Die Siebenschläfer-Kapellen in , Kottwil und Menznau

Autor(en): Wüest, Josef

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Heimatkunde Wiggertal

Band (Jahr): 70 (2013)

PDF erstellt am: 06.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-718806

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Die Siebenschläfer-Kapellen in Dagmersellen, Kottwil unci Menznau

Josef Wüest

Die orientalische Legende zählt zu den Die Legende wurde in alle östlichen sonderbarsten des frühen Christentums Sprachen übersetzt und verbreitete sich und hat keinen historischen Weit. ungeahnt schnell. Eine erste lateinische Erstaunlich ist dennoch, wie sie mehr als Fassung entstand um das Jahr 590, tausend Jahre überleben konnte - nicht aufgezeichnet vom fränkischen Bischof nur im Osten, sondern auch im Westen. und Geschichtenschreiber Gregor von Tours. Historisch gesichert ist bloss Es war der Römer Decius (Kaiser von eine um 450 erbaute Siebenschläfer- 249 bis 251 vor Christus), welcher die Kirche zu Ephesus. Hingegen ist nicht erste und umfassendste Christenverfolgung bekannt, wie und wann sich die im ganzen Reich anordnete. wundersame Geschichte im Westen verbreitete. Sicher ist nur, dass sie der Um dieser zu entgehen, verteilten Dominikaner und spätere Erzbischof von sieben jugendliche Brüder in Ephesus Genua, Jacobus de Voragine, in seine ihren Besitz unter die Armen und um 1263 begonnene «Legenda aurea» versteckten sich in einer nahen Felsenhöhle. aufgenommen hat. Nicht auszuschlie- Als dies jedoch die örtlichen Machthaber ssen ist zudem, dass es Heiliglandpilger erfuhren, Hessen sie den Eingang oder Kreuzfahrer waren, die sie in unser mit grossen Steinen zuschütten, um die Land brachten, vielleicht sogar ein Brüder damit dem sicheren Tod Heimkehrer aus unseren Gegenden, auszuliefern. Dies jedoch widerfuhr ihnen welcher dort von der wundersamen nicht. Sie fielen nämlich umgehend in Geschichte gehört und wohl auch die einen tiefen Schlaf und erwachten erst Fürbitten an die Sieben miterlebt hatte, wieder, als nach mehr als zweihundert denn anderswo in der Schweiz ist Jahren ein Bauer in der Felsenhöhle die Verehrung der Siebenschläfer nicht, einen Schafstall einrichten wollte und oder nicht mehr bekannt. den Eingang frei machte. Gross war jedoch sein Erstaunen und besonders Kunstwerke eines Eremiten auch das der Eingeschlossenen, als sie ans Tageslicht kamen und in der Stadt Die Siebenschläfer-Kapelle in Dagmersellen niemanden mehr kannten. Zu ihrer wurde erstmals 1678 in einem Freude durften sie feststellen, dass sie Schriftstück erwähnt, dürfte jedoch einige jetzt christlich geworden und mit prächtigen Jahrzehnte älter sein. Der kleine und Kirchen geschmückt war - war es einfache Bau steht auf einer leichten doch einer der Oite, in dem vierhundert Anhöhe im Südosten des Dorfes. Der Jahre zuvor der Apostel Paulus frühbarocke, neu gefasste Altar ist von gepredigt hatte. schlichter, fast quadratischer, flacher

123 Gestalt. Anstelle eines Bildes enthält er Klaus» und dem heiligen «Hieronymus», ein hochrechteckiges, flaches Relief mit zuvor in solche des «Barmherzigen der Darstellung der Kapellenpatrone, Samariters» und des «Verlorenen der heiligen sieben Schläfer. In einer Sohnes». Bevor er sich der Eremitenklause offenen Felsenhöhle schlafen die in -Bad anschloss, lebte sieben Männer eng beieinander, während er eine Weile als Waldbruder in Menz- Knechte zu beiden Seiten Steine herbeitragen. berg. Über der Höhlenöffnung steht der böse Kaiser Decius mit Krone und Weitaus bescheidener ist das Zepter und überwacht das Geschehen. Heilighäuschen in Menznau. Es steht Nicht bekannt ist, wer das reizvolle zwischen zwei hochgewachsenen Birken Werk geschaffen hat. am Wege nach Menzberg, hundert Schritte oberhalb des Postautohalts Das liebevoll gepflegte Gebetshaus in Höhe. An der Rückwand des kleinen Kottwil befindet sich an einer Heiligtums hängt ein Bild mit dem Wegkreuzung bei Seewagen. Sein Grundriss darunter vermerkten Anliegen «Heilige misst bloss zwei Meter. Die Siebenschläfer bittet für uns». Die dar- Siebenschläfer-Kapelle hat ein Satteldach mit gestelle Szene gleicht auffallend jener «gefastem Gewände um die rundbogige in Dagmersellen. Dass das Gebetshäuschen Öffnung, wohl aus dem 17. Jahrhundert»1. noch immer in Ehren gehalten Hinter der rundbogigen Öffnung und auch besucht wird, beweisen die sitzen die sieben Schläfer in einem Blumentöpfe, Laternen und Kerzen vor Halbrund beisammen. Einigen sieht dem Bild. An der einen Seite hängt ein man den Schlaf deutlich an, während Knizifix, an der rechten äusseren die zwei vordersten eher nachdenklich Seitenwand ist ein schmiedeiserner Träger zu grübeln scheinen. Die meisterliche mit sieben Kerzenhaltern darin Arbeit aus Ton stammt vermutlich vom angebracht. Waldbruder Michael Achermann aus Luthern-Bad (gestorben 1872), der ein In «Namenlandschaft im Quellgebiet der äusserst talentierter Bildhauer war. Von Wigger» schreibt Josef Zihlmann, dass ihm stammen auch mehrere grosse für einige Leute das Hintersagenchäp- Figuren an den Kirchenfassaden von Her- peli hinter Hergiswil eine Siebenschläfer-Kapelle giswil, Malters, und Dagmersel- sei. Für die meisten aber gilt len. Der begnadete Eremit beteiligte sie als Pestkapelle. sich zudem an verschiedenen Kunst- Die kleine Wegkapelle ist völlig aus und Gewerbeaussteilungen. In Luzern Holz gebaut und «ein Ableger der zeigte er 1869 Statuetten von «Bruder Speicherbaukunst. Der rechteckige Bau

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Terracotta-Gruppe der heiligen Siebenschläfer in der Siebenschläfer-Kapelle Kottwil, aus •Kunstdenkmäler des Kantons Luzern-, Band V, Amt Willisau.

trägt ein abgewalmtes Schindeldach auf Todsünden und sieben Tugenden. vorkragendem Gibel.»2 Ausserhalb jeglicher Religionen wurden in der Antike bedeutende Bauwerke als Auch in zahlreichen Märchen die «sieben Weltwunder» bezeichnet. kommt die Sieben vor Einige von ihnen stehen noch, wie der Tempel der Artemis in Ephesus, der Dass die Legendenschreiber hier und Stadt der Siebenschläfer, sowie die oft auch anderswo die Zahl sieben Pyramiden in Ägypten. Schliesslich gibt es wählten, ist weiter nicht verwunderlich. Mäuse, welche sieben Monate schlafen Schon im Alten Testament kommt die und daher diesen Namen tragen. Siebentagewoche vor. Auch der Leuchter der Juden hat sieben Arme, zudem Sieben Wochen Regen kennen sie sieben Busspsalmen. Manches davon wurde von der christlichen Im christlichen Kalender ist den heiligen Kirche übernommen. Im 13- Kapitel Siebenschläfern der 27. Juni gewidmet. spricht Matthäus denn auch von sieben Nach einer alten Bauernregel ist es Gleichnissen Jesu. Anderswo vernimmt nicht gut, wenn es an diesem Tag regnet, man vom Wunder der sieben Brote und weil es dann während sieben sieben Fische. Sodann gibt es sieben Wochen viel regnen wird. Als christliche

125 Namen der Siebenschläfer zählte man Veiwesungsprozesses als ein weiteres im Osten: Maximilian, Malchus, Martia- Zeichen Gottes anzusehen, der die nus, Constantinus, Dionysius, Johannes Sieben in der langen Zeit nie vergessen und Serapion. Vielerorts schrieb man habe. Darüber hinaus sei ihr Erwachen diese auf ein Blatt Papier und legte es auch ein Zeugnis für die Auferstehung unter das Kopfkissen unruhig schlafender der Toten. Anders als in der christlichen Kinder und Erwachsener. In Kott- Version nennt der Koran im Vers 25 wil soll man früher bei Schlaflosigkeit sogar die genaue Dauer ihres Schlafes: Kerzen vor das Siebenschläfer- Chäppali «Und sie verweilten in ihrer Höhle gebracht und sie am Abend angezündet dreihundert Jahre und noch neun dazu.» haben, zweifellos auch in Menznau, denn die Vorrichaing dazu ist noch Literatur: vorhanden. Adolf Reinle: Kunstdenkmäler der Schweiz, Kanton Luzern, Band V, Amt Willisau. Basel 1959. Josef Zihlmann: Sie rufen mich beim Namen. Kommen auch im Koran vor Hitzkirch 1982. Jacobus de Voragine: Legenda Aurea. Zürich 1982. Ungewöhnlich und einmalig ist die Leander Petzold: Sagen von Rittern, Räubern, Tatsache, dass die frühchristliche Legende Bauern und Heiligen. München 1944. auch im Koran, dem heiligen Buch Wolfgang Braunfels: Lexikon der christlichen Ikonographie. Band 8. Freiburg im 1976. des Islam, als wahre Begebenheit Breisgau Adel Theodor Khoury: Der Koran. Zweisprachige vorkommt. Zur Die Erinnerung: Legende Ausgabe Arabisch-Deutsch in 12 Bänden, mit entstand um das Jahr 450, der Koran ausführlichen Kommentaren. Gütersloh 1990. zwischen 610 und 630. In Sure 18, Vers 9-26, wird die Geschichte der Fussnoten: Siebenschläfer leicht verändert und unter der 1 Kunstdenkmäler Band V, Seite 123 Band Bezeichnung «Leute der Höhle» 2 Kunstdenkmäler V, Seite 122 ausführlich geschildert, jedoch ohne ihre Namen zu nennen. Darin wird, wie bei vielen andern Vorkommnissen im Koran, das erfolgte Wunder als ein grosses Zeichen der Allmacht Gottes gepriesen. Die Sure ist unter den Muslimen äusserst beliebt. In seinem grossen Kommentar sagt Adel Theodor Khoury, dass Adresse des Autors und Fotografen: die Jünglinge immer fest an den Herrn Josef Wüest glaubten und wir von ihnen viel lernen Fadenstrasse 12 können. Zudem sei die Aussetzung des 6300 Zug

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