muss ermöglichen, dass entgegen. Die Schere zwischen Brutto und Netto ist Entscheidungen über Arbeitsteilungen in Paarbe- in Deutschland im internationalen Vergleich für die ziehungen und Familien auch bei Konflikten auf Partnerin oder den Partner mit dem zweiten, d. h. nied- partnerschaftliche Weise erfolgen können. Sie muss rigeren, Einkommen besonders hoch; Grund dafür ist insbesondere verhindern, dass Entscheidungen in das Prinzip des Ehegattensplittings und der Verlust Paarbeziehungen und Familien durch Gewalt be­ der finanziellen Vorteile aus der beitragsfreien Mitver- einflusst werden. sicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn beide Eheleute oder beide Eingetragenen Le- Dass Paar- und Familienleben gewaltfrei stattfinden, benspartnerinnen und Lebenspartner sozialversiche- ist keineswegs selbstverständlich. Sowohl interna- rungspflichtig erwerbstätig sind (Stichnoth 2016: 17). tionale als auch auf Deutschland bezogene Studien zeigen, dass Frauen, die physische, sexuelle und/oder Problematische Wirkungen entfaltet auch die Behan­d­- psychische Gewalterfahrungen machen, diese in lung von Einkommen aus geringfügig entlohnter den meisten Fällen durch ihre Partner im häuslichen Erwerbstätigkeit in den sogenannten Minijobs. Bereich erleiden. Etwa jede vierte Frau in Deutsch- Hierdurch entsteht an der Einkommensobergren- land hat in ihrem Erwachsenenleben mindestens ze von 450 Euro eine nur schwer zu überwindende einmal körperliche und/oder sexualisierte Übergriffe Beschäftigungshürde. Wegen der Steuer- und Beitrags- durch einen Beziehungspartner erlebt (BMFSFJ 2004). belastung, die bei Überschreiten dieser Grenze greift, Männer erfahren etwa gleich oft wie Frauen mindes- rechnet es sich für Minijobberinnen und Minijobber, tens einmal in ihrem Leben Gewalt durch Bezugs- die sich in der Position der Zweitverdienerin bzw. des personen; sie sind allerdings seltener von schwerer, Zweitverdieners im Haushalt befinden, häufig kaum, bedrohlicher und wiederholter Gewalt betroffen in eine sozialversicherungspflichtige Teilzeittätigkeit (siehe vertiefend D.II). Entscheidungssituationen und zu wechseln. Sie sind daher deutlich weniger Stun- Übergangsphasen scheinen dabei besonders anfällig den erwerbstätig, als sie es eigentlich wünschen, und für Gewalt zu sein. Phasen des beruflichen Ein- und bleiben oft in Tätigkeiten mit geringen beruflichen Aufstiegs oder Phasen der Trennung und Scheidung Entwicklungsperspektiven hängen. Zusammenge- können mit dem Beginn von Gewalt durch den Part- nommen fördern Ehegattensplitting, die beitragsfreie ner oder die Partnerin einhergehen. In Befragungen Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversi- geben Frauen aber auch die Heirat, den Einzug in eine cherung und Minijobs das Arrangement der Zuver- gemeinsame Wohnung, Schwangerschaft und Fami­ diener-Familie, in der ein Partner oder eine Partnerin liengründung als besonders gewaltanfällige Übergän- relativ wenig zum Erwerbseinkommen des Haushalts ge an (BMFSFJ 2004: 262ff.).

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B In Paarbeziehungen und Familien verbundene Leben („linked lives“) III.3 43 B.IV Erwerbs- und Sorgearbeit ihm bleibt weiterhin wenig Zeit für die Familie. Die unabhängig vom Geschlecht meist weibliche Zuverdienerin trägt hingegen die Last, Teilzeiterwerbsarbeit und familiäre Sorgear- für alle ermöglichen beit vereinbaren zu müssen; zudem erreicht sie in Teilzeit kaum eine eigenständige Existenzsicherung Staatliche Regelungen, Politik, Recht und gesell- und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten (vgl. schaftliche Normen folgen meist – impliziten oder Bundesregierung 2011: 115ff., 188ff.). Der Anteil des expliziten – Leitbildern von Geschlecht und Arbeits- Zuverdiener-Arrangements ist seit Mitte der 1990er teilungen (vgl. z. B. BMFSFJ 2008; Bundesregierung Jahre von ca. 50 % auf 70 % gestiegen, was deutlich 2011: 53ff.; Wersig 2012). Leitbilder für die familiäre macht, wie häufig es inzwischen als Paararrange- Arbeitsteilung und die Organisation der Sorgearbeit ment gewählt wird. Der Anteil erwerbstätiger Eltern- prägen Gesellschaften häufig so stark, dass sie in paare, in denen beide Elternteile Vollzeit arbeiten der Wissenschaft als maßgebende Kategorie für die (Zweiverdiener-Arrangement), ist seither um rund Charakterisierung wohlfahrtsstaatlicher Modelle 20 Prozentpunkte zurückgegangen (Keller/Haustein dienen (siehe z. B. Esping-Andersen 1990; Fraser 2013: 1088). Das Zuverdiener-Arrangement hat in 1994; Leitner et al. 2004; Berghahn 2006; Berghahn/ Westdeutschland auf Kosten des Alleinernährer- Wersig 2013). Arrangements, in Ostdeutschland auf Kosten des Zweiverdiener-Arrangements an Gewicht gewonnen. In der Bundesrepublik Deutschland haben sich staatliche Regelungen, Institutionen und kulturelle Die Europäische Union hat zum Teil ein univer- Orientierungen lange am Familienernährer-Modell selles Erwerbstätigenmodell verfolgt („adult wor- orientiert; es war auch Grundlage des erwerbs­ ker model“): Es sieht für alle Personen lebenslange arbeitszentrierten normativen Leitbildes des soge- Vollzeiterwerbstätigkeit vor, unabhängig von ihrer nannten Normalarbeitsverhältnisses. Diesem Leit- familiären Situation (Dienel 2004). Bezogen auf bild gemäß wird Sorgearbeit weitgehend privat, Paarbeziehungen wird dieses Modell auch Zwei­ d. h. in Paar- und Familienbeziehungen organisiert; verdiener-Modell („dual earner model“) genannt. ein „Alleinverdiener“ lebt hierfür in einer „Versor- gerehe“ mit einer „Hausfrau“ zusammen, die die Die impliziten und expliziten Vorstellungen und private Sorgearbeit übernimmt. Diese Konstellati- Normen, die heute in Deutschland mit Vollzeitar- on hat jedoch ihren Preis: Sie weist die unbezahlte beit verbunden sind, verlangen Paaren und Fami- Sorgearbeit Frauen zu, was es ihnen erschwert, eine lien im Zweiverdiener-Arrangement aber enorme berufliche Karriere zu verfolgen; sie geraten in finan- Opfer ab und sind mit hohen Kosten verbunden. zielle Abhängigkeit. Da ein Großteil der Sorgearbeit Denn ein universelles Erwerbstätigenmodell ist bei von der Familie geleistet wird, bleibt die öffentliche gleichzeitig unzureichenden Infrastrukturen für Infrastruktur unterentwickelt. Von den meist männ- personen­bezogene Dienstleistungen „reproduktions- lichen sogenannten Familienernährern wird hinge- vergessen“ (Döge 2002: 12; vgl. Scheele 2017: 6ff.). Es gen verlangt, Zeit und Energie ausschließlich in den berücksichtigt nicht die informell geleistete Sorge- Beruf fließen zu lassen – der Kontakt zur Familie arbeit und vertraut letztlich darauf, dass Sorgearbeit kann kaum vertieft werden, für Sorgearbeit bleibt marktförmig und professionalisiert geleistet werden wenig Zeit (siehe hierzu die Ausführungen zum kann. Mangels geeigneter Finanzierungsmodelle Gender Care Gap in B.II.5). wird die erwerbsförmige Sorgearbeit faktisch auf prekär verrichtete Dienstleistungen reduziert. Mit der zunehmend gleichberechtigten Integration von Frauen in die Erwerbstätigkeit hat sich in den Aufgaben der Sorgearbeit lassen sich aber nie voll- letzten Jahrzehnten ein Zuverdiener-Modell als Leit- ständig über den Markt abdecken; sie bleiben mit modell herausgebildet (vgl. Bundesregierung 2011: Zeit- sowie Koordinationsbedarf verbunden. Au- 43). Demnach folgt die weibliche Erwerbstätigkeit ßerdem möchten viele Menschen in Deutschland häufig einem Vierphasenmodell: vom Berufsein- informelle Sorgearbeit selbst übernehmen. Da sie stieg über die Elternzeit, über eine anschließende zum Leben dazugehört, muss es möglich sein, sie Teilzeitarbeit bis zum Wiedereinstieg in die volle nicht ausschließlich als Dienstleistung zu beziehen. Erwerbsarbeit (Schiek 1994). Weite Teile der bun- Bereits der Erste Gleichstellungsbericht thematisier- desdeutschen Gesellschaft leben heute in einem te die Schwierigkeiten von „Doppelkarrierepaaren“ solchen Arrangement. Aus gleichstellungspoliti- (Bundesregierung 2011: 129f.) und stellte fest, dass scher Sicht bedeutet dies jedoch lediglich eine Varia- Frauen häufig kürzer und Männer häufig länger als tion des Familienernährer-Modells. So ändert sich gewollt arbeiten (ebd.: 43). Dies gilt nach wie vor: für den meist männlichen Familienernährer wenig, Über die Hälfte aller abhängig Beschäftigten strebt

44 eine Änderung ihrer wöchentlichen Erwerbsarbeits- Bereits der Erste Gleichstellungsbericht plädierte für zeit um mindestens fünf Stunden pro Woche an. Fast eine „neue Norm des Arbeitnehmers oder der Arbeit- 18 % der Frauen (und 8 % der Männer) möchten eine nehmerin mit Fürsorgeverpflichtungen“ (Bundes- Verlängerung um mindestens fünf Stunden pro Wo- regierung 2011: 140). Im Anschluss daran geht die che, knapp 44 % der Männer (und fast 36 % der Frau- Sachverständigenkommission davon aus, dass eine en) eine entsprechende Verkürzung (Seifert/Holst et gleichstellungsorientierte Gestaltung der Erwerbs- al. 2016: 303f.; zu Arbeitszeitwünschen siehe auch und Sorgearbeit allen Menschen unabhängig vom C.V). Die 15- bis 25-jährigen Mädchen und jungen Geschlecht ermöglichen muss, während ihres Lebens- Frauen erwarten heute, dass sie nicht nur gleichbe- verlaufs Erwerbs- und Sorgearbeit gleichberechtigt zu rechtigt im Berufsleben tätig werden können, son- verbinden. Diese Sichtweise bringt das „earner-carer dern auch, dass der Beruf das Private nicht vollstän- model“ auf den Punkt (z. B. zu Schweden vgl. Duvander/ dig dominiert (Albert et al. 2016). Und über 80 % der Ferrarini 2013; zur Schweiz, hierbei mit der paarbezoge- Väter finden schon heute, dass sie nicht ausreichend nen Formulierung „Dual Earner/Dual Carer Model“ vgl. Zeit mit den Kindern verbringen (Henry-Hutmacher/ EBG 2012: 7ff.). Danach soll es allen Menschen je nach Schmitz 2010: 14). den Anforderungen im Lebensverlauf möglich sein, neben der Erwerbsarbeit auch private Sorgearbeit zu leis- Diese empirischen Beobachtungen sind möglicher- ten; gleichzeitig muss informelle Sorgearbeit jederzeit weise Ausdruck einer mangelhaften gesellschaft- zusammen mit Erwerbsarbeit gelebt werden können. lichen Organisation von Sorgearbeit (vgl. Jürgens Eine griffige deutsche Übersetzung des „earner-carer 2010), die vor allem Alleinerziehende sowie Paare model“ hat sich noch nicht etabliert; genutzt werden und Familien in Zweiverdiener-Arrangements über- beispielsweise die Bezeichnungen „Verdiener-Pfleger- fordert. Dazu passt, dass zwar fast zwei Drittel der Modell“ (Minas 2012) und „Erwerbs-Fürsorge-Bürger“ Eltern der Aussage zustimmen, es sei am besten, (Kulawik 2005: 9). Die Sachverständigenkommission wenn Männer und Frauen in gleichem Umfang verwendet den Begriff „Erwerb-und-Sorge-Modell“. erwerbstätig sind und sich in gleichem Maß um Dieses Modell fordert von der Politik, den bestehenden Familie und Haushalt kümmern, während sich zu- Problemen der Aufteilung von Erwerbs- und Sorge­ gleich nur ein Drittel auch eine symmetrische Auf- arbeit zu begegnen und die gesellschaftliche Organisa- teilung der Erwerbsarbeit, also ein Zweiverdiener- tion der Sorgearbeit nicht im Privaten zu individualisie- Arrangement, vorstellen (Wanger/Bauer 2015: 9f.). ren, sondern durch eine institutionelle und politische Im privaten Alltag bleibt zu wenig Qualitätszeit; Rahmung zu gewährleisten, dass Zweiverdiener-Arran- familienunterstützende Hilfen – inklusive der gements ohne Überforderung gelebt werden können. Beschäftigung von Personal im Haushalt – können nur wenige organisieren und erst recht finanzieren Je nach konkreter Ausgestaltung einzelner Maßnah- (Thiessen 2016; Possinger 2013: 248ff.). men kann es hierbei zu Zielkonflikten kommen. Denn jede Unterstützung für informell geleistete Entsprechend zielt das Memorandum „Familie und unbezahlte Sorgearbeit droht einen Anreiz dafür zu Arbeitswelt – Die neue Vereinbarkeit“ des Bundesmi- setzen, dass Frauen und Männer den eingeübten Rol- nisteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lenmodellen folgen, und kann Frauen folglich weiter- (BMFSFJ) und der Spitzenverbände der Arbeitgeber- hin in ökonomische Sackgassen führen. Daher ist bei und Arbeitnehmervertretungen aus dem Jahre 2015 jeder Anerkennung und ökonomischen Absicherung auf eine ausbalancierte Rollenverteilung ab; beruf- privater Sorgearbeit die Gefahr einer geschlechterste- liche und familiäre Verantwortung sollen gleich- reotypisierenden Arbeitsteilung zu berücksichtigen. wertig nebeneinander stehen, Väter im gleichen Dieser kann beispielsweise begegnet werden, indem Maß wie Mütter adressiert werden und vollzeitnahe die Perspektive von Männern beharrlich einbezogen Arbeitszeitmuster unabhängig vom Geschlecht kei- und gleichberechtigt berücksichtigt wird. Männer ne Ausnahme mehr sein. Die Europäische Kommis- werden zunehmend mit widersprüchlichen Rollen- sion betont mittlerweile ebenfalls die entscheidende erwartungen zwischen moderner Väterlichkeit und Rolle, die eine stärkere Übernahme von unbezahlter traditioneller Männlichkeit konfrontiert (Possinger Sorgearbeit durch Männer für die Gleichstellung 2013). Es stellt ein wichtiges Ziel der gleichstellungs- der Geschlechter spielen kann (EU KOM 2016; siehe orientierten Gestaltung von Erwerbs- und Sorgear- auch Rat der EU 2016). Und auch die deutsche Nach- beit dar, Männern zu ermöglichen, dass sie informelle haltigkeitsstrategie 2016 benennt die ungleiche Ver- Sorgearbeit leisten können, ohne dabei stereotypisie- teilung von Pflege- und Sorgearbeit als wesentliches render Abwehr zu begegnen und in – vielen Frauen Gleichstellungsproblem in Deutschland; Ziel müsse altbekannte – ökonomische Sackgassen zu geraten. eine partnerschaftliche Aufgabenteilung bei der Das Erwerb-und-Sorge-Modell muss unabhängig vom Familienarbeit sein. Geschlecht gelebt werden können.

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Erwerbs- und Sorgearbeit unabhängig vom Geschlecht für alle ermöglichen IV 45 Aufgabe von Gleichstellungspolitik ist nicht, Men- B.V Gleichstellungspolitische Ziele schen das Erwerb-und-Sorge-Modell vorzuschreiben. Es ist aber verfassungsrechtlicher Auftrag, auch die- ses Lebensmodell zu ermöglichen und insbesondere Aus dem gleichstellungspolitischen Leitbild – gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Menschen Verwirklichungschancen unabhängig vom Ge- möglich machen, gleichberechtigt an der Erwerbsar- schlecht und mit einer entsprechenden Verteilung beit teilzuhaben, ohne dafür auf private Sorgearbeit von Chancen und Risiken im Lebensverlauf – ergeben verzichten zu müssen. sich konkrete gleichstellungspolitische Zielsetzun- gen für die Gestaltung der Erwerbs- und Sorgearbeit. Gleichstellung setzt demnach voraus: die Möglich- keit einer gleichberechtigten und partnerschaftlichen Teilhabe an der Erwerbsarbeit für alle, insbesondere auch für Frauen; die Möglichkeit einer gleichen und partnerschaftlichen Beteiligung von Männern an Aufgaben der privaten Sorgearbeit; die Möglichkeit, Erwerbs- und Sorgearbeit im Lebensverlauf zu verbin- den (Erwerb-und-Sorge-Modell).

Der Gleichstellungspolitik stellt sich damit die Auf­ gabe, auf unterschiedlichen Handlungsfeldern eine Vielfalt gleichstellungspolitischer Ziele zu verbinden (vgl. Pimminger 2015b):

Eigenständige wirtschaftliche Sicherung durch gleichberechtigte Integration in die Erwerbsarbeit

Dieses Ziel setzt die gleichwertige Integration in das Erwerbsleben unabhängig vom Geschlecht voraus und hat Konsequenzen für die Gleichbehandlung und Gleichstellung der Geschlechter beim Zugang zur abhängigen und selbstständigen Erwerbsarbeit (siehe C.I, C.III, C.IX und D.III.3), beim beruflichen Aufstieg in Führungspositionen (siehe C.I.3) und bei der Weiterbildung und beruflichen Entwicklung (siehe C.II). Es erfordert außerdem eine Aufwertung weiblich dominierter Tätigkeiten in SAHGE-Berufen und die Verbesserung der Entwicklungsmöglichkeiten in diesen Berufsfeldern (siehe C.IV).

Eigenständige wirtschaftliche Sicherung durch soziale Absicherung für unbezahlte Sorgearbeit

Für Phasen der Unterbrechung oder Verringerung der Erwerbsarbeit bei unbezahlter Sorgearbeit – insbeson- dere im Rahmen arbeitsteiliger Betreuungssettings für Kinder, aber auch für pflegebedürftige Personen – ist eine soziale Absicherung der Risiken, die mit dieser Sorgearbeit verbunden sind, erforderlich (siehe C.I.1.c, C.V.2 und 3, C.VI.2.b). Hierfür bedarf es auch eigen­ständiger Zugänge zur Sozialversicherung (siehe C.III.2.b, C.IV, C.IX und C.X).

Eigenständige wirtschaftliche Sicherung im Alter

Zur Stärkung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit von Sorgearbeitenden sind hinreichende eigenständige

46 Ansprüche auf Alterssicherung erforderlich; bei nied- tet werden kann, bietet dies auch Chancen, Zeit für rigen Rentenansprüchen sollte ein nachsorgender­ Selbstsorge, Freizeit und Muße gleichberechtigt im sozialer Ausgleich greifen (siehe C.X). Lebensverlauf und zwischen den Geschlechtern zu verteilen. Dies setzt voraus, dass Vorstellungen von Partnerschaftliche Geschlechterverhältnisse beruflicher Kompetenz nicht länger mit einem be- und Auflösung von Geschlechterstereotypen stimmten Vollzeitmodell verbunden sind, sondern dass sie auch Führen in Teilzeit und darüber hinaus eine Zwischen Diskriminierung und Geschlechterstereo- Vielfalt an Vollzeitmodellen einschließen (siehe C.I.1). typen besteht ein enger Zusammenhang: Solange tatsächliche Verwirklichungschancen in der Erwerbs- Zu den Erwerbsarbeitsstrukturen, die die Vereinbarkeit arbeit sich an einem stereotyp männlichen Bild von von gutem Leben, Sorge- und Erwerbsarbeit ermög­ Normalität und Führung orientieren, wird eine beruf- lichen, gehört auch die Flexibilität beim Wechsel liche Karriere für Personen, die informelle Verantwor- zwischen Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit. tung für Sorgearbeit übernehmen oder übernommen Insbesondere der Wiedereinstieg nach sorgearbeits­ haben, mit hohen Barrieren verbunden sein. Ähn- bedingten Erwerbsunterbrechungen muss ohne Nach- liches gilt für die Übernahme privater Sorgearbeit; teile möglich sein (siehe C.VIII). solange die Sorgearbeit mit einem stereotyp weib- lichen Bild verbunden wird, bleiben die Verwirk­ Qualitativ hochwertige und (auch finanziell) zugängliche lichungschancen aller Menschen beschränkt. Betreuungs- und Pflegeinfrastruktur Insgesamt­ muss es ein wichtiges gleichstellungspoli- tisches Ziel bleiben, dass die Verwirklichungschancen Um das Erwerb-und-Sorge-Modell für Eltern zu ermög­ in der Erwerbs- und Sorgearbeit nicht von Geschlech- lichen, bedarf es der Grundlage einer breiten Infra- terstereotypen abhängen, sondern auf den individuel- struktur mit qualitativ hochwertigen und bedarfsge- len Fähigkeiten gründen (siehe C.I, C.IV, C.V und C.VI). rechten Angeboten, die flexibel und allen zugänglich sind, und zwar sowohl für die Betreuung und Erzie- Gleiche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit hung von Kindern als auch für die Sorge für pflegebe- unabhängig vom Geschlecht dürftige Personen. Insbesondere für die Pflege müssen professionelle Pflegeleistungen und informelle Pflege- Die Förderung einer stärkeren Übernahme von verantwortung stärker differenziert werden; ein wich- Sorgearbeit durch Männer ist ein wichtiges gleich- tiges gleichstellungspolitisches Ziel ist hier die Ent- stellungspolitisches Ziel. Dies gilt auch für die gleiche wicklung arbeitsteiliger Betreuungssettings, in denen Partizipation von Männern in SAHGE-Berufen und sich informell und professionell Pflegende ergänzen. entsprechende berufliche Tätigkeiten (siehe C.IV). Auch Angebote für entlastende professionelle haus- haltsnahe Dienstleistungen müssen so gestaltet sein, Vereinbarkeit von gutem Leben, Sorge- und Erwerbsarbeit dass die Haushalte diese in Anspruch nehmen können, ohne auf prekäre und gesundheitsschädliche Beschäf- Wenn es allen Menschen möglich werden soll, tigung angewiesen zu sein (siehe C.V und C.VI). Erwerbs- und Sorgearbeit im Lebensverlauf zu verbin- den, muss Erwerbsarbeit grundsätzlich so gestaltet Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit sein, dass die Sorgearbeit mitgedacht ist – auch und gerade für Männer. Strukturen im Erwerbsleben müs- Für gleiche sowie gleichwertige Tätigkeiten von sen Elternschaft und Sorge für pflegebedürftige Per- Frauen und Männern muss gleiches Entgelt sonen von Beginn an berücksichtigen und berufliche bezahlt werden. Dies schließt gleiche Bezahlung für Entwicklung und Karriere unabhängig davon ermög- gleichwertige Tätigkeiten an Arbeitsplätzen ein, die lichen. Dies gilt sowohl für die abhängige als auch für überwiegend weiblich oder überwiegend männlich die selbstständige Erwerbstätigkeit (siehe C.I und C.III). konnotiert sind (siehe C.I.2). Dies gilt auch auf einer Insbesondere muss eine berufliche Karriere auch für gesellschaftlichen Ebene; insbesondere Auf- und Neu- Personen möglich sein, die informelle Verantwortung bewertungen für die SAHGE-Berufe sind ein wichtiges für Sorgearbeit übernehmen oder übernommen haben. gleichstellungspolitisches Ziel (siehe C.VI).

Dieses Ziel hat insbesondere Konsequenzen für die Abbau von Diskriminierung und Schutz vor Arbeitszeitgestaltung; sie muss lebenslauforientiert geschlechtsbezogener Gewalt Flexibilität und Arbeitszeitsouveränität ermögli- chen sowie Überforderung und Gesundheitsgefahren Grundvoraussetzung gleicher Verwirklichungschan- begegnen. Wenn Erwerbs- und Sorgearbeit nach cen ist, dass der Zugang zur Erwerbsarbeit, die Mög- individuellen und familiären Bedürfnissen gestal- lichkeiten der Übernahme von Sorgearbeit, berufliche

Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B Gleichstellungspolitische Ziele V 47 Aufstiegs- und Entwicklungschancen, das Entgelt und die Arbeitsbedingungen, die Verwirklichung der Ver- einbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit mit gutem Leben sowie die eigenständige wirtschaftliche Siche- rung unabhängig vom Geschlecht gewährleistet sind (siehe C.I). Der Abbau fortbestehender Diskriminie- rung ist also ein zentrales gleichstellungspolitisches Ziel. Für die selbstständige Erwerbsarbeit setzt dies beispielsweise voraus, dass der Zugang zu Kapital diskriminierungsfrei gewährleistet ist (siehe C.III.1).

Partnerschaftlichkeit ist unmöglich, wo Diskriminie- rung und geschlechtsbezogene Gewalt stattfinden.­ Der Schutz vor geschlechtsbezogener Gewalt ist Grundvoraussetzung, um Verwirklichungschancen tatsächlich zu nutzen und Aushandlungsprozesse in Familien und Paarbeziehungen partnerschaftlich zu bewältigen (siehe D.II).

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56 Die gleichstellungs­orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit B  Literaturverzeichnis 57 58 C. Handlungsempfehlungen

Handlungsempfehlungen C  C 59 In diesem Kapitel werden in Anknüpfung an den Ers- Ein besonderes Augenmerk gilt der Organisation ten Gleichstellungsbericht Handlungsempfehlungen der erwerbsförmigen Sorgearbeit insbesondere bei konkretisiert, die sich an der Leitidee gleicher Verwirk- SAHGE-Berufen, in denen bessere berufliche Entwick- lichungschancen unabhängig vom Geschlecht und lungsmöglichkeiten dem Ziel der gleichen Verwirkli- den daraus abgeleiteten gleichstellungspolitischen chungschancen dienen (C.IV). Hierbei wird der Blick Zielen orientieren. Dabei dient die gleichstellungsori- sowohl auf Berufsbilder und Ausbildung als auch auf entierte gemeinsame Gestaltung von Erwerbsarbeit Nachfrage- und Finanzierungssysteme sowie institu­ und Sorgearbeit als Leitidee. Denn Gleichstellung tionelle Strukturen gerichtet. setzt nicht nur die Möglichkeit einer gleichberechtig- ten Teilnahme an der Erwerbsarbeit für alle voraus, Sorgearbeit bedarf gleichstellungsförderlicher Rah- sondern auch die Möglichkeit, Erwerbs- und Sorge- menbedingungen. Dazu zählen eine qualitativ hoch- arbeit unabhängig vom Geschlecht partnerschaftlich wertige und zugängliche Betreuungs- und Infra- aufzuteilen. struktur, aber auch flexibel wahrnehmbare Rechte und soziale Leistungen, die Vereinbarkeit von gutem Die tatsächlichen Verwirklichungschancen und da- Leben, Sorge- und Erwerbsarbeit ermöglichen. Das mit auch die Risiken und Chancen in Lebensläufen Gutachten gibt dazu Handlungsempfehlungen mit von Frauen und Männern gestalten sich sehr un- Bezug auf die Sorge für Kinder (C.V), auf die Sorge für terschiedlich. Indikatoren für nicht verwirklichte pflegebedürftige Personen (C.VI) und auf die private Gleichstellung zeigen dies auf (siehe B.II.4). Über- Haushaltsführung (C.VII) ab. gangsphasen wie der Berufseinstieg oder die Geburt eines Kindes bilden hierbei oft entscheidende Knoten­ Damit die gleichstellungspolitischen Ziele erreicht punkte. Karrieren in der Erwerbsarbeit sind ebenso werden, müssen auch rechtlich verankerte Fehlan- wie persönliche Entwicklungen im Familienleben reize, die ihnen entgegenwirken, abgebaut werden. und in den sozialen Beziehungen im individuellen Dies betrifft insbesondere finanzielle Anreize, die eine Lebensverlauf pfadabhängig und dynamisch: Einmal asymmetrische Arbeits- und Ressourcenverteilung in getroffene Entscheidungen wirken sich langfristig in Ehen und Eingetragenen Lebenspartnerschaften för- die Zukunft aus; Erwartungen über die Zukunft beein- dern und dadurch die eigenständige wirtschaftliche flussen Entscheidungen heute. Gleichstellungspoliti- Existenzsicherung Sorgearbeitender gefährden (C.IX). sche Maßnahmen wirken in Übergangsphasen beson- ders stark, da vielfach gerade dann über die Verteilung Der letzte Abschnitt dieses Kapitels (C.X) umfasst von Erwerbs- und Sorgearbeit entschieden wird. Handlungsempfehlungen, die dem Ziel der eigen- ständigen und existenzsichernden Sicherung im Der folgende Teil des Gutachtens zeigt, welche konkre- Alter dienen. ten Maßnahmen und Schritte in Deutschland derzeit notwendig erscheinen, um dem Leitbild von gleichen Verwirklichungschancen mit einer geschlechter- gerechten Verteilung von Risiken und Chancen im Lebensverlauf näher zu kommen.

Dabei werden zunächst Handlungsempfehlungen für eine gleichstellungsorientierte Organisation der abhän- gigen Erwerbsarbeit gegeben (C.I). Sie zeigen, welche Schritte Politik, Sozialpartner und Arbeitgeber in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst im Be- reich der abhängigen Erwerbsarbeit unternehmen kön- nen, um die eigenständige wirtschaftliche Sicherung unabhängig vom Geschlecht voranzubringen, Diskri- minierung abzubauen und die Verwirklichungschan- cen eines Erwerb-Sorge-Modells zu verbessern. Daran anschließend werden Empfehlungen abgegeben, was in Berufsberatung und Arbeitsmarktpolitik, in Betrie- ben und Dienststellen für eine gleichstellungsorientier- te Berufswahl und Weiterbildung getan werden könnte (C.II) und wie der Zugang zu Kapital und sozialer Siche- rung in der selbstständigen Erwerbsarbeit gleichstel- lungsorientiert gestaltet werden könnte (C.III).

60 C.I.Gleichstellung in der abhängigen – die Förderung von Entgelttransparenz insbesondere Erwerbsarbeit durch gesetzlich verpflichtende betriebliche Ent- geltaudits und Auskunftsansprüche (sowie flankie- rend Berichterstattung und Verbesserungen im Für eine gleichberechtigte wirtschaftliche Unabhän- Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)) gigkeit und Existenzsicherung sind der Zugang zur – Maßnahmen der betrieblichen Gleichstellungs- Erwerbsarbeit, gleiche Entwicklungsmöglichkei- politik und deren Flankierung durch gesetzliche ten und ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld Pflichten zu Berichterstattung und Gleichstellungs- entscheidend. Um das Erwerb-und-Sorge-Modell zu aktionsplänen (sowie ergänzend Erweiterung des ermöglichen, bedarf es darüber hinaus einer um­ Anwendungsbereichs des FüPoG und Unterstützung fassend gleichstellungsorientierten Gestaltung der ab- freiwilliger Instrumente, u. a. eines Code of Ethics hängigen Erwerbsarbeit. Denn bei Karriere und Berufs- für Personalberatungen) aufstieg bestehen weiterhin erhebliche Schieflagen – diskriminierungsfreie und gleichstellungsorien- (siehe B.I.2); die Organisation der Erwerbsarbeit weist tierte Personalbeurteilung im öffentlichen Dienst bei den Verwirklichungschancen der Geschlechter Barrieren auf (siehe B.II.1). Dieser Abschnitt enthält Handlungsempfehlungen im Hinblick auf die ab- hängige Erwerbsarbeit in der Privatwirtschaft sowie Vorbemerkung im öffentlichen Dienst. Fragen der Gleichstellung in der selbstständigen Erwerbsarbeit werden später in Eine gleichstellungsorientierte Gestaltung der abhän- Abschnitt C.III behandelt. gigen Erwerbsarbeit erfasst sehr viele Handlungsbe- reiche und stellt Anforderungen an alle wirtschafts- Bereits der Erste Gleichstellungsbericht identifizierte und sozialpolitischen Akteurinnen und Akteure, die geschlechterhierarchische Strukturen auf Arbeits- Arbeitsmärkte gestalten, an Verbände, Tarifpartner, an märkten und in Unternehmen, in Betrieben und Arbeitgeber, an Betriebs- und Personalräte, Gleichstel- Dienststellen, ungleiche Entgelte und Einkommen lungsbeauftragte, Schwerbehindertenvertretungen sowie geschlechterstereotype Verteilungen von Ar- und viele andere. Gleichstellung in der abhängigen beitstätigkeiten und Arbeitszeiten zwischen Männern Erwerbsarbeit stellt insbesondere Anforderungen an und Frauen als hohe Barrieren, um gleiche Verwirkli- die Führungskräfte in Privatwirtschaft und öffent­ chungschancen mit einer geschlechtergerechten Ver- lichem Dienst und verlangt die Entwicklung geeigne- teilung von Risiken und Chancen im Lebensverlauf ter institutioneller Strukturen und Verfahrensweisen. herzustellen (vgl. Bundesregierung 2011: 109ff.). Die Ursachen für diese Barrieren sind ebenso vielfältig wie Im öffentlichen Dienst gibt es bereits verbindliche die Wechselwirkungen zwischen Betriebsstrukturen Gleichstellungsgesetze, die einen institutionellen und -kulturen, finanziellen Anreizen, Rechtsansprü- Rahmen und Mindeststandards für eine gleichstel- chen und geschlechterstereotypen Rollenzuschreibun- lungsorientierte Gestaltung der Erwerbsarbeit set- gen und -erwartungen. Der Erste Gleichstellungsbe- zen. Was die Privatwirtschaft angeht, hat die Politik richt hat in diesem Zusammenhang bereits eine Reihe in der Vergangenheit überwiegend auf das Instru- an Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Mit dem ment der freiwilligen Selbstverpflichtungen vertraut. am 01.05.2015 in Kraft getretenen Gesetz für die So wurde 2001 statt eines Gesetzes eine freiwillige gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur im öffentlichen Dienst (FüPoG) sowie dem Bemühen Förderung der Chancengleichheit von Frauen und um ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern in der Privatwirtschaft“ abgeschlossen. Teil- Frauen und Männern in der Legislaturperiode 2013– bereiche betrieblicher Gleichstellungspolitik wur- 2017 sind seither erste Schritte unternommen worden. den allerdings in den vergangenen 15 Jahren nach und nach gesetzlich geregelt und gerahmt. So hat das seit 2006 geltende Allgemeine Gleichbehandlungsge- setz (AGG) in Umsetzung europäischen Rechts einen Die Sachverständigenkommission empfiehlt für die Förde- gesetzlichen Diskriminierungsschutz geschaffen. rung der Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit: Außerdem wurden gleichstellungsförderliche indi- – die Einführung eines Wahlarbeitszeitgesetzes viduelle Rechtsansprüche geschaffen, unter anderem (sowie flankierend flexible Arbeitszeiten mit und vor allem der Rechtsanspruch auf Reduzierung Gesundheitsschutz und Grenzmanagement) der Arbeitszeit (z. B. § 8 TzBfG). Verbindliche Vorga- – eine öffentliche Debatte über die Vorstellungen ben zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspo- von „Vollzeit“ sitionen macht das Gesetz für die gleichberechtigte

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit I. 61 Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspo- 2011: 155). Trotz der vorhandenen betrieblichen sitionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Modelle für flexible Arbeitszeiten und des gesetz­ Dienst (FüPoG) von 2015. Zur Durchsetzung des Ver- lichen Anspruchs auf Arbeitszeitreduzierung ist die bots der Entgeltdiskriminierung werden inzwischen Lebensphasenorientierung in der Arbeitszeitgestal- verbindliche gesetzliche Einzelmaßnahmen von eu- tung in Deutschland bislang kaum vorangekommen. ropäischer Seite empfohlen (vgl. EU KOM 2014); für Die Rechtslage ist unübersichtlich und unzureichend Deutschland soll hierfür bis zum Sommer 2017 ein (vgl. Wank 2011; Kocher et al. 2013). Insbesondere ist Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen Teilzeitarbeit gegenwärtig noch häufig eine „Falle“, da und Männern verabschiedet werden. es keinen Rechtsanspruch darauf gibt, eine Reduktion der Arbeitszeit zu befristen und/oder wieder auf Voll- Vor diesem Hintergrund erscheint es der Sachverstän- zeitarbeit zu erhöhen und allgemeiner die Arbeitszeit digenkommission zum aktuellen Zeitpunkt sinnvoll, flexibel an die Phasen des Lebenslaufs anzupassen. den gleichstellungspolitischen Rahmen weiter durch Es ist mindestens ein Recht auf befristete Teilzeit Einzelmaßnahmen zu gestalten, statt – wie im Jahre und eine Beweislastumkehr 6 beim Anspruch auf 2001 durch eine Expertinnengruppe vorgeschlagen Arbeitszeiterhöhung erforderlich, wie es im Koaliti- (vgl. Pfarr 2001) – ein zusätzliches umfassendes Gleich- onsvertrag für die 18. Legislaturperiode 2013–2017 stellungsgesetz für die Privatwirtschaft aufzustellen. vorgesehen ist (siehe CDU/CSU/SPD 2013: 50). Darüber hinaus empfiehlt die Sachverständigenkom- Im Folgenden wird nur ein kleiner Teil der Fragen mission die Einführung eines allgemeinen Rechts auf behandelt, die eine gleichstellungsorientierte Ge­stal­- eine Anpassung der Arbeitszeitverteilung über den tung der abhängigen Erwerbsarbeit aufwirft. Der Tag und die Woche. Schwerpunkt liegt auf Handlungsempfehlungen zu Arbeitszeit, mobilem Arbeiten, Entgeltgleichheit und Die Aufsplitterung in zahlreiche individuelle Rechts- zur Förderung betrieblicher Gleichstellungsmaß- ansprüche ist nicht nur zu intransparent, um einen nahmen. Von der Umsetzung dieser Maßnahmen gleichstellungsorientierten Wandel der Arbeitskultu- verspricht sich die Sachverständigenkommission ren einleiten zu können. Die Fokussierung auf indi- strukturelle gleichstellungspolitische Wirkungen, die viduelle Rechtsansprüche geht auch an der Notwen- es ermöglichen sollen, ein Erwerb-und-Sorge-Modell digkeit eines strukturellen Wandels der betrieblichen im Lebensverlauf zu realisieren. Routinen vorbei. Da Einzelanliegen bei betrieblichen Planungen häufig nicht mitgedacht werden, wer- Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat Fragen den Einzelne, die von ihren individuellen Rechten der Wirksamkeit des Diskriminierungsschutzes un- Gebrauch machen – häufig betrifft dies Beschäftigte tersuchen lassen (vgl. ADS 2015; Büro für Recht und nach sorgebedingten Auszeiten – zu „Störfällen“ in Wissenschaft 2016). Die Sachverständigenkommis- den Betriebsabläufen. Es bedarf deshalb eines Zusam- sion verweist auf die Ergebnisse dieser Untersuchun- menführens der individuellen Ansprüche mit der Ar- gen, was die Fragen des Zugangs zur Erwerbsarbeit, der beitszeitplanung eines Betriebes unter Einbeziehung sexualisierten und geschlechtsbezogenen Belästigung von Mitbestimmungsakteurinnen und -akteuren. und Gewalt sowie Fragen des diskriminierungsfreien Umgangs mit Geschlechtervielfalt, insbesondere im Gleichstellungsorientierte Gestaltung eines allgemeinen Hinblick auf Trans*Menschen und Inter*Menschen, Anpassungsrechts angeht. Auf die Frage des Cyber Harassment geht die Sachverständigenkommission in Abschnitt D.I.3 Die Sachverständigenkommission empfiehlt des- ein. Abschnitte C.V, C.VI, C.VII und C.VIII behandeln halb, die bestehenden Ansprüche auf Teilzeitarbeit konkrete Regelungen zur Ermöglichung des Erwerb- (insbesondere § 8 TzBfG) zu einem Wahlarbeitszeit- und-Sorge-Modells in Bezug auf Elternschaft, Pflege, gesetz weiterzuentwickeln und mit einer Pflicht zur haushaltsnahe Dienstleistungen und Wiedereinstieg. Erstellung betrieblicher Wahlarbeitszeitkonzepte zu verbinden. Hierfür ist zunächst ein allgemeines indi- viduelles Recht von Arbeitnehmerinnen und Arbeit- 1. Arbeitszeit und mobiles Arbeiten nehmern auf Bestimmung von Arbeitszeitdauer und Arbeitszeitlage zu schaffen, das unter dem Vorbehalt a. Wahlarbeitszeitgesetz betrieblicher Gründe steht. Für die Festlegung, wel- che dieser Gründe dem Anspruch entgegengehalten Bereits im Ersten Gleichstellungsbericht wurde eine Weiterentwicklung sozialversicherungspflichtiger Teilzeitarbeit im Rahmen eines Gesetzes zu Wahl- 6 Der Arbeitgeber sollte nachweisen müssen, dass es keine Möglichkeit arbeitszeiten vorgeschlagen (vgl. Bundesregierung gibt, die Arbeitszeit der oder des Beschäftigten (wieder) zu erhöhen.

62 werden können, sollte das Gesetz auf von den ist Erwerbsarbeit oft nur möglich, wenn betriebliche Betrieben zu entwickelnde Wahlarbeitszeitkonzep- Routinen flexibel genug sind, um auf die Anforderun- te verweisen, die zwingend gleichstellungspoliti- gen der privaten Organisation unbezahlter Sorgear- schen Anforderungen genügen müssen. Arbeitge- beit Rücksicht nehmen zu können. Ein Wahlarbeits- ber, die kein solches Konzept entwickeln, hätten in zeitgesetz erkennt an, dass die Ermöglichung eines der Konsequenz nur eingeschränkte Ablehnungs- Erwerb-und-Sorge-Modells nicht für alle Personen rechte gegenüber individuellen Arbeitszeitwünschen und nicht in allen Arbeitsorganisationen das Gleiche (vgl. zum Ganzen djb 2015 und 2016). bedeutet; Lösungen nach dem Motto „One size fits all“ sind daher gleichstellungspolitisch nicht unbedingt Ein gleichstellungsorientierter Wandel betrieblicher hilfreich (vgl. Fallstudien von Weßler-Possberg 2013). Arbeitszeitroutinen kann langfristig der bestehenden (teilweise rechtswidrigen) Diskriminierung von Teil- Ein Wahlarbeitszeitgesetz mit den hier vorgeschlage- zeitbeschäftigten entgegenwirken. Denn Teilzeitbe- nen Inhalten bedeutet in der Sache lediglich einen klei- schäftigung zeitigt heute gravierende Nachteile beim nen Schritt im Vergleich zum geltenden Recht, das ja Stundenentgelt, bei der beruflichen Entwicklung und bereits eine Vielzahl einzelner Rechtsansprüche sowie bei Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten. Auch im öf- betrieblicher Mitbestimmungsrechte bezüglich der Ar- fentlichen Dienst ist die Inanspruchnahme familien- beitszeit enthält. Zudem verlangt die Rechtsprechung gerechter Arbeitszeiten üblicherweise nicht karriere- von Arbeitgebern bereits, die Grundrechte von Eltern förderlich. Mit einer Verallgemeinerung und weiteren zu berücksichtigen (vgl. Kocher et al. 2013: 71). Mit Ein- Verbreitung flexibler Arbeitszeitoptionen entsteht führung eines Wahlarbeitszeitgesetzes erweitern sich in Betrieben und Gesellschaft ein Bewusstsein dafür, nicht nur bestehende Rechte. Diese werden auch neu dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch mit zusammengeführt und mit gleichstellungspolitischen veränderten Anwesenheits- und Verfügbarkeitserwar- Zielsetzungen verbunden. Für eine gleichstellungs- tungen im Beruf Leistung bringen und Führungsver- orientierte Gestaltung der abhängigen Erwerbsarbeit antwortung übernehmen können. Für Alleinerziehen- hat dieser Schritt weitreichende Bedeutung: Ein Wahl­ de sind flexiblere Arbeitszeiten besonders bedeutsam: arbeitszeitgesetz verankert ein Leitbild sorgearbeitsge- Fast jede vierte erwerbstätige alleinerziehende Mut- rechter Arbeitszeiten für alle Beschäftigten und somit ter würde gern mehr Stunden in der Woche arbeiten auch für Väter und Männer. Im Anschluss wird auch (vgl. Prognos 2015: 12). eine Ratifizierung des Abkommens Nr. 156 der Interna- tional Labour Organization (ILO) über „Arbeitnehmer Ein solches Wahlarbeitszeitgesetz gewährleistete mit Familienpflichten“ möglich. einen Einstieg in betriebliche Arbeitszeitkulturen, die Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten unab- Mobiles Arbeiten und Arbeit im Homeoffice hängig von bestimmten vorgegebenen Normmodel- in einem Wahlarbeitszeitgesetz len und bliebe damit auch für Minderheitenwünsche und kommende gesellschaftliche Entwicklungen Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Angebote der Arbeit- offen. Heute sind selbstbestimmte Arbeitszeiten da- geber, mobiles Arbeiten und Homeoffice zu verwirk- gegen eher die Ausnahme: Zwar bieten ca. 60 % der lichen, in Deutschland hinter den betrieblichen und Unternehmen flexible Gestaltungen der Arbeitszeit technischen Möglichkeiten zurückbleiben. Entgegen an (vgl. Hipp et al. 2015). Jedoch können nur 38 % der den Trends in anderen hochentwickelten Volkswirt- Beschäftigten über Beginn und Ende ihres Arbeitstags schaften geht hierzulande der Anteil der abhängig selbst entscheiden; jeder bzw. jede siebte Beschäftigte Beschäftigten, die auch von zu Hause aus arbeiten, muss sich mit der Arbeitszeit häufig an kurzfristige sogar zurück: Er ist von knapp 10 % 2008 auf aktuell Änderungen anpassen (vgl. BAuA 2016: 10). Barrie- 7,4 % gesunken (vgl. Brenke 2016). Rund 50 % der Be- ren für die Nutzung von Teilzeitoptionen bestehen schäftigten würden aber gerne zeitweise von zu Hau- vor allem bei Hochqualifizierten; aber auch „am un- se oder einem anderen Ort als dem Büro aus arbeiten teren Ende der Hierarchie gibt es insgesamt wenig (vgl. BMFSFJ 2015b: 21; siehe auch Hipp et al. 2015). Aufmerksamkeit für die Zeitbedürfnisse der Beschäf- tigten“ (Klenner/Lott 2016: 21ff.). Die Chance, flexible Mobile Arbeit, d. h. Arbeiten von unterwegs oder Arbeitszeitoptionen vorzufinden, sollte künftig aber ortsunabhängiges Arbeiten, und Arbeit im Homeof- durchgehend gegeben sein. fice, d. h. Arbeiten ausschließlich von zu Hause aus, bergen die Gefahr, dass Sorgearbeitsfragen in den Zu betonen ist insbesondere, dass mit dem vorge- Hintergrund rücken und sich die ungleiche Vertei- schlagenen Wahlarbeitszeitgesetz auch Variationen lung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den der Arbeitszeitlage und Ausweitungen der Arbeitszeit Geschlechtern verfestigt. Wichtig ist deshalb, mo- ermöglicht würden. Nicht nur für Alleinerziehende bile Arbeit bzw. Homeoffice nicht vor allem mit der

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit I.1 63 Präsenz im eigenen Haushalt zu assoziieren. Erwerbs- sich bei vielen Paaren nach der Geburt eines Kindes und Sorgearbeiten können (und sollten) nicht parallel einstellende Retraditionalisierung der Arbeitsteilung geleistet werden, auch nicht zu Hause. in der Paarbeziehung (ebd.: 44f.).

Mobile Arbeit und Homeoffice bieten jedoch auch Geschlechtsbezogene Regelungen und traditionelle Chancen, um ein Erwerb-und-Sorge-Modell zu leben: Geschlechterrollenbilder in den Betrieben wirken bis Sie tragen nachweislich dazu bei, dass sich die Zeit- in die Familien hinein und bestimmen mit über die verwendung verändert. So übernehmen Männer, die Arbeitsteilung zwischen Eltern (vgl. Bernhardt 2015: zu Hause Erwerbsarbeit leisten, mehr Sorgearbeit 1085ff.; Rudman/Mescher 2013; Stone/Ackerly Hern- im Rahmen der Kinderbetreuung. Frauen, die von andez 2013; Klenner/Lott 2016). In der abhängigen zu Hause aus arbeiten, sind dagegen mehr Stunden Erwerbsarbeit wird die Nutzung von Arbeitszeitop- erwerbstätig und seltener prekär beschäftigt (vgl. tionen bis heute oft nur in als weiblich angesehenen Boll 2017: 50). Mobilitätszeit, die durch Homeoffice Tätigkeitsbereichen akzeptiert; es wird also ein Zu- eingespart wird, wird von Arbeitnehmerinnen und sammenhang zwischen der zuerkannten Legitimi- Arbeitnehmern zu 80 % als Familienzeit genutzt tät der Nutzung von Arbeitszeitoptionen und der (vgl. BMFSFJ 2015b: 25). geschlechtsbezogenen Segregation von Tätigkeitsbe- reichen und Positionen hergestellt (vgl. Klenner/Lott Die Sachverständigenkommission empfiehlt die 2016: 45ff.). Diese Rahmenbedingungen und betrieb- Einbeziehung von mobiler Arbeit und Arbeit im lichen Diskurse haben viel mit einer allgemeinen Homeoffice in ein gleichstellungsorientiertes Wahl- Geringschätzung von Sorgearbeit zu tun, aber auch arbeitszeitgesetz. Dieses sollte ein Recht auf Bestim- mit imaginierten und realen Diskriminierungsge- mung des Arbeitsorts enthalten, d. h. einen Rechts- fahren bei Teilzeitbeschäftigung (ebd.: 52ff., 73ff.). anspruch auf mobiles Arbeiten und auf Arbeiten im Die Sachverständigenkommission hält es deshalb für Homeoffice, dem der Arbeitgeber – ebenso wie beim unabdingbar, betriebliche Wahlarbeitszeiten mit Recht auf Arbeitszeitvariation – betriebliche Gründe Gleichstellungszielen zu verknüpfen. entgegensetzen müsste. Gesundheits- und Entgrenzungsschutz Gleichstellungsorientierung in der Arbeitszeitgestaltung Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte bergen Gefah- Flexible Arbeitszeitangebote offen zu gestalten, also ren der Entgrenzung, der Überforderung und Über- nicht an bestimmte Bedingungen (beispielsweise lastung, vor allem, wenn damit verknüpft wird, dass Elternschaft oder Pflegeverantwortung) zu knüpfen, Unternehmen eine Präsenzkultur durch eine Ergeb- ist eine Voraussetzung dafür, damit eine geschlech- niskultur ersetzen (vgl. Ahlers 2016). Sie müssen daher terstereotype Wahrnehmung von Teilzeitmöglich- mit wirksamen Maßnahmen zum Gesundheits- und keiten nicht zur „Falle“ für Frauen wird. Sonderre- Entgrenzungsschutz verbunden werden. Dies gilt auch gelungen für bestimmte Nutzergruppen können und gerade für die mobile Arbeit, die eine besonders dagegen diejenigen, die spezielle Vereinbarkeitslösungen starke Tendenz zu Entgrenzung in sich trägt: Jeder Mo- in Anspruch nehmen (müssen), stigmatisieren ment kann hier zu einer potenziellen Arbeitssituation (vgl. Botsch et al. 2007; Rudman et al. 2013; Stone/ werden. Bereits heute klagt über die Hälfte der Beschäf- Ackerly Hernandez 2013). tigten über häufigen Termin- und Leistungsdruck; von 22 % wird erwartet, dass sie in der Freizeit für dienstli- Wenn heute Angebote zur Vereinbarkeit von Fami- che Angelegenheiten erreichbar sind (vgl. BAuA 2016: lie und Beruf in der betrieblichen Praxis fast aus- 11). Wenn Zeitsouveränität ein Erwerb-und-Sorge- schließlich von Frauen wahrgenommen und damit Modell ermöglichen soll, ist dies aber mit Erwartungen traditionelle Familienbilder und Geschlechterstereo- ständiger Verfügbarkeit unvereinbar. type verfestigt werden, sind dafür auch die betriebli- chen Bedingungen verantwortlich. Die Nutzung von Angesichts der Gefahren vor allem der mobilen Elternzeit und Elterngeld durch Väter wird z. B. Arbeit empfiehlt die Sachverständigenkommission entscheidend dadurch beeinflusst, welche Arbeitszeit- die Übernahme neuer Verantwortlichkeiten durch flexibilität der Betrieb oder die Dienststelle ermög- Arbeitgeber, um die Beschäftigten in der Wahrneh- lichen (vgl. Pfahl et al. 2014); das Angebot flexibler mung von Zeitautonomie zu unterstützen. Am Arbeitszeiten seitens des Arbeitgebers kann zu einer wichtigsten ist dabei eine gleichstellungsorientierte passgenaueren Abstimmung der Arbeitszeiten zwi- Personalplanung, die alle Arbeitnehmerinnen und schen Eltern führen und somit auch zu mehr Fami- Arbeitnehmer als Erwerbs- und Sorgearbeitende lienzeit (vgl. Boll 2017: 49f.). Dennoch unterstützen begreift. Dazu gehört, allen Beschäftigten die Inan- betriebliche Arbeitszeitroutinen heute eher noch die spruchnahme von flexiblen Arbeitszeiten zu ermög-

64 lichen und Arbeitsverdichtung zu vermeiden, indem weniger formalisierten Personalmanagements haben ausreichend Personalkapazitäten vorgehalten werden. KMU sogar grundsätzlich besonders gute Vorausset- Andernfalls kann es, wenn Arbeitszeitrechte wahrge- zungen, um ihren Beschäftigten Zeitsouveränität zu nommen werden, zu Konflikten mit Kolleginnen und ermöglichen. Bereits heute gelingt es in kleinen und Kollegen zu kommen, die mit Mehraufgaben belastet sehr großen Betrieben am besten, Arbeitszeitverän- werden (vgl. Klenner/Lott 2016: 52ff.). Welche Gefah- derungen zu verwirklichen (vgl. Seifert et al. 2016; ren hier drohen, zeigen Erfahrungen aus dem öffent- Beschäftigte im Handwerk sowie in kleinen Betrieben lichen Dienst. Hier ist die notwendige Entlastung bei haben jedoch wenig Einfluss auf ihre tägliche Arbeits- Arbeitszeitverkürzung zwar oft gesetzlich geregelt zeit vgl. BAuA 2016: 55). (vgl. § 16 Abs. 2 BGleiG); in der Praxis jedoch reichen die Budgets häufig nicht aus, um für personellen oder Die Einführung flexibler und transparenter Arbeits- technischen Ausgleich zu sorgen. Zu den geeigneten zeitmodelle erfordert allerdings Ressourcen und Maßnahmen zum Schutz vor Entgrenzung zählen Kenntnisse im Personalmanagement, über die KMU Regeln, Besprechungen nicht in den Abendstunden oft nicht ausreichend verfügen. Die kommunalen und abzuhalten oder zu bestimmten Uhrzeiten den Zu- regionalen Organisationen der Wirtschaftsförderung gang zu den Unternehmensrechnern zu sperren. Die (die Industrie- und Handels- bzw. Handwerkskam- Sachverständigenkommission empfiehlt insofern mern) können hier unterstützend wirken, indem sie auch, bestehende Betriebsvereinbarungen (und tarif- Informations-, Austausch- und Beratungsmöglich- liche Regelungen) zu mobilem Arbeiten und Home­ keiten zur Einführung lebensverlaufsorientierter office auszuwerten und gute Lösungen auf die tarif­ Arbeitszeitmodelle anbieten. Hierfür bedarf es finan- liche (oder gesetzliche) Ebene zu heben. zieller Unterstützung durch den Bund und die Länder. Bisher fehlt es noch an geeigneten Fördermitteln der Die Sachverständigenkommission empfiehlt darü- Mikrofinanzierung für Honorare, Reisekosten, u. Ä. ber hinaus die Regelung von Mindeststandards zum (vgl. Mahler-Walther 2017). Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftig- ten im Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Dies betrifft insbe- b. Öffentliche Debatte über die Vorstellungen sondere die lückenlose Erfassung und Dokumentation von „Vollzeit“ der geleisteten Arbeitszeit, die zeitliche Begrenzung von Rufbereitschaft und „ständiger Erreichbarkeit“ Das bloße Vorhandensein von gleichstellungsori- sowie die Anforderung, dass in arbeitszeitrechtlich entiert gestalteten flexiblen Arbeitszeitoptionen ist geschützten Zeiträumen (Erholungszeit) keine dienst- noch kein Garant für Geschlechtergerechtigkeit. Da- liche Kontaktaufnahme vorgenommen werden darf, mit ein Wahlarbeitszeitgesetz die mit einem Wandel also das sogenannte Recht auf Nichterreichbarkeit der Arbeitskulturen in Unternehmen, Verwaltungen (vgl. Pfeiffer 2015; siehe auch Krause 2016). und anderen Organisationen verbundenen gleichstel- lungspolitischen Ziele erreichen kann, ist eine Reihe Angesichts der Entwicklungen auf dem Gebiet der weiterer begleitender Maßnahmen unbedingt erfor- Digitalisierung wird das gleichstellungspolitische derlich. Denn die Barrieren für einen Wandel der ge- Augenmerk künftig verstärkt darauf liegen müssen, schlechterhierarchischen Arbeitsteilung und die Hin- einerseits Zeitsouveränität zu ermöglichen und an- dernisse für eine stärkere Beteiligung der Männer an dererseits Schutz vor Verfügbarkeitserwartungen der Sorgearbeit sind nicht nur betrieblicher, sondern zu gewährleisten. Dabei darf die Verantwortung der auch gesellschaftlicher Art (vgl. Lott/Klenner 2016). Beschäftigten nicht außer Acht gelassen werden (vgl. Bundesregierung 2011: 195; siehe auch Rexroth-Straß- Bereits der Erste Gleichstellungsbericht hat den Aus- ner 2015). Ein solches „Grenzmanagement“ bringt bau des Segments einer „kurzen Vollzeit“ mit 30 bis 35 sowohl in abhängigen wie auch in selbstständigen Wochenstunden empfohlen; gerade im Kontext der Beschäftigungsverhältnissen hohe Anforderungen Vereinbarkeit von Familie und Führungstätigkeit für an die Kommunikations- und Organisationsfähigkeit beide Geschlechter könne dies (bei entsprechend vor- mit sich. Dem wird zukünftig bereits das Ausbildungs­ handenen öffentlichen Betreuungsinfrastrukturen) system Rechnung tragen müssen. zur Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit beitragen und ein effektives Instrument moderner Personalpoli- Kleine und mittlere Unternehmen tik sein (vgl. Bundesregierung 2011: 195). Nach wie vor sind aber gesellschaftliche Vorstellungen von Norma- Ein Wahlarbeitszeitgesetz, das die Grenzen betriebli- lität in der Erwerbsarbeit fast durchgehend an einem cher Machbarkeit grundsätzlich akzeptiert, ist auch Arbeitsverhältnis mit einer 40-Stunden-Woche orien- in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) um- tiert, in Führungspositionen häufig verbunden mit setzbar. Aufgrund ihrer flacheren Hierarchien und des Überstunden. Obwohl Teilzeitarbeit in heutigen fami-

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit I.1 65 liären Zuverdiener-Arrangements 7 gängig ist, wird sie gebracht werden.“ (Mückenberger 2016: 27; vgl. auch in der politischen und wissenschaftlichen Debatte im- Mückenberger 2007; Jurczyk 2015). Ziehungsrechte mer noch häufig pauschal als atypische Beschäftigung beziehen sich auf ein Gesamtzeitbudget für Sorge- bezeichnet.8 Normalitätsvorstellungen, die sich allein arbeit, für Weiterbildung wie für Selbstsorge, mit auf eine herkömmliche Vollzeiterwerbstätigkeit be- entsprechend differenzierten Vorschlägen für Finan- ziehen, stellen jedoch Barrieren für Personen dar, die zierungsmodi und soziale Absicherung. Ansprüche partnerschaftliche Erwerb-und-Sorge-Arrangements auf einen bestimmten Umfang an erwerbsarbeitsfrei- leben wollen. er Zeit in der Erwerbsphase würden damit sozialpo- litisch auf Grundsicherungsniveau abgefedert oder Die Sachverständigenkommission hält deshalb eine auf Langzeitkonten angespart (vgl. Bundesregierung öffentliche Debatte für erforderlich, die gesellschaft- 2011: 195; in Anknüpfung an Supiot 2001: 56f.; Mü- liche Vorstellungen über „normale Vollzeitarbeit“ mit ckenberger 2007: 199). Ein konsistentes Gesamtkon- Blick darauf hinterfragt, ob sie Erwerbs- und Sorgear- zept derartiger Ziehungsrechte zu konzipieren, ist beit im Leben jedes Menschen vorsehen und ermögli- sehr anspruchsvoll. Es gibt noch zahlreiche offene chen. Eine gleichstellungsförderliche Gestaltung der Gestaltungsfragen, die bis zur Entwicklung umset- Erwerbsarbeit setzt Vorstellungen von einer Vielfalt zungsfähiger Szenarien zu klären sind (vgl. Kocher möglicher Normalitäten voraus, insbesondere bei der 2013; Jurczyk 2015: 280; Mückenberger 2016: 29f.). Ein Arbeitszeitgestaltung. Solche Debatten können in Zu- derartiger Systemwechsel wird hier nicht empfohlen. sammenhang mit Kampagnen zur Sichtbarkeit von Rollenvorbildern gefördert werden (siehe z. B. das Pro- Die Sachverständigenkommission verwendet die Idee gramm „Erfolgsfaktor Familie“, die „Charta für fami- der Ziehungsrechte im Folgenden als mögliche Leit- lienbewusste Arbeitszeiten“ oder das Memorandum idee für die die öffentliche Finanzierung von Arbeits- „Familie und Arbeitswelt – Die NEUE Vereinbarkeit“). zeitreduzierungen oder Erwerbsunterbrechungen. Danach wäre nicht jede Erwerbsunterbrechung oder c. Ziehungsrechte: flankierende soziale Leistungen Arbeitszeitreduzierung mit Steuermitteln oder durch Sozialversicherungsleistungen zu fördern bzw. zu Lebensphasenorientierte Arbeitszeiten bringen nicht finanzieren. Legitim erscheint eine öffentliche Finan- selten zumindest vorübergehend Reduzierungen der zierung jedoch insbesondere dort, wo Einkommens- Arbeitszeit mit sich; daran dürfte voraussichtlich auch verluste zu kompensieren sind, die auf gesellschaftlich eine veränderte Vollzeitnorm wenig ändern. Finanzi- notwendige Sorge für andere Personen zurückgehen, elle Gründe können zudem dazu führen, dass Arbeits- wie im Fall des Elterngeldes (siehe C.V.3). Welche Fäl- zeiten nicht wie gewünscht reduziert werden können. le es im Einzelnen sind, für die flankierende soziale Auch Arbeitszeitkonten bieten nur denjenigen eine Leistungen gewährt werden sollten, und welche Finanzierung von Arbeitszeitreduktionen, die es sich Umsetzungsmodelle hierfür denkbar sind, wird an zeitlich leisten können. Dies trifft meistens gerade anderen Stellen in diesem Gutachten ausgeführt nicht auf diejenigen zu, die Verantwortung für unbe- (siehe C.V.2, 3 und C.VI.2.b). zahlte Sorgearbeit in der Familie übernommen haben (vgl. Kocher et al. 2013: 263ff.). Tatsächlich werden erarbeitete Wertguthaben auf Arbeitszeitkonten nur 2. Entgeltgleichheit und geschlechtergerechte zu einem äußerst geringen Anteil für unbezahlte Bewertung von Tätigkeiten Sorgearbeit genutzt (4 % bei Männern, 10 % bei Frau- en, vgl. Seifert et al. 2013: 139). Indikatoren zu den Einkommens- und Entgeltun- terschieden zwischen Männern und Frauen zeigen, Es gilt deshalb darüber nachzudenken, wie das Steu- dass Deutschland im europäischen und globalen er- und das Sozial(versicherungs)system eine neue Vergleich einen enormen Nachholbedarf in Sachen Arbeitszeitnorm sowie lebensphasenorientierte Entgeltgleichheit hat (siehe B.II.4 und B.II.5) – trotz Reduktionen der Arbeitszeit flankieren und finanzie- mittlerweile nahezu gleichwertig hoher Berufs- ren können. Finanzielle Absicherungen kommen da- qualifikationen von Frauen und Männern. Soweit rüber hinaus auch als Entgeltersatz in Betracht. Der Erste Gleichstellungsbericht hatte vorgeschlagen, Ziehungsrechte einzuführen: „Ziehungsrechte sind 7 Zum Begriff siehe B.III.1. zeitbezogene Optionsrechte Beschäftigter mit Blick auf die für Lebenslagen und biografische Verläufe 8 Das Statistische Bundesamt allerdings klassifiziert (unbefristete) spezifischen Zeitbedarfe. [...] Mit Ziehungsrechten soll Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse mit einer vereinbarten Wochen- eine neue ‚Regel‘ in das Verhältnis zwischen Arbeits- arbeitszeit von über 20 Stunden zu Recht nicht als „atypisch“ zeit und sonstiger Lebensführung (insbesondere Care) (vgl. Destatis 2016f.).

66 Fortschritte zu erkennen sind, stimmen diese kaum zur Arbeitsbewertung und beruflichen Einstufung; optimistisch: Schreibt man die Entwicklung von 1970 zudem wären detaillierte Angaben zum Entgelt und bis 2016 fort, wäre erst in etwa 120 Jahren ein Gender zu geschlechtsbezogenen Entgeltunterschieden zu Pay Gap von nahe null in Westdeutschland erreicht – machen. Das Audit sollte nicht nur das feste Grund- falls nicht politische Korrekturen die Entwicklung gehalt, sondern auch Leistungs- und Erschwerniszu- beschleunigen. Und auch dies gilt nur bei einer lagen sowie andere Entgeltbestandteile wie Sachleis- optimistischen Prognose, denn seit den 1990er Jahren tungen und Bonuszahlungen erfassen (vgl. BMFSFJ schließt sich in Westdeutschland die Entgeltlücke 2014b). Geeignete Prüfverfahren sind bereits entwi- langsamer und in Ostdeutschland ist (bei grundsätz- ckelt worden. In der Praxis sind sie zwar erprobt, wer- lich besserer Ausgangslage als in Westdeutschland) in den jedoch über Pilotprojekte hinaus kaum angenom- den letzten zehn Jahren sogar eine Vergrößerung der men. Deshalb sollten entsprechende Entgeltaudits Entgeltungleichheit festzustellen (von 6 % auf 8 % gesetzlich verpflichtend werden. Nur so kann auch in den Jahren 2006 bis 2015, vgl. Destatis 2016e). gewährleistet werden, dass nur solche Verfahren eingesetzt werden, die tatsächlich geeignet sind, un- a. Entgelttransparenz auf betrieblicher Ebene gleiche Entgelte bei gleichwertiger Arbeit aufzudecken.

Auf vielen Ebenen bestehen aktuell Intransparenz und Darüber hinaus empfiehlt die Sachverständigenkom- Unklarheit. Intransparenz befördert und erhält aber mission die Schaffung eines individuellen Rechts Entgeltungleichheit; sie verstärkt insbesondere In- der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Ver- formationsasymmetrien bei Gehaltsverhandlungen. gleichsinformationen in Bezug auf eine Referenzgrup- Aktuell ist es den Beschäftigten meist nicht möglich, pe mit vergleichbaren Arbeitsplätzen, wobei die An- ihr Gehalt vergleichend einzuschätzen. Vor allem fehlt onymität innerhalb der Referenzgruppe sicherzustel- es an konkreten und belastbaren Referenzwerten, wel- len wäre. Die gesetzliche Regelung ist nach Ablauf von che die Beschäftigten z. B. in Gehalts­verhandlungen spätestens vier Jahren nach Einführung zu evaluieren. strategisch und argumentativ verwenden könnten; hilfreich wären Daten über Referenzeinkommen Eine Ausnahme von diesen gesetzlichen Verpflich- von Berufsgruppen, Funktionen, Positionen und tungen sollte allenfalls für Betriebe mit enger von Gruppen im Betrieb mit ähnlichen Tätigkei- persönlicher Zusammenarbeit sowie geringer Finanz- ten; eine Offenlegung individueller Einkommen ausstattung und Verwaltungskapazität gelten, bei erscheint hierfür nicht erforderlich (vgl. BMFSFJ 2015c: denen gute Gründe dafür sprechen, anzunehmen, dass 82). Auch die Europäische Kommission empfiehlt Audits kein geeignetes Instrument sind, um Erkennt- den EU-Mitgliedstaaten, Transparenz und Berichter- nisse über die angewandten Regeln für Entgeltfindung stattung durch Arbeitgeber zu institutionalisieren zu liefern (zum Verständnis solcher Kleinbetriebe (vgl. EU KOM 2014). von bis zu zehn Beschäftigten siehe BVerfGE 97, 169; vgl. z. B. auch die Kleinbetriebsklausel in § 13 Abs. 1 In Erfüllung der Koalitionsvereinbarung 2013–2017 Satz 2 LGG Berlin). Für diese Betriebe ist die Entwick- soll noch in der 18. Legislaturperiode ein Gesetz lung funktionaler Äquivalente zu prüfen. für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern verabschiedet werden. Zum Zeitpunkt des Entgelt-Audits und Auskunftsansprüche sind auch Abschlusses der Arbeiten an diesem Gutachten lag in Betrieben mit Tarifbindung erforderlich. 2015 dem Bundestag noch kein entsprechender Gesetz- waren 89 % der Betriebe mit 200 und mehr Beschäf- entwurf vor. Die Sachverständigenkommission ist tigten tarifgebunden oder orientierten sich an einem aber der Meinung, dass ein solches Gesetz von großer Tarifvertrag (eigene Berechnungen auf Grundlage Bedeutung für eine effektivere Durchsetzung des Ent- des IAB-Betriebspanels 2015). Beschäftigte profitie- geltgleichheitsgebots sein kann. Sie hält in diesem ren von Tarifbindung unterschiedlich: Männer er- Rahmen zwei Instrumente für zentral: betriebliche halten in tarifgebundenen Betrieben ein im Schnitt Prüfverfahren (sogenannte Entgeltaudits) einerseits um 6,6 % höheres Bruttostundenentgelt als in nicht und individuelle Auskunftsansprüche andererseits. tarifgebundenen Betrieben; bei Frauen beläuft sich die Differenz auf 9,2 % (vgl. Bispinck/Amlin- Die Sachverständigenkommission empfiehlt deshalb, ger 2015: 7). Forschungen und Analysen über die dass Arbeitgeber und Tarifvertragsparteien in regel- tarifliche Bewertung frauendominierter Tätigkeiten mäßigen mehrjährigen Abständen betriebliche Prüf- zeigen jedoch seit Jahrzehnten immer wieder, dass verfahren (Entgeltaudits) durchführen. In diesem auch Tarifverträge Einfallstore für ungerechtfertigte Zusammenhang wären Analysen des Frauen- und Unterschiede enthalten (Rohmert/Rutenfranz 1975; Männeranteils für jede Entgeltgruppe oder Position zu BMFSFJ 2014b). Zum Teil geht dies auf jahrzehnte- erstellen, ebenso Analysen des angewandten Systems alte Bewertungen zurück, die noch nicht beseitigt

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit I.2 67 wurden; zum Teil hat dies aber mit fortbestehender aktuellen Praxis spiegeln bzw. reproduzieren Entgelt- Geringschätzung frauendominierter Tätigkeiten systeme die geschlechterhierarchische Bewertung von zu tun. Zum Teil haben Rationalisierung, Automa- Tätigkeiten – auch dann, wenn sie formal nicht nach tisierung, neue Arbeitsorganisation u. Ä. in vielen dem Geschlecht differenzieren. So werden beispiels- Betrieben die Tätigkeitszuschnitte so verändert, weise Tätigkeiten, die faktisch überwiegend Frauen dass diese in den bestehenden Tarifverträgen nicht zugewiesen sind, gegenüber männlich dominierten mehr zutreffend eingeordnet sind; dies kann gerade Tätigkeiten häufig unterbewertet; „hierzu tragen die frauendominierte Tätigkeiten betreffen (zur Arbeits- (partielle) Ausblendung oder Gering(er)bewertung marktprognose siehe B.II.1). Die rechtliche Angemes- von spezifisch ‚weiblich‘ konnotierten Kompetenzen senheitsvermutung von Tarifverträgen (§ 310 Abs. 4 und Tätigkeiten wie Emotions- und Interaktionsarbeit Satz 1 BGB; siehe BAGE 148, 139) gilt entsprechend in Entgeltsystemen bei“ (ADS 2015: 45f.; vgl. Lillemeier auch nur, soweit Tarifverträge die strukturelle Unter- 2016: 9ff.). Wie sich diese und andere strukturell und legenheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mittelbar diskriminierenden Annahmen über „Frauen- mern im Verhältnis zum Arbeitgeber ausgleichen, arbeit“ und „Männerarbeit“ sowie geschlechterstereo- nicht jedoch für die „Verteilungsgerechtigkeit in der type Tätigkeitszuweisungen und damit einhergehen- Gruppe“. „Die Gleichbehandlungsgebote der Verfas- de Bewertungen bzw. Entwertungen auf das Entgelt sung sind […] fundamentale Handlungsanleitungen auswirken, zeigen z. B. die Entgeltungleichheiten zu- an jeden Normgeber“ (BAG, Urteil vom 04.04.2000 – lasten von schwulen, lesbischen und Trans*Personen 3 AZR 729/98; ebenso die ständige Rechtsprechung (vgl. Badgett et al. 2007: 12ff.; Weichselbaumer 2002); des EuGH für das Recht der EU, siehe z. B. EuGH, so konnte z. B. gezeigt werden, dass Transfrauen nach Urteil vom 27.06.1990 – C-33/89 (Kowalska)). einer Transition durchschnittlich 20 % weniger als vorher verdienen (vgl. Köhler 2015: 55f.). Im Einzelnen empfiehlt die Sachverständigen- kommission, für den Betriebs- oder Personalrat Über ein Entgeltaudit erfahren Beschäftigte darüber ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht über das hinaus, wie bei ihrem eigenen Arbeitgeber, in Auditverfahren und ein eigenständiges Recht auf ihrer Abteilung, ihrer Position und auf ihrer Hier- Referenzwerte vergleichbarer Arbeitsplätze fest- archiestufe der Stand der Entgeltgleichheit ist bzw. zuschreiben. Die Ergebnisse der Audits sollten wie groß die jeweilige Entgeltlücke ist. Erfährt eine über § 45 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hin- Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, dass sie bzw. er aus allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weniger verdient als der Durchschnitt in gleicher berichtet, der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Position, können Zufriedenheit, Motivation und mitgeteilt und auf Anfrage den jeweils zuständigen Engagement allerdings zunächst sinken (vgl. Card Tarifparteien zur Verfügung gestellt werden. Die et al. 2012). Wer hingegen erfährt, dass der eigene Tarifvertragsparteien benötigen Instrumente, um im Verdienst über dem Durchschnitt liegt, wird nicht Rahmen von Tarifverhandlungen und -abschlüssen automatisch zufriedener. Dies ist jedoch kein ausrei- überprüfen und dokumentieren zu können, inwie- chendes Argument gegen größere Transparenz. Nur weit die Vereinbarungen konkret dazu beitragen, wo begründete Unzufriedenheit und geeignete Ver- die Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern zu fahren zur Klärung bestehen, kann Ungerechtigkeit schließen; sie sollten hierfür anhand verbindlicher beseitigt werden. Transparenz erhöht im Gegenzug Selbstverpflichtungen Verfahrensschritte entwickeln. generell Motivation und Engagement, weil Ziele kla- rer werden, realistisch eingeschätzt werden können Diese Maßnahmen würden den Unternehmensleitun- und den Wettbewerb beleben. Geringere relative gen sowie den Arbeitnehmervertretungen wertvolle Bezahlung kann auch signalisieren, dass es vorteil- Informationen über betriebliche Problembereiche haft ist, am Arbeitsmarkt nach einem passenderen Job der Entgelt(un)gleichheit zur Verfügung stellen und zu suchen; Transparenz kann so auch zu einer Fluk- damit auch anzeigen, wo Ansatzpunkte für Verände- tuation von Beschäftigten in Positionen mit höheren rungen bestehen. Entgeltsysteme auf betrieblicher Gehältern führen (vgl. Rege/Solli 2014). In einer oder tariflicher Ebene beeinflussen direkt oder indi- marktwirtschaftlichen Gesellschaft ist dieser Wett- rekt die Entstehung, Beförderung und Dynamik von bewerb Motor von Innovation und Entwicklung. Entgeltungleichheit. Ihnen kommt aber auch das Potenzial zu, der Entgeltdiskriminierung entgegen­ Der individuelle Auskunftsanspruch ist eine wichtige zuwirken und diese abzubauen. Ergänzung des betrieblichen Entgeltaudits, denn nur auf diese Weise können realistische Referenzwerte Es gibt zahlreiche empirische Indikatoren für die An- erlangt werden, die Informationsasymmetrien in Ge- nahme, dass Entgeltsysteme in vielfacher Form mit- haltsverhandlungen vermindern können. Auch lassen telbar diskriminierende Strukturen enthalten. In der sich nur so problematische Entgeltstrukturen jenseits

68 von Mann-Frau-Vergleichen aufdecken, z. B. Ungleich- Aufgabe bestünde darin, Zertifizierungen zu entwi- behandlungen von Trans*Personen oder aufgrund ckeln und die Entwicklung der Entgeltgleichheit zu sexueller Orientierung. beobachten. Sie sollte auch regelmäßig Indikatoren erheben, die beziffern, inwieweit sich die Verdiens- b. Flankierende Maßnahmen: te bei gleichwertiger Arbeit entlang von Geschlecht Zertifikate und Berichterstattung unterscheiden (Comparable Worth Index). Darüber hinaus sollte diese Kommission den Aufbau einer Transparenz wirkt nur produktiv, wenn Möglichkei- Struktur geeigneter Beratungs- und Ansprechstellen ten bestehen, auf erkannte Ungerechtigkeiten und dis- auf regionaler Ebene fördern. In der Kommission soll- kriminierende Strukturen angemessen zu reagieren. ten sowohl die Sozialpartner als auch gleichstellungs- Wichtig sind vor allem Möglichkeiten, Bewertungen politische Verbände vertreten sein. im Sinne einer objektiven Bewertung von Arbeit nach standardisierten, überprüfbaren und möglichst zerti- Auch das Statistische Bundesamt ist mit der regel­ fizierten Verfahren zu korrigieren (vgl. ADS 2015: 48). mäßigen Veröffentlichung des Gender Pay Gap ein Entgeltsysteme, die objektiven und diskriminierungs- wichtiger Akteur bei der Herstellung größerer Transpa- freien Arbeitsbewertungsverfahren folgen, haben das renz geworden. Es verwendet mit den Bezeichnungen Potenzial, der Entgeltdiskriminierung entgegenzu- „bereinigte“ und „unbereinigte“ Entgeltlücke allerdings wirken und sie abzubauen. Die Politik kann Unter- Begriffe, die zwar der statistischen Methodologie ent- nehmen dabei unterstützen, diskriminierungsfreie sprechen, in der öffentlichen Kommunikation jedoch Arbeitsbewertungsverfahren einzuführen und diese missverständliche Vorstellungen fördern (siehe B.II.4). geschlechtergerecht anzuwenden. Diese Verfahren Realitätsnäher wären Bezeichnungen wie „ursächlich sollten die Erfahrungen von Unternehmen berücksich- noch unerklärte Lücke im Bruttostundenlohn“ (statt tigen, die bereits mit Instrumenten zur Selbstevalua- „bereinigte Lohnlücke“) und „reale Lücke im Brutto- tion arbeiten. So existiert gegenwärtig mit „Logib-D“ stundenlohn“ (statt „unbereinigte Lohnlücke“). ein Instrument für die strukturelle Entgeltanalyse (allerdings wertet es die Bedeutung von Humankapi- Die Sachverständigenkommission empfiehlt, dass das tal anders als das EU-Recht). Darüber hinaus wird das Statistische Bundesamt in seiner jährlichen Bericht- Instrument „eg-check“ angeboten, das zwar stärker erstattung, neben der Lücke im Bruttostundenlohn auf Arbeitsbewertung und rechtliche Maßstäbe der (Gender Pay Gap) und den Differenzen in der Zeitver- Entgeltgleichheit konzentriert ist, aber schwieriger zu wendung (Gender Care Gap), auch die geschlechtsbe- handhaben ist (vgl. Jochmann-Döll/Tondorf 2010; zum zogene Lücke in den Altersbezügen (Gender Pension Vergleich beider Instrumente vgl. Lillemeier 2012). Mit Gap) und im monatlichen Verdienst (Gender Overall dem „Comparable Worth Index“ liegt nun auch ein Earnings Gap) berücksichtigt (zu den Indikatoren siehe Vorschlag vor, wie die Entgelte gleichwertiger Berufs- B.II.4 und B.II.5). Diese drei Indikatoren zusammen soll- gruppen verglichen werden könnten (vgl. Lillemeier ten jährlich am Equal Pay Day veröffentlicht werden. 2016; siehe auch das „Job Evaluation Tool“ der ILO). Die Sachverständigenkommission empfiehlt darüber Die Sachverständigenkommission empfiehlt, Unter- hinaus, dass das Statistische Bundesamt darauf hin- nehmen dadurch zu unterstützen, dass diskriminie- arbeitet, die Methodik zur Indikatorenberechnung rungsfreie Arbeitsbewertungsverfahren und -systeme zu verbessern, um den Gender Pay Gap, den Gender sowie betriebliche Prüfverfahren zertifiziert werden. Overall Earnings Gap und den Gender Pension Gap In diesem Zusammenhang können Empfehlungen möglichst differenziert ausweisen zu können. Nur so für Tätigkeitsbewertungen entwickelt werden, die wird es künftig möglich sein, die Intersektionalität vermeiden helfen, dass Kriterien verwendet werden, der Geschlechtsdiskriminierung in diesem Bereich ge- die mittelbar diskriminierend wirken können (z. B. nauer erfassen und mit geeigneten Maßnahmen adres- Produktivität und Anwesenheit/Auszeiten/Arbeitszeit). sieren zu können. Dazu sollte der Einfluss der erklä- renden Faktoren ausgewiesen werden, denn sie liefern Für die Entwicklung dieser und weiterer Instrumente konkrete Ansatzpunkte für politische Maßnahmen bedarf es eines sachverständigen institutionalisierten und deren Priorisierung. Beim Gender Pay Gap soll- Gremiums. Da der Gender Pay Gap Ergebnis eines ten neben den bereits verwendeten Merkmalen und komplexen Zusammenspiels unterschiedlicher Un- Kriterien (siehe B.II.4) weitere, Lebensverlauf und Be- gleichheiten am Arbeitsmarkt ist, bedarf es auch einer rufsbiografien betreffende Merkmale aufgenommen kontinuierlichen und institutionalisierten Beobach- werden, einschließlich der Ausbildungsform (dual/ tung. Hierfür sollte bei der Antidiskriminierungsstel- vollzeitschulisch) und den Phasen familienbedingter le des Bundes eine ständige Kommission zur Entgelt- Erwerbsunterbrechung/-reduktion und des Wieder- gleichheit eingesetzt und ausgestattet werden; deren einstiegs (vgl. Boll 2015: 1089f.).

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit I.2 69 c. Verbesserung der Rechtsdurchsetzung an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) ist der gesetzliche Rahmen Die unmittelbare oder mittelbare Geschlechtsdis- für die Förderung betrieblicher Gleichstellungspolitik kriminierung durch Bezahlung ungleichen Entgelts um ein wichtiges Element ergänzt worden. Durch ver- für gleiche oder gleichwertige Arbeit ist bereits nach bindliche Vorgaben für die Erhöhung des Frauenanteils geltendem­ Recht (insbesondere Art. 157 AEUV) ver- an weiteren Führungspositionen (z. B. § 96 Abs. 2 und 3 boten. Dieser Rechtsanspruch hat zu einer besseren AktG 9) geht das Gesetz über die Empfehlung des Ersten Verwirklichung des Entgeltgleichheitsprinzips bislang Gleichstellungsberichts hinaus. wenig beitragen können. Dies sollte Anlass dafür sein, die Rechtsdurchsetzung so zu verbessern, dass Rechte Im November 2016 veröffentlichte der Verein „Frauen wirksam geltend gemacht werden können und Anstö- in die Aufsichtsräte“ eine Bilanz zur festen Geschlech- ße für Veränderungen geben können. Eine Klarstellung terquote von mindestens 30 % in Aufsichtsräten: der Rechtslage und die Herstellung von Rechtssicher- Demnach ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten heit wäre hierfür ein erster Schritt: Die Sachverstän- der betreffenden Unternehmen zwischen Januar 2015 digenkommission empfiehlt entsprechend aktuellen und November 2016 um 6,2 Prozentpunkte auf 27,5 % politischen Planungen, das Allgemeine Gleichbehand- gestiegen (vgl. FidAR 2016: 11). Erfasst wurden dabei lungsgesetz (AGG) durch das Einfügen eines expliziten jedoch lediglich die 106 Unternehmen, für die das Verbots der Entgeltdiskriminierung klarzustellen und FüPoG die feste Quote vorsieht; dieser Teil des Geset- zu ergänzen. In diesem Zusammenhang ist entspre- zes gilt nur für Aufsichtsräte von Unternehmen, die chend Vorschlägen der Europäischen Union auch der börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestim- Begriff der gleichwertigen Arbeit zu präzisieren (vgl. EU mung unterliegen (die paritätische Mitbestimmung KOM 2014). Gegen Barrieren beim Rechtsschutz kann betrifft Unternehmen mit in der Regel mehr als 2.000 eine Verbandsklage gegen intransparente Entgeltsys- inländischen­ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern). teme und zur Durchsetzung von Entgeltaudits helfen. Allerdings: In den Vorständen der 30 DAX-Unterneh- Entgeltgleichheitsklagen scheitern häufig daran, men (von denen nicht alle die besagten Voraussetzun- dass Informationen über die Entgelte vergleichbarer gen erfüllen) stagniert der Frauenanteil aktuell bei Tätigkeiten fehlen. Die Einführung eines Entgeltau- unter einem Zehntel: Anfang Juni 2016 waren 9,4 % dits mit der dadurch erreichten betrieblichen Trans- der Posten in Vorständen und Geschäftsführungen mit parenz wäre deshalb ein qualitativer Sprung zu einer Frauen besetzt, Anfang 2016 lag der Anteil bei 9,6 % effektiveren Rechtsdurchsetzung. Das setzt voraus, (vgl. DIW Berlin 2016). Allgemein sinkt der Frauen- dass die Ergebnisse des Entgeltaudits bei einem ge- anteil in der obersten Führungsebene mit steigender richtlichen Rechtsdurchsetzungsverfahren verwendet Betriebsgröße. Selbst auf der zweiten Führungsebene werden können. Hierfür müsste gesetzlich klargestellt (soweit sie existiert) wurde 2014 in Unternehmen der werden, dass es als Indiz für eine Diskriminierung Privatwirtschaft ein Frauenanteil von nur 39 % fest­ (§ 22 AGG) anzuerkennen ist, wenn diese Ergebnisse gestellt (vgl. BMFSFJ 2016a: 30). auf der jeweiligen Hierarchiestufe ein höheres Durch- schnittsentgelt angeben, als es die Klägerin oder der Das FüPoG verpflichtet Unternehmen, die entweder Kläger erhält. Die Sachverständigenkommission emp- börsennotiert oder mitbestimmt sind (mit in der Re- fiehlt eine Verpflichtung der Arbeitgeber, die entspre- gel mehr als 500 inländischen Arbeitnehmerinnen chenden Unterlagen vorzulegen. Ähnliches sollte für und Arbeitnehmern) – also etwa 3.500 Unternehmen – die Auskünfte über Referenzwerte für vergleichbare dazu, sich für den Frauenanteil in Aufsichtsräten, Arbeitsplätze gelten. Vorständen und den beiden Managementebenen un- terhalb des Vorstands Zielgrößen zu geben und über diese zu berichten (z. B. § 76 Abs. 4 und § 111 Abs. 5 3. Förderung betrieblicher Gleichstellungspolitik AktG10). Eine Mindestzielgröße ist nicht vorgesehen; liegt aber der Frauenanteil in einer Führungsebe- a. Empfehlungen zum Gesetz für die gleichberechtigte ne unter 30 %, so dürfen die Zielgrößen nicht hinter Teilhabe von Frauen und Männern an Führungs- positionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) 9 Entsprechende Vorschriften wurden durch das FüPoG im Montan- MitbG, MitbG, DrittelbetG, SE-AusführungsG, GmbHG, Genossen- Bereits der Erste Gleichstellungsbericht forderte die schaftsG, SCE-AusführungsG und Versicherungsaufsichtsgesetz Einführung einer Geschlechterquote für Aufsichtsräte eingeführt. (vgl. Bundesregierung 2011: 243). Mit dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern 10 Siehe vorige Fußnote.

70 dem tatsächlichen Status quo zurückbleiben. Viele Beispiele für Maßnahmen und Ziele einer betriebli- Unternehmen haben sich (gesetzeskonform) Plan­ chen Gleichstellungspolitik können z. B. sein (siehe ziele gesetzt, die nicht über den (niedrigen) Status quo auch ADS 2015; Gerlmaier et al. 2016): Schulungen hinausgehen; andere haben für den Frauenanteil im zur Reflexion und Veränderung vergeschlechtlich- Vorstand und gehobenen Management die Zielgröße ter Rollenverständnisse auf allen Führungsebenen, Null festgelegt (vgl. BMFSFJ 2016b), was faktisch der einschließlich der Information und Sensibilisierung beabsichtigten Wirkung des Gesetzes entgegenläuft. bezüglich Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Ob dieser Teil des FüPoG effektiv werden kann, wird Inter* und Queer (LSBTIQ*); gleichstellungsorientierte die im Gesetz vorgeschriebene Evaluation zeigen Weiterbildungsangebote (siehe dazu C.II.2.c); Vorbeu- müssen (siehe auch C.I.3.c). gung vor und Bekämpfung von geschlechtsbezogener Belästigung im kollegialen Umgang (siehe dazu D.I.3); Die Sachverständigenkommission empfiehlt die Aus­ diskriminierungsfreie Gestaltung des Arbeitsumfel- dehnung des Anwendungsbereichs der festen 30-Pro- des; Kopplung der Vergütung von Führungskräften zent-Quote im FüPoG: Einbezogen werden sollten an Zielvereinbarungen zu gleichstellungsfördernder alle mitbestimmten Unternehmen sowie alle börsen- Personalpolitik; Einsatz anonymisierter Bewerbungs- notierten Unternehmen unabhängig von der Mit- verfahren (vgl. ADS 2015: 32); Mentoring-Programme, bestimmung (also z. B. auch Tendenzunternehmen) um Informationslücken von Bewerberinnen und Be- sowie Familienunternehmen mit über 5.000 Arbeit- werbern in Aushandlungsprozessen mit Arbeitgebern nehmerinnen und Arbeitnehmern. Darüber hinaus zu verringern. sollten für den Frauenanteil auf den beiden Führungs- ebenen unterhalb des Vorstands Planziele verlangt Für den Erfolg entsprechender Maßnahmen ist von werden, die oberhalb des jeweiligen Status quo liegen. zentraler Bedeutung, wie sehr sie zu einem selbstver- ständlichen Teil der Unternehmenskultur werden (vgl. In Aufsichtsräten vertreten zu sein, bedeutet nicht BMFSFJ 2016f.). Um struktureller Diskriminierung, zwingend, auf Unternehmensführung, Strategie- insbesondere von sorgearbeitsorientierten Arbeit­ entwicklung und Personalpolitik Einfluss nehmen nehmerinnen und Arbeitnehmern, bewusst entgegen- zu können. Hier sind Aufsichtsratsausschüsse ent- wirken zu können, bedarf es eines entsprechenden scheidend. Doch in wichtigen Ausschüssen von Auf- Verhaltens aller Beschäftigten und Führungskräfte (im sichtsräten (z. B. in Nominierungs- oder Personalaus- Sinne eines „debiasing“). Hier kommt Leitbildern eine schüssen) sind Frauen deutlich unterrepräsentiert große Bedeutung zu. Die Sichtbarmachung von Rol- (vgl. FidAR 2016: 15f.). Unternehmen sind frei in der lenvorbildern kann ein Element von Strategien dazu Gestaltung der Ausschüsse; es gibt keine gesetzlichen sein (siehe z. B. die Kampagne „Der Teilzeitmann“, in- Vorgaben zu Anzahl, Funktion, Bezeichnung und itiiert vom Dachverband der Schweizer Männer- und Besetzung von Ausschüssen. Deshalb wäre es nicht Väterorganisationen). Jedenfalls muss aktive Eltern- sinnvoll, einen Mindestanteil des unterrepräsen- schaft oder die Übernahme von Pflegeverantwortung tierten Geschlechts in Ausschüssen vorzuschreiben. für Angehörige auch in Unternehmen, Betrieben und Die Sachverständigenkommission empfiehlt aber, Dienststellen sichtbar und mit Karrieren vereinbar Unternehmen zu Transparenz und Berichterstat- sein (können). Auch Geschlechterstereotypisierungen tung bezüglich der Geschlechterverteilung bei der über vermeintlich selbstverständlich „weibliche“ und Besetzung von Ausschüssen eines Aufsichtsrats zu „männliche“ Eigenschaften erschweren Karrieren in verpflichten. vielerlei Hinsicht (vgl. Klenner/Lott 2016: 68ff.). b. Empfehlungen an Arbeitgeber und Sozialpartner Zur Etablierung einer neuen Arbeits- und Führungskul- zur Entwicklung intersektionaler und diversitäts- tur gehört, dass die Leitungsebene hör- und sichtbar als kompetenter betrieblicher Gleichstellungspolitiken Vorbild und Rollenmodell wirkt („demonstrable leader- ship support“, Coffman/Hagey 2010: 8). Nicht nur ein Mit dem FüPoG sind Unternehmen verpflichtet, einen positives Bild von Frauen in Führungspositionen (vgl. Mindestanteil an Frauen in Führungspositionen zu er- Bührmann 2014) und die Förderung moderner Füh- reichen. Dies verlangt, realistisch betrachtet, dass Un- rungskulturen (vgl. Bultemeier/Marrs 2016: 8), auch die ternehmen effektiv gleichstellungsorientiert handeln. Etablierung von Organisationsmodellen, die auf Ver- fügbarkeitserwartungen verzichten, soweit diese mit Viele Arbeitgeber und Sozialpartner haben dazu in der Sorgearbeitsverantwortung unvereinbar sind, können Vergangenheit bereits Maßnahmen und Best Practices Katalysatoren für die Geschlechtergleichstellung sein. entwickelt, Erfahrungen gesammelt und von betriebs- Führen in Teilzeit, beispielsweise durch eine Tandem- wirtschaftlich positiven Effekten profitiert (siehe z. B. lösung, bei der sich zwei Führungskräfte eine Stelle BMFSFJ 2016f.; zum öffentlichen Dienst siehe C.I.3.d). teilen, ist dabei eine von vielen Möglichkeiten; wo sie

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit I.3 71 angeboten wird, findet sie zunehmend Zuspruch bei werden. Sozialpartner können darüber hinaus durch den Beschäftigten; Onlineplattformen (wie tandem- die gemeinsame Erarbeitung von Zielvorstellungen ploy.de) können unterstützen. und Maßnahmen einen Rahmen setzen (siehe z. B. BAVC/IG BCE 2016). Die Politik kann innovative Ausgestaltung und Umsetzung eines gleichstel- Modelle durch Förderung und Sichtbarmachung lungsorientierten Personalmanagements sollte zu- unterstützen. nächst primär eine unternehmerische (Leitungs-) Entscheidung sein; ein wirksames gleichstellungs- c. Rahmenvorgaben, Anreize und Soft Law orientiertes Personalmanagement setzt voraus, dass die übergeordnete Verantwortung dafür bei der Evaluation bestehender gesetzlicher und freiwilliger Unternehmensleitung selbst liegt. Deren Aufgabe Instrumente ist es, Zielvorstellungen in der unternehmensinter- nen Kommunikation klar zu kommunizieren, vor- Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von gegebene Gleichstellungsziele zu kontrollieren und Frauen und Männern an Führungspositionen in der gegebenenfalls auch einzufordern. Dabei kann es Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) hilfreich sein, wenn eine hinreichend unabhängige sieht in Art. 23 Abs. 2 und 3 eine Evaluation nach Ab- Beschwerdestelle eingerichtet ist (zur Praxis vgl. Büro lauf von drei Jahren vor. Konkretere Empfehlungen für Recht und Wissenschaft 2016: 81ff.) oder betriebli- für eine etwaige Verbesserung des Gesetzes werden che Gleichstellungsbeauftragte etabliert sind, die ent- diese Evaluation berücksichtigen müssen. Hierzu weder von unterstützender bzw. beratender Funktion empfiehlt die Sachverständigenkommission, dass oder als Interessenvertretung ausgestaltet sein kön- die Evaluation in den Mittelpunkt rückt, inwieweit nen. In jedem Fall aber müssen geeignete Controlling- das Gesetz gleichstellungsorientierte Ziele effektiv Instrumente zur Gleichstellung etabliert sein und erreicht. Zu prüfen ist dabei auch, ob und inwieweit insbesondere maßgebliche Kennziffern und Daten die bisher wenig präzise Definition des Anwendungs- geschlechtsdifferenziert erfasst werden. Die Effekti- bereichs der „beiden Führungsebenen unterhalb des vität derartiger Konzepte wird gefördert, wenn die Vorstands“ (z. B. § 76 Abs. 4 Satz 1 AktG) strategische Unternehmensgrundsätze insgesamt entsprechend Ausweichreaktionen befördert. Auch die Sanktionen gleichstellungsorientiert ausgerichtet sind. Zur Selbst- bei Nichterfüllung der Quote, insbesondere die Nich- einschätzung der Unternehmen kann z. B. das Inst- tigkeit der Aufsichtsratswahl („leerer Stuhl“), sind in rument „Kulturscore“ von Nutzen sein. Durch dieses den Blick zu nehmen. lässt sich feststellen, inwieweit ein Unternehmen bereits eine gleichstellungsorientierte Arbeitszeit- Das Gesetz macht unmittelbar verbindliche Vorga- kultur auch informell lebt, Vorbilder präsentiert und ben lediglich zum Frauenanteil in Aufsichtsräten die Übernahme familiärer Verantwortung unterneh- und Vorständen bzw. auf den beiden Management­ mensintern wertschätzt (vgl. BMFSFJ 2016f: 19ff.). ebenen unterhalb des Vorstands. Die zu erwarten- den gleichstellungspolitischen Wirkungen gehen Die Sachverständigenkommission empfiehlt allen allerdings darüber hinaus (vgl. Bundesregierung privaten und öffentlichen Arbeitgebern, ihr Perso- 2015a: 42, 51f.). In der Evaluation ist deshalb auch nalmanagement an solchen Grundsätzen auszurich- der Frage nachzugehen, ob tatsächlich „Kaskaden- ten. Mithilfe von Daten zum gleichstellungsorien- effekte“ entstehen, d. h. ob bzw. wie die Quoten auf tierten Personalmanagement können Arbeitgeber Führungsebenen sich darüber hinaus auswirken, innerhalb der Organisation angepasste Maßnahmen insbesondere auf Beförderungschancen, Weiter- selbst entwickeln. Maßnahmen zur Prävention von bildungsbeteiligung und Gender Pay Gap bzw. auf Diskriminierung sind nach § 12 Allgemeines Gleich- untere Unternehmensebenen. Von Interesse ist auch, behandlungsgesetz (AGG) ohnehin bereits heute ver- welche Effekte sich für mögliche Veränderungen der pflichtend (vgl. Wenckebach/Kocher 2013). Das AGG Arbeits(zeit)- und Führungskultur ergeben. mit seinem intersektionalen Ansatz könnte insofern Ausgangspunkt dafür sein, langfristig Grundsätze Das FüPoG bietet insgesamt einen neuen gesetzli- einer betrieblichen Gleichstellungspolitik zu entwi- chen Rahmen für bestehende freiwillige Vereinba- ckeln, die intersektional konzipiert und von einem rungen. Dies gilt insbesondere für die Vereinbarung Bewusstsein dafür getragen ist, welche Maßnahmen zwischen der Bundesregierung und den Spitzen- und Mechanismen welche Gruppen von Frauen und verbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung Männer adressieren und fördern. Teilweise werden der Chancengleichheit von Frauen und Männern in dafür positive Maßnahmen im Sinne des § 5 AGG der Privatwirtschaft aus dem Jahre 2001. Sie enthält angebracht sein. Solche Mechanismen sollten in Be- Empfehlungen für die gleichstellungsorientierte triebsvereinbarungen und Tarifverträgen geregelt Organisation von Betrieben und Unternehmen und

72 wurde zwischen 2003 und 2013 insgesamt fünfmal Ölcum 2008) bietet hierfür Möglichkeiten. Eine bes- gemeinsam von der Bundesregierung und den Ar- sere Zusammenarbeit von Wirtschaftsförderung und beitgeber- und Unternehmensverbänden bilanziert. Gleichstellung setzt allerdings in jedem Fall mindes- In Wissenschaft und Politik wird zwar überwiegend tens die Beteiligung von (kommunalen) Gleichstel- davon ausgegangen, dass die Vereinbarung sich als lungsbeauftragten bei der Entwicklung von Förder- nicht ausreichend wirksam erwiesen hat. Mangels programmen und Ausschreibungen voraus. einheitlicher Vorgaben für die Bilanzierungen fehlt es aber bislang an Erkenntnissen darüber, welche Grundvoraussetzung für eine solchermaßen syste- Instrumente, Maßnahmen und Rahmenbedingun- matische Weiterentwicklung betrieblicher Gleich- gen besonders geeignet sind, um die gleichstellungs- stellungspolitiken ist es, dass über die Gleichstel- orientierten Ziele der Vereinbarung zu fördern (vgl. lungssituation in Betrieben größere Transparenz Lange 2017). Die Sachverständigenkommission emp- hergestellt wird. Die Sachverständigenkommission fiehlt, das Bezugssystem des FüPoG als Chance zu empfiehlt deshalb die Einführung einer Pflicht von nutzen, eine systematische Bilanzierung und Wirk- Arbeitgebern der Privatwirtschaft, über Indikato- samkeitsanalyse dieser Vereinbarung zu entwickeln. ren der Geschlechtergleichstellung zu berichten sowie einen Gleichstellungsaktionsplan zu erstellen. Dies gilt auch für weitere Vereinbarungen, Anreize Die Berichterstattung sollte an die Entgeltbericht- und Initiativen, die im neuen rechtlichen Umfeld erstattung auf Grundlage von Entgeltaudits (siehe evaluiert und überarbeitet werden könnten und soll- C.I.2.a) anknüpfen und diese integrieren; sie wäre ten, wie die seit 2002 bestehende Initiative „Neue die Grundlage für differenziertere statistische Aus- Qualität der Arbeit“, die „Charta für familienbewuss- wertungen durch das Statistische Bundesamt. Die te Arbeitszeiten“ von 2011, die von 2009–2014 lau- Regelung könnte sich am französischen Recht orien- fende Bundesinitiative „Gleichstellung von Frauen tieren. Die Umsetzungskontrolle könnte u. a. in der in der Wirtschaft“ sowie das Selbstaudit-Tool „Total betrieblichen Mitbestimmung verankert sein; die E-Quality“-Prädikat (siehe ausführlich Lange 2017). Aufwertung der Aufgabenstellung des Betriebsrats Hierzu bedarf es zunächst verbindlicher Kriteri- in der Gleichstellung (§ 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG) zu en und Verfahren für das Monitoring; nur so kann einem echten Mitbestimmungsrecht wäre hierfür die Wirksamkeit von Instrumenten betrieblicher eine wichtige Maßnahme. Für kleinere Betriebe mit Gleichstellungspolitik bewertet werden. Von Interes- enger persönlicher Zusammenarbeit sowie geringer se wäre insbesondere, ob und inwiefern zertifizierte Finanzausstattung und Verwaltungskapazität (siehe Unternehmen größere Erfolge in der Geschlechter- C.I.1.a) kann sich die Berichterstattung auf Maßnah- gleichstellung aufweisen als nicht zertifizierte Un- men und Programme des gleichstellungsorientierten ternehmen. Dabei ist insbesondere zu analysieren Personalmanagements beschränken. und zu evaluieren, welche Gruppen von Frauen oder Männern (entlang Migrationshintergrund, sexueller Weitere Anreiz- und Förderinstrumente Orientierung, Behinderung, Religionszugehörigkeit, Alter, sozialer Stellung) angesprochen werden und Um es Unternehmen zu ermöglichen, sich auf einer die mit den Initiativen verbundenen Maßnahmen zentralen Plattform gegenüber Bewerberinnen und und Instrumente tatsächlich nutzen können. Bewerbern sowie der Öffentlichkeit in ihrer inter- sektionalen und diversitätskompetenten Gleichstel- Bei Entwicklung und Anwendung entsprechen- lungskultur zu profilieren, ist die Einrichtung einer der Instrumente kann die Politik unterstützen und öffentlichen Unternehmensplattform durch das Bun- Anreize setzen. Die Sachverständigenkommission desministerium für Familie, Senioren, Frauen und empfiehlt die Förderung geeigneter Analyseinstru- Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium für mente, um Betriebe, Unternehmen und Dienststellen Wirtschaft und Energie (BMWi) zu empfehlen, even- bei der Entwicklung eigener Gleichstellungskonzep- tuell verlinkt mit dem „German Gender Index“ der te zu unterstützen. Solche Instrumente sollten so Börse Hannover. Auf einer solchen Plattform können ausgestaltet sein, dass sie sich als Ausgangspunkt für Unternehmen auf freiwilliger Basis ihre Zielvorga- die Entwicklung von Indikatoren und Kennzahlen ben für den Frauenanteil auf den (verschiedenen) eines gleichstellungsorientierten Personalmanage- Hie­rarchiestufen angeben. Ergänzend können pri- ments eignen. Solche Indikatoren sind beispiels- vate und öffentliche Unternehmen nach festzule- weise erforderlich, um künftig die Auftragsver­gabe genden Kriterien in Form eines Rankings gesondert effektiver an die Förderung von Gleichstellung ausgezeichnet werden („naming and shaming“). Die knüpfen zu können. Das öffentliche Vergaberecht Entwicklung eines solchen Rankings sollte die Erfah- sowohl des Bundes (§ 128 Abs. 2 Sätze 1 und 3 GWB rungen mit dem Selbstaudit-Tool und Prädikat „Total n. F.) als auch der Länder (z. B. § 13 Berliner LGG; Baer/ E-Quality“ berücksichtigen.

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit I.3 73 Als Grundlage für die Entwicklung weiterer politi- Büro für Recht und Wissenschaft 2016). Ein weiteres scher und ökonomischer Anreize sollten geeignete Problemfeld – die Schaffung wirksamerer Regelun- und unabhängige jährliche Messungen und Doku- gen gegen geschlechtsbezogene Belästigung – wird mentationen zur Analyse der Geschlechtervielfalt in wegen seiner großen Bedeutung an anderer Stelle dieses Aufsichtsräten, Vorständen und oberen Führungs­ Gutachtens behandelt (siehe D.I.3). etagen in privaten und öffentlichen Unternehmen öffentlich gefördert werden. Um darüber hinaus das d. Besonderheiten im öffentlichen Dienst Lernen der Betriebe und Unternehmen miteinander zu begünstigen, können das BMFSFJ und das BMWi Gleichstellungsgesetze Onlineplattformen fördern, auf denen sich Unterneh- men zu Fragen des gleichstellungsorientierten Perso- Der öffentliche Dienst ist durch die Gleichstellungs-/ nalmanagements austauschen und vernetzen können Frauenfördergesetze des Bundes und der Länder (z. B. betreffs Personalsuche, Nutzung von Personal- bereits seit langem gesetzlich zu Maßnahmen des beratungen, Personalentwicklungsplänen, Talentma- gleichstellungsorientierten Personalmanagements nagement, Vergütung und Instrumenten). verpflichtet (u. a. zu Öffentlichkeit, Transparenz, Kontrolle und Mitwirkung der Gleichstellungsbe- Die bestehenden freiwilligen Vereinbarungen und auftragten). Verfahrenssicherungen für die verfas- Initiativen richten sich direkt an Arbeitgeber. Aber sungsrechtlich vorgeschriebene Bestenauslese un- auch Personalberatungen nehmen eine Schlüsselrol- terstützen ebenfalls Geschlechtergleichstellung. Vor le ein, insbesondere in Prozessen zur Besetzung von dem Hintergrund dieses gesetzlichen Rahmens ist die Aufsichtsrats-, Vorstands- und weiteren Führungspo- gleichstellungspolitische Situation im öffentlichen sitionen (vgl. Wippermann 2012; zur Haftung siehe Dienst zumindest teilweise deutlich besser als in der Büro für Recht und Wissenschaft 2016: 70). Für diesen Privatwirtschaft (siehe z. B. den geringeren Gender Bereich ist ein Code of Ethics (Ethikkodex/-richtlinie) Pay Gap: Der Verdienstabstand ist mit 6 % im öffent- zu Fragen der Gleichstellung und des Diskriminie- lichen Dienst geringer als in der Privatwirtschaft rungsschutzes zu empfehlen. Wegen seiner strategi- (vgl. Destatis 2016d)). schen Bedeutung sollte ein solcher Kodex zwischen Bundesregierung und den Personalberatungsbran- Der anstehende Generationswechsel im öffentlichen chenverbänden ausgehandelt werden, eventuell un- Dienst bietet große Chancen für die Gleichstellung. ter Beteiligung der Bundesvereinigung der Deutschen Sie können aber nur genutzt werden, wenn auch dort Arbeitgeberverbände (BDA). Verfahren und Umset- ein Wandel der Arbeits- und Führungskulturen ange- zungsinstrumente sollten sich am Deutschen Corpo- stoßen wird. Dafür sind Maßnahmen zum Abbau von rate Governance Kodex orientieren, insbesondere bei Geschlechterrollenstereotypen sowie die Förderung der Verankerung von Berichtspflichten. und Sichtbarmachung von (insbesondere männli- chen) Rollenvorbildern von besonderer Bedeutung. Effektiver Diskriminierungsschutz Zu häufig wird Gleichstellung auf Vereinbarkeit mit familiären Aufgaben reduziert und Teilzeitarbeit zu Neben Anreizen und Förderungen bedarf es effektiver stark als Angebot für weibliche Arbeitskräfte gesehen, rechtlicher Instrumente für Personen, die von Diskri- anstatt den Zusammenhang zu einem lebensphasen­ minierung betroffen sind. Ein wirksamer Diskrimi- orientierten Konzept von Arbeitszeit herzustellen und nierungsschutz ist Mindestvoraussetzung für glaub­ das Erwerb-und-Sorge-Modell für alle Menschen in würdige Gleichstellungspolitik. gleicher Weise zu ermöglichen (siehe C.I.1).

Für eine effektive Durchsetzung des Diskriminie- Innovative Modelle der Arbeitsorganisation wie rungsschutzes, wie er im Allgemeinen Gleichbe- Tandemlösungen zur Stellenteilung scheitern im handlungsgesetz (AGG) geregelt ist, bestehen aktuell öffentlichen Dienst häufig daran, dass jeweils nur jedoch Hindernisse und Barrieren. Sowohl ein Aus- genau eine Planstelle zur Verfügung steht, die sich kunftsanspruch für abgelehnte Bewerberinnen und zwei Beschäftigte dann allenfalls zu zweit mit jeweils Bewerber als auch eine Verlängerung der Frist des § 15 50 % teilen können. Die Sachverständigenkommission Abs. 4 AGG von zwei auf sechs Monate erscheinen empfiehlt daher eine Prüfung der Möglichkeit, auch im sinnvoll, um hier Abhilfe zu schaffen. Im Falle struk- öffentlichen Dienst Tandemlösungen für (z. B.) zwei- tureller Diskriminierung, insbesondere im Fall von mal 75 % zu ermöglichen. Verstößen gegen die Präventions- und Gewährleis- tungspflicht des § 12 AGG, ist über § 17 AGG hinaus Das Wissen um die strukturellen Probleme, die ge- eine (Verbands-)Klagemöglichkeit geeignet, wirksame zielte Gleichstellung erforderlich machen, droht zum Handlungsmöglichkeiten anzubieten (zum Ganzen Teil verloren zu gehen. So wurde in dem im Jahre 2015

74 reformierten Thüringer Gleichstellungsgesetz ein dem Fachforum „Gleichstellungsorientiertes Personal- symmetrisches und formales Verständnis von Unter- management“). Hinweise aus der Praxis deuten darauf repräsentation verankert, das verfassungsrechtlich hin, dass eine Stärkung sowohl der Rolle von Gleich- und gleichstellungspolitisch problematisch erscheint. stellungsplänen als auch der Stellung der Gleichstel- Ein solches formales Verständnis könnte es z. B. bei lungsbeauftragten hilfreich wäre (betreffs Kündi- der Vergabe einer Stelle in einer rein männlich besetz- gungsschutz, Klagerechten, Freistellung von anderen ten EDV-Abteilung erlauben, Männer deshalb bevor- Aktivitäten bzw. Bereitstellung von Ressourcen, Zeit zugt zu berücksichtigen, weil in der entsprechenden und Personal). Ein besonderes Augenmerk sollte dabei Tarifgruppe auf Landesebene mehrheitlich Frauen auf den Anforderungen liegen, die eine lebens­phasen- beschäftigt sind. Dies geht nicht nur gleichstellungs- und gleichstellungsorientierte Arbeitszeitgestal- politisch fehl, sondern ist auch verfassungsrecht- tung auch an die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst lich problematisch. Denn nicht überall dort, wo ein stellt (siehe C.I.1). Um diesen Anforderungen gerecht Geschlecht in der Minderheit ist, ist dies Ausdruck werden zu können, benötigen Gleichstellungsbeauf- struktureller gesellschaftlicher Benachteiligung. Das tragte unterstützende Rechte in der budgetären Pla- Verfassungsrecht erlaubt positive Maßnahmen zum nung, soweit gleichstellungsrechtliche Fragen (auch Nachteil eines Geschlechts jedoch lediglich zum der Arbeitszeitsouveränität) betroffen sind. Ausgleich schwerwiegender Benachteiligungen, die aufgrund gesellschaftlicher Strukturen bestehen Personalbeurteilungen (vgl. Eckertz-Höfer 2015). Im öffentlichen Dienst, in dem berufliche Aufstiege Die zunehmend privatrechtliche Organisation öffent- und Karrieren wegen Art. 33 Abs. 2 GG stärker als in licher Unternehmen stellt die Effektivität des Gleich- der Privatwirtschaft formalisiert sind, kommt den stellungsrechts zusätzlich vor Herausforderungen. Personalbeurteilungen eine gleichstellungspoliti- Frauen sind in Führungspositionen öffentlicher Un- sche Schlüsselrolle zu; sie spielen für den beruflichen ternehmen deutlich stärker unterrepräsentiert als in Aufstieg (sowie für die Teilnahme an entsprechen- den von Verwaltungen (vgl. Schimeta 2012: 5). Viele den Weiterbildungen) eine zentrale Rolle. Der Erste Gleichstellungsgesetze beziehen öffentliche Unter- Gleichstellungsbericht empfahl in diesem Zusam- nehmen nicht unmittelbar in ihren Geltungsbereich menhang bereits, Vorgesetzte für geschlechterge- ein, sondern fordern nur, dass ein staatlicher Mehr- rechte dienstliche Beurteilungen zu schulen und zu heitseigentümer auf die Umsetzung der Gesetzesziele sensibilisieren sowie in der Leistungsbewertung von hinwirkt. Die geringen Frauenanteile in Führungspo- Führungskräften zu berücksichtigen, inwieweit diese sitionen öffentlicher Unternehmen sind ein Zeichen Gleichstellung fördern konnten (vgl. Bundesregie- für die schwache Wirksamkeit einer solchen Norm. rung 2011: 129, 149, 253). Die Sachverständigenkommission empfiehlt, dass alle privatrechtlichen Unternehmen mit (Mehrheits-) In einigen Bundesländern und Behörden ist dies Beteiligung des Landes (bzw. Bundes) explizit in den bereits umgesetzt. Exemplarische Studien zu Beispie- unmittelbaren Geltungsbereich des jeweiligen Gleich- len aus dem Polizeivollzugsdienst und dem Umwelt- stellungsgesetzes aufgenommen werden (ebd.: 48; vgl. bundesamt bestätigten aber auch, dass Frauen und § 1a LGG Berlin). Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilzeitbeschäftigte bei der Beurteilung nach wie vor Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspo- mehrheitlich schlechter abschneiden als Männer und sitionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Vollzeitbeschäftigte, und zwar sowohl bei den Durch- Dienst (FüPoG) hat die entsprechende Änderung im schnittsnoten als auch bei der prozentualen Vertei- Bundesgremienbesetzungsgesetz (BGremBG) veran- lung der Prädikate (vgl. Jochmann-Döll/Tondorf 2013; lasst; letzteres verankert nun für die Besetzung von Jochmann-Döll 2014; Tondorf/Sauer 2015; die Studien Aufsichtsgremien, in denen dem Bund mindestens stellen aber auch Abweichungen von diesem Trend drei Sitze zustehen, eine Geschlechterquote von min- fest, z. B. in Brandenburg). destens 30 % für alle Neubesetzungen dieser Sitze. Ein Problem ist nicht nur, dass Teilzeittätigkeit, Die Sachverständigenkommission empfiehlt insge- Telearbeit, Eltern- und Pflegezeit häufig auch dann als samt dringend eine Analyse der Gleichstellungsge- Faktoren mit signifikant negativem Einfluss gewer- setze des Bundes und der Länder auf ihre gleichstel- tet werden, wenn dies sachlich nicht gerechtfertigt lungsorientierte Wirksamkeit hin. Denn es fehlen ist. Ein Problem sind auch Beurteilungsmerkmale, systematische und vergleichende Evaluationen, die die von den Beurteilenden nur subjektiv eingeschätzt einen Schluss erlaubten, welche gleichstellungsrecht- und/oder beobachtet werden können; damit sind lichen Regelungen im öffentlichen Dienst sich als Merkmale gemeint, die sich nicht auf Ergebnisse der besonders zielführend erwiesen haben (Beitrag auf Leistung beziehen, sondern auf Eigenschaften der

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der abhängigen Erwerbsarbeit I.3 75 Person, wie z. B. Entschlusskraft oder Kreativität, oder auf Verhaltensmerkmale, wie z. B. Sozial- oder Führungsverhalten. Denn diese Eigenschaften und Verhaltensmerkmale sind anfällig für den bewussten und/oder unbewussten Einfluss subjektiver Fakto- ren der Geschlechterstereotypisierung, individueller (Vor-)Urteile und anderer leistungsfremder Aspekte (vgl. Jochmann-Döll 2014). Die Bewertung dieser Merkmale ist darüber hinaus abhängig von der jeweiligen Beobachtungsintensivität und -qualität (vgl. Jochmann-Döll/Tondorf 2013: 89ff.).

Da Frauen und Teilzeitbeschäftigte nach wie vor bei Karrieren und in Führungspositionen des öffentli- chen Dienstes deutlich unterrepräsentiert sind (siehe B.I.2), empfiehlt die Sachverständigenkommission deshalb, Beurteilungsrichtlinien gleichstellungsori- entiert zu überprüfen und die angewandten Kriteri- en durch Konkretisierung zu objektivieren, größere Transparenz zu schaffen (u. a. durch Verwendung von nicht mehr als fünf Bewertungsstufen) und Be- urteilende sowie Beurteilte zu schulen, insbesondere hinsichtlich ihrer Genderkompetenz und über Diskri- minierungsrisiken. Eine wichtige Voraussetzung der Objektivierung ist, dass die zu beurteilenden Tätigkei- ten beschrieben sind. Bei der dienstlichen Beurteilung dürfen der Umfang der Arbeitszeit (beispielsweise Teilzeitbeschäftigung) und der Arbeitsort (beispiels- weise Arbeit im Homeoffice) keinen Eingang in die Leistungsbewertung finden.

Um eine effektive Umsetzung zu erreichen, sollte eine Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten und des Personalrats in weichenstellenden Phasen einer Beurteilungsrunde vorgesehen sein, insbesondere bei der Definition der Beurteilungskriterien und bei Besprechungen von Beurteilerinnen und Beurteilern (vgl. Jochmann-Döll/Tondorf 2013: 158ff.). Darüber hinaus sollte es für die dienstliche Beurteilung von Führungskräften eine Rolle spielen, inwieweit diese sich erfolgreich um Gleichstellung bemüht haben; dies ist auch in entsprechende Zielvereinbarungen aufzunehmen. Diese Mindestanforderungen sollten – über die Regelungen, die in einzelnen Ländergesetzen bereits bestehen, hinaus – in alle einschlägigen Ge­ setze und Richtlinien aufgenommen werden.

76 C.II.Berufswahl und berufliche Weiterbildung teil, bei Frauen ist Weiterbildung hin- Weiterbildung gegen eher „Privatsache“ – die Kosten dafür müssen sie also häufiger privat tragen. Männer nehmen öfter an Aufstiegsweiterbildungen teil, während Frauen Die horizontale Segregation des Arbeitsmarktes, also überdurchschnittlich oft Anpassungsweiterbildun- die geschlechterstereotype Verteilung von Berufen gen besuchen. Letztlich zeigt sich, dass die Teilnahme und Tätigkeiten, hat eine ungleiche Verteilung von an Weiterbildung bei Frauen einen geringeren Effekt Chancen und Risiken im Lebensverlauf zur Folge: auf das Entgelt hat als bei Männern. Bestimmte Gruppen, zumeist Frauen, haben Nachteile bei der beruflichen Entwicklung; dies drückt sich u. a. Die Weiterbildungsteilnahme von Arbeitnehmerin- in geringeren Entgelten, schlechterer eigenständiger nen und Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund Absicherung und geringen Anteilen in Führungspo- fällt wiederum noch geringer aus; hier sind Frauen sitionen aus (siehe B.I und B.II). Viele Chancen und doppelt benachteiligt, was die Wahrscheinlichkeit ei- Risiken sind statistisch eng mit dem erlernten Be- ner Teilnahme an beruflicher und betrieblicher Wei- ruf verknüpft. Die Berufswahl entscheidet also mit terbildung betrifft (Käpplinger/Kubsch 2017). Beim darüber, welche Chancen und Risiken eine Person Migrationshintergrund wirken sich mindestens zwei im Lebensverlauf erhält oder nicht erhält. Entwick- Aspekte entscheidend auch auf die Weiterbildungs- lungsmöglichkeiten, Aufstiege und die zukünftige beteiligung aus: Zum einen führen diskriminierende indi­viduelle Beschäftigungsfähigkeit hängen stark Strukturen im Bildungssystem zu unterschiedlichen von den Möglichkeiten beruflicher Weiterbildung Schulabschlüssen, denn Teilhabe im Bildungssystem ab. Angesichts von Digitalisierung (siehe D.I), län- wird entlang ethnischer Unterschiede sowie sozialer geren Lebensarbeitszeiten und diskontinuierlichen Herkunft (Solga 2011) ermöglicht bzw. verwehrt – Erwerbsbiografien wird der Zugang zu hochwertiger mit Auswirkungen auf den Eintritt in den Arbeits- Weiterbildung, die sich im Lebensverlauf auszahlt, zu markt und die weiteren beruflichen Chancen. Zum einer wichtigen Ressource. Er entscheidet maßgeblich anderen führen diskriminierende Strukturen am mit über berufliche Chancen. Zukünftige Verwirkli- Arbeitsmarkt dazu, dass Menschen aufgrund ethni- chungschancen von Frauen und Männern, insbeson- scher Zuschreibung unterschiedlich dotierte Jobs dere eine eigenständige Existenzsicherung, hängen bekommen (ADS 2012), wodurch ihnen mittelbar also direkt mit der Berufswahl und den Möglichkeiten unterschiedlich oft betriebliche Weiterbildungen beruflicher Weiterbildung zusammen. angeboten werden.

Auch Trans*Personen wird durch diskriminierende Strukturen Teilhabe verwehrt. So wird ihnen der Die Sachverständigenkommission empfiehlt für die Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen erschwert geschlechtergerechte Gestaltung von Berufswahl und und sie werden bei Beförderungen und Karrierechan- beruflicher Weiterbildung: cen nicht berücksichtigt (Franzen/Sauer 2010: 37). Für – gleichstellungsorientierte Berufsberatung und Trans*Personen nach einer Transition werden mitun- -orientierung ter vorherige Berufsqualifikationen nicht anerkannt, – „Qualitätsoffensive Weiterbildung“ als Anlaufstelle insbesondere wenn das Arbeitsumfeld geschlechtlich – familienfreundliche und gleichstellungsorientierte segregiert gestaltet ist (Franzen/Sauer 2010: 44). Gestaltung öffentlicher und betrieblicher Weiter- bildungsangebote (und flankierend die Förderung regionaler Weiterbildungsverbünde) 1. Gleichstellungsorientierte Berufsberatung – gleichstellungsorientierte Finanzierung von Weiter- und -orientierung bildung durch Verbesserung der Erwachsenenbil- dungsförderung, Erweiterung der Anspruchsberech- Um Gleichstellungszielen gerecht werden zu können, tigung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) III sowie ist eine genderkompetente, diversitäts- und interkul- Schaffung persönlicher Weiterbildungsbudgets turell kompetente Berufsberatung erforderlich. Die Beratung muss für Stereotype sensibel sein und auf entsprechende Muster der Berufswahl aufmerksam machen. Damit nicht Zuschreibungen und Rollen- Vorbemerkung bilder, sondern individuelle Fähigkeiten und Inter- essen bei der Berufsberatung und -entscheidung aus- Männer profitieren im Vergleich zu Frauen mone- schlaggebend werden, sind in Schule, Ausbildung und tär deutlich stärker von Weiterbildungsteilnahmen Arbeitsmarkt die individuellen Fähigkeiten unabhän- (vgl. B.I.2): Männer nehmen häufiger an betrieblicher gig von Geschlecht und Herkunft zu berücksichtigen

Handlungsempfehlungen C Berufswahl und berufliche Weiterbildung II.1 77 und zu fördern. In der Berufsberatung und Berufs­ der über 200 Weiterbildungsförderprogramme von orientierung muss die gleichstellungspolitische Ziel- Bund und Ländern unter dem Dach einer „Qualitätsof- setzung zur durchgängigen Leitlinie werden, die über fensive Weiterbildung“. eine bloße Handlungsempfehlung oder Geschäfts­ anweisung hinausgeht. Hierfür kann die Bundesagentur für Arbeit (BA) bei ent- sprechender Kompetenz- und Ressourcenerweiterung­ Die Sachverständigenkommission empfiehlt daher einen geeigneten organisatorischen Rahmen bieten. zunächst eine gesetzliche Konkretisierung einer Hierbei sollten die regionalen Selbstverwaltungs­ gender- und diversitätskompetenten Berufsberatung organe so gestärkt werden, dass sie die Infrastruk- und Berufsorientierung, die auch auf Verdienstmög- turverantwortung für Weiterbildung wahrnehmen lichkeiten und deren Bedeutung für den gesamten können; dies sollte im Zuge eines kooperativen und Lebensverlauf eingeht. Aktuelle Pläne, dies als ge- politisch moderierten Prozesses geschehen. In diesen setzliche Zielsetzung bei der Berufsberatung der Bun- sollten die privaten und öffentlichen Finanzierungs- desagentur für Arbeit (BA) festzuschreiben, sollten träger, repräsentiert durch Kammern, Tarifpartner vorangetrieben werden. Als Ziel der Berufsberatung und Sozialleistungsträger,­ und Weiterbildungsein- und Berufsorientierung soll auch die Erweiterung richtungen involviert sein. Hierbei ist insbesondere des Berufswahlspektrums verankert werden, mit die Vernetzung und Verknüpfung der Angebote von dem Ziel, dass die Berufswahl anhand der Fähigkei- Beratungseinrichtungen für Migrantinnen und Mi-­ ten und Interessen erfolgt und unbewusst wirkende granten zu stärken. Es sollten gemeinsame Kriterien Stereotype im Beratungsprozess hinterfragt werden für Zu­lassung und Organisation entwickelt werden, können. Die Sachverständigenkommission emp- ein wichtiges Instrument hierbei sind Rahmenverträge. fiehlt weiterhin, für die Beratung der Arbeitgeber gesetzlich zu verankern, dass diese auch über auf Die Sachverständigenkommission empfiehlt auch Geschlecht und Herkunft bezogene Nachteile am einen gesetzlichen Anspruch auf Weiterbildungs- Ausbildungs- und Arbeitsmarkt informiert werden. beratung und Kompetenzfeststellung (als leistungs­ Auf diesem Weg sollen Arbeitgeber, insbesondere unabhängiges Angebot) im SGB II und III, womit kleine Unternehmen, erreicht und für die Anwen- zum einen der Aufbau flächendeckender Anlauf- dung gleichstellungsorientierter Grundsätze gewon- stellen gestärkt, zum anderen Beratungshemmnisse nen werden (vgl. C.I.3.b). abgebaut würden.

Wesentlich für die Umsetzung ist, dass Gender- und b. Familienfreundliche öffentliche Diversitätskompetenz einschließlich interkulturel- Weiterbildungsangebote ler Kompetenz zur Schlüsselqualifikation aller am Berufswahlprozess beteiligten Fachkräfte werden, Vor allem Teilzeitbeschäftigte nutzen berufliche d. h. der Akteurinnen und Akteure, die in der Berufs- Weiterbildungsangebote seltener; zudem sinkt mit beratung und Berufsausbildung tätig sind, sowie der Zahl der Kinder die Teilnahmequote von Frauen, der Lehrerinnen und Lehrer. Die Sachverständigen- während sie bei Männern mit der Kinderanzahl steigt kommission erachtet es als notwendig, dass hierfür (Frey/Flörcken 2011): Beides sind wichtige Gründe für adäquate didaktische und methodische Ansätze ent- eine geringere Beteiligung von Frauen an Weiterbil- wickelt werden. Bestehende Instrumente, Materialien dung. Frauen mit Migrationshintergrund wiederum und Medien (einschließlich digitaler Instrumente) arbeiten häufiger Teilzeit als Frauen ohne Migrations- sollen daraufhin überprüft, überarbeitet und weiter- hintergrund. entwickelt werden. Lebenslaufsituationen würden besser berücksichtigt, wenn Maßnahmen zu unterschiedlichen Zeitfenstern 2. Organisation von Weiterbildung und in unterschiedlicher Dauer angeboten würden. Mindestens für öffentlich geförderte Weiterbildung a. „Qualitätsoffensive Weiterbildung“ als Anlaufstelle sollten gleichstellungspolitische Standards in diesem Sinne eingeführt werden. Parallel könnte die Bundes- Eine Hürde für Weiterbildung ist fehlendes Wissen agentur für Arbeit (BA) Weiterbildungsträgern, die darüber, welche Möglichkeiten der Finanzierung, der neue Konzepte familienfreundlicher Weiterbildungs- Freistellung und der Inhalte von Weiterbildungen angebote entwickeln, eine Anschubfinanzierung existieren. Dies ist zu einem erheblichen Anteil der anbieten. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um eine Unübersichtlichkeit der Weiterbildungslandschaft Vereinbarkeit von Weiterbildung mit Sorgearbeit geschuldet. Es empfiehlt sich daher eine stärkere Bün- in allen Lebensphasen für Frauen und Männer zu delung und übergreifende strategische Ausrichtung gewährleisten.

78 c. Gleichstellungsorientierte betriebliche lich sein. Fort- und Weiterbildung kann zum einen Weiterbildungsangebote durch persönliche Weiterbildung und Aufstiegsfort- bildung erfolgen: z. B. durch ein Studium oder durch Frauen sind vor allem in der betrieblichen Weiterbil- eine Aufstiegsfortbildung. Die Ausbildungsförde- dung deutlich unterrepräsentiert, und zwar sowohl rung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hinsichtlich der Teilnahmequoten als auch bei den (BAföG) wird allerdings nur für ein Studium an einer Maßnahmestunden. Frauen müssen Angebote der Hochschule oder den Besuch einer weiterführenden betrieblichen Weiterbildung häufiger in ihrer Freizeit Schule geleistet und ist an die Altersgrenze von 30 wahrnehmen und werden im Schnitt in geringerem Jahren (bzw. 35 Jahren bei einem Masterstudium) ge- Maße finanziell unterstützt. In nahezu allen Branchen bunden. Eine berufliche Aufstiegsfortbildung und partizipieren Männer anteilig häufiger an betrieblicher der Erwerb des Meistertitels werden mit einer steu- Weiterbildung als Frauen, auch in weiblich dominier- erfinanzierten Leistung nach dem AFBG (mit dem ten. In den größten Unternehmen mit eigenen Weiter- sogenannten Meister-BAföG) gefördert. Hier ist eine bildungsangeboten finden sich die größten Disparitäten Förderung bis zu drei Jahren – in Teilzeit bis zu vier zwischen Männern und Frauen. Dass Frauen Weiterbil- Jahren – möglich. Die geförderte Person darf maximal dung vergleichsweise häufiger privat organisieren und einen Bachelor-Abschluss besitzen. Der Förderbetrag­ weniger an betrieblicher Weiterbildung beteiligt sind, ist an das BAföG angelehnt, bietet also eher eine spiegelt die Tatsache wider, dass sich Weiterbildung für Grundsicherung als einen Entgeltersatz. Frauen oft nicht monetär auszahlt bzw. ihre Karriere häufig nicht befördert (Käpplinger/Kubsch 2017). Insbesondere für die Fort- und Weiterbildung außer- halb des arbeitsmarktpolitischen Rahmens sind Re- Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von formen bezüglich der Berufe, für die in vollzeitschuli- Frauen und Männern an Führungspositionen in der schen Systemen ausgebildet wird, erforderlich. Bereits Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG) der Erste Gleichstellungsbericht empfahl, das BAföG bezieht sich auf den Frauenanteil in Aufsichtsräten und das AFBG zu einem Rahmen für lebenslanges bzw. auf den obersten Managementebenen; dies macht Lernen im Sinne einer Erwachsenenbildungsförde- die Entwicklung einer betrieblichen Gleichstellungs- rung auszubauen. Die Sachverständigenkommission politik in Unternehmen und im öffentlichen Dienst empfiehlt als wichtigen Schritt hierfür, Altersgrenzen erforderlich (siehe genauer C.I.3). Für die Förderung für Zulassungen zu Ausbildungsgängen, zu Unter- der Karrieren von Frauen in Unternehmen sind geeig- stützungen und Stipendien aufzuheben; damit soll nete Weiterbildungen von besonderer Bedeutung. Die die Möglichkeit verbessert werden, auch nach einer Sachverständigenkommission empfiehlt, dass Frauen Phase der Erwerbstätigkeit Abschlüsse zu erwerben: von Unternehmen und Betrieben stärker in gezielte z. B. den Bachelor im Anschluss an eine Berufsausbil- Aufstiegsförderungskonzepte eingebunden werden. dung oder den Master im Anschluss an eine Phase der Sorgearbeit oder Erwerbstätigkeit. Für die weiterfüh- d. Förderung regionaler Weiterbildungsverbünde rende Ausbildung in einem akademischen Beruf ist eine Aufhebung der bisherigen Höchstaltersgrenzen Ein hoher Anteil an Frauen arbeitet in kleinen und im BAföG erforderlich, verbunden mit der Einführung mittleren Unternehmen (KMU). Gerade diesen Unter- einer Familienkomponente beim BAföG-Satz, die über nehmen fällt es aber oft schwer, geeignete betrieb­ den bisherigen monatlichen Kinderzuschlag von 130 liche Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten oder Euro pro Kind hinausgeht. zu fördern. Daher empfiehlt die Sachverständigen- kommission eine (staatliche) (Anschub )Förderung Ein Berufswechsel oder ein Studium nach oder wäh- regionaler Weiterbildungsverbünde durch die Bun- rend einer Berufstätigkeit kann bei Personen über 35 desagentur für Arbeit; als Vorbild könnten die Aus­ Jahren aktuell nur durch arbeitsförderungsrechtliche bildungsverbünde dienen. Leistungen unterstützt werden. Die Sachverständigen- kommission empfiehlt darüber hinaus eine Leistung, die im Sinne einer Grundsicherung für Weiterbildung 3. Finanzierung von Weiterbildung den Lebensunterhalt auf AFBG-/BAföG-Niveau sichert. Diese Förderung sollte an eine Prüfung des Weiterbil- a. Erwachsenenbildungsförderung dungsbedarfs und der Erfolgsaussichten gebunden werden. Um Zugangshürden abzubauen, sollten die Be- Bildungsmöglichkeiten im Erwachsenenalter sollten, dürftigkeitsprüfung im Vergleich zum SGB II und zum als Anschluss- und Aufstiegsqualifikation oder als ein BAföG gelockert und Freibeträge vorgesehen werden. Nachholen erster Abschlüsse (im Sinne einer „zweiten Diese Ausbildungsförderung für Erwachsene müsste Chance“), unabhängig vom Geschlecht allen zugäng- insbesondere die Weiterqualifikation zum Master

Handlungsempfehlungen C Berufswahl und berufliche Weiterbildung II.3 79 ermöglichen. Das Hochschulbildungssystem sieht rahmens, oder gar bis zum Master, d. h. bis Niveau 7 längst das Masterstudium auch nach und während einer des Deutschen Qualifikationsrahmens). Eine Bera- Berufstätigkeit vor. Diesen Wandel hat die Ausbil- tungspflicht oder ein Kompetenzfeststellungsverfah- dungsförderung bisher noch nicht aufgegriffen; hier ren würden hierbei unterstützend wirken; als Anlauf- müsste für Teilzeitweiterbildung neben einer Berufs­ stelle könnte die „Qualitätsoffensive Weiterbildung“ tätigkeit auch eine Teilsicherung geschaffen werden. dienen, die eine gender- und diversitätskompetente sowie interkulturell kompetente Beratung anbie- b. Anspruchsberechtigung im Rechtskreis tet. Eine solche Leistung könnte ein funktionales des SGB III erweitern Äquivalent für die Ausdehnung der Leistungen des AFBG bzw. BAföG darstellen. Bildungsmöglichkeiten im Erwachsenenalter um- fassen auch geförderte Fort- und Weiterbildung im c. Persönliche Weiterbildungsbudgets einrichten arbeitsförderungsrechtlichen Rahmen des Sozial- gesetzbuches (SGB) III. Ein Anspruch gegen Sozial- Nach einer Reform der Bildungskarenz und Bildungs- versicherungsträger auf Sicherung des Lebensunter- teilzeit konnte in Österreich ein deutlich anderer halts, der sich am vorherigen Einkommen und an der Personenkreis erreicht werden als mit klassischen relativen Lebensstandardsicherung orientiert, besteht Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik. Insbesonde- heute nur, wenn die Weiterbildung durch (drohen- re der Frauenanteil an der Bildungskarenz ist seither de) Arbeitslosigkeit indiziert ist. In diesem Fall wird bemerkenswert: In Kombination mit dem Weiterbil- Arbeitslosengeld gezahlt, auch wenn der oder die dungsgeld betrug er im Jahre 2014 58 % und erfasste Arbeitssuchende wegen der Weiterbildung dem zu einem großen Anteil (ca. 20 %) Frauen aus dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht (§§ 136, 144 Bereich Gesundheit und Sozialwesen (Titelbach 2016). SGB III) – falls die konkrete Weiterbildung von der In Deutschland haben (qualifizierte) Frauen in prekä- Bundesagentur gefördert wird. Der Anspruch darauf ren Beschäftigungspositionen insbesondere von För- liegt jedoch im Ermessen der Behörde. Voraussetzung derprogrammen wie Weiterbildungsgutscheinen und ist, dass die Weiterbildung die Vermittlungschancen Bildungsprämien profitiert. Diese nutzen auf diese verbessert. Insbesondere bei Personen, die über kei- Weise persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, auch nen Berufsabschluss verfügen oder die ihren gelernten ohne die (eigentlich wünschenswerte) Einbindung Beruf aufgrund einer anderweitigen Beschäftigung in in eine betriebliche Karriere- und Aufstiegsförderung an- oder ungelernter Tätigkeit von mehr als vier Jahren (siehe C.II.2.c). Weiterbildungsgutscheine haben sich voraussichtlich nicht mehr ausüben können, wird die in manchen Berufen so als ein nicht intendiertes, Notwendigkeit der Weiterbildung vermutet (§ 81 Abs. aber wirkungsvolles Instrument der Frauenförderung 2 SGB III). Hierzu zählen auch Personen, die nicht über erwiesen (Käpplinger/Kubsch 2017). Es wird deshalb einen Berufsabschluss verfügen, für den nach bundes- empfohlen, diese Programme beizubehalten und oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungs- zielgruppenspezifisch auszuweiten. Für die Auswei- dauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. tung wäre zu überlegen, inwieweit Weiterbildungs- gutscheine und Bildungsprämien in ein persönliches Damit sind insbesondere für prekär arbeitende Arbeit- Weiterbildungsbudget eingebunden werden können nehmerinnen und Arbeitnehmer (die nicht zwingend (vgl. Schmid 2012) – ein Budget, das den Vorteil hat, gering qualifiziert sein müssen) keine arbeitsförde- dass Weiterbildung jederzeit im Erwerbsverlauf reali- rungsrechtlichen Instrumente für Weiterbildung, zur siert werden kann. Anhebung des Qualifikationsniveaus und zur Verbes- serung der Beschäftigungsfähigkeit (Aufstiegsqualifi- zierung) vorhanden. Für Selbstständige beispielsweise bedeutet eine kostenpflichtige Weiterbildung aber neben einer finanziellen Belastung einen gleich­ zeitigen Verdienstausfall, der oft nicht geleistet werden kann, insbesondere im Niedrigeinkommens- bereich (Gather et al. 2017). Das entspricht aber nicht der Dynamik von Arbeitsmärkten; die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erwerben, wird immer wichti- ger. Die Sachverständigenkommission empfiehlt eine Regelung, die für alle Erwerbspersonen eine Wei- terbildung bis zu einem bestimmten Bildungsgrad er­möglicht (beispielsweise bis zum Bachelor/Meister, d. h. bis Niveau 6 des Deutschen Qualifikations­

80 C.III.Gleichstellung in der Selbstwirksamkeit und Verantwortung ermöglicht selbstständigen Erwerbsarbeit und zugleich die Aussicht auf ein dem eigenen Einsatz adäquates, hohes Einkommen eröffnet. Selbststän- digkeit, die dies auf Dauer bietet, wird für Frauen und Die Frage der tatsächlichen Verwirklichungschancen Männer zur Chance, den eigenen Lebensentwurf in von Frauen und Männern im Lebensverlauf stellt sich beruflicher Hinsicht erfolgreich zu entfalten. Das ist in Bezug auf die selbstständige Erwerbsarbeit in einer allerdings nur eine Seite der Selbstständigkeit. Selbst- besonderen und ambivalenten Weise: Einerseits kann ständigkeit, insbesondere in Form der Soloselbststän- private Sorgearbeit bei beruflicher Selbstständigkeit digkeit, wird nicht selten erst dann gewählt, wenn leichter organisierbar sein, da diese Beschäftigungs- keine realistischen Aussichten bestehen, eine abhän- form häufig eine höhere zeitliche Flexibilität bietet. gige Beschäftigung aufzunehmen, die den eigenen So ist sie gerade für Personen mit Sorgeverpflichtun- (Einkommens-)Vorstellungen entspricht und zu den gen eine Option für den Wiedereinstieg (siehe C.VIII). persönlichen Lebensumständen (etwa Verantwortung Andererseits steht (Solo-)Selbstständigkeit nicht selten für Sorgearbeit) passt. Selbstständigkeit ist in diesen dem gleichstellungspolitischen Ziel einer (insbeson­ Fällen eine Option, die nicht wirklich gewollt ist, son- dere langfristigen) eigenständigen Existenz- und dern als Option gegen drohende Arbeitslosigkeit eher Alterssicherung entgegen (siehe C.X). Da die Chancen in Kauf genommen wird (sogenannte destandardisier- und Risiken der Selbstständigkeit abhängig von Ge- te Existenzgründungen; vgl. Gather et al. 2017: 42). schlecht (und hier wiederum differenziert nach Alter und Erfahrungen mit Migration) ungleich verteilt sind Selbstständige Erwerbsarbeit ist häufig nur eine Epi- (siehe auch B.I.1), greift die Sachverständigenkommis- sode im Lebensverlauf. Die Abfolge von abhängiger sion das Thema im vorliegenden Abschnitt auf. Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit wird üblicher. Beide Formen der Arbeit können ineinan- der übergehen und kaum noch unterscheidbar sein („Erwerbshybridisierung“); die klare Dichotomie Die Sachverständigenkommission hält im Bereich der zwischen abhängiger und unabhängiger Erwerbs­ selbstständigen Erwerbsarbeit zwei Handlungsempfehlun- arbeit verflüssigt sich. Gerade in ihren neuen For- gen für zentral: men bringt Selbstständigkeit „den Anschein von – Optimierung des Zugangs zu Kapital, Kompetenzen Freiheit mit sich, lässt aber auch die verstärkte Kon- und Netzwerken für alle Selbstständigen trolle der Selbstständigen zu“ (Gather et al. 2017: – Verbesserung der sozialen Sicherung von Solo­selbst- 30). Unter Gleichstellungsgesichtspunkten fallen zu- ständigen, insbesondere von weiblichen Selbststän- dem Charak­teristika selbstständiger Arbeit auf, die digen, durch eine konsequente Einbindung in die Männer und Frauen unterschiedlich betreffen (zum Sozialversicherungssysteme; hierzu gehören u. a. Folgenden ebd.: 25, 39, 62ff., 66, 75, 76ff., 94ff., 96ff., auch die Erstreckung des Mutter­schutzes auf 101ff., 108ff.; siehe auch, zum Teil in wörtlicher An- weib­liche Selbstständige sowie die Behebung von lehnung, den sogenannten KfW-Gründungsmonitor, Defiziten der derzeitigen Elterngeld-Regelung­­­­ vgl. Abel-Koch 2014).

Dem Schritt in die Selbstständigkeit liegen empi- risch unklare Mischungsverhältnisse von Push- und Vorbemerkung Pull-Motiven zugrunde. Gerade für Mütter stellt er oft eine Möglichkeit zur Rückkehr in die Erwerbs­ Im Bereich der selbstständigen Erwerbsarbeit bestehen tätigkeit dar, bei der sich Familie und Beruf ver- gleichstellungspolitische Schieflagen (siehe B.I). Bereits einbaren lassen – was umgekehrt den Rückschluss im Ersten Gleichstellungsbericht ist für das Problem erlaubt, dass sozialversicherungspflichtige Beschäf- der Alterssicherung die besondere Situation Selbst- tigungen, die diese Vereinbarkeit gestatten, vermisst ständiger angesprochen worden (vgl. Bundesregierung werden (siehe ausführlich C.I). Es spricht einiges 2011: 226). Damit wurde ein wichtiges Problemfeld dafür, dass institutionell vermittelte (geschlechtsbe- benannt, das unter Gleichstellungsaspekten nähere zogen ungleiche) Verwirklichungschancen und im Betrachtung verdient. Lebensverlauf getroffene Entscheidungen – z. B. bei der Berufswahl oder bezüglich Elternschaft – oft so Generell sind die Motive, eine selbstständige Erwerbs- zusammenwirken, dass gerade Frauen entweder von arbeit aufzunehmen, sehr unterschiedlich. Selbststän- einer Gründung abgehalten werden oder diese wäh- digkeit kann, insbesondere wenn sie mit der planvoll len (müssen). Ob bzw. in welchem Maße bei Frauen angelegten Gründung eines Unternehmens einher- eine gegen die Gründungsbereitschaft sprechende geht, attraktiv sein, weil sie Männern wie Frauen hohe höhere Risikoaversion besteht, ist umstritten. Zwar

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der selbstständigen Erwerbsarbeit III. 81 ist dies empirisch noch nicht zu Genüge erforscht, Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frau- aber es gibt Befunde dafür, dass die Zurückhaltung en ist in der Selbstständigkeit deutlich höher als in von Frauen insbesondere bei kapitalintensiven der abhängigen Beschäftigung; selbst in Branchen, in Gründungen einem ökonomisch rationalen Kalkül denen weibliche Selbstständige stärker repräsentiert entspricht. Dieses Kalkül wird darauf zurückgeführt, sind, verdienen Männer mehr (näher hierzu siehe dass weibliche Lebensverläufe durch Erwerbsun- B.I.2). Auch wenn die materielle Situation im Kon- terbrechungen und Teilzeitarbeit gekennzeichnet text des gesamten Haushalts, in dem Frauen leben, zu sind, die zumeist geringere Entlohnung und somit betrachten ist (siehe B.I.2), stellt diese Einkommens- eingeschränkte Investitionsmöglichkeiten und eine lücke für Selbstständige das gleichstellungspolitische geringere Bereitschaft zur Kreditaufnahme bedeuten Ziel der eigenständigen Existenzsicherung in Frage (vgl. Gather et al. 2017: 62). (Gather et al. 2017: 95).

Beide Varianten der Selbstständigkeit – Selbstständig- Die Handlungsfelder, aus denen diese Ungleichge- keit als gewollte oder als in Kauf genommene Opti- wichte resultieren, sind komplex. Allerdings: Grund- on – betreffen Männer und Frauen nicht in gleichem voraussetzung gleicher Verwirklichungschancen auf Umfang. Die Gründungen von Frauen unterscheiden eine eigenständige Existenzsicherung durch selbst- sich statistisch in vielfacher Hinsicht von den Grün- ständige Erwerbsarbeit ist ein gleichberechtigter dungen von Männern. So lebten 2013 deutlich mehr Zugang zu Gründungsmöglichkeiten, insbesondere Gründerinnen als Gründer mit mindestens einer zu Kapital. Und um Risiken und Chancen der selbst- Person unter 18 Jahren im Haushalt. Gründerinnen ständigen Erwerbsarbeit gleichberechtigter zu gestal- waren vor der Selbstständigkeit häufiger als Gründer ten, ist eine soziale Mindestsicherung unabdingbare nicht erwerbstätig; für Gründerinnen mit Kindern Voraus­setzung. Die Sachverständigenkommission hat trifft dies in besonderem Maße zu. Seltener als bei sich bei der Entwicklung von Handlungsempfehlun- Männern ist es bei Frauen die innovative Geschäfts­ gen im Bereich der Selbstständigkeit deshalb auf diese idee, die ihre Entscheidung zur Selbstständigkeit beiden Handlungsbereiche konzentriert. antreibt, öfter dagegen der Mangel an attraktiven Er- werbsalternativen (Abel-Koch 2014; siehe auch B.I.5). 1. Zugang zu Kapital, Kompetenzen und Auf solche Motivlagen deuten auch die Arbeitszeiten Netzwerken optimieren selbstständiger Männer und Frauen hin. Grundsätz- lich gibt es hier kaum Unterschiede zwischen Män- Es erscheint zweifelhaft, dass die derzeitige Förderin- nern und Frauen; Unterschiede zeigen sich nur bei frastruktur auf die nach Geschlecht differenzierten soloselbstständigen Frauen, die im Haupterwerb mit Gründe für eine Zurückhaltung namentlich bei kapi- 40 Wochenstunden zehn Stunden unter der mittle- talintensiven Gründungen hinreichend eingeht (und ren Arbeitszeit der Männer liegen. Männer in höhe- hierbei auch die Berufswahl sowie Benachteiligungen ren Altersklassen sind überproportional häufig im bei vorheriger Erwerbsarbeit genügend berücksich- Zuerwerb tätig, während die selbstständigen Frauen tigt); dasselbe gilt für die Frage, ob sie den Anforde- im Zuerwerb deutlich jünger sind. Das könnte dahin- rungsprofilen der Tätigkeitsbereiche gerecht wird, in gehend gedeutet werden, dass selbstständige Männer denen selbstständige Frauen überwiegend arbeiten. zusätzlich zur Alterssicherung hinzuverdienen, wäh- Zudem ist die Förderlandschaft auf die Anfangsphase rend der Zuerwerb für selbstständige junge Frauen, der Gründung fokussiert; Gründungen von Frauen, namentlich junge Mütter, häufiger eine Gelegen- die in aller Regel ohne kapitalintensiven Start aus- heitsstruktur darstellt (Gather et al. 2017: 25). kommen, sind jedoch eher auf eine Förderung ange- wiesen, die bei einer bereits laufenden Geschäftstä- Eine gleichstellungsorientierte Gestaltung der selbst- tigkeit auftragsschwache Zeiten überbrücken oder in ständigen Erwerbsarbeit wirft also eine Vielzahl an einer bereits laufenden Geschäftstätigkeit Aufträge Fragen auf. Männer sind häufiger als Frauen im Haup- vorfinanzieren kann (ebd.: 46ff.). terwerb selbstständig und haben häufiger Beschäftig- te. Sie sind eher in gut entlohnten Wirtschaftszweigen Die Sachverständigenkommission empfiehlt, dass der bzw. MINT-Berufen (abgekürzt für Mathematik, Infor- Zugang zu Kapital, Kompetenzen und Netzwerken matik, Naturwissenschaften und Technik) zu finden, insbesondere für Frauen, die Gründerinnen werden während Frauen häufig in Dienstleistungsbranchen, wollen, optimiert werden sollte. Hierbei sollte zum dem Bildungssektor und in Gesundheitsberufen tätig einen die bisherige Förderpolitik der Kreditanstalt sind. Dies mag zum Teil auch den unterschiedlichen für Wiederaufbau (KfW) überprüft und daraufhin Finanzierungsbedarf von Gründerinnen und Grün- befragt werden, inwiefern die Vergabe der Förder- dern erklären (siehe B.I.1). mittel tatsächlich geeignet ist, um die spezifischen

82 Gründungsideen, die allen bisherigen Erfahrungen können, beispielsweise indem Kreditzahlungen für nach von Frauen realisiert werden, effektiv zu fördern. einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt oder Förder- Außerdem sollten Coaching-Angebote entwickelt laufzeiten entsprechend verlängert werden können. bzw. ausgebaut werden, um Kompetenzen zu bilden und zu stärken, die einen langfristig erfolgreichen Ein- satz des Kapitals ermöglichen. Dazu gehört auch die 2. Soziale Sicherung für (Solo-)Selbstständige Fähigkeit, für den erfolgreichen Unternehmensaufbau verbessern relevante Netzwerke zu schaffen und sich in bislang von Männern dominierte Netzwerke ein­zubringen Vor dem Hintergrund der beschriebenen Problemlage­ und einbinden zu lassen. weist die soziale Sicherung namentlich selbststän­ diger Frauen Schwächen auf. Hierbei stehen zentrale Möglicherweise eignet sich bei der Vermittlung Aspekte der sozialen Sicherung, die an regelmäßiges solcher Kompetenzen auch die Bundesagentur für Einkommen gebunden sind bzw. typischerweise nur Arbeit (BA) im Zuge der Vergabe von Gründungs- abhängig Beschäftigten zugutekommen – Kranken- zuschüssen (§§ 93f. SGB III); mit einem spezifischer und Pflegeversicherung, Mutterschutz, Alterssiche- ausgerichteten Coaching könnte sie diese Zuschüsse rung, Absicherung bei Auftragslosigkeit – gleicher­ noch stärker als bisher flankieren. Gegenstand des maßen in Frage (vgl. Gather et al. 2017: 76ff.): Coachings sollte auch die Sensibilisierung für The- men des Gesundheits- und Entgrenzungsschutzes sein a. Soziale Sicherung für Soloselbstständige (siehe C.I.1.a). Schließlich sollte die BA ihre aktive Ar- beitsmarktpolitik auch insofern weiterentwickeln, In einigen Berufsgruppen besteht für Selbstständige dass – sofern die Betreffenden dies wünschen – auch Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenver- Coaching angeboten wird, das aus der Soloselbststän- sicherung (GRV), die für kammerfähige freie Berufe digkeit herausführt oder auf deren Vermeidung abzielt. durch die Versorgung in einer berufsständischen Ver- sorgungseinrichtung substituiert wird. Es ist nicht Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Sachverstän­ bekannt, wie es um diejenigen Branchen bestellt ist, digenkommission die Anpassung gesetzlicher Regelun- in denen vorrangig Frauen selbstständig tätig sind. gen zum Gründungszuschuss (§§ 93, 94 SGB III) bzw. Generell fehlt es an Daten darüber, ob und inwieweit der Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Ar- (Solo-)Selbstständige soziale Risiken tatsächlich ab- beit (BA). Hierbei sollte das der BA bislang eingeräumte sichern. Zahlen aus dem Jahre 2010 zeigen, dass 65 % Ermessen spezifiziert werden; die ermessenssteuernden der Soloselbstständigen nicht in der GRV abgesichert Vorschriften, die allgemein auf die Gleichstellung von sind und dass 2009 32 % als Altersvorsorge nur über Männern und Frauen abzielen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3, eine private Lebensversicherung verfügten (ebd.: 92). Abs. 2 Satz 4 und § 8 SGB III), sollten die besondere Si- Während bei Alter und Krankheit zumindest die Mög- tuation von Gründerinnen hervorheben. Auch sollten lichkeit einer Absicherung besteht, gestaltet sich die zentrale Begriffe des Normprogramms, wie etwa die Absicherung von Auftragslosigkeit rechtlich wie ma- Tragfähigkeit der Existenzgründung (vgl. § 93 Abs. 2 teriell schwierig. Eine freiwillige Weiterversicherung Satz 1 Nr. 2 SGB III), spezifischer gefasst werden. Die Si- in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung über ei- tuation von Frauen, die Gründerinnen werden wollen, nen Festbetrag kommt nur für diejenigen in Betracht, könnte so in den Stellungnahmen der fachkundigen In- die 24 Monate vor Aufnahme der selbstständigen Tä- stitutionen, die die Tragfähigkeit der Existenzgründung tigkeit mindestens zwölf Monate sozialversicherungs- bewerten (Industrie- und Handelskammern, Hand- pflichtig beschäftigt waren. Nur eine kleine Minder- werkskammern, berufsständische Kammern, Fachver- heit der Soloselbstständigen nutzt diese Möglichkeit. bände und Kreditinstitute), besser bewertet werden. Um die prekäre soziale Sicherung Soloselbstständi- Generell muss die Gründungsfinanzierung anders ger, insbesondere soloselbstständiger Frauen zu ver- profiliert werden: als Zugang zu Finanzmitteln, bessern, empfiehlt die Sachverständigenkommission, die nicht notwendigerweise zu Beginn des Grün- die bisherigen Ansätze zur pflichtigen (vgl. § 2 SGB dungsvorhabens anfallen, sondern die effektiv dazu VI) oder freiwilligen (vgl. § 4 und § 7 SGB VI; siehe beitragen, auftragsschwache Zeiten zu überbrücken auch § 4 SGB VI und § 28a SGB III) Einbindung Solo- oder Aufträge in einer bereits laufenden Geschäfts­ selbstständiger in einzelne Sozialversicherungszwei- tätigkeit vorzufinanzieren. Ferner sollten bestehende ge (insbesondere Arbeitsförderung und Arbeitssiche- (Kredit-)Programme so umgestaltet werden, dass im rung) zu einer umfassenden Versicherungspflicht für Falle des Eintretens ökonomisch riskanter Ereignis- Selbstständige auszubauen, die sich auf die Renten-, se im Lebenslauf – wie Mutterschaft, Krankheit und Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung be- Pflege von Angehörigen – Risiken minimiert werden zieht (in diesem Zusammenhang wäre das Verhältnis

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der selbstständigen Erwerbsarbeit III.2 83 von gesetzlicher Rentenversicherung und Versor- selbstständig tätigen Männern und Frauen besteht gungswerken der freien Berufe zu klären).11 Diese und bittet die Bundesregierung Schritte für eine Versicherungspflicht sollte für alle Personen ange- zügige Umsetzung einzuleiten. Dazu bittet die ordnet werden, die im Rahmen ihrer selbstständigen GFMK die Bundesregierung als erstes, die völlig Tätigkeit regelmäßig keine versicherungspflichtigen unzureichende Datenlage zu verbessern. Daten über Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen selbstständige Frauen im Kontext der Mutterschaft (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI). Entsprechend dem Vor- müssen genauer ermittelt und ausgewertet werden“ bild der bisherigen punktuellen Einbindung (Solo-) (BMFSFJ 2016i: 12, Beschluss Nr. 2 zu TOP 5.3). Selbstständiger in die Sozialversicherung sollte eine Mindest-Beitragsbemessungsgrundlage definiert wer- In der Tat ergibt sich aus Art. 8 (amtliche Überschrift: den, anhand derer die Beiträge berechnet werden (vgl. „Mutterschaftsleistungen“, englisch: „Maternity be- die auf Selbstständige bezogenen Regelungen des nefits“) der EU-Richtlinie 2010/41/EU 12 eine dauer­ § 165 SGB VI und des § 345b SGB III (zu § 28a Abs. 1 hafte Pflicht zur Beobachtung des Umsetzungsbe- Satz 1 Nr. 2 SGB III)). Außerdem ist zu prüfen, inwie- darfs und gegebenenfalls Nachbesserung; diese muss fern bei einer hinreichend verlässlichen Eigenvor- auch gegebenenfalls veränderten Realitäten und sorge eine Befreiung von der Versicherungspflicht deren Bewertung Rechnung tragen. Ungeachtet der möglich sein soll. Um die Einbindung in die Zweige Auffassung der Bundesregierung, Umsetzungsbedarf der Sozialversicherung abzurunden, sollte der Bun- bestehe nicht, 13 verdienen die Stimmen, die auf ei- desgesetzgeber prüfen, ob analog zu Mindestlohnbe- nen möglichen Umsetzungsbedarf hinweisen, Beach- stimmungen für abhängig Beschäftigte entsprechende tung (siehe etwa Schulze Buschoff 2016: 5f.; Knigge bereichsspezifische Mindestvergütungsregelungen 2013). Denn Selbstständige haben keinen Anspruch für Selbstständige sinnvoll sind (vgl. Gather et al. auf Mutterschaftsleistungen. Die privaten Kranken- 2017: 115f.; siehe auch DJT 2016). versicherungen (PKV) bieten Leistungen während der Mutterschutzfristen (soweit bekannt) nicht an. Ferner sollte der Bundesgesetzgeber prüfen, ob Selbst- Selbstständig tätige Frauen, die in der gesetzlichen ständige, die wirtschaftlich stark von einem (öffent­ Krankenversicherung (GKV) versichert sind, können lichen) Auftraggeber abhängen, in die Vertretungs- einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld indirekt da- gremien eingebunden werden können, die bislang die durch erwerben, dass sie ihre Versicherungsleistung Interessen abhängig Beschäftigter vertreten (Betriebs- auf das Krankengeld erstrecken. räte, Personalräte) (Gather et al. 2017: 117); hierbei müsste die besondere Situation selbstständig erwerbs- Zukünftig findet das Mutterschutzgesetz auch auf tätiger Frauen berücksichtigt werden. arbeitnehmerähnliche Personen und damit auf einen Teil der Soloselbstständigen Anwendung; dies gilt b. Soziale Sicherung bei Mutterschaft und allerdings nicht für das Mutterschaftsgeld und den Elternschaft Selbstständiger Mutterschutzlohn (Bundesregierung 2016e: 9, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 MuSchGE). Mit dem Elterngeld wie- Die Geburt eines Kindes ist für Selbstständige meist derum wird zwar auch Selbstständigen ein Ausgleich ein unternehmerisches Risiko. Allerdings erfahren für das nach der Geburt wegfallende Einkommen selbstständig erwerbstätige Frauen nach der Geburt eines Kindes statistisch geringere Einkommensver­ luste als abhängig beschäftigte Frauen, weil sie im 11 Als konzeptionelles Vorbild könnte auch die sogenannte Handwer- Schnitt bereits nach zwei Jahren wieder an das Ein- ker-Versicherung (§ 2 Satz 1 Nr. 8 und § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI) dienen. kommensniveau anschließen können, auf dem sie sich vor der Geburt bewegt haben. 12 Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehand- lung von Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbs­ Generell bleiben die auf Bundesebene gesetzgebe- tätigkeit ausüben, vom 7. Juli 2010 (ABl. EU 2010, L 180/1). risch Verantwortlichen weiterhin aufgerufen, zu prüfen, ob hinreichend Leistungen gewährleistet 13 Stellungnahme des BMFSFJ vom 13.06.2016 zu den Beschlüssen sind, um die Mutterschaft selbstständiger Frauen der 25. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, abzusichern. So ist die Konferenz der Gleichstellungs- -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder: „Aus Sicht und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen der Bundesregierung folgt aus der Richtlinie 2010/41/EU des euro­ und -senatoren der Länder (GFMK) „der Auffassung, päischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirk­ dass nach wie vor Handlungsbedarf zur Umsetzung lichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von selbstständig der Richtlinie 2010/41/EU des euro­päischen Parla- tätigen Männern und Frauen neben den bereits bestehenden um- ments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirk­ fangreichen sozialen Absicherungsmöglichkeiten keine weitere lichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Umsetzungsnotwendigkeit.“ (BMFSFJ 2016i).

84 gewährt; es ersetzt allerdings – anders als die Mutter- biografien – gerade von Frauen – fließenden Über- schaftsleistungen – prinzipiell nur 65 % bis 67 % des gängen zwischen abhängiger und selbstständiger Einkommens, bei geringem Verdienst bis zu 100 %. Erwerbsarbeit ergeben („Erwerbshybridisierung“, Außerdem wird es anders als das Mutterschaftsgeld siehe Vorbemerkung zu C.III). Im Interesse der (Bundesregierung 2016e: 19, § 18) nicht bereits vor der selbstständigen Frauen, in deren Leben Mutterschaft Geburt gewährt. Bei der Höhe des Elterngeldes setzt relevant werden kann, empfiehlt die Sachverständi- sich das insgesamt niedrige Einkommensniveau fort. genkommission die erneute Prüfung des aus Art. 8 Selbstständige Frauen arbeiten häufiger als abhän- der Richtlinie 2010/41/EU resultierenden gesamten gig beschäftigte Frauen neben der Elternzeit weiter Anpassungsbedarfs – und zwar über die Frage des Mut- (Gather et al. 2017: 107) terschaftsgeldes hinaus. Dazu zählt auch die Frage, ob alternativ oder kumulativ zum Mutterschaftsgeld Problematisch ist ferner, dass selbstständige Frauen Leistungen zur Sicherstellung des Unternehmens zum Großteil Alleinunternehmerinnen sind und es (etwa zur Finanzierung von Vertretungslösungen) somit in der (Vor-)Geburts- und Wöchnerinnenzeit an zu gewähren sind (Gather et al. 2017: 100, 111). Prüf- Vertretungslösungen mangelt. Regelungen zu entspre- bedarf besteht zudem bezüglich der Gewährleistung chenden Vertretungslösungen gibt es lediglich in der eines hinreichenden Einkommens insbesondere Landwirtschaft (durch Betriebshelfer und Betriebs­ selbstständiger Mütter (vgl. Art. 8 Abs. 3 der Richtli- helferinnen). nie). Geprüft werden sollte außerdem, inwiefern der Bemessungszeitraum für die Elterngeldberechnung Die Sachverständigenkommission empfiehlt die bei Selbstständigen – regelmäßig wird das Jahr vor der pflichtige Einbindung u. a. in die Krankenversiche- Geburt des Kindes berücksichtigt (§ 2b Abs. 2 BEEG) – rung (grundsätzlich, aber mit Ausnahmen, in die GKV, deren ökonomischer Situation gerecht wird 15. siehe C.III.2.a). Dies ermöglicht die Zahlung von Kran- ken- und Mutterschaftsgeld. Die Finanzierung des Der Entwurf für eine Reform des Mutterschutzgeset- Mutterschaftsgeldes müsste so ausgestaltet werden, zes (vgl. Bundesregierung 2016e, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 dass Selbstständige nicht schlechter gestellt werden MuSchGE) bezieht die Kategorie der – wegen ihrer als Angestellte; hierbei sollten die Regelungen des wirtschaftlichen Unselbstständigkeit – arbeitnehmer- Mutterschutzgesetzes mit den Regelungen des SGB V ähnlichen Person in den Anwendungsbereich ein. zum Mutterschaftsgeld und Krankengeld abgestimmt Es sollte geprüft werden, ob dies nicht ein konzep­ werden. Durch eine Anpassung des Versicherungs- tioneller Kompass sein kann und ob der soziale Schutz vertragsgesetzes (VVG) sollte künftig sichergestellt Selbstständiger nicht generell in diese Richtung fort- werden, dass auch eine – nach den allgemeinen Regeln entwickelt werden könnte. zur Abgrenzung von der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung – privat versicherte Selbststän- dige, die Mutter geworden ist, Krankentagegeld bean- spruchen kann; entsprechende politische Planungen sollten unter Berücksichtigung des Prinzips der Sozi- alverträglichkeit zügig umgesetzt werden. 14

Das Argument, für Art. 8 der Richtlinie fehle es an einer Rechtsgrundlage im Vertrag über die Arbeits- weise der Europäischen Union (AEUV), spricht nicht gegen die Umsetzung (zur Diskussion vgl. Gather et al. 2017: 98f.). Art. 157 Abs. 3 AEUV bezieht sich auf die „Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen“. Dies ist in ei- nem weiten Sinne zu verstehen und meint gerade nicht nur die abhängige Beschäftigung; dies belegen andere Sprachfassungen des AEUV (etwa auf Englisch: „in matters of employment and occupation“; auf Französisch: „en matière d‘emploi et de travail“; auf 14 Siehe die Ankündigung der Parlamentarischen Staatssekretärin im Niederländisch: „in werkgelegenheid en beroep“). Bundesgesundheitsministerium Widmann-Mauz; vgl. Deutsches Ärzteblatt 2016. Eine integrierte Betrachtung abhängiger und selbst- ständiger Erwerbstätigkeit wird auch den Problemen 15 Vgl. zu denkbaren Problemen exemplarisch BSG, Urteil vom besser gerecht, die sich aus den in manchen Erwerbs- 27.10.2016, Az. B 10 EG 5/15 R.

Handlungsempfehlungen C Gleichstellung in der selbstständigen Erwerbsarbeit III.2 85 C.IV.Aufwertung der erwerbsförmigen tungen durchlaufen einen tiefgreifenden Wandel Sorgearbeit vom reinen Versorgungs- zum Mitwirkungsauftrag (Betreuung, Begleitung, Aktivierung) und folgen damit dem Trend der Gesamtwirtschaft zu höhe- Der Arbeitsmarkt wird bis heute durch eine starke ren Anforderungen an die berufliche Qualifikation; Trennung (Segregation) der Branchen und Berufe auch dies rechtfertigt eine integrierte Perspektive auf nach Geschlecht strukturiert. Diese ist historisch personen- und haushaltsnahe Dienstleistungen und gewachsen und spiegelt tradierte Geschlechter- Berufe im Begriff „SAHGE-Berufe“. stereotype und eine strukturelle Unterbewertung von Sorgearbeit wider. Aus Gleichstellungspers- SA: Soziale Arbeit pektive ist nicht nur diese Ungleichbewertung von H: Haushaltsnahe Dienstleistungen Arbeit problematisch. Ein solchermaßen segregierter G: Gesundheit und Pflege Arbeitsmarkt verstärkt auch die vorhandenen (Fehl-) E: Erziehung Anreize für eine spezialisierte Arbeitsteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit (vgl. C.IX).

Eine Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit Vorbemerkung trägt zum einen dazu bei, dass die in diesen Berufen Beschäftigten, zumeist Frauen, leichter eine eigen- Die SAHGE-Berufe haben aktuell einen Arbeits- ständige Existenz- und Alterssicherung aufbauen marktanteil von rund 18 %. 80 % der hier Beschäf- können. Zum anderen ermöglicht diese Aufwertung tigten sind weiblich (BA Statistik 2016b). Trotz der eine bessere Verfügbarkeit von erwerbsförmiger großen gesellschaftlichen Bedeutung dieser Berufe Sorgearbeit für Betreuende und Pflegende und beför- prägt nach wie vor überwiegend das Bild vom männ- dert insofern auch eine gleichstellungsorientierte lichen Facharbeiter die Konzepte von Ausbildung Gestaltung der Erwerbs- und Sorgearbeit. und Beruflichkeit in Deutschland. Gleichstellungs- bemühungen für die Erwerbsarbeit laufen leer, wenn sie die geschlechtsbezogene horizontale Spaltung der Arbeitsmärkte nicht berücksichtigen, also die Die Sachverständigenkommission empfiehlt für Tatsache, dass Arbeitsplätze und Berufe in indust- die Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit: riellen Sektoren weitgehend männlich konnotiert, – Reform der Berufsprofile, der Aus- und Weiter­ höher bewertet, besser bezahlt und mit weitaus bes- bildung und der Aufstiegsmöglichkeiten seren Entwicklungs- und Aufstiegschancen verbun- – Förderung geeigneter Nachfrage- und Honorie­ den sind als Arbeitsplätze und Berufe in personen- rungsstrukturen für höherqualifizierte Beschäf­tigte bezogenen und sozialen Dienstleistungsberufen. in den entsprechenden Berufen Der ökonomische Beitrag der SAHGE-Berufe zur – Reform der institutionellen Rahmenbedingungen Volkswirtschaft wird (immer noch) chronisch unter- für Pflegeberufe schätzt und in ökonomischen Theorien nicht ausrei- chend abgebildet (Scheele 2017); er wird nur in der feministischen Theorie angemessen berücksichtigt. In den letzten Jahren hat sich zur Aufwertung sozialer Berufe eine Bewegung entwickelt (vgl. Care Revo­ Begriffsdefinition: SAHGE-Berufe lution Netzwerk). 2013 veröffentlichten Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler das Manifest Der Begriff „SAGE-Berufe“ wurde von Ulrich Mergner „Care.Macht.Mehr“ (Brückner et al. 2013). in die Fachdiskussion eingebracht und als „Dach- marke“ aufgegriffen, um ein Pendant zum Viele SAHGE-Berufe in Kinderbetreuung und Begriff der „MINT-Berufe“ zu schaffen (Mergner -erziehung, Alten- und Krankenpflege, (Behinder- 2011). Grundsätzlich schließt sich die Sachverstän- ten-)Betreuung und Haushaltsführung sind immer digenkommission diesem Vorschlag an. Sie erweitert noch „Sackgassenberufe“ (Krüger 1991). Zum Teil ihn jedoch um die haushaltsnahen Dienstleistungs- werden sie als externalisierte Funktionen von Privat- berufe. Deshalb verwendet dieses Gutachten den haushalten angesehen. Sie sind nach wie vor über- Begriff „SAHGE-Berufe“. Er trägt dem Umstand Rech- wiegend als Assistentinnen- und Helferinnenberufe nung, dass eine gute hauswirtschaftliche Grundver- konzipiert, deren Verwertungs- und Aufstiegschan- sorgung essentielle Voraussetzung für erfolgreiches cen der gesellschaftlichen Bedeutung erwerbsför­ therapeutisches, pflegerisches und pädagogisches miger Sorgearbeit in keiner Weise entsprechen, Handeln ist. Auch die haushaltsnahen Dienstleis- denn nach aktuellen Arbeitsmarktprognosen wird

86 künftig ein Drittel bis ein Viertel aller Erwerbstäti- So arbeiten im Bereich der frühkindlichen Betreuung gen in diesen Bereichen tätig sein. Demgegenüber gut 95 % Erzieherinnen und nur knapp 5 % Erzie- werden die Arbeitskräfte, die in den produktions- her (Destatis 2016g). In der Pflege ist der Frauenanteil bezogenen Berufshauptfeldern tätig sind, 2030 vor- nicht ganz so hoch, liegt aber immer noch erheblich aussichtlich nur noch einen Anteil von knapp 19 % über dem der Männer: Im ambulanten Dienst liegt der stellen (Vgl. Baethge/Baethge-Kinsky 2017). Frauenanteil an den Beschäftigten bei knapp 88 % und in der stationären Versorgung bei 85 %. In den Berufs­ Die gesellschaftliche Bedeutung, welche die in über- feldern Gesundheit, Pflege und Erziehung arbeiten ins- wältigender Mehrheit von Frauen geleisteten SAH- gesamt 4,2 Millionen Beschäftigte (Helmrich et al. 2016: GE-Tätigkeiten für den Erfolg der Volkswirtschaft 10). Pflegefachkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher und das Funktionieren der Gesellschaft haben, ist sind deutlich weniger zufrieden mit ihrem Einkommen bislang nicht in die dafür nötigen Strukturen über- und artikulieren höhere physische Arbeitsbelastun- setzt worden (in das Ausbildungssystem, das Entloh- gen als der Durchschnitt der Erwerbstätigen (ebd.: 11). nungssystem, das System der Arbeitsbeziehung etc.). So zeigt sich z. B. für die Tariflohnentwicklung in Rahmenbedingungen, Finanzierungsstrukturen und Westdeutschland nach Branchen, „dass gegenwärtig Dienstleistungsmärkte sind für die unterschiedlichen in der Metallindustrie als einem industriellen Kern- SAHGE-Berufe und Tätigkeiten differenziert zu be- sektor, in dem zugleich überwiegend Männer be- trachten. Gemeinsam ist ihnen die Heterogenität der schäftigt sind, wie auch in dem gemischt geschlecht- Anbieterstrukturen; dies führt zu sehr unterschiedli- lich besetzten Banken- und Versicherungsbereich chen Arbeitsbedingungen und Einkommen innerhalb deutlich höhere Tariflöhne erzielt werden als in den eines Berufsfeldes. Im folgenden Abschnitt werden durch öffentliche oder quasiöffentliche Beschäfti- insbesondere Altenpflegeberufe, Berufe im Bereich Er- gung gekennzeichneten und frauendominierten Ge- ziehung sowie hauswirtschaftliche Berufe betrachtet. sundheits- und Sozialbereichen. Diese Differenz hat Dort sind zum einen viele Menschen beschäftigt, zum sich im Zeitverlauf tendenziell verstärkt.“ (Bispinck anderen weisen diese Berufe durch ihre vollzeitschuli- 2013: 209) sche Ausbildung und die Struktur der Betriebe und Un- ternehmen (z. B. die Art der Träger) besondere Merk- Die niedrigere Bewertung und Geringschätzung der male auf. Hier sieht die Sachverständigenkommission Tätigkeiten in sozialen und Dienstleistungsberufen strukturelle Veränderungen als besonders dringend an. ist Ausdruck geschlechtsbezogener struktureller Dis- kriminierung, die sich sowohl im Branchen- und Be- Die Kinderbetreuung und -erziehung wurde in den rufsvergleich (vgl. Lillemeier 2016: 20 ff.) erkennen vergangenen Jahren stark ausgebaut (insbesondere lässt als auch auf betrieblicher Ebene (ADS-Kommis- im Zusammenhang mit der Einführung des Rechts- sion 2015: 45) sowie in den Besoldungsstrukturen anspruchs auf einen Betreuungsplatz ab dem vollen- des öffentlichen Dienstes. So konnte z. B. gezeigt wer- deten ersten Lebensjahr (SGB VIII)). Damit ging und den, dass die Wahl einer niedrigeren Besoldungsstufe geht ein erheblicher Bedarf an Beschäftigten einher. für Grundschullehrkräfte im Vergleich zu Gymna- In der Kinderbetreuung und -erziehung arbeiten über siallehrkräften auf geschlechterstereotypen Abwer- eine halbe Million Beschäftigte (das hauswirtschaft- tungen sorgearbeitsähnlicher Tätigkeiten gründet liche und technische Personal nicht mitgerechnet), (Kocher et al. 2016 16 ). Auf strukturelle Benachteili- davon rund 35 % in Vollzeit, der Rest in Teilzeit. 17 % der gungen bei grundsätzlich gleichwertigen Tätigkeiten Beschäftigten haben ein wöchentliches Arbeits­­vo­ gehen viele Probleme in personenbezogenen und so- lumen zwischen 32 und 38,5 Stunden, 28 % arbeiten zialen Dienstleistungsberufen zurück. 21 bis 32 Stunden in der Woche. 15 % der Erzieherin- nen und Erzieher haben eine wöchentliche Arbeitszeit Die Ausgestaltung dieser Berufe ist in doppelter von zehn bis 21 Stunden und weitere gut 4 % arbeiten Weise gleichstellungspolitisch relevant. Zum ei- weniger als zehn Stunden (Destatis 2016g). Die weite nen ist ein qualitativ hochwertiges Angebot an Verbreitung von Teilzeitarbeit in den Erziehungsberu- professionell geleisteter Kinderbetreuung und Al- fen ist dabei vermutlich angebotsbedingt, da mehr als tenpflege eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Hälfte der Tagesbetreuungseinrichtungen bereits Frauen und Männer mit privater Sorgeverantwor- vor 16:30 Uhr schließt (Ostendorf 2016: 24). tung ihrem Beruf nachgehen können (siehe dazu C.V, C.VI und C.VII). Zum anderen – und dies soll im vorliegenden Abschnitt im Mittelpunkt stehen – 16 Die Wahl der Besoldungsstufe ist dabei grundsätzlich getrennt von geht es hier um einen Sektor, in dem der Frauenan- der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu betrachten, die sich für teil ausgesprochen hoch ist (frauendominierte Beru- die Lehrkräfte in unterschiedlichen Schulformen ebenfalls unter- fe, siehe B.I.1). scheidet.

Handlungsempfehlungen C Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit IV. 87 Die Arbeitsmärkte im Bereich Kinderbetreuung ten Altenpflegerinnen und -pfleger (Destatis 2015c). und -erziehung sowie Altenpflege sind durch eine Auch diese Entwicklung widerspricht künftigen An- Dominanz kirchlicher Träger gekennzeichnet. Gut forderungen. So wird prognostiziert, dass der Bedarf an ein Drittel aller Kindertagesstätten wird heute von Geringqualifizierten im Dienstleistungsbereich per- evangelischen und katholischen Wohlfahrtsverbän- sonaler Versorgung bis 2030 stark zurückgehen wird, den betrieben, gut ein Sechstel von nichtchristli- nämlich um 28 % (Baethge/Baethge-Kinsky 2017). chen Wohlfahrtsverbänden und ein weiteres Drittel Schon jetzt ist die Nachfrage nach Arbeits­kräften in von öffentlichen Trägern. Das verbleibende knappe der Altenpflege deutlich höher als das Angebot: Es Sechstel wird von anderen freien Trägern (darunter gibt in allen Bundesländern erhebliche Fachkräfteeng- auch Elterninitiativen und Kinderläden) betrieben, pässe, und eine offene Stelle bleibt durchschnittlich unter denen die gewerblich-privaten Anbieter etwa 130 Tage unbesetzt. Damit ist die Vakanzzeit in der 2 % ausmachen (Destatis 2016g). Betriebstagestätten Altenpflege um 56,2 % länger als im Bundesdurch- werden meist von betriebsfremden Trägern an einem schnitt aller Berufe (Kesselheim et al. 2013). Firmenstandort unterhalten.17 Die Sachverständigenkommission empfiehlt die Auch die Pflegedienstleistungen sind einem noch Erarbeitung einer kohärenten Strategie zur Aufwer- andauernden grundlegenden Wandel unterworfen. tung der erwerbsförmigen Sorgearbeit, insbesondere Laut Pflegestatistik 2013 (Destatis 2015c) gibt es in bezogen auf die nachfolgenden Themenbereiche. Deutschland 2,6 Millionen Pflegebedürftige (Tendenz steigend), davon werden mehr als zwei Drittel zu Hau- se versorgt. Seit 1995 in Deutschland die Pflegeversi- 1. Berufsprofile, Aus- und Weiterbildung, Aufstiegs­ cherung einführt wurde, gibt es einen institutionellen möglichkeiten und finanziellen Rahmen sowohl für die informelle Pflege durch Familienangehörige als auch für die for- a. Neues Leitbild für die Aus- und Weiterbildung melle Pflege über professionelle Dienste. Insbeson- in SAHGE-Berufen dere die ambulante Pflege wurde seitdem nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ ausgebaut, um Das implizite Leitbild der Berufe in der Kinderbetreu- die private Sorge als kostengünstigstes Pflegearrange- ung und -erziehung sowie in der Pflege war bisher das ment zu unterstützen (Auth 2013: 412f.; zur Kritik sie- eines Berufs, den Frauen nur für kurze Zeit – mögli- he auch C.VI). In diesem Zusammenhang wurde der cherweise bis zur Ehe – ausüben; es war nicht das eines Wettbewerb zwischen gemeinnützigen und privaten „Lebensberufs“, in dem sich die Arbeitnehmerin oder Anbietern durch eine Gleichstellung gefördert. Der Me- der Arbeitnehmer beruflich weiterentwickeln kann. chanismus der Pflegeversicherung sieht nach Schwere Diese Berufe galten lange Zeit als etwas, das Frauen der Pflegebedürftigkeit gestaffelte Leistungen vor, die sozusagen per Geschlecht in die Wiege gelegt wurde; allerdings nicht notwendig den vollen Bedarf der Pfle- ihnen wurde und wird damit die eigentliche „Beruf- gebedürftigen abdecken; die Pflegeversicherung ist als lichkeit“ abgesprochen. Dieses implizite Leitbild spie- „Teilkaskoversicherung“ konzipiert (vgl. Heintze 2015). gelt sich im Aus- und Weiterbildungssystem der SAH- GE-Berufe wider. Es widerspricht inzwischen sowohl Insgesamt arbeiten in der ambulanten und statio­ dem professionellen Selbstverständnis derjenigen, nären Pflege gut eine Million Beschäftigte, von denen die in diesen Berufen arbeiten, als auch den Bedarfen die große Mehrheit in Teilzeit beschäftigt ist (Destatis einer Gesellschaft, die auf qualifizierte und qualitativ 2015c). Ein großer Anteil der Stellen in der Altenpfle- hochwertige Erziehung und Pflege angewiesen ist – ge ist befristet (Bispinck et al. 2012: 15). Teilzeitbe- und es entspricht in keiner Weise dem gesellschaftli- schäftigung bringt geringere Möglichkeiten der eigen- chen und volkswirtschaftlichen Beitrag dieser Berufe. ständigen Existenzsicherung mit sich; die befristete Beschäftigung wiederum schafft Unsicherheit für die Die bestehenden Ungleichheiten sind wesentlich auch zukünftige eigenständige Existenzsicherung. darauf zurückzuführen, dass eine Professionalisierung der personenbezogenen und haushaltsnahen Dienst- Ungeachtet der zunehmenden Relevanz dieses Berufs­ leistungen historisch erst spät stattgefunden hat. segments war in den letzten Jahrzehnten für einige Bis heute fehlt es hier weitgehend an einheitlichen Bereiche sogar ein Trend zur weiteren Entwertung Qualifikationsprofilen und einer bundesweiten auszumachen. Anzeichen dafür ist, dass sich die Zusammensetzung der Qualifikationsprofile in den Pflegeberufen verändert hat: Die Zahl der Altenpflege- 17 Für den Bereich der stationären Pflege existieren für Deutschland helferinnen und -helfer ist in den vergangenen Jahren keine Zahlen dazu, wie sich die Einrichtungen auf konfessionelle deutlich stärker gestiegen als die Zahl der examinier- und nichtkonfessionell Träger verteilen

88 Standardisierung. Die beruflichen Wege in personen- sowie der Geburtshilfe tätig ist, künftig an Hoch- bezogenen Dienstleistungen und in industriellen schulen auszubilden. Er hat vorrangig die Gesund- (männlich konnotierten) Berufsfeldern entwickeln heitsfachberufe der Gesundheits- und Krankenpfle- sich bereits mit Beginn der Ausbildung in Deutschland gerinnen und -pfleger, Physiotherapeutinnen und auseinander: Die Ausbildung für (frauendominierte) -therapeuten, Ergotherapeutinnen und -therapeu- Berufe im Bereich der Gesundheits- und Sozialberufe ten, Logopädinnen und Logopäden sowie Hebam- erfolgt zumeist als vollzeitschulische Ausbildung und men und Entbindungspfleger betrachtet; insofern ist häufig an (privaten) Berufsfachschulen organisiert. empfiehlt er, die hochschulischen Qualifizierungs­ Diese Ausbildungen unterliegen anderen Regularien angebote auszubauen (Wissenschaftsrat 2012). als die nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Angesichts der äußerst komplexen Tätigkeiten Handwerksordnung (HwO) organisierte duale Berufs- schließt sich die Sachverständigenkommission die- ausbildung. Dadurch ergeben sich Ungleichheiten in ser Empfehlung an. Bezug auf Finanzierung, Weiterbildungs- und Karrie- remöglichkeiten. Bereits der Erste Gleichstellungsbe- Ein neues Leitbild für die Aus- und Weiterbildung richt bemängelte die traditionell gewachsene struktu- in SAHGE-Berufen sollte sich aus Sicht der Sachver- relle Zweiteilung des Berufsbildungssystems in einen ständigenkommission an gleichstellungspolitischen dualen und einen vollzeitschulischen Zweig und Zielen orientieren. Niedrige Einstiegshürden und forderte eine Harmonisierung mit dem Ziel der Gleich- Durchlässigkeit in Richtung Höherqualifizierung stellung (Bundesregierung 2011: 87, 92f., 101, 120f.). bzw. Hochschulstudium müssen Eckpunkte darstel- len. Im Kern bedarf es eines Systems mit einer kosten- Die Segregation des Aus- und Weiterbildungssys- freien, gut zugänglichen Erstausbildung und einem tems ist in einem gewissen Maße dysfunktional. Sie transparenten, modularen, gut geförderten System entspricht nicht der gesellschaftlichen Bedeutung der Weiterbildung. Die Sachverständigenkommission der Berufssektoren. Und sie zementiert berufliche empfiehlt insofern keine generelle Akademisierung Geschlechterbilder, Geschlechterstereotypen und Hie- der SAHGE-Berufe; es soll weiterhin um berufliche rarchien. Die Sachverständigenkommission empfiehlt Optionen für eine breite Gruppe an Frauen und Män- deshalb ein neues Leitbild für die Aus- und Weiterbil- nern gehen. Allerdings beinhaltet jede Aufwertungs- dung in SAHGE-Berufen. Eine solches Leitbild müsste strategie mit entsprechender Durchlässigkeit auch ein mehrere Funktionen erfüllen: Es bietet einen Rahmen gewisses Maß an Akademisierung. Es gilt, die Sackgas- für die Konzeption geschlechtergerechter Berufsbil- senkonstruktionen in den SAHGE-Berufen aufzulösen der, die sich an Frauen wie Männer richten; es dient und sie zu „Lebensberufen“ weiterzuentwickeln. der symbolischen Aufwertung der entsprechenden Arbeitsmarktsegmente (als Grundlage für eine mate- Ziel ist außerdem, den Männeranteil in den Erzie- rielle Aufwertung); es bietet Leitplanken für die Wei- hungs- und Pflegeberufen zu erhöhen. Angesichts terentwicklung der Aus- und Weiterbildungssysteme des für diese Berufe absehbaren Fachkräftemangels in SAHGE-Berufen, also Kriterien, an denen mögliche und des voraussichtlichen Wegfalls von Tätigkeiten Reformschritte zu messen wären. in der Fertigung, wie er als Folge der Digitalisierung der Arbeitswelt prognostiziert wird, gilt es, dieses Der europäische Vergleich zeigt, dass die SAHGE- Arbeitsmarktsegment auch für Männer attraktiver Berufe in den meisten Ländern – im Unterschied zu zu machen. Dies ist eine notwendige Voraussetzung Deutschland – hochschulisch ausgebildet werden. In dafür, die stark nach Branchen segmentierte Spaltung Dänemark, Frankreich, Großbritannien, den Nieder- des Arbeitsmarktes in frauen- und männerdominierte landen, Polen, Schweden und Spanien beispielsweise Berufe zu überwinden. erfolgt die Qualifizierung zur Pflegefachkraft an Hoch- schulen und endet mit dem Bachelorgrad. Zum Teil b. Reform vollzeitschulischer Ausbildungen kann die Fachkraftausbildung daneben auch an Berufs- schulen (in den Niederlanden) oder an Gesundheits- Die vollzeitschulische Ausbildung (z. B. zur Erziehe- und Krankenpflegeschulen (in Österreich) absolviert rin oder zum Erzieher, zur Altenpflegehelferin oder werden (vgl. Waldhausen et al. 2014). Beim Vergleich zum Altenpflegehelfer) weist deutliche Nachteile ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Berufs- im Vergleich zur Ausbildung im dualen System auf. ausbildungssysteme in diesen Ländern teils stark vom Dazu gehört die fehlende Entlohnung während der deutschen System unterscheiden. Ausbildung; zum Teil wird sogar Schulgeld erhoben. Insbesondere für Quereinsteigerinnen und Querein- Auch der deutsche Wissenschaftsrat spricht sich steiger stellt das eine große Zugangshürde dar. Die dafür aus, das Fachpersonal, das in komplexen Auf- Entgeltlücke beginnt also bereits in der Ausbildung. gabenbereichen der Pflege- und der Therapieberufe Auch sind die meisten SAHGE-Ausbildungen nicht

Handlungsempfehlungen C Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit IV.1 89 in den Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung Um die Attraktivität der SAHGE-Berufe für Berufs­ einbezogen. Im dualen Ausbildungssystem besteht anfängerinnen und -anfänger zu steigern, sind Vergü- zudem die Möglichkeit, aus bestimmten Gründen tung und Schulgeldfreiheit während der Ausbildung die Ausbildungszeit insgesamt oder die tägliche oder von besonderer Bedeutung. In einer Studie des Bun- wöchentliche Ausbildungszeit im Betrieb zu reduzie- desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und ren (Teilzeitausbildung). Für die vollzeitschulischen Jugend zur Entgeltgleichheit sprechen sich über 85 % Ausbildungen beispielsweise zur Erzieherin oder der Befragten dafür aus, dass alle Ausbildungen vergü- zum Erzieher und zur Altenpflegehelferin oder zum tet sein sollten. 24 Ausbildungsgänge der 29 SAHGE- Altenpflegehelfer liegt die Zuständigkeit bei den Berufe werden jedoch nicht vergütet (BMFSFJ 2015c). Bundesländern; die einzelnen Schulen (Berufsfach- Sie sind nach Landes- oder Bundesrecht außerhalb schulen, Fachschulen) können die Ausbildungen von Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksord- weiter ausgestalten. Die Regelungen unterscheiden nung (HwO) geregelt und werden ausschließlich im sich deshalb zwischen den Bundesländern und in- vollzeitschulischen Berufsbildungssystem ausgebil- nerhalb eines Bundeslandes. Die Möglichkeit einer det. An öffentlichen Schulen wird der schulische Teil Teilzeitausbildung ist dabei nicht durchgehend der Ausbildungen kostenfrei angeboten. Der Anteil gewährleistet. Die Sachverständigenkommission privater Ausbildungsstätten ist jedoch stetig gestiegen empfiehlt daher eine Anpassung in Richtung des du- (2013: Berufsfachschulen 42 %, Fachschulen 34 % 18, alen Ausbildungssystems. Schulen des Gesundheitswesens 74 %, vgl. Destatis 2014: 113). Einige Länder übernehmen die Kosten der Der Erste Gleichstellungsbericht empfahl, das in Ausbildung an privaten Ausbildungsstätten teilwei- einen dualen und einen schulischen Zweig geteilte se oder vollständig. Schulgeldfreiheit ist aber noch Berufsbildungssystem zusammenzuführen und zu nicht in allen Ländern und für alle Ausbildungsgän- vereinheitlichen, um bundeseinheitliche Standards ge gewährleistet. Der Entwurf eines Pflegeberufe­- in der Berufsausbildung zu schaffen (Bundesregierung r­eformgesetzes, das dem Bundestag zum Zeitpunkt des 2011: 101). Die Sachverständigenkommission hält Abschlusses dieses Gutachtens vorlag, sieht Schul- dieses Ziel grundsätzlich für richtig; gegen die tatsäch- geldfreiheit sowie eine Vergütung in der Ausbildung liche Zusammenführung der dualen und der schuli- zur Pflegefachkraft vor (Bundesregierung 2016c). schen Berufsbildung in einem einheitlichen System sprechen aber mehrere Gründe. Erstens wäre eine Erzieherinnen und Erzieher solch grundlegende Reform derart aufwendig, dass ihre Realisierung unwahrscheinlich erscheint. Zwei- Bisher herrschen in den Fachschulen zwei Ausbil- tens ist auch die duale Berufsausbildung aufgrund dungsmodelle für Erzieherinnen und Erzieher vor. der sinkenden Zahl der Ausbildungsbetriebe wie der Erstens das sogenannte additive Ausbildungsmodell, Interessentinnen und Interessenten unter Druck (BA das in der Regel eine zweijährige, überwiegend fach- Statistik 2016a). Drittens zeigen die Verdienstaussich- theoretische Ausbildung an einer Fachschule mit ten bei denjenigen sozialen Berufen, für die im dualen einem anschließenden einjährigen Berufspraktikum System ausgebildet wird (z. B. für Zahn- und Tiermedi- in einer sozialpädagogischen Einrichtung vorsieht; das zinische sowie Medizinische Fachangestellte), dass die einjährige Berufspraktikum wird vergütet. Zweitens Dualisierung der Ausbildung nicht der Königsweg für das integrative Ausbildungsmodell, in dem die Praxis- die Gleichstellung ist; so verdient beispielsweise eine phasen in die dreijährige Fachschulausbildung inte- medizinische Fachangestellte weniger als eine Alten- griert sind (vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer pflegerin (vgl. BA 2016a und 2016b). 2014); in diesem Ausbildungsmodell erhalten die Fach- schülerinnen und Fachschüler keinerlei Vergütung. Die Sachverständigenkommission empfiehlt dennoch, einige Merkmale der Ausbildungen anzugleichen In den letzten Jahren wurde innerhalb der berufs­ bzw. zu harmonisieren. Jedenfalls die Ausbildungen begleitenden Ausbildungen ein weiteres Ausbildungs- zur Erzieherin oder zum Erzieher und zur Alten­ modell etabliert. Es zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass pflegehelferin oder zum Altenpflegehelfer sollten in die Fachschülerinnen und Fachschüler neben ihrem folgenden Aspekten an das duale Berufsausbildungs- schulischen Unterricht in einer sozialpädagogischen system angenähert werden: Kostenfreiheit der Aus- Einrichtung angestellt sind. In einigen Bundesländern bildung und Ausbildungsvergütung; Möglichkeiten werden solche berufsbegleitenden Ausbildungsgän- zur Verkürzung der Ausbildung; Möglichkeit zur ge für Erzieherinnen und Erzieher auch Teilzeitaus­ Teilzeitausbildung. Eine solche Reform machte die Berufsausbildungen attraktiver und senkte die Zu- gangshürden (insbesondere für Quereinsteigerinnen 18 Unter den Fachakademien (Bayern) hatten die privaten Schulträger und Quereinsteiger). 2013 sogar einen Anteil von knapp 67 %.

90 bildung oder praxisintegrierte Ausbildung (PIA) ge- Um die Durchlässigkeit zwischen Ausbildung und nannt. In der Regel arbeiten die Fachschülerinnen und Studium für den Bereich der Erziehungsberufe zu Fachschüler dann an zwei bis drei Tagen in der Woche verbessern, wird zudem empfohlen, die Anrechnung in einer sozialpädagogischen Praxisstelle und besu- beruflich erworbener Kompetenzen auf Studienleis- chen an zwei bis drei Tagen in der Woche die Fachschu- tungen zu erleichtern und auszuweiten. Insbesonde- le (teilweise auch samstags). Die Fachschülerinnen re sollte auch (älteren) Quereinstiegsinteressierten und Fachschüler werden für ihre praktische Tätigkeit die Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher vergütet bzw. beziehen sie ein Ausbildungsgehalt. Der ermöglicht werden; wenn diese eine Berufsaus- Anteil der berufsbegleitenden Ausbildungsgänge stieg bildung, aber keine einschlägigen pädagogischen im Zeitraum von 2009/2010 bis 2014/2015 von 9 % auf Erfahrungen aufweisen, sollten nicht (unbezahlte) 18 % (Koordinationsstelle Chance Quereinstieg o. J.). pädagogische Praxiserfahrungen als Voraussetzung der Ausbildung verlangt werden. Als erster Schritt zu einer vergüteten Ausbildung könnte Fachschülerinnen und Fachschülern, die sich (Alten-)Pflegeberufe berufsbegleitend zur Erzieherin oder zum Erzieher ausbilden lassen, flächendeckend eine existenzsi- Am 18. März 2016 ging der Entwurf eines Pflegeberu- chernde Ausbildungsvergütung angeboten werden. fereformgesetzes (PflBRefG) in die erste Lesung im Bun- Hier bietet sich eine Ausweitung des Modellpro- destag (siehe Bundesregierung 2016c). Ziel dieses Ent- gramms „Quereinstieg – Männer und Frauen in Ki- wurfs ist eine umfassende Neuordnung der Ausbildung tas“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, in der Pflege: Auszubildende in Pflegeberufen sollen Frauen und Jugend (BMFSFJ) an. Auf diese Weise sich nicht mehr am Anfang ihrer Ausbildung entschei- könnten gerade Berufswechslerinnen und Berufs- den müssen, ob sie in die Krankenpflege, Kinderkran- wechsler für eine vergütete, erwachsenengerechte kenpflege oder Altenpflege gehen. Ab 2018 ist eine und geschlechtersensible Ausbildung zum Erzieher einheitliche Ausbildung für alle Pflegefachberufe vor- oder zur Erzieherin gewonnen werden. gesehen (die sogenannte Generalistik). Die neue Pfle- geausbildung ist eine dreijährige Fachkraftausbildung Aufgrund der Zuständigkeit der Bundesländer für die mit Unterricht an Pflegeschulen sowie praktischer Ausbildung von Erzieherinnen und Erzieher koexis- Ausbildung. Bei der praktischen Ausbildung können tieren sehr unterschiedliche Regelungen und Model- die Auszubildenden einen Schwerpunkt wie beispiels- le nebeneinander. Eine einheitlichere Ausbildung weise Altenpflege wählen, der auf dem Abschlusszeug- könnte Zugangshürden senken, Planungssicherheit nis als Vertiefungseinsatz ausgewiesen wird. Wer die bei Wohnortwechseln schaffen und Ausbildungs- neue Ausbildung machen möchte, muss über einen qualität sichern. Mittleren Schulabschluss oder eine zehnjährige all- gemeine Schulbildung verfügen. Möglich ist die Aus- Für das Ziel einer stärkeren Harmonisierung wird bildung auch für diejenigen, die einen Hauptschulab- empfohlen zu evaluieren, wie sich unterschiedliche schluss haben, wenn sie über weitere Qualifikationen Ausbildungsmodelle und Rahmenbedingungen (z. B. verfügen. Das kann beispielsweise eine erfolgreich ab- Zulassungsbedingungen, Personalkraftanrechnungs- geschlossene, mindestens zweijährige Ausbildung oder modelle) auf die Ausbildungsqualität auswirken. Hier eine einjährige Ausbildung in der Pflegeassistenz sein. liegen bisher kaum belastbare Daten vor. Die Daten aus der Evaluation könnten als Grundlage für einen ver- Darüber hinaus empfiehlt die Sachverständigen­ stärkten inhaltlichen Austausch zwischen (und mit) kommission, weitere geregelte Zugänge zur Pflegeaus- den Bundesländern dienen. Auf dieser Basis könnte eine bildung zu schaffen. Angesichts der wachsenden Angleichung der Arbeits- und Vergütungsbe­dingungen Anzahl der Altenpflegehelferinnen und Altenpflege- diskutiert und in Angriff genommen werden. helfer hält die Sachverständigenkommission es für dringend geboten, den Berufsaufstieg zur Pflegefach- Darüber hinaus sollten die Fachschulen und Fach- kraft zu ermöglichen. Ein- und Umstiege in den Pfle- akademien für Sozialpädagogik und Kindertagesein- geberuf sollten auch auf der Grundlage vorhandener richtungen beim Aufbau einer gut abgestimmten, Schnittstellenkompetenzen aus hauswirtschaftlichen gemeinsam ausgearbeiteten und verbindlich gere- Berufen ermöglicht werden (und vice versa). Dazu gelten Lernortkooperation unterstützt werden; die gehört etwa die Anrechnung bestimmter praktischer Bundesländer mit der Kultusministerkonferenz Vorerfahrungen und von Modulen im assistierenden (KMK) und möglicherweise auch der Bund mit der Betreuungsbereich und der Alltagsbegleitung, wie sie Bundesagentur für Arbeit (BA) könnten z. B. Fortbil- beispielsweise im Rahmencurriculum „Qualifizierung dungsangebote und finanzielle wie zeitliche Ressour- für haushaltsbezogene Dienstleistungen“ beschrieben cen anbieten bzw. fördern. sind (dgh 2013).

Handlungsempfehlungen C Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit IV.1 91 Die unternommene Reform in Richtung einer Gene- Eine solche Professionalisierung haushaltsnaher ralistik macht Ausbildungs- und Berufswege durch- Dienstleistungsberufe ist auch aus Sicht der privaten lässiger und ermöglicht mehr Berufsoptionen im Haushalte als Nachfrager wichtig. Die Inanspruch- Lebensverlauf; sie ist insofern zu begrüßen. Auch nahme haushaltsnaher Dienstleistungen kann die die vorgesehene Kostenfreiheit in der Pflegeausbil- Verwirklichung des Erwerb-und-Sorge-Modells und dung ist ein längst überfälliger Schritt. Allerdings im Alter die selbstständige Lebensführung unterstüt- weist die Sachverständigenkommission darauf hin, zen. Dies setzt aber voraus, dass entsprechende Leis- dass die Ausbildungsreform zu einer starken Ab- tungen in der nötigen Qualität und Verlässlichkeit wanderung aus der Altenpflege führen und sich zur Verfügung stehen. der Fachkräftemangel dadurch verschärfen könnte. Daher ist es notwendig, zeitgleich zur Reform der c. Reform der Weiterbildung und ihrer Finanzierung Pflegeausbildung die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege deutlich zu verbessern, damit der Beruf Welche Reformnotwendigkeiten sich bei der Weiter- attraktiver wird und Altenpflegekräfte dauerhaft dar- bildung im Allgemeinen aus gleichstellungspoliti- in verbleiben können. Die Sachverständigenkommis- scher Perspektive ergeben, wurde bereits in Abschnitt sion hält insbesondere eine materielle Aufwertung C.II beschrieben. Nachfolgend wird auf diejenigen der Altenpflegeberufe für dringend erforderlich. Ak- Aspekte eingegangen, die Weiterbildung spezifisch tuell ist der Einkommensunterschied zwischen Kran- in SAHGE-Berufen betreffen. Branchenspezifische kenpflegerinnen und Krankenpflegern einerseits und Nachteile bestehen z. B. darin, dass Weiterbildung oft Altenpflegerinnen und Altenpflegern andererseits vorausgesetzt, aber nicht finanziert wird; die Weiter- erheblich: Erstere verdienen deutlich mehr als letztere bildungslandschaft ist unübersichtlich; höhere Qua­ (vgl. Helmrich et al. 2016: 77f.). lifikation wird finanziell oft nicht honoriert.

Der aktuelle Gesetzentwurf für das PflBRefG schafft Grundlegend für die folgenden Empfehlungen sind die Voraussetzungen für ein berufsqualifizierendes die oben beschriebenen Eckpunkte eines neuen Leit­ Pflegestudium, das unmittelbar eine Berufstätigkeit bildes für die Aus- und Weiterbildung in SAHGE-Beru- in der Pflege ermöglicht. Es ist jedoch darauf zu ach- fen (siehe C.IV.1.a). Im bisherigen unsystematischen ten, dass dieses Modell Aufstiegsbiografien in der Weiterbildungssystem für SAHGE-Berufe drückt sich Pflege nur ergänzt, nicht ersetzt. Die Aufstiegsmög- einerseits die implizite Vorstellung aus, es handele lichkeiten für Beschäftigte ohne akademische Aus- sich um Tätigkeiten lediglich für den temporären bildung sollten nicht geschlossen, sondern vielmehr Nebenverdienst; andererseits setzt es die Zersplitte- verbessert werden. rung der Erstausbildungslandschaft dieser Berufe fort.

Hauswirtschaftliche Berufe Die Reform der Weiterbildung in den SAHGE-Be- rufen muss viele Ansprüche erfüllen. Ziel ist ein Ein vergleichbarer Reformbedarf besteht bei den Weiterbildungssystem mit klar aufeinander aufbau- hauswirtschaftlichen Berufen. Sie sind zwar be- enden, geförderten Optionen, die zu Abschlüssen reits im dualen Berufsbildungssystem organi- führen, wie sie auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt siert. Für bestimmte Zielgruppen fehlt es jedoch und honoriert werden (siehe C.IV.2). Für die Berufe bisher an Ausbildungswegen zur Haushaltshilfe, des dualen Aus­bildungssystems besteht eine solche die niedrigschwellig und modularisiert sind, tat- Aufstiegsqualifizierung (z. B. zum Meister oder Fach- sächlich anschlussfähige Perspektiven für einen wirt); für die SAHGE-Berufe gilt dies bislang nur für Berufsabschluss in einem Ausbildungsberuf eröff- einzelne Be­rufe. Zudem sollte die Vereinbarkeit von nen oder Umstiege in andere hauswirtschaftliche Weiterbildung und Sorgearbeit im Lebensverlauf Dienstleistungsbereiche­ ermöglichen. Das Rahmen- gewährleistet sein. curriculum „Qualifizierung für haushaltsbezogene Dienstleistungen“ der Deutschen Gesellschaft für Weiterbildungsgutscheine haben sich als Instrument Hauswirtschaft („dgh-Rahmen-Curriculum“) liefert erwiesen, das überdurchschnittlich oft von Frauen in eine gute Grundlage für die Entwicklung solcher sozialen Berufen in Anspruch genommen wird – auch Optionen (dgh 2013). Die Sachverständigenkom- in Ermangelung betrieblicher oder sonstiger anderer mission empfiehlt, die Nutzung des dgh-Rahmen- Finanzierungsmöglichkeiten. Die Sachverständigen­ Curriculums in der Aus- und Weiterbildung der kommission empfiehlt, diese Fördermöglichkeiten hauswirtschaftlichen Berufe zu verankern und das vorübergehend auszuweiten; den Aufbau einer Curriculum für die Förderung von Ausbildungen strukturierten Weiterbildungsförderung können und Umschulungen durch die Bundesagentur für Ar- sie allerdings nicht ersetzen, weshalb sie nicht zur beit (BA) festzuschreiben. Dauerlösung werden dürfen. Auch eine verbesserte

92 Erwachsenenbildungsförderung kann eine wichtige dass nur ein kleiner Teil der Beschäftigten davon Rolle bei der Aufwertung der Berufe spielen (siehe ausgeht, unter den gegebenen Umständen bis zum auch C.II.3.a). Rentenalter als Erzieher oder Erzieherin tätig sein zu können (Blank/Schulz 2015). Als Gründe für die Die Zahl der Studiengänge im Bereich der Erziehungs- negative Prognose werden u. a. Lärm, Gruppen­ berufe ist im Zuge der Akademisierung angestiegen; größen, belastende Arbeitsaufgaben und Arbeits­ immer mehr Studiengänge sind berufsbegleitend in prozesse genannt (Brandl/Stelzl 2013: 64f.). Mit Teilzeit oder mit Fernstudienanteilen konzipiert. Als zunehmendem Alter steigt der Trend zur Abwande- Zugangsvoraussetzungen werden häufig berufliche rung. Besonders die männlichen Beschäftigten wenden Vorkenntnisse – ein Abschluss als Erzieherin oder sich anderen Berufen zu. So zeigt eine auf dem Erzieher mit staatlicher Anerkennung – oder die all- Mikrozensus basierende Analyse aus dem Jahr 2010, gemeine, fachgebundene oder Fachhochschulreife dass 42 % der Männer mit einer einschlägigen Aus- verlangt. Erzieherinnen ohne Fachhochschulreife bildung bzw. einer vergangenen Tätigkeit im Erzie- müssen hochschulinterne Zugangsprüfungen beste- hungsberuf zum Befragungszeitpunkt nicht mehr als hen (Helmrich et al. 2016: 30). Erzieher oder Kinderpfleger beschäftigt waren; bei den Frauen waren es etwa 33 % (Fuchs-Rechlin 2010). Für den Bereich der Pflege empfiehlt die Sachver- Grund für die Abwanderungstendenzen dürften auch ständigenkommission, Qualifikationsanforderungen die unterdurchschnittlichen Entgelte und die gerin- entlang von Konzepten für Berufslaufbahnen auszu- gen Aufstiegsmöglichkeiten sein. gestalten, in denen Aus- und Fortbildung systematisch miteinander verzahnt und Übergänge in affine Studi- Der Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder un- engänge möglich sind (vgl. auch: Helmrich et al. 2016: ter drei Jahren sowie der hohe Anteil an Kindern 29f.). Für den Sprung von der Altenpflegehelferin nichtdeutscher Herkunftssprache lassen besondere oder vom Altenpflegehelfer zur Pflegefachkraft fehlt Weiterbildungsbedarfe im Bereich der frühkindli- bislang eine konsistente Förderung; dies hängt mit chen Bildung entstehen. Der Weiterbildungsmarkt ist der Definition der Anspruchsberechtigten im Rechts- jedoch unübersichtlich und unstrukturiert. Zugangs- kreis des SGB III zusammen (siehe dazu auch C.II). voraussetzungen, Abschlüsse, Dauer und Umfang sowie Inhalte variieren stark. Es mangelt an struktu- Die Arbeit in sozialen Berufen wird von den Beschäf- reller und inhaltlicher Koordination; in der Folge führt tigten oftmals als sehr erfüllend wahrgenommen; das häufig hohe (auch finanzielle) Weiterbildungs- allerdings ist sie mit hohen gesundheitlichen Belas- engagement der Erzieherinnen und Erzieher sowie tungen und körperlichen Verschleißerscheinungen der Träger kaum zu systematischer Anerkennung der verbunden. Deshalb sollten die Beschäftigten in die- erworbenen Qualifikationen und beruflichem Auf- sen Berufen umschulen können, wenn absehbar ist, stieg. Die Sachverständigenkommission empfiehlt, dass sie den Beruf auf Dauer nicht mehr ausüben wer- dafür Sorge zu tragen, dass Weiterbildungsinvestitio- den können. Bislang ermöglicht das Sozialgesetzbuch nen verlässlicher zu finanzieller Anerkennung führen (SGB) III, Personen in sogenannten Mangelberufen, und sichtbar Karriereschritte begünstigen. denen Arbeitslosigkeit nicht konkret droht, keine Umschulungsförderung. Die Sachverständigenkom- b. Berufe in der Pflege mission empfiehlt daher, die Möglichkeiten einer Umschulungsförderung zur Vermeidung künftiger In der Pflege hat sich folgende Dynamik entwi- Berufsunfähigkeit im Rahmen des SGB III zu prüfen. ckelt: Die Zeit, die Pflegekräften zur Verfügung steht, wird immer knapper, während die Anforderungen an Pflegearbeit immer weiter steigen und höhere 2. Förderung geeigneter Nachfrage- und Honorierungs- Qualitätsstandards­ entwickelt werden (Nowak 2011). strukturen für höherqualifizierte Beschäftigte Gleichzeitig gibt es zurzeit wenig Nachfrage nach hochqualifizierten Pflegekräften, also den Absolven- a. Berufe im Erziehungswesen ten und Absolventinnen von Studiengängen (dies ergab eine Auswertung von Stellenanzeigen im Jahr Viele Erzieherinnen und Erzieher identifizieren sich 2015: Helmrich et al. 2016: 69). Auch in dieser Hinsicht stark mit ihrer Aufgabe und sind mit ihrer Arbeits- wirken die derzeit für die Pflege geltenden institutio- situation aufgrund der hohen Identifikation mit nellen Rahmenbedingungen hemmend (siehe C.IV.3). ihrer Aufgabe zufrieden. Die Tätigkeit bringt aber allgemein hohe körperliche und psychische Anfor- Einer der Gründe für die mangelnde Attraktivität derungen mit sich (Fuchs/Trischler 2008). Für eine des Pflegeberufs ist, dass die individuelle Arbeitslast stabile und lange Erwerbsbiografie ist bedenklich, aufgrund unzureichender Personalausstattung als zu

Handlungsempfehlungen C Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit IV.2 93 hoch empfunden wird. Nach dem neuen § 113c SGB male“ Marktmechanismen von Angebot und Nach- XI (in der Fassung des Pflegestärkungsgesetzes II) soll frage funktionieren hier nicht; das gilt insbesondere bis 2020 ein neues Personalbemessungssystem für für den Bereich der Pflege. Pflegeeinrichtungen erarbeitet werden. Dies ist eine gleichstellungspolitische Chance. Die Sachverstän- Die Gründe, warum es im Bereich der personenbezo- digenkommission empfiehlt den hieran Beteiligten genen und sozialen Dienstleistungen für die Arbeit- (vgl. § 113 SGB XI), dies zu einer sachgerechten, quali- nehmerinnen und Arbeitnehmer so schwer ist, eine fizierungs- und gleichstellungsorientierten Verbesse- bessere Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen rung der Personalausstattung zu nutzen. Keinesfalls (z. B. hinsichtlich der Personalschlüssel) durchzuset- darf es zu einer Absenkung von Standards, die in ein- zen, sind struktureller Natur. So werden Erzieherin- zelnen Ländern bereits gelten, kommen. nen und Erzieher abhängig vom Träger der Einrich- tung, in der sie beschäftigt sind, sehr unterschiedlich Die Sachverständigenkommission empfiehlt darüber bezahlt. Zwar galt lange Zeit das öffentliche Tarifrecht hinaus Gewerkschaften und Arbeitgebern, Tarifver- für die Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern träge nach dem Vorbild des Tarifvertrags der Berliner als eine Art „Leitwährung“ (vgl. GEW 2016). Die Charité über Gesundheitsschutz und Mindestbeset- Orientierung an den Tarifverträgen des öffentlichen zungsregelungen (ver.di Landesbezirk Berlin-Branden- Dienstes schwindet jedoch, und die Einkommens- burg 2016) abzuschließen. In diesem Tarifvertrag sind schere geht immer weiter auseinander (ebd.). Regional Personalmindeststandards festgelegt; zudem sieht er zeigen sich hier teils deutliche Unterschiede. einen paritätisch besetzten Gesundheitsausschuss, der die Umsetzung des Tarifvertrags überwachen soll, Die strukturelle Zersplitterung fällt für den Pflege- und eine vierteljährlich tagende Clearingstelle zur sektor in besonderem Maße auf. Die (Teil-)Finanzie- Bearbeitung von Konfliktfällen vor. rung der Pflegekosten durch die Pflegeversicherung bedingt einen hohen Kostendruck bei den Einrich- c. Haushaltsnahe Dienstleistungen tungen. Da die Personalkosten einen hohen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen, dienen sie nahezu Haushaltsnahe Dienstleistungen werden ungeachtet als einzige Möglichkeit, Kosten einzusparen. Knappe einer stetig steigenden Nachfrage vonseiten verschie- finanzielle Ressourcen einerseits und die Konzeption dener Bevölkerungsgruppen vor allem von un- und an- der sozialen Pflegeversicherung als bloße Teilleis- gelernten (meist weiblichen) Arbeitskräften erbracht. tungsversicherung andererseits setzen insbesondere Zwar zeichnet sich bei qualifizierten Führungskräf- die Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer ten ebenso wie bei Service- und Assistenzkräften auf in der Altenhilfe unter Kostendruck. Dies wirkt sich allen Qualifikationsstufen ein zunehmender Wei- auf die Arbeitsbedingungen aus und Beschäftigte ge- terbildungsbedarf ab; die Hauswirtschaft folgt damit raten unter Druck. Der Drittkostenvergleich bei der einem gesamtwirtschaftlichen Trend. Dennoch kenn- Pflegesatzverhandlung (§ 84 Abs. 2 Satz 8 SGB XI) zeichnen Minijobs, prekäre Soloselbstständigkeit und setzt eine Abwärtsspirale in Gang (Stadler 2013). irreguläre Arbeit ohne Zahlung von Sozialversiche- rungsabgaben und Steuern dieses Dienstleistungs­ a. Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen segment im Kern bis heute. in der Pflege

Mit Einführung eines nachfrageorientierten Gut- Die Interessenorganisationen der Arbeitsbeziehun- scheinsystems könnte flächendeckend eine Transfor- gen in der Pflege sind nicht mit denen in der Indus- mation dieser Jobs in reguläre Dienstleistungsarbeits- trie zu vergleichen. In der Altenpflege wurden im plätze erfolgen (siehe genauer C.VII.3). Zuge der Einführung der Pflegeversicherung private, freigemeinnützige und öffentliche Anbieter einan- der gleichgestellt; sie konkurrieren nun auf „Quasi- 3. Reform der institutionellen Rahmenbedingungen Märkten“ miteinander – Märkten also, die einer für Pflegeberufe spezifischen staatlichen Regulierung unterliegen (Blank/Schulz 2015: 17). Immer mehr Menschen arbeiten in Deutschland in den Bereichen Pflege, Bildung, Erziehung, Soziales Das System der Arbeitsbeziehungen in der Alten- und Hauswirtschaft. Trotz des sich abzeichnenden pflege ist durch horizontal, vertikal und regional und an vielen Stellen sogar schon akuten Fach­ fragmentierte Verhandlungsarenen geprägt. Ursache kräftemangels gelingt es in den SAHGE-Berufen für diese Zersplitterung ist u. a. das Nebeneinander nicht, in ausreichendem Maße höhere Löhne und verschiedener (kulturell heterogener) Arbeitge- bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. „Nor- ber- und Dienstgeberorganisationen einerseits und

94 Gewerkschaften und Dienstnehmerorganisationen die Entgelte der tarifschließenden Wohlfahrtspflege andererseits. Zudem besteht eine Fragmentierung und andere Individualverträge zu einem sehr großen zwischen Wohlfahrtsverbänden und ihren Arbeit- Teil die tarifvertraglichen Regelungen des öffentli- geber- bzw. Dienstgeberorganisationen. Und drittens chen Dienstes oder sind diesen angenähert. finden sich auf regionaler Ebene unterschiedliche institutionelle Systeme für die Aushandlung von Die größte strukturelle Hürde zur Aufwertung von Standards für Beschäftigungsverhältnisse (Evans Pflegeberufen ist, dass funktionstüchtige sozialpart- 2016a). Weil kirchliche Träger große Bedeutung für nerschaftliche Strukturen in diesem Bereich nur diesen Arbeitsmarkt haben und im Bereich privat- schwach ausgeprägt sind. Aus gleichstellungspoliti- gewerblicher Anbieter tarifliche Strukturen weitge- scher Perspektive ist es in zweierlei Hinsicht wichtig, hend fehlen, konkurrieren zudem unterschiedliche die institutionellen Rahmenbedingungen für die Aus- arbeitsrechtliche Regime: In der Altenhilfe werden handlung besserer Löhne und Arbeitsbedingungen Entgelte und Arbeitsvertragsbedingungen sowohl voranzubringen. Zum einen geht es darum, struktu- nach dem „Ersten Weg“ (allein durch Individual- relle Hebel und Mechanismen für die Aufwertung verträge) als auch nach dem „Zweiten Weg“ (gemäß dieser bis heute frauendominierten Branche zu schaf- Tarifautonomie und Tarifvertrag) und nach dem fen. Zum anderen muss in diesem Bereich ein Fach- „Dritten Weg“ (durch Beschluss von Arbeitsvertrags- kräftemangel verhindert werden, denn ein solcher richtlinien in kirchlichen arbeitsrechtlichen Kom- würde den vorsichtigen Abschied vom „familienba- missionen) vereinbart (Evans 2016a: 3). sierten Pflegesystem“ in Deutschland (Heintze 2012) erheblich gefährden und die Pflege älterer Angehöri- 2012 gab es in der Sozialwirtschaft rund 1.430 Tarif- ger wieder in erster Linie in den Aufgabenbereich un- abschlüsse und Arbeitsvertragsrichtlinien, darunter entgeltlich pflegender Frauen verweisen. Angesichts 218 Rahmentarifverträge, 253 Entgeltvereinbarun- der wachsenden Zahl pflegebedürftiger Angehöriger gen, 840 Vereinbarungen zu speziellen Fragen, und handelt es sich um eine sehr reale Gefahr. ferner eine große Zahl von Notfalltarifverträgen (Evans 2016b: 25). Die Mehrzahl der Beschäftigungs- Eine Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) beste- verhältnisse in der Pflegebranche unterliegt aber kei- hender Tarifverträge des öffentlichen Dienstes – oder ner unmittelbaren Tarifbindung (Auth 2013: 415; vgl. von Abschlüssen tarifschließender Anbieter wie der Blank/Schulz 2015: 25f.); „[d]as traditionelle deutsche Wohlfahrtspflege, die jenen angenähert sind – könnte Beschäftigungsmodell mit flächendeckenden Bran- Abhilfe schaffen. Die kirchen(verfassungs)rechtliche chentarifverträgen [ist] in der Altenpflege niemals Diskussion kann an dieser Stelle nicht vertieft wer- angekommen“ (Auth 2013: 417). Dementsprechend den; festzustellen ist aber, dass die Einordnung der gab es im Bereich der Pflege auch noch keine Tarif- großen konfessionellen Wohlfahrtsverbände in das forderungen, Tarifverhandlungen oder gar Arbeits- kirchliche Arbeitsrecht die laufenden Bemühungen kämpfe mit dem Ziel einer Aufwertung, wie sie im um einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für Bereich der Erziehung 2015 stattfanden (WSI 2016). die Pflege bereits innerhalb der freigemeinnützigen Als Konsequenz zeigt sich in der Altenpflege zwar Träger hemmt (zum Ganzen Beyer 2015). Durch das nach wie vor eine nicht unerhebliche Varianz auch Tarifautonomiestärkungsgesetz 2014 wurde die All- bei der Höhe der tariflichen Vergütungen, insbeson- gemeinverbindlicherklärung bereits erleichtert. § 5 dere nach Regionen (Ost/West) und zwischen den Abs. 1 TVG verzichtet seither auf die Voraussetzung Bundesländern (Auth 2013: 417; Bogai et al. 2015). einer 50-Prozent-Abdeckung durch den Tarifvertrag. Die Median-Bruttoentgelte bleiben in der Alten- An die Stelle des 50-Prozent-Quorums tritt ein „kon- pflege allerdings insgesamt, also nicht nur bei den kretisiertes öffentliches Interesse“ (vgl. § 5 Abs. 1 Berufen der Pflegehilfe, ganz erheblich hinter den TVG), das in der Regel vorliegt, wenn der Tarifvertrag Median-Bruttoentgelten der Gesamtheit aller sozial- in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Ar- versicherungspflichtig Beschäftigten zurück (Bogai beitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt et al. 2015: 24f.). Der besondere Mindestlohn für die hat oder wenn eine Allgemeinverbindlicherklärung Pflege (geregelt in §§ 10ff. des Arbeitnehmer-Entsen- erforderlich ist, um die Wirksamkeit der tarifvertrag- degesetzes (AEntG) und in der Zweiten Verordnung lichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftli- über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflege- cher Fehlentwicklungen abzusichern. Angesichts branche (2. PflegeArbbV)) konnte daran nicht we- der derzeit fragmentierten Regelungsstruktur in der sentlich etwas ändern. Die Vergütungen bei privaten Pflege empfiehlt die Sachverständigenkommission Pflegediensten liegen oft sogar noch unter den Ent- die Nutzung dieser Norm für die Allgemeinverbind- gelten, die im öffentlichen Dienst gewährleistet sind licherklärung von Tarifverträgen in diesen Sektoren. (Blank/Schulz 2015: 25). Nach wie vor übernehmen Die Notwendigkeit, eine „bedrängte tarifliche Ord- jedoch die (kirchlichen) Arbeitsvertragsrichtlinien, nung zu stützen und damit in diesen Bereichen an-

Handlungsempfehlungen C Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit IV.3 95 gemessene Arbeitsbedingungen zu gewährleisten“, c. Reduzierung des Wettbewerbsdrucks in die durch die Gesetzesänderung erfasst werden sollte der Pflegebranche (Bundesregierung 2014: 54), dürfte hier gegeben sein. Nach der gesetzlichen Abkehr vom 50-Prozent-Quo- Mit der Einführung der Sozialen Pflegeversicherung rum ist für die Frage der „überwiegenden Bedeutung“ (SGB XI) 1995 wurde bewusst eine Ökonomisierung der die tatsächliche Bedeutung im jeweiligen Berufsfeld Leistungserbringung in der Sozialen Arbeit in Gang ge- entscheidend, nicht mehr die mitgliedschaftliche setzt; der Primat der Ökonomie in der Sozialen Arbeit Tarifbindung. Für die Nutzung im Bereich der Pflege wird vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, wenn ist insofern auch relevant, dass die Arbeitsvertrags- er stationäre wie ambulante Pflegeeinrichtungen vor richtlinien kirchlicher Träger sich ganz überwiegend allen fachlichen Kriterien als „selbstständig wirtschaf- an den tariflichen Standards des öffentlichen Diens- tende Einrichtungen“ charakterisiert (§ 71 Abs. 1 und 2 tes orientieren. Angesichts der Unklarheiten, die in SGB XI). Begleitend erfolgte die Gleichstellung bzw. die der Rechtspraxis in Bezug auf die Voraussetzungen Forcierung des Markteintritts privat-gewerblicher An- des § 5 TVG entstanden sind, wäre zu empfehlen, die bieter gegenüber gemeinnützigen Einrichtungsträgern, Möglichkeiten der Allgemeinverbindlicherklärung insbesondere gegenüber der Freien Wohlfahrtspflege. diesbezüglich gesetzlich klarzustellen. Als weitere Elemente des Systems lassen sich nennen: Wirtschaftlichkeitsgebot und Wirtschaftlichkeitsprü- Gleichzeitig sind die staatlichen Rahmenbedingungen fung; Drittvergleich bei den Kosten im Rahmen der Pfle- in den Blick zu nehmen. Der Grundsatz „ambulant gesatzvereinbarung; Abkehr von der bedarfsdeckungs- vor stationär“ wirkt dem Aufbau eines umfassenden orientierten Refinanzierung hin zum Instrument der Pflegesystems nach skandinavischem Vorbild entge- Leistungsvereinbarung, also einem Vertragsverhältnis gen. Die Sachverständigenkommission empfiehlt hier auf Gegenseitigkeit mit ausdrücklicher Zuweisung des ein Umdenken (siehe C.VI). Unternehmerrisikos an den Einrichtungsträger. Ein isoliert herbeigeführter Anbieterwettbewerb in der b. Einrichtung einer „Kommission für die Neuordnung Pflegebranche geht angesichts der nur „quasi-marktli- der Arbeit im Bereich der personenbezogenen chen“ gesetzlichen Vorgaben und des strukturell hohen Dienstleistungen“ Personalkostenanteils regelmäßig mit einer Überwäl- zung des Kostendrucks auf die Arbeitnehmerinnen und Wie beschrieben behindern die stark fragmentierten Arbeitnehmer einher (Beyer 2014: 17). Dies drückt sich Verhandlungsarenen im Bereich der Pflege eine Wei- in geringen oder kaum steigenden Entgelten aus; da terentwicklung und Harmonisierung der Entgelte. sie einen großen Anteil an den Beschäftigten stellen, Die Sachverständigenkommission empfiehlt dazu den betrifft dies überwiegend Frauen. Dies sollte der Aufbau eines konzertierten Branchendialogs, in dem Gesetzgeber bei weiteren Reformschritten im Rahmen alle Beteiligten vertreten sind. des SGB XI stärker berücksichtigen.

Weiterhin empfiehlt die Sachverständigenkom- mission die Einrichtung einer „Kommission für die 4. Statistik Neuordnung der Arbeit im Bereich der personenbe- zogenen Dienstleistungen“ (z. B. nach dem Vorbild Im Dezember 2000 trat das Dienstleistungsstatistik- der Mindestlohnkommission). Hier können Fragen gesetz (DlStatG) in Kraft. Dieses Gesetz dient der Dar- der Aus- und Weiterbildung, der Förderung geeig- stellung der Wirtschaftsstruktur im Dienstleistungs- neter Nachfragestrukturen und die institutionellen bereich, erfasst aber nur unternehmensorientierte Rahmenbedingungen erörtert und Vorschläge für Dienstleistungen gegen Entgelt (rechtsanwaltliche Reformen gemacht werden. Entwicklung und Ver- Leistungen, Wirtschaftsberatung u. Ä.). Personen- breitung von Qualitätsstandards sollen dabei zur bezogene Dienstleistungen und deren Berufe waren Qualitätsentwicklung beitragen. Es gilt, ein qualitativ und sind damit von dieser Datenerfassung ausgenom- hochwertiges, zukunftsfähiges Fort- und Weiterbil- men. Obwohl die wirtschaftliche Bedeutung des Pfle- dungssystem aufzubauen. ge- und Erziehungssektors und die Zahl der in diesen Wirtschaftsbereichen Tätigen zugenommen haben, Die Sachverständigenkommission empfiehlt, die wurde der Erfassungsbereich des DlStatG noch nicht Standards für die Fort- und Weiterbildung auf Bun- ausgeweitet. Dadurch existieren für diese wachsenden desebene zusammenzufassen und beispielsweise, in Branchen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt Anlehnung an die Darstellung der anderen Wirt- sind, nur wenige Informationen. Die Sachverstän­ schaftsbereiche, in den Adult Education Survey des digenkommission empfiehlt eine entsprechende Aus- Bundes aufzunehmen. weitung aus intersektionaler Perspektive.

96 5. Kampagne zur Aufwertung der sozialen Dienstleistungen

Die Sachverständigenkommission empfiehlt eine Kampagne zur Aufwertung der sozialen Dienstleis- tungen unter Nutzung unterschiedlicher neuer Medi- en. Gegenstand der Debatte sollte ein neues Verständ- nis von „Produktivität“ sein. Weiterhin empfiehlt die Sachverständigenkommission, einen größeren Anteil des erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukts in gute Dienstleistungsarbeit (Haushalt, Erziehung, Betreuung und Pflege) zu investieren. Als Bestandteil der Kampagne könnte anhand von Kosten-Nutzen- Analysen gezeigt werden, dass die Kosten der Auf- und Neubewertung von Dienstleistungsarbeit wesentlich niedriger sind als die gesellschaftlichen Folgekosten des Verbleibs auf dem Pfad der Billigdienstleistungs- ökonomie (Meier-Gräwe 2015a; Gumpert et al. 2016).

Handlungsempfehlungen C Aufwertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit IV.5 97 C.V.Rahmenbedingungen und vor. Das Zuverdiener-Arrangement wirkt sich oft Infrastruktur der Sorge für Kinder langfristig negativ auf die Karriereperspektiven von Müttern aus, es schlägt sich in Einkommensnachtei- len im Lebensverlauf und in geringeren Rentenan­ Für die Verwirklichungschancen der Geschlechter sprüchen nieder. ist die Frage nach den Rahmenbedingungen und der Infrastruktur der Sorge für Kinder zentral (hierzu Vergleicht man die gewünschten und die tatsächli- siehe B.I.3 und B.II.2) Die Sachverständigenkommis- chen Arbeitszeiten von Frauen mit Kindern (siehe sion greift im vorliegenden Kapitel die wesentlichen Abbildung 2, Seite 100), zeigt sich, dass sich viele teilzei- Faktoren auf, die die informelle elterliche Betreuung terwerbstätige Mütter mit geringerem Stundenumfang von Kindern im Sinne der Gleichstellung beeinflussen. ein Beschäftigungsverhältnis im Umfang von 30 bis 35 Wochenstunden wünschen. Den Wunsch, in diesem Korridor zu arbeiten, äußern auch viele Frauen, deren tatsächliche Erwerbsarbeitszeiten darüber liegen. Die Sachverständigenkommission empfiehlt für mehr Gleichstellung im Bereich der Sorge für Kinder: Ein Vergleich gewünschter und tatsächlicher Arbeits- – bedarfsgerechte Qualitätsverbesserung der zeit von Männern mit Kindern zeigt, dass vollzeiter- Betreuungsinfrastruktur in Kindertageseinrich­ werbstätige Väter ihre Erwerbsarbeitszeit etwas ein- tungen und Ganztagsschulen schränken wollen (siehe Abbildung 3, Seite 100). – Überprüfung der Auswirkungen der U2-Umlage, Einführung einer Vaterschaftsfreistellung nach Viele Frauen und Männer mit Kindern können also Geburt eines Kindes, Ausbau der Partnermonate unter den gegebenen Rahmenbedingungen ihre Er- – Unterstützung und Flankierung einer partner­ werbsarbeitswünsche nicht realisieren: Mütter wür- schaftlichen Aufteilung familiärer Sorgearbeit den gerne länger arbeiten, Väter eher kürzer. Zwar durch Förderung einer Familienarbeitszeit unterscheiden sich nach wie vor die Arbeitszeitwün- – Stärkung Alleinerziehender durch eine Reform sche zwischen Frauen und Männern – der Unterschied des Unterhaltsvorschussgesetzes zwischen den Geschlechtern ist hier jedoch deutlich kleiner als bei den tatsächlichen Erwerbsarbeitszeiten.

Eine wichtige Rahmenbedingung für die Betreuung und Erziehung von Kindern stellt auch die Aufwer- 1. Infrastruktur für Kinderbetreuung weiter verbessern tung der erwerbsförmigen Sorgearbeit dar. Diese wird in Abschnitt C.IV näher behandelt. Bereits der Erste Gleichstellungsbericht betont, dass eine „Kinderbetreuungsinfrastruktur, die den Be- darf der Familien nach ausreichenden, qualitativ Vorbemerkung und finanziell angemessenen Betreuungsangeboten gewährleistet, […] nicht nur aus familienpolitischer, Die Verteilung der normalen Erwerbsarbeitszeiten sondern auch aus gleichstellungspolitischer Sicht von Frauen ohne Kinder und Männern sind inzwi- unverzichtbar und ohne Alternative“ ist (Bundes­ schen sehr ähnlich (siehe Abbildung 1, Seite 99). Die regierung 2011: 81). Zugleich ist die Förderung quali- Vollzeiterwerbstätigkeit stellt hier die am stärksten tativ guter institutioneller Kinderbetreuung einer der verbreitete Arbeitsform dar. effektivsten Wege, um Chancengleichheit für Kinder mit unterschiedlichem sozioökonomischem Hinter- Dagegen ergibt sich nach der Geburt oder Aufnah- grund herzustellen (vgl. Spieß 2013). me eines Kindes, jedenfalls in heterosexuellen Part- nerschaften, häufig ein anderes Bild, nämlich das Insbesondere für die Vereinbarkeit von informeller einer Zuverdiener-Partnerschaft. Erwerbstätige Vä- Sorgearbeit mit einer Erwerbsarbeit, die eine eigen- ter wechseln wegen familiärer Verpflichtungen sel- ständige wirtschaftliche Sicherung gewährleisten soll, ten in die Teilzeit. Dagegen reduzieren viele Frauen ist eine bedarfsgerechte Kinderbetreuungsinfrastruk- ihre Erwerbstätigkeit auf Teilzeittätigkeiten, sobald tur essentiell. Dies gilt gerade auch für Väter: 84 % Verantwortung für ein Kind übernommen werden der Väter mit Kindern unter sechs Jahren sehen in der muss. Die dabei am häufigsten genutzte Arbeits- Kindertageseinrichtung eine elementar wichtige Un- form ist die 20-Stunden-Woche. Weitere bei Müttern terstützung ihrer Erwerbstätigkeit (BMFSFJ 2017: 76). häufig auftretende Arbeitszeitarrangements sind Die Vereinbarkeitsfrage ist nicht nur in den ersten Le- 10- oder 15-Stunden-Wochen. Es kommen aber auch bensjahren des Kindes von Bedeutung. So nimmt der Teilzeitarrangements mit größerem Stundenumfang Anteil der erwerbstätigen Mütter zwar mit steigendem

98 Alter des jüngsten Kindes deutlich zu, ist aber erst ab teil der Kinder im Alter von unter drei Jahren in einer dem zwölften Lebensjahr des jüngsten Kindes auf dem Kindertagesbetreuung von 14 % im Jahre 2006 auf 33 % Niveau der Frauen ohne Kinder (in Ostdeutschland im Jahre 2015. Besonders stark war der Anstieg in den liegt die Erwerbstätigenquote von Müttern mit 68 % westlichen Bundesländern, wo die Betreuungsquote insgesamt etwas höher als in Westdeutschland mit der unter Dreijährigen in diesem Zeitraum von 8 % auf 64 % und die Unterschiede sind ausgeprägter, je jün- 28 % wuchs (Alt et al. 2017: 4). In den östlichen Bundes- ger die Kinder sind; siehe BMFSFJ 2012a: 24f). Zur Ver- ländern, in denen die Betreuungsquote der unter Drei- besserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist jährigen bereits im Jahre 2006 bei 39 % lag, gab es bis vor allem die Kinderbetreuungsinfrastruktur bis zum zum Jahre 2015 einen weiteren Zuwachs bis auf 52 %. zwölften Lebensjahr des jüngsten Kindes zu stärken. Erhebliche Unterschiede bei den Betreuungsquoten In den letzten Jahren ist diesbezüglich viel erreicht der unter Dreijährigen bestehen derzeit darüber hin- worden. Im August 2013 wurde bundesweit der allge- aus auf regionaler Ebene. Auf Ebene der Bundesländer meine Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für variiert die Betreuungsquote zwischen 26 % und Kinder ab dem ersten und bis zum dritten Geburtstag 58 %, auf Kreisebene sogar zwischen 13 % und 61 % eingeführt. Damit wurde ein familien- und gleichstel- (vgl. BMFSFJ 2016a: 64f.). Die Rahmenbedingun- lungspolitischer Meilenstein erreicht: Seither haben gen der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit auch Kleinkinder – für Kindergartenkinder gilt dies für Kinder und die Verfügbarkeit des Angebotes an bereits seit 1996 – einen uneingeschränkten Anspruch Kindertageseinrichtungen hängen also gegenwärtig auf Betreuung und Förderung in einer Kindertagesein- sehr stark vom Wohnort ab. Die Betreuungsquote richtung oder in der Tagespflege. Dem Rechtsanspruch selbst gibt zudem keine Auskunft über potenziell ging ein massiver Ausbau der Kleinkinderbetreuung ungedeckte Bedarfe der Eltern; auch bei einer hohen voraus; die Zahl der verfügbaren Krippenplätze ist um Betreuungsquote könnte die Nachfrage größer als ein Vielfaches angestiegen. Bundesweit wuchs der An- das Angebot sein.

Verteilung der (normalen)* Erwerbsarbeitszeiten

45 %

40 %

35 %

30 %

25 %

20 %

15 %

10 %

5 %

Anteil der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen 0 % 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 + Stunden pro Woche * Die „normalen“ Erwerbsarbeitszeiten im Sinne des Mikrozensus Frauen mit minderjährigen Kindern entsprechen den Arbeitsstunden, die typischerweise tatsächlich Frauen 20–40 Jahre ohne Kinder über einen längeren Zeitraum hinweg wöchentlich geleistet werden. Männer Quelle: Mikrozensus 2011; Berechnungen des Fraunhofer-Ins- tituts für Angewandte Informationstechnik FIT im Auftrag der Sachverständigenkommission. Für einen Vergleich mit den Daten aus dem Mikrozensus 2008 vgl. BMFSFJ 2012c: 32, Abbildung 2.12. Abbildung 1

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge für Kinder V.1 99

Verteilung der (normalen) Erwerbsarbeitszeiten

1

Während beim quantitativen Ausbau der Betreu- nis dar (vgl. Asmus 2016). Auch unter erwerbstätigen ungsinfrastruktur im Bereich der Kindertageseinrich- Vätern wünschen sich viele neben einer verlässlichen tungen große Fortschritte erzielt werden konnten, täglichen Betreuung von Montag bis Freitag zusätzlich ist für zukünftiges Handeln die Sicherstellung eines Flexibilität jenseits der Kernzeiten und kurzfristige bedarfsgerechten Betreuungsangebots zentral. 45 % Reagibilität (vgl. BMFSFJ 2017: 77). Die Sachverstän- der Eltern mit Kindern unter zwei Jahren geben den digenkommission empfiehlt deshalb mit Nachdruck, Wunsch nach flexiblen Betreuungsmöglichkeiten in die Anstrengungen zur Ausweitung der Verfügbarkeit Randzeiten (am Wochenende, am Abend) an (BMFSFJ von Kinderbetreuung auch für flexible Bedarfe der 2015a: 66–67). Fehlende Randzeitenbetreuung stellt Eltern erheblich zu verstärken und die dafür notwen- in manchen Berufen (z. B. im Gesundheitsbereich digen Ressourcen auf der Ebene des Bundes, der Län- und in der Gastronomie) ein Erwerbsarbeitshinder- der und der Kommunen bereitzustellen.

Verteilung der gewünschten und tatsächlichen Erwerbsarbeitszeiten von Frauen mit Kindern

25 %

20 %

15 %

10 %

5 %

Anteil der Arbeitnehmerinnen 0 % 0–5 5–10 10–15 15–20 20–25 25–30 30–35 35–40 40–45 45–50 50–55 55–60 60+ Wöchentliche Arbeitsstunden von ... bis unter ...

tatsächliche Arbeitszeit Quelle: SOEP 2014; Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für gewünschte Arbeitszeit Angewandte Informationstechnik FIT im Auftrag der Sachver- ständigenkommission. Für einen Vergleich mit den Daten aus dem SOEP 2009 vgl. BMFSFJ 2012c: 33, Abbildung 2.13. Abbildung 2

VerteilungVerteilung der gewünschten der gewünschten und tatsächlichen und tatsächlichen Erwerbsarbeitszeiten Erwerbsarbeitszeiten von Frauen von Männern mit mit Kindern im Haushalt lebenden Kindern unter 16 Jahren 50 %

40 %

30 %

20 %

10 %

Anteil der Arbeitnehmer 0 % 0–5 5–10 10–15 15–20 20–25 25–30 30–35 35–40 40–45 45–50 50–55 55–60 60+ Wöchentliche Arbeitsstunden von ... bis unter ...

tatsächliche Arbeitszeit Quelle: SOEP 2014; Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für gewünschte Arbeitszeit Angewandte Informationstechnik FIT im Auftrag der Sachver-

ständigenkommission. Für einen Vergleich mit den Daten aus dem SOEP 2009 vgl. BMFSFJ 2012c: 34, Abbildung 2.15 Abbildung 3

100

3

Auch die Qualität der Kindertagesbetreuung kann das Schulkind (32 %) ganztags zur Schule, 2002 waren es Erwerbsverhalten von Eltern mit Kleinkindern beein- nur knapp 10 % der Schulkinder (Klemm 2014: 16f.). flussen (Schober/Spieß 2014). Der Personalschlüssel, Im Primarbereich zeigt sich dennoch nach wie vor ein also die Fachkraft-Kind-Relation, „ist – neben dem deutlicher Nachfrageüberschuss nach Ganztagschul- Qualifikationsniveau des pädagogisch tätigen Per- plätzen: Während 67 % aller Eltern eine Ganztagsbe- sonals – ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung der treuung für ihr Grundschulkind wünschen, werden Qualität der Erziehung sowie der Bildung und Betreu- lediglich 39 % der Grundschulkinder in Horten oder ung in Kindertageseinrichtungen“ (Destatis 2015a: 4; Ganztagsschulen betreut (Alt et al. 2017: 67). Dabei zur Erläuterung der Indikatoren Personalschlüssel variiert die Teilnahmequote an ganztägigen Ange- und Fachkraft-Kind-Relation vgl. Viernickel/Schwarz boten zwischen den Ländern erheblich: Während in 2009: 7ff.). Diesen Zusammenhang weisen zahlreiche Ostdeutschland 78 % der Grundschulkinder ganztägig internationale Studien nach (vgl. Viernickel/Schwarz betreut werden, gilt dies in Westdeutschland nur für 2009: 13ff.). Auch die pädagogisch Tätigen selbst ge- knapp jedes dritte Kind. In Westdeutschland ist der ben an, dass sich die pädagogische Qualität in Kin- Anteil der Eltern, die sich eine Ganztagsbetreuung dertageseinrichtungen insbesondere durch Maßnah- für ihr Kind wünschen, fast doppelt so hoch wie der men, die ihnen mehr (zeitliche) Ressourcen eröffnen Anteil der Kinder, die einen Hort oder eine Ganztags- würden, steigern ließe (vgl. BMFSFJ 2015d: 33). Im schule besuchen. Jede fünfte befragte Familie schätzt 14. Kinder- und Jugendbericht wird ausgeführt, dass das Angebot an Betreuungsplätzen in Horten und bessere Fachkraft-Kind-Relationen zudem die Anrei- Ganztagsschulen als nicht ausreichend ein. Auch las- ze zur Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes bei sen derzeit Familien ihr Kind in einer Mittagsbetreu- etwas mehr als einem Drittel der Eltern erhöhen wür- ung betreuen, die einen Platz in einer Ganztagsschule den (vgl. BMFSFJ 2013: 113). oder einem Hort vorziehen würden (Alt et al. 2017: 2). 13 % der Kinder, die ganztags eine Kindertageseinrich- Es gibt unterschiedliche Empfehlungen für gute tung besucht haben, erhalten nach der Einschulung Betreuungsrelationen. So empfiehlt die Bertelsmann- keine außerunterrichtliche Betreuung; für weitere Stiftung eine Fachkraft für „höchstens 3 unter Drei- 14 % endet die Betreuung spätestens um 14 Uhr. Für jährige oder 7,5 Kindergartenkinder“ (Bertelsmann einige Familien mag diese Umstellung bei der Betreu- Stiftung 2016). Um dieses Ziel umzusetzen, würden ungszeit gewünscht sein. Da aber 18 % aller Familien aktuell bundesweit 107.000 zusätzliche Fachkräfte angeben, im Zuge der Einschulung Probleme mit der gebraucht, was 4,8 Milliarden Euro jährlich mehr kos- Organisation der Betreuung gehabt zu haben, gibt es ten würde (ebd.) Andere empfehlen nach Alter und hier eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Ange- Betreuungsdauer differenzierte Mindeststandards und bot an Betreuungsplätzen im Primarbereich und den bilanzieren, dass die festgeschriebenen Mindeststan- von den Eltern geäußerten Bedarfen (Alt et al. 2017: 6). dards in allen Bundesländern den aus wissenschaft- licher Sicht anzuratenden Mindestanforderungen Durch die föderale Vielfalt der Ausbaukonzepte hat bestenfalls nur für bestimmte Altersgruppen entspre- sich „in Deutschland eine zerklüftete Ganztags(schul)- chen (vgl. Viernickel/Schwarz 2009: 22ff.) Da die be- landschaft gebildet“, eine „schier unübersichtliche stehenden Personalschlüssel teilweise erheblich von Fülle an ‚ganztägigen‘ Angeboten für Kinder der Pri- einem pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnis marstufe, die jeweils für sich beanspruchen, ein über abweichen, sieht die Sachverständigenkommission den ‚ganzen Tag‘ erstreckendes Angebot der Bildung, hier Handlungsbedarf zur Qualitätssteigerung in Kin- Betreuung und Erziehung zu gewährleisten“ (Alt et al. dertageseinrichtungen. Dies wäre bei einem geplan- 2017: 49, 18). In der bundeseinheitlichen Definition, ten Qualitätsentwicklungsgesetz für die Kindertages- die von der Kultusministerkonferenz als „Minimal- betreuung (vgl. BMFSFJ 2016j) zu berücksichtigen. konsens“ verwendet wird, wird bereits bei einem An- gebot von sieben Zeitstunden an drei Tagen die Wo- Die Sachverständigenkommission empfiehlt darüber che von „Ganztagsschule“ gesprochen. Es gibt „eine hinaus, den Ausbau einer bedarfsgerechten Ganz- enorme zeitliche Spanne von ‚Ganztag‘“ und selbst tagsbetreuungsinfrastruktur in Schulen verstärkt innerhalb eines Bundeslandes kann die Zeitspanne voranzutreiben. Denn auch in Bezug auf die ganz- verlässlicher Betreuung sehr unterschiedlich ausfal- tägige Betreuung von Schülerinnen und Schülern len. Es sollte daher darauf hingearbeitet werden, dass spielen Quantität und Qualität der Betreuungsange- „die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit Blick auf bote eine wichtige gleichstellungspolitische Rolle. die Ganztagsschule nicht eine Frage des Wohnortes ist“ Mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung (zum Ganzen Alt et al. 2017: 49). Die Sachverständigen- und Betreuung“ wurden in den Jahren 2003 bis 2009 kommission empfiehlt deshalb eine Angleichung ins- rund 175.000 zusätzliche Ganztagsplätze pro Jahr ge- besondere der länderspezifischen Definitionen als Be- schaffen: Im Schuljahr 2012/2013 ging fast jedes dritte standteil verlässlicher, bedarfsgerechter Infrastruktur.

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge für Kinder V.1 101 2. Rahmenbedingungen vor und nach der Geburt Um die bestehenden Fehlanreize für Beschäftigungs- eines Kindes verbessern verbote zu beseitigen, empfiehlt die Sachverständi- genkommission, die solidarische Kostenerstattung Wie sich Paare nach der Geburt eines Kindes die Auf- durch das Umlageverfahren (U2) auf Fallgestaltun- gaben teilen, wird in einem hohen Maß von institutio- gen, in denen Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nellen Rahmenbedingungen beeinflusst. Schon durch anpassen und gestalten, zu erweitern. Der organisa- die Ausgestaltung des Mutterschutzes ergeben sich torische Aufwand der Arbeitgeber, die nicht freistel- dabei erste grundlegende Geschlechterasymmetrien. len, sondern gestaltend anpassen, sollte „belohnt“ Das deutsche Mutterschutzgesetz (MuSchG) ist seit werden können. seiner Einführung im Jahr 1952 in seiner Grundstruk- tur weitgehend unverändert geblieben. Aktuell (2016, Im Sinne eines konsistenten Systems bei privatrecht- Inkrafttreten geplant für den 1.1.2017) findet erstmals lichen Beschäftigten sowie Bundes- und Landesbe- eine große Reform statt, die Systematik und Struktur amtinnen sind auch die Länder aufgefordert, neue des Mutterschutzgesetzes verändert. Sie bringt nicht Vorgaben zum Mutterschutz in eigener Zuständigkeit nur eine konzeptionelle Angleichung an das allgemei- umzusetzen. Darüber hinaus sind geeignete Formen ne Arbeitsschutzrecht mit sich, sondern soll auch die für einen wirksamen Mutterschutz Selbstständiger Zielsetzung des Diskriminierungsschutzes sowie eine zu entwickeln (siehe C.III.2.b zur Selbstständigkeit). weitergehende Ermöglichung der Beschäftigung wäh- rend der Schwangerschaft, nach der Entbindung und b. Einführung einer Vaterschaftsfreistellung nach der in der Stillzeit verankern (vgl. Bundesregierung 2016e). Geburt eines Kindes und Ausbau der Partnermonate a. Fehlanreize bei der Finanzierung des Mutterschutzes Die Mutterschutzfrist erfüllt zum einen die Funkti- beseitigen (U2-Umlage) on des Gesundheitsschutzes der Mutter. Zum ande- ren schützt sie die „besondere Beziehung zwischen Das aktuell gültige Mutterschutzgesetz sieht eine der Mutter und ihrem Kind während der Zeit nach sechswöchige Schutzfrist vor der Entbindung (§ 3 der Entbindung“ (vgl. EuGH, Urteil vom 30.09.2010, Abs. 2 MuSchG a. F.) und eine (in der Regel) achtwö- C-104/09 (Roca Álvarez), Rn 26 f und EuGH, Urteil chige Schutzfrist nach der Entbindung eines Kindes vom 12.07.1984, Rs. 184/83 (Hofmann), Slg. 1984, vor (§ 6 Abs. 1 MuSchG a. F.). Während der Zeit des Rn 25). Diese zweite Funktion legt die Einführung ei- Mutterschutzes wird das Arbeitsentgelt zu 100 % ner gleichwertigen Leistung für Väter bzw. den zwei- weiterbezahlt (§ 11 MuSchG a. F.). Nachdem das Bun- ten Elternteil nahe. Bisher nehmen Väter rund um desverfassungsgericht (BVerfG) eine Aufteilung der die Geburt häufig Erholungsurlaub. Stattdessen soll- finanziellen Lasten zwischen allen Unternehmen te eine bezahlte Freistellung nach der Geburt eines verlangte (BVerfGE 109, 64), werden seit 2006 der Ar- Kindes auch für den Vater oder die Co-Mutter bzw. beitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld (für die den Co-Vater eingeführt werden. Zeit der Schutzfristen) wie auch das Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten außerhalb der Schutzfris- Viele Väter wünschen sich heute eine intensive ten (künftig „Mutterschutzlohn“) über die sogenannte Beziehung zu ihrem Kind. Dies zeigt etwa der inzwi- U2-Umlage gemäß Aufwandsausgleichsgesetz (AAG) schen hohe Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen in einem Ausgleichs- und Umlageverfahren finanziert, (siehe B.I.3). Die Möglichkeit einer besseren frühen um ungleiche Belastungen von Unternehmen mit Vater-Kind-Bindung könnte, wie die auch interna­ unterschiedlich hohem Frauenanteil zu vermeiden. tional vorliegende Evidenz zeigt (z. B. DeLuccie 1996; Rege/Solli 2010; Pfahl et al. 2014; Bünning 2015), mit- Seitdem ist zu beobachten, dass die Entlastung der tel- und langfristig dazu führen, dass Väter sich ver- Arbeitgeber durch den vollen Kostenausgleich für den mehrt in die Betreuung und Erziehung von Kindern (künftig Mutterschutzlohn genannten) Entgeltersatz einbringen. bei Beschäftigungsverboten in der Praxis Fehlanreize setzt; Ärztinnen und Ärzte stellen häufiger und schnel- Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Sachver- ler die Voraussetzungen für individuelle Beschäfti- ständigenkommission als neue Leistung eine Vater- gungsverbote fest: Das Beschäftigungsverbot ist zum schaftsfreistellung. Da die Mutterschaftsfreistellung „Mittel der Wahl“ geworden. Diese Entwicklung führt als mutterschutzrechtliche Schutzfrist auch die – auf dazu, dass Erwerbsunterbrechungen von Müttern Schwangerschaft und Geburt bezogene – Funktion vor der Geburt im Gegenzug länger werden, während des Gesundheitsschutzes erfüllt, bietet es sich nicht familienpolitische Leistungen wie das Elterngeld an, einen einzigen übergreifenden Begriff für bei- elternschaftsbedingte Erwerbsunterbrechungen nach de Elternteile zu finden. Dennoch sollte die Vater- der Geburt verkürzt haben. schaftsfreistellung dem nicht gebärenden Elternteil

102 unabhängig vom Geschlecht zustehen, also auch 3. Volle Nutzung der Elternzeit und partnerschaftliche einer Eingetragenen Lebenspartnerin der Mutter, die Aufteilung der Sorgearbeit durch Förderung einer das Kind zur Welt bringt. Familienarbeitszeit ermöglichen

Freistellungen für Väter nach der Geburt existieren In einer Lebensverlaufsperspektive zeigt sich: Die auch in anderen europäischen Ländern.19 So gibt es in Elternzeit stellt eine entscheidende Weichenstellung Belgien eine verpflichtende Vaterschaftsfreistellung für zukünftige innerfamiliäre Arrangements dar, ins- von drei Tagen, bei dem die Arbeitgeber das Entgelt besondere für die elterliche Aufteilung der Erwerbs- zu 100 % fortbezahlen. Danach besteht ein Anspruch und Sorgearbeit. Im Ersten Gleichstellungsbericht auf sieben weitere Tage Vaterschaftsfreistellung wurde zur Ermöglichung einer partnerschaftlichen innerhalb der ersten 30 Tage nach der Geburt eines Teilung von Erwerbs- und Sorgearbeit eine „Flexibili- Kindes, bei dem 82 % des Einkommens von der Kran- sierung von Elternzeit und Elterngeld“ (Bundesregie- kenversicherung bezahlt werden (vgl. Ray 2008: 5f.). rung 2011: 155) empfohlen. Mit dem ElterngeldPlus In Dänemark besteht ein Anspruch auf zwei Wochen ist dies ist seit 2015 teilweise umgesetzt. Neben der Vaterschaftsfreistellung, die während der 14-wöchi- Möglichkeit, Elterngeld „doppelt so lang und halb so gen Mutterschaftsfreistellung in Anspruch genom- hoch“ zu beziehen, und neben wählbaren flexiblen men werden kann. Der Entgeltersatz liegt dabei zwi- Mischformen enthält das ElterngeldPlus auch den schen 50 % und 90 % und ist nach oben gedeckelt sogenannten Partnerschaftsbonus: Wenn beide Eltern (vgl. ebd.: 9f.). In Frankreich haben Väter einen parallel in Teilzeit zwischen 25 und 30 Stunden arbei- Anspruch auf elf zusammenhängende Tage Vater- ten und sich um die Kinder kümmern, erhalten sie schaftsfreistellung sowie drei weitere Tage; dabei zahlt jeweils vier zusätzliche Monate ElterngeldPlus (§ 4 ihnen die Krankenkasse eine Geldleistung in voller Abs. 4 BEEG). Auf diese Weise fördert das Elterngeld- Höhe des vorherigen Gehalts (vgl. ebd.: 12). In Schweden Plus eine stärker partnerschaftliche Aufteilung von beträgt die Vaterschaftsfreistellung zehn Arbeitstage Erwerbs- und Sorgearbeit in der frühen Phase der in den ersten zwei Monaten nach der Geburt, wobei Elternschaft. Allerdings hat die Vielfalt familienpoli- die Lohnersatzrate 80 % beträgt (vgl. ebd.: 27f.). tischer Leistungen nach der Geburt mittlerweile eine nicht unproblematische Komplexität erreicht. Für Deutschland schlägt die Sachverständigenkommis- sion die Einführung einer zweiwöchigen „Vaterschafts- ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus werden seit freistellung“ vor, die innerhalb der ersten 30 Tage nach ihrer Einführung zunehmend genutzt. Der Anteil der der Geburt eines Kindes in Anspruch genommen Eltern, die ElterngeldPlus beantragt haben, ist seit werden kann. 2015 von 13,8 % auf 18,3 % gestiegen (Destatis 2016b); dabei nehmen Männer überdurchschnittlich häufig Zur Stärkung der Väterbeteiligung bei der unbezahlten die Partnerschaftsbonus-Monate wahr (27,8 % aller Sorgearbeit für kleine Kinder sollte des Weiteren die Elterngeldbezieher im Gegensatz zu nur 3,7 % aller Ausgestaltung der so genannten „Partnermonate“ (nach Elterngeldbezieherinnen). Studien für die Zeit vor § 4 Abs. 4 BEEG) im Rahmen des Elterngeldbezugs über- der Änderung zeigen, dass Väter, die ihre Arbeitszeit prüft werden. Wie die Statistiken zum Elterngeldbezug in der Elternzeit deutlich reduzieren, dies häufig an- deutlich machen, hat sich im Zuge der Reformierung schließend fortführen und sich längerfristig für Teil- des Elterngeldes die Beteiligung der Väter an der El- zeit und familienfreundliche flexible Arbeitszeitmo- ternzeit deutlich erhöht, jedoch beschränkt sich deren delle interessieren (Hobler/Pfahl 2015: 68ff.). Die neue Dauer in der weit überwiegenden Zahl der Fälle bisher Regelung, die explizit Mütter und Väter bezüglich auf die beiden nicht übertragbaren Partnermonate (vgl. Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit adressiert und Wahl- B.I.3). Längere sorgearbeitsbedingte Erwerbsunterbre- möglichkeiten vergrößert, könnte sich also positiv chungen von Vätern sind vielfach immer noch erklä- auf die Geschlechtergleichstellung auswirken. Ebenso rungsbedürftig und gegenüber dem Arbeitgeber schwer durchsetzbar. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Sachverständigenkommission längerfristig eine Neu- 19 Die aufgeführten Länder kennen auch die bezahlte Elternzeit, d. h. verteilung des Elterngeldanspruchs durch einen Aus- es existieren dort sowohl die Vaterschaftsfreistellung unmittelbar bau der Partnermonate. Mittelfristig könnte dies eine nach der Geburt als auch eine spätere Elternzeit (teils mit für den Verteilung von vier/vier/sechs Monaten bedeuten, Vater reservierten Zeiten; zur begrifflichen Unterscheidung siehe d. h. je vier Monate wären an den jeweiligen Elternteil International Network on Leave Policies and Research 2016). Für gebunden, sechs Monate frei verteilbar. Langfristig einen internationalen Überblick über Vaterschaftsfreistellungen könnte eine Drittelung das Ziel sein, bei der jeweils fünf vgl. ebd.; mit breiterer Perspektive auf Vaterschaftsfreistellungen, Monate an den jeweiligen Elternteil gebunden und vier Mutterschaftsfreistellungen sowie Elternzeitregelungen vgl. Dea- Monate frei zwischen den Eltern aufteilbar wären. ring (2016) sowie Adler/Lenz (2016).

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge für Kinder V.3 103 ermöglichen die neuen Kombinationsmöglichkeiten­ Der Vorschlag folgt also der gleichstellungspoliti- von Erwerbseinkommen und Elterngeld mehr Müttern schen Erkenntnis, dass der Schlüssel zu einer höheren und Vätern, den Elterngeldbetrag voll auszuschöpfen, Erwerbsbeteiligung der Mütter in einer Arbeitszeitre- ohne die eigenständige Existenzsicherung zu gefährden. duktion der Väter liegt. Die Familienarbeitszeit wäre also ein Anreiz für Väter, ihren Wunsch nach einer Nach wie vor können nur diejenigen Eltern die volle Reduzierung der Arbeitszeit umzusetzen. Für Mütter Elternzeit nutzen, die es sich finanziell leisten kön- wäre sie ein Anreiz, die Arbeitszeit noch während der nen. Um effektiv einen gleitenden Übergang in eine Elternzeit zu erhöhen, wodurch ihre gleichberechtig- existenzsichernde Erwerbsarbeit, die ökonomische te Teilhabe an Erwerbsarbeit und existenzsichernder Selbstständigkeit für beide Elternteile ermöglicht, Beschäftigung gefördert würde. Eine unterstützen- zu unterstützen, bedarf es weiterer familienpoliti- de Geldleistung in Form eines gesetzlich verbrieften scher Hilfestellungen. Diese müssen so ausgestaltet Anspruchs verbesserte ihre Verhandlungsposition sein, dass sie – angesichts der Retraditionalisierung innerhalb der Partnerschaft für die Realisierung eines der Geschlechterarrangements nach der Geburt eines entsprechenden familiären Arbeitszeitarrangements Kindes, die in vielen Fällen nicht den Arbeitszeit- (siehe B.III). wünschen von Vätern und insbesondere Müttern entspricht (siehe B.IV) – zu einer partnerschaftlichen Volkswirtschaftlich kann sich eine solche Leistung Teilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den durchaus rechnen: Sie verspricht höhere Einkom- Elternteilen beitragen können. men und daraus resultierend höhere Steuerzahlun- gen und eine geringere Sozialleistungsbedürftigkeit a. Familienarbeitszeit von Frauen im Lebensverlauf (Meier-Gräwe 2015a). Die Sachverständigenkommission spricht sich da- Die bestehenden Geldleistungen während der Eltern- bei gegen eine Entgeltersatzleistung und für eine zeit sollten nach mehrheitlicher Auffassung der Sach- Pauschalleistung aus, die mit einem vergleichsweise verständigenkommission um eine finanzielle Leis- geringen Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Für tung zur Unterstützung einer „Familienarbeitszeit“ eine solche Pauschalleistung spricht insbesondere ergänzt werden. Wenn beide Elternteile in der Eltern- die verteilungspolitische Wirkung (vgl. Müller et zeit einer reduzierten Vollzeittätigkeit innerhalb eines al. 2015: 24f., 32f.). Der Anreizeffekt einer Pauschal- bestimmten Arbeitszeitkorridors nachgehen, sollten leistung wäre für Familien mit niedrigem Einkom- sie pro Person bis zu 24 Monate lang eine pauschale men deutlicher größer als für Familien mit höheren Leistung („Familiengeld“) erhalten können (bis das Einkommen: Auch Bezieherinnen und Beziehern Kind acht Jahre alt ist, § 15 Abs. 2 Satz 2 BEEG). kleiner Einkommen würde es möglich werden, redu- zierte Vollzeitmodelle zu realisieren. Der Arbeitszeitkorridor sollte so gewählt sein, dass die Mindestarbeitszeit deutlich über dem Teilzeitniveau Aktuell ist der Anteil der Familien mit entsprechen- liegt, in dem viele Mütter im Zuverdiener-Arrange- den familiären Arbeitszeitarrangements sehr gering, ment feststecken. Angemessen erscheint es deshalb, insbesondere aufgrund der geringen Teilzeitanteile die Leistung unter die Voraussetzung zu stellen, dass bei männlichen Beschäftigten (vgl. Müller et al. 2015). beide Elternteile in einem Korridor von 80 % bis 90 % Die Erfahrungen mit Elternzeit, Elterngeld, Eltern- der jeweils üblichen Arbeitszeit erwerbstätig sind geldPlus und den Partnermonaten zeigten jedoch, (so auch BMFSFJ 2016b: 7ff.). Die Höchstarbeitszeit dass Angebote, die mehr Familienzeit ermöglichen wiederum sollte unter dem Vollzeitniveau liegen, das und mit einer Geldleistung kombiniert sind, zu ei- es vielen Vätern unmöglich macht, gleichberechtigt ner wachsenden Inanspruchnahme führen (Meier- Zeit für die Familie zu nutzen. Gräwe 2015a). So war der Anstieg der Elternzeitmo- nate von Vätern bei Schaffung der Partnermonate Da die Leistung daran gebunden wäre, dass beide in diesem Umfang nicht vorauszusehen. Dafür, dass Elternteile in einem Umfang Erwerbsarbeit leisten, ein solcher Schneeballeffekt auch bei der Familienar- der Zeit für unbezahlte Sorgearbeit lässt, kann hier- beitszeit entstehen könnte, spricht u. a. die Tatsache, durch die partnerschaftliche Aufteilung der Erwerbs- dass Männer und Frauen milieuübergreifend den und Familienarbeit gemäß des von der Kommission Wunsch äußern, die Familienernährerstellung in der skizzierten Erwerb-und-Sorge-Modells unterstützt Familie gleichberechtigt zu teilen (BMFSFJ 2017). und gefördert werden. Dies käme insbesondere den Arbeitszeitwünschen vieler Frauen entgegen. Statt Inwieweit mit der vorgeschlagenen Leistung des nicht existenzsichernder Teilzeit würde damit die Familiengeldes die angestrebten gleichstellungs- eigenständige existenzsichernde Beschäftigung beider politischen Ziele erreicht werden, wäre zu evaluie- Elternteile gefördert. ren. Zu untersuchen wäre, wie viele Personen und

104 welche Bevölkerungsgruppen von unterschiedlichen sondere, die Begrifflichkeiten der unterschiedlichen Leistungen Gebrauch machen, welche Hindernisse Leistungen sowie die Anspruchsvoraussetzungen eventuell bestehen und wie sich das Verhältnis von (Umfang des Korridors, Leistungshöhen) zu harmo- gewünschter und verwirklichter Arbeitszeit entwi- nisieren, um die Komplexität zu reduzieren. ckelt. Hierbei wären Einwände zu beachten, die zwei Mitglieder der Sachverständigenkommission geäu- b. Aufenthaltsstatus und Elterngeld ßert haben: Sie verweisen darauf, dass die finanzielle Förderung eines bestimmten, engen Arbeitszeitkor- Um Elterngeld beanspruchen zu können, müssen Aus- ridors für beide Partner neue Schwellen am Arbeits- länderinnen und Ausländer u. a. einen dauerhaften markt erzeugen könnte, die den bestehenden Lebens- Aufenthaltsstatus in Deutschland haben sowie zur realitäten und Handlungsoptionen vieler Menschen Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sein (vgl. nicht gerecht würden. Da aktuell nur wenige Eltern im Einzelnen § 1 Abs. 7 BEEG). Die Sachverständigen- das geförderte spezifische Arbeitszeitmodell realisie- kommission empfiehlt zu prüfen, inwieweit diese ren können, könnte die Leistung zu mehr horizon­ und vergleichbare Beschränkungen in anderen Sozial- taler Ungleichheit führen. leistungsgesetzen gerechtfertigt sind.

Die Wirksamkeit der Leistung hängt jedenfalls auch davon ab, dass beide Elternteile entsprechende 4. Einführung eines flexiblen Zeitbudgets für Arbeits­zeitmodelle im Betrieb tatsächlich umsetzen Eltern minderjähriger Kinder können. Bisher jedoch haben sich Arbeitszeitmodel- le, die die partnerschaftliche Teilung von Erwerbs- Über die Elternzeit hinaus bedarf es weiterer Möglich- und Sorgearbeit ermöglichen, auf den Arbeitsmärk- keiten, flexibel für Kinder da sein zu können. Das gel- ten (noch) nicht durchgesetzt. Ein entsprechender­ tende Recht kennt diesbezüglich nur das „Krankengeld Leistungsanspruch unterstützt allerdings auch bei Erkrankung des Kindes“ (§ 45 SGB V), das mit zehn bei Verhandlungen von Arbeitnehmerinnen und Tagen pro Jahr allerdings häufig den Bedarfen nicht ge- Arbeitnehmern mit ihren Arbeitgebern, was eine recht wird. Auch hängen akute Sorgebedürfnisse nicht Anpassung der Arbeitszeit betrifft – die Leistung immer mit einer Krankheit des Kindes zusammen. hat daher auch eine hohe symbolische und legiti- Es gibt immer wieder Situationen, in denen Zeitflexi­ mierende Bedeutung. Wie die Erfahrungen mit den bilität der Eltern gefragt ist: Arztbesuche, Einschulun- Partnermonaten bei der Elternzeit gezeigt haben, ist gen, Schulfeste oder wenn eine Person erkrankt, die ein staatlicher Anspruch mit finanzieller Förderung das Kind gewöhnlich betreut. Ohnehin übersteigen insbesondere für Väter wichtig, um ihr Anliegen Schulferien, Schließzeiten von Kindertagesstätten etc. gegenüber Vorgesetzten wirksam zu begründen. den jährlichen Urlaubsanspruch von Eltern deutlich.

Tarifliche und betriebliche Flankierungen für eine Die Sachverständigenkommission empfiehlt daher die Familienarbeitszeit sind in jedem Fall erforder- Einführung eines flexiblen Zeitbudgets (z. B. von insge- lich. Die in diesem Gutachten vorgeschlagenen samt 120 Tagen für jedes Kind für die Dauer der Min- gesetzlichen Regelungen zur Wahlarbeitszeit (sie- derjährigkeit), gekoppelt mit einer echten Entgelter- he C.I.1.a) und zum Wiedereinstiegsmanagement satzleistung (z. B. in der Höhe des Elterngeldes). Das (siehe C.VIII.3) wirkten hier unterstützend. Darüber flexible Zeitbudget würde das Krankengeld, das bei hinaus wäre zu überlegen, ob Arbeitgeber bei der Ein- Erkrankung des Kindes gewährt wird, ergänzen, und richtung von Arbeitsplätzen, die lange Teilzeit bzw. käme gleichzeitig einem Ziehungsrecht (siehe C.I.1.c) kurze Vollzeit bieten, zum Ausgleich eventueller nahe. Da es tageweise nutzbar wäre und keine länge- Mehrkosten finanziell unterstützt werden sollten; ren Erwerbsunterbrechungen entstehen, wäre es – auch Modellversuche könnten dazu beitragen, Um- auch für Väter – niederschwellig nutzbar. Für Eltern setzungswege zum Ausbau dieses Arbeitszeitseg- würde das flexible Zeitbudget die Hürde senken, einer ments zu erproben. Erwerbsarbeit in Vollzeit oder in reduzierter Vollzeit nachzugehen, indem die Vereinbarkeit von Familie Bei der Konkretisierung und Umsetzung der vorge- und Beruf verbessert und Wiedereinstiege erleichtert schlagenen Familienarbeitszeit sollte daher darauf würden. Von einem Zeitbudget würden auch Alleiner- geachtet werden, dass der Leistungsbezug auf eine ziehende profitieren, die ihr Betreuungsarrangement für Eltern einfache und verständliche Weise mit be- nicht auf einen Partner stützen können. reits bestehenden Leistungen, insbesondere mit dem ElterngeldPlus, verknüpft wird – eine Verzahnung Es spricht einiges dafür, das Zeitbudget nicht auf dieser Leistung erscheint unbedingt erforderlich. Eltern zu begrenzen, sondern alternativ für ande- Die Sachverständigenkommission empfiehlt insbe- re dem Kind nahestehende Personen (Großeltern,

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge für Kinder V.4 105 Nachbarn) nutzbar zu machen. Insofern kann auf Elternteil keine Unterhaltsansprüche für die Kinder die schwedische Freistellungsregelung bei Krankheit bestehen oder diese nicht oder nur teilweise erfüllt eines Kindes verwiesen werden: Dort können sich im werden. Der staatliche Unterhaltsvorschuss richtet Rahmen des vorgesehenen Zeitbudgets auch Personen sich nach dem Mindestunterhalt nach § 1612a Abs. zum Zweck der Betreuung des Kindes von der Arbeit 1 Satz 3 Nr. 1 oder 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) freistellen lassen, die nicht mit dem Kind verwandt und beträgt je nach Alter des Kindes pro Kind bis 194 sind; sie erhalten in diesem Fall eine Entgeltersatzleis- Euro im Monat (Stand: 01.01.2016). Nach der zum tung in Höhe von 80 % des Einkommens. Zeitpunkt der Erstellung dieses Gutachtens gelten- den Rechtslage wird der Unterhaltsvorschuss nur für maximal 72 Monate und maximal bis Vollendung des 5. Stärkung Alleinerziehender durch eine Reform zwölften Lebensjahres des Kindes gezahlt – ohne dass des Unterhaltsvorschussgesetzes hierfür eine sachliche Begründung vorliegt. Dadurch entsteht erstens eine nicht begründbare Ungleichbe- Über die letzten Jahrzehnte ist der Anteil der Ehen, handlung innerhalb der Gruppe der Alleinerziehen- die mit einer Scheidung enden, deutlich gestiegen. den. Zweitens kommt es für viele Alleinerziehende Scheidungen wirken sich auf Frauen und Männer (in aller Regel Frauen) zu einem abrupten, nicht be- unterschiedlich aus (vgl. Bröckel/Andreß 2015). Dies einflussbaren Rückgang des verfügbaren Einkom- gilt insbesondere, wenn minderjährige Kinder zu mens und zu einem Anstieg des Armutsrisikos, wenn versorgen sind und Mütter alleinerziehend werden. die Leistungshöchstdauer (72 Monate) erreicht wird Zwar ist inzwischen bei Scheidungen das gemein- oder ein Kind die Altersgrenze überschreitet. Im Jah- same Sorgerecht zum Regelfall geworden und es re 2014 ging die Beendigung des Leistungsbezugs des haben sich vielfältige Modelle entwickelt, in denen Unterhaltsvorschusses zu über einem Drittel darauf sich beide Eltern (mit unterschiedlichen Anteilen zurück, dass entweder das Kind das zwölfte Lebens- und Zeitarrangements) um die Kinder kümmern. In jahr vollendet hatte oder die Höchstbezugsdauer den meisten Fällen jedoch haben die Kinder nach der ausgeschöpft worden war – und nicht darauf, dass Scheidung ihren Lebensmittelpunkt bei der Mutter der unterhaltspflichtige Elternteil die Zahlungen (siehe genauer B.I.6). aufgenommen hatte (Wersig 2016: 12).

Alleinerziehende haben unter allen Haushaltstypen Ungeachtet etwaiger sonstiger Reformnotwendig- das höchste Risiko der Einkommensarmut. Sofern keiten im Bereich des Unterhaltsrechts 20 begrüßt die Kinder involviert sind, stellen Trennung und Schei- Sachverständigenkommission daher die Pläne, ab dem dung nach wie vor ein erhebliches Problemfeld dar, Jahre 2017 die Altersgrenze auf 18 Jahre anzuheben was die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an und die zeitliche Begrenzung der Bezugsdauer von 72 Erwerbstätigkeit, Einkommen und sozialer Sicherung Monaten aufzuheben (vgl. BMFSFJ 2016g). Sie hält es betrifft. Die besonderen Einkommensrisiken alleiner- darüber hinaus für sinnvoll, bei der Berechnung des ziehender Frauen sind zwar multifaktoriell bedingt Unterhaltsvorschusses den Kindergeldabzug auf das und können an dieser Stelle nicht umfassend erör- halbe Kindergeld zu beschränken (entsprechend der tert werden. Offensichtliche Problemlagen, bei denen alten, bis 2008 geltenden Rechtslage). gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht von der Hand zu weisen ist, bestehen jedoch auf den beiden b. Überprüfung und Reform der Anrechnungsvor­ folgenden Feldern: bei der Ausgestaltung der Unterhalts- schriften im Zusammenspiel unterschiedlicher vorschussleistungen; beim Zusammenspiel relevan- relevanter Sozialleistungen ter Sozialleistungen im Niedrigeinkommensbereich. Von dem komplexen und wenig konsistenten Zu- a. Erweiterung der Unterhaltsvorschussleistungen sammenspiel von Sozialleistungen im unteren Ein- kommensbereich sind insbesondere alleinerziehende Etwa die Hälfte aller Alleinerziehenden erhält für Frauen betroffen. Rund zwei Fünftel der Alleinerzie- ihre Kinder keinen Unterhalt. Von denjenigen, die henden sind auf Grundsicherungsleistungen ange- Unterhaltszahlungen bekommen, erhält wiederum wiesen; davon sind 94 % Frauen. Besonders betroffen nur die Hälfte Zahlungen, die mindestens dem Min- sind Alleinerziehende mit mehreren minderjährigen destunterhalt entsprechen (Hartmann 2014: 14). Ein Kindern und Ausländerinnen (vgl. Hauser 2015: 197). Großteil der Alleinerziehenden erhält also keinen oder nicht ausreichenden Unterhalt für ihre Kinder (Gärtner 2016). Alleinerziehende können für ihre 20 Dies betrifft v. a. aktuelle Diskussionen zu steuerrechtlichen Fragen Kinder Leistungen nach dem Unterhaltsvorschuss- sowie zu einer Reformierung von Betreuungs- und Barunterhalt gesetz beantragen, soweit gegenüber dem anderen insbesondere beim Wechselmodell.

106 Alleinerziehende in der Grundsicherung (SGB II) treffen auf ein kompliziertes Geflecht von Anrech- nungsvorschriften, das kaum nachvollziehbar ist und zu fragwürdigen Anreizeffekten führt. So müssen Alleinerziehende, die Unterhaltsvorschuss für ihre Kinder beziehen, ein erheblich höheres Arbeits- einkommen erzielen, um die Grundsicherung zu verlassen, als solche, die keinen Unterhaltsvorschuss beziehen. Insgesamt dürften die unterschiedlichen Anrechnungsvorschriften im Zusammenwirken von Grundsicherungsleistungen, privaten Unterhalts- zahlungen, Unterhaltsvorschussleistungen, Kinder­ zuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) und Wohngeld, die selbst für Fachleute kaum nachvoll- ziehbar sind (für eine Übersicht vgl. Hauser 2015: 199), nicht nur die Einkommenssituation, sondern auch die Arbeitsaufnahme vieler alleinerziehender Frauen und damit ihre Teilhabechancen nachteilig beeinflussen.

Die Sachverständigenkommission empfiehlt vor die- sem Hintergrund eine grundlegende Überprüfung der Anrechnungsvorschriften insbesondere hinsichtlich möglicher Erschwernisse bei einer Arbeitsaufnahme und der Überwindung von Leistungsabhängigkeit.

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge für Kinder V.5 107 C.VI.Rahmenbedingungen und Eine wichtige Rahmenbedingung ist auch die Auf- Infrastruktur der Sorge für pflege­ wertung der erwerbsförmigen Sorgearbeit; dies wurde schwerpunktmäßig in Abschnitt C.IV behandelt. Für bedürftige Personen die Anrechnung informell geleisteter Pflege in der Alterssicherung siehe Abschnitt C.X. Pflegebedürftigkeit verändert das Leben der pflege­ bedürftigen Person, ihrer Angehörigen und derer, die im direkten sozialen Umfeld Verantwortung zu Vorbemerkung übernehmen bereit sind, fundamental. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung ist dies in verschie- Wie in Kapitel B bereits ausgeführt (vgl. B.I.4 und dener Hinsicht folgenreich. Pflegebedürftige benö- B.II.2) stellt die Organisation der informellen Sorgear- tigen eine qualitativ hochwertige – und das heißt beit, auch was die Pflege betrifft, eine zentrale gleich- auch genderkompetente, interkulturell kompetente stellungspolitische Herausforderung dar. Schon der und diversitätskompetente – Pflegeinfrastruktur. Die Erste Gleichstellungsbericht hat auf wesentliche Pro- informell Pflegenden – nach wie vor überwiegend bleme, die sich aus Gleichstellungsperspektive bei Frauen – sind auf Rahmenbedingungen angewie- der Pflege naher Angehöriger stellen, hingewiesen. sen, die die eigene Existenzsicherung aktuell und im So hat er auf die rollenfixierenden, auch durch das Alter garantieren (siehe B.I.5 und B.II.2). Das bedeutet positive Recht vermittelten Muster hingewiesen, die im Sinne des Erwerb-und-Sorge-Modells (siehe B.IV), Pflege als weibliche Tätigkeit konnotieren und so vor dass neben der Erwerbstätigkeit Raum für informelle allem Frauen Verwirklichungschancen auf eine Gestal- Sorgearbeit sein muss, während informelle Sorgear- tung ihrer Biografie im Sinne des Erwerb-und-Sorge- beitsverantwortung die Teilhabe an Erwerbsarbeit Modells nehmen (vgl. Bundesregierung 2011: 68, 79, nicht verunmöglichen darf. 158, 213ff.): „Es muss […] davon ausgegangen werden, dass familiäre Pflege für die Pflegenden ungeachtet Professionelle und informelle Pflege sind unmittelbar der Existenz der Pflegeversicherung nicht selten ei- miteinander verbunden: Wenn keine professionelle nem Mangel an realisierbaren Alternativen entspricht Pflege verfügbar ist, kompensieren dies meist die in- und gerade Frauen mit niedrigen Qualifikationen und formell Pflegenden. Im Vordergrund des vorliegenden ohnehin geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt Abschnitts steht daher die Frage, welche Infrastruk- hierdurch weiter in ihrer beruflichen Entwicklung tur und welche Rahmenbedingungen dazu beitragen, und in ihren Möglichkeiten einer dauerhaften eigen- dass Sorgearbeit für pflegebedürftige Personen gleich- ständigen Existenzsicherung eingeschränkt werden“ stellungsorientiert geleistet werden kann. (ebd.: 184). Der Erste Gleichstellungsbericht mahnte daher ein „geschlechtergerechtes Sozialrecht“ (ebd.: 227) an, das den Risiken reduzierter Teilhabe der im häuslichen Kontext informell Pflegenden insbeson- Für geschlechtergerechte Pflegeinfrastrukturen dere dadurch entgegenwirken soll, dass zeitlich ent- empfiehlt die Sachverständigenkommission: lastende, flexible Mischformen (ebd.: 227) häuslicher – Berücksichtigung von Genderaspekten bei der Pla- und außerhäuslicher (professioneller) Pflege etabliert nung und Finanzierung von Pflegeinfrastrukturen werden. Überdies forderte der Bericht für das Arbeits- – geschlechtergerechte Pflegeangebote im Sozialraum leben Gesetzgeber, Tarifvertrags- und Betriebsparteien – Abkehr vom Primat informeller Pflege und Hin­ auf, die nötige Flexibilität zu ermöglichen (ebd.: 158, wendung zu familienfreundlichen gemischten 227), damit die „Sorgeverantwortung für die Pflege Betreuungsarrangements naher Angehöriger“ (ebd.: 68) besser realisiert werden – weitere Stärkung der Kompetenzen professionell könne. Das bisherige Setting der zeitlichen und finan- Pflegender ziellen Unterstützungsoptionen müsse entsprechend – unterstützende Maßnahmen für professionell den Regelungen, die aus dem Bereich der Kindererzie- Pflegende, insbesondere bei der Personalbemessung hung bekannt sind, weiterentwickelt und rechtlich ab- gesichert werden (ebd.: 216f.). Außerdem sei die soziale Absicherung von Personen, die „Sorgearbeit für Pflege- bedürftige“ (ebd.: 245) leisten, vor allem in der gesetz- Um die Situation informell Pflegender zu verbessern, lichen Rentenversicherung, ähnlich der Anrechnung empfiehlt die Sachverständigenkommission: von Kindererziehungszeiten, zu verbessern (ebd.). – Freistellungsoptionen für informell Pflegende – Finanzierung der Freistellungsoptionen durch Dieser Befund ist aus Sicht der Sachverständigen- ein Zeitbudget mit Entgeltersatzleistung kommission im Wesentlichen weiterhin richtig. Allerdings ist die Problembeschreibung um einige

108 Aspekte zu ergänzen, wie insbesondere das von der Migrantinnen geleisteten 24-Stunden-Pflege sowie Sachverständigenkommission durchgeführte Fach- zu den damit verbundenen globalen Versorgungs­ forum „Genderaspekte bedürfnisgerechter Pflege ketten siehe auch Abschnitt C.VII. alter Menschen – Reformbedarf und Reformideen in der Diskussion“ gezeigt hat. Es wurde deutlich, dass das Bewusstsein für die Geschlechterperspektive auf 1. Geschlechtergerechte Pflegeinfrastrukturen allen Ebenen des Pflegesystems nach wie vor defizitär schaffen ist. Das gilt zunächst für die Frage, wie ausgeprägt im Feld der Pflege die Sensibilität für geschlechtsbezo- a. Berücksichtigung von Genderaspekten bei Planung gene Bedürfnisse der Gepflegten ist. Im Bereich der und Finanzierung professionellen Pflege ist für den reflektierten Um- gang mit geschlechtsbezogenen Bedürfnissen der Ge- Bislang fehlt es bei der Planung pflegerelevanter In- pflegten – die sich mit anderen persönlichkeitskonsti- frastrukturen (einschließlich mobilitätssichernder tuierenden Aspekten (z. B. Alter, kulturelle Prägungen, Infrastruktur) an einer standardmäßigen Ermittlung, Gewalterfahrungen, Schmerzempfinden und -arti- Bewertung und Gewichtung von Genderaspekten. kulation) vermengen – derzeit wenig Raum. Auf der Dazu müssen die zuständigen Normgeber auf Bundes- Ebene der Ausbildung mangelt es an Bewusstsein für und Landesebene die relevanten (Planungs-)Gesetze Genderaspekte und die Notwendigkeit entsprechen- (z. B. das Raumordnungsgesetz, das Baugesetzbuch, das der Handlungskompetenzen; dies setzt sich im Pflege- Landesplanungsgesetz oder die Landespflegegesetze) alltag der Dienste und Einrichtungen, der vielfach von ändern; diese liefern den jeweiligen Planungsverant- Geschlechterstereotypen beherrscht erscheint, fort. wortlichen nicht zuletzt auf kommunaler Ebene Vor- Damit werden etwaige Muster des Verdrängens gaben, wie Genderaspekte bei der pflegerelevanten und der Selbstabwertung aufseiten der Gepflegten Bauleitplanung und bei der kommunalen, regionalen verstärkt; diese gestatten sich häufig nicht, vorhan- oder landesweiten Sozial- und Gesundheitsinfrastruk- dene geschlechtsbezogene Bedürfnisse bei der Pflege turplanung zu berücksichtigen sind. Damit lässt sich (z. B. den Wunsch nach gleichgeschlechtlichen Pflege- beispielsweise sicherstellen, dass Unterstützungsange- personen) zu artikulieren und stellen sich stattdessen bote in einem Stadtviertel oder Quartier so zügig und als vermeintlich „geschlechtslose Wesen“ dar. Entspre- unkompliziert erreichbar sind, dass Frauen und Män- chend bleibt das Thema auch bei den informell Pfle- ner, die neben Beruf und Familie Pflegeverantwortung genden, die bei der Entwicklung ihrer Kompetenzen wahrnehmen, keine unverhältnismäßig langen Wege im gegenwärtigen Pflegesystem ohnehin kaum Unter- zurücklegen müssen. Insbesondere ist auf die beson- stützung finden, unsichtbar. deren Herausforderungen für die Pflegeinfrastruktur im ländlichen Raum einzugehen. Dafür können inter- Professionell wie informell Pflegende müssen ihren nationale Erfahrungen Anregungen liefern (z. B. aus Alltag im Sinne eines Erwerb-und-Sorge-Modells dem ländlich geprägten Schweden, vgl. BMVI 2015). ausbalancieren können, wobei nicht zuletzt Über- belastungen im Bereich der informellen Pflegearbeit Auch im Finanzierungsrecht zu Pflege und Betreuung zu vermeiden sind. Gerade informell Pflegende sind insbesondere alter Menschen ist das Thema Geschlecht mit der Frage konfrontiert, wie sich neben der unbe- de facto unsichtbar. Da es um in Rechtsform kommuni- zahlten Sorgearbeit der Wunsch nach Erwerbsarbeit zierte finanzielle Anreize geht, müssen beispielsweise erfüllen lässt. durch den Bundesgesetzgeber (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) entsprechende Vorgaben in das Vergütungsrecht Vor diesem Hintergrund gilt es zu klären, wie sich der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) aufgenommen die Strukturen des Pflegesystems so verändern las- werden. Diese sollten es den Partnern der Versorgungs- sen, dass die Genderkompetenz in der Pflege zu- verträge (Träger der Einrichtungen, Pflegekassen) zur nimmt und das Bewusstsein für die Relevanz von Pflicht machen, beim Leistungsspektrum Genderaspek- Geschlecht im Pflegealltag gestärkt wird. Zudem ten bei Pflege und Betreuung in Einrichtungen Rech- sollen die Chancen, informelle Pflegearbeit als eine nung zu tragen und dementsprechend „einzupreisen“. Form der Sorgearbeit mit der Erwerbsarbeit zu ver- Solche Vorgaben könnten im Recht der sozialen Pflege- einbaren, für Frauen wie Männer verbessert und zwi- versicherung umgesetzt werden (siehe etwa §§ 82, 84, schen ihnen möglichst gleich verteilt werden. Nicht 85, 89 SGB XI) und wären in den Vereinbarungen zwi- zuletzt sollte der Blick auf die besonderen Probleme schen Anbietern und Pflegekassen zu konkretisieren. bei der Pflege in Privathaushalten gerichtet werden; zu den belastenden Arbeitsbedingungen in Live-in- Unzureichende Ressourcen hemmen eine interkul- Konstellationen (d. h., dass die Pflegenden im Ar- turelle, gender- sowie diversitätskompetente Pflege beitgeberhaushalt wohnen) und bei der häufig von in den Einrichtungen. Deshalb sollten die dafür not-

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge für pflegebedürftige­ Personen VI.1 109 wendigen personellen und finanziellen Ressourcen in menzuführen. Nicht zuletzt sollten Beträge aus den die Regelfinanzierung integriert werden (vgl. Zanier umfänglichen Fördertöpfen zur Städtebauförderung 2015). Darauf abgestimmte Mechanismen der Quali- für Projekte mit Gender-Schwerpunkt zur Verfügung tätskontrolle gewährleisteten, dass die vertraglichen gestellt werden. Die schon jetzt bei der Städtebauför- Vorgaben nicht reine Rhetorik blieben, sondern mit derung relevante Idee der Sozialraumorientierung nachweisbaren und vergütungsrelevanten Wirkun- könnte so spezifiziert werden (siehe hierzu etwa gen (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) imple- BMUB o. J., 2014, 2016). mentiert würden (vgl. beispielhaft die entsprechend zu erweiternden §§ 72ff. und § 84 Abs. 5 SGB XI). c. Vom Primat informeller Pflege zu familienfreund- Vergleichbare Regelungen sollten getroffen werden: lichen gemischten Betreuungsarrangements im zivilrechtlichen „Heimrecht“ (etwa durch eine Er- gänzung des § 7 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz Generell erscheint ein Unterstützungssetting, etwa (WBVG)); durch die Einrichtungen- und Wohnqua- nach dem Vorbild Schwedens, wünschenswert, das litätsgesetze, die für die Aufsicht über die Einrich- professionelle Unterstützungsangebote deutlich tungen, zum Teil auch über die ambulanten Pflege­ stärkt und den Anteil der öffentlichen Finanzierung anbieter, relevant sind (Landes-„Heim“-Gesetze); im maßgeblich erhöht. Das schwedische Beispiel zeigt: Sozialhilferecht (SGB XII, wegen der Sozialhilfeträger Die konsistente Gestaltung gemischter Betreuungs- als ergänzender Kostenträger). Im Vergütungsrecht arrangements ist eine zentrale Bedingung dafür, dass könnten zudem finanzielle Anreize dafür gesetzt wer- insbesondere Frauen neben der informellen Sorge- den, dass Einrichtungen auf eine Diversifizierung des arbeit in der Pflege eine realistische Chance haben, Personals achten und u. a. die Ausbildung männlicher ihre Erwerbsarbeitsbiografie zu entwickeln und auch Pflegekräfte fördern. im Falle auftretender Pflegebedarfe von Angehörigen fortzusetzen (zusammenfassend zu Schweden Backes b. Geschlechtergerechte Pflegeangebote im Sozialraum et al. 2011: 60ff. oder Theobald 2014). Gemischte Be- treuungsarrangements sind ambulante und (teil-) Die Sachverständigenkommission empfiehlt, dass stationäre Unterstützungsangebote, die kurzfristig Bund, Länder, Kommunen, Kranken- und Pflegekas- und quartiersnah verfügbar sind und bedarfsgerecht sen die Konzeptionierung und Implementierung ge- sowie schnittstellensensibel kombiniert werden kön- schlechtergerechter Pflegeangebote im Sozialraum nen. Gemischte Pflegearrangements tragen der Unter- fördern. Hierbei ist vor allem an die Weiterentwick- scheidung zwischen professionellen Pflegeleistungen lung von Versorgungstrukturen und Versorgungskon- und informeller Pflegeverantwortung Rechnung: Für zepten (§ 45c SGB XI) zu denken (die nicht nur auf die meisten Pflegehandlungen ist eine Ausbildung demenzkranke Pflegebedürftige bezogen sein sollte). erforderlich, sodass Laien ohne professionelle Unter- Außerdem sollte das Förderrecht der Länder entspre- stützung und Ergänzung überfordert sind. Sie sind chend ergänzt werden (vgl. beispielhaft etwa §§ 11ff. jedoch in der Lage, „die Pflegebedürftigen fürsorglich Alten- und Pflegegesetz NRW). Wird der Gedanke der zu begleiten, sich um sie zu kümmern und die Ver- Sozialraumorientierung nicht theoretisch überhöht, antwortung für das Funktionieren vernetzter Pflege- sondern auf seinen alltagsdienlichen Kern zurückge- und Betreuungsangebote zu tragen“ (Stiegler/Engel- führt, geht es um eine auf lokale oder regionale Räu- mann 2011: 3). Zwar werden in der Pflege schon jetzt me bezogene Angebotsentwicklung und -vernetzung, häufig unterschiedliche Elemente kombiniert, insbe- in der die Betreuungsinfrastruktur auf den Alltag und sondere die Angebote eines ambulanten Pflegediens- die Lebenswelten der Gepflegten abgestimmt wird. tes mit den individuellen Pflegeressourcen. Gemischte Die konzeptionellen und praktischen Anstrengun- Betreuungsarrangements zeichnen sich jedoch durch gen, pflegebezogene Sozialraumorientierung in der eine verbesserte und auf die konkreten Bedürfnisse kommunalen Praxis – etwa bei der Altenhilfe oder von Pflegenden und Gepflegten stärker als bislang ab- bei der Einbindung von Wohnungsbaugesellschaften, gestimmte Kombinierbarkeit der unterschiedlichen Pflegediensten und stationären Einrichtungen – um- Elemente aus. zusetzen, sind erfreulicherweise enorm (zu Beispie- len siehe Scheele 2017: 16ff.). Bei der Koordinierung Der vergleichende Blick nach Skandinavien rät an, die pflegerelevanter Angebote dürfen Genderaspekte Entwicklung des gegenwärtigen familienbasierten nicht unter den Tisch fallen, denn sie prägen – oft still- Pflegesystems zu einem servicebasierten Pflegesystem schweigend – Selbstverständnisse, handlungsleitende einzuleiten (Heintze 2015: 15). Der „skandinavische Strukturen und Handlungen individueller sowie in- Weg“ bedeutet einen höheren öffentlichen Finanzie- stitutioneller Akteure. Hier bieten sich (informelle) rungsanteil, um eine qualitativ hochwertige und für Kooperationen und Absprachen an, um für Modell- alle zugängliche Pflegeinfrastruktur zu ermöglichen projekte unterschiedliche Finanzierungstöpfe zusam- (vgl. ebd.). Hiesige Rahmenbedingungen für die Pflege

110 orientieren sich bislang an inkonsistenten Leit­ cherten Ausbau gemischter Betreuungsarrangements bildern – einige am Familienernährer-Modell, ande- die langfristige Wahrnehmung der Familienverant- re am Erwachsenen-Erwerbstätigen-Modell (Blenk- wortung ermöglicht werden. Knocke/Hohnerlein 2009: 271f.; vgl. Scheele 2017: 9ff.) –, noch nicht jedoch am Erwerb-und-Sorge- Ansatzpunkte hierfür können die im PSG III (vgl. Modell (siehe B.IV). Der Siebte Altenbericht bilanziert: Entwurf Bundesregierung 2016g, geplantes Inkraft- „Allen Veränderungen im Erwerbsbereich zum Trotz treten 01.01.2017) neu profilierten, kommunal ge- wurde eine Neuorganisation von Care bisher vernach- steuerten Pflegestützpunkte sowie der mit dem PSG II lässigt“ (Bundesregierung 2016a: 210). Verschiedene erfolgte Ausbau niedrigschwelliger Betreuungsange- Modelle und Reformvorschläge formulieren für den bote sein. Der durch Rechtsansprüche abgesicherte deutschen Kontext Schritte in Richtung einer solchen Ausbau gemischter Betreuungsarrangements könnte gleichstellungspolitisch gebotenen Neuorganisation Teil einer neu zugeschnittenen, genderkompetenten, (vgl. Scheele 2017: 32–45). Frauen und Männer ansprechenden Pflegeberatung sein. Diese sollte weniger allgemeine Information vor- Wer die Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeits- halten, als vielmehr stärker auf die Lebenssituation markt fördern will, muss die guten Ansätze einer der informell Pflegenden und die spezifische Kombi- flexiblen Alltagsunterstützung, die das Pflegeversi- nation konkreter Angebote fokussieren. cherungsrecht bereits heute kennt, deutlich ausbau- en. Hier sind gemischte Betreuungsarrangements d. Weitere Stärkung der Kompetenzen erforderlich. Die Sachverständigenkommission emp- professionell Pflegender fiehlt, solche gemischten Betreuungsarrangements, in denen sich informell und professionell Pflegende Wird die Persönlichkeit eines oder einer Gepfleg- ergänzen, zu entwickeln, idealerweise unter Feder- ten bei der professionalisierten Pflege respektiert, führung der sozialen Pflegeversicherung. Auch in kann bei den informell Pflegenden ein Entlastungs- diesem Zusammenhang sollten die derzeit schon effekt eintreten: als Freiheit, möglichst ohne Selbst- bestehenden Möglichkeiten, Modellprojekte zu för- vorwürfe (Schuldgefühle) an die eigene (Erwerbs-) dern, aus­gebaut werden. Zu berücksichtigen ist, dass Biografie zu denken und sie zu entwickeln – trotz angesichts des demografischen Wandels mit einer zu- fortbestehender Pflegeverantwortung, die das ei- nehmenden Anzahl hochaltriger Gepflegter bei stei- gene Leben aber nicht restlos dominiert. Das setzt gernder Personalknappheit zu rechnen ist. Gemischte professionelles Personal voraus, das auch beim Um- Betreuungsarrangements dürften daher vielfach fak- gang mit geschlechtsbezogenen Bedürfnissen hinrei- tisch alternativlos sein. Zudem sind sie, wie dargelegt, chend kompetent ist. Denn körpervermittelte Selbst- für die Arbeitsmarktchancen informell pflegender verhältnisse, einschließlich kultureller und/oder Frauen unabdingbar. religiö­ser Prägungen, sind für alle Gepflegten ein nicht immer explizit gemachtes, aber doch präsentes Damit gemischte Betreuungsarrangements tatsäch- Thema. Es beeinflusst den Umgang mit Pflegenden, lich in diesem Sinne wirken können, ist mittel- und so wie umgekehrt deren Selbstbilder den Umgang langfristig eine Abkehr vom Primat informeller Pflege mit Gepflegten mitbestimmen. Damit kompetent erforderlich, das sich hinter der derzeit positivrecht- umzugehen und das Berufsverständnis entsprechend lich abgesicherten Forderung „ambulant vor statio- auszubauen, macht gute Pflege – jenseits „hand- när“ verbirgt (vgl. § 3 SGB XI). Allzu oft bedeutet dieser werklich“ korrekter Pflegeverrichtungen – nicht un­ Grundsatz de facto, dass an die Stelle professioneller wesentlich aus, weil es die professionelle Beziehung Pflege informelle – also familieninterne und das heißt zu den Gepflegten prägt. durch Frauen in den Familien verrichtete – Pflege tritt. Der Vorrang der informellen Pflege sollte gesetzlich Die Sachverständigenkommission empfiehlt, die nicht weiter verfestigt werden (zur diesbezüglichen Kompetenz des Pflegepersonals diesbezüglich weiter Kritik am Entwurf für das Dritte Pflegestärkungsge- zu stärken. In Rahmenlehrplänen der Bundesländer setz (PSG III) siehe Deutscher Frauenrat 2016). Zwar und in Ausbildungsplänen von Betrieben und Ein- hat der Anteil der Männer, die sich an der Pflege Ange- richtungen sind Genderaspekte teilweise bereits höriger beteiligen, in den letzten Jahrzehnten deutlich enthalten. Jedoch gleicht die Situation einem Fli- zugenommen; aber nach wie vor sind meist Frauen ckenteppich. Unklar ist zudem, ob die Verankerung die Hauptverantwortlichen in der informellen Pflege in den Curricula derart gestaltet ist, dass die Vermitt- (zu empirischen Daten siehe B.I.4). Die Familienver- lung gelingt und handlungsprägend wirksam wer- antwortung in der Pflege soll durch die Abkehr vom den kann. Interkulturelle und Genderkompetenz Primat der informellen Pflege nicht in Frage gestellt sollten verpflichtend in den Curricula verankert wer- werden; vielmehr soll durch den rechtsanspruchsgesi- den, unter Einbeziehung von Wissensvermittlung,

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge für pflegebedürftige­ Personen VI.1 111 aber ebenso reflexiver Elemente. Orientierung bieten Die fachlichen Qualitätsansprüche und der Wunsch, bereits vorliegende fachliche Empfehlungen. So stellt unter Berücksichtigung der eigenen Identität und ge- das „Servicenetzwerk Altenpflegeausbildung“ Hand- schlechtsbezogener Bedürfnisse würdevoll gepflegt zu lungsempfehlungen für eine geschlechtergerechte werden, erfordern angemessene Rahmenbedingungen und geschlechtssensible Altenpflegeausbildung zu- (siehe vertiefend C.IV.3). Wenn in der Alltagspraxis sammen, beispielsweise für die Ausbildungskonzep- indessen Zeitdruck und Ressourcenmangel dazu füh- tion und die Umsetzung in den Lernorten Schule ren, dass Pflegefachkräfte ihren eigenen fachlichen und Betrieb (Hörmann et al. 2010). Für Pflegestudi- und ethischen Überzeugungen nicht gerecht werden engänge empfiehlt die Handreichung „Geschlechter- können, gefährdet dies ihre hohe Motivation und ihren gerechte Akkreditierung und Qualitätssicherung“, Verbleib im Beruf. Geschlechterfragen als Querschnittsthema in die einzelne Module einzubeziehen; als Lehrinhalte wer- e. Sorge um professionell Pflegende, insbesondere bei den beispielsweise genannt: Genderaspekte in der der Personalbemessung Berufsgeschichte der Pflege, bei Führungsaufgaben im Pflegebereich, in Kommunikationsprozessen und Entlastung informell Pflegender durch professio- Pflegeinterventionen, in der Gesundheitsförderung nell Pflegende kann nur gelingen, wenn sie nicht auf und Pflegeberatung und in einer lebensweltbezoge- Kosten professionell Pflegender geschieht. Deshalb nen Pflege, die geschlechtsbezogene Ungleichheiten muss es im Pflegealltag regelmäßige Gelegenheiten im Lebensverlauf berücksichtigt (Hilgemann et al. zum fachlich angeleiteten Austausch geben, in denen 2012: 141f.). geschlechterbezogene Pflegeerfahrungen gemein- sam besprochen, diskutiert und handlungsorientiert Analoges gilt für die interkulturelle Kompetenz (im reflektiert werden können (Supervision). Insbesonde- Fachdiskurs häufig genutzter Begriff: Kultursensibi- re Mehrfachbelastungen der professionell Pflegenden lität) und die Diversitätskompetenz; so werden mit (bislang in aller Regel Frauen) durch eine von Sor- unterschiedlichen Perspektiven Qualitätsansprüche ge geprägte Erwerbsarbeit und durch die außerhalb an Pflege, die der Vielfalt der Menschen entspricht, der Erwerbsarbeit situierte private Sorgearbeit ist benannt; sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt Rechnung zu tragen; insofern trifft u. a. aus Gründen werden. Auch kultursensible Pflege wird in den Cur- des Arbeitsschutzes auch die Arbeitgeber eine Für­ ricula derzeit „meist nur peripher und mit unter- sorgepflicht. schiedlicher Intensität und inhaltlicher Ausrichtung behandelt“ (Tezcan-Güntekin et al. 2015: 6). Für eine Voraussetzung dafür, dass Raum für eine differenzier- Angleichung der Qualität sollte das Thema – inklusive te Pflege bleibt, die auch genderkompetent ist, ist, dass einer Definition von Umfang, Inhalten und reflexiven der Personalschlüssel für Fach- und Hilfskräfte dem- Lernmethoden – in die Rahmenlehrpläne der Länder entsprechend bemessen ist (zur Personalbemessung aufgenommen werden (ebd.: 29). Als Orientierung siehe auch C.IV.2.b). Die neuen Vorgaben zur Perso- wird auf das „Handbuch für eine kultursensible Alten- nalbemessung in der sozialen Pflegeversicherung sind pflegeausbildung“ (BMFSFJ 2005) verwiesen. Auch zur hierbei zu nutzen (vgl. § 113c SGB XI; siehe C.IV). Auch fachlichen Berücksichtigung der Situation und der wäre zu prüfen, ob die landesrechtlichen Regelun- Bedürfnisse von LSBTIQ*-Pflegebedürftigen liegen gen22 – die grundsätzlich nur Mindestfachkraftquoten erste Erfahrungen und Empfehlungen vor (siehe festlegen,23 nicht aber nach der Zahl der Klientinnen beispielsweise Senatsverwaltung für Gesundheit und und Klienten gestaffelte Personalschlüssel ­ – anders Soziales Berlin 2015). als bisher Personalrichtwerte vorgeben sollten. Jen- seits der Regelungen des staatlichen Rechts sind hier Die derzeitige Reform der Pflegeberufe böte für die die Tarifvertragsparteien bzw. im kirchlichen Bereich Vermittlung von Genderkompetenz, interkulturel- ler und Diversitätskompetenz einen guten Anlass; leider thematisiert der auf Bundesebene beratene 21 Auch in der am 30.05.2016 durchgeführten öffentlichen Anhörung Entwurf eines Pflegeberufereformgesetzes (PflBRefG) zum Gesetzentwurf spielte die Geschlechterdimension keine Rolle Genderkompetenz in der Pflege bisher mit keinem (siehe https://www.bundestag.de/ausschuesse18/a14/anhoerungen/ einzigen Wort (vgl. Bundesregierung 2016c).21 Dies pflbrefg-inhalt/420494). sollte in der geplanten „Ausbildungs- und Prüfungs- verordnung für den Pflegeberuf“ nachgeholt und 22 Zum Teil gilt noch die (Bundes-)Heimpersonalversordnung (Heim- in der Aus- und Weiterbildung sowie durch regelmä- PersV). ßige Schulungen in den Einrichtungen und Diens- ten konsequent umgesetzt werden (siehe hierzu 23 Beispiel: § 5 Abs. 1 Einrichtungenpersonalverordnung (EpersVO) auch C.IV.1). Mecklenburg-Vorpommern.

112 die Vertretungen der Dienstgeber und Dienstnehmer werden können (Bundesregierung 2011: 216, Fn. 137); und Dienstnehmerinnen aufgerufen, über staatliche dies dient gleichermaßen der Effizienz der Erwerbsar- Vorgaben hinausgehende oder sie ergänzende Perso- beit aus Unternehmensperspektive wie der individu- nalschlüssel zu verhandeln, die genderkompetentes ellen Balance von Erwerbs- und Sorgearbeit seitens Handeln im Pflegealltag ermöglichen. der Beschäftigten. Vom Bundesgesetzgeber geschaffe- ne steuerliche Vorteile für in dieser Hinsicht engagier- te Unternehmen können ein zusätzlicher Impuls sein. 2. Freistellung für informell Pflegende Die Effektivität der Reformen im Bereich der Pflege a. Freistellungsoptionen bedarf der Absicherung. Gesetzgeberische Aktivi- täten sollten durch klare gleichstellungspolitische In den letzten Jahren sind verschiedene Möglichkeiten Zieldefinitionen, durch entsprechende Folgenab- der Arbeitsreduktion und Freistellung für informell schätzungen sowie die Evaluation der Zielvorgaben Pflegende geschaffen worden.24 Die Sachverständigen- und Folgenprognosen begleitet werden. Denn In­fra­ kommission empfiehlt dem Bundesgesetzgeber, das strukturen und Rahmenbedingungen der Pflege sind Pflegezeit- und das Familienpflegezeitgesetz (PflegeZG wichtige Weichensteller für die Vereinbarkeit von und FPfZG) zusammenzuführen und transparenter Sorge- und Erwerbsarbeit und eine zentrale Mög- sowie übersichtlicher auszugestalten (zur derzeitigen lichkeitsbedingung für mehr Gleichstellung auf Komplexität im Überblick Karb 2015). Bislang werden dem Arbeitsmarkt. Das verlangt nach einer realitäts­ Pflegezeit und Familienpflegezeit nur in geringem Um- gerechten Effektivitätskontrolle aller Gleichstel- fang in Anspruch genommen (vgl. Bundesregierung lungsbemühungen im Bereich der Pflege. 2016b; knapp 70.000 Personen nach einer Umfrage von TNS Emnid; vgl. BMFSFJ 2016h). Auch müssen die b. Finanzierung der Freistellungsoptionen durch ein Möglichkeiten zur Freistellung von der Erwerbs­arbeit Zeitbudget mit Entgeltersatzleistung weiter ausgebaut werden (zu Arbeitszeitoptionen generell siehe C.I.1). Die zunehmend nötig werdende Für Zeiten der informellen Pflege bedarf es einer Ent- Sorgearbeit für Pflegebedürftige wird voraussichtlich geltersatzleistung. Da die Sorgearbeitsnotwendigkei- nur gelingen, wenn es weitergehend möglich wird, ten in der Pflege kaum pauschalierbar sind, muss diese ohne Nachteile die Erwerbsarbeit zugunsten der in- flexibel wahrnehmbar sein. Die Sachverständigenkom- formellen Sorgearbeit phasenweise zurückzustellen. mission schlägt ein aus Steuermitteln finanziertes flexi- Eine Synchronisierung der Vorschriften zur Pflege mit bles Zeitbudget in Höhe von insgesamt 120 Tagen vor jenen zur Kindererziehung sollte in Angriff genom- (mit Entgeltersatzleistungen in der Höhe analog zum men werden; denn bei beidem geht es gleicherma- Elterngeld) für pflegende Angehörige; es sollte zusätz- ßen um Sorgearbeit, die grundsätzlich einheitlichen lich zum akuten Kurzzeitbudget von bis zu zehn Tagen Regeln unterliegen sollte (bezogen auf die Anrechnung (Pflegeunterstützungsgeld, § 44a Abs. 3 SGB XI)26 zur in der Alterssicherung siehe C.X.2).

Auch die Tarifparteien sind aufgerufen, in Abstim- 24 So besteht mit der Neufassung des Familienpflegezeitgesetzes mung mit den zu reformierenden Bestimmungen des (FPfZG) vom 06.12.2011 (BGBI. I: 2564) durch das Gesetz zur bes- Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetzes die Freistel- seren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23.12.2014 lungsoptionen auszubauen und den sozialen Schutz (BGBI. I: 2462) seit Anfang 2015 die Möglichkeit, die Arbeitszeit für für informell Pflegende zu verbessern. Insbesondere einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten auf bis zu 15 Stunden pro der öffentliche Dienst hat hier eine Vorbildfunktion. Woche zu reduzieren, um nahe Angehörige zu pflegen. Des Weite- Die einschlägigen Vorschriften zum „Sonderurlaub“ ren existiert die 2008 im Rahmen des Pflege-Weiterentwicklungs- (vgl. § 28 TVöD) – ein missverständlicher Begriff, der gesetzes im Pflegezeitgesetz­ (PflegeZG) eingeführte kurzzeitige dem Beamtenrecht entstammt 25 – sollten für die Pflege Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Arbeitstagen und die Mög- spezifiziert werden; auch terminologisch sollte klar- lichkeit, sich bis zu sechs Monate vollständig freistellen zu lassen. gestellt werden, dass es nicht um „Urlaub“ geht. Frei- stellungen zugunsten pflegebedürftiger Angehöriger 25 Vgl. etwa (zur Pflege) § 21 (amtlicher Titel: „Sonderurlaub aus dürfen überdies keine Nachteile etwa bei Eingruppie- persönlichen Anlässen“) Sonderurlaubsverordnung (SUrlV) vom rungen oder bei der Anrechnung auf die Stufenlauf- 01.06.2016 (BGBl. I S. 1284). zeiten haben (siehe auch C.VIII zu Wiedereinstiegen). Die Tarif- und Betriebsparteien sind zudem aufgerufen 26 Dieses Kurzzeitbudget gilt „nach [dem] Wortlaut für den Akutfall“ zu prüfen, ob – wie es vereinzelt bereits heute prak- und kann „entgegen der Einschätzung des Gesetzgebers […] ggf. tiziert wird – arbeitsplatznahe Betreuungseinrich- auch mehrfach pro nahen Angehörigen in Anspruch genommen“ tungen für pflegebedürftige Angehörige geschaffen (Karb 2015: 429) werden.

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der Sorge für pflegebedürftige­ Personen VI.2 113 Verfügung stehen und in frei wählbaren Einheiten über mehrere Jahre verteilt in Anspruch genommen werden können. Die vorgeschlagene Höhe des Bud- gets (120 Tage) ähnelt der Idee eines 1000-Stunden- Budgets (Stiegler/Engelmann 2011); sie entspricht etwa einem halben Jahr Vollzeittätigkeit und damit dem Umfang der Freistellungsmöglichkeit nach dem Pflegezeitgesetz. Während in der Pflegezeit jedoch das Entgelt entfällt und die Familienpflegezeit auf einer (mittels Arbeitszeitkonto zeitlich versetzt finanzier- ten) Arbeitszeitreduktion der Beschäftigten basiert, bietet die vorgeschlagene Entgeltersatzleistung eine real wahrnehmbare Finanzierungsmöglichkeit. Die Beschäftigten brauchen die Sicherheit, dass aus der praktizierten Pflegeverantwortung keine beruflichen oder finanziellen Nachteile entstehen (vgl. ebd.: 2). Insofern gewährleistet dieses Budget erhöhte Nutzbar- keit von Pflegezeiten.

Die Logik eines derartigen Zeitbudgets entstammt den zeitpolitischen Diskussionen rund um das Kon- zept der Ziehungsrechte (vgl. dazu auch C.I.1.c). Das 120-Tage-Pflegebudget lehnt sich an die auf Tage bezogene Logik bereits bestehender Instrumente an. Jedoch lassen sich solche Arbeitszeitoptionen für Pflegende durchaus als erster Schritt in Richtung jener „atmenden Lebensläufe“ verstehen, die mit den Ziehungsrechten ermöglicht werden sollen (vgl. Deut- sche Gesellschaft für Zeitpolitik 2016).

114 C.VII.Rahmenbedingungen 1. Mindeststandards guter Arbeit und Infrastruktur der Haushaltsnahe Dienstleistungen umfassen sowohl privaten Haushaltsführung sachbezogene als auch personenbezogene Dienst- leistungen wie die alltägliche Betreuung und Un- Eine gute Infrastruktur der privaten Haushaltsfüh- terstützung von Kindern oder pflegebedürftigen rung ist sowohl für die Integration der Beschäftig- Familienmitgliedern. Nicht eingeschlossen sind hier ten in existenzsichernde Arbeitsverhältnisse als pädagogische und medizinische Leistungen sowie auch für die gleichstellungsorientierte Organisati- spezialisierte Handwerkerleistungen. In der Praxis ist on von Erwerbs- und Sorgearbeit von Bedeutung. für haushaltsnahe Dienstleistungen mittlerweile ein Ein großer Teil der Sorgearbeit wird hierzulande großer Markt entstanden, geprägt durch sehr hetero- in privaten Haushalten geleistet, sowohl von Haus- gene Strukturen von Anbietern, die sich zum Teil als haltsangehörigen als auch durch Dienstleisterin- Vermittler, zum Teil als Arbeitgeber verstehen. Teils nen und Dienstleister. Private Haushalte haben im handelt es sich bei den Dienstleistern um Online- Jahre 2013 für die unbezahlte Arbeit 35 % mehr an Plattformen (siehe auch D.I.2). Zeit aufgewendet als für die bezahlte Erwerbsarbeit. Diese Arbeit wird überwiegend durch Frauen geleis- Dienstleistungsunternehmen spielen heute eine tet: Der Gender Care Gap zeigt auf, dass Frauen über zentrale Rolle in der Organisation und Vermittlung 50 % mehr an unbezahlter Arbeit leisten als Män- haushaltsnaher und personenbezogener Dienstleis- ner (siehe auch B.II.5). Der vorliegende Abschnitt tungen. Sach- und personenbezogene Dienstleistun- befasst sich mit der Frage, welche Vorkehrungen gen in Haushalten werden aktuell in unterschiedli- dazu führen können, dass diese Arbeit zwischen den chen vertraglichen Gestaltungen ausgeübt. In einigen Geschlechtern gerechter verteilt wird. Die Entlas- Konstellationen übernehmen die Haushalte die tung privater Haushalte von sachbezogenen Haus- Arbeitgeberverantwortung; falls dies innerhalb irre- haltstätigkeiten wie Putzen, Kochen, Waschen und gulärer Beschäftigungsverhältnisse geschieht, tragen Alltagsorganisation, aber auch von personenbe­ die Beschäftigten die Risiken ihrer sozialen Sicherung zogenen Betreuungsleistungen ist hierfür ein wich- vollständig selbst; auch die Haushalte müssen mit tiger Mechanismus. Dabei muss darauf geachtet einem erheblichen Haftungsrisiko rechnen. Beides werden, dass nicht erneut Ungleichheiten nach entfällt nur teilweise, wenn Haushalte soloselbststän- Geschlecht, durch Migration oder soziale und dige Haushaltsarbeiterinnen und Haushaltsarbeiter kulturelle Herkunft entstehen. (bzw. Betreuerinnen und Betreuer) beauftragen; auch in dieser Konstellation übernehmen die Beschäftigten Die Sachverständigenkommission meint, dass die- erhebliche Risiken für ihren Gesundheitsschutz und se Ziele durch Förderung der sozialversicherungs- die soziale Sicherung. Auch eine dritte Konstellation, pflichtigen Beschäftigung von Haushaltsarbeite- in der die Haushaltsarbeiterinnen und Haushalts- rinnen und Haushaltsarbeitern, eingebunden in arbeiter bei dritten Dienstleistern beschäftigt sind, das Berufsprofil eines qualifizierten und qualifizie- kommt vor. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn renden Dienstleistungsberufs (siehe C.IV), erreicht jene aus dem Ausland entsandt werden; die auslän- werden können. dischen Dienstleister sind jedoch in der Regel nicht in der Lage, über die Entfernung der Arbeitgeber- verantwortung gerecht zu werden. Auch die soziale Sicherung bleibt in vielen Fällen prekär. Die Sachverständigenkommission empfiehlt für eine verbesserte Infrastruktur der Hier bestehen große sozialpolitische Probleme. Es privaten Haushaltsführung: fällt auf, dass sich die Anbieterinnen und Anbieter bei – Regelung arbeitsrechtlicher Mindeststandards allgemeinen Grundsätzen der arbeitsorganisatori- – Entwicklung von Standards und Zertifizierung schen Gestaltung kaum voneinander abheben; die guter haushaltsnaher Dienstleistungsarbeit Beschäftigungsverhältnisse unterscheiden sich fast – Einführung öffentlich geförderter Gutscheine nur noch in der vertraglichen Risikoverteilung: Im für haushaltsnahe Dienstleistungen Falle soloselbstständiger Beschäftigung tragen die Haushaltsarbeiterinnen und Haushaltsarbeiter ihre sozialen Risiken alleine. Darüber hinaus ist die Aufwertung der erwerbsförmi- gen Sorgearbeit (vgl. C.IV) ein entscheidender Beitrag Obwohl 3,6 Millionen Haushalte Haushaltsarbeite- für eine professionelle Unterstützung der privaten rinnen und Haushaltsarbeiter beschäftigen (siehe Haushaltsführung. B.II.3), gibt es derzeit gerade einmal 43.000 sozialver­

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der privaten Haushaltsführung VII.1 115 sicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse in Privat- zialversicherungspflichtigen Beschäftigung unter haushalten; 290.000 Personen sind mit einem Mini- Einschaltung von Dienstleistungsunternehmen job in Privathaushalten tätig. Für knapp drei Viertel erreicht werden. Die Sachverständigenkommission ist dies die einzige Beschäftigung. Nur etwa jede und empfiehlt, diese Beschäftigungsform zu fördern, um jeder Siebte wählt die Option, den vollen Beitrag zur auf dieser Grundlage gute Arbeitsbedingungen, die gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen (Enste Aufwertung von Tätigkeiten sowie die Qualität und 2016: 2). Zwar befinden sich längst nicht alle Mini- Nachhaltigkeit der Dienstleistungen zu sichern. Von jobberinnen und irregulär Beschäftigte in prekären der empfohlenen Maßnahme wird zudem auch die Lebenslagen; dies ist z. B. nicht der Fall, wenn sie in Einbindung in ein durchlässiges Aus- und Weiter­ intakten Ehen oder Eingetragenen Lebenspartner- bildungssystem erwartet, das zu qualifizierten Berufs-­­ schaften leben und ihr Partner oder ihre Partnerin profilen führt (siehe C.IV.1). das Haushaltseinkommen überwiegend erwirtschaf- tet. Das Beschäftigungsmodell der Minijobs wird Die Ratifikation des Übereinkommens 189 „Men- dann durch die beitragsfreie Mitversicherung in der schenwürdige Arbeit für Hausangestellte“ der Inter- Krankenkasse sowie andere Anreizmodelle im Steu- nationalen Arbeitsorganisation (ILO-Übereinkom- er- und Sozialversicherungsrecht öffentlich gefördert men) durch die Bundesrepublik Deutschland im (zur Kritik siehe C.IX.1–3). Die soziale Sicherheit die- Jahre 2013 wurde nicht als Anlass genutzt, spezifi- ser Beschäftigten ist jedoch vom intakten Bestehen sche gesetzgeberische Maßnahmen zur Verbesserung der Ehe oder Eingetragenen Lebenspartnerschaft ab- der Beschäftigungssituationen zu unternehmen. hängig. Besonders gefährdet ist die Gruppe der Live- in-Beschäftigten, die häufig auf sich allein gestellt die Die Regelung von Mindeststandards ist insbesonde- Verantwortung für betreuungs- oder pflegebedürftige re für Live-in-Arbeitskräfte erforderlich (die oft in Personen übernehmen. Diese Betreuung pflegebedürf- 24-Stunden-Konstellationen arbeiten). Hier ist der Ge- tiger Menschen wird oft von Migrantinnen geleistet, setzgeber in der Pflicht, seiner verfassungsrechtlichen die im Haushalt der pflegebedürftigen Person leben, Schutzpflicht für Haushaltsarbeiterinnen und Haus- um eine 24-Stunden-Betreuung zu gewährleisten. haltsarbeiter insbesondere bei der 24-Stunden-Pflege/- Betreuung im Haushalt wirksam nachzukommen. Besonders gravierende sozialpolitische Fragen ergeben Die Einschätzung, Arbeitszeitgrenzen müssten nach sich, wenn Privathaushalte im irregulären Arbeits- § 18 Abs. 1 Satz 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) nicht markt die Dienste transnationaler Haushaltsarbei- gewährleistet werden, weil Angestellte in der häus­ terinnen nutzen. Die prekären Bedingungen des lichen Betreuung mit den betreuten Personen wie Arbeitsmarktes „Privathaushalt“ führen zu neuen Un- in einem Familienverbund zusammenlebten und gleichheitsverhältnissen nach Geschlecht und ethni- gemeinsam wirtschafteten (Bundesregierung 2012), scher und nationaler Zugehörigkeit. In den Herkunfts- verkennt, dass es hier anders als in der gesetzlichen ländern entsteht häufig eine Versorgungslücke, die dort Norm nur um temporäre Wohnsituationen geht, in entweder durch Großeltern, andere Verwandte oder denen die wirtschaftlichen und organisatorischen mit transnationalen Haushaltsarbeiterinnen aus wie- Rahmenbedingungen überwiegend einseitig – durch derum anderen Ländern gefüllt wird – soweit die Ein- Betreute, Familien, Auftraggeber oder Vermittler – kommenssituation es zulässt. Zwischen den Volkswirt- gestaltet werden (vgl. Kocher 2014). schaften und Gesellschaften (nicht notwendig auch zwischen den einzelnen privaten Haushalten) bilden Zur Erreichung dieses Ziels sind gesetzliche Maß- sich globale Versorgungsketten („global care chains“, nahmen erforderlich. Denn die Rechtsprechung Hochschild 2000; Lutz/Palenga-Möllenbeck 2016). akzeptiert zunehmend, dass diese Tätigkeiten so- wohl in abhängiger als auch in selbstständiger Form Die Unsichtbarkeit der Arbeit in privaten Haushal- ausgeübt werden können (BSG, Urteil vom 28.09.2011 – ten sowie die schwierige Arbeitsmarktsituation von B 12 R 17/09; vgl. auch BAG, Urteil vom 11.08.2015 – Migrantinnen und Migranten tragen dazu bei, dass 9 AZR 98/14); somit bietet sie keine Orientierungssi- diese Beschäftigungsverhältnisse in der Regel von cherheit bei der Gewährleistung sozialen Schutzes. Re- hoher Prekarität geprägt sind: geringe Entgelte, über­ gulierungsaktivitäten sollten den Anlass dafür bieten, lange Arbeitszeiten, keine sozialversicherungsrecht­ die Entwicklungen der Arbeitsmärkte für haushalts- liche Absicherung, kein ausreichender Arbeits-­ nahe Dienstleistungen (einschließlich der häuslichen schutz, Gefahr körperlicher Übergriffe. Die gleich-­ Betreuung) stärker durch die Politik zu beobachten stellungspolitischen Ziele der gesellschaftlichen und zu bewerten. Denn hier haben sich von Politik und wirtschaftlichen Integration von Haushaltsar- und Gesellschaft unbesehen ganz unterschiedliche beiterinnen und Haushaltsarbeitern können des- Modelle entwickelt. Während einige Dienstleister die halb am besten in der Beschäftigungsform der so- Übernahme jeder eigenen sozialen Verantwortung,

116 zum Teil sogar für die Qualität der Dienstleistung, Verhaltenskodizes von Unternehmensverbänden der ablehnen (siehe Stiftung Warentest 2014), entwickeln haushaltsnahen Dienstleistungswirtschaft und der andere Anbieter Unterstützungsmodelle einschließ- häuslichen Betreuung jedenfalls deutlich hinausgehen. lich Aus- und Weiterbildung, Gruppenversiche­ Ein wichtiges Element guter Beschäftigung wäre dabei rungen, Beratungen sowie Konfliktlösungsmodelle. die Erfüllung von Standards in der Aus- und Weiter­- bildung (genauer C.IV.1). Entsprechende Modelle soll- ten wissenschaftlich entwickelt und begleitet werden. 2. Zertifizierung guter haushaltsnaher Dienstleistungsarbeit 3. Förderung der Nachfragestrukturen durch Über die Regulierung von Mindeststandards hinaus Gutscheine für haushaltsnahe Dienstleistungen erscheint es wichtig, Kommunen und Privathaushalte dabei zu unterstützen, rationalisierungsresistente und Bereits heute gibt es Instrumente, die den Haushal- sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in die- ten Wege aus der irregulären Beschäftigung nahele- sem Dienstleistungsbereich zu nutzen. Die Haushalte gen und dafür Anreize setzen. Hier ist zum einen das benötigen hierfür als Entscheidungshilfe Informati- Haushaltsscheckverfahren zu nennen (§ 28a Abs. onen über die Qualität von Beschäftigungsverhält­- 7 und 8 SGB IV). Es bietet privaten Haushalten, die nissen. Ergänzend sollten Anreizmodelle gute Arbeit Arbeitgeber in Minijob-Konstellationen sind, eine in diesem Bereich unterstützen (Hensel/Kocher 2016). einfache Möglichkeit der sozialversicherungsrechtli- chen Anmeldung und Abrechnung an (einschließlich Voraussetzung dafür ist die Entwicklung von Quali- der Umlagen für Mutterschutz und Unfallversiche- tätsstandards für haushaltsnahe Dienstleistungen und rung). Seit Einführung dieser indirekten Förderung für die häusliche Betreuung. Diese sollten Standards haben entsprechende Minijobs erkennbar zugenom- nicht nur für die Qualität von Information, Beratung men. Dies ist aber keine Beschäftigungsform, die und Vermittlung (DIN SPEC 77003 von 2015) enthal- gesellschaftliche Integration, eine qualifizierte Berufs­ ten, sondern auch für die Qualität der Dienstleistung perspektive und gleiche Teilhabechancen unabhängig und insbesondere für die Qualität der Beschäftigung. vom Geschlecht am Arbeitsmarkt ermöglicht. Die Sachverständigenkommission empfiehlt, aufbau- end auf den Empfehlungen, die es für die häusliche Darüber hinaus dient die Steuererleichterung nach Krankenpflege in der gesetzlichen Krankenversiche- § 35a Einkommenssteuergesetz (EStG) der Eindäm- rung (GKV) und für die ambulante Pflege in der Pfle- mung irregulärer Arbeit. Die Ermäßigung führt bei Mi- geversicherung gibt, je ein Zertifikat für haushalts- nijobs (wo sie maximal 510 Euro im Steuerjahr beträgt) nahe Dienstleistungen im engeren Sinne und für die quasi zu einer Erstattung der Sozialbeiträge, die von häusliche Betreuung zu entwickeln. Eine rechtzeitige Arbeitgeberseite an die Minijob-Zentrale zu zahlen sind. Einbindung einerseits der im jeweiligen Bereich zu- Bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im ständigen Tarifvertragsparteien und andererseits des Haushalt können bis zu einer Grenze von maximal 4000 Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Euro bis zu 20 % der Ausgaben abgesetzt werden (vgl. Jugend erscheint sinnvoll. Entsprechende unabhän- § 35a Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Förderung dieser Beschäf- gige und einheitliche Zertifikate oder Gütesiegel soll- tigungsform hat jedoch bislang kaum steuernde Wir- ten Standards für gute und nachhaltige Beschäftigung kung, denn überwiegend wird das Minijob-Modell ge- über die arbeits- und sozialrechtlichen Mindeststan- wählt. Die Steuererleichterung dient bislang vorrangig dards hinaus gewährleisten und mit kontinuier­lichen dem Ziel der Verhinderung irregulärer Beschäftigung 27; Berichtspflichten verbunden sein. In erster Linie ist hierbei hat sie durchaus Erfolge erzielt. Ihre gleichstel- dabei auf sozialversicherungspflichtige Beschäfti- lungspolitischen Wirkungen sind äußerst begrenzt: gung abzustellen. Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob Die Steuererleichterung trägt nicht zur Förderung einer Modelle der selbstständigen Beschäftigung vergleich- höheren Qualität der Beschäftigung bei und bietet vor bar förderungswürdig sein können, wenn sie z. B. in allem eine Unterstützung für Haushalte mit überdurch- Beratungs-, Versicherungs- und Weiterbildungsstruk- schnittlich hohen Einkommen; nur diese können von turen vermittelnder Dienstleistungsunternehmen einer Steuererleichterung profitieren. Ein Großteil der eingebunden ist. Bei dieser Prüfung wäre allerdings Haushalte mit mittleren oder gar geringen Einkommen die Notwendigkeit gleicher Wettbewerbsbedingungen kann folglich auf diese Entlastung von der Arbeit des von sozialversicherungspflichtiger­ und selbstständiger Alltags nicht zurückgreifen (Bundesregierung 2011). Beschäftigung zu berücksichtigen, um nicht Modelle der Umgehung sozialen Schutzes zu ermöglichen. Ein entsprechendes Gütesiegel müsste über die bestehen- 27 Im Sinne des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und den Mindeststandards der Selbstverpflichtungen und ille­galen Beschäftigung (SchwarzArbG) vom 23.07.2004.

Handlungsempfehlungen C Rahmenbedingungen und Infrastruktur der privaten Haushaltsführung VII.2 117 Die Entlastungsfunktionen haushaltsnaher Dienst- universel“, universeller Dienstleistungsscheck) Arbeit- leistungen sollten auch Haushalten mit mittleren gebern die Möglichkeit gegeben werden, steuervergüns- oder geringen Einkommen zur Verfügung stehen. tigt entsprechende Gutscheine einzukaufen und als Ihnen sollte daher unmittelbare finanzielle Unter- betriebliche Familienförderung anzubieten. Auch das stützung für die Inanspruchnahme zertifizierter EU-Parlament hält die Vorbilder aus Belgien und Frank- haushaltsnaher Dienstleistungen angeboten werden. reich für bemerkenswert und empfiehlt sie allen Mit- Denn wie bereits im Ersten Gleichstellungsbericht gliedstaaten (EU Parl 2016). festgestellt, sind haushaltsnahe Dienstleistungen ein wichtiges Instrument, um Menschen die Bewältigung Diese Nachfragestärkung hätte erhebliche Wirkungen ihres Alltags zu erleichtern: „Die Überwindung von für die Entwicklung des Arbeitsmarktes für qualifizie- geschlechtersegregierten Alltags- und Lebenszeiten rende berufliche Tätigkeiten, insbesondere auch für setzt einen Ausbau von passgenauen und qualitativ transnationale Haushaltsarbeiterinnen und Haushalts- hochwertigen familienrelevanten Human- und Sach- arbeiter. Wenn es in Deutschland gelänge, den Anteil dienstleistungen voraus“ (Bundesregierung 2011: der regulär Beschäftigten in Privathaushalten auf das 195). Ohne eine weitere Entlastung von der „Arbeit Niveau anderer westeuropäischer Länder anzuheben, des Alltags“ (Meier-Gräwe 2015b) werden entweder könnten mehrere 100.000 Menschen zu einer abge- ganzheitliche Lebenspläne mit Kindern aufgegeben sicherten Beschäftigung kommen (siehe Monitor Fa- oder weibliche Bildungs- und Qualifikationspotenzi- milienforschung des BMFSFJ (2008), der ein Potenzial ale nicht optimal genutzt (siehe B.I.3–5 und B.II.2–3). von etwa 300.000 Arbeitsplätzen ausmachte). Auch in Belgien hat sich die informelle Beschäftigung in Für die Finanzierung ist zu berücksichtigen, dass Privathaushalten nach Einführung des Gutscheinver- bereits heute in unterschiedlichen Sozialversiche- fahrens nachweisbar verringert; durch die Einführung rungszweigen Leistungen zur Unterstützung der des Gutscheinsystems wurden dort zwischen 2004 und Haushaltsführung angeboten werden (z. B. häusliche 2013 ungefähr 95.000 Vollzeitarbeitsplätze geschaf- Krankenpflege und Haushaltshilfen nach §§ 37, 38 fen. Zugleich sind mehr als 4.000 Dienstleistungsun- SGB V, Haushaltshilfe nach § 54 SGB IX, Leistungen für ternehmen entstanden; bestehende Betriebe konnten Alltagsbetreuung nach § 45a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB XI). sich konsolidieren (Kompetenzzentrum PQHD o. J.). Die Sachverständigenkommission schlägt vor, darüber Das Programm eignet sich also auch als Strukturför- hinaus Angebote jedenfalls für solche Lebensphasen derpaket in diesem Marktsegment (in Analogie zur oder Situationen zu machen, in denen die Entlastung sogenannten Abwrackprämie oder der aktuellen Kauf- gleichstellungspolitisch besondere Wirksamkeit ver- prämie für E- oder Hybridautos). Es trägt zur regionalen spricht. Dies sind insbesondere Phasen der Familien- Wirtschaftsförderung durch die Stärkung von klein- gründung (Geburt oder Aufnahme eines Kindes), des und mittelständischen Dienstleistungsunternehmen Eintritts von Pflegebedarf in der Familie sowie Phasen bei (die oft von Frauen geführt werden) und schafft gute des beruflichen Wiedereinstiegs. In Betracht käme Arbeitsplätze in krisensicheren Dienstleistungsfeldern auch die Unterstützung für „bestimmte Gruppen, für Personen mit unterschiedlichen Bildungs- und insbesondere älterer Menschen, die, ohne pflegebedürf- Qualifikationsvoraussetzungen. Dies hat weitere tig zu sein, einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpfle- direkte und indirekte Wertschöpfungspotenziale mit ge und hauswirtschaftlichen Versorgung haben“ (§ 45a beträchtlichen Earn-back-Effekten, wie das Beispiel SGB XI a. F.) und dementsprechend auf „Angebote zur Belgien zeigt (ebd.). Steuern und Sozialabgaben werden Unterstützung im Alltag“ (§ 45a SGB XI n. F.) angewie- von sozialversicherungspflichtig angestellten Beschäf- sen sind. Ebenfalls wäre an die Zielgruppen der Alleiner- tigten gezahlt; die unterstützten Personen können ihr ziehenden, der Eltern mit Kindern mit Behinderung so­- eigenes Erwerbsvolumen ausweiten und sich auf die- wie der einkommensschwachen Haushalte zu denken. sem Wege substantielle Erwerbsbiografien aufbauen, was wiederum zu erheblichen Einsparungen in den Die Sachverständigenkommission empfiehlt konkret öffentlichen Sozial- und Gesundheitshaushalten führt. die Einführung subventionierter Gutscheine nach bel- gischem Vorbild (etwa zunächst mit einer Zuschuss­ Entsprechende Modelle sollten wissenschaftlich ent-­ finanzierung von bis zu 20 Gutscheinen pro Monat im wickelt und begleitet werden. In einem zweiten Wert von je neun Euro pro Dienstleistungsstunde). Die Schritt könnte nach Prüfung der Kosten-Nutzen- staatliche Förderung über subventionierte Gutscheine Relationen das Gutscheinmodell für alle Privathaus- wäre mit der Auflage verbunden, dass Dienstleistungs- halte geöffnet werden. Durch Deckelung des Werts der gutscheine ausschließlich bei zertifizierten öffentlichen Gutscheine (bzw. der geförderten Arbeitsstunden und oder privaten Dienstleistungsbetrieben eingelöst wer- Stundenlöhne)­ ließe sich vermeiden, dass finanziell den können. Ergänzend könnte nach französischem Bessergestellte, die aufwendigere Leistungen in An- Vorbild („CESU préfinancé: chèque emploi service spruch nehmen, von der Förderung stärker profitierten.

118 C.VIII.Der Wiedereinstieg Ausstieg vermieden werden kann (wie es häufig bei in die Erwerbsarbeit der Pflege und immer häufiger auch in der Elternzeit gelingt), Wiedereinstiegsprobleme nach Ende einer sorge- oder pflegebedingten Arbeitszeitanpassung Lebensverläufe können geprägt sein von Phasen, in auftreten können. denen Sorge- und Erwerbsarbeit sich abwechseln oder ineinandergreifen. Gleichstellungspolitik sollte Schon der Erste Gleichstellungsbericht themati- deshalb auf eine Abschaffung oder Verringerung der sierte die Schwierigkeiten dieser Übergangsphase: Barrieren für den Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit „Bei fehlenden Rahmenbedingungen [kann sich] der abzielen, damit eine nachhaltige eigenständige Exis- berufliche Wiedereinstieg von Frauen nach einer tenzsicherung bei einem Wechsel zwischen solchen Familienphase leicht als Retraditionalisierungsfal- Phasen gewährleistet bleibt (hierzu auch B.I.5). le erweisen“ (Bundesregierung 2011: 191). Welche Bedeutung das Gelingen solcher Wiedereinstiege auch heute noch für die Gleichstellung der Geschlech- ter hat, wurde bereits in Abschnitt B.I.5 skizziert. Die Sachverständigenkommission empfiehlt für Aus Sicht der Sachverständigenkommission ist das einen leichteren Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit : Gelingen eines Wiedereinstiegs gleichstellungspoli- – arbeitsförderungsrechtliche Unterstützung durch tisch daran zu messen, inwiefern trotz sorgearbeits- Information, Beratung und Weiterbildung, die bedingter Erwerbsarbeitspausen eine langfristige verpflichtende Institutionalisierung der Angebote soziale Sicherung, eigenständige Existenzsicherung des Programms „Perspektive Wiedereinstieg“ und beruflicher Aufstieg unabhängig vom Geschlecht sowie sozialleistungsunabhängige Beratungs- gewährleistet sind. Hier bestand nach wie vor Hand- und Informationsangebote lungsbedarf. Nach einer neueren Studie mussten sich – Rechte auf Rückkehr und bei Rückkehr in den zwei Drittel der befragten Fach- und Führungskräfte Betrieb oder die Dienststelle; Erwerbsarbeitsunter- nach ihrer Rückkehr mit schlechteren Bedingungen brechungen im öffentlichen Dienst sollen künftig abfinden (Ziegler et al. 2015). Erklärtes Ziel gleich- nicht mehr automatisch zu Rückstufungen führen stellungsorientierter Maßnahmen muss deshalb – arbeitsrechtlichen Anspruch auf ein „betriebliches sein: einen gelungenen Wiedereinstieg zu ermögli- Wiedereinstiegsmanagement“ chen; Wiedereinstiege in Sackgassen wie Minijobs zu vermeiden; präventiv zu erreichen, dass Beschäftigte in späteren Phasen der Sorgearbeit nicht von einem (Wieder-)Ausstieg, sondern von Arbeitszeitanpassun- Vorbemerkung gen Gebrauch machen (können).

§ 20 Sozialgesetzbuch (SGB) III benennt den Wieder- einstieg nach einer familienbedingten Erwerbsunter- 1. Arbeitsförderungsrechtliche Unterstützung durch brechung als „Berufsrückkehr“. Dieses Verständnis Information, Beratung und Weiterbildung von Berufsrückkehr ist restriktiver als der Begriff des Wiedereinstiegs, den die Sachverständigenkommissi- Viele Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinstei- on in diesem Gutachten verwendet. So setzt § 20 SGB ger benötigen nach einer längeren Unterbrechung III voraus, dass die Erwerbsunterbrechung aufgrund Weiterbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen, um der Sorge für ein minderjähriges Kind (bis 15 Jahre) wieder auf den aktuellen technischen und fachli- oder für eine pflegebedürftige Person geschieht, die chen Stand ihrer Tätigkeit bzw. ihres Berufs zu kom- Rückkehr in den Beruf innerhalb eines Jahres nach men. Dies gilt insbesondere nach langjährigem Be- Wegfall der Aufsichtspflicht oder Pflegebedürftig- rufsausstieg. Verpflichtungen gegen den Arbeitgeber keit geplant ist und sich die Auszeit nicht auf die laufen ins Leere, wenn geeignete Angebote fehlen. Elternzeit bezieht. Aus gleichstellungspolitischer Sicht Wiedereinstiegsprojekte wie das Bundesprogramm muss die Problematik der Erwerbsunterbrechung aus „Perspektive Wiedereinstieg“ setzen hier an; das Pro- sorgearbeitsbedingten Gründe aber darüber hinaus gramm wird vom Bundesministerium für Familie, thematisiert werden. Sorgearbeit ist nicht auf die in Senioren, Frauen und Jugend und der Bundesagentur § 20 SGB III erwähnten Tatbestände beschränkt und für Arbeit (BA) getragen, es bietet neben Beratung kann sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. ein Unterstützungsmanagement durch begleitendes Für die betroffenen Eltern wirft auch die Zeit unmit- Coaching an und vermittelt Weiterbildungsmaß- telbar im Anschluss an die Elternzeit Fragen nach dem nahmen der BA. Dass diejenigen, die an dem Pro- gleichberechtigten Wiedereinstieg auf. Und zuletzt ist gramm teilgenommen haben, drei Jahre nach dem zu beachten, dass auch dann, wenn ein vollständiger Wiedereinstieg häufiger in Vollzeit oder vollzeitnah

Handlungsempfehlungen C Der Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit VIII.1 119 beschäftigt sind als Vergleichsgruppen (häufig in einem Abschluss in einem Beruf, den sie über meh- Teilzeit), zeigt seine Wirksamkeit auf (Diener/Götz rere Jahre nicht ausgeübt haben, einen neuen Berufs­ et al. 2015: 64ff.). abschluss erwerben. Als problematisch erweist es sich jedoch, wenn die notwendige Berufsunterbrechung Für ein Funktionieren der Beratungs- und Weiter- von vier Jahren starr ausgelegt wird. Hier ist, gerade bildungsangebote bedarf es guter Infrastrukturen auch in Hinblick auf langfristig absehbare Pflegeauf- für diese Leistungen. Die verschiedenen Angebote gaben, größere Flexibilität gefordert. Ein Rechtsan- müssen ineinandergreifen und dürfen nicht isoliert spruch auf Förderung beruflicher Weiterbildung voneinander bestehen. Die Sachverständigenkommis- (siehe C.II.3) oder die Wiedereinführung des Unter- sion empfiehlt deshalb die gesetzliche Verankerung haltsgelds ist zu begrüßen. eines Anspruchs auf Teilnahme an Angeboten des Programms „Perspektive Wiedereinstieg“ für Wieder- Nicht nur der Wiedereinstieg, auch eine etwaige einsteigerinnen und Wiedereinsteiger. Eine wichtige Qualifizierung, die durch eine längere Erwerbsun- Rolle für die Effektivität des Programms spielt zudem, terbrechung notwendig wurde, ist meist nur in Teil- inwiefern es den Agenturen vor Ort gelingt, orientiert zeit zu bewältigen. Besonders für Alleinerziehende an bestehenden Kooperationen, weitere lokale Netz- und für Personen, die informell Pflegearbeit leisten, werke unterschiedlicher Akteurinnen und Akteuren stellen die Anwesenheitszeiten in der Berufsausbil- einschließlich der Unternehmen zu bilden. dung eine zum Teil unüberwindbare Hürde dar. Die Ermöglichung von Teilzeitberufsausbildungen ist Teilweise fehlen für Personen, die nach einer sorge- folglich wesentlich für viele Wiedereinsteigende arbeitsbedingten Erwerbslosigkeit den Wiedereinstieg (siehe genauer C.II.2). meistern wollen, aber nicht sozialleistungsberech- tigt sind, unterstützende arbeitsförderungsrechtliche Leistungen wie beispielsweise Beratungsangebote, 2. Rechte auf und bei Rückkehr in den Betrieb sofern die Angebote der lokalen Wiedereinstiegsbe- oder die Dienststelle raterinnen und Wiedereinstiegsberater die Nachfrage nicht decken. Dies betrifft vor allem verheiratete und Für einen gelingenden Wiedereinstieg sind Stärkung verpartnerte Frauen, die in einer Bedarfsgemeinschaft und Ausbau der Rückkehrrechte einschließlich ent- (§§ 9 Abs. 2 Satz 1 und 7 Abs. 3 SGB II) leben. sprechender Arbeitgeberunterstützung von zentraler Bedeutung. Je länger die Unterbrechung der Erwerbs- Neben strukturellen Maßnahmen und Angeboten tätigkeit nach einer sorgearbeitsbedingten Erwerbsar- spielen Rollenbilder und partnerschaftliche Aushand- beitspause dauert, desto schwieriger wird aber ein qua- lungsprozesse eine entscheidende Rolle für einen lifikationsadäquater und vollzeitnaher Wiedereinstieg. gelingenden Wiedereinstieg. In diesem Zusammen- hang bedarf es geeigneter Beratungsangebote von Um das Recht auf einen effektiven Wiedereinstieg, wie Informationsstellen, die eine Lotsenfunktion inne- ihn für die Elternzeit auch die EU-Richtlinie 2010/18/ haben. Die bestehenden Beratungsangebote des Bun- EU zum Ziel hat, zu konkretisieren, sind ein Recht auf desprogramms „Perspektive Wiedereinstieg“ und den gleichen oder zumindest einen gleichwertigen der Agenturen für Arbeit sowohl für Arbeitgeber als Arbeitsplatz bei Rückkehr, der Erhalt erworbener Rech- auch für Beschäftigte sind mit einer Lotsenfunktion te sowie der Kündigungsschutz während der gesam- auszustatten. ten Elternzeit (§ 18 BEEG) und (Familien-)Pflegezeit (§ 5 Abs. 1 PflegeZG) geboten (§§ 2 FPfZG i. V. m. 5 Um Hemmnisse abzubauen, wäre es zudem hilfreich, Abs. 1 PflegeZG). Ein spezielles Benachteiligungs- bzw. wenn eine lebensphasenbegleitende Beratung durch Diskriminierungsverbot ergibt sich aus § 15 Abs. 2 leistungsunabhängige Informationsstellen angeboten Satz 6 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) würde. Für die besonderen Beratungs- und Informati- (BAG, Urteil vom 12.04.2016, Az. 6 AZR 731/13). onsbedarfe Alleinerziehender und von Eltern von Kin- dern mit Behinderung empfiehlt die Sachverständi- Reformbedürftig sind folglich z. B. § 17 Abs. 3 Satz 3 genkommission spezialisierte (leistungs-)unabhängige Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) 28 und Informationsstellen (Meier-Gräwe et al. 2014: 27ff., 32). die entsprechenden Normen in anderen Tarifverträgen

Was die arbeitsförderungsrechtlichen Grundlagen für Weiterbildungsmaßnahmen betrifft, so ist hervorzu- 28 „Bei einer Unterbrechung von mehr als drei Jahren, bei Elternzeit heben, dass nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB III Zeiten der von mehr als fünf Jahren, erfolgt eine Zuordnung zu der Stufe, die Kindererziehung und der Pflege Angehöriger Beschäf- der vor der Unterbrechung erreichten Stufe vorangeht, jedoch nicht tigungszeiten gleichstehen; so können Personen mit niedriger als bei einer Neueinstellung; […].“

120 des öffentlichen Dienstes. Diese Bestimmung führt sind Rechte erforderlich, die es ermöglichen, die dazu, dass Betroffene nach einer mehrjährigen Unter- eigene Erwerbsarbeit an die veränderten Realitäten brechung der Erwerbstätigkeit automatisch zurück- eines Lebens mit Kind oder mit einem oder einer gestuft werden. Dahinter steht offenbar die Annahme, pflegebedürftigen Angehörigen anzupassen. Wahl­ dass die nötigen beruflichen Kompetenzen in dieser arbeitszeiten, wie sie durch ein Wahlarbeitszeitgesetz, Zeit abnehmen. Die Regelung ist zwar geschlechts- das auch ein Recht auf Rückkehr zur Vollzeit zum neutral formuliert und bezieht sich auf alle Arten von Gegenstand hätte, angestoßen würden (siehe C.I.1.a), Unterbrechungszeiten. In der Realität findet sie aber stellen insofern wichtige Rahmenbedingungen dar. in erster Linie bei Unterbrechungen wegen privater Sorgearbeit Anwendung und betrifft damit überwie- Für den Wiedereinstieg sind Kontakthalteprogram- gend Frauen, die informell Kinder betreuen oder An- me während Eltern- oder Pflegezeiten und darüber gehörige pflegen. Hier handelt es sich um eine mit- hinaus ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung wäh- telbare Diskriminierung von Frauen, die jedenfalls in rend Eltern- oder Pflegezeiten sowie die Möglichkeit der allgemeinen Fassung des § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD geänderter Arrangements bezüglich Arbeitszeiten nicht gerechtfertigt ist. Denn tatsächliche Arbeitsleis- oder -ort unabdingbar. Diese Anforderungen sind tung führt keineswegs zwingend dazu, dass Arbeit- auch Gegenstand des § 6 Rahmenvereinbarung zur nehmerinnen und Arbeitnehmer Erfahrungswissen Elternzeitrichtlinie 2010/18/EU (Kocher et al. 2013: erwerben, durch das sie ihre Arbeit besser verrichten 173ff.; siehe auch Entschließung des Europäischen als Kolleginnen und Kollegen, die in derselben Zeit Parlaments vom 12.05.2016 zur Umsetzung der Richt- informelle Sorgearbeit geleistet und familiäre Organi- linie 2010/18/EU, 2015/2097(INI), Nr. 14 und 17). Sie sationsaufgaben übernommen haben. Darüber hinaus bedarf einer effektiven Umsetzung. besteht europarechtlich ein Widerspruch zwischen der Rückstufungsnorm und § 2 Nr. 6 Rahmenverein- Die Sachverständigenkommission empfiehlt die barung zur Elternurlaubsrichtlinie 2010/18/EG; das Einführung eines arbeitsrechtlichen Anspruchs auf Bundesarbeitsgericht hatte dieses Problem bereits im ein betriebliches Wiedereinstiegsmanagement, flan- Blick, hat es im Ergebnis aber noch nicht entschie- kiert durch betriebsrätliche Mitbestimmung sowie den (BAGE 137, 80). Zudem steht die Rückstufung in Kündigungsschutz der betroffenen Beschäftigten Widerspruch zu höherrangigem Gesetzesrecht: Das während der Verhandlungen im Sinne eines wirk- Benachteiligungsverbot des § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG samen Schutzes vor Maßregelung (vgl. § 612a BGB). verbietet Regelungen, die dazu führen, dass sich El- Diese Rechte sollte durch eine arbeitsförderungs- ternzeit nachteilig auf die arbeitsrechtliche Stellung rechtliche Beratungsleistung für Arbeitgeber und auswirkt. In der Elternzeit müssen deshalb nicht nur Beschäftigte unterstützt werden. Eine entsprechende bereits zurückgelegte Bewährungszeiten erhalten blei- beratende Funktion der Erziehungsgeldstelle (§ 16 ben (BAG, Urteil vom 12.04.2016, Az. 6 AZR 731/13); Abs. 1 Satz 5 BErzGG a.F.) wurde zwar 2004 gestri- auch bereits erworbene Entgeltstufen dürfen nicht chen. Dies wurde damals allerdings damit begrün- verloren gehen. Dies ergibt sich auch aus § 18 Abs. 1 det, dass die Anspruchsvoraussetzungen erheblich Nr. 5 Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG): Demnach vereinfacht worden waren (vgl. Bundesregierung dürfen Beurlaubungen für Familien- oder Pflegeauf- 2004: 96). Seither ist nicht nur die arbeitsrechtli- gaben nicht die Einstellung sowie die berufliche Ent- che Rechtslage komplexer geworden. Auch lassen wicklung einschließlich des beruflichen Aufstiegs be- es die gleichstellungspolitischen Anforderungen an einträchtigen und sich insbesondere nicht nachteilig Arbeitgeber und Beschäftigte, was die Neugestaltung auf die dienstliche Beurteilung auswirken; bei der An- von Beschäftigungsverhältnissen nach der Eltern- rechnung von Wartezeiten für eine Beförderung sind zeit (betriebliches Wiedereinstiegsmanagement) sie zu berücksichtigen (Abs. 3). Ebenfalls spricht die betrifft, erforderlich erscheinen, Beratung auf mög- hier implizit thematisierte ungleiche Behandlung von liche betriebsorganisatorische Gestaltungen und Beamtinnen sowie Beamten, die nämlich während ei- Möglichkeiten der betrieblichen Konfliktmoderation ner Freistellung sogar befördert werden können, gegen zu erstrecken (siehe auch Kocher et al. 2013: 332ff.). die Annahme einer ‚automatischen‘ Dequalifizierung. Dies bietet die Chance, Wiedereinstiege nachhalti- ger zu machen. Denn aktuell beenden viele Betroffe- ne den Versuch, in den Beruf zurückzukehren, nach 3. Betriebliches Wiedereinstiegsmanagement einiger Zeit wieder. So ergab die Auswertung von Erwerbsbiografien mit Personaldaten eines großen Als ebenso wichtig wie die Gewährleistung gleicher deutschen Unternehmens, dass ungefähr ein Fünftel Bedingungen bei der Rückkehr erweist sich in der der Mütter, die nach dem Ende der Elternzeit in das Praxis die Möglichkeit eines stufenweisen Wieder- Arbeitsverhältnis zurückgekehrt waren, ein Jahr einstiegs unter veränderten Bedingungen. Hierfür danach nicht mehr im Beruf waren (Fitzenberger

Handlungsempfehlungen C Der Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit VIII.3 121 et al. 2015). Um Qualifikationen und Berufserfahrung von Frauen langfristig und nachhaltig nutzen zu kön- nen, liegt es auch im Interesse von Arbeitgebern, die Berufsorientierung von Müttern zu fördern.

Ähnliche Probleme des Wiedereinstiegs stellen sich gegenwärtig bei der Pflege: Auch hier sehen Pflege- zeitgesetz (PflegeZG) und Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) aktuell lediglich die Möglichkeit der Arbeits- zeitreduzierung oder einer „Auszeit“ während einer Pflegephase vor (§ 3 Abs. 1 PflegeZG, § 2 Abs. 1 FPfZG), enthalten aber keine Regelungen für eine Anpassung von Beschäftigungsverhältnissen in der Wieder- einstiegssituation.

122 C.IX.Anreize bei der Ressourcen- und Erwerbsarbeit, der andere hauptsächlich Sorgearbeit Arbeitsteilung in Ehe und Eingetragener leistet. Dies führt zu institutionellen Inkonsisten- zen. Denn auf der anderen Seite zielt der Ausbau der Lebenspartnerschaft öffentlich finanzierten Kindertagesbetreuung auf eine gleichberechtigte Teilhabe von Eltern im Er- Dem Ziel der gleichen Verwirklichungschancen werbsleben ab und im Regelungskreis der sozialen stehen Regelungen entgegen, die eine asymmet- Grundsicherung (SGB II) wird in Bedarfsgemein- rische Arbeitsteilung in Ehen und Eingetragenen schaften die vollumfängliche Erwerbsbeteiligung Lebenspartnerschaften fördern. Die Sachverständigen­ aller Erwerbsfähigen erwartet. kommission greift im Folgenden Fehlanreize auf, die aus ihrer Sicht einseitig das Familienernährer-­ Einkommensteuer- und Ehegüterrecht beeinflus- Modell oder das Zuverdiener-Modell stützen und an- sen auch die Ressourcenverteilung innerhalb von dere, egalitär ausgerichtete, Lebensmodelle erschwe- Ehen und Eingetragenen Lebenspartnerschaften. So ren. Entsprechende Fehlanreize finden sich: in der wird bei der Einkommensteuer in der Steuerklassen- Ehe- und Lebenspartnerschaftsbesteuerung; in der bei- kombination III/V die Wirkung des Ehegattensplit- tragsfreien Mitversicherung von Ehegatten und Ein- tings nicht gleichmäßig auf die gemeinsam veran- getragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern; lagenden Personen verteilt. Damit fällt das laufende bei den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Nettoeinkommen für den Partner oder die Partnerin Ausnahmeregelungen für Minijobs; im Güterrecht der in Steuerklasse V, gemessen am Beitrag zum Erwerbs- Ehe und Eingetragenen Lebenspartnerschaft. einkommen des Paares vor Steuern, relativ gering aus. Im gesetzlichen Ehegüterrecht führt die Güter- Viele Paare artikulieren heute ein Beziehungsideal trennung in der sogenannten Zugewinngemeinschaft der egalitären Arbeitsteilung. Im Anschluss an die dazu, dass in Ehen und Eingetragenen Lebenspart- Familiengründung ist jedoch bei vielen eine Retradi- nerschaften, in denen auch nur vorübergehend eine tionalisierung zu beobachten: In erster Linie sind es asymmetrische Arbeitsteilung besteht, lediglich die Mütter, die ihre berufliche Karriere unterbrechen, die vermögende Person oder die Person mit dem ihre Erwerbsarbeit einschränken und die Sorgearbeit höheren Erwerbseinkommen wirtschaftliche Verfü- im Haushalt übernehmen; die Väter konzentrieren gungsgewalt über den gemeinsam erarbeiteten ehe- sich auf die Erwerbsarbeit. Zwar streben Eltern die- lichen Zugewinn erhält. Institutionell vermittelte ses Modell der intrafamilialen Arbeitsteilung oft nur Ressourcenzuweisungen dieser Art beeinflussen die für eine vorübergehende Lebensphase, in der die Kin- Entscheidungs- und Verhandlungsmacht bei Paaren der noch klein sind, an. In der gelebten Wirklichkeit in einer Weise, die partnerschaftlichen Lösungen verfestigt es sich jedoch vielfach, es prägt sich die abträglich sein kann. Zuverdienst-Ehe aus. In dieser Konstellation arbei- ten Frauen – oft in geringfügig entlohnten Beschäfti- Bereits der Erste Gleichstellungsbericht stellte fest: gungsverhältnissen – Teilzeit, tragen nur einen klei- Recht setzt oder unterstützt Rollenbilder, die auf neren Teil zum Haushaltseinkommen bei und sind das Entscheidungsverhalten von Männern und auf Einkommensübertragungen, also Unterhaltsleis- Frauen einwirken und damit Risiken und nachtei- tungen, ihres in Vollzeit verdienenden Partners an- lige Folgen im Lebensverlauf vor allem für Frauen gewiesen. Was für verheiratete Mütter gilt, scheint, begründen, aus denen sich gleichstellungspolitischer jedenfalls zum Teil, auch für Mütter in Eingetragenen Handlungsbedarf ableitet (Bundesregierung 2011: Lebenspartnerschaften zu gelten (siehe BI.3). 234). Da die institutionellen Anreize für verheirate- te Zweitverdienende (typischerweise Frauen), auf Zu dieser Entwicklung im Lebensverlauf tragen Dauer nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstä- nicht nur Schwierigkeiten beim beruflichen Wie- tig zu sein, deren Handlungsoptionen im Lebensver- dereinstieg nach einer sorgebedingten Erwerbs- lauf einschränken und längerfristig hohe Risiken in unterbrechung bei, die mit arbeitszeitlichen und Übergangssituationen nach sich ziehen, wurde emp- arbeitsorganisatorischen betrieblichen Strukturen, fohlen, diese Anreize abzubauen (Bundesregierung mit Qualifizierungs- und Qualifikationsproblemen 2011: 154). Um gleiche Teilhabechancen unabhängig und Defiziten bei der Betreuungsinfrastruktur zu- vom Geschlecht im Erwerbsleben zu schaffen, wur- sammenhängen (näher C.VIII). Vielmehr enthalten den als vordringliche Maßnahmen genannt: die Ehe- das Einkommensteuer- und das Sozialversiche- gattenbesteuerung durch Wechsel zum Modus der rungsrecht für Verheiratete und – sofern rechtlich Individualbesteuerung grundsätzlich umzustellen; gleichgestellt – Eingetragene Lebenspartnerinnen die Sonderstellung geringfügiger Beschäftigungs- und Lebenspartner Anreize für eine innerfamiliale verhältnisse – sogenannte Minijobs – abzuschaffen; Arbeitsteilung, bei der ein Elternteil hauptsächlich die beitragsfreie Mitversicherung nicht erwerbstäti-

Handlungsempfehlungen C Anreize bei der Ressourcen- und Arbeitsteilung in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft IX. 123 ger Ehepartnerinnen oder Ehepartner in der gesetz­ das Splittingsystem die geschlechtsbezogene Arbeits- lichen Krankenversicherung auf zeitlich begrenzte teilung zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit. Zudem Phasen der Sorgearbeit zu beschränken. erhalten Eltern (zumeist Mütter), die wieder in das Er- werbsleben einsteigen, einen Anreiz, eine nicht steuer- Diese Empfehlungen wurden bislang nicht umge- pflichtige geringfügige Beschäftigung im Minijob anzu- setzt. Anreize zur Spezialisierung auf Erwerbs- und nehmen, da ihr Einkommen damit steuerfrei bleibt. Sorgearbeit in der Ehe bestehen vielmehr unverän- dert fort. Die Sachverständigenkommission spricht sich mit Nachdruck dafür aus, die im Ersten Gleich- stellungsbericht empfohlenen Maßnahmen zum Die Sachverständigenkommission empfiehlt Abbau der besagten gleichstellungspolitisch proble- im Einkommenssteuerrecht folgende Schritte: matischen Anreize als regulatorische Endziele weiter – Streichung der Lohnsteuerklasse V zu verfolgen. Eine unvermittelte Abkehr von insti- – Weiterentwicklung zu einem Realsplitting tutionellen Regelungen, die seit langem unverändert bestehen, dürfte jedoch erhebliche soziale Härten mit sich bringen: Viele Paare haben in der Vergan- a. Streichung der Lohnsteuerklasse V genheit auf Grundlage dieser Regelungen Entschei- dungen über die innerfamiliale Arbeitsteilung getrof- Die Sachverständigenkommission empfiehlt als ersten fen; da individuelle Erwerbsverläufe in der Zukunft Schritt zur gleichstellungsorientierten Weiterent- stark von der bisherigen Berufskarriere abhängen, wicklung des Einkommensteuerrechts, die Lohnsteu- werden sich diese Entscheidungen nur langsam kor- erklasse V zu streichen und generell das Faktorver- rigieren lassen. Darum empfiehlt die Sachverstän- fahren mit der Lohnsteuerklassenkombination IV/IV digenkommission eine schrittweise Rückführung anzuwenden. Diese Reform, für die das Splittingver- der im Einkommensteuer- und Sozialversicherungs- fahren nicht angetastet werden müsste, brächte die recht vorhandenen Anreize zur Spezialisierung auf laufenden Einkommensteuerabzüge für gemeinsam Erwerbs- und Sorgearbeit. Wenn die Weiterentwick- veranlagende Paare, bei denen beide ein steuerpflich- lung des regulatorischen Rahmens in Richtung des tiges Erwerbseinkommen erzielen, in eine bessere gleichstellungspolitisch angestrebten Endzustands Relation zum eigenen Bruttoeinkommen. Damit allmählich vonstattengeht, können Anpassungshär- würde der Gewinn an wirtschaftlicher Leistungs- ten vermieden und Hürden, die beim Anstoß des Ver- fähigkeit, den das zweite Erwerbseinkommen dem änderungsprozesses zu überwinden sind, gesenkt wer- Haushalt bringt – auch wenn es niedriger als das den. Zudem lassen sich die gleichstellungspolitischen Erstein­kommen ist –, für die Steuerzahlerinnen und Wirkungen, die jeder einzelne Schritt auslöst, prozess- Steuerzahler klarer erkennbar. begleitend beobachten. Dies schafft eine empirische Grundlage für gegebenenfalls erforderliche Nachjus- Derzeit entscheiden sich Paare mit stark unterschied- tierungen. lich hohen Einkommen meist für die Lohnsteuerklas- senkombination III/V. Der Person in der Lohnsteuer- klasse III werden dann alle Vorteile der gemeinsamen 1. Abbau einkommensteuerrechtlicher Anreize zur Veranlagung zugerechnet, als wäre sie der Allein- Spezialisierung auf Erwerbs- und Sorgearbeit in der Ehe verdiener oder die Alleinverdienerin im Haushalt. Für die Person in der Lohnsteuerklasse V dagegen wird Für Eheleute und Eingetragene Lebenspartnerinnen die Lohnsteuer ohne die Vorteile der gemeinsamen und Lebenspartner weicht das deutsche Einkom- Veranlagung, insbesondere ohne den eigenen Grund- mensteuerrecht teilweise vom Grundprinzip der In- freibetrag, berechnet. dividualbesteuerung ab. Bei Wahl der gemeinsamen Veranlagung bemisst der Splittingtarif die Steuer auf Wie die Abbildung 4 (Seite 125) veranschaulicht, ist Basis des hälftigen zu versteuernden Gesamteinkom- im Ergebnis der laufende Lohnsteuerabzug auf jeden mens. Hierdurch ist die Einkommensteuer oft niedri- zusätzlich verdienten Euro in Steuerklasse III relativ ger als bei einer getrennten Veranlagung. Im Ergebnis niedrig, in Steuerklasse V mangels Grundfreibetrag unterliegt bei gemeinsam veranlagenden Paaren das dagegen relativ hoch. Die laufenden Steuerabzüge Einkommen des oder der Zweitverdienenden demsel- in der Steuerklasse V sind über einen weiten Brutto- ben Grenzsteuersatz wie das Einkommen des oder der einkommensbereich höher als in der Steuerklasse Erstverdienenden. Weil der progressive Einkommen- IV; in dieser wird der laufende Steuerabzug unter der steuertarif in Deutschland mit Ausnahme sehr hoher Annahme ermittelt, dass sich das Einkommen auf Einkommen durch steigende Grenzsteuersätze gekenn- beide gemeinsam veranlagenden Personen hälftig zeichnet ist, fördern die gemeinsame Veranlagung und verteilt, wie es später auch im Jahressteuerausgleich

124 durch Anwendung des Splittingprinzips geschieht. machten 2015 allerdings lediglich 75.577 Personen Die hohen laufenden Abzüge in der Steuerklasse V Gebrauch (Bundesregierung 2015b: 6). Das Faktor- können den Eindruck erwecken, als ob sich der Hinzu- verfahren nähert den monatlichen Lohnsteuerabzug verdienst für die Person mit dem niedrigeren zweiten der tatsächlichen Jahressteuerschuld von gemeinsam Einkommen kaum lohnt, während die Erwerbstätig- veranlagten Paaren an. Zudem orientieren sich die keit für die Person in Steuerklasse III mit dem höheren laufenden Steuerabzüge stärker an der Einkommens- Einkommen sehr attraktiv erscheint. relation der Partner. Dazu wirkt der steuermindernde Splittingeffekt bereits beim monatlichen Abzug der Frauen machen einen Anteil von 90 % in der Lohn- Lohnsteuer, was durch Eintragung eines Faktors auf steuerklasse V aus (BMF 2015: 41). Die mit Teilzeit der Lohnsteuerkarte durch das Finanzamt erreicht und Gender Pay Gap verbundenen Nachteile gegen- wird. Zudem werden beim Faktorverfahren, anders über dem Ehemann beim Bruttoerwerbseinkommen als bei Steuerklassenkombination III/V, die steuerent- erhöhen sich somit in laufenden Nettogrößen wei- lastenden Vorschriften (insbesondere der Grundfrei- ter. Dies kann wiederum eine Benachteiligung von betrag und der Kinderfreibetrag) bei jedem Ehegatten Frauen bei Sozialleistungen nach sich ziehen, bei gleich angerechnet. Dies stärkt die relative Nettoein- denen die Höhe der Leistung an das Nettoeinkommen kommensposition von Zweitverdienenden. Die Sum- geknüpft ist, etwa beim Arbeitslosengeld. Zudem me der monatlichen Lohnsteuerabzüge entspricht im erschwert die Wahl der Lohnsteuerklasse V, von einer Regelfall der tatsächlichen Jahressteuerlast, die anhand geringfügig entlohnten Beschäftigung im Minijob der später abzugebenden Einkommensteuererklärung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ermittelt wird; deshalb ist der Partner oder die Partne- zu wechseln, weil damit knapp oberhalb der 450- rin mit dem geringeren zu versteuernden Erwerbsein- Euro-Einkommensschwelle hohe zusätzliche Steuer- kommen auch nicht wie im Status quo darauf angewie- abzüge verbunden sind. sen, eventuell zu viel gezahlte Lohnsteuer gegenüber dem Partner oder der Partnerin geltend zu machen. Das Faktorverfahren mit Steuerklassenkombination IV/IV ist deutlich geschlechtergerechter als die Steuer- Ein möglicher Grund für die bislang geringe Inan- klassenkombination III/V. Gemeinsam Veranlagende spruchnahme des Faktorverfahrens ist, dass nur weni- können es seit 2010 nutzen. Von dieser Möglichkeit ge Berechtigte diese Möglichkeit kennen. Außerdem

Steuersatz auf einen zusätzlichen Euro nach Jahresbruttoeinkommen in den Steuerklassen III, IV und V (Steuertarif 2017)*

45 %

40 %

35 %

30 %

25 %

20 %

15 %

10 %

5 %

0 % 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 70.000 80.000 90.000 100.000 110.000 Steuerpflichtiger Bruttolohn [Euro/Jahr]

Steuerklasse III * effektiver Grenzsteuersatz unter Berücksichtigung von Vorsor- Steuerklasse IV geaufwendungen und Pauschalabzügen Steuerklasse V Quelle: Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT Abbildung 4

Handlungsempfehlungen C Anreize bei der Ressourcen- und Arbeitsteilung in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft IX.1 Steuersatz auf einen zusätzlichen Euro nach Jahresbruttoeinkommen in den Steuerklassen III, IV und V (Steuertarif 2017)* 125 ist das Verfahren im Vergleich zur Steuerklassenkom- tätigkeit der weniger verdienenden Person ausgewei- bination III/V aufwendiger in der Beantragung. Zu- tet wird. So kann die Abschaffung der Steuerklasse dem dürfte es auf viele Haushalte unattraktiv wirken, V einen Beitrag dazu leisten, die eigenständige wirt- wenn sich ihr laufendes Monatseinkommen verrin- schaftliche Existenzsicherung beider gemeinsam gert, obwohl die Jahressteuerlast identisch bleibt. Die veranlagender Personen zu fördern. Im Ergebnis von der Sachverständigenkommission empfohlene könnte diese institutionell vermittelte Stärkung der Abschaffung der Lohnsteuerklasse V würde bewirken, Erwerbswünsche insbesondere die berufliche Karri- dass die Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor ereentwicklung von Müttern nach geburtenbeding- für Paare mit unterschiedlich hohen Erwerbseinkom- ten Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit fördern. men der Regelfall würde. Da das laufende monatliche Haushaltsnettoeinkommen im Vergleich höher aus- b. Weiterentwicklung zu einem Realsplitting fällt, ist sie normalerweise attraktiver als die Alterna- tive der Steuerklassenkombination IV/IV ohne Faktor. Als zweiten Schritt einer gleichstellungsorientier- ten Weiterentwicklung der Einkommensbesteue- Die Sachverständigenkommission empfiehlt ein ein- rung empfiehlt die Sachverständigenkommission, zu faches Verfahren, bei dem der Faktor bei gemeinsam einem sogenannten Realsplitting überzugehen und veranlagenden Paaren anhand der Daten aus der letzten dabei die Möglichkeit der gemeinsamen Veranlagung Einkommensteuererklärung von den Finanzämtern be- für Ehepaare und Eingetragene Lebenspartnerinnen rechnet und automatisch auf der Lohnsteuerkarte ein- und Lebenspartner zu erhalten. Bei diesem Verfahren getragen wird. Um auch Veränderungen der Erwerbs- würde wie bisher zunächst für beide Personen das zu und Einkommenskonstellationen von Ehepaaren oder versteuernde Einkommen einzeln ermittelt. Steuer- Eingetragenen Lebenspartnerschaften gerecht werden liche Absetz- und Abzugsbeträge werden gegenüber zu können, sollte es möglich sein, den zur Berechnung Ledigen weiterhin generell verdoppelt und können der laufenden Lohnsteuerabzüge genutzten Faktor auf zwischen den gemeinsam Veranlagten so übertra- Antrag der Steuerpflichtigen anzupassen. gen werden, dass sie unverändert wirksam bleiben. Darüber hinaus darf ohne gesonderten Nachweis ein Die tatsächlichen Einkommensteuerbelastungen von Unterhaltsbetrag vom höher Verdienenden auf den Eheleuten und Eingetragenen Lebenspartnerinnen weniger Verdienenden übertragen werden, soweit und Lebenspartnern ergeben sich aus der Kombina- dessen persönliche steuerliche Leistungsfähigkeit tion von zu versteuerndem Haushaltsjahreseinkom- nicht zur Sicherung des eigenen Unterhalts ausreicht. men, Splittingverfahren und Steuertarif; diese ließe die Abschaffung der Steuerklasse V unverändert. Den- Das zu versteuernde Einkommen, das sich für beide noch erwartet die Sachverständigenkommission von Personen nach den vorgenommenen Übertragun- der Maßnahme gleichstellungspolitisch bedeutsame gen ergibt, wird dann dem allgemeinen Einkom- Effekte. Unmittelbar ergibt sich vor allem für Frauen mensteuertarif unterworfen, also wie bei Ledigen eine bessere eigenständige Absicherung bei Lohn- behandelt. Durch die damit vorgenommene indi- ersatzleistungen, die an das persönliche monatliche viduelle Berechnung der Einkommensteuer sorgt Nettoeinkommen anknüpfen. Zudem legen verhal- das Realsplitting-Verfahren im Ergebnis für eine tensökonomische Studien nahe, dass die unmittelbar Kappung der bisherigen bestehenden Splittingvor- erkennbare Steuerlast die Entscheidungen von Men- teile. Die einkommensteuerliche Grenzbelastung schen beeinflussen kann, auch wenn die wahre Steu- der Partnerin oder des Partners mit dem niedrige- erlast bei einer umfassenden Betrachtung eigentlich ren Einkommen wird im Vergleich zum bestehen- eine andere ist. Der Anteil der Person mit dem niedri- den Splittingverfahren verringert. Dies setzt einen geren Erwerbseinkommen am monatlichen Nettoein- Anreiz, die Erwerbstätigkeit auszuweiten, und kann kommen des Haushalts steigt durch Anwendung der für die einkommensschwächere Partnerin oder Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor; dies wird den einkommensschwächeren Partner die Position auf den Gehaltsabrechnungen der gemeinsam Veran- Verhandlungsposition in der Ehe oder Eingetragenen lagenden direkt sichtbar, was die Aushandlungsposi- Lebenspartnerschaft stärken. tion von Zweitverdienenden (zumeist Ehefrauen) ge- genüber Erstverdienenden (zumeist Ehemännern) in Die Kappung des Splittingvorteils wird allerdings Bezug auf die Ressourcen des Haushalts stärken kann. nur wirksam, wenn die Differenz der zu versteu- ernden Einkommen der gemeinsam veranlagenden Zudem können die niedrigeren laufenden Steuerab- Eheleute oder Eingetragenen Lebenspartnerinnen züge vom niedrigeren zweiten Einkommen einen und Lebenspartner ohne die Unterhaltsübertragung positiven Impuls geben, wenn es für Paare darum größer ist als das Doppelte des maximalen Übertra- geht zu entscheiden, ob die steuerpflichtige Erwerbs- gungsbetrags. So ergibt sich nur für einen Teil der

126 Ehen und Eingetragenen Lebenspartnerschaften eine chenden Effekte liefern Rechenergebnisse der Gesamt- höhere Steuerbelastung als unter dem geltenden Ein- evaluation für den Fall der vollständigen Ablösung des kommensteuerrecht. Da bei den übrigen der Splitting- Splittingverfahrens durch eine Individualbesteuerung. vorteil im Ergebnis unverändert erhalten bleibt, sollte In diesem Grenzfall nähme die Partizipationsrate am weiterhin ein Faktorverfahren integriert werden. Der Arbeitsmarkt von Frauen um immerhin 2,3 Prozent- Faktor muss hier dafür sorgen, dass die Verminderun- punkte und ihre durchschnittliche Arbeitsstunden- gen der Steuerschuld, die sich in Folge des Unterhalts- zahl um 0,3 % zu, sodass das Arbeitsangebot um rund übertrags ergeben, auf die gemeinsam Veranlagten 243.000 Vollzeitäquivalente stiege. Im Gegenzug redu- aufgeteilt werden. Damit wird eine – unter Gleichstel- zierte sich das Arbeitsangebot von Männern um nur lungsaspekten problematische – übermäßige laufende 20.000 Vollzeitäquivalente (Bonin et al. 2013: 108). Entlastung der übertragenden Person vermieden. Die stärkere Gleichstellungswirkung auf die Er- Das Realsplitting trägt der verfassungsrechtlichen werbsentscheidungen spricht dafür, beim Real- Vorgabe, den Aufwand zur Erfüllung der gegensei- splitting den Höchstwert für den Unterhaltsüber- tigen Einstandspflichten in Ehe und Eingetragener trag längerfristig so niedrig anzusetzen, wie es die Partnerschaft steuerfrei zu stellen, Rechnung; abzu- verfassungsmäßigen Vorgaben zum Schutz der leiten ist diese Vorgabe aus dem Gebot des Art. 6 Abs. Einstandspflichten in der Ehe und in Eingetragenen 1 Grundgesetz (GG) zum Schutz der Ehe und dem Lebenspartnerschaften zulassen. Für den Übergang Grundsatz der Besteuerung nach wirtschaftlicher empfiehlt die Sachverständigenkommission aber Leistungsfähigkeit. Der Höchstwert des Unterhalts- den Einstieg mit einem maximalen Unterhaltsüber- übertrags muss daher mindestens so hoch angesetzt trag, der deutlich über dem Grundfreibetrag läge; werden wie der Grundfreibetrag für Ledige bei der anschließend sollte er nach einem vorhersehbaren, Einkommensteuer. Dies entspräche derzeit 8.822 gesetzlich fixierten Schema über einen längeren Euro pro Jahr. Grundsätzlich wäre aber auch ein Zeitraum abgeschmolzen werden. Auf diese Weise höherer Unterhaltsbetrag möglich. Orientiert man kann ein sanfter Systemwechsel gelingen, bei dem sich etwa an dem Unterhaltsbetrag bei Geschiedenen die anfänglichen finanziellen Belastungen begrenzt oder dauerhaft getrennt Lebenden, der derzeit als sind, und der Paaren die notwendige Zeit gibt, sich Sonderausgabe maximal absetzbar ist, kommt man mit ihren Entscheidungen über die Aufteilung auf 13.805 Euro pro Jahr. Wie sehr die Anreize für von Erwerbs- und Sorgearbeit an die neuen einkom- eine gleichmäßigere Aufteilung von Erwerbsarbeit mensteuerrechtlichen Strukturen anzupassen. bei Ehen und Eingetragenen Partnerschaften durch die Einführung eines Realsplittings gestärkt werden, hängt davon ab, auf welchem Niveau der maximal 2. Beitragsfreie Mitversicherung zulässige Unterhaltsübertrag festgesetzt wird bzw. wie stark der Splittingfaktor gekappt wird. Schon im Ersten Gleichstellungsbericht (vgl. Bun- desregierung 2011: 75, 81) wurde darauf hingewie- Simulationsrechnungen im Rahmen der Gesamte- sen, dass die beitragsfreie Familien(mit)versicherung valuation ehe- und familienbezogener Leistungen in zusammen mit anderen Faktoren (z. B. Minijobs) Deutschland, bezogen auf den Rechtsstand im Jahr die traditionelle Rollenverteilung in der Ehe verfes- 2010, erbrachten folgendes Ergebnis: Durch den Über- tigen kann und daher die Entwicklung eines Part- gang vom Splitting zum Realsplitting mit einem ma- nerschaftsmodells behindert, in dem Erwerbs- und ximalen Unterhaltsübertrag von 13.805 Euro könnte Sorgearbeit gleichermaßen eine wichtige biografi- die Partizipationsrate von Frauen am Arbeitsmarkt sche Rolle spielen. Im Ersten Gleichstellungsbericht um 0,4 Prozentpunkte und deren durchschnittliche wurde deshalb empfohlen (vgl. Bundesregierung Arbeitsstundenzahl geringfügig zunehmen, sodass 2011: 80, 154, 241): die „beitragsfreie Ehegattenmit- das Arbeitsangebot um rund 40.000 Vollzeitäqui­ versicherung“ (ebd.: 80, 241) durch eine zeitlich valente stiege (Bonin et al. 2013: 111). Das Arbeitsan- begrenzte, eigenständige soziale Sicherung im Rah- gebot der Männer bliebe praktisch unverändert: In men der gesetzlichen Krankenversicherung für nä- Folge ihrer etablierten Erwerbsrolle reagieren sie her definierte Phasen ausschließlicher Sorgetätigkeit viel weniger stark als Frauen auf Veränderungen des (gegebenenfalls einschließlich anderer gesellschaft- eigenen (Netto-)Stundenlohns und damit auf die für lich wichtiger Tätigkeiten) zu ersetzen; die daraus sie – durch Übergang vom Splitting zum Realsplitting – resultierenden finanziellen Lasten ähnlich den tendenziell steigende Grenzsteuerbelastung. Um grö- Kindererziehungszeiten in der Rentenversiche- ßere Wirkungen zu erzielen, müsste der zulässige rung öffentlich zu finanzieren. Die Sachverständi- Unterhaltsübertrag geringer angesetzt werden. An- genkommission schließt sich dieser Forderung im haltspunkte für die mögliche Obergrenze der zu errei- Wesentlichen an und führt sie wie folgt weiter.

Handlungsempfehlungen C Anreize bei der Ressourcen- und Arbeitsteilung in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft IX.2 127 begrenzt sein. Als Orientierungsgröße kann in der Re- gel die Zeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Die Sachverständigenkommission empfiehlt: eines Kindes gelten – ein Zeitraum, der aus besonderen – Einführung eines eigenständigen Zugangs Gründen, etwa bei erhöhtem Pflegebedarf infolge ei- zur Kranken- und Pflegeversicherung ner Behinderung des Kindes, verlängert werden kann. – zeitliche Begrenzung der beitragsfreien Die zeitliche Begrenzung vermeidet negative Anreize, Versicherung die langfristig von der Aufnahme einer Erwerbsarbeit – Ausweitung der beitragsfreien Versicherung abhalten könnten. Kinder von GKV-Versicherten auf Angehörige von Wahlfamilien erhielten wie bislang einen eigenständigen Zugang zur GKV, der nicht durch die Drei-Jahres-Frist begrenzt wird (zur bisherigen Altersgrenze vgl. § 10 Abs. 2 SGB V). Am 01.09.2016 waren in der gesetzlichen Krankenver- sicherung (GKV) 71.531.021 Personen versichert (Män- c. Ausweitung der beitragsfreien Versicherung auf ner: 34.173.936; Frauen: 37.357.085). Davon waren Angehörige von Wahlfamilien 16.088.576 mitversicherte Familienangehörige. Der größte Teil von ihnen sind Kinder, nämlich 12.620.168 Schon heute handelt es sich, sowohl terminologisch (das entspricht gut 78 % der mitversicherten Familien- als auch empirisch (siehe Anfang des Abschnitts angehörigen), wobei zu den Kindern auch Stiefkinder, C.IX.2), im Wesentlichen um eine Familien- bzw. eine Enkel und Pflegekinder zählen (§ 10 Abs. 4 SGB V). Kindermitversicherung – und nicht um eine Ehegat- Zu den Kindern gehören nicht nur unter 18-Jährige, tenmitversicherung; von diesem Befund ausgehend sondern auch nicht erwerbstätige unter 23-Jährige sollte die Familien(mit)versicherung auf andere, und in Ausbildung befindliche oder in Freiwilligen- dauerhaft angelegte Paarkonstellationen, in denen Er- diensten tätige unter 25-Jährige (§ 10 Abs. 2 SGB V). ziehungsverantwortung getragen wird und die auch Abzüglich der weiblichen Kinder (im Sinne der vor- von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt sind, erstreckt werden. genannten Definition) sind 3.140.440 Frauen in der GKV mitversichert. Abzüglich der männlichen Kinder Die Sachverständigenkommission empfiehlt, die (i. S. der vorgenannten Definition) sind 327.968 Familienversicherung auf Angehörige sogenannter Männer in der GKV mitversichert. Wegen des weitge- Wahlfamilien zu erweitern; sie versteht darunter henden Gleichlaufs der Regelungen über den Versiche- selbst definierte Solidaritätsverbünde, in denen Men- rungsstatus (siehe insbesondere §§ 20, 25 SGB XI) sind schen sich klar identifizierbaren, wechselseitigen die Zahlen zur sozialen Pflegeversicherung nahezu Beistand bei der Alltagsbewältigung leisten. Beispiels- deckungsgleich mit den Zahlen der GKV (BMG 2016). weise kennt das österreichische Sozialversicherungs- recht, dessen Regelung zur Angehörigenversiche- a. Eigenständiger Zugang zur Kranken- und rung der deutschen weitgehend ähnelt, punktuelle Pflegeversicherung Erweiterungen z. B. für Geschwister und nichteheliche Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, die auf Für Personen, die in einer Ehe oder einer Eingetragenen einen längeren Zeitraum des Zusammenlebens Lebenspartnerschaft Erziehungs- oder Pflegeverantwor- und die gemeinsame Haushaltsführung abstellen tung unter Verzicht auf Erwerbsarbeit realisieren, sollte (vgl. § 123 Abs. 7, 7a österreichisches Allgemeines der Bundesgesetzgeber (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) die Sozialversicherungsgesetz (ASVG)). bisherige Regelung zur Familienversicherung in der ge- setzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung Die Sachverständigenkommission weist darauf (§ 10 SGB V; § 25 SGB XI) durch einen eigenständigen hin, dass das Ziel eines eigenständigen Zugangs zur Zugang zur Kranken- und Pflegeversicherung ersetzen. Familienversicherung im Detail auf unterschiedli- che Weise erreicht werden kann; dabei ist die Dis- Die bisherige Absicherung der Kinder muss erhalten blei- kussion über die Zukunft der Krankenversicherung ben (vgl. zum Begriff des „Kindes“, der teilweise deutlich (über das Verhältnis privater und gesetzlicher Kran- über das 18. Lebensjahr hinausgeht, § 10 Abs. 2 SGB V). kenversicherung (PKV/GKV) und über die soge- nannte Bürgerversicherung) zu berücksichtigen. Der b. Zeitliche Begrenzung der beitragsfreien Zugang zur GKV und zur Pflegeversicherung könn- Versicherung te z. B. als Versicherungspflicht ausgestaltet werden, von der etwa ab einem bestimmten Einkommen oder Der eigenständige Versichertenstatus kraft Famili- bei Nachweis eines äquivalenten Schutzes in einem enversicherung (siehe IX.2.c) für Eheleute und Ein- anderen Sicherungssystem Ausnahmen zulässig getragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sind. Sofern der Versichertenstatus in der GKV bzw. und ihnen gleichstehende Personen sollte zeitlich in der sozialen Pflegeversicherung nach anderen

128 Regeln begründet wird (etwa aufgrund einer sozial- der Erwerbstätigen bei 16 % (Deutsche Rentenversiche- versicherungspflichtigen Beschäftigung), sind diese rung Knappschaft-Bahn See; Minijob-Zentrale 2016). Zugänge vorrangig zu behandeln. Zu diesem Zeitpunkt gab es 6,69 Millionen geringfügig entlohnte Beschäftigte im gewerblichen Bereich und Die gesamtgesellschaftliche finanzielle Verantwor- 296.000 über das Haushaltsscheck-Verfahren gemeldete tung für eine neue, erweiterte Familienversicherung Beschäftigte in Privathaushalten. Geringfügig entlohn- lässt sich auf verschiedene Weise zum Ausdruck te Beschäftigung wird mehrheitlich von Frauen aus- bringen: etwa dadurch, dass die (zeitlich begrenz- geübt. Im gewerblichen Bereich waren am 31.12.2015 te) Familienversicherung (für Ehen, Eingetragene 61 % der geringfügig entlohnten Beschäftigten Frauen, Lebenspartnerschaften sowie gleichgestellte Angehö- von den in Privathaushalten mit einem Minijob Be- rige von Wahlfamilien) wie bisher beitragsfrei ist (vgl. schäftigten waren es sogar 90 %. § 3 Satz 3 SGB V); dies könnte mit einem aus Steuer- mitteln finanzierten Bundeszuschuss kombiniert Gemäß einer repräsentativen Befragung aus dem werden. Auf diese – an bewährten Regelungsinstru- Jahre 2011 arbeiteten 61 % der Minijobberinnen im menten anknüpfende – Weise ließe sich das Ziel einer Alter von 20 bis 64 Jahren ausschließlich im Minijob, neu profilierten Familien(mit)versicherung erreichen, 20 % arbeiteten primär in einem sozialversicherungs- die mehr als bisher geschlechtergerecht ist. pflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Mehr als 40 % aller Frauen, die ausschließlich in einem Minijob tätig waren, arbeiteten im Handel oder im Gesundheits- 3. Minijobs und Sozialwesen (BMFSFJ 2012b: 12).

Einen weiteren Anreizmechanismus, der gleichen Geringfügig entlohnte Beschäftigung ist steuer- und Verwirklichungschancen von Frauen und Männern sozialversicherungspflichtig privilegiert. Wer einen entgegensteht, stellen Minijobs dar. Sie führen zu oder mehrere Minijobs ausübt und mit dem Gesamt- einer Spezialisierung auf Erwerbsarbeit oder Sorgear- einkommen aus geringfügig entlohnter Beschäftigung beit innerhalb der Ehe oder Eingetragenen Lebenspart- unter einer Grenze von 450 Euro monatlich bleibt, nerschaft; dies hat in einer Lebensverlaufsperspektive entrichtet auf dieses Einkommen keine Einkommen- negative Folgen insbesondere für die Alterssicherung steuer. Die Freistellung ist unabhängig davon, ob im derjenigen, die aufgrund von Sorgeverpflichtungen Haushalt noch weiteres steuerpflichtiges Einkom- einen Minijob ausüben (siehe C.X). men anfällt. Seit dem 01.01.2013 sind geringfügig entlohnte Beschäftigte, die einen Minijob neu begin- nen, zwar grundsätzlich versicherungspflichtig, was die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) betrifft. Die Sachverständigenkommission empfiehlt in Bezug Nach wie vor aber machen viele Beschäftigte im Mini- auf das arbeitsmarktpolitische Instrument des Minijobs: job von der Möglichkeit Gebrauch, sich von der Versi- – Besteuerung von Einkommen aus geringfügiger cherungspflicht befreien zu lassen und verzichten so Beschäftigung auf die Möglichkeit, in geringem Umfang zusätzliche – Einführung einer Sozialversicherungspflicht Rentenansprüche zu erwerben. Ende 2015 waren ledig- für geringfügige Beschäftigung lich 18 % der geringfügig entlohnten Beschäftigten im gewerblichen Bereich und 14 % der Beschäftigten im Minijob in Privathaushalten rentenversicherungs- pflichtig beschäftigt (Deutsche Rentenversicherung Vorbemerkung Knappschaft-Bahn See; Minijob-Zentrale 2016).

Die besondere Form einer geringfügig entlohnten Für die Unternehmen bringt der Einsatz geringfügig abhängigen Beschäftigung im sogenannten Minijob entlohnter Beschäftigter Vorteile, obwohl Minijobs wurde mit den Zielen entwickelt, für sozialversiche- teurer als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung rungsrechtlich bereits abgesicherte Erwerbstätige eine erscheinen. Anstelle der Arbeitgeberbeiträge zu den Möglichkeit des unbürokratischen Hinzuverdiens- gesetzlichen Sozialversicherungen von rund 20 % für tes zu schaffen; für Frauen nach familienbedingter sozialversicherungspflichtig Beschäftigte werden bei Erwerbsunterbrechung und für Langzeitarbeitslose Minijobs pauschal 30 % abgeführt; davon entfallen sollten Minijobs eine Brücke zur sozialversicherungs- 15 % auf die Rentenversicherung, 13 % auf die Kran- pflichtigen Beschäftigung bauen können. Minijobs sind kenversicherung und 2 % dienen der pauschalen Ab- heute eine bedeutsame Größe am deutschen Arbeits- geltung der Einkommensteuer. Dafür aber entfällt markt. Zum Jahresende 2015 lag der Anteil geringfügig bei Minijobs der Aufwand für die Arbeitnehmerbeiträ- entlohnter Beschäftigter in Relation zur Gesamtzahl ge zu den Sozialversicherungen, die als Teil der Perso-

Handlungsempfehlungen C Anreize bei der Ressourcen- und Arbeitsteilung in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft IX.3 129 nalkosten zu den gewinnmindernden Betriebsausga- Dass sich geringfügige Beschäftigung im Lebensver- ben zählen. Die Unternehmen nutzen Minijobs auch lauf verheirateter Frauen häufig verfestigt, hat aber als Flexibilisierungsinstrument, um Auslastungsspit- nicht nur finanzielle Gründe, sondern liegt auch an zen, etwa in Randzeiten, an Wochenenden oder wegen der Art der Tätigkeiten, die diesen Frauen als Mini- schwankender Auftragslage, aufzufangen. Insbeson- jobs angeboten werden. Viele Frauen können als ge- dere im Vergleich zur Bezahlung von Überstunden ringfügig Beschäftigte nur Tätigkeiten nachgehen, die regulär Beschäftigter kann der Einsatz von Minijobs abseits ihrer eigentlichen beruflichen Qualifikation Betriebskostenvorteile bringen. Arbeitsrechtlich sind liegen. Damit verbunden ist das Risiko der Dequalifi- Beschäftigte im Minijob dem Grunde nach ähnlich ge- zierung; die Chancen, in den alten Beruf zurückzukeh- schützt wie sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. ren und eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen, Das Teilzeit- und Befristungsgesetz sieht auch für die- sinken mit zunehmender Dauer der Beschäftigung im se Beschäftigungsform ein Diskriminierungsverbot Minijob. Diese Hürden sind noch höher, wenn Frauen vor. Allerdings werden tarif- und arbeitsrechtliche An- mit ihrem Minijob in ein durch irreguläre Beschäfti- sprüche wie z. B. Urlaubsgeld und Entgeltfortzahlung gung geprägtes Arbeitsumfeld geraten (siehe C.VII). im Krankheitsfall bei geringfügiger Beschäftigung teilweise unterlaufen. Nach einer repräsentativen Minijobs hemmen somit insbesondere Frauen, die Umfrage erhalten 79 % der Frauen in geringfügiger ihre Erwerbstätigkeit für die Familie vorübergehend Beschäftigung kein Urlaubsgeld und 53 % keine Lohn- unterbrechen, auf Dauer in ihrer beruflichen Karriere fortzahlung im Krankheitsfall (11 % sind sich darüber und erschweren die oft gewünschte Rückkehr in den nicht sicher) (BMFSFJ 2012b: 59; Pimminger 2015: 32). Arbeitsmarkt über eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Teilzeit. Sie tragen im Ergebnis dazu Durch die öffentliche Förderung der geringfügigen Be- bei, dass viele Frauen in die über den weiteren Lebens- schäftigung hat sich in Deutschland ein großer Markt verlauf riskante Position der Zweitverdienerin in der für kleine Beschäftigungsverhältnisse mit schlechten Ehe rücken. Darum empfiehlt die Sachverständigen- Aufstiegsmöglichkeiten entwickelt, häufig mit verein- kommission mit Nachdruck, die derzeitige Minijob- barten wöchentlichen Arbeitszeiten von um die zehn politik zu überprüfen und die bestehende staatliche Stunden. Aus der Perspektive der Geschlechtergleich- Förderung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse stellung im Lebensverlauf ist die Sonderstellung die- deutlich zurückzufahren. ser Minijobs problematisch. Sie entfaltet nicht die ge- wünschte Brückenfunktion, sondern schafft vor allem a. Besteuerung von Einkommen aus geringfügiger für verheiratete Mütter eine hohe Barriere, nach fami- Beschäftigung lienbedingten Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit wieder eine eigenständig existenzsichernde Beschäf- Als ersten Schritt, um die Sonderbehandlung von tigung zu erreichen (BMFSFJ 2012b). Die Möglich- Minijobs zu reduzieren, empfiehlt die Sachverstän- keit, mit einer geringfügig entlohnten Beschäftigung digenkommission, Einkommen aus geringfügig wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen, erscheint entlohnter und aus sozialversicherungspflichtiger wegen der geringen Arbeitszeit und der Steuer- und Beschäftigung steuerlich grundsätzlich gleich zu Beitragsvorteile für viele Haushalte zwar auf den behandeln. ersten Blick attraktiv. Im Ergebnis entstehen jedoch rasch starke Klebeeffekte, sodass viele Mütter nach Im Fall geringfügig entlohnter Beschäftigung würde der Entscheidung für einen Minijob auf Dauer in eine danach die bisherige pauschale Versteuerung durch berufliche Sackgasse geraten. Eine Ausweitung der den Arbeitgeber in Höhe von 2 % des Einkommens Wochenarbeitszeit auf um die 20 Stunden, wie sie sich beseitigt und dafür das Minijob-Einkommen bei der viele Minijobberinnen später wünschen, rechnet sich Einkommensteuer mit veranlagt. Für Ledige, die aus- für Eheleute und Eingetragene Lebenspartner und Le- schließlich ein Einkommen aus geringfügig entlohn- benspartnerinnen häufig nicht. Wenn eine Erhöhung ter Beschäftigung erzielen, ergäben sich daraus prak- der Arbeitszeit zur vollen Sozialversicherungspflicht tisch keine Veränderung gegenüber dem Status quo, führt, bleibt der Zuwachs beim Nettoeinkommen im weil das Jahreseinkommen im Minijob unterhalb Verhältnis zu den mehr geleisteten Arbeitsstunden oft des Grundfreibetrags bei der Einkommensteuer liegt. gering. Der eigene Krankenversicherungsbeitrag hat Somit veränderten sich die Bedingungen etwa für dabei den Charakter einer zusätzlichen finanziellen Alleinerziehende oder Studierende kaum. Ebenfalls Belastung; denn solange im Minijob eine Mitversiche- unberührt blieben die Verhältnisse für solche Ehen rung über den Partner oder die Partnerin gewährleis- und Eingetragenen Lebenspartnerschaften, deren ge- tet ist, verändert sich der Versicherungsschutz für den meinsam veranlagtes Einkommen einschließlich des Haushalt trotz der Beitragszahlung infolge der Sozial- Einkommens aus geringfügiger Beschäftigung nied- versicherungspflicht nicht. riger ist als der doppelte Grundfreibetrag. So blieben

130 beispielsweise Rentnerhaushalte, die durch einen Auszunehmen wären lediglich geringfügige Beschäf- Minijob Zusatzeinkünfte erwirtschaften, in vielen tigungsverhältnisse von besonderer gesellschaftlicher Fällen weiterhin steuerfrei. Bedeutung wie etwa Tätigkeiten im Ehrenamt und karitatives Engagement. Die Reform hat hingegen Folgen für Haushalte, die schon einkommensteuerpflichtiges Einkommen Bei der vorgeschlagenen Reform müssen Beschäftigte erzielen oder die in Folge der Hinzurechnung des und Arbeitgeber auch bei geringfügigem Beschäfti- Minijob-Einkommens zu ihrem übrigen Einkommen gungsumfang und geringfügig entlohnten Tätigkeiten einkommensteuerpflichtig würden. Damit würde es vom ersten Euro an paritätisch die vollen Beiträge zur zum einen unattraktiver, zusätzlich zu einer sozial- gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung einen gering- zahlen. Hieraus entstehen zusätzliche Versicherungs- fügigen Nebenjob auszuüben – ein Tätigkeitsmuster, ansprüche, die in der Höhe beitragsbezogen sind. das derzeit bei Männern häufiger vorkommt als bei Darüber hinaus müssen bei nicht privat Krankenver- Frauen. Für diese Gruppe entstünde somit ein An- sicherten die regulären Arbeitgeber- und Arbeitneh- reiz, die Zeit, die mit Erwerbsarbeit verbracht wird, merbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegever- zu verringern. Zum anderen baute die Maßnahme sicherung abgeführt werden. Um zu verhindern, dass die hohe steuerliche Grenzbelastung ab, die sich er- über die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung gibt, wenn eine Partnerin oder ein Partner von einer ein voller Kranken- und Pflegeversicherungsschutz ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigung sehr günstig erworben werden kann, muss es hierbei auf eine reguläre sozialversicherungspflichtige Stelle allerdings eine Pflicht zur eigenen gesetzlichen Versi- mit mehr als 450 Euro Monatseinkommen wechselt. cherung zu einem Mindestbeitrag geben. Ausschließ- Dies schwächte die Klebeeffekte von Minijobs ab, die lich geringfügig entlohnte Beschäftigte müssten die nach den vorhandenen empirischen Befunden derzeit Differenz zwischen den Beiträgen, die auf das erzielte vor allem bei verheirateten Frauen wirken (BMFSFJ Einkommen geleistet wurden, und dem Mindestbei- 2012b). Beide Effekte könnten helfen, dass gemeinsam trag aus anderen Quellen aufbringen. Bei Hilfeemp- veranlagende Paare die Erwerbsarbeit gleichmäßiger fängerinnen oder Hilfeempfängern würden die Beiträ- als bisher untereinander aufteilen. ge durch einen steigenden Sozialtransfer aufgefangen. b. Einführung einer Sozialversicherungspflicht für Je niedriger bei einer solchen Reform die Bagatellgrenze geringfügige Beschäftigung angesetzt wird, desto mehr ebnen sich die Unterschiede zwischen geringfügiger und sozialversicherungspflich- In einem zweiten Schritt empfiehlt die Sachverständigen- tiger Beschäftigung, die heute für die Entscheidungen kommission, die Sonderstellung von Minijobs oberhalb im Lebensverlauf von Paaren relevant sind, ein und einer niedrig anzusetzenden Bagatelleinkommensgren- umso mehr verbessern sich die Chancen von Frauen ze (wie z. B. von Bosch/Weinkopf 2017 vorgeschlagen) auf eine von ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin unab- auch im Hinblick auf die Sozialversicherungspflicht auf- hängige Existenzsicherung durch Erwerbstätigkeit. zugeben. Die Sozialversicherungspflicht soll sich dabei Die Sachverständigenkommission empfiehlt für die- auf alle Zweige der Sozialversicherung erstrecken. In der sen zweiten Schritt zum Abbau der öffentlichen Förde- Konsequenz müssten auch die sogenannten Midijobs rung von Minijobs, die Bagatellgrenze für geringfügige im Einkommensbereich zwischen 450 Euro und 850 Beschäftigung allmählich abzusenken, beginnend Euro wegfallen (bei diesen steigen aktuell die Arbeitneh- beim aktuellen Ausgangswert von 450 Euro, um Härten merbeiträge zur Sozialversicherung beginnend bei 4 % im Übergangsprozess abzumildern. allmählich bis auf das reguläre Niveau sozialversiche- rungspflichtiger Beschäftigung von gut 20 % an). Eine solche gleitende Zunahme der Arbeitnehmerbeiträge 4. Güterstandsrecht in Ehe und Eingetragener ist aus Sicht der Sachverständigenkommission nicht Lebenspartnerschaft zu empfehlen. Zwar stärkt die verringerte Abgabenbe- lastung die Anreize, überhaupt eine gering entlohnte Im Jahre 1957 machte das Gleichberechtigungsgesetz Beschäftigung aufzunehmen. Jedoch entstehen im einen großen Schritt in Richtung der Gleichberech- Bereich der Gleitzone hohe Grenzbelastungen auf zusätz- tigung in der Ehe: Damals wurde die bis dahin beste- lich erzieltes Einkommen, weil der steigende Beitrags- hende eheliche Verwaltungs- und Nutznießungsge- satz nicht allein auf das Zusatzeinkommen, sondern auf meinschaft mit ausschließlichem Verwaltungs- und das gesamte Einkommen angewendet wird. Dies behin- Nutzungsrecht des Ehemannes durch den gesetzli- dert eine Ausweitung der Arbeitszeit. Wie relevant die- chen Güterstand der „Zugewinngemeinschaft“ abge- ser Fehlanreiz ist, zeigt sich daran, dass die Möglichkeit löst (Meder 2012; Berghahn 2011: 15). Seit 2005 gilt des Midijobs in der Praxis so gut wie nicht genutzt wird. auch für die Eingetragene Lebenspartnerschaft nach

Handlungsempfehlungen C Anreize bei der Ressourcen- und Arbeitsteilung in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft IX.4 131 dem Lebenspartnerschaftsgesetz die Zugewinnge- beitragen – ein Recht auf den gemeinsam erarbeite- meinschaft als gesetzlicher Güterstand (§ 6 LPartG). ten Zugewinn haben. Dieses Recht verwirklicht sich Im Jahre 2011 schlug der Erste Gleichstellungsbericht jedoch erst bei Scheidung oder Tod eines Ehegatten. hingegen vor, den „[gesetzlichen] Güterstand der Zu- Während der Ehe hingegen besteht Gütertrennung, gewinngemeinschaft durch das in Europa vorherr- d. h.: Nur derjenige Ehegatte oder diejenige Ehe- schende Modell der Errungenschaftsgemeinschaft gattin, der oder die ein Gut erworben hat, kann da- [zu ersetzen].“ (Bundesregierung 2011: 240). rüber verfügen. Dasselbe gilt für die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Die diesbezüglichen Überlegungen aus dem Ersten Gleichstellungsbericht erscheinen nach wie vor Die Praxis hat gezeigt, dass die momentane Rege- aktuell. Die emanzipatorischen Hoffnungen und lung zu Machtungleichgewichten in der Ehe und Vorstellungen, die ursprünglich mit der Zugewinn- Eingetragenen Lebenspartnerschaft führen oder sie gemeinschaft verbunden waren, haben sich nur verstärken kann. Der Gesetzgeber sollte stattdessen teilweise verwirklicht. Angesichts der Individuali- ein Leitmodell vorsehen, das unabhängig von den sierung von Lebensverläufen bedarf es heute für die wirtschaftlichen Verhältnissen eine partnerschaftli- Ehe und die Eingetragene Lebenspartnerschaft eines che Entscheidungsfindung unterstützt. Modells, das über wechselhafte Lebenswege und un- terschiedliche Arbeitsteilungsmodelle hinweg die gemeinsame Verantwortlichkeit der Partnerinnen und Partner fördert und so partnerschaftliche Ent- Die Sachverständigenkommission empfiehlt scheidungen unterstützt. Immer mehr Paare sichern in Bezug auf das Güterstandsrecht: das Familieneinkommen der Familie mit im Lebens- – Einführung des gesetzlichen Güterstands der verlauf wechselnden Rollen, etwa als Ernährer oder Errungenschaftsgemeinschaft Ernährerin, und dies mit schwankenden Anteilen – Informationspolitik betreffend: Umbenennung des (vgl. Klammer et al. 2010). Daher ist die Förderung Güterstands der Zugewinngemeinschaft; frühzei­- partnerschaftlicher Vermögensentscheidungen in tige Vermittlung von Informationen über die Folgen Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft von von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft; besonderer Dringlichkeit. Diese Lebens-, Wirt- Einbeziehung ehe- und familienrechtlicher Fragen schafts- und Verantwortungsgemeinschaften auf in Programmen zur Förderung der finanziellen Lebenszeit (BVerfGE 81, 1; siehe § 1353 Abs. 1 BGB; All­gemeinbildung von („financial literacy“) §§ 1 und 2 LPartG) verlangen nach einem Güterrecht, – Untersuchung der Praxis der Eheverträge und das auch dann partnerschaftliche Entscheidungen eine Beratungspflicht vor Vereinbarung einer befördert, wenn die ehelichen Rahmenbedingungen Gütertrennung sich – geplant oder unverhofft – verändern. Denn verfassungsrechtliches Leitbild der Ehe ist das einer Lebensgemeinschaft als gleichberechtigter Partner- Dem ehelichen Güterrecht kommen in einer konflikt- schaft (BVerfGE 103, 89; BVerfGE 105, 1). freien Partnerschaft keine Steuerungs- und Anreiz- wirkungen zu; dies zeigt sich auch in der verbreiteten Die Grundidee der gleichberechtigten Teilhabe, Unkenntnis des eigenen Güterrechts in konfliktfreien wirtschaftlichen Solidarität und wechselseitigen Ehen und Eingetragenen Lebenspartnerschaften. Auf- Verantwortung füreinander erfährt hohe Zustim- gabe des Ehegüterrechts ist es aber, partnerschaftliche mung in der Gesellschaft. Allerdings nehmen fast Entscheidungen in Paarbeziehungen so zu unterstüt- 90 % derer, die (meist überwiegend konfliktfrei) zen, dass sich wirtschaftliche und soziale Ungleichge- im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemein- wichte in Konfliktsituationen so wenig wie möglich schaft leben, fälschlicherweise an, dass alles, was auf die Entscheidungsfindung auswirken können. während einer Ehe erworben wird, beiden gleicher- maßen und gemeinsam gehöre (Wippermann 2013; a. Einführung der Errungenschaftsgemeinschaft BMFSFJ 2014a). Dies entspricht zwar einem verfas- als gesetzlichen Güterstand sungsrechtlichen Leitbild der Ehe als „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“ (BVerfGE 133, 377). Die Sachverständigenkommission empfiehlt, die Er- Es entspricht aber nicht dem gesetzlichen Regelfall rungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güter- des ehelichen Güterrechts in Deutschland. Der ge- stand – und nicht nur als Wahlgüterstand – einzufüh- setzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ren. Die Mehrheit der Menschen trifft bei Schließung sieht zwar vor, dass beide – unabhängig davon, ob sie der Ehe oder Eingetragenen Lebenspartnerschaft kei- durch Erwerbsarbeit unmittelbar Einkommen erzie- ne bewusste Entscheidung über einen Güterstand; len oder durch Haus- und Sorgearbeit mittelbar dazu die Einführung eines neuen Wahlgüterstands hätte

132 deshalb in der Praxis keine Auswirkungen. Der Emp- Rechtsverkehr brächte ein verändertes Güterrecht fehlung der Sachverständigenkommission zufolge deshalb auch keine gravierenden Veränderungen mit könnte die Gütertrennung mit Zugewinnausgleich sich. Nach geltendem Recht ist jedoch die freiwillige neben Gütertrennung und Gütergemeinschaft durch aktive Mitwirkung des oder der jeweils anderen Ehe- Ehe- oder Lebenspartnerschaftsvertrag vereinbart, gatten oder Ehegattin erforderlich. In einer Errun- also gewählt werden. genschaftsgemeinschaft hätte hingegen jeder Ehegat- te und jede Ehegattin ein Recht auf Mitwirkung des Diese Empfehlung gründet in den praktischen Erfah- bzw. der anderen. Entsprechendes gilt für Eingetrage- rungen der vergangenen 60 Jahre mit der Zugewinn- ne Lebenspartnerschaften. gemeinschaft. Im Normalfall der konfliktfreien Ehe oder Einge­ Ökonomische Eigenständigkeit während der Ehe oder tragenen Lebenspartnerschaft, in der Entscheidun- Eingetragenen Lebenspartnerschaft gen in partnerschaftlicher Weise gemeinsam getrof- fen werden, wird sich dieser Unterschied zwischen Die Juristinnen der Frauenbewegung wollten durch Zugewinn- und Errungenschaftsgemeinschaft die Zugewinngemeinschaft größtmögliche Autono- kaum auswirken. In einer Krise oder Konfliktsitu- mie der Frau in der Ehe gewährleisten und insbeson- ation hingegen schafft die Zugewinngemeinschaft dere die ökonomische Eigenständigkeit verheirateter ungleiche Machtverhältnisse, die der Leitidee von Frauen unterstützen (Welskop-Deffaa 2016; Helms Gemeinschaftlichkeit und der Gleichwertigkeit aller 2010: 40ff.). Dieses Ziel muss heute nicht mehr glei- in der Partnerschaft geleisteten Beiträge entgegenlau- chermaßen hervorgehoben werden. Denn heute fen. Auch ökonomische Studien zeigen: Die Frage, ist es in der Regel möglich und gesellschaftlich ak- wer in einer Familie oder Paarbeziehung über wirt- zeptiert, Familie mit beiderseitiger wirtschaftlicher schaftliche Ressourcen, Eigentum, Einkommen und Unabhängigkeit auch ohne Eheschließung zu leben. Entscheidungszuständigkeit verfügt, beeinflusst, In einer Errungenschaftsgemeinschaft würde die wer über die Verwendung von Gütern entscheidet; ökonomische Eigenständigkeit nur unwesentlich Ressourcenpositionen beeinflussen die Verhand- eingeschränkt; denn die Sachverständigenkommis- lungsmacht im Haushalt und in der Paarbeziehung sion empfiehlt hierbei das Prinzip der konkurrieren- (Beblo/Beninger 2013; Boll 2017; siehe B). den Verwaltung, das es beiden Ehegatten ermöglicht, grundsätzlich auch jeweils alleine über das Gesamt- Sicherung des Zugewinnvermögens durch Eigentums- gut zu verfügen (so auch Dauner-Lieb 2013: 60). und Informationsrechte

Der wesentliche Unterschied zum geltenden Recht Besonders stark wirkt sich die (Ver-)Handlungsmacht, bestünde darin, dass „der Anspruch auf gleiche Teil- die mit der Güterzuständigkeit verbunden ist, in Situ- habe am gemeinsam Erwirtschafteten“ (BVerfGE ationen der ehelichen Krise aus. Die Bereitschaft zur 105, 1) und damit die Anerkennung des Werts der nachehelichen Solidarität ist gesellschaftlich ohne- Familien- und Sorgearbeit nicht erst nach Ende der hin gering (BMFSFJ 2014a). Der Zugewinnausgleich Ehe verwirklicht würde; er schlüge sich sofort und verlagert die vermögensrechtliche Kompensation der bereits während der Ehe in Vermögenswerten nie- während der Ehe oder Eingetragenen Lebenspartner- der. Dies hat insbesondere Auswirkungen, wenn die schaft geleisteten Beiträge damit auf einen Zeitpunkt vermögensmäßig schwächere Person in der Ehe oder am Ende der Beziehung, zu dem die Legitimität dieser Eingetragenen Lebenspartnerschaft einen Kredit auf- Kompensation zum Teil nicht mehr verstanden und nehmen möchte (z. B. um eine selbstständige berufli- akzeptiert wird. Das geltende Recht bietet in dieser che Tätigkeit oder eine Fort- oder Weiterbildung zu Situation zu viele Anreize und Möglichkeiten der Ver- beginnen). Nach geltendem Recht verfügt sie hierfür zögerung und Umgehung. nicht über Sicherungsvermögen; in einer Errungen- schaftsgemeinschaft hingegen könnte das hälftige Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Stichtag für die Eigentum am gemeinsam erarbeiteten Zugewinn als Berechnung des Zugewinns. Der 2009 eingeführte Sicherungsgrundlage eines Kredits dienen. Stichtag der Trennung hat zwar die Umgehungs- und Manipulationsmöglichkeiten des früheren Rechts Gläubiger (insbesondere Kreditgeber) verlangen deutlich eingedämmt. Er kann aber dennoch nicht zwar meist bereits heute die Unterschrift beider Ehe- verhindern, dass vor diesem Zeitpunkt Vermögen leute beim Abschluss von Verträgen. Dadurch wird beiseitegeschafft und dem Zugewinnausgleich ent- die Zugewinngemeinschaft faktisch konterkariert zogen wird. Der geltende Zugewinnausgleich setzt und eine Risikoverteilung praktiziert, wie sie der damit auf ein Vertrauensprinzip, das während einer Errungenschaftsgemeinschaft entspricht. Für den Trennung häufig nicht mehr funktioniert.

Handlungsempfehlungen C Anreize bei der Ressourcen- und Arbeitsteilung in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft IX.4 133 Vor der Trennung wird rechtlich aktuell nur ein äu- Zugewinn zuzurechnen sind (vgl. Meder 2012). Die ßerst unzureichendes Auskunftsrecht über den Stand Sachverständigenkommission empfiehlt deshalb eine des Zugewinns zugestanden; eine Auskunftspflicht vorbereitende rechts- und sozialwissenschaftliche über den Bestand von Konten, die vor dem Stichtag Untersuchung. des Zugewinnausgleichs aufgelöst wurden, wird z. B. nicht anerkannt (BGH, Urteil vom 25.6.1976, Az. IV ZR b. Transparenz über güterstandsrechtliche und 125/75). Eine Errungenschaftsgemeinschaft müsste andere Regelungen in Ehe und Eingetragener ausdrücklich mit einem umfassenden Informations- Lebenspartnerschaft und Auskunftsrecht ausgestattet werden. In jedem Fall bedarf es einer Änderung der Bezeich- Zur Praktikabilität der Errungenschaftsgemeinschaft nung des (hier als Wahlgüterstand empfohlenen) Güterstands der Zugewinngemeinschaft. Denn die- In der EU ist die Errungenschaftsgemeinschaft in se Bezeichnung erzeugt die falsche Assoziation, dass 18 Ländern gesetzlicher Güterstand. Dies ist ein Indiz während der Ehe Gütergemeinschaft bestünde. Um dafür, dass es sich bei der Errungenschaftsgemein- Orientierungssicherheit zu schaffen, empfiehlt die schaft um ein praktikables Modell handelt (siehe Sachverständigenkommission die Umbenennung auch zu den Prinzipien für ein europäisches Ehegüter­- des Güterstands der „Zugewinngemeinschaft“ in recht Boele-Woelki/Martiny 2014; rechtsvergleichen- „Gütertrennung mit Ausgleich des Zugewinns“ (siehe der Überblick: Rotino 2017). Gesetzentwurf Bundesregierung 1952).

Wie notwendig und praktikabel ein Güterstand der Er- Darüber hinaus sollten die Parteien in angemessener rungenschaftsgemeinschaft wäre, zeigt auch die Recht- Zeit vor dem Eingehen einer Ehe oder Eingetrage- sprechung zum sogenannten Nebengüterrecht. Bei nen Lebenspartnerschaft darüber informiert werden, der Abwicklung gemeinsamer Konten, gemeinsamen welche rechtlichen Veränderungen dies für sie mit Eigentums an Immobilien und Kraftfahrzeugen sowie sich bringt. Vorbilder für eine solche verpflichtende unternehmerischer Kooperations- und ähnlicher Ver- (schriftliche) Information mit den zentralen Vertrags- träge zwischen Ehegatten und zwischen Eingetrage- elementen könnten Informationspflichten aus dem nen Lebenspartnerinnen oder Lebenspartnern hat die Verbraucherschutz sein. Rechtsprechung bereits Regeln zur Sicherung und Aus- einandersetzung des Vermögens entwickelt, die weit- Die Sachverständigenkommission tritt für eine gehend dem Grundgedanken einer Errungenschafts- allgemeine Verbesserung der finanziellen Allge- gemeinschaft entsprechen. An diese Regeln könnte meinbildung („financial literacy“) ein – am besten be­- die gesetzliche Neuerung anknüpfen. Ein gesetzlicher reits in Schule und Ausbildung. Dazu gehört, dass Güterstand vermiede die Komplexitäten des bestehen- Menschen über die vermögensrechtlichen Folgen den Nebengüterrechts, denn dieses ist durch Schwä- einer Ehe oder Eingetragenen Lebenspartnerschaft chen geprägt, die typisch sind für das Richterrecht: Bescheid wissen. vergleichsweise unzulängliche Systematik; wenig Transparenz; (wegen großer richterlicher Ermessens- c. Die Praxis der Eheverträge und Lebens- spielräume) ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. partnerschaftsverträge

Die Errungenschaftsgemeinschaft wäre auch in der Besondere Probleme können Verträge, in denen Güter- Lage, den Rechtsverkehr vor Vermögensverschiebungen trennung vereinbart wird, aufwerfen (BGHZ 158, 81ff.; innerhalb der Ehe oder Eingetragenen Lebenspartner- BVerfGE 103, 89ff.). Ein solcher Ehe- oder Lebenspart- schaft besser zu schützen. Kreditgeber und wirtschaft- nerschaftsvertrag kann diejenige Partnerin oder denje- liche Akteure sind zwar schon heute in der Lage, durch nigen Partner, der oder die über geringeres Vermögen die Mithaftung des anderen Partners oder der anderen und geringere Einkünfte verfügt, aber keine finanzi- Partnerin eine Situation ähnlich der Errungenschafts- ellen Beiträge zur Ehe oder Lebenspartnerschaft leis- gemeinschaft herzustellen. Andere Gläubiger und Gläu- tet, vermögensrechtlich ganz erheblich schwächen bigerinnen wie z. B. unterhaltsberechtigte Kinder aus (Meder 2012: 152ff.). Es wäre empirisch von gro- früheren Ehen sind hierzu jedoch nicht in der Lage. Die ßem Interesse, wenn genauer untersucht würde, in Errungenschaftsgemeinschaft könnte auch hier größere welcher Zahl, mit welchen Motiven und in welchen wirtschaftliche Gerechtigkeit bringen. Konstellationen solche Verträge geschlossen werden. Denn „der Staat hat […] der Freiheit der Ehegatten, mit Die Einführung des Güterstands der Errungenschafts- Hilfe von Verträgen die ehelichen Beziehungen und gemeinschaft erfordert eine Reihe von Folgeentschei- wechselseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten, dungen, insbesondere zur Frage, welche Güter dem dort Grenzen zu setzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck

134 und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositi- onen basierende einseitige Dominanz eines Ehepart- ners widerspiegelt“ (BVerfGE 103, 89).

Die notarielle Information ermöglicht keine hin­ reichende Einschätzung der Risiken für die jeweils schwächere Seite. Deshalb sollte der Gesetzgeber bei Ehe- und Lebenspartnerschaftsverträgen eine vorherige Information und Beratung für beide Seiten einführen.

Handlungsempfehlungen C Anreize bei der Ressourcen- und Arbeitsteilung in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft IX.4 135 C.X.Rente und Alterssicherung: Alterssicherungseinkommen über die verschiedenen Bilanz des Lebenslaufs Säulen der Alterssicherung hinweg betrachtet werden. Der Gender Pension Gap, wie er vom Bundesministeri- um für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Auch im Alter benötigen Frauen und Männer für ihre ursprünglich entwickelt wurde, bezieht sich auf die ei- Verwirklichungschancen eine eigenständige Exis- genständigen Alterssicherungseinkommen von Frau- tenzsicherung. Diese sollte über die Rente bzw. die en und Männern (vgl. BMFSFJ 2011). Aus Gründen der Alterssicherung gewährleistet werden. Der vorliegen- Vergleichbarkeit in der Sozialberichterstattung wurde er de Abschnitt beschäftigt sich mit den gleichstellungs- indessen auf die Lücke zwischen eigenständigen Alters- politischen Folgen der unterschiedlichen Erwerbs- sicherungsleistungen umgestellt. Diese Definition wird und Lebensverläufe von Frauen und Männern für die auch hier verwendet. Bezogen darauf, weist der aktuelle Nacherwerbsphase, d. h. für das Rentenalter. Für die Alterssicherungsbericht von 2016 (BMAS 2016) für 2015 gleichstellungspolitische Bewertung spielen dabei eine Lücke in den eigenständigen Alterssicherungsleis- sowohl die Höhe der Renten oder Pensionen eine Rolle tungen von 53 % aus, d. h.: Frauen erhielten 2015 im als auch die Frage, ob Männer und Frauen eigenstän- Durchschnitt um 53 % niedrigere eigene Alterssiche- dige oder abgeleitete Ansprüche auf Alterssicherung rungsleistungen als Männer. Dabei lag der Unterschied haben, die unter bestimmten Umständen wieder in Westdeutschland mit 58 % deutlich höher als in verloren werden können. Ostdeutschland mit 28 % (ebd.).

Die geringere Höhe der Frauenrenten ist multifaktori- ell bedingt. Angesichts der Rentenformel in der GRV Die Sachverständigenkommission empfiehlt haben vor allem folgende Faktoren Einfluss auf die in Bezug auf Rente und Alterssicherung: niedrigeren gesetzlichen Renten von Frauen: deren – Einführung einer durchgängigen Rentenver­ über den Lebensverlauf geringere Erwerbsbeteiligung; sicherungspflicht das höhere Ausmaß an sorgebedingten Erwerbsun- – Verbesserung der Anrechnung von Pflegezeiten terbrechungen von Frauen; das – ebenfalls vor allem in der gesetzlichen Rentenversicherung sorgebedingt – höhere Ausmaß von Teilzeitarbeit bei – Verlagerung von der abgeleiteten hin zur eigen- Frauen; unterschiedliche Stundenlöhne von Frauen ständigen Sicherung, insbesondere Einführung und Männern. In der Kombination führen diese Fak- eines Anwartschaftssplittings bei Ehepartnerinnen toren dazu, dass Frauen im Vergleich zu Männern und Ehepartnern sowie Eingetragenen Lebenspart- sowohl eine niedrigere Zahl an Versicherungsjahren nerinnen und Lebenspartnern als Regelmodell (Zeitfaktor) als auch weniger Entgeltpunkte, d. h. – nachsorgender sozialer Ausgleich bei niedrigen geringere Ansprüche pro Versicherungsjahr (Entgelt- Rentenansprüchen faktor) erreichen. Tabelle 1 (Seite 137) verdeutlicht – Verbesserung des Zugangs von Frauen zur dies für diejenigen, die 2015 in Rente gegangen sind: betrieblichen und privaten Alterssicherung Zu den unterschiedlich hohen Rentenansprüchen von Frauen und Männern in der GRV – als bedeutsamstem Alterssicherungssystem der ersten Säule – kommen Vorbemerkung Geschlechterunterschiede beim Zugang zu Einkom- men aus betrieblichen Alterssicherungssystemen Wie in Kapitel B aufgezeigt, beziehen Frauen in Deutsch- (zweite Säule) und aus der privaten Vorsorge (dritte land trotz gewisser Angleichungsprozesse in den letz- Säule) hinzu. ten Jahren immer noch deutlich geringere Renten als Männer. In der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), Die Zahl derjenigen, die Ansprüche aus der betrieb- die sich als einziges Sozialleistungssystem explizit an lichen Altersversorgung aufbauen, ist gestiegen: Der einer Lebensverlaufsperspektive orientiert, bezogen Anteil der 25- bis 65-jährigen Beschäftigten, die aktu- Rentnerinnen Ende 2015 im Durchschnitt in den alten ell eine Anwartschaft auf eine betriebliche Zusatzver- Bundesländern um 46 %, in den neuen Bundesländern sorgung aufbauen, liegt für Männer wie für Frauen um 22 % niedrigere eigenständige Versichertenrenten bei über 50 %. Diese Steigerung geht allerdings auf als Rentner (Deutsche Rentenversicherung Bund 2016a: Ansprüche zurück, die Beschäftigte durch Entgeltum- 35–36, bezogen auf den Rentenbestand, also alle Rentne- wandlung (die sogenannte Eichel-Förderung) selbst rinnen und Rentner des Bezugszeitpunkts; berücksich- aufbauen (zu 28 %) oder die vom Arbeitgeber und tigt wurden Renten aufgrund von Alter oder verminder- von den Beschäftigten gemeinsam finanziert werden ter Erwerbsfähigkeit). Noch größer fällt der sogenannte (zu 44 %) (Zahlen bezogen auf die Finanzierungsform Gender Pension Gap aus, wenn alle eigenständigen der betrieblichen Alterssicherungssysteme 2011,

136 Tabelle 1 Durchschnittliche Rentenzahlbeträge, Versicherungsjahre und Entgeltpunkte von Männern und Frauen in der Gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenzugang, Altersrenten am 31.12.2015)

Gebiet Durchschnittlicher Durchschnittliche Durchschnittliche Rentenzahlbetrag Versicherungszeit Entgeltpunkte pro Monat in Euro in Jahren* pro Versicherungsjahr Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen West 1014 583 41,4 30,1 1,02 0,73 Ost 973 860 44,4 43,8 0,92 0,82

* Beitragszeiten und beitragsfreie Zeiten bei Renten­- Quelle: Auswertungen der Statistik der Deutschen Rentenversiche- berechnung nach Sozialgesetzbuch (SGB) VI rung (Juli 2016), vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (2016a)

BMAS 2012). Über den Stand und die voraussichtliche seit 2006 gesetzlich vorgegebenen Unisex-Tarife 29 bei Entwicklung der Anwartschaftshöhe nach Geschlecht den Riester-Verträgen können sicherstellen, dass Frau- geben die Zahlen keine detaillierte Auskunft. Es gibt en im Rahmen der politisch gewollten Verlagerung aber Hinweise, dass die betriebliche Alterssicherung von der GRV auf die betriebliche und private Vorsorge die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern nicht zusätzliche Einbußen aufgrund ihrer statistisch im Alter in Deutschland seit jeher verstärkt. Denn längeren Lebenserwartung und Rentenbezugsdauer sie knüpft noch stärker als die Renten der GRV an in Kauf nehmen müssen. Durch den deutlich höheren die Dauer der Erwerbsarbeit und die Höhe des erziel- Anteil von Frauen mit Kinderzulagen sind bei ihnen ten Einkommens an; zudem ist ihr Vorkommen auf die durchschnittlichen Gesamtzulagen höher als bei männerdominierte Branchen und größere Betriebe, in Männern, ihre Verträge werden also vergleichsweise denen Frauen unterrepräsentiert sind, konzentriert. stärker gefördert. Diese „Begünstigung“ im Rahmen Statistiken zeigen regelmäßig, dass ein wesentlich der staatlichen Förderung privater Vorsorge als drit- geringerer Anteil von Frauen als von Männern An- ter Säule der Alterssicherung ist allerdings vor dem sprüche auf eine betriebliche Rente hat; zudem bleibt Hintergrund des geringeren Zugangs zu Betriebsren- die Höhe der an Frauen gezahlten Betriebsrenten deut- ten als zweiter Säule zu sehen. Frauen sind durch die lich hinter den an Männer gezahlten Renten zurück beschlossene Absenkung des Rentenniveaus in der (ausführlich Bundesregierung 2011). GRV seit 2001 und die politisch gewollte Verschiebung von der ersten Säule zur zweiten und dritten insgesamt Die staatliche Förderung privater Vorsorge durch die überproportional negativ betroffen; Elemente des sozi- sogenannte Riester-Rente trägt in gewissem Maße der alen Ausgleichs, z. B. für Kindererziehung und Pflege, Tatsache Rechnung, dass Niedrigeinkommensbezie- sind fast ausschließlich in der ersten Säule zu finden. hern und Niedrigeinkommensbezieherinnen sowie Müttern die ökonomischen Möglichkeiten für private Niedrige eigenständige Altersrenten lassen zunächst Vorsorge fehlen: Beide Gruppen werden in Relation (wie niedrige Erwerbseinkommen auch) keinen zu ihrem zu leistenden Eigenanteil überdurchschnitt- direkten Rückschluss auf Bedürftigkeit oder Armut lich durch die staatlichen Zulagen gefördert. Im Jahre der Person zu. Denn zum einen ist Armut auf Haus- 2014 waren von den fast 14,8 Millionen Empfängerin- haltsebene zu messen; zum anderen stehen allein­ nen und Empfängern von Zulagen für Riester-Verträge lebenden Frauen, wenn sie verwitwet sind, häufig 64 % Frauen (eigene Berechnungen nach Bundesre- noch Hinterbliebenenrenten zur Verfügung, sodass gierung 2016f: 15; für frühere Zahlen siehe Deutsche Rentenversicherung Bund 2016a: 76). Bis 2016 stieg die Zahl der abgeschlossenen Riester-Verträge auf 29 Vgl. Art. 4 und 5 Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13.12.2004 rund 16,7 Millionen. Damit hat etwa die Hälfte der zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Förderberechtigten einen entsprechenden Vertrag ab- Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit geschlossen, von denen allerdings etwa ein Fünftel Gütern und Dienstleistungen; Art. 5 Abs. 2 wurde durch EuGH ruht (Bundesregierung 2016f, Zahlen der BaFin). Die 01.03.2011 – C-236/09 (Test-Achats) für unwirksam erklärt.

Handlungsempfehlungen C Rente und Alterssicherung: Bilanz des Lebenslaufs X. 137 Tabelle 2 Allgemeine Entwicklungstrends und ihre voraussichtliche Auswirkung auf die Alterssicherungsansprüche von Frauen

Negativ Positiv

Trend zu kürzeren Arbeitszeiten Bessere Ausbildung Hoher Frauenanteil bei Minijobs Kürzere Erwerbsunterbrechungen Niedrige Löhne in frauendominierten Branchen Verbesserte Anrechnung von Kindererziehungs­ zeiten (und Pflegezeiten) in der GRV Sinkendes Rentenniveau Späterer Renteneintritt Weniger betriebliche Alterssicherung in typischen Verbesserte Arbeitsmarktlage frauendominierten Branchen Versorgung durch (Ehe-)Partner oder -partnerin Förderung von Müttern durch die Riester-Rente wird unsicherer Einführung des gesetzlichen Mindestlohns/ Aufwertung weiblich konnotierter Tätigkeiten/ Entgeltgleichheit (Equal Pay)

Quelle: Zusammenstellung in Anlehnung an Loose (2016). teilweise mehrere Renten kumulieren. Dennoch sind auf deren stärkerer Erwerbsintegration (insbesondere Frauen im Alter deutlich häufiger als Männer von in Westdeutschland, während ihre Erwerbsintegration Bedürftigkeit betroffen. Dies zeigt sich daran, dass sie in Ostdeutschland bereits auf höherem Niveau liegt, seit Einführung der bedarfsgeprüften Grundsiche- für Zahlen siehe B.II.1); zweitens sind zunehmend rung im Alter (nach SGB XII) durchgängig stärker Verbesserungen bei der Anrechnung von Sorgezei- auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind. ten, insbesondere bei der Anrechnung von Zeiten für Allerdings haben sich die Grundsicherungsquoten Kindererziehung, wirksam. Daneben verringert sich von Frauen und Männern aufgrund der steigenden die geschlechtsbezogene Rentenlücke auch aufgrund Grundsicherungsbedürftigkeit von Männern in den einer Verschlechterung bei den Rentenansprüchen von letzten Jahren angenähert: Im März 2015 erhielten Männern, die zunehmend (ebenfalls) von diskontinu- 3,3 % der Frauen gegenüber 2,8 % der Männer ab ierlichen Erwerbsbiografien und niedrigen Einkom- 65 Jahren Grundsicherungsleistungen (Zahlen der men betroffen sind. So kamen Männer, die 2004 in Grundsicherungsstatistik, vgl. Destatis 2015b). Rente gingen, pro Jahr anrechenbarer rentenrechtli- cher Zeiten noch auf 1,06 Entgeltpunkte (Frauen: 0,79), Mit der Ausdifferenzierung der Lebensformen, Famili- während es zehn Jahre später nur noch 0,99 Entgelt- en- und Erwerbsverläufe geht auch eine Ausdifferen- punkte (Frauen: 0,77) waren (Rentenversicherungs- zierung der Situation von Frauen und Männern im Al- berichte BMAS 2005, 2015). Dabei wird die Kategorie ter einher. Nicht immer verläuft die Linie zwischen im „Geschlecht“ von anderen Ungleichheitsdimensionen Alter gut abgesicherten Personen und solchen mit pre- überlagert. Besonders betroffen sind Migrantinnen kären Alterseinkommen entlang der Kategorie „Ge- und Migranten, die häufig keine armutsvermeidenden schlecht“. Unter dem Vorzeichen ansonsten gleich- Rentenansprüche aufbauen können (Brettschneider/ bleibender institutioneller Rahmenbedingungen Klammer 2016); während Männer mit Migrationshin- lassen sich dennoch einige übergreifende Entwick- tergrund deutlich niedrigere Renten als Männer ohne lungstrends identifizieren, die sich teils positiv, teils Migrationshintergrund beziehen, besteht zwischen negativ auf die Alterssicherungsansprüche zukünfti- Frauen mit und ohne Migrationshintergrund kein so ger Rentnerinnen auswirken dürften (siehe Tabelle 2). deutlicher Unterschied (Frick et al. 2009: 132f.).

Projektionen zur zukünftigen Entwicklung weisen Der Erste Gleichstellungsbericht arbeitete bereits die insgesamt darauf hin, dass sich die Entwicklung der gleichstellungspolitische Bedeutung der Stärkung der vergangenen Jahre fortsetzen und der Gender Pensi- ersten Säule der Alterssicherung heraus und sprach on Gap sich weiter verringern dürfte. Überwiegend eine Reihe von Handlungsempfehlungen aus (Bun- beruht dies erstens auf den in der Tabelle benannten desregierung 2011: 201ff.). Trotz des 2014 in Kraft positiven Entwicklungstrends bei Frauen – vor allem getretenen Rentenversicherungs-Leistungsverbesse-

138 rungsgesetzes, des sogenannten Rentenpakets, sind unterbrechungen oder Arbeitslosigkeit (Suprinovič diese Empfehlungen zum großen Teil nach wie vor et al. 2016: 37f.). Eine durchgängige Versicherungs- sachgerecht. Daher werden sie nachfolgend aufgegrif- pflicht kann – unabhängig vom Geschlecht – dazu fen und teilweise neu akzentuiert. Ergänzt werden beitragen, nicht nachhaltige Erwerbsverhältnisse die vorliegenden Handlungsempfehlungen durch die aufzudecken und Defizite beim Aufbau armuts- vertiefte Betrachtung der Alterssicherung selbststän- vermeidender Alterssicherungsansprüche dort zu diger Frauen und Männer in Abschnitt C.III.2. identifizieren, wo sie entstehen. Dabei ist gegebe- nenfalls zu klären, ob und wie Selbstständige in der Gründungsphase bei der Aufbringung der Alters­ 1. Prävention vor Nachsorge sicherungsbeiträge unterstützt werden können.

Für die geringen Rentenanwartschaften von Frauen Vieles spricht dafür, die Vorleistungsbezogenheit der ist ein Zusammenwirken unterschiedlicher Ursachen- GRV grundsätzlich beizubehalten. Dem Mindestsi- komplexe verantwortlich. Mütterrenten sind deshalb cherungsziel der eigenständigen Existenzsicherung allein kaum geeignet, die entstehenden Einkom- im Alter entspricht deshalb eine Mindestbeitrags- menseinbußen im Alter zu kompensieren (Möhring pflicht während der gesamten Erwerbsfähigkeits- 2014). Wie die Ursachenanalyse gezeigt hat, muss das phase. Jede bezahlte Arbeitsstunde sollte daher Ziel, eine existenzsichernde Altersvorsorge beider sozialversicherungspflichtig sein. Diejenigen Sozi- Geschlechter zu ermöglichen, zuvorderst auf dem Ar- alleistungssysteme, die heute die Risiken des Ein- beitsmarkt bzw. während der Erwerbsphase verfolgt kommensausfalls wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit, werden. Insofern kommen gleichstellungspolitischen Ausbildung, Kindererziehung oder Pflege absichern, Forderungen, die sich auf die geschlechtergerechte Ent- sollten gegebenenfalls auch den Mindestbeitrag lohnung (siehe C.I.2), auf Mindestlöhne, auf den Aus- tragen. Niedrige (Stunden-)Löhne müssten durch bau langer Teilzeit/kurzer Vollzeit (siehe C.I.1, C.V.3), die Einführung einer Mindestbemessungsgrundlage auf die Abschaffung von Steuer- und Beitragsprivile- für Rentenbeiträge auf Arbeitsentgelt (Steffen 2014) gien bei Minijobs (siehe C.IX.3) oder auf die Erleichte- kompensiert werden (siehe ausführlich Brettschnei- rung des Wiedereinstiegs nach Sorgearbeitsphasen der/Klammer 2016). Diese Empfehlungen der Sach- (siehe C.VIII) beziehen, auch eine zentrale Bedeutung verständigenkommission basieren auf der Auffas- für die Verbesserung der Altersvorsorgefähigkeit von sung, dass Altersvorsorge eine kontinuierlich über Frauen und für den Abbau des Gender Pension Gap zu. den Lebensverlauf zu leistende (und gegebenenfalls zu unterstützende) individuelle und gesellschaftliche Für das Ziel, Männern wie Frauen den Aufbau Aufgabe darstellt. Zudem liegt ihr die Überlegung zu- armutsvermeidender eigenständiger Rentenansprü- grunde, dass eine durchgängige Versicherungspflicht che zu ermöglichen, sollte die GRV als zentrale Säule bei angemessener Honorierung gesellschaftlich der deutschen Alterssicherung gestärkt und zu einer wichtiger Tätigkeiten wie insbesondere Sorgearbeit universellen Versicherung mit Mindestsicherungs- dazu beitragen kann, die Legitimitätsprobleme des ziel ausgebaut werden. Zukünftig sollten also alle bestehenden Alterssicherungssystems anzugehen; Bürgerinnen und Bürger auf alle Einkommen Beiträ- diese entstehen dadurch, dass zunehmend sowohl ge in die GRV einzahlen. Dies schließt z. B. die bisher Personen mit langen Beitragszeiten als auch solche, nicht versicherungspflichtigen Selbstständigen ein, die keine oder nur wenige Beiträge eingezahlt haben, deren Alterssicherung gegenwärtig oft lückenhaft im Alter gleichermaßen auf die Grundsicherung im ist und die vermehrt von Altersarmut betroffen und Alter verwiesen werden. auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind (vgl. Brettschneider/Klammer 2016). Insofern wird auch dem Wandel der Arbeitswelt durch Digitalisierung 2. Honorierung von Sorgearbeit systematisieren entsprochen, die bereits jetzt zur Folge hat, dass sich abhängige und selbstständige Beschäftigung zuneh- Seit Vorliegen des Ersten Gleichstellungsberichts mend verflechten sowie neue Formen selbstständiger haben neue gesetzliche Regelungen die Rechte infor- Arbeit entstehen (siehe D.I; siehe auch ausführlich mell Pflegender auf Freistellungen oder Reduzierungen Riedel/Welskop-Deffaa 2016). Selbstständige Tätig- der Arbeitszeit verbessert; erste Schritte für die Finanzie- keiten stellen für beide Geschlechter zunehmend rung solcher Zeiten sind unternommen worden (siehe nur eine Episode im (Erwerbs-)Lebensverlauf dar. C.VI). Ersten Studien zufolge fällt die Inanspruchnah- Dabei geben Frauen häufiger als Männer bereits vor me der Pflegezeit sowie der Familienpflegezeit zwar bis- der Vollendung des 44. Lebensjahres die Selbstän- her gering aus (siehe C.VI.2.a); die weitere Entwicklung digkeit wieder auf, überwiegend wechseln sie in ab­ bleibt abzuwarten. Jedoch begrüßt die Sachverständi- hängige Beschäftigung, familienbedingte Erwerbs- genkommission grundsätzlich entsprechende Zeitrech-

Handlungsempfehlungen C Rente und Alterssicherung: Bilanz des Lebenslaufs X.1 139 te als Beitrag zur Etablierung des Erwerb-und-Sorge- Angesichts der Unterschiede in der Behandlung Modells, das Männern und Frauen (mehr) Möglichkei- informeller Sorgearbeit in der gesetzlichen Alterssi- ten eröffnet, Erwerbs- und Sorgearbeit zu vereinbaren. cherung, konkret der im Vergleich zur Kindererzie- hung geringeren Honorierung von Pflegetätigkei- Allerdings ist die finanzielle Anrechnung von Sor- ten, empfiehlt die Sachverständigenkommission, zu gearbeit in der GRV unsystematisch und Sorgearbeit prüfen, wie die Anrechnung von Pflegezeiten so für Pflegebedürftige wird im Vergleich zu Sorgearbeit verbessert werden kann, dass eine gleiche gesell- für Kinder immer noch wesentlich geringer in der schaftliche Wertschätzung für beide Arten von Sor- Rente angerechnet. Dieser Befund des Ersten Gleich- getätigkeiten zum Ausdruck kommt. Dies schließt stellungsberichts gilt unvermindert. Zwischenzeitlich eine stärker additive Anrechnung von Pflegetätigkei- (ab Juli 2014) wurde der Wert der Kindererziehung für ten bei Kombination mit Erwerbstätigkeit und/oder die Rente weiter gestärkt, nämlich durch die sogenann- Rentenbezug ein. Zudem ist vor dem Hintergrund des te Mütterrente in Form einer verbesserten Anrechnung demografischen Wandels die Beschränkung auf die von Kindererziehung für vor 1992 geborene Kinder. Pflege naher Angehörige zu überprüfen; private, nicht Die Sachverständigenkommission begrüßt diese Maß- erwerbsmäßige Pflege sollte auch dann zur Erhöhung nahme. Zu prüfen wäre jedoch, ob diese Leistung nicht von Rentenanwartschaften führen, wenn nicht ver- sachgerecht(er) aus Steuermittel zu finanzieren wäre. wandte Personen, z. B. Nachbarinnen und Nachbarn Bezüglich der Anrechnung von unbezahlter Sorge für oder Freundinnen und Freunde, gepflegt werden. Pflegebedürftige sieht die Sachverständigenkommissi- on weiteren Handlungsbedarf. Sobald eine Pflegeperson das Rentenalter erreicht hat, wird aktuell die Zahlung der Pflichtbeiträge eingestellt, Pflegezeit zählt als Beitragszeit und wird auf die War- unabhängig davon, wie lange die häusliche Pflege­ tezeiten angerechnet; dies ist deshalb wertvoll, da für situation noch andauert. Dies ist problematisch, denn die Leistungen aus der GRV Mindestversicherungs- Pflegetätigkeiten verteilen sich anders über den zeiten gelten. Bei der Berechnung der Beiträge, die Lebensverlauf als Erwerbstätigkeit; gerade Frauen pflegen von der Pflegekasse für nicht erwerbsmäßig Pflegende häufig auch nach Erreichen des Rentenalters. Nach gezahlten werden, werden gegenwärtig (2016) – je nach Daten der GRV hatten von den Personen, die in den Pflegestufe der gepflegten Person – Verdienste von ca. Jahren 2000 bis 2012 in Rente gingen, je nach Jahrgang 700 bis maximal ca. 2.100 Euro monatlich zugrunde nur 2 % bis 3 % Rentenansprüche aus Pflegetätigkeiten gelegt. Selbst bei Versorgung eines oder einer Schwerst- erworben (Barmer GEK 2015: 109). pflegebedürftigen mit Pflegestufe III erwächst hieraus pro Jahr maximal ein monatlicher Rentenanspruch Im Falle einer Umsetzung der aktuellen Flexirenten- von 20,83 Euro (West) bzw. 18,30 Euro (Ost). Ab Janu- Vorschläge der Regierungskoalition (vgl. Bundesre- ar 2017, mit Inkrafttreten des Pflegestärkungsgesetzes gierung 2016d) entstünde zukünftig die Möglichkeit, II (PSG II) wird der Rentenanspruch, der aus Pflegear- neben dem Rentenbezug parallel zusätzliche Renten- beit erwächst, je nach Pflegegrad, Pflegeleistung und anwartschaften aus Erwerbstätigkeit zu erwerben. Region zwischen 5,18 Euro und 27,43 Euro pro Monat Diese Möglichkeit bestünde dann prinzipiell auch für liegen (Stand zweites Halbjahr 2016, vgl. Deutsche Pflegetätigkeiten, die jenseits des Erreichens der Alters- Rentenversicherung Bund 2016b: 5). grenze geleistet werden. Hierbei sind allerdings beson- dere Bedingungen zu berücksichtigen. Bisher führt der Die Zahlung von Renten-Pflichtbeiträgen für pflegen- Bezug einer Vollrente wegen Alters zur Versicherungs- de Angehörige durch die Pflegekassen ist an zahlrei- freiheit in der GRV (§ 5 Abs. 4 SGB VI) – nach geltendem che Voraussetzungen gebunden. Ab 2017 gelten nach Recht unabhängig vom Alter, nach dem vorliegenden den Regelungen des PSG II folgende Bedingungen: Der Entwurf des Flexirentengesetzes künftig erst ab Voll- oder die Pflegebedürftige muss einen Pflegegrad von endung der Regelaltersgrenze. Pflegepersonen wären 2 bis 5 haben; die Pflege muss in häuslicher Umgebung daher ab dem Bezug einer Altersvollrente nicht (mehr) stattfinden; sie muss mindestens zehn Stunden pro versicherungspflichtig und könnten dementsprechend Woche verteilt auf mindestens zwei Tage in Anspruch keine Rentenanwartschaften mehr erwerben. Wenn nehmen. Die Höhe der Beiträge richtet sich zudem künftig Teilrenten in beliebiger Höhe (ab mindestens nach der Wahl von Pflegegeld-, Pflegesachleistung oder 10 %) gewählt werden können, würde es ausreichen, Kombinationsleistung (§ 166 SGB VI n. F.). Weiterhin auf einen minimalen Anteil der Rente zu „verzichten“, werden keine Beiträge für Personen gezahlt, die mehr um – beispielsweise mit einer Teilrente von 99 % – als als 30 Stunden erwerbstätig sind – anders als im Fall Pflegeperson weiter versicherungspflichtig zu sein der Sorge für Kinder während der ersten drei Jahre, und Rentenanwartschaften zu erwerben. Langfristig ist wo auch im Falle einer vollzeitnahen oder Vollzeiter- anzustreben, dass grundsätzlich auch nach dem Errei- werbstätigkeit der Eltern Beiträge voll gezahlt werden. chen des gesetzlichen Rentenalters und dem Beginn des

140 Rentenbezugs weitere Rentenansprüche für Pflege (und nerschaften. Paare, die das Rentensplitting wählen, Erwerbstätigkeit) erworben werden können. Die Sach- müssen dies in einer gemeinschaftlichen Erklärung verständigenkommission spricht sich jedenfalls für die festlegen. Dem Optionsmodell zufolge wird das Ren- Etablierung von Beratungsstrukturen aus, die sicher- tensplitting in folgenden Fällen durchgeführt: wenn stellen, dass pflegende Angehörige die Neuregelungen beide erstmals Anspruch auf eine Altersvollrente kennen und gegebenenfalls zum Aufbau von Rentenan- aus der GRV haben; wenn erstmalig ein Partner oder wartschaften nutzen können. eine Partnerin einen Altersvollrentenanspruch und der andere die Regelaltersgrenze erreicht hat; wenn ein Partner oder eine Partnerin verstirbt, bevor diese 3. Verlagerung von der abgeleiteten zur eigenständigen Voraussetzungen vorliegen. Im Gegenzug entfallen Sicherung abgeleitete Hinterbliebenenrenten (§ 120a SGB VI).

Auch noch über ein Jahrhundert nach ihrer Einfüh- Als einen Beitrag zur Stärkung eigenständiger Renten- rung stellen abgeleitete Renten für Frauen eine wichti- ansprüche von Frauen empfiehlt die Sachverständigen- ge Ressource im Alter dar; noch immer entfällt etwa ein kommission, ein permanentes Anwartschaftssplittings Drittel des von der GRV an Frauen gezahlten Renten- für in Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft volumens auf Hinterbliebenenleistungen, die aus den erworbene Ansprüche als Regelmodell einzuführen. Rentenanwartschaften des verstorbenen Ehepartners Die Möglichkeit eines Splittings der Anwartschaften, oder der verstorbenen Ehepartnerin abgeleitet sind. die in der Ehe und Eingetragenen Lebenspartnerschaft Die Leistungen der Hinterbliebenenrente für Witwer erworben wurden, hat bisher als freiwillige Option spielen quantitativ aufgrund der deutlich geringeren kaum Wirkung entfaltet. Aus Gleichstellungsperspek- Anzahl männlicher Hinterbliebener und aufgrund tive scheint das Anwartschaftssplitting gegenüber der ihrer höheren eigenständigen Renten immer noch eine konventionellen Absicherung über abgeleitete Ansprü- nachgeordnete Rolle (Bundesregierung 2011: 206). Der che aus Hinterbliebenenrenten jedoch zeitgemäßer, da Erste Gleichstellungsbericht beschäftigte sich bereits es mit dem Aufbau eigenständiger Rentenansprüche ausführlich mit der Problematik von Hinterbliebenen- korrespondiert. Unabhängig von der innerfamiliären renten; er verwies darauf, dass diese die Lebensleistung Arbeitsteilung bauen hier beide in gleichem Ausmaß von Frauen nicht abbilden und zudem die weiteren Rentenanwartschaften auf. Zwar führt die Teilung Handlungsoptionen von Witwen (gegebenenfalls auch der Anwartschaften nicht zu einem höheren Haus- Witwern) beschränken, da sie im Unterschied zu ei- haltseinkommen im Alter und bei Verwitwung eines genständigen Renten z. B. nach einer Übergangszeit Partners oder einer Partnerin liegt das Versorgungsni- bei einer erneuten Eheschließung entfallen können, veau der überlebenden Person in der Regel niedriger (vgl. Bundesregierung 2011: 226f.). Das Ziel, abgeleitete als bei heutiger Berechnung. Jedoch bleiben wie im Formen der Alterssicherung zugunsten eigenständi- Scheidungsfall die Anwartschaften erhalten, die sich ger Formen der Alterssicherung umzugestalten, bleibt aus der Übertragung von Entgeltpunkten vom Erst- auf folglich unvermindert relevant. den Zweitverdienenden ergeben: Eine auf dem Wege des Rentensplittings erworbene Gutschrift führt zu Bereits seit dem 01.01.2002 können Ehepaare statt ei- einem eigenständigen Rentenanspruch des begünstig- ner Witwen- oder Witwerrente aus der gesetzlichen ten Partners oder der begünstigten Partnerin, während Rentenversicherung ein sogenanntes Rentensplitting die Rente der anderen Person entsprechend gemin- wählen. Haben beide Eheleute jeweils mindestens dert wird. Die hierdurch auf eine Person übertragenen 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt, Rentenansprüche sind eigenständige Ansprüche, die können so die während der Ehezeit erworbenen auch bei einer Wiederheirat nicht entfallen. Der Über- Rentenanwartschaften – vergleichbar mit dem Versor- gang zu einem Anwartschaftssplitting trägt dazu bei, gungsausgleich im Falle einer Ehescheidung – part- dass Ansprüche bei Vorliegen von eigenem Einkom- nerschaftlich aufgeteilt werden. Im Unterschied zum men nicht mehr entfallen. Im Falle einer Scheidung Versorgungsausgleich werden in das Rentensplitting würden hiermit zudem unerwartete und ungeplante nur Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenver- Auswirkungen, die heute oft mit dem verpflichtenden sicherung einbezogen, nicht z. B. Anwartschaften auf Versorgungsausgleich einhergehen, vermieden, da eine betriebliche Altersversorgung oder private Ren- ein permanentes Anwartschaftssplitting den Versor- ten- oder Lebensversicherungen (vgl. STMAS o. J.; gungsausgleich auf bestehende Ehen und Eingetragene die Möglichkeit des Rentensplittings besteht nur für Partnerschaften ausdehnt. Ehen, die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden, nur, sofern beide Eheleute nach dem 01.01.1962 geboren Vorgeschlagen wird daher, den bisher nur als Option wurden). Seit dem 01.01.2005 gibt es eine entspre- vorgesehenen Ansatz zum Regelmodell zu machen. chende Splittingoption für Eingetragene Lebenspart- Dies korrespondiert mit der Empfehlung der Sach-

Handlungsempfehlungen C Rente und Alterssicherung: Bilanz des Lebenslaufs X.3 141 verständigenkommission, die Errungenschaftsge- „Lebensleistungsrente“­ zu garantieren, sorgfältig meinschaft als gesetzlichen Güterstand in Ehe und auf mögliche geschlechterdifferenzierte Anreiz- und Eingetragener Lebenspartnerschaft vorzusehen Verteilungswirkungen hin überprüft werden. (siehe C.IX.4.a); auch bei dieser wird der Zugewinn, der während der Partnerschaft erwirtschaftet wurde, laufend auf beide Personen aufgeteilt. Das Anwart- 5. Verbesserung des Zugangs von Frauen zur schaftssplitting sollte in Form eines kontinuierli- betrieblichen und privaten Alterssicherung chen Versorgungsausgleichs innerhalb der Ehe oder Eingetragenen Lebenspartnerschaft durchgeführt Betriebsrenten sind, wie dargestellt, stark auf männer- und nicht auf die GRV beschränkt werden, sondern dominierte Branchen und größere Betriebe konzent- z. B. auch Betriebsrentenansprüche einbeziehen. riert. Um eine geschlechtergerechte betriebliche Al- Angesichts der Verteilungswirkungen sind allerdings terssicherung zu ermöglichen, sollten Arbeitgeber in Vertrauensschutz- und Übergangsregelungen zu den Arbeitsmarktsegmenten mit hohem Frauenanteil berücksichtigen, sodass die Einführung des Splittings zu einem vermehrten Angebot von Betriebsrenten an- als Regelmodell auf neue Ehen und Eingetragene geregt werden. Hierzu sollten die Tarifparteien einen Lebenspartnerschaften begrenzt werden sollte. Beitrag leisten. Zudem sollten die Möglichkeiten und Kompetenzen von Frauen, den vorhandenen gesetzli- Parallel dazu sollten Anreize geschaffen werden, die chen Anspruch auf Entgeltumwandlung durchzuset- geteilten Anwartschaften durch freiwillige Aufsto- zen, gestärkt werden. Dies schließt eine verbesserte ckungsbeiträge weiter aufzufüllen. Im Gegenzug und zielgruppengerechte Information über dieses sollte – unter Berücksichtigung von Übergangsfristen Instrument der betrieblich finanzierten oder zumin- und Vertrauensschutzregelungen – die vom Partner dest betrieblich organisierten Altersvorsorge ein. oder der Partnerin abgeleitete Hinterbliebenenrente zurückgefahren werden. Problematisch sind hingegen Anreize zum Aufbau der betrieblichen Alterssicherung, die darauf beruhen, dass weitere Anteile des Erwerbseinkommens (GRV-) 4. Nachsorgender sozialer Ausgleich bei niedrigen beitragsfrei gestellt werden, wenn sie zum Aufbau von Rentenansprüchen Ansprüchen in der zweiten (oder dritten) Säule einge- setzt werden: In diesem Fall stehen dem Aufbau von Elemente des nachsorgenden sozialen Ausgleichs (oft rein arbeitnehmerfinanzierten) Vorsorgeformen sind dann gerechtfertigt und sinnvoll, wenn trotz verminderte Ansprüche in der (paritätisch finanzier- einer verbreiterten und durchgängigen Versicherungs- ten) ersten Säule gegenüber. pflicht während der Erwerbsphase die erworbenen Ansprüche im Alter das soziokulturelle Minimum Gerade Frauen erwerben häufig (allenfalls) geringe nicht erreichen. Fehlt eine vorgelagerte allgemeine Betriebsrentenansprüche und verfügen über wenige Versicherungspflicht (wie es in Deutschland gegen- Ressourcen für die private Vorsorge. Daher wirkt sich wärtig der Fall ist), bergen isolierte Regelungen zur die gegenwärtige Anrechnung eigener Einkommen auf Kompensation jedoch auch die Gefahr – insbesondere einen eventuellen Grundsicherungsanspruch häufig so unter Gleichstellungsaspekten – ungeeignete Schwer- aus, dass die durch eigene Vorsorge erworbenen Ansprü- punkte zu setzen; darunter kann die Legitimation des che im Alter wieder verloren gehen, wenn die eigene Gesamtsystems der gesetzlichen Versicherung leiden. Rente oder das Haushaltseinkommen nicht reicht, um die Grundsicherungsschwelle zu überspringen. Hier Mit der Möglichkeit des abschlagsfreien vorgezoge- empfiehlt die Sachverständigenkommission die Einfüh- nen Rentenzugangs nach 45 Beitragsjahren wurden rung von Freibeträgen in der Grundsicherung, um den Begünstigungen für besonders langjährig Versicher- Aufbau eigener Altersvorsorgeansprüche zu fördern. te eingeführt, die von der Beitragsäquivalenz abwei- chen. Sie stellen Frauen in ganz erheblichem Maße Die Vereinfachung der verwirrenden Vielfalt (riester- schlechter als Männer. Denn diese erfüllen zu einem fähiger) Vorsorgeprodukte sowie die Entwicklung von sehr viel kleineren Anteil die Zugangsvoraussetzun- Vorsorge-Basisprodukten, wie es sie etwa in Schweden gen für den abschlagsfreien Vorruhestand, müssen gibt, hälfen, Zugangshürden zu senken. Bei der Ent- diesen aber ungeachtet niedriger eigener Ansprüche wicklung von Angeboten zur Stärkung finanzieller über erhöhte Beitragszahlungen mitfinanzieren. Aus Allgemeinbildung („financial literacy“), um die Vor- gleichstellungspolitischer Perspektive ist eine sol- sorgefähigkeit und -bereitschaft in der zweiten und che Leistung derzeit bedenklich. Aus dem gleichen dritten Säule der Alterssicherung zu verbessern, ist zu Grund muss auch der Vorschlag, bei langjähriger ren- berücksichtigen, dass diese sprachlich und inhaltlich tenversicherungspflichtiger Erwerbstätigkeit eine geschlechtergerecht erfolgen.

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Handlungsempfehlungen C Literaturverzeichnis 155 156

D. Aktuelle Heraus­ forderungen in der Gleichstellungspolitik

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D  D 157 Das vorliegende Gutachten kann nicht alle gleichstel- mission empfohlenen Maßnahmen wirksam werden lungspolitischen Problemlagen gleichermaßen ver- können. Die Sachverständigenkommission befasst tieft behandeln. Wie in Kapitel B dargestellt, diente sich deshalb abschließend mit der systematischen der Sachverständigenkommission die gleichstellungs- Weiterentwicklung dieser institutionellen Rahmen- orientierte Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit bedingungen und Mechanismen und formuliert dafür als roter Faden. Im vorliegenden Abschnitt nun greift konkrete Handlungsempfehlungen (D.IV). die Sachverständigenkommission gleichstellungspo- litisch wichtige Themen auf, die quer zu diesem roten Faden laufen.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist eine aktuel- le gesellschaftliche Herausforderung, die als Quer- schnittsthema im Bereich Gleichstellung der Ge- schlechter gefasst werden kann. Sie birgt Risiken und Chancen für die Arbeitsmarktentwicklung und somit für die Verwirklichungschancen der Geschlechter. Die Sachverständigenkommission greift einige Facetten dieses kontrovers diskutierten Themas auf – auch da die Kategorie Geschlecht in den Debatten um Digitali- sierung bisher oft zu kurz kam (D.I).

Sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt ist ein maßgeblicher Hinderungsgrund für die Gleichstel- lung der Geschlechter, gerade auch für die geschlech- tergerechte Verwirklichung von Chancen im Bereich Erwerbs- und Sorgearbeit. Diesem Thema schenkt Abschnitt D.II besondere Aufmerksamkeit, wobei die Sachverständigenkommission eine Vertiefung der dort benannten Problemlagen in zukünftigen Gleich- stellungsberichten empfiehlt.

Migration und Flucht sind sowohl für Einwanderin- nen und Einwanderer als auch für die Aufnahmege- sellschaft mit Herausforderungen verbunden. Diese haben aufgrund der jüngsten Fluchtbewegungen stark an Bedeutung gewonnen. Die Sachverständigen- kommission hat sich deswegen erst im Verlauf ihres Arbeitsprozesses dieses Themas angenommen. Sie hat hierzu ein Fachforum veranstaltet und eine Expertise erstellen lassen. Abschnitt D.III geht auf die gleichstel- lungspolitischen Herausforderungen durch Flucht, Migration und Integration ein – jedoch ohne den Anspruch, die Probleme umfassend zu behandeln.

Zu den benannten Handlungsfeldern werden im Folgenden der Stand des gleichstellungspolitischen Wissens umrissen und erste gleichstellungspolitische Handlungsempfehlungen formuliert. Es gilt, diese Empfehlungen in zukünftigen Gutachten und Gleich- stellungsberichten zu überprüfen und weiter aus­ zubauen. Dafür ist eine Verbesserung der Datengrund- lagen erforderlich.

Geeignete institutionelle Rahmenbedingungen und institutionelle Mechanismen sind die Grundvoraus- setzung dafür, dass die von der Sachverständigenkom-

158 D.I.Gleichstellungsorientierte Digitalisierung verändert Tätigkeiten, die Nachfrage Gestaltung der digitalen Arbeit und das Angebot an Arbeitskräften sowie die Organi- sation und die Strukturen in den Unternehmen. Wel- che Effekte diese Veränderungen auf die Geschlech- Im Ersten Gleichstellungsbericht war Digitalisie- terverhältnisse haben, ist bislang wenig erforscht und rung noch kein Thema; zum Zeitpunkt seiner Er- spielte lange Zeit weder in den kommunikationspo- stellung nahm die öffentliche Diskussion über die litischen noch in den sozial- und arbeitsmarktpoliti- Auswirkungen der Digitalisierung erst langsam schen Debatten eine Rolle. Erst seit Kurzem befassen Fahrt auf. Inzwischen ist aber offensichtlich, dass sich Wissenschaft, Politik und Sozialpartner auch mit eine gleichstellungspolitische Perspektive auf Digi- genderrelevanten Aspekten der Digitalisierung (vgl. talisierung nötig ist. Der technologische Umbruch den „Dialogprozess Arbeit 4.0“ des Bundesministeri- verteilt (Zugangs-)Chancen und Entwicklungsmög- ums für Arbeit und Soziales, BMAS 2016b). Für eine lichkeiten von Frauen und Männern neu. Damit stel- geschlechtergerechtere Gestaltung der Arbeitswelt len sich notwendigerweise Fragen danach, wie auch könnte sie viele positive Effekte mit sich bringen. Der bei fortschreitender Digitalisierung eine geschlech- Wegfall von körperlich sehr anstrengenden oder mo- tergerechte Verteilung von Chancen und Risiken notonen Tätigkeiten macht Berufe in der Fertigung gewährleistet werden kann. für Frauen möglicherweise zugänglicher. Die Ent- kopplung der Arbeit von konkreten Orten ermöglicht eine neue Balance von Erwerbs- und Sorgearbeit. Er- wartete Produktivitätssprünge könnten eine Debatte Die Sachverständigenkommission empfiehlt über Arbeitszeitverkürzungen wieder aufleben lassen. in Bezug auf digitale Arbeit In Unternehmen eröffnet der digitalisierungsbedingte – Ermöglichung und Regulierung von mobilem organisatorische Wandel neue Möglichkeiten. Gleich- Arbeiten zeitig ergeben sich aus gleichstellungspolitischer Pers- – Regulierung und Anreizsteuerung bei digitalen pektive jedoch auch zahlreiche Gestaltungsaufgaben. Plattformen – Entwicklung wirksamer Instrumente gegen Cyber Harassment 1. Ermöglichung und Regulierung von mobilem Arbeiten – genderkompetentes Arbeitsmarktmonitoring Die technologische Entwicklung hat die Möglichkeiten für mobiles Arbeiten verbessert (siehe C.I.1.a). Ein von der Arbeitsstätte unabhängiges, zeitversetztes (asyn- Vorbemerkung chrones) oder zeitgleiches (synchrones) Lernen und Arbeiten mit Anderen jenseits klassischer Bürostunden Die Digitalisierung verändert nicht nur private und verspricht für die Unternehmen höhere Produktivität, gesellschaftliche Kommunikationsprozesse; sie ist mehr Transparenz der Arbeitsabläufe und geringere auch eine wichtige Treiberin von Veränderungen Miet- und Energiekosten. Die Beschäftigten wiederum des Arbeitsmarkts und der Bedingungen, unter de- erhoffen sich vor allem erweiterte Spielräume für eine nen Menschen arbeiten. Digitalisierung ist kein ein- ausgewogene Balance zwischen Erwerbs- und Sorgear- dimensionaler Prozess. Man versteht darunter die beit. Das gilt vor allem für Frauen, die unbezahlte Haus- Gleichzeitigkeit verschiedener Entwicklungen. Dazu sowie Sorgearbeit für Kinder und pflegebedürftige zählen z. B. immer leistungsfähigere IT-Systeme, Angehörige leisten und mitunter in mobiler Arbeit und steigende weltweite Internetnutzung, immer bes- Homeoffice den Königsweg zur besseren Vereinbarkeit ser entwickelte Robotik und Sensorik, das Entstehen von Beruf und Familie sehen (siehe C.I.1.a). cyberphysischer Systeme, die die virtuelle Welt mit der Welt der Objekte vereinen, die Einführung des Die räumliche und zeitliche Entgrenzung birgt aber 3D-Drucks als neue Produktionstechnik sowie die neben neuen Chancen auch Risiken, wie etwa gesund- wachsende Bedeutung von Big Data (siehe auch BMAS heitliche Risiken durch ständige Erreichbarkeit und 2016b; B.II.1). Auf der individuellen Ebene bedeutet Überlastung. Deshalb sind gesetzliche, tarifliche und Digitalisierung u. a.: niedrigere Kommunikations- betriebliche Maßnahmen erforderlich, die mobiles barrieren, die Möglichkeit, an jedem Ort und zu jeder Arbeiten so garantieren und gewährleisten, dass die Ge- Zeit zu arbeiten, ständige Erreichbarkeit über digitale fahren der Entgrenzung von Arbeit, die Gleichstellung Endgeräte; Automatisierbarkeit routinisierter Dienst- zu erschweren drohen, gemindert werden (zu Rechts- leistungstätigkeiten sowie die Veränderung berufli- fragen siehe Schlottfeldt 2015). Welche Anforderungen cher Anforderungen und Arbeitsinhalte bis hin zum dies an Gesetzgeber, Arbeitgeber und Tarifparteien stellt, Verschwinden von Berufen. wurde schon in Abschnitt C.I.1.a genauer erläutert.

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Gleichstellungsorientierte Gestaltung der digitalen Arbeit I.1 159 2. Regulierung und Anreizsteuerung Jedoch lassen Entwicklungen in anderen Ländern bei digitalen Plattformen (insbesondere den USA) vermuten, dass sich hier ein relevanter Arbeitsmarkt entwickeln könnte; die Welt- Digitale Technologien reduzieren die Transaktions- bank erwartet für 2016 4,4 Milliarden Dollar Umsatz kosten für die Vermittlung von Dienstleistungen im Bereich Online-Freelancing, bis 2020 sogar 15 bis drastisch. Deshalb bieten immer mehr Unternehmen 20 Milliarden Dollar. Auch in Deutschland sind es Dienstleistungen über digitale Plattformen an. Der längst nicht mehr nur internetaffine Konzerne und Begriff der „Plattformisierung“ fasst mehrere unter- Start-ups, die auf Crowdworkerinnen und Crowdwor- schiedliche Prozesse zusammen. Gemeint ist damit ker zugreifen. Selbst konservative Mittelständler oder zum einen der Umbruch in bestimmten Branchen große Autokonzerne haben begonnen, mit der Arbeit (z. B. des Buchhandels, der Personenbeförderung oder aus der Crowd zu experimentieren, ebenso staatli- der Vermittlung personenbezogener Dienstleistun- che Institutionen. Crowdworking bewegt sich somit gen), deren Geschäftsmodelle sich auf Plattformen gerade von einem „randständigen Taschengeldphäno- verlagern also die „Amazonisierung der Arbeitswelt“ men“ in den Mainstream (BMAS 2016a: 21). (Benner 2015). Zum anderen werden unter „Plattfor- misierung“ auch neue Formen der Arbeitsteilung In Deutschland wird Crowdworking bislang weit über- und Arbeitsorganisation verstanden, bei der Tätigkei- wiegend nebenberuflich praktiziert. Umfrageergeb- ten aus den Betrieben in die Cloud oder in die Crowd nissen zufolge ist ein Großteil der Crowdworker und verlagert werden, also statt von festangestellten Mit- Crowdworkerinnen, die über sogenannte Microtask- arbeiterinnen und Mitarbeitern von freien Mitarbei- Plattformen Arbeitsleistungen erbringen, zwischen 20 terinnen und Mitarbeitern erledigt werden, die ihre und 29 Jahren, ledig und mehrheitlich männlich (ZEW Aufträge über eine Plattform akquirieren. Das soge- 2015); allerdings könnte sich dies ändern. So arbeiten nannte Crowdsourcing (Howe 2006), also die Aus­ auf der größten Crowdworking-Plattform der USA – lagerung von Aufgaben und Projekten aus dem Unter- „Mechanical Turk“ – mehrheitlich Frauen (Irani 2015). nehmen an Internetnutzerinnen und Internutzer ist Hier könnte ein prekärer Arbeitsmarkt entstehen, Teil von Unternehmensstrategien zur Flexibilisierung der von Frauen als individuelle Vereinbarkeitslösung (vgl. Leimeister/Zogaj 2013). genutzt wird, was zu einer Verfestigung traditioneller Arbeitsteilungsmuster zwischen den Geschlechtern Plattformunternehmen basieren in der Regel auf der führen könnte. Soloselbstständigkeit der Erwerbstätigen, welche die Dienstleistungen erbringen; Soloselbstständige Die Sachverständigenkommission empfiehlt deshalb müssen eigenständig für ihre soziale Absicherung eine bessere Regulierung von Plattformen in Hinblick aufkommen, obwohl sie mit ihrer Tätigkeit als Platt- auf die gleichstellungspolitischen Probleme, die diese formarbeiterinnen und Plattformarbeiter sehr oft nur mit sich bringen. Dies betrifft insbesondere die Fra- geringe Erlöse erzielen. Hinzu kommt, dass digitali- ge des Zugangs zu Plattformen, die Auswahl der für sierte Arbeitsaufträge z. T. fragmentarisiert sind und Dienstleistungen Vermittelten und die Gestaltung häufig unter hohem Zeitdruck ausgeführt werden, digitaler Reputationsmechanismen. Die digitale Ver- um einen einigermaßen auskömmlichen Verdienst zu mittlung von Personen erfolgt zwar auf den ersten erzielen. Obwohl Plattformunternehmen häufig nicht Blick geschlechtsneutral. Jedoch können beim Zu- nur vermitteln, sondern – etwa über Zugangsbarrieren gang zu Tätigkeiten über Crowdworking-Plattformen und Reputationsmechanismen – über die Qualität und Geschlechterstereotype eine Rolle spielen. Bei einer Art der angebotenen Dienstleistungen bestimmen, Befragung von Plattformunternehmen zeigte sich, dass übernehmen sie keine Verantwortung als Arbeitgeber diese den Zugang zu und die Verteilung von Aufgaben der vermittelten Arbeitskräfte (Hensel/Kocher 2016). anhand verschiedener Kriterien steuern, wie etwa Statt in der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Konstellation Erfahrung, Verfügung über technische Geräte, spezi- finden sich Plattformarbeitskräfte in der Dreiecks- fische Qualifikationen und Dauer der Beschäftigung konstellation Auftraggeber-Plattformvermittler-Auf- (vgl. Daniel Schönefeld beim Fachforum „Digitalisie- tragnehmer; das herkömmliche abhängige Beschäfti- rung der Arbeitswelt und Geschlechtergerechtigkeit“). gungsverhältnis gibt es in dieser Konstellation nicht. Es bleibt zu prüfen, inwieweit dabei unterschiedliche Teilnahmechancen entlang von Geschlecht bestehen. a. Crowdworking Auch wenn Algorithmen Plattformarbeit zuteilen, ist Geschlechtsdiskriminierung als Ergebnis nicht aus- Crowdworking ist in Deutschland derzeit (noch) kein geschlossen. Deswegen empfiehlt die Sachverstän- Massenphänomen (ZEW 2015). Bis 2014 waren die digenkommission genauer zu untersuchen, ob die Möglichkeiten des Crowdworkings in Deutschland von Plattformbetreibern verwendeten Algorithmen nur 3 % der Unternehmen überhaupt bekannt (ebd.). den Anforderungen des Diskriminierungsschutzes

160 entsprechen. Zudem sollte geklärt werden, inwieweit sorgearbeitsbedingten Erwerbsunterbrechungen ist es einer Anpassung der §§ 6 Abs. 3, 19ff. Allgemeines ein qualitativ hochwertiges und für alle zugängliches Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – bezogen auf den Angebot von großer gleichstellungspolitischer Bedeu- Diskriminierungsschutz für Selbstständige und in tung (siehe C.VIII). zivilrechtlichen Verträgen – bedarf, um den spezifi- schen Gefahren digitaler Auswahlprozesse begegnen Zugleich aber droht die Durchsetzung des Modells zu können. Entsprechend ist auch eine Konkretisie- der Soloselbstständigkeit in diesem Bereich den rung des bereits bestehenden Verbots unangemesse- sozialpolitischen­ Schutz auf einen neuen Tiefpunkt ner Benachteiligung in den Allgemeinen Geschäftsbe- zu senken. Zwar werben Online-Plattformen im Rei- dingungen von Plattformbetreibern notwendig (zum nigungssektor damit, legale Jobs anstelle irregulärer geltenden Recht siehe Däubler 2015: § 9 IV 2 b Rn. 448g Beschäftigung zu schaffen; dennoch bleibt die Solo- ff.; vgl. Hensel/Kocher 2016). selbstständigkeit unter den derzeit geltenden Bedin- gungen aus gleichstellungspolitischer und intersek- Die hier beschriebenen Entwicklungen lassen mittel- tionaler Perspektive außerordentlich problematisch und langfristig einen Anstieg der Zahl prekär beschäf- (siehe C.III und C.VII). Nicht nur müssen die zu etwa tigter Soloselbstständiger erwarten. Auch selbstständi- 80 % migrantischen und ganz überwiegend weib- ge Crowdworkerinnen und Crowdworker benötigen lichen Reinigungskräfte ihre Alterssicherung und „einen gesetzlichen Mindestschutz, etwa für Entgelt, Krankenversicherung vollständig selbst finanzieren. Arbeitserholung, Arbeitsschutz sowie Vertragsbeendi- Sie wenden außerdem viel unbezahlte Zeit für die gung“ (DJT 2016: 12). Hierfür wurde z. B. vorgeschla- gesamte Organisation ihrer Erwerbsarbeit auf. Für gen, das Heimarbeitsgesetz so zu modernisieren, dass Unterstützungsleistungen der vermittelnden Platt- es Formen häuslicher Arbeit wie die Übernahme von form, etwa bei der Gewährleistung einer Haftpflicht- Mikro- oder Makrotasks am Desktop oder Notebook versicherung oder der Erstellung von Rechnungen, einbeziehen kann (Krause 2016: B, 106f.). Um pre- werden häufig Gebühren fällig, die den Erlös der käre selbstständige Erwerbstätigkeit zu vermeiden, Vermittelten schmälern. Des Weiteren sind oft Kon­ empfiehlt die Sachverständigenkommission eine um- trollen und Autonomiebeschränkungen indirekt über fassende Sozialversicherungspflicht für Soloselbst- die Auftraggeberinnen und Auftraggeber etabliert: Per- ständige (siehe C.III.2 und C.X). Bedeutsam für die manente Ratings verheißen Qualität (ohne dass dieses Verbesserung der Qualität der Beschäftigung sind Mög- Versprechen immer eingelöst wird, siehe Stiftung Wa- lichkeiten von Crowdworkerinnen und Crowdwor- rentest 2014); schlechte Reputationswerte bedeuten kern, sich auszutauschen, sich zu beschweren und zu aber für Beschäftigte, dass sie möglicherweise keine solidarisieren (Krause 2016: B, 107; Cohen 2015: 303ff.). neuen Aufträge erhalten. Zeitintensive Vermittlungs- Die Frage, wie in solchen Prozessen Diskriminierungs- anstrengungen werden für die Unternehmen über- freiheit und Gleichberechtigung garantiert werden flüssig, wenn sie den Kundinnen und Kunden direkte können, sollte dabei nicht aus dem Blick geraten. Einsicht in den Kalender der Reinigungskraft und die Platzierung gewünschter Termine ermöglichen (vgl. Was die künftige Verbesserung der Rechtssicherheit in Mahrt 2016). Hier fügt sich eine attraktive Geschäfts- diesem Bereich betrifft, verweist die Sachverständigen- idee im Zeitalter der Digitalisierung nahtlos in eine – kommission auf Beschlüsse des 71. Deutschen Juris- historisch betrachtet – lange Kette prekarisierter und tentags, die eine Umkehr der Beweislast bei der Frage atypischer Beschäftigungsverhältnisse im Reinigungs- der wirtschaftlichen Abhängigkeit empfehlen. Als sektor ein. selbstständige Plattformarbeiterinnen und Plattform- arbeiter gälten dann nur diejenigen, die wirtschaftlich Wenn das Ziel einer Aufwertung von SAHGE-Tätigkei- unabhängig sind (vgl. auch Krause 2016: B, 106f.; siehe ten (siehe C.IV) nachhaltig und langfristig erfolgreich auch C.VII.1). vorangebracht werden soll, bedarf es geeigneter Maß- nahmen, die auch digitale Plattformen in diesem Be- b. Plattformisierung sozialer und haushaltsnaher reich erfassen. Die hierzu vorgeschlagenen Maßnah- Dienstleistungen men einer Zertifizierung und eines Gutscheinsystems (siehe C.VII) könnten die Arbeitsbedingungen für die Gleichstellungspolitisch von besonderer Relevanz über Plattformen vermittelten Beschäftigten verbes- sind Plattformen, die soziale und haushaltsnahe sern. Sie könnten darüber hinaus auch Transparenz Dienstleistungen vermitteln. Ein zugängliches und bezüglich der unterschiedlichen Qualität von Platt­ transparentes Angebot dieser Dienstleistungen könnte formunternehmen schaffen und zu ihrer Verbesse- Haushalte entlasten und zu einer besseren Verein- rung beitragen. Darüber hinaus müssen Wettbewerbs- barkeit von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit beitragen. vorteile minimiert werden, die beim Geschäftsmodell Insbesondere in Situationen des Wiedereinstiegs nach Soloselbstständigkeit durch die Externalisierung von

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Gleichstellungsorientierte Gestaltung der digitalen Arbeit I.2 161 Kosten (Sozialversicherung, Entgeltfortzahlung im marginalisierten Gruppen (vgl. ADS 2015: 8). Es Krankheitsfall etc.) entstehen. So kann die sozialver- kann schwerwiegende Folgen für die Gesundheit sicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Bereich und die berufliche Entwicklung der Betroffenen ha- mehr Chancen bekommen. ben. Die psychischen und physischen Konsequenzen aus Cyber Harassment werden derzeit in ihrer Schär- Eine spezifische Anforderung an die digitale Organi- fe in Politik und Gesellschaft noch nicht ausreichend sation sozialer und haushaltsnaher Dienstleistungen ernst genommen. ist die Information der Beschäftigten und der auftrag- gebenden Haushalte. Die Sachverständigenkommissi- Die Sachverständigenkommission empfiehlt Maß- on empfiehlt den digitalen Plattformen im Sinne des nahmen, die auf eine Gestaltung der digitalen Kom- Verbraucherschutzes, sowohl die Beschäftigten als munikationskultur abzielen, in der Cyber Harass- auch die Haushalte, in denen sie arbeiten, besser über ment zügig begegnet und dadurch nachhaltiger die jeweiligen Rechte und Pflichten zu informieren. verhindert werden kann. So sollte u. a. gewährleistet sein, dass digitale Äußerungen (und gegebenenfalls die dazu gehörenden Accounts) schnell gelöscht und 3. Wirksame Instrumente gegen Cyber Harassment die Betroffenen unterstützt werden, falls weitere rechtliche Schritte notwendig sind. Verantwortung Das Internet ist schon heute für einige – und in Zu- sollten dabei in erster Linie diejenigen übernehmen, kunft wahrscheinlich für deutlich mehr – Menschen die Plattformen bereitstellen, die für Cyber Harass- ein Arbeitsraum; dazu zählen nicht nur Plattform- ment missbraucht werden. arbeiterinnen und Plattformarbeiter, sondern bei- spielsweise auch Journalistinnen und Journalisten. Vor allem in Bereichen, in denen persönlich iden- Aus diesem Grund ist es gleichstellungspolitisch tifizierbare Freiberufliche oder Selbstständige im notwendig, die Aufmerksamkeit auf das Phänomen Netz tätig sind, wie etwa dem Online-Journalismus, der Gewalt im Netz (Cyber Harassment) zu richten. ergibt sich auch eine Aufgabe für deren Arbeitgeber Cyber Harassment ist mittlerweile Bestandteil des di- und Auftraggeber. Hier gilt es, die Instrumente des gitalen Arbeitsalltags und eine gezielte Strategie, um Arbeitsschutzes und des Antidiskriminierungsrechts Menschen aus digitalen Räumen zu verdrängen und zu nutzen, um Schäden zu verhindern und notwen- Teilhabe zu verhindern. Nicht wenige Menschen, de- dige Standards zu schaffen, die Arbeitsplätze sicher ren Arbeitsplatz sich im Netz befindet, sind dem Risi- gestalten. Gewerkschaften und Betriebsräte sollten ko von Gewalt und wirtschaftlichen Einbußen durch diese Gestaltung und die von Cyber Harassment Hasskommentare und gezielte Hasskampagnen aus- Betroffenen unterstützen. gesetzt. Die Konsequenzen solcher Angriffe können sehr lange nachwirken. Rufschädigende Äußerungen Zu einer guten Praxis von Unternehmen, die gegen und Rechtsverletzungen existieren im Netz oft wei- geschlechtsbezogene und rassistische Belästigung ter und werden so Teil des digitalen Profils einer Per- vorgehen, gehören wirksame Instrumente gegen son. Dies kann sich negativ auswirken, etwa wenn Cyber Harassment. Es bedarf insbesondere einer im Rahmen der Arbeitsplatzsuche mit Online-Such- unmissverständlichen Haltung der Leitung, klarer maschinen zu einer Person recherchiert wird und die Regeln für die Beschäftigten, eindeutiger Zustän- angezeigten Ergebnisse nicht kontextualisiert sind. digkeiten und transparenter Verfahrensregeln, da- mit Betroffene durch das Betriebsklima gestärkt Menschen sind insbesondere aufgrund ihres Ge- erkennen, dass sie im Fall von Belästigungen unter- schlechts, ihrer Geschlechtsidentität oder ihrer sexu­ stützt werden (ADS 2015: 9; zur Haftung für Dritte ellen Orientierung von Gewalt, Drohungen, Stal- nach dem geltenden AGG siehe Büro für Recht und king, Mobbing und Cybersexismus im Netz betroffen Wissenschaft 2016: 67ff.). Für diejenigen, die als (vgl. z. B. EU Parl 2016). Eine Studie der Agentur der „community manager“ mit der präventiven Beseiti- Europäischen Union für Grundrechte (FRA) aus dem gung beleidigender und verletzender Postings befasst Jahr 2014 zeigte, dass 11 % der 42.000 befragten Frau- sind, bedarf es arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen. en in den 28 EU-Mitgliedsstaaten bereits eine Form Um solche Standards künftig verbindlich zu imple- von Gewalt im Internet erfahren hatten (FRA 2014: mentieren (ebd.: 11), sollten die bestehenden gesetz- 13). Der Anteil bei den 18- bis 29-Jährigen lag sogar lichen Arbeitgeberpflichten zur Prävention von Dis- bei 23 %. Wie andere Formen der geschlechtsbezo- genen Belästigung 30 stellt auch Cyber Harassment ein gravierendes gleichstellungspolitisches Prob- 30 § 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unterscheidet lem dar, denn es dient als Machtinstrument und ­hierbei zwischen der diskriminierenden (§ 3 Abs. 3) und der sexu-­ „Platzanweiser“ vor allem gegenüber Frauen und a­lisierten (§ 3 Abs. 4) Belästigung.

162 kriminierung (§ 12 AGG) für geschlechtsbezogene­ Derzeit scheitern Betroffene mit ihren Anzeigebe- Belästigung durch Fallgruppen konkretisiert mühungen oft schon an fehlenden Zuständigkeiten werden; Arbeitgeber müssten auch geeignete Instru- und mangelnder Expertise zum speziellen Charakter mente gegen Cyber Harassment entwickeln. von Cyber Harassment. Deshalb müssen Polizei und Justiz technisch ausgerüstet und für Gewalttaten im Es bedarf mindestens einer Umsetzung der euro- Netz sensibilisiert und weitergebildet werden. Leider parechtlichen Vorgaben für das Verbot von ge- gibt es für Deutschland bislang keine ausreichen- schlechtsbezogener Belästigung auch beim Zugang den Daten zum Ausmaß von Cyber Harassment und zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienst- zu dessen konkreten geschlechtsbezogenen Auswir- leistungen (Art. 2 c) und d) der Richtlinie 2004/113/ kungen. Es bedarf also neben einer Evaluation der EG). Im Hinblick auf Ausmaß und Folgen von Cyber strafrechtlichen Vorschriften auch einer Änderung Harassment sollte auch eine Verantwortlichkeit dieser Datenlage. der Auftraggeber soloselbstständiger Beschäftigter eingeführt werden, die insbesondere eine Präven- tions- und Gewährleistungsverpflichtung gemäß 4. Genderkompetentes Arbeitsmarktmonitoring § 12 AGG enthalten muss (siehe auch Büro für Recht und Wissenschaft 2016: 20f.). Die Sachverständigen- Für viele Gremien und Regierungsprogramme, die kommission unterstützt insofern den Vorschlag der sich bislang mit Digitalisierung befassen, sind Ge- AGG-Evaluation, den Anwendungsbereich des AGG schlechterverhältnisse ein blinder Fleck (z. B. Digitale generell auf die Auftraggeber Soloselbstständiger Agenda 2014–2017, Nationaler IT-Gipfel, Hightech- auszudehnen (ebd.: 48). Forum der Bundesregierung, Projekt „QuBe – Qualifikation­ und Beruf in der Zukunft“). Deshalb Für eine größere Effektivität und Wirksamkeit des empfiehlt die Sachverständigenkommission ein Gen- Schutzes vor Cyber Harassment bietet es sich an, der Mainstreaming aller Gremien, die sich mit der an den Empfehlungen für eine Effektivierung des Zukunft und der Digitalisierung der Arbeit befassen. Schutzes vor geschlechtsbezogener Belästigung und Diskriminierung im AGG anzuknüpfen. Gerade bei Ausgelöst durch die digitale Transformation des Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Arbeitsmarktes werden in den kommenden Jahren die mit Diskriminierungen in Zusammenhang erhebliche Verschiebungen zu verzeichnen sein, stehen, ist es von größter Bedeutung klarzustel- welche die Geschlechterverhältnisse absehbar, aber len, dass eine Entschädigung abschreckende Wir- schwer kalkulierbar betreffen (Projektionen dazu sie- kung haben muss (ADS 2015) und dass die Geltend­ he BIBB/IAB, Wolter et al. 2015). Die Digitalisierung machung von Ansprüchen nicht durch die aktuell verändert die beruflichen Anforderungen, Strukturen unverhältnismäßig kurze Geltendmachungsfrist be- und Wertigkeiten in sämtlichen Branchen; dies be- schränkt wird. Diese Frist sollte, jedenfalls für die trifft männliche und weibliche Arbeitskräfte aufgrund hier behandelten Fälle, sechs Monate betragen (vgl. der horizontalen Geschlechtersegregation der Arbeits- ADS 2015: 12; Büro für Recht und Wissenschaft 2016: märkte in unterschiedlicher Weise (siehe B.II.1). 91). Hilfreich wäre auch eine Prozessstandschaft für Antidiskriminierungsverbände entsprechend § 63 Damit Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt in SGB IX sowie die Klarstellung, dass die Unterlassung ihren Auswirkungen auf die Beschäftigungsmög- wirksamer Maßnahmen gegen Cyber Harassment lichkeiten, Qualifizierungsbedarfe und Verwirkli- Klagerechte für Betriebsräte und Gewerkschaften chungschancen frühzeitig erfasst und Ungleich- gemäß § 17 Abs. 2 AGG nach sich zieht. heitsdynamiken besonders in den Blick genommen werden, empfiehlt die Sachverständigenkommissi- Unterstützend empfiehlt die Sachverständigenkom- on die durchgehende Integration von Geschlechter- mission einen Beschwerdeweg, der niedrigere Barrie- kompetenz in die Arbeitsmarktforschung. Ein Kreis ren aufweist als eine gerichtliche Klage und über den von Sachverständigen mit Vertreterinnen und Ver- auch Klärungsprozesse über notwendige organisato- tretern u. a. aus der Politik, der Sozialpartnerschaft, rische und digitale Mechanismen zur Prävention ge- dem Ausbildungssystem, aus Betrieben und aus der gen Cyber Harassement eingeleitet werden können. Forschung sollte regelmäßig – beispielsweise unter Hierfür sollte bei der Antidiskriminierungsstelle des dem Dach des Bundesministeriums für Arbeit und Bundes eine Ombudsstelle eingerichtet werden, die Soziales (BMAS) oder der Bundesagentur für Arbeit Beschwerden entgegennehmen und untersuchen (BA) – zusammenkommen, um einschlägige Progno- kann, die in Konflikten moderieren, aber auch (vor- sen zu sichten, zu bewerten und daraus Handlungs- behaltlich gerichtlicher Kontrolle) bindend Scha- empfehlungen für die Akteurinnen und Akteure zu densersatz zusprechen kann (ADS 2015: 13). entwickeln. Das Sachverständigengremium sollte

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Gleichstellungsorientierte Gestaltung der digitalen Arbeit I.4 163 unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen ein- beziehen, z. B. Arbeits- und Industriesoziologie, Psy- chologie, Ökonomie, Organisationswissenschaft und Rechtswissenschaft.

Auch in anderen Bereichen der neuerdings intensi- ven institutionellen Befassung mit Digitalisierung fehlt eine durchgehende gleichstellungspolitische Orientierung. So sollte beispielsweise bei der Verga- be finanzieller Mittel für Professuren und Lehrstühle zur Digitalisierung 31 die Gleichstellungsperspektive präsent sein, sowohl was die Besetzung der Profes- suren als auch die inhaltliche Ausrichtung der Lehr­ stühle angeht.

31 So wurden im Jahre 2016 in Berlin 50 und in Bayern 20 neue Profes- suren im Bereich Digitalisierung geschaffen.

164 D.II.Überwindung von öffentlichen Raum durch andere Männer. Frauen Partnerschaftsgewalt erfahren ab der späteren Jugend bis zu einem Alter von etwa 40 Jahren besonders Gewalt durch ihre Part- ner. Gewalt gegen Frauen, „insbesondere auch durch Die Bundesregierung betont in ihrer Stellungnahme [...] Partner und Expartner, ist Ausdruck fortbestehen- zum Gutachten für den Ersten Gleichstellungsbe- der Ungleichheiten und Hierarchien im Geschlechter- richt, dass ein Leben frei von Gewalt eine Grundvor- verhältnis und ein maßgeblicher Hinderungsgrund aussetzung ist für gleiche Chancen im Lebensverlauf für die volle Gleichstellung der Geschlechter auf allen für Frauen und Männer sowie für die „erfolgreiche gesellschaftlichen Ebenen“ (Schröttle 2017). Unglei- Teilnahme an Bildung, Beschäftigung, am gesell- che Geschlechterverhältnisse und strukturelle Dis- schaftlichen, sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen kriminierung von Frauen sind die zentralen gesell- und politischen Leben“ (Bundesregierung 2011a: schaftlichen Faktoren, die Gewalt gegen Frauen durch 9). Die Sachverständigenkommission zum Zweiten Männer befördern. Gleichstellungsbericht hat daher zum Thema „Ge- walt in Paarbeziehungen“ eine Expertise in Auftrag Bestimmte Phasen im Lebensverlauf, wie Heirat, der gegeben (Schröttle 2017). Auf diese Expertise sowie Einzug in eine gemeinsame Wohnung, Schwanger- auf die erwähnten Studien stützen sich die folgenden schaft und Familiengründung, bergen ein erhöhtes Ausführungen und Handlungsempfehlungen. Gewaltrisiko. Ebenso können Phasen des beruflichen Ein- und Aufstiegs oder Phasen der Trennung und Scheidung mit dem Beginn von Partnerschaftsgewalt einhergehen (BMFSFJ 2004b: 262ff.). Von sexualisier- Die Sachverständigenkommission empfiehlt in Bezug ter Gewalt sind Frauen und Mädchen in allen Lebens- auf die Überwindung von Partnerschaftsgewalt: phasen weitaus öfter betroffen als Männer und Jungen. – Intensivierung der Prävention von Partnerschafts- Die erste Repräsentativuntersuchung zu Gewalt gegen gewalt auf den Ebenen von Bund, Ländern und Frauen in Deutschland zeigte, dass etwa jede vierte Kommunen Frau in ihrem Erwachsenenleben mindestens einmal – Sicherstellung von zeitnahem Schutz und fach­- körperliche und/oder sexualisierte Übergriffe durch licher Unterstützung für von Partnerschaftsgewalt einen Beziehungspartner erlebt hat (BMFSFJ 2004b). betroffene Personen auf den Ebenen von Bund, Die Zahl erhöht sich auf 37 %, wenn Gewaltübergriffe Ländern und Kommunen durch andere Täter oder Täterinnen im öffentlichen, – regelmäßiges Monitoring von Gewalt und Maß- halböffentlichen und privaten Bereich einbezogen nahmen zum Gewaltschutz auf den Ebenen von werden (ebd.). Strafrechtlich relevante sexualisier- Bund und Ländern, das national und international te Gewalt ab dem 16. Lebensjahr mussten 13 % der zusammengeführt und im Hinblick auf verbesserte Frauen erfahren. 34 % aller Frauen haben im weiteren Intervention, Unterstützung und Prävention aus­ Sinne sexualisierte Gewalt erlebt, wenn ungewollte gewertet wird sexualisierte Handlungen und Formen schwerer oder bedrohlicher sexualisierter Belästigung einbezogen werden. Unterschiedliche Formen sexualisierter Be- lästigung im öffentlichen und privaten Raum sowie Vorbemerkung in Arbeitskontexten haben insgesamt 58 % der Frauen in ihrem Erwachsenenleben erfahren (ebd.: 11). Auch Ein Rückgang der Gewalt in heterosexuellen Paar- die aktuelle europäische Prävalenzstudie der Agentur beziehungen war in den letzten Jahren nicht zu ver- der Europäischen Union für Grundrechte zu Gewalt zeichnen – vielmehr ist ein leichter Anstieg zu be- in Paarbeziehungen kommt zu ähnlich hohen Gewalt- obachten. Zu Gewalt unter lesbischen Frauen und prävalenzen für Deutschland (FRA 2014). schwulen Männern in Paarbeziehungen sowie gegen- über Trans*Personen und Inter*Personen gibt es für Zu Gewalt gegen Männer in Paarbeziehungen lie- Deutschland keine repräsentativen Daten. Deshalb gen für Deutschland keine repräsentativen Daten konzentrieren sich sowohl die von der Sachverstän- vor. Vorhandene Studien lege nahe, dass Männer digenkommission vergebene Expertise als auch der etwa gleich häufig wie Frauen mindestens einmal in vorliegende Abschnitt auf Partnerschaftsgewalt im ihrem Leben Gewalt durch Bezugspersonen erleben heterosexuellen Kontext. (BMFSFJ 2004a). Jedoch werden Männer häufiger im außerhäuslichen Bereich durch ihnen unbekannte Jungen und Männer erleben körperliche Gewalt Personen Opfer von Gewalt und sind seltener von überwiegend in ihrer Kindheit im familiären Kon- schwerer, bedrohlicher und wiederholter Gewalt text sowie in ihrer Jugend und im jüngeren Alter im betroffen (Schröttle 2017: 3). Frauen als Gewalt­

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Überwindung von Partnerschaftsgewalt II. 165 täterinnen wenden im Vergleich zu Gewalttätern in Partnerschaftsgewalt zu werden, für Frauen mit gerin- Paarbeziehungen seltener schwere Gewalt an und ger Bildung und schlechten Arbeitsmarktpotenzialen ihre Gewalthandlungen sind häufig Widerstands- aus (Heiskanen/Piispa 1998; Fougeyrollas-Schwebel handlungen oder Reaktionen auf vorher erlebte 2005; Bhattacharya et al. 2009). Eine Studie mit Zah- körperliche oder sexualisierte Gewalt durch einen len zu Großbritannien stellt einen Zusammenhang Partner. Die Hypothese der Geschlechtersymmet- zwischen steigender männlicher Arbeitslosigkeit und rie bei Gewalt in Paarbeziehungen erweist sich da- sinkender häuslicher Gewalt einerseits und steigen- her vor dem Hintergrund unterschiedlicher Muster der weiblicher Arbeitslosigkeit und steigender häusli- und Schweregrade von Gewalt im Paarkontext als cher Gewalt andererseits her (Anderberg et al. 2013). unrichtig (Schröttle 2017: 3). Der Studie der Weltge- Insgesamt kann festgehalten werden, dass eine verbes- sundheitsorganisation (WHO) zufolge ist Gewalt, serte und unabhängige ökonomische Situation von insbesondere häusliche Gewalt, eines der größten Frauen das Risiko, von häuslicher Gewalt betroffen zu Gesundheitsrisiken für Frauen und Kinder weltweit werden, tendenziell verringern kann. (WHO 2005). Sowohl Männer als auch Frauen erlei- den Gewalt überwiegend durch männliche Personen. Eine deutsche Repräsentativuntersuchung zu Gewalt gegen Frauen stellt zwar keinen direkten Zusam- Einige Bevölkerungsgruppen sind besonders häu- menhang zwischen sozioökonomischer Schicht und fig von Gewalt betroffen. Die vorhandenen Daten in Bildung einerseits und Gewaltprävalenz in Partner- Deutschland zeigen dies insbesondere für Frauen. schaften andererseits fest, zeigt aber, dass es sozial So sind Frauen mit Migrationshintergrund öfter von und ökonomisch benachteiligten Frauen besonders schwerer Gewalt durch ihre Partner betroffen (BMFSFJ schwerfällt, gewalttätige Beziehungen zu beenden 2008a). Auffällig oft von Gewalt betroffen sind oder gewalttätige Situationen zu verlassen (BMFSFJ geflüchtete Frauen und obdachlose Frauen (BMFSFJ 2004b). Ähnliche Dynamiken könnten die erhöhte 2004b). Besondere Gewalterfahrungen machen auch Dauer und Intensität der Gewalt in Paarbeziehungen Frauen mit Behinderungen: Sie werden zwei- bis etwa von Migrantinnen und von Frauen mit Behin- viermal häufiger Opfer von Partnerschaftsgewalt als derungen erklären (BMFSFJ 2008a; 2008b; 2013). Die- Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (BMFSFJ 2013; se Beobachtungen unterstreichen die fundamentale 2015). Sie erleben auch außerhalb der Paarbeziehung Bedeutung der eigenständigen Existenzsicherung in höherem Maße Gewalt und Diskriminierung. Auch von Frauen, wie sie im vorliegenden Gutachten be­ behinderte Männer sind überdurchschnittlich stark fürwortet wird. von Gewalterfahrungen betroffen, wobei sie Gewalt überwiegend im öffentlichen Raum und in Institu­ tionen und weniger in Familienbeziehungen erleben 1. Intensivierung von Präventionsmaßnahmen müssen (BMAS 2013). Studien zeigen übereinstimmend, dass Frauen mit Im Alter kann körperliche und psychische Gewalt fortgesetzten Gewalterfahrungen in der Kindheit im Kontext von häuslicher Pflege und Pflege in auch als Erwachsene in besonderem Maße von Gewalt Institutionen häufiger auftreten. Dasselbe gilt auch betroffen sind und ein besonders hohes Risiko tragen, für Menschen mit Behinderungen, die in Betreuungs- Opfer männlicher Partnerschaftsgewalt zu werden und Pflegeeinrichtungen untergebracht sind (BMAS (Schröttle/Vogt 2016). Die deutsche Gewaltprävalenz- 2013; BMFSFJ 2013; 2014). studie stellt für diese Frauen ein zwei- bis vierfach er- höhtes Risiko fest und zeigt zudem die erheblichen Bezüglich des Zusammenhangs von Arbeit, sozioöko- gesundheitlichen (psychischen/physischen) Folgepro- nomischer Situation und Gewalt gegen Frauen stellen bleme von kumulierter Gewalt im Lebensverlauf auf. einige Untersuchungen aus dem US-amerikanischen Raum Zusammenhänge zwischen Entgeltungleich- Häusliche Gewalt beeinträchtigt die Arbeitssituation heit und häuslicher Gewalt in heterosexuellen Paarbe- von Frauen, wenn die psychischen und gesundheit- ziehungen fest (Aizer 2010). Viele Studien zeigen auf, lichen Folgen von Gewalt zu Leistungsbeeinträchti- dass eine Machtdiskrepanz in heterosexuellen Paar- gungen und Krankschreibungen führen. Außerdem beziehungen Gewalt durch männliche Beziehungs- können gewalttätige Beziehungspartner unmittelbar partner begünstigen kann. Einige beobachten dies, destruktiv auf das Arbeitsverhältnis der Partnerin wenn die Frau einen im Vergleich zum Partner erhöh- einwirken (vgl. u. a. Swanberg et al. 2005: 18; Brzank ten Status hat oder in beruflicher und ökonomischer 2012: 55). Auch können prekäre makroökonomische Hinsicht gleichzieht (siehe auch Riger/Staggs 2004; Situationen Gewalt in Paarbeziehungen begünstigen. BMFSFJ 2008b; Kaukinen 2004). Studien für Deutsch- Studien für die USA und Griechenland (Renzetti 2009; land machen hingegen ein erhöhtes Risiko, Opfer von Kay 2011; Svarna 2014) stellten einen Zusammenhang

166 zwischen der Zunahme häuslicher Gewalt und ökono- et al. 2012). Die Arbeit von Frauenhäusern, Frauen- mischen Krisen, die mit sozialem Stress und erhöhter notrufen und Beratungsstellen für gewaltbetroffene Arbeitslosigkeit verbunden sind, fest. Eine prekäre Frauen ist weder langfristig institutionell gesichert, Lebenssituation erschwert es, eine gewalttätige Bezie- noch ist eine ausreichende räumliche sowie perso­ hung zu beenden; zugleich werden im Rahmen von nelle Ausstattung gewährleistet. Austeritätsprogrammen Unterstützungsleistungen und Schutzmaßnahmen für gewaltbetroffene Frauen Die Sachverständigenkommission empfiehlt darauf abgebaut. Es entsteht ein negativer Kreislauf, der die hinzuarbeiten, dass jede akut von Gewalt gefährdete sozioökonomische und gesundheitliche Situation der oder betroffene Frau (mit ihren Kindern) wohnort- Betroffenen verschlechtert. Dies umfasst nicht nur die nah umgehend Schutz erhalten kann. Dazu gehört Partnerin oder den Partner, sondern auch etwaige Kin- der zeitnahe und barrierefreie Zugang zu einer Bera- der, die Gewalt in der Paarbeziehung mittelbar oder tungsstelle für die Klärung von Handlungsmöglich- unmittelbar miterleben. Gleichstellungspolitik sollte keiten. Die (Stellen-)Kapazitäten für die Beratung sich dieser negativen Folgen bewusst sein; dies kann gewalt­betroffener Frauen in Frauenberatungsstel- z. B. bedeuten, Gewaltpräventionsmaßnahmen mit len, Frauennotrufen und bei flexiblen und mobilen Berufsförderungsmaßnahmen zu verknüpfen. Beratungsangeboten im ländlichen Raum sind daher auszuweiten. Ebenso müssen Wohnkapazitäten und Die vorangegangenen Ausführungen verdeutlichen, ambulante Unterstützung für gewaltbetroffene Frau- dass das hohe Ausmaß an Gewalt gegen Frauen „nur en vor oder nach einem Frauenhausaufenthalt (oder durch eine Veränderung der Werthaltungen und ge- als Alter­native dazu bei weniger bedrohlicher Gewalt) schlechtsbezogenen Rollenvorstellungen und Iden- ausgeweitet werden. titäten möglich ist, aber auch durch die Sichtbar- machung und Änderung der Machtdynamiken im In Anbetracht der besonderen Gewaltbetroffenheit Geschlechterverhältnis auf der Mikro-, Meso- und von Frauen mit Behinderungen sind geeignete spezi- Makroebene“ (Schröttle 2017: 14). Die Sachverständi- fische Präventions- und Interventionsmaßnahmen zu genkommission empfiehlt daher generelle Präventi- entwickeln. Dabei ist darauf zu achten, dass Barrieren onsmaßnahmen in Schulen und Bildungseinrichtun- zu Hilfseinrichtungen abgebaut werden (angemes- gen, gezielte Unterstützungsmaßnahmen für Kinder, sene Vorkehrungen für Barrierefreiheit, Schröttle/ die in Situationen häuslicher Gewalt leben oder gelebt Glammeier 2013: 244). Eine flächendeckende Bereit- haben, sowie die Fortführung und Intensivierung von stellung von Unterstützungsinfrastruktur ist auch für kontinuierlicher Öffentlichkeitsarbeit und von Kam- die Bewältigung psychosozialer multipler Problemla- pagnen gegen sexualisierte und häusliche Gewalt. gen zu fördern, die häufig einen längeren Frauenhaus- Dazu gehört auch die gezielte Förderung von Beratung aufenthalt und höhere Kapazitäten für Beratung und und Unterstützung aller Beteiligten in Trennungs- Begleitung erfordern. und Scheidungssituationen und das Ergreifen von Maßnahmen zum verbesserten Schutz von gewalt- Zeitnahe Therapiemöglichkeiten sind bereitzustellen; betroffenen Frauen und deren Kindern durch Polizei zudem sollte jede Person, die Gewalterfahrungen ge- und Justiz. Das Fort- und Weiterbildungsangebot für macht hat, die Möglichkeit haben, diese aufzuarbeiten Berufsgruppen, die mit gewaltbetroffenen Menschen und ihre Rechte als Opfer wahrzunehmen. Für Institu- arbeiten, sollte flächendeckend ausgebaut werden. tionen und Einrichtungen, die mit Opfern von Gewalt in Berührung kommen (z. B. Polizei, Justiz und Bera- tungsstellen) sollten Trainings mit dem Ziel, Vor- und 2. Ausbau der Hilfesysteme Fehlurteilen über Geschlecht, häusliche Gewalt und Behinderung abzubauen, entwickelt und durchge- Mithilfe des 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zum führt werden (siehe auch Hague et al. 2008). Betroffe- zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nach- ne Frauen sollten in die Entwicklung von Konzepten stellungen (Gewaltschutzgesetz/GewSchG) sind und in Entscheidungen zur Mittelverteilung für Maß- rechtliche Interventionen und Schutzmaßnahmen bei nahmen zum Schutz und zur Unterstützung von Frau- häuslicher Gewalt möglich. So können Schutzmaß- en mit Gewalterfahrungen einbezogen werden (ebd.). nahmen bei häuslicher Gewalt und Stalking angeord- net werden. Auch die Einrichtung von Sonderzustän- digkeiten bei Polizei und Staatsanwaltschaften hat 3. Regelmäßiges Monitoring der Maßnahmen zu verbesserten Interventionsbedingungen geführt (Schröttle 2017: 12). Allerdings berichten sowohl Das Ausmaß an Gewalt gegen Frauen in Deutschland Gewaltschutzeinrichtungen als auch betroffene Frau- wurde durch große und bevölkerungsweit durchge- en von Problemen bei der Umsetzung (Kavemann führte quantitative Studien in den letzten Jahren recht

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Überwindung von Partnerschaftsgewalt II.2 167 gut erforscht. Es fehlen jedoch aktuelle differenzierte Methoden und Instrumente weiterentwickelt wer- Daten zur Gewalt gegen Frauen sowie repräsentative den, mit denen sich vertiefende Erkenntnisse über Vergleichsdaten zur Gewalt gegen Männer. Ebenfalls das Phänomen und seine Entwicklung über die Zeit fehlen konsistente Zeitreihendaten, die für langfris- gewinnen lassen. Mit quantitativen und qualitativen tig orientierte Monitoringprozesse relevant wären Studien sollten auch die Voraussetzungen und Ansatz- (Schröttle 2017: 2). punkte einer wirkungsvollen Prävention untersucht werden. Dazu zählt auch die Durchführung empirisch Ein großes Problem bei der Erhebung von Daten zu fundierter Analysen, die Gewalt, Geschlecht, Behin- Gewaltvorkommen ist es, Dunkelfelder aufzudecken derung und Migration in ihrer Verwobenheit in den und Interviewpartnerinnen und Interviewpartner der Blick nehmen. Zielgruppen zu finden, die über selbst erlebte Gewalt in engen sozialen Beziehungen offen berichten. Die Scham, über das Erlebte zu sprechen, und psycholo- gische Verdrängungsmechanismen erschweren dies. Interviewsettings, die Schulung der Interviewerinnen und Interviewer sowie eine zielgruppensensible Befra- gung (z. B. in Gebärdensprache oder Leichter Sprache) spielen für die Datenqualität eine große Rolle. Admi- nistrative Daten sind nur bedingt aussagekräftig, denn viele Fälle von Partnerschaftsgewalt werden nicht zur Anzeige gebracht. Eine aktuelle europäische Studie ergab, dass nur jedes siebte weibliche Opfer häusliche Gewalt zur Anzeige brachte. Nur eine von drei Frau- en nahm institutionelle Hilfe (Polizei, Gerichte, me- dizinische Betreuung, Frauenhäuser oder Beratung) in Anspruch (FRA 2014), bei sexualisierter Gewalt geschieht dies noch seltener.

Bedarf gibt es auch an empirischen Analysen, die intersektionale Ansätze in die methodische Durchfüh- rung und Auswertung von Studien einbeziehen, die geschlechtervergleichende Aspekte in den Blick neh- men und die die soziale Konstruktion von Geschlecht, Behinderung, Migration in Zusammenhang mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Gewalt im Geschlechterverhältnis setzen (Schröttle/Glammei- er 2013: 235). Der Mangel an repräsentativen Daten zur Gewalt gegen lesbische Frauen, schwule Männer, Trans*Personen und Inter*Personen in Paarbeziehun- gen rührt u. a. daher, dass sich in Repräsentativstudi- en nur wenige Personen diesen Kategorien zuordnen; um systematische quantitative Untersuchungen zu ermöglichen, müssten besonders geschichtete Stich- proben mit hinreichenden Fallzahlen realisiert wer- den (Schröttle 2017: 5).

Die Sachverständigenkommission empfiehlt gemäß dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häus- licher Gewalt (der sogenannten Istanbul-Konvention) eine systematische und kontinuierliche Datensamm- lung zur Gewalt gegen Frauen und zur Wirksamkeit von Intervention, Prävention und Unterstützung. Hierzu sollte auch die Polizeiliche Kriminalstatistik (PSK) regelmäßig zur Verfügung gestellt und aus- gewertet werden. Zudem sollten wissenschaftliche

168 D.III.Flucht gründe sein wie (drohende) Verfolgung oder Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Ge- schlechtsidentität. Frauen fliehen grundsätzlich aus Derzeit befinden sich über 65 Millionen Menschen den gleichen Gründen wie Männer, aber vergleichs- auf der Flucht oder wurden vertrieben.32 2015 wur- weise häufiger wegen sexualisierter und geschlechts- den in Deutschland ca. 477.000 und von Januar bis bezogener Gewalt. Menschen erleben zudem während Oktober 2016 bereits ca. 694.000 Asylanträge gestellt ihrer Flucht häufig geschlechtsbezogene Formen (BAMF 2016). Das Verlassen des Herkunftslandes, die von Gewalt und Diskriminierung (Schwenken 2017: Flucht mit ihren verschiedenen Stationen und insbe- 4; Linke et al. 2016). sondere die Ankunft in einem anderen Land stellen eine einschneidende Übergangsphase im Lebens- Für eine umfassende Betrachtung von Geschlecht verlauf geflüchteter Menschen dar. Mit der jüngs- und Flucht müssen alle Stationen des Fluchtpro- ten Aufnahme einer großen Zahl Geflüchteter in zesses berücksichtigt werden. Dafür ist das Konzept Deutschland sind neue Herausforderungen auch und des „Gewaltkontinuums“ empfehlenswert (Krause gerade in gleichstellungspolitischer Hinsicht ver- 2015; Ferris 1990). Demnach greifen beispielsweise bunden. Aufgrund der Aktualität des Themas hat die „konflikt-, verfolgungs- und fluchtspezifische Sachverständigenkommission eine Expertise zum Gewaltformen (z. B. in Lagern) mit anderen ge- Thema „Integration von Flüchtlingen unter einer schlechtsbezogenen Diskriminierungen und Ge- Gleichstellungsperspektive – Bestandsaufnahme und waltformen (z. B. häusliche Gewalt, Kinder- und Forschungsbedarf“ (Schwenken 2017) beauftragt, auf Zwangsheiraten, Ressourcenzugang für Frauen) in- die der folgende Abschnitt stark Bezug nimmt. einander“ (Schwenken 2017: 22). So verstärken sich verschiedene Formen von Gewalt und Diskriminie- Die Sachverständigenkommission ist sich bewusst, rung gegenseitig. dass Flucht, Migration und Integration gerade in Bezug auf Geschlechterverhältnisse eine große Her- Es gibt sehr viele Projekte und Programme zur Un- ausforderung für alle Beteiligten darstellen. Für Ge- terstützung geflüchteter Menschen, die sich derzeit flüchtete, aber auch für die Aufnahmegesellschaft meist noch in der Entwicklungs- und Startphase be- bedeuten sie einen wechselseitigen Lernprozess und finden. Geschlecht und geschlechtsbezogene Gewalt­ erfordern den Umgang mit gesellschaftlicher Ver- erfahrungen werden von diesen nicht durchweg in änderung. In diesem Gutachten können nicht alle den Blick genommen. Somit könnten die besonderen Facetten dessen beleuchtet werden. Es fokussiert auf Bedarfe bestimmter Zielgruppen nicht angemessen Gewaltprävention für Geflüchtete und deren Integ- Berücksichtigung finden. ration in den Arbeitsmarkt. Kommen zu der einschneidenden Übergangser- fahrung Flucht weitere Übergangsprobleme (etwa Berufseinstieg, Trennung von der Familie), stellt dies Die Sachverständigenkommission empfiehlt im Bereich die Betroffenen vor Herausforderungen von beson- Flucht, Migration und Integration: derer Qualität und Intensität. Für eine gelingende – Generierung von Wissen und öffentliche gesellschaftliche Teilhabe geflüchteter Menschen ist Kommu­ nikation­­­ zum Handlungsfeld Flucht eine stärkere gleichstellungspolitische Perspektivie- und Geschlecht rung des Handlungsfeldes dringend geboten. Dies – Ausbau von Maßnahmen zum Gewaltschutz betrifft das Erlernen der deutschen Sprache, das für geflüchtete Menschen Wohnen in einer eigenen Wohnung und ganz – gleichstellungsorientierte Förderung und besonders die Integration in den Arbeitsmarkt Gestaltung der Arbeitsmarktintegration (Burkhardt 2016: 94). Bisher ist zu beobachten, dass – Entwicklung und verbindliche Regelung von geduldete Männer deutlich stärker und schneller Gleichstellungsstandards und Gewaltschutz­ am deutschen Arbeitsmarkt teilhaben als geduldete konzepten für Erstaufnahmeeinrichtungen Frauen (Schwenken 2017: 17). Ziel sollte jedoch sein, und weiteren Institutionen dass alle Menschen ein Leben mit eigenständiger Existenzsicherung führen können.

Vorbemerkung 32 Die meisten Menschen flüchten in ihre Nachbarstaaten. 86 % der Kriege und bewaffnete Konflikte, die wirtschaftliche Geflüchteten werden in sogenannten Entwicklungsländern aufgenom- und politische Destabilisierung von Regionen und men. Die fünf Hauptaufnahmeländer waren im Jahre 2015 die Türkei, lebensbedrohliche Armut können ebenso Flucht- Pakistan, der Libanon, der Iran und Äthiopien (UNHCR 2016: 2).

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Flucht III.3 169 1. Generierung von Wissen und Auch sollten partizipative Forschungsansätze ausge- öffentliche Kommunikation baut werden. Selbstorganisationen von Geflüchteten und von Migrantinnen und Migranten sollten bei der Die Förderung eines gesellschaftlichen Klimas, das Generierung von Wissen unterstützt und in die Ent- alle geflüchteten Menschen wertschätzt, ist auch aus wicklung von Forschungsdesigns einbezogen werden. gleichstellungspolitischer Sicht wichtig, da die Prinzi- pien von Gleichheit, Freiheit und Demokratie nur so Gewonnene Forschungsdaten und -erkenntnisse zu glaubhaft vertreten werden können. den vielfältigen Selbstverständnissen von Geflüch- teten sollten systematisch an Zielgruppen außerhalb Die Gruppe der Geflüchteten ist heterogen. Das der Fachöffentlichkeit kommuniziert werden; dabei betrifft auch die Geschlechtsidentitäten und die Ein- sollte die Reproduktion geschlechtsbezogener Stereo- stellung zum Thema Gleichstellung. Dieser Hetero- type (etwa der „unterdrückten Frau“ oder des „gewalt- genität wird im öffentlichen Diskurs kaum Rechnung tätigen Mannes“) vermieden werden. Die Sachverstän- getragen. Oftmals kommt es zur Reproduktion ste- digenkommission empfiehlt auch wissenschaftliche reotyper Bilder und zu verallgemeinernden Zuschrei- Projekte sowie eine zivilgesellschaftliche Debatte, die bungen. Kontextgenaue Studien zur geschlechtsbe- zu einer kritischen Reflexion von Rollen und Positio- zogenen Situation geflüchteter Frauen und Männer nen innerhalb einer Einwanderungsgesellschaft anre- sowie Verschränkungen mit anderen sozialen Faktoren gen. Bislang sind solche Ansätze in Förderlinien nicht können dem entgegenwirken. enthalten (vgl. Schwenken 2017: 78).

Um zu einer gleichstellungsorientierten Einschät- Die Bundesregierung und öffentliche Stellen sollten zung und Verbesserung der Situation Geflüchteter als kommunikatives Vorbild wirken. So sollte z. B. zu gelangen, ist eine Grundvoraussetzung, dass das durchgehend „bei der Thematisierung patriarchaler statistische Wissen und Datenmaterial geschlechter- Praktiken darauf geachtet werden, diese nicht pau- different sowie intersektional unter Berücksichtigung schal auf ‚Kulturen‘ zurückzuführen, denn dieses des Flüchtlingsstatus erfasst und aufbereitet wird. nimmt die individuellen Positionen und gesellschaft- Forschungslücken zum Thema Flucht und Geschlecht lichen Auseinandersetzungen in den jeweiligen com- sollten geschlossen werden: Dies betrifft die Fluch- munities nicht wahr und erschwert sozialen Wandel“ tursachen, die Integrationserwartungen und den (Schwenken 2017: 82). Bildungshintergrund geflüchteter Frauen und Männer ebenso wie die Bedeutung der sexuellen Ori- Die Sachverständigenkommission empfiehlt außer- entierung und Geschlechtsidentität vor, während und dem, die gleichstellungspolitischen Aspekte von nach der Flucht. Mit massendatenbasierten Studien ist Flucht in zukünftigen Berichten als Querschnittsper- es schwierig, die komplexe und oft widersprüchliche spektive zu betrachten. Mehrdimensionalität von Geschlechterverhältnissen zu fassen. Es fehlt an größeren Forschungsprojekten, in denen quantitative und qualitative Herangehens- 2. Maßnahmen zum Gewaltschutz weisen kombiniert werden. Ferner mangelt es an Forschung, die eine Langzeit- und Generationen- Es gibt zwei Möglichkeiten der rechtlichen Berück- perspektive bezüglich der Integration geflüchteter sichtigung geschlechtsbezogener Fluchtursachen: Menschen einnimmt und die zugleich den Blick auf im Rahmen der Anerkennung als asylberechtigt Geschlecht richtet (Schwenken 2017: 82ff.). nach Art. 16a Grundgesetz (GG) oder im Rahmen der Anerkennung internationalen Schutzes, insbesonde- Aufgrund der hohen Rate von Traumatisierten unter re der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach den geflüchteten Menschen sollte diese Forschung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) bzw. des spezifische ethische Standards wie beispielsweise die subsidiären Schutzes (vgl. §§ 3–4 Asylgesetz (AsylG)). ethischen Richtlinien („Ethical Guidelines“) des Ox- Der Anwendungsbereich des verfassungsrechtlichen ford Refugee Studies Center einhalten (vgl. Schwenken Rechts auf Asyl ist aufgrund der Einschränkungen 2017: 21). Inwiefern ethische Standards verbindlich ge- durch den Asylkompromiss von 1993 (Drittstaaten- regelt werden und welche Institutionen für deren Ein- lösung und sogenannte sichere Herkunftsstaaten) haltung zuständig sein könnten, muss an den Hoch- sehr gering. In der GFK findet sich Geschlecht nicht schulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland in der Liste der Fluchtgründe. In der Auslegung wur- noch eingehender diskutiert werden; das Bundesmi- de es jedoch der Kategorie „soziale Gruppe“ zugeord- nisterium für Bildung und Forschung (BMBF), der net, und mit der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU Wissenschaftsrat und die Deutsche Forschungsgesell- (QRL) wurde diese Zuordnung verbindliches Recht. schaft (DFG) könnten hierbei unterstützen. Im Jahre 2013 entschied der Europäische Gerichts-

170 hof, dass auch homo- und bisexuelle Personen sowie besondere Bedürfnisse hat, als auch für die Verfahrens- Transgenderpersonen unter die Kategorie „soziale garantie, einer festgestellten Schutzbedürftigkeit be- Gruppe“ subsumiert werden, wenn sie geschlechts- sonders Rechnung zu tragen (vgl. dazu Pro Asyl 2016). bezogener Verfolgung oder Gewalt ausgesetzt sind (NVwZ 2014: 132; siehe auch Markard/Adamietz Bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die 2011). Wesentliche Voraussetzung, um geschlechts- Flucht sollte das Dublin-Verfahren ausgesetzt werden: bezogene Verfolgung rechtlich anerkennen zu kön- Schwer traumatisierte oder auf andere Weise Geschä- nen, ist die Erkenntnis, dass Verfolgung auch von digte sollten ähnlich wie Minderjährige ein Recht auf nichtstaatlichen Akteurinnen oder Akteure ausgehen ein Ende der Flucht und einen besonderen Schutzan- kann (Art. 6 QRL bzw. § 3c Nr. 3 AsylG). Bei Frauen, spruch (Art. 24, 25 EU-Verfahrensrichtlinie) erhalten. die nach der QRL nicht als verfolgt gelten, denen aber In diesen Fällen könnte jenseits der Zuerkennung des aufgrund der Trennung von ihrer Familie, des Ver- internationalen Schutzes ein Bleiberecht aus humani- lusts ihres Lebenszusammenhangs, wegen Krankheit, tären Gründen geschaffen werden (so Dorothee Frings Schwangerschaft oder der Versorgung kleiner Kinder beim Fachforum „Geschlecht, Flucht, Integration“). die Existenzgrundlage im Herkunftsland fehlt, sollte Das deutsche Aufenthaltsrecht und Asylrecht stellen besonders gründlich geprüft werden, ob die Gefahr hierfür bislang rechtliche Schranken dar. einer unmenschlichen Behandlung (Art. 3 EMRK; § 4 Abs. 1 AsylG; vgl. Art. 2 lit. f, g QRL) oder die Gefahr Was minderjährige Flüchtlinge angeht, sind nicht für Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, nationales nur Mädchen von Verfolgung betroffen. Jungen Abschiebehindernis) greift (so Dorothee Frings beim können etwa vor einer Zwangsrekrutierung als Fachforum „Geschlecht, Flucht, Integration“). Kindersoldaten fliehen und dann stark traumati- siert sein (UNHCR/UNFPA 2016: 5). Ebenso sind Die Diskussion über sichere Herkunftsstaaten ist aus auch Jungen von sexualisierter Gewalt als Mittel einer Gleichstellungsperspektive noch nicht abge- der Macht und Erniedrigung in kriegerischen Aus- schlossen und sollte wieder aufgenommen werden; die einandersetzungen betroffen (Linke et al. 2016). Anerkennung möglicher geschlechtsbedingter Fluch- Auch Zwangsheiraten treffen Jungen (wenn auch tursachen wird dadurch, dass bestimmte Länder als in deutlich geringerem Ausmaß Maße und vor dem sicher definiert werden, erschwert. Gerade aus Gleich- Hintergrund patriarchaler Gesellschaften anders als stellungsperspektive ist die Beachtung europäischer Mädchen). Auch während der Flucht erleben unbe- und internationaler menschenrechtlicher Vorgaben gleitete Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts zentral, da sie geschlechtsbezogene Fluchtursachen bedrohliche Situationen und sexualisierte Gewalt anerkennen. Die spezifischen Lebenslagen von Frau- (Schwenken 2017). Die Sachverständigenkommissi- en sollten im Rahmen des subsidiären Schutzes und on empfiehlt, diesen Umständen verstärkt Aufmerk- bei der Prüfung von Abschiebehindernissen besonders samkeit zu schenken. berücksichtigt werden.

Für diejenigen Fälle, bei denen der Familiennachzug 3. Gleichstellungsorientierte Arbeitsmarktintegration angewandt wird, ist davon auszugehen, dass zukünf- tig vermehrt Kinder und Frauen nach Deutschland Gleichstellungsorientierte arbeitsmarktorientierte kommen werden (Schwenken 2017: 26f.). Im Fall von Projekte wie Sprach- und Integrationskurse sollten Einschränkungen des Familiennachzuges wiederum Geschlecht als eine inhaltliche wie auch strukturel- wird die Mittelmeerfluchtroute zukünftig stärker le Frage behandeln. Die Berücksichtigung von Ge- auch von Frauen und Kindern genutzt werden. schlecht erschöpft sich bislang häufig in der Durch- Solchen geschlechtsbezogenen Implikationen der führung von Frauenprojekten. Um die Reproduktion Grenz- und Asylpolitiken gilt es entgegenzuwirken. von Geschlechterstereotypen bei Maßnahmen zur Ar- beitsmarktintegration Geflüchteter zu vermeiden, Wird der Herkunftsstaat als sicher eingestuft, durch- sollten genderkompetente Schulungsmaterialen ent- laufen die Betroffenen ein Schnellverfahren (§§ 30a i. wickelt und genderkompetente Fortbildungen für V. m. 29a AsylG). Bislang fehlen flächendeckende Iden- das damit befasste Personal angeboten werden. Denn tifizierungsmechanismen für Schutzbedürftigkeit. es besteht die Tendenz, geflüchtete Frauen (jeder Al- Besonders im Rahmen von Schnellverfahren ist eine tersgruppe) aufgrund von Geschlechterstereotypen Prüfung nur schwer möglich. Unionsrechtliche Vorga- zu frauendominierten Berufen in der Sorgearbeit und ben zur Schutzbedürftigkeit Antragstellender sind bis- in niedrigqualifizierten Dienstleistungsbereichen zu lang nicht umgesetzt worden. Dies gilt sowohl für die raten (Schwenken 2017: 80). Dies widerspricht dem Feststellung der Schutzbedürftigkeit, ob also ein An- Anliegen, SAHGE-Berufe verstärkt auch für Männer tragsteller oder eine Antragstellerin bei der Aufnahme attraktiv zu machen. Geschlechterstereotype Berufs-

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Flucht III.3 171 beratung und Arbeitsvermittlung aber ist nämlich eine gute Bleibeperspektive haben. Problematisch sind nicht nur auf Wünsche der Beratenen zurückzufüh- diese Beschränkungen erstens, weil dieser Begriff kein ren, sondern auch auf Stereotype bei Beratenden und Rechtsbegriff ist und von Ländern und Kommunen zu Förderstrukturen. Eine höhere interkulturelle und unterschiedlich eingeschätzt wird und folglich für die Genderkompetenz bei den Beraterinnen und Beratern Betroffenen nicht nachvollziehbar wird, wer, warum könnte etwa dazu führen, das Berufsspektrum der Ge- und wann Zugang zu Programmen erhält (Schwen- flüchteten zu erweitern. Dies würde insbesondere ge- ken 2017: 8). Zweitens werden auf diese Weise auch flüchteten Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen Geflüchtete von Unterstützungsleistungen ausge- zugutekommen (Schwenken 2017; siehe auch C.II). schlossen, die trotz fehlender oder unklarer Bleibeper- spektive das Land auf absehbare Zeit tatsächlich nicht Für die Bundesagentur für Arbeit (BA) gilt es, die in- verlassen werden. So werden Schutz und gesellschaftli- dividuellen Lebenslagen geflüchteter Männer und che Teilhabe durch das „Labeln“ bestimmter Personen- Frauen zu berücksichtigen und den Fokus auf den Le- gruppen exklusiv (vgl. ebd.). bensverlauf zu legen. Vor allem die berufliche Ausbil- dung ist eine wichtige Weichenstellung. Hierbei gilt Für Frauen in der Familienphase ist Kinderbetreu- es, geflüchtete Frauen bei der Entscheidung, eine Aus- ung oft der Schlüssel zur Teilhabe am Arbeitsmarkt. bildung zu beginnen, und bei der Wahl eines Ausbil- Möglichkeiten zur Kinderbetreuung wurden inzwi- dungsberufes geschlechtersensibel zu unterstützen. schen zwar allgemein ausgeweitet, es fehlt jedoch weiterhin an bedarfsgerechter Kinderbetreuung wäh- Unter geflüchteten Frauen besteht generell ein hoher rend Sprachkursen und Berufsfördermaßnahmen. Wunsch nach Integration auf dem Arbeitsmarkt. Der Coaching oder niedrigschwellige Beratungsangebo- Frauenanteil an den sozialversicherungspflichtig Be- te (Heidi Holzhauser beim Fachforum „Geschlecht, schäftigten mit Fluchterfahrung ist jedoch gering (bei Flucht, Integration“; so auch GFMK 2016: 21) sollten aus nichteuropäischen Ländern Geflüchteten nur ca. insbesondere für geflüchtete Frauen mit (kleinen) ein Fünftel, vgl. BA 2016: 13). Auch ist der Anteil von Kindern ausgebaut werden. Frauen unter den Teilnehmenden von Integrations- kursen im Vergleich zu Männern geringer. Fehlende Sprachkenntnisse der geflüchteten Men- schen gilt als gravierendes Hemmnis für ihre Teilhabe In arbeitsmarktbezogenen Programmen schafft die am Arbeitsmarkt. Eine berufsorientierte Sprach­ Anerkennung vorhandener Schul-, Berufs- und Hoch- förderung, bei der sprachliche und fachliche Kennt- schulabschlüsse Probleme; bei einem Hochschul­- nisse miteinander verzahnt vermittelt werden, kann abschluss wird z. B. oft nur die Hochschulzulassung helfen, diese Hürde zu überwinden. Angesichts des anerkannt. Geflüchtete werden deshalb in Absehung Personalmangels bei der Unterrichtung von Deutsch ihrer Qualifikationen häufig in anderen Berufen tätig als Fremdsprache – bedingt auch durch schlech- oder machen eine weitere Ausbildung. te Verdienstmöglichkeiten – wird eine möglichst niedrigschwellige Offensive zur Akquirierung Der Zugang geflüchteter Frauen zu Programmen und entsprechender Lehrkräfte empfohlen, ohne dabei Maßnahmen hängt von vielen Faktoren ab. Insbeson- Qualitätsstandards zu senken. dere bei frühen Integrationsmaßnahmen (z. B. bezogen auf den Arbeitsmarkt und Sprachkurse) sind nicht nur Projekte werden häufig nur finanziert, wenn die der formale Status und der Stand des Asylverfahrens Zielgruppe für „besondere schutzbedürftig“ erachtet entscheidend, sondern auch, wie die Behörden die wird. Diese Bedingung ist anfällig für die Bildung eines Bleibeperspektive einschätzen (Schwenken 2017). So Stereotyps der „verletzlichen geflüchteten Frau“, das fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, deren Vulnerabilität betont. Zudem besteht die Gefahr, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bundesweit rund 430 dass andere Zielgruppen kaum oder nicht berücksich- Jugendmigrationsdienste, die 12- bis 27-jährige Men- tigt werden. Beispielsweise gibt es bislang nur weni- schen mit Migrationshintergrund und geflüchtete ge geschlechterkompetente Projekte für geflüchtete Menschen mit guter Bleibeperspektive bei ihrer schu- Jungen und Männer (Schwenken 2017: 77). lischen, beruflichen, sozialen und sprachlichen Inte- gration – schwerpunktmäßig zum Übergang von der Bislang werden öffentliche Projekte für Geflüchtete Schule in den Beruf – beraten und begleiten. Auch das (auch frauenspezifische) vor allem im städtischen Programm „Stark im Beruf – Mütter mit Migrations- Raum durchgeführt, während in ländlichen Regionen hintergrund steigen ein“ des BMFSFJ und des Europä- hier eine deutliche Lücke erkennbar ist (Schwenken ischen Sozialfonds (ESF) fördert die Erwerbsaufnahme 2017: 78). Bei Angeboten im ländlichen Raum sollte von Müttern mit Migrationshintergrund, von Asylbe- die Lösung von Mobilitätsfragen in die Projektkonzep- rechtigten und geflüchteten Müttern nur, wenn diese tion einfließen.

172 Generell sollten sich die beteiligten Institutionen, wie angeht, sollten zudem die Interventionsmöglichkei- das BAMF, die BA und andere Mittelgeber um eine ten und das Beschwerdemanagement in den Unter- Verstetigung und Professionalisierung von Projekten künften ausgebaut werden. und Maßnahmen bemühen. Denn die Integrations- effekte dürften günstiger und nachhaltiger ausfallen, Zu beachten ist auch, dass ein Wohnortwechsel oft der wenn Projekte nicht isoliert, sondern in lokale Struk- einzige Weg ist, um einer gewalttätigen Situation zu turen eingebunden sind. Kooperationsbeziehungen entkommen. Die derzeitige behördliche Praxis wird in Programmen für geflüchtete Menschen sollten dem kurzfristigen Schutzbedarf gewaltbetroffener gefördert und bei der Mittelvergabe positiv berück- geflüchteter Menschen nicht gerecht (so Heike Rabe sichtigt werden. beim Fachforum „Geschlecht, Flucht, Integration“; GFMK 2016: 31ff.). Die Sachverständigenkommis- sion empfiehlt daher, jedenfalls in diesen Fällen die 4. Standards für Gewaltschutzkonzepte und rechtliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Re- Gleichstellung sidenzpflicht, Wohnsitzauflagen) aufzuheben oder Personen, die akut von geschlechtsbezogener Gewalt Der Schutz vor und die umfassende Versorgung bei getroffen sind, schnell und unbürokratisch in andere Gewalt sind grundlegende Voraussetzungen für die Unterkünfte zu übersiedeln. Hierfür ist sicherzustel- Inanspruchnahme weiterer Rechte – wie das Recht len, dass die Zuständigen schnell rechtssichere Ent- auf Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung und auf scheidungen treffen können (so auch die Vorschläge gesellschaftliche Teilhabe – von Geflüchteten (so des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Rabe Heike Rabe beim Fachforum „Geschlecht, Flucht, 2015: 23f.). Dabei gilt es, auch der spezifischen Schutz- Integration“). Deshalb gilt es, die Vorgaben beste- bedürftigkeit von LSBTIQ* Rechnung zu tragen und hender Gewaltschutzkonzepte zu Räumlichkeiten, entsprechende Angebote auszubauen. Personal und Verfahren verbindlich auf alle Erstauf- nahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte Das BMFSFJ hat gemeinsam mit UNICEF und weite- anzuwenden und ihre Umsetzung durch regelmäßige ren Partnern im Rahmen der „Initiative zum Schutz Überprüfung abzusichern (so Heike Rabe beim Fach- von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften“ forum „Geschlecht, Flucht, Integration“). Des Weite- Mindeststandards zum besseren Schutz vor Gewalt in ren sind unions- und völkerrechtliche Vorgaben wie Unterkünften für Geflüchtete entwickelt. Dazu zäh- Art. 52, 53 Istanbul-Konvention und Art. 18 Abs. 4 len bauliche Schutzmaßnahmen wie abschließbare EU-Aufnahmerichtlinie 2013/13/EU umzusetzen, die Wohneinheiten und nach Geschlechtern getrennte Deutschland zu geeigneten Maßnahmen verpflich- Sanitäranlagen, aber auch niedrigschwellige Integrati- ten, um Übergriffe und geschlechtsbezogene Gewalt onsangebote, kinderfreundliche Räume, psychosoziale einschließlich sexualisierter Übergriffe in Unterbrin- Hilfe und Betreuung von Kindern, Jugendlichen und gungszentren zu verhindern. Frauen sowie die Schulung des in den Einrichtungen tätigen Personals. Das Recht auf Intimsphäre ist für Frauen und Mädchen von großer Bedeutung. Dies gilt auch und besonders für Um einen barrierefreien Zugang zu Informationen und diejenigen, die im Familienverbund einreisen. Bei der Unterstützungsangeboten zu schaffen, sollten nicht Konzipierung der Unterkünfte muss beachtet werden, nur kostenfreie Dienste von Dolmetscherinnen und dass Frauen unter den geflüchteten Menschen derzeit Dolmetschern in Anspruch genommen werden kön- deutlich in der Minderheit sind. Viele von ihnen sind nen. Es gilt außerdem, mehr Beratung von Geflüchteten jünger als 30 Jahre, haben kleine Kinder oder können durch Geflüchtete zu etablieren. Da es Frauen häufig schwanger sein. Um geflüchtete Frauen zu unterstüt- leichter fällt, mit Frauen über ihre spezifischen Prob- zen, sollten Frauenräume, Austauschmöglichkeiten lemlagen zu sprechen, sollte geflüchteten Frauen die außerhalb der Familie, Übersetzungshilfen und Kin- Möglichkeit geboten werden, Beratung ausschließlich derbetreuung bereitgestellt werden (GFMK 2016: 31ff.). durch Frauen in Anspruch zu nehmen. Zu unterstützen Häufig stellt die Kostenübernahme medizinischer Be- sind Initiativen des BMFSFJ, Beratungs- und Schutz­ handlungen ein Problem dar; diese sowie der Zugang zu angebote für Frauen mehrsprachig zur Verfügung zu medizinisch geschultem Personal sollten gewährleistet stellen und somit auch geflüchteten Menschen zugäng- werden (so Heike Rabe beim Fachforum „Geschlecht, lich zu machen (z. B. Beispiel die Hilfetelefone „Gewalt Flucht, Integration“). gegen Frauen“ und „Schwangere in Not“).

Die Bundesländer sollten die Anzahl der speziellen Eine genderkompetente Beratung bezieht das fami- Gemeinschaftsunterkünfte für Frauen und Kinder liäre Umfeld ein und beachtet die spezifischen Prob- erhöhen. Was den Umgang mit (sexualisierter) Gewalt lematiken der durch Flucht auseinander gerissenen

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Flucht III.4 173 Familien und der Familienzusammenführung. Die geflüchteter Menschen zu gewährleisten, einerseits Beratung sollte offen, auf Wünsche und Potenziale hin durch entsprechende Programminhalte, andererseits ausgerichtet sein und ohne Stereotype auskommen durch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Maren Gag beim Fachforum „Geschlecht, Flucht, In- Das Einhalten dieser Standards sollte als Querschnitts- tegration“). aufgabe in die Arbeitsstandards und das Qualitäts­ management der jeweiligen Trägerinstitution Ein- Während der Integrationskurse und darüber hinaus gang finden. Standards für die genderkompetente sollte eine gute Infrastruktur für die Betreuung von Unterstützung von geflüchteten Menschen sollten Kindern (so auch eine Forderung der GFMK 2016: gleichstellungsorientierte Vorgaben zur Konzipie- 21ff.) gewährleistet sein. Zudem sollten Unterstüt- rung, zur Mittelvergabe, zur Durchführung und zur zungs- und Integrationsangebote bereitgestellt wer- Evaluation von Programmen und Maßnahmen um- den, an denen Frauen gemeinsam mit ihren Kindern fassen. Eine regelmäßige Bewertung der Arbeit der teilnehmen können; diese ermöglichen auch, dass Träger, z. B. über Zielvereinbarungen mit Zuwen- traumatisierte Kinder im Bedarfsfall nicht länger von dungsgebern, ist zu empfehlen. ihrer primären Bezugsperson getrennt werden.

§ 11 Abs. 3 Integrationskursverordnung (IntV) ent- hält eine Regelung zu Praktika, die begleitend zu den Integrationskursen angeboten werden sollen. Bisher jedoch wird von einem kombinierten Spracherwerb mit Lern- und Anwendungsphasen wenig Gebrauch gemacht. Gerade für Menschen ohne oder mit wenig Schulerfahrung in der Kindheit (davon sind weltweit wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen) ist rei- nes „Buchlernen“ aber nicht zielführend. Die nach der IntV vorgesehene Kooperation zwischen Arbeitsagen- tur und Sprachkursträgern (§ 11 Abs. 3 IntV) sollte da- her ausgebaut werden (so Dorothee Frings beim Fach- forum „Geschlecht, Flucht, Integration“).

Konzeptionell ist es wichtig, Projekte zu entwickeln und zu fördern, die gezielt mit Jungen und Männern zu arbeiten. Auch diese sorgen sich um zurückgelas- sene Familienangehörige oder haben während der Flucht Gewalterfahrungen gemacht. Eine ausdrück- liche Perspektive auf die Problemlagen geflüchteter Männer hat einen gleichstellungspolitischen Mehr- wert und gewaltpräventive Wirkungen. Jede Person individuell und mit ihrem spezifischen Hintergrund und ihren Erfahrungen ernst zu nehmen, kann vor- schnellen Kategorisierungen, Stigmatisierungen und Marginalisierung entgegenwirken und Ansatzpunkte für alternative und umfassende Problemlösungen er- öffnen. Wo Frauen oder Männer bei Hilfsangeboten für geflüchtete Menschen unterrepräsentiert sind, ist zu hinterfragen, ob dies angemessen ist; falls nicht, sollte die unterrepräsentierte Gruppe einbezogen wer- den (Schwenken 2017: 78). Um beantworten zu kön- nen, was die unterrepräsentierte Gruppe braucht, um teilzunehmen, kann ein aufsuchender Ansatz erfolg- versprechend sein – auch wenn er mit erheblichem Aufwand verbunden ist.

Die dargestellten Empfehlungen sollten in die Ent- wicklung von Standards für Träger und Institutionen einfließen, um eine genderkompetente Integration

174 D.IV.Stärkung von Strukturen und Handlungsfeld Berufswahl und berufliche Weiterbil- Instrumenten für die Durchsetzung dung empfohlen, die „Qualitätsoffensive Weiterbil- dung“ als neue Anlaufstelle unter dem Dach der Bun- von Gleichstellung desagentur für Arbeit (BA) zu schaffen (siehe C.II.2.a). Außerdem empfiehlt die Sachverständigenkommis- Institutionelle Mechanismen und Strukturen zur Um- sion die Gründung einer „Kommission für die Neu- setzung des verfassungsgemäßen Gleichstellungsauf- ordnung der Arbeit im Bereich der personenbezoge- trages sind die Voraussetzung dafür, eine konsistente nen Dienstleistungen“ (siehe C.IV.3.b). Auch sollte ziel- und wirkungsorientierte Gleichstellungspolitik in Zukunft ein Sachverständigengremium dafür sor- auf der Grundlage gleichstellungspolitischer Hand- gen, dass das Arbeitsmarktmonitoring in Deutsch- lungsbedarfe zu verwirklichen. Dies gilt nicht nur für land deutlicher gleichstellungsorientiert gestaltet die Bundesebene, sondern auch für Länder und Kom- wird (D.I.4). Zudem verdeutlicht das vorliegende munen sowie für Verbände. Gutachten, dass in einigen Themenbereichen noch Wissenslücken bestehen. So empfiehlt die Sachver- ständigenkommission die regelmäßige Berechnung nicht nur der geschlechtsbezogenen Entgeltlücke Die Sachverständigenkommission empfiehlt in Bezug (Gender Pay Gap), sondern auch der geschlechtsbezo- auf institutionelle Mechanismen und Strukturen der genen Lücke in den Altersbezügen (Gender Pension Gleichstellungspolitik: Gap) und in den Monatseinkommen (Gender Over- – Gleichstellungsaktionspläne und -strategien all Earnings Gap) sowie der geschlechtsbezogenen mit konkreten Zielvorgaben für die Verwirk­ Unterschiede in der Zeitverwendung (Gender Care lichungschancen der Geschlechter Gap) durch das Statistische Bundesamt. Dieses sollte – gleichstellungsorientierte Haushaltspolitik zudem die Methodik zur Berechnung der verschiede- – gleichstellungsorientierte Gesetzesfolgenab- nen Indikatoren verbessern, um die Intersektionali- schätzung tät der Geschlechtsdiskriminierung präziser erfassen – Etablierung einer wissenschaftlichen Beratungs-, zu können. Dies verbessert die Voraussetzungen für Service- und Transfereinrichtung für die Gleich­ die Entwicklung geeigneter und adressatengerechter stellungspolitik Maßnahmen (siehe genauer C.I.2.b).

Im vorliegenden Gutachten findet sich eine Reihe Vorbemerkung von Verweisen auf gleichstellungspolitisch erfor- derliche Datenerhebungen und Forschungsbedarfe. Bereits im Ersten Gleichstellungsbericht waren Emp- Dies trifft insbesondere auf die Interdependenzen fehlungen zu verschiedenen Bausteinen für instituti- von Differenzkategorien zu: Erhebungen dazu sind onelle Mechanismen der Gleichstellungspolitik ent- erforderlich, um die Verwirklichungschancen von halten. So wurden Legislaturperioden übergreifende Frauen und Männern verschiedener sozialer Grup- stabile Strukturen und Strategien für Gleichstellungs- pen in ihrer Verwobenheit zu verstehen und um politik vorgeschlagen (Bundesregierung 2011a: 32). Regierungshandeln evidenzbasiert und differenziert Auch die Etablierung eines nationalen Berichtswe- auf die tatsächlichen Problemlagen hin zuschneiden sens wurde benannt, wie es in anderen Politikfeldern zu können. Auch in den Themenbereichen Digitali- vorhanden ist (ebd.: 30). Ein unterstützendes Gender sierung und Flucht wird die Dimension Geschlecht Budgeting (gleichstellungsorientierte Haushalts- bisher zu wenig fachlich beleuchtet (hierzu genauer führung) und die konsistente Anwendung einer ge- D.I und D. III). schlechtergerechten Gesetzesfolgenabschätzung wur- den vorgeschlagen, Gleichstellungsrahmenpläne als Gleichstellung von Frauen und Männern sollte bei wichtiges Instrument zur Harmonisierung von Gleich- Akteurinnen und Akteuren der öffentlichen Hand stellungsmaßnahmen genannt (ebd.: 34). Zudem wur- deutlicher als bisher als Leitprinzip verankert wer- de die Gründung eines neuen Forschungszentrums zur den. So wird Gleichstellung in der Gemeinsamen Gleichstellung – als Zusammenschluss von Wissen- Geschäftsordnung der Bundesministerien zwar als schaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft – vorge- durchgängiges Leitprinzip bezeichnet, das bei allen schlagen, um einschlägige Forschung und Politikent- politischen, normgebenden und verwaltenden Maß- wicklung in breiterem Maße weiterzuführen (ebd.: 35). nahmen der Bundesministerien gefördert werden soll (vgl. Bundesregierung 2011b: 6). Es gibt aber Hinwei- Das vorliegende Gutachten gibt eine Reihe von Emp- se darauf, dass dieses Leitprinzip noch stärker als bis- fehlungen zur Stärkung von Strukturen der Gleich- her handlungsleitend werden könnte (vgl. Geppert/ stellungspolitik. So wird z. B. im Hinblick auf das Lewalter 2012).

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Stärkung von Strukturen und Instrumenten für die Durchsetzung von Gleichstellung IV. 175 Nachfolgend werden Instrumente, Maßnahmen 2. Schritte zu einer geschlechtergerechten und Strukturen beschrieben, die Gleichstellung Haushaltspolitik weiter stützen können. Gleichstellungspolitik sollte dabei im Sinne eines Steuerungszyklus ge- Ein Verfahren, das sich weltweit als gleichstellungs- staltet werden: Auf Basis einer Analyse der Situa­ ­ politisches Instrument etabliert hat, ist die gleichstel- tion (z. B. durch die Gleichstellungsberichte in lungsorientierte Haushaltspolitik – das sogenannte jeder Legislaturperiode) können gleichstellungspo- „Gender Budgeting“ (IMF 2016). Ein Gender Budgeting litische Aktionspläne mit konkreten Zielen (siehe ist in Deutschland deshalb angezeigt, da der Bundes- IV.1) ausgearbei­tet werden. Durch die regelhafte haushalt als Gesetz verabschiedet wird und hier die Anwendung von Umsetzungsinstrumenten wie gleichstellungsorientierte Gesetzesfolgenabschät- einer geschlechtergerechten Haushaltspolitik (siehe zung (siehe unten IV.3) anzuwenden ist. Gender IV.2) und eine geschlechterdifferenzierte Gesetzesfol- Budgeting wird in Deutschland bereits teilweise auf genabschätzung (siehe IV.3) kann gewährleistet wer- kommunaler Ebene, auf Länderebene, aber auch bei den, dass Gleichstellung als Leitprinzip durchgängig der Umsetzung von Maßnahmen des Europäischen verwirklicht wird. Die Umsetzung sollte beglei­tet Sozialfonds (ESF) im Verantwortungsbereich des werden z. B. durch Beratung und Monitoring sowie Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) die Evaluierung von Maßnahmen. Dies kann durch realisiert (vgl. Agentur für Gleichstellung im ESF eine Struktur für den Wissenstransfer (siehe IV.4) 2013). Eine gleichstellungsorientierte Haushaltsfüh- unterstützt werden. rung für den Bundeshaushalt als Ganzes fehlt und sollte als finanzpolitisches Instrument des Leitprin- zips Gleichstellung schrittweise eingeführt werden. 1. Gleichstellungsaktionspläne und -strategien Wie diese Empfehlung in Deutschland konkret um- Aktionspläne und Strategien für die Gleichstellung gesetzt werden könnte, beschreibt z. B. eine Machbar- der Geschlechter sind übliche Instrumente für die keitsstudie von Färber et al. (BMFSFJ 2006; VENRO Umsetzung und Entwicklung von Gleichstellungs- 2015). Ebenfalls kann die Umsetzung von Gender Bud- politik. Auf der Ebene der Bundesländer und der geting im Rahmen einer wirkungsorientierten Haus- Städte und Kommunen gibt es sie teilweise bereits haltssteuerung, wie sie in Österreich erfolgt, hierfür (vgl. z. B. Abgeordnetenhaus von Berlin 2014). Auch Impulse geben. Auch eine Reihe anderer europäischer hatten im Jahr 2012 zwei Drittel der Mitgliedstaa- Ländern wendet bereits Gender Budgeting an und ten der Europäischen Union einen Aktionsplan für könnte als Vorbild für Deutschland dienen. Auf dem die Gleichstellung, der von der Regierung oder dem Weg zu einem Gender Budgeting könnte ein „Gender- Parlament angenommen wurde (EIGE 2014: 35). Die Check“ nach Vorbild des „Jugend-Checks“ einführt Bundesregierung hat sich im letzten Jahr für eine werden. Die Entwicklung eines „Jugend-Checks“ ist Strategie der EU-Kommission für die Gleichstellung eine Forderung aus dem Koalitionsvertrag, die in die- von Frauen und Männern ausgesprochen; eine sol- ser Legislaturperiode realisiert werden soll; es geht da- che Strategie sollte auch konkrete Ziele, Maßnahmen rum, alle Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den und Indikatoren enthalten, für die eine Beobachtung Interessen der jungen Generation hin zu überprüfen. (Monitoring) der Umsetzung greift (Bundesregierung 2015). Dieser Forderung schließt sich die Sachver- Auf dem Weg zum Gender Budgeting ist es wichtig, ständigenkommission an und empfiehlt darüber hi- den beteiligten Akteurinnen und Akteuren zu zei- naus die Einführung des Instruments „Aktionsplan“ gen, dass dies nicht unbedingt einen Produkthaushalt auf Bundesebene, in dem verbindliche gleichstel- voraussetzt und auch mit einer kameralistischen lungspolitische Ziele für die jeweilige Legislatur- Haushaltsführung möglich ist (BMFSFJ 2006; vgl. periode festgelegt und mit Maßnahmen unterlegt auch IMF 2016). werden. Damit dieser Aktionsplan wirksam werden kann, muss in ihm bereits die Koordinierungsstruk- tur für die Umsetzung verbindlich geregelt werden; 3. Stärkung der gleichstellungsorientierten auch bedarf es der entsprechenden personellen und Gesetzesfolgenabschätzung finanziellen Ausstattung der Stelle, die federführend für die Erstellung und Begleitung des Aktionsplans Laut § 45 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundes- zuständig ist. ministerien (GGO) wird die Maßgabe des Leitprinzips Gleichstellung u. a. so umgesetzt, dass das Bundesmi- Die im vorliegenden Gutachten erarbeiteten Erkennt- nisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nisse könnten Impulse für die Formulierung verbind- (BMFSFJ) bei Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen licher Gleichstellungsaktionspläne geben. ist, um zu prüfen, ob Auswirkungen von gleich­

176 stellungspolitischer Bedeutung zu erwarten sind auf der Ebene der EU-Strukturfonds („Agentur für (Bundesregierung 2011b: 33, 65). Eine regelhafte ver- Gleichstellung im Europäischen Sozialfonds“). Die bindliche Anwendung der gleichstellungsorientierten Arbeit der vom BMAS eingerichteten Unterstützungs- Gesetzesfolgenabschätzung kann mögliche negative struktur, die gezielt die Verwaltung des Europäischen Gleichstellungseffekte in Gesetzesvorhaben von vorn- Sozialfonds sowie Programmverantwortliche beriet eherein ausschließen (vgl. auch Lewalter 2013). Das und schulte (Agentur für Gleichstellung 2014), wurde BMFSFJ hat zu diesem Zweck eine „Arbeitshilfe ge- positiv evaluiert (Bundesregierung 2016: 135–137). schlechterdifferenzierte Gesetzesfolgenabschätzung“ veröffentlicht (BMFSFJ 2007; Lewalter 2013). Es geht dabei nicht darum, als Struktur ein eigenes Forschungsinstitut zu etablieren; die zu schaffen- Die Sachverständigenkommission empfiehlt, die An- de Einrichtung sollte vielmehr eine Schnittstelle wendung dieser Arbeitshilfe verbindlich zu regeln zwischen Forschung und Anwendung sein, die den und zu überprüfen sowie verbindliche Standards für Transfer von Wissen ermöglicht. Eine weitere Aufga- diesen Prüfprozess zu definieren. Dazu gehört eine be dieser Transferinstitution sollte die Unterstützung verbindliche Relevanzprüfung. Falls ein Gesetzesvor- des Monitorings zur Gleichstellung mithilfe von In- haben keine Relevanz für die Lebenswirklichkeit von dikatoren sein: Diese sind wichtige Instrumente, um Frauen und Männern haben sollte, wäre dies jeweils den Stand der Gleichstellung zu erfassen und Hand- detailliert zu begründen und im Rahmen der Frühab- lungsbedarfe zu identifizieren (siehe hierzu auch B.II.4 stimmung von Gesetzesvorhaben zu überprüfen. und B.II.5). So könnte etwa die Weiterentwicklung des Gender Equality Index (GEI) des EIGE zur Erfassung Die Durchführung der Gesetzesfolgenabschätzung der Gleichstellungssituation in Deutschland erfolgen. sollte durch das zuständige Fachressort erfolgen; für Damit könnte diese Struktur auch Impulse aus der diese Aufgabe sollten fachliche Unterstützung und die europäischen und internationalen Gleichstellungs­ Möglichkeit der Kompetenzentwicklung im Ressort politik aufgreifen und für die nationale Politik frucht- bereitgestellt werden. Die Federführung für die sach- bar machen. gerechte Anwendung des Instruments der gleichstel- lungsorientierten Gesetzesfolgenabstimmung sollte beim Bundesministerium des Innern (BMI) oder beim Bundeskanzleramt liegen. In diesen Ressorts muss daher besondere Fachkompetenz für die vorzuneh- menden Relevanzprüfungen und Folgenabschätzun- gen aufgebaut werden, auf die gegebenenfalls andere Ressorts zugreifen können sollten.

4. Schaffung einer Einrichtung für den Transfer von Wissen über Gleichstellung

Die Institutionalisierung einer gleichstellungspoli- tischen Berichterstattung erfolgte mit der Entschei- dung der Bundesregierung, in jeder Legislaturperiode einen Gleichstellungsbericht vorzulegen. Die Gleich- stellungsberichte leisten Analysen und Empfehlun- gen für bestimmte inhaltliche Schwerpunkte und zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie können größere Wirksamkeit erlangen, wenn sie in einen institutio- nalisierten Prozess eingebunden sind. Das vorliegen- de Fachwissen zu Gleichstellungsfragen kann ins- gesamt breiter und umfassender sowie nachhaltiger genutzt werden, wenn es eine Struktur für den Trans- fer von Wissen sowie für begleitende Beratung für die Verwaltung gibt, wie dies in vielen anderen Politik- feldern bereits die Regel ist (z. B. durch nachgeordne- te Behörden). Ähnliche Strukturen gab und gibt es bereits auf internationaler und EU-Ebene (z. B. Eu- ropean Institute for Gender Equality, EIGE) sowie

Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Stärkung von Strukturen und Instrumenten für die Durchsetzung von Gleichstellung IV.4 177 Literaturverzeichnis Kapitel D BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013): Lebenssitua­ tion und Belastung von Männern mit Behinderungen und Beeinträch- tigungen in Deutschland – Haushaltsbefragung. Abschlussbericht. Abgeordnetenhaus von Berlin (2014): Das gleichstellungspolitische Erarbeitet von Ludger Jungnitz/Ralf Puchert/Nora Schrimpf/Monika Rahmenprogramm (GPR) für die 17. Legislaturperiode. Strategien für Schröttle/Daniel Mecke/Claudia Hornberg. Forschungsbericht Sozialfor- ein geschlechtergerechtes Berlin. Drucksache 17/1609, Berlin, http:// schung 435, Bielefeld; Berlin; München, http://www.bmas.de/Shared- www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-1609.pdf (Abruf: Docs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/fb435. 23.11.2016). pdf?__blob=publicationFile (Abruf: 20.09.2016).

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Aktuelle Heraus­forderungen in der Gleichstellungspolitik D Literaturverzeichnis 181 182 E. Zusammenfassung

Zusammenfassung E  E 183 Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein wichti- Welche Schritte sind geeignet, um den benannten ges gesamtgesellschaftliches Projekt, um wesentliche Ungleichheitsverhältnissen zu begegnen? Die Sach- Menschenrechte zu verwirklichen. Das Grundgesetz verständigenkommission legt in diesem Gutachten der Bundesrepublik gibt der Politik ein starkes Man- einen Schwerpunkt auf konkretisierte Handlungs- dat für die Herstellung gleicher Verwirklichungs- empfehlungen. Sie hat zehn Handlungsbereiche iden- chancen unabhängig vom Geschlecht. Internationale tifiziert, für die – vor dem Hintergrund des Leitbilds Verpflichtungen liefern den Orientierungsrahmen und des beschriebenen roten Fadens – Empfehlungen für Geschlechtergleichstellung. Dementsprechend ist formuliert werden: Gleichstellung auch Leitprinzip der Bundesregierung. Abhängige Erwerbsarbeit Das vorliegende Gutachten macht deutlich, was bisher gleichstellungspolitisch erreicht wurde und Im Hinblick auf die abhängige Erwerbsarbeit hält die wo Hindernisse, Barrieren und zukünftige Heraus- Sachverständigenkommission Veränderungen der forderungen liegen. Ihm liegt für die Gleichstellung Vorstellungen davon, was „Vollzeit“ ist, für hilfreich. der Geschlechter als Leitidee die Vorstellung einer Darüber hinaus empfiehlt sie die Einführung eines Gesellschaft mit gleichen Verwirklichungschancen Wahlarbeitszeitgesetzes, das die Arbeitszeitlage und von Frauen und Männern zugrunde, in der die Chan- mobile Arbeit sowie Homeoffice erfassen sollte und cen und Risiken im Lebensverlauf gleich verteilt sind. von Maßnahmen zum Gesundheits- und Entgren- Die Kategorie Geschlecht ist nach wie vor wichtig, um zungsschutz flankiert sein muss (C.I.1). Unterstüt- bestehende ungleiche Verwirklichungschancen und zende Entgeltersatzleistungen werden vor allem für die ungleiche Verteilung von Chancen und Risiken die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen zu beschreiben – und um Maßnahmen zu entwerfen, Personen empfohlen (C.V und C.VI). mit deren Hilfe Wege zu einer gleichberechtigteren Gesellschaft beschritten werden können. Eine zentra- Darüber hinaus empfiehlt die Sachverständigenkom- le Rolle spielt dabei das gleichstellungspolitische Ziel, mission eine Reihe von Maßnahmen zur Herstellung Erwerbs- und Sorgearbeit im Leben jedes Menschen zu größerer Entgelttransparenz, vor allem auf der be- ermöglichen. trieblichen Ebene einerseits und bei der statistischen Berichterstattung andererseits (C.I.2). Das Gutachten stützt sich auf eine Vielzahl an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die ungleiche Um betriebliche intersektionale und diversitätskom- Verwirklichungschancen nachweisen. Diese betref- petente Gleichstellungspolitiken zu fördern, hält die fen nicht nur Macht und Einfluss, die Verteilung Sachverständigenkommission Folgendes für sinn- materieller Ressourcen wie Bezahlung, Vermö- voll: den Anwendungsbereich des Gesetzes für die gen oder Rentenansprüche. Auch die bezahlte und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern unbezahlte Arbeit ist weiterhin ungleich zwischen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und den Geschlechtern verteilt. Der im Auftrag der im öffentlichen Dienst (FüPoG) auszudehnen; be- Sachverständigenkommission entwickelte und mit stehende freiwillige Instrumente in diesem neuen diesem Gutachten erstmals vorgestellte Gender Care Regelungsumfeld systematisch zu bilanzieren und Gap ist ein geeigneter Indikator, um auch hier Schief- auf ihre Wirksamkeit hin zu analysieren. Arbeitgeber lagen benennen und künftig intersektional besser der Privatwirtschaft sollten dazu verpflichtet werden, analysieren zu können. über Geschlechtergleichstellung zu berichten und einen Gleichstellungsaktionsplan zu erstellen. Wirk- Die Sachverständigenkommission für den Zweiten samkeitsanalysen sind auch zu den Gleichstellungs- Gleichstellungsbericht ist der Auffassung, dass die gesetzen des öffentlichen Dienstes zu empfehlen; für Geschlechtergleichstellung durch einen neuen Fokus diesen Bereich weist die Sachverständigenkommis- auf die Gestaltung der Sorgearbeit gestärkt werden sion auch auf konkrete gleichstellungspolitische könnte. Eine lebensverlaufsorientierte konsistente Fragen der Personalbeurteilung hin, die in entspre- und gleichstellungsorientierte Gestaltung von Er-­­ chenden Richtlinien zu verankern wären (C.I.3). werbs- und Sorgearbeit unterstützt alle Menschen bei einer partnerschaftlichen Gestaltung ihres Alltags Berufsberatung und berufliche Weiterbildung im familiären Zusammenleben. Sie baut gleichzei- tig strukturelle Diskriminierung und Fehlanreize ab. Um Berufswahlentscheidungen zu ermöglichen, Daher bildet die gleichstellungsorientierte Gestaltung die individuellen Fähigkeiten besser gerecht werden von Erwerbs- und Sorgearbeit und die Ermöglichung und weniger durch Geschlechterstereotype geprägt des Erwerb-und-Sorge-Modells einen roten Faden sind, bedarf es genderkompetenter Berufsberatung dieses Gutachtens. und -orientierung (C.II.1).

184 Fort- und Weiterbildungen sollen gleichstellungsori- und entsprechende Regulierung. Insbesondere sollten entiert gestaltet werden, indem deren Transparenz hier die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Allge- durch eine „Qualitätsoffensive Weiterbildung“ als meinverbindlicherklärung genutzt werden. Eine Institu- Anlaufstelle erhöht wird und indem öffentliche und tionalisierung der Aufwertungsanstrengungen in einer betriebliche Weiterbildungsangebote familienfreund- „Kommission für die Neuordnung der Arbeit im Bereich lich gestaltet werden (C.II.2). der personenbezogenen Dienstleistungen“ könnte lang- fristig gleichstellungsförderlich wirken (C.IV.3). Zu einer geschlechtergerechten Finanzierung von Weiterbildung gehören die Verbesserung der Er- Sorge für Kinder wachsenenbildungsförderung, die Erweiterung der Anspruchsberechtigung nach dem Sozialgesetzbuch Zur Unterstützung der privaten Sorge für Kinder ist (SGB) III und die Schaffung persönlicher Weiterbil- eine bedarfsgerechte Qualitätsverbesserung der Betreu- dungsbudgets (C.II.3). ungsinfrastruktur in Kindertagesstätten und Ganz-­ tagsschulen notwendig (C.V.1). Um auch die unbezahl- Selbstständige Erwerbsarbeit te elterliche Betreuung von Kindern im Sinne einer besseren Gleichstellung zu beeinflussen, schlägt die Bei der selbstständigen Erwerbsarbeit scheint es der Sachverständigenkommission vor, die Auswirkun- Sachverständigenkommission zentral, den Zugang zu gen der U2-Umlage im Bereich des Mutterschutzes Kapital, Kompetenzen und Netzwerken für alle Selbst- zu überprüfen und für einen zweiten Elternteil eine ständigen zu optimieren und hierbei den Besonderhei- „Vaterschaftsfreistellung“ nach Geburt des Kindes ein- ten der Lebenslage gründender und selbstständig täti- zuführen (C.V.2). Die anschließende Elternzeit sollte ger Frauen gerecht zu werden. Auch muss die soziale über den Elterngeldbezug hinaus durch eine Leistung Sicherung für (Solo-)Selbstständige, insbesondere für für Familienarbeitszeit finanziell flankiert werden, weibliche, durch eine konsequente Einbindung in die um eine partnerschaftliche Aufteilung familiärer Sozialversicherungssysteme verbessert werden; hier- Sorgearbeit zu fördern (C.V.3); über die Elternzeit zu gehören u. a. die Erstreckung des Mutterschutzes hinaus bedarf es eines Budgets für weitere zeitliche auf weibliche Selbstständige sowie die Behebung von Flexibilität zusätzlich zum Kinderkrankengeld (C.V.4). Defiziten der derzeitigen Elterngeld-Regelung (C.III). Für die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation Alleinerziehender wäre die Reform des Unterhalts­ Erwerbsförmige Sorgearbeit vorschussgesetzes ein erster Schritt (C.V).

Für eine gleichstellungsorientierte Gestaltung der Sorge für pflegebedürftige Personen erwerbsförmigen Sorgearbeit kommt es vor allem auf eine geschlechtergerechte Neubewertung und Aufwer- Auch die Bedingungen, unter denen die Pflege gesund- tung frauendominierter und berufsförmig organisier- heitlich eingeschränkter oder anderer betreuungs- ter Dienstleistungstätigkeiten an. Für entsprechende bedürftiger, insbesondere alter Menschen geleistet Berufsbilder und Weiterbildungen empfiehlt die Sach- wird, sollen in Richtung einer besseren Gleichstel- verständigenkommission niedrige Einstiegshürden und lung beeinflusst werden. Die Sachverständigenkom- hohe Durchlässigkeit in Richtung Höherqualifizierung mission gibt konkrete Empfehlungen zur Schaffung und Hochschulstudium. Hierfür sind eine kostenfreie, geschlechtergerechter Pflegeinfrastrukturen und zur gut zugängliche Erstausbildung und ein transparentes, Sorge um professionell Pflegende, insbesondere bei modulares, gut gefördertes System der Weiterbildung der Personalbemessung (C.VI.1). erforderlich. So sind z. B. die Ausbildungen zur Erzie- herin oder zum Erzieher sowie zur Altenpflegehelferin Für informell Pflegende empfiehlt die Sachverständi- oder zum Altenpflegehelfer in Hinblick auf Kosten- genkommission den Ausbau von Freistellungsmög- freiheit, Ausbildungsvergütung, Möglichkeiten der lichkeiten bezüglich Erwerbsarbeit in Form eines Teilzeitausbildung und Verkürzung der Ausbildung flexiblen Pflegezeitbudgets mit entsprechender Ent- soweit möglich an das duale Berufsausbildungssystem geltersatzleistung (C.VI.2). anzupassen (C.IV.1). In all diesen Berufsfeldern bedarf es zudem geeigneter Nachfrage- und Honorierungsstruk- Private Haushaltsführung turen für höher qualifizierte Beschäftigte; insbesondere sollten Abrechnungssysteme so angepasst werden, dass Gleichstellungspolitische Ziele der wirksamen Ent- sich Fortbildung auch finanziell auszahlt (C.IV.2). Eine lastung von Haushalten sowie der Aufwertung haus- Neubewertung und Aufwertung von Pflegeberufen haltsnaher und personenbezogener Dienstleistungen erfordert nach Meinung der Sachverständigenkommissi- können nach Meinung der Sachverständigenkom- on darüber hinaus einen neuen institutionellen Rahmen mission am besten durch Förderung der sozialversi-

Zusammenfassung E   185 cherungspflichtigen Beschäftigung von Haushaltsar- gesetzlichen Güterstand einzuführen; zudem soll beiterinnen und Haushaltsarbeitern erreicht werden, Wissen über die Rechtsfolgen von Ehe und Eingetra- die in das Berufsprofil eines qualifizierten und quali- gener Lebenspartnerschaft vermittelt werden (C.IX.4). fizierenden Dienstleistungsberufs eingebunden ist. Die Sachverständigenkommission empfiehlt deshalb Rente und Alterssicherung eine transparente Regelung von Mindeststandards guter Arbeit (C.VII.1), die Entwicklung von Stan- Um die Nachteile einer fehlenden ökonomischen dards und einer Zertifizierung guter haushaltsnaher Bewertung von unbezahlter Sorgearbeit und die Nach- Dienstleistungsarbeit (C.VII.2) sowie die Einführung teile durch gesellschaftliche und Arbeitsmarktdis- öffentlich geförderter Gutscheine für haushaltsnahe kriminierung zumindest teilweise zu kompensieren, Dienstleistungen (C.VII.3). bedarf es bei der Alterssicherung einer durchgängigen Versicherungspflicht (C.X.1) und einer verbesserten Wiedereinstieg Anrechnung von Pflegezeiten (C.X.2). Die Sachver- ständigenkommission empfiehlt darüber hinaus, die Ein Wiedereinstieg nach einer sorgearbeitsbeding- wirtschaftliche Eigenständigkeit von Sorgearbeiten- ten Erwerbsunterbrechung ist immer noch häufig den dadurch zu stärken, dass abgeleitete Rentenan- entscheidend für die langfristige wirtschaftliche sprüche zunehmend durch eigenständige Ansprüche Sicherheit. Aus der Perspektive der Gleichstellung abgelöst werden (C.X.3). Erforderlich erscheint zudem empfiehlt die Sachverständigenkommission, hierfür ein nachsorgender sozialer Ausgleich bei niedrigen die Angebote des Programms „Perspektive Wiederein- Rentenansprüchen (C.X.4), ebenso ein besserer Zugang stieg“ und sozialleistungsunabhängige Beratungs- und zur betrieblichen und privaten Alterssicherung in Ar- Informationsangebote verpflichtend zu institutionali- beitsmarktbereichen mit hohem Frauenanteil und für sieren (C.VIII.1), einen wirksamen Benachteiligungs- Personen­ mit geringen finanziellen Ressourcen (C.X.5). schutz (C.VIII.2) sowie einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf ein betriebliches Wiedereinstiegs­ Das Gutachten konnte die Vielzahl aktueller gleichstel- management (C.VIII.3). lungspolitischer Themen und Bereiche nicht in Gänze ad- ressieren und vertiefend bearbeiten. Vier gleichstellungs- (Fehl)anreize in Paarbeziehungen politisch wichtige Themen, die quer zum roten Faden des Gutachtens liegen, hat die Sachverständigenkommis- Die Aushandlungsprozesse in Paarbeziehungen in Be- sion jedoch herausgegriffen, da sie zukünftige Heraus- zug auf Arbeitsteilung sind beeinflusst durch steuer- forderungen darstellen oder besonders grundlegend für und sozialversicherungsrechtliche Regelungen, die das Anliegen gleiche Verwirklichungschancen sind: zum Teil starke Anreize zur Spezialisierung auf Er- werbs- oder Sorgearbeit, jedenfalls in Ehen und Einge- Digitalisierung tragenen Lebenspartnerschaften, setzen. Zum Abbau dieser Anreize empfiehlt die Sachverständigenkom- Digitalisierung wird bisher leider häufig geschlechts- mission, die Lohnsteuerklasse V zu streichen und die blind diskutiert. Die Sachverständigenkommission steuerrechtliche Behandlung von Ehen und Eingetra- ist der Meinung, dass hier Regelungen erforderlich genen Lebenspartnerschaften zu einem Realsplitting sind, die mobile Arbeit gleichstellungsorientiert weiterzuentwickeln (C.IX.1). Für die beitragsfreie Mit- ermöglichen und Plattformen insbesondere im Be- versicherung von Ehegatten und Ehegattinnen sowie reich sozialer und haushaltsnaher Dienstleistungen Eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspart- besser regulieren. Besondere Gefahren für Gesundheit nern schlägt die Sachverständigenkommission vor, und Selbstbestimmung bringt Cyber Harassment mit diese auf alle Personen zu erstrecken, die Erziehungs- sich; hier bedarf es wirksamerer Schutzmechanismen. oder Pflegeverantwortung unter Verzicht auf Erwerbs- Ein genderkompetentes Arbeitsmarktmonitoring arbeit übernommen haben, sie aber zeitlich zu begren- muss auch die Transformationen des Arbeitsmarkts zen (C.IX.2). Die Förderung von Minijobs sollte durch durch die Digitalisierung berücksichtigen (D.I). eine grundsätzliche Besteuerung von Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung sowie die Einfüh- Gewalt in Paarbeziehungen rung einer Sozialversicherungspflicht oberhalb einer niedrig anzusetzenden Bagatelleinkommensgrenze Die gesellschaftlichen und gleichstellungspolitischen abgebaut werden (C.IX.3). Um eine gerechtere Vertei- Probleme sexualisierter und geschlechtsbezogener lung des Vermögens, das in Ehen und Eingetragenen Gewalt sind keineswegs neu, jedoch weiterhin Lebenspartnerschaften gemeinsam erwirtschaftet virulent. Freiheit von Gewalt anderer ist eine wesent- wird, zu erzielen, empfiehlt die Sachverständigen- liche Grundlage für gleiche Verwirklichungschancen kommission, die Errungenschaftsgemeinschaft als unabhängig vom Geschlecht und für partnerschaft-

186 liche Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Das rungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Gutachten gibt neuere Daten zum Vorkommen von (AGG). Die Sachverständigenkommission empfiehlt Partnerschaftsgewalt wieder und geht darauf ein, diesbezüglich: insbesondere die Einfügung eines kon- worauf bei einer wirksamen Gestaltung von Präven- kretisierten Verbots der Entgeltdiskriminierung (C.I.2); tionsmaßnahmen, beim Ausbau der Hilfesysteme einen Auskunftsanspruch für abgelehnte Bewerberin- sowie beim Monitoring geachtet werden muss (D.II). nen und Bewerber; eine Verlängerung der Geltendma- chungsfrist des § 15 Abs. 4 AGG auf mindestens sechs Flucht und Migration Monate; geeignete Verbandsklagerechte (C.I.3). Insbe- sondere die Möglichkeiten digitalisierter Arbeit ma- Auch Flucht und Migration haben gleichstellungs- chen es zudem erforderlich, den Schutz vor geschlechts- politische Dimensionen. Das Verlassen des Herkunfts- bezogener Belästigung in Form von Cyber Harassment landes, die Flucht mit ihren verschiedenen Stationen zu verbessern, u. a. durch eine Konkretisierung der und insbesondere die Ankunft im neuen Land stellen Arbeitgeberpflichten zur Prävention von Diskriminie- einen einschneidenden Übergang im Lebensverlauf rung sowie durch die Regelung einer Verantwortlich- einer geflüchteten Person dar. Die Sachverständigen- keit der Auftraggeber von Soloselbstständigen (D.I.3). kommission hält es für wichtig, bei der Generierung von Wissen und in der öffentlichen Kommunikation die Heterogenität und Individualität der betroffenen Abschließend Personen im Blick zu behalten. Es werden rechtliche Maßnahmen zum Gewaltschutz, die Entwicklung Die Sachverständigenkommission geht in diesem und Einhaltung von Standards für Gewaltschutzkon- Gutachten­ davon aus, dass Gleichstellungspolitik die zepte sowie Maßnahmen zur gleichstellungsorientier- Belange und Bedürfnisse von Männern aktiv im Blick ten Arbeitsmarktintegration empfohlen (D.III). behalten muss. Ein wichtiges Ziel der gleichstellungs- orientierten Gestaltung von Erwerbs- und Sorgearbeit Einige weitere Themen ziehen sich durch unter- ist, Männern zu ermöglichen, verstärkt private Sorge- schiedliche Handlungsbereiche und werden nachfol- arbeit zu leisten. Hierzu muss Erwerbsarbeit so gestal- gend noch einmal kompakt benannt: tet werden, dass Sorgearbeit aller Beschäftigten – ob Frauen oder Männer – mitgedacht ist (C.I.1). Für die Wissen, Kommunikations- und Organisationsfähigkeit SAHGE-Berufe sowie die Tätigkeiten in der erwerbs- förmigen Sorgearbeit sind Auf- und Neubewertun- Das Gutachten stellt an verschiedenen Stellen fest, gen wichtige gleichstellungspolitische Ziele – auch welche spezifischen Herausforderungen neuere Ent- um eine stärkere Integration von Männern in diese wicklungen für Bildung, Ausbildung und öffentliche Berufsfelder zu erreichen (C.IV). Zur Stärkung der Kommunikation aufwerfen. Die Verbesserung der Väterbeteiligung bei der unbezahlten Sorgearbeit finanziellen Allgemeinbildung („financial literacy“) für kleine Kinder empfiehlt die Sachverständigen- ist sowohl in Bezug auf die finanziellen und rechtli- kommission als neue Leistung eine zweiwöchige chen Folgen der Ehe und Eingetragenen Lebenspart- Vaterschaftsfreistellung, die innerhalb der ersten nerschaft (C.IX.4) als auch hinsichtlich der Alterssi- 30 Tage nach der Geburt eines Kindes in Anspruch cherung (C.X) ein wichtiges gleichstellungspolitisches genommen werden kann. Auch sollte die Ausge- Ziel. Eine finanzielle Allgemeinbildung muss Men- staltung der sogenannten Partnermonate im Rah- schen unabhängig vom Geschlecht in die Lage ver­- men des Elterngeldbezugs überprüft werden (C.V.2 ). setzen, die langfristigen Folgen von Entscheidungen Grundsätzlich sollte Gleichstellungspolitik aber im Lebensverlauf einschätzen zu können. Auch die nicht spezifische Belange von Frauen oder Männern Digitalisierung bringt Herausforderungen mit sich, adressieren. Vielmehr geht eine Gleichstellungspo- die spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern litik, die bessere Möglichkeiten für die Verwirkli- (D.I); das Management der immer flüssiger werdenden chung eines Erwerb-und-Sorge-Modells schafft, da- Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Familie bringt von aus, dass Menschen unabhängig vom Geschlecht Anforderungen an Kommunikations- und Organisa- davon profitieren, wenn sie die Freiheit bekommen, tionsfähigkeit mit sich, denen zukünftig bereits das sich nicht für die Rolle der Ernährerin bzw. des Ernäh- Ausbildungssystem Rechnung tragen muss (C.I.1). rers oder für die Rolle der bzw. des Sorgenden entschei- den zu müssen. Erwerbs- und Sorgearbeit muss allen Schutz vor Diskriminierung Menschen jederzeit im Lebensverlauf möglich sein.

Voraussetzung wirksamer Gleichstellungspolitik ist Es bedarf geeigneter Strukturen und Instrumente, ein effektiver Diskriminierungsschutz. Das Gutachten um Gleichstellungspolitik erfolgreich und nachhal- enthält daher Empfehlungen zu notwendigen Ände- tig als Querschnittsaufgabe zu verankern (D.IV). Das

Zusammenfassung E   187 Gutachten enthält eine Reihe einzelner struktureller Empfehlungen. Sie umfassen die konsequent inter- sektional differenzierte Erhebung und Auswertung statistischer Daten (D.IV). Es werden Strukturen wie ein genderkompetentes Arbeitsmarktmonito- ring (D.I.4), eine „Qualitätsoffensive Weiterbildung“ (C.II.2.a), eine „Kommission zur Entgeltgleichheit“ (C.I.2) sowie eine „Kommission für die Neuordnung der Arbeit im Bereich der personenbezogenen Dienst- leistungen“ (C.IV.3.b) empfohlen. Zur Weiterent- wicklung und zum systematischen Ausbau wirksa- mer gleichstellungspolitischer Vorkehrungen und institutioneller Mechanismen empfiehlt die Sach- verständigenkommission: die Erarbeitung von Gleichstellungs-Aktionsplänen; gleichstellungsori- entierte Haushaltspolitiken (Gender Budgeting); gleichstellungsorientierte­ Gesetzesfolgeabschätzun- gen sowie eine Einrichtung für den Transfer von wis- senschaftlichem Wissen über Gleichstellung (D.IV.4).

Die Sachverständigenkommission möchte mit ihrem Gutachten einen Beitrag zur tatsächlichen Gleich- berechtigung der Geschlechter leisten, indem sie Erreichtes aufzeigt, auf vorhandene Lücken hinweist und mögliche Schritte für eine wirksame gleichstel- lungsorientierte Gestaltung benennt. Sie hofft, dass Gesellschaft, Politik und Wirtschaft die konkreten Impulse dieses Gutachtens aufgreifen werden.

188 Zusammenfassung E   189 190     191 Impressum

Herausgeberin

Sachverständigenkommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung Vorsitzende: Prof. Dr. Eva Kocher (V.i.S.d.P.) Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäisches und Deutsches Arbeitsrecht, Zivilverfahrensrecht Große Scharrnstraße 59, 15230 Frankfurt (Oder)

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. Geschäftsstelle Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung Dr. Regina Frey (Leitung) Brachvogelstraße 1, 10961 Berlin www.gleichstellungsbericht.de

Stand: November 2016 Erscheinungsjahr: 2017

Zitierhinweis Sachverständigenkommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (2017): Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten. Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Berlin. Download: www.gleichstellungsbericht.de/gutachten2gleichstellungsbericht.pdf

Lektorat Julia Roßhart, Berlin | www.juliarosshart.de Korrektorat Silke Leibner, Berlin | www.silbenschliff.de

Gestaltung lilienfeld visuelles gestalten, Berlin | www.lilien-feld.de Druck Pinguindruck GmbH, Berlin | www.pinguindruck.de

192     V Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten

gleichstellungsbericht.de Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

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