Das Bernbiet ehemals und heute : Wohlen bei

Objekttyp: Group

Zeitschrift: Historischer Kalender, oder, Der hinkende Bot

Band (Jahr): 284 (2011)

PDF erstellt am: 29.09.2021

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Wohlen bei Bern

DAS BERNBIET EHEMALS UND HEUTE

Em/w/trtrng Von Gröben gefragt

Das Gemeindegebiet liegt rund 7 km nord- Charakteristisch für Wohlen sind die in nord- westlich der Stadt Bern, mit Südgrenze entlang südlicher Richtung verlaufenden, teilweise tief dem rechten - und Wohlenseeufer. Wohlen eingefressenen, bewaldeten Gräben (von West umfasst 3630 ha Gesamtfläche, wovon 292 ha nach Ost der Frieswilgraben, der Mühlethalgra- auf Siedlungen und Strassen, 2048 ha auf ben, der Schaufelgraben-Wohlengraben, der Acker- und Wiesland, 1120 ha auf Wald und Burggraben, Glasbachgraben). Das Land- 170 ha auf Gewässer und unkultiviertes Land schaftsbild prägen auch die kleineren Moränen- entfallen. Ende 2009 wohnten 9022 Personen hügel von Allmit oberhalb Säriswil, Schlosshu- in der Gemeinde. bei oberhalb Murzelen, Schoren bei Möriswil und weitere im Umfeld von Uettligen. In ein- zelnen Senken haben sich auch kleinere Moser Sonniges Tor zum SeKirchlindach) gebildet. Wohlen hat die Sonne nicht nur im Wappen, sondern im Angesicht: Das Gemeindegebiet liegt auf der sonnigen Südflanke des Frienis- Verke/irsersc/z/iessnng bergs, dessen Raum während der Eiszeiten wichtiger Kontaktbereich von Rhone- und Wohlen liegt nahe am nationalen Strassen- Aaregletscher war. 350 m Höhendifferenz sind netz: Die Eymattstrasse jenseits der südlichen es vom Wohlenseeufer im Süden bis an die Gemeindegrenze bei Hinterkappelen führt via Nordgrenze, welche zugleich die Grenze zum Verwaltungskreis Seeland und zur Gemeinde bildet. Das gestufte Geländerelief be- ginnt im Norden mit einem Hangabfall in den Räumen Innerberg-Säriswil, Bächleren-Zälgli. Dieser wird aufgefangen auf dem oberen Pia- teau von Murzelen-Sandbühl-Säriswil-Möris- wil und dem nördlichen Teil von Uettligen. Eine weitere, tiefer verlaufende Terrasse findet man in den Räumen Murzelen, Aspifeld-Ober- wohlen und im südlichen Teil von Uettligen. Etwas darunter liegt das Plateau mit Illiswil und Steinisweg. Markant ist der Geländeabfall im Süden in den Räumen Salvisberg-Hofen- wald-Unterwohlen-Unterdettigen in den Aare- und Wohlenseegraben hinab. Postauto bei der alten Kappelenbrücke

73 Kappelenbrücke direkt an die Anschlüsse in der oberen Meeresmolasse ab. Die verschie- Richtung Al, A6 und A12. Erschlossen wird denen Phasen der Eiszeiten prägten die Ober- die Gemeinde ausschliesslich durch das Stras- flächengestalt des Gemeindegebietes nachhal- sennetz mit den Hauptachsen Bern-Wohlen- tig. Die Grandmoräne des Rhonegletschers, bis Frieswil--, Bern-Uett- über 100 m mächtig und gelegentlich mit kies- ligen-Säriswil-Frieswil und der Verbindung reichen Einschaltungen, bedeckt den Grossteil Wohlen-Uettligen-Kirchlindach-. des Gebietes. Beim Rückzug des Gletschers Durch das ganze Gemeindegebiet führen heute vor ca. 15 000 Jahren blieben Findlinge (Erra- Buslinien, welche die einzelnen Orte unterei- tiker) zurück, und es bildeten sich neben mar- nander und mit der Stadt verbinden. kanten Seiten- und Mittelmoränen auch ab- flusslose Geländemulden, wo Tümpel und Sümpfe später verlandeten. Die Aare und ihre Wohlens Vergangenheit seitlichen Zuflüsse legten durch Erosion ihre Sohle tiefer und bewirkten, dass mancherorts Wo ZzegzVzwf Wo/z/ews Ge.se/zzcAfe? an den Talflanken der Felsuntergrund zutage tritt. Vor rund 300 Millionen Jahren, mit der Ent- stehung des Grundgebirges, das an der Grimsel oder im Schwarzwald zu besichtigen ist und im Vozz der AAz/zzr zzz/- Kzz/fzzz- Gemeindegebiet von Wohlen in rund 3000 m Tiefe erbohrt werden kann. Die Sandsteine Die Oberflächengestalt des Gemeindege- und Mergel der unteren Süsswassermolasse, bietes von Wohlen, die hügelige, leicht terras- welche die steilen Talflanken der Aare aufbau- sierte Landschaft mit tief eingeschnittenen en oder in den tief eingeschnittenen Bachgrä- Bachgräben, die unterschiedliche Bodenbe- ben durch Erosion freigelegt wurden, bilden schaffenheit, die Lage von Quellen oder der anschauliche Sachverhalte im Gemeindegebiet. Lauf der Aare sind natürliche Gegebenheiten Diese Schichten werden nordwestlich von Sä- der Erdgeschichte. Mannigfaltige geologische riswil von der oberen Meeresmolasse, die auch Prozesse bildeten die Ressourcen für eine den Felsuntergrand des Frienisbergs bildet, durch den Menschen geprägte Kulturland- überlagert. Die graugelben, oft leicht grünlich schaft. Nicht zufällig wurden Verkehrswege gefärbten Sandsteine der oberen Meeresmolas- dort angelegt, wo die technische Realisierbar- se wurden als Baumaterial (Berner Sandstein) keit gegeben war. Natürliche Voraussetzungen genutzt und zeigen gelegentlich Einschal- erlaubten den Aufstau der Aare zum Wohlen- tungen von Geröll- oder Muschellagen. Die see, der für die Gemeinde Wohlen ein prä- Molasseablagerungen, die vor rund 20 Millio- gendes Element am Südhang des Frienisbergs nen Jahren entstanden, sind der Schutt der wer- wurde. Die Wahl der Siedlungsgebiete richtete denden Alpen. Die Uraare deponierte Material sich anfänglich nach dem Angebot von Trink- in einer Schwemmlandebene, die sich später wasser, und auch handwerkliche Tätigkeiten er- absenkte und vom Meer überflutet wurde, so- forderten die Nutzung von Wasser zur Energie- dass der Abtragungsschutt aus den Alpen im gewinnung. Der Wald wurde vorwiegend dort Gebiet von Wohlen auf submarinen Deltas ab- gerodet, wo fruchtbare Böden das Betreiben gelagert wurde. In dieser Zeit herrschte tro- von Ackerbau erlaubten. pisches bis subtropisches Klima, und Haifische So bestimmten natürliche Gegebenheiten waren heimisch. Nach der Molassezeit folgte und menschliche Aktivitäten den Lebensraum eine intensive Phase der Abtragung. In Gebie- oder die Kulturlandschaft von Wohlen. ten, wo der Felsuntergrund von der unteren Süsswassermolasse aufgebaut wird, trugen Flüsse und Gletscher 100 bis 200 m Sandstein

74 Die Ziegelei in der Eymatt (zwischen der alten und der sich im Bau befindenden neuen Kappelenbrücke)

Âem Leèen o/me Ro/zstq/fe serwegsame, also kiesreiche Einlagerungen gebunden und wurde oft mittels Sodbrunnen Geologische Prozesse bestimmten auch das erschlossen. Unmittelbar ausserhalb der Ge- Angebot an Quellwasser und das Vorhanden- meindegrenze auf dem Weg von Frieswil zum sein von Rohstoffen. Quellwasseraustritte sind heutigen Schulhaus Matzwil befand sich im vorwiegend auf der Feldoberfläche, das heisst 19. Jh. das Trümlenbad, wo Gäste aus nah und dort zu finden, wo der wenig wasserwegsame fern zur Badekur verweilten. Fels zutage tritt. Grössere Quellfassungen mit Die leicht verwitterbaren Mergel der unteren jährlichen Erträgen von 20 000 bis 120000 m' Süsswassermolasse bildeten mancherorts Ge- sind in der Lochmatt, nördlich von Säriswil, im hängelehm. Ebenfalls aus der Moräne wurden Innerberg bei Tannen, im Ballmoos bei Wohlen Feinanteile ausgeschwemmt und lokal abgela- und im Mettlenwald unterhalb Oberdettigen gert. Diese tonreichen Sedimente Hessen sich vorhanden. Schichtquellen, häufiger Kluftquel- als Rohstoff für die Backstein- und Ziegelher- len, sind auch im Fels möglich, insbesondere Stellung verwenden. Im Zälgli, ca. 600 m öst- wenn dieser von wechsellagernden Sandstein- lieh des Hirscherengrüeblis bei Säriswil, wurde und Mergelschichten aufgebaut wird. Etliche in neben «ganzen Lagen römischer Ziegel» 1934 Fels gehauene Stollen mit Mundloch zeugen ein Leistenziegel mit Stempel (L.C.PRISC) ge- von der aufwendigen Wassersuche. Innerhalb funden. Der Archäologe A. Jahn schloss auf der Moräne ist die Wasserzirkulation an was- eine Ziegelei in diesem Gebiet. Funde mit dem-

75 selben Stempel wurden auf der Engehalbinsel, im kleinen Bremgartenwald, bei Radelfingen und bei Studen (Biel) gemacht. Schon 1820 er- öffneten die Herren Gunten + Sohn in Uett- ligen bei Altisberg eine Ziegelei. Jährlich wur- den zwischen Altisberg und Schleipfen, im Schleipfeneinschlag westlich der Strasse nach Weissenstein und im Hirscherengrüebli bei Sä- riswil 1000 bis 1300 nri Lehm abgebaut. 1894 eröffnete beim heutigen TCS-Cam- pingplatz in der Eymatt die Ziegelei und Back- Steinfabrik Studer + Cie ihren Betrieb. Im Sommer wurde der Rohstoff beim Lättibach im Zierscheibe aus Bronze, Hallstattzeit, Fund bei Murzelen Bannholzgraben sowie beim Kugelfang der früheren Schiessanlage Hinterkappelen abge- baut und mit einer Drahtseilbahn über die Aare und der jüngeren Eisenzeit (La-Tène-Zeit zur Fabrik gebracht. Im Winter erfolgte der 450-0 v.Chr.) lassen fünf Grabhügel schliessen, Lehmabbau bei Vorderdettigen. die 1846 im Murzelenfeld entdeckt wurden. Während der Eiszeiten wurden nicht nur Mo- Weitere Anzeichen von Grabhügeln sind östlich ränen abgelagert, sondern auch Kies. Grössere von Wohlen im Buechholz, südöstlich von Stei- Vorkommen, die sich beim Rückzug des Rho- nisweg, südlich Wölflisried im Buechäbni, im negletschers durch Schmelzwasser bildeten, Buechwald bei Oberdettigen und im Uettligen- sind südwestlich und nordöstlich von Illiswil, wald bei Struchismoos zu finden. Auf der aber auch im westlichen Lörwald abgebaut Spachweid bei Illiswil wurden 1842 ein eisen- worden. Ein Biotop, das 1998 erstellt und zum zeitliches Skelettgrab mit Gürtelkette, mehre- Paradies für Kreuzkröten wurde, sowie eine ren Armringen und Fibeln gefunden. Auch die Altlast erinnern noch heute an den Kiesabbau Römer hinterliessen Spuren in Uettligen und in Illiswil. bei Säriswil. Beim Bau der Kappelenbrücke Das Kiesvorkommen Lör bei Uettligen wurden mehrere Gräber aus dem Frühmittelal- wurde zum Zankapfel bei der Zentralisation ter entdeckt. Aus der Römerzeit stammt ein Ke- 1921. Uettligen wollte die Kiesgrube nicht an ramikfund in Uettligen, und beim Bau der 1920 die neu formierte politische Gemeinde Wohlen eingeweihten Kappelenbrücke kamen aus dem abtreten. So wurde der Ausdruck «zwüsche frühen Mittelalter zwölf Gräber mit Beigaben Wole u Uettlige» sprichwörtlich für Zerstritten- zum Vorschein. heit. Weitere Kiesvorkommen, die schon vor der letzten Eiszeit entstanden, wurden an der Flanke des Aaretals abgebaut. Wo/rer sfawimf der Ortsname Wo/z/en?

Die Geschichtsforschung führt die Herkunft FrwAesfe Spure« des Ortsnamens «Wohlen» auf das germa- nische Wort Wala (der Welsche) zurück, auf Frühere Steinbeil-Funde wie die 1943 ent- den «Hof eines Wolo» oder auf das gallische deckte Bronzeaxt von Säriswil lassen vermu- Wort Walon (Zaun, Hecke, Gehege). Andere ten, dass das Gemeindegebiet schon in der jün- Untersuchungen verweisen auf Parallelen im geren Steinzeit (Neolithikum 5000 bis 1800 französischen Sprachraum: Volonia, Volonium v.Chr.) und in der daran anschliessenden Bron- und Volonna. In diesen Namen könnten rö- zezeit bewohnt war. Auf eine Besiedlung in der mische Familiennamen weiterleben - oder auch älteren Eisenzeit (Hallstattzeit 750-450 v.Chr.) Gottheiten namens Volumnus und Volumna,

76 denen die Neugeborenen empfohlen wurden. Erstmals im Jahr 1275 taucht Wohlen als Wolon, später als Wolan und 1296 als Wolen auf. Schon vorher, nämlich in der Papstbulle von 1185, wird erstmals Uettligen als Uttelin- gen erwähnt.

Mhte/a/ter mwJ Lezèezgew.s'c/za/i

Das Gebiet der Gemeinde gehörte zur Herr- schaft Oltigen (ein Ort in der heutigen Nach- bargemeinde Radelfingen) und damit zu Sa- voyen. Als 1410 der letzte Inhaber von Oltigen bei einem Volksaufstand erschlagen wurde und der drohende Krieg zwischen Savoyen, dem Behörden sich je zur Hälfte aus Mitgliedern damaligen Oberlehensherrn der Herrschaft, und von der «Morgenseite» (Osten) bzw. von der Bern beigelegt werden konnte, gelangte das «Abendseite» (Westen) des Bannholzgrabens Gebiet durch einen Liquidationsvertrag und zusammensetzen mussten. Stimmberechtigt an gegen 5000 Gulden an die Stadt Bern. Diese den «Gmeindsversammlungen» war, wer das hob 1413 die Leibeigenschaft auf und bildete 23. Altersjahr zurückgelegt hatte und einen mi- die Vogtei Oltigen mit Wohlen als Mittelpunkt. nimalen Besitz aufweisen konnte. 1483 schlug man das Dorf zum Amt für die niedere, zum Landgericht Zollikofen für die höhere Gerichtsbarkeit. 1803 wurde Wohlen Dz'e Zen/ra/Aßt/o« — dem Amtsbezirk Bern zugeteilt. kein ein/ac/zes Unter/ongen Kirchlich gehörte die Gemeinde zum Bistum Konstanz. Die Kirche wird 1276 erstmals er- Die Einwohnergemeinde Wohlen gehört mit wähnt. 1677 wurde sie umgebaut, 1907 vollstän- ihrer Fläche von 3633 ha zu den grössten Ge- dig renoviert. Die Bevölkerung soll die Refor- meinden des Kantons Bern. Ihr verwaltungs- mation nur widerstrebend angenommen haben. mässiger Aufbau war aber kompliziert, denn neben der Viertels- und Schulgemeinde Uett- ligen bestand sie noch aus sechs weiteren Die erste Ver/asswrg — «Morgen nne? AèenJ» weitgehend autonomen Viertels-, Dorf- und Schulgemeinden. Mit den dazu gehörenden Die erste Verfassung der Gemeinde Wohlen Spritzen- und Weggemeinden war die Gesamt- stammt aus dem Jahr 1832. Sie stützt sich auf gemeinde Wohlen aus nicht weniger als 18 in- die neue Staatsverfassung des Kantons Bern lernen Abteilungen zusammengesetzt. Diese aus dem Jahr 1831. Diese erlaubte den Ge- Struktur führte zu einer komplizierten und ins- meindebezirken, ihre Verfassung, unter Vorbe- gesamt kostspieligen Verwaltung und gab auch halt der Genehmigung durch den Regierungs- zu Kompetenzfragen und Reibereien Anlass. rat, selbst zu bestimmen. Nach dem ersten Titel Die Gemeindedirektion empfahl deshalb 1917 der neuen Verfassung bildete die Gemeinde dem Gemeinderat von Wohlen eine Zentralisa- Wohlen mit ihren sämtlichen Ortschaften eine tion der Gemeindeverwaltung. Die Versamm- Einwohner- oder Kirchgemeinde. Und was das lung der Einwohnergemeinde Wohlen geneh- Wohlener Wappen heute noch mit Sonne und migte schliesslich nach eingehender Diskussion Mond symbolisiert: Für das Gleichgewicht in- mit 75 Ja- zu 67 Neinstimmen am 5. November nerhalb der Verwaltung war wichtig, dass die 1921 das neue Reglement, welches die Über-

77 nähme aller Gemeindeaufgaben durch die Ein- wohnergemeinde auf Anfang 1922 vorsah. Eine Neuerung war unter anderem, dass in die Schul-, Armen- und Gesundheitskommission nun auch Frauen gewählt werden konnten. Die einstigen Viertelsgemeinden blieben als burger- liehe Nutzungskorporationen von Wohlen, Uettligen, Säriswil, Murzelen, Salvisberg- Wickacker-Wölflisried-Ausserberg bestehen. Geblieben sind auch die Schulbezirke sowie die beiden Wasserversorgungen.

«ZwMSc/ze WoZe m I/eZT/zge»

Die Zentralisation führte zu Streitigkeiten um die Abtretung verschiedener Vermögens- werte aus der einstigen Viertelsgemeinde Uett- ligen an die neue Gesamtgemeinde Wohlen: Umstritten waren neben den bereits erwähnten Eigentumsverhältnissen rund um die Kiesgrube im Lörwald auch die Übernahme der Kosten für die Erweiterung der Trinkwasseranlage in Uettligen und Oberdettigen. Dieser Konflikt war der Grund von Gehässigkeiten zwischen den Uettligern und den übrigen Gemeindebür- gern, insbesondere denjenigen von Wohlen. Dies führte schliesslich dazu, dass an der Ge- meindeversammlung vom 19. Mai 1923 der Antrag auf Aufhebung der Zentralisation ge- Kirche Wohlen stellt und mit knappem Mehr von 180 Nein- gegen 167 Jastimmen abgewiesen wurde. «Zwüsche Wole u Uettlige» wurde damals in wie Uttelingen, Muriswile, Murzenden und Ig- der deutschen Schweiz sprichwörtlich - und liswyle in Dokumenten. Schon im 14. Jh. galt als Ausdruck des Unbehagens... wurde in Unterdettigen die Aare auf dem Weg nach Aarberg mit einer Fähre überquert. Bei einem Fährunglück am 29. Juni 1311 ertranken Verborgene Geheimnisse und 72 Menschen. Auch in Unterdettigen trafen erste Siedlungsspuren sich in der Zeit von 1310 bis 1344 Vertreter der Stadt Bern mit den Grafen von Oltigen, um ßaMwerke szW Monwmente Zwistigkeiten zu bereinigen. Die Burg Oltigen lag beim Zusammenfluss von Aare und Saane. Die ältesten Bauteile der Kirche Wohlen Wesentlich für die Entwicklung des Gebietes werden ins 12. Jh. datiert. Im Jahr 1131 wurde von Wohlen, das von der Stadt Bern durch die das Kloster Frienisberg als Zisterzienserabtei Aare getrennt wird, war sicherlich der Bau der gegründet und gab der Region viele Impulse Neubrücke im Jahre 1466. Die Kappelenbrücke für das Wirtschaftswachstum. Im 12. und 13. Jh. als direkter Aareübergang nach Bern wurde erst erscheinen auch erstmals einzelne Dorfnamen 1870, an der Stelle, wo seit 1999 wieder ein

78 Sager-Schlösschen in Oberdettigen, Zeichnung

Steg steht, gebaut. Mit dem Bau der Eisen- die spätgotischen Speicher in Illiswil und in bahnstrecke Olten-Bern im Jahre 1857 stieg Möriswil, die Speicher an der Dorfstrasse Hin- die Bedeutung der Verkehrsachse Zollikofen- terkappelen sowie am Schützenweg in Murze- Kirchlindach-Uettligen. Im Jahre 1919 wurde len, die Hofenmühle oder das Hochstudhaus ein Eisenbahnprojekt Bern-Aarberg mit Ver- Schärgumme im Innerberg. Mehrere grosse bindung über Wohlen und Frieswil diskutiert. Brandkatastrophen zerstörten in Säriswil Hochaktuell war in den Fünfzigerjahren des (1797, 1865) und in Murzelen (1775, 1855, 20. Jh. ein nationales Flughafenprojekt mit 1891) viele Gebäude. Landepistenvarianten im Murzelenfeld, südlich Uettligen oder bei Herrenschwanden. Einzelne noch heute erhaltene Bauten im Vze//d/f /?rdg/ die Gemeinde Wo/z/e«: Gemeindegebiet stammen aus dem 17. und jedes' Do//ei« Ä7ei«od 18. Jh. Erwähnenswert sind das Sager-Schlöss- chen in Oberdettigen, der Kirchenspeicher, der Noch heute lebt Wohlen von der Vielfalt ver- heute in Steinisweg steht, das Bauernhaus Mö- schiedener Dorfschaften, Weiler und Einzel- riswilstrasse 12 in Möriswil, datiert von 1606, höfe, die alle ihr eigenständiges Gepräge be-

79 Noch stehen in WoZrZe« die Kirche, die Schulanlage und der Gasthof «Kreuz» am Rand des Dorfs. Oberwohlen und Unterwühlen sind durch Einfamilienhaussiedlungen zusammen- gewachsen, der Friedhof wurde erweitert und die Gemeindeverwaltung zentralisiert. Wohlen wurde schon 1916 durch das Postauto als Ver- suchsstrecke Bern-Detligen erschlossen. /ZZisw/Z zeigt ein gut erhaltenes Ortsbild aus dem 18. und 19. Jh. und wird durch Landwirt- Schaftsbetriebe sowie das Restaurant «zum Löwen» geprägt. MwrzeZe« ist nach wie vor ein Bauerndorf, mit modernisierter Schiessanlage und dem Gasthof «Sternen». 1956 wurden die Schulen von Murzelen und Innerberg im Sandbüel zu- sammengelegt. Der Kappelenring Der /««erèerg entwickelte sich zur beliebten Wohnlage mit Blick von den Alpen bis zum Jura, und manche Liebschaft nahm im Dancing wahrt haben. In Hmrerfa7/?/>eZen ist entlang der des Restaurants «Jäger» ihren Anfang. Dorfstrasse noch das einstige Bauerndorf Das Dorf SämwZZ soll seinen Namen vom erkennbar. Im Feuerwehrmuseum erzählen Sarbaum (Pappel), der das Wappen ziert, erhal- die Schenk-Handspritze (1905) und die Vogt- ten haben. Landwirtschaft und das Wirtshaus Spritze (1937) von der Zeit, da technische Ent- «Rössli» prägen das Dorf mit Häusern aus dem Wicklungen das Weltbild rasch zu verändern ausgehenden 19. Jh. Jüngere Einfamilienhaus- begannen. Heute lebt fast die Hälfte der Bevöl- überbauungen verlängern das Strassendorf in kerung von Wohlen in Hinterkappelen. Der westlicher und östlicher Richtung, wo am Weg Kappelenring mit 1200 Miet- oder Eigentums- zum Birchi das Schulhaus steht. Wohnungen, einem Einkaufszentrum und einer MöF/sw/Z ist heute noch das Bauerndorf in Schulanlage mit zwei Kindergärten wurde in ursprünglicher Bauart und wurde analog Ulis- den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts wil in das Inventar schützenswerter Ortsbilder erstellt. Es folgten die Überbauungen Aumatt I von nationaler Bedeutung aufgenommen. und II und später die Schlossmatte. Letzte Bau- t/effZigew hat von seiner Ursprünglichkeit nur etappe in Hinterkappelen war die Überbauung die Durchmischung von Landwirtschaft und Hausmatte an der Bernstrasse. Vorbei sind die einem intakten Gewerbe bewahrt. Manche ältere Zeiten, da Gäste aus Bern in das Restaurant Gebäude mussten in den Siebziger-, teilweise «Kappelenbrücke», direkt an der Aare gelegen, erst in den Neunzigerjahren des 20. Jh. Neu- pilgerten, um das sonntägliche Kriegsmenü zu bauten weichen. Im Jahre 1827 lebten 218 Ein- gemessen: Hecht aus dem Wohlensee und wohner und Einwohnerinnen in 44 Häusern, «Omelette surprise», hergestellt aus Eiern von heute zählt Uettligen rund 650 Haushaltungen glücklichen Hühnern, die trotz Zweitem Welt- und beherbergt das Altersheim der Gemeinden krieg am Wohlenseeufer genügend Nahrung Wohlen, Kirchlindach und Meikirch sowie das fanden. Heutige Besucher kommen nach Hinter- Oberstufenschulhaus des Schulverbandes Uett- kappelen, um Ferraris und Maseratis zu erwer- ligen und Kirchlindach. Uettligens Funktion als ben, bei Marti media das «Gut zum Druck» zu regionales Zentrum hat ihren Ursprung schon im erteilen, die Gemeindebibliothek und Ludothek 19. Jh. Erstmals am 15. Oktober 1875 verkehrte zu besuchen oder im Kipferhaus Feste zu feiern. eine sechsplätzige Pferdepost auf der Strecke

80 Aarberg-Bern mit Halt vor der Wirtschaft «Gra- von 49 Franken beim Kultursekretariat der Ge- ber» (heute Restaurant «Linde»), 1917 wurde meindeverwaltung bezogen werden (Telefon die Postautolinie Bern-Säriswil eröffnet. 031 828 81 18). Neben den erwähnten Dorfschaften hat Wohlen noch viele Weiler oder Gebäudegrup- pen wie Salvisberg, Wölflisried, Wickacher, Politisches Leben Steinisweg, Schüpfenried oder Weissenstein. Aber auch Einzelhöfe, über zwei Kilometer £ïn modernes Gemeindewnferae/rme« Hecken, Einzelbäume und Baumreihen sowie Obstbaumgärten und die grosse Waldfläche Nach einem umfassenden Neuorganisations- prägen das Landschaftsbild. prozess traten am 1. Januar 1998 die neue Gemeindeverfassung und die Organisationsver- Ordnung in Kraft. Der siebenköpfige Gemein- Wohlen in neuster Zeit derat ist als Führungsorgan der Gemeinde ge- stärkt, und die einzelnen Ratsmitglieder führen Die ia/zre des Wac/wrMwrs eigenverantwortlich ein Departement. Die Organisationsbestimmungen (Organisa- Bis zu Beginn der Sechzigerjahre war die tionsverordnung) liegen voll in der Kompetenz Gemeinde Wohlen eine typische, stille Land- des Gemeinderates und nicht mehr bei der Ge- gemeinde, deren Einwohnerzahl um 3000 meindeversammlung. Dadurch kann rasch auf herum pendelte. Den grössten Anteil stellten sich ändernde Verhältnisse reagiert werden. die Bauernfamilien und ihre Dienstboten. Da- Seit 1. Januar 1998 ist auch ein neuzeitliches neben bestand ein schon gut ausgebautes Ge- Personalrecht in Kraft. Ein eigenes, für eine werbe mit fast allen handwerklichen Berufen; Verwaltung erstmaliges und Privatwirtschaft- Beamte und Angestellte bildeten eine Minder- lieh ausgerichtetes Lohnsystem wurde entwi- heit. Die Industrie fehlte gänzlich. Im Jahre ekelt und eingeführt. 1961 zählte man erst 2987 Bewohner. Der nahe Bremgartenwald und die Aare wirkten wie eine Barriere, die die Bautätigkeit aufhielt. Die Be- Gememdeaw/gafcen .sind gemeinsam völkerung war sehr traditionsbewusst und zm dearéeiien pflegte alte Sitten und Bräuche. Nach 1961 setzte allmählich die Nachfrage nach Bauland Die Aufgaben der Gemeinde, seien sie durch ein - Hinterkappelen zählte damals lediglich Bund oder Kanton übertragen oder selbst be- etwa 600 Bewohner. stimmt, werden durch die Gemeindeverwaltung, Neben der Kappelenring-Siedlung sind in die Gemeindebetriebe, die Kommissionen (De- den Siebziger- und Achtzigerjahren rund um partements-, Fach- und Spezialkommissionen) das einstige Bauerndorf weitere Überbauungen oder durch speziell bezeichnete Fachpersonen in attraktiver Wohnlage entstanden. Neue Sied- bearbeitet. In Kommissionen sind weit über lungen entstanden aber auch in Uettligen, Sä- hundert freiwillige Bürgerinnen und Bürger riswil, Innerberg und Wohlen. tätig. Grundsätzlich bestimmen die Bürgerinnen Über 30 Vereine und Organisationen sorgen und Bürger, in welchen Bereichen und in wel- für ein reges kulturelles und gesellschaftliches chem Umfang die Gemeinde tätig werden soll. Leben. Sie tun dies durch: Die 2006 erschienene Wohlener Ortsge- - 7e;7na/zme an den zwei ins vier Gemeindever- schichte gibt einen umfassenden Einblick in sammiangen, die pro Jahr in der Aula der die Gemeindegeschichte des 19. und 20. Jh. Schulanlage Kappelenfeld in Hinterkappelen Das mit vielen Bildern aus dem Wohlener oder im Reberhaus in Uettligen stattfinden. Fotoarchiv illustrierte Buch kann zum Preis Da werden eine Reihe von Gemeindeangele-

81 genheiten beraten und entschieden. Das und Sekundärschule) gibt es für die ganze Ge- heisst, dass alle stimmberechtigten Bürge- meinde Wohlen zwei Oberstufenschulen: eine rinnen und Bürger das Wort ergreifen und in Hinterkappelen und eine in Uettligen (Ober- Anträge einbringen können. Die Bürgerinnen stufenverband Kirchlindach und Wohlen). und Bürger können an der Gemeindever- Jede Schule hatte bis 31. Juli 2010 ihre eige- Sammlung nicht nur durch ihre Stimmabgabe ne Schulkommission, die in Schulbezirken mit die Geschicke der Gemeinde beeinflussen, eigenem Kindergarten auch für den Kindergar- sondern noch wirksamer durch persönliche tenbereich zuständig war. Ab 1. August 2009 Voten und Anträge. trat im Zuge von REOS, der Reorganisation der - t/rae«a£>s/7mmangen, wenn die Gemeinde- Schulstrukturen, das neue Schulreglement Versammlung ein Geschäft zum Entscheid an Wohlen in Kraft, welches für alle Schulen der die Urne überwiesen hat oder das Referen- Gemeinde eine einzige Schulkommission vor- dum gegen einen Beschluss der Gemeinde- sieht. Seit 1. August 2010 ist nur noch die Versammlung ergriffen wurde. Schulkommission Wohlen für die strategischen - Wa/r/e« an der Urne: Alle vier Jahre werden Geschäfte zuständig. der Gemeinderat und die Geschäfts- und Er- Anfang der Siebzigerjahre ist in der Region gebnisprüfungskommission nach dem Pro- Wohlen eine Musikschule gegründet worden, porzwahlverfahren gewählt. Im Majorzwahl- die heute gegen 400 Schülerinnen und Schüler system werden ausserdem der Gemeinde- unterrichtet. Präsident sowie die Leitung und die stellver- tretende Leitung der Gemeindeversammlung gewählt. WoWe« gate Voraas.setzange« - M/far£>e/f m Departements- and Factom- /ür ch'e ZaFan/t mtm'one«: Die Kommissionsmitglieder wer- den von den Ortsparteien nominiert. Das Gemeindegebiet von Wohlen dokumen- tiert rund 20 Millionen Jahre Erdgeschichte und rund 2500 Jahre Menschheitsgeschichte. Das Bildungswesen in der Beides führte zur Einmaligkeit dieses Lebens- Gemeinde Wohlen raumes. Heimat ist das Produkt von Menschen, die wohl weltoffen sein können, aber dennoch Kmiiergärten Mtzt/ Sc/tn/en verwurzelt bleiben.

Die Gemeinde Wohlen hat ihr Gebiet in sechs Schulbezirke (A-F) und in vier Organisa- WETTBEWERB tionseinheiten (Schulen unter gleicher Schullei- Bibliotheken und Archive A Oberstufe, A Primarschule, B/C und tung: Ein eher junges Archiv ist «SBB Historie» in E/F) eingeteilt. Der Schulbezirk D ist im Schulverband Matzwil mit den Gemeinden Ra- Bern. Zur Erhaltung ihrer Geschichte gründeten delfingen, Seedorf und Wohlen organisiert. die SBB 2001 die privatrechtliche «Stiftung Diese Einteilung wird der geografischen und Historisches Erbe der SBB». Neben Akten aus demografischen Vielfalt der Gemeinde Wohlen der schweizerischen Bahngeschichte findet gerecht. Jeder Schulbezirk soll seinen eigenen man z.B. Dokumentation zu Rollmaterial im Kindergarten und seine eigene Primarschule Verkehrshaus Luzern, Eisenbahnliteratur aus haben. Ausnahme hierzu ist der Schulbezirk der ganzen Welt und Plakate, mit denen für Säriswil/Möriswil, der keinen eigenen Kinder- die Bahn geworben worden ist, sowie Kunst- garten hat. Die Kinder von Säriswil/Möriswil besuchen den Kindergarten in Uettligen. Für werke aus dem Bereich des Verkehrs. die Sekundarstufe I (7.-9. Klassen der Real- S/ehe W/ettbewertefragen auf Se/fe 98

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