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Musikleben im Diskurs

Balanceakt Liberalisierung Was uns TTIP/CETA und TiSA vorgaukeln

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MA 5084-04 · 12/14 editorial 1

TTIP & Co – Blick in die Glaskugel: Reale Gefahr oder Chlorhühnchen-Alarm für die Kultur?

„Was ist uns die Musik wert? Öffentliche Förderung in der Diskussion“ lautet der Titel des Grünbuchs, das die Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrats im Oktober 2013 gestartet und in Dialogforen mit den kulturpolitischen Sprechern der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien bei der diesjährigen Mitgliederversammlung fortgesetzt hatte. Die aktuelle Diskussion um CETA, TTIP und TiSA stellt diese Frage in den weiteren Zusammenhang, welche Rolle die Daseinsvorsorge und Gemeinwohlorientierung noch spielen. Freihandel ist für sich genommen kein Teufelszeug, sondern kann viele Chancen für wirtschaftliche Prosperität eröffnen. 130 Freihandelsabkommen hat Deutschland bereits jetzt abgeschlossen. Es geht aber in der Fortführung des GATS-Prozesses der Welthandels - organisation und in der zeitlichen Verdichtung globaler Abkommen um mehr: um die Li- beralisierung der Märkte in allen gesellschaftlichen Bereichen. Wenn die geplante Privati- Christian Höppner Chefredakteur sierung öffentlicher Dienstleistungen (TiSA) im „Kreis der guten Freunde“ in Geheimver- handlungen in der australischen Botschaft in Genf vorangetrieben wird und zugleich mit TTIP internationale Schiedsgerichte nationale und europäische Gerichtsbarkeit aushebeln sollen, dann stehen alle öffentlichen Investitionen – auch für Bildung, Wissenschaft und Kultur – zur Disposition, im Interesse einer radikalen Marktliberalisierung. Der bereits jetzt erodierende gesellschaftliche Konsens, dass Bildung, Wissenschaft und Kultur eine öffent liche Aufgabe, in öffentlicher Verantwortung und damit in überwiegend öffentlicher Finanzierung sind, wird durch die rein monitäre Profitorientierung zum Fallbeil für die Kulturelle Vielfalt in unserem Land. Davon wären auch bedeutende Teile der nicht export- orientierten Kulturwirtschaft – z. B. durch Wegfall des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und der Buchpreisbindung – betroffen. Die Liberalisierung der Märkte macht weder vor den Kirchentüren, den Universitäten und Hochschulen, den kommunalen Musikschulen, den Musikvereinen, den Einrichtungen zur Fort-, Aus- und Weiterbildung, den Stiftungen, den Orchestern noch vor dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk halt. Im Verständnis der USA ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Telekommunikationsunternehmen und nicht Teil des zu schützenden audiovisuellen Bereichs. Die Formel ist einfach: zwei oder mehr Marktteilnehmer = keine öffentliche Förderung. In der Logik von TTIP würde jede öffentliche Förderung eine Wettbewerbsverzerrung darstellen und wäre damit ein Fall für die internationalen Schiedsgerichte.

In zahlreichen Gesprächen versichern mir Abgeordnete wie Mitglieder der Bundesregie- rung immer wieder, dass für sie die Kulturelle Vielfalt ein hohes Gut sei, das natürlich zu schützen sei. Wie soll das gehen, wenn ein Vertragspartner (USA) die UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt gar nicht ratifiziert hat und der andere Partner sich bei der Vertragsgestal- tung darauf berufen will? Informationen? Tröpfchenweise. Spekulationen? Massenhaft – dank der demokratiefeindlichen Geheimhaltungspolitik der Europäischen Kommission. Mit dieser Ausgabe des Musikforums wollen wir den Versuch einer differenzierten Auseinan- dersetzung mit diesem für unser Land und Europa so existenziellen Thema versuchen. Der Blick in die Glaskugel ist angesichts einer desaströsen Informationspolitik unvermeidlich, sollte uns aber nicht den Blick auf die Zusammenhänge vernebeln.

Christian Höppner

1/15 inhalt im fokus: Balanceakt Liberalisierung Was uns TTIP/CETA und TiSA vorgaukeln

Glänzende Aussicht für die Wirtschaft Wankendes Fundament – kulturpolitische – die Vorteile des Freihandels, Seite 9 Trends in Europa, Seite 44

im fokus | Nicht um jeden Preis | „Blockbuster-Hollywood“ im Vormarsch Markus Ferber: Die Verhandlungen zu Pascal Albrechtskirchinger: Freihandelsabkommen den transatlantischen Freihandelsabkommen 6 und audiovisuelle Medien 26

| Keine Angst vor TTIP | Die Chorhühnchen der Musiker und Musiklehrer Norbert Barthle: Die Freihandelsabkommen Jürgen Simon: Die möglichen Folgen von TiSA werden Europa keine Nachteile bereiten 9 für Musiker 30

| Offene Zukunft Bernd Lange: Debatten und Forderungen in den Verhandlungen zu TTIP 12 akzente | TTIP-Verhandlungen sind karnevalstauglich | Keine bloße Nebensache Christian Höppner im Gespräch mit Katharina Dröge 14 Zur gesellschaftlichen Relevanz von Musik (Boris Voigt) 34

| Einspruch! | Solides System Axel Flessner: TTIP verstößt gegen das Verfassungsrecht 18 Die Leistungen der Gewerkschaften im Kulturbereich (Hartmut Karmeier) 36 | Die Forderungen der Kommunen Ulrich Maly: Kommunale Daseinsvorsorge nicht | Warhol war erst der Anfang durch Freihandelsabkommen einschränken 22 Christian Höppner im Gespräch mit Olaf Zimmermann 39

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Eine Symphonie und ihre Folgen Mehr Freiheit für die Urheber? Die neue EU-Richtlinie – das Dvorˇák-Experiment im Nachgang, Seite 50 zur Wahrnehmung von Online-Rechten, Seite 56

neue töne | Ja, ich will! Die Strebetendenz-Theorie erklärt die emotionale | Junge Künstler – junge Musik Wirkung von Klängen (Bernd Willimek) 52 Das „Ensemble der Länder“ wächst (Ulrike Liedtke) 42 kolumne europa | Erklär mir Pop: | Kein Stein bleibt auf dem anderen von Can (Udo Dahmen) 54 Kulturpolitische Trends in Europa (Michael Wimmer) 44 wirtschaft | recht | Spielregeln für einen fairen Wettbewerb? musik und politik Die EU-Richtlinie zur kollektiven Wahrnehmung | Musikfonds für Deutschland von Online-Rechten (Tilo Gerlach) 56 Neues Förderinstrument für zeitgenössische Musik in Sicht (Martin Maria Krüger) 48 | Leicht zu haben? Warum Musik auch Mühe machen darf (Holger Noltze) 59 bildung | forschung | editorial 1 | Ein ARD-Konzert macht Schule | nachrichten 4 Das Dvorˇák-Experiment und seine Nachfolger | rezensionen 62 (Joachim Knuth) 50 | finale/impressum 64

1/15 4 nachrichten

ARD: Umstieg auf Digitalradio

Die ARD will den Umstieg zur relevante Verbreitungsplattform Radioverbreitung via DAB+ kon- mit hohem Mehrwert für Hörer. sequent vorantreiben. DAB+ steht Die Simulcastphase, also die für eine erweiterte Version des Di- gleichzeitige Radioverbreitung gital Audio Broadcasting (DAB) über UKW und DAB+, soll so zur digitalen Verbreitung von Au- lange wie nötig und so kosten- diosignalen über Antenne mit günstig wie möglich gehalten moderner Übertragung und pro- werden. Gleichzeitig sollen die grammbegleitenden Zusatzinfor- Nutzer ausreichend Zeit für eine mationen. Aus Sicht des Sender- Umstellung auf den digitalen Ver- verbunds ist Digitalradio eine breitungsweg bekommen.

© SWR/Zoch Bund rüstet Livemusikclubs für Digitalisierung Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft ist immaterielles Kulturerbe Für die Umstellung der Live- hatte der Bundesverband Live musikclubs auf die digitale Auf- Musik Kommission (LiveKomm) führungstechnik startet der Bund entwickelt. Die deutsche Theater- und Auseinandersetzung mit tagesak- ein neues Förderprogramm. Mit Der Bund hilft damit nach der Orchesterlandschaft wurde in das tuellen Problemen steht ebenso 1,5 Millionen Euro können 2015 Einführung des Spielstättenpro- bundesweite Verzeichnis des im- im Fokus wie die Arbeit mit Kin- mehr als hundert kleine und mit- grammpreises Rock, Pop, Jazz den materiellen Kulturerbes aufge- dern und Jugendlichen. Die lokale telgroße Musikspielstätten bun- Clubs nun auch bei technischen nommen – so eine Mitteilung der und regionale Verankerung von desweit unterstützt werden“, teil- Investitionen. Das neue Förder- Deutschen UNESCO-Kommission Theatern und Orchestern ist iden- ten der haushaltspolitische programm soll die Umstellung in und der Kultusministerkonferenz titätsstiftend und trägt wesentlich Sprecher der CDU/CSU-Fraktion den Clubs auf digitale Technik, an den Deutschen Musikrat. In zur Kraft und Ausstrahlung der Norbert Barthle und der zustän- wie Mischpulte, Lichttechnik dem Schreiben heißt es u. a.: „Das Kulturlandschaft Deutschland bei.“ dige Berichterstatter Rüdiger oder DJ-Set-Ups unterstützen. Expertenkomitee würdigt Ihren Insgesamt 27 Kulturformen wur - Kruse mit. Das Konzept hierfür Vorschlag ‚Deutsche Theater- und den in das Verzeichnis aufgenom- Orchesterlandschaft‘ mit ihren men, darunter sieben aus dem historisch gewachsenen regiona- Musikbereich, wie z. B. „Chor- Personalia len Strukturen als Ausdruck le- musik in deutschen Amateurchö- bendiger künstlerischer Kreativi- ren“, „Orgelbau und Orgelmu- tät. Die Weiterentwicklung und sik“ sowie „Vogtländischer Anpassung dieser Traditionen an Musikinstrumentenbau in Mar- aktuelle Gegebenheiten sowie die kneukirchen und Umgebung“.

Mittelanhebung für Mehr Geld in Nord- Musikhochschulen rhein-Westfalen

Nachdem den Musikhochschu- Im Haushalt von Nordrhein- © Tom Jenkins © Tom © SWR/Zoch len in Baden-Württemberg in den Westfalen werden im kommen- letzten eineinhalb Jahren erheb- den Jahr die Finanzmittel für die Richard Williams, britischer Armin Köhler, langjähriger liche finanzielle Kürzungen an- Hochschulen des Landes aufge- Publizist, übernimmt ab 2015 das künstlerischer Leiter der Donau- gedroht wurden, sollen deren stockt. Darin enthalten ist auch Jazzfest Berlin. Der Journalist und eschinger Musiktage und Leiter Mittel nun aufgestockt werden. ein Plus von rund 3 Prozent für Kurator Bert Noglik, der das Fes- der SWR2 Redaktion „Neue Mu- Wissenschaftsministerin Theresia Lehrbeauftragte. tival seit 2012 erfolgreich leitet, sik und Jazz“ ist verstorben. Ar- Bauer (Grüne) kündigte an, dass Für sie stehen im Jahr 2015 zu- realisiert 2014 mit der Ausgabe min Köhler war seit 1992 Leiter die Standorte in Stuttgart, Tros- sätzlich 275 000 Euro bereit. Mit zum 50. Jubiläum zugleich sei- der Donaueschinger Musiktage. singen, Freiburg, Mannheim und den zusätzlichen Mitteln soll die nen Ausstand. Seit seiner Grün- Er hat zahlreiche junge Talente Karlsruhe jeweils 3 Prozent mehr Tariferhöhung im öffentlichen dung als Berliner Jazztage 1964 entdeckt und gefördert und viele Geld im Jahr erhalten sollen. Dies Dienst für das Jahr 2014 in Höhe ist das Jazzfest Berlin der Berliner Komponisten begleitet. entspricht einem Gesamtbetrag von 2,95 Prozent an die Lehr - Festspiele ein Markstein in der in- Armin Köhler öffnete das Blick- von 28 Millionen in den kom- beauftragten weiter gegeben wer- ternationalen Festivallandschaft feld über die Grenzen der Künste menden sechs Jahren. den. des Jazz. hinweg.

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ausgezeichnet

118 Millionen Euro Die Deutsche Kammerphil- Development als Katalysator für zusätzlich harmonie Bremen wurde in gesellschaftliche Veränderungs- Bremen mit dem Würth-Preis der prozesse. Jeunesses Musicales Deutschland Der Würth-Preis der Jeunesses Der Haushaltsausschuss (JMD) ausgezeichnet. Der mit Musicales ist eine der exklusiven des Deutschen Bundestags hat in 15 000 Euro dotierte Preis wurde Auszeichnungen in der deutschen seiner abschließenden Sitzung zu- am 28. November 2014 in Bre- Musiklandschaft. Er wird an sätzlich rund 118 Millionen Euro men verliehen. Künstler, Ensembles und Projekte für den Etat 2015 von Kulturstaats- Das Orchester unter seinem Diri- verliehen, die Werte und Zielset- ministerin Monika Grütters be- genten Jaavo Pärvi, so heißt es in zungen der Jeunesses Musicales willigt. Der Gesamtetat ist damit der Begründung, begeistere „in vorbildhaft verwirklichen. Seit Schoelzel © DMR/Andreas auf rund 1,34 Milliarden Euro ge- der Riege der Spitzenorchester 1991 erhielten ihn Persönlichkei- Jens Cording, Kulturmanager, stiegen. Monika Grütters erklärte trotz sinfonischer Besetzung ten wie der Dirigent Gustavo wurde im Auftrag von Bundes- dazu: „Es ist ein großartiges kultur - durch sein präzises kammermu- Dudamel oder die Cellistin Sol präsident Joachim Gauck im Ok- politisches Signal, dass der Haus- sikalisches Spiel“ und wirke mit Gabetta, Ensembles wie das Bun- tober 2014 die Verdienstmedaille haltsausschuss den Bundeskultur- vorbildlichen Projekten im Rah- desjugendorchester oder Projekte des Verdienstordens der Bundes- haushalt – trotz der notwendigen men ihrer Initiative „Zukunftsla- wie das Education-Programm der republik Deutschland im Mün- Einsparbemühungen – um 4,26 bor“ im Bereich des Audience Berliner Philharmoniker. chener Rathaus verliehen. Geehrt Pro zent gegenüber dem Vorjahr wird Jens Cording für sein lang- erhöht hat. Mit seinen Entschei- jähriges und vielfältiges Engage- dungen ermöglicht der Haus- ment für die zeitgenössische Mu- haltsausschuss wichtige Impulse sik sowie für seinen hohen für die Kulturpolitik, wie z. B. den persönlichen Einsatz für die Be- Neubau eines Museums für die lange der Kultur: „Herr Cording Kunst des 20. Jahrhunderts, ver- engagiert sich umfangreich eh- schiedene Investitionen im Rah- renamtlich im Bereich Kultur und men des Bauhausjubiläums und versteht sich als Anwalt der Neuen die Aufnahme des Deutschen Musik. Wir sind froh, dass wir Zentrums Kulturgutverluste in die über die bundesweiten Projekte institutionelle Förderung. Dies ist hinaus auch in München schon umso erfreulicher, als in einigen mit ihm zusammenarbeiten Bundesländern leider eine Tendenz konnten. Sein Engagement geht zur Reduzierung der Kulturhaus- weit über das normale Maß hi- halte sichtbar geworden ist.“ naus und verdient unsere höchste Die Staatsministerin betonte wei- Anerkennung“, so Bürgermeiste- ter: „Kulturförderung ist kein Lu- rin Christine Strobl in ihrer Lau- xus, den wir uns in guten Zeiten datio. gönnen, sondern notwendig und eine vornehme Pflicht. Kreative und Intellektuelle sind das Kor- rektiv einer Gesellschaft. Wir brauchen Kunst und Kultur, ver- Röckle © netzwerk junge ohren/Oliver wegene unbequeme Denker und Der Junge Ohren Preis 2014 det musikalische Miniaturen in Künstler, wir brauchen die Uto- wurde drei herausragenden Pro- einer mitreißenden Revue. pien, die sie entwerfen, die Fan- duktionen am 27. November 2014 Die Kategorie „Best Practice, Par- tasie, die sie antreibt, die Sehn- im Kammermusiksaal der Staatli- tizipatives Konzert“ entschied das sucht nach einer besseren Welt. chen Hochschule für Musik und Klavier-Festival Ruhr mit Ein Jahr Sie sind der Stachel im Fleisch Darstellende Kunst Stuttgart ver- mit György Ligeti für sich. In einem unserer Gesellschaft, der verhin- liehen. 108 Musikprojekte und inklusiven Ansatz setzten sich 165 © Universal Edition / Eric Marinitsch dert, dass intellektuelle Trägheit Produktionen für junge Men- Grundschüler, Förderschüler und Wolfgang Rihm, Komponist und politische Bequemlichkeit schen aus dem gesamten deutsch- Gymnasiasten in Duisburg- und Schriftsteller, erhielt den Ro- die Demokratie einschläfern. Mit sprachigen Raum hatten sich für Marxloh schöpferisch mit der bert Schumann-Preis für Dich- dem klaren Bekenntnis des Deut- den mit 5 000 Euro dotierten Musik des Komponisten ausei- tung und Musik 2014 der Aka- schen Bundestags wird gleichzei- Preis beworben. nander. demie der Wissenschaften und tig auch ein politisches Signal an In der Kategorie „Best Practice, Mit der Idee zu dem partizipati- der Literatur. Der Preis wird alle die Kulturverantwortlichen in Konzert“ wurde das Lucerne Fes- ven Musiktheater Die beste Beerdi- zwei Jahre an Persönlichkeiten für Ländern und Kommunen gege- tival für HEROÏCA ausgezeichnet. gung der Welt überzeugten Regis- ein herausragendes Lebenswerk ben, auch in finanziell schwieri- Das inszenierte Konzert mit sie- seurin Verena Ries und das auf dem Gebiet der Dichtung und gen Zeiten Kürzungen im Kultur- ben jungen Instrumentalisten der Quartett PLUS 1 in der neuen der Musik vergeben. Er ist mit bereich nicht hinzunehmen.“ Lucerne Festival Academy verbin- Konzeptkategorie „LabOhr“. 25 000 Euro dotiert.

1/15 © Pixabay Nicht UM JEDEN PREIS

Die Verhandlungen zu den transatlantischen Freihandelsabkommen Markus Ferber

Freihandelsabkommen erfahren momentan eine große Aufmerksamkeit und werden in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Viele Halbwahrheiten werden verbreitet, die Ängste schüren. Was bedeutet jedoch die Öffnung von Handelsschranken für die europäische Wirtschaft? Welche Bedin- gungen muss ein Freihandelsabkommen erfüllen, um das Wohl der Bürger sicherzustellen? Der Europaabgeordnete Markus Ferber gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Verhandlungen zu TTIP, CETA und TiSA.

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In Europa gelb, in den USA rot: Der Blinker gilt als Paradebeispiel für die mögliche Übernahme US-amerkanischer Standards.

Da Freihandelsabkommen jeden Bürger betreffen, ist es mir Transparenz muss sein ein großes Anliegen, Klarheit in das Thema zu bringen und Obwohl Handelsabkommen wie TTIP, CETA und TiSA eine Viel- einen offenen Austausch mit allen interessierten Bürgerinnen zahl an Vorzügen für Europa mit sich bringen, ist vollkommen und Bürger zu führen. Jedoch muss die Diskussion auf einer klar, dass diese Abkommen nicht um jeden Preis zustande kom- sachlichen Ebene geführt werden, denn Handelsabkommen men dürfen. Besonders wichtig ist es daher, hohe Transparenz haben für Europa eine große wirtschaftliche Bedeutung. während den Verhandlungen zu schaffen und die Bürger und Momentan sind die Freihandelsabkommen CETA, TTIP und auch alle betroffenen Interessensgruppen intensiv in den Dialog ein- TiSA in aller Munde, deshalb möchte ich kurz auf die einzelnen zubeziehen. Eine stärkere Beteiligung der nationalen Parlamente Abkommen eingehen. zähle ich dazu. Mit dem Vertrag von Lissabon hat die EU-Kom- CETA: Nach fünfjährigen Verhandlungen über das umfassen- mission von den Mitgliedsstaaten die Kompetenz erhalten, Frei- de Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Europa und handelsabkommen im Namen der Mitgliedsstaaten für Europa Kanada (CETA) sind diese Ende September abgeschlossen wor- aushandeln zu dürfen. Daher ist es eine wichtige Aufgabe der den. Der Vertragstext von CETA ist äußerst ambitioniert, Kanada Kommission, Transparenz über den Verhandlungsverlauf von und Europa haben sich auf sehr hohe Standards und Normen Freihandelsabkommen herzustellen und besonders eine offene geeinigt. Die Europäische Union hat das erhalten, was wir ge- Diskussion mit den Bürgern zu suchen. fordert haben. Im Hinblick auf zukünftige Freihandelsabkom- Bei den Verhandlungen über TTIP kam die Europäische Kom- men ist das ein großer Erfolg, besonders für das Freihandelsab- mission dieser Verpflichtung bisher nicht in ausreichendem kommen mit den USA wird CETA als Blaupause gehandelt. Maße nach. Das ist vollkommen inakzeptabel, besonders der TTIP, die transatlantische Handels- und Investitionspartner- Mangel an Transparenz und Informationen über TTIP haben in schaft, wird seit 2013 zwischen den USA und Europa verhan- den letzten Monaten dazu geführt, dass viele Mythen und Be- delt. Die Verhandlungen schreiten gut voran, Anfang Oktober ist fürchtungen über TTIP entstanden sind, die nun im Umlauf die siebte Verhandlungsrunde abgeschlossen worden. sind. Die Kritik seitens der Öffentlichkeit ist hoch. Um die Bür- TiSA, das geplante Abkommen zur Erleichterung des welt- ger für dieses für Europa sehr bedeutsame Projekt zu gewinnen, weiten Dienstleistungshandels, wird seit 2013 zwischen 22 muss die Politik die Sorgen und Befürchtungen der Bürger ernst WTO-Mitgliedern verhandelt. Die Verhandlungspartner nehmen nehmen. zusammen circa 70 Prozent des globalen Dienstleistungshandels Mit der Veröffentlichung des TTIP-Verhandlungsmandats und ein, ein erfolgreicher Abschluss von TiSA könnte besonders den der Ende November veröffentlichten Transparenzinitiative hat stockenden WTO-Verhandlungen neuen Schwung einverleiben. die Kommission nun im Rahmen der Verhandlungen mit den USA einen längst überfälligen Schritt getan. Beispielsweise Ziele der Abkommen sollen zukünftig alle Europaabgeordneten Zugang zu den Das vorrangige Ziel eines Freihandelsabkommens ist es, Han- Verhandlungstexten erhalten und die Berichterstattung über die delsbeschränkungen zwischen den Handelspartnern abzubauen, Inhalte der einzelnen Verhandlungsrunden erhöht werden. Dies welche den Handel und Investitionen zwischen den Ländern begrüße ich sehr und erwarte nun weitere Anstrengungen sei- behindern. Freihandelsabkommen führen zu einer Ausweitung tens der Kommission, die Transparenz bei TTIP zu verbessern. des europäischen Handels, besonders vor dem Hintergrund der weltweit abnehmenden wirtschaftlichen Bedeutung Europas Schutz der Kultur sind Freihandelsabkommen daher von großer Bedeutung. Durch Der Schutz der Kulturellen Vielfalt ist ein zentrales Ziel. In die- die Abschaffung von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemm- sem Zusammenhang hat die EU die Konvention zum Schutz nissen zwischen der EU und beispielsweise Kanada oder USA, und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen der eröffnet sich für Europa die Chance, europäisches Wirtschafts- UNESCO ratifiziert, welche 2007 in Kraft getreten ist. Damit ist wachstum anzuregen und neue Arbeitsplätze zu erschließen. Europa eine internationale, rechtsverbindliche Übereinkunft zur Beispielsweise zielt TTIP darauf ab, ähnliche technische Stan- Förderung und gleichzeitig zum Erhalt der Kultur eingegangen. dards in Europa und in den USA anzugleichen oder gegenseitig In Handelsverträgen genießen Kultur und audiovisuelle Dienste anzuerkennen. Damit können unnötige Handelshemmnisse be- einen besonderen Status. Der audiovisuelle Sektor ist normaler- seitigt und immense Kosten eingespart werden. Das Paradebei- weise ausgeschlossen, es besteht damit keine Verpflichtung zur spiel ist der Blinker, welcher in den USA rot, in Europa hinge- Liberalisierung. Dies ist auch bei CETA, TTIP und TiSA der Fall, gen gelb sein muss. Es ist dabei nicht sicherheitsrelevant, ob ein der Bereich Kultur ist ausdrücklich ausgenommen. Die EU Auto ein rotes oder ein gelbes Blinklicht aufweist. Harmonisierte schützt so ihren Markt für Film, Fernsehen, Radio und weitere Zulassungsverfahren würden jedoch den Handel deutlich er- audiovisuelle und kulturelle Dienste, indem sie diesen Markt leichtern. nicht für Anbieter außerhalb der EU öffnet.

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Gesetze zum Schutz dieser Vielfalt, etwa bei der Produktion von gerne zu den Aspekten Investitionsschutz und öffentliche Da- Filmen und Fernsehprogrammen, werden somit weder in dem seinsversorge Stellung nehmen: Abkommen mit Kanada, noch in den aktuellen Verhandlungen Laut dem Verhandlungsmandat der EU-Kommission soll TTIP mit den USA, infrage gestellt. Damit ist der öffentlich finanzierte auch ein Kapitel über Investitionsschutz beinhalten. Die Euro- Rundfunk in Deutschland umfassend abgesichert, ebenso wie päische Union schließt seit Jahrzehnten Investitionsschutz- die verschiedenen Regelungen zur Filmförderung. Der häufig abkommen mit ihren Handelspartnern ab, Investitionsschutz in vorgebrachte Einwand, TTIP würde dass deutsche Bildungssys- Freihandelsabkommen ist daher kein neuer Aspekt. Ob es aller- tem und die Kulturlandschaft aushöhlen, ist nicht stichhaltig. dings notwendig ist, angesichts des hohen Rechtsschutzniveaus sowohl in Europa als auch in den USA den Investitionsschutz in Investitionsschutz und Daseinsvorsorge TTIP gesondert aufzunehmen, ist fraglich. Ich halte es bei TTIP Da das Handelsabkommen mit den USA, TTIP, momentan be- für absolut ausreichend, den Investitionsschutz einzig und allein sonders stark in der Öffentlichkeit kritisiert wird, möchte ich über den Zugang zu ordentlichen Gerichten zu gewährleisten. Hinsichtlich der öffentlichen Daseinsvorsorge werden die EU- Mitgliedsstaaten auch in Zukunft freie Hand haben. Die öffentli- che Daseinsvorsorge, beispielsweise die öffentliche Versorgung Oben: Das Europäische Parlament und die nationalen mit Energie und Wasser, Bildungseinrichtungen, Gesundheits- Parlamente werden über die Abkommen abstimmen. Unten: In ganz Europa gibt es Proteste gegen die versorgung und soziale Dienstleistungen, liegt ganz in der Kom- Freihandelsabkommen wie hier in London. petenz der Mitgliedsstaaten. Daran wird ein transatlantisches Handelsabkommen mit den USA nichts ändern.

TTIP und CETA – demokratisch verhandelt Bis TTIP fertig verhandelt ist, wird es noch eine ganze Weile dauern. TTIP zum jetzigen Zeitpunkt grundsätzlich abzulehnen, halte ich für falsch. Wir müssen TTIP eine Chance geben und erst einmal abwarten, welche Ergebnisse für Europa in den Ver- handlungen erzielt werden können. Ich verfolge die Verhand- lungen kritisch und werde das Verhandlungsergebnis sorgfältig prüfen. Nur wenn ich sicher bin, dass das transatlantische Frei- handelsabkommen im Einklang mit europäischem Recht steht und sowohl den Bürgern als auch unseren Unternehmen zugu- tekommt, werde ich dem Abkommen am Ende zustimmen. Hinsichtlich CETA bin ich zuversichtlich. Wir haben für Europa gute Verhandlungsergebnisse erzielt, mit denen wir zufrieden

© European Commission © European sein können. Europa zeigt damit, dass es seine hohen Standards international durchsetzen kann. Nun muss abgewartet werden, bis das Abkommen paraphiert worden ist. Dann beginnt der Ra- tifizierungsprozess. Sofern nationale Kompetenzen betroffen sind, werden sowohl bei TTIP als auch bei CETA nicht nur das Europäische Parlament und der Rat, sondern auch die nationalen Parlamente über die Abkommen abstimmen. Damit unterliegen diese Freihandelsab- kommen höchster demokratischer Kontrolle.

Markus Ferber ist seit 1994 Europaabgeordneter im Europäischen Parlament und

© flickr Vize-Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses.

1/15 fokus 9 © Dennis Skley

Glänzende Aussichten für die Wirtschaft: Mit den Handels- abkommen zwischen Europa und den USA wird der größte Keine Angst zusammenhängende Wirtschaftsraum der Welt geschaffen. vor TTIP

Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäi- Die Freihandelsabkommen werden Europa schen Union (EU) und den Vereinigten Staaten von Amerika. keine Nachteile bereiten Norbert Barthle Die Verhandlungsführung auf europäischer Seite liegt bei der Europäischen Kommission. Die EU-Mitgliedstaaten haben der EU-Kommission dafür ein Verhandlungsmandat erteilt, das die Zielsetzungen und generellen Anforderungen an die Verhand- Die Angst vor den geplanten Freihandelsabkommen, über die lungen enthält. Trade in Services Agreement (TiSA) ist ein ge- die EU-Kommission derzeit mit den USA verhandelt, ist plantes Abkommen zum Abbau von Handelshemmnissen im groß: Werden mit TTIP und TiSA die europäischen Standards Dienstleistungsbereich, das derzeit von 23 Mitgliedern der Welt- im Verbraucherschutz sinken? Wird der Kulturbereich bald handelsorganisation (WTO), darunter auch die EU, verhandelt von US-amerikanischen Firmen dominiert? Norbert Barthle wird. rät zur Entspannung: TTIP kann uns allen nur nützlich sein – vorausgesetzt die Politik gibt nicht allen Forderungen nach. Die Angst vor den Abkommen Vor allem das geplante Freihandelsabkommen TTIP ist nahezu Momentan laufen die Verhandlungen zu den internationalen täglich Gegenstand der Berichterstattung in den Medien. Dies Abkommen TTIP und TiSA. Transatlantic Trade and Investment liegt unter anderem daran, dass es eine enorme Mobilisierung Partnership (TTIP) ist ein Abkommen zur Transatlantischen gegen das geplante Abkommen gibt. So haben sich beispiels-

1/15 10 fokus © Campact/ Foto: Jakob Huber © bauernverband/Emmi Mittelland Milch AG Suhr weise in dem Bündnis „Stop TTIP“ um die 250 Parteien, Vereine schaft und Verbraucher. Der Kauf und Verkauf von Waren und und sonstige Organisationen zusammengeschlossen. Darunter Dienstleistungen zwischen der EU und den USA wird erleich- befinden sich aus Deutschland beispielsweise Bündnis90/ tert. Niedrigere Preise beim Einkaufen, eine größere Produkt- Die Grünen, Die Linke, Attac, Campact und der Deutsche Kultur- auswahl und vielfältigere Produkte werden die Folgen sein. rat. Hauptkritikpunkte sind, dass die laufenden Verhandlungen Deutschlands Wohlstand hängt entscheidend von unseren Ex- angeblich zu sehr im Geheimen geführt werden. Außerdem be- porten und unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit ab. stehen Befürchtungen und Ängste, dass am Ende bewährte Stan- Deshalb profitieren unsere exportstarke Automobil-, Chemie-, dards und Niveaus etwa in den Bereichen Arbeitnehmerrechte Maschinenbau- und Elektroindustrie und der Mittelstand in be- und -schutz, soziale Sicherheit, Umweltschutz, Gesundheits- sonderem Maße von einem weltweit freien Handel mit einem schutz, Lebensmittelsicherheit, Verbraucherschutz, öffentliche freien Marktzugang. Insgesamt werden wir mit TTIP in Deutsch- Dienstleistungen, Daseinsvorsorge („public utilities“, etwa die land Arbeitsplätze, Wachstum und unseren hohen sozialen Wasserversorgung), kulturelle Einrichtungen und die Kulturelle Wohlstand sichern. Vielfalt aufs Spiel gesetzt würden. Rechtssicherheit durch Investitionsschutz Vertiefung der transatlantischen Beziehungen Ohne Investitionen ist kein Wirtschaften möglich, und ohne Die Große Koalition hat im Koalitionsvertrag zu Recht verab- einen Schutz von Investitionen beispielsweise vor Diskriminie- redet, dass sie die TTIP-Verhandlungen als eines der zentralen rung und Enteignung wird niemand, schon gar nicht im Aus- Projekte zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen zum land, investieren. Die EU-Mitgliedstaaten haben bisher rund Erfolg führen will. Mit TTIP wird der größte zusammenhängen- 1 400 bilaterale Investitionsschutzabkommen mit Investor-Staat- de Wirtschaftsraum der Welt mit über 800 Millionen Menschen Schiedsverfahren geschlossen, Deutschland mit gut 130 solcher geschaffen. Gemeinsam erwirtschaften die USA und die EU fast Abkommen davon am meisten. Deutsche und europäische In- 50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und generie- vestoren profitieren von dieser zusätzlichen Rechtssicherheit. ren ein Drittel des weltweiten Handels. Die USA sind die größte TTIP bietet auch die Chance, beim Thema Investitionsschutz Volkswirtschaft der Welt und der wichtigste Handelspartner Mängel bisheriger Abkommen zu beseitigen und für neue Stan- Deutschlands außerhalb der EU. Neben dem Abbau von Han- dards beispielsweise bei der Auswahl der Schiedsrichter von delshemmnissen bietet TTIP vor allem die Chance, unseren ho- Investor-Staat-Schiedsgerichten für eine neutrale und ausgewo- hen westlichen Standards beispielsweise in den Bereichen Um- gene Besetzung zu sorgen. welt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz auch im 21. Jahr- hundert weltweit Geltung zu verschaffen. Keine Chance für Chlorhühnchen TTIP kann Vorbild für andere internationale Abkommen sein. Es Die vielzitierten Chlorhühnchen sind ein gutes Beispiel für die muss allen bewusst sein, dass die USA parallel mit dem asiati- vermeintlichen Risiken und Nebenwirkungen aus TTIP. Dabei schen und pazifischen Raum über vergleichbare Abkommen handelte sich eher um das Ergebnis einer zeitweise surrealen öf- verhandeln. Wenn TTIP nicht zustande käme, würden in diesen fentlichen Debatte. Wie in Europa ist auch in den USA die Sensi- Abkommen weltweite Standards definiert, was sicherlich nicht bilität für Nahrungsmittelsicherheit sehr ausgeprägt. Für be- zum Nutzen des weltweiten Verbraucher- und Umweltschutzes stimmte Bereiche gelten in den USA strengere Schutzstandards wäre. und Genehmigungsverfahren als in der EU. Bei der Geflügel- fleischerzeugung legt Europa höchsten Wert auf eine durchgän- Verbesserung des Exports gig zertifizierte und hygienische Produktionskette und darauf, Von der Beseitigung von Handelshemmnissen, insbesondere dass nach der Schlachtung das Fleisch nur mit Wasser gereinigt von Zöllen, unnötigen Doppelregulierungen und Investitionsbe- werden darf. Im Gegensatz dazu wird in den USA das Fleisch schränkungen in vielen Wirtschaftszweigen profitieren Wirt- nach dem Schlachten desinfiziert.

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Links: Die Bürgerinitiative „Stop TTIP“ rief zum europaweiten Protest gegen das Freihandelsabkommen auf. Mitte und rechts: Ob Lebensmittelindustrie oder Filmförderung: Die europäischen Standards dürfen nicht unterlaufen werden. © Filmfest Hamburg / Cordula Kropke © Filmfest Hamburg / Cordula

Grundlegende Gesetze der EU dürfen durch ein Handelsabkom- ben im Gegensatz zu den USA die UNESCO-Konvention verab- men nicht umgangen werden. Weder die europäischen noch die schiedet. Ein entsprechender Hinweis soll auch in der Präambel US-amerikanischen Produktionsstandards dürfen bei den Ver- des Abkommens aufgenommen werden. Dadurch wird die handlungen unterlaufen werden. Chemische Oberflächen - UNESCO-Konvention aus EU-Sicht auch für TTIP verbindlich. behandlungen mit Chlor dürfen nicht dazu dienen, vorherige Zum anderen sind auch audiovisuelle Medien ausdrücklich Hygienemängel zu überdecken. Daher ist auch das Verbot von aus dem Dienstleistungshandelskapitel ausgeklammert. Gesetze Chlorhühnchen für die EU nicht verhandelbar. Chlorhühnchen zum Schutz der Kulturellen Vielfalt beispielsweise bei der Pro- sind heute nicht in Europa zugelassen und werden es auch nach duktion von Film- und Fernsehprogrammen sind damit kein dem Abschluss von TTIP nicht sein. Thema des geplanten Abkommens. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland und die Filmförderungen werden also Keine negativen Auswirkungen auf die Kultur nicht infrage gestellt. Auch die Buchpreisbindung ist nach deut- Durch TTIP und TiSA werden auch nicht die Kulturlandschaften scher und europäischer Auffassung nicht in Gefahr. Es handelt in Europa und Deutschland verwüstet. Im Gegenteil: Wenn es sich dabei nicht um ein tarifäres oder nicht tarifäres Handels- der Wirtschaft und damit auch dem Staat in Folge der Abkom- hemmnis, da die Buchpreisbindung inländische und ausländi- men gut geht, hat das indirekt positive Auswirkungen auf die sche Unternehmen gleichermaßen bindet. Kultur, die in Deutschland zu ca. 80 Prozent staatlich finanziert wird. Dies zeigen die Ergebnisse der Beratungen zum Bundes- Ausnahme für Subventionen haushalt der vergangenen Jahre, in denen trotz der erforderli- Für die öffentliche Finanzierung der Kulturlandschaft, beste- chen Haushaltskonsolidierung die Kulturmittel jeweils deutlich hend beispielsweise aus Theatern, Museen, Opern, Festspielen aufgestockt wurden. u. a., ist in früheren Abkommen außerdem immer eine horizon- Traditionell ist der Kulturbereich kein Inhalt von Freihandelsab- tale Generalausnahme für staatliche Subventionen aufgenom- kommen, sondern wird wegen des Doppelcharakters als Kultur- men worden. Kulturstaatsministerin Grütters setzt sich vehe- und Wirtschaftsgut klassischerweise aus Freihandelsabkommen ment dafür ein, dass eine solche Ausnahme auch bei TTIP aufge- ausgeklammert. Da dieser Bereich aber für die USA der zweit- nommen wird. Damit würde sichergestellt, dass TTIP keine Ver- größte Wirtschaftszweig ist und anders als in Deutschland und pflichtungen zum Subventionsabbau enthalten kann. Europa zu ca. 80 Prozent privat finanziert wird, machen die Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Deshalb sind die Veröf- USA dahingehend Druck, dass Kultur und Medien in die TTIP- fentlichung des Mandats der EU-Kommission für die TTIP-Ver- Verhandlungen mit aufgenommen werden. handlungen durch den Rat der EU Anfang Oktober 2014 und die Ankündigung der neuen EU-Kommissarin Malmström zu Schutzklauseln für Kultur begrüßen, dass die Verhandlungen insgesamt noch transparenter Deshalb ist es wichtig, dass gemäß Koalitionsvertrag in den Ver- werden sollen. Wenn die Fakten öffentlich sind, lassen sich mit handlungen zum Freihandelsabkommen TTIP das besondere Negativsymbolen wie den Chlorhühnchen nicht länger Ängste Schutzbedürfnis von Kultur und Medien durch Ausnahmerege- schüren und andere Befürchtungen können argumentativ aus- lungen berücksichtigt und gesichert werden soll. Es ist ein Er- geräumt werden. Insgesamt muss Europa die Chancen der inter- folg, dass sich die Forderung nach diesem Schutz bereits im Ver- nationalen Abkommen zügig nutzen, um langfristig seinen – handlungsmandat der EU-Kommission für TTIP niedergeschla- auch kulturellen – Wohlstand zu sichern und seine hohen Stan- gen hat: dards weltweit zum Maßstab zu machen. Zum einen wurde in den Mandatstext auf Initiative Frank- reichs und Deutschlands ein ausdrücklicher Hinweis auf die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Norbert Barthle ist haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfrak- Kulturellen Vielfalt aufgenommen. Deutschland und die EU ha- tion.

1/15 © Martin Fisch Offene Zukunft

besonders in Deutschland, schon vor Beginn der Verhandlungen Debatten und Forderungen in den auf gehörige Skepsis. Verhandlungen zu TTIP Bernd Lange Einflussnahme der Europaabgeordneten Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament haben die Sorgen und Befürchtungen um die Kulturelle Vielfalt in Europa In der Diskussion um TTIP wird viel spekuliert: Was besagt und deren Fortbestand aufgegriffen und entschlossen gehandelt. die Bereichsausnahme für Kultur und audiovisuelle Medien? So wurde schon vor Beginn der Verhandlungen vor allem auf Ist es noch möglich, sie zu unterwandern oder gar zu kippen? Druck des Europäischen Parlaments die Sicherung der Kulturel- Wie sehen die Verhandlungen vonseiten der USA aus? Bernd len Vielfalt, deren Förderungsmöglichkeiten in der EU und das Lange skizziert die Herangehensweise der EU-Handelspolitik Nichtverhandeln über audiovisuelle Dienstleistungen im Ver- an das Thema Kultur, die Rolle des Europäischen Parlaments handlungsmandat verankert (Resolution vom Mai 2013). Dies und die Forderungen der Sozialdemokraten. wird an sechs Stellen im Mandat deutlich formuliert und ist in- zwischen für jedermann nachlesbar. Denn das Mandat ist seit Oktober 2014 öffentlich – ein wichtiger Schritt der EU Mit- Was hat ein Handelsabkommen mit Kultur zu tun? Diese Frage gliedsstaaten hin zu mehr Transparenz in den TTIP-Verhandlun- hätten sich vor wenigen Jahren, wenn überhaupt, nur eine gen, auch wenn er eineinhalb Jahre zu spät erfolgte. Handvoll Menschen gestellt. Doch die Verhandlungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten zu TTIP haben dies grundle- Garantie über Schutz von Kultur und audiovisuellen gend geändert. Die enorme Reichweite der öffentlichen Diskus- Medien sion um TTIP liegt zum einen am Umfang und der Komplexität Trotzdem gibt es weiterhin ein gehöriges Maß an Misstrauen. des geplanten Abkommens, in dem nicht nur über Zollbarrie- Viele Kulturschaffende befürchten, US-Konzerne könnten die ren, sondern auch über sogenannte nicht-tarifäre Handels- europäischen Systeme der Kulturförderung als Wettbewerbsver- hemmnisse, gemeinsame Standardsetzungen und weitere Regu- zerrung interpretieren. Die UNESCO-Konvention zum Schutz larien verhandelt wird. Dies allein stieß bei vielen Menschen, und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (er-

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lassen im Rahmen der GATS) sichert ein Verhandlungsverbot Transparenz. Für uns Sozialdemokraten heißt das: die Veröffent- über Kultur und wurde von der EU und allen EU-Regierungen lichung von grundlegenden Verhandlungsdokumenten. Dazu unterzeichnet. Es gibt Befürchtungen, dass die Konvention zählen neben dem Verhandlungsmandat die ersten Offerten der durch eine Ausnahmeklausel im Rahmen von TTIP außer Kraft EU sowie Positionspapiere zu allen Verhandlungsbereichen. Nur gesetzt werden könnte. Ein Blick in das Verhandlungsmandat so kann sichergestellt werden, dass Klarheit darüber herrscht, zeigt jedoch, dass auf die UNESCO-Konvention explizit Bezug was in TTIP verhandelt wird und was nicht, und vor allem: wo- genommen wird, eine Unterwanderung dieses Schutzes dem- hin die Reise führen soll. Und nur so kann die Zivilgesellschaft nach ausgeschlossen ist. informiert und beteiligt sein. Mögliche geplante Änderungen in der UN-Handelsklassifikation Unsere Forderungen, von denen ich hier nur einige nennen könnten könnten jedoch dazu führen, dass audiovisuelle Me- konnte, werden wir in den Verhandlungs- und Ratifizierungs- dien nicht mehr zum Kulturbereich zählen, sondern zur Tele- prozess einfließen lassen. Denn ein ausgehandeltes Abkommen kommunikation; dann könnte man auch innerhalb von TTIP muss in jedem Fall vom Europäischen Parlament ratifiziert wer- wieder über diesen Bereich verhandeln. Und die US-Seite hat den. Wir Sozialdemokraten loten Chancen und Probleme aus schon Versuchsballons zum Zugriff auf den kulturellen Bereich und knüpfen daran die Entscheidung. Dass Sozialdemokraten im gestartet und hat in den Verhandlungen ein Papier zu audiovisu- Europäischen Parlament ihr Recht bei Handelsabkommen auch ellen Dienstleistungen und ein Papier zu privat organisierter Er- Nein zu sagen, sehr ernst nehmen, hat die von ihnen geführte wachsenenbildung und anderen Bildungsdienstleistungen vor- Ablehnung des ACTA-Abkommens (Schutz geistigen Eigentums gelegt. Die EU-Kommission hat aber wohl deutlich gemacht, im digitalen Bereich) gezeigt, dem das Europäische Parlament dass sie kein Mandat hat, darüber zu verhandeln. wegen inhaltlicher Schwächen und Webfehler seine Zustim- mung verweigerte und es damit scheitern ließ, was bisher in Kontrolle und Transparenz in den Verhandlungen keinem nationalen Parlament geschah. Das Europäische Parla- Doch wie soll man sicherstellen, dass sich die EU-Kommission ment ist hier das demokratische Gewissen der EU. Die EU-Kom- in den Verhandlungen auch wirklich an die Vorgaben des Man- mission ist also bestens beraten, die Forderungen und Bedenken dates hält und die Befürchtungen aus dem Kulturbereich auf- zu beachten. Andernfalls gefährden sie die Zukunft eines Ab- greift? Hier kommen wir zur Transparenz rund um die TTIP- kommens, welches zurzeit ja nur in den Köpfen der Verhandeln- Verhandlungen. Es ist zunächst Aufgabe des Europäischen Parla- den besteht. ments, der Kommission auf die Finger zu schauen. Federfüh- rend ist hierbei der Ausschuss für Internationalen Handel (IN- Stagnation in den Verhandlungen TA) mit Zugang zu Dokumenten und Verhandlungspositionen Bisher haben die TTIP-Verhandlungen kaum Fortschritte ge- der EU. Die demokratisch gewählten Vertreter stehen in ständi- macht und sind ernüchternd. In vielen Bereichen haben die US- gem Kontakt mit den Verhandlungsführern und vertreten die In- Unterhändler sich überhaupt nicht bewegt. Die USA müssen teressen der Kulturschaffenden. aber bezüglich der europäischen Vorstellungen im kulturellen Ein großes Manko aus meiner Sicht bleibt der Umstand, dass Bereich und beim europäischen Modell des Sozialstaates und weder das Europäische Parlament, noch der Ministerrat Zugang der Teilhabe mehr auf die EU zugehen, damit die Verhandlungen zu den Dokumenten der US-Seite haben. Ohne über die Forde- nicht scheitern. Das Europäische Parlament wird nach der Ar- rungen und Positionen der US-Seite informiert zu sein, ist eine beitsaufnahme der neuen EU-Kommission, den jüngst erfolgten vollständige Bewertung der Verhandlungen unmöglich. Seit Kongresswahlen in den USA im November und dem von der Neuestem haben Europaparlamentarier Zugang zu den ersten neuen EU-Handelskommissarin verkündeten „fresh start“ für wenigen konsolidierten Vertragstexten, auf die sich die Verhan- die Gespräche eine kritische Bewertung der Verhandlungen vor- delnden der EU und den USA geeinigt haben. Diese sind aller- nehmen und über das weitere Vorgehen entscheiden. Denn eins dings nur in speziellen Leseräumen zugänglich und noch nicht ist klar: Grundlegende Werte dürfen nicht wirtschaftlichen Inte- zu allen Teilen der Verhandlungen vorhanden. Immerhin gibt es ressen geopfert werden. Ein gutes Handelsabkommen muss das damit jedoch auch erstmalig teilweisen Zugang zu US-Positio- nachhaltige Wirtschaften stärken und das Gemeinwohl fördern. nen, da diese in die konsolidierten Texte mit einfließen. Die Art ist aber nicht akzeptabel.

Information der Zivilbevölkerung

Aber dass Mitglieder des INTA gut über die Verhandlungen in- Bernd Lange ist Europaabgeordneter der SPD in Niedersachsen (Schwerpunkt: formiert sind, kann nicht ausreichend sein. Um eine öffentliche Industrie-, Energie und Handelspolitik) und Vorsitzender des Handelsausschusses Debatte zu führen, die auf Fakten basiert, bedarf es umfassender des Europäischen Parlaments.

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TTIP-Verhandlungen sind karnevalstauglich

Christian Höppner im Gespräch mit Katharina Dröge

Katharina Dröge positioniert sich als Sprecherin für Wettbe- Katharina Dröge werbspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE Katharina Dröge ist Obfrau im Aus- GRÜNEN gegen die aktuellen Pläne zum Abkommen TTIP. schuss für Wirtschaft und Energie Im Gespräch mit Christian Höppner erläutert sie Details der des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Wettbewerbspolitik Verhandlungen und schärft den Blick für die vielfältigen Aus- der Grünen Bundestagsfraktion. wirkungen, die das Abkommen für die Bürgerinnen und Bürger haben kann.

Frau Abgeordnete, Sie sind auch im Karnevalsverein tätig. Mit diesem Drang nach Information sind offenkundig auch Werden TTIP und TiSA auch Thema im Karneval sein? Ängste in der Bevölkerung verknüpft. Wie äußern sich diese und Das hoffe ich. Allerdings hat die Session gerade erst begonnen, sind sie begründet? sodass die Schwerpunkte momentan noch nicht feststehen. Und Wir gehen grundsätzlich eher von Argumenten als von Ängsten die Wagen des Rosenmontagszugs in Köln sind ja immer ein aus. Ich denke, es gibt sehr viele unterschiedliche Kritikpunkte großes Geheimnis. Aber auch Kabarettisten haben TTIP in der am Freihandelsabkommen, die sehr berechtigt sind, z. B. die letzten Zeit verstärkt in ihre Programme aufgenommen. Es ist Frage der Transparenz. Diesbezüglich herrscht aber in Deutsch- dafür auch sehr gut geeignet, weil so vieles an den Verhandlun- land mittlerweile große Einigkeit, dass Verhandlungen über ein gen absurd ist. so weitreichendes Abkommen nicht im Geheimen verhandelt werden dürfen und der Ausschluss der Parlamentarier – sowohl Sie sind in Köln sehr kommunalverbunden. Haben Sie den Ein- im Bundestag als auch im EU-Parlament – nicht sein darf. druck, dass die Bürgerinnen und Bürger außer einer dunklen Die zweite sehr berechtigte Kritik ist das Thema „Standardset- Ahnung von Chlorhühnchen eine Vorstellung davon haben, was zung“. Es gibt mehrere Sektoren, wie die Chemie, Pharmazie, TTIP für ihr Lebensumfeld bedeuten könnte? Automobilindustrie und Landwirtschaft, in denen über beste- Ja, das muss ich ganz klar sagen. Allerdings hat sich das Be- hende Standards verhandelt wird. Dann gibt es andere Sektoren, wusstsein dafür im letzten dreiviertel Jahr verändert. Als ich die in denen es eher um allgemeine Regeln geht, z. B. zu Kenn- ersten Male mit TTIP-Infoständen in Köln war, kamen tatsäch- zeichnungspflichten. Das Ziel ist es, ein verbindliches Abkom- lich erstmal ganz allgemeine Fragen. Die Bürger waren beunru- men zu schaffen, in dem formuliert wird, wie die USA und die higt und haben gefragt, was TTIP überhaupt sei. Mittlerweile EU künftig möglichst gemeinsam Standards setzen. Jetzt ist die wissen viele schon sehr genau, was in TTIP verhandelt wird, große Frage: Wie kann man dieses Ziel erreichen? Hier gibt es und informieren sich sehr eingehend darüber. einen Graubereich: Ein Teil der Befürchtungen wird mit Sicher- heit nicht eintreten und andere Risiken und Bedrohungen sind

1/15 fokus 15 © Katharina Dröge/Foto: Johanna Fecke

aber sehr real. Und hier sagen die Befürworter von TTIP natür- Druck: Ein Abkommen, das so lange zwischen den zwei größten lich immer, man male den Teufel an die Wand, man wisse ja Wirtschaftsräumen der Welt verhandelt wird, kann nicht einfach noch gar nicht, was verhandelt werde. Das ist aber ein sehr fata- gestoppt werden. Doch solange nicht transparent gemacht wird, les Argument, wie ich finde. Wenn zum einen im Geheimen oh- welche Bereiche verhandelt werden und welche nicht, kann sich ne die Einbeziehung der Bürger verhandelt wird und zum ande- der Bürger nicht auf eine angemessene Interessensvertretung ren bei aufkommenden Fragen auf die Zeit nach Verabschiedung verlassen. Wenn man sicher gehen will, dass etwas tatsächlich des Abkommens vertröstet wird, darf das auf gar keinen Fall nicht verhandelt wird, muss man es durch das Mandat ausneh- sein. Natürlich stehen hinter dem Abkommen auch große Lob- men. Das ist aber nicht passiert. Bisher sind darin tatsächlich nur byverbände in den USA und in der EU, die wirtschaftliche Inte- zwei Bereiche ausgenommen, nämlich die audiovisuellen ressen haben. Ein einfaches Beispiel ist die Automobilindustrie Dienstleistungen und ein bestimmter Bereich der kommunalen und dort die Frage, welche unterschiedlichen Farben es bei Au- Daseinsvorsorge. toblinkern geben kann. In diesem Fall spricht aus meiner Sicht nichts gegen die Setzung von Standards und Vereinheitlichun- Die EU-Kommission möchte TTIP nach wie vor als reines EU- gen. Es gibt dafür jedoch auch jetzt schon ein transatlantisches Abkommen abschließen, d. h. ohne die Beteiligung der nationa- ökonomisches Forum, in dem genau über diese Themen disku- len Parlamente. Wie realistisch sehen Sie die Chance, dass es tiert wird. Aber in TTIP werden alle Branchen verhandelt und so dennoch ein gemischtes Abkommen wird? besteht die Gefahr, dass Deals zwischen den Sektoren gemacht Ich gehe von einem gemischten Abkommen aus, auch durch werden. Dann geht es eben auch darum, wie künftig Nanotech- den Wechsel der neuen Kommission. Die neuen EU-Kommissare nologie reguliert oder die Begrenzung von gentechnischen Spu- gehen sensibler mit diesem Thema um als ihre Vorgänger. Ent- ren in Tierfutter festgelegt wird. Wenn es dann am Ende ein Ge- scheidend ist die Frage, was im Abkommen geregelt wird. Wenn samtabkommen ist, kann man als Parlamentarier nur noch mit es Bereiche sind, die in der alleinigen Kompetenz der Mitglieds- Ja oder Nein abstimmen. Dann entsteht der große politische staaten liegen, dann ist es automatisch ein gemischtes Abkommen.

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Die Einigkeit bezüglich der Kritik an TTIP ist in Europa gar Sie sprachen bereits die audiovisuellen Medien an. Kultur- nicht so groß. So sind beispielsweise Schweden und die osteuro- staatsministerin Monika Grütters plant eine Kulturschutzklausel, päischen Staaten für ein straffes Verfahren. Sind dies Indizien – die nicht nur als schmückendes Beiwerk in der TTIP-Präambel zusammen mit den Parallelverhandlungen, die die USA mit dem platziert, sondern durch die einzelnen Paragraphen durchdekli- pazifischen Raum führen –, dass wir doch schneller als gedacht niert sein soll. Wie belastbar wäre das aus Ihrer Sicht? Die USA zum Vertragsabschluss kommen? betrachten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk z. B. als Tele- Das glaube ich nicht. Dass es einen unterschiedlich starken kommunikationsunternehmen, während wir diesen in jedem Fall TTIP-Protest in den jeweiligen Mitgliedsstaaten gibt, nehmen dem geschützten Bereich zuordnen. wir auch wahr. Allerdings ist der Protest nicht nur auf Deutsch- Der Dreh- und Angelpunkt dieser Frage ist die Definition von land konzentriert. Die Niederlande haben in ihrem Parlament audiovisuellen Medien. CETA sieht hier keine dynamische Defi- gerade eine sehr kritische Stellungnahme gegen den Investi - nition vor. Und wenn es sich nicht um eine dynamische Defini- tionsschutz in TTIP und CETA beschlossen. In Österreich gibt es tion handelt, die sich auch weiterentwickeln kann, ist die Frage, starke Kritik, auch in Großbritannien und Frankreich werden ob damit auch zukünftig alles geschützt sein wird, was wir mit Gegenstimmen laut. Meine Erwartung zum Zeitplan ist, dass dem Begriff verbinden. Diesbezüglich gibt es auch große Kritik, sich alles sehr verzögern wird. Bei dem EU-Kanada-Abkommen da dies bei TTIP nicht gesichert ist. Die Kritik ist weiterhin, dass hatte man ursprünglich geplant, dieses 2014 noch abzuschlie- die Begrenzung auf audiovisuelle Medien alleine nicht aus- ßen und dann in den Ratifizierungsprozess mit den Mitglieds- reicht, sondern man den gesamten Bereich der Kultur aus den staaten einzusteigen. Mittlerweile rechnet man damit, dass es Verhandlungen ausnehmen und schützen muss, gerade weil die damit noch bis 2016 dauern kann. Und bei TTIP merken wir, USA ein ganz anderes kulturpolitisches System verfolgen. Für dass der Prozess durch den Protest in Europa verlangsamt wird. uns ist Kultur kein Wirtschaftsgut, das den Marktregeln unterlie- Meine persönliche Einschätzung ist, dass ich mich in dieser Le- gen soll, sondern ausschließlich Kulturgut, das geschützt und gislaturperiode im Deutschen Bundestag nicht mit einem aus- gefördert werden muss. verhandelten TTIP-Abkommen befassen werde. Diese Auffassung entspricht dem Grundgedanken der UNESCO- Sie gehören zu den deutlichen Kritikerinnen der Schiedsge- Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller richtsverfahren. Was entgegnen Sie den Menschen, die diese be- Ausdrucksformen, in der dieser Doppelcharakter von Kultur als fürworten? Wirtschafts- und Kulturgut beschrieben ist. Nun liegen Rechts- Ursprünglich war die Idee der Schiedsgerichte, Unternehmen auffassungen und ein Gutachten vor, die besagen, dass die Kon- vor direkter Enteignung in Nicht-Rechtsstaaten zu schützen. Da- vention zwar völkerrechtlich verbindlich aber nicht einklagbar ist, von sind wir aber mittlerweile sehr weit weg. Die in TTIP vorge- im Gegensatz z. B. zur Behindertenrechtskonvention. Ist es ein sehenen Schiedsgerichte haben zusätzliche Rechtsbegriffe ein- Trugschluss, dass eine Erwähnung in der TTIP-Präambel auf die geführt: indirekte Enteignung, faire und gerechte Behandlung, UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt den gewünschten Schutz legitime Erwartungen spielen da eine Rolle. Diese sehr weit aus- bringt? legbaren Rechtsbegriffe führen oft zu den Urteilen, die wir kri- Ja, ist es. Die UNESCO-Konvention ist ein gültiger völkerrechtli- tisieren. So hat die Firma Violia Ägypten verklagt, weil dort der cher Vertrag, der aber nur von den Europäischen Staaten unter- Mindestlohn erhöht und damit gegen vermeintlich legitime Er- zeichnet ist – nicht von den USA. Ein Verweis auf die Konven - wartungen verstoßen wurde. Wir sehen auch die Investitions- tion in der Präambel reicht vermutlich nicht aus, es ist unklar, schutzabkommen, die Deutschland bereits abgeschlossen hat, ob ein solcher Verweis im Falle einer Klage justiziabel wäre. Es überwiegend sehr kritisch, da diese momentan natürlich auch muss konkret verhandelt werden, was in den Vertragstext aufge- von deutschen Konzernen genutzt werden, um wirtschaftlich nommen werden soll. Ein guter Vergleich ist der Bereich der schwächere Länder zu verklagen. Deswegen muss das System kommunalen Daseinsvorsorge, in TTIP „public utilities“ ge- der Schiedsgerichte grundsätzlich in Frage gestellt werden, weil nannt, der von den Verhandlungen ausgenommen ist. Jetzt ver- deren Rechtsstaatlichkeit sehr fragwürdig ist. So kann es drei stehen die USA und wir aber den Begriff der public utilities sehr private Anwälte geben, die einfach zu Richtern ernannt werden, unterschiedlich. Unter Umständen könnte sich das ausschließ- aber in einem anderen Verfahren weiter als Anwalt fungieren. Sie lich auf Justiz, Polizei und öffentliche Verwaltung beziehen. Aber tagen überwiegend im Geheimen und es gibt keine Berufungs- schon Hochschulen stehen in Konkurrenz zu privaten Hoch- instanzen. Sie werden zudem fallabhängig bezahlt und haben schulen, Energieversorger, Müllabfuhr, Krankenhäuser – überall damit ein ökonomisches Interesse, dass Klagen eingereicht wer- gibt es dazu auch in Deutschland private Angebote. Diese wür- den. Grundsätzlich sollte jedoch immer zuerst der nationale den im Zweifel nicht unter die Definition der kommunalen Da- Rechtsweg ausgeschöpft werden. seinsvorsorge fallen. Und so wäre das für den Kulturbereich

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In den Verhandlungen wird beraten, in welchen Bereichen ein freier Wettbewerb stattfinden darf, z. B. in der Abfallwirtschaft.

auch. Man muss mit konkreten Begrifflichkeiten klären, was auf beiden Seiten des Atlantiks damit gemeint ist und wie man dies rechtssicher aus den Verhandlungen ausklammern kann.

Stichwort „Daseinsvorsorge“: Aus dem Scheitern der Doha- Runde hat sich der „Kreis der guten Freunde“ gebildet, die in der Australischen Botschaft in Genf mit dem Mandat der Europäi- schen Union in Geheimverhandlungen zu dem Abkommen TiSA zusammensitzen. Dabei geht es auch um die Privatisierung

öffentlicher Dienstleistungen. Wäre damit eine Rekommunalisie- © Bernd Schwabe rung unmöglich? Auch hier muss man mit der Begrifflichkeit sehr vorsichtig sein. politischen Ausschusses haben darauf Zugriff. Die neue EU- Im ersten Schritt soll verhandelt werden, welche Märkte für das Kommissarin hat auf der jüngsten Pressekonferenz angekündigt, Ausland geöffnet werden, beispielsweise die Abfallwirtschaft: die Zugangsrechte zu erweitern. Alle „guten Freunde“ dürfen damit auch in Deutschland Dienst- leistungen zur Abfallwirtschaft anbieten. Dann habe ich den Was würden Sie den Bürgerinnen und Bürgern, jenseits der Marktzugang geschaffen und sage, dass das ausländische Unter- ebenfalls wichtigen Themen „Chlorhühnchen“ und „Genmanipu- nehmen genauso behandelt werden muss wie das inländische. lation“, zusammengefasst sagen? Welche ganz konkreten Aus- Die große Frage ist, was passiert, wenn ich z. B. als Kommune wirkungen hat TTIP für sie? erkenne, dass es ein Fehler war, den Markt zu liberalisieren. TTIP kann am Ende fast alles regeln, was unser tägliches Leben Wenn in diesem Abkommen sogenannte Stillstandsklauseln ver- betrifft. Es könnte regeln, was in dem Hühnchenfleisch drin ist, ankert sind, die das jetzige und künftige Niveau der Liberalisie- ob auf meiner Kosmetikcreme Allergene gekennzeichnet wer- rung einfrieren, dann kann ich als Kommune nicht mehr zu- den müssen oder ob in Kinderspielzeug Chemikalien enthalten rück. Und genau dies ist in TiSA geplant, genauso in TTIP. Bereits sind. Es kann regeln, ob meine Müllabfuhr in der Stadt noch bei CETA hat man gemerkt, dass diese Klauseln gefährlich sind, privat oder kommunal finanziert ist, und hat damit natürlich sodass es eine lange Liste an Ausnahmen gibt, in welchen Fällen Auswirkungen auf die Gebühren, die ich für die Müllabfuhr diese Klauseln nicht greifen, die sogenannten Negativlisten als zahlen muss. Am Ende kann TTIP aber auch darüber entschei- Anhang zum Abkommen. Bei TTIP und TiSA wissen wir aber den, wie das gewählte Parlament entscheiden kann: Ist es durch noch gar nicht, welche Bereiche konkret auf diese Ausnahmelis- ein Handelsabkommen beschränkt und durch die Klagen von ten kommen werden. Klar ist jedoch: Jeder Bereich, den ich ver- Konzernen bedroht, die nicht bereit sind, demokratische Ent- gesse oder aus politischen Gründen nicht auf die Liste schreibe, scheidungen zu akzeptieren? TTIP soll ein lebendes Vertragswerk kann nicht wieder verstaatlicht werden, selbst wenn es eine po- sein, d. h. auch in Zukunft immer fortgeschrieben werden. Da- litische Mehrheit in dem jeweiligen Land oder der Kommune her wird uns das Thema immer begleiten und eine so enorme gibt. Daher wären Positivlisten viel sinnvoller, da man dann Bedeutung für uns haben. nicht Gefahr läuft, Bereiche schlicht zu vergessen. Was bedeutet dies für den kulturellen Bereich – auch im Zu- Wie können Sie sich als Bundestagsabgeordnete über den sammenhang mit TiSA? Stand der Abkommen informieren? Bei TTIP und TiSA wird es enorm darauf ankommen, den gan- Wir haben im Deutschen Bundestag eine Datenbank, in der alle zen Bereich der Kultur auszunehmen. Das gilt zum Beispiel auch europäischen Dokumente eingestellt werden und auf die jeder für den Bereich der Subventionen, da sonst niemand ausschlie- Bundestagsabgeordnete und auch die Mitarbeiter des Bundes- ßen kann, dass die Förderung für ein lokales Theater als Verstoß tags zugreifen können. Die Bundesregierung markiert die Doku- gegen den Grundsatz der fairen und gleichen Behandlung vor mente mit einer Vertraulichkeitskennzeichnung, die zum Teil einem privaten Schiedsgericht landet. Sollte das geschehen, ha- sehr hoch geht, sodass man sich bei Weitergabe der Dokumente ben wir mit unserer Kulturförderung große Schwierigkeiten. strafbar macht. In diese Datenbank wurden bislang Berichte aus den Verhandlungen oder europäische Positionspapiere zu TTIP eingestellt. Was sie nicht eingestellt haben, sind die amerikani- schen Dokumente. Wir kennen also deren Positionen nicht. Ab- geordnete im Europaparlament haben keinen Zugang zu ver- traulichen Dokumenten, nur 13 Parlamentarier des Handels -

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TTIP verstößt gegen das Verfassungsrecht Axel Flessner

TTIP sprengt mit den UNESCO-Konventionen zur Kulturel- Die juristische Literatur zu den Investitionsschutzabkommen len Vielfalt nicht allein kulturpolitische Abkommen, sondern hat deren problematisches Verhältnis zum Verfassungsrecht bis- verstößt auch gegen das Verfassungsrecht auf nationaler und her auffällig beschwiegen, aus der Außensicht liegen die Pro- internationaler Ebene. Axel Flessner, emeritierter Professor blemzonen aber klar vor Augen. Anstößig sind die Verpflichtung für Deutsches, Europäisches und Internationales Privatrecht der Staaten zur „gerechten und billigen Behandlung“ der Inves- und Rechtsvergleichung in Berlin, erläutert, welche Punkte titionen aus dem Ausland und die Unterwerfung des Staates un- im Grundgesetz dies betrifft. ter Schiedsgerichte, die von den Investoren selbst angerufen werden und den Staat zu Entschädigungen verurteilen können. Diese Regelungen widersprechen mehrfach dem deutschen Grundgesetz (GG). Sie bringen die demokratisch begründete

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Staatsgewalt unter Fremdbestimmung, verdrehen die Garantie bindlichkeit des Staates ohne Zustimmung des Parlaments und des Rechtswegs, zwingen den Staat zur Ausländerprivilegierung verletzt damit dessen Haushaltshoheit. Der deutsche Staat wird und Inländerdiskriminierung und enthalten eine Selbstermäch- durch die konturenlose Blankettklausel über „gerechte und billi- tigung der EU, die dieser nach den EU-Verträgen nicht zusteht. ge Behandlung“ einer unberechenbaren, seinen Haushalt belas- Auch mit dem Verfassungsrecht anderer Staaten, namentlich tenden Fremdbestimmung ausgeliefert. Die Fremdbestimmung dem der USA, dürften sie nicht vereinbar sein. wird vervollständigt durch die vorgesehene Schiedsgerichtsbar- keit. Ein Kernelement der Souveränität ist nach ganz herrschen- Fremdbestimmung der Staatsgewalt der Auffassung, dass der einzelne Staat sein hoheitliches Han- Nach Art. 20 III GG sind die deutsche Gesetzgebung an die ver- deln nicht vor fremden Gerichten verantworten muss. Das GG fassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die (Art. 24) erlaubt der Bundesrepublik zwar die Unterwerfung Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden, an mehr aber unter internationale Schiedsgerichtsbarkeit, aber nur für Rechts- nicht! Vielmehr betont das Bundesverfassungsgericht immer streitigkeiten zwischen Staaten, nicht auch für Ansprüche von wieder, besonders in den Urteilen zur europäischen Integration, Personen und Unternehmen des Privatsektors gegen den deut- dass die deutsche Staatsgewalt, die sich an das GG und die Ge- schen Staat, und die Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Staaten hat setze hält, im Übrigen ihre volle Handlungsfreiheit behalten es meistens auch nicht mit Geldforderungen der Staaten unter- muss. Das ist einerseits eine Sache der Souveränität. Das GG be- einander, sondern mit der Klärung anderer Ansprüche und gründet die Bundesrepublik als unabhängigen Staat, also mit Streitfragen zu tun. Den deutschen Staat wegen seines hoheitli- niemandem rechtlich über sich. Die deutschen Staatsorgane chen Handelns der Schiedsklage von Privaten auszusetzen, ist et- dürfen ihren Staat nur insoweit an fremden Willen rechtlich was ganz anderes. Staaten, die miteinander streiten, haben es je- binden, als das GG es selbst vorsieht, so an die europäische Inte- derzeit in der Hand, ob und mit welchem Ziel sie den Streit gration (Art. 23 GG), an „zwischenstaatliche Einrichtungen“, an überhaupt gerichtlich führen oder lieber diplomatisch regeln, kollektive Sicherheitssysteme und an Schiedsgerichte „zur Rege- und wie weit und wie lange sie das Gerichtsverfahren betreiben lung zwischenstaatlicher Streitigkeiten“ (Art. 24 GG). Die Frei- wollen; sie werden dabei auch ihr nach dem Streit weiterhin heit von Fremdbestimmung wird aber auch durch das demo- unverrückbares Nebeneinander im Blick haben. Private Kläger kratische Prinzip gefordert (Art. 20 I und II GG), da der deut- brauchen darauf keine Rücksicht zu nehmen, diplomatisch vor- sche Staat seine Legitimität nur aus der Verfassung und vom Volk gehen müssen sie nicht und können sie oft auch nicht. Mit ei- durch Wahlen und Abstimmungen erhält. Dagegen verstößt es, ner gesetzlich oder staatsvertraglich konzedierten Schiedsge- wenn der deutsche Staat an Rechtsregeln gebunden wird, die richtsbarkeit gegen sich für Private geben die Staaten ihren Ver- ohne Stütze im GG für ihn geschaffen wurden und die hinaus- trag und ihren möglichen Streit über seinen Inhalt aus der gehen über das, was nach dem GG und den Parlamentsgesetzen Hand. Dafür enthält das Grundgesetz keine Ermächtigung. für ihn verbindlich ist. Eine ausdrückliche, gegen den Staat ein- klagbare Verpflichtung zur gerechten und billigen Behandlung Verdrehung des Rechtswegs der Bürger, die über die Beachtung der Grundrechte und die Nach Art. 19 IV GG steht jedem, der durch die deutsche öffent- Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats hinausgeht, kennt liche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Weg zu den das GG nicht. TTIP soll sie aber zugunsten ausländischer Investo- deutschen Gerichten offen. Diese Rechtsweggarantie gilt auch ren ausdrücklich aufstellen; es soll ihnen ein vom deutschen für Ausländer. Sie gilt umgekehrt auch für den deutschen Staat. und amerikanischen Staat unantastbares „Grundrecht auf unge- Er braucht sich nur vor seinen Gerichten, nicht auch vor ande- störte Investitionen“ (Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung) ver- ren als seinen eigenen, für sein hoheitliches Handeln zu verant- schaffen. Jeder amerikanische Investor, dem ein neues deutsches worten. Das folgt nicht nur aus seiner Souveränität, sondern Gesetz oder eine Behördenentscheidung, auf welchem Gebiet eben auch aus seiner in Art. 19 IV GG festgelegten Stellung ge- auch immer, unbequem wird, könnte der Bundesrepublik vor- genüber der Einzelperson. Der Gehalt von Art. 19 IV GG wird werfen, sie behandele ihn ungerecht und schulde Entschädi- vom TTIP unzulässig verdreht. Die vorgesehenen Schiedsgerich- gung, selbst wenn der Gesetzgeber oder die Behörde alle nach te sollen für Klagen aus dem Abkommen allein zuständig sein. dem GG und dem Verwaltungsrecht bestehenden Bindungen, Ausländischen Investoren würde damit ihr Recht genommen, auch die nach Art. 3 und Art. 14 GG, beachtet hat und deshalb den deutschen Staat bei seinen Gerichten zu verklagen. Umge- nach dem bestehenden Recht vor deutschen Gerichten nicht an- kehrt wird der deutsche Staat einer zusätzlichen Gerichtsbarkeit greifbar wäre. Was allein diese Drohung für die Entscheidungs- ausgesetzt, die Art. 19 IV Grundgesetz nicht vorsieht. Es ist er- freiheit des Gesetzgebers und der Behörden bedeuten kann, ist staunlich, dass diese sehr klare Regelung, die zentral ist für das offensichtlich. Hinzu kommt die Auswirkung einer tatsächlichen deutsche Verständnis des Rechtsstaats, im Investitionsschutzrecht Verurteilung des Staates zur Entschädigung. Sie schafft eine Ver- bisher nicht beachtet worden ist.

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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Verfassungswidrigkeit der Verhandlungen mehrfach angemahnt.

lierung bis hin zu Rechtsregeln im Schul-, Wissenschafts- und Kulturbereich. Die EU ist jedoch nur für einzelne Politikbereiche zuständig, etwa ganz klar nicht für Steuern und Kultur. Ein ame- rikanischer Investor, vielleicht auch die USA selbst, könnte aber mit TTIP die Bundesrepublik vor ein Schiedsgericht bringen mit der Behauptung, ein neues Steuergesetz oder der Unterricht in deutscher Sprache in Schulen mit Schulpflicht sei eine „unge- rechte und unbillige Behandlung“ ihrer Investition oder ihres amerikanischen Personals in Deutschland, und die Bundesrepu- blik könnte dann von einem Schiedsgericht unter Umständen tatsächlich zur Entschädigung verurteilt werden. Die EU hat aber evident keine Kompetenz zur Besteuerung, weder zur Ein- führung eigener Steuern noch zur Bewertung der Steuern in Mitgliedstaaten, soweit diese nicht gegen sonstiges bestehendes

© Bundesverfassungsgericht EU-Recht verstoßen, noch zur Aufstellung eigener Kriterien für gerechte und billige Besteuerung. Und sie hat evident auch kei- ne Kompetenz zur Regelung des allgemeinen Schulwesens in den Mitgliedstaaten. Das Abkommen der EU aber, das solche Kontrollmaßstäbe für das Steuerrecht und das Schulrecht vorsä- Privilegierung und Diskriminierung he, wäre eine klare Überschreitung des der EU durch die EU- Nach Art. 3 III GG darf niemand wegen seiner Heimat und Her- Verträge gesetzten Kompetenzrahmens, es wäre die Anmaßung kunft benachteiligt und bevorzugt werden. Das TTIP soll aber einer Regelungskompetenz, welche, besonders im Steuerrecht, eben dies bewirken. Es soll die Europäer in den USA und die die Mitgliedstaaten ihr bewusst vorenthalten. Amerikaner in der EU gegen dortige staatliche Wirtschafts- Die Anmaßung wird noch grundsätzlicher dadurch, dass die EU hemmnisse schützen, für den Schutz der Europäer und Ameri- mit TTIP sich selbst und die Mitgliedstaaten vor internationale kaner in ihrem Heimatbereich ist es nicht da. Deutsche Bürger Schiedsgerichte bringen will. Für die Aushändigung der ihr und Unternehmen können sich also gegen Deutschland nicht übertragenen Hoheitsmacht an fremde Richter und für den Ein- auf das Abkommen berufen, also etwa auf die Pflicht zur billi- griff in den Kernbereich der mitgliedstaatlichen Souveränität gen und gerechten Behandlung ihrer Investition (unabhängig fehlt der EU elementar die nötige Rechtsmacht. Ihre unbestritte- vom sonstigen deutschen Recht) und den Zugang zu einem ne Außenkompetenz berechtigt sie zum Abschluss von Freihan- Schiedsgericht (statt zu deutschen staatlichen Gerichten), wohl dels- und Investitionsschutzverträgen, jedoch nicht zur Ausliefe- aber können es amerikanische Bürger und Unternehmen. Das ist rung ihrer selbst und ihrer Mitgliedstaaten an internationale Ge- klare Inländerdiskriminierung und Ausländerprivilegierung, un- richte, bei denen Personen und Unternehmen des Privatrechts vereinbar mit Art. 3 GG. gegen hoheitliches Handeln der EU und der Mitgliedstaaten kla- gen können. Diese Klagerechte sind für den Abschluss und die Selbstermächtigung der EU spätere Einhaltung solcher Abkommen nicht notwendig. Es geht Das Bundesverfassungsgericht hat es nun oft genug ausgespro- auch anders – nämlich mit Schiedsgerichten nur zwischen den chen: Die EU kann sich nicht selbst neue Kompetenzen schaf- Parteien des völkerrechtlichen Vertrages selbst – wie das System fen. Eine Erweiterung ihrer Kompetenzen ist nur durch eine Än- der Streitbeilegung der Welthandelsorganisation (WTO) es derung der Europäischen Verträge möglich. Hält die EU sich da- zeigt, das vollkommen ohne private Klagerechte auskommt. ran nicht, können ihre aus der gegebenen Kompetenzordnung Und auch die Schiedsgerichtsbarkeit über Investitionsstreitigkei- „ausbrechenden“ Rechtsakte vom EuGH, und wenn dieser es ten bei der Weltbank (ICSID), die mit dem Abkommen von nicht tut, vom Bundesverfassungsgericht abgewehrt werden. 1965 eingerichtet wurde, setzt nach Art. 25 des Abkommens für TTIP verspricht den Schutz gegen Handelshemmnisse für alle die Klage des privaten Investors jedenfalls das Einverständnis des Politikbereiche, auf denen ein Staat durch seine Gesetze und Be- dort angegriffenen Staates voraus. hörden den ausländischen Investoren Verdruss bereiten kann, sei Die genannte Bestimmung wird allerdings in der Praxis so aus- es durch Steuern, Beihilfen an Konkurrenten oder an andere gelegt, dass das Einverständnis des Staates schon in dem Investi- Wirtschaftszweige, Regelungen zu Sozialversicherung, Arbeits- tionsschutzabkommen gesehen werden kann, mit welchem er recht und Verbraucherschutz, durch Umweltauflagen, Energie- ein Klagerecht für alle Investoren aus dem anderen Vertragsstaat politik, Sicherheitsstandards, Gewerbepolizei, Kapitalmarktregu- begründet hat. Das ist aber eine für die Schiedsgerichtsbarkeit

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befremdliche Auslegung. Die Schiedsvereinbarung setzt in der nehmen zu rechtfertigen, wäre ein klarer „Ausbruch“ der EU Regel voraus, dass ein bestimmtes Rechtsverhältnis zwischen aus dem von den Europäischen Verträgen errichteten System den Parteien schon besteht, aus dem schiedsfähige Ansprüche und deshalb beim Europäischen Gerichtshof angreifbar. Zusätz- entstehen können, so etwa § 1029 der Zivilprozessordnung lich bringt es dadurch nach seiner Rechtsprechung das Bundes- (ZPO), der internationalen Standard wiedergibt. Dass jemand verfassungsgericht ins Spiel. Die Bundesrepublik dürfte dem Ab- einem noch ganz unbestimmten Personenkreis ein Schiedsange- kommen aber auch (im Rat der EU oder durch den Bundestag) bot macht, das dann von jedem, der die Voraussetzungen erfüllt, nach ihrem eigenen Verfassungsrecht nicht zustimmen; dieser angenommen werden kann (hier: von den Investoren aus dem Souveränitätsverzicht wäre weder nach Art. 23 GG noch nach anderen Vertragsstaat), passt nicht zu den Schutzvorkehrungen Art. 24 GG zulässig. gegen unbedachte und grenzenlose Preisgabe von staatlichem Rechtsschutz, die das Schiedsrecht überall sonst aufstellt. Die Verfassungswidrig auch in den USA dem widersprechende herrschende Auslegung des Abkommens Der Widerspruch zum Verfassungsrecht dürfte auch für viele der ist offensichtlich interessengeleitet, denn nach Art. 41 des Ab- anderen Mitgliedstaaten und für die USA relevant werden, je- kommens entscheidet das angerufene Schiedsgericht selbst über denfalls dort, wo Verfassungsgerichtsbarkeit besteht. Das trifft seine Zuständigkeit. Die Schiedsrichter, einmal eingesetzt, und besonders für die USA zu. Die Stichworte liegen bereit: Es geht die juristischen Kreise, die das ICSID-System pflegen und stüt- um Sovereignty, Powers of Congress, Regulatory („Police“) zen, werden nicht geneigt sein, den Anwendungsbereich des Power, Rule of Law, Due Process, Equal Protection. Systems zu schmälern. Wenn die Bundesrepublik sich gegen diese Auslegung aber nicht wehren kann, treffen das ICSID-Ab- Der Beitrag ist erstmalig erschienen bei www.verfassungsblog.de („TTIP und Ver- kommen alle verfassungsrechtlichen Rügen, die man gegen TTIP fassungsrecht“, 13.5.2014) und wird dort inzwischen ergänzt durch den Beitrag „Selbstermächtigung und Selbstentmachtung in einem Die Europäische Union selbst erheben kann. und der Investorenschutz nach CETA“. Es bleibt dabei: Die Gerichtspflichtigkeit der EU und ihrer Mit- gliedstaaten nach TTIP wäre ein klarer Eingriff der EU in die Souveränität der Mitgliedstaaten und eine unzulässige Abgabe von übertragener Hoheitsmacht, welche die EU nach den EU- Verträgen eigenverantwortlich auszuüben hat. Die Souveränitäts- verhältnisse zwischen der EU und den Mitgliedstaaten würden auf den Kopf gestellt. Denn nicht die EU kann über die Souverä- nität der Mitgliedstaaten verfügen, sondern die Mitgliedstaaten haben ihr durch die Europäischen Verträge einzelne Hoheits- rechte übertragen, mehr aber nicht, auch nicht eine Kompetenz zur Weiterübertragung dieser Hoheitsrechte. Die EU-Kommission mag das anscheinend nicht vollkommen anerkennen. In ihrem Einleitungspapier zu dem jetzt laufenden Konsultationsverfahren schreibt sie, dass TTIP ausdrücklich die Regelungsmacht der Staaten bestätigen solle, wenn sie legitime öffentliche Interessen verfolge. Im System der Europäischen Verträge bedarf es solcher Konzessionen nicht, und die EU hat auch nicht die Kompetenz, gegenüber einem Dritten, hier den USA, bindende Aussagen über die Regelungsmacht ihrer Mitgliedstaaten zu machen. Nach dieser Auffassung dürfte ein Investor immer noch vor das Schiedsgericht ziehen mit dem Vorwurf, der verklagte Staat habe mit seiner Regelung keine legitimen öffentlichen Interessen ver- folgt. Der Eingriff in die Souveränität liegt aber schon darin, dass der Mitgliedstaat sich für sein hoheitliches Handeln über- haupt vor einem fremden Gericht gegenüber Privaten rechtferti- gen muss. Ein Abkommen der EU, das die EU und die Mitgliedstaaten zwingt, sich vor einem internationalen Schiedsgericht für ihr Axel Flessner ist emeritierter Professor für Deutsches, Europäisches und Interna- hoheitliches Handeln gegenüber privaten Personen und Unter- tionales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Humboldt-Universität Berlin.

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Kommunale Daseinsvorsorge nicht durch Freihandelsabkommen einschränken Ulrich Maly

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Die kommunalen Spitzenverbände haben ein gemeinsames Positionspapier verabschiedet, das ihre Forderungen zu den transatlantischen Freihandelsabkommen enthält (Bild: Spielzeugmuseum der Stadt Nürnberg).

Die Kommunen setzen sich bei den transatlantischen Han- kommen eingebracht und dabei auch Positionen des Deutschen delsabkommen für den Schutz der kommunalen Daseinsvor- Städtetags unterstützt. Bereits in einem Schreiben des Bundes- sorge ein. Die kommunalen Spitzenverbände, darunter der wirtschaftsministers Sigmar Gabriel vom März 2014 an den Deutsche Städtetag, befinden sich mit der Regierung im Deutschen Städtetag betont dieser die Haltung der Bundesregie- Dialog und haben ihre Anliegen in einem Positionspapier rung, dass bei TTIP die hohe Qualität der öffentlichen Daseins- festgehalten. Ulrich Maly, Präsident des Deutschen Städte- vorsorge nicht beeinträchtigt werden soll und eine größere tags, berichtet über den Verlauf und die Forderungen. Transparenz der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen er- forderlich ist. Insofern war die Einberufung eines Beirats beim Seit Beginn der Verhandlungen über TTIP, TiSA und CETA Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für TTIP unter engagiert sich der Deutsche Städtetag für die Berücksichtigung Beteiligung der Kommunen ein wichtiger Schritt und ebenso der kommunalen Anliegen bei diesen Freihandelsabkommen. notwendig wie das Engagement der Bundesregierung, offizielle Die Freihandelsabkommen könnten weitreichende Auswirkun- Vertragstexte durch die EU veröffentlichen zu lassen. Hervorzu- gen auf die Kommunen haben. Eine Gefährdung der Daseins- heben ist auch das Bekenntnis des Bundeswirtschaftsministers vorsorge besteht bei allen neuen Handelsabkommen darin, dass und von Teilen des EU-Parlaments, dass spezielle Investitions- sie über das geltende Recht der Welthandelsorganisation, also schutzklauseln in einem Handelsabkommen mit den USA nicht dem Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleis- erforderlich seien. tungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) hinaus- Unterschiedliche Sichtweisen gibt es derzeit noch zwischen der gehen. In diesen GATS-Klauseln verpflichten sich die teilneh- EU-Kommission und einigen Mitgliedstaaten, ob es sich beim menden Staaten lediglich explizite Sektoren zu liberalisieren. TTIP und CETA um ein reines Handelsabkommen handelt oder Vor diesem Hintergrund hat sich der Deutsche Städtetag frühzei- – so auch die Haltung der Bundesregierung – um ein gemisch- tig in die Debatte um diese Freihandelsabkommen eingebracht. tes Abkommen, wonach sowohl die EU als auch ihre Mitglied- Der Hauptausschuss des Deutschen Städtetags hatte bereits in staaten Vertragspartner der USA bzw. von Kanada wären. Bei ei- seiner Sitzung im Februar 2014 die bis dahin vorliegenden In- nem gemischten Abkommen müssten neben dem Bundestag formationen zur Ausgestaltung des Freihandelsabkommens TTIP auch der Bundesrat, also die Vertreter der 16 Bundesländer, dem einer ersten Bewertung unterzogen. Er begrüßte die Festlegun- jeweiligen Vertragstext zustimmen. gen des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD, die Wahrung der europäischen Sozial- und Umweltstandards sowie den Schutz Positionspapier der kommunalen Spitzenverbände der kommunalen Daseinsvorsorge einfordern zu wollen. Dies ist auch eine der Positionen, die sich in dem gemeinsamen Der Deutsche Städtetag forderte die Bundesregierung gleichzei- Positionspapier der kommunalen Spitzenverbände und des Ver- tig auf, sich gegenüber der EU-Kommission mit Nachdruck da- bandes kommunaler Unternehmen (VKU), der die Interessen für einzusetzen, dass die kommunale Daseinsvorsorge, darunter der kommunalen Versorgungs- und Entsorgungswirtschaft ver- insbesondere die nicht liberalisierten Bereiche, wie die öffentli- tritt, von Anfang Oktober 2014 wiederfinden. In diesem ge- che Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die Bereiche meinsamen Positionspapier legen der Deutsche Städtetag, der Abfall und ÖPNV, soziale Dienstleistungen sowie alle Leistungen Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeinde- der öffentlichen Daseinsvorsorge im Kulturbereich, tatsächlich bund sowie der Verband kommunaler Unternehmen dar, welche vom derzeit mit den USA verhandelten Freihandelsankommen – „roten Linien“ bei den derzeit laufenden Verhandlungen aus und allen weiteren Handelsabkommen – explizit ausgeschlossen kommunaler Sicht nicht überschritten werden sollten und wo- wird. Darüber hinaus kritisierten die Städte den intransparenten rauf bei der Prüfung des Vertragstextes von CETA geachtet wer- Prozess der Verhandlungen und forderten die EU-Kommission den muss. sowie die Bundesregierung auf, verständlich, detailliert und re- Auch wenn sich die Handelsabkommen nicht direkt mit den gelmäßig über den Verhandlungsverlauf zu berichten. Organisationsformen und -aufgaben der öffentlichen Verwal- tung befassen, könnten sich die Inhalte der Abkommen indirekt Unterstützung durch Bundesregierung auf die kommunale Organisationsfreiheit auswirken. Beschrän- Die neue Bundesregierung hat sich seit ihrem Amtsantritt er- kend für die Organisationsfreiheit könnte sich beispielsweise freulicherweise engagiert in die Debatte um das Freihandelsab- eine Marktzugangsverpflichtung auswirken. Diese untersagt

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lokale Monopole und ausschließliche Dienstleistungserbringer. in der EU einheitlich oder national geltenden Standards auf kei- Somit würde einer Kommune zwar nicht vorgeschrieben, wie nen Fall durch ein vorrangiges Ziel des Abbaus von Handels- sie die öffentliche Daseinsvorsorge zu erbringen hat. Die Markt- hemmnissen reduziert werden dürfen; dies gilt insbesondere für zugangsverpflichtung könnte jedoch dazu führen, dass neben den Umwelt- und Verbraucherschutz. den kommunalen auch private Unternehmen die Daseinsvorsor- geaufgaben wahrnehmen könnten und Rechtsformeinschrän- Breite Abstimmungsbasis kungen für die Erbringung nicht zulässig wären. Da das Abkommen TTIP für die Mitgliedstaaten der EU von der Daher fordern die kommunalen Spitzenverbände und der Ver- Europäischen Kommission auf Grundlage eines nicht öffentli- band kommunaler Unternehmen in ihrem Positionspapier, dass chen Mandats verhandelt wird, ist die Einbindung relevanter die kommunale Daseinsvorsorge von Marktzugangsverpflich- Gruppen umso wichtiger. Die kommunalen Spitzenverbände tungen in Handelsabkommen ausgenommen wird. Der beste und der Verband kommunaler Unternehmen halten eine Beteili- Weg dazu ist der sogenannte Positivlisten-Ansatz. Danach wür- gung der Kommunen an der Entscheidungsfindung sowie um- den Dienstleistungen der kommunalen Daseinsvorsorge nur fassende Informationen über den Verhandlungsstand für unab- dann von Liberalisierungsvorschriften eines Handelsabkommens dingbar. Sie fordern daher über die erfolgte Einberufung eines betroffen sein, wenn die entsprechenden Dienstleistungen oder TTIP-Beirates unter Beteiligung der Kommunen beim Bundes- Sektoren explizit in dem Abkommen genannt würden. Die kom- wirtschaftsministeriums hinaus auch in die Beratergruppen auf munalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unter- EU-Ebene eingebunden zu werden. nehmen halten es deshalb für notwendig, dass insbesondere die Des Weiteren fordern die kommunalen Spitzenverbände und der nicht-liberalisierten Bereiche der Daseinsvorsorge in einer Posi- Verband kommunaler Unternehmen in ihrem Positionspapier, tivliste nicht erwähnt werden dürfen. dass die öffentliche Daseinsvorsorge ebenfalls in allen mögli- Die in diesem Jahr abgeschlossene Reform des europäischen chen weiteren Handelsabkommen geschützt und bewahrt wer- Vergaberechts berücksichtigt an vielen Stellen die kommunale den muss. Dies gilt insbesondere für TiSA, aber auch für CETA. Organisationsfreiheit im Bereich der Daseinsvorsorge. Die kom- Daher sollten die jetzt vorliegenden Vertragstexte des Abkom- munalen Spitzenverbände und der Verband kommunaler Unter- mens CETA daraufhin geprüft werden, ob die vorgenannten nehmen fordern vor diesem Hintergrund, dass Regelungen zum Forderungen auch bei CETA berücksichtigt sind. Sollte dies öffentlichen Beschaffungswesen und Wettbewerbsrecht in Han- nicht der Fall sein, müsste aus kommunaler Sicht eine Nachver- delsabkommen mit Auswirkungen auf die kommunale Organi- handlung erfolgen. sationsfreiheit nicht hinter dem reformierten europäischen Ver- Die aktuelle Debatte zeigt, dass mittlerweile der Bund und das gaberecht zurückbleiben dürfen. Die Erleichterungen für Inhou- EU-Parlament bei den Verhandlungen um Handels- und Investi- se-Vergaben und die interkommunale Zusammenarbeit sowie tionspartnerschaften die Forderungen nach mehr Transparenz die Ausnahmen für Rettungsdienste und die Wasserwirtschaft und die Sicherstellung hoher Standards sowie der öffentlichen dürfen nicht durch ein Freihandelsabkommen infrage gestellt Daseinsvorsorge Ernst nehmen. Der Deutsche Städtetag wird werden. sich gegenüber der EU und dem Bund weiter intensiv dafür Sowohl die EU als auch die USA haben hochentwickelte Rechts- einsetzen, dass die bewährte Tradition der Erbringung zahlrei- systeme, die grundlegende Rechte, wie das Recht auf Eigentum, cher Aufgaben der Daseinsvorsorge durch kommunale Einrich- auf Gleichbehandlung und faire Verfahren weitgehend sicher- tungen und Unternehmen nicht durch ein Freihandelsabkom- stellen sowie bei Enteignungen Entschädigungen vorschreiben. men beeinträchtigt wird. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen Eine Notwendigkeit, Investitionen darüber hinaus in einem völ- darauf, dass die Steuerung und Kontrolle der Leistungen der kerrechtlichen Vertrag abzusichern, sehen die kommunalen Spit- Daseinsvorsorge durch demokratisch legitimierte kommunale zenverbände und der Verband kommunaler Unternehmen nicht Vertretungskörperschaften erfolgt. Damit stellt die kommunale und sprechen sich daher gegen Streitschlichtungsverfahren zum Daseinsvorsorge ein wichtiges Element eines bürgernahen Investitionsschutz in Handelsabkommen aus. Europas dar, dem die EU und die Mitgliedstaaten gleichfalls ver- Bestandteil von Handelsabkommen sollen eine stärkere Harmo- pflichtet sind. nisierung von Normen und sogenannten nicht tarifären Han- delshemmnissen, wie die Angleichung von technischen Stan- dards sowie ergänzende Vorschriften zu Sozial- und Umwelt - standards sein. Hintergrund dieser Standards ist in aller Regel je- doch die Umsetzung eines gesellschaftlichen Konsenses über

Verbraucher- oder umweltpolitische Fragen. Übereinstimmend Ulrich Maly ist Oberbürgermeister von Nürnberg und Präsident des Deutschen fordern wir daher, dass bei unterschiedlichen Schutzniveaus die Städtetags.

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Welche möglichen Auswirkungen hat TTIP für die Kommunen? Die Studie „TTIP vor Ort“ klärt darüber auf.

„TTIP vor Ort“ Folgen für Bundesländer und Kommunen

TTIP berührt zahlreiche Bereiche, in denen die Bundesländer und Ge- meinden über eigene Kompetenzen verfügen. Die Studie „TTIP vor Ort“ des Handelsexperten Thomas Fritz veranschaulicht mögliche Folgen des EU-US-Handelsabkommens auf Landes- und Kommunalebene. Er- stellt wurde sie für den Verein Campact e. V., der sich für mehr Demo- kratie und Transparenz in der Politik einsetzt. Grundlage der Analyse sind Dokumente, die aus den geheimen Verhandlungen an die Öffent- lichkeit gelangt sind, darunter das Verhandlungsmandat der EU-Kom- mission, Textentwürfe zu verschiedenen Kapiteln und Anhängen sowie der bereits vorliegende Text des EU-Kanada-Abkommens CETA. Die Er- gebnisse der Studie im Überblick: Gegen kommunale Maßnahmen, die Geschäftsinteressen transatlan- tisch tätiger Investoren potenziell beeinträchtigen könnten, sind durch TTIP vermehrt Entschädigungsklagen vor internationalen Schiedsge- richten zu befürchten. Aufgrund des sehr hohen Bestands transatlanti- scher Investitionen dürfte die Zahl von Entschädigungsklagen vor inter- nationalen Schiedsgerichten deutlich steigen. In diesen Verfahren ent- scheiden meist kommerzielle Anwälte, die in die Rolle von Schiedsrich- tern schlüpfen. Den Schiedsverfahren mangelt es an einer demokrati- schen Legitimation, vergleichbar den ordentlichen Gerichten. Die geplanten TTIP-Kapitel über Dienstleistungen und Investitionen berühren kommunale Hoheitsrechte wie die Organisationsfreiheit, dies vor allem aufgrund der weitreichenden Marktzugangs-, Nichtdiskriminie- rungs- und Investitionsschutzregeln. Maßnahmen etwa zur Beschrän- kung von Gewerbeansiedlungen, zum Schutz vor Verdrängungskonkur- renz, zum Erhalt von Sparkassen oder zum Mieterschutz könnten als TTIP-Verstöße unter Druck geraten. Wird eine Schirmklausel („umbrella clause“) aufgenommen, wie sie in ei- nem ersten TTIP-Entwurf enthalten ist, wären sämtliche vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtungen, die öffentliche Akteure gegenüber transatlantischen Investoren eingegangen sind, künftig vom Investi - tionsschutz erfasst. Gewöhnliche Vertragsstreitigkeiten – auch aus Ver- trägen, die keine internationale Streitschlichtung vorgesehen haben – würden damit auf die internationale Ebene eines Handelsabkommens gehoben. Da es keine grundsätzliche Ausnahme der öffentlichen Daseinsvor- sorge von TTIP gibt, ist eine weitere Privatisierung kommunaler Leistun- gen zu befürchten. Die in den ersten Entwürfen der EU-Verpflichtungs- liste enthaltene Ausnahmeklausel für öffentliche Dienstleistungen Eine Folge von TTIP könnte die Privatisierung („public utilities“) bietet zu viele Schlupflöcher, um diese effektiv zu öffentlicher Dienstleistungen sein. schützen. Dies eröffnet privaten Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, gegen den Wettbewerb durch kommunale oder im öffentlichen Auftrag tätige private Unternehmen vorzugehen. Folgt TTIP dem Muster des EU-Handelsabkommens mit Kanada CETA, würden die Ausgleichszahlungen für öffentliche Aufgaben an- greifbar. Dies wäre u. a. dann zu befürchten, wenn Subventionen als „in- Fixierung von Schwellenwerten, ab denen transatlantisch ausgeschrie- direkte Enteignung“ aufgefasst werden – eine Möglichkeit, die CETA ben werden muss, verliert die öffentliche Hand Spielräume für eine nicht ausschließt. Private Anbieter wie die großen Klinikketten, die autonome Einkaufspolitik. Sozial-ökologische Reformen des Beschaf- schon jetzt gegen kommunale Ausgleichszahlungen klagen, könnten fungswesens wie Vergabe- und Tariftreuegesetze könnten mit TTIP- solche Klauseln ausnutzen. Regeln in Konflikt geraten. Aufgrund einer mangelnden Verankerung von Erhält TTIP ähnliche Vergaberegeln wie CETA, entsteht ein transatlan- Sozialstandards, wie es in CETA bereits der Fall ist, würden gerade so- tischer Beschaffungsmarkt, der öffentliche Aufträge privaten Unterneh- ziale Vergabekriterien wie z. B. die Einhaltung von Tarifverträgen angreif- men beiderseits des Atlantiks leichter zugänglich macht. Durch die bar.

1/15 26 fokus „Blockbuster-Hollywood“ im Vormarsch

Freihandelsabkommen und audiovisuelle Medien Pascal Albrechtskirchinger

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Die Dominanz der USA in den Verhandlungen zu den Frei- Die Diskussion zu dem mit den USA geplanten Freihandels- handelsabkommen wird von vielen Seiten beklagt. Werden abkommen hat auch in Deutschland die bisher breiteste Debatte die USA ihre Interessen auch im Bereich des Rundfunks und zu den möglichen gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen der audiovisuellen Medien durchsetzen? Was droht dann der Auswirkungen eines solchen Auskommens ausgelöst. Und dies öffentlich subventionierten Medienlandschaft in Europa? aus gutem Grund, denn es handelt sich in mehrfacher Hinsicht Pascal Albrechtskirchinger klärt über die Geschichte, Interes- nicht um ein herkömmliches Projekt. Durch den Vertrag würden sen und aktuellen Verhandlungen in der Debatte auf. nicht nur die beiden größten Wirtschaftsblöcke der Welt in einen Wirtschaftsraum eingebunden, was das Abkommen viel konkreter werden ließe als die bisher dominierenden Handels- runden auf weltweiter Ebene (die übrigens vorerst zum Erliegen gekommen sind). Das geschaffene Regelwerk soll auch auf ei- nem Sockel von „gemeinsamen Werten“ ruhen, der wiederum die Regeln der künftigen Welthandelsordnung legen soll. Einer der ambitionierten und umstrittensten Teile des Projekts ist das „Regulatory Chapter“, das eine neue Ära der „transatlantischen Regulierungskohärenz“ eröffnen soll.

Streit mit Tradition Die Diskussion um das Verhältnis von Film und Rundfunk zum Handelsrecht ist keineswegs neu. Die offizielle Gründung der Welthandelsorganisation WTO erfolgte am 1. Januar 1995; den Grundstein dafür legten das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) von 1947 und das General Agreement in Trade in Services (GATS) von 1994. Noch bevor es zu diesen ersten um- fassenden Welthandelsabkommen kam, schwelte bereits die Aus- einandersetzung um die Einstufung audiovisueller Werke. Aus- getragen wurde sie von Anfang an hauptsächlich zwischen den USA und den Europäern, was auch daran liegt, dass der europäi- sche audiovisuelle Markt – heutzutage der offenste weltweit – für die amerikanische Filmindustrie seit bald hundert Jahren ab- solut unverzichtbar ist. Bereits in den 1920er-Jahren erließen die Europäer Einfuhrbeschränkungen, um für ihre durch den Krieg signifikant geschwächten Filmindustrien einen Freiraum zu schaffen. Um die „Kontingentierung“ wurde im Kontext der Schaffung des General Agreement on Tariffs and Trade zum Han- del mit Gütern nach dem Zweiten Weltkrieg ein erbitterter Streit geführt, weil Kontingente generell abgeschafft werden sollten. Bei diesem Streit, der sich Anfang der 1990er-Jahre parallel an der Frage der Fernsehquoten erneut entzünden sollte, ging es aber nicht nur um Filmrollen oder den immanenten Wettbe- werbsnachteil der Europäer aufgrund ihrer kleineren Märkte. Vielmehr offenbarte er ein grundlegend unterschiedliches Ver- ständnis der Res publica, der Rolle des Markts und des gesell- schaftspolitischen Stellenwerts von Kultur und Medien. Die heu- tigen Argumente unterscheiden sich nicht ohne Grund kaum von denen der Stummfilmära: Die politischen und wirtschaftli- chen Parameter haben sich nicht geändert. Die skeptische Haltung der Amerikaner zu staatlicher Ordnungs- politik hatte schon immer konkrete Auswirkungen auf den Be- reich der Kultur und der Medien. Streng genommen haben die

© Jeff Krause © Jeff USA keine Kulturpolitik. Die Kulturförderung, die es in großem

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Umfang gibt, obliegt mehr den Bürgerinitiativen als dem Staat, Frage. Außer Frage steht aber auch, dass die enorm gestiegenen wobei das Mäzenatentum über die Fiskalpolitik mitgesteuert wird. Kosten des „Blockbuster-Hollywood“ die Abhängigkeit vom Weltmarkt wiederum unumkehrbar gemacht hat. Diese Abhän- PBS – „America’s Largest Classroom“ gigkeit determiniert die Haltung der USA zu den internationa- Spenden finanzieren auch zum großen Teil den US-amerikani- len rechtlichen Rahmenregelungen seit Jahrzehnten. schen Public Broadcasting Service (PBS), einem Netzwerk aus über 350 nicht-kommerziellen Fernsehsendern. Das Selbstver- Rechtsordnung im Alleingang ständnis des PBS könnte unterschiedlicher zum europäischen Auch mit der bestehenden Rechtsordnung haben die USA wenig Public Service Broadcasting (PSB) nicht sein. Während der Pu- Probleme: Den GATT-Vertrag 1947 schrieben sie quasi alleine blic Service Broadcasting in Europa als gesellschaftlicher und und auch bei der Aushandlung des GATS-Vertrags war ihr Ein- identitätsstiftender Integra tionsfaktor betrachtet wird, bezeich- fluss noch ausschlaggebend. Zusammengefasst kann man sagen, net sich der Public Broadcasting Service in erster Linie als dass die Grundprinzipien der WTO – die Inländerbehandlung „America’s Largest Classroom“. Da er aus über 300 Stationen lo- und die Meistbegünstigungsklausel – der Filmindustrie auf- kal und regional zusammengesetzt ist, kann er auf nationaler Ebe- grund ihrer Marktmacht sowieso entgegenkommen. Aus Sicht ne auch gar nicht föderieren und ähnelt mehr einem „offenen der Europäer wiederum ist besonders ärgerlich, dass ihre Art der Kanal“. Der größte – und entscheidende –Unterschied besteht Kulturförderung permanent aneckt, da sie mit anderen Grund- gerade darin, dass der PBS nicht als Teil eines dualen Systems kon- prinzipien im Konflikt steht – etwa dem angestrebten graduel- zipiert wurde. Er ist weder Korrelat noch Korrektiv, sondern der len Abbau von Subsidien, während die amerikanische Hand- Lückenbüßer für aus kommerzieller Sicht nicht rentable Genres. lungsweise – etwa über die Steuerpolitik – meist kompatibel ist. Anders gesagt: ein Mittel gegen Marktversagen. Dies steht dem europäischen, gesellschaftspolitisch geprägten Ansatz diametral USA und die UNESCO-Konventionen entgegen, der die Ex-ante-Sicherung des Medienpluralismus zum zur Kulturellen Vielfalt Ziel hat. Das, was bis heute auf der Ebene der Welthandelsordnung in erster Linie fehlt, ist das Grundprinzip der 2005 angenomme- Vertrauen auf den Markt nen UNESCO-Konvention zum Schutz der Kulturellen Vielfalt: Bei aller Skepsis staatlicher Regulierung gegenüber, und trotz die Anerkennung der Legitimität von Kultur- und Medienpoliti- ihres fundamentalen Vertrauens in den Markt, beruht die Hal- ken als eigenständiges und gleichberechtigtes Element der Ge- tung der Amerikaner zum Umgang mit Kultur und Medien auf staltung von Gesellschaft. Während quasi die ganze Weltstaaten- internationaler Ebene zu einem guten Teil auf ihrer tatsächlichen gemeinschaft – sowie übrigens die EU per se – die Konvention Marktmacht. Nicht umsonst propagieren sie auf internationaler unterschrieben hat, weigern sich die USA bis heute strikt. Für Ebene das möglichst freie Spiel der Kräfte: Der Weltmarkt mit die USA gibt es diesbezüglich einen absolut triftigen Grund: Es seinen Regeln funktioniert für sie in wirtschaftlicher Hinsicht gilt jedwede Auswirkung der Konvention auf das internationale bestens. Der riesige und reiche US-Heimatmarkt sowie der welt- Handelsrecht zu verhindern. Dagegen stand für sie stets außer weite anglofone Erstmarkt bieten ein unvergleichliches Aus- Frage, dass audiovisuelle Werke in erster Linie als Produkte zu gangspotenzial für eine möglichst umfangreiche und rasche behandeln sind. Im GATT-Zeitalter waren sie verhandlungstech- Rentabilisierung. Auch in den USA sind die wenigsten Filmpro- nisch also zuerst „Güter“, dann „Dienstleistungen“, heute eher duktionen wirklich rentabel. Dafür versprechen die, die es „Kommunikationsdienste“ – kulturelle Werke sind sie, wenn schaffen, im internationalen Vergleich enorme Gewinne. Diese überhaupt, nur am Rande. schaffen wiederum die Grundlage für die weltweite Vermark- tung. „To tell stories that entertain audiences across the globe“ Positivlisten als Schutz der Kultur ist denn auch die erklärte Devise der „Majors“. Dass sie weltweit In unmittelbarer Gefahr befinden sich die Europäer mit ihrem zu begeistern verstehen und den Erfolg verdienen, steht außer Selbstverständnis damit noch nicht, doch sie sind permanent er-

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Die öffentlich-rechtlichen Sender in den USA, vereint im Public Broadcaster Service (PBS), finanzieren sich im Unterschied zu Europa zum großen Teil aus Spenden, andere Sender wie der CNN (im Bild rechts) sind privat finanziert. pressbar, weil ihre kultur- und medienpolitischen Ansätze „in- Prinzip besagt, dass nicht die Übertragungsart zählt, sondern die härent systemwidrig“ sind. Dies ist schon auf der multilateralen transportierten Inhalte. Dieses Prinzip ist jedoch nicht nur für Ebene des WTO-Systems problematisch. Dennoch ist das existie- die Fort- und Entwicklungsgarantie des Public Service Broad- rende multilaterale WTO-System trotz seiner „Kulturblindheit“ casting und des europäischen Regulierungsmodells des dualen weniger gefährlich: Quasi alle Staaten sind Unterzeichner der Rundfunksystems selbst unerlässlich. Es geht nämlich längst UNESCO-Konvention und daher wenig geneigt, ihre Kulturpoli- nicht mehr um den Rundfunk in seiner jetzigen Form. In kür- tiken durch gegenseitige Liberalisierungsforderungen zu ge- zester Zeit wird er als Hybrid- oder Connected-TV mit neuen, fährden. So konnten die WTO-Mitglieder, auch wenn sie dafür plattformgesteuerten Kommunikationsdiensten in praktischer „zahlen“ müssen, durch die Unterlassung von Liberalisierungs- Hinsicht, aber auch in der Wahrnehmung der Verbraucher ver- angeboten ihre Kulturpolitiken bisher weitestgehend nachhaltig schmelzen. schützen. Sehr erleichtert wird dies durch das System der Posi- Die neue Macht der Plattformen, die oft für globales Agieren tivlisten – nur was auf die Liberalisierungslisten kommt, ist frei- konzipiert sind bzw. in ihrer (Re-)Finanzierung nicht (primär) gegeben. Auch die zahlreichen sonstigen bilateralen Verträge, die an die Vorgaben nationaler und/oder regionaler sowie die kul- die EU momentan abschließt, etwa mit Kanada (CETA), beruhen turellen und sprachlichen Raumgrenzen gebunden sind, stellt auf einem gegenseitigen Verständnis zur Notwendigkeit einer die Regulierung in Europa vor ihre bisher größte Herausforde- selbstbestimmten „public sphere“, die auch durch Kultur und rung. Denn auch wenn feststeht, dass kommerzielle Unterneh- Medien definiert wird. men in einer freien Marktwirtschaft einen wertvollen Beitrag zur Meinungsbildung leisten, ist gleichzeitig festzuhalten, dass Bereichsausnahme für audiovisuelle Medien sie die fundamentalen Gesetze der Agora der modernen Kom- Im Mai 2011 hatte sich das Europäische Parlament im Rahmen munikationsgesellschaft nicht diktieren dürfen. seiner Entschließung zur Aufnahme der Verhandlungen in einer getrennten Abstimmung mit 381 Stimmen dafür und 191 Ge- Forderung einer Kulturschutzklausel genstimmen, bei 17 Enthaltungen, für die Ausklammerung von Der deutsche Public Service Broadcasting unterstützt daher – zu- Diensten mit kulturellen oder audiovisuellen Inhalten, auch mal in Abwesenheit einer positiven Anerkennung von kultur- und online, ausgesprochen, „um die kulturelle und sprachliche Viel- medienpolitischen Zielsetzungen im Vertragssystem – voll den falt in der EU nicht zu gefährden“. Die kulturelle Ausklamme- Ansatz einer Kulturschutz- bzw. Verträglichkeitsklausel in TTIP rung gelang damit zwar nur partiell, das Abstimmungsergebnis (und allen anderen tragenden Handelsabkommen). Eine solche zeugt aber von der kontinuierlichen und fraktionsübergreifen- Klausel, deren Hauptanliegen die Bewahrung der Regulierungs- den Unterstützung des Europaparlaments für die kulturelle Viel- autonomie der Nationen ist, muss im Hinblick auf die Medien faltsicherung. Daraufhin beschlossen die Mitgliedstaaten der EU folgendes sicherstellen: Sie muss umfassend und technologie- in dem Mandat, das sie der Kommission im Juni 2013 für TTIP neutral und vor allem generisch angelegt sein. Auf der Basis des erteilten, eine Bereichsausnahme für „alte und neue“ audiovisu- für TTIP angedachten Negativlistensystems und angesichts pro- elle Mediendienste. Die sehr unangenehme Episode des ersten blematischer Kategorisierungen würde man sonst die Regulie- Mandatsentwurfs der EU-Kommission vom Frühjahr 2013 rungsautonomie Stück für Stück verlieren bzw. die Regulie- machte allerdings mehr als deutlich, wie wenig man von einem rungsphilosophie als solche aufgeben müssen – von der Teilha- nachhaltig gesicherten Kultur- und Medienbegriff selbst auf EU- be an der Wertschöpfungskette mal ganz abgesehen. Das Nega- Ebene ausgehen kann. Auf die audiovisuellen Dienstleistungen tivlistensystem ist im Hinblick auf unvorhersehbare technologi- bezogen sah dieser Entwurf nämlich vor, die „alten“ Dienste sche Entwicklungen höchst bedenklich: Nur gelistete Dienste wie bisher unter kultur- und medienspezifische Regulierung zu sind nach ihm geschützt, alle andere „freigegeben“. stellen, während die „neuen“ digitalen Dienste prinzipiell als Fazit: Es kann in einer multipolaren Welt nicht nur eine recht- Formen der neuen Kommunikationswirtschaft bzw. „data driven lich sanktionierte Handlungsweise geben. Jede Nation sollte economy“ anzusehen und zu behandeln seien. Dies ist genau auch in Zukunft das Recht behalten, den Zusammenhalt dessen, das, was die US-Administration angesichts der globalen Domi- wofür es den schönen anglofonen Ausdruck der „social fabric“ nanz ihrer Internet- und Suchmaschinenunternehmen weiterhin gibt, selbst bestimmen zu können. Die Freiheit, Medien zu orga- erreichen will. nisieren, gehört dazu, denn die Medien- und Informationsfrei- heit ist in Europa ein Grundrecht. Mandatsentwurf von der EU selbst Besonders frappierend war, dass dieser erste Mandatsentwurf ausgerechnet von der EU-Kommission kam, hatte sie doch sel- Pascal Albrechtskirchinger ist seit 1998 Leiter des ZDF-Europabüros der Euro- ber das Prinzip der Technologieneutralität mitentwickelt. Dieses päischen Union in Brüssel.

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Die Chorhühnchen der Musiker und Musiklehrer

Die möglichen Folgen von TiSA für Musiker Jürgen Simon

TTIP ist in aller Munde, zum besonderen Problem für Musi- ker könnte indes das Dienstleistungabkommen TiSA werden. Denn die geplante Privatisierung betrifft auch die Sozial - systeme für Musiker und die Musikschulen. Was genau besagt TiSA? Und was könnte passieren, wenn es durchgesetzt wird?

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Was TTIP ist, wurde in der letzten Zeit regelmäßig in den schaften ebenfalls von allen Informationen ausgeschlossen. Medien erläutert. Und obwohl die verhandelten Inhalte weitest- Nicht einmal die Welthandelsorganisation (WTO) wird über die gehend geheim gehalten werden, gibt es inzwischen genügend Verhandlungen informiert. Einzig einige Regierungsvertreter Informationen, um die Auswirkungen dieses Handelsabkom- der 50 beteiligten Staaten und selbstverständlich die Lobbyisten mens wenigstens einschätzen zu können. Insbesondere werden aus der Wirtschaft sind an diesen Verhandlungen beteiligt. Das in weiten Teilen der kritischen Öffentlichkeit eine weitgehende Ganze ist so geheim, dass die Verträge sogar nach dem Abschluss Freigabe von gentechnisch veränderten Lebensmitteln (womög- (oder dem Scheitern) der Verhandlungen noch mindestens fünf lich ohne Kennzeichnung), in Chlor getauchten Hühnern und weitere Jahre nicht veröffentlicht werden dürfen. Hier wird weitere erhebliche Einschränkungen im Bereich Verbraucher- nicht einmal mehr versucht, wenigstens einen Anschein von schutz erwartet. Aber auch Einschränkungen bei den Arbeit - Demokratie aufrechtzuerhalten. Ob ein solches Vorgehen mit nehmerrechten werden befürchtet. dem Grundgesetz in Einklang gebracht werden kann, ist zu be- Je mehr Informationen über TTIP bekannt werden, desto größer zweifeln. und lautstärker wird der Widerstand in der Bevölkerung. Politik Immerhin wurde jetzt ein erstes Dokument auf Wikileaks veröf- und Wirtschaft haben inzwischen begriffen, dass eine immer fentlicht. Neben dem eigentlichen TiSA-Dokument, das sich je- weitergehende Liberalisierung bei der Bevölkerung auf erhebliche doch ausschließlich mit Finanzdienstleistungen befasst, findet Ablehnung stößt, was die Umsetzung dieses Abkommens deutlich sich dort eine sehr profunde und lesenswerte Analyse des Textes erschwert. Daraus haben die Beteiligten aus Wirtschaft und Politik von Jane Kelsey, Professorin an der Universität Auckland. eine Lehre gezogen: Ein weiteres Abkommen zur Liberalisierung von Dienstleistungen (TiSA) wird noch geheimer und mit gro- Die Gefahren von TiSA ßer Eile verhandelt, in der Hoffnung, dass die Bevölkerung – TiSA wird womöglich mehr Auswirkungen auf das Leben der wenn überhaupt – es erst dann bemerkt, wenn es zu spät ist. Menschen haben als jeder andere Handelsvertrag einschließlich TTIP. Da nach den bisher vorliegenden Informationen in weiten Ohne zurück: TiSA-Regelungen Bereichen mit Negativlisten gearbeitet wird, sind automatisch Das TiSA-Abkommen soll den internationalen Handel mit alle Dienstleistungen betroffen, die nicht ausdrücklich ausge- Dienstleistungen liberalisieren. Dabei wird der Begriff „Dienst- schlossen sind. Eine spätere Ergänzung der Listen ist vermutlich leistung“ relativ weit gefasst. So wird die Versorgung mit Wasser ebenfalls nicht vorgesehen. ebenso als Dienstleistung eingestuft, wie Gesundheitsversor- Bereits oben wurde die Privatisierung der Wasserversorgung an- gung, Bildung, Rente, Banken und Versicherungen. Alle diese gesprochen, die, wie sich am Beispiel Berlin gezeigt hat, nur Dienstleistungen sollen möglichst wenig durch staatliche Ein- den Unternehmen genützt hat. Für die Bürger wurde das Wasser griffe reguliert werden, sondern – soweit damit auf irgend eine nur teurer. Da auch das Vermieten von Wohnungen eine Dienst- Weise Gewinne zu erzielen sind – durch private, gewinnorien- leistung ist, ist auch hier mit Verschlechterungen zu rechnen. tierte Unternehmen erbracht werden können. Zwar ist der Mietwohnungsmarkt ohnehin bereits überwiegend Besonders problematisch sind dabei die sogenannten Stillstands- in privaten Händen, doch gibt es in Deutschland relativ viele bzw. Sperrklinkenklauseln, die besagen, dass eine einmal er- Regelungen zum Schutz von Mietern. Eine Regelung wie die für reichte Privatisierung oder Deregulierung niemals mehr zurück- 2015 geplante Mietpreisbremse dürfte unter dem Einfluss von genommen werden kann. Konkret bedeutet dies, dass eine Ent- TiSA kaum mehr umzusetzen sein. Die dann folgende Entwick- scheidung zur Rekommunalisierung der Wasserversorgung, wie lung der Mieten kann sich jeder leicht selbst ausmalen. sie z. B. in Berlin durch den Berliner Wassertisch durchgesetzt Auch bei anderen, bereits privatisierten Dienstleistungen wie werden konnte, nicht mehr zulässig wäre. Aber auch die spätere z. B. der Stromversorgung, besteht die Gefahr, dass existierende Regulierung gefährlicher Spekulationsgeschäfte wäre nicht Regulierungen zugunsten der Verbraucher nach und nach abge- mehr möglich, wenn sie erst einmal genehmigt wurden. Selbst baut und neue Schutzvorschriften durch TiSA verhindert wer- eine Regelung wie die kürzlich von der EU beschlossene Be- den. Nicht weniger problematisch dürften die Auswirkungen grenzung der Roaminggebühren würde künftig womöglich ge- auf die Gesundheitsversorgung sein. Ob eine Gesundheits - gen TiSA verstoßen. reform, wie sie in Amerika durch „ObamaCare“ eingeführt wurde, nach TiSA noch möglich wäre, ist fraglich. Auch im Ge- Kein Zugang zu den Verhandlungen sundheitsbereich besteht somit die Gefahr, dass die Kosten für Was TiSA jedoch wirklich alles beinhaltet, ist nicht festzustellen, die Nutzer steigen, während sich der Umfang und die Qualität denn weder die Parlamentarier des deutschen Bundestags, noch der Versorgung reduzieren. EU-Parlamentarier haben Zugang zu den Verhandlungen. Selbst- Bereits die heutige Teilung der Krankenversicherung in privat- verständlich sind Verbraucherschutzorganisationen und Gewerk- und gesetzlich Versicherte sorgt für ein Ungleichgewicht. Dies

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Musikschule und Orchester – beide bald so nicht mehr möglich? (Bild: Musikschule Hamm und Cellisten des Gewandhausorchesters Leipzig) © Dirk Vorderstraße © Jens Gerber könnte unter TiSA noch verschärft werden, indem z. B. die Mög- Zum anderen ist es sogar vorstellbar, dass die Unternehmen, die lichkeit, sich privat zu versichern, deutlich ausgeweitet wird, bis in bisher an die Künstler sozialkasse zahlen müssen, eigene alterna- der gesetzlichen Versicherung nur noch die zurückbleiben, die tive Versicherungen entwickeln, deren einziges Ziel es ist, mög- für die privaten Versicherungsgesellschaften nicht attraktiv sind. lichst niedrige Beiträge anzubieten. Langfristig würde dies si- cherlich zu Problemen für die Künstler sozialkasse und ihre Ver- Sozialversicherungen für Musikerberufe sicherten führen. Obwohl diese Szenario auf den ersten Blick Unter die Gruppe derer, die für private Krankenversicherungen eher abwegig erscheint, hat es bereits in der Vergangenheit Ver- nicht attraktiv sind, werden vermutlich auch die Musiker und suche gegeben, Institutionen nur mit dem Zweck der Gelder- Musikschullehrer fallen. Erstens verdienen viele in dieser Grup- sparnis für Unternehmen zu gründen oder zu finanzieren. So pe zu wenig, und zweitens gibt es gerade bei Musikern viele wurde die inzwischen nicht mehr als Gewerkschaft zugelassene Krankheiten, die an sich nicht gravierend sind, das Ausüben der Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste mutmaßlich Arbeit jedoch unmöglich machen und deshalb behandelt wer- durch die Arbeitgeber der Post-Konkurrenz (die das immer be- den müssen. Und gewinnorientierte Versicherungen wollen na- stritten haben) ins Leben gerufen und finanziert, um eine will- türlich möglichst wenige Behandlungskosten übernehmen. fährige Gewerkschaft für Lohndumping zu haben. Etwas Vergleichbares könnte sogar im Bereich der Rentenversi- cherung geschehen. Bereits bei der Einführung der Riesterrente Privatisierung im Musikschulbereich zeigte sich, dass häufig die Versicherer am meisten profitieren Die womöglich größte Gefahr für die Musikschulen, aber und die Renditen bestenfalls bescheiden sind. Eine weitere Pri- ebenso für die Musikhochschulen und die gesamte Kultur in vatisierung der Rente brächte vermutlich auch wieder eine Tei- Deutschland dürfte von den Regelungen aus dem bereits oben lung in Wohlhabende, die sich eine private Altersvorsorge leisten erwähnten, auf Wikileaks veröffentlichten Dokument über Fi- können, und Arme, die auf ein immer weiter marginalisiertes nanzdienstleistungen liegen. Im Kern geht es um eine möglichst staatliches Restsystem angewiesen sind. weitgehende Deregulierung aller Finanzmarktgeschäfte. Da ge- Selbst die für die vielen freien Lehrkräfte essenzielle Künstler - rade die besonders gefährlichen Spekulationsinstrumente, die sozialkasse (KSK) könnte von TiSA betroffen sein. Diese Einrich- zur letzten (oder besser gesagt zur aktuellen) Wirtschaftskrise tung ist bei vielen Unternehmern eher unbeliebt, da sie eine geführt haben, nicht durch Regulierung „behindert“ werden Abgabe an die Künstlersozialkasse abführen müssen, wenn sie sollen, ist die nächste Finanzkrise beinahe schon vorprogram- selbstständige Künstler engagieren. Da häufig auch freischaffen- miert. Was passiert, wenn dann der Staat wieder zur Rettung der de Grafiker und zum Teil sogar Webdesigner in der Künstler- Spekulanten einspringen muss, ist aktuell in Griechenland zu sozialkasse versichert sind, müssen auch für deren Dienste Ab- sehen. Öffentliche Mittel für freiwillige Leistungen wird es dann gaben entrichtet werden, selbst wenn der jeweilige Künstler gar wohl überhaupt nicht mehr geben. nicht in der Künstler sozialkasse versichert ist. Dabei könnte die Ist dies also die große Stunde der privaten Musikschulen? Ver- Künstler sozialkasse von zwei Seiten in Bedrängnis geraten: Zum mutlich wird es auch hier viele Verlierer und nur wenige Ge- einen ist sie natürlich ein Eingriff in die freie Gestaltung der winner geben. Die Hoffnung, dass eine Deregulierung im Mu- künstlerischen Dienstleistungen, da die beiden Geschäftspartner sikschulbereich dazu führen wird, dass die öffentlichen Mittel eben nicht die Freiheit haben, zu entscheiden, dass sie diese Ver- künftig auch auf die privaten Musikschulen verteilt werden, sicherung nicht wollen. Solche regulatorischen Eingriffe sollen dürfte am Vergaberecht scheitern. Wie bei anderen Dienstleis- durch die Künstler sozialkasse ja gerade abgeschafft werden. tungen, die von der öffentlichen Hand vergeben werden, gilt

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auch hier, dass derjenige, der das beste Angebot macht, den Auf- zent pro Jahr. Wenn man bedenkt, dass sich die Prognosen für trag bekommt – alle anderen gehen leer aus. Und das beste An- das Wirtschaftswachstum in Deutschland für 2015 je nach Insti- gebot bedeutet in der Regel: das billigste Angebot. Dabei ist der tut innerhalb einer Spanne von 1,5 und 2,4 Prozent bewegen, Gestaltungsspielraum bei den Ausschreibungen durch die Auf- scheint es eher wie Wahrsagerei, ein zusätzliches Wachstum von traggeber – in der Regel sind das die Kommunen – oft relativ 0,5 Prozent im Verlauf von zehn Jahren tatsächlich vorhersagen gering. Daher besteht auch hier die Gefahr, dass sich längerfris- zu können. tig einige wenige große Musikschulkonzerne das Geschäft teilen Nicht besser sieht es bei den versprochenen „hunderttausen- werden. Kleine private lokale Musikschulanbieter, die mit viel den“ Arbeitsplätzen für die gesamte EU aus. Auch diese Zahl Engagement und künstlerisch pädagogischen Konzepten versu- wird zur Makulatur, wenn man bedenkt, dass in den zurücklie- chen, möglichst guten Unterricht anzubieten, werden es in die- genden zwölf Monaten die Arbeitslosenzahl allein in Deutsch- sem Preiskampf noch schwerer als bisher haben. land um mehr als 300 000 schwankte. Außer dem zusätzlichen Wachstum und den neuen Arbeitsplät- Alles nur Paranoia? zen in einer Größenordnung, die so gering ist, dass der Nach- Die Befürworter aus Politik und Wirtschaft werden nicht müde weis schwer fallen dürfte, sind aber offenbar keine weiteren po- zu erklären, dass derartige Abkommen gut für die Wirtschaft sitiven Effekte zu erwarten. Keiner der Befürworter hat jemals und damit auch gut für die Bevölkerung sind und sicherlich angedeutet, es könnte Verbesserungen im Arbeitnehmer- oder auch viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Während die Verbraucherschutz, beim Umweltschutz oder der sozialen Ge- angeblichen positiven Effekte für TiSA bisher nebulös bleiben, rechtigkeit geben. Im Gegenteil befürchten die Kritiker in allen gibt es für TTIP relativ konkrete Angaben. Allerdings fallen die in diesen Bereichen eher negative Auswirkungen durch diese Ab- Aussicht gestellten positiven Effekte bei genauer Betrachtung kommen. Hier muss sich jeder selbst die Frage stellen, ob die eher bescheiden aus, selbst wenn man die optimistischsten An- möglichen positiven Effekte groß und wichtig genug sind, um nahmen der Befürworter zugrunde legt. Das für TTIP zusätzlich die möglichen Risiken in Kauf zu nehmen. prognostizierte Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent für Europa ist für zehn Jahre angegeben, beträgt also nur 0,05 Pro- Jürgen Simon ist Cellist im Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt (Oder).

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Keine bloße NEBENSACHE

Zur gesellschaftlichen Relevanz von Musik Boris Voigt

Tagtäglich bewegen wir uns in einer Vielzahl von auditiv und visuell bewusst gestalteten Umgebungen, die unser Fühlen, Denken und Han- deln prägen und beeinflussen. Das betrifft nicht allein Musik im enge- ren Sinn, sondern reicht vom Kaffeeautomaten über Handyklingeltöne bis zur Geräusch- und Klangkulisse von Computerspielen. Die vielen unterschiedlichen auditiven Umgebungen stellen einige An for de run- gen an unsere Wahrnehmungsfähigkeiten. Was bedeutet Musikhören in der heutigen Gesellschaft? Und warum müssen wir es schulen? Der Musiksoziologe Boris Voigt beleuchtete dies in seinem Vortrag bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrats im vergangenen Oktober, die sich im Zusammenhang mit dem Grünbuch des Musikrats der Frage zuwandte „Was ist Musik uns wert?“ Im täglichen Leben sind wir einer Menge an Höreindrücken ausgesetzt – oftmals ohne es zu bemerken. Ein bewusstes Hinhören aber lohnt sich.

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Mit den historischen Bedingungen hören ist. Musikalisches Verstehen erfor- Hörerfahrung: kein Kaufgut wechselt die Art und Weise, in der Musik dert je nach Musik mehr oder weniger Man kann durchs Warenhaus gehen und gesellschaftlich relevant ist. Das liegt an ei- anspruchsvolle Techniken des Hörens. In seinen Warenkorb mit Musik-CDs aller ner mit der Moderne verbundenen Wittgensteins Worten: „Nur von einem, denkbaren Genres, Epochen und Weltge- grundlegenden Strukturumstellung der der das und das kann, gelernt hat, be- genden füllen. Damit stehen einem noch Gesellschaft. Moderne Gesellschaften ge- herrscht, hat es Sinn zu sagen, er habe längst nicht verschiedene Musikkulturen horchen einer funktionalen Strukturie- das erlebt.“ Letztlich leistet Musik erst offen. Wenn man die verschiedenen Mu- rung, die sich wesentlich über abstrakt dann etwas für uns, wenn wir etwas für siken hört, so wie man sowieso schon generalisierende Medien vollzieht. Mit sie leisten, eigene Tätigkeit in sie investie- hört, integriert man sie lediglich einer den digitalen Medien erfährt diese Abs- ren. singulären Kultur, nämlich der eigenen. traktion und Funktionalisierung eine zu- Worin könnte nun die Möglichkeit ex- Für den individuellen Genuss an der Mu- sätzliche Radikalisierung: Der sinnliche trinsischer Werte eines geübten Musikhö- sik mag das hinreichen, zu ihrem Verste- und sinnhafte Zugang zur Welt wird zu- rens bestehen? Indem ich erfahre, dass hen trägt es wenig bei. mindest partiell durch technische Prozes- sich das, was ich höre, auf verschiedene Warum ist dieses Verstehen relevant? Mu- se strukturiert. Ethische, ästhetische, öko- Weise hören lässt. Ich werde vielleicht sik vermag in hohem Maße individuelle nomische und rechtliche Entscheidungen daran erinnert, dass sich viele Dinge und kollektive Identitäten zu prägen, also werden inzwischen in hohem Maße von noch ganz anders wahrnehmen lassen, ein kulturelles Medium der Sinngebung der technischen Apparatur, nicht allein als ich es gewohnt bin – dadurch könnte und der „Wir“-Kommunikation darzu- von Menschen getroffen. Müssen wir also ich nicht zuletzt eine andere Einstellung stellen. Es gibt wohl kaum eine Kommu- vorrangig Geld und Algorithmen verste- einnehmen zu den Dingen und Gescheh- nikationsform, in der Sozialität derart in- hen, um auch die Gesellschaft zu begrei- nissen, die mich umgegeben. tensiv erfahrbar werden kann wie in der fen? Und ist eine Angelegenheit wie Mu- Musik. Sofern Kultur nicht dem Waren- sik hingegen irrelevant geworden? Unhörbare Klänge als Teil hausmodell gehorcht, sondern tatsächlich der Musik die sinnhafte Orientierung von Men- Musikhören als bewusste Leistung Dass unsere Erfahrungen in Bezug auf das schen tiefgreifend formt, sollte dies im Nicht nur nehmen die abstrakten Struk- Musikhören essenziell sind, belegt das Umgang mit Musik seine Berücksich - turierungen von Gesellschaft enorm zu, folgende Beispiel: In einigen Musikarten tigung finden; ohne eine entsprechende sondern die gestalteten Ereignisse und Ostasiens gibt es Klänge, die man nicht Bildung ist hier wenig zu hoffen. In einer Gegenstände auf der Ebene der sinnlich hören kann, mustergültig etwa im Spiel kulturell komplexen Gesellschaft verant- erfahrbaren Phänomene unterliegen der Qin, der siebensaitigen chinesischen wortlich zu agieren, erfordert die sorgfäl- ebenso der Multiplikation und auch Griffbrettzither. Auf der Qin werden ge- tige Auseinandersetzung mit dem eige- ihnen sind Intentionen eingeschrieben, wöhnlich 16 verschiedene Kategorien nen nicht minder als die mit dem ande- die wir nicht notwendig und ohne An- von Klängen gespielt. Zwei von ihnen ren, um beidem gerecht werden, kultu- strengung durchschauen. Die bewusste werden nur gegriffen, aber nicht ange- rell produktive Potenziale entfalten und Bildung der Wahrnehmungsfähigkeiten schlagen. Diese unhörbaren Klänge sind Konfliktpotenziale einhegen zu können. sollte daher in einer Gesellschaft, die sich die wichtigsten: Sie sind nicht mitzuhö- selbst für aufgeklärt hält, keine bloße Ne- ren, sondern mitzuempfinden und mit- bensache darstellen. Und zu diesen Wahr- zudenken; zu einem gewissen Teil also nehmungsfähigkeiten gehört eben auch muss diese Musik vom Hörer selbst her- das Hören, das der Ausbildung seiner Er- gestellt werden. Klanglosigkeit wird zur fahrungsmöglichkeiten bedarf. Es geht höchsten Vollendung der Musikaus- dabei letztlich um die Bedingungen, un- übung, indem Spieler und Hörer ausge- ter denen Menschen ihre Haltungen und hend von den äußeren Klängen dem Weg ihre Handlungen verantwortlich und frei ins Innere zu den nur noch ideell gege- gestalten können. benen Klängen folgen. Ohne eine Kennt- Hören stellt keinen passiven Vorgang dar, nis des Repertoires und des Instruments, Boris Voigt studierte Musikwissenschaft, Soziologie musikalisches Hören schon gar nicht. Das ohne Gespür und Konzentration auch und Philosophie in Hamburg. Zurzeit ist er Gast - Verstehen dessen, was man hört, hat zur seitens des Hörers gelangt diese Musik, professor für Musiksoziologie und Historische An- Bedingung, dass man weiß, in welcher da sie sich klanglich partiell einbehält, thropologie der Musik an der Humboldt-Universität Weise dasjenige, was man gerade hört, zu nicht zur Existenz. zu Berlin.

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Verschiedene Gewerkschaften regeln die Arbeitsbedingungen der künstlerisch Beschäftigten an öffentlichen Bühnen (Bild: Chor der Deutschen Oper Berlin mit „Don Giovanni“ im Oktober 2010).

SOLIDES SYSTEM

Die Leistungen der Gewerkschaften im Kulturbereich Hartmut Karmeier

Gewerkschaften treten für die gerechte Bezahlung guter Arbeit unter menschen- würdigen Arbeitsbedingungen ein. Gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden sorgen sie durch den Abschluss von Tarifverträgen für verlässliche Rahmenbedin- gungen und sozialen Ausgleich. Auch die öffentlichen Bühnen profitieren seit Jahr- zehnten von dem System, das ohne staatliches Zutun funktioniert. Wie Gewerk- schaften die Angestelltenverhältnisse an den öffentlichen Bühnen regeln und was sie leisten, erklärt Harmut Karmeier.

Seit der Gründung der Bundesrepu- seit Jahrzehnten funktionieren kann – Besonders erwähnenswert ist, dass die blik hat sich eine gut funktionierende, übrigens zugunsten der Beschäftigten GDBA gemeinsam mit dem Arbeitgeber- weil staatsferne Tarifpartnerschaft zwi- und der Träger der Einrichtungen. Vier verband, dem Deutschen Bühnenverein schen Gewerkschaften und Verbänden Gewerkschaften sorgen in diesem Bereich (DBV), eine eigene Bühnenschiedsbar- entwickelt. Eine der wesentlichen Grund- dafür, dass die Gehalts- und Gagenent- keit, die Bühnenschiedsgerichte, trägt. lagen ist die im Grundgesetz garantierte wicklung der Beschäftigten auf und In der Vereinigung Deutscher Opern- Koalitionsfreiheit. Im europäischen Ver- hinter der Bühne mit der Lohn- und chöre (VdO) sind die darstellerischen gleich weist Deutschland eine sehr gerin- Tarifrechtsentwicklung des öffentlichen Kollektive, also Mitglieder der Opernchö- ge Quote von Streiktagen pro Jahr auf. Dienstes Schritt hält und auch künftig re und Tanzgruppen, organisiert. Zwi- Das gilt für die Industrie und den Dienst- Anspruch auf bezahlten Urlaub und gere- schen diesen beiden Gewerkschaften gibt leistungsbereich ebenso wie für den gelte Arbeitsbedingungen behalten. es durchaus Überschneidungen in den öffent lichen Dienst und die Theater und organisierten Berufsgruppen. Das ist aber Orchester. Gewerkschaften für Künstler insofern unproblematisch, als beide Ge- Doch Berufsgewerkschaften sind in letz- Die älteste der drei Künstlergewerk- werkschaften die im sogenannten Nor- ter Zeit durch heftige Arbeitskampfmaß- schaften ist die traditionsreiche, 1871 in malvertag Bühne (NV Bühne) vereinbar- nahmen bei der Deutschen Bahn und der Weimar gegründete Genossenschaft ten Regelungen gemeinsam mit dem Lufthansa in Misskredit geraten. Zu Un- Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA). DBV verhandeln. Konkurrierende Tarif- recht, wie ich finde, denn gerade im Kul- Nach eigenen Angaben organisiert sie verträge existieren dadurch nicht. turbereich gibt es bei den Theatern und Theaterbeschäftigte in vier Berufsgrup- Die dritte im Bund der Künstlerge- Orchestern ein gutes Beispiel, wie Ge- pen: Solo, Tanz, Opernchor und Ausstat- werkschaften ist die Deutsche Orchester- werkschafts- und damit auch Tarifvielfalt tung, Technik und Verwaltung (ATuV). vereinigung (DOV). Sie wurde im Jahre

1/15 akzent 37 © Marcus Lieberenz © Marcus

1952 in Düsseldorf gegründet und orga- nehmerseite mit der Vereinigung Kom- turorchester (TVK), die Dienstleistungs- nisiert Orchestermusiker und die Mitglie- munaler Arbeitgeberverbände (VKA) gewerkschaft ver.di für den nichtkünstle- der der Rundfunkklangkörper (Orchester, bzw. der Tarifgemeinschaft der Länder rischen Bereich. Wenn ver.di gelegentlich Chöre und Bigbands). In steigender Zahl (TdL) auf Arbeitgeberseite. die Zuständigkeit für einzelne Beschäftig- treten freiberufliche Musikerinnen und Bei Bühnen und Orchestern herrscht also tengruppen im künstlerischen Bereich Musiker wie Lehrbeauftragte an Musik- nicht nur gewerkschaftliche Vielfalt, son- reklamiert, so geschieht dies am Verhand- hochschulen in die DOV ein. dern auch die Arbeitgeberseite wird je lungstisch und nicht durch Arbeitskämpfe. nach Berufsgruppe und staatlicher Ebene Zwischen ver.di und Deutsche Orchester- Tarifverträge für alle hinter der (Kommunen/Bundesländer) von ver- vereinigung besteht übrigens ein Koope- Bühne schiedenen Verbänden vertreten. rationsvertrag, der nicht zuletzt die Zu- Bleibt schließlich der sogenannte nicht ständigkeiten und Organisationsbereiche künstlerische Bereich, also alle Mitarbei- Zuständigkeit und Ehrenamt beider Gewerkschaften abgrenzt. Im ter der Theater und Orchester, die in der Die Zuständigkeitsbereiche und Beschäf- Rundfunkbereich agieren die Gewerk- Technik, in den Werkstätten oder der Ver- tigtengruppen, für welche die einzelnen schaften ver.di, Deutscher Journalisten- waltung arbeiten. Ihre Arbeitsbedingun- Gewerkschaften verhandeln und Tarifver- verband (DJV) und Deutsche Orchester- gen richten sich bei kommunalen Arbeit- träge abschließen, sind also klar abge- vereinigung übrigens faktisch als Tarifge- gebern in der Regel nach den Bestim- grenzt: Die Genossenschaft Deutscher meinschaft. mungen des Tarifvertrags des öffentlichen Bühnenangehöriger und die Vereinigung Die Künstlergewerkschaften werden von Dienstes (TVöD) bzw. bei Landesträger- Deutscher Opernchöre für den Normal- Ehrenamtlichen geführt, die in ihren Be- schaft nach dem Tarifvertrag der Länder vertrag Bühne, die Deutsche Orchester- rufen als Sänger, Schauspieler, Chorsänger (TV-L). Hier verhandelt ver.di auf Arbeit- vereinigung für den Tarifvertrag für Kul- oder Orchestermusiker arbeiten und den

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In den Jahren 2008 und 2013 fanden bundesweite Aktionstage und Warnstreiks der DOV statt. © DOV entsprechenden Sachverstand aus ihrem Dienstes auch den Beschäftigten an den verband, Deutscher Bühnenverein, bzw. Arbeitsumfeld einbringen. Die hauptamt- Theatern und in den Orchestern zu ge- den verschiedenen Rundfunkanstalten lichen Mitarbeiter der Geschäftsstelle un- währen. wenig Probleme bereitet. Ein staatlicher terstützen die ehrenamtlichen Gremien- Eingriff durch die Verabschiedung eines mitglieder bzw. führen die in immer grö- Streiks nur selten Gesetzes zur Tarifeinheit, so dieses über- ßerer Zahl anfallenden Tarifverhandlun- Streiks hat es an den Theatern in den letz- haupt mit dem Grundgesetz in Einklang gen. ten Jahrzehnten äußerst selten gegeben. zu bringen ist, würde einen eingespiel- Wenn Veranstaltungen betroffen waren, ten, sehr gut laufenden Interessensaus- Teil des öffentlichen Dienstes dann meist wegen Arbeitsniederlegungen gleich zwischen Gewerkschaften und Ar- Öffentlich finanzierte Theater und Or- der technischen Mitarbeiter im Zuge von beitgeberverbänden nachhaltig beeinflus- chester verstehen sich als Teil der kultu- Arbeitskampfmaßnahmen des gesamten sen oder sogar zerstören. rellen Daseinsvorsorge und damit also öffentlichen Dienstes. Ende der 1980er- auch als Teil des öffentlichen Dienstes. Jahre rief die Deutsche Orchestervereini- Zahlreiche Bestimmungen der Tarifwerke gung zu Warnstreiks für verbesserte Ar- des öffentlichen Dienstes, die nicht un- beitszeiten auf. In den Jahren 2008 und mittelbar die speziellen Arbeitsbedingun- 2013 fanden Warnstreiks statt, um eine gen der Künstler betreffen, finden sich Abkopplung der Gehälter der künstle- wörtlich in den Künstlertarifverträgen risch Beschäftigten von den Lohnerhö- wieder. Aus diesem Grunde legen die hungen des öffentlichen Dienstes zu Künstlergewerkschaften auch großen verhindern. Alle Auseinandersetzungen Wert auf die Übertragung der Tariferhö- konnten bekanntlich am Verhandlungs- hungen des öffentlichen Dienstes. Im tisch beigelegt werden. Normalvertrag Bühne und Tarifvertrag für Kulturorchester sind wortgleiche Verein- Bewährtes System barungen zur Tarifanpassung formuliert. Fazit: An den Theatern, in den Orchestern Danach sind je nach Trägerschaft der Ein- und bei den Rundfunkanstalten hat sich ist Vizepräsident des Deutschen richtung die zwischen ver.di und der Ver- über Jahrzehnte die Vielfalt der Berufsge- Harmut Karmeier Musikrats, Vorsitzender des Bundesfachausschusses einigung Kommunaler Arbeitgeber werkschaften bewährt. Jede Gewerkschaft Musikberufe, des Gesamtvorstands der Deutschen (VKA) bzw. der Tarifgemeinschaft der verhandelt für ihre Berufsgruppe, kon- Orchestervereinigung (DOV) und des Beirats der Ge- Länder (TdL) vereinbarten Tariferhöhun- kurrierende Tarifverträge gibt es nicht. sellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrech- gen für die Beschäftigten des öffentlichen Ein System, das auch dem Arbeitgeber- ten (GVL).

1/15 DMR aktuell Informationen aus den Projekten und Mitgliedsverbänden des Deutschen Musikrats Foto: Christian Wolf Foto:

Ensemble Nobiles erhielt im Nachtrag zum DMW ein Stipendium der Marie-Luise Imbusch-Stiftung

■ Deutscher Musikwettbewerb

Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs erfolgreich Sonderpreis der Marie-Luise Imbusch-Stiftung an das Ensemble Nobiles und Martin Klett

2014 konnten Stipendiaten und Preis träger jährigen Internationalen Musikwettbewerb und einer CD-Produktion, und der Pianist des Deutschen Musikwettbewerbs (DMW) der ARD der Schlagzeuger Alexej Gerassi- Frank Dupree sowie der Oboist Juri Schmahl erfreuliche Erfolge verzeichnen. Einige von mez den 2. Preis, das Acelga Quintett er- waren im Anschluss an ihre Erfolge beim ihnen haben Stellen angetreten in Orches - hielt den 3. Preis in der Kategorie „Bläser- diesjährigen DMW gleich mehrfach erfolg- tern und Ensembles wie den Bamberger quintett“ und das canorusquintett erlangte reich mit Preisen in Karlsruhe, Alaska und Symphonikern, den Stuttgarter Philharmo- als Halbfinalist den Sonderpreis für die beste Verbier bzw. in Lódz und auf der Isle of nikern, dem Ensemble des Nationaltheaters Interpretation des Auftragswerks von Gija Man. Das Ensemble Nobiles wurde beim 9. Mannheim, dem Ensemble des Theater für Kancheli sowie den Förderpreis der Jeunes- Deutschen Chor wettbewerb des Deutschen Niedersachsen Hildesheim und den Augs- ses Musicales Deutschland. Die Cellistin Musikrats mit dem 1. Preis ausgezeichnet. burger Philharmonikern. (und auch Sängerin) Janina Ruh ist seit Feb- In Folge des DMW 2014 wurden dem Vo- Andere reüssierten bei Wettbewerben ruar 2014 Stipendiatin von „SWR2 New Ta- kalsolistenensemble sowie dem Pianisten im In- und Ausland. So erlangte beim dies- lent“ verbunden mit zahlreichen Konzerten Martin Klett noch Stipendien der Marie-

DMR aktuell I ■ Deutscher Musikwettbewerb PROJEKTE H REH EDUTSC DEUTSCHEREWEBTBRE T EWERB KISUMWKET MUSIKWETTB201520115 Foto: Felix Dehner Felix Foto: Foto: RosaFoto: Frank Foto: Hoffotograf Berlin Foto: Frank Dupree wurde Preisträger in Karlsruhe, Verbier und Alaska, Vera-Lotte Böcker, Janina Ruh, Stipendiatin rz von „SWR2 New Talent“ 1. bisb 28. März in Lübeck iÌÌi˜ ettbeettbewerbskategorien˜ˆÀ>UÃÃ>L>À̘œU>œˆ6 WettbewerbskategorienWWe ÌiÌÀ>Õµ VˆiÀÌ-UÌ̜}>U˜ÌÌ ˆÌ-ÌÌÌÌ ÊÊ6Ui˜ˆœˆ6 ÊÊ ÊÊ Õ>ÀÌiÌÌÊ 6ˆœˆ˜iÊUÊ6ˆœ>ÊUÊœ˜ÌÀ>L>ÃÃÊUʏ>Àˆ˜iÌÌiŽˆÃՓ>̘i“ÕÀÌØÀi˜ÌÀ ˜œ «œÝ>-ÊÊ ÊÊ Ê ->ݜ« œ˜ÊUÊ>}œÌÌÊUÊ-ÌÀiˆV µ - ȉÀØvÃiL“iØ UœÕȎˆÃÕ À>«ÀiˆÛ>ÊÊ >ۈiÀ«>À̘iÀʘÃÌÀՓi˜Ì>“ÕÈŽÊ œÕ`ÀiˆÛ>ÊÊ Ê Ê Ê Õ Ž >ۈiÀ`՜ÊUÊ ˜Ãi“LiÃÊvØÀʏÌiÊ

  Luise Imbusch-Stiftung in Höhe ger-CDs von Tobias Feldmann, lage Saxofonquartett und der

 www.musikrat.de/dmwwww.musikrat.de/dmw [email protected] von 5000 Euro bzw. 1500 Euro Koryun Asatryan sowie des Saxofonist Lars Niederstraßer. TelefonTTeelefon 020228 2091-160 Deutscher Musikwettbewerb

ÀiÀi`ÀŸ\ zugesprochen. Duos Wassily und Nicolai Geras- Der Deutsche Musikrat gra- 2014 erschienen in der Edi- simez. Weitere CDs veröffent- tuliert den Musikerinnen und tion Primavera die drei Preisträ- lichten unter anderem das Ber- Musikern herzlich!

Übersicht über Erfolge der vom Deutschen Musikwettbewerb geförderten Musiker (Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit!)

Preisträger & Stipendiaten des beim 9. Deutschen Chorwettbewerb Preisträger & Stipendiaten des • Miao Huang, Klavier: 2. Preis beim DMW 2014 in Weimar DMW 2012 San Marino Piano Competition/Ita- • Frank Dupree, Klavier: 1. Preis • Nicolai Gerassimez, Klavier: Preis lien beim Dr. Hermann Büttner-Klavier- Preisträger & Stipendiaten des als bester Klavierpartner für die • Anna-Victoria Baltrusch, Or gel: wettbewerb der Hochschule für DMW 2013 Interpretation eines Werkes von Bezirkskantorin in Bad Krozingen Musik Karlsruhe (u. a. Auftritt mit • Janina Ruh, Violoncello: seit Fe- Enescu beim Cellowettbewerb des (Elternzeitvertretung 2014/15). einem Beethoven-Klavierkonzert im bruar 2014 Stipendiatin von „SWR2 George Enescu Festivals in Buka- • Katja Stuber: seit 2014 neues Januar 2015 mit dem Hochschulor- New Talent“ rest Ensemblemitglied im Hessischen chester Karlsruhe unter Leitung von • Vera-Lotte Böcker, Sopran: Thea- • Asya Fateyeva, Saxofon: seit 2014 Staatstheater in Darmstadt Mario Venzago); Bronzemedaille terpreis des Landestheaters Det- Dozentin an der Musikhochschule • Berlage Saxophone Quartet: und 3. Preis beim Alaska Interna - mold; Nominierung von der Zeitung Münster; 3. Preis beim Internatio - Debüt-CD „SaxoFOLK“ bei MDG tional Piano-e-Competition/USA; Die Welt als beste Nachwuchssän- nalen Interpretationswettbewerb Preis der Tabor Foundation bei der gerin als Agnès in Written on skin; Verfemte Musik in Schwerin CDs in der Edition Primavera Verbier Festival Academy zur Spielzeit 2014/15 Wechsel ins • Kirstin Niederstraßer, Saxofon: des Deutschen Musikrats in • Martin Klett, Klavier: Stipendium Ensemble des Nationaltheaters Folkwang Preis 2014 mit dem Duo Kooperation mit dem Label der Marie-Luise Imbusch-Stiftung Mannheim Kiol (Baritonsaxofon und Klavier) Genuin: (im Rahmen des DMW 2014) • Neele Kramer, Mezzosopran: seit • Lars Niederstraßer, Saxofon: • Tobias Feldmann, Violine: Debüt- • Juri Schmahl, Oboe: 1. Preis beim 2014 Ensemblemitglied des Thea- Debut-CD mit Werken von Johann CD mit Werken von Eugène-Augus - International Academic Oboe and ters für Niedersachsen Hildesheim Sebastian Bach, Carl Philipp Ema- te Ysaÿe, Ludwig van Beethoven, Bassoon Competition in Lódz/ • Elena Puszta, Sopran: 1. Preis nuel Bach und Marin Marais Béla Bartók und Franz Waxman Polen; International Double Reed beim Internationalen Nico Dostal- • Bettina Aust, Klarinette: 1. Preis (mit Boris Kusnezow, Klavier) Society Prize beim Barbirolli Inter- Operettenwettbewerb in Österreich und Sonderpreise beim Interna - • Koryun Asatryan, Saxofon, CD national Oboe Festival and Compe- im November 2013 tionalen Instrumentalwettbewerb mit Werken von Christian Lauba, tition der Isle of Man/GB; Diplom- • Annette Fabriz, Orgel: 3. Preis Markneukirchen in der Kategorie Georges Aperghis, Francois Rossé, Abschluss des Studiums in Nürn- beim Internationalen Hermann- Klarinette; seit September 2014 Etienne Rolin, Hiroyuki Itoh, Hay- berg mit Auszeichnung; Fortset- Schroeder-Orgelwettbewerb in Trier Soloklarinettistin bei den Augsbur- den Chrisholm (mit Karola Pavone, zung des Studiums bei Jacques Tys • Johanna Soller, Orgel: künstleri- ger Philharmonikern Sopran, Eva Barthas, Saxophon, am Conservatoire national supérieur sches Diplom Chorleitung „mit Aus- • Laila Salome Fischer, Sopranistin Gareth Lubbe, Viola), außerdem de musique et de danse Paris zeichnung“ von Concerto +15: Endrunde beim ECHO-Klassik-Preis „Klassik ohne • Marlene Pschorr, Horn: ab 2014 • Acelga Quintett, Bläserquintett: International Hans Gabor Belve- Grenzen“ für die CD „Dancing Orchesterakademie des Sympho- 3. Preis beim Internationalen Mu- dere Singing Competition; Auftritte Paris“ des Alliage Quintetts mit nieorchesters des BR München sikwettbewerb der ARD u. a. mit den Hamburger Symphoni- József Lendvay • Kristian Katzenberger, Horn: stell- • canorusquintett, Bläserquintett: kern (Titelpartie in Bastien und Ba- • Wassily und Nicolai Gerassimez: vertretender Solohornist bei den Halbfinalteilnahme und Sonder- stienne) und in der Deutschen Oper Debüt-CD „Freier Fall“ mit Werken Bamberger Symphonikern (Zeitver- preis für die beste Interpretation Berlin (Evita in LoveAffairs, UA) für Cello und Klavier von Felix Men- trag) des Auftragswerks von Gija Kan- delssohn Bartholdy, Dmitri Schosta- • Louise Pollock, Posaune: erneut cheli beim Internationalen Musik- Preisträger & Stipendiaten des kowitsch, Wassily Gerassimez und Zeitvertrag für Solo-Posau ne bei wettbewerb der ARD; Förderpreis DMW 2010 & 2011 Fazil Say den Stuttgarter Philharmonikern der Jeunesses Musicales Deutsch- • Alexej Gerassimez, Schlaginstru- • Ensemble Nobils: Stipendium der land mente: 2. Preis beim Internationa- Marie-Luise Imbusch-Stiftung (im len Musikwettbewerb der ARD Rahmen des DMW 2014); 1. Preis

DMR aktuell II PROJEKTE ■ Dirigentenforum Deutscher Musikwettbewerb vom 15. bis 28. März 2015 erstmals in der Hansestadt Lübeck 190 Musikerinnen und Musiker sind angemeldet

Der Deutsche Musikwettbewerb (Schlaginstrumente), Duo Riul Deutscher Musikwettbewerb 2015 in Lübeck freut sich, im März 2015 erst- (Sebastian Manz, Klarinette, • So. 15. März, 19 Uhr, Musikhochschule Lübeck: mals in seiner 40-jährigen Ge- und Martin Klett, Klavier) und Eröffnungskonzert des DMW 2015 mit Johannes Fischer (Schlaginstru- schichte in der Hansestadt Lü- dem einzigen Preisträger 2014, mente), Duo Riul (Sebastian Manz, Klarinette – Martin Klett, Klavier) und beck zu Gast zu sein. 190 Musi- dem Pianisten Frank Dupree. Frank Dupree (Klavier) kerinnen und Musiker haben Die Finalrunden der Musiker • 16.-26. März, Musikhochschule Lübeck: sich in zehn Kategorien zu dem finden ab dem 21. März statt, Öffentliche Wertungsspiele Kategorien: Violine, Viola, Kontrabass, Klarinette, Saxofon, Fagott, jährlich ausgeschriebenen Wett- darunter am 25. und 26. März Klavierpartner Instrumentalmusik, Klavierduo, Streichquartett, Ensembles bewerb angemeldet, um die die beiden Orchesterfinales mit für Alte Musik Jury und das Publikum in der dem Philharmonischen Orches- Finale des DMW Komposition, darunter am 25./26. März: Orchesterfinale der Solisten mit dem Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck, Musikhochschule Lübeck von ter der Hansestadt Lübeck unter Leitung: Johannes Klumpp ihrem Können zu überzeugen. Leitung von Johannes Klumpp. • 27. März, 19 Uhr, Musikhochschule Lübeck: Spitzenreiter bei den Solisten Den Abschluss bilden die bei- Preisträgerkonzert I – Kammermusik mit Preisträgerensembles und sind die Violinen mit 44 Mel- den Preisträgerkonzert: Am Frei - Stipendiaten des DMW 2015 dungen, gefolgt von 28 Klari- tag, 27. März findet das Kam- • 28. März, 19 Uhr, Musik- und Kongresshalle Lübeck: nettisten, 27 Fagottisten und merkonzert statt, am Samstag, Preisträgerkonzert II – Abschlusskonzert mit Preisträgern der Solokatego- 19 Kontrabassisten. Bei den En- 28. März werden die Solisten rien und dem Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck, Leitung: Johannes Klumpp sembles sind es fünf Klavier- auftreten, begleitet vom Phil- duos, drei Ensembles für Alte harmonischen Orchester der Der Kartenvorverkauf für die drei Konzerte beginnt im Januar 2015. Musik und drei Streichquartette. Hansestadt Lübeck unter der Die Zeitpläne der Wettbewerbsrunden finden Sie ab März unter www.musikrat.de/dmw. Am 15. März wird der Deut- Leitung von Johannes Klumpp. Alle Wertungsspiele sind öffentlich bei freiem Eintritt! sche Musikwettbewerb eröffnet durch ein Konzert der DMW- Informationen und eine Einladung zum DMW 2015 können angefordert werden unter [email protected] Preisträger Johannes Fischer

■ Konzert des Deutschen Musikrats Antragsrekord zur Jurysitzung Bei ihrer Herbst-Auswahlsitzung les. Auch eine Vielzahl junger, Veranstaltung in Deutschland bar. Der nächste Einsendeschluss des vergangenen Jahres hatte professionell arbeitender En- unter dem Label „Konzert des für Förderanträge ist der 23. Feb - die Jury des Förderprojekts Kon- sembles für zeitgenössische Mu - Deutschen Musikrats“ statt. ruar 2015. zert des Deutschen Musikrats sik, deren Mitglieder nicht sel- Eine Liste der Antragsbewil- www.musikrat.de/konzert (KDMR) über rund 90 Förder- ten aus Förderprojekten des ligungen ist im Internet abruf- anträge zu entscheiden. Insge- DMR stammen, leistet mit gro- samt wurden der KDMR-Jury im ßem Engagement Pionierarbeit Neuer Image-Film über den European Jahr 2014 damit rund 180 An- für die Weiterentwicklung der Workshop träge vorgelegt – so viele wie Musik unserer Zeit. seit zehn Jahren nicht mehr. Nach zweitägigen Beratun- schau mit Dirigent Rüdiger Rund ein Drittel der Antragstel- gen konnte 33 besonders origi- Bohn sowie EZM-Komponist ler hatte sich zum ersten Mal für nellen und zukunftsweisenden und Zitherspieler Leopold Hurt. die Förderung durch KDMR be- Konzertprojekten eine Förde- Zudem kommen polnische und worben. Das Projekt ist damit in rung zugesprochen werden. deutsche Teilnehmer zu Wort, der vielfältigen Neue Musik- Neben einem Zuschuss zu den die über ihre Erwartungen im Szene in Deutschland nach wie Produktionskosten bewirkt die- Vorfeld und ihre Erfahrungen im vor eine zentrale Anlaufstelle für ses KDMR-Gütesiegel meist Als Rückblick auf die spannen- Rahmen des EWCM berichten. Kreative, die neuartige Konzert- auch eine Unterstützung des den Projekte des European Als Empfehlung für alle, die sich projekte in die Tat umsetzen Projekts durch weitere Geldge- Workshop for Contemporary einen kurzen und lebendigen wollen. ber. 2014 wurden insgesamt 65 Music (EWCM) im Jahr 2014 in Eindruck von der Arbeit des Auffallend war diesmal die Projekte für eine Förderung Darmstadt und Warschau steht EWCM verschaffen wollen. vergleichsweise hohe Zahl an durch KDMR ausgewählt. Im nun ein neuer Image-Clip on- www.musikrat.de/ewcm Anträgen von Orchestern sowie Jahresdurchschnitt findet damit line. Gezeigt werden Aufnah- von Chören und Vokalensemb - mindestens jede Woche eine men der Probenphase in War-

DMR aktuell III ■ Förderprojekte Zeitgenössische Musik Klang und Körperlichkeit Neu in der Edition Zeitgenössische Musik: Porträt-CD Jagoda Szmytka

Die Idee einer physischen Mu- Interpreten an ihre physischen senzugehörigkeit‘ entbunden

PROJEKTE sik prägt die jüngste CD der Grenzen wie auch sich selbst im werden.“ (Rebhahn) Reihe Edition Zeitgenössische Rahmen des Kompositionspro- Alle Titel des Porträts wur- Musik (EZM), die die aus Polen zesses. den speziell für diese CD beim stammende Komponistin Jago- Musikalisch kennzeichnend Deutschlandfunk produziert. Als da Szmytka porträtiert. Szmytka für Szmytkas Schaffen ist, dass Interpreten sind hierbei mit nimmt die Körperlichkeit von sie nicht nur als „erhaben“ klas- dem Ensemble Interface und Klang in den Blick und unter- sifizierte Klangmaterialien in erstmals in der Reihe auch dem sucht in ihren Werken unter an- ihren Kompositionen verwen- Kölner Ensemble Garage sowie derem den Kontakt zwischen det, sondern besonders deren dem Duo leise dröhnung aus- Interpreten- und Instrumenten- Nebenprodukte hervorhebt – schließlich aufstrebende Neue- körper. So befasst sie sich in in vielfältigen Varianten durch- etwa das Knistern der Bogen- Musik-Formationen der jungen hand saw WeltAll-Stars. gene- zieht. „Ihre Musik ist Körper“, haare oder die Mechanik des Generation zu hören. rously mit der Hand als wichtigs - schreibt Michael Rebhahn im Klaviers. „Als ein ‚Skulptieren Erhältlich bei WERGO tem Körperteil des Instrumenta- Booklettext der CD. So sind von Klang‘ bezeichnet Szmytka unter WER 6414 2 listen, während eine gestische auch die körperlichen Aspekte ihren Umgang mit der Melange www.wergo.de www.musikrat.de/edition „Zelle“ in Form eines aufstei- bei der Musikentstehung für die aus rohen und sublimierten Ma- genden Glissandos das Stück for Komponistin entscheidend. Da- terialien, die im Rahmen ihrer travellers like angels or vampires bei treibt Szmytka sowohl die Kompositionen von ihrer ‚Klas-

Neuer Festivalkongress zur Vermittlung Neuer Musik „upgrade“ präsentiert in Donaueschingen auch „Abenteuer Neue Musik“ und „Impulse“-Projekt

fonieorchesters Baden-Baden/ Freiburg sowie von Landesju- gendensembles für Neue Musik und Schüler-AGs. Für den musi-

Die Vermittlung neuer Musik Silke Egeler-Wittmann Foto: kalischen Nachwuchs wird durch erhält ein neues Forum: Vom das Netzwerk Neue Musik Ba- 15. bis 17. Mai wird 2015 erst- den-Württemberg zusätzlich ein mals der Festivalkongress up- Jugend kongress mit speziellen grade veranstaltet. Präsentiert Workshop- und Begegnungsan- werden hier mit Abenteuer geboten entwickelt. upgrade Neue Musik und Impulse auch soll künftig alle zwei Jahre in zwei Projekte des Deutschen Donaueschingen stattfinden. Musikrats. So wird der Musik- Der Kongress ist eine Veranstal- pädagoge Philipp Schäffler ein tung der Gesellschaft der Mu- Vermittlungskonzept vorstellen, sikfreunde Donaueschingen e. V. bei dem Schüler einer 9. Klasse in Zusammenarbeit mit der Kul- des Christlichen Gymnasiums in turstiftung des Bundes. Zu den Jena Zugänge zur Musik von werden von jungen Interpreten nes Walter, Sarah Nemtsov und Kooperationspartnern gehören Hannes Seidl (Edition Zeitge- neue Werke in Auftrag gegeben, Volker David Kirchner. die Donaueschinger Musiktage, nössische Musik) erarbeiteten gemeinsam mit den Komponi- Der internationale Kongress die Stadt Donaueschingen, der und in Form von Klangstationen sten erarbeitet und bei Wettbe- upgrade wird sich mit Grund- SWR, die Hochschule der Künste umsetzten. Umfangreiche Ma- werben des DMR wie Jugend satzfragen der Konzert- und Bern, der Deutsche Musikrat, terialien zu diesem Projekt wer- musiziert aufgeführt. Im Rah- Musikpädagogik, der ästheti- die Bundesakademie Trossingen den im Frühjahr 2015 auf der men von upgrade sind nun erst- schen Qualität von Vermitt- und der Verlag Schott Music. Internetplattform www. aben- mals mehrere Impulse-Projekte lungsprojekten und methodi- Organisiert wird upgrade vom teuer-neue-musik.de veröffent- nebeneinander zu erleben. Die schen Ansätzen sowie in Fortbil- Netzwerk Neue Musik Baden- licht. Daneben wird bei upgrade jungen Instrumentalisten im dungen mit dem Handwerk der Württemberg. in Form eines Preisträgerkon- Alter von 12 bis 18 Jahren prä- Vermittlung befassen. Weitere www.upgrade-donaueschingen.de zerts auch das Sonderprojekt sentieren Kompositionen von Bestandteile der Veranstaltung Impulse vorgestellt. Bei Impulse Matthias Ockert, Caspar Johan- sind Konzerte u. a. des SWR Sin -

DMR aktuell IV

PROJEKTE Foto: Sim Canetty-Clarke Sim Foto: - - lied ters Ber- ches Der Deutsche Dirigentenpreis Deutsche Der

Januar-Tournee Januar-Tournee 2015. An das Auftaktkonzert in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bun- schlie- Deutschland desrepublik ßen sich Konzerte in Nürnberg, Schweinfurt, Ludwigsburg und Villingen-Schwenningen an. In Mülheim/Ruhr und Waiblingen sind zudem moderierte Schul- ge- („SchoolSessions“) konzerte plant. Die SchoolSessions wer den im Jahr 2015 maßgeblich von der Gesellschaft zur Ver- wertung von Leistungsschutz- (GVL) gefördert. rechten Julia Spinola, Gerd Ulf Uecker, Werner sowie einem Mitg des Konzerthausor Solist Alban Gerhardt lin setzt sich die Jury aus nam- haften Persönlichkeiten des öf- fentlichen Musiklebens zusam- men, die im Finalkonzert über den Preisträger entscheiden. Den Juryvorsitz Vor- Jahre viele der Gülke, Peter übernimmt Bei- Künstlerischen im sitzender des Dirigentenforums war. rat drei- bis zwei- im 2006 seit wird jährigen Turnus vergeben. Als Mikhel bisher gingen Preisträger Kütson, Simon Gaudenz, Fran- Pos Kristiina und Angelico cesco ka hervor. Wer in diesem Jahr die bedeutende Auszeichnung erhält, wird am Ende des Final- konzerts durch den Juryvorsit- zenden bekannt gegeben. Foto: Marco Borggreve Marco Foto: für At- ˇáks Also sprach Sinfonische Meta- von Richard Strauss von György Ligeti, und Leo McFall Paul Unter Leitung des Dirigen- dender Spenden auch für 2015 Ziel definiert. als operatives dem mit und Albrecht Marc ten Solisten Alban Gerhardt (Vio- loncello) startet das Bundesju- durch das in 2015 gendorchester inter- ausgerufene UNESCO die nationale „Jahr des Lichts“: mosphères monde lointain … un Tout Violoncello und Orchester von Henri Dutilleux und Zarathustra stehen auf dem Programm der sofern ab, als dass er viel mehr als nur eine Momentaufnahme ist. Der Preis ist einer Höhepunkt mehrjährigen Förderung Di- das durch Dirigenten junger rigentenforum des Deutschen Musikrats und bietet den Fina- listen zum Ende der Förderzeit einem mit sich Möglichkeit, die renommierten Orchester der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ein Blick auf das musikalische Programm verspricht einen ab- wechslungsreichen Konzert- abend: Ciarán McAuley wird sich mit Jean Sibelius’ Sinfo- 7. nie präsentieren, während Ju- stus Thorau Antonín Dvor Heldenlied Hindemiths von morphosen über Themen dirigieren. Carl Maria von Weber Becker, Rolf Albrecht, Marc Mit Dirigent Marc Albrecht aktuell V - DMR geld ausgestattete Deut- In seiner letzten Sitzung konnte der Stiftungsrat der Stif- der Stiftungsrat der konnte tung Bundesjugendorchester die Förderung verschiedener Vorhaben bewilligen. Auf Bitte von Jutta Stiftungsvorstands des Falkenhausen und Sönke Lentz gewährt der Rat Zuwendungen Schlag- einiger Neukauf den für instrumente (Trommeln, Xylo- phon etc.), die Restaurierung eines Nachlasses von Kammer- musiknoten, die Unterstüt- Einrichtung die Sozialfonds, eines zung eines Kooperationspro- jekts mit dem Orquesta Juvenil Centroamericana y del Caribe neue eine für Ansparung die und Harfe und eine neue Celesta. Um diese Hilfen auszubauen, des Aufbau weitere der wurden Stiftungsvermögens und verwen- zu zeitnah Einwerbung die derprogramm derprogramm des Dirigenten qualifi- und durchlaufen forums Sinfonie- bei zuletzt sich zierten konzerten mit der Jenaer Phil- Württember- der und harmonie Reutlingen Philharmonie gischen für das Finalkonzert, das am 24. April 2015 in Zusammenar- beit mit dem Konzerthausor- chester Berlin stattfindet. Der mit insgesamt 35 Preis 000 Euro sche Dirigentenpreis hebt sich in- Wettbewerben anderen von - - - Bundesjugendorchester Dirigentenforum ten des Deutschen Dirigen- ■ ■ Beim Probespiel in der Hoch- schule für Musik und Darstel- lende Kunst in Frankfurt Or- neue 36 sich konnten Main am chestermitglieder qualifizieren. Die „Neuen“ sind im Durch- schnitt 15,9 Jahre alt. Rund ein internatio- hat ihnen von Drittel nale Wurzeln, sie reichen von Ungarn, Chile und Taiwan über Japan, Italien, Großbritannien bis Russland. Insgesamt hatten 127 Bewerber aus fast deutschen allen Bundesländern an dem Probespiel teilgenommen. nächs der auch wurde Erstmals te Konzertmeister per Probe- 18-jährige Der ausgewählt: spiel Jonathan Schwarz aus Lübeck, Mit- Jahren drei seit bereits der Bundesjugendorchester im glied ist, wird zukünftig am ersten Pult sitzen. Ciarán Ciarán McAuley (Resident Con- ductor des Malaysian Philhar- monic Orchestra und Principal Conductor des Malaysian Phil- Leo Orchestra), Youth harmonic McFall (1. Kapellmeister am Theater Meiningen und Assis tenzdirigent beim Gustav Mah- ler Jugendorchester) und Justus Thorau (1. Kapellmeister am Theater Aachen) sind die Fina lis über haben Sie 2015. tenpreises mehrere Jahre hinweg das För- Am 24. April 2015 wird zum fünften Mal der Deutsche Dirigentenpreis im Konzerthaus Berlin verliehen Dirigentenpreis im Konzerthaus wird zum fünften Mal der Deutsche Am 24. April 2015 Ciarán McAuley, Leo McFall und Justus Thorau im Finale im Justus Thorau McFall und Leo McAuley, Ciarán 2015 Dirigentenpreises des Deutschen Bundesjugendorchester startetBundesjugendorchester ins internationale „Jahr des Lichts“ ■ Deutsches Musikinformationszentrum 14 Millionen Laienmusizierende in Deutschland MIZ veröffentlicht Daten zu Musizierenden im Amateurbereich Mindestens 14 Millionen Menschen in Deutschland musizie-

PROJEKTE ren in ihrer Freizeit oder singen in einem Chor. Zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ), das im Rahmen eines neuen Schwerpunktangebots zum Laienmusizieren Studien und Bevölkerungsumfragen unterschiedlicher Forschungsinstitute sowie eigene Erhe- bungen ausgewertet hat.

Danach lässt sich für den Be- rinnen und Sänger geben an, reich des instrumentalen Laien- ebenfalls ein Musikinstrument musizierens ein Anteil von rund zu spielen, sodass sich die Sum- 13 Prozent der Bevölkerung ab me der Musizierenden ab 14 14 Jahren nachweisen, das ent- Jahren insgesamt auf rund zwölf spricht rund 9 Millionen Men- Millionen beläuft. Hinzu kom- schen, die ein Musikinstrument men hochgerechnet mindes tens spielen. Etwa 4 Millionen sin- zwei Millionen Kinder und Ju- gen in einem Chor oder einem gendliche im Alter zwischen anderen Ensemble. Naturgemäß zwei und 13 Jahren, die regel- kommt es jedoch zu Über- mäßig singen, ein Instrument Jan Karow Chorwettbewerb / Foto: © Deutscher schneidungen in den beiden spielen oder sich anderweitig Die Chorlandschaft differenziert sich aus: Traditionellen Chören und Gesangvereinen stehen inzwischen zahlreiche Gospel-, Jazz- und Gruppen. 32 Prozent der Sänge- musikalisch betätigen. Barbershop-Chöre gegenüber.

Verbände organisieren 3,7 Millionen Laienmusizierende Über ein Fünftel der deutschen der die Entwicklung der Ver- zent der Verbandsmitglieder or- sischen Männergesangverein Amateurmusikerinnen und -mu - bandstätigkeiten unterstützen ganisieren. Zwei von Dreien zieht über Gospel- und Barbershop- siker, das sind rund drei Millio- und begleiten. Insgesamt ver- es dabei in weltliche Chöre, Chöre bis hin zu so genannten nen, ist in den Verbänden des zeichnen die Laienverbände da - während sich im kirchlichen Be- Showchoirs, die Popmusik, Ele- instrumentalen und vokalen Lai- mit rund 3,7 Millionen Mitglie- reich jedes dritte Mitglied enga- mente des Musicals und andere enmusizierens aktiv. Hinzu kom- der. Mit 2,2 Millionen gehört giert. Die Bandbreite der mitt- Vokalmusik kombinieren und men etwa 700 000 Musikbegeis- ein großer Teil den Chorverbän- lerweile stark ausdifferenzierten mit Tanz und Bühnenchoreogra- terte, die als fördernde Mitglie- den an, die insgesamt 60 Pro- Chorlandschaft reicht vom klas- fie aufführen. Die Vielfalt und Ausdifferen- Ein Musikinstrument spielen nach Altersgruppen und Häufigkeit der Ausübung 2014 zierung der Ensembles, die bei den Chören zunehmend zu be- 26,2% 14 - 19 Jahre 12,3% 6,0% 2,4% 5,5% obachten ist, war schon immer (1,3 Mio.) auch ein Kennzeichen des in-

20 - 29 Jahre 4,1% 5,1% 2,7% 7,1% 19,0% (1,9 Mio.) strumentalen Laienmusizierens. Die rund 1,5 Millionen Ver- bandsmitglieder des instrumen- 30 - 39 Jahre 2,8% 4,3% 2,7% 6,1% 15,9% (1,5 Mio.) talen Laienmusizierens spielen in Akkordeonorchestern, Sinfo- 40 - 49 Jahre 2,1% 3,6% 2,0% 6,5% 14,2% (1,9 Mio.) nie- und Streichorchestern, Zupforchestern und Zithermu- 50 - 59 Jahre 2,4% 2,6% 1,7% 4,7% 11,4% (1,3 Mio.) sikgruppen sowie in verschiede- nen kirchlichen Instrumental- 60 - 69 Jahre 1,8% 2,5% 1,2% 3,9% 9,4% (0,8 Mio.) gruppen. Die meisten jedoch sind in Blasorchestern und 70 Jahre und älter 1,1% 2,0% 1,1% 2,2% 6,4% (0,8 Mio.) Spielmannszügen engagiert, die

0,0in % 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 mit fast 80 Prozent den höchs- ten Mitgliederanteil unter den Mehrmals in der Woche Mehrmals im Monat Etwa einmal im Monat Seltener als einmal im Monat

© Deutsches Musikinformationszentrum © Deutsches Verbänden des instrumentalen Die Verbrauchs- und Medienanalyse 2014, eine der großen Markt-Media-Studien, weist 13,5 Prozent der Laienmusizierens aufweisen. Bevölkerung ab 14 Jahren aus, die regelmäßig ein Musikinstrument spielen.

DMR aktuell VI PROJEKTE

Die Gewinnung von musikali- gen und 500 000 bis 630 000 schem Nachwuchs nimmt in der 13- bis 17-Jährigen Unter- Neues Informationsangebot zum den Laienverbänden mittler- richt bei Privatmusiklehrerinnen Laienmusizieren im Internet weile einen hohen Stellenwert und -lehrern; hinzu kommen ein. Insgesamt 800 000 Kinder, Privatschüler in den Altersgrup- Die aufgeführten Daten sind Teil eines neuen Schwerpunkt - Jugendliche und junge Erwach- pen außerhalb der 9- bis 17- angebots des MIZ, das über die vielfältigen Facetten und Aus- sene musizieren zurzeit in den Jährigen sowie Schülerinnen differenzierungen der Chor- und Ensemblelandschaft, über ge- Verbänden. Die Anzahl derjeni- und Schüler an privaten Musik- sellschaftliche und kulturelle Entwicklungen sowie über För- gen, die in verbandlich organi- schulen, über die derzeit jedoch dermaßnahmen und Fortbildungsangebote im Bereich des Laienmusizierens informiert. Im Zentrum des Angebots steht AktiveAktive und fördernde fördernde Mitglieder in n den VerbändenVVeerbänden des des Laienmusizierens Laienmusizierens 2013/14 2013/14 ein neuer Fachbeitrag, ergänzt durch zahlreiche Grafiken und

MitgliedergtiM insgesamt: 3.704.900094073tmasegsniredeilg 09.407.3:tmasegsniredeilg 0 statis tische Zeitreihen, die eine zusätzliche Ausdifferenzierung beispielsweise nach Altersgruppen oder demografischen

KinderK u..uredni IInstrumentaln latnemurts Merkmalen ermöglichen. Darüber hi naus werden Detailinfor- KirchlichcriK hcilhc JugendlicheehcildneguJ 1.477.000000.774.1 897.800798 008.7 801.300003.801 mationen u. a. zu Fragestellungen oder Stichprobengrößen der einzelnen Untersuchungen vermittelt. Informationen zur In- frastruktur des Laienmusizierens runden das neue Angebot ab. VokallakoV WeltlichhciltleW ErwachseneeneshcawrE 2.227.900009.722.2 2.807.100001.078.2 2.903.60006.039.2 0 In diesem Zusammenhang hat das MIZ ein Verzeichnis von Wettbewerben, Preisen und Stipendien im Amateurbereich erstellt, in dem allein über 200 bundesweite Fördermaßnah-

© Deutsches Musikinformationszentrum © Deutsches Quelle: Deutsches Musikinformationszentrum,Musikinforma weiterewtrum,entionszorma e GrafikenGreiter afiken und DatentabellenDatentabellen sowie erläuternde HinweiseHin eise unterunw www.miz.orgw .miz.orwwter .miz.org men erfasst wurden. In einer eigenen Erhebung hat das MIZ Daten und Fakten zu Ensembles und Mitgliedern in den Verbänden des instrumentalen und vokalen Laien- Erreichbar ist das neue Schwerpunktangebot „Laienmusizieren“ musizierens erfasst. unter: http://www.miz.org/fokus_laienmusizieren.html sierten Chören singen, liegt ak- keine Daten vorliegen. Die An- und -chören, Bands und ande- beläuft sich nach Hochrechnun- tuell bei 380 000 oder 17 Pro- zahl der Kinder und Jugendli- ren Ensembles der allgemein gen des MIZ auf insgesamt ca. zent der aktiven Sängerinnen chen, die in Schulorchestern bildenden Schulen musizieren, 820 000. und Sänger. Etwas höher zeich- net sich dagegen die Zahl der jungen Leute ab, die in einem Verein ein Musikinstrument spielen. Über die Hälfte der ak- tiven Mitglieder der instrumen- talen Laienmusikverbände, rund 420 000, sind im Kindes-, Ju- gend- oder jungen Erwachse- nenalter. Über die Mitglieder der Ver- bände des instrumentalen und vokalen Laienmusizierens hinaus sind weitere Gruppen von Ama- teurmusikerinnen und -musi- kern statistisch erfassbar. Dazu zählen vor allem die Musikschü- ler an Musikschulen des Ver- bands deutscher Musikschulen (VdM) mit über einer Million Schülerinnen und Schülern sowie die jährlich rund 95 000 Teilnehmer an musikpraktischen Kursen der Volkshochschulen. Des Weiteren erhalten nach

einer Hochrechnung des Deut- Jan Karow Chorwettbewerb / Foto: © Deutscher schen Jugendinstituts 340 000 Weit mehr als nur Unterricht: Die Musikschulen im VdM organisieren mehr bis 450 000 der 9- bis 12-Jähri- als 27000 Chöre und Ensembles.

DMR aktuell VII PROJEKTE Jährliche HörfunkproduktiondesBundesjazzorchesters 54. Arbeitsphase des BuJazzO: Live-Aufnahmen für die jährliche WDR 3Hörfunkproduktion Arbeitsphase desBuJazzO:Live-Aufnahmenfürdiejährliche WDR 54. beim NationalYouth JazzOrchestra Erfolgreicher Gegenbesuch desBundesjazzorchesters Ham und Köln Heek, in Publikum begeisterten dem anschließend Programmliches erarbeitet und gemeinschaft- ein Woche einer Century of Jazz“ wurde im Laufe Titel „Freedom & Friendship – A dem Unter (NYJO). Armstrong Jiggs Mark und (BuJazzO) Whigham von Leitung der unter einer gemeinsamen Arbeitsphase YouthOrchestrazu Jazz (NYJO) National englischen dem mit Heek in sich traf (BuJazzO) ter Das deutsche Bundesjazzorches Ebene: nationaler auf Jazz-Nach- wuchs europäischen im Kooperation einer es zu erstmals kam 2014 September Im konzert im Rahmen des London Abschluss- einem mit Tournee 19. November ihre gemeinsame am Bigbands beiden die deten of 17.been- am November Music College Leeds im Auftritt Schwesterensemble. Nach einem englischen seinem bei JazzOs Bu- des Gegenbesuch der nun ■ m oebr 04 folgte 2014 November Im Jazzprojekte burgpräsentiert. - der beidenBigbandsaufdemLondonJazzFestival BuJazzO &NYJO: Programm Ovationsfürdasgemeinsame Standing ae bie ad af einem auf Bands beide gaben wurde.gefeiert Ovationen den ches vom Publikum mit stehen- Southbank Centre London, wel- ausverkauften im Festivals Jazz gen Studentinnen und Studen- und Studentinnen gen jun- die an Erfahrung ihre Wissen und ihr London in Music of College Royal im Workshop Zwischen diesen Auftritten diesen Zwischen DMR aktuell VIII aktuell ien o Ot s e, a Ko- was es, ist Ort vor sikern anderen Musikerinnen und Mu- wohl untereinander als auch mit Jazz- Nachwuchses beider Länder so- jungen des Austausch ten der Hochschule weiter. „Der leiter Jazz beim Deutschen Mu- richtet Dominik Seidler, Projekt- be- machen“, wichtig und voll wert- so diese wie operationen

© DMR, Klaus Lönze © DMR, Klaus Lönze Winterarbeitsphasebegleiten. dessen auf Trompete für zent Do- als BuJazzO das 2015 jahr lege of Music London, im Früh- Col- Royal des Jazz-Abteilung NYJO und gleichzeitig Leiter der strong, künstlerischer Leiter des inbegriffen. Auftritte Kol und englischen Kolleginnen bei ihren such von M Be- weiteren einem zu schon November im bereits es kam So haben. zusammengefunden zum professionellen Musizieren Ensembles beider Mitglieder bereits zwischenzeitlich sich geht, zeigt sich auch daran, dass vernetzen.“ miteinander grenzübergreifend möglich wie früh so aufbrechen, Musik der die in eine berufliche Zukunft in Menschen, junge auch gerade sondern leisten, Europas halb inner-Völkerverständigung zur Beitrag einen nur nicht Projekt diesem mit „Wirwollen sikrat. hen. Im Rahmen des Abschluss- ste- Mittelpunkt im konzepte Ton- ungewöhnliche und ves selbst, bei denen moderne Groo- Theo Bleckmann und Niels Klein Christl, Tobias Wingold, Frank Darcy von James Argue, Kalle Kali Stücke wurden Gespielt besteht. -arrangeure und sten Jazzkomponi- junger aktuellen Werken aus welches diert, Abstract einstu- Klein the Niels von Truth“ and Programm „Groove das wurde phase statt. Auf dieser Sommerarbeits- Rheinsberg in Arbeitsphase 54. der während 2014 August im fand Jazz 3 WDR für (BuJazzO) Bundesjazzorches des tion Die alljährliche Hörfunkproduk- ue wr Mr Arm- Mark wird Zudem auf- Konzept dieses Dass ee – gemeinsame – legen usikern des BuJazzOs ters ma,

PROJEKTE © Christian Debus Christian © saal Dem Konzert ging ein mo- Karlsruhe, Baden-Württem- berg) Bremen, 12. November, Sende Trompete Michel Schröder, Schleswig-Hol- (Big FrashBand, stein) rung und gleichzeitig Meilen- stein im pädagogischen Jahres- desverlauf BuJazzO. mit bester Tontechnik zum Aus- zum Tontechnik bester mit druck. derierter Live-Soundcheck vo- raus, in dessen Rahmen Tonmeister des der BuJazzO Nico Raschke dem Publikum nahe- wie brachte, der unverwechsel- BuJazzO-Klang entsteht. bare - - - te das BuJazzO und brachte und BuJazzO das te likums zu Gehör. likums Der zu Präsi- Gehör. von Niels Klein das aktuelle Pro- aktuelle das Klein Niels von gramm „Groove and the geschulten den Ab- vor Truth“ stract Ohren des anwesenden Fach pub dent des Verbands Deutscher Tonmeister Carlos Albrecht be grüß seine besondere Freude über hoch- von Zusammentreffen das professionellem Orchesterklang einer professionellen Hörfunk- aufnahme. Die Mitwirkung an einer Rundfunkproduktion un ter realen Bedingungen ist für die jungen Musikerinnen und Musiker eine wichtige Erfah- 10. November, Kassel, Thea- 10. November, terstübchen Alexander Scott, Saxofon (The Rhein- Orchestra, Tone Yellow land-Pfalz) Frankfurt/Main, November, 11. Hoch's Konservatorium Dr. Luca Hladek, Saxofon (Bigband des Helmholtz-Gymnasiums aktuell IX - - - DMR Bundesjazz Am 29. November be endete das orchester (BuJazzO) auf der 28. Tonmeisterta- gung im Congress Cent Kölnmesse der Nord rum sein Konzertjahr 2014. Auf Einladung des Ver- bands Deutscher Ton- meister brachte das En- Leitung der unter semble Der Westdeutsche Rund- funk fördert das BuJazzO seit seiner Gründung jährlich mit Düsseldorf, 8. November, Jazz-Schmiede (Cu- Simon Schmitz,Trompete Nordrhein- ruba Jazzorchester, Westfalen) Mon Weimar, 9. November, Ami Ole Sinell, Saxofon (JayJay- BeCe, Berlin) men für die Hörfunkproduktion, die für men welche am 9. Dezember 2014 in WDR 3 gesendet wurde. Jugend jazzt 2014: Preisträger der Solistenpreise der International Škoda Allstar Band - © DMR, Klaus Lönze 7. November, Hamm, Kurhaus November, 7. Bad Hamm Saxofon (YO Ole Seidler, Peer Hamburg) JAZZ, 6. November, Leer (Ostfries- 6. November, land), Kulturspeicher Saxofon Johannes Wöhrmann, Schleswig-Hol- (Big FrashBand, stein) Die Konzertdaten: Die Gewinner der Solistenpreise der International Allstar ŠKODA Band der 12. Bundesbegegnung Jugend jazzt in Stuttgart freuten Rah im 2014 November im sich, men der Tournee der men Škoda der All- Tournee star Band mit deren Norma Stargast Winstone als Solist ins Rampenlicht treten zu können. Die jungen Musiker erhielten solisti- herausragenden ihrer ob einmalige die Fähigkeiten schen Möglichkeit zu folgenden ge- meinsamen Auftritten mit den Top-Profis des international er- Jazz-Ensembles. folgreichen konzerts der Arbeitsphase ent- mit Zusammenarbeit in standen den Tonmeisterstudenten des Erich-Thienhaus-Instituts Det- Mi- von Leitung der unter mold Live-Aufnah- die Schubert chael Jugend jazzt-Solistenpreisträger treten gemeinsamJugend jazzt-Solistenpreisträger mit der International Škoda Allstar Band auf 28. Tonmeistertagung in Köln: Carlos in Köln: 28. Tonmeistertagung begrüßt das BuJazzO Albrecht Bundesjazzorchester zu Gast auf der 28. Tonmeistertagung in Köln in Tonmeistertagung zu Gast auf der 28. Bundesjazzorchester ■ PopCamp Der 10. PopCamp-Jahrgang – ein „echt fettes Paket“ im Jahr 2014

Zu Beginn stand, wie auch in ten die fünf bereits beim Live- Bühnenpräsenz, Performance bus&Jeremyr strahlten im An- diesem Jahr, die Nominierungs- Audit „ein echt fettes Paket“: und Vocals gearbeitet. schluss durch Folk-Pop mit einer

PROJEKTE phase, in der rund 200 Nomina- Amsterdamn! mit Soul-Rock aus Die zweite Arbeitsphase fand außergewöhnlichen Stimme des toren die Chance hatten eine Mannheim, Goldmouth mit Rock dann im November/Dezember Frontmanns. Amsterdamn!, die Band ihrer Wahl für die Teil- aus Berlin, Jacobus&Jeremyr mit in der Landesmusikakademie „weißen Jungs, die schwarze nahme am PopCamp vorzu- Folk-Pop aus Lüneburg, Passé Niedersachsen in Wolfenbüttel Musik machen“, fesselten die schlagen. Dabei gingen 65 Band- mit Independent/Synth-Rock statt. Zu den Arbeitsbereichen Zuschauer mit Soul-Rock-Klän- vorschläge ein. Im April kam die aus Mannheim, Scene Writers der ersten Arbeitsphase kamen gen. Das Duo Scene Writers Foto: SanrdaFoto: Ludewig Die Teillnehmer beim Abschlusskonzert des 10. PopCamp-Jahrgang im Frannz Club Berlin.

PopCamp-Jury unter der Lei- mit Pop (Elektro-/Folkeinfluss) die Themen Medien & Urheber- glänzte durch ihren aufs Publi- tung von Udo Dahmen im SAE- aus Koblenz. recht sowie GEMA, GVL und KSK kum überschwenkenden Enthu- Institut in Berlin zusammen. Zusammen mit diesen in den hinzu. siasmus und eine selbst einge- Dort wurden die vorliegenden Startlöchern stehenden Bands Den Abschluss fand der 10. baute Lichtshow. Und zu guter Nominierungen gesichtet, ge- ging es dann im September zur PopCamp-Jahrgang dann mit ei - Letzt Passé: Die fünf Jungs über- hört und bewertet. Schließ lich ersten Arbeitsphase in die Baye- nem großartigen Konzert im zeugten mit dunklen, deutschen waren die acht Bands ausge- rische Musikakademie nach Frannz Club in Berlin. Dort konn - Texten und rundeten diesen wählt, die zum PopCamp Live- Hammelburg. Unter der künst- te jede Band noch einmal zei- Abend damit gebührend ab. Audit im Mai in die CD-Kaserne lerischen Leitung von Henning gen, was sie gelernt und dass Fazit: Diese Bands machten dem Celle eingeladen wurden. Nach Rümenapp stand ihnen ein aus- sich ihre Mühen gelohnt haben. 10. PopCamp Jahrgang alle Ehre! je 20 Minuten Live-Performan ce erwähltes Dozententeam mit Das stark vertretene Publikum Nach 50 Bands im PopCamp und einem anschließenden Ge- Rat und Tat zur Seite. Neben In- konnte dies nur bestätigen. Mit sagen wir nicht nur diesen, son- spräch mit der Jury standen die halten wie „Spontan-Songwri- beeindruckender Rockmusik er- dern insbesondere allen Juro- fünf PopCamp-Teilnehmer für ting“ und „Lichtlabor“ (Licht- öffnete die Band Goldmouth ren, Dozenten, Förderern, Part- den 10. Jahrgang 2014 fest. und Bühnendesign) wurde vor den Abend und zog das Publi- nern und Freunden ein großes Nach Meinung des Projektlei- allem an den kreativen Feldern kum auf sympathische Weise in „Dankeschön!“. ters Michael Teilkemeier bilde- wie Komposition, Arrangement, ihren Bann. Die Jungs von Jaco- www.facebook.com/popcamp

DMR aktuell X VERBÄNDE - ordnung ordnung standen u. a. Diskus- sionen zur Initiative für eine „Große Anfrage" zur musikali- schen Bildung an die Landesre- des Neuauflage die und gierung Landesmusikplans. Das Staats- neues als wurde Cottbus theater Mitglied aufgenommen. Damit gehören zum Landesmusikrat 42 landesweite Musikvereine, -verbände und -institutionen sowie 12 Einzelmitglieder. als 35 Jahre können später, sie Zentrum Im werden. Wirklichkeit der Bemühungen des Landes- nächs den in werden musikrats ten Jahren allerdings Stärkung und Ausbau von Jugend musi- ziert stehen, insbesondere die Hochbegabtenförderung und das Ensemblespiel sollen inten- siviert werden. schließ- konnte Lehel, Peter und lich alle Teilnehmer mit einem Preis auszeichnen. Als Vertreter Hladek Luca das wird Landes des Quartett aus Karlsruhe an der teil- Bundesbegegnung nächsten nehmen. Ausgewählte Preisträ- beim Februar 26. am werden ger Preisträgerkonzert in Karlsruhe sein. zu hören Logo werden alle künftigen öf- fentlichkeitsrelevanten Drucksa- chen sowie auch der Internet- auftritt neu gestaltet. Das Er- scheinungsbild des VDKC wird damit einheitlicher und dem vi- suellen Zeitgeschmack entspre- chend geschaffen. - Verband Deutscher KonzertChöre Deutscher Verband ■ Die 27. Die ordentliche Mitglieder- 27. Branden LMR des versammlung burg fand im Oktober in Pots- Prä- von Leitung der unter dam sident Martin Neumann statt. Einleitend referierte Vizepräsi- dentin Ulrike Liedtke zur Situa- tion der musikalischen Bildung in Deutschland und bezog sich dabei auf die Ergebnisse einer Umfrage der Konferenz der Di- rektoren der Landesmedienan- stalten (KDLM). Auf der Tages- So stand es im Koalitionsvertrag im es stand So Landesregierung. rotgrünen der wahr- Absicht die man hat Jetzt gemacht: Der Etat des Landes- musikrats wurde dauerhaft um 100 000 Euro aufgestockt. Die 1978 bereits wurden JazzJuniors des Gründungspräsidenten vom Landesmusikrats Baden-Würt- temberg beantragt. Jetzt, mehr Am 9. November fand der Lan- deswettbewerb Jugend jazzt in Bietigheim-Bis- Musikschule der singen statt. Acht Solisten und sieben Combos waren angetre- präsentie- zu Können ihr um ten, ren und um die Weiterleitung wettei- zu Bundesbegegnung zur fern. Die Jury, bestehend aus Mini Schulz, Eckhard Stromer Nun präsentiert der VDKC sein modernisiertes Logo. Die Über- arbeitung erfolgte durch den Grafiker Volker Dittmar von der Agentur X-Performance Zwickau. Das Logo ist als Wort- aus Bild-Marke gestaltet und An- fangspunkt einer schrittweisen Erneuerung des Corporate De- dem Neben Verbandes. des sign Mehr Geld für die Kultur für die Kultur Mehr Geld Mitgliederversammlung 2014 Neues Logo Landeswettbewerb Jugend jazzt Landeswettbewerb Jugend jazzt aktuell XI - DMR tertreffen tertreffen sein. Der Landes- Peter Peter Schurz, Dirigent des Lan- desjugendchores Brandenburg, übernahm auch die Gesamtlei- tung des Finales. die prekäre Situation der Lehr- gibt Es angepackt. beauftragten jedoch Befürchtungen, wonach den Lehrbeauftragten Stellen durch eine Neustrukturierung des Mittelbaus verloren gehen könnten. Schließlich gibt es zu- künftig offenbar mehr Auch Geld: die Musikhochschulen sollen an jener dreiprozentigen Erhöhung der Zuwendungen partizipieren, die im Rahmen des Solidarpaktes allen Hoch- schulen und Universitäten in wer- zuteil Jahren nächsten den noch längst sind Einstweilen den. abseh- Konsequenzen alle nicht dass indes, bleibt hoffen Zu bar. zumindest auf absehbare Zeit eine produktive Ruhe an den fünf Musikhochschulen kehrt. ein- Ein öffentliches Jugend Konzert Uraufführungen mit komponiert der Werke und Bekanntgabe der Preisträger des Wettbewer- bes ist am 23. Mai im Schloss- theater Rheinsberg. len. In erster Linie soll es ein Or Or ein es soll Linie erster In len. ches musikrat Brandenburg hofft auf viele die Teilnehmer, sich noch bis Februar 27. anmelden kön- nen. Die Ausschreibung und ein Anmeldeformular sind auf der Homepage des Landesmusikra- abrufbar. tes Brandenburg Einsendeschluss ist der 15. März. 15. der ist Einsendeschluss unter Ausschreibung zur Details www.landesmusikrat-brandenburg.de - - - Landesmusikrat Brandenburg Landesmusikrat Baden-Württemberg Landesmusikrat terwettbewerbs stellen wol- stellen terwettbewerbs ■ ■ Der Wettbewerb Jugend kom- poniert 2015 wurde schrieben ausge- für die Besetzung: Klavier, Mezzosopran, Violine Quartett. bis Duo Posaune, und Des wird Weiteren wieder eine angebo- Kompositionswerkstatt ten, die unter der Leitung von Helmut Zapf stattfinden wird. Der 7. Orchesterwettbewerb Brandenburg wird am 20./21. Juni 2015 in Cottbus veranstal- tet. Zur Teilnahme aufgerufen sind und Amateurorchester -en- sembles, unabhängig davon, ob Wettbewerbsbedin- den sich sie gungen des 9. Deutschen Or ches Am 9. November veranstaltete der Landesmusikrat Branden- ein Potsdam Nikolaisaal im burg Konzert mit Gastchören dem Nachwuchsbereich. aus Hans- Vor Vor etwa zwei Jahren schienen noch zwei der fünf Musikhoch- gefähr- Existenz ihrer in schulen det. Der öffentliche Protest er- reichte enorme Ausmaße. So- „Zukunftskon- fünf es gab dann dieser Ergebnisse Die ferenzen“. Konferenzen sind geeignet, die Baden- Landes des Hochschulen Württemberg zu den moderns ten der Republik zu machen. dass voraus, setzt allerdings Das man sich an die Abmachungen hält und die Zielvorgaben auch umsetzt. Auch die Schulmusik- abteilungen bleiben erhalten. Vorausgesetzt, es kann Kompatibilität mit eine jener neuen wer hergestellt Rahmenordnung Vorzei- den unter der nach den, chen von Bachelor und Master studiert wird. Ebenso hat man Zur Situation der Musikhochschulen der Musikhochschulen Zur Situation Landes-Orchesterwettbewerb Landesjugendchor Brandenburg und Gäste Landesjugendchor Jugend komponiert 2015 ■ Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen

25 Jahre Landesmusikakademie NRW Lehrer in NRW auf die Arbeit an gressergebnisse. Die Landes- öffentlichen Musikschulen vor- musikakademie NRW bereitet Im September des vergangenen Gäste und erörterte in einem zubereiten und mit Formen des einen Zertifikatslehrgang vor Jahres feierte die Landesmusik- Podiumsgespräch mit Kultur- kooperativen Lernens vertraut und wird ihn voraussichtlich ab akademie NRW ihr 25-jähriges ministerin Ute Schäfer und zu machen, so eines der Kon- Herbst 2015 anbieten. VERBÄNDE Bestehen. Sie hatte sich mit dem Chris tina Rau die Konzepte der rock'n'popmuseum Gronau und drei feiernden Kultureinrichtun- Orchesterwerkstatt mit dem Künstlerdorf Schöppin- gen. Als eine Art Gastgeschenk gen zusammengetan, die ihren konnte die Ministerin bekannt Für 2015 suchen Kulturradio am 9. und 10. März geprobt 10-jährigen bzw. 25-jährigen geben, dass die Landesregierung WDR 3, Landesmusikrat NRW und am 11. März im Rahmen Geburtstag begingen. Reinhard einen Erweiterungsbau der Aka- und Hochschule für Musik und eines öffentlichen Konzerts in Knoll begrüßte als Vorsitzender demie mit 600 000 Euro unter- Tanz Köln sinfonische Talente. der Hochschule für Musik und der Landesmusikakademie die stützen wird. Aus den eingereichten Partitu- Tanz Köln uraufgeführt und auf- ren wählte die Jury vier Kompo- gezeichnet werden. Die Auf- Opern-Uraufführung mit dem sitionen aus, die vom WDR Sin- nahme wird auf WDR 3 gesen- JugendZupfOrchester NRW fonieorchester Köln unter Lei- det und kann im WDR 3 Kon- tung von Francesco Angelico zertplayer nachgehört werden.

■ Landesmusikrat Rheinland-Pfalz

Auszeichnung für Volker David Kirchner Im Rahmen eines Konzerts des werks Der mythische Fluss. Peter Landesjugendorchesters verlieh Stieber, Präsident des Landes - der Landesmusikrat im Septem- musikrates Rheinland-Pfalz: ber im Staatstheater Mainz den „Kirchner ist einer der renom- „Preis für die Verdienste um die miertesten Komponisten unse- MusikKultur“ an den rheinland- res Landes, er erntet mit seiner pfälzischen Komponisten Volker Musik weit über die Landes- Anne Heßling und Musiker des JugendZupfOrchester NRW bei der David Kirchner. Im Mittelpunkt grenzen hinaus Zustimmung Uraufführung von Hakenbergs The Amputation of Charlie Sharp am des Konzertabends stand die und Anerkennung.“ 2. November im Salzlager der Zeche Zollverein Uraufführung seines Orchester- Im Rahmen des Festivals vitch verfasste das Libretto. Die „NOW!“ führte das JugendZupf- Veranstaltung des Landesmusik- Parlamentarischer Abend der Musik verbände Orchester NRW gemeinsam mit rats in Kooperation mit der einem zusätzlichen Projekten- Folkwang Musikschule und der Im Oktober veranstaltete der Thema „Wie viel Musik braucht semble, Sprechern des Ausbil- Zeche Zollverein wurde geför- Landesmusikrat Rheinland-Pfalz unser Land?“. Der Referent des dungsbereichs Schauspiel der dert vom Ministerium für Fami- zusammen mit dem Landesmu- Abends war Christoph Stölzl, Folkwang Musikschule und So- lie, Kinder, Jugend, Kultur und sikverband Rheinland-Pfalz der in seinem Vortrag davor listen der Robert-Schumann- Sport NRW und der Stiftung sowie dem Chorverband der warnte, weiterhin Kürzungen im Hochschule Düsseldorf im No- Kunst, Kultur und Soziales der Pfalz, dem Chorverband Rhein- kulturellen Bereich vorzuneh- vember die Oper The Amputa- Sparda Bank West. land-Pfalz, dem Rheinland-Pfäl- men. Vielmehr müssten Musik- tion of Charlie Sharp von Stefan zischen Chorverband und dem schulen, Opern- und Konzert- www.lmr-nrw.de/aktuell/ Hakenberg auf. Philip Goure- Landesverband der Musikschu- häuser gefördert und vor allem len in Rheinland-Pfalz einen erhalten werden. Bag˘lama-Kongress in Heek parlamentarischen Abend zum Während mehr und mehr öf- trumentenfachleute in der Lan- fentliche Musikschulen die desmusikakademie NRW und Konzertreihe „Musik im Landtag“ Bag˘lama in ihre Angebote auf- zeigten Wege auf, wie die nehmen, tun sich die Musik- Bag˘lama noch stärker in das Ende November veranstaltete reihe „Musik im Landtag“.Das hochschulen noch schwer mit nordrhein-westfälische Musikle- der Landesmusikrat gemeinsam 17. Konzert stand im Zeichen der Einrichtung entsprechender ben und in die Musikpädagogik mit dem Landtag von Rhein- der Kammermusik und wurde Studiengänge. Im November einziehen kann. Insbesondere land-Pfalz und SWR 2 einen von dem Duo Stefan Tarara tagten Musiker, Musikpädago- tut es not, die vielen künstle- Konzertabend in der bereits Tra- (Violine) und Lora-Evelin Va- gen, Kulturfunktionäre und Ins- risch hervorragenden Bag˘lama- dition gewordenen Konzert- kova-Tarara (Klavier) gestaltet.

DMR aktuell XII VERBÄNDE - dere in den Ballungsge- den in dere tengutscheinen überrascht. Mit diesen Mitteln möchte die Jury Landesmusikrates des Namen im Thüringen die Nachwuchsarbeit im Jazzbereich nachhaltig för- Com keine konnte Leider dern. bo für die Weiterleitung zum Bundeswettbewerb benannt werden. Das Duo Heinze/ Ek- erhielten Eisenach aus kenfelder jedoch den Sonderpreis Bun- der Besuch passiven einen für 2015 jazzt Jugend desbegegnung in Potsdam, um sich Anregung und Motivation für die weitere Arbeit holen zu können. Untersuchungs- und Diskurs- projekt. Es startete im Oktober, wird von der Bundesbeauftrag- ten für Kultur und Medien fi- nanziell gefördert und durch den Deutschen Musikrat ideell unterstützt. Deutschland weist insbeson zu stellen und von einer profes- sionellen Jury bewertet zu wer- den. Chorali 2014 stand unter ehema- des Schirmherrschaft der ligen Thüringer Ministers für Bil- dung, Wissenschaft und Kultur Christoph Matschie. tik Dänemarks auf dem gramm, unter anderem Pro- von Fi- Engelbrecht. Benny nanzminister Anschließend ging es um Ausbildung die von Musikpädago- gen. Neben Referenten aus Dä- nemark waren dazu mit Hans Bäßler und Thomas Großmann Vertreter der beiden dungsgänge Ausbil- in Schleswig-Hol- diskutierten Sie eingeladen. stein Plenum. dem mit Abschluss zum Eine Dokumentation folgt. zwei 2. Preise und drei Arbeitskreis Musik in der Jugend Landesmusikrat Schleswig-Holstein Landesmusikrat Thüringen Landesmusikrat ■ ■ ■ Eine hochqualifizierte Jury be- wertete im November in Landesmusikakademie Thüringer der Sondershausen verschiedene junge Jazznachwuchsmusiker. Neben zwei Combos zeigten auch vier Solisten mit Gesang und Klavier ihr Können. Verlie- hen wurden Preis, 1. insgesamt ein 3. Preise. Im Rahmen der Ab- alle wurden schlussveranstaltung Teilnehmer darüber hinaus mit mu- von Form in Sonderpreisen sikalischem Förderunterricht und Bandcoachings, kostenlo- sen Konzertbesuchen und No- In der herkömmlich organisier- ten Chorszene sind Menschen mit außereuropäischem Migra- unterrepräsen- tionshintergrund AMJ Der das? liegt Woran tiert. widmet sich diesen Fragestel- Kin- der Bereich den für lungen und der- Jugendchöre in einem Stücke einstudiert. Singen im Chor bedeutet Spaß Musik. Es an bedeutet aber der auch sollte Darum Fleiß. und Disziplin Kinderchor- Thüringer zweite das treffen die Möglichkeit bieten, sich einer Wettbewerbssituation Chormusikkultur und Migrationsgesellschaft Von den Nachbarn lernen den Nachbarn Von Landeswettbewerb Jugend jazzt Landeswettbewerb Unter dem Titel „Kulturpolitik und Musiklehrerausbildung im Nachbarland Dänemark“ hatte der schleswig-holsteinische Lan- sei- zu November im desmusikrat Dänische die in Herbsttagung ner Schule nach Schleswig eingela- den. So kamen Parlamentarier Däne- aus Musikpädagogen und mit Schleswig-Holstein und mark Vertretern unserer Mitgliedsver- bände zusammen. Im ersten Teil standen Referate zur Kulturpoli- - aktuell XIII DMR aus Schulen, Kirchen und ande- ge- Das Einrichtungen. freien ren Musizie- und Singen meinsamen ren stand im Vordergrund: Zur musikalischen Eröffnung hatten alle Chöre drei gemeinsame die Ministerpräsidentin. Peter Präsident Stieber, des Landes- musikrates, stellte in seinem Grußwort fest, dass die Laien- musik große soziale Integra tionskraft habe, da sie Alt und Jung verbinde, soziale Gräben überwinde und ein lebendiges Element der Zivilgesellschaft sei. Landesmusikrat Rheinland-Pfalz Landesmusikrat Landesmusikrat Thüringen ■ ■ Kinderchor der Schola Cantorum Weimar der Schola Kinderchor Chorali – Zweites Thüringer Kinderchortreffen Kinderchortreffen Thüringer Chorali – Zweites Präsident des Landesmusikrats Rheinland-Pfalz Peter Stieber, Stieber, Peter Präsident des Landesmusikrats Rheinland-Pfalz Hofmann-Göttig und Professor Joachim Kirchner David Volker Komponist Empfang für Preisträger der Laienmusikwett- für Preisträger Empfang bewerbe Im Dezember veranstaltete der Landesmusikrat das zweite Thü- ringer Kinderchortreffen Chorali in der Thüringer Landesmusik- akademie Sondershausen. Teil- nehmen konnten Kinderchöre Ministerpräsidentin Malu Dreyer Malu Ministerpräsidentin hat im November vergangenen Jahres die aktuellen Preisträge- rinnen und Preisträger der Lai- enmusikwettbewerbe im Fest- saal der Staatskanzlei in Mainz empfangen. „Die Musikerinnen kul- das bereichern Musiker und Leben Landes turelle unseres in ganz besonderer Weise“, sagte ■ Arbeitskreis Musik in der Jugend ■ Deutscher Chorverband

bieten und unter der nachwach- willen öffnen. Aber diese Bevöl- Chor@Berlin senden Generation einen schon kerungsgruppen haben auch ein hohen und weiter steigenden Recht, an der reichen Tradition Chor@Berlin lockt vom 12. bis Staats- und Domchor Berlin. Di- Anteil von Menschen mit Mig- des chorischen Musizierens in zum 15. Februar in die Haupt- verse Konzerte stehen auf dem rationshintergrund auf. Chöre allen seinen Ausprägungen zu stadt. Das Angebot reicht von Programm und das Projekt VERBÄNDE müssen sich diesen Menschen partizipieren. Workshops zum aufbauenden „Heimatlieder aus Deutsch- schon um der eigenen Zukunft www.amj.de Musikunterricht in der Schule land“, das die Musiktraditionen über diverse Pop-Jazz-Kurse bis von Migranten auf die Bühne zu einer „Chor-Olympiade“ für bringt. Bewerbungsfrist für Eurotreff 2015 Junge in Kooperation mit dem www.choratberlin.de Im September veranstaltet der Sounds of the City“. Neben den AMJ zum 17. Mal das Kinder- Workshops geben die Chöre Kompositionswettbewerb für Vocal Bands und Jugendchorfestival Euro- zahlreiche Konzerte in und um treff mit rund 700 jungen Sän- Wolfenbüttel. Kinder-, Mäd- Noch bis zum 28. Februar ha ben sammenarbeit mit dem PopCamp gern aus ganz Europa. Während chen und Jugendchöre können A-cappella-Gruppen aus dem aus. Teilnehmen können Vocal des Festivals erarbeiten sie in sich noch bis zum 31. Januar be- Vocal Pop-Bereich die Möglich- Bands mit drei bis acht Mitglie- Ateliers neue Chormusik zum werben. keit, am Kompositionswettbe- dern und deren Songwriter, er- Thema „Klänge der Stadt | www.amj-musik.de/eurotreff2015 werb „Gebt uns Songs! Song- wünscht sind ausschließlich Ori- writing Competition for Vocal- ginalsongs und Originaltexte, ■ Deutsche Orchestervereinigung bands“ teilzunehmen. Der DCV die im mp3-Format eingereicht schreibt ihn gemeinsam mit werden können. Aktionstag der Lehrbeauftragten dem Helbling Verlag und in Zu- www.chor.com

Deutsche Chorjugend mit neuem Vorstand Die rund 40 Delegierten des gaben. Komplettiert wird das Chorjugendtages wählten am Team durch drei Neuzugänge, 12. Oktober in der Berliner Je- die die Vorsitzende ebenfalls rusalemkirche Flannery Ryan zu vertreten können: Nina Ruck - ihrer neuen Vorsitzenden. Er- haber (chormusikalische Auf- neut in den Vorstand gewählt gaben), Astrid Kunert (jugend- wurde Johannes Pfeffer, Vorsit- politische und Jugendbildungs- zender der Schwäbischen Chor- arbeit) sowie Michael Gerheim jugend, als Stellvertretender (Finanzen). Vorsitzender für besondere Auf- www.deutsche-chorjugend.de © Christian von Polentz/transitfoto.de ■ Rektorenkonferenz der deutschen Gleiches Geld für gleiche Arbeit Den Aktionstag hatte die Musikhochschulen in der HRK und sichere Jobs – dafür gingen Deutsche Orchestervereinigung Anfang November Lehrbeauf- (DOV) gemeinsam mit der Bun- Vorstand begrüßt Aktionstag tragte in 19 deutschen Städten deskonferenz der Lehrbeauf- Der Vorstand der Rektorenkon- sikhochschulen. Der Vorstand auf die Straße. Die Medien be- tragten an Musikhochschulen ferenz der deutschen Musik- der RKM appelliert daher an die richteten über Beschwerde- (bklm) intensiv vorbereitet. Das hochschulen begrüßte den bun- politisch Verantwortlichen in Chöre, Performances, Demons- Thema ist auf der politischen desweiten Aktionstag der Lehr- den Bundesländern durch regel- trationen, offenen Unterricht, Agenda angekommen. Das zei- beauftragten am 6. November. mäßig anwachsende Mittelzu- Konzerte und Podiumsdiskus- gen zum Beispiel die Stellung- Anders als an Universitäten er- weisung die Anhebung der Ho- sionen und beschrieben detail- nahmen der zuständigen Minis- gänzen Lehrbeauftragte an Mu- norarsätze für Lehrbeauftragte liert die prekären Arbeitsbedin- ter aus Mecklenburg-Vorpom- sikhochschulen das Unterrichts- zu ermöglichen und den Hoch- gungen vieler Lehrbeauftragter. mern und Baden-Württemberg. angebot nicht nur, sondern un- schulen die erforderliche Bewe- In Berlin und mehreren Landes- In dem westdeutschen Bundes- terstützen wesentlich die Sub- gungsfreiheit zur Verbesserung hauptstädten übergaben Lehr- land werden viele Lehrbeauf- stanz dieses Hochschultyps. Die der Situation der Lehrbeauftrag- beauftragte den zuständigen tragte bereits ab kommendem unzureichende Honorierung der ten zu geben. Ministerien die „Berliner Reso- Jahr höhere Honorare erhalten. Lehrbeauftragten bedeutet des- lution“. Darin formulieren sie halb eine Gefährdung der Spit- www.dov.org ihre Forderungen an die Politik. zenposition der deutschen Mu-

DMR aktuell XIV VERBÄNDE ■ Jeunesses Musicales Deutschland ■ VG Musikedition 30. Jahrgang Bundeswettbewerb Pauschalverträge verlängert Jugend komponiert Nachdem die VG Musikedition zu: „Wir freuen uns, dass es 2015 feiert der vom Bundesmi- ten aus Praxis, Lehre und For- im Laufe des Jahres bereits nach langwierigen und kompli- nisterium für Bildung und For- schung und dort skizzierte Per- wichtige Pauschalverträge mit zierten Verhandlungen gelun- schung geförderte Wettbewerb, spektiven ergänzen den von der Evangelischen Kirche in gen ist, beide Gesamtverträge bei dem der Deutsche Musikrat JMD-Präsidiumsmitglied Philipp Deutschland (EKD) verlängern mit dem VDD nun doch für die die Musiker der Kompositions- Vandré und der Hochschule Os- konnte, wurden nun auch die nächsten Jahre zu verlängern. werkstätten aus Schloss Wei- nabrück 2010 herausgegebenen entsprechenden Verträge hin- Dies gewährt vor allem den Kir- kersheim stellt, sein 30-jähriges Band „Komponieren mit Schü- sichtlich des Kopierens von Lie- chenmusikern weiterhin umfas- Bestehen. Im Jubiläumsjahr lern“. Vom 25. bis 27. Septem- dern und Liedtexten sowie der sende Rechtssicherheit und er- wird die JMD mit mehreren ber lädt die JMD dann zu einem Nutzung von Erstveröffentli- spart den Gemeinden vor Ort Projekten Akzente im komposi- Symposion und Festakt in die chungen und wissenschaftlichen zusätzliche Kosten und adminis- tionspädagogischen Diskurs set- Musikakademie Schloss Wei- Ausgaben mit dem Verband der trative Aufgaben.“ zen. Der Meinungs- und Erfah- kersheim ein. Diözesen Deutschlands (VDD) www.vg-musikedition.de rungsaustausch von Protagonis - ebenfalls verlängert. Christian Krauß, Geschäfts- Forschungsprojekt „Kompäd“ führer der VG Musikedition, da - Musiker der Bundes- auswahl Konzerte ■ Foto: JMDFoto: Junger Künstler spie- Verband deutscher Musikschulen len die Werke junger Komponisten auf CD Musikschulkongress 2015 ein. „MusikLeben – Erbe. Vielfalt. Zu- kunft“ ist das Motto des 23. Mu- pädagogischen sikschulkongresses, den der Ver- Qualifizierung von band deutscher Musikschulen Komponisten und (VdM) vom 8. bis 10. Mai 2015 dessen evaluative in Münster veranstaltet. Der Mu- Seit 2014 ist die JMD Partner Begleitung. Weitere Koopera- sikschulkongress wird Angebote hen sind. Beim Nordrhein-West- des Forschungsprojekts „Kom- tionspartner sind die Folkwang für verschiedene Schwerpunkt- fälischen Abend wird es eine päd“ der Hochschule für Musik Universität Essen sowie der Ver- Themen geben. Ergänzt wird das „Revue durch die Nordrhein- Saar zur pädagogischen Weiter- band deutscher Musikschulen pädagogische Angebot durch Westfälische Musikkultur“ ge- qualifizierung von Komponis - (VdM). „Kompäd“ wird geför- verschiedene qualitativ hochwer- ben. Eine umfangreiche Instru- ten. Angestrebt wird eine grund- dert vom Bundesministerium tige musikalische Beiträge und menten-, Verwaltungssoftware- legende Konzeption, die eine für Bildung und Forschung. Die die Abschlussveranstaltung des und Notenausstellung rundet das Lücke in der musikpädagogischen JMD zeichnet für die praktische Kongresses, bei der Aufführun- Angebot ab.

Ausbildung schließt. Ziel ist die Umsetzung an der Musikakade- gen von Ensembles, Bands, Chö- Information und Anmeldung Entwicklung eines wissenschaft- mie Schloss Weikersheim ver- ren und Orchester der fünf Mün- www.musikschulkongress.de lich fundierten Programms zur antwortlich. steraner Musikschulen vorgese- ■ Bildungswerk Rhythmik e. V. Ausschreibung Medienpreis Leopold

Einsteigerkurs Rhythmik Zum zehnten Mal hat der VdM ben können sich nun auch mu- Auf spielerische und zugleich ef- statt. Der Kurs richtet sich an den renommierten Medienpreis sikbezogene Internetportale aus fektive Weise wirkt Rhythmik Interessenten aus allen pädago- Leopold für „Gute Musik für dem deutschsprachigen Raum. den Bewegungsdefiziten und gischen Arbeitsbereichen und Kinder“ ausgeschrieben. Die Eingesandt werden können Pro- den daraus folgenden Entwick- bietet Teilnehmern ohne Rhyth- Preisverleihung des alle zwei duktionen, die zwischen dem lungsverzögerungen vieler Kin- mik-Vorkenntnisse die Möglich- Jahre ausgetragenen Tonträger- 1. Januar 2011 und dem 31. Ja- der entgegen und erzeugt zu- keit, im eigenen Erleben prakti- Wettbewerbs findet am 25. nuar 2015 erschienen und über gleich eine nachhaltige Leis- sche Erfahrungen mit Zielen, Ar- September 2015 in Köln statt. den Handel oder andere Ver- tungssteigerung in allen Lernbe- beitsweisen und Methoden der CDs, MCs, CD-ROMs und DVDs, kaufswege zu beziehen sind. reichen sowie eine deutliche Rhythmik zu sammeln. die in unterschiedlichster Weise Einsendeschluss für die Bewer- Verbesserung des Sozialverhal- Musik zum Thema haben, stell- bung war der 31. Januar 2015. Informationen und Anmeldung tens. Die Einsteigerkurse finden ten sich bisher der Expertenjury www.bw-rhythmik.de www.medienpreis-leopold.de an unterschiedlichen Orten und der Kinderjury. Neu bewer-

DMR aktuell XV VERBÄNDE 22. JazzForum inKöln desINMM Frühjahrstagung 69. 2015inStuttgart Jahrestagung mittleren und jüngeren Genera- der Strategien allem vor aber Jahrzehnte, letzten der spiele Referenzbei- werden Diskutiert wurde. diskutiert unzureichend nur bislang aber hat, wonnen ge- Bedeutung an erkennbar Videoformaten schiedensten leichte Handhabbarkeit von ver- Möglichkeiten len digita- gewachsenen die durch der Gegenwartsmusik, der pekt Teilas- wichtigen einem damit sich widmet Sie statt. Film“ im Musik Neue „Überblendungen. Motto dem unter 2015 April 11. bis 8. vom findet INMM des Frühjahrstagung 69. Die für Kunst Darstellende und Musik Hochschule Staatlichen der Stadtbibliothek, der von die und werden erwartet mer Teilneh- und Teilnehmerinnen gart statt, zu der ca. 150 bis 200 der Musikbibliotheken in Stutt- der Internationalen Vereinigung Ländergruppe deutschen der Jahrestagung die findet September 2015 25. bis 22. Vom ten überzeugt. ten Pollonhat-und Kaktusfeld Trio Underkarl und Bertram Burkerts Bands exzellenten anderen die tett aufeinandergetroffen. Auch Quar- als Mal erste das waren (Saxofon) Valk Claudius und (Schlagzeug) Mahnig Dominik vier), Dieter Manderscheid (Bass), (Kla- Sternal Sebastian Musiker Kölner preisgekrönten vier Die JazzForum im Stadtgarten Köln. 22. das November gangenen ver- im endete Konzertabend am „Weltpremiere“ einer Mit ■ Musikerziehung ■ Musikbibliotheken ■ Union Deutscher Jazzmusiker Institut fürNeueMusikund Internationale Vereinigung der ‒ n die und ‒ www.neue-musik.org 15-stuttgart http://www.aibm.info/tagungen/20 gungswebseite zu finden: Call for Papers) sind auf der Ta- Weitere Informationen (u.a. den ed swe uc mehrere Konzerte und Filmvorführungen. durch sowie rende Studie- und Jugendliche der, Kin- für Kurse Workshops, rere meh- durch Tagungsprogramm das wird Kötter.Ergänzt Daniel und Reitz Edgar cher,darunter Filmema- verschiedene dersen, Steen-An- Simon und Seidl nes Schwehr,Han- Cornelius Lang, ter,Kreidler,Johannes Bernhard Gadenstät- Clemens Bauckholt, wartet: dieKomponisten Carola gebrachtwerden können. Sehen und Hören Relationen welche in darüber, sowie tion ten die politischen Inhalte ab. Inhalte politischen die ten gemeinschaften des Jazz runde- Landesarbeits- von werktreffen Netz- ein und derversammlung Mitglie- Jazzmusiker,die scher Deut- Union der veranstaltung bel/Vertrieb. Eine Informations- La und Förderung physiologie, über Themen wie Recht, Musik- Workshops es gab schließend An- Development“. „Audience Thema zum diumsdiskussion einer hochkarätig besetzten Po- mit Pause Jahren 16 nach rum Fo erste das hatte Begonnen behandeln. Relevanz sikbibliothekarischer mu- mit Themen verschiedene soll Tagung Die wird. werden ausgerichtet Landesbibliothek Württembergischen der und l Gse edn . . er- a. u. werden Gäste Als DMR aktuell XVI aktuell - - bdpm- Sozialfonds Verbandes. des ACV, Schatzmeister als des Weber Präsident als der Bretschnei- an, Gremium dem Vierteljahrhundert einem seit gehören Weber Erich und der Jubiläum: Wolfgang Bretschnei- ACV begingen im November ihr des Präsidiumsmitglieder Zwei gesell- das für Folgen rende verhee- nur nicht „hätte mens Die Ratifizierung dieses Abkom- wurde. veröffentlicht vember No- Anfang hervor,der bandes Ver-des Appell einem aus geht Das einzustellen. unverzüglich TISA-Abkommen zum lungen Verhand- sämtliche an, turrats Kul- Deutschen des und sikrats Mu- Deutschen des derungen For- den sich schließt ACV Der rechtigte Teilnahme am kultu- am Teilnahme rechtigte gleichbe- die ihnen ermöglicht Er Eltern. benachteiligter ziell finan- Jugendliche und Kinder bdpm-Sozialfonds des Mitteln den mit unterstützt bdpm Der Jubiläum Appell gegenTISA musikschulen ■ für Deutschland ■ Bundesverband Deutscher Privat- Allgemeiner Cäcilien-Verband www.bdpm-musikschulverband.de nachgeholt. Freising in Jahr kommenden im Versammlungwird Die den. wer- abgesagt GDL werkschaft Bahnge- der auf- Streiks des grund aber musste Ver- sammlung die – werden sprochen gen Mitgliederversammlung be- diesjähri- der bei Thema dieses es in dem Appell. Eigentlich sollte besonders für die Kultur“, heißt schaftliche Leben, sondern ganz angewiesen. Spenden auf bdpm-Sozialfonds der ist gewährleisten, zu rung Förde- fortwährende die Um Privatpersonen. und schulen Musik- schaftsunternehmen, Wirt- von Spenden durch sich speist Fonds Der haben. endet voll- nicht noch Lebensjahr 18. Kinder und Jugendliche, die das Antragsberechtigtsind bildung. Musikaus- qualitätsvolle hafte, dauer- eine er sichert bühren Unterrichtsge- von schussung Bezu- die Durch ausbildung. in einer Instrumental- oder Vokal- Ausbildung musikalische die fördert und Leben rellen Bretschneider Wolfgang des ACV: Vorsitzender Seit 25Jahren akzent 39

WARHOL war erst der Anfang

Christian Höppner im Gespräch mit Olaf Zimmermann

Mit seinem kürzlich erschienen Buch Kulturpolitik auf den Punkt gebracht liefert Olaf Zimmermann ein Resümee über die kulturpolitischen Debatten der vergangenen zwölf Jahre, die er als Geschäftsführer des Deutschen Kul- turrats wesentlich mitprägte. Eines ist klar: In der Kulturpolitik hat sich in dieser Zeit viel getan – und die Herausforderungen werden nicht weniger. Mit Chris tian Höppner sprach er über die Bedrohung durch wirtschaft - liche Interessen auf nationaler und internationaler Ebene, die aktuelle Lage der Kulturpolitik in Bund und Ländern und zum Verhältnis von Haupt- und Ehrenamt im Kulturbereich.

Die Kanzlerin hat beim G20-Gipfel noch Kulturbereich die Ausnahme einfach zu- wirkliche Pfund für die Regulierer und einmal unmissverständlich gesagt, Eu - gestehen, damit wir dann in unseren die Freihandelsbefürworter ist die neue ropa müsse sich sputen für ein Freihan- eigenen Vorstellungen, was Marktliberali- Handelskommissarin Cecilia Malmström, delsabkommen zwischen Europa und den sierung mit den USA angeht, durchmar- die freundlich, nett und konziliant ist – USA. Sind denn all die Bemühungen des schieren können? Das Kind ist – wenn also genau das Gegenteil ihres Vorgängers Kulturrats und seiner Mitglieder umsonst? man das Bild gebrauchen darf – noch – und das wird es uns ein wenig schwe- Nein, das glaube ich nicht. TTIP wird al- nicht in den Brunnen gefallen, allerdings rer machen gegen sie Mehrheiten zu or- ler Voraussicht nach kommen, aber nicht sitzt es schon lebhaft am äußersten Rand ganisieren. so wie manche Marktliberalisierer sich und baumelt mit den Füßen. Außerdem das heute vorstellen. Ich glaube, wir wer- wird es jetzt darauf ankommen, wie die Das klingt geradezu hoffnungsvoll. den da noch Änderungen erfahren, gera- Forderungen in Amerika aufgenommen Wenn man aber den Zusammenhang der de deshalb, weil die Kanzlerin und ande- werden. Obama hat die Mehrheit in sei- vielen Freihandelsabkommen, die es gibt, re jetzt Druck machen, müssen zumin- nen beiden Kammern verloren, das heißt: und der Bemühungen um eine Privatisie- dest die größten Stolpersteine abgemil- Ohne dass in Amerika die Bereitschaft be- rung öffentlicher Dienstleistung, Stich- dert werden. Dazu gehört auch der Kul- steht, dieses Freihandelsabkommen nicht wort TiSA herstellt, ergibt sich die Frage, tur- und Medienbereich als großer Stol- nur zu verhandeln, sondern auch für alle ob es sich bei der Ausnahmeregelung perstein, der in Politik und Wirtschaft Bundesstaaten verbindlich zu erklären, wenn sie denn gelingen sollte, eher um ei- durchaus gesehen wird. Es gibt zum Bei- wird es nicht wirklich voran gehen. Da nen Einzelfall handelt. Sie ist keine Blau- spiel Stimmen aus der Wirtschaft, die sa- wird man abwarten müssen, wie sich pause für die Ökonomisierung des ge- gen: Wäre es nicht besser, wenn wir dem Obama in diesem Bereich verhält. Das samten gesellschaftlichen Lebens.

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Der Bund wird zumindest nicht öffent- lich die Kommunen oder die Länder auf- fordern ihr kulturelles Tafelsilber zu ver- Olaf Zimmermann kaufen. Allerdings stecken wir in einer Olaf Zimmermann ist seit 1997 Ge- tiefen Krise des Föderalismus. Darüber schäftsführer des Deutschen Kultur- wird in Deutschland viel zu wenig ge- rats, Mitherausgeber der Zeitschrift sprochen. Der Föderalismus, der eine ab- des Deutschen Kulturrats Politik und solut sinnvolle Einrichtung ist, passt sich Kultur und Jurymitglied von „Kultur macht stark“ und hat einen Lehrauftrag nicht an die Zeit an. Wir haben letztend- an der Hochschule für Musik Franz lich einen Stillstand seit 1945: einige Liszt. Zuvor war er als Kunsthändler, große Länder, viele kleine und besonders Geschäftsführer verschiedener Gale- schwache Länder, keine Bereitschaft ver- rien und Inhaber eines Journalisten- nünftig miteinander zu sprechen oder und Beratungsbüros tätig. angemessen Solidarität untereinander zu üben. Daran hat auch die Aufnahme der neuen Bundesländer 1990 nichts geän- © Tim Flavor dert. Selbst solche Angebote wie das aus dem Saarland, über Fusionen nachzuden- Ich bin nur guten Mutes, dass wir an be- Geht mit der verschärften Ökonomi- ken und sich damit zu Gunsten der Sache stimmten Punkten den Kultur- und Me- sierung die Kulturelle Vielfalt verloren? selbst teilweise aufzugeben, wird sofort dienbereich ein bisschen aus dem Sturm Beispiel: Kapitalistin Hannelore Kraft. schnöde zurückgewiesen. Ich glaube, herausziehen können. Generell haben wir dass das nicht angemessen ist und neben- aber eine Ökonomisierung aller Lebens- Ja, überall dort, wo reine Marktgesetze bei besonders den Bereichen schadet, in bereiche, die massiv zunimmt. Im Mo- herrschen, geht Vielfalt verloren. Ein Bei- denen die Länder unbestritten ihre Zu- ment zeigt das rein kapitalistische System spiel ist der Verkauf von zwei Warhol-Bil- ständigkeiten haben wie der Kultur. Und seine Stärke und zwar in zunehmendem dern durch das Land Nordrhein-Westfa- der Bildung. gefährlichen Maße. Das verschärft auch len. Damit wurde ein Tabu gebrochen, Die Länder müssten kulturpolitisch viel noch einmal die Konflikte in der Welt, dass über Jahrzehnte Bestand hatte: Man mehr Verantwortung übernehmen, als sie auch besonders mit Russland. Das sind ja verkauft keine Werke aus öffentlichem das jetzt tun. Weil die Länder das nicht in erster Linie Wirtschaftsfragen, die jetzt Besitz. Ich befürchte, dass dieses wirklich tun, wird der Bund in der Kulturpolitik den Kalten Krieg am Horizont wieder fatale Verhalten Schule machen wird, immer stärker. Es ist nicht in erster Linie aufscheinen lassen. denn die Proteste waren zwar laut, aber die Stärke des Bundes sondern die Wir werden vor der generellen Frage ste- nicht erfolgreich. Natürlich hat das dem Schwäche der Länder, die hier offenbar hen: Wie viel Markt wollen wir haben Finanzminister von Nordrhein-Westfalen wird. und wie viele gemeinnützige Strukturen nicht unbedingt gefallen, in Gefahr ge- wollen wir dem entgegenstellen? Diese bracht hat es ihn aber nicht. Angesichts Der Bund wird stärker in der Kulturpoli- Frage ist vollkommen offen. Durch TTIP ihrer prekären finanziellen Situation wer- tik – auch durch die erfolgreiche Arbeit sind wir jetzt wach geworden, während den jetzt manche Länder und Kommunen von Monika Grütters? wir CETA verschlafen haben. Wir werden sagen: Schauen wir einfach mal in unse- Ich glaube erst mal muss man festhalten, gerade von vielen, sehr vielen Freihan- ren Depots nach, ob wir nicht auch was dass Monika Grütters es geschafft hat, delsabkommen gejagt. Es soll ja jetzt auch haben, was man vielleicht verkaufen einen sehr deutlichen Aufwuchs in ihrem ein neues mit Australien geben. Das Frei- könnten. Da kriegen wir vielleicht Schlä- Etat für 2015 zu erstreiten. Das ist eine handelsabkommen der EU mit den USA ge aus dem Kulturbereich, aber das Opfer Leistung, die man anerkennen muss. Es ist so einschneidend, dass alle, die nicht werden wir bringen. gibt aber noch Luft nach oben. Einerseits dabei sind, nun auch irgendwelche Ver- wünsche ich mir von ihr, eine Verstär- einbarung treffen wollen, damit sie öko- Schwächt das nicht die Länder in den kung der Einflussnahme auf die Rahmen- nomisch nicht vollständig abgehängt Verhandlungen mit dem Bund um die Fi- bedingungen für Kunst und Kultur, z. B. werden. Wir werden uns in der Zukunft nanzbeziehungen, wenn der Bund sagen im Bereich des Urheberrechts, aber auch mehr mit diesem Thema beschäftigen kann: „Nun verkauft erst einmal eure der Sozialgesetzgebung. Da brauchen wir müssen. Schätze“? eine klare deutliche Stimme, die sich

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auch aus dem Kanzleramt meldet und den in der Zukunft eher mehr hauptamt- … würde ich erstens versuchen, den Ein- sich einbringt, bevor es Festlegungen in liche Strukturen brauchen, um im Wett- fluss des Kulturbereichs auf der Bundes- den verschiedenen Fachministerien gibt. bewerb mit den verschiedenen Interes- ebene weiterhin zu stärken. Zweitens Mein zweiter Wunsch ist die Klärung der senvertretern außerhalb des Kulturbe- würde ich mich für ein eigenständiges Frage, was wir mit „Bundeskulturpolitik“ reichs bestehen zu können Bundeskulturministerium einsetzen. Ich meinen? Ist sie eine Politik, die sich Als ich vor 17 Jahren als Geschäftsführer halte das für eine der wirklich zentralen hauptsächlich auf Berlin konzentriert? beim Deutschen Kulturrat angefangen Aufgaben und den nächsten logischen Oder ist es letztendlich die Kulturpolitik habe, hat man sich höchsten ein, zwei Schritt aus der erfolgreichen Arbeit der für das ganze Land und, da auch europäi- Mal im Jahr zu einer gemeinsamen Stel- letzten eineinhalb Jahrzehnte Bundeskul- sche Kulturpolitik dazu gehört, auch da- lungnahme verabredet. Heute machen turpolitik. Zum Dritten würde ich versu- rüber hinaus? Wir müssen aufpassen, dass wir 15 große Stellungnahmen, die klei- chen, mich noch stärker in die Debatten wir keine zu starke Fokussierung auf Ber- nen Positionierungen im Wochenrhyth- auf europäischer Ebene einzubringen, lin bekommen. In Berlin ist es aus Verfas- mus kommen noch dazu. Wir werden weil ich glaube, dass viele der Entschei- sungsgründen für die Kulturstaatsminis- von der Politik manchmal in Tagesfrist dungen, die uns betreffen, in der Zukunft terin einfacher zu handeln als in Nord- angefragt, Positionen zu bestimmen The- in Europa getroffen werden. rhein-Westfalen, in Bayern, in Baden- men abzugeben. Das wäre in meinen An- Württemberg oder in Mecklenburg-Vor- fangszeiten vollkommen undenkbar ge- Wenn ich keine Kulturpolitik betreibe, pommern. Aber vielleicht wäre es auch wesen. Wir müssen uns dieser Situation, dann … dort noch öfter notwendig. Da der Bund die wir ja nicht ändern können, anpassen … mache ich viele schöne Sachen. Gera- im Bereich der Kulturpolitik immer stär- und das heißt, wir müssen professionel- de gestern habe ich mir ein kleines Expe- ker wird, muss man darüber reden, wo ler werden und unsere hauptamtlichen rimentierboard für eine Braun’sche Röh- genau er Verantwortung übernimmt. Eine Strukturen im Kulturbereich ausbauen. re gebaut und bin ganz glücklich darü- Möglichkeit würde zum Beispiel in der Und ich hoffe, dass wir da auch eine po- ber, dass es nicht nur ein schönes Experi- Übernahme der Finanzierung der sitive Debatte mit den ehrenamtlichen mentierboard ist, sondern dass es auch UNESCO-Weltkulturerbestätten in allen Kräften haben werden. Denn es ist wich- funktioniert. Das ist nicht selbstverständ- Bundesländern bestehen. tig, dass wir die Legitimation einer brei- lich bei solchen Bastelarbeiten. Aber dies- ten Basis haben. mal hat es funktioniert und hat mich ge- In Ihrem kürzlich erschienenen Buch Das unterscheidet uns auch sehr oft von freut. Wenn man dann alles anwirft, die Kulturpolitik auf den Punkt gebracht wird anderen Bereichen, die die Legitimation Hochspannung anlegt und irgendwann mitunter deutlich, welche Rolle das in erster Linie als pure Behauptung dar- der grüne Lichtpunkt sichtbar wird und Hauptamt heute im Kulturbereich spielt. stellen, sie aber nicht nachweisen kön- wild hin und her hüpft, dann ist das ein Wie sieht die Zukunft im Verhältnis zwi- nen. Wir haben diese Legitimation und wirklich schöner Anblick, der auch im schen Haupt- und Ehrenamt aus? können sie bis in die örtliche Ebene über Vergleich zu einem künstlerischen Ge- Klar ist, dass hauptamtliche Strukturen unsere Sektionen, über die Bundeskultur- nuss zu sehen ist. notwendig sind, damit ehrenamtliche verbände, über ihre Landesverbände bis Strukturen überhaupt funktionieren kön- zum kommunalen Bereich nachvollzie- nen. Im Kulturbereich entwickeln sich hen. Das darf aber nicht dazu führen, immer mehr hauptamtliche Strukturen. dass wir nicht handlungs fähig sind in der Wir werden dabei besonders von der Si- Geschwindigkeit, die die Politik uns heu- tuation, die wir in anderen gesellschaftli- te abverlangt. chen Bereichen haben, mitgezogen. Wir haben im Kulturbereich noch eine sehr Zum Schluss noch drei angefangene starke ehrenamtliche Struktur und damit Sätze mit der Bitte um Ergänzung: Wenn letztendlich auch Legitimation. Das ist ich an Angela Merkel denke, dann … überaus positiv, aber es muss so profes- … denke ich an eine Kanzlerin, die sionell organisiert werden, dass wir mit schon lange im Amt und mir trotzdem denen, die eine fast nur noch hauptamt - manchmal noch sehr fremd ist. liche Struktur haben, auch mithalten können. Das wird zunehmend schwieri- Wenn ich Kulturstaatsminister wäre, ger und deswegen glaube ich, wir wer- dann …

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Das „Ensemble der Länder“ beim Konzert im Rahmen der Pfingstwerkstatt für Junge Künstler – Neue Musik in Rheinsberg 2014 JUNGE MUSIK

Das „Ensemble der Länder“ wächst Ulrike Liedtke

Sie musizieren mit äußerster Präzision, verständigten sich 2013 auf einen „Eh- setzt sich gleichberechtigt aus den En- dabei haben sie noch gar nicht studiert. renkodex“: Nur Schüler dürfen mitspie- sembleleitern und der Akademiedirektion Ihr Herz gehört ganz der aktuellen len – keine Mogelei mit eingesetzten Stu- zusammen. Sie legt Schwerpunkte für die Kunstmusik, und damit heben sie sich denten, wenn ein Instrument noch zu jeweiligen Arbeitsphasen fest, wählt den vom Mainstream ab. Untereinander besetzen ist. Das Projekt folgt der Diskus- Auftragskomponisten aus und erstellt das kennen sie sich nicht lange und den- sion im Bundesfachausschuss Neue Mu- Proben- und Konzertprogramm mit dem noch musizieren sie bereits wie ein fest sik des Deutschen Musikrats im Novem- Ziel stilistischer Vielfalt in Neuer Musik. gefügtes Ensemble ber 2011 in Donaueschingen über ein Diese schlanke Hierarchie ermöglicht, Bundesjugendensemble Neue Musik. Es dass die jungen Musiker bereits vorstu- setzt den Aufruf der Präsidentin der Ge- diert zur Werkstatt kommen. Von Schülern ist die Rede, von Mit- sellschaft für Neue Musik Julia Cloot an gliedern verschiedener Landesjugenden- alle Landesmusikräte 2012 in Kiel um, Abschlusskonzert sembles für Neue Musik im „Ensemble auf Landesebene zeitgenössischer Musik im Schlosstheater der Länder“. Alle zusammen spielen sie und der Nachwuchsförderung besondere Neben der Arbeit im gemeinsamen Or- sämtliche Orchesterinstrumente, können Aufmerksamkeit zu schenken. Das „En- chester entstehen unterschiedliche Kam- auf mehrjährigen Instrumentalunterricht semble der Länder“ hat sich „von unten mermusikgruppen – nachhaltige länder- verweisen und der ein oder andere nach oben“, aus jahrelanger Erfahrung übergreifende Zusammenarbeit ist dabei brachte begehrte Jugend-musiziert-Preise und Kenntnis der Landesjugendensem- ausdrücklich erwünscht. Es gibt Unter- nach Hause. Spätestens jetzt kommen die bles entwickelt. Seit 2006 nimmt das richt in neuer Spieltechnik, Aufführungs- Lehrer dieser jungen Musiker ins Spiel: Landesjugendensemble Neue Musik praxis sowie Repertoirekenntnis. Am Neben notwendigen technischen Voraus- Rheinland-Pfalz/Saarland an der Rheins- Ende der etwa zehntägigen Werkstatt setzungen und der üblichen klassischen berger Pfingstwerkstatt Neue Musik teil, steht ein Abschlusskonzert unter Leitung Ausbildung öffnen sie die Ohren für Ensembles aus Thüringen und Nieder- von Juri Lebedev. Das Schlosstheater Neues, für Unübliches und für das Auf- sachsen kamen dazu. Aus den parallelen Rheinsberg bietet dabei ideale multime- einanderhören in komplizierten klang- Ensemblewerkstätten wurde bald ein Mit- diale Bedingungen und bringt Neue lich-strukturellen Kompositionsverfahren. einander und es entstand die Idee, die Musik an einem attraktiven touristischen Mehr noch: Sie schicken ihre Schüler aus Werkstatt bundesweit für alle an Neuer Standort mitten unter die Pfingstbesu- verschiedenen Bundesländern zur Ensem- Musik interessierte Schüler zu öffnen. cher. In zwei weiteren Konzerten präsen- blearbeit in die Rheinsberger Pfingst- tieren die neuen Formationen ihre Ar- werkstatt Neue Musik – selbst neugierig Künstlerische Leitung als beitsergebnisse. Das alles geschieht mit genug, was die jungen Musiker dort ken- Kooperation entsprechender Reflexion in Presse, Rund - nen lernen könnten. Das Projekt ist an der Bundes- und funk und Fernsehen. Landesmusikakademie Rheinsberg ange- Nur für Schüler siedelt. In der Modell-Phase übernahm Neue Landesjugendensembles in Das Projekt „Ensemble der Länder“ ver- die Bundes- und Landesmusikakademie Bremen und Bayern steht sich als Aufruf zur Zusammenarbeit Rheinsberg auch die Organisation und Die Initiative aus Rheinsberg hat bundes- bestehender und als Anregung zur Grün- stellte die Infrastruktur bereit. Die Rota- weites Echo gefunden. Die zweite Werk- dung neuer Landesjugendensembles für tion mit anderen Akademien wird ange- statt des „Ensemble der Länder“ fand im Neue Musik. Die Gründungsmitglieder strebt. Die Künstlerische Projektleitung Rahmen der 23. Rheinsberger Pfingst-

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werkstatt Neue Musik 2014 statt, mit der Landesjugendensembles Neue Musik sehr erfolgreichen Uraufführung der Komposition tagtraum von Ludger Kisters JugendEnsembleNeueMusik Rheinland Berlin, gegründet 2013, Leitung: Gerhard als Auftragswerk der Musikakademie Pfalz /Saarland, gegründet 1992, Leitung: Scherer und Jobst Liebrecht Rheinsberg. Im Nachklang dieses Treffens Walter Reiter Jugendensemble Neue Musik Bremen, Jugendensemble für Neue Musik Nord- gegründet 2014 Leitung: Claudia Janet gründete sich im Juni 2014 in Bremen rhein-Westfalen, gegründet 2006, seit 2009 Birkholz ein Jugendensemble Neue Musik, ein „Studio Musikfabrik“, Leitung: Peter Veale Jugendensemble Neue Musik Mün- weiteres in Bayern. Somit werden im Landesjugendensemble Neue Musik chen/Bayern, gegründet 2014, Leitung: „Ensemble der Länder“ 2015 voraus- Niedersachsen, gegründet 2008, Leitung: Alexander Strauch und Johannes X. sichtlich Musiker und Musikerinnen aus Carin Levine Schachtner den Landesjugendensembles Neue Musik LandesJugendEnsemble Neue Musik Landesjugendensemble für Neue Musik Rheinland-Pfalz/Saarland, Thüringen, Nie - Schleswig-Holstein, gegründet 2009, Lei- Baden-Württemberg, gegründet 2014, dersachsen, Bremen, Bayern und Branden - tung: Friedrich Wedell, Dirigent: Johannes Leitung: Christof M Löser Harneit Landesensemble Neue Musik Branden - burg musizieren. Dafür ging ein Kompo- Landesjugendensemble Neue Musik burg, i. G., Leitung: Helge Harding sitionsauftrag an Georg Katzer. Ein nicht Thüringen, gegründet 2009, Leitung: Juri ganz einfaches Unternehmen für den Lebedev und Johannes Hildebrandt Komponisten, muss er doch die Beset- Landesjugendensemble Neue Musik zung so gestalten, dass die Anzahl der Musiker in den Stimmgruppen variabel bleibt. im Deutschen Musikrat, der Fachgruppe für Bildung, Wissenschaft und Kultur des E-Musik des Deutschen Komponistenver- Freistaats Thüringen. Die regelmäßige Förderung und Evaluation bandes, vom Festival A.DEvantgarde Evaluation ist Bestandteil des Konzepts. Das „Ensemble der Länder“ wird unter- München, von „Jugend komponiert stützt von der Konferenz der Landesmu- Brandenburg“, von der Ministerin für Ulrike Liedtke ist Initiatorin des „Ensemble der Län- sikräte, der Gesellschaft für Neue Musik, Wissenschaft, Forschung und Kultur des der“ als Gründungsdirektorin der Musikakademie dem Bundesfachausschuss Neue Musik Landes Brandenburg sowie vom Minister Rheinsberg, Mitglied des Landtags Brandenburg.

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Kulturpolitische Trends in Europa Michael Wimmer

Europa befindet sich im Umbruch – und damit auch die nationalen Kultursysteme.

Seit Jahren bewegt sich unsere Gesell- sen ungleichen Nutzungsgewohnheiten Ungeachtet dessen kam es nicht nur in schaft von einer Krise in die nächste: haben vielfältige kulturpolitische Versu- Österreich in den letzten Jahren zu einer Unsere Finanz-, Wirtschafts- und Im- che der letzten Jahre, die großen Häuser beträchtlichen Ausweitung des kommer- mobilienlandschaften geraten aus dem im Sinne einer „Kultur für alle“ für neue ziellen bzw. medial vermittelten kulturel- Gleichgewicht. Macht die Krise auch Zielgruppen zu öffnen nur wenig geän- len Angebots. Darüber hinaus vermeinten vor der Kultur nicht halt? Verliert die dert. Stattdessen deuten bestehende Da- sich viele auf einer „Insel der Seligen“, europäische Kulturgemeinschaft zu- tenlagen darauf hin, dass dank der aktuel- auf der an den staatlichen Bestandsgaran- nehmend an Bedeutung? Welche ge- len kulturpolitischen Bemühungen zur tien nicht gerüttelt würde. Und doch hat sellschaftlichen Konsequenzen ergeben Öffnung der traditionellen Kulturtempel sich auch in dieser selbsternannten „Kul- sich daraus? Diesen Fragen geht Micha- versierte Nutzerinnen und Nutzer das turnation“ der Kontext von Kulturpro- el Wimmer nach. Angebot öfter in Anspruch nehmen, duktion und -rezeption nachhaltig verän- während sich das Gros der Nichtnutze- dert. Dies betrifft die Religions- und Par- Das Wiener Burgtheater steckt zurzeit rinnen und Nutzer weiterhin nur in den teizugehörigkeit der Menschen und den in massiven Schwierigkeiten. Malversa- seltensten Fällen dauerhaft für die Nut- damit in Zusammenhang stehenden de- tionen des ehemaligen Direktors Matthias zung kultureller Angebote gewinnen mografischen Wandel der nationalen Be- Hartmann und dessen Kollegen machten lässt. Geändert aber hat sich der Grad der völkerung ebenso wie den Niedergang deutlich, dass der auf unbedingte künst- Zustimmung staatlicher Umverteilung ganzer Industriezweige oder die massen- lerische Autonomie pochende Anspruch zugunsten öffentlicher Kunstförderung, hafte Implementierung der digitalen Me- auf öffentliche Mittel selbst von einer der die – nach dem letzten Kulturmonitoring dien. In einer durchschnittlichen Wiener zentralen Institutionen des kulturellen aus dem Jahr 2007 – jedenfalls in Öster- Schule verfügen heute mehr als die Hälf- Sektors in Österreich nicht mehr automa- reich in plebiszitärer Abstimmung keine te aller Schülerinnen und Schüler über tisch gewährleistet ist. Da ist es nur kon- Mehrheit mehr finden würde. einen sogenannten Migrationshinter- sequent, wenn in einem Interview ein grund. Mit ihren vielfältigen ethnischen, prominenter Schauspieler gefragt wurde: Gesellschaft und Kultur im sprachlichen und kulturellen Hintergrün- „Können Sie sich eine Zeit nach dem Umbruch den sind sie keine Minderheit mehr, son- Burgtheater vorstellen?“ und dieser die Nun mussten vor allem mittel- und ost- dern stellen die Mehrheit der Bevölke- Fragestellung nicht mehr als Tabubruch europäische Länder nach dem Regime- rung mit allen so zial-, wirtschafts- und zurückzuweisen vermochte. Vorbei die wechsel 1989/90 einen schmerzlichen auch kulturpolitischen Folgen. Dieser Be- Zeiten, als Vorzeigeunternehmen wie das Zusammenbruch weiter Teile der kultu- fund lässt sich unschwer auf viele andere Burgtheater mit einer Bestandsgarantie rellen Infrastruktur hinnehmen, ohne europäische Städte übertragen. der öffentlichen Hand für ewige Zeiten dass dies in den anderen Teilen des Konti- Dazu kommt, dass Europa – in verschie- ausgestattet waren. nents auf nachhaltige Resonanz gestoßen denen Teilen mit durchaus unterschiedli- Bereits in den letzten Jahren hat für eine wäre. Mittlerweile zeigen sich die Wir- chen Wirkungen – seit mehreren Jahren Mehrheit der österreichischen Bevölke- kungen von Sparhaushalten auch in einer an einer Krise leidet, die sich immer we- rung das Burgtheater nicht existiert. Im- Reihe deutscher Kommunen, deren Kul- niger auf finanz- und wirtschaftspoliti- merhin machte und macht der überwie- tureinrichtungen um den Preis möglicher sche Fragen reduzieren lässt und stattdes- gende Teil der Bevölkerung gar keinen Schließungen mit anderen Sozial- und sen den Charakter einer umfassenden Gebrauch von seinen Angeboten. An die- Bildungseinrichtungen konkurrieren. kulturellen Krise angenommen hat.

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Äußerlich zeigt sie sich in einem tenden- ziellen Rückzug staatlichen Engagements, auch und gerade im kulturellen Bereich. Es geht aber möglicherweise um weit mehr: Das, was wir Krise nennen, beein- flusst zunehmend die Neufassung kultu- reller Wertvorstellungen des alten Konti- nents, die wir mit Modernität, Demokra- tie und Diversität verbinden.

Dunkle Aussichten: „The Dwarfing of Europe“ 2012 wurde das europäische Forschungs - institut Educult mit Sitz im Wiener Muse- umsquartier vom Österreichischen Bun- desministerium für Unterricht, Kunst und Kultur mit Recherchen zu aktuellen kulturellen und kulturpolitischen Trends an Bedeutung verliert. Vorrangig spürbar würden alle Nationen dank repräsentati- in Europa beauftragt. Kulturpolitische ist dieser Verlust, wenn es Europa immer ver Demokratie, darüber hinaus der Be- Entscheidungsträger waren vor der weniger gelingt, sich mit einer gemeinsa- rücksichtigung der Menschenrechte bzw. nächsten bundesweiten Wahl auf der Su- men Stimme außenpolitisches Gehör zu einer umfassenden Implementierung von che nach qualifizierten Einschätzungen, verschaffen. Aber auch in pragmatische- Rechtsstaatlichkeit und Wohlfahrtsstaat- was rund um sie passiert und was davon ren Angelegenheiten wie den aktuellen lichkeit einen Qualitätsschub in den Ar- sie allenfalls auf die kulturpolitische Ta- Auseinandersetzungen zur weiteren Libe- beits- und Lebensverhältnissen erfahren. gesordnung setzen sollten. Die Untersu- ralisierung des Welthandels im Rahmen In diesem Zusammenhang wurde Kultur- chung basierte auf einer Reihe von Inter- von TTIP erfährt Europa die Änderungen politik ab den 1970er-Jahren als ein views mit einer Reihe von Meinungsträ- im Verhältnis zu den USA, zuletzt noch wichtiges Instrument zur Durchsetzung gern in ganz Europa, die sich in der mehr zu den neuen Global Playern China, demokratischer Errungenschaften gese- Theorie und der Praxis mit Kulturpolitik Indien oder Brasilien, die immer weniger hen. Verstanden als eine herausragende beschäftigen. bereit sind, den Anspruch auf eine vor- Form der Demokratisierung mit den Mit- Unsere Expedition begann mit einer rangig wohlfahrtsstaatlich basierte Kultur teln der Kultur war sie inspiriert vom Konferenz der European Cultural Founda- als nicht beliebig ökonomisch benutzba- Leitmotiv der Schaffung einer Welt, in tion mit Sitz in Amsterdam: „The Dwar- res Gemeinschaftsgut als für alle verbind- der die Beschäftigung mit (hauptsächlich fing of Europe – Dialog zwischen China, lich gegeben hinzunehmen. europäischer) Kunst und Kultur zu einer Indien und Brasilien?“ Dort stießen wir besseren Welt führen würde. auf folgendes, nachdenklich stimmendes Kulturpolitik einst als Blüte Zitat: „For centuries Europe considered der Demokratie Umgeben von Autoritäten itself to be the centre of the world. Many Wenn wahr ist, dass die aktuelle Krise die Diese Aufbruchsstimmung scheint fürs of the concepts and institutions that have wesentlichen kulturellen Wertvorstellun- Erste vorbei zu sein. Der aktuelle wirt- shaped the Western world – in politics gen berührt, dann zeigen sich diese zu- schaftliche Niedergang (freilich ausge- and economics, in philosophy, the arts allererst an den überall konstatierbaren hend von einem historisch hohen Ni- and literature – have a strong European demokratischen Ermüdungserscheinun- veau) gepaart mit militärischer Schwäche imprint […]. Over the course the often gen. Sosehr den Kontinent im 20. Jahr- macht deutlich, dass der europäische Ein- bellicose 20th-century Europe lost its hundert der fundamentale Konflikt zwi- fluss in der Welt schrumpft. In diesem predominance forever.“ schen demokratischen und autoritären Zustand stellt Europa kein kultur- und Das ist möglicherweise starker Tobak für Kräften geprägt hat, so schien zumal demokratiepolitisches Vorbild der Interes- alle, die sich als Vertreter einer traditio- nach 1989 der Anspruch auf Demokratie sensaustragung mehr dar. Der Kontinent nellen europäischen Kulturgemeinschaft die gemeinsame Grundlage für den Fort- ist mittlerweile umgeben von autoritären zugehörig fühlen, die – geht es nach schritt der europäischen Gesellschaften und diktatorischen Regimen, die nichts diesen Stimmen von außen – zunehmend auf Dauer gestellt. Über kurz oder lang weniger im Sinn haben als die europäi-

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Beispiel für die Krise: Das Burgtheater Wien steckt zur Zeit in finanziellen Schwierigkeiten.

schen kulturellen Errungenschaften zu bei der nationalen und zunehmend auch wie immaterieller Güter dauerhaft zu un- pflegen. Und die Frage ist immer weni- europäischen Sinnstiftung zugedacht ha- terminieren. ger, wie Europa als demokratisches Refe- ben), sind wir heute erneut mit den anti- Nicht unterschlagen werden sollen Versu- renzprojekt für Menschen aus der ganzen demokratischen Folgen eines zunehmen- che im Rahmen bestehender Strukturen Welt attraktiv gemacht werden kann als den Einflusses der Religion nicht nur in neue Governance-Strukturen zu imple- vielmehr, wie im eigenen Land ihrer Per- Russland, der Türkei oder den arabischen mentieren, die darauf gerichtet sind, spektiven beraubte junge Europäer davon Ländern mit beträchtlichen Folgen auch nicht nur die Chancen an der Teilhabe an abgehalten werden können, sich autoritä- innerhalb Europas konfrontiert. kulturellen Aktivitäten zu erhöhen, son- ren Bewegungen anderswo anzuschlie- Hingewiesen werden soll auch auf die dern darüber hinaus potenzielle Nutzer ßen. wachsende Bedeutung der Städte, in de- auch in die kulturpolitische Entschei- Diese Form der wachsenden Demokratie- nen in globalem Maßstab bereits in weni- dungsfindung einzubeziehen. müdigkeit schlägt sich auch in Europa gen Jahren die Mehrheit der Weltbevölke- selbst nieder, wenn Länder wie Ungarn rung leben wird. Diese Konzentrations- Feuer für die Kultur? sich als – mit zum Teil heftigen Auswir- prozesse bedingen ein neues Nachdenken Ich möchte diese kleine, keineswegs voll- kungen auf den Kulturbetrieb – „illiberale über Kulturpolitik, die sich immer weni- ständige Tour d’horizon mit einer per- Demokratien“ (Viktor Orban) nach russi- ger nationalstaatlich begründen lässt. sönlichen Erfahrung abschließen. Sie schem Vorbild verstehen und rechtspopu- Stattdessen mutiert sie zu einem inte- stammt aus einer Begegnung mit einer listische und rechtsradikale Bewegungen grierten Politikfeld zur Aufrechterhaltung Reihe junger Kulturschaffender aus dem mit dem Schüren ebenso antidemokrati- und Weiterentwicklung einer städtischen arabischen Raum. Sie zeugen davon, dass scher wie antieuropäischer Ressentiments „Value Chain“ zur Schaffung von Stand- bei ihnen die Leidenschaft in der Ausei- wesentliche Grundlagen einer spezifi- ortvorteilen im internationalen Wettbe- nandersetzung um demokratische Errun- schen europäischen kulturellen Verfasst- werb. Als solche weiß sie sich in enger genschaften, die in ihren Ländern beson- heit untergraben. Verknüpfung mit anderen Politikfeldern ders gefährdet sind, ungebrochen ist. Als wie Tourismus-, Stadtentwicklungs-, Be- eine kulturpolitische Avantgarde reprä- Debatten der Gegenwart und triebsansiedlungs-, Wohnbau-, Ausbil- sentieren sie zurzeit nicht den Main- Zukunft: Digitalisierung, Religion dungs- oder Verkehrspolitik, die erst im stream, stattdessen sind sie in ihrem und Demografie Zusammenwirken die je besondere At- Kampf wesentlich auf Partner angewie- Eine der Konsequenzen besteht darin, traktion von Städten ausmachen. sen. Das führt mich zur Frage, ob euro- dass heute niemand mehr ernsthaft daran päische Kulturpolitiken noch einmal in glaubt, der Staat in seinem gegenwärti- Kulturmarkt und Teilhabe der Lage sein könnten, ein Feuer für die gen Zustand wäre noch in der Lage, sig- Wahrscheinlich ist noch nie so viel Kunst kulturellen Errungenschaften zu entzün- nifikant zu einer weiteren kulturellen De- produziert (und wohl auch rezipiert) den, wenn eine vorrangig auf Bestandsi- mokratisierung beizutragen. Statt dessen worden wie heute. Die Durchsetzung cherung gerichtet Kulturpolitik bereit ist, liegen die Hoffnungen auf der massen- neoliberaler Positionen hat zu einer be- ihren Frieden zu machen mit dem Be- haften Verbreitung der digitalen Medien, trächtlichen Vermarktwirtschaftlichung fund eines „Dwarfing of Europe“. Und die die Produktionsbedingungen von des privaten ebenso wie des öffentlichen wenn ja: Wie wird dies wohl – mit und Künstlerinnen und Künstlern nachhaltig Kulturbetriebs geführt. Eine der gravie- ohne Burgtheater – in der Praxis ausse- verändern und darüber hinaus völlig renden Folgen besteht in einer wachsen- hen? neue virtuelle Kulturräume schaffen, zu den Prekarisierung der Arbeitsverhältnis- denen Kulturpolitik bislang kaum Zugang se von selbst hoch und höchst qualifizier- gefunden hat. ten Künstlerinnen und Künstlern, deren Nicht unwesentlich erschien unseren Ge- Existenz im Verhältnis zu einer kleinen sprächspartnern auch die gegenwärtig Gruppe von zu Reichtum gekommenen konstatierbare Renaissance der Religio- Celebrities den Stand wachsender gesell- nen. Wenn in Europa seit Jahrhunderten schaftlicher Ungleichheit auf einem Kon- Michael Wimmer ist Geschäftsführer des For- schungsinstituts Educult. Darüber hinaus ist er als ein wesentlicher gesellschaftlicher Kon- tinent repräsentiert. Dieser Umstand wird Berater des Europarats, der UNESCO und der Euro- flikt darin bestand, eine hinreichende verstärkt durch den Druck globaler Wett- päischen Kommission in kultur- und bildungspoliti- Trennung von Kirche und Staat zu ge- bewerbsverhältnisse, die dabei sind, die schen Fragen aktiv und lehrt an der Universität für währleisten (dessen fragile Ergebnisse wohlfahrtsstaatlichen Errungenschaften angewandte Kunst und am Institut für Theater-, Film- dem Kulturbereich eine wichtige Aufgabe bei der Umverteilung materieller ebenso und Medienwissenschaften in Wien.

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Musikfonds für Deutschland

Neues Förderinstrument für zeitgenössische Musik in Sicht Martin Maria Krüger

Seit 2010 bestehen politische Bestrebungen, einen Fonds zur Förderung der zeitgenössischen Musik auf Bundesebene ein- zurichten. Mit Verankerung des Musikfonds im Koalitionsver- trag haben sich die Planungen in den letzten Monaten konkre- tisiert. Wie ein solcher Fonds aufgestellt sein müsste, worin Aus dem Fonds könnten Projekte zur seine Vorteile bestehen und welche Rolle der Deutsche Musik- zeitgenössischen Musik unterstützt werden, rat dabei spielt, erläutert Martin Maria Krüger. wie das Festival Resonanzen in Leipzig.

Zur Genese: Im Dezember 2010 über- des Vorhabens in den Koali tionsvertrag auf - nachdrücklich für ihre Umsetzung in gab der Deutsche Musikrat dem damali- grund einer Initiative von Thomas Goppel, allen gesellschaftlichen Bereichen ein. gen Kulturstaatsminister Bernd Neumann CSU. Kulturstaatsministerin Monika Grüt- Diese Richtschnur bestimmt auch die ein Konzept für einen „Musikfonds des ters hat, ebenso wie der Vorsitzende des Weiterentwicklung der Projekte in den Bundes zur Strukturförderung aktueller Bun destagsausschusses für Kultur und Me - Bereichen Nachwuchsförderung in der zeitgenössischer Musik“. Verantwortlich dien Siegmund Ehrmann sowie federfüh- Breite wie in der Spitze, Zeitgenössische für die Formulierung waren, unter Vorsitz rende Abgeordnete der Regierungskoali- Musik, Pop/Rock und Jazz, Laienmusizie- von Ulrike Liedtke, Jens Cording, Hans- tion aus dem Kultur- und Haushaltsbereich, ren sowie Dokumentation und Informa - Willi Hefekäuser, Dieter Rexrodt, Wolf- nunmehr ihre Unterstützung für die Er - tion, deren Träger und Gestalter er im gang Rihm, Ilona Schmiel sowie der für richtung des Fonds zugesichert. Die Ein- partnerschaftlichen Zusammenwirken mit zeitgenössische Musik zuständige Musik- führung soll laut einem Fahrplan, den der Bundesregierung, Ländern und nachhal- rats-Projektleiter Olaf Wegener. Vorausge- kulturpolitische Sprecher der CDU-Bun - tigen Förderern ist. Einen besonderen Fo- gangen war die Erkenntnis, dass es eines des tagsfraktion Marco Wanderwitz im Rah- kus stellt spartenübergreifend die Förde- flexiblen, relativ unbürokratischen Instru- men der Mitgliederversammlung 2014 rung des schöpferischen sowie interpre- ments bedürfe, um den vielfältigen An- des Deutschen Musikrates am 17. Okto- tierenden künstlerischen Musikschaffens forderungen und Möglichkeiten, die sich ber erläutert hat, bis 2017 erfolgt sein. unserer Zeit einschließlich dessen überzeu- aus dem Schaffen und Vermitteln der gender Vermittlung dar. Dieser Schwer- künstlerischen Musik unserer Zeit erge- Projekte des Deutschen Musikrats punkt kommt nicht nur in den traditi- ben, gerecht zu werden. Warum bedarf es eines Musikfonds des ons- und erfolgreichen, unmittelbar und Bundes? Die Bundesrepublik Deutschland ausschließlich der zeitgenössischen Mu- Unterstützung aus der Politik hat die UNESCO-Konvention zum Schutz sik gewidmeten Projekten, insbesondere Unterstützung erfuhr dieses Vorhaben u. a. und zur Förderung kultureller Ausdrucks- der „Edition Zeitgenössische Musik“ und 2013 durch einen in die gleiche Richtung formen ratifiziert und ihr damit den Sta- dem Förderbereich „Konzert des Deut- weisenden Vorstoß des Deutschen Kompo - tus einer verpflichtenden Grundlage poli- schen Musikrats“, zum Ausdruck, son- nistenverbands. Ein wichtiger Meilenstein tischen Handelns gegeben. Der Deutsche dern in mindestens gleicher Weise in ei- zur Verwirklichung war die Aufnahme Musikrat setzt sich kontinuierlich und ner fortlaufend gewachsenen Zahl von

1/15 musik und politik 49 © Andreas Uhlmann © Andreas

Initiativen und Akzentsetzungen im Rah- Flexibilität des Fonds sparten hinsichtlich ihrer Trägerschaft men aller Projekte zur Förderung des Ein Musikfonds muss einen umfassenden neu zu verorten. Für einen zusätzlichen musikalischen Nachwuchses – bis hin zu Ansatz bieten im Sinne eines flexiblen In- Musikfonds hat sich die Künstlerische einer neuen Kompositionskategorie im struments, welches auch auf das noch Geschäftsführerin der Kulturstiftung des Rahmen des Deutschen Musikwettbe- Ungedachte und daher in einer Formu- Bundes Hortensia Völckers unabhängig werbs – sowie des Laienmusizierens. lierung von Förderbedingungen womög- davon bereits 2012 anlässlich einer An- lich noch nicht Erwähnte reagieren kann hörung im Bundestag ausgesprochen. Sie Bislang kein Förderinstrument – stets allerdings mit dem Anspruch ho- verband dies mit der Empfehlung, ihn Was fehlt, ist ein Förderinstrument, wel- her Qualität. Insbesondere wird es um beim Deutschen Musikrat anzusiedeln. ches unmittelbar aufregenden, hochwer- Förderung von Aufführungen, in diesem Der Deutsche Musikrat ist der Überzeu- tigen Projektideen aus der „Szene“ der Kontext jedoch der gesamten Infrastruk- gung, dass dies eine zukunftsweisende zeitgenössischen Musik einschließlich tur gehen. Zu ihr zählen Komponisten, Entscheidung wäre: Als Dachverband des ihrer grenzüberschreitenden Bereiche zu Veranstalter, Ensembles, Orchester und Musiklebens ist er für eine Trägerschaft Popmusik und Jazz – das bereits erwähn- Performer, aber auch Vermittler, Musik- des Musikfonds prädestiniert, weil er kei- te Konzept spricht von „aktueller zeitge- wissenschaftler und Journalisten. ne Partikularinteressen vertritt und mit nössischer Musik“ – zur Realisierung seinem musikpolitischen wie fachlichen verhelfen kann. Bisher geschieht dies nur Deutscher Musikrat als Träger Netzwerk auf allen föderalen Ebenen durch das „Konzert des Deutschen Mu- Wie könnte ein solcher Fonds struktu- über eine beispiellose Kompetenz ver- sikrats“, welches jedoch aufgrund seiner riert und wo sollte er angesiedelt sein? fügt, die er sowohl in die Gründung und notgedrungen relativ eng gefassten Fo- Der Fonds soll eigenständig rechtlich ver- Trägerschaft des Musikfonds wie in die kussierung und einer Fördersumme von fasst sein, wofür verschiedene Modelle in Berufung einer unabhängigen Jury ein- derzeit jährlich ca. 100 000 Euro nur den Frage kommen. Es werden zurzeit Über- bringen würde. berühmten Tropfen auf den heißen Stein legungen angestellt, möglicherweise die Martin Maria Krüger ist Präsident des Deutschen darstellen kann. Ein kreativer Ansatz war bereits bestehenden und erfolgreich un- Musikrats sowie Leiter des Instituts für Kulturmana- auch das ausgelaufene Netzwerk-Projekt ter dem Dach der Kulturstiftung des Bun- gement der Hochschule für Musik und Theater Mün- der Kulturstiftung des Bundes. des arbeitenden Fonds für andere Kunst- chen mit Lehrtätigkeiten für Kulturpolitik und Gitarre.

1/15 50 bildung | forschung Ein ARD-Konzert macht Schule

Das Dvorˇák-Experiment und seine Nachfolger Joachim Knuth

Mehrere Tausend Schülerinnen und Schüler verfolgten am 19. September 2014 im Rahmen des Projekts „Das Dvorˇák-Experiment – Ein ARD-Konzert macht Schule“ live eine Aufführung von Dvorˇáks 9. Sinfonie. Inwiefern damit ein Grundstein in der Musikvermittlungsarbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelegt wurde Große Begeisterung löste das Dvorˇák-Experiment bei und warum dieses bundesweite Signal für die Musikalische Bildung dringend den teilnehmenden Kindern nötig ist, erklärt NDR-Programmdirektor Joachim Knuth. und Jugendlichen aus. © SWR/Alexander Kluge

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„Das war wirklich gewaltig“, sagte ei- Vielfalt in Deutschland erfährt, der wird und der ARD. Ziel war hierbei, Impulse ne Schülerin nach dem Dvorˇák-Konzert, sich seine Neugier auf das Unbekannte zu setzen und das Bewusstsein für die Be- noch während sie enthusiastisch applau- auch in späteren Jahren bewahren. deutung von Musikalischer Bildung für dierte. Beeindruckend aufmerksam und den Einzelnen und für die Gemeinschaft zunehmend begeistert hatten in den 75 Education-Arbeit der ARD zu schärfen. Kulturelle Teilhabe ist eine Minuten zuvor fast 320 Mädchen und Wir, die ARD, widmen uns dem Thema Voraussetzung dafür, die enorme kultu- Jungen im Rolf Liebermann-Studio des Musikvermittlung nicht erst, seit es „Das relle Vielfalt in Deutschland zu erhalten NDR Antonín Dvorˇáks Sinfonie Nr. 9 ge- Dvorˇák-Experiment – Ein ARD-Konzert und weiter auszubauen – auch als lauscht, gespielt vom NDR Sinfonie- macht Schule“ gibt. Zur ARD gehören 24 Grundlage für eine funktionierende Ge- orchester unter der Leitung seines Chef- bedeutende Orchester, Chöre und Big- sellschaft. Alle sind gefordert, kulturelle dirigenten Thomas Hengelbrock. Zudem bands sowie ein Kinderchor. All diese En- Teilhabe zu ermöglichen: Eltern, Schulen, verfolgten tausende Schülerinnen und sembles engagieren sich seit langem für Musikhochschulen und -vereine, die Po- Schüler das Konzert live im Unterricht Kinder und Jugendliche und bieten jedes litik und die ARD. oder im Sendesaal einer Landesrundfunk- Jahr diverse Education-Konzerte an. Das anstalt der ARD – angeboten als Video - reicht von Familienkonzerten und Mit- Nachfolgeprojekt 2015 livestream von ARTE Concert. Insgesamt mach-Musiken über musikalische Besu- Gemeinsam mit dem Deutschen Musikrat beteiligten sich bundesweit rund 360 che von Ensemble-Mitgliedern in den will die ARD für das Thema „Musikali- Schulklassen und etwa 22 000 Schüler Schulen bis hin zur Sonntagsmusik für sche Bildung in Deutschland“ Aufmerk- am Musikvermittlungsprojekt von ARD die Kleinsten – parallel zum Konzert für samkeit erzeugen und das entsprechende und Deutschem Musikrat. Mit viel Elan die Großen. Diese Angebote werden wir Engagement beibehalten. Das Projekt und enormer Kreativität hatten sie sich aufrechterhalten, denn sie erfreuen sich „Ein ARD-Konzert macht Schule“ wird auf das Konzert vorbereitet, Dvorˇáks Sin- eines enormen Zuspruchs: Pro Jahr zäh- daher, unter Federführung des Bayeri- fonie beispielsweise choreografisch oder len alle ARD Education-Konzerte zusam- schen Rundfunks, 2015 fortgesetzt. Wie- filmisch umgesetzt, zum Dvorˇák-Rap ver- men genommen etwa 180 000 junge Be- der sind Schülerinnen und Schüler bun- fremdet und auf Bierflaschen und selbst- sucherinnen und Besucher. desweit eingeladen, mitzumachen und gebastelten Panflöten gespielt. sich auf den Konzerthöhepunkt im No- Musikvermittlung im Diskurs vember 2015 vorzubereiten. Zentrale In- Musikvermittlung als Wenn es um klassische Musik geht, sind formationen werden rechtzeitig auf schul- gesellschaftliche Aufgabe allerdings, gerade bei jungen Menschen, konzert.ard.de veröffentlicht. Musik unmittelbar zu erleben, zu versu- immer wieder gewisse Schwellenängste Bei alledem bleibt der Deutsche Musikrat chen, sich in den Komponisten und seine zu beobachten. Das ist in vielen Fällen Kooperationspartner der ARD. Für uns ist Klangideen hineinzuversetzen, dabei zu nachvollziehbar, denn es gibt nicht im- es wertvoll, auf das etablierte und weit- sein, wenn aus einem Konzert ein gemein- mer einen natürlichen Bezug zu klassi- verzweigte Netzwerk des Musikrats zu- schaftliches Klangerlebnis wird – diese scher Musik. Wenn an deutschen Schulen rückgreifen zu können. So können wir Möglichkeit wollten wir Schülerinnen und Unterricht ausfällt, dann ist oft der Mu- den Kontakt zu Schulen, Musikhochschu- Schülern der Klassen 5 bis 13 verschaf- sikunterricht betroffen. Darunter leidet len, Hochschulen und Vereinen noch bes- fen. Denn die Musikvermittlung gehört die Musikvermittlung, was vor allem sol- ser gewährleisten. Der ARD ist es grund- zum Kultur- und Bildungsauftrag der che Kinder trifft, die nicht schon von sätzlich wichtig, mit den in puncto Kul- ARD – und dieser Auftrag kann und darf Haus aus mit klassischer Musik in Berüh- tur- und Bildung wortführenden Interes- durchaus auch auf unterhaltsame Art und rung kommen. Wir, die ARD, versuchen, sengruppen beständig zusammenzuarbei- Weise erfüllt werden. Wie der Deutsche jungen Menschen zu diesem Thema viel- ten. Schließlich geht uns musikalische Musikrat, so sieht es die ARD als wichtige fältige Angebote zu machen und diese, Bildung alle an. gesellschaftliche Aufgabe an, das kreative, wo es passt, mit einer gewissen Leichtig- das musikalische Potenzial von Kindern keit zu verbinden. Über Defizite bei der Joachim Knuth ist seit 2008 Programmdirektor Hör- und Jugendlichen zu wecken und zu för- musikalischen Bildung sollten wir zudem funk des Norddeutschen Rundfunks und amtierender Vorsitzender der ARD-Hörfunkkommission, dem Zu- dern, sie an klassische Musik heranzufüh- öffentlich diskutieren und Lösungen an- sammenschluss aller Hörfunkdirektorinnen und -di- ren. Denn wir wissen, dass in dieser Hin- bieten, so wie in diesem Jahr bei einem – rektoren der ARD. Außerdem ist er Geschäftsführer sicht die Kinder- und Jugendzeit prägend dem „Dvorˇák-Experiment“ vorgelager- der NDR Media GmbH, Vorsitzender des Beirats ist: Wer in Kindergarten, Schule oder Mu- ten – Symposium am 18. September in Deutscher Radiopreis und Aufsichtsratsmitglied bei sikschule den Reichtum der Kulturellen Berlin; initiiert vom Deutschen Musikrat der Deutschen Presseagentur (dpa).

1/15 52 bildung | forschung © Holger Schneider Ja, ich will!

Die Strebetendenz-Theorie erklärt die emotionale Wirkung von Klängen Bernd Willimek

Musik erzeugt Emotionen – das er- Erst wenn wir daran denken, dass Mu- tion, so die Theorie, werden die Willens- scheint uns selbstverständlich. Aber nur sik aus schwingenden Luftmolekülen be- vorgänge emotional gefärbt. selten fragen wir danach, wie es dazu steht, wird uns bewusst, wie seltsam wir kommt. Wie hängen Schallwellen und die Emotionalität von Musik eigentlich Identifikation mit dem Willensinhalt emotionale Stimmung zusammen? Die finden müssten. Denn was haben Wie kann man sich das vorstellen? Ein neue Strebetendenz-Theorie besagt: Es schwingende Luftmoleküle mit Emotio- Beispiel: Bei einem Dur-Akkord identifi- kommt dabei auf die in der Musik nen zu tun? zieren wir uns mit dem Willensinhalt „ja, encodierten Willensvorgänge an. Bernd Langjährige psychologische und neurolo- ich will“, bei einem Mollakkord mit dem Willimek über neue Erkenntnisse der gische Untersuchungen zu dieser Frage Willensinhalt „ich will nicht mehr“. Die- musikalischen Emotionsforschung und brachten keine Antwort. Doch seit einiger ser Willensinhalt „ich will nicht mehr“ ihren Wert für die Musiktherapie. Zeit verblüfft die Strebetendenz-Theorie kann nun traurig oder wütend erschei- mit der Aussage, Musik könne nicht direkt nen, je nachdem, ob ein Moll-Akkord lei- Emotionen vermitteln, sondern nur Wil- se oder laut gespielt wird. Wir unter- lensvorgänge, mit denen wir Hörer uns scheiden hier genauso, wie wir unter- identifizieren. Erst durch die Identifika- scheiden würden, wenn jemand den Satz

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Mag ich oder mag ich nicht? Die Strebetendenz-Theorie besagt: Wir identifizieren Klang mit unserem Willensinhalt (Bild: JSB Ensemble Stuttgart).

„ich will nicht mehr“ einmal leise flüs- Ausdruck von Harmonien im Film sie zur sogenannten Sixte ajoutée und ist tert und einmal laut heraus schreit. Leise Eine weitere Quelle: die Filmmusik. Auch Ausdruck von warmer Geborgenheit, von geflüstert klingt er traurig, laut geschrien da zeigten sich Parallelen zu den Tester- gemütlicher Zweisamkeit. Fügt man ihr wütend. gebnissen. Ein Beispiel ist der verminderte stattdessen die große Septime hinzu, Doch Moll kann noch mehr: Äolisches Septakkord. Den verwendet die Filmmu- klingt sie auf einmal wehmütig und Moll etwa erzeugt ein Gefühl von Gefahr, sik als Ausdruck von Panik und Verzweif- sehnsüchtig. Sie passt dann zu rührenden Spannung und Abenteuer. Aus diesem lung. In Umfragen beschrieben Kinder Abschiedsszenen. Die Dominante dage- Grund untermalen Kriminalfilme ausge- diesen Klang mit den Worten „etwas gen ist Ausdruck von Bewegung. Erhält sprochen gerne spannende Szenen mit Grausames“, „ein Nervenzusammen- sie zusätzlich die kleine Septime und Musik in äolischem Moll. Die Strebeten- bruch“, oder „ein Monster im Wald“. klingt laut, kann sie das freche Tempera- denz-Theorie beschreibt auch, wieso Dur Und diese Wirkung ist nicht neu. Schon ment eines Rolling-Stones-Songs vermit- mitunter traurig klingen kann – etwa, Johann Sebastian Bach setzte den Klang in teln. Leise gespielt wirkt sie eher wehlei- wenn gewisse Harmoniefolgen antizi- der Matthäuspassion an der erschüttern- dig und weinerlich. piert werden. Den Ursprung der emotio- den Stelle ein, an der sich das Volk dafür nalen Wirkung von Musik generell erklärt entscheidet, nicht etwa Jesus, sondern Neue Grundlage für Musiktherapie sie durch die Wirkung der mehr oder den Verbrecher Barrabas zu begnadigen. Doch nicht nur für die Musikwissen- weniger unbewusst wahrgenommenen Die Strebetendenz-Theorie erklärt die schaft sind die Erkenntnisse der Strebe- Obertöne. Wirkung des verminderten Septakkords tendenz-Theorie interessant. Bei einer Pi- aus dessen Leittönen. Der Effekt ist hier lotstudie am Kinderzentrum Maulbronn, Von der Diplomarbeit zur mit einem Aufschrei „nur nicht das!“ einer Klink für Kinderneurologie und So- weltweiten Studie vergleichbar. zialpädiatrie, zeigte sich, dass Kinder mit Der Grundgedanke der Strebetendenz- Sein Gegenstück, der übermäßige Drei- sozialen Störungen und Autismus be- Theorie, die inzwischen auch in engli- klang, ist bei Filmkomponisten ebenso stimmte Klangbeispiele anders einschätz- scher Sprache vorliegt („Theory of Musi- beliebt. Er erzeugt die Vorstellung des ten als Kinder ohne Störungsbilder. Diese cal Equilibration“), wurde bereits in der Staunens, des Sich-Wunderns. Das lässt Beobachtungen lassen an Einsatzmöglich- Diplomarbeit Das musikalische Raumphäno- sich hervorragend im Film Das doppelte keiten auch für die Musiktherapie den- men formuliert (Hochschule für Musik Lottchen von Josef von Baky beobachten: ken. Andere interdisziplinäre Projekte auf Karlsruhe, 1987). Eine erste Publikation Als sich die beiden Zwillinge zum ersten der Basis der Strebetendenz-Theorie sind Die Strebetendenz-Theorie – Wie Harmonien Mal staunend gegenüberstehen, bringt in Planung. Emotionen erzeugen folgte erst 1998 im die Filmmusik eine Aneinanderreihung Tonkünstlerforum Baden-Württemberg. von übermäßigen Dreiklängen. Bei Befra- Seither haben Presse, Rundfunk und gungen beschrieben Kinder den übermä- Fernsehen mehrfach darüber berichtet. ßigen Dreiklang mit den Begriffen „un- Großes Aufsehen erregte schließlich eine wirklich“, „zauberhaft“ und „wie im von Bernd und Daniela Willimek entwor- Traum“. Doch wie erklärt sich der Cha- fene, weltweit durchgeführte Studie, bei rakter? Die traditionelle Harmonielehre der Musikbeispiele emotionalen Begrif- sagt, dass man bei diesem Klang nicht fen und Märchenszenen zugeordnet wer- eindeutig feststellen kann, welche seiner den sollten. Über 2100 Probanden aus drei Töne konsonant und welche disso- vier Kontinenten, darunter auch die Wie- nant klingen. Und dieses Hin- und Her- ner Sängerknaben und die Regensburger flimmern der Dissonanzempfindung ist Domspatzen, nahmen daran teil. Mit ei- auch für die Strebetendenz-Theorie ent- ner Trefferquote von insgesamt 86 Pro- scheidend: Hier verläuft die Identifika- zent entschieden sich die Probanden für tion des Hörers mit Willensvorgängen dasselbe Beispiel im Sinne der Strebeten- ambivalent, weswegen wir den Klang als Bernd Willimek studierte Mathematik und Physik an denz-Theorie. Parallel zu dieser Studie Ausdruck des Sich-Wunderns empfinden. der Universität Karlsruhe und Musik an der Hoch- untersuchten die Autoren Lieder ver- schule für Musik Karlsruhe (Hauptfach Musiktheorie schiedener Epochen auf die Verbindung Rührend – die Subdominante und Komposition). Er ist freiberuflich als Musiktheo- von Musik und Emotionen – mit ähnli- Ganz anders die Subdominante. Wenn retiker und Komponist tätig und Autor der Strebeten- chen Ergebnissen. man ihr die große Sexte hinzufügt, wird denz-Theorie.

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Erklär mir Pop:

Viele Popsongs werden über Generationen hinweg gehört und ge- liebt – sie haben Popgeschichte geschrieben. Doch kennen wir je- weils die Hintergründe der Entstehung, den musikalischen Aufbau oder die Rezeptionsgeschichte? Udo Dahmen stellt in seiner Ko- lumne „Erklär mir Pop“ jeweils einen Song und Künstler aus der Popmusikszene vor – mit freundlicher Unterstützung des SWR, der Udo Dahmen die gleichnamige Hörrubrik seit Anfang des Jahres 2013 ausstrahlt. Udo Dahmen studierte klassisches Schlagzeug an der Hochschule für Mu- sik und Tanz Köln. Bevor er von 1983 bis 2003 als Dozent an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg tätig war, arbeitete er als Musikpädagoge und freiberuflicher Musiker. Seit 2003 ist er Künstlerischer Direktor, Geschäfts- führer und Professor der Popakademie Baden-Württemberg.

Yoo Doo Right VON CAN

Der Track Yoo Doo Right erschien im Afrika und New Wave sind wesentliche Bestandteile dieser September 1969 auf dem Debutalbum Yoo Doo Right erinnert vor allem durch Komposition und ein Grundprinzip des Monster Movie und war Ergebnis einer das repetitive, ostinate und eindringliche Schaffens von Can. sechstündigen Improvisationssession, die Schlagzeugspiel von und das Dazu treten Geräusche und Klangstruktur die Band im August 1968 auf dem Schloss prominente ostinate Bassriff von Holger der Orgel und Gitarre in für die damalige Nörvenich in der Nähe von Köln auf- Czukay an afrikanische Musik. Gleich - Zeit eher untypischer Funktion. Die Ge- nahm. Die Session wurde auf eine für ei- zeitig werden Stilmerkmale geprägt, die sangsstimme wird durch gehend als ne Vinylplattenseite mögliche Länge von später im New Wave und in der elektro- gleichberechtigtes weiteres Instrument ca. 20 Minuten zusammengeschnitten. nischen Musik von den 1980-Jahren an behandelt. Can ist durch ihren rhythmischen, repeti- stilbildend werden. Über dem Rhythmus- tiven Stil ein stilbildendes Kollektiv für teppich entwickelt der Sänger Malcom Revolutionär die Entwicklung der elektronischen Mu- Moony seinen mantraartigen Sprechge- Im Jahre 1968 kam dies einer musikali- sik der 1980er- und 1990er-Jahre. Depe- sang. und Irmin Schmitt schen Revolution gleich, da die Popmusik che Mode und ihr Produzent und Label- bauen auf diesem Geflecht von Rhyth- jener Tage stark an songdienlichen Struk- chef von Mute Records, Daniel Miller, mus und Gesang collagenartige Klänge, turen und Sounds orientiert war, wäh- ebenso wie die Independent Szene mit die im Verlaufe des Stücks beständig vari- rend Can als Experimentalkollektiv auf Sonic Youth oder Radiohead sprechen ieren. Die Improvisation und das Experi- der Basis der Rockmusik jener Tage von einem weitreichenden Einfluss der ment, die Musik am ostinaten Rhythmus grenzüberschreitende Instrumentalmusik Musik von Can auf ihr Schaffen. entlang aufzubauen und zu entwickeln, entwickelte. Mit ihren Einflüssen aus der

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Experimentell und eindringlich: die Band Can © CAN/Spoon Records

Weltmusik, aus der entstehenden psyche- Sein Besuch in New York, seine Auseinan- Vom Studio zum Museum delischen Rockmusik, dem Freejazz und dersetzung mit dem Werk von Andy Da sich die Band durch ihre große Eigen- der Neuen Musik widersetzen sich die Warhol und die Begegnung mit der Mu- ständigkeit einer typischen Vermarktung Produktionen von Can einer Einordnung sik von Velvet Underground veränderte im Mainstream widersetzte, wurde An- in die gängigen Rockmusikklischees. seine Vorstellung von zukunftsgerichteter fang der 1970er-Jahre das heute legendä- Musik nachhaltig, woraufhin er mit sei- re Can-Studio in einem ehemaligen Kino Ausbildung bei Stockhausen nem Studienkollegen Can im kleinen rheinischen Ort Weilerwist und Ligeti gründete. Der Schlagzeuger Jaki Liebezeit eingerichtet. Auf Anraten des befreunde- Mögliche Grundlage für das außerge- kam aus Manfred Schoofs Free-Jazz-En- ten Produzenten Conny Plank wurde Re- wöhnliche Schaffen sind die Herkünfte semble hinzu und mit Michael Karoli né Tinner als Toningenieur mit der Stu- der Musiker von Can: Irmin Schmitt und wurde ein junger banderfahrener Rock- dioleitung beauftragt. Das Studio ist heu- Holger Czukay hatten zu Beginn der gitarrist gewonnen. Malcom Moony, ein te im Rock’n’Pop-Museum in Gronau zu 1960er-Jahre bei Karl-Heinz Stockhausen in Paris lebender bildender Künstler wur- besichtigen. Can erhielt im Jahr 2003 an der Kölner Hochschule für Musik de Sänger der Band. Später veränderte den ECHO für ihr Lebenswerk. Komposition studiert. Irmin Schmitt war sich die Besetzung der Band, der Idee des als Dirigent und als Kapellmeister tätig. Er Kollektivs entsprechend, beständig, je- Die Hörrubrik Erklär mir Pop des SWR2 mit Udo Dah- hat bis zum heutigen Tage mehr als 40 doch blieb der Kern der Besetzung stabil. men ist immer samstags um 15 Uhr zu hören. Filmmusiken sowie eine Oper kompo- niert und aufgeführt.

1/15 56 wirtschaft | recht Spielregeln für einen FAIREN WETTBEWERB?

Die EU-Richtlinie zur kollektiven Wahrnehmung von Online-Rechten Tilo Gerlach

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Die Europäische Union hat eine Richt- chungsaufwand durch die Verwertungs- deutsche Urheberrechtswahrnehmungs- linie über die kollektive Wahrnehmung gesellschaft, der vor Ort am besten ge- gesetz, das Verwertungsgesellschaften von Urheber- und verwandten Schutz- leistet werden konnte. Mit der grenzüber- zahlreiche Verpflichtungen auferlegt. In rechten verabschiedet. Welche Ände- schreitenden Internet-Nutzung zeichnete anderen EU-Mitgliedsstaaten hingegen rungen diese für deutsche Verwertungs- sich hier eine Kehrtwende ein. Zum ei- existierte bis dato keinerlei Regulierung. gesellschaften mit sich bringt, welche nen wurde den Verwertungsgesellschaf- Darin sahen sowohl die GEMA als auch Vor- und Nachteile sich für Urheber ten von der EU-Kommission untersagt, in andere Verwertungsgesellschaften Wettbe- und ausübende Künstler daraus erge- ihren Gegenseitigkeitsverträgen Vorkeh- werbsnachteile gegenüber den Schwes- ben und wie praxisnah die neue EU- rungen dagegen zu treffen, dass die Nut- tergesellschaften in den betreffenden Richtlinie ist, erläutert Tilo Gerlach. zer in Ländern mit einem hohen Preis- Staaten, die unreguliert agieren konnten. niveau die Rechte dort erwerben, wo Dem Wunsch nach einheitlichen Stan- Verwertungsgesellschaften wie GEMA sie – dem dortigen Preisniveau geschul- dards und der Schaffung eines so ge- und GVL haben historisch gesehen zwei det – für einen Bruchteil zu erwerben nannten Level Playing Fields kamen die besonders wichtige Funktionen. Zum ei- waren. Dies hätte eine Abwärtsspirale bei EU-Kommission und das Europäische nen nehmen sie die Rechte aller Rechte- den Tarifen zulasten der Kreativen zur Parlament nach, indem Anfang 2014 eine inhaber gemeinsam war. Sie vertreten so- Folge gehabt. Zum anderen veröffentlich- Richtlinie für Verwertungsgesellschaften wohl populäre und wirtschaftlich erfolg- te die EU-Kommission die sogenannte verabschiedet wurde, die europaweite reiche Urheber oder ausübende Künstler EU-online-Musik-Empfehlung (Empfeh- Standards in der kollektiven Rechtewahr- als auch Unbekannte, die alleine ihre lung der EU-Kommission 2005/737/EC nehmung schaffen will. Als Richtlinie be- Rechte nicht wirtschaftlich verwerten vom 18. Oktober 2005 über die kollek- darf sie für ihre unmittelbare Wirkung könnten. Durch den Zusammenschluss tive grenzüberschreitende Lizenzierung der Umsetzung in nationales Recht, die aller Rechteinhaber entsteht eine gebün- von Urheber- und Leistungsschutzrech- bis April 2016 erfolgen muss. In delte Verhandlungsmacht auf Basis einer ten für legale Online-Musikdienste), mit Deutschland hat hierzu eine schriftliche Solidargemeinschaft aller Berechtigten. Im der ein Wettbewerb zwischen Verwer- Anhörung des Bundesministeriums der Hinblick auf die Lizenzierung gegenüber tungsgesellschaften oder anderen Lizenz- Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Nutzern führt das zum anderen da- gebern um das wirtschaftlich besonders stattgefunden. Aktuell wird dort intensiv zu, dass die Verwertungsgesellschaft einen attraktive Repertoire eröffnet werden an einem Gesetzesentwurf gearbeitet, der sogenannten One-Stop-Shop anbieten sollte. Diese Empfehlung nahmen zu- die verbindlichen Vorgaben der Richtlinie kann, in dem Nutzer ohne Schwierigkei- nächst die angloamerikanischen Musik- umsetzt. ten quasi das Weltrepertoire aus einer Hand verlage zum Anlass, ihr Repertoire aus erwerben können. Die Stärkung der Ver- der bisherigen Struktur der Verwertungs- Richtlinie bringt höheren handlungsmacht jedes Einzelnen auf der gesellschaften zurückzurufen. Verwaltungsaufwand mit sich einen Seite und die Schaffung des One- Die entsprechenden Repertoires wurden Kritisch bleibt anzumerken, dass mit der Stop-Shops für die Nutzer auf der ande- den Verwertungsgesellschaften dann auf Richtlinie eine Regulierung lediglich ei- ren Seite sind Garant für die Kulturelle Mandatsbasis zum Teil wieder einge- nes einzigen Marktteilnehmers, nämlich Vielfalt, denn nur so ist es möglich, auch räumt, wobei diese als Agentur fungier- der Verwertungsgesellschaften, geschaffen wenig bekanntes Nischenrepertoire zu ten, ohne dass die Verlage über einen ent- wurde. Jede im Wettbewerb zu Verwer- darstellbaren Kosten zu lizenzieren. sprechenden Berechtigungsvertrag mit tungsgesellschaften erfolgende Direkt - Dieser Grundsatz der Solidargemeinschaft für alle Berechtigten gleichermaßen gel- lizenzierung, sei es durch Verlage oder wurde jahrzehntelang gelebt. Die Rechte tenden Rechten und Pflichten verfügten. Produzenten, erfolgt weiterhin unregu- des Weltrepertoires wurden durch Ver- Dieser Rechterückruf wurde damit be- liert. Mit der Regulierung ist für die Ver- wertungsgesellschaften aus einer Hand gründet, dass es unter den Verwertungs- wertungsgesellschaften ein erheblicher vergeben, wobei die national tätigen Ver- gesellschaften einige schwarze Schafe ge- Verwaltungsaufwand verbunden. Tarife wertungsgesellschaften durch sogenannte be, bei denen Effizienz und Transparenz und Verteilungspläne müssen durch Mit- Gegenseitigkeitsverträge von ihren aus- zu wünschen übrig ließn. gliederversammlungen beschlossen wer- ländischen Schwestergesellschaften mit den, auch wirtschaftlich weniger attrakti- dem durch sie vertretenen Repertoire be- Der Wunsch nach einheitlichen ves Repertoire muss wahrgenommen traut wurden. Üblich war die territoriale Standards werden. Dies alles führt zu Transaktions- Lizenzierung im Heimatland des Nutzers. Für Deutschland stellte sich die Situation kosten, die für das wirtschaftlich erfolg- Dafür sprach auch der nötige Überwa- anders dar. Hier galt bereits das strenge reiche Repertoire überproportional hoch

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sind, denn die in Verwertungsgesellschaf- Frist in Betracht. In der Praxis bedeutet staat unterschiedliche Regelungen. Bisher ten gelebte Solidargemeinschaft fußt da- eine solche Regel beispielsweise für die werden diese Ansprüche ausschließlich rauf, dass das wirtschaftlich erfolgreiche GVL, die Sendeerlöse der Rundfunkver- von den dort ansässigen Verwertungsge- Repertoire letztlich das weniger erfolgrei- anstalter an ihre Berechtigten (ausübende sellschaften wahrgenommen. Diese An- che Repertoire mitfinanziert. Auch hier Künstler und Tonträgerhersteller) weiter- sprüche können in der Praxis nur durch- gilt – wie in allen Lebensbereichen – das leitet, dass für denselben Nutzungszeit- gesetzt werden, wenn sie von allen VGs sogenannte Paretoprinzip: 80 Prozent des raum zukünftig zwei separate Verteilun- zusammen wahrgenommen werden. Das genutzten Repertoires verursacht 20 Pro- gen stattfinden müssen. Denn während ist in Deutschland bewährte Praxis, denn zent des Verwaltungsaufwands, während des Kalenderjahrs leisten die Rundfunk- hier sind die Verwertungsgesellschaften die für die Kulturelle Vielfalt unerläss - veranstalter zeitnahe Akontozahlungen, für die Rechte der Privatkopie in der ZPÜ lichen übrigen 20 Prozent – da häufig während die Endabrechnung erst nach (Zentralstelle für private Überspielungs- schwer zu identifizieren – 80 Prozent der dem vorliegenden Jahresabschluss im rechte) organisiert. Wenn man dieses Verwaltungskosten verursachen. Folgejahr stattfinden kann. Objektiv mög- Prinzip nun aber mit dem europäischen Es scheint mehr als zweifelhaft, dass sich lich wäre in vielen Fällen eine Ausschüt- Wettbewerb verbinden würde, wäre die die Rechtsinhaber des wirtschaftlich at- tung innerhalb von neun Monaten. Hier- gemeinsame Wahrnehmung aller euro- traktiven, mit geringen Verwaltungskos- für müssten allerdings die bei den Ver- päischen Verwertungsgesellschaften zu- ten isoliert zu lizenzierenden Repertoires wertungsgesellschaften vorhandenen Res- sammen erforderlich – ein Mammutun- wegen einer stärkeren Transparenz und sourcen erheblich aufgestockt werden, ternehmen. Eine gemeinsame Wahrneh- Mitbestimmung aller Berechtigter in den was die Verwaltungskosten enorm stei- mung durch europäische Verwertungsge- Verwertungsgesellschaften für einen Ver- gern würde. Höhere Verwaltungskosten sellschaften wäre auch gar nicht erforder- bleib ihres Repertoires in den Verwer- bedeuten geringere Ausschüttungen an lich, da die deutschen Verwertungsgesell- tungsgesellschaften entscheiden. Letztlich die Berechtigten. Unmöglich wäre eine schaften die Rechte der Mitglieder aus- werden alle diese Effekte die wirtschaftli- rechtzeitige Ausschüttung nur dann, ländischer Verwertungsgesellschaften be- chen Nachteile, die für das wirtschaftlich wenn die Verwaltungskosten höher als die reits auf Basis der bestehenden Gegensei- erfolgreiche Repertoire mit der Solidar- Verteilsummen sein würden. Kann es im tigkeitsverträge lizenzieren können. Dafür gemeinschaft mit dem Nischenrepertoire Interesse der Berechtigten liegen, der bietet die zeitgleich zur Verabschiedung verbunden sind, nicht aufwiegen kön- Schnelligkeit geschuldete, unangemessen der Richtlinie erlassene sogenannte OSA- nen. Die Regulierung der Verwertungsge- hohe Verwaltungskosten hinzunehmen? Entscheidung des europäischen Gerichts- sellschaften schafft insofern gegenüber Hier bleibt zu hoffen, dass der deutsche hofs (EuGH, 27. Februar 2014 – Az. C- einer Direktlizenzierung außerhalb von Gesetzgeber die objektive Unmöglichkeit 351/12) einen Lichtblick: Territoriale Verwertungsgesellschaften keine Wettbe- einer fristgerechten Verteilung auch dann Monopole sind auch im europäischen werbsvorteile, sondern verschärft die be- annimmt, wenn diese zu unverhältnismä- Binnenmarkt für Verwertungsgesellschaf- stehenden Wettbewerbsnachteile. ßig hohen Verwaltungskosten führt. ten weiterhin zulässig, wenn sie für die Ob die neue Regulierung tatsächlich An- effiziente Rechtewahrnehmung erforder- reize schafft, die aus den Verwertungsge- Wettbewerb mit ausländischen lich sind. Vorbild könnte insoweit der sellschaften abgezogenen Repertoires die- Verwertungsgesellschaften bleibt österreichische Gesetzgeber sein, der sei- sen wieder zur Wahrnehmung zu über- ungewiss nen dort ansässigen Verwertungsgesell- tragen, erscheint mehr als zweifelhaft. Keine Antwort gibt die Richtlinie auch schaften entsprechende Monopole zu- auf die Frage, wie sich der von der EU- weist. Für gesetzliche Vergütungsansprü- Ausschüttungsfristen sind nicht Kommission gewünschte Wettbewerb che wären diese jedenfalls dringend er- praxisnah zwischen europäischen Verwertungsge- forderlich, denn sonst ließe sich das be- Betrachtet man die Regulierungen im Ein - sellschaften auf die Lizenzierungspraxis rechtigte Interesse der Nutzer an dem zelnen, so überrascht die Kombination auswirkt. Die Richtlinie sieht vor, dass One-Stop-Shop zur Abgeltung des Reper- von Detailverliebtheit und Praxisferne. So jede Verwertungsgesellschaft alle Rechte toires in einer Hand nicht sinnvoll um- wird z. B. verbindlich vorgegeben, Vergü- in jedem Mitgliedsstaat lizenzieren kann setzen und die Kulturelle Vielfalt bliebe tungen in einem Zeitraum bis neun Mo- und hierbei nur den Vorgaben ihrer hei- auf der Strecke. nate nach Ende des Kalenderjahrs, in dem mischen Aufsicht unterliegt. Für die ge- die Zahlung erfolgt ist, an die Berechtig- setzlichen Vergütungsansprüche – bei- ten auszuschütten. Nur wenn dies objek- spielsweise die Privatkopievergütung – Tilo Gerlach ist Geschäftsführer der Gesellschaft zur tiv unmöglich ist, kommt eine längere existieren bisher in jedem EU-Mitglieds- Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL).

1/15 report 59 © Thorsten Krienke Die Mühe, ein Musikinstrument zu üben, zahlt sich aus: Musik gibt Struktur, entlastet und macht Spaß. Leicht zu haben?

Warum Musik auch Mühe machen darf Holger Noltze

Kunst darf anstrengend sein. Diese The- Natürlich wird immer noch gelogen. der Sache gehen sollte. Das Große, das se verfolgt Journalist, Musik- und Me- Aber immerhin, jetzt gibt es ein Wort da- schwer zu überschauen ist, wird aufs arg dienwissenschaftler Holger Noltze in für, mit dem man sich schnell über den Überschaubare so heruntergekürzt, dass seinem Buch Die Leichtigkeitslüge. Über Sachverhalt verständigen kann: „Leichtig- es durch die engen Korridore kurzer Auf- Musik, Medien und Komplexität und unter- keitslügen“ meinen den im Zusammen- merksamkeitsspannen oder schwacher streicht damit die Notwendigkeit, Mu- hang mit Vermittlungsunternehmungen Vorkenntnisse oder geringen Interesses sik und Kunst in der Vermittlung nicht der Kultur und insbesondere der Musik noch hindurchpasst. ihrer Komplexität zu berauben. Für das nicht so seltenen Fall, dass der Gegen- Musikforum hinterfragt er die „Leichtig- stand, um vermittelbar zu werden, so Kritik an den „Vereinfachern“ keitslüge“ und stellt diese in einen grö- sehr seiner künstlerischen, ästhetischen Der Vorschlag, einem im Musik-, Medien- ßeren gesellschafts- und kulturpoliti- Substanz beraubt wird, dass es am Ende und Kulturbetrieb gelegentlich gefühlten, schen Zusammenhang. kaum noch erkennbar ist, worum es in aber in der Regel still ertragenen Phäno-

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men einen Namen zu geben, wurde von nenne ich eine Vermittlung, die ihre schaftlichen Denken eines erweiterten diesem Betrieb insgesamt ziemlich be- Maßstäbe (und ihre Fallhöhe) aus dem Horizonts: dass wir es bei „Kultur“ ja mit reitwillig angenommen. Der Verfasser zu vermittelnden Gegenstand (Kunst wo- einem Kennzeichen des Humanum zu wurde auf Podien und zu Streitgesprä- möglich) ableitet und einen Weg findet, tun haben und nicht nur mit einem Ka- chen eingeladen, bei denen man ihm es dem Adressaten als sinnvoll und wün- non von Meisterwerken, die im bürgerli- wohl entgegenhielt, es mit der Kritik an schenswert erscheinen zu lassen, diesen chen Bildungsprogramm eine Rolle spie- den „furchtbaren Vereinfachern“ zu Gegenstand näher zu erfahren. Heißt: Ver- len; ferner, dass in diesem Land etwa die übertreiben, denn es gebe ja zum Beispiel mittlung von Kunst geht nur nach Maß Bedeutung migrantischer und postmi - auch … Hier ist dann in der Regel das und nicht nach Rezept. Der Schlüssel zur grantischer Kulturen notorisch ebenso Projekt einzusetzen, das die Kritiker der Vermittlung ist, das glaube ich immer übersehen wird wie die Pop-, Sub- und Kritik mit großem Erfolg seit vielen Jah- mehr, im Kunstwerk selbst zu suchen, Alltagskultur, die Implikationen der digi- ren realisiert haben und das der Verfasser diese Suche kann schwierig sein und es talen Revolution und noch viel mehr. In leider nur nicht hat kennenlernen dürfen. gibt keine Garantie, dass man ihn findet. diesem größeren Bild von Kultur sieht Zweiter kritischer Punkt: Er, der Verfasser, Und um von Musik zu reden: Es ist nun man am „klassischen“ Repertoire dann wisse es ja auch nicht besser. Worauf die- so, dass zum Musikmachen das Üben ge- gern vorbei. Demgegenüber erscheint das ser, nach einem glücklichen Fund bei hört, und selbst der Nachvollzug im Hö- Hochkulturschema vor allem als eines Karl Kraus, entgegnete, er (Leichtigkeits- ren auch von den Erfahrungen dessen ab- der Beharrung. Wo das auf gegenseitiger lügen- und Vermittlungskritiker) könne hängt, was man schon früher gehört hat. Ignoranz stabil ruhende Nebeneinander zwar keine Eier legen, sehr wohl aber rie- Übende Wiederholung kann nerv- und gelegentlich in ein direktes Gegeneinan- chen, wenn sie faul sind. Drittens gab es geisttötend sein, aber Wiederholung und der wechselt, bekannt in der Konkurrenz- auch Beifall, und nicht zu knapp, vier- Regelmäßigkeit sind nicht nur Techniken formel „KiTa oder Konzerthaus“, wenn tens, auch von der falschen Seite. Das der Spiel- und Selbstverbesserung, son- die Frage nach der Notwendigkeit meh- Missverständnis bestand darin, zu glau- dern auch heilsam: Sie geben Struktur, rerer Opernhäuser in Berlin oder dem ben, der Autor wolle Komplexität und erlauben Konzentration, ja Selbstverges- Fortbestehen terrestrischer Ausstrahlung Anstrengendsein als alleinige Kenn- und senheit, indem sie entlasten vom Druck, eines öffentlich-rechtlichen Klassikradios Gütezeichen für Kunst propagieren und etwas anderes tun zu müssen. Und das wie Bayern 4 aufkommt, dann gibt es Är- jede Vermittlungsbemühung als Quatsch ohne Esoterik und faulen Zauber! ger, und dem trotzigen „Muss bleiben!“ denunzieren. Was nun auch wieder antwortet ein achselzuckendes „Warum Quatsch ist. Der Mühe Lohn eigentlich?“ Es wird hier das Elend man- Überraschend, wieviel Verwirrung die Muss wiederholt werden, dass Musik cher laufenden und noch mehr unter- doch naheliegende Bemerkung stiftete, Mühe macht, diese Mühen aber meist gut drückten Debatten sichtbar. Ignoranz fin- dass Kunst ihren eigenen Gesetzen folgt belohnt werden? Im Grunde nicht, aber det sich nämlich auf beiden Seiten, im und deshalb auch anstrengend sein dürfe, das Besondere in der Kommunikation sturen Beharrungshandeln wie im schnö- aber nicht notwendigerweise müsse; dass über solche Zusammenhänge liegt darin, den „kann weg“ der Diagnostiker eines das Verschweigen der Ansprüche an An- dass sie innerhalb der musikalischen „Kulturinfarkts“. strengung insofern an der Sache vorbei- Community im weitesten Sinne unbe- geht; dass es aber auch die Momente stritten und selbstverständlich sind, au- Differenzierte Kultur blitzhaften Erkennens gibt (auch wenn ßerhalb aber keineswegs. Die Mühe, die Die Frage, warum man sich bemühen sie sich selten ganz ohne Vorbereitung sich Klavier- und Geigenschülerinnen, soll, etwa, um ein Instrument zu lernen einstellen); dass Kunst auch genial ein- zumal also solche der „klassischen“ Mu- oder auch eine Mahler-Symphonie nicht fach sein kann. Kann. Darf. sik, machen, werden hier schnell als Teil für Zeitverschwendung zu halten, ist eines bürgerlichen Disziplinierungs-, ja kaum losgelöst zu sehen von der Ant- Gute Vermittlung Unterdrückungsprogramms gesehen, das wort, die man sich in der Auseinanderset- bitter nötig, aber schwer freie Entfaltung eher begrenzt als fördert. zung um den Sinn von „Kultur“ gibt. Und die vielen schlimmen Beispiele, bei Hinzu kommt ein Affekt gegen „Hoch- Man darf die Grenzen dessen, was zur denen im Namen einer falsch verstande- kultur“, als dessen essenzieller Aspekt das Kultur zählt und was nicht, getrost weit nen Kulturellen Bildung die Vermittlung Klavier- oder Geigeüben ausgemacht fassen – und dennoch nicht gleich alles des guten Inhalts furchtbar vereinfachend wird. Es lohnt sich, diesem Affekt etwas gleich wichtig finden. Zur Mühe, die die ausfällt, dürfen nicht darüber täuschen, hinterherzudenken. Er speist sich, glaube Beschäftigung mit mehr oder weniger dass gute Vermittlung bitter nötig ist. Gut ich, einerseits aus einem kulturwissen- differenzierten Phänomenen dessen, was

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sich darunter fassen lässt, gehört auch, scheinen die Systeme sich gegenseitig zu Binsenweisheit, wächst aus den Erfahrun- unterscheiden zu lernen: Was kann was? verstärken, die Spirale dreht sich, und ge- gen, die man gemacht hat. Der Gegen- rade nicht nach oben. stand Musik hat das Problem, einerseits Komfort weg – Komplexität her allgegenwärtig „da“ und verfügbar zu Was bringt Menschen dazu, ihre Kom- Das Werben für Mehrwert sein wie nie, zugleich aber in den Kon- fortzone freiwillig zu verlassen? Es müs- Wie kommen wir da heraus? Das Lamen- kurrenzen der Ökonomie der Aufmerk- sen jedenfalls gute Gründe sein, und die to, dass alles so schlecht sei, ist der einfa- samkeit als Gegenstand differenzierter Kraft des bildungsbürgerlichen Impera- chere Teil. Es sollte übergehen in ein Wahrnehmung und eingehender Übung tivs „Das solltest du kennen/können!“ nüchternes Denken über die Kräfte, die verloren zu gehen. Wenn Musikmachen hat in den letzten 40 Jahren stark nachge- hier wirken. Wagenburgbildungen wer- in Familien seltener wird und der Musik- lassen. Schwerwiegender ist inzwischen den auf Dauer nicht helfen, wenn es da- unterricht in der Schule in immer noch wieder die Funktion klassischer Musik als rum geht, den Wert von Musik und die unbekanntem Ausmaß entfällt, dann wird soziales Distinktionsmerkmal, wie schon Nützlichkeit von Anstrengungen dafür ei- es für den Nachwuchs schwer, frühe Er- 1979 von Pierre Bourdieu beschrieben. ner Gesellschaft plausibel zu machen, de- fahrungen mit Musik zu machen, die ei- Klavierspielen kann auch ein Mittel gegen ren Mitglieder unentwegt als Konsumen- ne spätere Erfahrungsbereitschaft öffnen. die Abstiegsängste der Mittelschicht sein, ten angesprochen und als Konsumenten oder die Begleitmusik zum sozialen Auf- trainiert werden. Musik ist auch ein Wirt- Tiefsinn- vs. Leichtigkeitslüge stieg – in China scheint es so zu sein. In schaftsgut, man kann sie konsumieren, Deshalb glaube ich, dass eine weitere den Zonen eines fortgeschrittenen west- aber sie ist und kann eben mehr. Weil Rahmung der Frage, warum Musik auch lichen Kapitalismus wird dem Menschen, dieses Mehr zwar erfahrbar, aber schwer Mühe machen darf, darauf zielen sollte, wenn er nach seinem Tagwerk vor dem beschreibbar ist, bleibt das Werben da- die differenzierte Erfahrung von Musik Fernseher ausruht, das Aufstehen von der rum oft in Behauptungen stecken, die als Teil einer selbstverständlichen und für Couch durch eine Industrie schwer ge- denen, die es nicht erfahren haben, logi- alle zugänglichen kulturellen Bildung zu macht, die möglichst unausgesetzten scherweise als bloße Behauptung erschei- etablieren. Der kritische Reflex, kulturelle Konsum durch unablässige Versprechen nen muss. Warum ist es wichtig, sich um Bildung als das Gegenteil von Kultur zu auf sofortigen Lustgewinn stimuliert. Die einen Zugang zur Musik in ihrer Vielfalt sehen, als unverbindliches Bespaßungs - Mühe, die es macht, sich jenseits der All- und auch Komplexität zu bemühen? Da- angebot und „Tralala“, findet reichlich inclusive-Angebote auf differenziertere für kann es bessere Antworten geben als Gelegenheit, die Leichtigkeitslügen in Weise mit Musik zu beschäftigen und da- die umlaufenden: Einfach toll, Gänse- diesem weiten Feld aufzuspießen, das da- bei die mögliche Komplexität von Kunst haut, Evasion aus dem Alltag, Traditions- zu neigt „Alles immer gut“ zu finden. nicht als Ausschlusskriterium, sondern pflege, Stars und Spektakel, Virtuosität Doch gibt es, auf Seiten der (institutiona- womöglich als Herausforderung zu se- usw. alles etwas richtig, aber offensicht- lisierten) Kultur und des Feuilletons, hen, ist aber nicht selten verbunden mit lich nicht überzeugend genug. auch die Tiefsinnslügen. Zwischen den Lustaufschub. Das Gefühl dafür, dass die Mir scheint, dass wir auf dem Weg der Barrikaden ist reichlich Raum für den „Belohnung“ nicht sofort, dafür aber Kommunikation über Musik noch wei- fröhlichen Ernst der Musik. Machen wir weit größer ausfällt als bei den Instant- terkommen können und dass die Vermitt- uns nichts vor: Es wird Mühe machen, Angeboten der musikalischen Fastfood- lungsinstanzen Schule und Medien noch ihn zu gehen. ketten, kann abhandenkommen, wenn Potenziale haben. Gelegentlich ist Bewe- man den Vermittlungsinstanzen, den Leh- gung zu spüren, und das Denken ist oft Das Buch Die Leichtigkeitslüge. Über Musik, Medien rern, Eltern, Journalisten, Intendanten, schon weiter als das Gewohnheitshan- und Komplexität von Holger Noltze erschien 2010 bei der edition Körber-Stiftung, die Publikation Alles im- usw. nicht mehr vertraut, dass sich der deln. mer gut. Mythen Kultureller Bildung des Rats für Kul- versprochene Lohn nach der Phase der turelle Bildung steht als freier Download im Internet Mühe auch einstellt. Der Kreditrahmen, Erfahrungsbereitschaft als zur Verfügung. der Vorschuss ist kleiner geworden, und Grundlage dies auffallend ähnlich überall da, wo Wir können besser vermitteln. Aber die Vermittlungsvorgänge geschehen, also beste Vermittlungsbemühung hat es nicht nur in den Medien und im Kultur- schwer, wenn die Bereitschaft, etwa betrieb, sondern auch in der Schule und durch Musik eine ästhetische Erfahrung Holger Noltze ist Professor für Musik und in den Bezirken der non-formalen und überhaupt machen zu wollen, nicht da Medien/Musikjournalismus an der TU Dortmund und informellen Bildung. An diesem Punkt ist. Erfahrungsbereitschaft, soweit die Sprecher des Rats für Kulturelle Bildung.

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Sergej Prokofjew: sche Shooting-Star am Dirigen- auf Demente und die jeweils da- Iwan der Schreckliche tenpult des Deutschen Sympho- mit verbundenen Hoffnungen nie-Orchesters Berlin, hatte das und Erwartungen, die an das ge- Oratorium für Alt, Bass, Kna- Werk im Januar 2013 zusammen meinsame Singen geknüpft wer- benchor, Chor und Orchester mit dem Rundfunkchor sowie den. op. 116 Olga Borodina, Ildar Abdraza- dem Staats- und Domchor Berlin, Warum Singen glücklich Zusammenfassend lernt man aus kov, Rundfunkchor Berlin, der Mezzosopranistin Olga Boro- macht dieser Veröffentlichung unter an- Staats- und Domchor Berlin, dina und dem Bass Ildar Abdra- derem, dass gemeinsames Singen Deutsches Symphonie-Orches- zakov aufgeführt. Nun liegt dieser Gunter Kreutz in Gruppen oder Chören auf je- Psychosozial-Verlag, ter Berlin, Ltg. Tugan Sokhiev wertvolle Beitrag zur Repertoire- den Fall emotional bereichernd, Sony Classical, 18,99 Euro Gießen 2014 Erweiterung der Prokofjew-Ein- 192 S., 16,90 Euro physisch und psychisch stärkend spielungen auf CD vor. und erhebend erlebt wird, dass Stalin tobte. Persönlich hatte er Von Beginn an offenbart sich die Gunter Kreutz forscht als Musik- hierfür aber nur in begrenztem den Auftrag für die Erstellung ei- ganze Bandbreite der pluralisti- wissenschaftler an der Carl von Maß belastbare und objektive Be- nes Propagandastreifens über schen Ausdruckskraft Prokofjews. Ossietzky Universität in Olden- weise im wissenschaftlichen Sinn Iwan den Schrecklichen gegeben. Die filmischen Notwendigkeiten burg und legt nun eine umfas- erbracht werden können. Denn in ihm sah er einen vor- vergrößerten noch einmal das oh- sende Darstellung der wissen- Kreutz belässt es nicht dabei, le- bildlichen Staatsmann, der das nehin breite Spektrum. Traditio- schaftlichen Literatur zum diglich die verschiedenen Unter- rücksichtslose Vorgehen gegen nelle Melodien („Ozean-Meer“) gemeinsamen Singen in Chören suchungen zu beschreiben, ihre das eigene Volk als notwendige und liturgische Gesänge wechseln vor. Dem Autor ist es gelungen, Methode kritisch zu würdigen Reaktion auf Intrigen legitimierte. mit vorantreibenden Rhythmen die auf den ersten Blick etwas und die Ergebnisse zu referieren Das sollte Blaupause und Freibrief und tonalitätssprengenden Ele- spröde und sperrig wirkende Ma- und zu interpretieren. Er liefert für Stalins eigenes brutales innen- menten ab. Mal klingt’s nach Peter terie gut lesbar aufzubereiten und auch die Informationen, die zum politisches Handeln sein. Und und der Wolf beim „Marsch des ein informatives, zuweilen sogar Verständnis dessen notwendig nun das: Statt einer Glorifizierung jungen Iwan“, dann wieder nach unterhaltsames Buch dazu zu ver- sind, z. B. in Kapiteln wie „Sam- sah man in der zweiten Folge des amerikanischer Filmmusik à la fassen. meln, Säen, Singen – wie der Historienepos eine „von Macht- John Williams im Orchesterstück Kreutz stellt wiederholt dar, dass Mensch zur Sprache fand“, „Von gier und Zweifeln geplagte Füh- „Ich werde Zar“. Visionen von beim gemeinsamen Singen per- Liedern und Neuronen“ oder rerpersönlichkeit“ (Maria Bie- Tod und Gewalt („Auf den Kno- sönliche Erfahrungen von Sänge- „Singen als Heilverfahren“, in de- sold). Das war Verrat. chen der Feinde“) werden abge- rInnen einerseits und belastbare, nen geschichtliche, medizinische Verantwortlich für die Fehlinter- löst von lyrischen Passagen wie wissenschaftlich gesicherte Er- oder Ergebnisse der Hirnfor- pretation „durch Unwissenheit in im Gesang „Der Schwan“. Das gebnisse andererseits wohl unter- schung usw. kurz und zugleich Bezug auf historische Fakten“, Wiegenlied „Vom Biber“ offen- schieden werden müssen. Er re- gut verständlich dargestellt wer- wie es am 4. September 1946 in bart schon in der unheilverkün- feriert hierzu empirische Unter- den. der Verlautbarung des ZK der denden Intonation der Streicher suchungen von verschiedenen re- Last but not least: Gunter Kreutz KPdSU hieß, waren der gefeierte geheimste Machtlust, die bei Olga nommierten Instituten zu Fragen hält auch mit eigenen Standpunk- Regisseur Sergej Eisenstein (Pan- Borodina durchaus mehr Inten- wie der, ob Singen gesund sei, ob ten nicht hinter dem Berg. So setzt zerkreuzer Potemkin) und der sität haben könnte. Mit ätzender Singen beispielsweise das Wohl- er sich u. a. kritisch mit Casting- Komponist Sergej Prokofjew. Sie Schärfe stürzt sich dagegen das befinden, die Stressresistenz, die shows auseinander, die „Men- hatten nach dem preisgekrönten Orchester in den „Tanz der Oprit- kognitive Leistungsfähigkeit, das schen eben nicht einander näher ersten Part über die Thronbestei- schniki“, bevor der Chor im Fi- Selbstwertgefühl oder die soziale bringen, sondern eher dazu bei- gung Iwans im zweiten Teil die nale die Rückkehr des Zaren her- Verbundenheit fördere, und er tragen, die Gesellschaft zu spal- Tragödie eines Böses schaffenden beifleht. Hier ist nichts Zufälliges, belegt einsehbar, wo jeweils die ten“. Zaren entworfen. Der Film kam nichts Flüchtiges. Von Tugan Sok- Grenzen der Untersuchungen Wer sich näher mit den psycho- erst 1958, fünf Jahre nach Stalins hiev, dem Deutschen Symphonie- bzw. der daraus gewonnenen Er- sozialen Wirkungen des gemein- Tod, in die russischen Kinos. An- Orchester und den Chören wird kenntnisse und Schlussfolgerun- samen Singens beschäftigen fang der 1960er-Jahre stellte der alles mit Klarheit und Exaktheit gen liegen. Die von Kreutz refe- möchte, dem sei das Buch von Dirigent Abram Stassewitsch mit dargestellt. rierten Untersuchungen beziehen Gunter Kreutz nachdrücklich einzelnen musikalischen Num- Christoph Ludewig sich sowohl auf Säuglinge und empfohlen. mern ein Oratorium zusammen. Kinder als auch auf Erwachsene Wolfgang Koperski Tugan Sokhiev, der junge russi- jeden Alters, auf Kranke und sogar

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schrieben, über die sich Theater- Balletteinlagen weichen klein be- Feststellung, es seien überwie- leute klar werden sollten, ehe sie setzten Gesangs- und Chorstü- gend heute vergessene Hauskom- die Hebel des Vergessens ansetzen. cken. Dies zu belegen, ist viel Ma- ponisten gewesen, die seinerzeit 400 Jahre Schauspielmusik im eu- terial zusammengetragen und den Großteil der Bühnenmusik ropäischen Theater. Ein weites ausgewertet worden. Beklagt wird bestritten hätten. Sehr löblich ist, Theater mit Musik Feld, das nur angerissen werden indes – auch andernorts – die dass Bühnenmusiken Hanns Eis- konnte. Der forscherische Weg Ignoranz der Germanistik und Li- lers und Kompositionen zu Auf- 400 Jahre Schauspielmusik führt durch den halben Kontinent teraturwissenschaft gegenüber führungen von Peter-Hacks-Stü- im europäischen Theater – Bedingungen – Strategien – und ermöglicht für den interes- der Bühnenmusik. Tatsächlich tritt cken ihre eigenen Kapitel haben. Wahrnehmungen sierten Leser einen Einstieg. Musik für das Theater oft genug Mangel des Buchs: Einzelne Bei- Ursula Kramer (Hg.) Die Schrift hebt an mit Ergebnis- als Beigabe, als Affekt- und Effekt- träge reihen lediglich soziologi- transkript-Verlag, Bielfeld 2014 sen eines DFG-Forschungspro- geberin auf, was den Autoren der sche, literarische, musikalische, 461 S., 44,99 Euro jekts zur Schauspielmusik im deut- Beiträge sehr wohl bewusst ist. theaterpraktische Phänomene auf. schen Sprachraum zwischen 1500 und Fast alle Autoren beklagen zu- Oft bleiben soziale Hintergründe „Theater mit Musik“ meint Musik 1700. Es ging darin um die Sich- gleich die Dürftigkeit der Quel- ausgespart. Kritische Sätze zu Pro- für die Sprechbühne. Die hat ih- tungsarbeit ganzer Bündel von lenlage. Bühnenmusik zu erfor- blemen der jeweils behandelten rerseits im neuen Jahrhundert Ver- Dramen, bei denen sich heraus- schen, sei mühsam. Mühsam, Epoche sucht man vergebens. änderungen erfahren, welche den stellte, das in neunzig Prozent der weil es oft schwierig ist, an die Stefan Amzoll Einsatz von Musik ungleich mehr Spiele nachweislich musiziert Belege in Gestalt von Notenblät- ermöglichen, als der Sprech- wurde. Arbeiten großer Kompo- tern, Particelli oder Partituren zu bühne gemeinhin zuzumuten ist. nisten seien eher selten, konsta- gelangen. Vieles namentlich aus Auf deutschen Bühnen donnern tiert die Autorin Irmgard Scheit- der Frühzeit sei verschollen oder die Rockbandsounds nur so aus ler. In Deutschland sei vornehm- existiere nur rudimentär, als ver- dem Lautsprecher selbst bei Auf- lich an Schulen gespielt worden baler Eintrag in den Dramentex- führungen von antiken Dramen. oder auf Initiative von Bürger- ten. Stephanie Klauks Untersu- Computergenerierte Klänge pfei- gruppen und an Adelshöfen. chungen zur Schauspielmusik in fen einem bei Lessing, Goethe, Während Berufsschauspieler in Spanien vor Lope de Vega sind vor Schiller um die Ohren. Geschicht- Wandertruppen von Ort zu Ort allem methodisch aufschluss- lich ein tief greifender Wandel. gezogen wären, hätten Kantoren, reich. Aus über 1 000 Dramen- Allerdings, die neuen Möglich- Organisten und Kammermusiker texten, schreibt sie, konnten im keiten der Bühnenmusik sind mit die Kompositionen geliefert. Die Rahmen eines Forschungsprojekts einem gravierenden Defizit er- Ausführenden seien in den meis- mehrheitlich Liedtexte erschlos- kauft worden. Das lebendige Mu- ten Fällen Laien gewesen. sen werden, deren Formen auf sizieren auf der und für die Nicht fehlen durfte die „Schau- Vertonungen der musikalischen Bühne verkümmert. Der Live- spielmusik in der ‚klassischen‘ Gattungen Villancico, Romance Musiker, letztes Glied der Kette, Provinz“, voran Goethes Initiati- und Madrigal hindeuten. Das Prob- scheint überflüssig. Audioproduk- ven am Weimarer Hoftheater, das lem der Zuordnungen erläutert tionen und Videoclips ersetzen 1798 mit der Inszenierung von die Autorin an Dramentexten, die die Kapelle. Die freie Szene muss Schillers Wallensteins Lager eröff- Juan del Encina, Dramatiker und sich mehr denn je beschränken, nete. Die Autorin findet heraus, zugleich Komponist, für den Her- die Gitarre oder der Laptop muss dass im Soldatenlager der seiner- zog von Alba in Salamanca ge- reichen. Hauskomponisten und zeit bekannte „Pappenheimer dichtet hat. Eine hochinteressante -ensembles oder gar Leiter einer Marsch“ als Kriegsmusik fungiert Studie. Für Benjamin Scholten Abteilung Bühnenmusik sind hätte. Eingebaut worden wären sind indes die erhaltenen Regie- kaum mehr auszumachen; der auch Chor-, Lied- und Tanzeinla- bücher im Sprechtheater des frühen Fall hat sich erledigt. gen. Tendenz am Hoftheater: Au- 20. Jahrhunderts ein Glücksfall für Vor diesem Hintergrund kommt toren experimentieren mit dem die Forschung. Was ihm ermög- nun dieser Sammelband, heraus- antiken Chor. Das Arrangement lichte, auch Edmund Meisels aus gegeben von Ursula Kramer. Da verfügbarer Formen dominiert 32 Einzelnummern bestehende müssten doch die Theatraliker er- vor extra komponierten Musiken. Musik Brechts Mann ist Mann zu wachen. Traditionen sind hier be- Omnipotente Musikszenen mit untersuchen. Wichtig ist seine

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Weihnachtsmärkte zu Winterfesten

Was muss eigentlich noch passieren, da- terfeste umzubenennen unsere Kulturelle Musikleben im Diskurs mit der kommunalpolitische Wildwasser- Vielfalt gefährdet wird. Kulturelles Erbe kurs der Bezirksbürgermeisterin Monika wie andere Herkunftskulturen gehören Herausgeber: Herrmann aus dem Berliner Bezirk Fried- dazu. Wer die christlich-abendländische Deutscher Musikrat Gemeinnützige Projektgesellschaft mbH richshain-Kreuzberg endlich beendet Prägung unseres Landes negiert, gefähr- Weberstr. 59, 53113 Bonn wird? Abwahl und Aufarbeitung der bei- det nicht nur die innere Sicherheit, son- [email protected] in Zusammenarbeit mit Schott Music: spiellosen Liste von zum Teil demokratie- dern spielt jenen Kräften in die Hände, Rolf W. Stoll gefährdenden Fehlentscheidungen wäre die Vielfalt durch Einfalt ersetzen wollen. Verantwortlich i. S. d. Pressegesetzes: das Mindeste. Warum ich Ihnen diese Zu unserer Kulturellen Vielfalt gehören Prof. Christian Höppner traurige Provinzposse näher bringen die Weihnachts- und Christkindlmärkte Redaktion: Chefredakteur: Prof. Christian Höppner möchte, wo doch der BER viel höhere genauso, wie die Vielfalt an Religionsge- Schumannstr. 17, 10117 Berlin [email protected] Wellen schlägt? Weil zum Beispiel mit meinschaften und ihre Kirchen. Fon 030-308810-10, Fax 030-308810-11 dem Gebot, Weihnachtsmärkte als Win- Karl Senftenhuber Prof. Dr. Hans Bäßler Dr. Alenka Barber-Kersovan Andreas Bausdorf Susanne Fließ Deutscher Kulturrat ruft zum Tag gegen TTIP, CETA und Co. Rüdiger Grambow Dr. Benedikt Holtbernd Prof. Dr. Birgit Jank Dr. Ulrike Liedtke Welcher Tag im Jahr ist besser geeignet, Täglich erhalten Sie über diese Seite neue Prof. Dr. Helmut Scherer Ariane Simons um gegen TTIP, CETA und Co. zu kämpfen, Informationen zu den Freihandelsab- Rolf W. Stoll als der Internationale Tag der Kulturellen kommen und ihren Wirkungen auf den Margot Wallscheid Vielfalt am 21. Mai? Die gerade in Kulturbereich. Selbstverständlich lassen Berater der Redaktion: Stephan Mayer Verhand lung befindlichen Freihandelsab- wir auf der Seite nicht nur Kritiker von Chefin vom Dienst: kommen mit den USA und Kanada gefähr- TTIP, CETA und Co. zu Wort kommen, son- Susann Eichstädt den die Kulturelle Vielfalt fundamental. dern auch Befürworter der Verhandlun- Redaktionsassistenz: Wir bitten deshalb alle Bürgerinnen und gen. Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung! Sophia Gustorff Bürger, an diesem Tag in die Öffentlich- • Haben Sie eine Idee für eine Aktion Produktion und Schlussredaktion: Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz keit zu gehen, um über die Gefahren von und suchen noch Mitstreiter? Design: Nele Engler TTIP, CETA und Co. zu informieren und • Wollen Sie wissen, wer bei Ihnen in der Layout: Kerstin Siegrist gegen die Abkommen zu demonstrieren. Nähe ebenfalls Aktionen plant? Korrektur: Rüdiger Behschnitt Titelbild: Delia Baum Der Deutsche Kulturrat stellt eine spezielle • Wollen Sie sich mit anderen zusam- Druck: Druckerei Zeidler GmbH & Co. KG, Fritz-Ullmann-Straße 7, 55252 Mainz-Kastel) Diskussionsplattform zur Vorbereitung des mentun? Anzeigen: Aktionstags unter www.tag-gegen-ttip.de • Nutzen Sie die Kontaktbörse auf Leitung: Dieter Schwarz Service: Almuth Willing zur Verfügung. Nutzen Sie die Seite, um www.tag-gegen-ttip.de und planen Sie Schott Music, Postfach 3640, 55026 Mainz sich über TTIP, CETA & Co. zu informieren. gemeinsam Aktionen. Fon 06131-246852, Fax 06131-246844 [email protected] Leserservice: Nicolas Toporski, Susanne Mehnert Vorschau Schott Music, Postfach 3640, 55026 Mainz Fon 06131-246857, Fax 06131-246483 [email protected] Musikforum 2/2015 Gebiet? Welche Initiativen gibt es, um die Erscheinungsweise: vierteljährlich: Januar, April, Juli, Oktober Musik im ländlichen Raum Kulturversorgung dort zu gewährleisten, Einzelheftpreis: 8,50 Euro auszubauen, zu erneuern? Die in den namentlich gezeichneten Beiträgen Musik ist kein städtisches Phänomen – ein Eine aktuelle Herausforderung der me- vertretenen Meinungen decken sich nicht not- wendigerweise mit der Auffassung des Heraus- großer Teil des Musiklebens in Deutsch- tropolenfernen Regionen besteht im ge- gebers und der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und land findet im ländlichen Gebiet statt. sellschaftlichen Wandel. Was für Konse- Unterlagen wird keine Haftung übernommen. Nachdruck oder fotomechanische Wiedergabe, Künstler, Musikvereine und Kirchen ge- quenzen ergeben sich daraus für das Kul- auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Zu- stalten das kulturelle Leben, ermöglichen turangebot? Welche Entscheidungen stimmung des Herausgebers. An der Finanzierung des Unternehmens wirt- eine professionelle Musikausbildung und muss die Politik treffen und was muss die schaftlich beteiligt ist der Deutsche Musikrat, gemeinnützige Projektgesellschaft mbH. pflegen das Brauchtum. Darüber hinaus Zivilgesellschaft tun? Steht dem Musikle- Gefördert von der Beauftragten der Bundesre- tragen zahlreiche Musikprojekte und -in- ben auf dem Land ein grundlegender gierung für Kultur und Medien. stitutionen zur kulturellen Bildung der Wandel bevor? Diese und andere Fragen ISSN 0935-2562 Bevölkerung bei. Welche Rolle spielt die wird das Musikforum in seiner nächsten © 2015 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz Printed Germany Musik für die Menschen im ländlichen Ausgabe beleuchten.

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