Abwägungsdokumentation Fortschreibung des Raumentwicklungs- programmes Region

Fortschreibung des Kapitels 6.5 – Energie einschließlich Windenergie – Abwägung der zum dritten Entwurf einge- gangenen Stellungnahmen

PLANUNGSVERBAND REGION ROSTOCK

JUNI 2020

Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des Raumentwicklungsprogrammes Region Rostock (früher: Regionales Raumentwicklungsprogramm Mittleres Mecklenburg/Rostock)

Fortschreibung des Kapitels 6.5 – Energie einschließlich Windenergie

Abwägung der zum dritten Entwurf vom November 2018 eingegangenen Stellungnahmen gemäß Beschluss der Verbandsversammlung vom 25. Juni 2020

Juni 2020

1 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Planungsverband Region Rostock

Geschäftsstelle: Amt für Raumordnung und Landesplanung Region Rostock Doberaner Straße 114 18057 Rostock

Tel: 0381 / 331-89450 E-Mail: [email protected] Internet: www.planungsverband-regionrostock.de

2 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Inhalt

0 Einleitung ...... 5 1 Kurzfassung der Abwägung ...... 7 2 Form und Ablauf des Beteiligungsverfahrens ...... 13 2.1 Verfahrensablauf ...... 13 2.2 Kritische Hinweise zum Verfahren ...... 16 3 Erwägungen zur Regelung der Windenergienutzung ...... 21 3.1 Stand der Windenergienutzung in der Region Rostock...... 21 3.2 Bestimmung des verfügbaren Flächenpotenzials ...... 22 3.3 Flächenbedarf für die Windenergienutzung ...... 26 3.4 Eignungs- und Vorranggebiete ...... 29 3.5 Lokale Häufung von Eignungsgebieten ...... 30 3.6 Landschaftsschutz und Tourismus ...... 33 3.7 Eignungsgebiete in der Umgebung des Flugplatzes ...... 34 3.8 Anforderungen des Vogelschutzes ...... 35 3.9 Standortvorsorge für Prototypen ...... 38 3.10 Überplanung bestehender Eignungsgebiete ...... 42 3.11 Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen ...... 52 4 Einwendungen zum Planungskonzept ...... 57 4.1 Sinn und Zweck der Fortschreibung ...... 57 4.2 Zielgrößen und Flächenangebot für die Windenergienutzung ...... 67 4.3 Vorgehensweise bei der Flächenauswahl ...... 75 4.4 Umsetzung der Kriterienempfehlungen der Landesregierung ...... 86 4.5 Unterscheidung von „harten“ und „weichen“ Kriterien ...... 90 4.6 Eignungs- und Vorranggebiete ...... 99 4.7 Berücksichtigung gemeindlicher Interessen ...... 100 4.8 Berücksichtigung privater wirtschaftlicher Interessen ...... 103 4.9 Anwendung der Kriterien auf bestehende Eignungsgebiete ...... 105 5 Einwendungen zu einzelnen Planungskriterien ...... 113 5.1 Schutzabstände zu den Wohnorten ...... 113 5.2 Lokale Häufung von Eignungsgebieten ...... 123 5.3 Belange des Tourismus ...... 127 5.4 Belange der Flugsicherung ...... 129 5.5 Andere Infrastrukturen ...... 132 5.6 Natur- und Landschaftsschutz ...... 136 5.7 Artenschutz ...... 143 5.8 Wälder und Gewässer ...... 166 5.9 Trinkwasserschutzgebiete ...... 168 5.10 Denkmalschutz ...... 169 6 Einwendungen zur Überplanung alter Eignungsgebiete ...... 173 6.1 Admannshagen (Nr. 1) ...... 173 6.2 (Nr. 2/4) ...... 175 6.3 Kavelstorf (Nr. 5) ...... 180 6.4 Jennewitz (Nr. 14) ...... 182 6.5 Ost (Nr. 15) ...... 185 6.6 Carinerland West (Nr. N1) ...... 187 6.7 Kessin (Nr. 16) ...... 192 6.8 (Nr. 17) ...... 195 6.9 (Nr. 22) ...... 198 6.10 Radegast (Nr. 28) ...... 207 6.11 Jürgenshagen (Nr. 33/45) ...... 210 6.12 Bützow (Nr. 37/51)...... 215 3 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.13 (Nr. 38) ...... 219 6.14 (Nr. 55/58) ...... 234 6.15 Tarnow (Nr. 71) ...... 238 6.16 (Nr. 72) ...... 252 6.17 (Nr. 73) ...... 256 7 Einwendungen zu den 2011 festgelegten Gebieten ...... 260 7.1 Hohen Luckow (Nr. 100/101) ...... 260 7.2 (Nr. 102) ...... 263 7.3 Kurzen Trechow (Nr. 104)...... 265 7.4 (Nr. 106) ...... 267 7.5 Dalwitz (Nr. 107) ...... 275 7.6 Jördenstorf (Nr. 109) ...... 278 7.7 Stäbelow (Nr. 113) ...... 282 7.8 Kambs (Nr. 114) ...... 285 8 Einwendungen zu neu geplanten Gebieten ...... 288 8.1 (Nr. 103) ...... 288 8.2 Linstow (Nr. 105) ...... 291 8.3 Brusow (Nr. 115) ...... 296 8.4 Parchow (Nr. 116) ...... 299 8.5 (Nr. 117) ...... 316 8.6 Wokrent (Nr. 118) ...... 321 8.7 Matersen (Nr. 119)...... 329 8.8 (Nr. 120) ...... 333 8.9 Tarnow Ost (Nr. 122) ...... 334 8.10 Recknitz (Nr. 123) ...... 339 8.11 (Nr. 124) ...... 352 8.12 Rey (Nr. 126) ...... 357 8.13 Appelhagen (Nr. 127) ...... 361 8.14 Groß Bäbelin (Nr. 128)...... 375 8.15 (Nr. 129) ...... 383 8.16 Schlage (Nr. 130) ...... 388 8.17 Groß Gischow (Nr. 131) ...... 399 8.18 Reinstorf (Nr. 132) ...... 404 8.19 Dehmen (Nr. 133) ...... 407 8.20 (Nr. 134) ...... 413 9 Anregungen zur Aufnahme weiterer Gebiete ...... 420 9.1 Festschreibung bestehender Windparks ...... 420 9.2 Neue Gebietsvorschläge ...... 421 10 Einwendungen zu weiteren Regelungen ...... 426 10.1 Standortvorsorge für Windenergieanlagen-Prototypen ...... 426 10.2 Ausnahmeregelung für Anlagen außerhalb der Vorranggebiete ...... 434 10.3 Weitere Aspekte der Windenergienutzung ...... 445 10.4 Sonnenenergie ...... 446 10.5 Biomasse ...... 448 10.6 Leitungen ...... 449 11 Hinweise zum Umweltbericht ...... 452

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0 Einleitung

Am 29. November 2018 hat die Verbandsversammlung des Planungsverbandes Region Rostock (PVRR) den dritten Entwurf zur Fortschreibung des Regionalen Raumentwicklungs- programmes (RREP) im Kapitel 6.5 – Energie einschließlich Windenergie – für die Beteiligung der Öffentlichkeit, der Behörden und der sonstigen öffentlichen Stellen freigegeben. Das Be- teiligungsverfahren wurde nach den §§ 7 und 9 des Landesplanungsgesetzes sowie den §§ 9 und 10 des Raumordnungsgesetzes von 2008 durchgeführt. Im Zeitraum vom 4. Februar bis zum 29. März 2019 wurden gedruckte Exemplare des Entwurfes, der zugehörigen Abwä- gungsdokumentation und des Umweltberichtes in den Amts-, Stadt- und Gemeindeverwaltun- gen der Region Rostock, in den Planungsämtern des Landkreises und der Hansestadt Rostock sowie im Amt für Raumordnung und Landesplanung in Rostock öffentlich ausgelegt. In Datei- form wurde der Entwurf auf den Internetseiten des Planungsverbandes und des Energieminis- teriums öffentlich zugänglich gemacht. Zeitgleich wurden die Städte und Gemeinden der Re- gion sowie 92 Behörden und sonstige öffentliche Stellen angeschrieben und auf die Möglichkeit zur Stellungnahme hingewiesen. Zum Entwurf sind rund 300 Stellungnahmen ein- gegangen. In der vorliegenden Abwägungsdokumentation sind die Inhalte aller Stellungnah- men zum Entwurf vom November 2018 zusammengefasst, soweit sie für die planerische Ab- wägung von Bedeutung sind. Außerdem wurden wesentliche Hinweise aufgenommen, die zwar nicht für die Abwägung, aber für die spätere Umsetzung der Festlegungen des Raum- entwicklungsprogrammes wichtig sind. Der Beschluss zur Fortschreibung des Energiekapitels im RREP wurde von der Verbandsver- sammlung des Planungsverbandes im Dezember 2011 gefasst. Ein erster Entwurf ist im Jahr 2013 Gegenstand einer frühzeitigen Beteiligung gewesen. Die öffentliche Auslegung des zwei- ten Entwurfes erfolgte im Jahr 2014. Nach Auswertung der dazu abgegebenen Stellungnah- men im Jahr 2015 wurde deutlich, dass sich insbesondere aus den Belangen des Artenschut- zes erhebliche Unsicherheiten bei der Auswahl der neu festzulegenden Eignungsgebiete für Windenergieanlagen ergaben. Aufgrund unklarer Sachverhalte und divergierender Einschät- zungen wurde in Absprache mit den Naturschutzbehörden entschieden, die abschließende Überarbeitung des Entwurfes auszusetzen und zunächst eine Erhebung der relevanten Greif- vogelvorkommen im Umfeld der geplanten Eignungsgebiete durchführen zu lassen. Ebenfalls im Jahr 2015 entschied die Verbandsversammlung, dass im Rahmen der Fortschreibung des RREP – entgegen der ursprünglichen Absicht – auch die ersten, 1999 festgelegten Eignungs- gebiete nochmals überprüft und nunmehr konsequent an die heute geltenden Abstandsricht- werte zum Schutz der Wohnorte angepasst werden sollten. Der durch die Greifvogelerhebung entstandene zeitliche Verzug bot die Möglichkeit, zunächst einen gesonderten Vorentwurf zur Anpassung der alten Eignungsgebiete öffentlich auszulegen. Der Entwurf zur Anpassung der alten Eignungsgebiete wurde als nachträgliche Ergänzung des zweiten Entwurfes im Jahr 2016 ausgelegt. Nach Auswertung aller Stellungnahmen wurde der dritte Entwurf erarbeitet, auf dem die nun vorliegende abschließende Fassung der RREP-Fortschreibung beruht. Die vorliegende Abwägungsdokumentation wird zusammen mit der Fortschreibung des RREP gemäß Beschluss der Verbandsversammlung des Planungsverbandes vom 25. Juni 2020 ver- öffentlicht. Die Abwägungsdokumentation soll alle Erwägungen des Planungsverbandes für die Öffentlichkeit und die beteiligten Stellen nachvollziehbar machen. Im Abschnitt 1 sind die wichtigsten Inhalte der Abwägung in Kurzform zusammengefasst. Im Abschnitt 2 sind die we- sentlichen Hinweise zum Verfahrensablauf wiedergegeben. Der Abschnitt 3 enthält die plane- rischen Erwägungen, die der letzten Überarbeitung der Entwurfsinhalte zugrunde lagen. Diese Ausführungen waren weitgehend schon in der Abwägungsdokumentation zum dritten Entwurf vom November 2018 enthalten. Die Abschnitte 4 bis 10 geben die Inhalte der zum dritten Entwurf eingegangenen Stellungnahmen und die diesbezügliche Abwägung ausführlich wie- der. Abschnitt 11 gibt die Hinweise zum Umweltbericht wieder.

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Die einzelgebietsbezogene Abwägung in den Abschnitten 6 bis 8 umfasst nur diejenigen Eig- nungs- und Vorranggebiete, zu denen im Rahmen der letzten Auslegung Stellungnahmen ein- gegangen sind. Wenn ein Gebiet dort nicht vorkommt, gab es gegen dessen Festlegung oder Aufgabe zuletzt keine Einwände mehr. Zu einzelnen Entwurfsinhalten sind Stellungnahmen der Bürger in großer Zahl eingegangen. Die Stellungnahmen sind in der vorliegenden Doku- mentation so umfassend wiedergegeben, dass das gesamte Spektrum der vorgetragenen Sor- gen und Einwände deutlich wird. Um eine vielfache Wiederholung gleicher Inhalte zu vermei- den und insoweit die Lesbarkeit und Übersichtlichkeit dieser Dokumentation zu wahren, sind jedoch nicht sämtliche Inhalte aller Stellungnahmen wiedergegeben. Umfangreiche Abwägungsdokumentationen wurden bereits zu den Entwürfen vom Mai 2014 und November 2018 herausgegeben. Deren Inhalte sind in der vorliegenden Dokumentation nochmals in den Grundzügen wiedergegeben und zum Teil näher ausgeführt. Jedoch werden nicht alle Inhalte nochmals vollständig wiederholt. Interessenten, die den Werdegang der Pla- nung lückenlos nachvollziehen möchten, wird empfohlen auch die älteren Entwurfsdokumente ergänzend heranzuziehen.

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1 Kurzfassung der Abwägung

Ergebnis der Auslegung des dritten Entwurfes Die zum dritten Entwurf vom November 2018 eingegangenen Stellungnahmen enthalten kaum noch wesentliche neue Aspekte, die nicht bereits im Laufe des Fortschreibungsverfahrens Ge- genstand der Erörterung und Abwägung in den Gremien des Planungsverbandes gewesen wären. Der Entwurf kann somit als ausgereift gelten. Die Fortschreibung des Energiekapitels im RREP wird auf dieser Grundlage abgeschlossen. Einwände zum Entwurf bestehen zum Teil in Wiederholungen und Bekräftigungen von Argumenten, die früher schon vorgetragen wurden. Zum Teil werden früher vorgebrachte Ablehnungsgründe um weitere Aspekte ergänzt. Daneben werden in großem Umfang Erwägungen des Planungsverbandes aus den Entwurfs- dokumenten vom November 2018 aufgegriffen, um daran seitens der Einwender eigene Über- legungen anzuschließen. In der vorliegenden Dokumentation wird auf alle Einwände nochmals umfassend eingegangen.

Inhaltliche Schwerpunkte der Abwägung Die im Ergebnis der öffentlichen Auslegung des letzten Entwurfes erkennbaren Planungskon- flikte sind im Wesentlichen die gleichen, die schon bei der Auslegung früherer Entwürfe der RREP-Fortschreibung deutlich geworden sind. Die große Mehrheit der Einwände, Hinweise und Anregungen, die zum dritten Entwurf eingegangen sind, bezieht sich auf die Regelungen zur Windenergienutzung. Die Festlegungen zum Ausbau der Leitungsnetze und zu anderen Formen der Energiegewinnung sind dagegen von untergeordneter Bedeutung. Bei der Auswahl der neuen Vorranggebiete für Windenergieanlagen lassen sich folgende Schwerpunktthemen identifizieren, die das Planungsergebnis hauptsächlich beeinflussen: • die energiewirtschaftlichen Ziele, aus denen der erforderliche Umfang der Windenergie- nutzung und der daraus resultierende Flächenbedarf in der Region Rostock abzuleiten sind; • die Belange des Artenschutzes, die sich aufgrund der sehr großflächigen Schutzzonen um die Brutplätze bestimmter Großvogelarten maßgeblich auf die Flächenauswahl für die Windenergienutzung auswirken; • der Schutz des Landschaftsbildes vor einer übermäßigen Veränderung durch technische Anlagen, der in der Tourismusregion Rostock untrennbar mit den Belangen der Touris- muswirtschaft zusammenhängt; • die Belange der Flugsicherheit, die sich aufgrund des zentral innerhalb der Region gele- genen Flugplatzes Laage vergleichsweise stark auswirken; • die Überplanung der alten Eignungsgebiete, wo im Hinblick auf den bevorstehenden Er- satz der vorhandenen Windparks Bestandsschutzinteressen gegen die Anpassung an ak- tuelle Abstandskriterien abgewogen werden mussten; • die Regelungen zur Standortvorsorge für Windenergieanlagen-Prototypen, die für die Re- gion Rostock als Sitz verschiedener Anlagenhersteller und -entwickler eine besondere Be- deutung haben. Die energiewirtschaftlichen Ziele und die Anforderungen des Artenschutzes wurden seit Be- ginn der RREP-Fortschreibung durch das Land Mecklenburg-Vorpommern präzisiert, sodass verlässliche Grundlagen für die Berücksichtigung dieser Belange im Rahmen der planerischen Abwägung bestehen. Durch das im Jahr 2019 beschlossene Klimaschutzprogramm der Bun- desregierung sieht sich der Planungsverband in seiner Vorgehensweise bestätigt, für die Windenergie-Vorranggebiete generell 1.000 Meter Schutzabstand zu den Wohnorten vorzu- sehen und auch früher festgelegte Eignungsgebiete konsequent an diesen Richtwert anzu- passen. Das Programm der Bundesregierung bildet zwar keine Richtlinie für die Regionalpla- nung, gibt aber einen Hinweis darauf, wie sich einschlägige Vorschriften in den nächsten 7 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Jahren bundesweit entwickeln könnten. Die Schutzabstände zu den Wohnorten können aller- dings über diesen Richtwert hinaus nicht noch weiter erhöht werden, weil die Windenenergie- nutzung sonst immer mehr in schützenswerte Natur- und Landschaftsräume gedrängt würde. Ein großer Teil der Einwände zum letzten Planentwurf lässt sich an eben diesem Zielkonflikt festmachen. Die wesentlichen Erwägungen des Planungsverbandes zu den oben aufgeführten Schwer- punktthemen und die Konsequenzen für die Überarbeitung des RREP-Fortschreibungsentwur- fes sind nachfolgend kurz zusammengefasst.

Energiewirtschaftliche Ziele Im Februar 2015 hat die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern ihre Energiepolitische Konzeption veröffentlicht. Bis zum Jahr 2025 soll das Land mit einem Anteil zur gesamtdeut- schen Stromversorgung beitragen, der seinem Flächenanteil am gesamten Bundesgebiet ent- spricht. Das Land verfolgt damit maßvolle, im Vergleich zu den benachbarten norddeutschen Bundesländern sehr zurückhaltende Ziele beim Ausbau der Windenergienutzung. Für die Re- gion Rostock und den Planungszeitraum des RREP bis etwa 2030 lässt sich aus den Zielen des Landes ein Flächenbedarf für Windparks von 2.500 bis 3.000 Hektar ableiten. Bei der letzten Überarbeitung des Fortschreibungsentwurfes wurde darauf geachtet, dass trotz Strei- chung einiger ursprünglich geplanter Eignungsgebiete diese Größenordnung nicht unterschrit- ten wird. Mit einer Orientierung an dieser Richtgröße fügt sich die RREP-Fortschreibung in die übergeordneten Zielsetzungen des Bundes und des Landes ein. Die von verschiedenen Ein- wendern im Rahmen der öffentlichen Auslegungen erhobenen Vorwürfe, dass der Ausbau der Windenergienutzung in Mecklenburg-Vorpommern ohne Maß betrieben werde, sind damit un- begründet. Ebenso wenig berechtigt sind Vorwürfe von anderer Seite, wonach der Planungs- verband mit seinen Entwürfen hinter der rechtlichen Mindestanforderung eines „substanziel- len“ Flächenangebotes für die Windenergienutzung zurückbleiben würde.

Belange des Artenschutzes Ebenso wie zu den energiewirtschaftlichen Zielen liegen auch zu den Anforderungen des Ar- tenschutzes jetzt konkretere Vorgaben des Landes vor, welche die Abwägung wesentlich ver- einfachen. Im August 2016 wurde die Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungshilfe für das Land Mecklenburg-Vorpommern eingeführt. Im Jahr 2016 wurde auch eine vollständige Erhebung der Vorkommen von Greifvögeln in der Umgebung der geplanten neuen Windener- gie-Eignungsgebiete in der Region Rostock durchgeführt, womit die Voraussetzungen für eine sachgerechte Beurteilung der Artenschutzbelange und ihrer Auswirkungen auf die Flächen- auswahl vorliegen. Die zahlreichen Forderungen, die im Rahmen der öffentlichen Auslegun- gen von verschiedenen Einwendern aufgrund tatsächlicher oder behaupteter Vogel- und Fle- dermausvorkommen erhoben wurden, können damit einheitlich und auf verlässlicher Grundlage bewertet und abgewogen werden. Im Vergleich zu anderen Raumnutzungen unterliegt die räumliche Verteilung der Brutreviere von Großvögeln einer relativ hohen Dynamik. Der gesetzliche Schutz dieser Vögel ist jedoch strikt auf das einzelne Vorkommen bezogen, sodass eigentlich kein Raum für eine planerische Abwägung verbleibt. Bei denjenigen Arten, die erfahrungsgemäß langjährig brutplatztreu sind, erfolgt demnach eine enge Anlehnung an die Vorgaben der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe. Größere Schwierigkeiten bereitet die Berücksichtigung derjenigen Ar- ten, die in ihren Raumansprüchen sehr variabel sind und ihren Brutplatz häufiger wechseln. Bei diesen Vögeln muss in Kauf genommen werden, dass später, nach Verbindlichkeit der RREP-Fortschreibung, in einem gewissen Umfang Konflikte durch Neubesetzung von Brut- plätzen in der Nähe der Windenergie-Vorranggebiete entstehen können. Eine Verschiebung diesbezüglicher Entscheidungen auf spätere Genehmigungsverfahren würde das Problem nicht lösen, da auch in diesen Verfahren Festlegungen für viele Jahre getroffen werden und später auftretende Konflikte ebenso wenig auszuschließen sind. Mit Rücksicht auf die Belange des Vogelschutzes werden ein Eignungsgebiet aus dem geltenden RREP von 2011 sowie acht 8 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ursprünglich geplante Gebiete aus den Entwürfen von 2013 und 2014 letztlich nicht in die RREP-Fortschreibung übernommen.

Belange des Landschaftsschutzes und des Tourismus Im Jahr 2011 wurden mit der Neuaufstellung des RREP zahlreiche neue Eignungsgebiete für Windenergieanlagen festgelegt. In Ausnutzung dieser Gebiete wurden in den Jahren 2013 bis 2017 über hundert Windenergieanlagen neu errichtet. Mehr als die Hälfte dieser Anlagen steht im Westen der Region, in der Umgebung der Städte Güstrow, Bützow und sowie der Ortschaft Satow. Sowohl in der Größe der Windparks als auch in der Höhe der Anlagen wurden damit andere Dimensionen erreicht als bei den älteren, überwiegend bis zum Jahr 2005 ent- standenen Windparks. Im Ergebnis dieser Entwicklung ist das Landschaftsbild im Westen der Region heute stärker als früher von Windenergieanlagen geprägt, wird aber nach wie vor nicht gänzlich von diesen Anlagen dominiert. Die Aufnahme weiterer möglicher Eignungsgebiete im Raum zwischen Satow und Bützow in die Entwürfe zur RREP-Fortschreibung erfolgte bereits zum Teil unter Vorbehalten und in Sorge um eine mögliche übermäßige Häufung von Anlagen in diesem Teil der Region. Im Jahr 2015 war es dann augenscheinlich, dass eine weitere Ver- dichtung des Anlagenbestandes in diesem Teilraum zu einer sehr weitgehenden Überformung der Landschaft führen würde. Entsprechend nachdrücklich haben zahlreiche Bürger und die betroffenen Gemeinden diesen Planungsabsichten widersprochen. Der Planungsverband sieht diese Einwände als berechtigt an und hat daher vier ursprünglich geplante Eignungsge- biete zwischen Satow, Schwaan und Bützow letztlich nicht in die RREP-Fortschreibung über- nommen. Der Planungsverband geht davon aus, dass die Region Rostock insgesamt eine Tourismusregion ist, in der kein Teilraum so stark von der Windenergienutzung dominiert wer- den soll, dass er für die landschaftsgebundene Erholung unattraktiv wird. Anders stellt sich die Situation im südlichsten Teil der Region um dar. Dieser Teilraum ist bis heute frei von Windparks. Hier bezogen sich die zahlreichen Einwände insbe- sondere auf befürchtete Auswirkungen eines Windparks bei Linstow auf die direkt benachbarte Ferienanlage, die als größter Tourismusbetrieb in diesem Teil der Region eine herausgeho- bene Bedeutung hat. Da diese Befürchtungen durch den Planungsverband nicht mit Sicherheit entkräftet werden können und da in dem hier festgelegten Tourismusschwerpunktraum die Belange des Tourismus besonders hoch gewichtet werden sollen, wurde das betreffende Eig- nungsgebiet nicht in die RREP-Fortschreibung übernommen.

Belange der Flugsicherheit Bereits im Ergebnis der ersten Auslegung waren drei ursprünglich geplante Eignungsgebiete in der Umgebung des Flugplatzes Laage auf Empfehlung der Luftfahrtbehörden verworfen worden. Zu zweien dieser Gebiete wurden daraufhin von interessierten Einwendern Hinweise vorgebracht, dass die maßgebenden Höhenbeschränkungen der Luftfahrtbehörden eine Er- richtung von Windenergieanlagen durchaus zulassen würden und zum Teil seit dem Jahr 2014 zurückgenommen worden seien. Die beiden betreffenden Gebiete wurden daraufhin vorsorg- lich in die 2016 durchgeführte Greifvogelerhebung einbezogen, und parallel wurden die Luft- fahrtbehörden um Präzisierung und gegebenenfalls Aktualisierung ihrer Stellungnahmen ge- beten. Begründete Einwände gegen eine erneute Aufnahme der betreffenden Gebiete in den Fortschreibungsentwurf wurden von den Luftfahrtbehörden nicht vorgebracht. Für eines dieser Gebiete konnte auch bezüglich der Vogelschutzbelange die Eignung nachgewiesen werden. Dieses Gebiet wird somit in die Endfassung der RREP-Fortschreibung aufgenommen.

Anpassung alter Eignungsgebiete Mit der Neuaufstellung des RREP im Jahr 2011 waren die ersten, 1999 festgelegten Eignungs- gebiete für Windenergieanlagen erstmals überprüft und angepasst worden. Dabei stand der

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Gedanke des Bestands- und Vertrauensschutzes für die vorhandenen Windparks im Vorder- grund. Die Neuabgrenzung der Eignungsgebiete folgte somit überwiegend dem 2011 vorhan- denen Anlagenbestand. Nur in Einzelfällen wurden Anlagenstandorte wegen zu großer Nähe zu den Wohnorten aus den Eignungsgebieten herausgenommen. Diese bestandsorientierte Herangehensweise sollte ursprünglich im Rahmen der aktuellen Fortschreibung des RREP beibehalten werden. Sie lag sowohl dem ersten als auch dem zweiten Entwurf zugrunde. Dies war nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass praktische Erfahrungen mit dem Ersatz alter Windparks in den betreffenden Eignungsgebieten noch nicht vorlagen. Die letzten Jahre haben allerdings gezeigt, dass ein Ende der technischen Entwicklung zu immer größeren Windener- gieanlagen bisher nicht absehbar ist und die Festlegung angemessener Schutzabstände zu den Wohnorten vermehrt zum Gegenstand der öffentlichen Diskussion geworden ist. Der Pla- nungsverband hat daher im Jahr 2015 entschieden, sich der Vorgehensweise in den übrigen drei Planungsregionen Mecklenburg-Vorpommerns anzuschließen und die konsequente An- passung aller Eignungsgebiete an die heute geltenden Abstandsrichtwerte nachträglich in die laufende Fortschreibung aufzunehmen. Die Auslegung eines Entwurfes zu dieser Anpassung im Jahr 2016 ergab ein gemischtes Bild der verschiedenen Wünsche und Interessen: Zum Teil wurden die vorgeschlagenen Anpassungen im Hinblick auf die später mögliche Errichtung we- sentlich größerer Anlagen begrüßt. Zum Teil wurde jedoch beklagt, dass der Planungsverband örtlich angepasste Konzepte zum Ersatz bestehender Windparks unter Beibehaltung (oder nur moderater Anpassung) bauleitplanerischer Höhenbeschränkungen ohne gewichtigen Grund vereiteln und langjährig etablierte Windparkstandorte ohne Not aufgeben würde. Nach Auswertung aller Einwände kommt der Planungsverband zu dem Ergebnis, dass die vorgeschlagene konsequente Anpassung der alten Eignungsgebiete beibehalten werden soll. Mit der jüngsten Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Vergütung von Strom aus Windenergie entsteht jetzt erstmals ein erheblicher Wettbewerbsdruck auf Windparkpro- jekte, welcher den Einsatz großer, ertragsstarker Anlagen tendenziell begünstigt. Die Erfolgs- aussichten solcher Projekte, die anstelle einer Anpassung der Schutzabstände auf angepasste (das heißt: wirtschaftlich suboptimale) Anlagenhöhen setzen, erscheinen damit für die Zukunft eher ungünstig. Der Planungsverband bleibt deshalb bei seinen Vorschlägen zu einer konse- quenten Anpassung der Schutzabstände, ist allerdings den Einwendern mit der letzten Über- arbeitung des Entwurfes insoweit entgegengekommen als auf die konsequente Durchsetzung einer einheitlichen Mindest-Flächengröße bei der Anpassung der Altgebiete verzichtet wird. Fünf Gebiete, die eigentlich ganz aufgehoben werden sollten, weil nach Anpassung weniger als 35 Hektar nutzbare Fläche verbleiben, werden somit in die RREP-Fortschreibung über- nommen. Statt zehn Altgebieten werden somit nur fünf gänzlich aufgehoben. Dreizehn Gebiete (statt acht) werden mit angepasster Abgrenzung übernommen. Im Ergebnis stehen rund 1.000 von gegenwärtig 1.100 Hektar Gebietsfläche weiterhin für die Windenergienutzung zur Verfü- gung.

Standortvorsorge für Prototypen Die Region Rostock ist Standort zahlreicher Unternehmen der Windenergiebranche, sodass hier seit Jahren eine relativ hohe Nachfrage nach Standorten zur Erforschung und Erprobung der Windenergietechnik zu verzeichnen ist. Die Bereitstellung solcher Standorte dient unmit- telbar der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Die Region hat diesbezüglich sowohl eine be- sondere Verantwortung als auch ein wirtschaftliches Eigeninteresse. Windenergieanlagen zu Forschungs- und Erprobungszwecken wurden bisher bei Bedarf durch Ausnahmegenehmi- gungen auch außerhalb der im RREP festgelegten Eignungsgebiete zugelassen. Soweit wie möglich wurden dabei Standorte bevorzugt, die ohnehin zur Festlegung als Eignungsgebiete vorgesehen waren. Um die Anzahl der Ausnahmegenehmigungen zu verringern, wird für den typischen, regelmäßig wiederkehrenden Ausnahmefall – nämlich die Vermessung neuer Wind- energieanlagen-Prototypen und Vorserienanlagen – zukünftig Vorsorge innerhalb der Vor- ranggebiete getroffen. Aufgrund der vermessungsbedingten Anforderung einer möglichst un- gehinderten Windanströmung sollen Standorte für Prototypen in der Hauptwindrichtung am

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Rande der Vorranggebiete eingeordnet werden. Die Zulassung dieser Anlagen sollte ur- sprünglich befristet werden, um nach angemessener Zeit Platz für neue Prototypen zu schaf- fen. Die jüngste Änderung der gesetzlichen Vergütungsregelungen für Strom aus Windenergie führt jedoch dazu, dass Anlagen mit einer Laufzeit unter 20 Jahren kaum noch auskömmlich zu betreiben sind, sodass bisher übliche Befristungen auf zehn oder fünfzehn Jahre voraus- sichtlich prohibitiv wirken würden. Aus den genannten Gründen wird nunmehr auf eine obliga- torische Befristung des Anlagenbetriebes verzichtet.

Eignungs- und Vorranggebiete Mit der RREP-Fortschreibung wird der seit den neunziger Jahren verwendete Begriff des Eig- nungsgebietes durch den Begriff des Vorranggebietes ersetzt. Damit wird der tatsächliche Be- deutungswandel, den die Gebietsfestlegungen für Windenergieanlagen in der Rechtspre- chung während der letzten zwanzig Jahre erfahren haben, begrifflich nachvollzogen. Es wird damit klargestellt, dass innerhalb der festgelegten Gebiete die Windenergienutzung Vorrang vor anderen Nutzungen hat. Der mit dem Begriff der Eignungsgebiete im rechtlichen Sinne verbundene Ausschluss von Windenergieanlagen im übrigen Planungsraum bleibt unverän- dert bestehen. In der vorliegenden Abwägungsdokumentation wird der Begriff der Eignungs- gebiete noch teilweise beibehalten, weil sich die Ausführungen zum Teil auf die früheren Fest- legungen und Entwürfe sowie Stellungnahmen zu diesen Entwürfen beziehen, in denen der alte Begriff noch durchgängig verwendet wurde.

Rechtliche Aspekte der RREP-Fortschreibung Das Bundesverwaltungsgericht hat im Laufe der vergangenen Jahrzehnte einige grundsätzli- che Anforderungen an die Festlegung von Windenergie-Eignungsgebieten klargestellt, um der gesetzlichen Privilegierung der Windenergienutzung Geltung zu verschaffen und reinen Ver- hinderungsplanungen Einhalt zu gebieten. Daraus hat sich in den Bundesländern eine sehr differenzierte Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte entwickelt, die bis heute ein ho- hes Maß an Rechtsunsicherheit erzeugt. Vor diesem Hintergrund versuchen zahlreiche Ein- wender, dem Planungsverband vermeintliche Rechtsfehler nachzuweisen – auch in Fällen, wo es eigentlich um reine Sachfragen geht. Gegenstand von Einwendungen mit rechtlichen Be- zügen sind unter anderen folgende Inhalte der RREP-Fortschreibung: • der absolute Umfang der Windenergie-Vorranggebiete, gemessen am unbestimmten Rechtsbegriff des „substanziellen“ Flächenangebotes, das für diese Nutzung bereitgestellt werden muss; • die Bestimmung des theoretisch verfügbaren Flächenpotenzials für die Windenergienut- zung als rechtlich relevante Ausgangsgröße für die Ableitung des substanziellen Flächen- anteiles der festgelegten Vorranggebiete; • der Umgang mit Planungsrichtlinien und -empfehlungen sowie Fachgutachten, die der Pla- nungsverband nach Maßgabe seiner eigenen Erwägungen aufgegriffen hat – die manche Einwender jedoch so angewandt wissen möchten als ob es rechtsverbindliche Vorschriften wären; • der Umgang mit bestehenden Windparks in früher festgelegten Eignungsgebieten, die mit der Fortschreibung jetzt zum Teil aufgehoben werden, sodass einer vorhandenen Nutzung der Bestandsschutz entzogen wird und ggf. Bauleitpläne angepasst werden müssen; • der Umgang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Artenschutzes, die ursprünglich auf den Schutz einzelner Exemplare und einzelner Brutstätten geschützter Tierarten abzielen, während bei der Planung und Genehmigung von Windparks eigentlich nur der vorsorgende Schutz von Habitaten und Populationen sinnvoll berücksichtigt werden kann; • die Festlegung von Vorranggebieten in einem Landschaftsschutzgebiet und am Rande ei- nes Vogelschutzgebietes, die in beiden Fällen planerisch und fachlich gut begründet ist, aber gleichwohl in formaler Hinsicht in Frage gestellt wird.

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Darüber hinaus werden in den Stellungnahmen auch angebliche Form- und Verfahrensfehler kritisiert, die im bisherigen Verlauf der RREP-Fortschreibung aufgetreten sein sollen. Bei der Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ist eine Orientierung an obergerichtlichen Urtei- len aus anderen Bundesländern nur bedingt sinnvoll, weil diese Urteile zum Teil widersprüch- lich und auch unter Juristen umstritten sind.

Flächenauswahl der Vorranggebiete Mit der Fortschreibung des RREP werden die ursprünglich 1999 festgelegten Eignungsgebiete Admannshagen (1), Broderstorf (2/4), Carinerland Ost und West (15 und N1), Neubukow (22), Radegast (28), Jürgenshagen (33/45), Bützow (37/51), Dalkendorf (38), Mistorf (55/58), Tarnow (71), Kuhs (72) und Warnkenhagen (73) mit geänderter Abgrenzung wieder als Vor- ranggebiete festgelegt. Die ebenfalls 1999 festgelegten Eignungsgebiete Kavelstorf (5), Jennewitz (14), Kessin (16), Bentwisch (17) und Kröpelin (20) werden aufgehoben. Die 2011 festgelegten Eignungsgebiete 100 bis 114 bleiben im Wesentlichen unverändert, mit Aus- nahme der Gebiete 107 und 111, die aus Artenschutzgründen teilweise bzw. gänzlich aufge- hoben werden. Bei den Gebieten 102 und 113 erfolgt eine formale Anpassung an die aktuellen Ausschlusskriterien, indem nicht nutzbare Teilflächen ausgegliedert werden. Das Gebiet 106 wird geringfügig erweitert. Als neue Vorranggebiete werden die Gebiete Brusow (115), Parchow (116), Kirch Mulsow (117), Wokrent (118), Recknitz (123), Appelhagen (127), Dummerstorf (129) und Schlage (130) festgelegt. Die in den Entwürfen vom Januar 2013 und Mai 2014 enthaltenen potenziel- len Eignungsgebiete Thelkow (103), Linstow (105), Matersen (119), Klein Belitz (120), Sabel (121), Tarnow Ost (122), Wardow (124), Boddin (125), Rey (126), Groß Bäbelin (128), Groß Gischow (131), Reinstorf (132), Dehmen (133) und Hoppenrade (134) werden verworfen. Die Gesamtfläche der 29 Vorranggebiete beträgt 2.700 Hektar. Letzte Korrekturen an der Abgrenzung der Vorranggebiete gegenüber der Entwurfsfassung vom November 2018 werden bei den Gebieten Nr. N1, 38 und 71 vorgenommen.

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2 Form und Ablauf des Beteiligungsverfahrens

2.1 Verfahrensablauf

2.1.1 Bisherige Verfahrensschritte Das Verfahren zur Fortschreibung des RREP im Kapitel Energie wurde mit Beschluss der Ver- bandsversammlung des Planungsverbandes Region Rostock am 1. Dezember 2011 eröffnet. Ein erster Entwurf wurde am 28. Januar 2013 durch die Verbandsversammlung zur öffentli- chen Auslegung freigegeben. Die Auslegung erfolgte vom 11. März bis zum 13. Mai 2013. Eine vorläufige Fassung des Umweltberichtes wurde den Umweltbehörden und den Umwelt- verbänden mit Schreiben vom 26. April 2013 zur Stellungnahme übersandt. Der überarbeitete, zweite Entwurf zur Fortschreibung des RREP vom Mai 2014 einschließlich des Umweltberichtes und der Abwägungsdokumentation wurde mit Beschluss vom 5. Mai 2014 zur Auslegung freigegeben. Die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung erfolgte mit Datum vom 12. Mai 2014 durch die Mitgliedskörperschaften sowie auf den Internetseiten des Planungsverbandes. Der Bekanntmachungstext wurde außerdem im amtlichen Anzeiger des Landes Mecklenburg-Vorpommern und in den drei regionalen Tageszeitungen veröffent- licht. Darüber hinaus wurde die Bekanntmachung allen Amtsverwaltungen sowie den amts- freien Städten und Gemeinden übersandt, denen die Veröffentlichung in ortsüblicher Form anheimgestellt wurde. Der Entwurf, der Umweltbericht und die Abwägungsdokumentation wur- den in der Zeit vom 14. Juli bis zum 30. Oktober 2014 in der Geschäftsstelle des Planungsver- bandes, im Amt für Kreisentwicklung, im Rostocker Amt für Stadtentwicklung sowie in den Amtsverwaltungen, amtsfreien Städten und Gemeinden des Landkreises ausgelegt. Am 18. März 2015 wurde die Geschäftsstelle des Planungsverbandes von der Verbandsver- sammlung beauftragt, die Überprüfung und Anpassung der ersten, 1999 festgelegten Eig- nungsgebiete für Windenergieanlagen parallel zur laufenden Fortschreibung des RREP zu be- ginnen. Am 3. November 2015 wurde beschlossen, diese Überplanung der Alteignungsgebiete in das laufende Fortschreibungsverfahren zu integrieren und dazu einen Entwurf – als nach- trägliche Ergänzung des Entwurfes vom Mai 2014 – öffentlich auszulegen. Die Bekanntma- chung der öffentlichen Auslegung erfolgte mit Datum vom 9. November in gleicher Weise wie beim zweiten Entwurf. Die Auslegung erfolgte vom 5. Januar bis zum 4. März 2016 wiederum an den oben genannten Orten. Mit Beschluss vom 29. November 2018 gab die Verbandsversammlung den dritten Entwurf der RREP-Fortschreibung einschließlich des Umweltberichtes und der Abwägungsdokumen- tation für die öffentliche Auslegung frei. Darin wurden die bisherigen Entwürfe zur Festlegung neuer und zur Anpassung alter Eignungsgebiete zusammengeführt. Die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung erfolgte am 3. Januar 2019 in gleicher Weise wie bei den vorangegan- genen Entwürfen. Die Auslegung wurde ebenfalls in gleicher Weise im Zeitraum vom 4. Feb- ruar bis 29.März 2019 durchgeführt.

2.1.2 Beteiligte Stellen Die öffentlichen Stellen, Verbände und privaten Gesellschaften gemäß der nachfolgenden Auf- listung wurden brieflich über die Auslegung der Entwurfsunterlagen informiert und auf die Mög- lichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 29. März 2019 hingewiesen. Den Städten, Amtsverwaltungen und amtsfreien Gemeinden wurde der Entwurf mit Schreiben vom 23. Ja- nuar 2019 in gedruckter Form übersandt. Alle anderen Beteiligten wurden mit Schreiben vom 21. Januar 2019 auf die Möglichkeit der Einsichtnahme im Internet verwiesen – verbunden mit dem Hinweis, dass bei Bedarf auch gedruckte Exemplare bei der Geschäftsstelle des Pla- nungsverbandes angefordert werden konnten.

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Städte und Gemeinden der Region Rostock • Straßenbauamt Güstrow (Zuständigkeit überge- gangen an das Straßenbauamt Stralsund) Landkreis Rostock • Straßenbauamt Schwerin (Zuständigkeit über- gegangen an das Autobahnbauamt Güstrow, Gebietskörperschaften der Nachbarregionen danach an das Landesamt für Straßenbau und (zum letzten Entwurf wegen Nichtbetroffenheit nicht Verkehr) mehr beteiligt) • Amt Seenlandschaft Waren für die Gemeinde Öffentliche Stellen des Bundes Hohen Wangelin • BVVG Schwerin, Rostock • Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, Neu- • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen brandenburg • Deutscher Wetterdienst, Potsdam (Stahnsdorf) • Landkreis Nordwestmecklenburg, Wismar Öffentliche Stellen des Landes Regionale Planungsverbände • Landesenergie- und Klimaschutzagentur M-V, • Westmecklenburg, Schwerin Stralsund (erst 2019 in Verteiler aufgenommen) • Mecklenburgische Seenplatte, Neubrandenburg • Landgesellschaft M-V, Leezen • Vorpommern, Greifswald • Betrieb für Bau und Liegenschaften M-V, Schwerin (erst 2015 in Verteiler aufgenommen) Kommunale Spitzenverbände • Gesellschaft für Wirtschaftsförderung M-V, • Landkreistag M-V, Schwerin Schwerin • Städte- und Gemeindetag M-V, Schwerin Öffentliche Stellen des Landkreises und der Ministerien Stadt Rostock • Ministerium für Energie, Infrastruktur und Lan- • Gesellschaft für Wirtschafts- und Technologie- desentwicklung, Abt. 4, Schwerin förderung Rostock (für Ressorts der Landesregierung und für Bundes- • Wirtschaftsförderung Landkreis Rostock, Güst- regierung) row

Bundesbehörden Netzbetreiber, Versorgungsunternehmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und • DB Services Immobilien GmbH, Berlin (neu: DB Dienstleistungen der Bundeswehr, Kiel Immobilien) • Amt für Flugsicherung der Bundeswehr, Frank- • Deutsche Telekom Technik GmbH, Niederlas- furt am Main (später: Luftfahrtamt der Bundes- sung Nordost, Stahnsdorf wehr, Köln; zum letzten Entwurf nicht mehr be- • 50 Hertz Transmission GmbH, Berlin teiligt) • ONTRAS Gastransport GmbH, Leipzig • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen • GASCADE Gastransport GmbH, Kassel • Eisenbahnbundesamt, Außenstelle Hamburg/ • E.ON edis Nord AG, Fürstenwalde/Spree Schwerin • WEMAG AG, Schwerin • Bundesnetzagentur, Berlin • E.ON Hanse AG, Quickborn (zuletzt: HanseGas • Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Schwe- GmbH) rin • Eurawasser Nord GmbH, Rostock • Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (neu: • Nordwasser GmbH, Rostock (2019 in Verteiler Generaldirektion Wasserstraßen und Schiff- aufgenommen) fahrt/Außenstelle Nord), Kiel • Stadtwerke Rostock AG • Wasser- und Schifffahrtsamt Lübeck • Stadtwerke Güstrow GmbH • Wasser- und Schifffahrtsamt Stralsund • Stadtwerke GmbH • Ericsson GmbH, Düsseldorf Landesbehörden • T-Mobile Deutschland GmbH, Berlin (als eigen- • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geolo- ständige Gesellschaft 2019 nicht mehr existent) gie, Güstrow • Vodafone GmbH, Region Nord-Ost, Berlin • Landesamt für Gesundheit und Soziales, • E-Plus Mobilfunk GmbH & Co KG, Geschäfts- Rostock stelle Nord, Hamburg (als eigenständige Ge- • Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, sellschaft 2019 nicht mehr existent) Schwerin • Telefónica GmbH & Co OHG, Teltow • Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsi- • DFMG Deutsche Funkturm GmbH, Berlin (erst cherheit und Fischerei, Rostock 2015 in Verteiler aufgenommen) • Landesamt für Straßenbau und Verkehr, • Flughafen Rostock-Laage-Güstrow GmbH, Rostock Laage (erst 2019 in Verteiler aufgenommen) • Landesamt für Zentrale Aufgaben der Polizei, • Rostock Port GmbH, Rostock (erst 2019 in Ver- Brand- und Katastrophenschutz, Schwerin teiler aufgenommen) • Bergamt Stralsund

• Landesforst M-V, Malchin Kommunale Verbände • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt • -Wasser- u. Abwasserverband, Mittleres Mecklenburg, Rostock Rostock

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• Wasserversorgungs-u. Abwasserzweckverband „Güstrow-Bützow-Sternberg“, Rostock Sonstige Verbände, Kammern, Vereinigungen • Zweckverband Wasser und Abwasser „Meck- • Bundesverband Windenergie, Landesbüro M-V, lenburgische Schweiz“, Teterow Sternberg • Zweckverband Wasserversorgung „Kühlung“, • Wind-Energy Network e.V., Rostock • Landesverband Erneuerbare Energien M-V e.V., Schwerin (nur 2019) Wasser- und Bodenverbände • Bioenergiedörfer eG, Bollewick (2019 nicht • Wasser- und Bodenverband „Warnow-Beke“, mehr beteiligt) Jürgenshagen • Bauernverband M-V, Neubrandenburg • Wasser- und Bodenverband „Recknitz/Bodden- • Bauernverband Bad Doberan, kette“, Ribnitz-Damgarten • Bauernverband Bützow, Steinhagen • Wasser-und Bodenverband „Untere Warnow/ • Bauernverband Güstrow, Alt Sührkow Küste“, Rostock • Tourismusverband M-V, Rostock • Wasser-und Bodenverband Hellbach-Conven- • Verband Mecklenburgischer Ostseebäder, Ni- ter Niederung, Kröpelin enhagen • Wasser-und Bodenverband „Nebel“, Güstrow • Bäderverband M-V, Graal-Müritz • Wasser-und Bodenverband „Teterower Peene“, • Tourismusverband / Jördenstorf Seenplatte, Röbel/Müritz • Wasser-und Bodenverband "Obere Peene", • Tourismusverein Krakower Seenland, Krakow Stavenhagen (nur 2014) am See (nur 2014) • Landurlaub Mecklenburg-Vorpommern e. V., Naturschutzverbände Rostock • BUND Landesverband M-V, Schwerin • Verband für Camping- und Wohnmobiltouris- • BUND Kreisgruppe Rostock mus M-V, Rostock • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • DEHOGA Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • NABU Mittleres Mecklenburg, Rostock • Industrie- und Handelskammer zu Rostock • Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Güstrow • Unternehmerverband Rostock und Umgebung, • Landesjagdverband M-V, Damm Rostock • Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpom- • Akademie für Nachhaltige Entwicklung Meck- mern, Görslow lenburg-Vorpommern, Güstrow • Ev.-Luth. Kirchenkreis Mecklenburg, Schwerin Naturparks • Katholisches Büro Schwerin • Naturpark Mecklenburgische Schweiz und • Architektenkammer M-V, Schwerin Kummerower See, Basedow • Handwerkskammer Ostmecklenburg/Vorpom- • Naturpark Sternberger Seenland, Warin (nur mern, Rostock 2019) • Naturpark Nossentiner-Schwinzer Heide, Plau am See (nur 2014) • Naturpark Sternberger Seenland, Warin

2.1.3 Eingegangene Stellungnahmen Zum Entwurf vom November 2018 sind nochmals rund 300 Stellungnahmen eingegangen. Zustimmung oder Nichtbetroffenheit wurde von folgenden Beteiligten geäußert: • Gascade Gastransport GmbH, Kassel • Wasser- und Bodenverband „Recknitz-Boddenkette“, • Naturparkverwaltung Sternberger Seenland • Bergamt Stralsund • Stadt Teterow • Ericsson GmbH, Düsseldorf • Landesamt für zentrale Aufgaben und Technik der Polizei, Brand- und Katastrophenschutz • Warnow-Wasser- und Abwasserverband • Stadtwerke Teterow • Landesamt für Kultur und Denkmalpflege • Zweckverband Wasser/Abwasser Mecklenburgische Schweiz • Stadtwerke Güstrow

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• Nordwasser GmbH, Rostock • Handwerkskammer Ostmecklenburg-Vorpommern • Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Stralsund. Nicht fristgerecht eingegangen sind Stellungnahmen folgender Einwender: • Hansestadt Rostock • Gemeinde Bentwisch • Gemeinde Dummerstorf • Juwi AG, Wörrstadt • Agrarprodukt eG Spoitgendorf, • Wind-Projekt GmbH, Börgerende (Nachtrag zum Gebiet Nr. 120) • Bürger aus Groß Potrems und Rakow. Der Planungsverband hat die verspätet eingegangenen Stellungnahmen geprüft und festge- stellt, dass keine privatrechtlichen Belange gemäß § 9 (2) Satz 4 Raumordnungsgesetz darin vorgebracht werden und keine wesentlichen Inhalte enthalten sind, die nicht zugleich von an- deren Einwendern vorgebracht werden, im Rahmen vorangegangener Beteiligungsverfahren bereits vorgebracht worden sind oder vom Planungsverband selbst schon erwogen wurden. Die verspäteten Stellungnahmen werden nicht gesondert in die Abwägung einbezogen. Zu einzelnen Windenergie-Vorranggebieten liegen Bürgereinwände in großer Zahl vor. Zum Teil wurden Unterschriftenlisten eingereicht, um seitens der Einwender deutlich zu machen, dass die von Ihnen zum Ausdruck gebrachte Ablehnung von vielen Bürgern geteilt wird. Zum Teil wurden vorformulierte oder vorgedruckte Einwendungstexte verwendet, die dann zahlrei- che Bürger im eigenen Namen beim Planungsverband eingesandt haben. Zum Teil enthalten auch individuelle Stellungnahmen der Bürger Textpassagen, die wörtlich oder weitgehend wörtlich aus Vorlagen übernommen wurden.

2.2 Kritische Hinweise zum Verfahren

2.2.1 Wesentliche Hinweise der Bürger und anderer Beteiligter Ein Bürger aus Neuendorf gibt zu bedenken, dass viele betroffene Anwohner aufgrund ihres Alters und fehlender Affinität zur Computernutzung, oder mangels Erfahrung mit formellen Be- teiligungsverfahren, sich an solchen Verfahren nicht selbst aktiv beteiligten. Andere wendeten sich frustriert ab, da sie der Auffassung seien, dass auf die Meinung des Einzelnen sowieso nicht gehört werde und eine Beteiligung deshalb zwecklos sei. Eine direkte öffentliche Bürger- befragung zu einem solchen Verfahren würden viele Bürger vorziehen und begrüßen. Die Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“ aus Gülzow-Prüzen hätte sich eine frühere Einbeziehung der betroffenen Gemeinden bei den im letzten Entwurf vorgenommenen Planänderungen gewünscht. Den Einwendern sei bekannt, dass die Gemeinden bei der Fest- legung der Vorranggebiete kein direktes Mitbestimmungsrecht haben. Allerdings könnten sie nicht nachvollziehen, warum der Planungsverband die Gemeinde Gülzow-Prüzen nicht über die beabsichtigte Erweiterung des Gebietes Nr. 71 informiert hat, bevor diese Gegenstand eines förmlichen Planentwurfes wurde. Der Planungsverband hätte erkennen müssen, dass mit der Erweiterung eine Gemeindegrenze überschritten würde. Im Sinne eines verantwor- tungsvollen Miteinanders wäre eine entsprechende Information der Gemeinde aus Sicht der Einwender geboten gewesen. Die Betroffenen hätten erstmals im Februar 2019 mit der Veröf- fentlichung im Amtskurier von der Planung erfahren. Der Zeitraum der öffentlichen Auslegung habe nicht ausgereicht, um die im Laufe der RREP-Fortschreibung entstandenen Planungen, Änderungen und Ergänzungen nachzuvollziehen und alle zugrundeliegenden Kriterien und

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Tatsachen zu überprüfen. Hierin sehen die Einwender einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Während andere Verfahrensbeteiligte in Kenntnis der Planungen zum Teil mehrere Jahre Zeit gehabt hätten, entsprechend zu reagieren, sei im Fall der Erweiterung des Gebietes Nr. 71 den Betroffenen diese Möglichkeit genommen. Man sei einfach mit dem Ergebnis der Planung konfrontiert worden und könne nur noch im Rahmen des förmlichen Beteiligungsverfahrens reagieren. Wenn der Planungsverband das Verfahren im Ergebnis der Beteiligung abschließe, verblieben der Gemeinde keine Möglichkeiten einer wesentlichen Ein- flussnahme. Zwangsläufig komme der Verdacht auf, dass der Planungsverband diese Verfah- rensweise absichtlich gewählt habe, um den dritten Entwurf ohne große Widerstände der neu hinzugekommenen Betroffenen „durchwinken“ zu können. Die Einwender fordern deshalb eine angemessene Verlängerung der Einwendungsfrist. Zu bemängeln sei auch, dass die im Feb- ruar 2019 ausgelegten Entwurfsunterlagen keine genauen Angaben zur Anzahl, Art und Größe der im Gebiet Nr. 71 geplanten Windenergieanlagen enthielten. Solche Angaben wären nach Ansicht der Einwender erforderlich gewesen – sowohl für den Planungsverband selbst, um die Umweltauswirkungen zu beurteilen und sachgerecht abwägen zu können, als auch für die Betroffenen, um eine fundierte Stellungnahme abgeben zu können. Ein Bürger aus Groß Wokern hat den Eindruck gewonnen, dass der Planungsverband es bewusst vermeiden wollte, die betroffenen Bürger in seine Planungen einzubeziehen. Die Art und Weise der Veröffentlichung entspreche wohl gerade (wenn überhaupt) den gesetzlichen Mindestanforderungen. Der Einwender bemängelt auch die Aufbereitung der Entwurfsunterla- gen. Der Planungsverband habe viel Informationsmaterial mit nur wenigen Fakten herausge- geben. Die Bürger seien gezwungen gewesen, hunderte Seiten durchzuarbeiten um dann fest- zustellen, dass nur wenig konkrete Informationen enthalten seien. Die Bürger hätten nicht ersehen können, wo genau Windenergieanlagen in welcher genauen Anzahl und Höhe geplant seien. Ein Bürger aus Dalkendorf beklagt, dass die „sogenannte Bürgerbeteiligung“ schon bei der Genehmigung der am Ort vorhandenen Windenergieanlagen vor 19 Jahren mit Füßen getre- ten worden sei. Von der Auslegung des dritten Entwurfes der RREP-Fortschreibung habe man erst im allerletzten Augenblick erfahren, leider nicht durch die Gemeindevertreter, sondern von engagierten Bürgern. Ein Bürger aus Berlin kritisiert die aus seiner Sicht zu kurze Bemessung der Einwendungs- frist. Es sei unverständlich, dass die Unterlagen erst Anfang Februar 2019 ausgelegt wurden, obwohl sie schon im November 2018 fertig waren. Für ihn als Bürger sei es kaum möglich, in so kurzer Zeit die umfangreichen Planunterlagen auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Bürger aus Parchow legen eine lange Unterschriftenliste vor und beklagen, dass von Ihnen in den Jahren 2016 und 2017 an den Planungsverband gerichtete Protestschreiben gegen die Festlegung des Eignungs- und Vorranggebietes Nr. 116 in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 unerwähnt geblieben sind. Ein Bürger aus Petschow nimmt zu den Vorranggebieten Nr. 129 und 130 Stellung. Der Ein- wender bemängelt Inhalt und Form der Abwägungsdokumentation vom November 2018. Die Reaktionen des Planungsverbandes auf früher vorgetragene Einwände seien nicht immer fun- diert. Diese seien einfach nicht berücksichtigt und vom Planungsverband mit Sprüchen wie „sehen wir nicht so“ oder „liegt nicht in unserer Kompetenz“ abgetan worden. Dies seien keine schlüssigen Argumente, und solche pauschalen Antworten seien nicht befriedigend. Die Aus- führungen in der Abwägungsdokumentation seien „schwülstig“ und schwer verständlich. Wel- cher Bürger nehme sich Zeit, über 500 Seiten zu lesen? Auch könne man nicht voraussetzen, dass alle Bürger über einen Internetzugang verfügten. Der NABU-Landesverband M-V merkt an, dass die mit den Entwurfsunterlagen vom Novem- ber 2018 ausgelegte Abwägungsdokumentation sich durch die Transparenz und Nachvollzieh- barkeit der Darstellung deutlich von der Vorgehensweise der benachbarten Planungsverbände Vorpommern und Mecklenburgische Seenplatte abhebe. Während die Letztgenannten mit Hilfe teilweise unpassender Textbausteine eine sinnentleerte bürokratische Pflichtübung

17 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 durchzuführen scheinen, versuche der Planungsverband Region Rostock seine eigenen Er- wägungen nachvollziehbar darzustellen und sich dabei mit einer Vielzahl von eingegangenen Stellungnahmen auch inhaltlich auseinanderzusetzen. Anders als ihre Kollegen hätten die Rostocker Autoren offensichtlich verstanden, welche Bedeutung ein transparenter Abwä- gungsprozess als Teil der planerischen Willensbildung für ein demokratisch strukturiertes Ge- meinwesen habe. Es gehe darum Argumente auszutauschen und sichtbar zu machen, aus welchen Gründen wie entschieden worden ist. Die Art der Vorgehensweise und Darstellung des Planungsverbandes Region Rostock verdiene deshalb ausdrückliche Anerkennung. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr regt an, in der Abwägungsdokumentation die Ausführungen zu den Stellungnahmen der Straßenbaubehörden in einem zusammenhängen- den Abschnitt zusammenzufassen und nicht über das gesamte Dokument zu verteilen, wodurch identische Inhalte zum Teil mehrfach wiedergegeben würden.

2.2.2 Bewertung der kritischen Hinweise Bei der öffentlichen Bekanntmachung der Auslegung hat sich der Planungsverband – wie auch bei den vorherigen Entwürfen – nicht auf die vorgeschriebenen Medien beschränkt, son- dern eine möglichst weite Verbreitung angestrebt, indem zusätzlich die gemeindlichen Amts- blätter und Bekanntmachungsmedien sowie die regionalen Tageszeitungen genutzt wurden. Zum Teil wurde auch im Rundfunk und in Presseartikeln über die bevorstehende Auslegung berichtet. Der Planungsverband ist sich darüber im Klaren, dass auf diesen Wegen niemals alle Bürger erreicht werden. Die große Zahl von Bürgerstellungnahmen, die zum Entwurf vom November 2018 eingegangen sind, macht jedoch deutlich, dass der Zweck der Bekanntma- chung erfüllt wurde. Dem Planungsverband ist auch bewusst, dass nicht alle Bürger das Internet nutzen und mit elektronischen Kommunikationsmitteln vertraut sind. Deshalb wurden nach wie vor ge- druckte Exemplare der Entwurfsunterlagen in allen Amts- und Gemeindeverwaltungen ausge- legt – obwohl nur noch sehr wenige Bürger dieses Angebot tatsächlich nutzen. Der Herstellung gedruckter Auslegungsexemplare und der Bekanntmachung in gedruckten Amtsblättern war auch der von einigen Einwendern beklagte Zeitverzug zwischen dem Be- schluss der Verbandsversammlung und dem Auslegungsbeginn geschuldet. In elektro- nischer Form waren die Unterlagen schon ab Dezember 2018 im Internet vorläufig einsehbar. Auch für diejenigen Bürger, welche die Unterlagen erst mit Beginn der förmlichen Auslegung im Februar 2019 zur Kenntnis nehmen konnten, bestand ein mit zwei Monaten mehr als aus- reichend bemessener Zeitraum zur Stellungnahme. Die Klage einiger Einwender darüber, dass der letzte Entwurf nochmals Änderungen ent- hielt, die weder in früheren Entwurfsfassungen enthalten noch mit den betroffenen Gemeinden vorher abgestimmt worden waren, ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht berechtigt. Die Anforderungen an ein Beteiligungsverfahren würden überzogen, wenn man ernsthaft verlan- gen wollte, dass jeglicher Entwurfsinhalt mit den Betroffenen vorabgestimmt werden müsste – oder jedenfalls mehrere Auslegungen zu durchlaufen hätte, damit alle Beteiligten mehrmals zu denselben Inhalten Stellung nehmen könnten. Es besteht somit auch keine Ungleichbe- handlung der potenziell Betroffenen darin, dass einzelne Planinhalte über mehrere Entwurfs- fassungen unverändert blieben, während andere im Verlauf der Planung mehrfach geändert wurden. In früheren Jahren vorgelegte Protestschreiben der Bürger aus Parchow gegen das Vorrang- gebiet Nr. 116 sind in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 tatsächlich nicht wiedergeben worden. Hier ging es um die Frage, ob der Planungsverband Stellungnahmen außerhalb der förmlichen Beteiligungsfrist entgegennehmen muss. Da zwischen der Ver- öffentlichung des zweiten und des dritten Entwurfes der RREP-Fortschreibung fast fünf Jahre vergangen sind, ist das Bedürfnis der Einwender nachvollziehbar, zwischenzeitliche Erkennt- nisse und Entwicklungen dem Planungsverband umgehend mitzuteilen, damit sie bei der lau- fenden Überarbeitung des Entwurfes berücksichtigt werden konnten. Im vorliegenden Fall ging

18 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 es jedoch nicht um neue Erkenntnisse oder Entwicklungen, sondern um ein Meinungs- und Stimmungsbild der Anwohner sowie um – im Prinzip bekannte – Gefahren für die örtliche Vo- gelwelt. Die Einwender haben diesbezüglich auf eigene Vogelbeobachtungen hingewiesen, welche diese Befürchtungen begründen sollten. Der Planungsverband hat diese Hinweise zur Kenntnis genommen, sich bei der Bewertung möglicher Gefahren für die Vogelwelt jedoch nicht auf Berichte über Einzelbeobachtungen, sondern auf die landesweit verfügbaren Daten sowie auf die Ergebnisse der im Jahr 2016 durchgeführten Großvogelerhebung gestützt. Des- sen ungeachtet erkennt der Planungsverband ausdrücklich an, dass den Bürgern solche for- malen Erwägungen gleichgültig sein können und dass sie mit einiger Berechtigung davon aus- gehen konnten, ihre Einwände in der Abwägungsdokumentation wiederzufinden. Die von den Bürgern zum Ausdruck gebrachte Verärgerung ist deshalb verständlich. Auch wenn es um den Umfang und die Verständlichkeit der schriftlichen Entwurfsdoku- mente geht, kann der Planungsverband den Unmut einzelner Einwender durchaus nachvoll- ziehen. Der Planungsverband erlaubt sich hierzu jedoch den Hinweis, dass die (kürzere) Ab- wägungsdokumentation vom Mai 2014 von einzelnen Einwendern ausdrücklich kritisiert wurde, weil aus ihrer Sicht die vorgetragenen Einwände zu stark zusammengefasst und damit insbesondere die große Zahl von Bürgereinwänden nicht hinreichend gewürdigt worden seien. Erst aufgrund dieser Kritik hat sich der Planungsverband für eine ausführlichere Dokumenta- tion entschieden, welche den Umfang der Entwurfsunterlagen entsprechend vergrößert und die Lesbarkeit nicht erleichtert hat. Bei der Beschreibung der Entwurfsinhalte hat sich der Pla- nungsverband um eine möglichst verständliche Sprache bemüht. Die Entwurfsunterlagen rich- ten sich jedoch nicht nur an die Bürger, sondern auch an Fachbehörden und andere öffentliche Stellen, die fachliche Belange zu vertreten haben. Da es in wesentlichen Teilen der Abwägung und der Umweltprüfung um fachliche und abstrakt-rechtliche Fragestellungen geht, müssen eingeführte Fach- und Rechtsbegriffe verwendet werden, die nicht für alle Bürger gleicherma- ßen verständlich sind. Bei der inhaltlichen Gliederung der Abwägungsdokumentation hat der Planungsverband vorrangig darauf geachtet, dass alle Einwände zu einem bestimmten Gegenstand an einer Stelle aufgefunden und nachgelesen werden können. In gewissem Umfang treten Wiederho- lungen auf, wenn bestimmte Argumente sowohl in allgemeiner Form gegen das Planungskon- zept und die Auswahl der Planungskriterien als auch im Speziellen gegen bestimmte Vorrang- gebiete vorgebracht wurden. Eine Gliederung der Dokumentation nach Einwendern wäre nach Auffassung des Planungsverbandes keine gleichwertige Alternative, weil das gezielte Auffin- den bestimmter Sachthemen in der Abwägungsdokumentation dann nur nach dem Zufallsprin- zip oder per Stichwortsuche möglich wäre. Für die gewählten Vertreter in den Gremien des Planungsverbandes und für alle anderen Beteiligten wäre es dann wesentlich schwerer, sich mit zumutbarem Zeitaufwand einen Überblick über wesentliche Inhalte der Abwägung zu ver- schaffen. Der Vorwurf, dass die Entwurfsdokumente zu wenige konkrete Informationen enthielten, ist aus der Perspektive der betroffenen Anwohner nachvollziehbar. Der Planungsverband kann jedoch keine Informationen über Anzahl, Größe, Bauart und genaue Standorte der Windener- gieanlagen geben, die in den Vorranggebieten später einmal errichtet werden können, weil er selbst keine Windparks plant. Dass demgegenüber zu viele allgemeine Informationen über planungsmethodische Aspekte und Umweltauswirkungen der Windenergienutzung in den Un- terlagen enthalten seien, mag aus Sicht eines potenziell betroffenen Bürgers, der sich nur für einen ganz bestimmten Standort interessiert, ebenfalls zutreffen. Die Plandokumente richten sich jedoch nicht nur an persönlich Betroffene – sie richten sich ebenso an fachlich interes- sierte Bürger und sonstige Beteiligte, die sich mit den fachlichen Grundlagen der Planung aus- einandersetzen wollen und müssen. Die von einem Bürger vorgetragene Kritik, der Planungsverband würde berechtigte Sorgen und Einwände der Bürger leichtfertig abtun und Behauptungen einfach mit Gegenbehaup- tungen beantworten, ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht gerechtfertigt. Selbstverständ- lich können und sollen die Bürger ihre Sorgen und Befürchtungen umfassend vorbringen. Der

19 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Planungsverband muss jedoch nicht auf unbelegte Behauptungen und Spekulationen einge- hen. Der Planungsverband muss auch keine eigene Grundlagenforschung betreiben, um sol- che Wirkungszusammenhänge, über die bisher nur vage Vermutungen möglich sind, selbst aufzuklären. Auch der in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 verschiedentlich gegebene Hinweis, dass bestimmte Belange nicht in der Kompetenz der Regionalplanung liegen, ist von einigen Bürgern so wahrgenommen worden als würde der Planungsverband ihren Ein- wänden ausweichen. Es ist jedoch tatsächlich so, dass Fragen der nationalen Energiepolitik und der finanziellen Förderung erneuerbarer Energien nicht in die Regelungskompetenz des Planungsverbandes fallen. Zwar steht es jedem Bürger frei, die Auslegung des RREP-Entwur- fes zu nutzen, um seinen Unmut über bestimmte Aspekte der nationalen Gesetzgebung und Politik zu äußern. Der Planungsverband könnte solchen Einwänden aber selbst dann nicht folgen, wenn sie berechtigt wären, weil es nicht in seiner Macht steht, an den bundesweiten Rahmenbedingungen etwas zu ändern. Ebenso unberechtigt ist die Befürchtung, dass Bürgereinwände vom Planungsverband so- wieso nicht gehört und berücksichtigt würden. Wer das Verfahren der RREP-Fortschrei- bung in den vergangenen Jahren verfolgt hat, weiß, dass im Ergebnis der öffentlichen Ausle- gungen weitreichende Änderungen am Entwurf vorgenommen wurden. Um bestimmte Interessen und Belange in der Abwägung berücksichtigen zu können, müssen sie allerdings verallgemeinerbar sein. Der bloße Wunsch, dass ein Windpark nicht in der eigenen Nachbar- schaft entstehen sollte, sondern lieber an einem anderen Ort, wo nicht der Einwender selbst, dafür aber andere Bürger betroffen wären, ist nicht verallgemeinerbar und kann nicht berück- sichtigt werden. Problematisch erscheint deshalb auch die von einem Bürger vorgetragene Anregung, dass nicht Stellungnahmen eingeholt und planerisch abgewogen werden sollten, sondern das Be- teiligungsverfahren eher als Meinungsumfrage oder Volksabstimmung ausgestaltet werden sollte. Der Bürger geht nicht auf die Frage ein, auf wessen Meinung es dann ankom- men bzw. wer abstimmungsberechtigt sein sollte. Da in der Regel weder die Stromerzeugung eines Windparks für eine einzelne Gemeinde bestimmt ist noch dessen Umweltauswirkungen sich auf ein Gemeindegebiet beschränken, wäre eine solche Abstimmung eigentlich nur auf regionaler Ebene sinnvoll und möglich. Auf dieser Ebene werden die Entscheidungen von de- mokratisch gewählten Volksvertretern getroffen. Der Planungsverband erkennt keinen gewich- tigen Grund, an dieser Praxis etwas zu ändern.

20 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

3 Erwägungen zur Regelung der Windenergienutzung

3.1 Stand der Windenergienutzung in der Region Rostock

3.1.1 Anlagenbestand und Planung Im Juni 2018 waren in der Region Rostock 338 Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von insgesamt 664 Megawatt im Betrieb. Bereits genehmigt war die Errichtung von weiteren 38 Anlagen mit insgesamt 113 Megawatt. Darüber hinaus geplant waren 42 Anlagen mit ins- gesamt 118 Megawatt Nennleistung. Zu beachten ist, dass ein Teil der geplanten Anlagen dem Ersatz von vorhandenen, noch im Betrieb befindlichen Anlagen dienen soll. Darüber hin- aus ist zu beachten, dass für einen Teil der geplanten Anlagen absehbar ist, dass sie nicht genehmigungsfähig sind. Eine Addition der oben aufgeführten Zahlen würde demnach kein realistisches Bild des im Rahmen des geltenden Raumentwicklungsprogrammes noch mögli- chen Ausbauvolumens geben.

3.1.2 Ausnutzung der Eignungsgebiete Die ersten, ursprünglich im Regionalen Raumordnungsprogramm von 1999 festgelegten Eig- nungsgebiete sind zu 100 Prozent ausgenutzt. Die mit der Neuaufstellung des Raumentwick- lungsprogrammes im Jahr 2011 festgelegten Gebiete sind zu 70 Prozent ausgenutzt. Zu be- achten ist, dass die im RROP 1999 festgelegten Eignungsgebiete der ersten Generation bereits mit der Neuaufstellung des RREP 2011 überprüft wurden und dass die zum damaligen Zeitpunkt nicht ausgenutzten Teilflächen aufgehoben wurden. Bei den 2011 festgelegten Ge- bieten der zweiten Generation sind ausschließlich Belange des Artenschutzes dafür maßge- bend, dass keine vollständige Ausnutzung erreicht wurde. Die Eignungsgebiete und Jördenstorf konnten bisher gar nicht genutzt werden. Grund ist das Vorkommen des Schrei- adlers, der nur noch in diesem Teil der Region heimisch ist. Das Gebiet Dalwitz konnte nur zur Hälfte ausgenutzt werden. Auch hier sind Belange des Greifvogelschutzes maßgebend.

3.1.3 Alter der vorhandenen Anlagen Bis zum Jahr 1999 – also vor der erstmaligen Festlegung von Eignungsgebieten im Regional- plan – wurden 72 Windenergieanlagen mit insgesamt 51 Megawatt Nennleistung errichtet. In den Jahren 2000 bis 2011 wurden 118 Anlagen mit insgesamt 187 Megawatt errichtet. Seit der Verbindlichkeit des geltenden RREP wurden im Zeitraum von 2012 bis Mitte 2018 148 Anlagen mit insgesamt 425 Megawatt errichtet. 23 Anlagen aus den neunziger Jahren wurden im selben Zeitraum zurückgebaut und sind bei den vorstehend genannten 65 Anlagen nicht mehr mitgezählt.

3.1.4 Verteilung des Anlagenbestandes Innerhalb der im geltenden Raumentwicklungsprogramm festgelegten Eignungsgebiete stan- den im Juni 2018 258 Windenergieanlagen. Außerhalb der Eignungsgebiete standen 80 Anla- gen, davon 58 Anlagen die entweder bis 1999 genehmigt oder ursprünglich innerhalb von Eig- nungsflächen errichtet wurden, welche mit der Neuaufstellung des RREP 2011 aufgehoben wurden, 22 Anlagen wurden nach 1999 zu Forschungs- und Erprobungszwecken außerhalb der Eignungsgebiete genehmigt. Drei Viertel des Anlagenbestandes befinden sich somit in- nerhalb der Eignungsgebiete. Außerhalb der Eignungsgebiete stehen überwiegend solche An- lagen, die noch in den 1990er Jahren vor der erstmaligen Festlegung von Eignungsgebieten zugelassen wurden. In wenigen Fällen stehen auch Anlagen auf ehemaligen Eignungsflächen, welche bei der Neuaufstellung des RREP im Jahr 2011 nicht übernommen wurden. Die seit

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1999 in Ausnahmefällen zu Forschungs- und Erprobungszwecken zugelassenen Anlagen be- finden sich zum Teil direkt am Rande vorhandener Eignungsgebiete oder innerhalb von aktuell geplanten Eignungsgebieten (neu: Vorranggebiete).

3.1.5 Stromerzeugungspotenzial Bei Annahme eines Durchschnittswertes von 2.000 Volllaststunden je Anlage und Jahr ergäbe sich gegenwärtig für die Region Rostock eine jährliche Stromerzeugung aus Windenergie in der Größenordnung von 1.300 bis 1.400 Gigawattstunden. Die gesamte eingespeiste Strom- menge der Windenergieanlagen in Mecklenburg-Vorpommern (einschließlich Küstenmeer) betrug im Jahr 2016 laut amtlicher Statistik rund 6.000 Gigawattstunden. Als Zielgröße für das Jahr 2025 werden in der Energiepolitischen Konzeption des Landes Mecklenburg-Vorpom- mern 20.000 Gigawattstunden anvisiert, wovon 12.000 auf dem Land und 8.000 auf der Ost- see gewonnen werden sollen. Der gesamte Stromverbrauch in Mecklenburg-Vorpommern be- trug laut amtlicher Statistik im Jahr 2016 rund 6.600 Gigawattstunden.

3.2 Bestimmung des verfügbaren Flächenpotenzials

Das Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern vom Mai 2016 schreibt vor, dass bei der Bestimmung von Ausschlusskriterien für die Windenergienutzung durch die Regionalen Planungsverbände eine klare Unterscheidung zwischen „harten“ und „weichen“ Ausschlusskriterien zu treffen sei. Die Planungsverbände sollen sich selbst und den Verfah- rensbeteiligten Rechenschaft geben, inwieweit sie bei der Bestimmung von Ausschlusskrite- rien lediglich höherrangige Vorschriften umgesetzt oder unumstößlichen Fakten Rechnung ge- tragen haben – und inwieweit sie dagegen eigene Entscheidungen getroffen haben, die sie selbst begründen und verantworten müssen. Damit wurde die einschlägige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Landesraumentwicklungsprogramm nochmals ausdrücklich nach- vollzogen. Nach Auffassung des Planungsverbandes handelt es sich bei dieser Anforderung um eine Selbstverständlichkeit, die in der Region Rostock auch bisher schon beachtet wurde, indem bereits in den Umweltberichten zum geltenden RREP sowie zum Fortschreibungsentwurf vom Mai 2014 alle Kriterien beschrieben und begründet wurden, sodass für alle Verfahrensbetei- ligten nachvollziehbar war, welche dieser Kriterien der Planungsverband aus höherrangigen Vorschriften übernommen und welche er aufgrund eigener Erwägungen festgelegt hat. Auch in den veröffentlichten Abwägungsdokumentationen zum geltenden RREP sowie zum Fort- schreibungsentwurf vom Mai 2014 wurde kein Zweifel daran gelassen, für welche Ausschluss- kriterien der Planungsverband selbst die Verantwortung trägt und sich somit in einer Begrün- dungs- und Rechtfertigungspflicht sieht. Um diesbezüglich jegliche Missverständnisse auszuschließen, sind die essenziellen, keiner Abwägung zugänglichen Ausschlusskriterien nachfolgend nochmals explizit aufgelistet. Auch in der Begründung und im Umweltbericht wurde mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes im Jahr 2018 eine deutlichere Differenzie- rung vorgenommen. Für die Errichtung von Windenergieanlagen ungeeignet, weil bestehende Rechtsvorschriften, die zu ändern nicht in der Kompetenz der Regionalplanung liegt, die Windenergienutzung ge- nerell ausschließen, sind in der Region Rostock die nachfolgend aufgeführten Ausschlussge- biete: • Wohnhäuser einschließlich 500 Metern Schutzabstand; • Vorranggebiete für Naturschutz und Landschaftspflege (soweit gemäß Naturschutzrecht oder anderen Gesetzen geschützt);

22 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

• Vorranggebiete für Gewerbe und Industrie (soweit durch rechtskräftige Bebauungspläne gesichert); • Waldgebiete; • Gesetzlich geschützte Biotope; • Europäische Vogelschutzgebiete; • Brutplätze von Seeadler, Schreiadler, Fischadler, Wanderfalke einschließlich gesetzlicher Horstschutzzonen; • Überschwemmungsgebiete und engere Schutzzonen von Trinkwasserschutzgebieten; • Bauschutzbereiche der Flugplätze und Schutzbereiche militärischer Anlagen. Der Planungsverband geht dabei von folgenden Überlegungen und Annahmen aus: Bezüglich der Wohnorte lässt sich die Grenze zwischen der essenziellen Ausschlusszone, die nach den Vorschriften des Immissionsschutz- und Baurechtes in jedem Fall freizuhalten wäre, und dem darüber hinaus planerisch gewollten Schutzabstand nur näherungsweise bestimmen. Hierfür wird die 45-dB(A)-Isophone herangezogen, die bei einem Windpark mit Anlagen heu- tiger Größe in der Regel einen Umkreis von 400 bis 600 Metern um die Anlagenstandorte beschreibt. Somit kann davon ausgegangen werden, dass im Mittel ein Abstand von 500 Me- tern erforderlich ist, um schädliche Umwelteinwirkungen und erhebliche Belästigungen im Sinne des Immissionsschutzrechtes zu vermeiden. Für die flächenmäßige Berechnung der essenziellen Ausschlussgebiete wird deshalb ein pauschaler Schutzabstand von 500 Metern angesetzt. Der Immissionsrichtwert von 45 Dezibel (A) gilt im Nachtzeitraum für Dorf- und Mischgebiete, was dem typischen Gebietscharakter ländlicher Siedlungen in der Umgebung der geplanten Vorranggebiete entspricht. Derselbe Richtwert wird analog auf Einzelhäuser und Splittersiedlungen im Außenbereich angewandt. Bezüglich der baurechtlichen Mindestanforderungen wäre auf die vorgeschriebenen Ab- standsflächen für bauliche Anlagen Bezug zu nehmen. In der Rechtsprechung wird jedoch darüber hinaus die Vermeidung einer „bedrängenden Wirkung“ im Sinne des bauplanungs- rechtlichen Rücksichtnahmegebotes als Beurteilungsmaßstab herangezogen. Hierfür hat sich als unterer Richtwert das zweifache der Anlagenhöhe etabliert, bei modernen Anlagen also 300 bis 500 Meter. Der Planungsverband geht davon aus, dass eine Anlagenhöhe von 150 Metern mindestens erforderlich ist, um ein Vorranggebiet für Windenergieanlagen unter heu- tigen Bedingungen wirtschaftlich zu nutzen. Diese Mindesthöhe soll allerdings nicht Maßstab der Planung sein. Vielmehr sollen die Vorranggebiete für Anlagen nach dem heutigen Stand der Technik, das heißt mit 200 bis 250 Metern Höhe, nutzbar sein. Daraus ergäbe sich ein Mindestabstand von 400 bis 500 Metern, innerhalb dessen – sofern man sich den Beurtei- lungsmaßstab der Gerichte zu eigen macht – regelmäßig von der Möglichkeit einer bedrän- genden Wirkung ausgegangen werden könnte. Da es sich nicht um einen rechtlich normierten Grenzwert handelt, orientiert sich der Planungsverband in erster Linie am immissionsschutz- rechtlich notwendigen Mindestabstand und sieht die Vermeidung einer bedrängenden Wirkung lediglich als zusätzlichen, in der Rechtsprechung weitgehend verfestigten Orientierungsmaß- stab an, dessen Anwendung zu einem ungefähr gleichen Ergebnis führt. Außerhalb der zusammenhängend bebauten Ortsteile ist die Errichtung von Wohnhäusern nach dem Baugesetzbuch nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Wenn ein beste- hendes Wohngebäude aufgegeben wird, erlischt nach kurzer Zeit der Bestandsschutz für die früher ausgeübte Nutzung. In Einzelfällen wurde im Rahmen der Fortschreibung des Raum- entwicklungsprogrammes dem Planungsverband die Aufgabe einer bestehenden Wohnnut- zung in der Nähe potenzieller Windparkstandorte ausdrücklich angeboten, um die Festlegung eines Vorranggebietes für Windenergieanlagen zu ermöglichen. Da es weder rechtliche noch tatsächliche Gründe gibt, die solche Lösungen ausschließen würden, gehören die Einzelhäu- ser und Splittersiedlungen im Außenbereich mit ihren Abstandszonen streng genommen nicht zu den essenziellen Ausschlusskriterien. Der Planungsverband geht jedoch davon aus, dass im Regelfall die bestehende Nutzung als schutzwürdig angenommen werden muss, sodass

23 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 für eine realistische Berechnung des verfügbaren Flächenpotenzials die Einzelhäuser und Splittersiedlungen mit einem minimalen Schutzabstand berücksichtigt werden müssen. Die sonstigen Vorranggebiete nach dem Regionalen Raumentwicklungsprogramm gehören als solche nicht zu den essenziellen Ausschlussgebieten, weil ihre Festlegung oder Aufhebung der eigenen Abwägungskompetenz des Planungsverbandes unterliegt. Sie umfassen jedoch zu großen Teilen solche Flächen, die schon aufgrund fachgesetzlicher Bestimmungen oder rechtskräftiger Planungen für die Windenergienutzung nicht verfügbar wären. So bestehen zum Beispiel die Vorranggebiete für Naturschutz und Landschaftspflege großenteils aus Na- turschutzgebieten. Diese Flächen gehören zu den essenziellen Ausschlussgebieten. Wälder werden in einigen anderen Bundesländern in durchaus größerem Umfang für die Wind- energienutzung geöffnet. Dies spricht auf den ersten Blick dafür, dass Wälder nicht zu den essenziellen Ausschlusskriterien gehören dürften. Das Waldgesetz für das Land Mecklenburg- Vorpommern verbietet jedoch die Inanspruchnahme von Waldflächen für andere Nutzungen, soweit die betreffenden Planungen und Maßnahmen auf anderen Flächen verwirklicht werden können. In der waldarmen Region Rostock, die ein großes Potenzial siedlungsferner, für die Windenergienutzung gut geeigneter Offenlandflächen aufweist, wäre somit die gesetzliche Vo- raussetzung für eine Nutzung von Waldflächen nicht gegeben. Für die europäischen Vogelschutzgebiete gibt es keine allgemeingültigen Verbotskataloge, sondern nur die Maßgabe, dass jede Planung und jedes Vorhaben im konkreten Einzelfall auf ihre Verträglichkeit mit den maßgebenden Schutzzielen zu prüfen sind. Bei der Planung von Windparks mit großen Anlagen führt diese Prüfung jedoch schon auf der regionalen Planungs- ebene zu einem durchgängig negativen Ergebnis, weil in den Vogelschutzgebieten der Region Rostock überall windkraftsensible Großvogelarten zu den maßgebenden Zielarten gehören, und eine Vereinbarkeit mit den maßgebenden Schutzzielen (Erhaltung eines ungestörten Luft- raumes, Freihaltung störungsarmer Offenlandbereiche) in keinem Fall gegeben wäre. Einen Sonderfall stellt in dieser Hinsicht das sehr kleine Schutzgebiet „Kämmericher Senke“ dar, welches lediglich ein einzelnes Standgewässer mit Verlandungszonen umfasst. Auch in die- sem speziellen Fall würden jedoch Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen die Le- bensräume maßgebender Zielarten beeinträchtigen. Der Planungsverband geht davon aus, dass Errichtung und Betrieb eines Windparks mit mehreren großen Anlagen die oben genann- ten Schutzziele in der Regel mehr als nur unerheblich beeinträchtigen würden. Diese Einschät- zung ergibt sich auch daraus, dass sich die Gefährdungs- und Störungswirkung der Windener- gieanlagen nicht auf die unmittelbar beanspruchte Grundfläche beschränkt, sondern darüber hinausgeht, indem das Schlagrisiko für die Vögel aus umliegenden Brutrevieren erhöht und Offenlandflächen in ihrer Funktion als Nahrungshabitate entwertet würden. Eine ausnahms- weise Zulassung solcher erheblicher Beeinträchtigungen im Einzelfall müsste – wie bei den Waldflächen – an der nachweislichen Verfügbarkeit ausreichender Flächenpotenziale außer- halb der Schutzgebiete scheitern. Ähnlich wie für die Wohnorte gilt auch für die Abstände zu den Brutplätzen geschützter Vögel, dass ein essenzieller Schutzabstand nach den dafür maßgebenden Rechtsvorschriften (hier: Artenschutzparagraphen des Bundesnaturschutzgesetzes) eigentlich nur im konkreten Einzel- fall aufgrund genauerer Untersuchungen bestimmt werden kann. Für die Berechnung des Flä- chenpotenzials wird die gesetzliche Horstschutzzone von 300 Metern um den Horststandort als essenzielles Ausschlussgebiet angenommen. Darüber hinausgehende Abstandszonen von bis zu drei Kilometern, wie sie auch für die laufende RREP-Fortschreibung herangezogen werden, setzen sich zwar in der behördlichen Praxis zunehmend durch; ihre Gleichsetzung mit Verbotszonen im Sinne des Artenschutzrechtes ist jedoch fachlich umstritten und aus Sicht des Planungsverbandes nicht gerechtfertigt. In den engeren Schutzzonen der Trinkwasserschutzgebiete und in Überschwemmungsgebie- ten ist die Errichtung baulicher Anlagen in der Regel verboten. Ebenso verboten ist die Zer- störung oder erhebliche Beeinträchtigung von gesetzlich geschützten Biotopen und Geotopen.

24 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Für die Bauschutzbereiche der Flugplätze und die militärischen Schutzbereiche gibt es in der Regel konkrete Vorschriften zur Höhe baulicher Anlagen, die innerhalb der Schutzbereiche variieren. So können in den äußeren Randbereichen des Bauschutzbereiches um den Flug- platz Laage durchaus Anlagen in der Größe moderner Windenergieanlagen genehmigt wer- den, weil die Höhe mit der Entfernung vom Flugplatz ansteigt. Auch hier gilt jedoch, dass es sich um Ausnahmen von der allgemeinen Regel handelt, die bei der Flächenermittlung im re- gionalen Maßstab vernachlässigt werden können. Die Erläuterungen machen deutlich, dass man im Prinzip zu jedem der aufgeführten Kriterien eine Diskussion darüber beginnen könnte, wie „hart“ es tatsächlich ist. Prinzipiell gilt für fast alle Ausschlussgründe, dass sie theoretisch überwindbar sind, weil Schutzgebietsverordnun- gen und rechtskräftige Pläne aufgehoben, Wälder abgeholzt und Wohnhäuser aufgegeben werden können. Auch enthalten die einschlägigen Fachgesetze und Schutzgebietsverordnun- gen meist Ausnahmeregelungen und Befreiungstatbestände, die eine Inanspruchnahme der betreffenden Flächen für die Windenergienutzung theoretisch denkbar erscheinen lassen. Da jedoch genügend freie Ackerflächen für die Windenergienutzung zur Verfügung stehen, dürf- ten die genannten Möglichkeiten zur Aufweichung „harter“ Ausschlusskriterien in der Praxis kaum zum Tragen kommen. Auf der Ebene der Regionalplanung muss diesbezüglich eine abstrakte Betrachtung erfolgen, die zu dem Ergebnis führt, dass innerhalb der hier aufgeführ- ten essenziellen Ausschlussgebiete die Planung von Windenergieanlagen in der Regel an gel- tenden Vorschriften scheitern müsste. Ein denkbarer Ausnahmefall wäre das Aufkaufen und Abreißen eines einzelnstehenden Wohnhauses, das mit seiner Abstandszone eine im Übrigen geeignete Fläche blockiert, durch ein Windenergieunternehmen. Für die Berechnung des ver- fügbaren Flächenpotenzials können solche Sonderfälle jedoch außer Betracht gelassen wer- den. Weitere Einwände gegen die oben dargelegten Annahmen könnten dahingehend erhoben werden, dass es für notwendige Abstände von Windenergieanlagen zu Wohnhäusern keine verbindlichen Vorschriften gibt und dass die Einhaltung der maßgebenden Immissionsricht- werte im Nachtzeitraum auch durch temporäre Abschaltung oder einen leistungsreduzierten Betrieb der Windenergieanlagen erreichen ließe. In der Rechtsprechung wird darüber hinaus vereinzelt die Auffassung vertreten, dass die Planungsträger gehalten wären, bei den Bauver- boten zwischen repressiven Verboten (mit Befreiungsmöglichkeit) und präventiven Verboten (mit Erlaubnisvorbehalt) zu differenzieren, wobei nur erstere den wirklich „harten“ Ausschluss- kriterien zuzuordnen seien. Der Planungsverband schließt sich solchen Überlegungen nicht an. Die hier vorgenommene Differenzierung zwischen essenziellen („harten“) und sonstigen („weichen“) Ausschlusskriterien dient dem Zweck, den Planungsbeteiligten ein realistisches Bild davon zu vermitteln, welches Flächenpotenzial im Planungsraum für eine wirtschaftliche Nutzung der Windenergie auf dem heutigen Stand der Technik bei sachgerechter Anwendung bestehender Rechtsvorschriften höchstens zur Verfügung stünde. Ein Betrieb von Windener- gieanlagen unter wesentlichen Auflagen und Einschränkungen entspräche diesem Verständ- nis ebenso wenig wie die regelmäßige Inanspruchnahme von Ausnahmen und Befreiungen von bestehenden Rechtsvorschriften. Durch Überlagerung der essenziellen Ausschlusskriterien wird anschaulich, wie viel Fläche in der Region Rostock ausgeschlossen werden musste, weil die Errichtung von Windenergiean- lagen dort aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich wäre, und wie viel Fläche der Planungsverband darüber hinaus ausschließen will. Hierzu wird auf die entsprechenden Kartendarstellungen im Umweltbericht verwiesen. In den zum ersten und zweiten Entwurf vor- gelegten Plandokumenten waren entsprechende Ausführungen noch nicht enthalten. Es war also zunächst nicht unmittelbar ersichtlich, wie sich das flächenmäßige Verhältnis von essen- ziellen und nichtessenziellen Ausschlussgebieten darstellt und wie groß das Flächenpotenzial tatsächlich ist, das in der Region für die Windenergienutzung verfügbar wäre. Die Berechnung dieses Potenzials ist eigentlich theoretischer Natur und stellt nach Auffassung des Planungs- verbandes keine zwingende Anforderung an ein schlüssiges Planungskonzept dar – denn es

25 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ist keinesfalls Ziel der Planung, sämtliche Potenziale für die Windenergienutzung restlos ver- fügbar zu machen. Von Interesse ist das flächenmäßige Verhältnis allerdings dann, wenn ein Vergleich zwischen verschiedenen Regionen mit unterschiedlichen räumlichen Voraussetzun- gen im Hinblick auf den Grad der Ausschöpfung des vorhandenen Flächenpotenzials ange- stellt werden soll. Deshalb werden die Ergebnisse dieser Berechnung für die Region Rostock hier dargelegt. Die nach den oben aufgeführten essenziellen Kriterien ermittelten Potenzialflächen umfassen rund 70.000 Hektar. Damit ergibt sich eine Größenordnung von rund 20 Prozent der Regions- fläche, die theoretisch für die Windenergienutzung verfügbar wären. Um diesbezüglich mögli- chen Einwänden von vornherein zu begegnen, hat der Planungsverband auch das Flächen- potenzial ermittelt, das sich bei einer sehr engen Auslegung des Begriffes der „harten“ Ausschlusskriterien ergeben würde. In diese Berechnung wurden nur die Anforderungen des Immissionsschutzes (Abstände um Wohnhäuser) und Gebiete mit ausdrücklichen Bauverbo- ten einbezogen, während Flächen auf denen die Errichtung baulicher Anlagen einem Erlaub- nisvorbehalt unterliegt, außer Betracht gelassen wurden. Zu letzterer Kategorie gehören die Wälder, die Schutzbereiche um Flugplätze und militärische Anlagen sowie die Europäischen Vogelschutzgebiete. Wenn diese Gebiete nicht zu den „harten“ Ausschlussgebieten gezählt würden, ergäbe sich ein ungefähr doppelt so großes Flächenpotenzial in der Größenordnung von 150.000 Hektar, entsprechend 40 Prozent der Regionsfläche. Ein nochmals größeres Po- tenzial ergibt sich, wenn auch die Wohnnutzung im Außenbereich als prinzipiell disponibel angesehen und bei den Anforderungen des Immissionsschutzes nur die zusammenhängend bebauten Ortschaften einbezogen werden. In diesem Fall umfasst die theoretisch verfügbare Fläche 230.000 Hektar, entsprechend 60 Prozent der Regionsfläche. Zur Bestimmung der Flächen, die im Ergebnis der Planung tatsächlich verfügbar gemacht wer- den sollen, hilft diese Erkenntnis allein aber nicht weiter. Es gibt keine anerkannten Regeln, wie aus dem im ersten Schritt ermittelten Flächenpotenzial eine Richtgröße für den von der Rechtsprechung geforderten „substanziellen“ Mindestumfang von Windenergie-Vorranggebie- ten abzuleiten wäre – etwa in der Art, das von der theoretisch nutzbaren Fläche wiederum ein prozentual bestimmter Mindestanteil tatsächlich für die Windenergienutzung verfügbar ge- macht werden müsste. Die Frage, in welchem Umfang die Förderung der Windenenergienut- zung in der Region planerisch sinnvoll und gewollt ist, kann nicht beantwortet werden, ohne dass auch energiewirtschaftliche Aspekte in die Überlegungen einbezogen werden. An der vom Planungsverband vorgenommenen Differenzierung von essenziellen und weiteren Ausschlusskriterien wird im Ergebnis der Auslegung des dritten Entwurfes nochmals von zahl- reichen Einwendern Kritik geübt, die für eine engere Auslegung des Begriffes der essenziellen Ausschlusskriterien eintreten. Der Planungsverband bleibt im Ergebnis der abschließenden Abwägung bei seiner am Maßstab der planerischen Verfügbarkeit ausgerichteten Bestimmung der essenziellen Kriterien. Eine sehr enge Auslegung anhand einschlägiger Begriffe aus der Rechtsprechung, wonach alle Flächen als potenzielle Eignungsflächen zu gelten hätten, auf denen die Errichtung von Windenergieanlagen nicht schlechthin unmöglich wäre, führt dage- gen zu einer maßlosen Überzeichnung des Flächenpotenzials und kann nicht Grundlage einer realitätsbezogenen Planung sein.

3.3 Flächenbedarf für die Windenergienutzung

Im Februar 2015 wurde durch das Energieministerium die Energiepolitische Konzeption für das Land Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht, die danach durch den Landtag bestätigt wurde. Darin sind Zielgrößen zum weiteren Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen für den Planungshorizont bis 2025 bestimmt. Dieses Konzept stellt für die Re- gionalplanung keine verbindliche Vorgabe dar, gibt aber eine gute Orientierung, inwieweit die vom Planungsverband für die Region Rostock vorgesehenen Flächenfestlegungen mit den

26 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 aktuellen energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Zielen übereinstimmen. Die von der Landesregierung angestrebte Zielgröße für den Ausbau der Windenergienutzung auf dem Festland liegt bei einem Leistungspotenzial von sechs Gigawatt, womit jährlich 12.000 Giga- wattstunden Strom erzeugt werden könnten. Das Konzept sieht ausdrücklich vor, dass die Planungsverbände auf dieser Grundlage ihre regionalen Flächenziele bestimmen sollen. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen ist flächenextensiv. Deshalb nimmt das Land bei der Bestimmung seiner Ausbauziele auf den Faktor Fläche Bezug, indem ein Beitrag Mecklenburg-Vorpommerns zur Stromerzeugung in Deutschland angestrebt wird, der dem Flächenanteil des Landes an der gesamten Bundesfläche (6,5 Prozent) entspricht. Auf eine offensive, an deutlich überproportionalen Zielgrößen orientierte Ausbaustrategie für die Wind- energienutzung, wie sie zum Beispiel in Brandenburg und Schleswig-Holstein verfolgt wird, wurde damit verzichtet. Aus der oben genannten Zielgröße lässt sich ein landesweiter Bedarf in der Größenordnung von 20.000 Hektar Vorranggebietsfläche ableiten. Wenn der flächenbezogene Berechnungs- ansatz der Landesregierung auf der regionalen Ebene weiterverfolgt wird, ergibt sich rechne- risch wiederum ein Anteil von 15 Prozent, der innerhalb des Landes auf die Region Rostock entfallen müsste. Damit würde jedoch außer Acht gelassen, dass das in der Region tatsächlich vorhandene Flächenpotenzial deutlich kleiner ist als in anderen Teilen des Landes. Die in Vor- bereitung der aktuellen Fortschreibung der Raumentwicklungsprogramme durchgeführte lan- desweite Flächenanalyse hat ergeben, dass die Potenziale innerhalb des Landes ungleich verteilt sind und auf die Region Rostock nur etwa 10 Prozent der landesweit ermittelten Po- tenzialflächen entfallen. Gründe sind die vergleichsweise hohe Siedlungsdichte und weitere Restriktionen, zum Beispiel durch den Flugplatz Laage. Somit kann ein Zielwert von 600 bis 900 Megawatt installierter Nennleistung (entsprechend 10 bis 15 Prozent der landesweit an- gestrebten sechs Gigawatt) als Zielgröße für den Planungshorizont bis 2025 angesetzt wer- den. Für die Berechnung der Vorranggebietsfläche, die für das ermittelte Leistungspotenzial benö- tigt wird, geht der Planungsverband entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Technik von 3 Megawatt Nennleistung und 10 Hektar Flächenbedarf je einzelner Windenergieanlage aus. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass in den nächsten Jahren zunehmend Anlagen der Leistungsklasse von 3,5 bis 5 Megawatt errichtet werden; die durchschnittliche Leistung je Anlage im Gesamtbestand wird jedoch nach wie vor maßgeblich von den seit 2012 in großer Zahl errichteten 2,5-bis-3-Megawatt-Anlagen bestimmt bleiben. Der angesetzte Flächenbedarf von 10 Hektar je Anlage ergibt sich aus den Erfahrungen, die bei der Ausnutzung bisher fest- gelegter Eignungsgebiete gemacht wurden. Bei maximaler Flächenausnutzung sind auch ge- ringere Hektarwerte je Anlage möglich. Die Praxis zeigt aber, dass Anlagen innerhalb der Eig- nungsgebiete oftmals nicht in wirtschaftlich optimaler Dichte aufgestellt werden können (z.B. aus Gründen der Flugsicherung) und dass Teilflächen der Eignungsgebiete aus Artenschutz- gründen oder aufgrund notwendiger Abstände zu Infrastrukturanlagen nicht genutzt werden können. Auch die Tendenz zu größeren Rotordurchmessern führt zu einem höheren Flächen- bedarf je Anlage. Aus den aufgeführten Voraussetzungen und Annahmen ergibt sich folgende Berechnung: • Zielgröße des Landes für 2025 (summierte Nennleistung): 6 Gigawatt • Flächenanteil der Region Rostock an der Landesfläche ca. 15 Prozent • Anteil der Region Rostock an den potenziellen Eignungsräumen: ca. 10 Prozent • obere Zielgröße für die Region Rostock (6 GW * 15%): 900 Megawatt • untere Zielgröße für die Region Rostock (6 GW * 10%): 600 Megawatt • Durchschnittliche Nennleistung je Anlage: 3 Megawatt • Benötigte Anzahl an Windenergieanlagen: 200 bis 300 • Flächenbedarf je Einzelanlage 10 Hektar • Regionaler Flächenbedarf für die Windenergienutzung: 2.000 bis 3.000 Hektar.

27 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Ein Vergleich mit der aktuell festgelegten Eignungsgebietsfläche und dem aktuellen Bestand an Windenergieanlagen zeigt, dass die unteren Zielwerte für das Jahr 2025 bereits heute über- schritten werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass • ein Teil des vorhandenen Anlagenbestandes außerhalb der Eignungsgebiete steht und damit langfristig nicht ersetzt werden kann, • ein Teil der derzeit festgelegten Eignungsgebiete aufgrund deren Nähe zu den Wohnorten für Windenergieanlagen heutiger Größe nicht mehr geeignet ist und deshalb aufgehoben werden soll. Da die laufende Fortschreibung der vier Regionalen Raumentwicklungsprogramme erst ab dem Jahr 2020 zum Abschluss kommen wird, ist der Planungshorizont der Energiepolitischen Konzeption mittlerweile sehr eng und würde kaum mehr als fünf Jahre umfassen. Für die Fort- schreibung des RREP ist von einem Geltungszeitraum bis ca. 2030 auszugehen, sodass die Berechnung des Flächenbedarfes für dieses Bezugsjahr erfolgen sollte. Im § 1 des Erneuer- bare-Energien-Gesetzes ist als Zielperspektive für den Zehnjahreszeitraum von 2025 bis 2035 ein Zuwachs der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen um ein Drittel festgeschrieben. Für den Fünfjahreszeitraum 2025 bis 2030 wäre der oben genannte Flächenbedarf für das Land Mecklenburg-Vorpommern entsprechend zu erhöhen. Somit ergibt sich eine ungefähre Größenordnung von 25.000 Hektar Vorranggebietsfläche, die in den vier Regionalen Raum- entwicklungsprogrammen insgesamt festgelegt werden müsste. Die Potenziale verteilen sich innerhalb des Landes wie folgt:

Tabelle 1 Rechnerische Aufteilung des Flächenbedarfes auf die vier Regionen

Anteil Landesfläche Anteil Potenzialfläche* ungefähre Zielgröße Westmecklenburg 30% 40% 10.000 ha Rostock 15% 10% 2.500 ha Meckl. Seenplatte 25% 25% 6.000 ha Vorpommern 30% 25% 6.000 ha *Fläche, die nicht von Ausschlusskriterien gemäß Anlage 3 zur RREP-Richtlinie von 2012 erfasst wird

Aus den dargelegten Berechnungen ergibt sich, dass ein Mindestumfang von rund 2.500 Hek- tar Eignungsgebietsfläche (10 Prozent von 25.000 Hektar) im Sinne eines ausreichenden Flä- chenangebotes für die Windenergienutzung nicht unterschritten werden sollte, wenn sich der Planungsverband nicht dem Vorwurf der Verhinderungsplanung aussetzen will. 2.500 Hektar in der Region Rostock entsprechen 0,7 Prozent der Regionsfläche. Flächenanteile in der Grö- ßenordnung von 0,5 bis 1 Prozent waren in norddeutschen Planungsregionen bis jetzt durch- aus üblich; zum Teil werden aber auch Anteile von 2 Prozent erreicht bzw. in aktuellen Plan- entwürfen angestrebt. Mit einem Flächenangebot unter 1 Prozent würde sich die Region Rostock zukünftig wohl eher im unteren Referenzbereich vergleichbarer Küstenregionen be- wegen. Bezogen auf das theoretisch verfügbare Flächenpotenzial nach Abzug essenzieller Ausschlussgebiete gemäß Abschnitt 3.2 beträgt der Anteil 4 Prozent. Für einen möglichst ob- jektiven Vergleich verschiedener Planungsregionen mit unterschiedlichen räumlichen Voraus- setzungen ist letzterer Wert die besser geeignete Bezugsgröße. Bei der Ermittlung des theo- retisch verfügbaren Flächenpotenzials wird jedoch bundes- und landesweit sehr unterschiedlich vorgegangen, sodass sich ein einheitlich anwendbarer Vergleichsmaßstab in der Planung und Rechtsprechung bisher nicht herausgebildet hat. Zur Frage, ob die Vorgaben der Energiepolitischen Konzeption und der daraus abgeleitete Flächenbedarf den aktuell absehbaren Anforderungen des Klimaschutzes, wie er sich aus in- ternationalen Abkommen ergibt, gerecht werden kann, gab es im Planungsverband zuletzt kontroverse Diskussionen. Auch in zahlreichen Einwendungen zum Entwurf vom November

28 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

2018 wird diese Frage nochmals aufgeworfen und zum Teil ausdrücklich verneint. Für die Re- gion Rostock wurde deshalb im Jahr 2018 mit der Erarbeitung eines regionalen Energiekon- zeptes begonnen. Grundlage dieses Konzeptes wird eine wesentlich genauer berechnete Be- darfsprognose sein, die auf den heutigen Stand von Wissenschaft und Technik sowie die aktuell maßgebenden Klimaschutzziele auf nationaler und internationaler Ebene Bezug nimmt. Im Rahmen der in den nächsten Jahren anstehenden Gesamtfortschreibung des RREP kön- nen auf der Grundlage dieses Konzeptes die Festlegungen zur Windenergienutzung und zu anderen Formen der Energiegewinnung nochmals überprüft und bei Bedarf angepasst wer- den.

3.4 Eignungs- und Vorranggebiete

Seit der erstmaligen Festlegung von Flächen für die Windenergienutzung in den Regionalen Raumordnungsprogrammen vor 20 Jahren werden diese Flächen in Mecklenburg-Vorpom- mern als Eignungsgebiete bezeichnet. Nach dem Raumordnungsgesetz dienen Eignungsge- biete dazu, bestimmte Nutzungen auf besonders geeignete Standorte zu lenken und sie im übrigen Planungsraum auszuschließen. Damit ist nicht zwingend verbunden, dass innerhalb der Eignungsgebiete die Windenergienutzung immer Vorrang hat und sich gegen alle anderen raumbedeutsamen Nutzungsansprüche durchsetzt. In der Praxis hat sich allerdings – auch bedingt durch die einschlägige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte – mehr und mehr die Vorstellung durchgesetzt, dass Eignungsgebiete für Windenergieanlagen auch Vorrangge- biete im Sinne des Raumordnungsgesetzes sind. In der Region Rostock wurde dies bei der Aufstellung des geltenden RREP im Jahr 2011 mit der ausdrücklichen Festlegung bekräftigt, dass innerhalb der Eignungsgebiete keine anderen Nutzungen zugelassen werden dürfen, welche die Windenergienutzung ausschließen oder einschränken würden. Vor diesem Hintergrund hat die oberste Landesplanungsbehörde angeregt, den tatsächlichen Bedeutungswandel der Eignungsgebiete auch begrifflich nachzuvollziehen und diese zukünf- tig als Vorranggebiete im Sinne des Raumordnungsgesetzes zu bezeichnen. Der Planungs- verband greift diese Anregung auf. Es handelt sich lediglich um eine begriffliche Klarstellung, die am Inhalt und an der rechtlichen Bindungswirkung der betreffenden RREP-Festlegungen (Programmsätze 6.5 (1) und 6.5 (2)) nichts ändert. Die mit dem Begriff der Eignungsgebiete nach dem Raumordnungsgesetz verbundene Ausschlusswirkung für den übrigen Planungs- raum bleibt also bestehen. Ebenfalls zur Klarstellung wird ein neuer Abschnitt in den Begrün- dungsteil des RREP aufgenommen, in dem erläutert wird, wie sich die Festlegung der Vor- ranggebiete auf bereits vorhandene Nutzungen und Schutzansprüche auswirkt. Damit reagiert der Planungsverband insbesondere auf die Einwände verschiedener Fachbehörden und Inf- rastrukturbetreiber, die (unabhängig von der Frage der Benennung) eine unzureichende Be- rücksichtigung ihrer Belange bei der Genehmigung von Windenergieanlagen innerhalb der Eignungs- und Vorranggebiete befürchten. Bei der Berücksichtigung solcher Belange in den Vorranggebieten für Windenergieanlagen ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: • Bestehende Gesetze und Rechtsverordnungen werden durch die Festlegung der Vorrang- gebiete für Windenergieanlagen nicht berührt. Dies gilt zum Beispiel für gesetzliche An- bauverbote entlang von Straßen sowie für den Schutz von Biotopen und Waldstücken. • Ein per Gesetz oder Verordnung festgelegtes Verhältnis von Regel und Ausnahme wird durch die Festlegung der Vorranggebiete nicht umgekehrt. Es gibt somit keinen Anspruch darauf, dass innerhalb der Vorranggebiete Ausnahmen oder Befreiungen von bestehen- den Bauverboten erteilt werden, falls die betreffende Rechtvorschrift solche Ausnahmen oder Befreiungen zulässt. • Sofern einer Behörde per Gesetz oder Verordnung ein Ermessensspielraum ausdrücklich eingeräumt wird, ist dieser innerhalb der festgelegten Vorranggebiete grundsätzlich zu- gunsten der Windenergienutzung auszunutzen.

29 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

• Anforderungen technischer Regelwerke und fachbehördlicher Richtlinien sollen sich inner- halb der Vorranggebiete gegen die Windenergienutzung durchsetzen, soweit sie als unter- gesetzliches Regelwerk der Konkretisierung verbindlicher Rechtsvorschriften dienen und die zweckmäßige Ausnutzung der Vorranggebiete nur unwesentlich einschränken. • Anders verhält es sich mit allen Restriktionen und Anforderungen, die sich großflächig auf die zweckmäßige Ausnutzung der Vorranggebiete auswirken und diese insgesamt in Frage stellen würden. Solche Anforderungen werden bei der RREP-Fortschreibung in die Abwä- gung einbezogen. Mit der verbindlichen Festlegung eines Vorranggebietes im RREP ist die Entscheidung verbunden, dass solche großflächig wirksamen Restriktionen innerhalb des betreffenden Gebietes hinter die Belange der Windenergienutzung zurücktreten. Dies gilt insbesondere für großflächige Abstandszonen um Vogelbrutplätze, die aus Gründen des Artenschutzes empfohlen werden. Bei nachträglicher Ansiedlung geschützter Vögel in der Umgebung der Vorranggebiete soll in der Regel von der Möglichkeit einer artenschutz- rechtlichen Ausnahmegenehmigung Gebrauch gemacht werden. In diesem speziellen Fall würde also tatsächlich das gesetzlich festgelegte Verhältnis von Regel und Ausnahme um- gekehrt. Da die vorliegende Abwägungsdokumentation in sämtlichen Abschnitten Rückbezüge auf die bisherigen Entwürfe, die dazu eingegangenen Stellungnahmen sowie das geltende RREP und das vorher geltende RROP enthält, wird hier vielfach noch der alte Begriff der Eignungsgebiete verwendet, um diesbezügliche Verwirrungen und Missverständnisse zu vermeiden.

3.5 Lokale Häufung von Eignungsgebieten

Bei der Bewertung der Häufungsproblematik geht es grundsätzlich um die Frage, ob man Zu- sammenballungen von Windparks bis zu einem gewissen Grad in Kauf nehmen würde, wenn dafür andere Teile der Region, die für Natur- und Landschaftsschutz besonders wichtig sind, komplett freigehalten werden – oder ob man gerade solche Zusammenballungen als beson- ders störend empfindet. Die scheinbar naheliegende Überlegung, ob man im Zweifelsfall eher die Menschen oder eher die Natur schützen möchte, führt hierbei nicht weiter, weil die fragli- chen Naturräume gleichzeitig wichtige Tourismus- und Erholungsräume sind, also auch hier der (erholungsuchende) Mensch geschützt wird. Die bei der Erstellung des Entwurfes vom Mai 2014 angewandten Kriterien zur Bewertung der Häufungsproblematik gingen – in Anlehnung an den von der Landesregierung empfohlenen Mindestabstand von 2,5 Kilometern zwischen benachbarten Eignungsgebieten – von einem relativ engen räumlichen Betrachtungshorizont aus. Kumulative Auswirkungen auf das Land- schaftsbild, die durch lokale Häufungen von Windparks in einem mittleren Entfernungsbereich entstehen, wurden durch diese Kriterien nur unzureichend erfasst. Die dadurch entstandene extreme Häufung vorhandener und geplanter Eignungsgebiete im Raum zwischen Satow, Schwaan und Bützow wurde im Rahmen der zweiten Auslegung von zahlreichen Einwendern kritisiert. Zu den fraglichen Gebieten sind überwiegend ablehnende Stellungnahmen einge- gangen. Mehrere hundert Bürger haben die Ablehnung jeweils mit ihren Unterschriften unter- stützt. Neben allgemeinen Vorbehalten gegen den weiteren Ausbau der Windenergienutzung werden unter anderem Sorgen um Gesundheit und Wohlbefinden der Anwohner, um den Wert von Immobilien, die örtlichen Ansätze zum Aufbau einer touristischen Infrastruktur, die zahl- reich beobachteten Zugvögel sowie weitere Vorbehalte aus Sicht des Natur- und Artenschut- zes geäußert. Überwiegend sind dies typische Argumente, wie sie auch von Anwohnern ge- planter Eignungsgebiete in anderen Teilen der Region vorgebracht wurden. Nach Auffassung des Planungsverbandes hat keines dieser Argumente ein solches Gewicht, dass es für sich genommen die Streichung eines oder mehrerer der fraglichen Eignungsgebiete zwingend be- gründen könnte.

30 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Was die Stellungnahmen aus diesem Teil der Region von anderen unterschied, war dagegen der immer wiederkehrende Hinweis auf die bereits jetzt vergleichsweise starke Veränderung und Beunruhigung der Landschaft durch die vorhandenen Windparks und die aus Sicht der Gemeinden und der Anwohner erreichte Grenze der Belastbarkeit. Der Planungsverband hat schon bisher die Auffassung vertreten, dass in keinem Teil der Region die Landschaftsverän- derung durch Windparks so weit getrieben werden soll, dass die Attraktivität als Tourismus- und Erholungsraum gänzlich verlorengeht. In der Abwägung zum zweiten Entwurf der RREP-Fortschreibung war die Häufungsproblema- tik anhand zweier Kriterien beurteilt worden: 1. bezogen auf einzelne, besonders betroffene Ortschaften: Summe der Umstellungswinkel, die sich durch vorhandene und geplante Eignungsgebiete im näheren Umkreis des betref- fenden Ortes ergeben; 2. bezogen auf teilräumliche Zusammenballungen von Windparks: Gesamtflächenumfang bei mehreren, dicht (das heißt mit weniger als 2,5 Kilometern Abstand) beieinanderliegen- den Eignungsgebieten. Für den dritten Entwurf wurde der Betrachtungshorizont zur Bewertung lokaler Zusammenbal- lungen eng benachbarter Eignungsgebiete von 2,5 auf 5 Kilometer erweitert, da 2,5 Kilometer bei der Größe heutiger Windenergieanlagen nicht ausreichen, um bei Betrachtung aus mittle- rer Entfernung einen deutlich erkennbaren Freiraum herzustellen. Die Kriterien der Konfliktbe- wertung wurden dementsprechend neu gefasst. Ein erhöhtes Konfliktpotenzial wird erkannt, wenn • bei einzelnen Ortschaften der nähere Umkreis (2,5 Kilometer von der Ortsmitte) zu mehr als einem Drittel von Windenergieanlagen umstellt würde, oder • mehrere benachbarte Vorranggebiete (mit einem Abstand von weniger als 5 Kilometern zueinander) in der Summe eine Größe von 400 Hektar Gebietsfläche überschreiten. Ein hohes Konfliktpotenzial wird erkannt, wenn • bei einzelnen Ortschaften mehr als die Hälfte des Umkreises von Windenergieanlagen um- stellt würde, oder • in der Summe benachbarter Vorranggebiete eine Flächengröße von 800 Hektar deutlich überschritten wird. Diese Kriterien sollen nicht schematisch, ohne nähere Betrachtung des Einzelfalles, ange- wandt werden, sondern dienen in erster Linie als Bewertungshilfe, um das Konfliktpotenzial der geplanten Vorranggebiete zu erkennen und die verschiedenen Fälle vergleichbar zu ma- chen.

Bezüglich der Umstellungswirkung würde sich bei Festlegung aller potenziellen Eignungsge- biete, die im Rahmen der RREP-Fortschreibung in Betracht gezogen wurden, ein hohes Kon- fliktpotenzial nur für das Gebiet Matersen (119) ergeben. Der Ort Hohen Luckow würde mit einer Ausnutzung dieses Gebietes auf deutlich mehr als der Hälfte des Umkreises von Wind- energieanlagen umstellt. Das Gebiet 119 wurde deshalb schon bei der ersten Überarbeitung des Fortschreibungsentwurfes im Jahr 2014 verworfen. Ein erhöhtes Konfliktpotenzial, also eine Umstellung auf mehr als einem Drittel des Umkreises, ergäbe sich (auch ohne das Gebiet 119) für Hohen Luckow sowie für die Orte Dalkendorf, Groß Bäbelin, Groß Gischow, Groß Schwiesow, Jürgenshagen, Klein Belitz, Krempin, Ravensberg, Reinstorf, Wokrent und Zapkendorf.

Lokale Ballungen vorhandener und zur Neufestlegung vorgeschlagener Eignungs- und Vor- ranggebiete mit einer Gesamtfläche in der Größenordnung von rund 300 bzw. 400 Hektar sind nordöstlich und nordwestlich von Güstrow zu erkennen (Gebiete 106, 123 und 133 bzw. 55/58 und 102). Die gleiche Größenordnung erreichen jeweils die bereits vorhandenen Windparkfel- der bei Satow (28, 33/45, 100/101, 118) und Bützow (37/51, 104, 114). Mit einer Festlegung

31 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 und späteren Ausnutzung der potenziellen Eignungsgebiete Klein Belitz (120), Groß Gischow (131) und Reinstorf (132) würde zwischen Satow und Bützow ein in der optischen Wahrneh- mung zusammenhängendes Windfeld auf über 1.000 Hektar Eignungsfläche entstehen. Nach der oben dargelegten Konfliktbewertung muss diesen Gebietsvorschlägen ein hohes Konflikt- potenzial zuerkannt werden.

Seit der Erstellung des zweiten Entwurfes im Jahr 2014 wurden die neuen Windparks bei Ho- hen Luckow, Kurzen Trechow und Kambs weitgehend fertiggestellt, sodass deren Wirkung auf das Landschaftsbild jetzt direkt erfahrbar ist. Die Betrachtung der heutigen Situation vor Ort lässt erkennen, dass dazwischen noch ein großer Freiraum besteht, der zwar von den umlie- genden Windparks geprägt, jedoch nicht dominiert wird. Dieser Freiraum soll erhalten bleiben. Die nach dieser Maßgabe vorgenommene nochmalige Überprüfung der Häufungsproblematik führte zu dem Ergebnis, dass die drei fraglichen Gebiete 120, 131 und 132 in den letzten Entwurf nicht mehr übernommen wurden. Ein optisches „Zusammenwachsen“ der bestehen- den Windparks bei Hohen Luckow, Kurzen Trechow und Kambs zu einer einzigen Windener- gielandschaft wird damit verhindert.

Für die Festlegung der fraglichen Eignungsgebiete sprachen sich insbesondere die interes- sierten Firmen aus der Windenergiebranche sowie Grundstückseigentümer und Landwirt- schaftsbetriebe aus. Die dazu vorgetragenen Argumente, die sich in erster Linie auf allge- meine energiewirtschaftliche und -politische Überlegungen sowie auf das Interesse an der Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen für Gemeinden und örtliche Betriebe beziehen, sind grundsätzlich nicht falsch. Wie bei den oben aufgeführten typischen Ablehnungsargumen- ten der Anwohner handelt es sich hierbei aber um Argumente, die im Prinzip für jedes Eig- nungsgebiet herangezogen werden können, weil es überall interessierte Grundstückseigentü- mer und Projektentwickler gibt und das Interesse an der Erzielung zusätzlicher Einnahmen grundsätzlich bei allen potenziell Begünstigten vorausgesetzt werden kann. Eben weil diese Argumente so allgemeingültig sind, können sie bei der Abwägung im konkreten Einzelfall in der Regel nicht den Ausschlag für die Entscheidung geben. Aus keiner der betreffenden Stel- lungnahmen wurde ersichtlich, warum solche allgemeinen Erwägungen sich gerade im Fall der fraglichen Gebiete 120, 131 und 132 gegen die oben dargelegten planerischen Erwägun- gen durchsetzen müssten.

Abbildung: Eignungsgebiete im Raum Satow-Bützow mit 2,5-Kilometer-Umkreisen – Situation mit und ohne die Gebiete 120, 131 und 132

32 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Das methodische Vorgehen bei der Häufungsbewertung sowie der Prozess der Meinungsbil- dung und Abwägung im Planungsverband haben im Ergebnis der Auslegung des letzten Ent- wurfes nochmals Kritik hervorgerufen. Zu den Gebieten 119, 120, 131 und 132 wird von ver- schiedenen Einwendern sinngemäß die gleiche Anregung vorgebracht: Der Planungsverband möge eines der vier Gebiete wieder in den Entwurf aufnehmen und die jeweils anderen ver- werfen. Jeder Einwender versucht darzulegen, warum gerade seine Vorzugsfläche im Hinblick auf die hier maßgebende Häufungsproblematik noch vergleichsweise gut verträglich wäre. Be- züglich der inhaltlichen Einwände erkennt der Planungsverband an, dass es über die Grenzen der Verträglichkeit lokaler Häufungen verschiedene Meinungen geben kann. Der Planungs- verband erhebt nicht den Anspruch, die einzig mögliche oder einzig richtige Entscheidung ge- troffen zu haben – er erhebt jedoch sehr wohl den Anspruch, eine planerisch begründete und gut vertretbare Entscheidung getroffen zu haben.

3.6 Landschaftsschutz und Tourismus

Ein Zielkonflikt zwischen Landschaftsschutz und Tourismusförderung auf der einen und Wind- energienutzung auf der anderen Seite besteht im Prinzip in ganz Mecklenburg-Vorpommern. In der Region Rostock hat die geplante Festlegung von Eignungsgebieten für Windenergiean- lagen in einem Tourismusschwerpunktraum besonders heftige Kritik hervorgerufen. Die im RREP festgelegten Tourismusschwerpunkträume gelten als Restriktionskriterium bei der Fest- legung von Windenergie-Vorranggebieten, sodass die Belange des Tourismus hier mit beson- derem Gewicht in die Abwägung einzubeziehen sind. Die im Entwurf vom Mai 2014 enthalte- nen Gebietsvorschläge Linstow (105) und Groß Bäbelin (128) liegen im äußersten Süden der Region (Amtsbereich Krakow am See), der bisher weiträumig frei von Windenergieanlagen ist. Das Für und Wider einer Festlegung der Gebiete 105 und 128, besonders im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen des Ferienresorts Linstow, ist im Planungsverband ausführlich erörtert worden. Hierzu wird auch auf die Abwägungsdokumentation vom November 2018 ver- wiesen. Im Laufe der Jahre 2014 und 2015 haben mehrere Gespräche mit Vertretern der Gemeinde Dobbin-Linstow, dem Betreiber des Ferienresorts, des Tourismusverbandes, der Landespla- nungsbehörde und des Planungsverbandes stattgefunden, in denen die Probleme erörtert und verschiedene Alternativen erwogen wurden. Dabei ist deutlich geworden, dass insbesondere die Planung des Gebietes 105 vor Ort auf strikte Ablehnung stieß, weil es der Ferienanlage in direkter Sichtbeziehung gegenüberliegt. Bezüglich des nördlich gelegenen Gebietes 128, das durch ein Waldstück von der Ferienanlage getrennt ist, waren die Vorbehalte deutlich weniger ausgeprägt. Die Betreiber der Ferienanlage haben im Jahr 2014 Fragebögen für ihre Gäste ausgelegt, um ein Meinungsbild zur möglichen Errichtung von Windenergieanlagen in der direkten Umge- bung zu erhalten. Im Verlauf der Saison wurden so mehrere hundert ausgefüllte Fragebögen gesammelt. Nach der vorläufigen Auswertung, welche die Betreiber dem Planungsverband zur Kenntnis gegeben haben, glauben zwei Drittel der Befragungsteilnehmer, dass die Nutzung der Windkraft für die zukünftige Energieversorgung wichtig ist. Rund die Hälfte geht allerdings davon aus, dass ein Windpark am Standort Linstow die Attraktivität des Landschaftsbildes zerstören würde. Die Frage „Würden Sie eine Windkraftanlage so störend finden, dass Sie auf einen Besuch des Resort Linstow verzichten würden?“ hat immerhin ein gutes Drittel der Beteiligten mit „ja“ beantwortet. Ob eine derartige Umfrage zuverlässige Rückschlüsse auf das tatsächliche Verhalten der Urlauber in dem Fall erlaubt,

33 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dass ein Windpark bei Linstow wirklich errichtet wird, kann wohl bezweifelt werden. Die Um- frageergebnisse machen aber zumindest verständlich, dass der Betreiber des Resorts die Ab- sichten des Planungsverbandes mit Sorge betrachtete. Zu den Gebieten 105 und 128 wurden im Rahmen der zweiten Auslegung überwiegend ab- lehnende Stellungnahmen abgegeben. Zahlreiche Bürger haben die Ablehnung mit ihrer Un- terschrift unterstützt. Zum Teil brachte man die typischen Sorgen und Vorbehalte gegen die Festlegung weiterer Windenergie-Vorranggebiete zum Ausdruck, wie sie auch in anderen Tei- len der Region dem Planungsverband entgegengehalten werden. Im Unterschied zu anderen Teilen der Region stand hier jedoch sehr deutlich die Sorge im Vordergrund, dass die bisher erreichten Erfolge bei der Entwicklung der Tourismuswirtschaft durch die Errichtung von Wind- parks gefährdet werden könnten. Auf die Bedeutung des Resorts Linstow als größter touristi- scher Arbeitgeber, von dem wiederum die Existenz zahlreicher kleinerer Betriebe in hohem Maße abhängt, wird ausdrücklich hingewiesen. Argumente für die Festlegung der Gebiete 105 und 128 als Vorranggebiete kamen, wie auch in den anderen Teilen der Region, überwiegend von Projektentwicklungsfirmen aus der Wind- kraftbranche, Landeigentümern und Landwirten. Hierzu können sinngemäß die diesbezügli- chen Ausführungen im voranstehenden Abschnitt 3.5 gelten, allerdings mit der Einschränkung, dass im Krakower Raum ertragsarme Böden vorherrschen, was gerade hier tendenziell für die Windenergienutzung als zusätzliche Wertschöpfungsquelle sprechen könnte. Unter besonderer Berücksichtigung der Lage im Tourismusschwerpunktraum wurde nach vor- läufiger Abwägung im Jahr 2015 entschieden, die Planung des Gebietes 105 nicht weiter zu verfolgen und für das (weniger konfliktträchtige) Gebiet 128 zunächst die Eignung im Hinblick auf die Anforderungen des Vogelschutzes genauer zu untersuchen. Das Gebiet Nr. 128 wurde dann mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes aus Gründen des Vogelschutzes verworfen. Im Ergebnis der abschließenden Abwägung wird an diesen Entscheidung festgehalten. Auch in anderen Teilen der Region wird die Festlegung neuer Gebiete für Windenergieanlagen mit Verweis auf besondere landschaftliche Qualitäten und befürchtete Beeinträchtigungen des Tourismus abgelehnt. In den Stellungnahmen zum letzten Entwurf wird in diesem Zusammen- hang vermehrt auf kulturlandschaftliche, denkmalpflegerische und denkmalrechtliche Aspekte Bezug genommen. Dies betrifft besonders die Windenergie-Vorranggebiete am Rande der mecklenburgischen Schweiz bei Teterow. Der Planungsverband erkennt die Berechtigung die- ser Einwände grundsätzlich an – weist aber auf den Zielkonflikt hin, in den die Planung unwei- gerlich gerät, wenn einerseits größtmögliche Abstände zwischen Windparks und Wohnorten eingehalten und andererseits unverbaute Landschaftsräume möglichst bewahrt werden sollen. Der Planungsverband geht davon aus, dass mit dem für die RREP-Fortschreibung gewählten Kriteriensystem eine insgesamt ausgewogene Berücksichtigung dieser Belange gewährleistet ist.

3.7 Eignungsgebiete in der Umgebung des Flugplatzes Laage

Im Ergebnis der ersten Auslegung waren die ursprünglich vorgeschlagenen Gebiete Sabel (121), Recknitz (123) und Wardow (124) auf Empfehlung der Luftfahrtbehörden aus dem Fort- schreibungsentwurf gestrichen worden. Für die beiden letztgenannten Gebiete ist diese Ent- scheidung im Rahmen der zweiten Auslegung von verschiedenen Interessenten wieder in Frage gestellt worden. Nach den aktuell vorliegenden Informationen zu den maßgebenden Höhenbeschränkungen in der Umgebung des Flugplatzes Laage wäre das Gebiet 121 für große Windenergieanlagen tatsächlich nicht nutzbar. Die Gebiete 123 und 124 unterliegen ebenfalls Höhenbeschränkungen, die sich aber im Grenzbereich dessen bewegen, was mit einer wirtschaftliche Nutzung der Windenergie nach dem heutigen Stand der Technik (das heißt: mit Anlagenhöhen ab ca. 150 Metern) noch vereinbar wäre. Für das Gebiet 123 liegen

34 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 außerdem Hinweise vor, dass die maßgebenden Höhenbeschränkungen in der letzten Zeit angehoben wurden. Da auf konkrete Nachfragen des Planungsverbandes bei den zuständigen Dienststellen der zivilen und militärischen Flugsicherung keine gegenteiligen Auskünfte gegeben wurden, ging der Planungsverband zuletzt davon aus, dass die Gebiete 123 und 124 unter dem Gesichts- punkt der Flugsicherheit für eine Wiederaufnahme in den Fortschreibungsentwurf in Frage kommen könnten. Beide Gebiete wurden deshalb in die 2016 durchgeführte Greifvogelerhe- bung einbezogen. Im Ergebnis der Gesamtabwägung wurde das Gebiet 123 mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes wieder in die RREP-Fortschreibung aufgenommen, das Gebiet 124 wurde aus Vogelschutzgründen verworfen. Zum Entwurf vom November 2018 werden von den Luftfahrtbehörden keine weitergehenden Hinweise zum Gebiet Nr. 123 gegeben. Dieses Gebiet wird als Vorranggebiet festgelegt.

3.8 Anforderungen des Vogelschutzes

3.8.1 Ergebnisse des 2014 durchgeführten Beteiligungsverfahrens Einwände aus Sicht des Vogelschutzes werden von den Einwendern häufig mit einschlägigen Verboten aus dem Naturschutzgesetz untermauert, um dem Planungsverband nahezulegen, dass seine Planungen nicht nur falsch, sondern auch rechtswidrig wären. Die Fläche der vor- geschlagenen Eignungsgebiete aus dem zweiten Entwurf, deren Festlegung die untere Natur- schutzbehörde aufgrund der im Jahr 2014 vorliegenden Erkenntnisse als unvereinbar mit dem Naturschutzrecht ansah, umfasste rund 300 Hektar, also ein Viertel der im Entwurf enthaltenen Flächen. Zu weiteren Flächen wurden ausdrückliche Vorbehalte geäußert. Der Flächenverlust, der sich tatsächlich ergeben würde, wenn die potenziellen Eignungsgebiete im Rahmen spä- terer Genehmigungsverfahren umfassend untersucht würden, wurde von der Naturschutzbe- hörde auf bis zu 40 Prozent geschätzt. Weitere Flächen wurden vom Naturschutzbund NABU abgelehnt, der noch wesentlich strengere Maßstäbe anlegen möchte als die Behörde. Auch zahlreiche Bürger verweisen auf das Vorkommen von Vögeln und Fledermäusen, um ihre Ab- lehnung bestimmter Gebietsvorschläge zu begründen. Wenn man allen Einwänden des Natur- und Landschaftsschutzes hätte folgen wollen, hätten fast alle Gebietsvorschläge aus dem zweiten Entwurf verworfen werden müssen. Die damals abgegebenen Stellungnahmen zu den einzelnen Gebietsvorschlägen machten deutlich, dass Artenschutzargumente von den Einwendern nahezu beliebig herangezogen wurden. Auch die Einwände der Naturschutzbehörden und -verbände zu den vorgeschlagenen Eignungsgebie- ten schienen zum Teil weniger von den tatsächlichen Naturgegebenheiten als vielmehr von der Genauigkeit der Orts- und Artenkenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzuhängen. Solche subjektiven Einflüsse dürfen die Flächenauswahl jedoch nicht bestimmen. Eine sachgerechte Abwägung der Artenschutzbelange war auf der Grundlage der zum zweiten Entwurf eingegan- genen Stellungnahmen nicht möglich. Die Überarbeitung des Fortschreibungsentwurfes wurde deshalb im Jahr 2015 ausgesetzt. Um zunächst Klarheit über die Vorkommen windkraftsen- sibler Großvogelarten – insbesondere der Greifvögel – in der Umgebung der geplanten Eig- nungsgebiete zu erlangen, wurde in Abstimmung mit der Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock, dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie sowie dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt entschieden, eine Erhebung der Brutplätze durchführen zu lassen. Diese Erhebung erfolgte im Jahr 2016. Die Ergebnisse der Erhebung sind im Umweltbericht ausführlich wiedergegeben.

35 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

3.8.2 Neue Vorgaben der Naturschutzbehörden Die Bewertung der Ergebnisse der Greifvogelerhebung wurde auf der Grundlage der Arten- schutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) vorgenommen, die im August 2016 für die Beurteilung von Windenergievorhaben im Land Mecklenburg-Vorpommern einge- führt wurde. Die Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungshilfe führt bei konsequenter Anwendung zu sehr großflächigen Abstandszonen um die Brutplätze bestimmter Vogelarten. Da mit der Anwendung solcher Abstandsempfehlungen regelmäßig die Zulässigkeit ganzer Vorranggebiete (oder großer Teile solcher Gebiete) in Frage steht, müssen diese Belange bereits bei der Planaufstellung hinreichend aufgeklärt und berücksichtigt werden. Eine Ver- schiebung diesbezüglicher Entscheidungen in spätere Genehmigungsverfahren wäre nicht zweckmäßig und im Hinblick auf die Bindungswirkung förmlich festgelegter Eignungs- und Vorranggebiete auch nicht rechtskonform. Die Anwendung der in der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe empfohlenen Ausschlussbereiche um die Brutplätze ist in der Regionalplanung insbesondere dann sinnvoll, wenn die betreffende Art erfahrungsgemäß langjährig dieselben Brutplätze nutzt, sodass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer fortdauernden Besetzung im Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung ausgegangen werden kann. Bei denjenigen Arten, die ihre Brut- plätze häufiger wechseln, müssen die im Jahr 2016 ermittelten Vorkommen abwägend berück- sichtigt werden. Wenn durch Brutplatzwechsel nach der Verbindlichkeit der RREP-Fortschrei- bung neue Konflikte entstehen, soll grundsätzlich vom Instrument der artenschutzrechtlichen Ausnahme Gebrauch gemacht werden, soweit dies mit Blick auf den Erhaltungszustand der jeweiligen Population vertretbar ist. Ein „Hineinplanen in die Ausnahme“ in dem Sinne, dass erkannte und im Planungszeitraum des RREP wahrscheinlich fortbestehende Konflikte mit dem Artenschutzrecht wissentlich in Kauf genommen werden, ist jedoch nicht beabsichtigt und würde den strengen Anforderungen, die im Naturschutzgesetz an solche Ausnahmen gestellt werden, nicht gerecht.

3.8.3 Konsequenzen für die Flächenauswahl Die Auswertung der durchgeführten Erhebung ergab, dass sich im Jahr 2016 keine Brutplätze windkraftsensibler Großvogelarten innerhalb der untersuchten Eignungsgebiete befanden. In der näheren Umgebung der untersuchten Eignungsgebiete wurden insbesondere Brutplätze von Mäusebussarden und Rotmilanen sowie (seltener) Schwarzmilanen und Rohrweihen er- mittelt. Die in der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe empfohlenen Mindest- abstände werden überwiegend eingehalten. Eine flächenmäßig erhebliche Überschneidung ergibt sich mit den Abstandszonen um die Brutplätze des Rotmilans. Diese Art kommt in der Region Rostock offensichtlich flächendeckend vor und zeichnet sich durch eine vergleichs- weise geringe Brutplatztreue aus. Die 2016 ermittelten Vorkommen können somit keinesfalls direkt für die Abgrenzung der geplanten Vorranggebiete maßgebend sein. Sie erlauben aller- dings eine gute Einschätzung des Konfliktpotenzials, das mit dem weiteren Ausbau der Wind- energienutzung im Hinblick auf den Bestandserhalt des Rotmilans in der Region Rostock ver- bunden ist. Die Dichte der ermittelten Greifvogelvorkommen bei den untersuchten Eignungsgebieten lässt darauf schließen, dass insbesondere im Süden und Osten der Region noch vergleichsweise gute Lebensbedingungen für die betreffenden Arten herrschen, sodass das Konfliktpotenzial hier generell höher einzustufen ist als bei den Gebieten im Norden und Westen der Region. Mit Rücksicht auf die Belange des Greifvogelschutzes wurden die Gebiete Wardow (124), Rey (126), Groß Bäbelin (128), Dehmen (133) und Hoppenrade (134) nicht mehr in den letzten Entwurf übernommen. Das im Entwurf vom Mai 2014 enthaltene Eignungsgebiet Tarnow Ost (122) wurde ebenfalls nicht übernommen, da in der Nähe ein Schwerpunktvorkommen des Rotmilans besteht und das Gebiet fast ausschließlich Grünland auf Niedermoorböden – und damit ein bevorzugtes Nahrungshabitat des Rotmilans – umfasst hätte.

36 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

3.8.4 Belange des Schreiadlerschutzes Der Schutz des Schreiadlers hat bei der Fortschreibung des RREP eine besondere Bedeu- tung, weil nur noch wenige Exemplare dieser Art in Deutschland vorkommen und weil das Recknitz-Trebel-Gebiet (in der Region Rostock die Amtsbereiche Tessin, Gnoien und Meckl. Schweiz) das größte verbliebene Rückzugsgebiet der Schreiadler bildet. Vor diesem Hinter- grund sind die besonders konsequent vom Naturschutzverband NABU, aber auch von den Naturschutzbehörden verfolgten Bestrebungen verständlich, diese letzten Lebensräume mög- lichst von Windenergieanlagen freizuhalten. Gegen eine herausgehobene Behandlung des Schreiadlers in der planerischen Abwägung sprechen allerdings folgende Gründe: • Das Recknitz-Trebel-Gebiet markiert die westliche Verbreitungsgrenze des Schreiadlers im Ostseeraum; die hier lebenden Tiere sind Teil einer Population, deren Lebensraum bis in das Baltikum reicht und insgesamt in ihrem Bestand nicht gefährdet ist. • Der Rückgang und die akute Gefährdung der deutschen Teilpopulation sind nach heutiger Kenntnis in erster Linie auf den Rückgang geeigneter Nahrungsflächen zurückzuführen und nicht auf den Ausbau der Windenergienutzung. Aufgrund dieser Tatsachen wird von interessierten Gemeinden und Projektentwicklern argu- mentiert, dass die möglichst großräumige Freihaltung der Schreiadlerlebensräume als Lösung eigentlich am Problem vorbeigehe: Wenn man Windparks in der weiteren Umgebung der Brut- plätze zulassen und die dafür aufzubringenden Kompensationsmittel gezielt zur Sicherung und Wiederherstellung von Brut- und Nahrungshabitaten einsetzen würde, könne für die Erhaltung der Schreiadlerbestände in Mecklenburg-Vorpommern wesentlich mehr erreicht werden als mit einer reinen Verhinderungsstrategie. Die untere Naturschutzbehörde hält eine solche Abwägung für unzulässig. Sie legt das ge- setzliche Tötungsverbot beim Schreiadler so weitgehend aus, dass praktisch jegliches Schlag- risiko vermieden werden müsste und die Errichtung von Windenergieanlagen innerhalb der Verbreitungsgebiete deshalb nicht in Frage käme. Der Planungsverband geht davon aus, dass in den Randbereichen des Schreiadlerlebensraumes die Windenergienutzung grundsätzlich vertretbar sein kann, soweit der Mindestabstand von 3 Kilometern zu den Brutrevieren einge- halten wird. Gleichwohl können Überlegungen der planerischen Vorsorge dafür sprechen, beim Schutz des akut bestandsgefährdeten Schreiadlers über die gesetzlichen Mindestanfor- derungen hinauszugehen und möglichst jedes vermeidbare Risiko für die in Mecklenburg-Vor- pommern verbliebenen Brutpaare auszuschließen. Innerhalb der 3-Kilometer-Abstandszonen um die Brutreviere des Schreiadlers liegen die in den ersten Entwürfen der RREP-Fortschreibung enthaltenen Eignungsgebiete Thelkow (103) und Boddin (125) sowie das 2011 festgelegte, bislang nicht ausgenutzte Gebiet Gnoien (111). Diese Gebiete wurden in den letzten Entwurf nicht mehr aufgenommen. Hierzu wird auch auf die weitergehenden Ausführungen in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 ver- wiesen. In zwei weiteren Fällen befinden sich Eignungsgebiete innerhalb der Prüfbereiche mehrerer Schreiadlerbrutplätze, sodass die Naturschutzbehörde von einem Ausschlusstatbe- stand aufgrund der Lage innerhalb sogenannter Interaktionsräume benachbarter Brutplätze ausgeht. Dies sind die Gebiete Wardow (124) und Rey (126). Ein Risiko für die örtlichen Schreiadlervorkommen wäre in beiden Fällen mit dem Betrieb von Windenergieanlagen zwei- felsfrei verbunden, da beide Gebiete von Schreiadlern aufgesucht und überflogen werden. Außerdem ist in beiden Fällen mit der Möglichkeit zukünftiger Neubesetzung von Brutrevieren zu rechnen. Da beim Schreiadler voraussichtlich nicht vom Instrument der Ausnahme gemäß § 45 Bundesnaturschutzgesetz Gebrauch gemacht werden könnte, wären beide Gebiet mit dem Risiko behaftet, dass sie später nicht ausgenutzt werden können.

37 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

3.8.5 Neubewertung des Konfliktfeldes Vogelschutz Die für den Entwurf vom Mai 2014 vorgenommene Konfliktbewertung der geplanten Vorrang- gebiete bezüglich der Belange des Vogelschutzes wurde mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes wie folgt neu gefasst: Ein erhöhtes Konfliktpotenzial wird erkannt bei • Überschneidung des potenziellen Eignungsgebietes mit Restriktionskriterien des Vogel- schutzes gemäß Kriterienübersicht 6.5-2 im Entwurf zur RREP-Fortschreibung (Abstands- zonen um Vogelschutzgebiete, Rastgebiete von Wat- und Wasservögeln, Abstandszonen um Storchennester, Vogelzugkorridore), oder • großflächiger Überschneidung mit den empfohlenen Abstandszonen um Brutplätze von Greifvögeln nicht standorttreuer Arten (insbesondere des Rotmilans). Ein hohes Konfliktpotenzial wird erkannt bei • großflächiger Überschneidung mit Ausschlusskriterien des Vogelschutzes gemäß Krite- rienübersicht 6.5-1 im Entwurf zur RREP-Fortschreibung (Abstandszonen um Adlerbrut- plätze), • hohem Konfliktrisiko bezüglich der Belange des Greifvogelschutzes gemäß der im Umwelt- bericht dargelegten Bewertung. Zur ausführlichen Begründung der Konfliktbewertung bezüglich der Belange des Greifvogel- schutzes wird auf die Ausführungen zum Artenschutz im Umweltbericht verwiesen.

3.9 Standortvorsorge für Prototypen

3.9.1 Ziele der geplanten Neuregelung Mit der Fortschreibung des Energiekapitels im RREP ist die Absicht verbunden, das Flächen- angebot für die Windenergienutzung insgesamt nochmals deutlich zu erhöhen. Gleichzeitig sollen Vorhaben zu Forschungs- und Erprobungszwecken, die bisher durch Ausnahmeent- scheidungen außerhalb der Eignungsgebiete zugelassen wurden, zukünftig so weit wie mög- lich in die Eignungsgebiete (neu: Vorranggebiete) gelenkt werden. Der Flächenumfang der Vorranggebiete, die mögliche Reservierung von Standorten für Windenergieanlagen-Prototy- pen innerhalb der Vorranggebiete, die zulässige Laufzeit dieser Prototypen und der daraus resultierende Flächenbedarf für den Planungszeitraum des RREP können nicht isoliert vonei- nander betrachtet werden. Aus Sicht des Planungsverbandes muss in jedem Fall mit der Fort- schreibung erreicht werden, • dass für den Planungszeitraum des RREP bis ca. 2030 insgesamt ein ausreichendes Flä- chenangebot für die Stromerzeugung aus Windenergie bereitsteht, welches sich aus den Zielgrößen der Energiepolitischen Konzeption des Landes Mecklenburg-Vorpommern so- wie den übergeordneten Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Gesetzes schlüssig ablei- ten lässt; • dass für Prototypen und Vorserienanlagen der regionalen Unternehmen im gesamten Pla- nungszeitraum des RREP geeignete Standorte bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt wer- den können. Nach bisheriger Erfahrung gelingt letzteres nur, wenn die Prototypenstandorte der direkten Konkurrenz kommerzieller Windparkprojekte entzogen werden.

38 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

3.9.2 Zulassung von Anlagen zu Erprobungszwecken während der letzten Jahre Windenergieanlagen zu Erprobungs- und Vermessungszwecken wurden in den vergangenen Jahren aufgrund der einschlägigen Ausnahmeregelung gemäß Satz 6.5 (3) des bislang gel- tenden RREP – jetzt Satz 6.5 (4) – außerhalb der Eignungsgebiete zugelassen, soweit dies durch besondere Standortanforderungen gerechtfertigt war. In Auswertung der Entwicklung der letzten Jahre ist folgendes festzustellen: • Es wurden überwiegend Standorte für Prototypen neu entwickelter Windenergieanlagen beantragt, an denen die obligatorischen Vermessungen (Lasten, Leistungskurve, Schall- pegel, Netzverträglichkeit) durchgeführt werden, welche für eine Markteinführung und Se- rienfertigung erforderlich sind. Andere Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, wie die Er- probung von Speichertechnologien, spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. • Die Standorte kommen überwiegend regionsansässigen Unternehmen zu Gute, sodass die Zulassung dieser Vorhaben unmittelbar der regionalen Wirtschaftsentwicklung dient. • Es gibt einen kontinuierlichen Bedarf der regionalen Unternehmen, der in den letzten Jah- ren tendenziell zugenommen hat, weil ein hoher Konkurrenz- und Innovationsdruck besteht und weil von jeder neuen Baureihe in zunehmender Zahl Varianten für unterschiedliche Einsatzgebiete entwickelt werden. Dieser tendenziellen Zunahme der Standortnachfrage wurde durch die Landesplanungsbehörde entgegengewirkt, indem zunehmend strenge Laufzeitbefristungen auferlegt bzw. die Hersteller dazu gedrängt wurden, an einem Proto- typen technische Variationen nacheinander zu erproben, anstatt mehrere Varianten eines Prototypen nebeneinander zu errichten. • Es ist in den letzten Jahren überwiegend gelungen, die Nachfrage auf solche Standorte zu lenken, die im Rahmen der RREP-Fortschreibung ohnehin zur Festlegung als Vorrangge- biete für Windenergieanlagen vorgesehen waren. Lediglich einzelne Standorte befinden sich abseits solcher Gebiete in der freien Landschaft. • Den sieben Anlagen, die in den Jahren 2012 bis 2017 aufgrund von Ausnahmeentschei- dungen der Landesplanungsbehörde errichtet wurden, stehen 136 Anlagen gegenüber, die im selben Zeitraum aufgrund regulärer Genehmigungen innerhalb der Eignungsgebiete entstanden sind. Aus Sicht des Planungsverbandes wurde damit das Maß vertretbarer Ausnahmen nicht überschritten. Die Entwicklung der letzten Jahre macht deutlich, dass regionale Unternehmen auf dem Markt der Windenergietechnik erfolgreich und innovativ tätig sind und dass besondere Regelungen im RREP für Vorhaben mit Forschungs- und Entwicklungsbezug notwendig und gerechtfertigt sind. Die Region Rostock hat diesbezüglich sowohl eine besondere Verantwortung als auch ein wirtschaftliches Eigeninteresse. Aus Sicht des Planungsverbandes muss die Bereitstellung eines ausreichenden Standortangebotes für die Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft bei der Fortschreibung des RREP als gleichberechtigtes Ziel neben der Erfüllung übergeordneter energie- und umweltpolitischer Zielsetzungen gelten.

3.9.3 Geplante Neuregelungen im Entwurf von 2014 Der RREP-Fortschreibungsentwurf vom Mai 2014 sah bereits vor, dass für den typischen, re- gelmäßig wiederkehrenden Ausnahmefall – nämlich die Vermessung neuer Windenergieanla- gen-Prototypen und Vorserienanlagen – zukünftig Vorsorge innerhalb der regulären Eignungs- gebiete getroffen werden sollte. Gleichzeitig sollten die Voraussetzungen für Ausnahmen außerhalb der Eignungsgebiete wesentlich strenger gefasst werden, sodass Vorhaben ohne zwingende Begründung an solchen Standorten nicht mehr zugelassen werden dürften. Soweit unter der oben genannten Bedingung zukünftig noch Ausnahmen zugelassen werden, sollte dies nur noch im Ergebnis eines förmlichen Raumordnungsverfahrens geschehen. Für die neu geplanten Eignungsgebiete war vorgesehen, die Standorte in Hauptwindrichtung, das heißt an den westlichen und südwestlichen Rändern der Eignungsgebiete, für Prototypen zu reservieren, während dahinter, in zweiter und ggf. dritter Reihe normale, kommerzielle

39 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Windenergieanlagen hätten errichtet werden können. Sowohl für Prototypen innerhalb der Eig- nungsgebiete als auch für mögliche Ausnahmen außerhalb der Eignungsgebiete war vorge- sehen, dass die Betriebsgenehmigung der Anlagen auf einen dem Vorhabenszweck ange- messenen Zeitraum befristet werden sollte. Parallel zur Auslegung des zweiten Entwurfes der RREP-Fortschreibung wurde im Jahr 2014 durch die Firma Wind-Consult eine erste Untersuchung der geplanten Eignungsgebiete im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine normgerechte Vermessung von Windenergieanla- gen-Prototypen vorgenommen. Im Ergebnis der Untersuchung wurde festgestellt, dass fast alle geplanten Eignungsgebiete mehr oder weniger große Teilflächen aufweisen, die für den Erprobungs- und Vermessungsbetrieb von Windenergieanlagen in Frage kommen.

3.9.4 Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens 2014 Die im Jahr 2014 erfolgte Auslegung des zweiten Entwurfes hat sowohl Zustimmung als auch Kritik an den geplanten Neuregelungen hervorgerufen. Insbesondere aus dem Kreis der Wind- parkentwickler und -betreiber wurde die Befürchtung geäußert, dass die Standortzuweisungen für Prototypen innerhalb der Vorranggebiete deren Ausnutzung für kommerzielle Vorhaben übermäßig einschränken und die Erreichung energiewirtschaftlicher Ziele gefährden könnten. Die bisherige Praxis der Ausnahmegenehmigungen für Prototypen habe sich bewährt, und der befürchtete „Wildwuchs“ von Anlagen außerhalb der Eignungsgebiete sei nicht eingetreten. Diese Bedenken sind aus der Interessenlage der Einwender heraus verständlich, müssen für die Entscheidung des Planungsverbandes jedoch nicht maßgebend sein, solange insgesamt ein ausreichendes Flächenangebot für die Windenergienutzung nachgewiesen werden kann. Auch Prototypen erzeugen Strom und tragen damit zur Energieversorgung bei. Wesentlich schwerer als die oben genannten wirtschaftlichen Einzelinteressen wiegen die Ein- wände, die bezüglich der Praktikabilität und Durchsetzbarkeit der geplanten Regelungen vor- gebracht werden. Dies betrifft insbesondere • die Idee, dass in jedem Eignungsgebiet in der Hauptwindrichtung Prototypen stehen und unter freier Windanströmung vermessen werden könnten, während dahinter, in zweiter und dritter Reihe, normale, kommerzielle Windenergieanlagen errichtet werden könnten; • die vorgesehene zeitliche Befristung des Prototypenbetriebes, die einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen erschweren würde und in den rechtlichen Rahmen der Anlagenge- nehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz scheinbar nur schwer integrierbar ist.

3.9.5 Regelungsalternativen In Auswertung der Entwicklung der letzten Jahre sowie der zum Entwurf vom Mai 2014 einge- gangenen Stellungnahmen boten sich die folgenden Regelungsalternativen an: • Alternative 1: Festhalten an der bisherigen (im Prinzip bewährten) Praxis, wonach Eig- nungsgebiete (neu: Vorranggebiete) für die normale Stromerzeugung zur Verfügung ste- hen und Prototypen sowie andere Vorhaben mit Forschungs- und Entwicklungsbezug per Einzelfallentscheidung außerhalb der Vorranggebiete zugelassen werden – jedoch unter strengeren Bedingungen für die Zulassung solcher Ausnahmen und eventuell verbindlicher Kontingentierung der pro Kalenderjahr höchstens zulässigen Ausnahmen. • Alternative 2: Neuregelung wie in den letzten Entwürfen vorgesehen, das heißt Festlegung reservierter Vorranggebiete für die Vermessung von Prototypen, jedoch möglichst unter Verzicht auf Detailbestimmungen, welche die spätere Umsetzung dieser Regelung abseh- bar erschweren würden. Praktische Erwägungen sprachen für eine Regelung gemäß Alternative 1, mit der die Stand- ortvorsorge für Prototypen klar getrennt würde von der Bereitstellung ausreichender Flächen für die kommerzielle Stromerzeugung. Die in den Entwürfen vom Januar 2013 und Mai 2014

40 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 enthaltenen Vorschläge zur Standortvorsorge für Prototypen innerhalb der Eignungsgebiete gingen von einem nochmals erheblichen Zuwachs an Eignungsgebieten im Ergebnis der RREP-Fortschreibung aus. Angesichts der nur noch wenigen neuen Gebiete, die nach der letztmaligen Überarbeitung des Entwurfes verblieben, wurde es schwieriger, denjenigen Ein- wendern zu begegnen, die dem Planungsverband ein insgesamt zu geringes Flächenangebot für die Windenergienutzung vorwerfen. Der Planungsverband würde sich bei der Neuregelung damit eng an bewährten Verfahrensweisen orientieren. Mit einer gezielten Steuerung der In- anspruchnahme spezieller Vorranggebiete für Prototypen über einen längeren Planungszeit- raum liegen weder innerhalb noch außerhalb der Region Rostock praktische Erfahrungen vor. Die damit verbundenen Unsicherheiten sind vergleichsweise groß. Für die Alternative 2 sprach insbesondere das Bestreben, die bisherige Ausnahmepraxis zu beenden und für den planerisch absehbaren Bedarf der Prototypenvermessung auch plane- risch verbindliche Flächenfestlegungen zu treffen. Damit würde insbesondere den Bürgern und Gemeinden entgegengekommen, die sich an der fehlenden Berechenbarkeit behördlicher Ausnahmeentscheidungen stören und ein Unterlaufen der Regionalplanung durch übermäßi- gen Gebrauch der Ausnahmeregelung befürchten. Für den Planungsverband gaben diese Gründe den Ausschlag für die Entscheidung, sodass – mit einigen Änderungen im Detail – die in den Entwürfen von 2013 und 2014 vorgezeichnete Linie bei der letzten Überarbeitung bei- behalten wurde. Aufgrund der ersten Erfahrungen mit den 2017 in Kraft getretenen neuen Vergütungsregelun- gen für Windenergieanlagen kann festgestellt werden, dass eine strenge zeitliche Befristung des Prototypenbetriebes schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in Betracht kommt, weil zumindest für kleine und mittelgroße Unternehmen solche Vorhaben dann nicht mehr fi- nanzierbar wären. Auf die obligatorische Befristung soll deshalb verzichtet werden.

3.9.6 Letzte Änderungen im Entwurf vom November 2018 Die Regelungsvorschläge zur Standortvorsorge für Prototypen wurden somit nach folgenden Maßgaben in den letzten Entwurf vom November 2018 übernommen: • Die wesentlichen Absichten des Entwurfes vom Mai 2014, wonach Prototypen zukünftig innerhalb von Vorranggebieten für Windenergieanlagen errichtet und Anlagen außerhalb der Vorranggebiete nur noch unter wesentlich strengeren Voraussetzungen zugelassen werden sollen, wurden beibehalten. • Die Zulassung von Prototypen wurde, wie im Entwurf vom Mai 2014 vorgesehen, vom Nachweis der für eine Anlagenzertifizierung unabdingbaren Vermessungen (Lasten, Leis- tungskurve) abhängig gemacht, für die regelmäßig besondere Standortanforderungen er- füllt sein müssen. • Abweichend vom zweiten Entwurf wurde auf eine obligatorische zeitliche Befristung der Betriebsdauer von Prototypen verzichtet. • Die Zulassung von Ausnahmen außerhalb der Vorranggebiete wurde, wie im Entwurf vom Mai 2014 vorgesehen, auf solche Fälle beschränkt, bei denen die Standortwahl durch zwin- gende technische Anforderungen begründet ist. Die Betriebsdauer soll in der Regel auf den zur Erreichung des besonderen Vorhabenszwecks nötigen Zeitraum beschränkt wer- den. • Ausnahmeentscheidungen für große Windenergieanlagen außerhalb der Vorranggebiete werden, wie im Entwurf vom Mai 2014 vorgesehen, nur noch im Ergebnis eines förmlichen Raumordnungsverfahrens unter Beteiligung der Standortgemeinden getroffen.

41 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

3.9.7 Ergebnis der letzten Auslegung Die letzte Auslegung des Entwurfes hat ergeben, dass die Regelungsabsichten des Planungs- verbandes von der Mehrzahl der Einwender, die sich dazu geäußert haben, im Grundsatz anerkannt und als gerechtfertigt angesehen werden. Kritik im Detail wird an Umfang und Aus- gestaltung der Standortvorsorge sowie an ihrem Verhältnis zur (weiterhin bestehenden) Aus- nahmeregelung für Anlagen außerhalb der Vorranggebiete geübt. Dabei werden – je nach Interessenlage der Einwender – nochmals enger gefasste oder aber großzügigere Regelun- gen gefordert. Auch die Frage der rechtlichen Bestimmtheit der Festlegungen ist nochmals Gegenstand von Einwänden. Der Planungsverband geht nach Auswertung der Stellungnah- men davon aus, dass eine hinreichend bestimmte und ausgewogene Regelung gefunden wurde. Die jüngste Entwicklung mit den zuletzt erkennbar gewordenen Auswirkungen der neuen Marktregulierung auf den bundesweiten Ausbau der Windenergienutzung und die wirt- schaftliche Lage der Unternehmen macht es für die abschließende Abwägung nochmals schwieriger, den Bedarf an Prototypenstandorten für den Planungszeitraum der RREP-Fort- schreibung realistisch einzuschätzen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Errichtung von Pro- totypen bei den in der letzten Zeit eingeführten Anlagen mit deutlich über 200 Metern Gesamt- höhe in der Region Rostock zunehmend mit den Höhenbeschränkungen der militärischen Flugsicherung in Konflikt gerät. Die Entwicklung muss deshalb in den nächsten Jahren weiter beobachtet werden. Die Festlegungen zur Standortvorsorge für Prototypen können im Rah- men der anstehenden Gesamtfortschreibung des RREP überprüft und, wenn notwendig, über- arbeitet werden.

3.10 Überplanung bestehender Eignungsgebiete

3.10.1 Erste Überprüfung im Rahmen der Aufstellung des RREP von 2011 Mit der Teilfortschreibung des Regionalen Raumordnungsprogrammes (RROP) im Jahr 1999 wurden in der Region Rostock erstmals Eignungsgebiete für Windenergieanlagen festgelegt. Es handelte sich um 25 Einzelflächen mit einem Gesamtumfang von rund 1.100 Hektar. Diese Eignungsgebiete sind bis zum Jahr 2005 größtenteils mit Windenergieanlagen bebaut worden. Mit der Aufstellung des geltenden RREP im Jahr 2011 wurden alle diese Gebiete erstmals überplant und neu abgegrenzt, indem • einige eng benachbarte Gebiete, die nur durch Straßen oder Leitungen voneinander ge- trennt waren, zusammengelegt wurden, wodurch jetzt einige Gebiete eine Doppelnummer (z.B. 55/58) tragen; • einige Gebiete wesentlich erweitert wurden, wenn dies nach den (für das RREP 2011 voll- ständig neu bestimmten) Eignungskriterien möglich war; • ein ganzes Eignungsgebiet aufgrund seiner Lage in einem militärischen Schutzbereich auf- gehoben wurde; • einige Teilflächen weiterer Gebiete aufgehoben wurden, weil sie bislang nicht ausgenutzt worden waren oder sehr dicht an den nächsten Wohnorten lagen; • in einem Fall auch schon ein damals geplanter Ersatz der vorhandenen Anlagen bei der Neuabgrenzung berücksichtigt wurde; • im Übrigen alle Gebietsgrenzen auf den damals vorhandenen Anlagenbestand angepasst wurden um klarzustellen, dass zwar die vorhandenen Windenergieanlagen stehen bleiben und später ersetzt werden sollten, jedoch keine Erweiterungen dieser Windparks mehr ge- wollt waren. Im Ergebnis dieser Überplanung verblieben 18 Eignungsgebiete mit Größen zwischen 10 und 310 Hektar. Flächenerweiterungen und -aufhebungen glichen einander aus, so dass mit den

42 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 alten Eignungsgebieten 1 bis 73 insgesamt wieder rund 1.100 Hektar in das neue RREP auf- genommen wurden. Die Planung der Windparks in den betreffenden Eignungsgebieten hat zum Teil lange vor der Verbindlichkeit der RROP-Fortschreibung im Jahr 1999 begonnen. In vielen Fällen wurden von den Gemeinden Bebauungspläne oder Teil-Flächennutzungspläne (oder beides) aufge- stellt, die zum Teil auch schon vor 1999 rechtskräftig geworden sind. Da diese Pläne oft die maximal zulässige Höhe der Windenergieanlagen entsprechend dem damaligen Stand der Anlagentechnik verbindlich festschreiben, müssten sie im Fall eines Ersatzes der vorhandenen Anlagen angepasst werden.

3.10.2 Erneute Überprüfung im laufenden Fortschreibungsverfahren Im ersten Quartal 2016 hat der Entwurf zur Überplanung der ersten, ursprünglich 1999 festge- legten Eignungsgebiete für Windenergieanlagen öffentlich ausgelegen. Die beabsichtigte An- passung der alten Eignungsgebiete an die heute geltenden Abstandrichtwerte zum Schutz der Wohnorte wurde erst nachträglich in die laufende RREP-Fortschreibung eingeführt. Nachdem zunächst gar keine Überplanung der alten Eignungsgebiete erfolgen sollte, wurde mit dem Entwurf vom November 2015 die konsequente Streichung aller Flächen vorgeschlagen, wel- che den heutigen Abstandskriterien nicht mehr entsprechen. Bei der Fortschreibung des RROP im Jahr 1999 wurden Abstandsrichtwerte von 500 Metern zu ländlichen Ortschaften bzw. von 300 Metern zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen im Außenbereich angesetzt. Diese Richtwerte waren für die damals üblichen Windenergieanla- gen bis 100 Meter Gesamthöhe festgelegt worden. Für die heute üblichen Anlagen von 150 bis über 200 Metern Gesamthöhe sind diese Abstände nicht mehr angemessen. Die aktuellen Abstandsrichtwerte betragen 1.000 Meter zu Ortschaften und 800 Meter zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen im Außenbereich. Nach Überprüfung der alten Eignungsgebiete anhand der heute geltenden Kriterien lassen sich folgende Fälle unterscheiden: 1. Gebiete, die bereits 2011 anhand der aktuellen Abstandrichtwerte wesentlich erweitert wurden und somit zu großen Teilen diesen Kriterien entsprechen: Broderstorf, Carinerland West, Mistorf, Kuhs; 2. Gebiete, die durch Verschiebung ihrer Grenzen vollständig an die aktuellen Kriterien an- gepasst werden könnten: Admannshagen, Radegast, Jürgenshagen, Dalkendorf; 3. Gebiete, die sich durch eine solche Anpassung so sehr verkleinern würden, dass nur noch weniger als 35 Hektar Größe verbleiben würden: Carinerland Ost, Neubukow, Bützow, Tarnow, Warnkenhagen; 4. Gebiete, die allseitig so dicht von Wohnorten umgeben sind, dass sie nicht angepasst wer- den können: Kavelstorf, Jennewitz, Kessin, Bentwisch, Kröpelin.

3.10.3 Auswertung der Stellungnahmen aus dem Beteiligungsverfahren Die zum Entwurf vom November 2015 eingegangenen Stellungnahmen ließen unterschiedli- che Vorstellungen der Standortgemeinden, Windparkbetreiber und Anwohner zur Zukunft der betreffenden Windparks erkennen. Bei den Gemeinden überwog insgesamt deutlich die Zu- stimmung bzw. Indifferenz zur vorgeschlagenen Überplanung der Eignungsgebiete. • 20 Gemeinden wären von geplanten Flächenaufhebungen betroffen; • 4 Gemeinden sprachen sich ausdrücklich für die geplanten Anpassungen aus; • 9 Gemeinden stimmten stillschweigend zu (haben also keine Stellungnahme abgegeben);

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• 2 Gemeinden stimmten den Flächenreduzierungen zu, äußerten jedoch Kritik an den Flä- chenerweiterungen und -verschiebungen, die sich aus der Anpassung an die Abstands- richtwerte ergeben; • 5 Gemeinden lehnten Flächenstreichungen auf ihrem Gebiet ausdrücklich ab. Ausdrücklich abgelehnt wurde die Aufhebung der folgenden Gebiete: • Bentwisch (10 ha) – ein Bauleitplan schreibt hier Bauhöhen fest; die Gemeinde habe es somit selbst in der Hand, im Fall des Ersatzes der vorhandenen Anlagen Fehlentwicklun- gen zu verhindern; • Carinerland Ost (50 ha) – hier bestanden konkrete Vorstellungen zum Ersatz des vorhan- denen Windparks ohne Reduzierung der Anlagenzahl, aber mit drastisch eingeschränkten Bauhöhen; • Neubukow (70 ha) – hier bestanden ebenfalls konkrete (untereinander allerdings nicht ab- gestimmte) Vorstellungen der Stadt Neubukow und der Gemeinde zum Ersatz des vorhandenen Windparks ohne wesentliche Reduzierung der Anlagenzahl, aber mit eingeschränkten Bauhöhen. Die Gemeinde Dummerstorf, auf deren Gebiet die Eignungsgebiete Kavelstorf und Kessin lie- gen, lehnte deren Aufhebung nicht ausdrücklich ab. Die Gemeinde befürchtet jedoch, dass im Fall einer Aufhebung die vorhandenen, alten Windenergieanlagen aufgrund ihres Bestands- schutzes noch sehr lange weiterbetrieben würden. Dies sei nicht im Sinne der Gemeinde. Die Gemeinde würde es dagegen vorziehen, wenn sie mit den Betreibern der Windparks städte- bauliche Verträge mit dem Ziel eines baldigen Ersatzes der vorhandenen Anlagen schließen könnte, um die gegebenen Belastungen zu reduzieren. Die betroffenen Windparkbetreiber lehnten, soweit sie sich zum Entwurf geäußert haben, die Überplanung ab, zeigten sich aber, soweit bekannt, offen für (zum Teil sehr weitgehende) Kompromisse bei den im Ersatzfall zu realisierenden Anlagenhöhen. Sie würden also lieber ein eingeschränkt nutzbares Eignungsgebiet behalten als ihre Windparks ganz aufzugeben. Einwendungen der Bürger machten nur einen vergleichsweise geringen Anteil der eingegan- gen Stellungnahmen aus. Dies ist nachvollziehbar, da sich aus dem vorgelegten Entwurf keine umfangreiche Betroffenheit durch neu geplante Eignungsflächen ergab. In den vorliegenden Stellungnahmen wurde sowohl Zustimmung als auch Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Es wurde zum Beispiel darauf hingewiesen, dass erhebliche Belästigungen der Anwohner in je- dem Fall durch die Bestimmungen des Immissionsschutzes verhindert würden und die Durch- setzung einheitlicher Schutzabstände somit nicht zwingend erforderlich sei. Es kann vermutet werden, dass Einwender, die mit eigenen Grundstücken von der Planung berührt werden, eher für eine Beibehaltung der bestehenden Eignungsgebiete plädierten. Wer lediglich als Anwoh- ner betroffen ist, sprach sich vermutlich eher für eine Anpassung der Gebiete an die aktuellen Abstandsrichtwerte aus. Von verschiedenen Einwendern wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit neben der Durchset- zung einheitlicher Schutzabstände zu den Wohnorten die Anwendung weiterer Kriterien bei der Überprüfung und Anpassung der Eignungsgebiete notwendig oder sinnvoll wäre. Dies be- trifft insbesondere: • die Einhaltung einer einheitlichen Mindestgröße von 35 Hektar für alle Eignungsgebiete; • die Anforderungen des Artenschutzes (Mindestabstände zu den Brutplätzen ausgewählter Großvogelarten); • die neuen (bei der Aufstellung des geltenden RREP im Jahr 2011 noch nicht bekannten) Anforderungen des Deutschen Wetterdienstes zur Freihaltung einer Abstandszone um das Wetterradar Warnemünde. Zum Umgang mit diesen Anforderungen wird auf die Abschnitte 3.10.5 bis 3.10.7 verwiesen.

44 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

3.10.4 Planungsalternativen Die nachträgliche Durchsetzung einheitlicher Schutzabstände zu den Wohnorten ist kein Selbstzweck, sondern muss vielmehr gegen die berechtigten Interessen der Gemeinden, der Windparkbetreiber und der Grundstückseigentümer abgewogen werden. Deshalb hat der Pla- nungsverband nach Auswertung der zum Entwurf vom November 2015 eingegangenen Stel- lungnahmen nochmals verschiedene Planungsalternativen erwogen. Je nach Gewichtung der verschiedenen Interessen sind unterschiedliche Lösungen denkbar: • weitgehende Erhaltung der Altgebiete, wenn dem Gedanken des Bestands- und Vertrau- ensschutzes sowie der Sicherung bereits erschlossener Standorte für die Windenergienut- zung ein besonderes Gewicht beigemessen werden soll; • besondere Berücksichtigung derjenigen Altgebiete, für die gemeindliche Bauleitpläne vor- liegen, wenn der Entwicklung örtlich angepasster Lösungen nach eigenen Vorstellungen der Gemeinden und dem sogenannten Gegenstromprinzip (Berücksichtigung kommunaler Planungen in der Regionalplanung) ein besonderes Gewicht gegeben werden soll; • einheitliche Überplanung aller Altgebiete, jedoch mit reduzierten Abstandsrichtwerten, wenn der Gedanke des Bestandsschutzes mit einer (für diese Gebiete) einheitlichen Kri- terienanwendung verbunden werden soll; • konsequente Überplanung der Altgebiete (wie im Entwurf vom November 2015 vorgese- henen), wenn dem Belang der Gleichbehandlung aller Windparkanwohner und der Anpas- sung der RREP-Festlegungen an den heutigen Stand der Windenergietechnik ein beson- deres Gewicht beigemessen werden soll. Der Gedanke des Bestands- und Vertrauensschutzes (Punkt 1 der obigen Aufzählung) lag der ersten, mit der Neuaufstellung des RREP im Jahr 2011 vorgenommenen Überplanung der 1999er Eignungsgebiete zugrunde. Auf eine Anpassung der zum Teil erst wenige Jahre zuvor mit Windenergieanlagen bebauten Eignungsgebiete an die gerade neu bestimmten Abstands- richtwerte wurde damals bewusst verzichtet. Die zum damaligen Zeitpunkt ausgenutzten Teil- flächen der Eignungsgebiete wurden überwiegend in das neue RREP übernommen. Die tech- nische Entwicklung hin zu immer größeren Windenergieanlagen ist jedoch seitdem weiter fortgeschritten, sodass mittlerweile alle Regionalen Planungsverbände in Mecklenburg-Vor- pommern von dieser bestandsorientierten Herangehensweise Abstand genommen haben. Eine besondere Berücksichtigung gemeindlicher Bauleitpläne (Punkt 2) könnte damit begrün- det werden, dass in der Region Rostock bisher nur wenige Erfahrungen mit dem Ersatz vor- handener Windparks vorliegen und deshalb den interessierten Gemeinden die Möglichkeit ein- geräumt werden sollte, verschiedene Konzepte mit jeweils angepassten Höhen- und Abstandsregelungen nach ihren eigenen Vorstellungen umzusetzen. In diesem Zusammen- hang wurde unter anderem die Möglichkeit einer sogenannten Öffnungsklausel für gemeindli- che Planungen erwogen, wie sie in benachbarten Planungsregionen zum Teil vorgesehen ist. Gemeinden, die früher Bebauungspläne für ihre Windparks aufgestellt haben und diese jetzt ganz oder teilweise aufheben wollen, hätten in diesem Fall jedoch keine Möglichkeit, Entschä- digungsansprüche der Grundstückseigentümer an das Land weiterzureichen (weil sie ja nicht zur Aufhebung gezwungen wären). Die den betreffenden Gemeinden mit einer solchen Lösung scheinbar eingeräumte Handlungsfreiheit wäre also in Wirklichkeit nicht gegeben bzw. durch fiskalische Zwänge stark eingeschränkt. Eine Überplanung der Altgebiete mit einheitlichen, aber reduzierten Abstandsrichtwerten (Punkt 3), welche sich zum Beispiel an der heute für einen wirtschaftlichen Windparkbetrieb anzunehmenden Mindest-Anlagenhöhe von ca. 150 Metern orientieren könnten, wäre eine denkbare Kompromisslösung, die es erlauben würde, bestehende Windparkstandorte größ- tenteils zu erhalten. In der Sitzung am 15. Dezember 2016 hat die Verbandsversammlung des Planungsverbandes die möglichen Alternativen zur Kenntnis genommen und die im Entwurf von 2015 vorgezeich-

45 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 nete Linie einer konsequenten, einheitlichen Überplanung der alten Eignungsgebiete grund- sätzlich bestätigt. Ergänzend wurde jedoch die Geschäftsstelle beauftragt, nochmals den Um- gang mit den Planungen und Wünschen einzelner Gemeinden zu überprüfen, die ihre Wind- parks behalten möchten. In solchen Fällen sollte nach einvernehmlichen Lösungen gesucht werden. Zwei konkrete Lösungsvorschläge wurden daraufhin erarbeitet und in den Verbands- gremien erörtert. Diese sind nachfolgend beschrieben.

1. Besondere Berücksichtigung gemeindlicher Bauleitpläne Abweichend vom bisherigen Entwurf würden alte Eignungsgebiete unverändert in die RREP- Fortschreibung übernommen, wenn • die dort befindlichen Windparks durch einen gültigen Bauleitplan in ihrer räumlichen Ab- grenzung festgelegt sind und ein angemessenes Verhältnis zwischen Anlagenhöhe und Abstand zu den nächstgelegenen Wohnhäusern erforderlichenfalls durch Höhenbeschrän- kungen sichergestellt wird, • die Gemeinden gegenüber dem Planungsverband ausdrücklich erklärt haben, dass die Darstellungen bzw. Festsetzungen der betreffenden Bauleitpläne den gemeindlichen Ent- wicklungsvorstellungen nach wie vor entsprechen oder durch bestimmte Änderungen an die aktuellen Entwicklungsvorstellungen angepasst werden sollen, • bei gemeindeübergreifenden Eignungsgebieten die beteiligten Gemeinden ihre Absichten und Entwicklungsvorstellungen aufeinander abgestimmt haben. Die Übernahme würde nur erfolgen, wenn alle drei Bedingungen erfüllt sind. Mit einer solchen Lösung würde den gemeindlichen Planungen im Sinne des sogenannten Gegenstromprinzips ein besonderes Gewicht in der Abwägung gegeben. Dies könnte damit begründet werden, dass die Gemeinden mit ihren Bauleitplänen einen unkontrollierten Ersatz vorhandener Anla- gen in den betreffenden Windparks wirksam verhindern können, sodass in diesen Fällen die Durchsetzung höherer Schutzabstände aus Gründen der planerischen Vorsorge nicht zwin- gend erforderlich ist. In den RREP-Entwurf würde eine ausdrückliche Klarstellung aufgenom- men, dass die Gemeinden angemessene Höhenbeschränkungen festsetzen dürfen.

Diese Lösung wurde im Ergebnis der Beratungen nicht weiter verfolgt, weil die Gefahr der Ungleichbehandlung gleichartiger Fälle damit verbunden ist. Das Beteiligungsverfahren hat ergeben, dass es einen klaren gemeindlichen Willen zum Umgang mit den bestehenden Wind- parks nur in Einzelfällen gibt. Eine herausgehobene Behandlung dieser Einzelfälle ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht unbedingt gerechtfertigt. Fiskalische Interessen einzelner Ge- meinden würden tendenziell höher gewichtet als die ebenso berechtigten Interessen der An- wohner, Grundstückseigentümer und Windparkbetreiber.

2. Einheitliche Überplanung der Altgebiete mit reduzierten Abstandsrichtwerten Bei einer einheitlichen Überplanung der Eignungsgebiete würde keine Rücksicht darauf ge- nommen, ob die Gemeinden in der Vergangenheit Bebauungspläne für ihre Windparks aufge- stellt oder die Eignungsgebiete in ihren Flächennutzungsplänen dargestellt haben. Alle beste- henden Eignungsgebiete würden insoweit beibehalten, wie sie mindestens einen Abstand von • 800 m zu Ortschaften und • 500 m zu Wohnhäusern im Außenbereich einhalten. Den Gemeinden würde empfohlen, in diesen Gebieten die Anlagenhöhe auf 150 Meter zu begrenzen. Damit könnte erreicht werden, dass • ein größerer Teil der bestehenden Eignungsgebiete weiterhin genutzt werden könnte; • mögliche Konflikte durch sehr große Anlagen an sehr wohnortnahen Standorten mit hoher Sicherheit vermieden würden; • keine Ungleichbehandlung der Windparkbetreiber eintreten würde, wie sie mit jeder Lö- sung, die sich vorrangig an gemeindlichen Wünschen orientiert, verbunden wäre.

46 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Aus Sicht des Planungsverbandes wäre eine Anpassung nach einheitlichen Kriterien besser vertretbar als die Lösung gemäß Alternative (1), welche in höherem Maße zufällige und will- kürliche Ergebnisse hervorbringen würde. Ein wesentlicher Nachteil ist jedoch die Ungleich- behandlung der Anwohner von alten und neuen Eignungsgebieten bezüglich der Schutzab- stände zu den Wohnorten. Im Ergebnis der Beratungen wurde auch diese Lösung nicht weiter verfolgt, weil der Gleich- behandlung der Anwohner und der einheitlichen Anpassung aller Eignungsgebiete an den heutigen Stand der Anlagentechnik in der Gesamtabwägung ein höheres Gewicht gegeben werden soll als den Bestandsschutzinteressen einzelner Windparkbetreiber und Grundstück- seigentümer. Vorhandene Windparks, die in den 1999 festgelegten Eignungsgebieten stehen, werden in ihrem heutigen Bestand durch die Fortschreibung des RREP zunächst nicht berührt. Für diese Windparks wurden von einigen Gemeinden – zum Teil im Parallelverfahren mit der damaligen Fortschreibung des RROP – Bebauungspläne oder Teil-Flächennutzungspläne er- arbeitet. Nunmehr geht es aber um die Festlegung von Flächen für die nächste, wesentlich größere Anlagengeneration, und für diese Generation soll die Entwicklung auf die bestgeeig- neten Gebiete gelenkt werden, in denen die Anlagen weitgehend ohne Beschränkungen er- richtet werden können. Dazu zählen bestimmte Altgebiete nicht mehr. Sämtliche Lösungen, die sich vorrangig am Bestandsschutzgedanken orientieren, würden in vielen Fällen die Festsetzung von Höhenbeschränkungen bedingen. Grund für die im RREP 2011 vorgenommene Anhebung der Abstandsrichtwerte waren die seit 1999 erheblich ge- wachsenen Anlagenhöhen. Im Hinblick auf den absehbaren Ersatz der vorhandenen Wind- energieanlagen in den 1999er Eignungsgebieten ist deshalb eine nachträgliche Änderung die- ser Gebiete zur Anpassung an die neuen Richtwerte grundsätzlich gerechtfertigt. Wenn dagegen eine Anpassung bezüglich der Abstände unterbleiben sollte, müsste folglich das an- gemessene Verhältnis zwischen der Größe der Anlagen und deren Abstand zu den Wohnorten durch eine Beschränkung der Anlagenhöhe gewahrt werden. Auf eben solche Höhenbe- schränkungen – wie sie früher in gemeindlichen Bauleitplänen häufig festgesetzt wurden – laufen auch die Vorstellungen einiger Gemeinden und Windparkbetreiber zum Ersatz alter Windparks hinaus. In Anbetracht der technischen Entwicklung erscheinen solche Beschrän- kungen jedoch fragwürdig. Die Regelungen des Gesetzes für den Ausbau Erneuerbarer Energien (EEG) zielen auf die Steigerung der Produktivität und die stetige Absenkung der Gestehungskosten bei der Nut- zung der Windenergie ab. Mit der jüngsten Novellierung dieses Gesetzes wurden erstmals wettbewerbliche Elemente in das Vergütungssystem eingeführt, die den Kostendruck auf Windparkprojekte in den nächsten Jahren deutlich erhöhen werden. Nicht mehr jeder neu ge- plante Windpark erhält einen garantierten Vergütungsanspruch. Die bis zum Jahr 2016 noch gegebenen Gewinnmargen und damit verbundene Spielräume für die Verwirklichung betriebs- wirtschaftlich suboptimaler Projekte haben sich damit erheblich verringert. Die Produktivität eines Windparks ist wesentlich von der Größe der eingesetzten Anlagen abhängig. Vor diesem Hintergrund ist es planerisch konsequent, wenn alte Standorte jetzt aufgegeben und im RREP nur noch solche Eignungsgebiete (neu: Vorranggebiete) festgelegt werden, die für Anlagen nach dem heutigen Stand der Technik (das heißt: mit Anlagenhöhen um 200 Meter) ohne wesentliche Einschränkungen nutzbar sind. Durch das im Jahr 2019 beschlossene Klimaschutzprogramm der Bundesregierung sieht sich der Planungsverband in seiner Vorgehensweise nochmals bestätigt, für die Windenergie-Vor- ranggebiete generell 1.000 Meter Schutzabstand zu den Wohnorten vorzusehen und auch früher festgelegte Eignungsgebiete konsequent an diesen Richtwert anzupassen. Das Pro- gramm der Bundesregierung bildet zwar keine Richtlinie für die Regionalplanung, gibt aber einen Hinweis darauf, wie sich einschlägige Vorschriften in den nächsten Jahren bundesweit entwickeln könnten. Im Ergebnis der abschließenden Abwägung wird somit an der im Entwurf vom November 2015 vorgezeichneten Linie einer konsequenten Überplanung der alten Eig- nungsgebiete festgehalten. Den Interessen der Gemeinden und der Windparkbetreiber wird allerdings entgegengekommen, indem auf eine nachträgliche Durchsetzung der 35-Hektar-

47 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Mindestgröße verzichtet wird. Demnach müssen im Ergebnis der Anpassung nicht zehn, wie im Entwurf vom November 2015 vorgesehen, sondern nur fünf alte Eignungsgebiete komplett aufgehoben werden. Die übrigen 13 Gebiete werden in neuer Abgrenzung in die RREP-Fort- schreibung übernommen.

3.10.5 Mindestgröße von 35 Hektar Die Mindestgröße von 35 Hektar gilt im Rahmen der laufenden Fortschreibung des RREP für die Auswahl neuer Vorranggebiete für Windenergieanlagen. Damit soll sichergestellt werden, dass solche Vorranggebiete in der Regel mindestens drei Windenergieanlagen aufnehmen können. Dies soll sowohl die Wirtschaftlichkeit des Betriebes im Sinne eines angemessenen Verhältnisses von Parkgröße und Netzanschlusskosten sicherstellen als auch die Verbauung der Landschaft mit einer Vielzahl von Klein- und Einzelstandorten verhindern. Eine nachträg- liche Anwendung dieser Mindestgröße auf vorhandene Windparks ist nicht zwingend erforder- lich, da in diesen Fällen Netzanschlüsse bereits vorhanden sind und eine Neubeanspruchung bisher freier Landschaftsräume nicht erfolgt. Auch die Interessen der Windparkbetreiber und die an den betreffenden Standorten bereits getätigten Investitionen in die Erschließung und Netzanbindung müssen in die Abwägung einbezogen werden. Soweit bestehende Eignungs- gebiete im Ergebnis der Anpassung die Mindestgröße von 35 Hektar nicht mehr erreichen, können sie demnach beibehalten werden. Die von den betreffenden Eignungsgebieten Cari- nerland Ost, Neubukow, Bützow und Warnkenhagen verbleibenden Restflächen sind vom Zu- schnitt her alle geeignet, drei Anlagen (also einen kleinen Windpark) aufzunehmen und müs- sen deshalb nicht aufgehoben werden. Für eine Aufhebung könnte nur die Tatsache sprechen, dass sich alle vier betreffenden Eig- nungsgebiete in unmittelbarer Nähe anderer, größerer Eignungsgebiete befinden, die entwe- der schon im geltenden RREP festgelegt oder im Rahmen der laufenden Fortschreibung zur Neufestlegung vorgeschlagen wurden. Einige Orte waren bereits im Rahmen der ersten Ab- wägung im Jahr 2014 als Problemfälle im Hinblick auf eine unerwünschte Umstellung durch Windenergieanlagen identifiziert worden. Als problematisch („erhöhtes Konfliktpotenzial“) wurde in der Regel eine Umstellung zu mehr als einem Drittel des Umkreises (120 Grad) an- gesehen, als unverträglich in der Regel die Umstellung zu mehr als der Hälfte des Umkreises. Nur bei den Orten Krempin (Gebiet 15) und Dalkendorf (Gebiete 38 und 73) würde sich durch die Anpassung der betreffenden Altgebiete die Summe der verstellten Bereiche erhöhen und im Zusammenwirken mit der geplanten Festlegung neuer Vorranggebiete (Nr. 116 bzw. 127) den Wert von 120 Grad deutlich überschreiten. Da der kritische Grenzwert von 180 Grad in keinem der genannten Fälle erreicht wird, ist die Beibehaltung der vier kleinen Eignungsge- biete unter dem Gesichtspunkt der Häufungs- und Umstellungsproblematik vertretbar.

3.10.6 Anforderungen des Artenschutzes Bei den Anforderungen des Großvogelschutzes ist zu beachten, dass pauschale Abstandszo- nen um die Brutplätze ausgewählter Arten nicht nur in der Regionalplanung, sondern auch in den späteren Verfahren zur Genehmigung von Windenergieanlagen von der Naturschutzbe- hörde und der Genehmigungsbehörde angewandt werden. Grundsätzlich wäre es nicht sinn- voll, Flächen als Eignungsgebiete beizubehalten oder im Rahmen der Überplanung in diese Gebiete einzubeziehen, auf denen neue Windenergieanlagen absehbar nicht genehmigungs- fähig sind. Bei der nachträglichen Anwendung geltender Abstandskriterien auf bestehende Eignungsgebiete sind allerdings die nachfolgend dargelegten Aspekte zu berücksichtigen. Im Unterschied zu den Auswirkungen auf die Wohnorte (insbesondere durch Schattenwurf) besteht bei der Störungs- und Gefährdungswirkung auf wildlebende Vögel kein direkter und allgemein gültiger Zusammenhang zur Größe der Windenergieanlagen. Für einzelne Vogelar- ten, die in der Regel sehr niedrig fliegen, kann die Gefährdung sogar zurückgehen, wenn vor- handene alte Windenergieanlagen durch größere Anlagen ersetzt werden, die mehr freien Luftraum unterhalb des Rotorkreises aufweisen.

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Bei der Neufestlegung von Vorranggebieten für Windenergieanlagen wurde es vermieden, die Abgrenzung unmittelbar anhand der Schutzabstände zu Seeadlerbrutplätzen vorzunehmen, weil diese Vögel Wechselhorste innerhalb ihres Brutreviers nutzen und somit keine verlässli- chen, über den Planungszeitraum des RREP stabilen Bezugspunkte für eine exakte Abstands- bemessung gegeben sind. Dies spricht auch bei der Überplanung der alten Eignungsgebiete gegen eine allzu schematische Anwendung der Abstandsrichtwerte. Sofern sich Brutplätze des Weißstorches innerhalb von Ortschaften befinden, wird der emp- fohlene Abstand von 1.000 Metern mit der nachträglichen Anpassung der Eignungsgebiete an die Schutzabstände zu den Wohnorten gewährleistet. Darüber hinaus erscheint eine pau- schale Berücksichtigung nicht zwingend erforderlich, da die Abstände zu Storchennestern vom Planungsverband den (grundsätzlich abwägbaren) Restriktionskriterien zugeordnet wurden und in der Regel mindestens 800 Meter Abstand ohnehin eingehalten werden, wenn sich die Brutplätze bei Wohnhäusern im Außenbereich befinden. An bereits langjährig genutzten Windparkstandorten muss davon ausgegangen werden, dass eine Anpassung der örtlichen Fauna in der Regel erfolgt ist. Das heißt, wenn mit der Errichtung und dem Betrieb des betreffenden Windparks ein erhebliches Risiko oder eine erhebliche Stö- rung für einen bestimmten Vogel ursprünglich verbunden gewesen sein sollte, wäre dieser Vogel wahrscheinlich schon umgekommen oder hätte sich ein anderes Revier gesucht. Wenn derselbe Windpark jetzt modernisiert werden soll, wäre demnach vorrangig zu prüfen, ob die Errichtung wesentlich größerer Anlagen neue Risiken oder Störungen hervorrufen könnte, wel- che bisher nicht gegeben waren. Wenn dagegen auch vermeintlich schlaggefährdete oder stö- rungsempfindliche Arten in großer Nähe zum betreffenden Windpark über einen Zeitraum von zehn oder fünfzehn Jahren kontinuierlich nachgewiesen werden konnten, wäre das ein Hin- weis darauf, dass die Abstandsrichtwerte und die darauf basierenden Regelvermutungen der Naturschutzbehörden für Zwecke der planerischen Vorsorge ihre Berechtigung haben, für die nachträgliche Anwendung auf bereits ausgeübte Nutzungen jedoch tendenziell zu weit gehen.

3.10.7 Neue Anforderungen des Deutschen Wetterdienstes Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat im Jahr 2013 Abstandsanforderungen und Höhenbe- schränkungen für Windenergieanlagen im Umfeld der Wetterradarsysteme herausgegeben. Ziel ist die Vermeidung von Störungen des Wetterradars, welche die Qualität der Wettervor- hersagen negativ beeinflussen können. Die Radaranlage in Warnemünde ist, mit einer Höhen- lage von nur 36 Metern über dem Meeresspiegel, von allen derartigen Anlagen des DWD die- jenige, bei der sich die angestrebten Höhenbeschränkungen im Umkreis von 15 Kilometern am erheblichsten auswirken. Die Genehmigung großer Windenergieanlagen für einen kom- merziellen Windparkbetrieb wäre in diesem Umkreis zukünftig nicht mehr möglich. Der Pla- nungsverband geht jedoch davon aus, dass bei Ersatz und Ergänzung bestehender Windparks diese Anforderungen nur nach Maßgabe von Einzelfallprüfungen gelten. Dies entspricht auch der aktuellen Genehmigungspraxis. Der neue Abstandsrichtwert von 15 Kilometern wird den Restriktionskriterien zugeordnet. Eine pauschale Anwendung der neuen Anforderungen des DWD auf bestehende Windparks erfolgt deshalb nicht.

3.10.8 Entschädigungspflichten Eine Entschädigungspflicht gemäß § 42 Baugesetzbuch würde grundsätzlich diejenigen Ge- meinden treffen, die in der Vergangenheit Bebauungspläne für ihre Windparks aufgestellt ha- ben, wenn diese Pläne zukünftig aufgehoben werden. Dem Planungsverband sind Bebau- ungspläne oder vorhabenbezogene Bebauungspläne für zehn der achtzehn zur Überplanung vorgesehenen Eignungsgebiete bekannt. Soweit diese Pläne rechtskräftig und entsprechende Ansprüche der Grundstückseigentümer begründet sind, müsste das Land Mecklenburg-Vor- pommern gemäß § 18 Landesplanungsgesetz wiederum die Gemeinden entschädigen, wenn eine Aufhebung der Pläne in Anpassung an die Ziele der Raumordnung erfolgt. Wenn dagegen

49 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 kein Bebauungsplan vorliegt und das betreffende Eignungsgebiet nur im RREP (und gegebe- nenfalls zusätzlich im gemeindlichen Flächennutzungsplan) festgelegt war, bringt eine Aufhe- bung keine Entschädigungspflichten mit sich. Für Entschädigungsansprüche von Landeigen- tümern gibt es in diesen Fällen keine Rechtsgrundlage. Vorhandene Windparks, die in den zur Aufhebung vorgeschlagenen Eignungsgebieten stehen, werden in ihrem heutigen Bestand durch die Fortschreibung des RREP nicht berührt.

3.10.9 Umgang mit 2011 festgelegten Eignungsgebieten Die Eignungsgebiete mit den Nummern 100 bis 114 wurden mit der Neuaufstellung des gel- tenden RREP im Jahr 2011 neu festgelegt. Insgesamt umfassen diese Gebiete eine Fläche von rund 1.100 Hektar, womit das Flächenangebot für die Windenergienutzung damals unge- fähr verdoppelt wurde. Wenn neben den Abständen zu den Wohnorten weitere Ausschlusskri- terien auf die 1999er Eignungsgebiete jetzt nachträglich angewandt werden sollten, muss dies für die 2011 festgelegten Gebiete ebenso gelten. Eine nachträgliche Anwendung von Kriterien kann nicht davon abhängig gemacht werden, in welchem Jahr die ursprüngliche Festlegung getroffen wurde. Eine Unterscheidung bei der Anwendung ist allenfalls – im Sinne eines Be- stands- und Vertrauensschutzes für vorhandene Windparks und deren Betreiber – zwischen bereits ausgenutzten und nicht ausgenutzten Eignungsgebietsflächen zu treffen. Da es sich bei den nicht ausgenutzten Teilflächen ausschließlich um solche aus dem 2011er Programm handelt, ist gerade für diese Eignungsgebiete die nachträgliche Überprüfung angezeigt (so wie es 2011 schon mit den 1999er Gebieten gemacht wurde, indem nicht ausgenutzte Teilflächen überwiegend aufgehoben wurden). Die Fälle, in denen von Fachbehörden oder Naturschutzverbänden eine Aufhebung von 2011 festgelegten Eignungsgebieten gefordert wurde, lassen sich wie folgt unterscheiden: • Eignungsgebietsflächen, auf denen Windenergieanlagen aus Gründen des Artenschutzes bislang nicht genehmigt wurden, welche bei der Aufstellung des RREP entweder noch nicht gegeben waren oder vom Planungsverband noch nicht erkannt wurden. Dies betrifft zum einen das gesamte Eignungsgebiet Gnoien, wo sich im Jahr 2013 ein Schreiadlerpaar in unmittelbarer Nähe neu angesiedelt hat. Zum anderen betrifft es die südwestliche Hälfte des Eignungsgebietes Dalwitz, wo in unmittelbarer Nähe relativ viele Großvögel geschütz- ter Arten brüten und sich die von der Naturschutzbehörde geforderten Abstandszonen um solche Brutplätze überlagern. Nicht alle diese Brutplätze waren dem Planungsverband bei der RREP-Aufstellung bekannt, und auch die Anwendung pauschaler Abstandsrichtwerte bei der artenschutzfachlichen Prüfung im Genehmigungsverfahren war damals noch nicht üblich und für den Planungsverband nicht absehbar. • Eignungsflächen auf denen Windenergieanlagen bereits genehmigt wurden, die jedoch aufgrund eines laufenden Rechtsstreites bisher nicht ausgenutzt werden konnten. Dies betrifft das Eignungsgebiet Jördenstorf. Auch hier sind Belange des Artenschutzes maß- gebend. Die Naturschutzbehörde hatte in Übereinstimmung mit den in Mecklenburg-Vor- pommern geltenden Artenschutzempfehlungen ihre Zustimmung zum geplanten Windpark erteilt. Die Genehmigung wird jedoch vom Naturschutzverband NABU angefochten, der bezüglich der nahegelegenen Brutreviere des Schreiadlers die wesentlich strengeren Ab- standsempfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten angewandt wissen möchte. • Eignungsgebietsflächen, auf denen die oben beschriebenen neuen Anforderungen des Deutschen Wetterdienstes zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Warnemünder Wetter- radars zum Tragen kommen würden. Dies betrifft das (bereits überwiegend ausgenutzte) Eignungsgebiet Stäbelow sowie die 2011 festgelegte (vollständig ausgenutzte) Erweite- rungsfläche des Eignungsgebietes Broderstorf. Grundsätzlich vertritt der Planungsverband die Auffassung, dass die erst vor wenigen Jahren neu festgelegten Eignungsgebiete Bestand haben sollten und dass nicht jede nachträgliche Änderung fachlicher Beurteilungsmaßstäbe gleich zu einer entsprechenden Änderung des

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RREP führen muss. Bei bereits ausgenutzten, mit Windenergieanlagen bebauten Eignungs- flächen ist ein Bestandsschutzinteresse der Windparkbetreiber für bereits getätigte Investitio- nen (insbesondere in die Netzanbindung der Windparks) zu berücksichtigen. Neu bestimmte Ausschlusskriterien sollen sich gegen diese Bestandsschutzinteressen jedenfalls insoweit durchsetzen, wie sie der Vorbeugung dienen gegen erhöhte Umweltauswirkungen, die für den Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung zu befürchten sind, wenn vorhandene Windener- gieanlagen durch wesentlich größere Anlagen ersetzt würden. Dies trifft auf die seit dem Jahr 1999 erhöhten Schutzabstände zu den Wohnorten zweifelsfrei zu, sodass sich bei den alten, 1999 festgelegten Gebieten die aktuellen Abstandsrichtwerte gegen die Bestandsschutzinte- ressen durchsetzen sollen. Es geht in diesen Fällen nicht darum, nachträglich strengere Maß- stäbe an eine bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzung anzulegen – sondern vielmehr darum, absehbaren Konflikten vorzubeugen, die mit einer Modernisierung der vorhandenen Anlagen einhergehen würden. Wenn dagegen die absehbare Errichtung größerer Anlagen gar nicht zwingend zu einer Erhö- hung des Konfliktpotenzials führt, erscheint die nachträgliche Durchsetzung neuer Kriterien nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Dies trifft auf die Abstandszonen um Großvogelbrutplätze zu. In diesem Fall würden lediglich neue fachliche Beurteilungsmaßstäbe an eine bestehende, rechtmäßig ausgeübte Nutzung angelegt. In diesem Fall soll das Bestandsschutzinteresse grundsätzlich Vorrang haben. In solchen Eignungsgebieten, die noch nicht ausgenutzt wurden, sind keine vergleichbaren Bestandsschutzinteressen zu berücksichtigen. Hier sind allenfalls die wirtschaftlichen Interes- sen von Landeigentümern und Projektentwicklern zu berücksichtigen, die im Vertrauen auf das rechtsverbindlich festgelegte Eignungsgebiet bereits (zum Teil nicht unerhebliche) Auf- wendungen für die Planung von Windparks erbracht haben. Solche Vertrauensschutzgesichts- punkte haben ein geringeres Gewicht als die Bestandsschutzinteressen von Windparkbetrei- bern, dürfen in der Abwägung aber auch nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Fachlich begründete Ausschlusskriterien sollen sich jedoch in jedem Fall gegen die Vertrauensschutz- interessen durchsetzen, unabhängig davon, aufgrund welcher neuen Entwicklungen und Er- kenntnisse sie angewandt werden. Auch wenn Eignungsflächen aus Gründen des gesetzli- chen Artenschutzes bisher nicht genutzt werden konnten und aufgrund der Dichte örtlicher Greifvogelvorkommen mit einem Fortbestehen des Konfliktes im Planungszeitraum der RREP- Fortschreibung zu rechnen ist, sollen die betreffenden Flächen nicht erneut festgelegt werden. Dies betrifft die südwestliche Teilfläche des 2011 festgelegten Gebietes Dalwitz (Nr. 107). Sonderfälle stellen die 2011 festgelegten Eignungsgebiete Rukieten (102) und Stäbelow (113) dar. Hier wurden Teilflächen in die Abgrenzung einbezogen, von denen bereits bei der Festle- gung bekannt war, dass sie nicht mit Windenergieanlagen bebaut werden können. Im Fall Rukieten betrifft dies ein Waldstück, das ursprünglich ein teilweise verbuschtes Feuchtbiotop war und erst in den letzten Jahren aufgrund des angewachsenen Baumbestandes durch die Forstbehörde als Wald erfasst wurde. In Stäbelow wurde aufgrund der damals geltenden Kri- terien eine Bachniederung überplant, die zur engeren Schutzzone des Trinkwasserschutzge- bietes Warnow gehört und auch aufgrund ihrer Habitatfunktion für örtliche Großvögel nicht bebaut werden kann. In diesen beiden Fällen wird jetzt eine rein formale Anpassung an die aktuellen Ausschlusskriterien (Wälder bzw. Trinkwasserschutzgebiete) vorgenommen, indem die nicht nutzbaren Teilflächen aus den Eignungsgebieten (zukünftig: Vorranggebiete) heraus- genommen werden. Beide Vorranggebiete werden durch diese formale Anpassung in jeweils zwei Teilflächen zerlegt, behalten aber ihre Nummern und Bezeichnungen im RREP unverän- dert. Anpassungen der 2011 festgelegten Eignungsgebiete ergeben sich darüber hinaus aus den geänderten Ausschluss- und Abstandskriterien zur Berücksichtigung von Waldgebieten. Dort, wo im Jahr 2011 Waldränder für die Abgrenzung der Eignungsgebiete maßgebend waren, werden diese Grenzen mit der RREP-Fortschreibung angepasst. Die damit erreichte Flächen- vergrößerung ist jedoch in den meisten Fällen geringfügig und eröffnet in der Regel keine neuen Standortpotenziale in den betreffenden – überwiegend ausgenutzten – Gebieten.

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3.11 Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen

3.11.1 Überprüfung bestehender Eignungsgebiete Die Überplanung der Eignungsgebiete aus dem geltenden RREP folgt den im Abschnitt 3.10 wiedergegebenen Überlegungen. Eine nachträgliche Anwendung neu bestimmter Planungs- kriterien auf bestehende Eignungsgebiete kann nicht pauschal und undifferenziert erfolgen. Zu unterscheiden ist zunächst zwischen ausgenutzten Gebieten, bei denen ein Bestands- schutzinteresse des Windparkbetreibers berücksichtigt werden muss, und nicht ausgenutzten Gebieten, bei denen im Einzelfall betrachtet werden muss, welche Belange die Ausnutzung bisher verhindert haben. Zu unterscheiden ist außerdem, ob der vorhandene Anlagenbestand schon älter (das heißt: überwiegend vor 2005 entstanden) ist, sodass im Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung mit einem Ersatz der vorhandenen Anlagen gerechnet werden muss – oder ob es sich um einen neuen Anlagenbestand handelt, der in den nächsten 15 Jahren nicht ersetzt wird, sodass für den Planungszeitraum die Windenergienutzung im be- treffenden Eignungsgebiet als gegebene Tatsache anzusehen ist. Weiterhin ist zu unterschei- den, ob nachträglich festgelegte Ausschlusskriterien sich zwangsläufig aus der technischen Entwicklung der letzten Jahre ergeben haben, wie es insbesondere auf die erhöhten Schutz- abstände zu den Wohnorten zutrifft, die in direktem Zusammenhang mit der Größe der Wind- energieanlagen stehen – oder ob den neuen Kriterien lediglich eine planerische Neubewertung von Belangen zugrunde liegt, die bereits bei der Festlegung der ursprünglichen Eignungsge- biete bekannt waren. Letzteres trifft insbesondere auf die Abstandszonen zu den Brutplätzen bestimmter Großvogelarten zu. Diese weisen keinen direkten Bezug zur technischen Entwick- lung und zur Größe der Windenergieanlagen auf. Eine nachträgliche Anwendung kann in die- sen Fällen somit nicht damit begründet werden, dass durch die absehbare Errichtung größerer Anlagen in den nächsten Jahren ein höheres Maß an Beeinträchtigung zu besorgen wäre. Letztlich ist zu unterscheiden zwischen Ausschlusskriterien, deren nachträgliche Anwendung auch auf bereits ausgenutzte Eignungsgebiete grundsätzlich gerechtfertigt ist, und bloßen Restriktionskriterien, die sich aus Sicht des Planungsverbandes grundsätzlich nicht gegen das Bestandsschutzinteresse in einem bereits ausgenutzten Eignungsgebiet durchsetzen können. Das Ergebnis der gebietsbezogenen Überprüfung ist in der nachfolgenden Tabelle 2 wieder- gegeben. Die Überprüfung ergibt, dass Überschneidungen der alten Eignungsgebiete mit Aus- schlusskriterien insbesondere bei den Abstandszonen um die Wohnorte auftreten. Eine groß- flächige Überschneidung mit der Abstandszone um ein Vogelbrutrevier ergibt sich nur in einem Fall (Gebiet 111 – Gnoien). In diesem Fall ist das betreffende Brutvorkommen auch maßge- bender Grund dafür, dass das Eignungsgebiet bisher nicht ausgenutzt werden konnte. Eine Überschneidung mit Restriktionskriterien ist – insbesondere aufgrund der großflächig wirksa- men Restriktionen der Flugsicherung – bei fast allen Gebieten gegeben. Entsprechend den Empfehlungen der obersten Landesplanungsbehörde wurde für die Neu- auswahl von Vorranggebieten in der RREP-Fortschreibung das früher geltende Abstandskri- terium von 200 Metern um Waldgebiete nicht mehr angewandt. Im Sinne einer einheitlichen Kriterienanwendung wurde auch der Überprüfung der 2011 festgelegten Eignungsgebiete nicht mehr dieser vorsorgliche Schutzabstand, sondern nur noch ein genehmigungsrechtlicher Mindestabstand zugrunde gelegt. Dort, wo Waldgebiete unmittelbar abgrenzungsrelevant für die früher festgelegten Eignungsgebiete waren, ergeben sich somit Grenzverschiebungen, die zu einer – in der Regel geringfügigen – Vergrößerung der betreffenden Gebiete im aktuellen Entwurf führen.

3.11.2 Auswahl neuer Vorranggebiete Die Überarbeitung der Flächenauswahl für die Neufestlegung von Windenergie-Vorranggebie- ten folgt den Überlegungen, die in den voranstehenden Abschnitten dargelegt sind. Die zu- sammengefasste Bewertung des Konfliktpotenzials ist in der Tabelle 3 wiedergegeben. Dabei werden die folgenden Bewertungsmaßstäbe angelegt:

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Lokale Häufung von Vorranggebieten Die Konfliktbewertung erfolgt anhand der im Abschnitt 3.5 genauer dargelegten Maßstäbe: • erhöhtes Konfliktpotenzial bei Ansätzen einer Umstellungswirkung auf einzelne Ortschaf- ten oder Häufung direkt benachbarter Vorranggebiete; • hohes Konfliktpotenzial bei Umstellungswirkung auf einzelne Ortschaften oder extremer Häufung direkt benachbarter Vorranggebiete.

Landschaftsbild/Tourismus • erhöhtes Konfliktpotenzial bei Überlagerung des potenziellen Eignungsgebietes mit einem einschlägigen Restriktionskriterium (Tourismusschwerpunkträume, Abstandszonen um Gebiete mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes) oder mit den im Land- schaftsrahmenplan identifizierten Räumen mit besonderer oder herausragender Bedeu- tung für die landschaftsgebundene Erholung; • hohes Konfliktpotenzial bei Lage im Tourismusschwerpunktraum und besonderer Betrof- fenheit touristischer Belange im Einzelfall.

Vogelschutz Die Konfliktbewertung erfolgt anhand der im Abschnitt 3.8 und im Umweltbericht dargelegten Maßstäbe: • erhöhtes Konfliktpotenzial bei Überlagerung mit Restriktionskriterien des Vogelschutzes oder erhöhtem Konfliktrisiko bezüglich der Belange des Greifvogelschutzes; • hohes Konfliktpotenzial bei (nachträglich festgestellter) Überlagerung mit Ausschlusskrite- rien des Vogelschutzes oder hohem Konfliktrisiko bezüglich der Belange des Greifvogel- schutzes.

Flugsicherheit Bei der Bewertung wird allen potenziellen Eignungsgebieten innerhalb der Zuständigkeitsbe- reiche der Luftfahrtbehörden nach § 18 a Luftverkehrsgesetz ein erhöhtes Konfliktpotenzial zuerkannt: • erhöhtes Konfliktpotenzial bei Überlagerung mit den Zuständigkeitsbereichen der Flugsi- cherung; • hohes Konfliktpotenzial bei Höhenbeschränkungen, die eine wirtschaftliche Windenergie- nutzung auf dem heutigen Stand der Technik nicht zulassen.

Gesamtbewertung • gut geeignet bei überwiegend geringem Konfliktpotenzial; • geeignet bei erhöhtem Konfliktpotenzial in mehreren Bereichen; • weniger geeignet bei hohem Konfliktpotenzial in einem oder mehreren Bereichen.

Die Übersicht in der Tabelle 3 soll das Konfliktpotenzial der vorgeschlagenen Eignungsflächen deutlich machen und eine methodisch einheitliche Bewertung der zu den Entwürfen der RREP- Fortschreibung vorgetragenen Einwände unterstützen. Die Entscheidung über die Aufnahme bzw. Nichtaufnahme der einzelnen Flächen in die abschließende Planfassung erfolgte in je- dem Einzelfall nach Abwägung aller im Abschnitt 8 wiedergegebenen Belange. In der Spalte „Vermessungseignung“ ist die im Jahr 2018 durch die Firma Wind-Consult im Auftrag der Lan- desplanungsbehörde vorgenommene Standortbewertung der potenziellen Eignungsgebiete wiedergegeben. Die Bewertung bezieht sich auf das jeweils vorhandene Standortpotenzial für eine normgerechte Vermessung von Lasten und Leistungskennlinie an Windenergieanlagen- Prototypen. Hierzu wird auf die Ausführungen im Abschnitt 3.9 verwiesen.

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Tabelle 2 Überprüfung der bestehenden Eignungsgebiete

Ausnutzung Anlagenbe- Überlagerung Überlagerung Ergebnis der stand Ausschluss- Restriktions- Überprüfung kriterien kriterien

Admannshagen (1) vollständig neu teilweise vollständig Anpassung

Broderstorf (2/4) vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

Kavelstorf (5) vollständig alt vollständig vollständig Aufhebung

Jennewitz (14) vollständig alt vollständig keine Aufhebung

Carinerland Ost (15) vollständig neu teilweise keine Anpassung

Carinerland West (N1) vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

Kessin (16) vollständig alt vollständig vollständig Aufhebung

Bentwisch (17) vollständig alt vollständig vollständig Aufhebung

Kröpelin (20) vollständig alt vollständig keine Aufhebung

Neubukow (22) vollständig alt und neu teilweise teilweise Anpassung

Radegast (28) vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

Jürgenshagen (33/45) vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

Bützow (37/51) vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

Dalkendorf (38) vollständig alt teilweise vollständig Anpassung

Mistorf (55/58) vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

Tarnow (71) vollständig alt teilweise keine Anpassung

Kuhs (72) vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

Warnkenhagen (73) vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

Heiligenhagen (100) vollständig neu keine vollständig Anpassung*

Hohen Luckow (101) vollständig neu keine vollständig Anpassung*

Rukieten (102) vollständig neu teilweise vollständig Anpassung

Kurzen Trechow (104) vollständig neu keine vollständig keine Änderg.

Glasewitz (106) vollständig neu keine vollständig (Erweiterung)

Dalwitz (107) teilweise neu teilweise vollständig Anpassung

Jördenstorf (109) ungenutzt - keine vollständig keine Änderg.

Gnoien (111) ungenutzt - vollständig vollständig Aufhebung

Stäbelow (113) vollständig neu teilweise vollständig Anpassung

Kambs (114) vollständig neu keine vollständig keine Änderg. *nur Grenzanpassung an geänderte Waldabstände

54 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Tabelle 3 Bewertung des Konfliktpotenzials der neuen Gebietsvorschläge

Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild/Tour. nung Thelkow gering gering hoch erhöht Autobahn nicht be- weniger (103) wertet geeignet Linstow erhöht* hoch nicht be- gering Autobahn nicht be- weniger (105) wertet** wertet geeignet Brusow gering erhöht gering erhöht (WEA vor- gegeben geeignet (115) handen)*** Parchow erhöht gering erhöht gering keine gegeben geeignet (116) Kirch Mul- erhöht gering gering gering (WEA vor- gegeben gut geeig- sow (117) handen)*** net Wokrent erhöht gering gering erhöht Autobahn nicht gege- geeignet (118) ben Matersen hoch gering nicht be- erhöht keine nicht be- weniger (119) wertet** wertet geeignet Klein Belitz hoch gering nicht be- erhöht keine nicht be- weniger (120) wertet** wertet geeignet Sabel gering gering nicht be- hoch Autobahn nicht be- weniger (121) wertet** wertet geeignet Tarnow Ost gering gering hoch erhöht keine nicht be- weniger (122) wertet geeignet Recknitz erhöht gering erhöht erhöht keine gegeben geeignet (123) Wardow gering erhöht hoch erhöht keine gegeben weniger (124) geeignet Boddin gering gering hoch erhöht keine nicht be- weniger (125) wertet geeignet Rey gering erhöht hoch erhöht keine nicht gege- weniger (126) ben geeignet Appelhagen erhöht erhöht gering erhöht keine gegeben geeignet (127) Groß Bäbe- erhöht* erhöht hoch gering Autobahn, gegeben weniger lin (128) Tagebau geeignet Dummers- gering gering erhöht erhöht keine gegeben geeignet torf (129) Schlage gering gering gering erhöht Autobahn gegeben gut geeig- (130) net Groß Gi- hoch erhöht nicht be- erhöht keine nicht be- weniger schow (131) wertet ** wertet geeignet Reinstorf hoch gering nicht be- erhöht keine nicht be- weniger (132) wertet ** wertet geeignet Dehmen erhöht gering hoch erhöht Autobahn bedingt weniger (133) gegeben geeignet Hoppenrade gering erhöht hoch erhöht keine nicht be- weniger (134) wertet geeignet *Konflikt „Häufung“ tritt nur auf, wenn beide benachbarten Gebiete (105 und 128) festgelegt werden ** in die 2016 durchgeführte Erhebung der Greifvogelvorkommen wurde das Gebiet nicht mehr einbezogen *** vorhandene WEA werden in der Abwägung nicht als Vorbelastung berücksichtigt, weil die in diesem Fall er- folgte befristete, ausnahmsweise Zulassung von Prototypen nicht als Rechtfertigung für die Festlegung eines Vor- ranggebietes dienen soll

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Tabelle 4 Flächenbilanz Eignungsgebiete Nr. 1 bis 73 im geltenden RREP 1.100 ha davon: aus dem RROP 1999 übernommen 750 ha erst 2011 festgelegte Erweiterungsflächen 350 ha entfallend durch Anpassung der Abstände zu den Wohnorten* -100 ha im Ergebnis der Anpassung verbleibend 1.000 ha Eignungsbiete Nr. 100 bis 114 im geltenden RREP 1.150 ha entfallend aus Gründen des Artenschutzes -200 ha neu berechnete Fläche nach Anpassung an aktuelle Kriterien 1.050 ha im Ergebnis der Anpassung verbleibend 1.050 ha 22 Gebietsvorschläge aus dem ersten und zweiten Entwurf 1.650 ha davon verworfen: Thelkow, Linstow, Matersen, Klein Belitz, Sabel, -1.050 ha Tarnow Ost, Wardow, Boddin, Rey, Groß Bäbelin, Groß Gischow, Reinstorf, Dehmen, Hoppenrade neu berechnete Fläche nach Überprüfung der Abgrenzungskriterien 65 0 ha im Ergebnis der Abwägung verbleibend: 8 Gebiete 650 ha Gebiete aus geltendem RREP und neue Gebiete zusammen 2.700 ha * Teilflächen, die im Rahmen der Anpassung neu in die Vorranggebiete einbezogen werden, sind hiervon bereits abgezogen

Der Planungsverband geht davon aus, dass mit den festgelegten Vorranggebieten in der Re- gion Rostock der Windenergienutzung in einem substanziellen Umfang Raum gegeben wird. Die Vorranggebiete umfassen 4 Prozent der für die Windenergienutzung theoretisch verfüg- baren Fläche (bzw. 2 Prozent, wenn – wie im Abschnitt 3.2 dargelegt – von einem erweiterten Begriff der verfügbaren Potenzialflächen ausgegangen wird).

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4 Einwendungen zum Planungskonzept

4.1 Sinn und Zweck der Fortschreibung

4.1.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dalkendorf, Recknitz, Groß Roge, Lübstorf, Dobbin-Linstow, Alt Karin, Ziesen- dorf, Uhlenbrook, , Groß Wokern, Mieckow, Parchow (mit Unterschriftenliste), Se- low, Güstrow, , Rheine, Rakow, Knegendorf, Appelhagen und weiteren Orten • Gutsverwaltung Storch KG, Alt Karin • Freier Horizont e.V., Penzlin • Wind Energy Network e.V., Rostock • Enercon GmbH, Rostock • FEW Wardow GmbH • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock • Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“, Gülzow-Prüzen • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow

4.1.2 Wesentliche Einwände Ein Bürger aus Dalkendorf erklärt, mit dem Ausbau der Windenergienutzung werde die Natur zerstört, ohne dass die betroffenen Anwohner einen Nutzen davon hätten. Nur wenige Perso- nen füllten sich die Taschen, während die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern die höchsten Strompreise zahlten. Auch viele Politiker im Land hätten ihre Meinung zur Windenergienutzung geändert und seien für einen Ausbaustopp. Bürger aus Recknitz und Plaaz halten einen erheblichen Ausbau der Windenergienutzung auch in der Region Rostock für erforderlich, um die Klimaschutzziele auf nationaler Ebene zu erreichen. Der Klimawandel könne zu einer ökologischen Katastrophe führen, die den Lebens- raum unzähliger Tier- und Pflanzenarten vernichten und die Lebensgrundlagen des Menschen weltweit gefährden könne, wenn nicht der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen durch den Einsatz der Windenergie und anderer erneuerbarer Energien erheblich verringert werde. Ins- besondere die Windenergie habe das Potenzial, substanziell zur Verringerung von Kohlendi- oxidemissionen beizutragen. Durch die Erzeugung im eigenen Land würden die Versorgungs- sicherheit und die Unabhängigkeit von Energieimporten gestärkt. Ein Bürger aus Groß Roge geht davon aus, dass von der Windenergienutzung Auswärtige profitieren würden. Die Anlagen würden mit Steuergeldern hoch subventioniert. Mit ihrem Be- trieb werde kein Gramm Kohlendioxid eingespart. Aufgrund des schwankenden Aufkommens könne die Windenergie nur minimal ausgenutzt werden, sodass der Betrieb von Windenergie- anlagen auch ökonomischer Unsinn sei. Es sei unverantwortlich, für den Ausbau dieser Tech- nologie die Landschaft zu zerstören und sie damit für den Tourismus unattraktiv zu machen. Ein Bürger aus Lübstorf berichtet, dass er früher selbst in der Region Rostock gelebt und dort selbst als Anwohner die Errichtung eines Windparks miterlebt habe. An die Veränderung des Landschaftsbildes habe man sich anfangs gewöhnen müssen; mit der Zeit jedoch habe man die Anlagen als ganz normal empfunden und keinerlei Beeinträchtigungen erfahren. Im- mer nur dagegen zu sein schaffe keine Energie. Daher sollten nicht immer irgendwelche Gründe gesucht werden um Windparks zu verhindern. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern sollte die Windenergie genutzt werden, um Wertschöpfung und Steuereinnahmen für die Ge- meinden zu generieren.

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Ein Bürger aus Dobbin-Linstow glaubt, dass die Energiewende ohne leistungsfähige Spei- chertechnologien zum Scheitern verurteilt sei. Vor dem Anspruch, fossile Energieträger in allen Bereichen vollständig abzulösen, könne die Förderung der Windenergietechnik auf dem heu- tigen Stand nur als ein erster, verzweifelter – und dabei sehr teurer – Schritt angesehen wer- den. Der Einwender verweist auf die Förderung der Bioenergie, die heute sehr viel kritischer betrachtet werde als früher, obwohl deren heute offensichtliche Umweltauswirkungen auch früher schon hätten erkannt werden können. In der Region um den Krakower See gebe es dagegen gute Erfahrungen mit Solaranlagen, zum Beispiel bei der Nachnutzung von Tage- bauen. Daran sollte man nach Ansicht des Einwenders anknüpfen. Ein Bürger aus der Umgebung von Bützow erklärt, dass die Nutzung erneuerbaren Ener- gien sicherlich von großer Bedeutung im Gesamtkontext einer zukunftsfähigen und nachhalti- gen Energieversorgung sei und damit grundsätzlich befürwortet werden müsse. Diese sollte aber konzeptionell ausgewogen und energiewirtschaftlich sinnvoll entwickelt werden. Gegen- wärtige Entwicklungen führten leider zu einem regionalen Überangebot von Strom, welcher aufgrund fehlender Leitungen nicht abtransportiert werden könne, sodass es in Größenord- nungen zur Abschaltung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne komme. Dies sei sicher nicht im Sinne einer nachhaltigen Energieversorgung. Zudem treibe es die Stromkosten in die Höhe, da die Betreiber von Anlagen, die abgeschaltet werden müssen, zu entschädigen seien. Nach Ansicht des Einwenders sollten vor einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien Leitungen gebaut und alternativ Energiespeicheranlagen entwickelt und gebaut werden. Ein Bürger aus Dalkendorf erklärt: Jeder wisse, dass der Trend sich gewandelt habe und dass andere Bundesländer die Privilegierung der Windenergienutzung bereits kritisch hinter- fragten, die offensichtlich einseitig den Interessen von Landbesitzern, Investoren und Wind- parkbetreibern diene. Die Energiewende sei aus guten Gründen begonnen worden – jedoch überstiegen die in Mecklenburg-Vorpommern erzeugten Strommengen mittlerweile jeden Be- darf. Der Strom würde verschenkt und dann zurückgekauft. Der Süden sei nicht bereit den hier erzeugten Strom abzunehmen. Die hiesigen Bürger jedoch bezahlten die höchsten Strom- preise und müssten dafür auch noch die hässlichen Windenergieanlagen ertragen. Bürger aus Ziesendorf weisen darauf hin, dass alte Windenergieanlagen nach und nach vom Netz genommen würden, weil deren Betrieb angeblich nicht mehr wirtschaftlich sei. Offensicht- lich sei der Betrieb nur so lange gewinnträchtig, wie die staatliche Förderung laufe. Es stelle sich die Frage, ob diese Anlagen jemals wirtschaftlich gewesen seien, wenn nur durch die staatliche Förderung ein Gewinn habe erzielt werden können. Volkswirtschaftlich sei offen- sichtlich kein Nutzen erzielt worden, und das wirtschaftliche Risiko trage meistens der Endver- braucher. Auch gebe es bisher kein Verfahren, um die Rotorblätter der Anlagen nach Ende ihrer Nutzungszeit zu entsorgen. Eine Bürgerin aus Groß Roge erklärt: Es sei bekannt, dass Strom im Überfluss produziert werde. vorhandene Windenergieanlagen würden stillgelegt, weil sie uneffektiv seien. Das In- teresse für weitere Anlagen liegt nur bei einzelnen (nicht in der Region ansässigen) Personen, die steuerlich begünstigt investieren, Pachtzinsen oder Subventionen einstecken wollten. Die hier lebenden Menschen dagegen müssten den durch eine Energieumlage verteuerten Strom bezahlen. Ein Bürger aus Groß Wokern spricht sich in seiner Stellungnahme gegen die Neubebauung und Erweiterung der Eignungsgebiete Nr. 38 und 73 sowie die Neufestlegung des Gebietes Nr. 127 aus und bringt dabei auch allgemeine Vorbehalte gegen einen weiteren Ausbau der Windenergienutzung in der Region Rostock zum Ausdruck. Es sei nicht hinnehmbar, dass im wirtschaftlichen Interesse einzelner Investoren und Grundstückseigentümer die Bürger im Um- feld der Anlagen benachteiligt würden und die Kulturlandschaft zerstört würde. Schon jetzt werde in Mecklenburg-Vorpommern mehr Strom erzeugt als hier verbraucht werde, und die Bürger müssten die höchsten Strompreise in Deutschland zahlen. Der Einwender betont, dass

58 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 er kein Gegner der Windenergienutzung sei. Eine gesellschaftliche Notwendigkeit für den wei- teren Ausbau sei jedoch nicht zu erkennen, solange nicht einmal die vorhandenen Anlagen komplett ausgenutzt würden und solange der Energieverschwendung nicht Einhalt geboten werde. Mehrere Bürger aus Parchow (unterstützt durch zahlreiche weitere Bürger, die in einer Un- terschriftenliste aufgeführt sind) nehmen zur Festlegung des Vorranggebietes Nr. 116 Stellung und stellen dabei die RREP-Fortschreibung auch grundsätzlich in Frage. Das Bestreben, den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren, sei unbestritten wichtig. Die Verfolgung dieses Zieles ohne Rücksicht auf bestehende, noch intakte Natur und deren gesetzlich normierten Schutz bewirke jedoch das Gegenteil dessen, was man eigentlich beabsichtige. Bei der Windenergie- nutzung habe man jetzt noch die Möglichkeit, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Die im Landesenergiekonzept enthaltenen Zielwerte seien bereits erreicht. Ein weiterer Aus- bau der Windenergienutzung würde diesem Konzept widersprechen. Mit der RREP-Fortschrei- bung würde der Planungsverband eine Fehlentwicklung fördern, wie sie in Schleswig-Holstein bereits eingetreten sei. Der Windenergienutzung würde über den Bedarf hinaus Raum gege- ben. Bürger aus Knegendorf nehmen zum Vorranggebiet Nr. 123 Stellung und äußern auch grundsätzliche Kritik am Ausbau der Windenergienutzung. 28.000 Windenergieanlagen liefer- ten Strom schon zu 100% bedarfsdeckend. Die Bürger würden über Zwangsabgaben die Windenergieanlagen bezahlen. Die Einwender befürchten, dass der Strom für ältere Bürger unbezahlbar würde und die Umverteilung von unten nach oben zu sozialen Spannungen führe. Bürger aus Appelhagen fordern, man solle nur das produzieren, was man verbrauchen könne. Ein Bürger (Wohnort unbekannt) fordert den Bau von Windkraftanlagen sofort zu stoppen, da die Speicherung und der Abtransport der gewonnenen Energie nicht gewährleistet seien. Allein 2017 habe das Land Mecklenburg-Vorpommern 30 Millionen Euro an die Windenergie- wirtschaft für deren Überproduktion gezahlt. Die Mehrkosten brächten letztlich die Steuerzah- ler auf. Strom sei im Überfluss da und werde für 3 Cent je Kilowattstunde verscherbelt. Nor- wegen wäre aus Sicht des Einwenders eine gute Alternative um günstig Strom zu beziehen. Aber da die Windkraftlobby eine unendliche Geldgier habe, täusche sie vor, angeblich lang- fristig, Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Bürger aus Amalienhof führt aus, dass es bis heute noch keine Leitungstrasse zu den großen Stromverbrauchern in Süddeutschland gäbe. Weitere Windparks in Mecklenburg-Vor- pommern würden daher „in den Sand gesetzt“ und die diesbezügliche Fortschreibung des RREP sei vollkommen überflüssig. Bürger aus Uhlenbrook regen an, dass anstelle der Errichtung von Windparks lieber Förder- mittel für private Photovoltaikanlagen an die Bürger ausgegeben werden sollten. Dann könne sich die Energiewende im Einklang mit der Natur entwickeln. Ein Bürger aus Groß Roge fordert, dass zunächst der Energieverschwendung Einhalt gebo- ten werden müsse, bevor neue Gebiete für Windenergieanlagen geplant werden. Eine Bürgerin (Wohnort unbekannt) verweist auf die Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland, die von der Ministerkonferenz für Raumordnung im Jahr 2006 herausgegeben wurden. Im Jahr 2013 sei ein Entwurf zur Überarbeitung der Leitbilder herausgegeben worden. Darin seien einerseits der Klimaschutz und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen hervorgehoben worden, andererseits aber auch die Stärkung der ländlichen Räume unter den Aspekten der Wettbewerbsfähigkeit und der Daseinsvorsorge. Im RREP Mittleres Mecklenburg/Rostock von 2011 sei neben der Festlegung von Flächen für die Ener- giegewinnung auch die Sicherung schutzbedürftiger Flächen, unter anderem für Naturschutz und Hochwasserschutz, als wichtige Zielsetzung aufgeführt. Mit der jetzt durchgeführten Fort- schreibung des RREP werde nur ein einziger Aspekt der Raumentwicklung herausgegriffen.

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Die Raumordnung werde damit ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht, der gerade darin be- stehe, dass alle Ansprüche an den Raum im Zusammenhang betrachtet und in ausgewogener Weise berücksichtigt werden sollten. Dieses Grundprinzip der Raumordnung werde mit einer bloßen Teil-Fortschreibung zur Festlegung neuer Windenergie-Vorranggebiete ausgehebelt. Entsprechend einseitig scheine der Planungsverband bei der Sachverhaltsermittlung und -be- wertung vorzugehen: Die Interessen von Anlagenbetreibern würden offensichtlich „durchge- winkt“ gegen die elementarsten Gemeinwohlinteressen dörflicher Lebensgemeinschaften. (vgl. auch die im Abschnitt 4.3 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Wenn die Landesregierung das Leben im ländlichen Raum ernsthaft erhalten oder sogar stär- ken wolle, könne sie dies nicht, wenn alle Bürger, die nicht an ihr Eigentum gebunden seien, die Flucht ergriffen. Mit der Förderung der Windenergienutzung allein sei dem Klimawandel nicht wirksam zu begegnen. Es sei an der Zeit, über andere Alternativen nachzudenken. Die Einwenderin befürchtet auch, dass die gesetzliche Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Genehmigung von Windparks dadurch unterlaufen werden könnte, dass solche Vor- haben „scheibchenweise“ verwirklicht und somit kumulative Umweltauswirkungen mehrerer Einzelvorhaben im selben räumlichen Zusammenhang außer Acht gelassen würden. Eine Bürgerin aus Benitz glaubt im Planungskonzept der RREP-Fortschreibung eine über- mäßige Gewichtung wirtschaftlicher Interessen zu erkennen. Dasselbe gelte für die Zulassung von Windenergieanlagen zu Forschungs- und Erprobungszwecken außerhalb der Eignungs- und Vorranggebiete, die unter dem Vorwand eines immer mehr anwachsenden Strombedar- fes, der angeblichen Schaffung von Arbeitsplätzen und in Aussicht gestellter Steuereinnahmen erfolge (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 10 wiedergegebenen Ausführungen derselben Ein- wenderin). Die in den Entwurfsdokumenten der RREP-Fortschreibung enthaltene Bedarfsab- schätzung zum weiteren Ausbau der Windenergienutzung sei nicht transparent. Die möglichen Auswirkungen der Windenergieanlagen auf Mensch und Natur würden verharmlost. Auf nati- onaler und internationaler Ebene vorliegende Studien, Gutachten und Empfehlungen würden vom Planungsverband als nicht ausreichend fundiert abgetan oder für irrelevant erklärt. Die Einwenderin bittet darum das menschliche Recht auf körperliche Unversehrtheit bei der RREP-Fortschreibung mehr in den Vordergrund zu stellen. Eine Bürgerin aus Mieckow nimmt zu den Vorranggebieten Nr. 38, 73 und 127 Stellung (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Dar- über hinaus äußert die Einwenderin generelle Zweifel an der Umweltverträglichkeit der Wind- energienutzung. Für den Betrieb der neuesten Anlagengeneration würden große Mengen der seltenen Erde Neodym benötigt. Deren Ökobilanz sehe schlecht aus, denn als Abfall blieben große Mengen radioaktiven Thoriums übrig. Die Windenergie sei deshalb gar nicht so sauber wie vielfach behauptet werde. Wie bei der Atomenergie lebe die heutige Generation auf Kosten ihrer Kinder und der folgenden Generationen. Die Einwenderin erwartet, dass vor der Einfüh- rung einer derartigen Technologie Energie- und Umweltbilanzen erstellt worden sein müssten, welche auch die Langzeitfolgen und langfristig entstehenden Kosten einschließen müssten. Der Planungsverband müsse somit eigentlich die Frage beantworten können, wie lange eine Windenergieanlage im Betrieb sein müsse, bis sie die eingesetzte Energie wieder erarbeitet habe. Ein Bürger aus Parchow erklärt, dass Windenergieanlagen verantwortlich seien für hohe Strompreise. Dem Aspekt der Einsparung von Strom sollte mehr Gewicht gegeben werden. Ein Bürger aus Selow nimmt auch als Bürgermeister der Gemeinde Klein Belitz Stellung. Der Einwender weist auf die erhebliche Veränderung hin, welche die Landschaft zwischen Satow, Bützow und Schwaan durch die hier errichteten Windparks erfahren hat. Die Lärmbelastung werde von den Anwohnern als erheblich empfunden. Die „Rotlichtbeleuchtung“ suche ihres- gleichen und sei nicht mehr akzeptabel. Die Zerstörung des Landschaftsbildes spotte jeder Beschreibung. Durch die Versiegelung des Bodens sei landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gegangen. Der Einwender fragt, ob diese Folgen der Windenergienutzung im Energieministe- rium überhaupt einmal bedacht worden seien. Die Durchsetzung der ehrgeizigen Energiepoli-

60 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 tik des Landes werde von den Bürgern als rücksichtslos und arrogant angesehen. Die Ge- meinden würden in einer Art Scheindemokratie um ein Einvernehmen ersucht, das aber letzt- lich belanglos sei. Dies werde als Entmündigung empfunden. Die Politik der Energiewende sei unausgegoren und komme die Bürger teuer zu stehen. Der Einwender appelliert an den Pla- nungsverband, gründlich zu prüfen, ob die Region noch mit weiteren Windenergieanlagen be- lastet werden sollte. Eine Bürgerin aus Güstrow nimmt zur Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 123 Stellung (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin) und macht dazu auch allgemeine Ausführungen. Aus Gründen des Klimaschutzes hält die Einwenderin einen weiteren Ausbau der Windenergienutzung in einem erheblichen Umfang für erforderlich. Der Klimawandel könne noch in diesem Jahrhundert zu einer ökologischen Katastrophe füh- ren, die den Lebensraum unzähliger Tier- und Pflanzenarten vernichten und die Lebensgrund- lagen des Menschen weltweit gefährden könne. Durch eine vermehrte Energiegewinnung im Inland würde die Versorgungssicherheit verbessert und die Anhängigkeit von Importen verrin- gert. Bürger aus Selow lehnen jeden weiteren Ausbau der Windenergienutzung an Land ab. An ihrem Wohnort seien die Einwender bereits von zahlreichen Windparks umzingelt. Die Beein- trächtigungen von Mensch und Natur seien erheblich. Einwände der Anwohner seien dem Planungsverband hinlänglich bekannt. Am schlimmsten seien die ständige Lärmbelästigung, Schattenwurf auf dem Grundstück und bei tiefstehender Sonne auch in den Wohnräumen so- wie die Blinklichter bei Dunkelheit. Windenergieanlagen seien Ursache für tausende toter Vö- gel sowie auch Mitverursacher des Insektensterbens. Vor der letzten Landtagswahl habe die SPD eine Gewinnbeteiligung der betroffenen Bürger versprochen. Nichts dergleichen sei um- gesetzt worden – sicherlich habe die Windkraftlobby dies verhindert. Die Einwender schlagen vor, Windparks in der Wohnumgebung der Investoren zu errichten. Lärmschutzempfehlungen der WHO würden ignoriert, geforderte Messungen vor Ort nicht durchgeführt. Die ländliche Infrastruktur, deren Erhaltung doch eigentlich ein erklärtes Ziel der Landespolitik sei, werde durch den Ausbau der Windenergienutzung zerstört. Eine Bürgerin aus Benitz stellt die Frage, warum man die Natur nicht einfach so lasse wie sie ist, anstatt sie zu zerstören. Eine Bürgerin aus Dalkendorf nimmt zu den Gebieten Nr. 38, 73 und 127 Stellung (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwen- derin hält eine Politik, die auf die Förderung von Großanlagen setze, für falsch. Die Investoren lebten nicht einmal in der Region. Andererseits werde Familien, die eine kleine Windenergie- anlage auf ihrem Grundstück aufstellen wollten, dies verboten weil, man den Nachbarn die Belästigung nicht zumuten könne. Die Einwenderin wisse aus eigener Anschauung, dass auch bei ausreichendem Wind die Anlagen zum Teil stillständen, weil gar nicht so viel Strom in das Netz eingespeist werden könne. Ein weiterer Ausbau der Windenergienutzung würde nur den Interessen weniger Kapitalisten dienen und sei für die Allgemeinheit sinnlos. Eine Bürgerin aus Groß Roge erklärt, die großen Hersteller errichteten ihre Anlagen im Meer, weil die Windenergienutzung dort effektiver und weniger schädlich sei als an Land. Die Zeit für Windenergieanlagen auf dem Festland sei abgelaufen, da die Bevölkerung einen weiteren Ausbau nicht mehr hinnehmen werde. Die Gutsverwaltung Storch KG nimmt zum Vorranggebiet Nr. 116 Stellung und spricht sich auch grundsätzlich für einen weiteren Ausbau der Windenergienutzung aus. Im Vergleich zu anderen Teilen Deutschlands sei die Region Rostock eine strukturschwache Region. Die Be- völkerung sei auf Investitionsmöglichkeiten angewiesen. Dies erhöhe langfristig die Kaufkraft und könne dazu beitragen, dass das Land zukünftig weniger auf Almosen anderer Bundeslän- der angewiesen sein werde. Bereits realisierte Windenergieprojekte hätten gezeigt, dass eine Gemeinde damit ihre Handlungsfähigkeit erhalten könnte, was unter den Gemeinden mittler- weile eher eine Ausnahme sei.

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Der Verein Freier Horizont e.V. beklagt, dass in der Region Rostock bereits etliche Teilräume entstanden seien, in denen das Landschaftsbild hauptsächlich von Windenergieanlagen ge- prägt werde. Einen Nutzen habe der Betrieb dieser Anlagen den betreffenden Räumen nicht gebracht – daran habe sich auch mit der Einführung des Bürger- und Gemeindebeteiligungs- gesetzes im Jahr 2016 nichts geändert. Der Entwurf zur RREP-Fortschreibung orientiere wie- derum einseitig auf die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und werde damit seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Der Planungsverband gebe offensichtlich dem Lobbyismus einer Branche nach, die auf dem Rücken der Bürger subventioniert werde. Es werde zu viel Fläche für eine Technologie vorgesehen, welche für die zukünftige Energieversorgung völlig ungeeig- net sei. Der Einwender verweist auf die aus seiner Sicht ungelösten Probleme der Energie- wende, die auch mit der RREP-Fortschreibung nicht gelöst würden: fehlende Speichermög- lichkeiten, fehlende Leitungen, fehlende Stromnachfrage vor Ort, Witterungsabhängigkeit, zu hohe Strompreise, Gefahren für Vögel, Fledermäuse und Insekten, gesundheitliche Beein- trächtigung der Anwohner, negative Auswirkungen auf den Tourismus, Wertverlust von Immo- bilien und sinkende Attraktivität des ländlichen Raumes als Wohnort. Die durch diese einsei- tige Förderung der Windenergienutzung bedingten hohen Energiekosten wirkten sich auch als Wettbewerbsnachteil für Industrie und Handwerk aus. Der Einwender betont, dass aus seiner Sicht der Windenergie durchaus ein gewisser Anteil an der zukünftigen Energieversorgung zukommen müsse. Aufgrund der Größenentwicklung bei der Anlagentechnologie und der dadurch bedingten Reichweite negativer Umweltauswirkungen sei das Potenzial tatsächlich geeigneter Standorte jedoch als gering einzuschätzen. Eine Vollversorgung aus erneuerbaren Energiequellen sei weder technisch realisierbar noch erstrebenswert, weil sie die Lebens- und Existenzgrundlagen des Menschen zerstören würde. Aufgrund des naturbedingt schwanken- den Energieaufkommens müssten konventionelle Erzeugungskapazitäten weiterhin vorgehal- ten werden. Daran werde auch ein mit Milliardenaufwand betriebener Netzausbau nichts än- dern, denn das Wetter mache nicht an Landesgrenzen halt. Ein weiterer Zubau von Wind- und Solarenergieanlagen würde das Problem der Aufkommensschwankungen nicht mindern, son- dern nur weiter verschärfen. Es gebe dann entweder zu viel oder zu wenig Energie. Vor jegli- chen Planungen zum weiteren Ausbau der Windenergienutzung in Mecklenburg-Vorpommern müssten die längst erkannten Grundprobleme gelöst werden: der Mangel an geeigneten Spei- chertechnologien und der mangelnde Eigenverbrauch durch die vor Ort vorhandene Industrie. Erst danach könne man sinnvolle Planungen für das zukünftige Flächenangebot machen. Die Ausführungen im Begründungsteil des RREP, in denen die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Windkraftbranche hervorgehoben wird, sieht der Einwender als tendenziös und ideolo- gisch vorgeprägt an. Im Verhältnis zu den negativen Auswirkungen der Windenergienutzung auf den Tourismus und andere Wirtschaftsbereiche sei der ökonomische Nutzen gering. Die Firma Nordex beispielsweise exportiere über 90% ihrer Anlagen in das Ausland; der Rest ver- teile sich über die gesamte Bundesrepublik. Zur Unterstützung dieser Firmen würde nach An- sicht des Einwenders die (grundsätzlich sinnvolle) Bereitstellung von Prototypenstandorten völlig ausreichen. Der Ausbau der Windenergienutzung in Mecklenburg-Vorpommern habe ei- nen neokolonialen Charakter. Die einheimische Bevölkerung trage neben der Zerstörung ihres Wohnumfeldes und der Natur auch noch die finanzielle Hauptlast, während das Produkt vor- rangig außer Landes verbracht werde, wo auch die eigentliche Wertschöpfung erfolge. Der Wertverlust von Immobilien senke ebenfalls die Wirtschaftskraft. Potenzielle Leistungsträger wie Ärzte, Künstler oder Lehrer wählten das Land zum überragenden Anteil aufgrund seines Landschafts- und Naturreichtums als Wohnsitz. Niemand würde sich freiwillig in einem Indust- riegebiet niederlassen. Der Windkraftausbau verstärke somit auch den demographischen Wandel zum Negativen hin. Da auch die übrigen Bundesländer das Ziel verfolgten, ihren Strombedarf zu 100% aus erneuerbaren Quellen zu decken und darüber hinaus noch zu ex- portieren, stelle sich immer drängender die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines weiteren Aus- baus der Windenergienutzung in Mecklenburg-Vorpommern. Der Verein Wind Energy Network e.V. hebt die wirtschaftliche Bedeutung der Windenergie- branche für das Land Mecklenburg-Vorpommern hervor. Die Unternehmen der Windenergie- wirtschaft böten hier mittlerweile rund 8.000 Arbeitsplätze für hochqualifizierte Mitarbeiter.

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Technische Innovationen hätten zu einer beachtlichen Senkung der Stromgestehungskosten beigetragen. Der Verein tritt für einen kontinuierlichen weiteren Ausbau der Windenergienut- zung an Land und auf See ein. Die planvolle Steuerung der Windenergienutzung anhand mit- tel- und langfristiger Ausbauziele sei dafür unerlässlich. Die Enercon GmbH begrüßt die Fortschreibung des RREP. Die Entwicklung der Windener- gienutzung in Deutschland sei eine Erfolgsgeschichte, und der weitere Ausbau eröffne vielfäl- tige Chancen und belebe den ländlichen Raum. Als eine der größten Industrienationen müsse Deutschland seiner Vorbildfunktion bei der Energiewende weiterhin gerecht werden, um auch andere Länder zu größeren Anstrengungen beim Klimaschutz zu motivieren. Die heute ver- fügbaren Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen seien trotz ihrer relativ kur- zen Entwicklungszeit so weit ausgereift und wirtschaftlich konkurrenzfähig, dass fossile Ener- gieträger und Atomenergie ersetzt werden könnten. Bis heute seien in Mecklenburg-Vorpom- mern mehr als 8.000 Arbeitsplätze allein in der Windenergiebranche entstanden. Die Nutzung der Windenergie sei damit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Vor diesem Hintergrund sei das Bemühen des Planungsverbandes, mit der RREP-Fortschreibung weitere Flächen für die Windenergienutzung bereitzustellen, grundsätzlich anzuerkennen. Der Umfang der dafür vor- gesehenen Flächen werde jedoch den Erfordernissen der Energiewende und des Klimaschut- zes nicht gerecht. Die Einwenderin kritisiert deshalb die im Laufe des Fortschreibungsverfah- rens vorgenommene Reduzierung des geplanten Flächenanteils von 1% auf 0,75% der Regionsfläche. Die FEW Wardow GmbH plädiert für eine Wiederaufnahme des ursprünglich geplanten Eig- nungsgebietes Nr. 124 in die RREP-Fortschreibung und geht in diesem Zusammenhang auf allgemeine Fragen des Klimaschutzes und des Vogelschutzes ein (vgl. auch die in den Ab- schnitten 5.7 und 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Bei Betrachtung zahlreicher Einwendungen, wie sie typischerweise gegen die Festlegung neuer Windenergie- Eignungsgebiete vorgebracht würden, werde schnell deutlich, dass es darin oftmals um kurz- fristig orientierte Einzelinteressen und nicht um eine langfristig ausgewogene Regionalentwick- lung gehe. Die Einwenderin weist auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ent- wicklung der weltweiten Kohlendioxidemissionen und die befürchteten Umweltfolgen hin. Um diese Folgen abzuwenden, verbleibe nur noch wenig Zeit. Gehe die Entwicklung weiter wie bisher, werde Deutschland seine auf europäischer Ebene eingegangenen vertraglichen Ver- pflichtungen zum Klimaschutz nicht annähernd einhalten können. Um den beschlossenen Aus- stieg aus der Kohleverstromung und die von der Autoindustrie begonnene Umstellung auf Elektromobilität umsetzen zu können, sei die Bundesrepublik vor allem auf die Windenergie angewiesen. Vor diesem Hintergrund erscheint es der Einwenderin unausweichlich, dass alle im Rahmen der RREP-Fortschreibung verworfenen Windenergie-Eignungsgebiete, soweit sie nicht von absoluten Ausschlusskriterien betroffen sind, in drei bis fünf Jahren erneut in die Planung aufgenommen werden müssten – wie auch national und weltweit die Anstrengungen zum Klimaschutz in naher Zukunft erheblich vergrößert werden müssten. Allerdings dürfte es in einigen Jahren bereits zu spät sein um den Klimawandel noch aufzuhalten. Die Einwenderin legt dazu Auszüge aus Agenturberichten und anderen Quellen vor, die anhand aktueller Daten den Anstieg der Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre sowie die dadurch mutmaß- lich bedingten Tendenzen des Klimawandels und zunehmender Wetterextreme beschreiben. Der BUND M-V (Regionalbüro Rostock) hält angesichts des seit dem Jahr 2014 deutlich verlangsamten Ausbaus der Windenergienutzung eine baldige Ausweisung neuer Eignungs- gebiete für dringend erforderlich. Aus Gründen des Klimaschutzes sei der weitere Ausbau der Windenergienutzung notwendig. Die Veränderung des Klimas stelle auch für die heimischen Arten und Lebensräume ein zunehmendes Risiko dar. Die Schäden und massiven Verände- rungen, die zum Beispiel durch lange Trockenperioden wie im Sommer 2018 im Naturhaushalt entstehen würden, müssten gegen die punktuellen Umweltauswirkungen der Windenergiean- lagen abgewogen werden. Dies müsse auch beim Schutz von seltenen Arten wie dem Schrei- adler gelten: Dem Risiko, dass einzelne Tiere an Windenergieanlagen zu Tode kommen,

63 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 müsse der positive Beitrag dieser Anlagen zum Klimaschutz und damit zur Erhaltung der Le- bensräume einheimischer Arten entgegengestellt werden. Konkrete Anforderungen des Na- turschutzes müssten beim Ausbau der Windenergienutzung soweit wie möglich berücksichtigt werden. Ungestörte Lebensräume für Vögel und Fledermäuse müssten in einem ausreichen- den Umfang freigehalten werden, um die regionalen Bestände der betreffenden Arten nicht zu beeinträchtigen. Die Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“ aus Gülzow-Prüzen schickt ihrer Stellungnahme voraus, dass sie sich den bundes- und landespolitischen Zielsetzungen der Energiewende keinesfalls entgegenstellen möchte. Unbestreitbar seien in den letzten Jahr- zehnten jedoch gravierende Fehler in der Energiepolitik gemacht worden. Die Einwender war- nen deshalb vor einem „vorauseilenden Gehorsam“ der Regionalplanung gegenüber der Poli- tik und vor der Unterwerfung unter einen vermeintlich gegebenen Zeitdruck bei der Umsetzung der politischen Ziele. Auch die Förderung der Biogasnutzung vor einigen Jahren sei einem vernünftigen Grundgedanken gefolgt, habe jedoch zu nicht optimalen Ergebnissen geführt. Der Entwurf zur RREP-Fortschreibung lasse eine verantwortungsbewusste Gegenüberstel- lung von Nutzen und Umweltrisiken der Windenergienutzung nicht erkennen. Die Einwender bezweifeln, dass den energiepolitischen Zielen eine umfassende Umweltbilanz zugrunde liege. Von einem schlüssigen Gesamtkonzept hätten die Einwender erwartet, dass die zur Herstellung von Windenergieanlagen eingesetzten Rohstoffe und alle weiteren gebundenen Ressourcen in die Betrachtung einbezogen würden. Anstelle einer ganzheitlichen Planung werde in Zuständigkeitsbereichen gedacht und geplant. Probleme würden damit in die Zukunft verlagert. Wenn die Energiewende gelingen solle, müsste nach Ansicht der Einwender we- sentlich mehr getan werden, um alle Bürger zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ener- gie und einem ökologisch bewussteren Konsumverhalten zu bewegen. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) nimmt zur Neuabgrenzung des ursprünglichen Eignungsgebietes Nr. 22 Stellung (vgl. hierzu die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Ein- wenderin) und spricht sich auch allgemein gegen einen – aus ihrer Sicht „unkontrollierten“ – weiteren Ausbau der Windenergienutzung aus. Im Umkreis von Bützow, Carinerland und an- deren Orten seien bereits Räume entstanden, die hauptsächlich von Windenergieanlagen ge- prägt seien. Diese Räume hätten bisher keinen oder einen allenfalls geringen Nutzen davon. Daran habe auch die Einführung des Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetzes im Jahr 2016 nichts geändert. Lediglich mit den Standortgemeinden würden von den Windparkent- wicklern Verhandlungen über Ausgleichszahlungen geführt; alle anderen Gemeinden und An- wohner, die im Grunde am stärksten betroffen seien, würden weder umfassend informiert, noch würden ihnen Beteiligungen angeboten. Die Windenergiewirtschaft wisse die Gesetzes- lücken auszuloten und ihren Profitanspruch durchzusetzen. Der Entwurf zur RREP-Fortschrei- bung werde seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Es erfolge eine einseitige Orientierung auf die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, ohne die damit verbundenen Probleme zu lö- sen. Dies seien: fehlende Speichermöglichkeiten; fehlende Infrastruktur um den Strom abzu- leiten oder innerhalb der Region sinnvoll zu nutzen; Witterungsabhängigkeit und Leistungs- schwankungen, die den Einsatz fossiler Energie weiterhin erfordere; unausgereifte Technologien und fehlende Ökobilanzen. Der Planungsverband folge vorrangig den Interes- sen der Windenergiewirtschaft, die bereits auf dem Rücken der Bürger subventioniert werde. Der Allgemeinheit sei nicht damit gedient, wenn ein Überangebot an Strom aus erneuerbaren Energiequellen geschaffen werde. Es finde ein völlig überzogener Ausbau der Windenergie- nutzung statt. Dieser fehlgeleiteten Entwicklung werde ein viel zu hoher Flächenanteil geop- fert. Durch bewusste Vereinfachung stelle der Planungsverband Zusammenhänge her, die ei- ner qualifizierten Überprüfung nicht standhielten. Mit dem im Begründungsteil der RREP- Fortschreibung enthaltenen Vergleich des Leistungspotenzials vorhandener Windenergiean- lagen mit dem des Rostocker Steinkohlekraftwerkes werde den Bürgern suggeriert, dass die Windenergie unseren Energiebedarf decken oder sogar das Kraftwerk ersetzen könnte. Die witterungsabhängige und verfahrenstechnisch unausgereifte Windenergienutzung könne je- doch nicht mit der konventionellen Kraftwerkstechnik gleichgesetzt werden. Die Förderung der

64 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Windenergienutzung sei zum politischen Selbstzweck geworden, obwohl längst deutlich ge- worden sei, dass dadurch weder eine signifikante Verminderung der Kohlendioxidemissionen noch eine verlässliche Energieversorgung zu erreichen sei. Das eigentliche Ziel, der Schutz des Klimas, könne nur durch massive Energieeinsparungen in allen Bereichen, internationale Regulierungen und konsequente Förderung neuer Technologien erreicht werden. Die Förde- rung der Windenergienutzung sei dagegen ein Irrweg.

4.1.3 Zusammengefasste Abwägung: Die Diskussion von Grundsatzfragen der nationalen Energiewirtschaft und Energiepoli- tik ist eigentlich nicht Gegenstand der Fortschreibung des RREP. Darauf hatte der Planungs- verband bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 hingewiesen. Die Fort- schreibung des RREP hat sich vielmehr in die übergeordneten Planungen des Bundes und des Landes Mecklenburg-Vorpommern einzufügen. Hierzu wird auf die Ausführungen im Ab- schnitt 3.3 verwiesen. Gemäß § 2 des Raumordnungsgesetzes sind die räumlichen Voraus- setzungen für eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu schaffen. Im § 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sind konkrete Zielsetzungen für die allmähliche Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Quellen enthalten. Im Landesraumentwicklungspro- gramm Mecklenburg-Vorpommern ist festgelegt, dass das Land einen substanziellen Beitrag zur Energiewende in Deutschland leisten wird und dass der Anteil erneuerbarer Quellen an der Energieversorgung deutlich zunehmen soll. Die Energiepolitische Konzeption des Landes Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2015 gibt eine mengenmäßige Orientierung für den angestrebten Beitrag des Landes zur Erreichung der gesetzlich festgelegten Ziele sowie den Anteil, der durch Strom aus Windenergie abgedeckt werden soll. Durch die im Landesraum- entwicklungsprogramm enthaltene Vorgabe zur Festlegung von Eignungsgebieten für Wind- energieanlagen und die dazu erlassene Richtlinie ist sichergestellt, dass der Ausbau der Wind- energienutzung auf ausgewählte, besonders geeignete Standorte beschränkt wird. Die Behauptung einiger Einwender, dass der Ausbau der Windenergienutzung plan- und maßlos vorangetrieben werde, trifft somit nicht zu. Viele Einwender äußern sich in grundsätzlicher Weise zum Sinn und Zweck der RREP-Fort- schreibung und zielen damit insbesondere auf den weiteren Ausbau der Windenergienutzung. Weitgehende Einigkeit scheint darüber zu herrschen, dass die Nutzung erneuerbarer Energie- quellen in einem gewissen Umfang grundsätzlich sinnvoll ist. Dass erneuerbare Energieträ- ger die konventionelle Energiegewinnung jemals vollständig oder weitgehend ersetzen könnten, wird jedoch von einzelnen Einwendern mit Hinweis auf das schwankende Aufkom- men von Wind- und Sonnenenergie ausdrücklich verneint. Der Planungsverband geht davon aus, dass ein solcher Ersatz möglich ist, wenn – im Prinzip bekannte – Technologien der Ener- gieumwandlung und Zwischenspeicherung in den nächsten Jahren weiterentwickelt und ver- mehrt eingesetzt werden. Für die laufende RREP-Fortschreibung müssen die damit verbun- denen Fragen nicht abschließend beantwortet werden, weil sowohl die Region Rostock als auch ganz Deutschland noch weit davon entfernt sind, ihren Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Quellen decken zu können. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die von einigen Einwendern aufgeworfene Frage, ob anstelle eines weiteren Ausbaus der Windenergienutzung die Bürger nicht lieber weniger Energie verbrauchen und ihr Konsumverhalten ändern sollten, für die RREP-Fortschrei- bung nicht unmittelbar relevant. Nach Einschätzung des Planungsverbandes deuten aktuelle Statistiken darauf hin, dass sowohl auf der Erzeugungs- als auch auf der Verbrauchsseite Umstellungen unumgänglich sein werden, um den auf internationaler Ebene eingegangenen Verpflichtungen zur Minderung der Kohlendioxidemissionen gerecht zu werden. Ob speziell die Windenergie im großen Maßstab genutzt werden sollte, wird von einigen Ein- wendern mit Hinweis auf angeblich fehlende Energie- und Umweltbilanzen in Frage ge- stellt. Der Planungsverband geht davon aus, dass der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die Windenergienutzung absichtlich attraktiv ausgestaltet hat, weil sie eine vergleichsweise

65 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 gute Energie- und Umweltbilanz aufweist und geringe Folgekosten mit sich bringt. Die berech- tigten Hinweise einzelner Einwender auf die bislang nicht befriedigend gelöste Entsorgung von Faserverbundstoffen und den Einsatz seltener Erden in Windenergieanlagen ändern daran grundsätzlich nichts. Auch die von einigen Einwendern gegebene Anregung, dass eher kleine als große Anlagen oder eher Sonnen- als Windenergieanlagen gefördert werden sollten, ist aus Sicht des Pla- nungsverbandes für die RREP-Fortschreibung nicht unmittelbar relevant. Nach Kenntnis des Planungsverbandes hat gerade die Größenentwicklung in der Windenergietechnik maßgeblich dazu geführt, dass Strom aus Windenergie heute mit konventionell erzeugtem Strom preislich konkurrieren kann. Der Planungsverband geht davon aus, dass die Energieversorgung eines Industrielandes sich nicht allein auf verbrauchernah installierte Kleinanlagen stützen kann, sondern dass auch zukünftig in großtechnischem Maßstab Strom erzeugt werden muss. Dass dafür allein die Windenergienutzung auf dem Meer ausreichen würde, glaubt der Planungs- verband nicht. Die energiepolitische Konzeption der Landesregierung geht, wie auch dem Pla- nungsverband bekannte einschlägige Fachgutachten, davon aus, dass der weitere Ausbau der Windenergienutzung auf See und auf dem Festland gleichermaßen erforderlich ist, um die auf nationaler und internationaler Ebene gesetzten Ziele zu erreichen. Grundsätzlich berechtigt ist in diesem Zusammenhang die Frage nach der regionalen Vertei- lung von Energieerzeugern und -verbrauchern sowie dem Ausgleich wirtschaftlicher Vor- und Nachteile. Die Einwender aus den Reihen der Windenergiewirtschaft verweisen auf die erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen, die in Mecklenburg-Vorpommern mit der Nutzung der Windenergie verbunden sind. Andere Einwender tragen vor, dass der wirtschaftliche Nut- zen vorwiegend außerhalb der Region entstehe, führen jedoch keine Tatsachen an, die dies belegen würden. Der von einem Einwender gegebene Hinweis, dass die Firma Nordex über 90% ihrer hier gefertigten Anlagen exportiere, gibt jedenfalls keine Auskunft darüber, an wel- chen Stellen der Wertschöpfungskette welche Gewinne anfallen und wo diese letztlich verblei- ben. Auch die vielfach vorgebrachte Klage über die vergleichsweise hohen Strompreise im Nordosten Deutschlands betrifft nur einen Teil der wirtschaftlichen Vor- und Nachteilsrech- nung. Der Planungsverband möchte sich selbst nicht anmaßen, eine solche Rechnung umfas- send aufzustellen. Der Planungsverband geht allerdings davon aus, dass die Windenergiewirt- schaft einen beträchtlichen Teil zur regionalen Wirtschaftsleistung beiträgt. Zugleich geht der Planungsverband davon aus, dass regionalwirtschaftliche Vor- und Nachteile der Windener- gienutzung differenziert betrachtet werden müssen. Weder wäre ein schrankenloser Zubau von Windenergieanlagen allein mit der Schaffung von Arbeitsplätzen zu rechtfertigen, noch wäre ein sofortiger Ausbaustopp, wie ihn manche Bürger fordern, allein mit deren Unbehagen an der Veränderung des Landschaftsbildes zu begründen. Der Hinweis auf die Minderung des Attraktionswertes der Landschaft für Touristen und wohlhabende Zuzügler ist zwar berechtigt, doch kann sich die regionale Wirtschaft nicht allein auf den Tourismus und den vermehrten Zuzug wohlhabender Neubürger in die ländlichen Räume gründen. Auch der Verweis auf die bisher nur langsamen Fortschritte beim Ausbau des überregio- nalen Leitungsnetzes und bei der Entwicklung anwendungsreifer Speichertechnolo- gien, welche hinter dem Ausbau der Windenergienutzung scheinbar zurückgeblieben sind, kann aus Sicht des Planungsverbandes keinen Ausbaustopp begründen. Vielmehr kann da- von ausgegangen werden, dass die geplanten Maßnahmen im Leitungsnetz in den nächsten Jahren nach und nach umgesetzt werden und dass die notwendige Umstellung des Verkehrs- sektors auf umweltfreundliche Antriebsenergien den Strombedarf innerhalb der Region anstei- gen lässt. Auch beim praktischen Einsatz von Speichertechnologien können in den nächsten Jahren Fortschritte erwartet werden. Nicht gerechtfertigt ist aus Sicht des Planungsverbandes der Vorwurf, dass mit der RREP- Fortschreibung wirtschaftliche Einzelinteressen zulasten des Gemeinwohls bedient wür- den. Der Planungsverband stellt hierzu fest, dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner eines weiteren Ausbaus der Windenergienutzung offensichtlich eigene Interessen verfolgen (was vollkommen legitim ist) und sich dabei auf Belange des Gemeinwohls berufen (was

66 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ebenso legitim ist). Eine einseitige Bevorzugung bestimmter Interessengruppen kann der Pla- nungsverband in der vorliegenden RREP-Fortschreibung nicht erkennen. Der im gleichen Zu- sammenhang erhobene Vorwurf, dass der Planungsverband die Umweltauswirkungen von Windenergieanlagen systematisch verharmlosen würde, erscheint ebenfalls nicht gerecht- fertigt. Hierzu wird auf die einschlägigen Darlegungen im Umweltbericht verwiesen. Der Pla- nungsverband hat vielmehr den Eindruck, dass manche Einwender diese Umweltauswirkun- gen tendenziell etwas übertrieben darstellen, um ihrem Protest Nachdruck zu verleihen. Auch der Einwand, dass mit der RREP-Fortschreibung nur ein einzelner Teilaspekt der Re- gionalentwicklung herausgegriffen und die Nutzung erneuerbarer Energiequellen isoliert betrachtet werde, trifft aus Sicht des Planungsverbandes nicht zu. Die damit verbundene Un- terstellung, dass eine umfassende und sachgerechte Abwägung der verschiedenen Rauman- sprüche unmöglich sei, wenn nicht gleichzeitig alle anderen Festlegungen des RREP ebenfalls überarbeitet würden, ist nicht begründet. Der Planungsverband hat sich in seiner Abwägung und im Umweltbericht umfassend mit allen Raumansprüchen auseinandergesetzt, die der Er- richtung von Windenergieanlagen entgegenstehen können. Die mit der Fortschreibung des Energiekapitels getroffenen Festlegungen stehen nicht im Widerspruch zu anderen Festlegun- gen des RREP von 2011. Mehrere öffentliche Auslegungen haben nur vereinzelte Hinweise darauf ergeben, dass andere Festlegungen zunächst hätten überprüft werden müssen, um für die Windenergienutzung eine Auswahl besonders geeigneter Flächen zu treffen. Dort, wo diese Hinweise berechtigt waren, insbesondere bei den Vorranggebieten für die Rohstoffsi- cherung, wurden sie vom Planungsverband aufgegriffen und in der Abwägung berücksichtigt.

4.2 Zielgrößen und Flächenangebot für die Windenergienutzung

4.2.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dobbin-Linstow • Bürger aus Parchow mit Unterschriftenliste • Landesverband Erneuerbare Energien Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • Denker & Wulf AG, • Enertrag AG, Dauerthal • NABU Mecklenburg-Vorpommern • Freier Horizont e.V., Penzlin • Wind Energy Network e.V., Rostock • Enercon GmbH, Rostock • ENO Energy GmbH, Rerik • BS Windertrag GmbH, Berlin • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock • BWE Bundesverband Windenergie – Landesverband M-V, Sternberg • Wind-Projekt GmbH, Börgerende • UKA Nord Projektentwicklung GmbH & Co, Rostock • Gemeinde Thürkow

4.2.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Dobbin-Linstow hält die Heranziehung zahlenmäßiger Richtwerte für untaug- lich, wenn es darum geht, die Wirkungen von Windenergieanlagen auf einen Planungsraum

67 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 zu beurteilen. In der Region gebe es genügend Anschauungsbeispiele für realisiertes Über- maß. Als besonders anschauliches Negativbeispiel könne der Windpark Plauerhagen (in der Nachbarregion Westmecklenburg) gelten, dessen visuelle Wirkung auf die Erholungsland- schaft am Plauer See bei der Planung wohl vollkommen unterschätzt worden sei. Der Einwen- der mahnt an, dass solche Planungen bis zum Ende durchdacht werden müssten und die Vernunft nicht einem tagespolitischen Aktionismus oder der Einflussnahme von Interessen- gruppen geopfert werden sollte. Bürger aus Parchow (unterstützt durch zahlreiche weitere Bürger, die in einer Unterschriften- liste aufgeführt sind) weisen darauf hin, dass die im Landesenergiekonzept enthaltenen Ziel- werte zum Ausbau der Windenergienutzung bereits erreicht seien. Ein weiterer Ausbau würde diesem Konzept widersprechen. Mit der RREP-Fortschreibung würde der Planungsverband eine Fehlentwicklung fördern, wie sie in Schleswig-Holstein bereits eingetreten sei. Der Wind- energienutzung würde über den Bedarf hinaus Raum gegeben. Strom aus Mecklenburg-Vor- pommern werde bereits in andere Bundesländer exportiert oder auch im Ausland als soge- nannter „Schrottstrom“ zu Negativpreisen entsorgt. Infolge der Überproduktion müssten Windenergieanlagen immer häufiger abgeschaltet werden, was dann Entschädigungszahlun- gen an die Anlagenbetreiber nach sich ziehe. Der Planungsverband müsse berücksichtigen, dass auch andere Bundesländer einen weiteren Ausbau planten und sich selbst versorgen oder darüber hinaus noch Strom exportieren wollten. In den Entwurf der RREP-Fortschreibung hätten solche Überlegungen bisher offensichtlich keinen Eingang gefunden. Der Landesverband Erneuerbare Energien weist darauf hin, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung ein substanzieller Flächenumfang für die Windenergienutzung bereitgestellt werden muss, um der im § 35 des Baugesetzbuches bestimmten Privilegierung dieser Nut- zung Rechnung zu tragen. Werde dies nicht beachtet, liege eine unzulässige Verhinderungs- planung vor. Da es für dieses im rechtlichen Sinne „substanzielle“ Flächenangebot keine ver- bindlichen Richtzahlen gebe, müsse man sich an den Grundsätzen orientieren, die sich aus diesbezüglichen Gerichtsurteilen ableiten lassen. Je mehr Fläche insgesamt von der Wind- energienutzung ausgeschlossen werde, desto gewichtiger müssten die Gründe sein, die die- sen Ausschluss rechtfertigen. Soweit die Gerichte bisher zahlenmäßige Vergleichswerte her- angezogen hätten, komme dem Verhältnis der geplanten Eignungs- und Vorranggebiete zum theoretisch verfügbaren Flächenpotenzial (also dem Plangebiet abzüglich derjenigen Fläche, die von „harten“ Ausschlusskriterien betroffen ist) wohl die größte Aussagekraft zu. Der Ein- wender nennt dazu Anhaltswerte, die sich jüngeren Entscheidungen von Oberverwaltungsge- richten bzw. Regierungserlassen anderer Bundesländer entnehmen ließen (Nordrhein-West- falen 10%, Niedersachsen 7%) und verweist auf eine obergerichtliche Entscheidung (ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen), wonach ein Flächenanteil von 3,4% der Potenzialfläche als nicht substanziell erachtet wurde. Vor diesem Hintergrund erscheint dem Landesverband eine er- neute Prüfung des vorliegenden Planungsergebnisses für die Region Rostock im Hinblick auf die Einhaltung der rechtlichen Mindestanforderungen geboten. Nach der Berechnung des Pla- nungsverbandes erscheine das im Entwurf vom November 2018 vorgesehene Flächenange- bot mit einem Anteil von 4% an der Potenzialfläche moderat. Der Planungsverband habe je- doch bestimmte Ausschlusskriterien fälschlich als harte Tabuzonen eingestuft und damit das theoretisch verfügbare Flächenpotenzial nicht richtig berechnet (vgl. die hierzu im Abschnitt 4.5 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Der Anteil der Vorranggebiete an der Potenzialfläche sei somit tatsächlich geringer. Bezüglich der energiewirtschaftlichen Anforderungen empfiehlt der Landesverband eine konsequente Ausrichtung an der Energie- politischen Konzeption der Landesregierung. Aus dem darin als Ziel für den Ausbau der Wind- energienutzung auf dem Festland bis zum Jahr 2025 vorgegebenen Leistungspotenzial von 6 Gigawatt ergäbe sich nach Berechnung des Landesverbandes ein Flächenbedarf von mindes- tens 1,2% der Landesfläche. Bei einheitlicher Anwendung dieses Richtwertes auf die Pla- nungsregionen müssten in der Region Rostock 4.300 Hektar Vorranggebiete bereitgestellt werden. Für den Entwurf vom November 2018 ergäbe sich somit ein Flächendefizit von 1.700

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Hektar. Nach Auffassung des Landesverbandes genügt das vom Planungsverband vorgese- hene Flächenangebot damit weder den rechtlichen Mindestanforderungen noch den energie- politischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die Denker & Wulf AG kritisiert, dass der Flächenumfang der Windenergie-Vorranggebiete gegenüber dem ersten Entwurf der RREP-Fortschreibung um 25% verringert wurde, und geht davon aus, dass der Planungsverband mit dem zuletzt geplanten Flächenangebot den ener- giepolitischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr gerecht würde. Auch die vom Planungsverband selbst ursprünglich anvisierte Zielgröße von 1% der Regionsfläche werde mit nunmehr 0,75% deutlich unterschritten. Die Einwenderin empfiehlt deshalb, die im Verlauf des Planungsverfahrens getroffenen Entscheidungen zur Streichung einzelner Eig- nungsflächen noch einmal kritisch zu überprüfen. Die Einwenderin setzt sich diesbezüglich vertieft mit den Ausschlussgründen für das ursprünglich geplante Gebiet Nr. 119 auseinander (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Enertrag AG nimmt Bezug auf den in der Rechtsprechung eingeführten Begriff des „sub- stanziellen Raumes“, welcher der Windenergienutzung mit den Vorranggebieten im RREP ge- schaffen werden müsse, um einen Ausschluss dieser Nutzung im übrigen Planungsgebiet rechtfertigen zu können. Grundtenor bisheriger Gerichtsentscheidungen sei, dass der notwen- dige Flächenanteil nicht allein an Prozentgrößen festgemacht werden könne. Gleichwohl könn- ten solche Anteilswerte eine wichtige Orientierungsgröße bilden. Die Einwenderin hält es grundsätzlich für sachgerecht, dass der Planungsverband sich in seiner Bedarfsrechnung an der energiepolitischen Konzeption des Landes Mecklenburg-Vorpommern orientiert hat. Je- doch müsse berücksichtigt werden, dass diese Konzeption im Jahr 2013 erarbeitet und fertig- gestellt worden sei. Seither hätten wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Beschlüsse deutlich gemacht, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen würden, um den Kli- mawandel und die damit verbundenen negativen Auswirkungen einzudämmen. Die energie- politische Konzeption berücksichtige weder diese neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse, noch die verbindlichen Beschlüsse der UN-Klimakonferenzen von Paris 2015 und Katowice 2018, noch die für Deutschland direkt bindenden Regelungen des EU-Gesetzespaketes „Sau- bere Energie für alle Europäer“. Auch die gutachterliche Grundlage der in der energiepoliti- schen Konzeption enthaltenen Zielwerte – die Trendstudie 2022 der Deutschen Energieagen- tur – sei mittlerweile veraltet und müsste durch eine aktuelle Grundlage ersetzt werden. Darüber hinaus verweist die Einwenderin auf einen Beschluss der Bundesregierung zum schnelleren und stärkeren Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie die Umsetzung dieses Beschlusses durch eine Erhöhung der Ausschreibungsmengen für Erneuerbare Energien und die geplante Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes. Aufgrund des föderalen Systems sei es jetzt an den Bundesländern und den Regionalen Planungsverbänden, den dafür not- wendigen Raum im Rahmen ihrer Planungen zu schaffen. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern hält es für einen sinnvollen Ansatz, der RREP-Fort- schreibung den aktuellen Stand der landespolitischen Vorstellungen zugrunde zu legen, auch wenn dieser möglicherweise nicht allen Beteiligten gefalle. Es sei gesamtgesellschaftlich zu klären, wieviel Strom erzeugt und verbraucht und wie dieser produziert werden solle. Zwar spreche einiges dafür, dass die Zahlen des Landeskonzepts inzwischen durch die tatsächliche Entwicklung überholt seien, wie dies auch für verschiedene Szenarien auf Bundesebene gelte. Diese Fragen seien jedoch zunächst im politischen Raum und nicht vorrangig durch die Regi- onalplanung zu klären. Der Verein Freier Horizont e.V. bittet den Planungsverband zu überdenken, inwieweit eine die Region nahezu vollständig überziehende, flickenteppichartige Standortausweisung für Windparks einer gedeihlichen Regionalentwicklung überhaupt zuträglich sein könne. Zwar gebe es die gerichtliche Anforderung, wonach der Windenergienutzung in einem „substanziel- len“ Umfang Raum zu verschaffen sei. Ein verbindlicher Maßstab dessen, was als substanziell zu verstehen sei, existiere jedoch nicht, und die gerichtliche Anforderung sei keinesfalls so auszulegen, dass der Windenergienutzung so viel Raum wie möglich gegeben werden müsse. Der Einwender kritisiert, dass der Ausbau von Wind- und Sonnenenergieanlagen bisher nicht

69 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 bedarfsgerecht erfolgt sei. Aufgrund des schwankenden Aufkommens werde zeitweise über und zu anderen Zeiten unter dem Bedarf Strom erzeugt. Wenn der Planungsverband den Flä- chenanteil der Vorranggebiete mit 0,75% angibt, suggeriere er damit, dass der Flächenver- brauch für Windenergieanlagen verschwindend gering sei. Ausgeblendet werde dabei die Reichweite ihrer Auswirkungen. Noch vor Abschluss der RREP-Fortschreibung sei mit Anla- gen von 300 Metern Höhe zu rechnen, die dann die höchsten natürlichen Erhebungen in Meck- lenburg-Vorpommern überragen würden. Nach den Vorschriften des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie zur Eingriffsbewertung betrage der sogenannte Wirkradius einer 250 Meter hohen Windenergieanlage über 15 Kilometer. Das bedeute eine optische Beein- trächtigung von rund 50% der Regionsfläche. Für ein Bundesland, das sich als Tourismusland (noch) durch seine weiten, offenen Landschaften definiere, seien dies verheerende Aussich- ten. Hinzu komme, dass zwar einige Teilräume verschont blieben, andere dafür aber umso stärker belastet würden. Das Land Mecklenburg-Vorpommern habe in seinem Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz anerkannt, dass Belastungen für die Anwohner in einem Um- kreis von 5 Kilometern um die Windparks auftreten würden. Dies bedeute eine Dauerbelastung von Bürgern und Urlaubern auf immerhin 25% des Territoriums. Diese Zahlen gäben den Flä- chenverbrauch der Windenergienutzung realistischer wieder als die in der RREP-Begründung angegebene reine Gebietsfläche der Vorranggebiete. Der Planungsverband müsse sich die- sen Realitäten stellen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre nach Ansicht des Ein- wenders die Einführung einer Höhenbegrenzung für Windenergieanlagen. Auch die Angaben des Planungsverbandes zum Leistungspotenzial der Windenergieanlagen seien irreführend, und der angestellte Vergleich mit dem Rostocker Steinkohlekraftwerk sei unseriös. Es gehöre zum Allgemeinwissen, dass Windenergieanlagen im Unterschied zu konventionellen Kraftwer- ken keine gesicherte Leistung bereitstellen könnten. Erstere könnten letztere deshalb niemals ersetzen. Den Glauben, dass ein solcher Ersatz möglich wäre, sieht der Einwender als einen Grundirrtum der Energiewende an. Der Verein Wind Energy Network e.V. erkennt an, dass mit der Festlegung von Vorrangge- bieten im Umfang von 2.700 Hektar ein beachtlicher Zwischenschritt bei der Umsetzung der Energiewende erreicht würde. Kritisch sei jedoch anzumerken, dass sich der vorgesehene Flächenumfang im Laufe des Planungsverfahrens um mehr als 900 Hektar verringert habe – obwohl die seit der Veröffentlichung des ersten Entwurfes im Jahr 2013 in Politik und Wissen- schaft geführten Diskussionen eigentlich hätten klar werden lassen, dass die bisherigen An- strengungen nicht ausreichten, um den Klimawandel aufzuhalten. Maßgebliche Faktoren, die zu einem wachsenden Strombedarf führten, wie die Dekarbonisierung der Verbrauchssekto- ren Wärme und Verkehr, sowie die erhöhten Ziele für den Anteil erneuerbarer Energiequellen an der Stromerzeugung müssten berücksichtigt werden und erforderten mehr Fläche für Wind- energieanlagen, nicht weniger. Der Planungsverband müsse diese Faktoren und Rahmenbe- dingungen in seine Überlegungen einbeziehen, wenn es darum geht, ob der Windenergienut- zung mit der RREP-Fortschreibung in einem substanziellen Umfang Raum verschafft werde. Die Enercon GmbH erkennt das Bemühen des Planungsverbandes, mit der RREP-Fortschrei- bung weitere Flächen für die Windenergienutzung bereitzustellen, grundsätzlich an. Der Um- fang der dafür vorgesehenen Flächen werde jedoch den Erfordernissen der Energiewende und des Klimaschutzes nicht gerecht. Die Einwenderin kritisiert deshalb die im Laufe des Fort- schreibungsverfahrens vorgenommene Reduzierung des geplanten Flächenanteils von 1% auf 0,75% der Regionsfläche. Die ENO Energy GmbH kann nicht nachvollziehen, dass der Planungsverband den Umfang der Windenergie-Vorranggebiete gegenüber dem zweiten Entwurf vom Mai 2014 um 800 Hek- tar reduziert hat, das auf dieser Fläche realisierbare Leistungspotenzial jedoch unverändert mit 1.000 Megawatt angibt. Angesichts bestehender Restriktionen innerhalb der Vorrangge- biete, zum Beispiel durch Autobahntrassen mit den hier bestehenden Anbauverboten, müsse diese Potenzialabschätzung angezweifelt werden. Es stelle sich die Frage, ob mit dem ver- bliebenen Flächenangebot der Windenergienutzung überhaupt in einem substanziellen Um- fang Raum geschaffen würde.

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Die BS Windertrag GmbH weist darauf hin, dass Deutschland seine ursprünglich für das Jahr 2020 gesetzten Ziele des Klimaschutzes bei weitem verfehlen werde. Mit Blick auf internatio- nale Vereinbarungen, bereits erkennbare Klimaveränderungen und die Interessen kommender Generationen sei diese Entwicklung nicht akzeptabel. Grundlegende Veränderungen seien erforderlich. Der Planungsverband bestimme als einer von landesweit vier Trägern der Regio- nalplanung wesentliche Rahmenbedingungen. Für die Windenergienutzung bestehe ein Flä- chenpotenzial von bis zu 20% der Regionsfläche. Mit den im Entwurf vom November 2018 vorgesehenen Vorranggebieten auf lediglich 0,75% der Regionsfläche werde der Planungs- verband seiner Verantwortung nicht gerecht. Der BUND M-V (Regionalbüro Rostock) hält den Umfang der im Entwurf vom November 2018 enthaltenen Vorranggebiete für Windenergieanlagen für nicht ausreichend. Da es keine anderen Orientierungsgrößen gebe, müsse die Energiepolitische Konzeption des Landes Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2015 als Planungsgrundlage herangezogen werden. Für das landesweit bis zum Jahr 2025 angestrebte Leistungspotenzial der Windenergieanla- gen auf dem Festland in Höhe von 6.000 Megawatt müssten nach Berechnungen des Einwen- ders 1,2% der Landesfläche für diese Anlagen verfügbar gemacht werden. Für die Region Rostock ergebe sich daraus ein Flächenbedarf von 4.300 Hektar. Mit den vorgesehenen 2.650 Hektar bleibe der Planungsverband weit hinter dieser Anforderung zurück. Die Ausweisung zusätzlicher Flächen sei erforderlich. Der BWE-Landesverband M-V weist auf den Dürresommer 2018 und den offensichtlich be- schleunigten Klimawandel hin. Vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Vereinba- rungen zum Klimaschutz müsse der Planungsverband sich die Frage stellen, ob ein substan- zielles Flächenangebot für die Windenergienutzung aus heutiger Sicht noch dem entspreche, was man sich beim Beschluss über die RREP-Fortschreibung im Jahr 2011 vorgenommen habe. Der Einwender verweist auf die Beschlüsse der UN-Klimakonferenz in Paris sowie den Sonderbericht des Weltklimarates aus dem Jahr 2018, der deutlich erhöhte Anstrengungen zur Senkung der Kohlendioxidemissionen fordere. Der Bundesgesetzgeber sei bereits dabei, die internationalen Abkommen Schritt für Schritt umzusetzen. Der angestrebte Anteil erneuer- barer Energiequellen an der Stromerzeugung sei für das Jahr 2030 von 50% auf 65% ange- hoben worden. Für die Jahre 2019 und 2020 seien Sonderausschreibungsvolumina vorgese- hen. Zudem müssten die Verbrauchssektoren Wärme und Mobilität auf erneuerbare Energiequellen umgestellt werden. Im Bereich Wärme, der etwa die Hälfte des Endenergie- verbrauches ausmache, bestehe der größte Handlungsbedarf. Technologien der sogenannten Sektorenkopplung, welche die Speicherung elektrischer Energie und deren Übertragung auf andere Energieträger umfassen, seien in den vergangenen Jahren bereits entwickelt und er- probt worden. Ohne Zweifel sei mit der Anwendung solcher Technologien in größerem Maß- stab ein erhöhter Strombedarf verbunden, sodass zusätzliche Erzeugungseinheiten benötigt würden. Es sei davon auszugehen, dass der stark verkürzte Zeitrahmen für den weiteren Aus- bau – insbesondere der Windenergienutzung – einen entsprechend höheren Flächenbedarf im Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung bedinge. Diesem Bedarf müsse der Planungs- verband Rechnung tragen, was mit den bisherigen Entwürfen nicht geschehen sei. Im Gegen- teil sei der Flächenumfang der geplanten Eignungs- und Vorranggebiete seit dem ersten Ent- wurf von 2013 um rund 500 Hektar verringert worden. Der Einwender verweist hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach der Windenergienutzung „in sub- stanzieller Weise Raum zu verschaffen“ sei. Diese Anforderung werde verfassungsrechtlich durch Artikel 20 a des Grundgesetzes (Schutz der Lebensgrundlagen) und einfachgesetzlich durch die §§ 1 und 4 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gestützt. Die mit der Festlegung von Eignungsgebieten für Windenergieanlagen rechtlich verbundene Ausschlusswirkung für den übrigen Planungsraum bedinge, dass innerhalb der Eignungsgebiete ausreichend Raum für die Errichtung dieser Anlagen verfügbar sein müsse. Verbindliche Richtwerte für ein ange- messenes Verhältnis von Eignungs- und Ausschlussflächen gebe es nicht. Grundsätzlich gelte jedoch, dass der Nutzung der Windenergie in der Abwägung mit entgegenstehenden Belangen umso mehr Gewicht zu geben sei, je geringer der Umfang potenziell geeigneter Flächen ist.

71 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Wenn im Ergebnis der Abwägung nur sehr wenige Flächen für die Windenergienutzung ver- blieben, könne dies ein Indiz dafür sein, dass die Planung den rechtlichen Anforderungen nicht genüge. Die Wind-Projekt GmbH äußert sich gleichlautend wie der BWE. Die UKA Nord Projektentwicklung GmbH & Co verweist auf die im § 35 des Baugesetzbu- ches verankerte Privilegierung der Windenergienutzung im Außenbereich. Um dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen, müsse der Planungsverband dieser Nutzung in einem ange- messenen Umfang Raum schaffen. Anderenfalls wäre die RREP-Fortschreibung als unzuläs- sige „Verhinderungs- oder Feigenblattplanung“ zu werten. Nach der Rechtsprechung des Bun- desverwaltungsgerichtes gelte der Grundsatz: je weniger Fläche in einem Plan für die Windenergienutzung vorgesehen werde, desto gewichtiger müssten die Gründe sein, die einer Ausweisung weiterer Flächen entgegenstünden. Darüber hinaus würden in der Rechtspre- chung verschiedene Verhältniswerte herangezogen, um den Mindestumfang eines „substan- ziellen“ Flächenangebotes zu bestimmten. Dabei komme dem Verhältnis der Windenergiege- biete zur theoretisch verfügbaren Gesamtfläche (also dem Planungsraum abzüglich der „harten“ Tabuflächen) wohl die größte Aussagekraft zu. In Nordrhein-Westfalen habe das Oberverwaltungsgericht in der Vergangenheit einen Anhaltswert von 10% der theoretisch ver- fügbaren Fläche herangezogen. Im Windenergieerlass des Landes Niedersachsen seien 7% als Richtwert festgelegt, wobei neben den nach dortigem Verständnis „harten“ Ausschlusskri- terien auch die sogenannten FFH-Gebiete und die Wälder vom theoretisch verfügbaren Po- tenzial abgezogen werden sollen. Bezüglich energiewirtschaftlicher Zielgrößen verweist die Einwenderin auf die Energiepolitische Konzeption des Landes Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2015, wonach bis zum Jahr 2025 Windenergieanlagen mit einer Gesamtnennleis- tung von 6.000 Megawatt auf dem Festland installiert sein sollen. Die Einwenderin bezieht sich auf entsprechende Berechnungen des Landesverbandes Erneuerbare Energien (siehe oben), wonach zur Erreichung dieses Zieles ein Flächenanteil von 1,2% der Landesfläche bereitge- stellt werden müsste, was für die Region Rostock einer Fläche von 4.300 Hektar entspreche. Letztere Größe entspräche einem Anteil von 6% an dem vom Planungsverband selbst ermit- telten theoretischen Flächenpotenzial. Mit den im Entwurf vom November 2018 enthaltenen Vorranggebieten würde dagegen nur ein Anteil von knapp 4% erreicht. Dieser Anteilswert er- scheine moderat, sei aber tatsächlich irreführend, weil der Planungsverband einige Flächen- kategorien fälschlich den „harten“ Ausschlusskriterien zugeordnet habe, obwohl die Errichtung von Windenergieanlagen dort nicht „schlechthin“ ausgeschlossen wäre. Dies betreffe zum Bei- spiel die Wälder und die Vogelschutzgebiete (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.5 wiederge- gebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Gemeinde Thürkow führt aus, dass die vom Land Mecklenburg-Vorpommern für das Jahr 2025 angestrebte Zielgröße von sechs Gigawatt installierter Leistung bereits heute überschrit- ten werde. Auch wenn einige Anlagen in den nächsten Jahren abgebaut würden, könnte der damit verbundene Kapazitätsverlust jedoch durch modernere und effizientere Anlagen aufge- fangen werden. Es bestehe somit kein Grund, die Landschaft mit weiteren Windparks zu ver- unstalten und die Bürger auf die Barrikaden zu treiben.

4.2.3 Zusammengefasste Abwägung Mehrere Einwender beziehen sich auf den unbestimmten Rechtsbegriff des „substanziel- len“ Flächenangebotes, das nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte erforderlich ist, um dem Willen des Gesetzgebers zur baurechtlichen Privilegierung von Windenergieanla- gen im Außenbereich Rechnung zu tragen. Der Planungsverband geht davon aus, dass mit den festgelegten Vorranggebieten in der Region Rostock der Windenergienutzung in einem substanziellen Umfang Raum gegeben wird. Der Planungsverband ist sich allerdings darüber im Klaren, dass eine solche Feststellung kaum mehr als eine bloße Behauptung sein kann, so lange sich in der Planung und in der Rechtsprechung keine objektiven Maßstäbe zur Ausle- gung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes herausgebildet haben. Da es solche Maßstäbe

72 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 bisher nicht gibt, muss die entsprechende Prüfung selbstreferenziell bleiben: Substanziell ist, was nach unserer (oder: nach allgemeiner) Auffassung als substanziell gelten kann. Bei der Beantwortung der Frage, welches Flächenangebot planerisch richtig und angemessen ist, hilft eine solche Aussage nicht wesentlich weiter. Der Planungsverband teilt die von mehreren Einwendern vorgetragene Ansicht, dass ein zah- lenmäßiger Richtwert zur Bestimmung des substanziellen Flächenangebotes vorzugsweise am Verhältnis der festgelegten Vorranggebiete zum theoretisch verfügbaren Flächen- potenzial festzumachen wäre. Ein Umfang von 4% der theoretisch verfügbaren Fläche, wie er mit der RREP-Fortschreibung in der Region Rostock vorgesehen wird, ist nach Auffassung des Planungsverbandes keine unbeachtliche Größe. Dass in einzelnen Gerichtsurteilen oder Richtlinien aus anderen Bundesländern auch höhere Prozentwerte vorkommen, verdeutlicht aus Sicht des Planungsverbandes nur die Tatsache, dass es diesbezüglich bundesweit keine allgemein etablierte Rechtsauffassung gibt. Der Hinweis einiger Einwender, dass der Planungsverband bei der Bestimmung des theore- tischen Flächenpotenzials vergleichsweise restriktiv vorgegangen ist, trifft zu. Hierzu wird auf die ausführlichen Erwägungen und Erläuterungen verwiesen, die bereits in der Abwä- gungsdokumentation vom November 2018 enthalten waren und hier in den Abschnitten 3.2 und 4.5 nochmals in den Grundzügen wiedergegeben sind. Der Planungsverband verfolgt da- mit nicht die Absicht, das regionale Flächenpotenzial künstlich „kleinzurechnen“. Vielmehr soll eine möglichst realistische Potenzialberechnung erfolgen, die keine Flächen einschließt, auf denen Windenergieanlagen in der Regel nicht genehmigt werden könnten. Sollte sich dagegen in der Rechtsprechung ein eher weites Verständnis des theoretischen Potenzials – und eine entsprechend enge Definition der „harten“ Ausschlusskriterien – durchsetzen, müssten auch die Richtgrößen für einen substanziellen Flächenanteil niedriger angesetzt werden. Der Pla- nungsverband stellt fest, dass es zur Bestimmung „harter“ Ausschlussgebiete ebensowenig wie zum „substanziellen“ Flächenangebot eine bundesweit einheitliche und gefestigte Rechts- auffassung gibt und sieht der weiteren Entwicklung auf diesem Gebiet mit Interesse entgegen. Dass in der Region Rostock, die – zumindest nach den Maßstäben des Landes Mecklenburg- Vorpommern – über ein vergleichsweise geringes Flächenpotenzial für die Windenergienut- zung verfügt, die entgegenstehenden Belange besonders kritisch geprüft werden müs- sen, um eine reine Verhinderungsplanung zu vermeiden, ist dem Planungsverband be- wusst. Bereits bei der Bestimmung der Ausschlusskriterien für die erste Flächenauswahl wurde dieser Anforderung entsprochen, indem die diesbezüglichen Empfehlungen der Lan- desregierung weniger strikt umgesetzt wurden als in den anderen drei Regionen des Landes. Somit werden in der Region Rostock neue Vorranggebiete festgelegt, die in anderen Regionen noch nicht einmal in eine Vorauswahl gelangt wären. Der Grundsatz, dass bei geringer Aus- wahlmasse möglicher Eignungsflächen das Gewicht der Windenergienutzung in der Abwä- gung entsprechend zu erhöhen ist, darf jedoch nach Auffassung des Planungsverbandes nicht so weitgehend ausgelegt werden, dass die bestehenden Potenzialunterschiede zwischen den Planungsregionen durch ein mehr oder weniger großzügiges Vorgehen bei der Einzelfallab- wägung vollständig auszugleichen wären. Das von den Gerichten eingeführte Konzept der „harten“ Ausschlussgebiete soll nach Auffassung des Planungsverbandes vielmehr gerade dazu dienen, dass unterschiedlich große Flächenpotenziale sich auch in entsprechend diffe- renzierten Anforderungen an den Umfang der Flächenausweisung niederschlagen. Bezüglich geeigneter energiewirtschaftlicher Orientierungsgrößen verweisen mehrere Ein- wender auf die Energiepolitische Konzeption der Landesregierung aus dem Jahr 2015, an der sich der Planungsverband bei der letzten Überarbeitung seines Entwurfes schon selbst orientiert hatte. Auch die Frage, ob diese Konzeption durch die seither getroffenen internatio- nalen Vereinbarungen zum Klimaschutz und die Erkenntnisse der Klimaforschung nicht bereits überholt sei, hat der Planungsverband sich schon selbst vorgelegt. Zumindest der Zeithorizont dieser Konzeption entspricht nicht mehr dem Planungszeitraum der (erheblich verzögerten) RREP-Fortschreibung, sodass der Planungsverband die enthaltene Zielgröße zum Ausbau der Windenergienutzung bereits in die weitere Zukunft fortgeschrieben hat. Weitergehende

73 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Überprüfungen sind dem Energiekonzept für die Region Rostock vorbehalten, mit dessen Er- arbeitung durch externe Fachgutachter bereits parallel zur RREP-Fortschreibung begonnen wurde. Dieses Konzept ist jedoch auf einen noch weiter in der Zukunft liegenden Planungs- und Prognosehorizont angelegt und soll vorrangig als Grundlage für eine in den nächsten Jah- ren anstehende Gesamtfortschreibung des RREP dienen, in deren Rahmen dann auch die Festlegungen zur Windenergienutzung nochmals überprüft werden können. Nicht folgen möchte der Planungsverband der Ableitung des landesweiten und regionalen Flächenbedarfes, wie er vom Landesverband Erneuerbare Energien anhand der Energiepo- litischen Konzeption von 2015 vorgenommen wurde. Nach den Erfahrungen des Planungsver- bandes kann bei konservativer Berechnungsweise ein Leistungspotenzial von 300 Kilowatt je Hektar Vorranggebietsfläche als realistisch angenommen werden. Für die bis zum Jahr 2025 angestrebten 6 Gigawatt installierter Nennleistung würde somit weniger als 1% der Landesflä- che ausreichen. Zudem hat der Landesverband bei der Umlegung seiner landesweiten Be- darfsrechnung auf die Region Rostock nicht beachtet, dass das theoretisch verfügbare Flä- chenpotenzial hier im Verhältnis zur gesamten Regionsfläche geringer ausfällt als in anderen Regionen des Landes. Der Planungsverband hat seine eigene Bedarfsrechnung bereits in der Abwägung vom November 2018 nachvollziehbar dargelegt und hält auch nach nochmaliger Überprüfung daran fest. Mit der Festlegung von 2.700 Hektar Vorranggebietsfläche wird dem Ausbauziel der energiepolitischen Konzeption entsprochen und darüber hinaus bereits ein vor- läufig veranschlagter weiterer Ausbaubedarf bis zum Jahr 2030 berücksichtigt. Dass es neben Mecklenburg-Vorpommern weitere Bundesländer gibt, die einen Ausbau der Windenergienutzung über ihren aktuellen eigenen Strombedarf hinaus anstreben, ist dem Planungsverband bekannt. Die Gefahr, dass mittel- oder langfristig ein Überangebot an Ener- gie entstehen würde, ist aus Sicht des Planungsverbandes jedoch gering, weil in den nächsten Jahren und Jahrzehnten voraussichtlich erhebliche zusätzliche Strommengen benötigt wer- den, um fossile Brennstoffe in den Verbrauchssektoren Verkehr und Wärmeerzeugung abzu- lösen. Dass eine weitgehende oder vollständige Ablösung fossiler Brennstoffe technisch unmöglich sei, wie es der Verein „Freier Horizont“ annimmt, glaubt der Planungsverband nicht. Die in diesem Zusammenhang vom Verein vorgebrachte Kritik am Vergleich der Leistungspoten- ziale von Windenergieanlagen und dem Rostocker Steinkohlekraftwerk, die der Pla- nungsverband in der RREP-Begründung vorgenommen hat, ist allerdings zum Teil berechtigt. Der Vergleich unterschlägt die erheblichen Unterschiede beim Stromerzeugungspotenzial, die sich daraus ergeben, dass die Windenergieanlagen bei Windstille keinen Strom erzeugen und nur bei ausreichender Windstärke ihre volle Leistung abgeben. Der entsprechende Satz in der RREP-Begründung ist schon vor mehr als 10 Jahren eingeführt worden und sollte damals eine ungefähre Vorstellung vom Leistungspotenzial der Windenergie geben – zu einer Zeit, als ein tatsächlicher Ersatz konventioneller Großkraftwerke noch als relativ weit entfernte Zukunfts- perspektive gelten musste. Mit einem installierten Leistungspotenzial von rund 1.000 Mega- watt, wie es innerhalb der aktuell festgelegten Vorranggebiete für Windenergieanlagen reali- sierbar ist, könnten allerdings tatsächlich Strommengen erzeugt werden, die der Erzeugung des Rostocker Kraftwerkes entsprechen. Die Tatsache, dass Eignungs- und Vorranggebiete für Windenergieanlagen aufgrund ver- schiedener Restriktionen oftmals nicht in technisch optimaler Weise ausgenutzt werden können, hat der Planungsverband in seinen Potenzialberechnungen schon berücksichtigt. Der diesen Berechnungen zugrunde liegende Richtwert zum durchschnittlichen Flächenbedarf je Anlage beruht auf regionalen Erfahrungswerten und nicht auf idealisierten Annahmen. Vollkommen berechtigt ist der von zwei Einwendern gegebene Hinweis, dass der Flächenum- fang der Vorranggebiete keine realistische Vorstellung von Ausmaß und Reichweite der Um- weltauswirkungen vermittelt, die von den Windparks in der Region Rostock ausgehen. Der Planungsverband kann allerdings nicht erkennen, an welcher Stelle in den bisher veröffent-

74 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 lichten Entwurfsdokumenten ein solcher direkter Zusammenhang von Gebietsfläche und Um- weltwirkungen behauptet oder nahegelegt worden wäre. Jedenfalls lag und liegt es nicht in der Absicht des Planungsverbandes, mit der Angabe von Flächengrößen und Flächenanteilen die Umweltauswirkungen der Windenergienutzung zu verharmlosen. Diese Angaben werden viel- mehr – wie oben ausgeführt – für eine sachgemäße Berechnung von Ziel- und Bedarfsgrößen benötigt. Zur Stellungnahme des Vereins „Freier Horizont“ ist kritisch anzumerken, dass der Einwender selbst seine Begriffe nicht präzise wählt und offensichtlich eine suggestive Wirkung erzielen möchte. Der vom Einwender beklagte Flächenverbrauch der Windenergieanlagen be- schränkt sich auf die Fläche der Anlagenfundamente und Zuwegungen und ist somit viel ge- ringer als die Fläche der Vorranggebiete. Mögliche Belastungen der Anwohner durch Schall, Schattenwurf und Lichtreize bleiben schon aufgrund der stets einzuhaltenden Bestimmungen des Immissionsschutzrechtes unterhalb der Erheblichkeitsschwelle und beschränken sich auf den näheren Umkreis der Anlagen. Keinesfalls wirken sich diese in einem Umkreis von fünf oder gar 15 Kilometern noch störend aus. Von solch großen Wirkradien ist tatsächlich nur bei der Veränderung des Landschaftsbildes auszugehen. Nur in dieser Hinsicht trifft die Feststel- lung des Einwenders zu, dass (wenn man sichtverschattete Bereiche außer Acht lässt) bereits große Teile der Region von den Auswirkungen betroffen sind und dass dieser Anteil mit der Ausnutzung der neu festgelegten Vorranggebiete noch zunehmend wird.

4.3 Vorgehensweise bei der Flächenauswahl

4.3.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dalkendorf, Amalienhof, Groß Roge, Schackendorf, Rostock, Parchow (mit Un- terschriftenliste), Appelhagen, Rakow, Petschow, Groß Bäbelin und weiteren Orten • Freier Horizont e.V., Penzlin • Wind Energy Network e.V., Rostock • Amt Laage • Landkreis Rostock, Amt für Kreisentwicklung • Enercon GmbH, Rostock • BS Windertrag GmbH, Berlin • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock • Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“, Gülzow-Prüzen • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow • Gemeinde Thürkow • Gemeinde Plaaz

4.3.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Bürger aus Dalkendorf beklagen die hohe Belastung der Anwohner, die aus ihrer Sicht von den Windparks ausgeht. Dies könne die Landespolitik nicht gemeint haben, wenn sie gerade aktuell wieder die Entwicklung des ländlichen Raumes fördern wolle. Der Planungsverband möge seine Vorranggebiete in die Nähe menschenfeindlicher Industriegebiete planen und nach Standorten suchen, wo Windenergieanlagen für die Bürger unsichtbar und ohne Störun- gen betrieben werden könnten. Bürger aus Amalienhof sprechen sich gegen die Festlegung der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 aus (vgl. die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwender) und bringen in diesem Zusammenhang auch grundsätzliche Kritik an der Vorgehensweise der

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Regionalplanung vor. Die Weitläufigkeit der Mecklenburger Landschaft würde nach Ansicht der Einwender problemlos eine größere Distanz der Windenergie-Vorranggebiete zu den Ort- schaften zulassen. Allein unter diesem Aspekt werde klar, dass eine gründliche Planung nicht vorliege. Für eine Planung nach dem Gießkannenprinzip benötige man keinen Planungsver- band. Die mangelhafte Einbeziehung der Anwohner in die Planung derart markanter Land- schaftsveränderung grenze an Willkür. Die Planungsbehörde sowie die zustimmenden Ge- meindevertretungen seien leider nicht in der Lage, die Folgen umfassend abzuschätzen. Nur sehr zögerlich und erst in letzter Instanz werde das immense Ausmaß der zerstörerischen Planungen bekannt. Mit Bezug auf ein laufendes Genehmigungsverfahren zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen-Prototypen im Gebiet Nr. 127 wird den Behörden ein Etiketten- schwindel vorgeworfen. Der Forschungsauftrag bestehe nur darin, die Akzeptanz bei den An- wohnern zu testen. Willkürliche Planung von Windenergieanlagen und extreme Industrialisie- rung der Landwirtschaft machten die Region unattraktiv. Behördlicherseits werde die bestehende Landflucht billigend in Kauf genommen, um fragwürdige und kurzlebige wirtschaft- liche Interessen durchzusetzen. Viele Bürger, auch Presse und Fernsehen, die Planungs- und Baumaßnahmen aufmerksam verfolgten, stellten fest, mit welchem wachsenden Unverstand geplant und gebaut werde. Wer solche Projekte am Schreibtisch plane, könne die Folgen und die Auswirkungen auf die Betroffenen und die Umwelt nicht kennen. Es stelle sich die Frage, ob der Planungsverband überhaupt in der Lage sei, bürgernahe Entscheidungen zu treffen. Es habe vielmehr den Anschein als würden nur kommerzielle Interessen vertreten. Die Kultur- landschaft in Mecklenburg mache einen negativen Wandel durch, und der ländliche Raum verliere seinen Charakter. Von Teilräumen, die sich gewinnbringend touristisch vermarkten ließen, würde das wirtschaftlich schwache Hinterland abgesondert. Mit Raumentwicklung habe das nichts zu tun. Eine Bürgerin aus Groß Roge wirft die Frage auf, ob anstelle der ausgewählten Vorrangge- biete für die Windenergienutzung nicht andere Gebiete, zum Beispiel Industriegebiete, in Be- tracht gezogen werden könnten. Ein Bürger aus Petschow bemängelt, dass es über den Ausbau der Windenergienutzung keine demokratische Entscheidung gegeben habe. Die Gemeinden hätten kein Mitsprache- recht. Der Planungsverband sei ein willfähriger Handlanger der Landesregierung, die wiede- rum mit den Energiekonzernen verfilzt sei. Eine Bürgerin (Wohnort unbekannt) glaubt, dass mit einer bloßen Teil-Fortschreibung des RREP zur Festlegung neuer Windenergie-Vorranggebiete eine einseitige Abwägung vorpro- grammiert sei (vgl. auch die im Abschnitt 4.1 wiedergegebenen grundsätzlichen Ausführungen derselben Einwenderin). Es stelle sich die Frage, ob für die Planung herangezogene Gutach- ten frei und unabhängig entstanden sein könnten, wenn an bestimmten Ergebnissen ein gro- ßes wirtschaftliches Interesse bestehe. Wer habe die vom Ingenieurbüro Günther durchge- führte Großvogelerhebung in Auftrag gegeben? Von wem sei diese bezahlt worden? Die Einwenderin fragt weiterhin, ob die in der Region vorhandenen und geplanten Windparkstand- orte im Zusammenhang betrachtet worden seien – ob also großräumige Barrierewirkungen im Luftraum und deren mögliche Auswirkungen auf die Vogel- und Insektenwelt für die Erwägun- gen des Planungsverbandes maßgebend gewesen seien. Ein Bürger aus Rostock erklärt, dass die Energiewende nicht zum Selbstzweck werden dürfe. Als potenziell betroffener Anwohner beim Vorranggebiet Nr. 116 spricht sich der Einwender insbesondere gegen die Errichtung von Windenergieanlagen in bislang ruhigen, „unverbauten“ Landschaftsräumen aus. Nach Ansicht des Einwenders sollten Windenergieanlagen vornehm- lich dort errichtet werden, wo schon Ballungen von Infrastrukturanlagen wie Stromleitungen, Eisenbahnen und Autobahnen vorhanden sind. An einer Autobahn würden zusätzliche Lärm- quellen kaum ins Gewicht fallen. Bürger aus Parchow (unterstützt durch zahlreiche weitere Bürger, die in einer Unterschriften- liste aufgeführt sind) nehmen zum Gebiet Nr. 116 Stellung (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wie- dergegebenen Ausführungen derselben Einwender) und stellen resümierend fest, dass der

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Entwurf des Planungsverbandes den Anforderungen, die an ein Planungskonzept für die Windenergienutzung zu stellen seien, nicht gerecht werde. Das Bundesverwaltungsgericht habe dazu klare Vorgaben gemacht. Demnach müssten bei der Festlegung von Eignungsge- bieten bereits auf der Ebene der Raumordnung alle maßgebenden Belange geprüft werden. Innerhalb der Eignungsgebiete dürften keine Belange wirksam sein, die eine zweckentspre- chende Nutzung ausschließen würden. Diesen Grundsatz habe der Planungsverband igno- riert. Er habe Grenz- und Richtwerte zum Teil falsch angewandt, Fakten falsch interpretiert oder gar nicht berücksichtigt, falsche Annahmen getroffen, Einwendungen nicht beachtet so- wie Gesetze und Richtlinien umgedeutet oder missachtet. Bürger aus Appelhagen nehmen zum Vorranggebiet Nr. 127 Stellung (vgl. auch die im Ab- schnitt 8 wiedergegebenen weiteren Ausführungen derselben Einwender) und äußern dabei auch grundsätzliche Kritik an der Vorgehensweise des Planungsverbandes bei der Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen. Die bisher vorgetragenen Einwände der Bürger seien in keiner Weise berücksichtigt worden. Es würden willkürlich und beliebig Ziele zum wei- teren Ausbau der Windenergienutzung gesetzt, obwohl Strom bereits im Übermaß erzeugt werde. Geplant werde am Schreibtisch, ohne Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten und die Konsequenzen für die betroffenen Anwohner. Gegenargumente seien vom Planungsver- band weggewischt und als unerheblich abgetan worden. Sowohl die Abwägungsdokumenta- tion als auch der Umweltbericht zum dritten Entwurf ließen dieses Prinzip der Verharmlosung und der Nichtbefassung mit Gegenargumenten erkennen. Angesichts der Schwere und Dauer der Eingriffe, die mit der RREP-Fortschreibung vorbereitet werden, wäre es jedoch die Pflicht des Planungsverbandes gewesen, die Belange der Anwohner in allen Punkten zu prüfen und zu berücksichtigen. Dies sei nicht erfolgt. Damit würden bei den Bürgern Zweifel und Miss- trauen gegenüber der Arbeit der zuständigen Behörden geweckt. Windenergieanlagen könn- ten dort ihren Platz haben, wo sie hingehören: weit weg von historisch gewachsenen Kultur- landschaften, die nahe daran seien, zum Weltkultur- oder -naturerbe erklärt zu werden. Diese Anlagen gehörten in solche Landstriche, die bereits seit Jahrzehnten durch Industrie und Ver- kehrsinfrastruktur geprägt seien. Ein Bürger aus Appelhagen erklärt, Windenergieanlagen gehörten in Ballungsgebiete, wo es Betriebe gebe und Energie gebraucht werde. Eine Bürgerin aus Rakow nimmt zur Neuabgrenzung des ursprünglichen Eignungsgebietes Nr. 22 Stellung (vgl. hierzu die im Abschnitt wiedergegebenen Ausführungen 6 derselben Ein- wenderin). Die Einwenderin hält die Art und Weise, wie der Planungsverband mit Landschaft, Natur- und Kulturgütern umgehe, für unbeschreiblich ignorant. Ihr Vertrauen in eine durch Ge- setz und Regelwerk festgelegte und überprüfbare Arbeitsweise der staatlichen Behörden sei in massives Misstrauen umgeschlagen. Die letzten Jahre hätten gezeigt, wie sehr Korruption, Manipulation und Profitgier unsere Welt heutzutage beherrschten. Die Einwenderin kündigt an, dass sie behördliche und gerichtliche Prüfinstanzen einschalten werde, um zur Aufdeckung von manipulativen Strukturen und Arbeitsweisen beizutragen. Der Staat sei offensichtlich nicht in der Lage, umweltverträgliche Verhältnisse für Landschaft, Mensch und Natur herzustellen. Die Einwenderin bezieht ihre Kritik maßgeblich auch auf die Behörden, die für die Genehmi- gung von Windenergieanlagen verantwortlich sind. Es herrsche ein Rechtsverständnis vor, das ein Ausloten von Schlupflöchern unterstütze, anstatt die Intentionen des Gesetzgebers zu erfassen und konsequent umzusetzen. Ein Bürger aus Groß Bäbelin setzt sich für eine Wiederaufnahme des ursprünglich geplanten Eignungsgebietes Nr. 128 ein (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Der Einwender glaubt zu wissen, dass dieses nach fachlichen Ge- sichtspunkten geeignete Gebiet noch bis zum November 2018 in der Flächenauswahl des Planungsverbandes enthalten gewesen und dann vom Verbandsvorstand und der Verbands- versammlung offensichtlichen grundlos verworfen worden sei. Der Einwender hält dieses Vor- gehen für willkürlich.

77 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die Enercon GmbH (gleichlautende Ausführungen von einem Bürger aus Schackendorf) spricht sich für eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 131 in den Entwurf der RREP-Fort- schreibung aus (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Ein- wender) und gehen dabei auch grundsätzlich auf die Methodik der Flächenauswahl ein. Nach der einschlägigen Rechtsprechung sei der Planungsverband gehalten, die nach Anwendung eingangs festgelegter Ausschlusskriterien verbleibenden Potenzialflächen einzeln einer nach- vollziehbaren Abwägung zu unterziehen, indem Gründe für und gegen eine Festlegung als Vorranggebiet einander gegenübergestellt werden. Dabei stelle es bereits einen Abwägungs- fehler dar, wenn bei diesem Planungsschritt weitere Restriktionskriterien herangezogen und wie faktische Ausschlusskriterien pauschal angewandt würden, sodass der Windenergienut- zung nur in besonderen Einzelfällen Vorrang zu geben wäre. Eine solche Vorgehensweise führe dazu, dass die notwendige Einzelfallabwägung unterbleibe oder von vornherein unter einer Fehlgewichtung der maßgebenden Belange leide. An diesen grundsätzlichen Einwand schließen die Einwender eingehende Ausführungen zur vermeintlich falschen Anwendung ei- nes Restriktionskriteriums „Umfassung von Siedlungen“ an. Diese Ausführungen werden hier nicht wiedergegeben, weil in der Region Rostock tatsächlich kein solches Restriktionskriterium angewandt wurde – weder im Allgemeinen noch im besonderen Fall des Gebietes Nr. 131. Die entsprechenden Ausführungen sind offensichtlich wörtlich übernommen aus einer vermutlich früher abgegebenen Stellungnahme zur laufenden Fortschreibung des RREP in der Nachbar- region Vorpommern, denn nach Kenntnis des Planungsverbandes wurde nur in dieser Nach- barregion ein solches Kriterium in der vom Einwender beschriebenen Weise angewandt. Im Grundsatz übertragbar auf die Region Rostock sind die von den Einwendern vorgebrachten Bedenken nur insoweit wie es um eine einheitliche Abwägungsmethodik für diejenigen Fälle geht, in denen direkt benachbarte Eignungsflächen zusammen eine Häufungs- oder Umstel- lungswirkung entfalten würden, sodass für die eine und gegen die andere Fläche entschieden werden muss. Die Einwender vermissen hierbei eine nachvollziehbare Methodik. Der Verein Freier Horizont e.V. kritisiert die in der RREP-Begründung wiedergegebene Ein- schätzung des Planungsverbandes, wonach mit den gewählten Planungskriterien eine flä- chenhafte Veränderung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen vermieden würde. Die zahlreichen Widersprüche aus allen Teilen der Region zeigten, dass die Anwohner vor Ort dies völlig anders sähen. Gerade die Anhäufung von Vorranggebieten in landschaftlich sehr wertvollen Räumen widerlege diese Selbsteinschätzung. Die Vorranggebiete gingen faktisch ineinander über. Mit der früher für Eignungsgebiete in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Mindestgröße von 75 Hektar und dem Mindestabstand von 5 Kilometern sei wenigstens an- satzweise ein Gestaltungsanspruch im Sinne der räumlichen Konzentration der Windenergie- nutzung verfolgt worden. Mit der willkürlichen Halbierung dieser beiden Richtwerte sei dieser Anspruch aufgegeben worden zugunsten eines administrativ geförderten Wildwuchses. Ins- besondere in der Mecklenburgischen Schweiz, aber auch anderswo im Planungsgebiet wür- den gewachsene Kulturlandschaften, hier insbesondere die Guts- und Parklandschaften brutal zerstört und entwertet. In der Nachbarregion Mecklenburgische Seenplatte seien solche Are- ale weiträumig unter Schutz gestellt werden. In der Region Rostock werde stattdessen gegen- teilig verfahren. Das zarte Pflänzchen des Qualitätstourismus im ländlichen Raum werde zer- treten. Der Verein Wind Energy Network e.V. beklagt die aus seiner Sicht mangelnde Konsequenz bei der Anwendung der Ausschluss- und Restriktionskriterien. Um den rechtlichen Anforde- rungen an ein schlüssiges Planungskonzept genüge zu tun, müsse sich die Auswahl der Vor- ranggebiete eindeutig und lückenlos auf die eingangs bestimmten Planungskriterien zurück- führen lassen. Dieses Gebot habe der Planungsverband nicht durchgängig beachtet. So sei die bei der Flächenauswahl angewandte Mindestgröße von 35 Hektar weder unter den Aus- schluss- noch unter den Restriktionskriterien in der RREP-Begründung aufgeführt, sodass un- klar bleibe, welcher Kategorie dieses Kriterium zugehöre. Die Frage der „rechtssicheren“ An- wendung des Größenkriteriums stelle sich auch angesichts der ungleichen Behandlung alter und neuer Eignungs- und Vorranggebiete. Dasselbe Problem sieht der Einwender bei der vom Planungsverband vorgenommenen Bewertung potenzieller Eignungsgebiete im Hinblick auf

78 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 lokale Häufungen sowie die Belange des Vogelschutzes. Auch hierbei habe der Planungsver- band auf Bewertungskriterien Bezug genommen, die in den Kriterienübersichten der RREP- Begründung nicht aufgeführt sind. Bezüglich der Mindestgröße von 35 Hektar hat der Einwen- der nicht nur formale, sondern auch inhaltliche Bedenken. Der Planungsverband habe diesen Richtwert damit begründet, dass in jedem Gebiet die Errichtung von mindestens drei Anlagen möglich sein sollte. Diese Maßgabe könne jedoch auch auf wesentlich kleineren Flächen erfüllt werden. Für drei moderne Anlagen könne bereits eine Fläche von 13 Hektar genügen. Dies sei abhängig vom Gebietszuschnitt, was der Festlegung einer pauschalen Mindestgröße grundsätzlich widerspreche. Das Amt Laage äußert Vorbehalte gegen das Vorranggebiet Nr. 123 (vgl. hierzu die im Ab- schnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders) und gibt dazu auch allge- meine Kritik wieder, wie sie in der Gemeindevertretung Diekhof und der Ortsteilvertretung Liessow laut geworden sei. Zum einen wird kritisiert, dass bestehende Belastungen in der Umgebung der neu geplanten Vorranggebiete vom Planungsverband in seiner Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Zum anderen sei von den Gemeinde- und Orts- teilvertretern Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht worden, dass ein Vorkommen seltener Tierarten ausreichen könne um ein Großprojekt (zum Beispiel den Bau einer Auto- bahn) aufzuhalten, während die Ablehnung durch hunderte betroffene Bürger dies nicht ver- möchte. Der Landkreis Rostock bemängelt, dass bei der Auswahl der Vorranggebiete für Windener- gieanlagen die Höhenlage nicht als Bewertungskriterium einbezogen wurde. Sowohl die Aus- wirkungen eines Windparks auf das Landschaftsbild als auch eine mögliche „bedrängende“ Wirkung auf die unmittelbaren Anwohner hingen jedoch wesentlich von der Höhenlage des Windparks im Verhältnis zum Höhenniveau der umliegenden Landschaft ab. Die BS Windertrag GmbH regt die Wiederaufnahme mehrerer potenzieller Eignungsgebiete in die RREP-Fortschreibung an, die der Planungsverband im Laufe des Verfahrens verworfen hatte (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwenderin äußert dabei auch grundsätzliche Kritik am Vorgehen des Planungsverban- des bei der Auswahl der Vorranggebiete aus einer ursprünglich größeren Menge potenzieller Eignungsflächen. Angesichts des schon sehr geringen Umfangs geeigneter Flächen hätte der Planungsverband in jedem Zweifelsfall denjenigen Argumenten mehr Gewicht geben müssen, die für eine Festlegung als Vorranggebiet sprechen würden. Je weniger Fläche für die Wind- energienutzung in Betracht komme, desto gewichtiger würden diejenigen Belange, die auf die- sen wenigen Flächen die Windenergienutzung im positiven Sinne begründen und rechtfertigen könnten. Diesem Grundsatz sei der Planungsverband mit seiner Abwägung nicht gerecht ge- worden. Der Planungsverband habe von ihm selbst konstruierte Kriterien zur Bewertung der Häufungsproblematik und der Vogelschutzbelange wie strikte Ausschlusskriterien angewandt und sie damit der Abwägung mit anderen Belangen entzogen. Eine planerische Abwägung im eigentlichen Sinne habe somit gar nicht stattgefunden, womit die gesamte Planung an einem systematischen Fehler leide. Die Streichung einzelner Eignungsgebiete sei offensichtlich poli- tisch motiviert gewesen. Die im Abschnitt 3.9 der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthaltenen Ausführungen zum Gebiet Nr. 131 stellten den untauglichen Versuch dar, eine Abwägung zur bereits getroffenen Entscheidung nachträglich zu fingieren. Bezüglich der Vogelschutzbelange bezieht sich die Einwenderin auf eine vorläufige Entwurfsfassung der RREP-Fortschreibung vom Herbst 2018, die nach ihrer Kenntnis die fraglichen Eignungsge- biete noch enthalten habe und erst kurz vor dem Auslegungsbeschluss der Verbandsver- sammlung im November nochmals geändert worden sei. Die nach diesem Beschluss der Öf- fentlichkeit vorgelegte Abwägungsdokumentation begründe die Streichung der Gebiete mit Belangen des Greifvogelschutzes. Die diesbezüglich vorgenommene Konfliktbewertung be- ruhe jedoch auf fehlerhaften methodischen Ansätzen und habe offenkundig vor allem ein po- litisch gewolltes Ergebnis stützen sollen. Der BUND M-V (Regionalbüro Rostock) hält die Auswahl der Vorranggebiete für Windener- gieanlagen im Entwurf vom November 2018 für nicht konsistent. Der Planungsverband habe

79 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 potenzielle Eignungsgebiete verworfen, die bei durchgängig einheitlicher Bewertung in die Auswahl der Vorranggebiete hätten aufgenommen werden müssen. Dies betreffe die Gebiete Nr. 105, 124, 126, 128 und 133. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebene Konfliktbewertung sei bei diesen Gebieten in einzelnen Konfliktfeldern (ins- besondere beim Vogelschutz) nicht durch Sachgründe gerechtfertigt und müsse korrigiert wer- den (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders zu den betreffenden Gebieten). Die Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“ aus Gülzow-Prüzen nimmt zum Vor- ranggebiet Nr. 71 Stellung und bemängelt die aus ihrer Sicht zu geringen Abstände der Vor- ranggebiete zu schutzwürdigen Nutzungen. Bezüglich der Abstände zu den Wohnorten habe der Planungsverband offensichtlich nur den Eindruck erwecken wollen, dass diese seit der erstmaligen Festlegung von Eignungsgebieten zugunsten der Anwohner erhöht worden seien. Dies sei Augenwischerei (vgl. hierzu die im Abschnitt 5.1 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Darüber hinaus sei bei vielen Kriterien eine sukzessive Modifizierung erkennbar, die im Laufe der RREP-Fortschreibung zulasten des Umweltschutzes vorgenom- men worden seien. Die Einwender verweisen dazu auf den Umweltbericht vom November 2018, in dem der Planungsverband verschiedene Anpassungen am Kriteriensystem selbst dargelegt hatte. Ausschlusskriterien seien zu Restriktionskriterien „entschärft“ worden. Mit der Verringerung der für Eignungsgebiete geltenden Mindestgröße von 75 auf 35 Hektar werde die wesentliche Zielsetzung der Raumordnung konterkariert, möglichst wenige, kompakte Flä- chen für Windenergieanlagen festzulegen. Nach den geltenden Empfehlungen müsse die Raumordnung bestrebt sein, eine möglichst hohe Konzentration von Windenergieanlagen auf möglichst wenigen Flächen zu erreichen, um daneben möglichst große Räume von diesen Anlagen gänzlich freizuhalten. Die ausgewählten Eignungsflächen sollten möglichst kompakt abgegrenzt werden um den von Umweltauswirkungen der Windenergieanlagen betroffenen Raum möglichst kleinzuhalten. Die Einwender verweisen auf den Zuschnitt des Gebietes Nr. 71, das in seiner schmalen, langgezogenen Form dieser Zielsetzung nicht entspreche. Auch die Schutzabstände zu Wäldern seien von 200 auf 100 Meter herabgesetzt worden und schließlich ganz entfallen. Die Einwender vermuten, dass diese Anpassungen aus einem Man- gel an tatsächlich geeigneten Potenzialflächen resultieren. Im Fall des Gebietes Nr. 71 ent- stehe der Eindruck, dass Bewertungskriterien so lange modifiziert, aufgeweicht und ergänzt worden seien, bis das Gebiet mit den politischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen kompati- bel gewesen sei und als Vorranggebiet deklariert werden konnte. Mit dem eigentlichen Ziel einer nachhaltigen Energiegewinnung habe diese Vorgehensweise nichts mehr gemein. Die Einwender meinen Parallelen zu aktuellen umweltpolitischen Diskussionen zu erkennen, wie sie zum Beispiel um die Festlegung von Grenzwerten geführt werden: Was bestimmten Inte- ressengruppen nicht passe, werde angepasst, bis deren Interessen befriedigt seien. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) bemängelt die aus ihrer Sicht mangelnde Konsequenz und Eindeutig- keit der RREP-Regelungen. Die Raumordnung stelle Ziele und Grundsätze auf, die in sich bereits Ansätze zu ihrer Aushebelung enthielten. Die Einwenderin verweist hierzu insbeson- dere auf die Ausnahmeregelung des Satzes 6.5 (4) der RREP-Fortschreibung und äußert ihr Unverständnis darüber, dass eine solche Regelung überhaupt in den Entwurf aufgenommen worden ist. Es seien eindeutige Programmsätze zu formulieren, die ein Ausnutzen von Grau- zonen und Gesetzeslücken weitgehend verhindern. Es sollten keine Soll-Regelungen getrof- fen werden. Ausschlusskriterien für die Windenergienutzung seien eindeutig zu bestimmen und anzuwenden, ohne Differenzierungen. Es sollte eine einheitliche Mindestgröße von 50 Hektar für Vorranggebiete gelten, um eine kleinräumige Zerstückelung der Landschaft durch Windenergieanlagen zu vermeiden. Die Gemeinde Thürkow bemängelt, dass der Planungsverband sich bei seiner Flächenaus- wahl nicht uneingeschränkt an bundes- und landesweit geltenden Empfehlungen orientiert habe. Die betreffe die unter anderem die Abstände zu den Wohnorten und zu Brutplätzen

80 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 geschützter Vögel. Dieses Vorgehen werfe die Frage auf, ob die Menschen und Tiere in Meck- lenburg-Vorpommern robuster seien als in anderen Regionen Deutschlands. Die Gemeinde Plaaz nimmt zum Gebiet Nr. 123 Stellung und übt dabei auch grundsätzliche Kritik am Verfahren der Flächenauswahl. Die Gemeinde glaubt ein Missverhältnis darin zu erkennen, wie Artenschutzbelange im Vergleich zu Bürgerinteressen bei der Regionalplanung berücksichtigt würden. Den Bürgern sei es nicht zu erklären, dass ein einziger geschützter Vogel die Festlegung eines Windenergie-Eignungsgebietes verhindern könne, auf tausende von Bürgerstimmen jedoch nicht gehört werde. Auch die Kommunalpolitiker in den Gemeinden könnten dies nicht verstehen. Es sei dann nicht verwunderlich, dass die Wahlbeteiligung sinke, oder Parteien gewählt würden, die dem Grundgesetz weniger nahestünden. Gerade letztere Strömungen würden sich in den Sitzungen der Gemeindevertretungen immer stärker bemerk- bar machen.

4.3.3 Zusammengefasste Abwägung Mehrere Einwender bemängeln, dass der Planungsverband bereits die Kriterien zur Auswahl potenzieller Eignungsflächen im Hinblick auf ein gewünschtes Ergebnis angepasst und sich dabei über bundes- und landesweit geltende Empfehlungen hinweggesetzt habe. Dieser Vorwurf trifft zu. Allerdings ist diese Vorgehensweise aus Sicht des Planungsverbandes weder sachlich noch rechtlich zu beanstanden. Sie ist vielmehr zwingend geboten. Der Planungsver- band hatte bereits in den früher veröffentlichten Entwurfsdokumenten darauf hingewiesen, dass die vorab bestimmten landeseinheitlichen Kriterien der Flächenauswahl in ihrer Mehrzahl keine Mindestanforderungen des Umweltschutzes abbilden, sondern einen möglichst großen Teil des Landes von der Windenergienutzung ausschließen sollten, um die weitere Planung von vornherein auf eine kleine Auswahl besonders geeigneter Flächen zu beschränken. Der Planungsverband hatte bei der Erstellung des ersten Entwurfes zur RREP-Fortschreibung im Jahr 2012 festgestellt, dass mit einer allzu strikten Anwendung der landeseinheitlichen Krite- rien in der Region Rostock kein substanzielles Flächenangebot für die Windenergienutzung bereitgestellt werden kann. Deshalb wurden in geringem Umfang Modifikationen am Kriterien- system vorgenommen, um eine hinreichend große Vorauswahl potenzieller Eignungsgebiete zu erhalten. Diese Modifikationen wurden im Umweltbericht dargelegt und begründet. Der Pla- nungsverband musste so vorgehen, weil er sich anderenfalls dem Vorwurf einer rechtswidri- gen Verhinderungsplanung ausgesetzt hätte. Von anderen Einwendern wird kritisiert, dass dann im nächsten Planungsschritt – bei der ein- zelfallbezogenen Abwägung über die Festlegung oder Nichtfestlegung bestimmter Potenzial- flächen als Vorranggebiete – zu häufig gegen die Windenergienutzung abgewogen wurde und potenzielle Eignungsgebiete leichtfertig verworfen worden seien. Der Planungsver- band kann dies nicht erkennen. Auch die letztlich festgelegten Vorranggebiete sind fast aus- nahmslos von Restriktionskriterien betroffen, sodass der Planungsverband hier andere Be- lange zugunsten der Windenergienutzung zurückgestellt hat. Im Ergebnis der Abwägung wird ein ausreichendes Flächenpotenzial für die Windenergienutzung bereitgestellt. Auch der entgegengesetzte Vorwurf, dass der Planungsverband die Umweltfolgen der Wind- energienutzung systematisch verharmlose und entgegenstehende Belange in seiner bisherigen Abwägung nicht hinreichend gewürdigt habe, trifft aus Sicht des Planungsver- bandes nicht zu. Der Planungsverband stellt vielmehr fest, dass in zahlreichen Einwendungen die möglichen Auswirkungen eines Windparks überzeichnet werden, um der Ablehnung Nach- druck zu verleihen. Aus der Interessenlage betroffener Anwohner sind solche Überzeichnun- gen grundsätzlich verständlich, und zum Teil stehen sicherlich auch ernsthafte Sorgen und Befürchtungen dahinter. Der Planungsverband ist jedoch verpflichtet, solche Einwendungen auf ihren sachlichen Gehalt zurückzuführen und entsprechend zu gewichten. Ebenfalls nicht folgen kann der Planungsverband denjenigen Einwendern, die eine man- gelnde Konsistenz bei der Anwendung der Restriktionskriterien erkannt haben wollen. Der Planungsverband bleibt bei seiner Auffassung, dass diese Kriterien entsprechend dem

81 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 jeweils dahinterstehenden Schutzzweck mit unterschiedlichem Gewicht in die Abwägung ein- bezogen werden müssen. Einzelne dieser Kriterien haben tatsächlich ein Gewicht, das dem eines Ausschlusskriteriums nahekommt und nur in besonderen Einzelfällen eine Abwägung für die Windenergienutzung erlaubt. Hierzu wird auf die Erläuterungen im Abschnitt 6 des Um- weltberichtes verwiesen, die schon in der Fassung vom November 2018 enthalten waren und nach nochmaliger Überprüfung beibehalten werden. Die von einzelnen Einwendern vertretene Auffassung, der Planungsverband hätte auch seine Kriterien zur Mindestgröße und zur Bewertung lokaler Häufungen von Eignungsgebie- ten eindeutig den Ausschluss- oder den Restriktionskriterien zuordnen müssen, beruht auf einem Missverständnis. Die im Begründungsteil des RREP und im Umweltbericht aufgeführten Kriterien der Flächenauswahl bezeichnen Gebiete, in denen die Windenergienutzung ausge- schlossen bleiben oder bestimmten Restriktionen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wer- den soll. Diese Kriterien haben also einen konkreten Raumbezug. Auf die Mindestgröße von 35 Hektar oder eine maximal tolerierbare Häufung von Eignungsgebieten trifft dies nicht zu. Diese Kriterien kommen erst in einem zweiten Planungsschritt zur Anwendung, nachdem an- hand der raumbezogenen Ausschlusskriterien eine erste Flächenauswahl getroffen wurde. Der Unterschied wir auch am Begriff der „Tabuzonen“ deutlich, mit dem die Ausschlusskrite- rien in der juristischen Literatur mitunter bezeichnet werden. Eine Mindestgröße kann keine Tabuzone sein, weil sie sich keiner geografisch bestimmten Fläche zuordnen lässt. Dies hatte der Planungsverband bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 sinnge- mäß dargelegt. Ebenfalls schon dargelegt wurde im Jahr 2018, warum der Planungsverband auf eine nachträgliche Anwendung der 35-Hektar-Mindestgröße bei früher festgelegten Eig- nungsgebieten verzichtet hat. Eine Inkonsequenz bei der Kriterienanwendung besteht darin nicht, weil es eben nicht das Gleiche ist, ob „auf der grünen Wiese“ oder im Bestand geplant wird – ob also ein neues Vorranggebiet auf einer bisher ungenutzten Fläche festgelegt werden soll, oder ob bereits ein Windpark mit Netzanschluss vorhanden ist und somit in einem gewis- sen Umfang Bestands- und Vertrauensschutzinteressen in der Abwägung zu berücksichtigen sind. Für die Bewertung der Häufungsproblematik gilt im Prinzip das gleiche wie für die An- wendung einer einheitlichen Mindestgröße: sie lässt sich nicht an geografisch bestimmbaren Restriktionszonen festmachen. Darüber hinaus lässt sie sich nicht an einzelnen Potenzialflä- chen festmachen, weil es in der Regel um das Zusammenwirken mehrerer benachbarter Flä- chen geht. Methodische Bedenken werden auch gegen weitere Abwägungskriterien vorgebracht, die der Planungsverband beispielsweise zur Bewertung der Artenschutzbelange herangezogen hat. Damit wird nochmals die bereits anhand der früheren Entwürfe diskutierte Grundsatzfrage auf- geworfen, welche formalen Anforderungen an die Abwägung bei der Entscheidung über einzelne Potenzialflächen zu stellen sind. Die von verschiedenen Einwendern bisher vorge- tragenen Meinungen gehen weit auseinander. Zum Teil wird die Position vertreten, dass dem Planungsverband eine Einzelfallabwägung gar nicht zustehe. Die Planung habe sich auf die mechanische Anwendung eingangs festgelegter Ausschlusskriterien zu beschränken, welche im Verlauf der Planung nicht mehr geändert werden dürften. Alle Flächen, die den Kriterien entsprechen, müssten zwingend als Vorranggebiete festgelegt werden. Aus Sicht des Pla- nungsverbandes ist diese Auffassung nicht zutreffend. Das rechtsstaatliche Gebot der plane- rischen Konfliktbewältigung bedingt, dass der Träger einer Planung sich grundsätzlich mit allen Belangen auseinandersetzen muss, die einer späteren Verwirklichung dieser Planung entge- genstehen könnten. Der dazu erforderlichen Sachaufklärung dient nicht zuletzt die öffentliche Auslegung der Planentwürfe. Eine weniger extreme Auffassung besteht darin, dass eine Ein- zelfallabwägung wohl zulässig sei, diese aber strikt anhand der eingangs festgelegten Rest- riktionskriterien durchgeführt werden müsse. Die Einbeziehung weiterer Belange im Einzelfall sei unzulässig. Auch dieser Auffassung möchte sich der Planungsverband nicht anschließen. Der Planungsverband geht vielmehr davon aus, dass die Anwendung pauschaler Kriterien im- mer nur eine Bewertungshilfe sein kann, die im Wesentlichen sicherstellen soll, dass gleiche Sachverhalte im gesamten Planungsraum gleich bewertet werden. In welchem Umfang und in

82 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 welcher Weise pauschale Kriterien und fallbezogene Einzelaspekte für die Abwägung heran- gezogen werden, hängt allein vom Gewicht der jeweiligen Belange im Einzelfall ab. Wieder andere Einwender kehren die Kritik um und glauben gerade in der Anwendung einheitlicher Bewertungskriterien einen methodischen Fehler zu erkennen, weil damit die Besonderheiten einzelner Potenzialflächen aus dem Blick geraten und an die Stelle der gebotenen Einzelfall- abwägung eine zweite, nachträgliche Anwendung faktischer Ausschlusskriterien getreten sei. Auch diese Kritik ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht gerechtfertigt. Die Anwendung von essenziellen und weiteren Ausschlusskriterien im ersten und zweiten Planungsschritt fin- det ohne Ansehen einzelner Flächen statt. Sie dient dazu, das Flächenpotenzial zunächst so- weit einzugrenzen und überschaubar zu machen, dass einzelne Flächen einer näheren Be- trachtung überhaupt zugänglich werden. Die weitere Eingrenzung dieser Vorauswahl erfolgt dann unter Berücksichtigung pauschaler Bewertungskriterien sowie weiterer, im Rahmen der öffentlichen Auslegung ermittelter Belange nach Abwägung jedes Einzelfalles. Die Ansicht, dass sich lokale Besonderheiten in der Abwägung immer gegen allgemeine Belange durch- setzen müssten, trifft aus Sicht des Planungsverbandes ebensowenig zu wie die umgekehrte Ansicht. Der Planungsverband glaubt auch nicht, dass sich beides überhaupt eindeutig unter- scheiden ließe. Sowie ein bestimmter Belang bei mehreren Eignungsgebieten zugleich auftritt, stellt sich unweigerlich die Frage nach der Gleichbehandlung gleichartiger Fälle – an die sich dann ebenso unweigerlich die Bestimmung von (mehr oder weniger konkreten) Kriterien und Maßstäben der Bewertung anschließen muss, weil erst damit die Einzelfälle vergleichbar ge- macht werden können. Nichts anderes hat der Planungsverband mit seinen Bewertungen der Häufungsproblematik und der Vogelschutzbelange unternommen. Einzelne Einwender unterstellen in diesem Zusammenhang, der Planungsverband habe im Laufe des Planungsverfahrens spontan und willkürlich einzelne Eignungsgebiete aus dem Entwurf gestrichen, ohne eine gesamträumliche Betrachtung und Abwägung vor- zunehmen. Die diesbezügliche Kritik wird zum Teil daran festgemacht, dass in den Verbands- gremien während des Verfahrens Zwischenergebnisse festgehalten und vorläufige Richtungs- beschlüsse zu einzelnen Entwurfsinhalten gefasst wurden, ohne diese umgehend zum Gegenstand einer Öffentlichkeitsbeteiligung zu machen. Der Planungsverband hält dies für ein normales Vorgehen, mit dem das Planungskonzept schrittweise konkretisiert und weiterentwi- ckelt wurde. Alle Entwurfsinhalte und alle maßgebenden Erwägungen wurden mit der Ausle- gung des letzten Entwurfes im Jahr 2019 nochmals zur öffentlichen Diskussion gestellt. Zum Teil wird die Kritik auch an Gerüchten festgemacht, wonach der Vorstand des Planungsver- bandes und die Verbandsversammlung nicht in allen Fällen den Empfehlungen der Geschäfts- stelle und des Planungsausschusses gefolgt seien. Hierzu ist anzumerken, dass der Vorstand und die Verbandsversammlung nicht verpflichtet sind, diesen Empfehlungen in jedem Fall zu folgen. Die Vermutung, dass sich in Einzelfällen politische (also sachfremde) Erwägungen der Entscheidungsgremien gegen planerische Erwägungen der Fachgremien durchgesetzt hätten, trifft nicht zu. Alle Entscheidungen wurden auf der Grundlage fachlicher Ausarbeitungen der Geschäftsstelle getroffen, die zuvor im Planungsausschuss erörtert worden sind. Dies trifft auch auf die Bewertung des Konfliktpotenzials der Eignungsgebiete bezüglich des Vogelschut- zes und der lokalen Häufung von Windparks zu. Zu beiden Konfliktfeldern wurden in den Ver- bandsgremien Entscheidungsalternativen unter planerischen Gesichtspunkten erwogen.

Zur Häufungsproblematik hatte der Planungsverband im Jahr 2015 eine vorläufige Abwä- gung vorgenommen und folglich einzelne potenzielle Eignungsgebiete in die weiteren Unter- suchungen – insbesondere die im Jahr 2016 durchgeführte Greifvogelerhebung – nicht mehr einbezogen. Im Rahmen dieser vorläufigen Abwägung hat der Planungsverband auch die we- sentlichen Argumente gewürdigt, die gegen eine Streichung der fraglichen Eignungsgebiete sprechen könnten. In der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wurde das Für und Wider der Streichung dieser ursprünglich geplanten Eignungsgebiete aus dem vorangegan- genen Entwurf umfänglich dargelegt, um die Erwägungen für die Öffentlichkeit auch insoweit nachvollziehbar zu machen, wie sie sich nicht direkt auf früher abgegebene Stellungnahmen

83 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 externer Einwender bezogen. Von der BS Windenertrag GmbH wird dies kritisiert. Die Einwen- derin glaubt darin den Versuch zu erkennen, eine Abwägung lediglich zu fingieren und eine in Wahrheit politisch motivierte Entscheidung nachträglich mit pseudo-fachlichen Erwägungen zu untermauern. Tatsächlich hat der Planungsverband jedoch nur das getan, was die Einwen- derin selbst ausdrücklich einfordert: Er hat seiner Bewertung der Häufungsproblematik alle ihm zum damaligen Zeitpunkt bekannten Belange, Interessen und Argumente gegenüberge- stellt, die für eine Festlegung der betreffenden Eignungsgebiete sprechen könnten, und seine Entscheidungen einzelfallbezogen begründet.

Neben den oben aufgeführten formalen Fragen der richtigen Kriterienanwendung bringen ver- schiedene Einwender nochmals inhaltliche Fragen der Flächenauswahl und der räumli- chen Verteilung von Windparks zur Sprache, die bereits Gegenstand der vorausgegange- nen Planungs- und Abwägungsschritte bei der RREP-Fortschreibung waren. Aus den Einwendungen wird deutlich, dass die diesbezüglichen Forderungen und Vorschläge einander zum Teil diametral entgegenstehen und sich wechselseitig ausschließen. Der Planungsver- band geht davon aus, dass es mit der RREP-Fortschreibung gelungen ist, einen tragfähigen Kompromiss zu erzielen, der verschiedenen Bedenken und Einwänden bestmöglich Rech- nung trägt, jedoch keine Extrempositionen und Maximalforderungen berücksichtigen konnte. Dies betrifft zunächst die Frage der gewollten oder tolerierbaren Konzentration von Wind- energieanlagen in bestimmten Teilräumen. Einzelne Einwender vertreten dezidiert die Auf- fassung, dass Windenergieanlagen in möglichst wenigen und möglichst großen Windparks zusammengefasst werden sollten, um daneben möglichst große Teile der Region von diesen Anlagen vollständig freizuhalten. Der Planungsverband steht dieser Strategie zurückhaltend gegenüber, weil er aus den zahlreichen Stellungnahmen, die im Laufe des Fortschreibungs- verfahrens eingegangen sind, den Eindruck gewonnen hat, dass gerade extreme Zusammen- ballungen von Windenergieanlagen in ihrer Wirkung auf das Landschaftsbild von vielen Bür- gern als bedrückend und verunstaltend empfunden werden – auch von solchen Bürgern, die ansonsten keine ästhetisch begründete Abneigung gegen diese Anlagen hegen. Der Vorwurf, dass aufgrund der im Jahr 2012 landesweit reduzierten Größen- und Abstandsvorgaben für Eignungsgebiete diese nun gleichsam „mit der Gießkanne“ über das Land verteilt würden, trifft aus Sicht des Planungsverbandes nicht zu. Sowohl landesweit als auch innerhalb der Region Rostock sind räumliche Schwerpunkte der Windenergienutzung deutlich erkennbar, und da- neben werden nach wie vor weite Landstriche von Windenergieanlagen freigehalten. Der von anderen Einwendern vertretenen Extremposition, dass auf eine pauschale Mindestgröße für Vorranggebiete ganz verzichtet werden sollte, möchte sich der Planungsverband ebenfalls nicht anschließen. Es trifft zwar zu, dass der 35-Hektar-Grenzwert im Hinblick auf die Wind- parkgröße nur eine beschränkte Zielgenauigkeit aufweist, weil die Zahl der in einem Gebiet zu errichtenden Anlagen nicht nur von der reinen Flächengröße, sondern auch vom Flächenzu- schnitt abhängt. Dennoch ist auf der Maßstabsebene der Regionalplanung nur ein flächenbe- zogener Grenzwert sinnvoll anwendbar. Bezüglich der von einzelnen Einwendern gegebenen Anregung, die Höhenlage potenzieller Eignungsflächen als Bewertungskriterium in die Abwägung einzubeziehen oder pauschale Höhenbeschränkungen im RREP vorzusehen, gibt der Planungsverband den Hinweis, dass die Produktivität einer Windenergieanlage maßgeblich von ihrer Größe abhängt und dass in Mittelgebirgsregionen gerade exponierte Höhenlagen für solche Anlagen gewählt werden, weil sie die besten Windverhältnisse bieten. Die Forderung nach planerischen Höhenbeschränkun- gen und möglichst tiefgelegenen Anlagenstandorten ist zwar aus Sicht des Landschaftsschut- zes berechtigt, widerspricht jedoch der ebenfalls in vielen Stellungnahmen vorgebrachten For- derung nach möglichst billigem Strom. Für die Region Rostock ist festzustellen, dass die Höhenentwicklung in den zuletzt ausgenutzten Eignungsgebieten bereits eine Grenze erreicht hat, weil Restriktionen der Flugsicherung in weiten Teilen der Region nur Anlagen bis etwa 230 Meter Höhe über dem Meeresspiegel zulassen. Damit wird erzwungen, dass an höherge- legenen Standorten entsprechend kleinere Anlagen errichtet werden müssen.

84 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Grundsätzlich anschließen kann sich der Planungsverband der Forderung, dass vorzugsweise solche Gebiete für die Windenergienutzung ausgewählt werden sollten, in denen Landschafts- bild und Umwelt bereits durch andere Infrastrukturen und gewerblich-industrielle Nutzun- gen vorbelastet sind. Allerdings muss festgestellt werden, dass die Bewohner solcher vorbe- lasteten Räume diese Planungsstrategie zum Teil entschieden ablehnen und gerade die vorhandene Vorbelastung als Grund dafür angeben, dass ihnen nun keinesfalls auch noch Windenergieanlagen zugemutet werden dürften. Der Planungsverband weist dazu auf ein- schlägige Stellungnahmen hin, die im Laufe der RREP-Fortschreibung zu geplanten Eignungs- gebieten entlang der Autobahnen oder in der Nähe des Flugplatzes Laage eingegangen sind (siehe zum Beispiel die in diesem Abschnitt oben sowie im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ein- wände von Anwohnern und Anliegergemeinden der Vorranggebiete Nr. 123 und 130). Ebenso anschließen kann sich der Planungsverband der Forderung, dass bedeutende und in ihrer historischen Gestalt gut erhaltene Kulturlandschaften von Windenergieanlagen freigehalten werden sollten. Ein Einwender verweist dazu auf die Nachbarregion Mecklenbur- gische Seenplatte, die ein Ausschlussgebiet zum Schutz der „zentralmecklenburgischen Guts- und Parklandschaft“ festgelegt hat. Der Planungsverband merkt hierzu nochmals an, dass sich diese Kulturlandschaft auch in die südöstlichen Randbereiche der Region Rostock erstreckt, hier jedoch bereits durch andere Ausschlusskriterien des Landschaftsschutzes freigehalten wird. Tatsächlich könnte man – wie es einigen Einwendern offensichtlich vorschwebt – die schutzwürdigen Kulturlandschaften räumlich weiter fassen und größere Teile der Region Rostock aus diesem Grund von der Windenergienutzung ausschließen. Dazu passt aber nicht die – zum Teil von den gleichen Einwendern erhobene – Forderung, dass die Schutzabstände zu jeglichen Wohnorten so groß wie möglich gewählt werden sollten. Die in ihrem histori- schen Landschaftsbild relativ gut erhaltenen Teilräume sind in der Region Rostock gerade die dünn besiedelten Landstriche im Süden und Osten, die von Infrastrukturausbau und Sied- lungserweiterungen in den letzten dreißig Jahren weitgehend verschont geblieben sind und aus diesem Grund eine bestimmte Zielgruppe von Touristen anziehen. Würde das Planungs- konzept einseitig am Schutz der Wohnorte ausgerichtet, würden sich gerade in diesen Teilen der Region die größten Potenzialflächen für die Windenergienutzung anbieten. Die Forderun- gen nach immer größeren Abständen zu den Wohnorten einerseits und nach einem konse- quenten Schutz von bisher wenig verbauten Landschaftsräumen andererseits sind nicht mit- einander vereinbar. Der Planungsverband ist gezwungen diesbezüglich Kompromisse zu machen. Bei manchen Einwendern ist der Eindruck entstanden, dass die Belange des Artenschutzes im Planungskonzept ein Übergewicht erhalten hätten. Der Planungsverband hat den glei- chen Eindruck bezüglich der eingegangenen Stellungnahmen, in denen der Verweis auf Ar- tenschutzbelange von vielen Einwendern offensichtlich genutzt wird, um anderen Interessen zur Durchsetzung zu verhelfen. Der Planungsverband hat seinen Umgang mit den einschlägi- gen Forderungen und fachlichen Empfehlungen bereits in den Entwurfsdokumenten vom No- vember 2018 umfassend dargelegt und begründet. Keineswegs wurde in der Abwägung allen diesen Forderungen und Empfehlungen gefolgt. Hierzu wird auf die Ausführungen im Umwelt- bericht und im Abschnitt 5.7 der vorliegenden Abwägungsdokumentation verwiesen. Problematisch ist aus Sicht des Planungsverbandes die von der Gemeinde Plaaz vorgenom- mene Gegenüberstellung von fachlichen Belangen und Bürgerstimmen, welche sich in einer Unterschriftensammlung manifestieren. Wenn sehr viele Bürger mit ihrer Unterschrift bekunden, dass sie die Festlegung eines bestimmten Vorranggebietes ablehnen, kann dies darauf hindeuten, dass hier besonders gewichtige Belange der Windenergienutzung entge- genstehen. Dies muss aber nicht in jedem Fall so sein. Vorrangig hat der Planungsverband die Sachargumente zu prüfen, die von den Bürgern vorgetragen werden. Im Unterschied zu den Bürgern, die sich auf eine reine Ablehnungshaltung beschränken können, muss der Pla- nungsverband darauf achten, dass überall gleiche Maßstäbe angelegt werden, und er muss

85 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 nach besseren Alternativen suchen, wenn er bestimmte Gebietsvorschläge verwirft. Die Regi- onalplanung kann sich nicht auf die Feststellung beschränken, wo überall Windenergieanlagen von den Anwohnern nicht gewollt sind. Der Vorwurf einzelner Einwender, dass das Planungskonzept einseitig von privatwirtschaftli- chen Interessen bestimmt werde, und dass der Planungsverband insoweit als Handlanger der Landesregierung und mit ihr verbundener Interessengruppen agiere, ist nicht berech- tigt. Die betreffenden Einwender erklären nicht, worauf sie diesen Verdacht eigentlich gründen. Zutreffend ist allerdings, dass die Unternehmen der Windenergiebranche eine nicht unerheb- liche Bedeutung für die Wirtschaft des Landes und insbesondere der Region Rostock haben und dass diese Bedeutung bei der planerischen Abwägung zu berücksichtigen ist. Zutreffend ist auch, dass die Landesregierung über das Landesraumentwicklungsprogramm sowie ihre ministerielle Fachaufsicht Vorgaben für die Arbeit der Regionalen Planungsverbände macht. Dies ist vom Gesetzgeber so gewollt und entspricht der Funktion der Regionalplanung als Mittlerin zwischen Landesplanung und kommunaler Bauleitplanung. Eine Einwenderin stellt ausdrücklich die Frage, wer denn die im Jahr 2016 von einem Fachgutachter durchgeführte Greifvogelerhebung bezahlt habe. Diese Erhebung wurde von der Landesregierung bezahlt. Für den Fall, dass die Einwenderin hieran die Vermutung anknüpfen wollte, die Beauftragung des Gutachtens sei von vornherein interessengeleitet erfolgt, gibt der Planungsverband zu bedenken, dass der Auftragnehmer in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden ausgewählt wurde, die dem weiteren Ausbau der Windenergienutzung in der Region Rostock sehr kritisch gegenüberstehen. Außerdem enthält der Bericht des Gutachters keinerlei planerische Emp- fehlungen, welche die Abwägung des Planungsverbandes hätten beeinflussen können. Er be- schränkt sich auf eine reine Bestandsaufnahme. Ein schwerer Vorwurf besteht darin, dass der Planungsverband mit seiner Arbeit das Ver- trauen der Bürger in die Arbeit der Landesregierung und der Behörden untergrabe, in- dem er berechtigte Bürgerinteressen leichtfertig übergehe. Der Planungsverband gibt zu be- denken, dass der Ausstieg aus der Nutzung von Atomenergie und fossilen Brennstoffen landes- und bundesweit von einer großen politischen Mehrheit getragen wird. Ob der dafür notwendige Ausbau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien gelingen kann, wenn sich betroffen fühlende Anwohner jederzeit ein Veto einlegen und damit jegliche Planung stop- pen können, erscheint dem Planungsverband zweifelhaft. Die Befürchtung, dass die Regionalplanung sich selbst ausheble, indem sie zuviele Ausnah- men und interpretierbare Soll-Vorschriften anstelle strikter Verbote vorsehe, ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht gerechtfertigt. Die Regelungen zur Windenergienutzung sind sehr strikt formuliert, und mögliche Ausnahmen beschränken sich auf klar definierte Fälle. Im Begründungsteil sind konkrete Maßgaben formuliert, die den behördlichen Auslegungsspiel- raum wesentlich einschränken.

4.4 Umsetzung der Kriterienempfehlungen der Landesregierung

4.4.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Parchow mit Unterschriftenliste • Regionaler Planungsverband Vorpommern, Greifswald • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • ENO Energy GmbH, Rerik • BS Windertrag GmbH, Berlin

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• Gemeinde Thürkow

4.4.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Bürger aus Parchow (unterstützt durch zahlreiche weitere Bürger, die in einer Unterschriften- liste aufgeführt sind) nehmen zum Gebiet Nr. 116 Stellung und verweisen auf die Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums aus dem Jahr 2012. Diese sehe einen Mindestab- stand von 500 Metern zwischen Windenergie-Eignungsgebieten und Vogelschutzgebieten vor, das „Helgoländer Papier“ sogar einen Abstand vom zehnfachen der Anlagenhöhe, mindestens jedoch von 1.200 Metern. Zumindest die Vorgaben des Ministeriums wären aus Sicht der Ein- wender als rechtlich zwingend anzusehen und hätten somit vom Planungsverband unbedingt eingehalten werden müssen. Im Übrigen müsste bereits der gemäß RREP-Richtlinie gefor- derte Mindestabstand von 2,5 Kilometern zwischen benachbarten Eignungsgebieten zum Aus- schluss des Gebietes Nr. 116 führen. Der Regionale Planungsverband Vorpommern weist nochmals auf bestehende Abweichun- gen von den Empfehlungen der RREP-Richtlinie hin. Es bestehe die Gefahr, dass bei landes- weit unterschiedlicher Anwendung der Empfehlungen die Regionalen Planungsverbände ge- geneinander ausgespielt würden. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern hält die aus der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums übernommene Definition der schutzwürdigen Wohnorte insoweit für missverständlich, wie dort auf die Gebietskategorien der Baunutzungsverordnung Bezug ge- nommen wurde. Gemeint seien offensichtlich nicht nur solche Gebiete, die Gegenstand eines Bebauungs- oder Flächennutzungsplanes sind, sondern auch solche Flächen im unbeplanten Innenbereich, die nach ihrer Eigenart den genannten Kategorien der Baunutzungsverordnung entsprechen. Der Einwender regt an, die Formulierung im Begründungsteil des RREP entspre- chend anzupassen. Fragwürdig sei die Heranziehung der Vorranggebiete für Gewerbe und Industrie als pauschales Ausschlusskriterium. Moderne Windenergieanlagen seien als Indust- rieanlagen anzusehen. Beispiele aus anderen Bundesländern zeigten, dass innerhalb von In- dustrie- und Gewerbegebieten zwar nicht ganze Windparks, aber durchaus mehrere Anlagen zur direkten Versorgung der ansässigen Betriebe errichtet werden könnten. Aus Umweltsicht sei der Aufbau von Stromerzeugungskapazitäten in direkter Zuordnung zu gewerblichen Ver- brauchern anzustreben. Der Einwender regt deshalb an in die Begründung des RREP eine Klarstellung dahingehend aufzunehmen, dass in den Vorranggebieten für Gewerbe und In- dustrie Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen nicht prinzipiell unzulässig seien. Der Einwender begrüßt ausdrücklich, dass in der Region Rostock im Unterschied zu anderen Re- gionen die Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für die Rohstoffsicherung nicht als Ausschlusskri- terium für die Windenergienutzung gelten. Der Einwender schlägt vor, dass der Planungsver- band noch weiter gehen und zumindest die Vorbehaltsgebiete auch aus der Liste der Restriktionskriterien streichen sollte. Dazu wird auf die Begründung des geltenden RREP vom August 2011 verwiesen, wonach die festgelegten Gebiete für den Abbau von Sand und Kiessand den damals absehbaren Bedarf für einen sehr langen Zeitraum würden decken kön- nen. Wenn viele Rohstoffgebiete im Planungszeitraum gar nicht für ihren Zweck benötigt wür- den, so schließt der Einwender, sollte dort eine Zwischennutzung für den Betrieb von Wind- energieanlagen in der Regel möglich sein. Die zeitliche Abfolge der Nutzungen ließe sich im Genehmigungsverfahren durch Befristungen problemlos regeln. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bemängelt nochmals die Abwei- chung des Planungsverbandes Region Rostock von den Kriterienempfehlungen, die in der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums von 2012 gegeben wurden. Die natur- schutzbezogenen Kriterien der Anlage 3 stellen nach Auffassung des Landesamtes einen fachlichen Mindeststandard dar, der nicht unterschritten werden dürfte. Das Landesamt führt hierzu nochmals die regionalen Abweichungen von diesem Standard auf, wie sie der Pla- nungsverband in den Umweltberichten vom Mai 2014 und November 2018 bereits selbst do-

87 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 kumentiert hatte (vgl. hierzu auch die in den Abschnitten 5.6 und 5.7 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders zur Anwendung einzelner Kriterien). Das Landesamt hält darüber hinaus an seiner schon zu den früher veröffentlichten Entwürfen vorgetragenen Sicht- weise fest, wonach die Restriktionskriterien des Naturschutzes im Regelfall wie Ausschluss- kriterien anzuwenden wären. Nur wenn eine anderweitige Vorbelastung der betreffenden Flä- che vorliege, könne der Planungsverband eine Abwägung zugunsten der Windenergienutzung treffen und ein Vorranggebiet festlegen. Auch die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock kritisiert erneut die vom Planungs- verband vorgenommenen Anpassungen an den Kriterienempfehlungen der Landesregierung. Bei den Mindestabständen zu den Brutplätzen der Störche und der Wanderfalken werde damit das Vorhandensein eines Abwägungs- oder Ermessensspielraumes impliziert, welcher im Ge- setz nicht vorgesehen sei. Bezüglich des 1.000-Meter-Abstandes zu den Räumen mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes verweist die Naturschutzbehörde auf die große Fernwirkung der heute üblichen großen Windenergieanlagen. In der vergleichsweise ebenen Landschaft Nordostdeutschlands reiche diese Wirkung teilweise über viele Kilometer. Selbst bei Einhaltung des 1.000-Meter-Abstandes könne somit bereits von einer Beeinträchtigung der schützenswerten Landschaftsräume ausgegangen werden. Bei Unterschreitung dieses Ab- standes wirkten die Anlagen noch unmittelbarer und weiter in die schützenswerten Räume hinein. Nicht zuletzt mit Rücksicht auf den Tourismus sollte nach Ansicht der Naturschutzbe- hörde dem Schutz der hochwertigen Landschaftsräume ein hoher Stellenwert in der Planung eingeräumt werden. Die ENO Energy GmbH bekräftigt nochmals ihren Einwand gegen die Festlegung einer ein- heitlichen Mindestgröße für die Windenergie-Vorranggebiete. Die Einwenderin habe bereits in einer früheren Stellungnahme nachgewiesen, dass der angewandte Richtwert von 35 Hektar jeglicher Grundlage entbehre, und habe die dazu vom Planungsverband gegebene Begrün- dung widerlegt. Die BS Windertrag GmbH bezieht sich ebenfalls auf die 35-Hektar-Mindestgröße. Eine strikte Anwendung dieses Kriteriums ohne Abwägung im Einzelfall ist aus Sicht der Einwenderin nicht sinnvoll. Das Bundesverwaltungsgericht habe in einem einschlägigen Urteil aus dem Jahr 2018 klargestellt, dass ein solches Größenkriterium jedenfalls nicht als „hartes“, unbedingt an- zuwendendes Ausschlusskriterium verstanden werden dürfe. Der 35-Hektar-Richtwert sei fachlich nicht begründet und würde bei pauschaler Anwendung nur das in der Region Rostock ohnehin sehr geringe Flächenpotenzial für die Windenergienutzung weiter beschneiden. Die Gemeinde Thürkow geht davon aus, dass der vom Planungsverband angewandte Ab- standsrichtwert von nur 500 Metern nicht mehr auf aktuellem Stand sei. Der Landtag in Schwe- rin habe im Jahr 2018 zum wiederholten Male beschlossen, dass Abstände von 1.000 bzw. 800 Metern als Ausschlusskriterium zu gelten hätten.

4.4.3 Zusammengefasste Abwägung: Zu der vom Planungsverband Vorpommern aufgeworfenen Frage, ob in den vier Planungsre- gionen eine strikte Einheitlichkeit bei der Kriterienanwendung gewahrt werden sollte, ver- tritt der Planungsverband Region Rostock die Auffassung, dass dies grundsätzlich wün- schenswert ist, aber kein Selbstzweck sein kann. Die moderaten Kriterienanpassungen, die in der Region Rostock vorgenommen wurden, sind sachlich begründet. Hierzu wird nochmals auf die Erläuterung der Kriterien im Umweltbericht verwiesen. Insgesamt hat der Planungsver- band aus den bislang vorliegenden Entwürfen zur Fortschreibung der vier Raumentwicklungs- programme den Eindruck gewonnen, dass trotz einzelner regionaler Besonderheiten ein sehr hohes Maß an landesweiter Einheitlichkeit gewahrt wurde. Da die Bestimmung von Aus- schlusskriterien für die Flächenauswahl eine planerische Abwägungsentscheidung ist, gibt es keine einzig richtige Kriterienauswahl; das heißt, soweit jede Region für sich eine schlüssige

88 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 und sachlich begründete Auswahl getroffen hat, dürfte keine Gefahr darin bestehen, dass ver- schiedene Regionen wegen vermeintlich richtiger oder falscher Kriterienanwendung „gegen- einander ausgespielt“ werden. Die von einigen Einwendern vorgetragene Auffassung, dass zumindest die von der Landesre- gierung empfohlenen Kriterien des Naturschutzes als rechtlich bindende Vorgabe im Sinne einer fachlich anerkannten und fachbehördlich eingeführten Vorschrift zur Auslegung einschlägiger Rechtsnormen anzusehen seien, teilt der Planungsverband nicht. Die Anlage 3 zur RREP-Richtlinie hat lediglich Empfehlungscharakter und entbindet die Regionalen Pla- nungsverbände nicht von ihrer eigenen Verantwortung, der Windenergienutzung in ihren je- weiligen Regionen angemessenen Raum zu geben und die maßgebenden Belange selbst ab- zuwägen. Dies gilt auch für die Kriterien des besonderen Artenschutzes, mit denen sich der Planungsverband Region Rostock im Umweltbericht vom November 2018 bereits umfangreich auseinandergesetzt hat. Das Landesraumentwicklungsprogramm von 2016 schreibt ausdrück- lich eine Berücksichtigung – also keine strikte Beachtung – der ministeriellen Empfehlungen bei der Festlegung von Windenergie-Eignungsgebieten vor. Der empfohlene Schutzabstand von 1.000 Metern um Räume mit sehr hoher Schutzwür- digkeit des Landschaftsbildes ist nach Auffassung des Planungsverbandes ein Kriterium mit vergleichsweise schwacher Begründung. Die Naturschutzbehörde des Landkreises legt selbst dar, dass ein wirksamer Schutz des Landschaftsbildes in diesen Räumen damit nicht möglich ist, weil moderne Windenergieanlagen in der Regel kilometerweit sichtbar sind. Als pragma- tisch gesetzter Richtwert hat dieses Kriterium seine Berechtigung, wenn aus einer großen Zahl potenzieller Eignungsflächen eine begrenzte Auswahl getroffen werden soll. Wenn dagegen – wie in der Region Rostock – durch andere Ausschlusskriterien die Flächenauswahl schon von vornherein sehr begrenzt ist, liegt es aus Sicht des Planungsverbandes nahe, dass zunächst solche zusätzlichen Schutzabstände um schützenswerte Räume in Frage gestellt und zu Rest- riktionskriterien abgestuft werden. Bezüglich der Vorranggebiete für Gewerbe und Industrie bleibt der Planungsverband bei seiner Auffassung, dass sie als Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung gelten sollen. Windenergieanlagen stellen hier immer eine konkurrierende Nutzung dar, welche die Ausnut- zung dieser Gebiete für ihren eigentlichen Zweck einschränken würde. Dies wäre schon auf- grund der teuren Erschließung der gewerblichen Bauflächen in der Regel nicht zu rechtferti- gen. Der NABU räumt selbst ein, dass ganze Windparks innerhalb von Industrie- und Gewerbegebieten kaum möglich wären und hat eher einzelne Anlagen zur Versorgung der örtlichen Betriebe im Sinn. Für solche Vorhaben ist jedoch extra eine Ausnahme von der Aus- schlusswirkung der Vorranggebiete im RREP enthalten. Der Planungsverband geht davon aus, dass dem Anliegen des Einwenders damit Rechnung getragen wird. Der Anregung des NABU-Landesverbandes zur Streichung der Rohstoff-Vorbehaltsgebiete aus der Liste der Restriktionskriterien wird nicht gefolgt. Dies würde am Ergebnis der Planung nichts ändern. Dort, wo sich im Ergebnis der ersten Flächenauswahl potenzielle Eignungsge- biete für Windenergieanlagen in Überlagerung mit Rohstoff-Vorbehaltsgebieten abzeichneten, hat der Planungsverband bereits im Sinne des NABU abgewogen und die betreffenden Flä- chen in die Entwürfe der RREP-Fortschreibung aufgenommen. Dies betraf insbesondere eine große Fläche in der Gemeinde Groß Bäbelin (Eignungsgebiet Nr. 105). Auch die bei der letzten Überarbeitung des Entwurfes erwogene Erweiterung des Gebietes Nr. 128 hätte in ihrer ma- ximalen Ausdehnung Flächen eingeschlossen, die bislang als Vorbehaltsgebiete für die Roh- stoffsicherung festgelegt sind. Beide potenziellen Eignungsgebiete wurden letztlich aus ande- ren Gründen verworfen. Maßgebend waren unter anderem die vom NABU selbst mit besonderem Nachdruck vertretenen Belange des Vogelschutzes. Generell kann festgestellt werden, dass Rohstoff-Vorbehaltsgebiete mit nennenswertem Flächenumfang vorwiegend in der Umgebung der Städte Gnoien und Krakow am See festgelegt sind, wo sich auch die Aus- schlusskriterien des Natur-, Landschafts- und Vogelschutzes besonders extensiv auswirken.

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Den ausdrücklichen Bezug auf die Gebietskategorien der Baunutzungsverordnung bei der Definition der schutzwürdigen Wohngebiete in der RREP-Begründung hat der Planungs- verband aus der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums übernommen. Damit war ursprünglich eine Klarstellung beabsichtigt, dass nicht nur Wohn- und Mischgebiete, son- dern auch bestimmte Arten von Sondergebieten als schutzwürdig angesehen werden. Die Ein- wendung des NABU macht deutlich, dass solche gutgemeinten Klarstellungen dann wieder neue Missverständnisse hervorrufen können. Tatsächlich waren hier auch unbeplante Gebiete in den Ortschaften gemeint, die einer der aufgezählten Nutzungskategorien entsprechen. Bezüglich der Anwendung der Restriktionskriterien verweist der Planungsverband auf die Erläuterungen im Abschnitt 6 des Umweltberichtes, die bereits in der Fassung vom November 2018 enthalten waren. Nach Auffassung des Planungsverbandes müssen die Restriktionskri- terien entsprechend dem Gewicht der jeweils dahinterstehenden Belange in die Abwägung einbezogen werden. Für einzelne Kriterien bedeutet dies tatsächlich, dass sie wie faktische Ausschlusskriterien wirken und nur in besonderen Fällen eine andere Abwägung erlauben. Dies trifft aber nicht auf alle Restriktionskriterien zu. Mit der Kritik einiger Einwender an der 35-Hektar-Mindestgröße für Eignungsgebiete hatte sich der Planungsverband bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 aus- einandergesetzt. Der Planungsverband weist darauf hin, dass bei der Vorauswahl von Flächen anhand eingangs festgelegter Ausschlusskriterien zunächst eine Vielzahl an Kleinst- und Split- terflächen entsteht, sodass schon aus planungsmethodischen Gründen die Vorsortierung an- hand einer bestimmten Mindestgröße sinnvoll ist. Wenn diese Größe so gewählt wird, dass in der Regel drei Anlagen in einem Vorranggebiet Platz finden können, so ist dies sowohl durch Erwägungen des Landschaftsschutzes als auch der Wirtschaftlichkeit begründet. Dies wurde bereits in den früher veröffentlichten Entwurfsdokumenten dargelegt. Für den Planungsver- band ist nicht ersichtlich, womit die betreffenden Einwender diese Erwägungen widerlegt ha- ben wollen. Die Einwender hatten lediglich auf die Tatsache hingewiesen, dass in vielen Fällen auch kleinere Gebiete drei Anlagen aufnehmen könnten, weil die Anzahl der möglichen Anla- gen in einem Vorranggebiet nicht allein von dessen Größe, sondern auch von dessen Zu- schnitt abhängt. Diese Tatsache war dem Planungsverband schon selbst bekannt und be- wusst – sie ändert aber nichts daran, dass 35 Hektar ein geeigneter Richtwert sind, wenn man sicherstellen möchte, dass in der Regel mindestens drei Anlagen in einem Vorranggebiet Platz finden können. Die Einwendung der Gemeinde Thürkow beruht auf einem Missverständnis. Der Planungsver- band hat im Entwurf vom November 2018 – im Unterschied zu den vorangegangenen Entwür- fen – erstmals eine Differenzierung zwischen den angewandten Abstandsrichtwerten zum Schutz der Wohnorte und dem genehmigungsrechtlich erforderlichen Mindestabstand (500 Meter) vorgenommen. Diese Unterscheidung soll lediglich den planerischen Abwägungsspiel- raum verdeutlichen. Der 500-Meter-Abstand als essenzieller Mindestabstand bildet unter an- derem eine Grundlage für die im Umweltbericht dargelegte Alternativenprüfung. Für die Ab- grenzung der festgelegten Vorranggebiete ist der 500-Meter-Abstand ohne Belang.

4.5 Unterscheidung von „harten“ und „weichen“ Kriterien

4.5.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Appelhagen (vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel) und Rakow • Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte, Röbel/Müritz • Notus Energy Wind GmbH & Co KG, Potsdam, vertreten durch die Kanzlei Dombert Rechtsanwälte, Potsdam

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• Landesverband Erneuerbare Energien Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • WPD Onshore GmbH & Co KG, Rostock • NABU Mecklenburg-Vorpommern • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Wind Energy Network e.V., Rostock • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • UKA Nord Projektentwicklung GmbH & Co, Rostock • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow

4.5.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin aus Appelhagen, vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel, nimmt zum Vorranggebiet Nr. 127 Stellung und geht dabei auch auf das Planungskonzept der RREP-Fortschreibung und die Kriterien der Flächenauswahl ein. Die Einwenderin zitiert um- fänglich aus einschlägigen Gerichtsurteilen, in denen die methodisch richtige Flächenauswahl in mehreren Planungsschritten dargelegt und der unterschiedliche Rechtscharakter von „har- ten“ und „weichen“ Ausschlusskriterien erläutert wird. Diese Kategorien ließen sich in den Ent- wurfsunterlagen der RREP-Fortschreibung (trotz abweichender Diktion) zutreffend wiederfin- den. Ihren Erläuterungen zum Rechtscharakter der Ausschlusskriterien stellt die Einwenderin dann die vom Planungsverband im Umweltbericht vom November 2018 gegebene Erläuterung der zusätzlich angewandten Restriktionskriterien gegenüber. In der allgemeinverständlichen Zusammenfassung des Umweltberichtes hatte der Planungsverband ausgeführt, dass die Restriktionskriterien hauptsächlich eine „Warnfunktion“ haben und bei der Flächenauswahl „nicht von vornherein“ zum Ausschluss führen. Die Einwenderin vermeint hierin ein falsches Verständnis der Ausschlusskriterien zu erkennen, führt aber nicht näher aus, worin der Irrtum des Planungsverbandes bestehen soll. Eine Bürgerin aus Rakow (gleichlautend die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“) erklärt, es sei unverständlich, wie der Planungsverband einen Abstand von 500 Metern zu Wohnorten als essenziell bezeichnen könne. Sämtliche wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnisse würden damit ignoriert. Die Abstandsrichtwerte seien dem Stand der Technik und den seit 2016 geltenden Hinweisen der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Immis- sionsschutz (LAI) zum sogenannten Interimsverfahren anzupassen. Die Raumordnung habe gegenüber dem Bürger eine Vorsorgepflicht zu erfüllen und nicht nur ein minimales Schutzni- veau sicherzustellen. Der Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte bemängelt nochmals die aus seiner Sicht fehlende Unterscheidung zwischen „harten“ und „weichen“ Ausschlusskriterien. Im Übri- gen habe der Planungsverband seine Kriterienauswahl nicht transparent und nachvollziehbar begründet. Dies seien schwerwiegende Fehler, die, wenn sie nicht beseitigt würden, zwingend dazu führen müssten, dass die RREP-Fortschreibung später erfolgreich beklagt werde. Der Tourismusverband sieht es als erforderlich an, dass der Entwurf nach den von ihm angeführten Maßgaben der Rechtsprechung nochmals überarbeitet und erneut ausgelegt wird. Die Notus Energy Wind GmbH & Co KG geht ebenfalls davon aus, dass, gemessen an den diesbezüglichen Anforderungen der Rechtsprechung, eine richtige Unterscheidung von „har- ten“ und „weichen“ Planungskriterien nicht erfolgt sei. Der Planungsverband habe der ersteren Kategorie ausdrücklich all jene Flächen zugeordnet, auf denen die Windenergienutzung „in der Regel“ an geltenden Rechtsvorschriften scheitern müsste. Dies sei ein Irrtum, denn defi- nitionsgemäß stünden harte Ausschlusskriterien der Windenergienutzung generell entgegen. Darüber hinaus habe der Planungsverband verkannt, dass sämtliche „weichen“ Kriterien einer

91 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dezidierten Begründung bedürften, um ihre Anwendung zu rechtfertigen. Dass im Begrün- dungsteil der RREP-Fortschreibung eine ausführliche Beschreibung und Rechtfertigung der „weichen“ Kriterien fehle, lasse darauf schließen, dass sich der Planungsverband den Unter- schied zwischen den beiden Kategorien von Ausschlusskriterien gar nicht bewusst gemacht habe. Damit liege offensichtlich ein erheblicher Abwägungsfehler vor. Der Landesverband Erneuerbare Energien kritisiert, dass der Planungsverband die Wälder und die Europäischen Vogelschutzgebiete fälschlich den essenziellen Ausschlusskriterien zugordnet habe. Damit lasse der Planungsverband das theoretisch verfügbare Flächenpoten- zial für die Windenergienutzung kleiner erscheinen als es tatsächlich sei. Im Hinblick auf die gebotene Prüfung, ob der Windenergienutzung „substanziell“ Raum geschaffen wird, sei diese Vorgehensweise nicht rechtskonform (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.2 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge- richtes dürften als „harte Tabuzonen“ nur solche Flächen eingestuft werden, auf denen die Errichtung von Windenergieanlagen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen „schlechthin ausgeschlossen“ wäre. Die WPD Onshore GmbH & Co KG kritisiert die aus ihrer Sicht nicht sachgemäße Zuordnung des Bauschutzbereiches um den Flugplatz Laage zu den essenziellen Ausschlusskriterien. Am Beispiel des Vorranggebietes Nr. 72 legt die Einwenderin dar, dass auch innerhalb des Bauschutzbereiches die Genehmigung von Windenergieanlagen nicht ausgeschlossen wäre (vgl. auch die in den Abschnitten 5.4 und 6 diesbezüglich wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Hier gelte kein Bauverbot, sondern lediglich ein Erlaubnisvorbehalt. Die vom Planungsverband in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 vorgenom- mene Gleichsetzung mit anderen Ausschlusskriterien, die zwar theoretisch, aber kaum in der Praxis überwindbar erscheinen, sei nicht zutreffend. Bei den Bauschutzbereichen der Flug- plätze könne nicht von der Unzulässigkeit als Regelfall ausgegangen werden. Im konkreten Fall des Vorranggebietes Nr. 72 habe die Bundeswehr die Zulassung von Windenergieanlagen ab einer Entfernung von 5 Kilometern zum Flugplatz in Aussicht gestellt, während der Bau- schutzbereich hier einen Umkreis von 6 Kilometern bildet. Der Planungsverband habe in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 selbst ausgeführt, dass es nicht in der Kom- petenz der Regionalplanung liegt, bestehende Rechtsvorschriften zu ändern. Diese Feststel- lung dürfe nicht nur in dem Sinne verstanden werden, dass Verbote zu beachten sind – um- gekehrt müsse ebenso gelten, dass ein bloßer Erlaubnisvorbehalt nicht von der Regionalplanung zu einem Verbot umgedeutet werden dürfe. Der Ausschluss könne auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die betreffenden Flächen im regionalplanerischen Maßstab vernachlässigbar wären. Im Rahmen der Flächenauswahl seien zunächst sämtliche potenziell geeigneten Gebiete zu betrachten. Im Fall des Vorranggebietes Nr. 72 gehe es um eine Fläche von durchaus erheblicher Größe, die aufgrund der fehlerhaften Kriterienauswahl des Planungsverbandes der Betrachtung von vornherein entzogen worden sei. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern nimmt Bezug auf die in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 gegebene Definition der essenziellen Ausschlussgebiete, innerhalb derer nach dem Verständnis des Planungsverbandes die Windenergienutzung „in der Regel“ un- möglich wäre. Der Einwender weist darauf hin, dass in der Diktion des Bundesverwaltungsge- richtes als „harte Tabuzonen“ diejenigen Gebiete verstanden werden, in denen die Windener- gienutzung „schlechterdings“ unmöglich wäre. Der Einwender regt an nochmals zu überprüfen, ob jeweils das Gleiche gemeint ist und ob die Definition des Planungsverbandes insoweit mit der Rechtsprechung konform geht. Bei den militärischen Schutzbereichen hält der Einwender die vom Planungsverband vorgenommene Zuordnung zu den essenziellen Ausschlusskrite- rien jedenfalls für offensichtlich fehlerhaft, weil das diesbezüglich maßgebende Schutzbe- reichsgesetz lediglich einen Erlaubnisvorbehalt enthält. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Hinweise der Bundeswehr ließen erkennen, dass dies auch in der Genehmigungspraxis genauso ausgelegt und gehandhabt werde. Auch der Pla- nungsverband selbst sei mit den Schutzbereichen nicht in dem von ihm postulierten Sinne konsequent, sondern zum Teil abwägend umgegangen. Ebenso fehlerhaft sei die Annahme

92 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 eines essenziellen Schutzabstandes von 500 Metern um Einzelhäuser und Splittersiedlungen im Außenbereich. Die Bestimmungen des einschlägigen § 35 des Baugesetzbuches sind nach Auffassung des Einwenders so zu verstehen, dass die Wohnnutzung im Außenbereich grund- sätzlich unerwünscht sei, während der Windenergienutzung hier ausdrücklich ein privilegierter Status zuerkannt worden sei. Soweit Häuser im Außenbereich rechtmäßig errichtet wurden und tatsächlich dauerhaft dem Wohnen dienen, könnten entsprechende Schutzerfordernisse in späteren Genehmigungsverfahren nach den Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutz- gesetzes berücksichtigt werden. Mit einer solchen Lösung wäre ein Weg eröffnet für individu- elle Einigungen zwischen Windparkbetreibern und Anwohnern, die auch eine Aufgabe der Wohnnutzung gegen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich beinhalten könnten. Dass letzteres keinesfalls nur eine theoretische Option wäre, habe der Planungsverband schon selbst erkannt und in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 ausdrücklich dargelegt. Der Einwender geht davon aus, dass es in vielen Fällen nach Aufgabe einer früheren, mög- licherweise rechtmäßigen Nutzung zur illegalen Nutzung von Gebäuden zu Wohnzwecken ge- kommen ist. Die Annahme des Planungsverbandes, dass im Regelfall die bestehende Nut- zung als schutzwürdig angenommen werden müsse, sei somit offensichtlich falsch. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg nimmt Bezug auf die Rechtsprechung zu einer möglichen „bedrängenden“ Wirkung von Windenergieanla- gen auf benachbarte Wohnhäuser. Anders als vom Planungsverband in der Abwägungsdoku- mentation vom November 2018 dargestellt, habe sich bei den Gerichten nicht das zweifache, sondern das dreifache der Anlagenhöhe als Richtwert etabliert. Erst oberhalb dieses Richt- wertes gingen die Gerichte regelmäßig davon aus, dass die bauplanungsrechtlichen Anforde- rungen des Nachbarschutzes eingehalten würden. Bei heute üblichen Anlagen von 200 Metern Höhe ergäbe sich somit ein essenzieller Schutzabstand von 600 Metern. Der Verein Wind Energy Network e.V. begrüßt die mit dem dritten Entwurf der RREP-Fort- schreibung vorgenommenen Klarstellungen zur Unterscheidung essenzieller und weiterer Ausschlusskriterien. Problematisch sei jedoch, dass der Planungsverband sich nicht der in der Rechtsprechung verwendeten Begrifflichkeit angepasst habe, also zum Beispiel „Ausschluss- gebiete“ anstelle von „Tabuzonen“ bestimme. Auch mit der Bezeichnung „essenzieller“ an- stelle von „harten“ Ausschlusskriterien werde ohne Not von einer eingeführten Terminologie abgewichen. Auch das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie äußert Unverständnis dar- über, dass der Planungsverband von der „rechtsüblichen“ Terminologie der harten und wei- chen Kriterien abgewichen sei. Zu den diesbezüglichen Ausführungen in der Abwägungsdo- kumentation vom November 2018 merkt das Amt an, dass die geschützten Biotope zwar in der Aufzählung der „harten“ Kriterien zutreffenderweise enthalten seien, im nachfolgenden Er- läuterungstext jedoch fehlten. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock vermisst in der Abwägungsdokumenta- tion vom November 2018, wo es um die Bestimmung der essenziellen Ausschlusskriterien geht, eine Erläuterung der gesetzlich geschützten Biotope und Geotope. Darin hätte klarge- stellt werden sollen, ob die Beschränkung auf größere Flächen ab 5 Hektar ausschließlich dem Maßstab der Regionalplanung und der kartografischen Darstellung geschuldet ist oder ob noch andere Erwägungen maßgebend waren. Bezüglich der vom Planungsverband im Um- weltbericht gegebenen allgemeinen Begriffsbestimmung der essenziellen Ausschlussgebiete weist die Naturschutzbehörde darauf hin, dass auch die Landschaftsschutzgebiete in diese Kategorie fallen müssten, weil hier durch Rechtsverordnung die Errichtung baulicher Anlagen in der Regel verboten ist. Die UKA Nord Projektentwicklung GmbH & Co empfiehlt, die Europäischen Vogelschutz- gebiete den „weichen“ Ausschlusskriterien zuzuordnen. Diese Zuordnung werde durch zahl- reiche Gerichtsurteile gestützt. Eine pauschale Einstufung als „harte“ Tabuzone – ohne nähere Prüfung – sei nicht zu begründen. Vielmehr müsste für jedes einzelne Schutzgebiet anhand der maßgebenden Schutzziele und Vogelarten geprüft werden, ob die Windenergienutzung zu

93 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 einer erheblichen Beeinträchtigung führen würde. Der Planungsverband habe im Umweltbe- richt vom November 2018 nur diejenigen Vogelschutzgebiete in seine Verträglichkeitsprüfung einbezogen, die im Umkreis von sechs Kilometern um die geplanten Vorranggebiete liegen. Die übrigen Vogelschutzgebiete seien offenbar nicht weiter betrachtet worden. Der Planungs- verband müsse sich entscheiden, entweder für jedes Schutzgebiet eine einzelfallbezogene Prüfung daraufhin durchzuführen, ob die Errichtung von Windenergieanlagen hier in jedem Fall an den einschlägigen Rechtsvorschriften scheitern würde – oder die Vogelschutzgebiete insgesamt den „weichen“ Ausschlusskriterien zuzuordnen. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ kritisiert die aus ihrer Sicht zu offenen Formulierungen im Textteil der RREP-Fortschreibung, die zu viele Ausle- gungsspielräume böten (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 10 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin zur Ausnahmeregelung für Windenergieanlagen außerhalb der Eig- nungsgebiete). In diesem Zusammenhang geht die Einwenderin auch auf die Unterscheidung von essenziellen und weiteren Ausschlusskriterien ein. Nicht einmal bei den Kriterien der Flä- chenauswahl habe sich der Planungsverband eindeutig festlegen wollen. Die Unterscheidung in „essenzielle“ und „weitere“ Ausschlussgebiete gebe lediglich der Windenergiewirtschaft Raum zur Spekulation. Die Einwenderin verlangt, dass Ausschlusskriterien unverrückbar und eindeutig festgeschrieben werden.

4.5.3 Zusammengefasste Abwägung Von einzelnen Bürgern wird die vorgenommene Unterscheidung zwischen essenziellen und weiteren Ausschlusskriterien schon im Ansatz als falsch angesehen. Die Planung habe dem Prinzip der Vorsorge zu folgen und sich nicht an bloßen Mindeststandards zu orientie- ren. Diese Kritik ist verständlich, weil den Bürgern die umfängliche Rechtsprechung zu diesem Themenkreis und die daraus für die RREP-Fortschreibung abzuleitenden Anforderungen nicht geläufig sein müssen. Die von einem Einwender gewählte Formulierung, es werde ein „Spe- kulationsraum“ eröffnet, trifft dabei ziemlich genau das, was die Gerichte von den Planern er- warten: Aus dem Planungskonzept soll klar ersichtlich sein, wie weit der Abwägungsspielraum reicht – wie groß also der Raum ist, der für die Windenergienutzung theoretisch zur Verfügung stünde und somit in die Betrachtung möglicher Planungsalternativen einbezogen werden muss. Diese Betrachtung ändert nichts daran, dass im Ergebnis dennoch ein Kriteriensystem gewählt wird, das sehr weitgehend dem – von den Bürgern zu Recht eingeforderten – Grund- satz der Vorsorge folgt. Der Einwand des Tourismusverbandes Mecklenburgische Seenplatte, wonach der Planungs- verband die gebotene Differenzierung seiner Kriterien gar nicht vorgenommen habe, ist nicht nachvollziehbar. Die Entwurfsunterlagen vom November 2018, auf die sich der Einwen- der bezieht, enthalten auf rund 50 Seiten Beschreibungen und Begründungen der angewand- ten Planungskriterien und darüber hinaus auf fünf Seiten grundsätzliche Überlegungen zur Reichweite des planerischen Abwägungsspielraumes bei der Kriterienbestimmung und zur Unterscheidung von essenziellen („harten“) und weiteren („weichen“) Ausschlusskriterien. So- fern der Einwender diese Erläuterungen für nicht schlüssig oder nicht sachgerecht befunden haben sollte, hätte er in seiner Stellungnahme auf die aus seiner Sicht gegebenen inhaltlichen Mängel hinweisen können. Weitere Einwender stören sich daran, dass die Differenzierung zwar in der Sache erfolgt, die Kategorien aber nicht mit den richtigen Begriffen bezeichnet worden seien. Der Pla- nungsverband vertritt hierzu die Auffassung, dass es auf die Begriffe nicht ankommt, sondern allein auf die richtige Unterscheidung der Kategorien. Das umgangssprachliche Begriffspaar der „harten“ und „weichen“ Kriterien ist von den Verwaltungsgerichten vermutlich in der Absicht gewählt worden, ihre abstrakten Überlegungen den Planern möglichst leicht verständlich zu machen. Planungspraxis und Rechtsprechung der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass sich an diesen einfachen Begriffen eine Vielzahl von Missverständnissen und Streitigkeiten festmachen lässt. Die Begriffe aus der Alltagssprache lassen die Unterscheidung einfacher

94 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 erscheinen als sie tatsächlich ist. Es besteht somit kein Grund, diese nur scheinbar klare Be- grifflichkeit zwingend zu übernehmen. Der in der Rechtsprechung zum Teil verwendete Ober- begriff der „Tabuzonen“ ist aus Sicht des Planungsverbandes ebenfalls ungeeignet, weil er definitionsgemäß keine Differenzierung zulässt. Ein Tabu ist nach allgemeinem Verständnis immer ein unbedingtes, nicht in Frage zu stellendes Verbot. Eine weiche Tabuzone wäre somit ein Widerspruch in sich. Einige Einwender bemängeln, dass nähere Erläuterungen der Kriterien überwiegend im Umweltbericht und in der Abwägungsdokumentation, also nicht in der eigentlichen Planbegründung, enthalten sind. In der Planbegründung wird eine klare Unterscheidung zwi- schen essenziellen und weiteren Ausschlusskriterien vorgenommen und damit der gegebene Abwägungsspielraum deutlich gemacht. Die nähere Beschreibung und Begründung der ein- zelnen Kriterien, ihrer räumlichen Auswirkung, der verwendeten Datengrundlagen, der Metho- dik der Flächenauswahl und der Planungsalternativen erfolgt dagegen im Umweltbericht, weil dieser Bericht gemäß dem Raumordnungsgesetz eben den Zweck erfüllen soll, dass alle Er- wägungen des Umweltschutzes und der Umweltvorsorge, die für die Planung maßgebend wa- ren, den Planungsbeteiligten und der allgemeinen Öffentlichkeit näher erläutert werden. Sämt- liche Planungskriterien, die bei der Fortschreibung des RREP angewandt wurden, beruhen im weitesten Sinne auf Erwägungen des Umweltschutzes (einschließlich des technischen Um- weltschutzes und des Schutzes von Kultur- und Sachgütern). Deshalb erscheint es dem Pla- nungsverband sowohl sachlich als auch rechtlich folgerichtig, dass die ausführliche Erläute- rung dieser Kriterien im Umweltbericht erfolgt. Darüber hinaus erschien es dem Planungsverband geboten, in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 einige grundsätzliche Fragen zur Unterscheidung von „harten“ und „weichen“ Kriterien zu erörtern, weil sowohl die bis dahin vorliegenden Entwürfe zur Fortschreibung der Raumentwicklungs- programme in Mecklenburg-Vorpommern als auch jüngste obergerichtliche Urteile aus ver- schiedenen Bundesländern erkennen ließen, dass sich für diese Unterscheidung bisher kein einheitliches Verständnis und keine einheitlichen Maßstäbe herausgebildet haben. Auch diese abstrakten und theoretischen Erwägungen gehören nach Auffassung des Planungsverbandes nicht in die eigentliche Planbegründung, weil sie nur für diejenigen Planungsbeteiligten über- haupt von Interesse sind, die sich mit solchen Abstraktionen vertieft auseinandersetzen wollen. Sie gehören in die Abwägungsdokumentation, welche gerade den Zweck erfüllen soll, die Un- sicherheiten, Streitfragen und Meinungsverschiedenheiten, die Gegenstand der Abwägung waren, möglichst umfassend darzulegen, um den Abwägungsprozess für alle Beteiligten nach- vollziehbar zu machen. Sofern bestimmte Einwender mit ihrer Kritik nahelegen möchten, dass nur die eigentliche Planbegründung als vollwertige Planunterlage gelten könne, sodass alle Erwägungen, die zum Planungsergebnis geführt haben, in dieser Begründung erschöpfend dargelegt werden müssten, kann dem nicht gefolgt werden. In der Region Rostock werden die Abwägungsdokumentation und der Umweltbericht als integrale Bestandteile der Entwurfs- und Planunterlagen angesehen, die Gegenstand der Beratungen in den Verbandsgremien und der öffentlichen Auslegung waren und deren Kenntnisname zum umfassenden Verständnis der Planung erforderlich ist. In rechtlicher Hinsicht kommt es nach Auffassung des Planungsver- bandes nicht darauf an, in welchem Teil der Plandokumente die angewandten Ausschlusskri- terien näher erläutert und im Einzelnen begründet werden, sondern allein darauf, dass diese Erläuterungen und Begründungen in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise gegeben wer- den und dass allen Planungsbeteiligten Gelegenheit gegeben wurde, sich damit auseinander- zusetzen. Die von mehreren Einwendern geäußerten Zweifel, ob der Planungsverband die Unter- scheidung zwischen essenziellen und weiteren Ausschlusskriterien in der Sache richtig gemacht habe, lassen sich wiederum an einem scheinbar einfachen Begriff festmachen, wel- cher in der einschlägigen Rechtsprechung verwendet wird. Zu den „harten“ Tabuzonen gehöre eine bestimmte Gebietskategorie immer dann, wenn dort die Windenergienutzung „schlecht- hin“ unmöglich sei. Ein einheitliches Verständnis, für welche Gebietskategorien dies zutrifft, hat sich in der Rechtsprechung bisher nicht herausgebildet. In der juristischen Fachliteratur wird zum Teil auch die Auffassung vertreten, dass es solche Gebiete im strengen Sinne gar

95 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 nicht gebe und eine zweifelsfreie Unterscheidung nicht zu treffen sei. Der Planungsverband möchte sich in diese juristische Diskussion nicht einmischen, sondern geht von einem plane- rischen Verständnis aus: Als essenzielle Ausschlussgebiete gelten alle Flächen, für die nach vernünftigem Ermessen davon ausgegangen werden kann, dass Windparks mit Anlagen der heute üblichen Größe dort in der Regel keine Genehmigung erhalten würden. Der von der Notus Energy Wind GmbH & Co KG verwendete Begriff „generell ausgeschlossen“ gibt das Verständnis des Planungsverbandes zutreffend wieder, indem er auf eine generalisierte Be- trachtung abzielt, die nicht jeden denkbaren Einzel- und Ausnahmefall einbeziehen kann. Be- reits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 war die Frage erörtert worden, wie in diesem Zusammenhang mit Erlaubnisvorbehalten und präventiven Verboten umzugehen ist. Diese Frage wird nun von einzelnen Einwendern anhand verschiedener Beispiele noch- mals aufgeworfen. Der Planungsverband hat die betreffenden Gebietskategorien im Zweifel den essenziellen Ausschlussgebieten zugeordnet, weil anderenfalls ein überzeichnetes Bild des verfügbaren Flächenumfangs entstehen würde, das als Grundlage für eine realitätsnahe Potenzialabschätzung und Alternativenprüfung kaum verwendbar wäre. Für den Fall, dass sich bundesweit ein Verständnis durchsetzen sollte, wonach nur repressive Verbote den har- ten Ausschlusskriterien zuzuordnen wären, hat der Planungsverband auch das erweiterte Flä- chenpotenzial ermittelt, das sich nach dieser Berechnungsweise für die Region Rostock erge- ben würde. Alle Einwender und sonstigen Interessenten, die dieser engeren Auslegung zuneigen, konnten somit schon der Abwägungsdokumentation vom November 2018 die für sie relevanten Informationen entnehmen. Diese sind im Abschnitt 3.2 der vorliegenden Dokumen- tation nochmals wiedergegeben. Wohin eine übertrieben enge Auslegung des Begriffes der „harten“ Kriterien führt, zeigen Beispiele aus anderen Regionen, in denen außer Siedlungsflä- chen und Naturschutzgebieten praktisch der gesamte Planungsraum als Potenzialfläche an- gesehen wird – womit die von den Gerichten geforderte Unterscheidung aus Sicht des Pla- nungsverbandes eigentlich ad absurdum geführt wird. Soweit die Kritik verschiedener Einwender an der vom Planungsverband vorgenommenen Dif- ferenzierung darauf abzielt, dass bestimmte essenzielle Ausschlusskriterien nicht nur ei- gentlich „weich“ wären, sondern gar nicht als Ausschlusskriterien gelten dürften, geht sie jedenfalls zu weit. Bei allen strittigen Gebietskategorien – also denjenigen, wo Erlaubnis- vorbehalte anstelle strikter Verbote gelten – wäre in jedem Fall aus Gründen der planerischen Vorsorge ein pauschaler Ausschluss der Windenergienutzung gerechtfertigt und geboten. Die oben dargelegten Unterschiede zwischen enger und weiter Auslegung des Begriffes der es- senziellen Kriterien wirken sich also auf den Umfang des theoretischen Flächenpotenzials, nicht jedoch auf Auswahl und Zuschnitt der im Ergebnis der RREP-Fortschreibung festgeleg- ten Vorranggebiete aus. Die Stellungnahme der Bürgerin aus Appelhagen (Rechtsanwälte Weißleder Ewer) lässt er- kennen, dass die Unterscheidung von „weichen“ Ausschlusskriterien und Restriktions- kriterien nach wie vor Anlass zu Missverständnissen gibt. Der Unterschied war bereits in den Entwurfsdokumenten vom November 2018 dargelegt worden: Die Auswahl der Ausschlusskri- terien erfolgt nach Maßgabe einer planerischen Abwägung – die Anwendung dieser Kriterien erfolgt dagegen ohne Abwägung und ohne Ansehen des konkreten Einzelfalles. Bei den Rest- riktionskriterien unterliegt auch die Anwendung immer einer einzelfallbezogenen Abwägung. Zur Frage, ob die Wälder zu den essenziellen Ausschlussgebieten gerechnet werden dürfen, hat der Planungsverband seine Überlegungen bereits in den Entwurfsdokumenten vom No- vember 2018 dargelegt. Nach nochmaliger Überprüfung kommt der Planungsverband zu kei- nem anderen Ergebnis. Der § 10 des Landeswaldgesetzes bestimmt, unter welcher Voraus- setzung die Umwandlung von Wald in andere Nutzungen planerisch vorgesehen werden darf. In der Region Rostock ist diese Voraussetzung nicht gegeben, weil ein mehr als ausreichen- des Flächenpotenzial im Offenland vorhanden ist. Auch ohne die gesetzliche Vorgabe wäre in der waldarmen Region Rostock der pauschale Ausschluss der Wälder schon aufgrund plane- rischer Erwägungen gerechtfertigt und geboten.

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Auch bezüglich der Europäischen Vogelschutzgebiete kommt der Planungsverband nach nochmaliger Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Der Einwand der UKA Nord Projektentwick- lung, dass der Planungsverband nur einen Teil dieser Schutzgebiete daraufhin überprüft hätte, ob Windparks möglicherweise zugelassen werden könnten, trifft nicht zu. Tatsächlich wurden für alle Vogelschutzgebiete die maßgebenden Schutzziele und das Spektrum der Zielarten auf ihre Vereinbarkeit mit der Windenergienutzung überprüft. Zutreffend ist allerdings, dass die Verträglichkeitsprüfung im Abschnitt 9 des Umweltberichtes sich nicht auf alle diese Schutz- gebiete bezieht, weil nicht für alle eine mögliche Beeinträchtigung durch die festgelegten Vor- ranggebiete erkannt werden konnte. Die Verträglichkeitsprüfung hat jedoch mit der Einordnung der Vogelschutzgebiete als „hartes“ oder „weiches“ Kriterium nichts zu tun. Bei der Verträg- lichkeitsprüfung geht es nur darum, die Erheblichkeit möglicher Wirkungen von außen auf die Schutzgebiete zu bewerten. Auch bezüglich der Vogelschutzgebiete gilt, dass unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung schon aufgrund planerischer Erwägungen eine Anwendung als Ausschlusskriterium begründet wäre. Exemplarisch deutlich wird die Schwierigkeit einer zweifelsfreien Zuordnung bei den Land- schaftsschutzgebieten. Auch hierzu hatte der Planungsverband seine Überlegungen schon in den Entwurfsdokumenten vom November 2018 dargelegt. Das in diesen Gebieten übliche Bauverbot in der freien Landschaft ist in der Regel repressiv formuliert, sodass die Land- schaftsschutzgebiete selbst bei enger Auslegung zu den essenziellen Ausschlussgebieten ge- hören müssten. In der Praxis werden Befreiungen und Ausgliederungen jedoch freizügig ge- handhabt, sodass es sich tatsächlich um ein eher „weiches“ Verbot handelt. Außerdem liegt die Zuständigkeit für diese Schutzgebiete bei den Gebietskörperschaften – also den Mitglie- dern des Planungsverbandes – selbst, sodass in der Region darüber entschieden werden kann. Die Bauschutzbereiche der Flugplätze dienen dem Zweck, den Luftraum im Bereich der An- und Abflugzonen von störenden Hindernissen freizuhalten. Daraus ergibt sich, dass sie für die Windenergienutzung im großen Maßstab nicht zur Verfügung stehen und aus planerischer Sicht den essenziellen Ausschlusskriterien zuzuordnen sind. In rechtlicher Hinsicht gehören die hier maßgebenden Vorschriften zu den Genehmigungsvorbehalten. Bei enger Auslegung des Begriffes der „harten“ Ausschlusskriterien dürfte man den Bauschutzbereich somit nicht zu dieser Kategorie zählen, weil dort die Errichtung von Windenergieanlagen nicht schlechthin unmöglich ist. Wollte man den Begriff der „weichen“ Kriterien ebenso eng auslegen, gehörte der Bauschutzbereich auch in diese Kategorie nicht hinein. „Weiche“ Ausschlusskriterien kennzeichnen nach dem Verständnis des Bundesverwaltungsgerichtes solche Flächen, die nach dem Willen des Plangebers von der Windenergienutzung ausgeschlossen bleiben sollen. Auch dies trifft hier nicht zu, da jedenfalls im größten Teil des Bauschutzbereiches die Zulas- sung von Windenergieanlagen schon am Luftfahrtrecht scheitern würde, sich also dem Willen des Plangebers entzieht. Einen denkbaren Ausweg böte die Differenzierung des Bauschutz- bereiches in einen „harten“ Kern und einen „weichen“ Rand. Um eine solche Differenzierung sicher vornehmen zu können, würden jedoch fachliche Informationen benötigt, über die der Planungsverband nicht verfügt. Insbesondere wenn man ein solches Vorgehen für alle im Ab- schnitt 3.2 aufgeführten zweifelhaften Ausschlusskriterien verlangen wollte, würden die Anfor- derungen an das Planungskonzept in einem Maße erhöht, das zumindest für die Maßstabs- ebene der Regionalplanung nicht realistisch und angemessen wäre. Wie sich das theoretische Flächenpotenzial vergrößern würde, wenn von einem engeren Verständnis essenzieller Aus- schlussgebiete ausgegangen würde, ist im Abschnitt 3.2 nochmals ausgeführt. Für den kon- kreten Fall des Vorranggebietes Nr. 72, der von der WPD Onshore GmbH & Co KG vorge- bracht wird, würde sich durch eine solche Zuordnung nichts ändern, denn auch ein „weiches“ Ausschlusskriterium bliebe ein Ausschlusskriterium. Der Planungsverband ist sich der Tatsa- che bewusst, dass in den Randbereichen des Bauschutzbereiches um den Flugplatz Laage durchaus große Windenergieanlagen genehmigt werden könnten, geht aber davon aus, dass bei der Bestimmung der essenziellen Ausschlusskriterien eine dem Maßstab der Regionalpla- nung entsprechende Generalisierung und Pauschalierung erfolgen muss. Für den Fall, dass die Einwenderin diese Pauschalierung für zu weitgehend hält und sich der Auffassung des

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Planungsverbandes nicht anschließen möchte, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die angeregte Erweiterung des Gebietes Nr. 72 ohnehin nicht in Betracht gezogen würde. Auch bei enger Auslegung des Begriffes der „harten“ Kriterien würde der Planungsverband an den Bauschutzbereichen jedenfalls als „weiches“ Ausschlusskriterium festhalten, weil sich An- und Abflugverfahren und somit die Genehmigungsvoraussetzungen im Planungszeitraum än- dern können und somit schon aus Gründen der planerischen Vorsorge die konsequente Frei- haltung des näheren Flugplatzumfeldes von Windenergieanlagen sinnvoll und geboten ist. Hinsichtlich der militärischen Schutzbereiche gilt im Prinzip das gleiche wie für die Bau- schutzbereiche der Flugplätze. Die Stellungnahme des NABU macht jedoch deutlich, dass der Begriff der „Schutzbereiche“ in den bisherigen und Entwurfsunterlagen und in Stellungnahmen Dritter nicht immer einheitlich verwendet wurde, sodass Missverständnisse möglich waren. Den essenziellen Ausschlusskriterien zugeordnet wurden tatsächlich nur die militärischen An- lagen selbst (in der Regel die eingezäunten Bereiche) und die förmlich festgelegten Schutz- bereiche um militärische Flugsicherungsanlagen, die sich nur kleinräumig auswirken. Die dar- über hinausgehenden, sehr großflächigen Interessengebiete und Zuständigkeitsbereiche der Flugsicherung (in den Abwägungsdokumentationen zum Teil auch als „Schutzbereiche“ be- zeichnet) wurden dagegen den Restriktionskriterien zugeordnet. Wie bei den Bauschutzberei- chen der Flugplätze stellte sich bei den militärischen Schutzbereichen die Frage nach dem zulässigen Grad der Pauschalierung und Generalisierung. Im rechtlichen Sinne bestehen Er- laubnisvorbehalte, sodass strenggenommen von einem „weichen“ Kriterium auszugehen wäre. Der Planungsverband hat sich in praktischer Hinsicht jedoch die Frage vorgelegt, inwie- weit der Betrieb von Windparks zwischen Raketensilos, in der Nähe von Munitionsverladestel- len oder im Nahbereich von Radaranlagen tatsächlich realistisch wäre – und ist zu einem ne- gativen Ergebnis gekommen. Deshalb wurden die Schutzbereiche den essenziellen Ausschlussgebieten zugeordnet. Das Problem der maßstäblichen Generalisierung wird auch bei den geschützten Biotopen berührt, worauf die Naturschutzbehörde des Landkreises hinweist. Überwiegend handelt es sich dabei um kleinteilige Strukturen, die eher auf der Ebene der Flächennutzungsplanung als in der Regionalplanung zu berücksichtigen sind. Die in der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie emp- fohlene Beschränkung auf Biotope über 5 Hektar hat ausschließlich maßstäbliche Gründe. Der Einwand des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt, wonach der Mindestab- stand zu Wohnhäusern 600 Meter betragen müsste, trifft nicht zu. In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, auf die sich das Amt beruft, wird die dreifache Anlagenhöhe nach Kenntnis des Planungsverbandes als oberer und nicht als unterer Richtwert für einen bau- rechtlich vertretbaren Abstand angenommen. Der dreifache Abstand bildet also den Schwel- lenwert zur Feststellung eines Prüferfordernisses, während der zweifache Abstand die Unter- grenze des Ermessensspielraumes markieren soll. Bezüglich der Behandlung von Einzelhäusern und Splittersiedlungen im Außenbereich hat der Planungsverband schon in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 darauf hingewiesen, dass die maßgebenden Mindest-Abstandszonen bei enger Auslegung nicht zu den essenziellen Ausschlusskriterien gezählt werden können. Der NABU greift diese Darle- gungen auf und führt dazu aus, dass die Windenergienutzung laut Gesetz eigentlich Vorrang vor dem Wohnen im Außenbereich haben müsste. Dieser sehr weitgehenden Auslegung möchte der Planungsverband nicht folgen. Im § 35 des Baugesetzbuches wird sowohl Wind- energieanlagen (unter einem Planungsvorbehalt) als auch Wohnhäusern (unter bestimmten Voraussetzungen) eine privilegierte Zulässigkeit eingeräumt. Die Vermutung des NABU, dass die Wohnnutzung heute in vielen Fällen materiell rechtswidrig ausgeübt werde, mag zutreffen. Auf der Ebene der Regionalplanung kann dies jedoch nicht fallweise überprüft werden, sodass tatsächlich von der Schutzwürdigkeit der vorhandenen Nutzung ausgegangen werden muss.

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4.6 Eignungs- und Vorranggebiete

4.6.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Appelhagen (vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel) und Groß Wokern • Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte, Röbel/Müritz • Notus Energy Wind GmbH & Co KG, Potsdam, vertreten durch die Kanzlei Dombert Rechtsanwälte, Potsdam

4.6.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin aus Appelhagen, vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel, nimmt zum Vorranggebiet Nr. 127 Stellung und geht dabei auch allgemein auf verschiedene im Entwurf vom November 2018 enthaltene Regelungen ein. Zum Satz 6.5 (1) führt die Ein- wenderin aus, dass mit der Festlegung von Vorranggebieten gemäß dem Raumordnungsge- setz keine Ausschlusswirkung für den übrigen Planungsraum verbunden sei. Hiervon sei der Planungsverband offensichtlich irrtümlich ausgegangen, wenn in der Begründung zum Satz 6.5 (1) ausgeführt werde, dass „durch die Festlegung der Vorranggebiete“ die Errichtung von Windenergieanlagen an anderer Stelle ausgeschlossen werde. Wolle der Planungsverband ausdrücklich Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung festlegen, setze dies eine umfassende und abschließende Abwägung sämtlicher Belange voraus. Im Fall des Gebietes Nr. 127 habe diese offensichtlich nicht stattgefunden (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Aus- führungen derselben Einwenderin). Ein Bürger aus Groß Wokern äußert den Verdacht, der Planungsverband wolle sich mit der Umbenennung der Eignungsgebiete in Vorranggebiete die rechtliche Möglichkeit offenhalten, weitere Anlagenstandorte außerhalb der festgelegten Gebiete zu schaffen. Aus Sicht des Tourismusverbandes Mecklenburgische Seenplatte entspricht die Festle- gung von Vorranggebieten für Windenergieanlagen nicht der Vorgabe des Landesraument- wicklungsprogrammes, wonach für diese Anlagen Eignungsgebiete in den RREP festgelegt werden sollen. Nur mit dem Begriff des Eignungsgebietes sei eine rechtlich verbindliche Aus- schlusswirkung für den übrigen Planungsraum verbunden. Der Planungsverband sei sich des- sen offensichtlich auch selbst bewusst, wenn er seinen Vorranggebieten zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten zuweise. Aus Gründen der Rechtsklarheit sei jedoch dringend zu emp- fehlen, die Gebiete ausdrücklich als „Eignungsgebiete für Windenergieanlagen“ im RREP fest- zulegen. Die Notus Energy Wind GmbH & Co KG erhebt grundsätzliche Bedenken gegen die Ver- wendung des Begriffes „Vorranggebiet“ weil dieser gemäß dem Raumordnungsgesetz eine abschließende Abwägung aller maßgebenden Belange und einen unbedingten Vorrang für die Windenergienutzung in den betreffenden Gebieten voraussetze. Dazu im Widerspruch stehe die Begründung zum Satz 6.5 (2) der RREP-Fortschreibung, wonach in zahlreichen Gebieten die Errichtung von Windenergieanlagen unter einem ausdrücklichen Prüfungsvorbehalt bezüg- lich der Belange der Flugsicherung stehe. Es sei somit nicht gesichert, dass sich die Wind- energienutzung in allen dafür festgelegten Gebieten gegen andere raumbedeutsame Vorha- ben durchsetzen könne.

4.6.3 Zusammengefasste Abwägung Die Umbenennung der Eignungs- in Vorranggebiete ist bereits in der Abwägung vom Novem- ber 2018 erläutert und begründet worden. Der Planungsverband bleibt nach nochmaliger Überprüfung bei dieser Bezeichnung. Einen Widerspruch zu den Festlegungen des Lan- desraumentwicklungsprogrammes kann der Planungsverband nicht erkennen. Im Satz

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6.5 (1) der RREP-Fortschreibung und der zugehörigen Begründung wird gleich doppelt klar- gestellt, dass die Vorranggebiete zugleich die Außenwirkung von Eignungsgebieten haben, was sich im Übrigen auch schon aus dem Inhalt der textlichen Festlegungen ergibt. Recht zu geben ist der Einwenderin aus Appelhagen darin, dass der zweite Satz der Begrün- dung zu 6.5 (1) missverständlich ist, wenn man ihn nicht im Zusammenhang mit den nachfol- genden Sätzen liest, denn die Festlegung eines Vorranggebietes allein führt nach dem Raumordnungsgesetz nicht zu einem Ausschluss der betreffenden Nutzung im übrigen Planungsraum. Die Begründung wird entsprechend umformuliert. Dass sich mit der förmlichen Bezeichnung als Vorranggebiete die Anforderungen an die pla- nerische Abwägung wesentlich erhöhen würden, kann der Planungsverband nicht erkennen. Der Planungsverband weist darauf hin, dass die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte schon seit Jahren davon ausgeht, dass die Durchsetzung der Windenergienutzung innerhalb der Eignungsgebiete Bedingung dafür ist, dass die Ausschlusswirkung nach außen überhaupt wirksam werden kann. Somit wurde schon bisher eine Abwägungsqualität vorausgesetzt, die der von Vorranggebieten entspricht. Auch der Wortlaut des Satzes 6.5 (1) entspricht bereits in der bisher geltenden Fassung des RREP einer Vorrangfestlegung, indem verbindlich bestimmt ist, dass andere Nutzungen die Windenergienutzung nicht ausschließen oder einschränken dürfen. Bezüglich des Prüfungs- und Genehmigungsvorbehaltes der Flugsicherung gelten die Ausführungen, die zur Ausnutzung der Vorranggebiete in der Begründung zum Satz 6.5 (2) enthalten sind. Es entspricht der Erfahrung der letzten Jahre, dass bei der Genehmigung von Windparks in der Region Rostock meist Restriktionen der Flugsicherung wirksam werden, in- dem Anlagen nicht in maximaler Höhe und Dichte und nicht in beliebiger Aufstellung errichtet werden konnten. Die wirtschaftliche und zweckmäßige Ausnutzung der betreffenden Eig- nungsgebiete entsprechend dem Stand der Technik wurde damit in keinem Fall in Frage ge- stellt. Der Planungsverband kann aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen davon ausge- hen, dass dies auch in den neu festgelegten Vorranggebieten nicht der Fall sein wird. Die von einem Einwender geäußerte Befürchtung, dass der Planungsverband mit der Umbe- nennung die Ausschlusswirkung der Eignungsgebiete stillschweigend aufweichen wolle, trifft nicht zu. Ausnahmen von der Ausschlusswirkung waren auch in der bisher geltenden Fassung des RREP schon ausdrücklich vorgesehen. Mit der Fortschreibung werden diese Ausnahmen nicht erweitert; vielmehr werden die Maßgaben für die Zulassung von Ausnahmen deutlich enger gefasst.

4.7 Berücksichtigung gemeindlicher Interessen

4.7.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Selow und Rakow • Freier Horizont e.V., Penzlin • Bürgerenergiegesellschaft „Am Salzhaff“ GbR, Rakow • ENO Energy GmbH, Rerik • BS Windertrag GmbH, Berlin • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow

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4.7.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Selow nimmt auch als Bürgermeister der Gemeinde Klein Belitz Stellung. Der Einwender weist auf die erhebliche Veränderung hin, welche die Landschaft zwischen Satow, Bützow und Schwaan durch die hier errichteten Windparks erfahren hat. Der Einwender fragt, ob diese Folgen der Windenergienutzung im Energieministerium überhaupt einmal bedacht worden seien. Die Durchsetzung der ehrgeizigen Energiepolitik des Landes werde von den Bürgern als rücksichtslos und arrogant angesehen. Die Gemeinden würden in einer Art Scheindemokratie um ein Einvernehmen ersucht, das aber letztlich belanglos sei. Dies werde als Entmündigung empfunden. Der Verein Freier Horizont e.V. kritisiert die in der RREP-Begründung enthaltenen Klarstel- lungen zur rechtlichen Bindungswirkung der Vorranggebiete. Mit dem Gebot der Anpassung gemeindlicher Bauleitpläne würde in unverantwortlicher und rechtswidriger Weise in die kom- munale Planungshoheit eingegriffen. Die Bürgerenergiegesellschaft „Am Salzhaff“ GbR nimmt als Betreiberin von Windenergie- anlagen im ursprünglichen Eignungsgebiet Nr. 22 Stellung (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Dieses Eignungsgebiet sei von der Gemeinde Am Salzhaff durch einen Bebauungsplan untersetzt worden, und im Rahmen dieser Planung seien mögliche Beeinträchtigungen von Mensch und Tier umfassend unter- sucht worden. Für die nachträgliche Anwendung eines weitergehenden Schutzabstandes fehle eine gesetzliche Grundlage. Nach Ansicht des Einwenders dürfte die Anwendung solcher „weicher“ Kriterien nicht willkürlich über die gemeindliche Planungshoheit gestellt werden. Die ENO Energy GmbH regt die Aufnahme einer sogenannten Öffnungsklausel in das RREP an, die es den Gemeinden ermöglichen würde, zusätzliche Gebiete für die Errichtung von Windenergieanlagen nach eigenen Vorstellungen auszuweisen. Die Einwenderin erhofft sich davon erweiterte Mitbestimmungsmöglichkeiten der Gemeinden und eine erhöhte Akzeptanz der Windenergienutzung. Die Einwenderin vermutet, dass unabhängig von einem unmittelba- ren wirtschaftlichen Nutzen schon die Möglichkeit der selbstbestimmten Planung für ein bes- seres Verständnis und ein höheres Maß an Identifikation in den Gemeinden sorgen würde. Die BS Windertrag GmbH kritisiert die Anwendung einer einheitlichen Mindestgröße von 35 Hektar bei der Auswahl der Vorranggebiete (vgl. hierzu die im Abschnitt 4.4 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Wenn der Planungsverband an diesem Richtwert fest- halten wolle, sollten potenzielle Eignungsflächen ab 20 Hektar zumindest von der Ausschluss- wirkung der Vorranggebiete ausgenommen werden, damit die betreffenden Gemeinden hier in ihren Flächennutzungsplänen selbst Gebiete für die Windenergienutzung darstellen können. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) geht umfänglich auf verschiedene allgemeine Aspekte der RREP-Fort- schreibung ein (vgl. hierzu die in den Abschnitten 4.1 und 4.2 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Sie kritisiert unter anderem die Ausnahmeregelung des Satzes 6.5 (4) der RREP-Fortschreibung und äußert ihr Unverständnis darüber, dass eine solche Re- gelung überhaupt in den Entwurf aufgenommen worden ist. In diesem Zusammenhang spricht sich die Einwenderin auch ausdrücklich gegen eine (in der RREP-Fortschreibung der Region Rostock gar nicht enthaltene) „Öffnungsklausel“ zugunsten gemeindlicher Planungen aus. Auf Wunsch einzelner Interessenten solle in den Gemeinden die Errichtung von Windenergiean- lagen und der Ersatz bestehender Anlagen ermöglicht werden. Begründet werde dies mit der gemeindlichen Entscheidungshoheit. Eine Entscheidungsfreiheit der Gemeinden gegen die Errichtung von Windenergieanlagen sei dagegen nicht vorgesehen. Überhaupt könne von ei- ner wirklichen Entscheidungsfreiheit angesichts leerer Kassen und dem unzureichenden Fach- wissen der meist ehrenamtlichen Gemeindevertreter keine Rede sein. Die meist auf kurzfris- tige wirtschaftliche Zwänge fokussierte Arbeit der Gemeindevertretungen verdränge langfristige Planungen und Überlegungen. Es werde verlockenden Investitionsangeboten nachgegeben, ohne die späteren Konsequenzen zu bedenken. Die Prüfung der Umweltver- träglichkeit werde, da den Gemeinden das Geld für die entsprechenden Gutachten fehle, durch

101 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 die Investoren durchgeführt. Das Ergebnis sei ein häufig grob verfälschtes Bild der örtlichen Gegebenheiten. Und die staatliche Genehmigungsbehörde stelle sich, anstatt ihren Kon- trollaufgaben nachzukommen, als Wegbereiterin der Entwicklung heraus. Eine Öffnungsklau- sel berge also eher das Potenzial zur Korrumpierung der Kommunalpolitik, als dass sie Mög- lichkeiten der Gestaltung eröffne.

4.7.3 Zusammengefasste Abwägung Zum Einwand des Bürgers aus Selow ist festzustellen, dass ein gemeindliches Einverneh- men bei der RREP-Fortschreibung nicht eingeholt wird. Der Unmut des Bürgers bezieht sich offenkundig auf ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren, aufgrund dessen im Jahr 2018 zwei Windenergieanlagen bei Hof Tatschow errichtet worden sind. Indirekt ist damit aber doch die RREP-Fortschreibung angesprochen, soweit es um die Zulassung von Ausnahmen außerhalb der Vorranggebiete geht. Hierbei waren bisher die Mitsprachemöglich- keiten der Gemeinden tatsächlich auf das Genehmigungsverfahren beschränkt. Der Planungs- verband hat auf entsprechende Beschwerden bereits reagiert, indem die RREP-Fortschrei- bung vorsieht, dass zukünftig in der Regel ein förmliches Raumordnungsverfahren der eigentlichen Genehmigung vorgeschaltet werden soll, sodass Bürger und Gemeinden bereits in einer frühen Planungsphase ihre Einwände und Hinweise vorbringen können. Bezüglich des Anpassungsgebotes für die gemeindliche Bauleitplanung weist der Pla- nungsverband darauf hin, dass es sich nicht um eine Festlegung des RREP handelt, schon gar nicht um eine rechtswidrige Festlegung, sondern um eine Bestimmung des Baugesetzbu- ches. Die von der Bürgerenergiegesellschaft „Am Salzhaff“ aufgeworfene Frage, ob die nach- trägliche Durchsetzung neu bestimmter Ausschlusskriterien – in diesem Fall die erhöhten Schutzabstände zu den Wohnorten – es rechtfertigt, eine Änderung rechtskräftiger Bebau- ungspläne zu erzwingen, ist vom Planungsverband sorgfältig erwogen worden. Bereits die Ab- wägungsdokumentation vom November 2018 enthielt dazu umfangreiche Ausführungen. Nach nochmaliger Überprüfung kommt der Planungsverband zu keinem anderen Ergebnis. Es wird davon ausgegangen, dass die vorhandenen Bebauungspläne ohnehin angepasst oder aufgehoben werden müssen, wenn zukünftig größere Anlagen in den früher festgelegten Eig- nungsgebieten errichtet werden sollen. Der besondere Fall des Windparks Rakow, um den es der Einwenderin geht, ändert an dieser Einschätzung nichts, sondern bestätigt diese. Hier hat es die Gemeinde vorgezogen, die RREP-Fortschreibung nicht abzuwarten und anstelle einer flächenmäßigen Anpassung eine modifizierte Höhenbeschränkung vorzusehen. Mit dem be- reits erfolgten Ersatz des vorhandenen Windparks sind für den Planungszeitraum der RREP- Fortschreibung Fakten geschaffen, sodass für die Gemeinde gar kein akuter Anpassungsbe- darf entstehen wird. Unter dem von einigen Einwendern angeführten Begriff der verfassungsrechtlichen Pla- nungshoheit der Gemeinden wird nach Kenntnis des Planungsverbandes verstanden, dass die Gemeinden ihre eigene städtebauliche Entwicklung in eigener Verantwortung gestalten können. Der Begriff ist nicht so zu verstehen, dass den Gemeinden ein Vetorecht gegen jegli- che übergeordnete Planung zustünde. Die Planung von Eignungsgebieten für Windenergie- anlagen ist vom Gesetzgeber der Regionalplanung zugewiesen worden, weil es sich um einen Belang von überörtlichen Interesse handelt und die Umweltauswirkungen eines Windparks in der Regel über das Gebiet einer Gemeinde hinausgehen. Auch zur Anregung einer sogenannten Öffnungsklausel für eigene Windparkplanungen der Gemeinden waren bereits wesentliche Ausführungen in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthalten. Bedenken werden dagegen von der Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ vorgetragen. Aus Sicht des Planungsverbandes muss man sich diesen Bedenken nicht in vollem Umfang anschließen. Allerdings würde die Zulassung weiterer Planungen außerhalb der Vorranggebiete der beabsichtigten Konzentra- tion der Windenergienutzung zuwiderlaufen – dies gilt zumal dann, wenn, wie es von der BS Windertrag GmbH angeregt wird, auch kleinere Potenzialflächen unter 35 Hektar für solche

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Planungen geöffnet würden. Wenn der Auswirkungsbereich eines Windparks nicht mit dem Territorium der planenden Gemeinde übereinstimmt, würden Abstimmungsprobleme aufge- worfen, welche durch die regionalplanerische Steuerung eigentlich vermieden werden sollen. Zudem sind gewisse Zweifel begründet, ob eine solche Öffnungsklausel dem Gebot der ab- schließenden Abwägung entsprechen würde, das nach dem Raumordnungsgesetz für die Festlegung von Vorrang- und Eignungsgebieten gilt.

4.8 Berücksichtigung privater wirtschaftlicher Interessen

4.8.1 Eingegangene Stellungnahmen • Notus Energy Wind GmbH & Co KG, Potsdam, vertreten durch die Kanzlei Dombert Rechtsanwälte, Potsdam • Naturwind GmbH, Schwerin • BS Windertrag GmbH, Berlin • Regen – Regenerative Energien Kessin KG

4.8.2 Wesentliche Hinweise und Anregungen Die Notus Energy Wind GmbH & Co KG regt eine Wiederaufnahme der im Entwurf vom Mai 2014 enthaltenen Erweiterungsflächen beim Vorranggebiet Nr. 106 an (vgl. die diesbezügli- chen Ausführungen derselben Einwenderin, die im Abschnitt 7 wiedergegeben sind). Die Ein- wenderin macht in diesem Zusammenhang prinzipiell geltend, dass der Planungsverband in seiner Abwägung auch die Interessen der Betreiber von Windenergieanlagen berücksichtigen müsse, welche bislang außerhalb der festgelegten Eignungsgebiete stehen. Diese Betreiber hätten grundsätzlich ein Interesse daran, ihre Standorte langfristig zu nutzen, was auch Ersatz und Erneuerung vorhandener Anlagen einschließe. Die Naturwind GmbH setzt sich für eine Wiederaufnahme des potenziellen Eignungsgebietes Nr. 105 in die RREP-Fortschreibung ein (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Nicht zuletzt müssten auch die eigenen wirtschaftli- chen Interessen der Einwenderin in diesem Fall für die planerische Abwägung maßgebend sein. Die Einwenderin verweist hierzu auf einschlägige Gerichtsurteile, wonach sich die Regi- onalplanung bei der Steuerung der Windenergienutzung unmittelbar auf die bauliche Nutzbar- keit der Grundstücke auswirke, sodass in diesem Fall auch die individuellen Interessen der Grundeigentümer und anderer Nutzungsberechtigter mit einem angemessenen Gewicht in die Abwägung einzubeziehen seien. Hierbei sei die Entscheidung des Gesetzgebers zur grund- sätzlichen Privilegierung der Windenergienutzung im Außenbereich zu berücksichtigen. Das Gewicht der privaten Belange habe der Planungsverband bislang verkannt. Die BS Windertrag GmbH bekräftigt nochmals ihre bereits zum Entwurf vom Mai 2014 ge- machten Ausführungen zur Bedeutung der wirtschaftlichen Interessen Privater. Dies schließe auch die Grundstückseigentümer ein, denen über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren gesicherte Einnahmen ermöglicht würden. Landwirtschaftlichen Betrieben biete sich die Chance zur Erschließung eines zusätzlichen Geschäftsfeldes. Der Planungsverband habe diese Interessen mit angemessenem Gewicht in seine Abwägung einzubeziehen. Die Region Rostock sei in besonderem Maße durch die Windenergiewirtschaft geprägt. Somit diene die Verwirklichung von Windparkprojekten auch der regionalen Wertschöpfung sowie der Schaf- fung und Sicherung von Arbeitsplätzen. Im Fall des Vorranggebietes Nr. 130, in dem die Ein- wenderin selbst die Errichtung von Windenergieanlagen plant, seien bereits Genehmigungs- verfahren eingeleitet worden, und somit sei bereits ein weitgehend verfestigter Planungsstand erreicht (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwende-

103 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 rin). In einem solchen Fall hätten die Träger der Planung Anspruch auf einen gewissen Ver- trauensschutz, sodass die privaten Belange mit entsprechend erhöhtem Gewicht in die Abwä- gung einbezogen werden müssten. Die Regen – Regenerative Energien Kessin KG gibt ihre Stellungnahme zugleich im Namen der Nordum Windpark GbR ab. Die Einwender sprechen sich erneut gegen die Aufhebung des Eignungsgebietes Nr. 16 aus (vgl. hierzu die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführun- gen derselben Einwender). Grundsätzlich kritisieren die Einwender die aus ihrer Sicht nicht sachgerechten wirtschaftlichen Überlegungen, die der Planungsverband im Zusammenhang mit der Überplanung alter Eignungsgebiete angestellt hat. Wenn der Planungsverband davon ausgehe, dass aufgrund der gesetzlichen Vergütungsregelungen und des damit erzeugten Wettbewerbsdrucks tendenziell immer die größtmöglichen Anlagen errichtet würden, sei dies eine Spekulation. Der Planungsverband könne nicht im Voraus wissen, wie sich Stromnach- frage und Strompreise in den nächsten Jahren entwickeln werden, und es sei auch nicht Sache des Planungsverbandes sich in die Lage privater Unternehmer hineinzuversetzen und deren Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorwegzunehmen. Ein Unternehmer müsse selbst einschät- zen, inwieweit er dem Prinzip der reinen Gewinnmaximierung folgen oder im Einzelfall davon abgehen wolle. Dies sei nicht die Aufgabe der Regionalplanung. Nicht nachvollziehen können die Einwender auch die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthaltenen Überlegungen des Planungsverbandes zur Zumutbarkeit von Standortalternativen. Dem Pla- nungsverband müsse eigentlich klar sein, dass ein einfaches Ausweichen auf andere Stand- orte für die Betreiber bestehender Windparks in der Praxis kaum möglich sei, weil sie nicht über die benötigten Grundstücke verfügten. Dazu hätte eine besondere Regelung des Inhalts getroffen werden müssen, dass den Betreibern Ersatzstandorte in den neuen Vorranggebieten zustehen würden. Da die RREP-Fortschreibung keine derartige Regelung enthalte, komme die Aufhebung bisheriger Eignungsgebiete einer Enteignung gleich.

4.8.3 Zusammengefasste Abwägung Bezüglich bestehender Windenergieanlagen in bestehenden Eignungsgebieten erkennt der Planungsverband an, dass den Betreibern ein gewisses Bestands- und Vertrauensschutz- interesse unbedingt zuzubilligen ist. Dennoch ist der Planungsverband nach Abwägung aller Belange zu dem Schluss gekommen, dass eine Aufhebung früher festgelegter Eignungsge- biete in Anpassung an aktuelle Abstandsrichtwerte gerechtfertigt ist. Die maßgebenden Erwä- gungen wurden bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt. Auch nach nochmaliger Überprüfung wird an der konsequenten Anpassung festgehalten, weil die Windenergieanlagen heute ganz andere Dimensionen haben als bei der ursprünglichen Fest- legung der betreffenden Eignungsgebiete vor 20 Jahren. Die Ausführungen der Regenerative Energien Kessin KG sind für den Planungsverband vollkommen nachvollziehbar, führen aber nicht zu einer anderen Abwägung. Dem Planungsverband ist bewusst, dass nicht jeder Wind- parkbetreiber, wenn er heute den Ersatz seiner Anlagen plant, zwingend auf die größten ver- fügbaren Anlagentypen zurückgreifen wird. Dem Planungsverband ist ebenfalls bewusst, dass für einige (nicht für alle) betreffenden Unternehmer die Wahl eines Alternativstandortes in ei- nem anderen, fortbestehenden Eignungsgebiet keine reale Option darstellt. Dennoch er- scheint für den Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung bis zum Jahr 2030 die Annahme gerechtfertigt, dass die Entwicklung hin zu immer größeren und produktiveren Anlagen weiter- gehen wird und relativ wohnortnahe Standorte an Akzeptanz verlieren werden. Ebenso er- scheint die Annahme gerechtfertigt, dass aufgrund des zunehmenden Investitions- und Pla- nungsaufwandes für Windparks die Bedeutung von Einzelunternehmern in dieser Branche weiter zurückgehen wird. Bereits heute wird nach Kenntnis des Planungsverbandes der Markt von Unternehmen dominiert, die in der Regel an mehreren Standorten aktiv sind und somit prinzipiell auch standörtliche Alternativen in Betracht ziehen können. Im Sinne einer einheitli- chen Vorgehensweise wird deshalb an der konsequenten Anpassung festgehalten. Die An- nahme, dass die Aufhebung der betreffenden Eignungsgebiete einer Enteignung der Wind- parkbetreiber gleichkomme, hält der Planungsverband für zu weitgehend.

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Für bestehende Anlagen außerhalb der Eignungsgebiete kann das Argument des Vertrau- ensschutzes nicht in gleichem Maße herangezogen werden. Das gilt zumal in einem Fall wie ihn die Notus Energy Wind GmbH & Co KG am Beispiel des Gebietes Nr. 106 darlegt, wo eine Anlage außerhalb des festgelegten Eignungsgebietes nur für eine von vornherein befristete Betriebszeit genehmigt wurde. Ein wirtschaftliches Interesse des Betreibers an einer dauer- haften Nutzung des Standortes wird vom Planungsverband generell unterstellt und in die Ab- wägung einbezogen. Diesem privaten Interesse kann jedoch in der Regel kein besonders ho- hes Gewicht gegenüber öffentlichen Interessen eingeräumt werden, welche der Festlegung als Vorranggebiet möglicherweise entgegenstehen. Hierzu wird auch auf die Abwägung der Einwände zum Gebiet Nr. 106 im Abschnitt 7 verwiesen, wo der Umgang des Planungsver- bandes mit privaten wirtschaftlichen Interessen in verschiedenen Fallkonstellationen exemp- larisch dargelegt wird. Bezüglich begonnener Planungen privater Gesellschaften innerhalb der neu festgeleg- ten Vorranggebiete bleibt der Planungsverband bei seiner bereits in den früheren Entwurfs- dokumenten dargelegten Auffassung, dass es sich um spekulative Planungen handelt, welche die Abwägung grundsätzlich nicht beeinflussen sollten. Dies gilt auch dann, wenn das Pla- nungsverfahren schon weit fortgeschritten ist. Die Entwürfe der RREP-Fortschreibung enthiel- ten keine neuen Vorranggebiete, die gänzlich unumstritten gewesen wären und deren Festle- gung sich damit ganz von selbst verstanden hätte. Bis zur abschließenden Abwägung des Planungsverbandes mussten deshalb alle neuen Vorranggebiete als unsicher gelten. Auch bezüglich des von der Naturwind GmbH angeführten allgemeinen Interesses der Grundeigentümer an einer möglichst einträglichen (baulichen) Nutzung ihres Landes bleibt der Planungsverband bei seiner bereits früher dargelegten zurückhaltenden Einstellung. Ein solches wirtschaftliches Interesse dürfte nach allgemeiner Erfahrung bei fast allen Land- besitzern gegeben sein. Für den Planungsverband ist nicht ersichtlich, warum im konkreten Einzelfall dieses (allgemeine) Interesse in (besonderem) Maße für die Festlegung eines be- stimmten Vorranggebietes sprechen sollte. Die Entscheidung des Gesetzgebers zur „privile- gierten“ Zulassung von Windenergieanlagen im Außenbereich stützt eine solche Auffassung jedenfalls nicht. Der maßgebende § 35 des Baugesetzbuches geht vielmehr davon aus, dass die bauliche Nutzung von Grundstücken im Außenbereich prinzipiell nicht zulässig ist und nimmt nur ausgewählte Arten von Vorhaben unter bestimmten Bedingungen davon aus. Diese Auswahl wurde vom Gesetzgeber unter sachlichen Gesichtspunkten vorgenommen und folgt nicht vorrangig der Maßgabe, den Landeigentümern eine möglichst lukrative Nutzung ihrer Außenbereichsgrundstücke zu ermöglichen.

4.9 Anwendung der Kriterien auf bestehende Eignungsgebiete

4.9.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Rostock, Neuendorf, Rakow • Dammer Windkraft GmbH & Co KG, Elsfleth, vertreten durch die Rechtsanwälte Kannieß, Ruge, Sannig & Partner aus Meldorf • Freier Horizont e.V., Penzlin • Wind Energy Network e.V. Rostock • Bürgerenergiegesellschaft „Am Salzhaff“ GbR, Rakow • Regen – Regenerative Energien Kessin KG, Kessin • BWE Bundesverband Windenergie – Landesverband M-V, Sternberg • Wind-Projekt GmbH, Börgerende • WEB Windenergie Deutschland GmbH, Hamburg

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• Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow

4.9.2 Wesentliche Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Rostock nimmt als Betreiber des Windparks Bentwisch Stellung und kritisiert die Herangehensweise des Planungsverbandes bei der Überprüfung und Aufhebung bisher festgelegter Eignungsgebiete (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausfüh- rungen desselben Einwenders). Bei der diesbezüglichen Abwägung sei der Planungsverband von falschen Annahmen ausgegangen. Der Planungsverband irre sich, wenn er unterstelle, dass der Weiterbetrieb bestehender Windenergieanlagen mit Ablauf der gesetzlich garantier- ten Vergütungsfrist automatisch unwirtschaftlich werde. Ebenso irrtümlich sei unterstellt wor- den, dass jede Modernisierung zwangsläufig die Errichtung größerer und lauterer Anlagen be- dinge. Anlagen der Größenklasse, wie sie um die Jahrtausendwende errichtet wurden, seien auch heute noch auf dem Markt verfügbar. Der Betrieb eines Windparks sei wirtschaftlich, wenn der Strom für 5 Cent je Kilowattstunde verkauft werde, oder wenn er mit diesem Ein- standspreis in Wärme umgewandelt werde, sodass dann die Wärme verkauft werden könne. Der Bedarf dafür sei vorhanden. Der Einwender versuche derzeit im Rahmen eines bundes- weiten Kraft-zu-Wärme-Projektes gemeinsam mit anderen Anbietern entsprechende Modelle zu entwickeln. Der Einwender geht davon aus, dass mit solchen lokalen Lösungen die Akzep- tanz der Windenergienutzung erheblich gesteigert werden könnte. Grundsätzlich falsch sei auch die Annahme des Planungsverbandes, dass Windenergieanlagen nur für eine begrenzte Nutzungszeit betrieben werden könnten. Es handle sich um robuste Anlagen, deren Kompo- nenten ständig gewartet, regelmäßig überprüft und bei Bedarf repariert oder erneuert würden. Die technische Nutzungsdauer der Anlagen sei somit prinzipiell unbegrenzt. Ein Bürger aus Neuendorf nimmt zur Neuabgrenzung des Vorranggebietes Nr. 37/51 Stel- lung und äußert sich dabei auch grundsätzlich zur Anwendung der vom Planungsverband an- gesetzten Mindestgröße von 35 Hektar. Solche eigenen planerischen Vorgaben, die ja nicht ohne Grund entwickelt wurden, sollten aus Sicht des Einwenders zwingend eingehalten wer- den. Größe und Lage des bisherigen Eignungsgebietes dürften dabei keine Rolle spielen. Sehr ausführlich geht der Einwender auf das Problem der Schallimmissionen ein. Diese hätten in der Umgebung des Windparks Bützow im Verlauf der Jahre deutlich wahrnehmbar zugenom- men, was zum Teil durch den Zubau neuer Anlagen, zum Teil aber wohl auch durch den tech- nischen Verschleiß der älteren Anlagen erklärt werden könne. Da man sich hier bereits im Grenzbereich der zulässigen Immissionen für Dorfgebiete bewege, bestünden nach Einschät- zung des Einwenders keinerlei Reserven mehr für einen Zubau weiterer Anlagen im neuen Vorranggebiet und für die erwartbare alterungsbedingte Zunahme der Lautstärke bei den vor- handenen Anlagen. Der Einwender empfiehlt vor diesem Hintergrund ausdrücklich, dem Im- missionsschutz bereits bei der Überplanung der alten Eignungsgebiete eine höhere Aufmerk- samkeit zu widmen und dabei auch auf reale Messergebnisse aus der Umgebung der vorhandenen Windparks zurückzugreifen. Der Einwender schätzt ein, dass sich im Ergebnis einer solchen Betrachtung neu abgegrenzte Vorranggebiete als möglicherweise nicht nutzbar (oder erst nach Rückbau bestehender Anlagen nutzbar) erweisen würden. Die Dammer Windkraft GmbH & Co KG nimmt zur Aufhebung des Eignungsgebietes Nr. 15 Stellung und geht in diesem Zusammenhang grundsätzlich auf die Überplanung bestehender Windparks und die Anwendung pauschaler Schutzabstände ein. Die Einwenderin gibt zu- nächst die in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte etablierten allgemeinen Grund- sätze der planerischen Abwägung wieder, um dann die Aufhebung früher festgelegter Eig- nungsgebiete für Windenergieanlagen anhand dieser Grundsätze in Frage zu stellen. Die be- treffenden Eignungsgebiete seien zum Teil seit Jahren mit Windenergieanlagen bebaut, wel- che nunmehr die nähere Umgebung prägten und bei den Anwohnern Akzeptanz gefunden hätten, insbesondere dann, wenn es sich um Bürgerwindparks handle. Die bestehenden Wind- parks seien infrastrukturell erschlossen, sowohl durch Anbindung an das Straßen- und Wege- netz als auch an das Leitungsnetz. Die örtlichen Netzbetreiber hätten in einem erheblichen

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Umfang in den Ausbau der Übertragungsnetze investiert und zum Beispiel Umspannwerke für viele Millionen Euro errichtet. Würden nun bestehende Eignungsgebiete entfallen, müsste diese Infrastruktur an anderer Stelle neu geschaffen werden. Bereits heute würden sich Anla- genbetreiber auf den Wegfall bestehender Eignungs- und Vorranggebiete einrichten, indem sie Ersatzteile bevorraten, um ihre Anlagen möglichst lange betreiben zu können. Der Einwen- derin lägen Gutachten vor, wonach bei guter Wartung eine Lebensdauer von bis zu 40 Jahren erreicht werden könnte, was dann über die sogenannte Entwurfslebensdauer weit hinausgehe. Schon die bestehenden Eignungsgebiete seien Ergebnisse einer planerischen Abwägung. Mit der jetzt beabsichtigten Aufhebung würde der Planungsverband diese früher vorgenommene Abwägung nachträglich für fehlerhaft erklären. Nach herrschender Rechtsprechung müsse der Planungsverband jedoch die Interessen der Windparkbetreiber – hier insbesondere das Inte- resse an einem Ersatz älterer Anlagen – in seine Abwägung einbeziehen. Gerade wenn alte Windparks in förmlich festgelegten Eignungsgebieten stehen, müsse der Planungsverband davon ausgehen, dass die Betreiber im Vertrauen auf diese Festlegungen nicht nur in die be- stehenden Windenergieanlagen, sondern auch in die Standorte investiert hätten, also in Zu- wegungen und Netzanschlüsse, ökologische Kompensationsmaßnahmen und eine langfris- tige vertragliche Bindung der Grundstücke. Die Einwenderin verweist diesbezüglich auf die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärte Frage, ob die Aufhebung eines förmlich festgelegten Eignungsgebietes Schadenersatzansprüche der betroffenen Grundeigentümer gegenüber dem Träger der Planung begründen könnte. Die pauschalen Abstandsrichtwerte, die der Planungsverband bei der Überplanung der alten Eignungsgebiete herangezogen hat, sieht die Einwenderin als rechtlich bedenklich an. Nach ihrer Einschätzung dürfte es dafür in Mecklenburg-Vorpommern an einer Rechtsgrundlage fehlen. Zwar dürfe die Landesplanung unverbindliche Richtwerte vorgeben, eine rechtsverbindliche Festsetzung von Schutzabstän- den hätte jedoch nur auf der Grundlage der sogenannten Länderöffnungsklausel im § 249 des Baugesetzbuches erfolgen können, wovon Mecklenburg-Vorpommern keinen Gebrauch ge- macht habe. Die in Mecklenburg-Vorpommern eingeführten planerischen Abstandsrichtwerte zum Schutz der Wohnorte gingen über die Erfordernisse des Immissionsschutzes deutlich hin- aus. Solche unverbindlichen Richtwerte würden den Planungsverband nicht von seiner Pflicht entbinden, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse auch mit geringeren Abständen eine ausreichende Schutzwirkung für die Anwohner erzielt werden könnte. In diesem Zusammenhang sei es keineswegs gleichgültig, ob die betreffenden Wohn- orte im planungsrechtlichen Sinne als reines Wohngebiet, Misch- oder Dorfgebiet einzustufen seien. Auch dürften geplante Baugebiete nicht gleichermaßen als Tabu für die Windenergie- nutzung angesehen werden wie eine bestehende Wohnbebauung. Der Verein Freier Horizont e.V. kritisiert, dass die für neue Vorranggebiete geltende Mindest- größe von 35 Hektar nicht auch auf die bestehenden Eignungsgebiete angewandt wurde. Hier- mit würde gegen das Prinzip der einheitlichen Kriterienanwendung verstoßen. Der Verein Wind Energy Network e.V. sieht die Überplanung der alten Eignungsgebiete nach wie vor kritisch. Der Einwender weist darauf hin, dass die in Mecklenburg-Vorpommern ange- wandten Schutzabstände zu den Wohnorten weit über das notwendige Maß hinausgehen und deshalb nicht zwingend anzuwenden seien. Auch könne bei bereits bestehenden Windparks generell von einer höheren Akzeptanz unter den Anwohnern ausgegangen werden (vgl. auch die im Abschnitt 5.1 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Bei Ersatz der vorhandenen Windparks könnten durch eine Reduzierung der Anlagenzahl und erforderlichen- falls geringfügige Korrekturen am Zuschnitt des betreffenden Eignungsgebietes Verbesserun- gen erreicht werden. Der Einwender spricht sich grundsätzlich dafür aus, die planerische Steu- erung solcher Ersatzvorhaben und die entsprechende Anpassung der Eignungsgebiete den betreffenden Gemeinden zu überlassen. Die Entwicklungsvorstellungen der Gemeinde und die Anforderungen des Einzelfalles sollten dabei Vorrang vor einer pauschalen Anwendung von Abstandskriterien haben. Die Bürgerenergiegesellschaft „Am Salzhaff“ GbR nimmt als Betreiberin von Windenergie- anlagen im ursprünglichen Eignungsgebiet Nr. 22 Stellung (vgl. hierzu auch die im Abschnitt

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6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Dieses Eignungsgebiet sei von der Gemeinde Am Salzhaff durch einen Bebauungsplan untersetzt worden, und im Rahmen dieser Planung seien mögliche Beeinträchtigungen von Mensch und Tier umfassend unter- sucht worden. Für die nachträgliche Anwendung eines weitergehenden Schutzabstandes fehle eine gesetzliche Grundlage. Nach Ansicht der Einwenderin dürfte die Anwendung sol- cher „weicher“ Kriterien nicht willkürlich über die gemeindliche Planungshoheit gestellt werden. Der Planungsverband gehe von einer falschen Annahme aus, wenn er glaube, dass die 2017 novellierten Vergütungsregelungen die Errichtung immer größerer Anlagen mit Bauhöhen deutlich über 150 Metern erzwingen würden. Die Einwenderin habe sich selbst an Ausschrei- bungen auf der Grundlage des aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetzes beteiligt und könne seine neu errichteten Anlagen unter den am Standort herrschenden Windbedingungen wirt- schaftlich betreiben. Der Planungsverband könne heute gar nicht vorhersehen, wie die Anla- gentechnik sich in den kommenden 20 Jahren – also in dem für den neuen Windpark garan- tierten Vergütungszeitraum – entwickeln werde und mit welchen Emissionen und visuellen Auswirkungen bei zukünftigen Anlagengenerationen gerechnet werden müsse. Die vom Pla- nungsverband vorgenommene Anpassung entbehre somit einer planerischen Rechtfertigung. Die Regen – Regenerative Energien Kessin KG gibt ihre Stellungnahme zugleich im Namen der Nordum Windpark GbR ab. Die Einwender sprechen sich erneut gegen die Aufhebung des Eignungsgebietes Nr. 16 aus und bekräftigen nochmals ihre früher vorgetragenen Ein- wände (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Ein- wender). Die Überplanung alter Eignungsgebiete anhand pauschaler Abstandsrichtwerte sei nicht sachgerecht. Eine mögliche „optisch bedrängende“ Wirkung der Windenergieanlagen auf die Nachbarschaft hänge immer vom Verhältnis von Abstand und Anlagenhöhe ab. Solange es für dieses Verhältnis und für die Höhe der Anlagen keine allgemein gültigen Richtwerte gebe, könne der Planungsverband eine mögliche bedrängende Wirkung nicht zur Begründung seiner Abstandswerte heranziehen. Wenn der Planungsverband davon ausgehe, dass auf- grund der gesetzlichen Vergütungsregelungen und des damit erzeugten Wettbewerbsdrucks tendenziell immer die größtmöglichen Anlagen errichtet würden, sei dies eine Spekulation. Der Planungsverband könne nicht im Voraus wissen, wie sich Stromnachfrage und Strompreise in den nächsten Jahren entwickeln werden, und es sei auch nicht Sache des Planungsverban- des, sich in die Lage privater Unternehmer hineinzuversetzen und deren Wirtschaftlichkeits- berechnungen vorwegzunehmen. Ein Unternehmer müsse selbst einschätzen, inwieweit er dem Prinzip der reinen Gewinnmaximierung folgen oder im Einzelfall davon abgehen wolle. Dies sei nicht die Aufgabe der Regionalplanung. Nicht nachvollziehen können die Einwender die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthaltenen Überlegungen des Pla- nungsverbandes zur Zumutbarkeit von Standortalternativen. Dem Planungsverband müsse ei- gentlich klar sein, dass ein einfaches Ausweichen auf andere Standorte für die Betreiber be- stehender Windparks in der Praxis kaum möglich sei, weil sie nicht über die benötigten Grundstücke verfügten. Dazu hätte eine besondere Regelung des Inhalts getroffen werden müssen, dass den Betreibern Ersatzstandorte in den neuen Vorranggebieten zustehen wür- den. Da die RREP-Fortschreibung keine derartige Regelung enthalte, komme die Aufhebung bisheriger Eignungsgebiete einer Enteignung gleich. Wenn der Planungsverband dennoch da- ran festhalten wolle, sollte die Möglichkeit einer „Öffnungsklausel“ für alte Eignungsgebiete nochmals in Betracht gezogen werden, um die Verwirklichung von örtlich angepassten Ersatz- vorhaben zu ermöglichen. Der BWE-Landesverband MV schlägt vor, dass auch in bisherigen Eignungsgebieten, die mit der RREP-Fortschreibung aufgehoben werden, die Errichtung von Windenergieanlagen wei- terhin ermöglicht werden sollte. Gerade an solchen Standorten hätten die Anwohner bereits Erfahrungen mit der Windenergienutzung gemacht, und es sei eine Gewöhnung eingetreten. Soweit es dem Interesse der betreffenden Gemeinden entspreche, sollten diese Standorte für die Windenergienutzung erhalten bleiben. Durch die Regelungsmöglichkeiten der gemeindli- chen Bauleitplanung und die obligatorischen Prüfungen im immissionsschutzrechtlichen Ge- nehmigungsverfahren würden der Schutz der Anwohner gesichert, die gemeindlichen Interes- sen gewahrt und der Windenergienutzung geeigneter Raum zugestanden. Der Einwender

108 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 schlägt vor, zu diesem Zweck die in der Nachbarregion Vorpommern vorgesehene „Öffnungs- klausel“ für die Region Rostock zu übernehmen. Die Wind-Projekt GmbH äußert sich gleichlautend wie der BWE. Die WEB Windenergie Deutschland GmbH nimmt als Betreiberin von drei Windenergiean- lagen im Gebiet Nr. 72 Stellung. Die Einwenderin begrüßt, dass die Bemessung der Schutz- abstände zu den Wohnorten im Entwurf vom November 2018 anhand der einzelnen Wohnge- bäude vorgenommen wurde und nicht wie früher anhand der Grundstücke. Dieses Vorgehen entspreche den Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung. Die Einwenderin verweist hierzu auf Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg zur Beurtei- lung einer möglichen „bedrängenden“ Wirkung von Windenergieanlagen auf die Nachbar- schaft. Diesen Urteilen sei zu entnehmen, dass immer nur die tatsächlich vorhandene Wohn- bebauung als schutzwürdig anzusehen sei. Am westlichen Rand der Ortschaft Kuhs befänden sich zahlreiche Grundstücke, die entweder gar nicht oder lediglich im östlichen Bereich bebaut seien. Die neue Abgrenzung des Gebietes Nr. 72 gemäß dem Entwurf von 2018 werde somit den örtlichen Verhältnissen besser gerecht. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) beklagt allgemein die aus ihrer Sicht mangelnde Konsequenz und Ver- bindlichkeit der im Textteil der RREP-Fortschreibung enthaltenen Festlegungen. Zur Überpla- nung der früher festgelegten Eignungsgebiete wirft die Einwenderin die Frage auf, wie man eine allgemeine Mindestgröße von 35 Hektar für Vorranggebiete festlegen könne, nur um sie dann im nächsten Schritt für die sogenannten Altgebiete wieder aufzuheben. Die vom Pla- nungsverband vertretene Auffassung, dass die Windparks aus den neunziger Jahren den zur damaligen Zeit maßgeblichen Standortanforderungen entsprochen hätten, könne anhand der damals üblichen Verfahrenspraktiken, wie sie von der Einwenderin selbst recherchiert worden seien, eindeutig widerlegt werden. Die Annahme, dass alte Anlagen außerhalb der neu fest- gelegten Vorranggebiete in den nächsten Jahren nach und nach zurückgebaut würden, möge berechtigt sein – doch finde sich immer ein Weg, um geltendes Recht auszuhebeln und gege- benenfalls bestehende Bauleitpläne anzupassen. Es sei davon auszugehen, dass Windener- gieinvestoren und Projektierer einen enormen Wissensvorsprung hätten und dass gerade klei- nere Gemeinden damit zum Spielball privater Interessen degradiert würden. Die Einwenderin fordert, dass bei Vorhaben, die den Zielsetzungen der RREP-Fortschreibung zuwiderlaufen, vom Instrument der befristeten Untersagung Gebrauch gemacht werden sollte.

4.9.3 Zusammengefasste Abwägung Der Planungsverband unterstellt nicht, dass der Betrieb einer Windenergieanlage mit Ab- lauf der gesetzlichen Vergütungsfrist automatisch unwirtschaftlich würde. Auch ist dem Planungsverband bekannt, dass kleine und mittelgroße Anlagen nach wie vor auf dem Markt erhältlich sind. Dennoch entspricht es der bisherigen Erfahrung in der Region Rostock, dass die Windparkbetreiber aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen in der Regel nach einer Lauf- zeit von etwa 20 Jahren über einen Ersatz ihrer Anlagen nachdenken – sofern ein solcher Ersatz am selben Standort planungsrechtlich möglich ist. Ebenso entspricht es der bisherigen Erfahrung, dass im Ersatzfall auf die Errichtung möglichst großer Anlagen orientiert wird und dass die letzte Novellierung der gesetzlichen Vergütungsregelungen im Jahr 2017 nochmals eine erhebliche Anreizwirkung zum Einsatz möglichst profitabler und ertragsstarker Anlagen entfaltet hat. Andere Modelle, die auf Ertragsmaximierung verzichten und stattdessen auf lo- kale Vermarktung des erzeugten Stroms zu auskömmlichen Preisen basieren, mögen auch in Zukunft in bestimmten Einzelfällen möglich sein – die technische und wirtschaftliche Entwick- lung der letzten Jahre deutet jedoch nach Ansicht des Planungsverbandes nicht darauf hin, dass solche Modelle landesweit zu einer Regellösung werden könnten. Auch nach nochmali- ger Würdigung der diesbezüglichen Einwände hält es der Planungsverband deshalb für ge- rechtfertigt sich bei der Fortschreibung des RREP am heutigen Stand der Technik und an

109 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 aktuell marktbeherrschenden Anlagengrößen zu orientieren und die Eignungs- und Vorrang- gebiete entsprechend anzupassen. Die Einschätzung des Planungsverbandes, dass die wirtschaftlichen Vorteile großer Wind- energieanlagen im Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung tendenziell bestim- mend für technische Entwicklung bleiben werden, ist somit nicht aus der Luft gegriffen, sondern wird durch die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gestützt. Der Planungsverband verweist darauf, dass die gleiche Diskussion vor zehn Jahren schon einmal um die Anlagen- standorte der allerersten Generation aus den frühen und mittleren neunziger Jahren geführt wurde. Auch bezüglich dieser Standorte gab es Stimmen, die sich für eine Bestandsschutz- klausel im RREP einsetzten. Der Planungsverband ist diesen Stimmen bei der Aufstellung des geltenden RREP im Jahr 2011 nicht gefolgt, weil schon auf dem damaligen Stand der Technik erkennbar war, dass sich die alten Standorte für eine Modernisierung überwiegend nicht eig- nen würden. In der Rückschau muss diese Entscheidung heute als richtig erkannt werden, und sie wird kaum noch in Frage gestellt. Dessen ungeachtet wird der Planungsverband die Ent- wicklung in den nächsten Jahren weiter beobachten, und er kann seine heute getroffenen Ent- scheidungen bei der nächsten Überarbeitung des RREP korrigieren, wenn sich Annahmen als falsch herausstellen sollten. Aus der Aufhebung alter Eignungsgebiete folgt kein unmittelbarer Zwang zum Rückbau der bestehenden Anlagen. Diese können, wie von einigen Einwendern dargelegt wird, bei guter Wartung sehr lange betrieben werden. Auch der Einbindung solcher Anlagen in lokale Projekte der Kraft-Wärme-Kopplung, wie sie von einem Einwender angeregt wird, steht nichts entgegen. Wenn die Entwicklung der nächsten Jahre zeigen sollte, dass ein vermehrter Standortbedarf für dezentrale, verbrauchernahe Lösungen mit kleineren Windener- gieanlagen entsteht, kann darauf mit zukünftigen RREP-Fortschreibungen reagiert werden. Einzelne Einwender beziehen sich auf die vor zwanzig Jahren getroffenen planerischen Entscheidungen zur Festlegung der ersten Eignungsgebiete, die jetzt Gegenstand der Überplanung sind. Einerseits wird argumentiert, dass die damaligen Erwägungen weiterhin maßgebend sein müssten und nicht im Nachhinein durch eine neue Abwägung für falsch er- klärt werden sollten. Andererseits wird behauptet, dass die ursprüngliche Festlegung der be- treffenden Eignungsgebiete im Regionalen Raumordnungsprogramm und in gemeindlichen Bauleitplänen schon nach damaligen Maßstäben als falsch hätte erkannt werden müssen und somit gar keine ordentliche Abwägung stattgefunden hätte. Beiden Argumenten kann der Pla- nungsverband nicht folgen. Dass früher geeignete Standorte nach heutigen Maßstäben anders beurteilt werden, ist durch den Fortschritt der Anlagentechnik begründet. Die Voraussetzungen der Planung haben sich somit verändert. Dies wurde bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt. Die entgegengesetzte Behauptung der Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“, dass die Regionalplanung und die betreffenden Gemeinden vor zwanzig Jahren nicht ordentlich gearbeitet hätten, trifft ebenfalls nicht zu. Die Einwenderin lässt nicht erkennen, welche von ihr angeblich aufgedeckten „Verfahrensprakti- ken“ eine solche Unterstellung begründen könnten. Eine gewisse Berechtigung hat dagegen der Einwand, dass eine pauschale Anwendung der neuen Abstandsrichtwerte nicht zwingend erforderlich gewesen wäre – insbesondere nicht in solchen Fällen, wo durch gemeindliche Bauleitpläne schon verbindliche Restriktionen für die Ausnutzung der betreffenden Eignungsgebiete bestehen. Der Planungsverband hat je- doch in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt, dass gerade aufgrund dieser Restriktionen, die sich, wie die Festlegung der Eignungsgebiete selbst, an einem frühe- ren Stand der Anlagentechnik orientieren, eine Anpassung oder Aufhebung der betreffenden Bauleitpläne in den nächsten Jahren unumgänglich wäre. Der Planungsverband hat sich des- halb letztlich dagegen entschieden, diesen von der technischen Entwicklung überholten Bau- leitplänen heute noch einen hohen Stellenwert im Planungskonzept der RREP-Fortschreibung zu geben. Zur 35-Hektar-Mindestgröße sind die wesentlichen Argumente ebenfalls schon in der Abwä- gungsdokumentation vom November 2018 enthalten. Mit der Anwendung dieses Größenricht-

110 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 wertes werden bestimmte Zwecke verfolgt, nämlich die räumliche Konzentration der Wind- energienutzung im Sinne des Landschaftsschutzes und die Sicherung einer wirtschaftlich ver- nünftigen Mindestgröße der Windparks. Während ersterer Zweck auch für eine nachträgliche Anwendung auf bestehende Windparks maßgebend sein kann, führt die wirtschaftliche Be- trachtung eher zu dem Ergebnis, dass bestehende Windparkstandorte möglichst erhalten wer- den sollten, weil – wie von mehreren Einwendern zutreffend bemerkt wird – bereits erhebliche Investitionen in Netzanschluss und Wegeerschließung erfolgt sind. Eine differenzierte Anwen- dung des Größenrichtwertes ist somit gerechtfertigt. Dass andererseits die getätigten Investitionen nicht in jedem Fall zwingend zu einem Be- standsschutz führen müssen, hatte der Planungsverband bereits in der Abwägungsdoku- mentation vom November 2018 begründet. Anders als bei der 35-Hektar-Grenze wird im Fall der Schutzabstände zu den Wohnorten der Durchsetzung neuer Richtwerte ein höheres Ge- wicht eingeräumt – nicht um der Einheitlichkeit der Kriterienanwendung willen, die kein Selbst- zweck sein darf, sondern um der Tendenz zu immer größeren Anlagen Rechnung zu tragen. Auch mit dem Argument der guten Akzeptanz bestehender Windparks hatte sich der Pla- nungsverband im Jahr 2018 bereits auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass diese bei einem Ersatz der alten Anlagen schnell verloren gehen könnte. Der Planungsverband ver- weist dazu auf das Beispiel des Eignungs- und Vorranggebietes Nr. 22, wo die im letzten Jahr erfolgte Neuerrichtung von Anlagen mit moderat angepasster Höhe von einigen Anwohnern als erhebliche Verschlechterung ihrer Wohnqualität wahrgenommen wird (vgl. die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Einwendungen zu diesem Vorranggebiet). Die in diesem Zusammenhang erhobene Forderung, dass während der RREP-Fortschreibung der Ersatz alter Windparks in den zur Überplanung vorgesehenen Eignungsgebieten hätte untersagt werden sollen, richtet sich an die Landesplanungsbehörde. Der Planungs- verband selbst hat nicht das Recht solche Untersagungen auszusprechen. Ob die Landespla- nungsbehörde in bestimmten Einzelfällen von diesem Instrument hätte Gebrauch machen sol- len, kann im Nachhinein dahingestellt bleiben. Die Untersagung ist nur befristet möglich. Angesichts der langen Dauer der RREP-Fortschreibung kann nachvollzogen werden, dass die Behörde bei der Anwendung dieses Instrumentes Zurückhaltung geübt hat. Die Überwachung von Windparks bezüglich der Einhaltung von Lärmrichtwerten ist Sache der Immissionsschutzbehörde und nicht des Planungsverbandes. Das gleiche gilt für die Ge- nehmigung neuer Anlagen, wenn alte Windparks ersetzt werden sollen. Eine Vermischung dieser genehmigungsrechtlichen Aspekte mit der Planung der Vorranggebiete, wie sie vom Einwender aus Neuendorf angeregt wird, erscheint dem Planungsverband nicht sinnvoll. Wenn die Annahme des Einwenders zutrifft, dass die Anlagen mit zunehmendem Alter lauter werden, müsste eine verstärkte Überwachung erfolgen. Wenn darüber hinaus die Annahme zutrifft, dass beim Windpark Bützow die Grenzen zulässiger Schalleinwirkung schon mit den bestehenden Anlagen erreicht werden, wäre die Genehmigung neuer Anlagen nur unter der Voraussetzung des Rückbaus alter Anlagen möglich. Gegen die vorgenommene Neuabgren- zung des betreffenden Eignungsgebietes spricht dies nicht. Zur Möglichkeit einer sogenannten Öffnungsklausel für eigene Windparkplanungen der Gemeinden wird auf die hierzu gemachten Ausführungen in den Abschnitten 3.10 und 4.7 verwiesen. Der Planungsverband hat entsprechende Vorschläge aufgrund sachlicher und rechtlicher Erwägungen nicht aufgegriffen. Die von einem Einwender gegebene Anregung, dass Ersatzstandorte angeboten werden müssten, wenn bestehende Eignungsgebiete gänzlich aufgehoben werden, war bereits Gegenstand eigener Erwägungen des Planungsverbandes. Zwei Gründe könnten eine solche Lösung rechtfertigen: Erstens das planerische Bestreben, im Sinne eines „Aufräumens der Landschaft“ den Rückbau von Altanlagen zu beschleunigen; zweitens die Gerechtigkeit ge- genüber den Betreibern, die ansonsten vielleicht ihr Gewerbe mittelfristig aufgeben müssten. Der erste Grund ist für die Region Rostock nicht maßgebend, weil dem Planungsverband im

111 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Zusammenhang mit bestehenden Windparks keinerlei Missstände bekannt sind, die durch ei- nen Rückbau schleunigst beseitigt werden müssten. Das zweite Anliegen entzieht sich einer Regelung durch die Regionalplanung, weil diese keinen Einfluss darauf nehmen kann, welcher Unternehmer in einem neuen Vorranggebiet Windenergieanlagen errichten darf. Im RREP können keine Standorte für bestimmte Betreiber verbindlich reserviert werden. Der Planungs- verband hat deshalb entsprechende Überlegungen nicht weiter verfolgt. Ausführungen zu möglichen Entschädigungspflichten sind ebenfalls schon in der Abwä- gungsdokumentation vom November 2018 enthalten. Nach Kenntnis des Planungsverbandes sind solche Pflichten für die Aufhebung von Bebauungsplänen verbindlich geregelt. Für die Aufhebung von Regelungen der Flächennutzungs- und Raumordnungspläne ist eine Entschä- digungspflicht nicht in gleicher Weise begründbar, weil diese Pläne nicht unmittelbar Baurecht schaffen. Die Genehmigung von Windenergieanlagen erfolgt auch innerhalb festgelegter Eig- nungs- und Vorranggebiete immer nur nach Maßgabe einer behördlichen Prüfung weiterer öffentlicher Belange.

112 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

5 Einwendungen zu einzelnen Planungskriterien

5.1 Schutzabstände zu den Wohnorten

5.1.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dalkendorf, Neuendorf, Tarnow, Heidesheim, Warnkenhagen, Groß Wokern, Groß Roge, Neuenkirchen, Liessow, Frellstedt, Gottin, Mieckow, Rostock, Benitz, Kirch Mulsow, Parchow (mit Unterschriftenliste), Ziesendorf, Appelhagen, Rakow und anderen Orten • Gemeinde Biendorf • Stadt Schwaan • Denker und Wulf AG, Rerik • Stadt Neubukow • NABU Mecklenburg-Vorpommern • Freier Horizont e.V., Penzlin • Wind Energy Network e.V. • Amt Laage • Landkreis Rostock • Gemeinde Benitz • Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“, Gülzow-Prüzen • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow • Stadt Kröpelin • Gemeinde Warnkenhagen • Gemeinde Plaaz

5.1.2 Wesentliche Hinweise und Anregungen Bürger aus verschiedenen Orten kritisieren in gleichlautenden Einwendungen, dass der Pla- nungsverband es versäumt habe, die Schutzabstände zu den Wohnorten der technischen Ent- wicklung anzupassen. Der Bestimmung dieser Schutzabstände hätte die heute übliche Anla- genhöhe von über 200 Metern zugrunde gelegt werden müssen. Die Einwender verweisen hierzu auf ein älteres Gerichtsurteil aus Niedersachsen, wonach der Abstand einer Windener- gieanlage zu einem Wohnhaus mindestens dem siebenfachen der Anlagenhöhe entsprechen müsse. In einem anderen Gerichtsurteil aus Rheinland-Pfalz sei festgestellt worden, dass in Einzelfällen ein Verstoß gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorliegen könne, wenn Terrassen, Balkone oder sonstige Ruhezonen eines Wohngebäudes durch den Betrieb von Windenergieanlagen erheblich beeinträchtigt würden. Die Drehbewegung der Rotoren könne, wenn sie innerhalb oder am Rande des menschlichen Blickfeldes liege, schon nach kurzer Zeit unerträglich werden. Die mit 45 Dezibel (A) angegebene maximale Lautstärke der Windräder, welche die Bewohner der anliegenden Gebäude als Dauerbeschallung aushalten sollten, sei in keiner Weise akzeptabel. In Wohnhäusern werde eine Überschreitung der Laut- stärke tagsüber von 40 Dezibel (A) und nachts von 30 Dezibel (A) rechtlich als Ruhestörung eingestuft. Danach sei bei den zugelassenen 45 Dezibel (A) ein Schlafen bei offenem Fenster im Sommer nicht möglich. Da bei den neuen Windrädern auch mit mehr Infraschall zu rechnen sei, könnten Auswirkungen auf die Gesundheit nicht ausgeschlossen werden. Es sei bekannt, dass die Infraschallfrequenzen (0,5 bis 20 Hertz) vor allem auf den Schlaf wirkten, besonders

113 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 bei Kindern, vor allem bei Kleinkindern. Die angewandten Schutzabstände seien nicht ausrei- chend um die Anwohner vor gesundheitlichen Schädigungen zu schützen. Das Recht der Bür- ger auf körperliche Unversehrtheit werde damit verletzt. Der Abstand von Windenergie-Vor- ranggebieten zu Wohnorten sollte mindestens das Zehnfache der Anlagenhöhe, also 2.000 Meter betragen. Ein Bürger aus Dalkendorf gibt an, dass Windenergieanlagen die Energie des Windes zu 40% in elektrischen Strom und zu 60% in schädlichen Infraschall umwandeln würden. Dieser durchdringe Fenster und Hauswände und führe bei den Anwohnern zu den verschiedenen Gesundheitsbeschwerden. Der Einwender weiß aus seiner beruflichen Tätigkeit zu berichten, dass die Preise von Wohnimmobilien in der Nähe von Windenergieanlagen stark sinken wür- den. Fast jeder Kunde frage ihn, ob sich in der Nähe der betreffenden Immobilie Windräder oder Stallanlagen befänden. Wenn diese Frage bejaht werden müsse, nehme der Kunde sofort Abstand vom Kauf der Immobilie. Ein Bürger aus Neuendorf mahnt an, dass der Schutz der Menschen vor über längere Zeit- räume wirkenden Lärmbelastungen bei der Planung Priorität haben sollte. Die Forschung auf diesem Gebiet beschreibe eindeutig die krankmachende Wirkung von Lärm; also sollten diese Immissionen so gering wie möglich gehalten werden. Die Diskussion über vorzusehende Min- destabstände sei zudem ständig im Fluss und sicher auch noch nicht endgültig abgeschlos- sen. Diese Mindestabstände seien in den vergangenen Jahren immer weiter vergrößert wor- den, und die in Mecklenburg-Vorpommern angesetzten Abstände würden von Fachleuten als zu niedrig angesehen. In anderen Bundesländern würden bereits größere Mindestabstände angesetzt. Bürger aus Liessow halten Abstände von 800 bis 1.000 Metern zu den Wohnorten für unzu- reichend. Andere Bundesländer würden die Abstände vergrößern, und in Mecklenburg-Vor- pommern würden die Grenzen ohne Rücksicht auf die Menschen immer enger gezogen. Die Einwender gehen davon aus, dass ihre Immobilien bis zu 80% ihres Wertes verlieren und in Einzelfällen sogar unverkäuflich würden. Eine Bürgerin aus Groß Roge erklärt, dass in Dänemark bereits Windparkvorhaben gestoppt worden seien, um zunächst aussagekräftige Studien über die gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall abzuwarten. Es sei fahrlässig, die Bürger dieser noch unbekannten Gefahr auszusetzen. Bekannt sei, dass Infraschall sich vor allem auf den Schlaf auswirke, besonders bei Kindern. Ein Bürger aus Mieckow hält Abstände von 800 bis 1.000 Metern nicht für ausreichend, um die Anwohner vor Gesundheitsgefahren zu schützen. Schallmessungen im Umfeld bestehen- der Windenergieanlagen belegten, dass die nach der Technischen Anleitung Lärm zulässigen Geräuschimmissionen bei diesen Abständen häufig überschritten würden. Viele wissenschaft- liche Studien belegten oder begründeten zumindest die Vermutung, dass auch unterhalb der zulässigen Grenzwerte für niederfrequenten Schall und Infraschall mit erheblichen gesund- heitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen sei. Die WHO empfehle deshalb einen Sicherheits- abstand von 3.000 Metern. Ein Bürger aus Rostock hält den für die Abgrenzung der Windenergie-Vorranggebiete maß- gebenden Schutzabstand von 1.000 Metern für nicht ausreichend. Eine einzelne Windener- gieanlage erzeuge einen Schalldruck von rund 105 Dezibel. In 1.000 Metern Entfernung würde der Pegel immer noch bei 45 Dezibel liegen. Dies sei gerade die Grenze der (angeblich) zu- mutbaren Belastung für die Anwohner. Bei einem Windpark mit fünf Anlagen müsse man von rund 115 Dezibel an den Anlagen und rund 55 Dezibel in der nächstgelegenen Ortschaft aus- gehen. Dies liege eindeutig über dem Grenzwert. Da es sich um ein logarithmisches Maß handle, entspreche die Steigerung um 10 Dezibel einer Verdopplung der Lautstärke. Zudem seien die Auswirkungen des Infraschalls zu berücksichtigen. Solange es zu den Langzeitwir- kungen von Infraschall auf die menschliche Gesundheit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gebe, müsse das Thema strittig und die Diskussion von subjektiven Anschauun- gen geprägt sein. Schon die Tatsache, dass der Infraschall in der öffentlichen Diskussion über

114 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 die Windenergienutzung so präsent sei, zeige jedoch, dass die Menschen schlechte Erfahrun- gen damit gemacht haben müssten. Je tiefer die Frequenz des Schalls, umso besser ließen sich die Schallwellen beugen und umso weniger ließen sie sich durch Hindernisse bremsen. Infraschallwellen durchdrängen alles, und ihre Reichweite sei enorm. Bei Windenergieanlagen mit 5 Megawatt Leistung würde der Infraschall noch in 50 Kilometern Entfernung messbar sein. Die Häuser würden durch Infraschall Risse bekommen, was in der Ortschaft Techlin bei Trib- sees nachgewiesen worden sei. Auch seien Menschen davon krank geworden. Auch wenn die Wirkungen auf den menschlichen Organismus noch nicht ausreichend untersucht seien, stehe doch fest, dass es Menschen in vergleichbarer Umgebung ohne Riesen-Windenergie- anlagen nicht so ergehe. Das Argument, dass bei den Betroffenen möglicherweise die bloße Angst vor Gesundheitsschäden diese selbst erst hervorgerufen hätte, möchte der Einwender nicht gelten lassen. Auch in diesem Fall seien letztlich die Windenergieanlagen schuld. Eine Bürgerin aus Benitz betont, dass sie der Windenergienutzung prinzipiell positiv gegen- überstehe. Sie empfiehlt den Politikern und Behörden in Mecklenburg-Vorpommern jedoch dringend die von den Anwohnern empfundenen Belastungen ernster zu nehmen. In anderen Bundesländern, insbesondere in Bayern und Sachsen, werde dem Schutz der menschlichen Gesundheit ein deutlich höheres Gewicht gegeben. Die Einwenderin regt an, die Schutzab- stände zu den Wohnorten an der Praxis in Bayern (zehnfache Anlagenhöhe) und den Emp- fehlungen der WHO (2.000 bis 3.000 Meter) auszurichten. Nur so werde man dem berechtig- ten Widerstand gegen die Ausweisung neuer Vorranggebiete und die Errichtung weiterer Anlagen begegnen können. Abstände von 500 bis 1.000 Metern seien den heutigen Anlagen- größen nicht mehr angemessen. Dies gelte auch für die optisch wahrnehmbare Bedrängungs- wirkung der Anlagen. Ein Bürger aus Groß Wokern hält die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthaltenen Ausführungen des Planungsverbandes zum Phänomen des Infraschalls für falsch. Der Planungsverband beziehe sich lediglich auf zwei Studien und habe internationale Studien, wie zum Beispiel eine dänische Untersuchung zu den Auswirkungen der Geräusche von Windenergieanlagen auf die Gesundheit, nicht berücksichtigt. Es sei unseriös, wenn der Planungsverband in seinen Entwurfsunterlagen angebe, dass die Schutzabstände weit über das gesetzlich notwendige Maß hinausgehen. Auch hätte der Planungsverband sich mit wenig Aufwand im Internet Informationen über strengere Abstandsvorgaben in anderen Staaten be- schaffen können. Es sei ein Unding, dass entsprechende Hinweise der Bürger in der Abwä- gungsdokumentation als „Hörensagen“ abgetan wurden. In den Entwurfsunterlagen vom No- vember 2018 seien die Abstandswerte als Richtwerte bezeichnet. Ein Richtwert sei jedoch kein verbindlicher Wert. Der Einwender wirft außerdem die Frage auf, anhand welcher Merk- male eine Siedlung als „Splittersiedlung“ eingestuft werde. Der Einwender kritisiert, wie der Planungsverband in seiner Abwägungsdokumentation vom November 2018 mit den Befürch- tungen der Immobilienbesitzer umgegangen ist. Es sei davon auszugehen, dass Windener- gieanlagen im unmittelbaren Nahbereich einer Immobilie sich ganz bestimmt auf deren Wert auswirken würden und dass solche Auswirkungen auch bei sehr großen Anlagen im weiteren Umfeld nicht ausgeschlossen werden könnten. Eine Bürgerin aus Kirch Mulsow merkt an, dass zu möglichen Gesundheitsschäden durch Infraschall in Deutschland bisher nur zwei Studien durchgeführt worden seien. Dies sei bemer- kenswert für ein Land mit der dritthöchsten Anzahl an Windenergieanlagen weltweit. Eine Bürgerin aus Mieckow nimmt zu den Vorranggebieten Nr. 38, 73 und 127 Stellung (vgl. die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwenderin habe sich als Ärztin mit den gesundheitlichen Auswirkungen der Windenergienutzung beschäf- tigt. Auffällig sei, dass die einschlägigen Grenzwerte nur auf die Einwirkung von hörbarem Schall bezogen seien. Dabei gebe es zahlreiche Untersuchungen, die sich mit der Wirkung von Infraschall befassten. Der Einwenderin sei bekannt, dass diese Art von Schall sogar zur Kriegführung erforscht worden sei. Vor dem Hintergrund ihrer Recherchen hält die Einwende- rin die geltenden Abstandsrichtwerte für unverantwortlich. Der Staat habe die Aufgabe, die Gesundheit der Bürger zu schützen. Dass angesichts der vorliegenden Erkenntnisse keinerlei

115 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Auflagen zum Schutz vor Infraschall gemacht würden, komme einem Massenexperiment an den Bürgern gleich. Bürger aus Parchow reichen eine Unterschriftenliste gegen die Festlegung des Gebietes Nr. 116 ein und nehmen in ihrer Stellungnahme auch auf die Schutzabstände zu den Wohn- orten bezug. Die Einwender halten den vom Planungsverband verwendeten Abstandsrichtwert für zu gering. Anlagen von über 200 Metern Höhe bedürften eines größeren Abstandes zu bebauten Gebieten. Die im Umweltbericht getroffene Aussage, dass sich Schlagschatten von Windenergieanlagen bis zu 1.000 Meter weit auswirkten, sei nicht korrekt. Planungsunterlagen für einen Windpark im Gebiet Nr. 116, die im Jahr 2016 in der Gemeinde Biendorf vorgestellt worden seien, hätten einen möglichen Schattenwurf bis in die Ortschaft Parchow dokumen- tiert. Aktuell seien Anlagen von 230 Metern Höhe geplant, sodass sich der Schattenwurf direkt und erheblich störend auf die Anwohner auswirken müsste. Auf Nachfrage bei Anwohnern bestehender Windparks habe man erfahren, dass die tatsächliche Geräuschentwicklung er- heblich über den ursprünglich berechneten und zugesicherten Werten liege. Den Windpark- planern sei dies bekannt – dennoch würden den Planungen die zu geringen, berechneten Schallwerte zugrunde gelegt. Bei einer einzelnen Anlage werde von den Betroffenen ein per- manentes Rauschen wahrgenommen. Ab drei Anlagen werde von schlagenden Geräuschen berichtet, die durch Überlagerung der Schallfrequenzen entstünden. Bezüglich möglicher Wir- kungen von Infraschall weisen die Einwender auf eine neuere Veröffentlichung des Umwelt- bundesamtes hin. Darin gestehe das Amt ein, dass es bisher an Langzeitstudien fehle, die über mögliche Folgen langjähriger niedriger Infraschalleinwirkung Aufschluss geben könnten. Im Unterschied zum Umweltbundesamt gehen die Einwender selbst davon aus, dass schädli- che organische Wirkungen niederfrequenter Schallwellen – insbesondere von Windparks – auf Menschen und Tiere durch zahlreiche internationale Studien bereits belegt seien. Windener- gieanlagen stellten somit eine nicht kalkulierbare Gesundheitsgefahr dar. Weitere Bürger aus Parchow legen einen Bericht über Lärmprobleme durch Windkraftanla- gen vor, auf den sie durch eine Internetrecherche gestoßen sind. Der Autor komme zu dem Schluss, dass Windenergieanlagen bis zu einer zweifelsfreien Aufklärung ihrer Auswirkungen nur „mit großem Sicherheitsabstand“ zu Wohnhäusern errichtet werden sollen. Bürger aus Benitz erklären, dass größere Anlagen größere Abstände erforderten. Mindes- tens das zehnfache der Anlagenhöhe, also mindestens 2.000 Meter müssten als Schutzab- stand gelten. Die Abstände müssten auch dann vergrößert werden, wenn die Grundgeräusche in der Umgebung gering seien. Die Einwender bemängeln, dass bei der Genehmigung von Windenergieanlagen lediglich der hörbare Schall berechnet werde. Die häufig gehörte Be- hauptung, dass Infraschall bei großen Windenergieanlagen nicht auftrete, sei eindeutig wider- legt, da auch in größeren Entfernungen von solchen Anlagen Infraschall gemessen worden sei. Der Infraschallanteil nehme mit der Größe der Turbinen zu. Für den hörbaren Schall gelte ein Grenzwert von 35 Dezibel im Nachtzeitraum. Die WHO halte jedoch schon einen Lärmpe- gel über 30 Dezibel nachts im Schlafzimmer für gesundheitsschädlich. Die Einwender verwei- sen in diesem Zusammenhang auf das sogenannte „Windturbinensyndrom“, das sich beim Menschen in diversen Einzelsymptomen äußere. Ein Bürger aus Selow fordert, dass erst ein endgültiger Nachweis der Infraschallauswirkun- gen von Windenergieanlagen erbracht werden müsse. Bis dahin müsse beim Ausbau der Windenergienutzung Zurückhaltung geübt werden. Andere Bürger aus Selow haben mit Entsetzen zur Kenntnis genommen, dass für Wohnge- bäude nur noch ein Mindestabstand von 500 Metern gelten solle. Dies sei strikt abzulehnen. Bei 200 Meter hohen Windenergieanlagen – höher als jeder Kirchturm – stelle dies eine unzu- mutbare Bedrohung für die Anwohner dar. Nach Auffassung der Einwender sollten die Ab- stände bundeseinheitlich geregelt werden. Eine Bürgerin aus Dalkendorf nimmt zu den Gebieten 38, 73 und 127 Stellung (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwen- derin hält eine Politik, die auf die Förderung von Großanlagen setze, für falsch. Andererseits

116 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 werde Familien, die eine kleine Windenergieanlage auf ihrem Grundstück aufstellen wollten, dies verboten weil, man den Nachbarn die Belästigung nicht zumuten könne. Die Einwenderin weist auf die körperliche und psychische Belastung durch Infraschall hin. Dieser werde vom Menschen zwar nicht bewusst gehört, nichtsdestoweniger aber vom Innenohr wahrgenommen und vom Gehirn verarbeitet. Menschen, die ständig Infraschall ausgesetzt seien, könnten so- mit in einen Stresszustand geraten. In Deutschland werde anscheinend nicht beachtet, dass Infraschall sich über größere Distanzen ausbreite, zumal dann, wenn die Schallquelle sich in großer Höhe befinde. Länder wie Kanada und Neuseeland hätten deshalb Mindestabstände zu Siedlungen von 2 Kilometern und mehr festgelegt. Ein Bürger aus Dalkendorf berichtet, dass er in der letzten Zeit vergeblich versucht habe, eine Wohnung in seinem Haus zu vermieten. Mehrere Interessenten seien regelrecht geflüch- tet, als sie durchs Fenster die Windenergieanlagen gesehen hätten. Dabei seien dies nur die jetzt vorhandenen „kleinen“ Anlagen. Bei offenem Fenster höre man auch das rhythmische Schlagen der Rotorblätter. Die Wohnung stehe immer noch leer, was für den Einwender eine finanzielle Katastrophe sei und eine Wertminderung des Hauses bedeute. Der Einwender be- fürchtet, dass eine Ausweitung der Windparkflächen die Situation noch verschlimmern würde. Sein Einkommen würde sich durch längere Leerstände und Mietzugeständnisse reduzieren, der Wert des Hauses würde weiter sinken. Sicherlich brächten die Windenergieanlagen mehr Geld ein als die Vermietung einer Wohnung. Es sei schockierend, wie das Interesse der An- wohner missachtet und ihre Existenz vernichtet würde, nur weil sie schwächer seien und ein „Starker“ (gemeint ist vermutlich ein interessierter Windparkbetreiber) mehr Geld habe. Auch ein Bürger aus Ziesendorf hält die Auswirkung von Infraschall auf den Menschen für noch nicht hinreichend aufgeklärt. Es sei bedrohlich, dass im Tierreich dadurch vermehrt Fehl- geburten aufträten. Bürger aus Appelhagen halten den mit 800 Metern angesetzten Schutzabstand zu Wohn- häusern im Außenbereich für zu gering. Nach Aussage von Bekannten der Einwender aus Altentreptow seien die Geräusche der dortigen Anlagen je nach Windrichtung 2 bis 3 Kilometer weit zu hören. Strahlungen, welche die Windenergieanlagen von sich gäben, seien höchst gesundheitsschädigend. Dies sei schon in vielen Fällen nachgewiesen worden. Weitere Bürger aus Appelhagen haben ebenfalls Bekannte und Verwandte, die in der Nähe vorhandener Windparks in der weiteren Umgebung leben. Diese würden über starke Lärmbe- lästigung und Schattenwurf sowie über Ängste, Schlafstörungen und psychische Probleme berichten. Auch die Einwender selbst machten diese Erfahrungen, wenn sie dort zu Besuch seien. Ein weiterer Bürger aus Appelhagen verweist auf den bayerischen Abstandsrichtwert von 2.000 Metern und stellt die Frage, ob die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern weniger wert seien. Die Stadt Neubukow kritisiert die Unterscheidung von zusammenhängend bebauten Ortstei- len und Wohnhäusern im Außenbereich. Die Stadt verlangt hinsichtlich der Schutzabstände eine Gleichbehandlung aller Bürger, ungeachtet des Wohnortes. Der Schutz des einzelnen Menschen könne nicht von der Anzahl der Wohngebäude abhängen. Da die wissenschaftliche Erkenntnis bezüglich möglicher Gesundheitsgefährdungen durch Windenergieanlagen noch nicht soweit fortgeschritten sei, dass sich risikofreie Schutzabstände sicher bestimmen ließen, sollte der Schutzanspruch für alle Menschen gleich hoch sein. Die Stadt weist nochmals darauf hin, dass sich die relativ hohe Konzentration von Windenergieanlagen in der näheren Umge- bung schon jetzt negativ auswirke. Von den Bürgern und in den politischen Gremien werde dies zunehmend kritisch beurteilt. Die Stadt führt nochmals die wesentlichen Störungen und Beeinträchtigungen auf, die nach ihrer Einschätzung bzw. bisherigen Erfahrung für die unmit- telbaren Anwohner, die Stadtentwicklung, die Landschaft und die Vogelwelt entstehen würden. Eine Eindämmung der negativen Auswirkungen und eine Akzeptanz der Windenergienutzung bei den Bürgern könne nur durch größere Abstände der Windparks zu den Siedlungsräumen erreicht werden.

117 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Der NABU Mecklenburg-Vorpommern regt an, die Schutzabstände zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen im Außenbereich nicht als pauschales Ausschlusskriterium bei der Auswahl der Vorranggebiete heranzuziehen. Der Planungsverband habe in seiner Abwägungsdoku- mentation vom November 2018 zutreffend dargelegt, dass selbst ein minimaler Schutzabstand von 500 Metern bei strenger Auslegung nicht zu den essenziellen Ausschlusskriterien zu zäh- len sei. Die Bestimmungen des einschlägigen § 35 des Baugesetzbuches sind nach Auffas- sung des Einwenders so zu verstehen, dass die Wohnnutzung im Außenbereich grundsätzlich unerwünscht sei, während der Windenergienutzung hier ausdrücklich ein privilegierter Status zuerkannt worden sei. Vor diesem Hintergrund sei es grob unangemessen, auf der Ebene der Regionalplanung vorsorglich Abstandszonen zugunsten einer vom Gesetzgeber nicht er- wünschten Nutzung zu bestimmen. Nach dem Wortlaut der RREP-Begründung könnten sogar jegliche Gebäude wie zum Beispiel auch Garagen oder andere Nebengebäude, die gar nicht schutzwürdig seien, einen Schutzabstand beanspruchen. Es werde noch nicht einmal voraus- gesetzt, dass die betreffenden Einzelhäuser und Splittersiedlungen überhaupt rechtmäßig er- richtet worden sind. Soweit Häuser im Außenbereich rechtmäßig errichtet wurden und tatsäch- lich dauerhaft dem Wohnen dienen, könnten entsprechende Schutzerfordernisse in späteren Genehmigungsverfahren immer noch berücksichtigt werden. Die in diesen Verfahren maßge- benden Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetztes würden sicherstellen, dass die Bewohner des Außenbereiches mit einem Wegfall des pauschalen 800-Meter-Abstandskri- teriums keinesfalls rechtlos gestellt würden. Mit einer solchen Lösung wäre ein Weg eröffnet für individuelle Einigungen zwischen Windparkbetreibern und Anwohnern, die auch eine Auf- gabe der Wohnnutzung gegen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich beinhalten könn- ten. Dass letzteres keinesfalls nur eine theoretische Option wäre, habe der Planungsverband schon selbst erkannt und in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 ausdrücklich darge- legt. Ausgehend von diesen Überlegungen macht der Einwender deutlich, dass er die Vorge- hensweise des Planungsverbandes auch im rechtlichen Sinne als fehlerhaft ansieht, indem die vermeintliche Schutzwürdigkeit des Wohnens im Außenbereich in der planerischen Abwä- gung ein unverhältnismäßig hohes Gewicht bekommen habe – und indem der Anwendung des 800-Meter-Kriteriums keine Unterscheidung zwischen rechtmäßigen und unrechtmäßigen Nutzungen vorausgegangen sei. Der Einwender geht davon aus, dass es in vielen Fällen nach Aufgabe einer früheren, möglicherweise rechtmäßigen Nutzung zur illegalen Nutzung von Ge- bäuden zu Wohnzwecken gekommen ist. Einen für rechtmäßig genutzte Wohnhäuser allen- falls angemessenen Abstandswert habe der Planungsverband in seinen Entwurfsunterlagen nachvollziehbar hergeleitet: dieser liege bei 500 Metern. Die in der Abwägung vorgenommene Fehlgewichtung werde auch daran deutlich, wie der Planungsverband mit den Lebensrauman- sprüchen bestimmter Greifvögel, insbesondere des Rotmilans, des Schwarzmilans und der Rohrweihe, umgegangen sei. Der Schutz dieser Lebensräume sei (im Unterschied zur Wohn- nutzung im Außenbereich) vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt – dennoch habe der Pla- nungsverband bei den Brutplätzen dieser Arten auf die Anwendung pauschaler Schutzab- stände verzichtet. Der Verein Freier Horizont e.V. hält angesichts des rasanten Höhenwachstums der Wind- energieanlagen die geltenden Abstandsrichtwerte für überholt. Der vom Planungsverband an- genommene essenzielle Mindestabstand entspreche schon beinahe dem Fallradius moderner Anlagen. Auch die bei der Abgrenzung der Vorranggebiete tatsächlich angesetzten 1.000 bzw. 800 Meter seien nicht mehr zeitgemäß. Ein Abstand von 2.000 Metern in Anlehnung an die bayerische „10h-Regelung“ würde nach Ansicht des Einwenders ein gerade noch vertretbares Mindestmaß darstellen. Der Verein Wind Energy Network e.V. weist darauf hin, dass die in Mecklenburg-Vorpom- mern empfohlenen Mindestabstände zu den Wohnorten deutlich über die Maßgaben des Bun- des-Immissionsschutzgesetzes und der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm hin- ausgingen. Sie gewährleisteten einen größtmöglichen Schutz der Anwohner. Das Umweltbundesamt sehe einen Mindestabstand von 600 Metern als ausreichend an, um den Schutz der Bevölkerung zu sichern. Auch das von den Gerichten eingeführte Kriterium der optisch bedrängenden Wirkung erfordere bei bis zu 200 Meter hohen Referenzanlagen keinen

118 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 höheren Abstand. Nach aktueller Rechtsprechung sei bei einem Abstand von weniger als dem Zweifachen der Gesamthöhe der Anlage in der Regel von einer optisch bedrängenden Wir- kung auszugehen, bei mehr als dem Dreifachen der Gesamthöhe generell nicht mehr. Der Einwender weist dazu auf die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage hin, wonach die Mehrheit der befragten Bundesbürger nichts gegen die Errichtung von Windenergieanlagen in ihrer Nachbarschaft hätte. Die Akzeptanz sei sogar noch höher, wenn sich bereits solche Anlagen in der Umgebung befänden und die Bürger schon Erfahrungen mit deren Auswirkungen ge- macht hätten. Das Amt Laage äußert Vorbehalte gegen das Vorranggebiet Nr. 123 (vgl. hierzu die im Ab- schnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders) und gibt dazu auch allge- meine Kritik wieder, wie sie in der Gemeindevertretung Diekhof und der Ortsteilvertretung Liessow laut geworden sei. Die Mindestabstände zu den Wohnorten seien zu gering. Das Amt regt deshalb eine Anpassung an den in Bayern geltenden Richtwert vom zehnfachen der An- lagenhöhe an. Damit würden die Abstände der technischen Entwicklung angepasst, und mög- liche Risiken und Beeinträchtigungen für die Anwohner könnten vermieden werden. In den Gemeinden des Amtes Laage sei gegenwärtig eine erhöhte Nachfrage nach Wohnbauland zu verzeichnen. Durch eine Festlegung des Gebietes Nr. 123 sähe das Amt die bauliche Entwick- lung gefährdet. Der weitere Ausbau der Windenergienutzung unter Beibehaltung der gelten- den Mindestabstände verhindere private Investitionen in den Gemeinden und sei somit kont- raproduktiv für die Entwicklung der ländlichen Räume. Der Landkreis Rostock bemängelt, dass bei der Auswahl der Vorranggebiete für Windener- gieanlagen die Höhenlage nicht als Bewertungskriterium einbezogen wurde. Sowohl die Aus- wirkungen eines Windparks auf das Landschaftsbild als auch eine mögliche „bedrängende“ Wirkung auf die unmittelbaren Anwohner hingen jedoch wesentlich von der Höhenlage des Windparks im Verhältnis zum Höhenniveau der umliegenden Landschaft ab. Die Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“ aus Gülzow-Prüzen nimmt zum Vor- ranggebiet Nr. 71 Stellung und bemängelt die aus ihrer Sicht zu geringen Abstände der Vor- ranggebiete zu schutzwürdigen Nutzungen. Der Planungsverband habe offensichtlich nur den Eindruck erwecken wollen, dass seit der erstmaligen Festlegung von Eignungsgebieten die Abstände zugunsten der Anwohner erhöht worden seien. Dies würde jedoch nur dann zutref- fen, wenn die Größe der Windenergieanlagen gleichgeblieben wäre. Das sei nicht der Fall. Nach Auffassung der Einwender müssten die Schutzabstände grundsätzlich in Abhängigkeit von der Anlagenhöhe festgelegt werden. Nicht der absolute Abstand sei maßgebend für die potenziellen Auswirkungen der Windenergieanlagen auf die Nachbarschaft, sondern das Ver- hältnis von Abstand und Anlagenhöhe. Bei Betrachtung der heute üblichen Anlagengröße sei festzustellen, dass dieses Verhältnis nicht zugunsten der Anwohner verändert worden sei. Der Planungsverband könne also nicht so tun, als hätte er eine Anpassung der Abstände aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Schutz der Menschen vorgenommen. Dies sei Au- genwischerei. Die Wählergruppe kritisiert, dass bei der RREP-Fortschreibung nicht die neues- ten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Auswirkung von Schallwellen auf die menschliche Gesundheit berücksichtigt worden seien. Um mögliche Gesundheitsrisiken durch Infraschall auszuschließen, müssten belastbare Langzeitstudien herangezogen werden. Solche belast- baren Studien könne es jedoch aufgrund der unterschiedlichen Bauarten von Windenergiean- lagen und der schnell fortschreitenden technischen Entwicklung kaum geben. Die Einwender verweisen auf verschiedene Internetquellen, darunter eine Veröffentlichung des Robert-Koch- Instituts aus dem Jahr 2007, und bitten den Planungsverband diese bei der Beurteilung der Umweltauswirkungen heranzuziehen. Im Entwurf vom November 2018 habe sich der Pla- nungsverband seiner Verantwortung durch den Verweis auf nachfolgende Genehmigungsver- fahren entzogen. Die Aussage, dass die Anlagen später im Fall einer nachgewiesenen Beein- trächtigung temporär abgeschaltet werden müssten, lasse keine sachgerechte Abwägung erkennen. Es sei nicht im Sinne einer nachhaltigen Energiewende, wenn einmal errichtete Anlagen nur unter Einschränkungen betrieben werden könnten. Auch den Interessen der An- lagenbetreiber dürfte dies zuwiderlaufen.

119 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) fordert, dass generell 2,5 Kilometer als Mindestabstand zu Wohnorten eingehalten werden sollten und dass dieser Richtwert strikt und ohne Ausnahme angewandt werden sollte. Die Stadt Kröpelin spricht sich für eine gesetzliche Regelung der Mindestabstände zum Schutz der Wohnorte aus. Die Gemeinde Warnkenhagen spricht sich grundsätzlich für die Nutzung erneuerbarer Ener- giequellen aus. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, dass Windenergieanlagen immer dichter an den Wohnhäusern errichtet würden. Da die betroffenen Bürger von den Anlagen keine Vor- teile, sondern nur Nachteile hätten, gehe die Akzeptanz gegen Null. Die Gemeinde fordert eine Erhöhung der Schutzabstände zu den Wohnhäusern. Die Gemeinde Plaaz nimmt zum Gebiet Nr. 123 Stellung und verweist in diesem Zusammen- hang auf Erfahrungen mit bestehenden Windenergieanlagen. Der bereits errichtete Windpark im benachbarten Gebiet Nr. 106 habe gezeigt, dass die angewandten Schutzabstände zu den Wohnorten keinesfalls ausreichend seien. Gerade bei feuchtem Wetter sei die Lärmbelästi- gung enorm hoch. Dies führe zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Anwohner. Die Gemeinde Biendorf fordert den Planungsverband auf bezüglich möglicher Beeinträchti- gungen der Anwohner das Vorsorgeprinzip stärker zur Geltung zu bringen, als dies in der bis- herigen Abwägung erfolgt sei. Die Gemeinde verweist dazu auf möglich Wertverluste von Im- mobilien, Unfallgefahren, Lärm, Schattenschlag sowie bisher ungeklärte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Die in Bayern eingeführte Abstandsregelung vom zehnfachen der Anlagenhöhe folge offensichtlich dem Vorsorgeprinzip. Es stelle sich die Frage, warum eine solche Regelung im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern nicht ebenso gelten könne. Die Stadt Schwaan berichtet, dass seit der Errichtung der Windenergieanlagen im Eignungs- gebiet Nr. 114 sowie zweier Anlagen zu Erprobungszwecken bei Hof Tatschow zahlreiche Beschwerden der Anwohner über Belästigungen durch Geräusche, Schattenwurf und Blink- feuer lautgeworden seien. Die Stadt bittet darum, dass aufgrund dieser tatsächlichen Belas- tungen und der zunehmenden Größe und Leistung der Windenergieanlagen die bestehenden Abstandsrichtwerte überprüft und geändert werden. Die Denker & Wulf AG führt aus, dass wissenschaftliche Nachweise einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Windenergieanlagen nicht vorlägen. Der von den Anlagen ausgehende Infraschall liege bereits in unmittelbarer Nähe unterhalb der Hörschwelle nach der DIN 45680. Die bei der Planung angesetzten Schutzabstände zu Siedlungen und Wohn- gebäuden würden die Auswirkungen minimieren. Schlafstörungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen und ähnliche Symptome würden ausschließlich durch Infraschall mit sehr hohem Schallpegel, der die menschlichen Hör- und Wahrnehmungsgrenzen überschreitet, hervorgerufen. Unter- halb dieser Grenzen seien keine derartigen Auswirkungen bekannt. Windenergieanlagen ver- ursachten Infraschall mit niedrigem Schallpegel und könnten somit nicht für derartige Be- schwerden verantwortlich gemacht werden. Aufgrund technischer Innovationen sei es möglich, die Störungswirkung von Windenergieanlagen auf ein Minimum zu reduzieren. Die höchstens zulässigen Beeinträchtigungen durch Schattenwurf und die Schallimmissionen seien gesetz- lich geregelt. Weiterhin könne die nächtliche Befeuerung für die Kennzeichnung von Luftfahrt- hindernissen mittlerweile vollständig abgeschaltet werden, sodass die Anlagen in der Nacht nur bedarfsgerecht bei Flugverkehr beleuchtet wären. Auch der Farbanstrich der Windener- gieanlagen sei so gewählt, dass die Anlagen sich möglichst unauffällig in die Landschaft ein- fügen und keine Reflektionen der Sonnenstrahlen hervorrufen. Die Gemeinde Benitz bemängelt, dass für die RREP-Fortschreibung keine Überarbeitung der Abstandskriterien erfolgt sei. Dies beträfe zum Beispiel die Abstände zu den Wohnorten sowie zu Schutzgebieten nach dem Naturschutzrecht. Medizinische Studien wiesen nachdrücklich auf Folgeschäden durch Infraschall hin. Die Gemeinde zitiert aus einer einschlägigen Internet-

120 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 quelle, die den internationalen Wissensstand wiedergebe. Die einzige Schutzmöglichkeit be- stehe derzeit darin, ausreichend große Mindestabstände einzuhalten. In der Mehrzahl der zi- vilisierten Länder sei dies bereits geschehen (USA 2,5 Kilometer, England 3 Kilometer). In Deutschland habe man dagegen behördlicherseits die Gesundheitsgefahren des Infraschalls weitgehend ignoriert. Die Genehmigungsverfahren in Deutschland würden somit auf einer ver- alteten Grundlage durchgeführt. Die Gemeinde fordert, dass diese Gesetzeslücke geschlos- sen werde.

5.1.3 Zusammengefasste Abwägung Die vorgebrachten Einwände, soweit sie auf eine weitere Erhöhung der Schutzabstände zu den Wohnorten abzielen, entsprechen denen, die bereits zu den früher veröffentlichten Ent- würfen der RREP-Fortschreibung eingegangen sind. Wesentliche neue Aspekte, welche die bisher vorgenommene Abwägung in Frage stellen würden, kann der Planungsverband nicht erkennen. Insoweit wird auch auf die in den Abwägungsdokumentationen vom Mai 2014 und vom November 2018 bereits enthaltenen Ausführungen verwiesen. Der Planungsverband ver- weist außerdem auf die im Umweltbericht wiedergegebene Alternativenprüfung, die bereits in der Fassung vom November 2018 enthalten war. Diese macht anschaulich, dass die Schutz- abstände zu den Wohnorten nicht beliebig erhöht werden können, ohne dass andere Schutz- güter in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt würden oder auf die Windenergienutzung ganz verzichtet werden müsste. Die Abstandszonen um Wohnhäuser und Wohngebiete de- cken in der Region Rostock allein 85% der Regionsfläche ab. Jede weitere Erhöhung der Schutzabstände würde tendenziell zu einem völligen Ausschluss der Windenergienutzung auf dem Festland führen. Der Planungsverband hat im Rahmen der Entwurfsbearbeitung zur RREP-Fortschreibung verschiedene Szenarien mit höheren Schutzabständen bis zu 2.000 Metern betrachtet. Eine Erhöhung des Abstandes zu Ortschaften auf 1.200 Meter hätte den Umfang der im Entwurf enthaltenen Eignungsgebiete schon um mehr als die Hälfte verringert. Eine Erhöhung des Abstandes auf 1.500 Meter hätte die Fläche um neun Zehntel verringert. Bei einer Erhöhung des Abstandes auf 2.000 Meter wäre nichts übriggeblieben. Der von eini- gen Einwendern als Vorbild angeführten bayerischen Lösung mit zehnfacher Anlagenhöhe als Mindestabstand würde beim heutigen Stand der Technik das 2.000-Meter-Szenario entspre- chen. Eine mögliche Erhöhung des Schutzabstandes zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen im Außenbereich, wie sie von verschiedenen Einwendern im Sinne einer Gleichbehandlung aller Bürger gefordert wird, wurde bei diesen Betrachtungen noch gar nicht berücksichtigt und würde sich zusätzlich auswirken. Der Einwand, die Anpassung der Abstandsrichtwerte habe mit der Höhenentwicklung der Windenergieanlagen nicht schrittgehalten, trifft nicht zu. Bei der Festlegung der ersten Eignungsgebiete für Windenergieanlagen vor 20 Jahren wurden Anlagenhöhen von 100 bis 150 Metern als Referenzgröße angenommen. Der regelmäßige Schutzabstand zu ländlichen Ortschaften betrug 500 Meter, zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen 300 Meter. Auf dem heutigen Stand der Technik kann von Anlagenhöhen von 200 bis 250 Metern ausgegangen werden. Der doppelte Schutzabstand von 1.000 Metern ist hierfür angemessen. Für die Ein- zelhäuser und Splittersiedlungen im Außenbereich wurde der Schutzabstand sogar fast ver- dreifacht. Auch der Einwand, dass der Planungsverband beim Schutz der Anwohner das Vorsorge- prinzip verletze, trifft nicht zu. Dieses Prinzip kann nicht so verstanden werden, dass von den Bürgern jegliche Risiken und potenziell schädliche Umwelteinwirkungen vollständig ferngehal- ten werden müssten. In einem dicht besiedelten Industrieland ist dies nicht möglich. Vielmehr geht es darum ein angemessenes und vertretbares Schutzniveau sicherzustellen. In den letz- ten Jahren sind zahlreiche neue Windparks in der Region Rostock genehmigt worden. Die im Rahmen der Genehmigungsverfahren durchgeführten Berechnungen zur Schallausbreitung machen deutlich, dass die maßgebenden Richtwerte für Dorf- und Mischgebiete nach der Technischen Anleitung Lärm in der Regel erst innerhalb eines Entfernungsbereiches von 400

121 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 bis 600 Metern um den Windpark überschritten werden. Die vom Planungsverband angewand- ten Abstände von 1.000 Metern zu Ortschaften und 800 Metern zu Wohnhäusern im Außen- bereich enthalten somit einen sehr großzügigen Vorsorge- und Sicherheitszuschlag im Sinne einer möglichst geringen Beeinträchtigung der Anwohner. Schutzabstände von mehr als 1.000 Metern werden in der Planung nur für wenige Kategorien von sehr großen Industrieanlagen wie Hüttenwerken und Ölraffinerien angewandt, die im Vergleich zu Windenergieanlagen ein wesentlich höheres Emissions- und Gefahrenpotenzial aufweisen. Eine optisch „bedrängende“ Wirkung von Windenergieanlagen auf die Nachbarschaft kann gemäß der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in der Regel erst angenommen werden, wenn der Abstand weniger als das zweifache der Anlagenhöhe beträgt. Auch unter diesem Gesichtspunkt haben die For- derungen zur Einführung von höheren Schutzabständen also keinen erkennbaren Bezug zu den tatsächlichen Wirkungen, die von Windenergieanlagen ausgehen. Bezüglich möglicher Gesundheitsschäden durch den von Windenergieanlagen verur- sachten Infraschall ergeben sich aus den Einwendungen ebenfalls keine neuen Erkennt- nisse. Als gesicherte Erkenntnis kann wohl gelten, dass von Windenergieanlagen nicht nur hörbare Geräusche, sondern auch tieffrequente Schallwellen ausgehen. Dies gilt jedoch ebenso für andere natürliche und technische Geräuschquellen, von denen viele Menschen täglich umgeben sind. In einer Veröffentlichung des Robert-Koch-Institutes aus dem Jahr 2007, die dem Planungsverband von einem Einwender vorgelegt wurde, ist folgende Einschät- zung enthalten, die sinngemäß aus einem umweltmedizinischen Handbuch übernommen wurde: „Insgesamt werden Kraftfahrzeuge, Flugzeuge und Eisenbahnen als wichtigste Quel- len für tieffrequenten Schall angesehen, wohingegen Schiffslärm, Gewerbe- und Baulärm, Sport- und Freizeitlärm sowie Nachbarschaftslärm für die Gesamtbevölkerung eine geringere Bedeutung zugeordnet wird.“ Neueren Veröffentlichungen, soweit sie dem Planungsverband bekannt sind, ist keine andere Einschätzung zu entnehmen. Epidemiologisch relevante Hin- weise darauf, dass die zunehmende Verbreitung von Windenergieanlagen sich spürbar auf die Gesundheit der Anwohner auswirken würde, scheinen bislang nicht vorzuliegen. Die For- derung einiger Einwender, dass solche Auswirkungen von der Wissenschaft mit letzter Sicher- heit ausgeschlossen werden müssten, bevor weitere Windparks geplant werden dürften, er- scheint dem Planungsverband überzogen und in Anbetracht eines bislang nicht erkennbaren Gefährdungspotenzials kaum angemessen. Ob die Berechnungs- und Bewertungsverfahren des Immissionsschutzes den tieffrequenten Schall hinreichend abbilden, was von einigen Ein- wendern in Frage gestellt wird, kann der Planungsverband nicht beurteilen. Entsprechende Veränderungen lägen nicht in der Verantwortung des Planungsverbandes und wären auch für die RREP-Fortschreibung nicht unmittelbar relevant. Bezüglich der Unterscheidung von zusammenhängend bebauten Ortschaften und soge- nannten Splittersiedlungen im Außenbereich verweist der Planungsverband nochmals auf das Baugesetzbuch, das diese Unterscheidung ausdrücklich vornimmt. Bei der entsprechen- den Einstufung der Siedlungsteile hat sich der Planungsverband an gemeindlichen Plänen und Satzungen sowie in Zweifelsfällen an der Einschätzung der zuständigen Bauplanungsbehörde des Landkreises orientiert. Der Außenbereich ist vom Gesetzgeber dafür vorgesehen, dass dort solche Anlagen errichtet werden können, die innerhalb der Ortschaften stören würden. Dessen ungeachtet müssen bei der Genehmigung der Anlagen im Bezug auf benachbarte Wohnhäuser die gleichen Mindestanforderungen des Immissionsschutzes eingehalten wer- den, die auch innerhalb von Ortschaften gelten, wenn in Dorf- und Mischgebieten Wohnhäuser und Gewerbebetriebe direkt benachbart sind. Bezüglich der Anforderungen des Schallschut- zes findet also keine Ungleichbehandlung der Anwohner statt. Die vom NABU-Landesverband aufgeworfene Frage, ob dem Schutz des Wohnens im Au- ßenbereich ein zu hohes Gewicht beigemessen werde, ist grundsätzlich berechtigt. Der Planungsverband hat sich jedoch bei der Bemessung der Schutzabstände an den Empfehlun- gen der Landesregierung orientiert und geht davon aus, dass mit den gewählten Planungskri- terien eine insgesamt ausgewogene Berücksichtigung der verschiedenen Schutzgüter erfolgt. Wenn man nach der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers geht, wäre das Wohnen im

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Außenbereich vorrangig im direkten Zusammenhang mit den dort befindlichen landwirtschaft- lichen Betriebsstätten zulässig. Dies entspricht jedoch nicht mehr der heutigen Lebenswirk- lichkeit, und das Planungskonzept der RREP-Fortschreibung muss dieser Lebenswirklichkeit Rechnung tragen. Jedenfalls zu weitgehend erscheint dem Planungsverband die vom NABU vorgenommene Gesetzesauslegung, wonach die Windenergienutzung eigentlich Vorrang vor dem Wohnen im Außenbereich haben müsste. Im § 35 des Baugesetzbuches wird sowohl Windenergieanlagen (unter einem Planungsvorbehalt) als auch Wohnhäusern (unter bestimm- ten Voraussetzungen) eine privilegierte Zulässigkeit eingeräumt. Die Vermutung des NABU, dass die Wohnnutzung heute in vielen Fällen materiell rechtswidrig ausgeübt werde, mag zu- treffen. Auf der Ebene der Regionalplanung kann dies jedoch nicht fallweise überprüft werden, sodass tatsächlich von der Schutzwürdigkeit der vorhandenen Nutzung ausgegangen werden muss. Auch die vom NABU vorgenommene Gegenüberstellung mit den Schutzanforderungen für Greifvogelbrutplätze führt nach Ansicht des Planungsverbandes in die Irre, weil Vogel- schutzbelange bei der RREP-Fortschreibung tatsächlich sehr großzügig berücksichtigt wurden – sodass es wiederum andere Einwender gibt, die ein Missverhältnis im umgekehrten Sinne (zu viel Vogelschutz, zu wenig Schutz der Wohnorte) erkannt haben wollen. Die Grundstücksgrenzen sowie Nebengebäude und Garagen von Wohnanwesen wurden bei der Bemessung der Schutzabstände nicht berücksichtigt. Der Hinweis einzelner Einwen- der, dass auch Gärten und Terrassen von den Bewohnern zum Aufenthalt genutzt werden, trifft zweifellos zu. Diese Aufenthaltsfunktion kommt jedoch in der Regel nur Teilen der Grund- stücksfläche zu. Entsprechende Differenzierungen wären auf der Maßstabsebene der Regio- nalplanung weder möglich noch sinnvoll. Die Abstandsbemessung an den Wohnhäusern ist einer Bemessung an den Grundstücksgrenzen aus Sicht des Planungsverbandes vorzuzie- hen, weil nur erstere Methode zu einem einheitlichen Ergebnis führt. Bei letzterer Methode wirken sich die unterschiedlichen Grundstücksgrößen verzerrend auf den Zuschnitt der Wind- energie-Eignungsgebiete aus. Auch bei der Berechnung der Schallimmissionen im Rahmen der Genehmigung von Windenergieanlagen wird nach Kenntnis des Planungsverbandes ein- heitlich auf die Wohngebäude Bezug genommen und nicht auf die Außenanlagen. Bezüglich der von einigen Einwendern befürchteten negativen Auswirkungen auf die Ent- wicklung der Gemeinden und des ländlichen Raumes bleibt der Planungsverband bei sei- ner Einschätzung, dass Windenergieanlagen in bislang ruhigen, unverbauten Landschaftsräu- men durchaus als Beeinträchtigung des Wohnumfeldes wahrgenommen werden können – dass jedoch Wohn- und Standortpräferenzen der Bürger und Unternehmen auch von zahlrei- chen anderen Faktoren beeinflusst werden. Die von einzelnen Einwendern geäußerte Vermutung, dass die Bausubstanz der Häuser in der Nähe von Windparks Schaden nehmen könne, hält der Planungsverband für nicht ausrei- chend begründet.

5.2 Lokale Häufung von Eignungsgebieten

5.2.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Schackendorf und Rakow • Kloss New Energy GmbH, Rerik • Denker & Wulf AG, Rerik • Freier Horizont e.V., Penzlin • Landkreis Rostock, Amt für Kreisentwicklung • Enercon GmbH, Rostock

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• Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow

5.2.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die Enercon GmbH (gleichlautend ein Bürger aus Schackendorf) spricht sich für eine Wie- deraufnahme des Gebietes Nr. 131 in den Entwurf der RREP-Fortschreibung aus (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin) und macht dazu auch grundsätzliche Ausführungen zur vermeintlich falschen Anwendung eines Restriktions- kriteriums „Umfassung von Siedlungen“. Diese Ausführungen werden hier nicht vollumfänglich wiedergegeben, weil in der Region Rostock tatsächlich kein solches Restriktionskriterium mit der von der Einwenderin beschriebenen Methodik angewandt wurde. Die entsprechenden Ausführungen sind offensichtlich wörtlich übernommen aus einer von derselben Einwenderin vermutlich früher abgegebenen Stellungnahme zur laufenden Fortschreibung des RREP in der Nachbarregion Vorpommern, denn nach Kenntnis des Planungsverbandes wurde nur in dieser Nachbarregion ein solches Kriterium in der von der Einwenderin beschriebenen Weise ange- wandt. Im Grundsatz übertragbar auf die Region Rostock sind die vorgebrachten Bedenken nur insoweit, wie es um eine einheitliche Abwägungsmethodik für diejenigen Fälle geht, in denen direkt benachbarte Eignungsflächen zusammen eine Häufungs- oder Umstellungswir- kung entfalten würden, sodass für die eine und gegen die andere Fläche entschieden werden muss. Die Einwender vermissen hierbei eine nachvollziehbare Methodik. Die Kloss New Energy GmbH bittet den Planungsverband die Problematik der lokalen Häu- fung von Vorranggebieten in der Abwägung nochmals aufzugreifen und die entsprechenden Kriterien einheitlich auf alle Gebiete anzuwenden. Die Einwenderin hat diesbezüglich das im Entwurf vom Mai 2014 enthaltene Eignungsgebiet Nr. 132 überprüft, welches vom Planungs- verband aufgrund einer übermäßigen Häufung später verworfen wurde. Die Einwenderin stützt sich in ihrer Bewertung maßgeblich auf das Gutachten Umfassung von Ortschaften durch Windenergieanlagen, das im Jahr 2013 im Auftrag des Energieministeriums erstellt wurde. Würden die diesbezüglich von den Gutachtern empfohlenen Richtwerte herangezogen, komme man zu dem Ergebnis, dass das Gebiet Nr. 132 als Vorranggebiet festgelegt werden könnte, während dagegen andere Vorranggebiete im näheren Umfeld kritisch zu überprüfen seien (vgl. auch die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin zu diesem speziellen Gebietsvorschlag). Die Denker & Wulf AG geht am Beispiel des ursprünglich geplanten Eignungsgebietes Nr. 119 auf die Problematik der lokalen Häufung von Eignungsgebieten ein (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Das Bestreben des Planungsverbandes, zwischen den vorhandenen Windparkfeldern bei Satow und Bützow einen sichtbaren Freiraum zu erhalten, das zur Streichung der Gebiete 120, 131 und 132 aus dem Fortschreibungsentwurf geführt hatte, ist für die Einwenderin durchaus nachvollziehbar. Grundsätzlich problematisch an der vom Planungsverband vorgenommenen Bewertung des Problemfeldes Häufung/Ballung sei jedoch, dass ein konkreter Bewertungsmaßstab fehle und somit ein unbestimmtes Abwägungskriterium vorliege, welches sich lediglich an Richtwerten und Bewertungshilfen orientiere. Ebenso problematisch sei, dass die diesbezügliche Bewer- tung benachbarter Eignungsflächen voneinander abhänge: Der Planungsverband müsse im Zweifelsfall schlüssig begründen können, warum er sich für die Festlegung der einen und da- mit gegen die Festlegung der anderen Fläche als Eignungs- und Vorranggebiet entschieden habe. Die in der Region Rostock vorgenommene Identifikation und Bewertung von „Ballungs- gebieten“ führe zudem dazu, dass potenzielle Eignungsgebiete landesweit unterschiedlich be- wertet würden – obwohl es doch eigentlich in der Natur der Sache liege, dass es Teilräume gebe, die aufgrund der Siedlungsdichte und der Naturgegebenheiten für die Windenergienut- zung besonders geeignet seien, sodass dort folglich auch eine höhere Konzentration von Windenergieanlagen entstehe.

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Der Verein Freier Horizont e.V. kritisiert die in der RREP-Begründung wiedergegebene Selbsteinschätzung des Planungsverbandes, wonach mit den gewählten Planungskriterien eine flächenhafte Veränderung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen vermieden würde. Die zahlreichen Widersprüche aus allen Teilen der Region zeigten, dass die Anwohner vor Ort dies völlig anders sähen. Gerade die Anhäufung von Vorranggebieten in landschaftlich sehr wertvollen Räumen widerlege diese Selbsteinschätzung. Die Vorranggebiete gingen fak- tisch ineinander über. Mit der früher für Eignungsgebiete in Mecklenburg-Vorpommern gelten- den Mindestgröße von 75 Hektar und dem Mindestabstand von 5 Kilometern sei wenigstens ansatzweise ein Gestaltungsanspruch im Sinne der räumlichen Konzentration der Windener- gienutzung verfolgt worden. Mit der willkürlichen Halbierung dieser beiden Richtwerte sei die- ser Anspruch aufgegeben worden zugunsten eines administrativ geförderten Wildwuchses. Der Abstand von 5 Kilometern sei ein eingeführtes und bewährtes Kriterium gewesen, um das optische „Ineinanderfließen“ von Windfeldern zu vermeiden. Der Verein fordert die Wiederauf- nahme dieses Mindestabstandes als Restriktionskriterium. Das Amt für Kreisentwicklung des Landkreises Rostock bemängelt die aus seiner Sicht un- zureichende Berücksichtigung der sogenannten Tourismusentwicklungsräume bei der Aus- wahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen (vgl. auch die im Abschnitt 5.3 wiedergege- benen Ausführungen desselben Einwenders). Die Entwicklung des Tourismus lasse erkennen, dass neben den Tourismusschwerpunkträumen auch die angrenzenden ländlichen Räume nachgefragt würden und dass die Gäste in zunehmender Zahl nach Räumen suchten, die Ruhe, unberührte Natur und einen freien Blick in die Landschaft bieten. Vor diesem Hinter- grund seien die lokalen Häufungen von Vorranggebieten bei Neubukow, Satow, Teterow und Bützow (letztere auch in Verbindung mit den Windparks bei Schwaan und Güstrow und den Sichtbeziehungen in das Warnowtal) als kritisch anzusehen. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) fordert, dass generell 5 Kilometer als Mindestabstand zwischen benach- barten Vorranggebieten gelten sollten und dass dieser Richtwert strikt und ohne Ausnahme angewandt werden sollte.

5.2.3 Zusammengefasste Abwägung In den Einwendungen kommen verschiedene Sichtweisen auf die Problematik teilräumli- cher Zusammenballungen von Windparks zum Ausdruck. Während einerseits argumentiert wird, dass bestimmte Teilräume eben für die Windenergienutzung besonders geeignet und entsprechende Ballungen deshalb unvermeidlich seien, wird andererseits schon die bislang erreichte Anlagendichte in Teilen der Region Rostock als übermäßig empfunden. Der Pla- nungsverband geht weiterhin davon aus, dass mit der Herausbildung räumlicher Schwer- punkte der Windenergienutzung bei gleichzeitiger Vermeidung extremer Zusammenballungen ein Kompromiss gefunden wurde, der dem Landschaftscharakter und der touristischen Bedeu- tung der Region am besten entspricht. Hierzu wird auch auf die in der Abwägungsdokumen- tation vom November 2018 bereits enthaltenen Ausführungen sowie die Darlegungen im Ab- schnitt 3.5 verwiesen. Die Anregung, dass die früher geltenden Richtwerte für Mindestgröße und Mindestab- stand von Windenergie-Eignungsgebieten wieder eingeführt werden sollten, ist insoweit ver- ständlich, als damit tatsächlich bestimmte Häufungskonstellationen vermieden werden könn- ten. Der Planungsverband gibt dazu den Hinweis, dass beide Richtwerte im Jahr 2012 von der Landesregierung halbiert wurden, um das planerische Flächenpotenzial für die Windenergie- nutzung zu erhöhen und die Voraussetzungen für einen weiteren Ausbau der Windenergienut- zung zu schaffen. Diese Änderung erfolgte im Rahmen eines Systems aufeinander abge- stimmter Planungskriterien und ist das Ergebnis von Kompromissen. Eine nachträgliche Verschärfung einzelner Kriterien wäre nur möglich, wenn zugleich an anderer Stelle Schutz- anforderungen zurückgenommen werden. Die gleichen Einwender, die für eine Verschärfung der Größen- und Abstandskriterien eintreten, möchten jedoch auch bezüglich anderer Belange

125 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 deutlich strengere Maßstäbe angelegt wissen (zum Beispiel höhere Schutzabstände zu den Wohnorten, mehr Ausschlussgebiete für den Landschaftsschutz). Der Planungsverband er- laubt sich hierzu die Anmerkung, dass nach Umsetzung solcher Forderungen ein System von Verhinderungskriterien entstehen würde, das der Windenergienutzung keinen ausreichenden Raum mehr ließe. Dies mag im Interesse der betreffenden Einwender liegen, wäre aber nicht rechtskonform. Der von einzelnen Einwendern erhobene Vorwurf der mangelnden Klarheit von Bewer- tungsmaßstäben ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht berechtigt. Zutreffend ist aller- dings, dass der Planungsverband das Problem der lokalen Häufung von Windparks zunächst unterschätzt hatte, sodass erst im Laufe des Planungsverfahrens entsprechende Bewertungs- kriterien und -maßstäbe eingeführt und präzisiert wurden. Ein wesentlicher Grund hierfür war, wie bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 erläutert wurde, dass bei der Erstellung der ersten beiden Entwürfe zur RREP-Fortschreibung das Landschaftsbild in der Region Rostock noch wesentlich von kleinen Windparks mit fünf bis zehn Anlagen von 100 bis 150 Metern Höhe geprägt war. Die ab 2013 entstandenen größeren Windparks mit 20 und mehr Anlagen von 150 bis 200 Metern Höhe haben diesbezüglich eine verstärkte Sensibilisie- rung ausgelöst, die auch in zahlreichen Stellungnahmen zum zweiten Entwurf ihren Ausdruck fand. Da es sich um sachlich begründete Einwände handelte, war der Planungsverband ge- halten, darauf zu reagieren und sein Planungskonzept entsprechend zu überdenken. Grund- sätzlich vertritt der Planungsverband die Auffassung, dass die Bewertung von Häufungstatbe- ständen im Einzelfall durch verbal-argumentative Abwägung erfolgen kann und nicht zwingend der Heranziehung zahlenmäßiger Richtwerte bedarf. Der Planungsverband hat sich dennoch für die Bildung quantitativer Maßstäbe entschieden, um die Abwägung möglichst transparent zu machen und vergleichbare Fälle in gleicher Weise zu behandeln. Allerdings sollte ein über- triebener Schematismus bei der Anwendung quantitativer Maßstäbe vermieden werden. Die zur Bewertung gebildeten Richtwerte stellen lediglich eine Entscheidungshilfe für die Einzel- fallabwägung dar. Bezüglich der geeigneten Kriterien zur Bewertung lokaler Häufungen bleibt der Planungs- verband nach nochmaliger Würdigung aller diesbezüglichen Einwände bei seiner bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegten Systematik. Eine lokale Häu- fung von Windenergie-Vorranggebieten lässt sich nach Auffassung des Planungsverbandes grundsätzlich an drei Messgrößen festmachen: • am Abstand zwischen direkt benachbarten Windparks; • am Grad der Umstellung einzelner Ortschaften; • an der absoluten Größe der Zusammenballung direkt benachbarter Windparks. Der Planungsverband bleibt ebenfalls bei seiner Auffassung, dass diese Messgrößen im Zu- sammenhang betrachtet werden müssen und dass ein Mindestabstand allein nicht geeignet ist, entsprechende Problemfälle zu identifizieren und angemessen abzuwägen. Weiterhin bleibt der Planungsverband bei seiner Einschätzung, dass objektive, allgemein gültige Grenz- werte, bei deren Überschreitung die Windparks im Landschaftsraum vom durchschnittlichen Betrachter als unangenehm dominant und verunstaltend empfunden werden, bisher nicht vor- liegen. Der Planungsverband musste sich also aus eigener Anschauung und in Auswertung vorliegender Stellungnahmen zu den bisherigen Entwürfen selbst ein Urteil bilden und ent- sprechende Richtwerte für eine einheitliche Abwägung festlegen. Die bei der letzten grundle- genden Überarbeitung des Entwurfes im Jahr 2018 angewandten Kriterien erscheinen dem Planungsverband geeignet, eine übermäßig dominante Wirkung von Windenergieanlagen auf das Landschaftsbild – in dem Sinne, dass beim durchschnittlichen, unvoreingenommenen Be- trachter der Eindruck einer reinen „Energielandschaft“ entstehen würde – zu vermeiden. Bezüglich der Beurteilung der Umstellungsproblematik hat der Planungsverband ebenfalls das von einzelnen Einwendern angeführte Fachgutachten der Firma Umweltplan aus dem Jahr 2013 herangezogen, die darin enthaltenen Empfehlungen aber nicht ausnahmslos und unge- prüft übernommen. Das Gutachten hat zweifellos den Vorteil, dass es seine Empfehlungen mit

126 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dem Anschein objektiver wissenschaftlicher Begründung versieht und die Regionalplanung damit von eigenen Prüfungs- und Begründungspflichten teilweise entlastet. Dem Planungsver- band erscheint es jedoch keineswegs zwingend, die Umstellungswirkung allein am Standpunkt eines fiktiven Betrachters festzumachen, der aus dem betreffenden Ort heraus in die umlie- gende Landschaft blickt, denn diese Perspektive ist (im Sinne eines freien Rundumblicks) in der Realität kaum jemals gegeben, sondern durch Gebäude verstellt. Eine verunstaltende Wir- kung dürfte sich in Wirklichkeit viel eher beim Blick aus der Umgebung auf den betreffenden Ort ergeben. Vor diesem Hintergrund erscheint dem Planungsverband die strikte und schema- tische Anwendung bestimmter „Freihaltewinkel“, wie sie von den Gutachtern empfohlen und von den betreffenden Einwendern entsprechend nahegelegt wird, nicht zwingend sachge- recht. Der Planungsverband bleibt bei seiner Auffassung, dass in der Region Rostock grund- sätzlich die Hälfte des Umkreises um einen Ort von Windenergieanlagen freigehalten werden sollte (und nicht, wie von den Gutachtern empfohlen, lediglich ein Drittel). In dieser Hinsicht wird also in der Region Rostock ein strengerer Maßstab angelegt. Als übertriebenen Schema- tismus würde der Planungsverband dagegen das Bemühen um eine gradgenaue Einhaltung bestimmter Mindest-Freihaltewinkel zwischen direkt benachbarten Windparks ansehen, weil der von den Gutachtern diesbezüglich empfohlene Richtwert, wie oben ausgeführt, auf einen fiktiven, in der Realität kaum jemals gegebenen Betrachterstandpunkt Bezug nimmt. Der Pla- nungsverband hält die von ihm gewählten Kriterien selbstverständlich nicht für allgemeingültig und für unbedingt besser als die Empfehlungen von Gutachtern oder die entsprechenden Kri- terien anderer Regionen; darauf kommt es jedoch nicht an. Maßgebend ist allein, dass diese Kriterien eine einheitliche, nachvollziehbare Bewertung der Häufungsproblematik in der ge- samten Region erlauben und dass mit ihrer Anwendung die Entstehung von Strukturen ver- mieden wird, die vom heutigen Durchschnittsbetrachter in der typischen Landschaft der Re- gion Rostock als übermäßig dominant und verunstaltend empfunden werden könnten.

5.3 Belange des Tourismus

5.3.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dalkendorf, Parchow, Groß Roge, Teterow • Landkreis Rostock, Amt für Kreisentwicklung

5.3.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Nach Ansicht eines Bürgers aus Dalkendorf stellt die Natur den größten Reichtum des Lan- des Mecklenburg-Vorpommern dar. Sie ziehe Besucher aus ganz Deutschland an. Kein Tou- rist wolle in dieser Natur Windenergieanlagen sehen. Mit der Zulassung solcher Anlagen zer- störe das Land seine wichtigste wirtschaftliche Grundlage. Bürger aus Parchow sprechen sich gegen die Festlegung des Vorranggebietes Nr. 116 aus und bringen auch grundsätzliche Vorbehalte gegen die Windenergienutzung in den von der Raumordnung festgelegten Tourismusräumen zum Ausdruck. Die Einwender zitieren dazu aus einer Veröffentlichung des DEHOGA M-V zur Energiewende im gastgewerblichen und touristischen Kontext. Nach Auffassung des DEHOGA stellten Windparks eine massive Be- einträchtigung des Landschaftsbildes dar. Durch die technische Überprägung werde das Bild der historisch gewachsenen Kulturlandschaft weitgehend zerstört. Die Landschaft entspreche dann nicht mehr der Vorstellungswelt der Urlauber, die bei der Wahl ihres Reisezieles von der Suche nach „intakter und unberührter Natur“ angetrieben würden. Viele Gäste fühlten sich durch die dominante Wirkung der Windparks stark beeinträchtigt. Hinzu kämen Lärmbelastun- gen und Elektrosmog. Kein Gast, selbst wenn er der Energiewende gegenüber aufgeschlos-

127 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sen wäre, würde sich solchen Beeinträchtigungen in seinem Urlaub aussetzen wollen. Wind- parks in historischen Kulturlandschaften würden somit dem Tourismus und dem Image des Natururlaubslandes Mecklenburg-Vorpommern schaden. Bürger aus Groß Roge und Teterow sprechen sich gegen die Festlegung der Vorrangge- biete Nr. 38, 73, 127 aus. Die Einwender empfinden bereits die bestehenden Windparks in den bisherigen Eignungsgebieten Nr. 38 und 73 als Zumutung für die Anwohner und erhebli- che Störung des Landschaftsbildes. Mit einer Errichtung weiterer, wesentlich größerer Anlagen würde das Bild der Landschaft mit ihren schönen Dörfern sowie den alten Herrenhäusern und Gutsanlagen auf immer verstellt. Jedem Laien müsse klar sein, dass neue Anlagen in den geplanten Ausmaßen die Urlauber zukünftig aus Mecklenburg fernhalten würden. Der Touris- mus bringe dem Land Mecklenburg-Vorpommern in jedem Jahr 1,1 Milliarden Euro an Ein- nahmen. Ein weiterer Ausbau der Windenergienutzung und der Tourismus schlössen einander aus. Das Amt für Kreisentwicklung des Landkreises Rostock bemängelt die aus seiner Sicht unzureichende Berücksichtigung der sogenannten Tourismusentwicklungsräume bei der Aus- wahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen. Die Betrachtungen und Erwägungen des Planungsverbandes hätten sich im Wesentlichen auf das Schutzgut Landschaft unter den Ge- sichtspunkten des reinen Natur- und Landschaftsschutzes sowie des Schutzes von Kultur- und Sachgütern beschränkt. Eine Betrachtung im Hinblick auf die Erholungsfunktion der Land- schaft und die touristische Infrastruktur der Wander- und Reitwege sowie insbesondere der Radwege sei offensichtlich nicht erfolgt. Die Entwicklung des Tourismus lasse erkennen, dass neben den Tourismusschwerpunkträumen auch die angrenzenden ländlichen Räume nachge- fragt würden und dass die Gäste in zunehmender Zahl nach Räumen suchten, die Ruhe, un- berührte Natur und einen freien Blick in die Landschaft bieten. Insbesondere bei der Entwick- lung der touristischen Radfernwege und der überregionalen Rundrouten sei vorrangig auf verkehrsarme Räume in landschaftlich schönen Gebieten mit kleinmaßstäblicher Infrastruktur orientiert worden. Vor diesem Hintergrund seien die lokalen Häufungen von Vorranggebieten bei Neubukow, Satow, Teterow und Bützow (letztere auch in Verbindung mit den Windparks bei Schwaan und Güstrow und den Sichtbeziehungen in das Warnowtal) als kritisch anzuse- hen.

5.3.3 Zusammengefasste Abwägung: Der Planungsverband erkennt die Sorgen der Bürger und der Tourismuswirtschaft als grund- sätzlich berechtigt an. Hierzu wird auch auf die in der Abwägungsdokumentation vom Novem- ber 2018 bereits enthaltenen Ausführungen verwiesen. Allerdings ist eine differenzierte Be- trachtung erforderlich. Dass Windenergienutzung und Tourismus einander prinzipiell ausschlössen, trifft offensichtlich nicht zu und wurde in der Region Rostock durch die gleich- zeitige Entwicklung beider Wirtschaftszweige während der letzten Jahrzehnte widerlegt. Wind- energieanlagen werden von den Menschen nicht nur als störende Elemente in der Landschaft wahrgenommen, sondern ebenso als sichtbares Zeichen einer modernen und umweltfreund- lichen Energiewirtschaft. Dennoch sollen die besonders attraktiven Landschaftsräume auch in Zukunft von Windparks freigehalten werden, und in den übrigen Teilen der Region wird darauf geachtet, dass die Landschaft nicht in übermäßiger und dominanter Weise durch die Wind- energienutzung geprägt wird. Im Unterschied zu den Einwendern geht der Planungsverband davon aus, dass das zur Fest- legung der Windenergie-Vorranggebiete angewandte Kriteriensystem den Belangen des Tourismus sehr weitgehend Rechnung trägt. Die Tourismusschwerpunkträume der Ostsee- küste sowie der Seenplatte und der Mecklenburgischen Schweiz werden von Windparks frei- gehalten. Darüber hinaus werden durch die Kriterien des Natur- und Landschaftsschutzes in großem Umfang weitere Gebiete von der Windenergienutzung ausgeschlossen. Eine Fehlge- wichtung zugunsten des Naturschutzes und zulasten der Erholungsfunktion der Landschaft, wie sie vom Amt für Kreisentwicklung beklagt wird, kann der Planungsverband hierbei nicht

128 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 erkennen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass naturnah ausgeprägte Landschaften auch eine besondere Attraktivität für bestimmte Touristen aufweisen. Dies kommt auch in dem von Bürgern aus Parchow aus einer Erklärung des DEHOGA zitierten Idealbegriff der „intakten und unberührten Natur“ zum Ausdruck. Die im RREP festgelegten Tourismusentwicklungsräume wurden bei der Festlegung der Vorranggebiete nicht pauschal ausgeschlossen, weil sie sehr großflächig sind und wegen der zugrunde liegenden Abgrenzungsmethodik als Kriterium für eine konsistente Flächenauswahl nicht geeignet sind. Dem Schutz des Landschaftsbildes in diesen Räumen wird bei der RREP- Fortschreibung gleichwohl Rechnung getragen, indem übermäßige teilräumliche Zusammen- ballungen von Windparks vermieden werden. Die Führung der überregionalen Radwanderwege ist nach Kenntnis des Planungsverbandes durch einen Wechsel naturnaher Streckenabschnitte mit solchen in stärker urban geprägten Umgebungen gekennzeichnet. Warum ausgerechnet Windparks im Verhältnis zu anderen mo- dernen Siedlungs- und Infrastrukturen eine besonders negative Wirkung auf die Attraktivität dieser touristischen Wege haben sollten, ist für den Planungsverband nicht ersichtlich.

5.4 Belange der Flugsicherung

5.4.1 Eingegangene Stellungnahmen • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, Kiel • WPD Onshore GmbH & Co KG, Rostock • Denker & Wulf AG, Rerik • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, Bonn • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen

5.4.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach die Vorrangge- biete 38, 72, 73, 106, 107 und 127 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooksberg liegen. Die Einwenderin hatte empfohlen, innerhalb dieses Be- reiches aufgrund der zu erwartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Wind- energieanlagen keine Eignungs- und Vorranggebiete festzulegen. Bezüglich möglicher Luft- fahrthindernisse weist die Einwenderin auf die Bestimmungen des § 14 (1) Luftverkehrsgesetz hin, wonach bauliche Anlagen, die eine Höhe von 100 Metern über Grund überschreiten, einer Zustimmung der Luftfahrtbehörde bedürfen. Im Fall der Zustimmung werde die Anbringung einer Tages- und Nachtkennzeichnung gemäß der entsprechenden Verwaltungsvorschrift ge- fordert. In einem Umkreis von 10 Kilometern um die Enden der Start- und Landebahn des Flugplatzes Laage sei aufgrund der möglichen Beeinträchtigung von Instrumenten-An- und Abflugverfahren mit Höhen- und Baubeschränkungen für Windenergieanlagen zu rechnen. Dies sei im Einzelfall durch die Bundeswehr zu beurteilen. Hiervon betroffen wären jedenfalls die Vorranggebiete Nr. 72, 102, 106, und 123. Gegen die geplante Erweiterung des Gebietes 106 werden Einwände erhoben (vgl. die im Abschnitt 7 wiedergegebenen Ausführungen der- selben Einwenderin). Gegen die übrigen Vorranggebiete würde man bezüglich möglicher Luft- fahrthindernisse voraussichtlich keine Bedenken erheben. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel – Schutzbereichbehörde) stellt fest, dass durch die Vorranggebiete für

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Windenergieanlagen keine militärischen Schutzbereiche berührt werden. Ein sogenanntes In- teressengebiet der Bundeswehr besteht um die Großradaranlage Elmenhorst in der Region Westmecklenburg. Dieses ist mit einem Umkreis von 35 Kilometern um die Radaranlage fest- gelegt; aufgrund technischer Anforderungen werde jedoch mittlerweile ein erweiterter Umkreis von 50 Kilometern bei der Beurteilung von Bauvorhaben berücksichtigt. Im 35-Kilometer-Um- kreis liegt das Vorranggebiet Nr. 22. Im erweiterten Umkreis liegen die Vorranggebiete Nr. N 1, 15, 28, 115, 116 und 117. Aufgrund möglicher elektronischer Störimpulse, die von Windener- gieanlagen ausgehen, müsse durch die Bundeswehr die Planung jeder Anlage daraufhin ge- prüft werden, ob sie Beeinträchtigungen der Radarerfassung hervorrufen kann. Im Ergebnis könne es auch zu ablehnenden Bescheiden kommen. Das Gebiet Nr. 22 liegt außerdem im Interessengebiet einer Funkstelle. Für alle übrigen geplanten Vorranggebiete sei zu gegebe- ner Zeit durch das Luftfahrtamt der Bundeswehr zu prüfen, ob mit einer Errichtung von Wind- energieanlagen negative Auswirkungen auf die militärische Luftfahrt entstehen können, was anhand von Höhe, Lage und Typ der geplanten Anlagen beurteilt werde. Die WPD Onshore GmbH & Co KG kritisiert die aus ihrer Sicht nicht sachgemäße Zuordnung des Bauschutzbereiches um den Flugplatz Laage zu den essenziellen Ausschlusskriterien. Am Beispiel des Vorranggebietes Nr. 72 legt die Einwenderin dar, dass auch innerhalb des Bauschutzbereiches die Genehmigung von Windenergieanlagen nicht ausgeschlossen wäre (vgl. auch die in den Abschnitten 4.5 und 6 diesbezüglich wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Bei den Bauschutzbereichen der Flugplätze könne nicht von der Un- zulässigkeit als Regelfall ausgegangen werden. Im konkreten Fall des Vorranggebietes Nr. 72 habe die Bundeswehr die Zulassung von Windenergieanlagen ab einer Entfernung von 5 Ki- lometern zum Flugplatz in Aussicht gestellt, während der Bauschutzbereich hier einen Umkreis von 6 Kilometern bildet. Ohne nähere Begründung, warum die Errichtung von Windenergiean- lagen innerhalb des Bauschutzbereiches zu einer Gefährdung der Flugsicherheit führen könnte, sei ein pauschaler Ausschluss nicht gerechtfertigt, und entsprechende Gründe lägen auch offensichtlich nicht vor. Mit der Heranziehung des Bauschutzbereiches als pauschales Ausschlusskriterium nehme der Planungsverband eine unverhältnismäßige Gewichtung der betreffenden Belange vor. Die gemäß § 12 Luftverkehrsgesetz vorgesehene Einzelfallprüfung werde damit ausgehebelt. Der Planungsverband habe in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 selbst ausgeführt, dass es nicht in der Kompetenz der Regionalplanung liegt, bestehende Rechtsvorschriften zu ändern. Diese Feststellung dürfe nicht nur in dem Sinne verstanden werden, dass Verbote zu beachten sind – umgekehrt müsse ebenso gelten, dass ein bloßer Erlaubnisvorbehalt nicht von der Regionalplanung zu einem Verbot gemacht wer- den dürfe. Der Ausschluss könne auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die betref- fenden Flächen im regionalplanerischen Maßstab vernachlässigbar wären. Im Rahmen der Flächenauswahl seien zunächst sämtliche potenziell geeigneten Gebiete zu betrachten. Im Fall des Vorranggebietes Nr. 72 gehe es um eine Fläche von durchaus erheblicher Größe, die aufgrund der fehlerhaften Kriterienauswahl des Planungsverbandes der Betrachtung von vorn- herein entzogen worden sei. Die Denker & Wulf AG weist auf die Entwicklung rechnergestützter Steuerungstechnik zur bedarfsgerechten Abschaltung von Windenergieanlagen hin. Windenergienutzung und Flugsi- cherheit könnten durch den Einsatz solcher Steuerungsprogramme besser miteinander ver- einbart werden, sodass Vorranggebiete für Windenergieanlagen in größerem Umfang ausge- nutzt werden könnten. Die Anforderungen nach § 18 a Luftverkehrsgesetz würden erfüllt, indem die Windenergieanlagen keine Störeinflüsse auf das Flugsicherungsradar der Bundes- wehr ausüben. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Bonn) bekräftigt seine bereits früher gegebenen und in die Entwurfsunterlagen vom November 2018 bereits aufgenommenen Hinweise auf die Überschneidung zahlreicher Vorranggebiete mit dem Zuständigkeitsbereich der militärischen Luftfahrtbehörden um den Flugplatz Laage sowie dem erweiterten Interessengebiet um die Großradaranlage Elmenhorst.

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Ergänzend wird auf die Lage des Vorranggebietes Nr. 123 im Interessengebiet einer Funk- dienststelle der Bundeswehr und des Gebietes Nr. 100/101 im Verlauf einer Jet-Tiefflugstrecke hingewiesen. Aufgrund der militärischen Interessen könne es in den betreffenden Gebieten zu Restriktionen, bis hin zu Ablehnungen einzelner Anlagen oder Bauhöhenbeschränkungen, kommen. Ob und inwiefern eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen tatsächlich vor- liege, könne in dieser Planungsphase ohne das Vorliegen genauer Angaben zur Anzahl der geplanten Anlagen, Standortkoordinaten, Naben- und Bauhöhen, nicht beurteilt werden. Die Bundeswehr behalte sich deshalb vor, im Rahmen späterer Genehmigungsverfahren nötigen- falls entsprechende Einwendungen geltend zu machen. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern hält die vom Planungsverband vorgenommene Zu- ordnung der militärischen Schutzbereiche zu den essenziellen Ausschlusskriterien für offen- sichtlich fehlerhaft, weil das diesbezüglich maßgebende Schutzbereichsgesetz lediglich einen Erlaubnisvorbehalt enthält. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wieder- gegebenen Hinweise der Bundeswehr ließen erkennen, dass dies auch in der Genehmigungs- praxis genauso ausgelegt und gehandhabt werde. Auch der Planungsverband selbst sei mit den Schutzbereichen nicht in dem von ihm postulierten Sinne konsequent, sondern zum Teil abwägend umgegangen. Vor diesem Hintergrund regt der Einwender an dieses Ausschluss- kriterium gänzlich aufzugeben. Es müsse geprüft werden, ob es noch andere potenziell für die Windenergienutzung geeignete Flächen in der Region gäbe, die wegen der Überschneidung mit militärischen Schutzbereichen als Ausschlussbereiche behandelt worden seien. Möglich- erweise ließe sich damit ein Flächenpotenzial erschließen, das unter Natur- und Artenschutz- gesichtspunkten weniger problematisch sei als einige der jetzt vorgesehenen Vorranggebiete. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist nochmals auf den Anlagenschutzbereich der Radaranlage Schmooksberg hin, der einen Umkreis von 15 Kilometern um den Standort der Flugsicherungseinrichtung umfasst. Gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz ist innerhalb dieses Bereiches regelmäßig zu prüfen, ob die Flugsicherungseinrichtung durch Windenergieanlagen gestört würde. Diese Prüfung erfolge, wenn über die zuständige Luftfahrtbehörde des Landes konkrete Vorhabenplanungen vorgelegt würden. Innerhalb des benannten Anlagenschutzbe- reiches liegen die Vorranggebiete Nr. 38, 72, 73, 106, 107, 123 und 127. Da die zu erwarten- den Einschränkungen dem eigentlichen Ziel von Vorrang- und Eignungsgebieten entgegen- stünden, wiederholt das Amt seine Empfehlung, innerhalb von Anlagenschutzbereichen keine Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen, jedenfalls aber auf die Möglichkeit von Einschränkungen im späteren Genehmigungsverfahren und die Notwendig- keit der Beteiligung der Luftfahrtbehörde hinzuweisen.

5.4.3 Zusammengefasste Abwägung Die Hinweise der Luftfahrtbehörden entsprechen weitgehend denen, die schon zu den früheren Entwürfen vorgebracht wurden. Der Planungsverband versteht diese Hinweise so, dass alle Vorranggebiete für moderne Windenergieanlagen grundsätzlich nutzbar sind, das zulässige Maß der Ausnutzung jedoch in späteren Genehmigungsverfahren nach Einzelfall- prüfung durch die Luftfahrtbehörden bestimmt werden muss. Dies entspricht auch der bisheri- gen Erfahrung bei der Ausnutzung der zuletzt im Jahr 2011 festgelegten Eignungsgebiete. Wie in der Stellungnahme der Denker & Wulf AG dargelegt wird, können auch technische Lösun- gen in den Windparks dazu beitragen, dass die Windenergienutzung im Einklang mit den Er- fordernissen der Flugsicherung erfolgt. Ein vollständiger Ausschluss der Windenergienutzung in den Schutz- und Interessenbereichen der Flugsicherung erscheint dem Planungsverband aufgrund der Weiträumigkeit dieser Bereiche nicht verhältnismäßig. Der entsprechenden Emp- fehlung des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung wird deshalb auch nach nochmaliger Abwägung nicht gefolgt. Bezüglich des Einwandes der Deutschen Flugsicherung GmbH zum Gebiet Nr. 106 wird auf die im Abschnitt 7 wiedergegebene diesbezügliche Abwägung verwie- sen.

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Bezüglich der Stellungnahmen der WPD Onshore GmbH & Co KG und des NABU-Landesver- bandes wird auch auf die Abschnitte 3.2 und 4.5 verwiesen, in denen die Überlegungen des Planungsverbandes zur Unterscheidung „harter“ und „weicher“ Ausschlusskriterien wiederge- geben sind. Die darüber hinausgehende Frage beider Einwender, ob die Bauschutzbereiche der Flugplätze überhaupt als striktes Ausschlusskriterium gelten dürften, wird vom Pla- nungsverband nach nochmaliger Prüfung weiterhin bejaht. Die Argumente der Einwender kön- nen weder in rechtlicher und methodischer Hinsicht, noch unter inhaltlich-planerischen Ge- sichtspunkten vollkommen überzeugen. Der Hinweis der WPD, dass innerhalb der Bauschutzbereiche nach dem Luftfahrtrecht kein striktes Verbot von Windenergieanlagen gilt, sondern ein Erlaubnisvorbehalt, trifft zu und war vom Planungsverband bereits in der Abwä- gungsdokumentation vom November 2018 selbst dargelegt worden. Dass es dem Planungs- verband deshalb schon rechtlich verwehrt sein müsse, diese Bereiche eigenmächtig zu einem Ausschlusskriterium zu machen, trifft nicht zu. Es ist gerade Sinn und Zweck der angewandten Ausschlusskriterien, dass sie über einen bloßen Nachvollzug bestehender Gesetze und Ver- ordnungen hinausgehen und auch Flächen einbeziehen, die nach planerischem Ermessen für die Windenergienutzung ungeeignet erscheinen. Die Bauschutzbereiche gehören zweifelsfrei dazu, weil schon aus Gründen der planerischen Vorsorge das nähere Umfeld der Flugplätze von Luftfahrthindernissen freigehalten werden soll. Es ist richtig, dass damit jede genauere Einzelfallprüfung von vornherein unmöglich gemacht wird, und so soll es auch sein. Auf andere Ausschlusskriterien der RREP-Fortschreibung, wie zum Beispiel die Schutzabstände zu den Wohnorten, trifft dies in gleicher Weise zu. Die Berücksichtigung der Bauschutzbereiche als Ausschlusskriterium entspricht den Empfehlungen der Landesregierung gemäß Anlage 3 zur RREP-Richtlinie von 2012. Beim NABU-Landesverband liegt vermutlich ein Missverständnis vor, das auf die nicht ganz einheitliche Verwendung des Begriffes der „Schutzbereiche“ in den Entwurfsdokumenten der RREP-Fortschreibung zurückzuführen ist. In die Ausschlusskriterien einbezogen wurden tatsächlich nur die Bauschutzbereiche von Flugplätzen und die Schutzbe- reiche militärischer Anlagen, nicht jedoch die weiträumigen Zuständigkeits- und Interessenbe- reiche der Flugsicherung, die in den Stellungnahmen der Luftfahrtbehörden zum Teil auch als „Schutzbereiche“ bezeichnet wurden. Bis auf den Bauschutzbereich des Flugplatzes Laage handelt es sich um Flächen von geringem Umfang. Der Bauschutzbereich des Flugplatzes überschneidet sich mit mehreren europäischen Schutzgebieten, zwei Hauptkorridoren des Vo- gelzuges, größeren Seen sowie ausgedehnten Grünland- und Niedermoorflächen. Dass, wie vom NABU gemutmaßt wird, ausgerechnet hiermit ein Flächenpotenzial verschenkt würde, das unter Natur- und Artenschutzgesichtspunkten weniger problematisch wäre als die festge- legten Vorranggebiete, kann ohne nähere Prüfung als unplausibel abgetan werden.

5.5 Andere Infrastrukturen

5.5.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesnetzagentur, Berlin • Eisenbahn-Bundesamt, Schwerin • 50-Hertz Transmission GmbH, Berlin • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Landesamt für Straßenbau und Verkehr • Deutscher Wetterdienst, Stahnsdorf

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5.5.2 Wesentliche Hinweise und Anregungen Die Bundesnetzagentur gibt eine Übersicht über die Betreiber von Richtfunkstrecken im Plan- gebiet der RREP Fortschreibung und empfiehlt deren rechtzeitige Einbeziehung in die Pla- nung. Das Eisenbahn-Bundesamt stellt fest, dass seinen Hinweisen bezüglich der Abstände von Windenergie-Vorranggebieten zu Eisenbahnstrecken mit der Überarbeitung des Entwurfes (insbesondere beim Gebiet Nr. 123) gefolgt wurde und erhebt gegen die Vorranggebiete keine Einwände mehr. Das Amt weist darauf hin, dass die zugrunde liegende Abstandsempfehlung zwischenzeitlich in die für Eisenbahnen des Bundes geltende Eisenbahnspezifische Liste Technischer Baubestimmungen (ELTB) aufgenommen wurde. Vor diesem Hintergrund wird angeregt, die Schutzabstände zu Schienenwegen ausdrücklich in die Aufzählung möglicher Restriktionen innerhalb der Vorranggebiete in der Begründung zum Satz 6.5 (2) des RREP aufzunehmen. Die 50-Hertz Transmission GmbH gibt eine Übersicht über die vorhandenen Freileitungen der 220- und 380-Kilovolt Netzebenen sowie die Richtfunkstrecken des Unternehmens und weist auf die für Freileitungen maßgebenden Abstandsregelungen der DIN EN 50341-2- 4:2016 hin. Zwischen Richtfunkstrecken und dem Rotorkreis von Windenergieanlagen ist ein Mindestabstand von 30 Metern einzuhalten. Eine Überschneidung mit einer 220-Kilovolt-Lei- tung und einer Richtfunkstrecke ergibt sich nur beim Vorranggebiet Nr. 55/58; die Vorrangge- biete Nr. 2/4, 106 und 109 grenzen an 220-Kilovolt-Leitungstrassen an (vgl. hierzu die in den Abschnitten 6 und 7 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin zu den betref- fenden Vorranggebieten. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf vorhandene Richtfunkstrecken des Unternehmens hin, die durch die Vorranggebiete verlaufen. Man könne sich diese Telekom- munikationslinien als einen horizontal über der Landschaft verlaufenden Zylinder mit einem Durchmesser von 30 bis 60 Metern (einschließlich der Schutzbereiche) vorstellen. Der Durch- messer sei abhängig von verschiedenen Parametern. Alle geplanten Türme, Rotoren und Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen ver- tikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr teilt mit, dass aufgrund jüngster Havariefälle an Windenergieanlagen grundsätzlich von einem Gefährdungspotenzial dieser Anlagen im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auszugehen sei. Von den Bundesautobahnen sei deshalb als Mindestanforderung ein Abstand von 100 Metern (gemessen vom Rand des Rotorkreises) einzuhalten. Empfohlen wird ein höherer Abstand, welcher der Gesamthöhe der Anlage (ein- schließlich Rotorkreis) entsprechen sollte. Der Mindestabstand sei bereits bei der Festlegung der Vorranggebiete für Windenergieanlagen als Ausschlusskriterium zu berücksichtigen, so- dass die Autobahnen einschließlich 100 Metern Schutzabstand von der Festlegung ausge- nommen werden sollten. Vorranggebiete beiderseits von Autobahnen seien entsprechend zu teilen. Sofern eine kartografische Darstellung nicht möglich sei, sollte zumindest eine entspre- chende textliche Ausführung erfolgen. Von Autobahnen berührt werden die Gebiete Nr. 28, 33/45, 100/101, 106, 118 und 130. Das Amt weist nochmals auf das bestehende Anbauverbot bis zu einer Entfernung von 40 Metern vom äußeren Fahrbahnrand und den Zustimmungsvor- behalt der Straßenbaubehörde bei der Genehmigung baulicher Anlagen bis zu einer Entfer- nung von 100 Metern hin. Diese Vorschriften gelten auch für Auf- und Abfahrten sowie Rast- anlagen an den Autobahnen. Unter das Verbot und die Beschränkung fallen auch Leitungen, Zuwegungen und Baustelleneinrichtungen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Zu- und Abfahrten zu den Bundesautobahnen nicht angelegt werden dürfen. Das Amt empfiehlt des- halb, vor der Festlegung von Windenergie-Vorranggebieten an Autobahnen zu prüfen, ob die Erschließung über das nachgeordnete Straßen- und Wegenetz für Großraum- und Schwer- transporte möglich ist. Anderenfalls dürften die betreffenden Gebiete nicht als Vorranggebiete

133 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 festgelegt werden. Zu beachten sei, dass nicht alle Brücken über die Autobahnen für Schwer- transporte genutzt werden können, da zum Teil erhebliche Lastbeschränkungen bestehen. In Auswertung bisheriger Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windparks sei festzustel- len, dass bei der Festlegung von Eignungs- und Vorranggebieten für Windenergieanlagen den Anregungen und Bedenken der Straßenbauverwaltung oftmals nicht gefolgt worden sei. Er- gebnis seien dann Windparkstandorte, bei denen sich, nachdem Vorhabenträger und Gemein- den bereits erhebliche Mittel für die Planung aufgewandt hätten, herausstelle, dass sie nicht zweckmäßig ausgenutzt werden könnten. Das Amt weist auch auf Fernmeldekabel der Stra- ßenbauverwaltung hin, die entlang der Autobahnen verlaufen. Eine potenzielle Betroffenheit ergebe sich, wenn Energiekabel von Windparks über mehr als 1.000 Meter Länge parallel neben Kupfer-Fernmeldekabeln geführt werden sollten. In solchen Fällen seien Nachweise über eine mögliche Beeinflussung durch den Vorhabensträger zu erbringen und gegebenen- falls entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) wiederholt nochmals seine bereits zu früheren Entwürfen vorgetragenen grundsätzlichen Ausführungen und konkreten Einwände. Bei der Beurteilung von Windparkplanungen orientiere man sich an den einschlägigen Empfehlungen der World Meteorological Organization (WMO). Diese sehen vor, dass im Umkreis von 5 Kilometern um die Anlagen des Wetterradars keine Windenergieanlagen errichtet werden sollten, da es an- sonsten zu einem substanziellen Datenverlust aufgrund von Abschattungen und Fehlechos kommen könne. In einem weiteren Umkreis von 5 bis 20 Kilometern könnten Windenergiean- lagen ebenfalls nicht filterbare Fehlechos hervorrufen, deren Signalstärke in der Größenord- nung von Unwettern liegen könne. Hier werde von der WMO eine Einzelfallprüfung empfohlen. Um die Energiewende in Deutschland zu unterstützen, würden vom DWD jedoch nur in einem Umkreis bis 15 Kilometer Vorbehalte geltend gemacht. Innerhalb des 15-Kilometer-Umkreises um das Wetterradar Rostock-Warnemünde befinden sich die Vorranggebiete Nr. 1, 2/4 und 113. In einer Entfernung von 7 Kilometern zum Radar gilt eine Höhenbeschränkung auf 40 Meter über NN (Gebiet Nr. 1), in einer Entfernung von 14 Kilometern gilt eine Höhenbeschrän- kung auf 52 Meter über NN (Gebiete Nr. 2/4 und 113). Die Windenergieanlagen in den betref- fenden Gebieten halten diese Höhenbeschränkung nicht ein. Der DWD wiederholt seine Bitte, von der Festlegung der betreffenden Vorranggebiete innerhalb des 15-Kilometer-Umkreises um das Wetterradar Rostock abzusehen. Der DWD nimmt hierzu Bezug auf Ausführungen einer Windenergiefirma, die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiederge- geben waren. Diese Firma hatte mit Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung die Anfor- derungen des DWD für grundsätzlich nicht verbindlich erklärt. Der DWD stellt hierzu wiederum klar, dass in jedem Einzelfall die Größe des potenziell gestörten Sektors für die Beurteilung maßgebend sei. Für das Gebiet Nr. 1 ergebe sich ein Sektor von 9 Grad, in dem Störungen auftreten würden. Beim Gebiet Nr. 2/4 ergäben sich mindestens 16 Grad, wenn auch die au- ßerhalb des Gebietes in der näheren Umgebung befindlichen Anlagen berücksichtigt werden, die hier eine gemeinsame Störzone bilden. Beim Gebiet Nr. 113 würden Störungen in einem Sektor von mindestens 6 Grad auftreten.

5.5.3 Zusammengefasste Abwägung Die Hinweise des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr bezüglich des erforderlichen Schutzabstandes zu den Autobahnen werden zur Kenntnis genommen. Der Planungsver- band war bei der Abgrenzung der Vorranggebiete – entsprechend den früher abgegebenen Stellungnahmen der Straßenbaubehörden – von einem Abstand von rund 100 Metern (40 Me- ter Anbauverbotszone zuzüglich Rotorhalbmesser) ausgegangen. Nach den neuen Anforde- rungen des Landesamtes müsste dieser Abstand auf 150 bis 180 Meter (100 Meter zuzüglich Rotorhalbmesser) erweitert werden. Dies entspricht auch ungefähr dem Abstand, der bei den in der Region Rostock zuletzt an den Autobahnen errichteten Anlagen tatsächlich bereits ein- gehalten wurde. Der Planungsverband hat die Vorranggebiete, soweit sie an Autobahnen lie- gen, anhand der neuen Richtwerte nochmals überprüft und festgestellt, dass sie auch unter

134 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dieser Voraussetzung zweckmäßig ausgenutzt werden können. Nochmalige Änderungen am Flächenzuschnitt sind somit nicht erforderlich. Der in diesem Zusammenhang vom Landesamt gegebenen weitergehenden Anregung dass die Autobahnen von vornherein als Ausschlusskriterium bei der Flächenauswahl her- angezogen werden sollten, wird nicht gefolgt. Vorranggebiete, die beiderseits der Autobahn liegen, wären dann entsprechend zu teilen. Bestimme Teilflächen würden gänzlich entfallen, weil sie die Mindestgröße von 35 Hektar nicht mehr erreichen würden. Der Planungsverband weist darauf hin, dass bei der erstmaligen Festlegung von Windenergie-Eignungsgebieten im Jahr 1999 genauso vorgegangen wurde. Bei der Aufstellung des geltenden RREP im Jahr 2011 wurde dann auf ausdrückliche Empfehlung des damaligen Verkehrsministeriums von dieser Vorgehensweise Abstand genommen. Hintergrund war, dass im Hinblick auf eine er- wünschte räumliche Bündelung von Infrastrukturen und Emissionsquellen die Planung von Windparks an den Autobahnen tendenziell begünstigt und nicht unnötig erschwert werden sollte. In der Neufassung der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie aus dem Jahr 2012 wurde dies so beibehalten; das heißt, die Autobahnen gehören nicht zu den empfohlenen Ausschlusskrite- rien. Der Planungsverband sieht keinen Grund, das Kriteriensystem jetzt nochmals zu ändern. In die Begründung der RREP-Fortschreibung wurde mit dem letzten Entwurf vom November 2018 jedoch die ausdrückliche Klarstellung aufgenommen, dass bekannte und räumlich be- grenzte Restriktionen, die von linearen Infrastrukturen innerhalb der Vorranggebiete ausge- hen, sich im Konfliktfall gegen die Windenergienutzung durchsetzen sollen. Der Hinweis des Landesamtes auf mögliche Probleme bei der straßenseitigen Erschlie- ßung der Vorranggebiete wird zur Kenntnis genommen. Dem Planungsverband sind aus der Region Rostock bisher keine Fälle bekannt, in denen die zweckmäßige Ausnutzung eines Eig- nungsgebietes an der mangelnden Erschließung gescheitert wäre. Bezüglich der neu geplan- ten Vorranggebiete liegen keine konkreten Hinweise der Straßenbaubehörden auf entspre- chende Problemfälle vor. Der Anregung des Eisenbahn-Bundesamtes, dass Abstände zu Schienenwegen als mögli- che Restriktionen in der Begründung zum Satz 6.5 (2) der RREP-Fortschreibung ausdrücklich aufgeführt werden sollten, wird nicht gefolgt. Durch die festgelegten Vorranggebiete verlaufen keine Schienenwege, und bei Annäherung an Bahnstrecken wurden die Abstandsempfehlun- gen des Bundesamtes bereits bei der Abgrenzung der Vorranggebiete berücksichtigt. Die Hinweise auf Leitungen und Richtfunkstrecken werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung der festgelegten Vorranggebiete wird durch diese Infrastrukturen nicht wesentlich beeinträchtigt. Auch diesbezüglich wird auf den Begründungsteil der RREP- Fortschreibung und darin enthaltenen Maßgaben zum Umgang mit bekannten Restriktionen innerhalb der Vorranggebiete verwiesen. Bezüglich der Einwände des Deutschen Wetterdienstes bleibt der Planungsverband bei sei- ner bisherigen Abwägung. Der Umfang der bisher festgelegten Eignungsgebiete im 15-Kilo- meter-Umkreis um das Rostocker Wetterradar wird mit der RREP-Fortschreibung deutlich re- duziert. Den Belangen der Wettervorhersage wird insoweit entsprochen. Erwägungen der planerischen Vorsorge könnten grundsätzlich dafür sprechen, den Einwänden des DWD wei- tergehend zu folgen und alle bestehenden Eignungsgebiete im 15-Kilometer-Umkreis aufzu- heben. Dagegen spricht jedoch, dass in allen drei betreffenden Vorranggebieten relativ neue Anlagen stehen, die erst vor wenigen Jahren genehmigt wurden. Die Genehmigungsbehörde hat sich bei den zuletzt erteilten Genehmigungen mit den Anforderungen der Wettervorher- sage bereits detailliert auseinandergesetzt und erkannt, dass diese zumindest nach den Maß- stäben des Genehmigungsrechts der Windenergienutzung in den betreffenden Fällen nicht zwingend entgegenstehen. Der Planungsverband kann und muss weitergehende Überlegun- gen der vorsorgenden Konfliktvermeidung in seine Abwägung einbeziehen und den Entschei- dungen der Genehmigungsbehörde deshalb nicht unbedingt folgen. Andererseits sind auch Bestands- und Vertrauensschutzinteressen sowie das Erfordernis einer insgesamt ausrei-

135 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 chenden Flächenbereitstellung für die Windenergienutzung zu berücksichtigen. Aus regional- planerischer Sicht wäre es zumindest fragwürdig, wenn im vergleichsweise dicht bebauten und infrastrukturell vorbelasteten näheren Umland der Stadt Rostock die Windenergienutzung im- mer mehr ausgeschlossen und dafür bisher wenig belastete, naturnahe Landschaftsräume in anderen Teilen der Region neu in Anspruch genommen werden müssten. Für den Planungs- zeitraum der RREP-Fortschreibung ist in den betreffenden Vorranggebieten Nr. 1, 2/4 und 113 mit keinem relevanten Zubau von Windenergieanlagen mehr zu rechnen. Nur im Gebiet Nr. 2/4 befinden sich noch zwei Anlagen aus dem letzten Jahrzehnt, die im Planungszeitraum ersetzt werden könnten. Ansonsten ist hier die Windenergienutzung als gegebene Tatsache anzuse- hen, die in den nächsten zehn Jahren Bestand haben wird. Vor diesem Hintergrund entschei- det sich der Planungsverband für eine Beibehaltung der betreffenden Vorranggebiete.

5.6 Natur- und Landschaftsschutz

5.6.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Appelhagen (vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel), Parchow (mit Unterschriftenliste), Dalkendorf, Jürgenshagen (mit Unterschriftenliste) • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • NABU Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • UKA Nord Projektentwicklung GmbH & Co, Rostock

5.6.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin aus Appelhagen, vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel, nimmt zum Vorranggebiet Nr. 127 Stellung und geht dabei auch allgemein auf die Belange des Landschaftsschutzes ein (vgl. auch die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwenderin bemängelt, dass der Planungsverband die 1.000- Meter-Abstandszonen um Räume mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes ent- gegen der Empfehlung des Energieministeriums den Restriktionskriterien zugeordnet und da- mit einer Abwägung zugänglich gemacht hat. Der beabsichtigte Schutz der betreffenden Land- schaftsräume sei nicht zu erreichen, wenn große Windenergieanlagen unmittelbar an deren Rändern errichtet werden könnten. Die Freihaltung einer Abstandszone von 1.000 Metern sei deshalb zwingend geboten. Die Einwenderin verweist diesbezüglich auch auf die in der Abwä- gungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebene Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie, das sich bereits früher im gleichen Sinne geäußert hatte. Weiterhin wird Bezug genommen auf eine frühere Stellungnahme des Tourismusver- bandes Meckl. Seenplatte. Der Verband hatte angeregt, die Tourismusschwerpunkträume ge- mäß den Empfehlungen der Landeregierung als striktes Ausschlusskriterium für die Windener- gienutzung anzuwenden und darüber hinaus – nach dem Vorbild des Regionalen Planungsverbandes Meckl. Seenplatte – ein zusätzliches Ausschlusskriterium „historische Kulturlandschaften“ in die RREP-Fortschreibung einzuführen. Der Planungsverband Region Rostock habe zu letzterer Anregung eine Abwägung vorgenommen, ohne vorher die eigene Region in dieser Hinsicht untersucht zu haben. Somit sei eine Abwägung ohne hinreichende Sachaufklärung erfolgt. Das Raumordnungsgesetz, das Bundesnaturschutzgesetz und das Landesraumentwicklungsprogramm schrieben den Schutz historischer Kulturlandschaften ausdrücklich vor. Der Planungsverband hätte sich demnach zwingend mit diesem Belang aus- einandersetzen und entsprechende Untersuchungen durchführen müssen.

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Bürger aus Parchow (mit Unterschriftenliste) verweisen auf die Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums aus dem Jahr 2012. Diese sehe einen Mindestabstand von 500 Me- tern zwischen Windenergie-Eignungsgebieten und Vogelschutzgebieten vor, das sogenannte „Helgoländer Papier“ sogar einen Abstand vom zehnfachen der Anlagenhöhe, mindestens je- doch von 1.200 Metern. Zumindest die Vorgaben des Ministeriums wären aus Sicht der Ein- wender als rechtlich zwingend anzusehen und hätten somit vom Planungsverband unbedingt eingehalten werden müssen. Der Umweltbericht vom November 2018 belege im Übrigen, dass der Planungsverband im Fall des Vorranggebietes Nr. 116 die Gefahr einer unmittelbaren Be- einträchtigung des direkt angrenzenden Vogelschutzgebietes schon selbst erkannt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Planungsverband diese von ihm selbst erkannte Beein- trächtigung als nicht erheblich bewertet habe. Wozu gebe es solche Schutzgebiete, wenn ein Verlust von 50 Hektar Rast- und Nahrungsfläche innerhalb des Schutzgebietes keine Rolle spiele? Der Planungsverband nehme diese 50 Hektar praktisch aus dem Schutzgebiet heraus und erkläre sie eigenmächtig für nicht schutzwürdig. Eine Bürgerin aus Dalkendorf nimmt zu den Gebieten 38, 73 und 127 Stellung und berichtet, dass sie den Aufenthalt in der Nähe von Windenergieanlagen nicht als angenehm empfinde (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Sobald eine solche Anlage ins Gesichtsfeld rücke, sei die ganze Landschaft in Unruhe. Der Anblick sei deshalb unangenehm. Die Einwenderin hält eine Politik, die auf die Förderung von Großanlagen setze, für falsch. Bürger aus Jürgenshagen nehmen zum Gebiet Nr. 118 Stellung und kritisieren in diesem Zusammenhang, dass die sogenannten FFH-Gebiete und die geschützten Biotope bei der Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen nicht als striktes Ausschlusskriterium berücksichtigt worden sind. Eine Beeinträchtigung dieser geschützten Flächen sei gesetzlich verboten. Die Einstufung als bloße Restriktionskriterien widerspreche somit dem Naturschutz- recht. Der Verein Freier Horizont e.V. kritisiert die in der RREP-Begründung wiedergegebene Selbsteinschätzung des Planungsverbandes, wonach mit den gewählten Planungskriterien ei- ne flächenhafte Veränderung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen vermieden würde. Die zahlreichen Widersprüche aus allen Teilen der Region zeigten, dass die Anwohner vor Ort dies völlig anders sähen. Gerade die Anhäufung von Vorranggebieten in landschaftlich sehr wertvollen Räumen widerlege diese Selbsteinschätzung. Insbesondere in der Mecklen- burgischen Schweiz, aber auch anderswo im Planungsgebiet würden gewachsene Kulturland- schaften, hier insbesondere die Guts- und Parklandschaften, brutal zerstört und entwertet. In der Nachbarregion Mecklenburgische Seenplatte seien solche Areale weiträumig unter Schutz gestellt worden. In der Region Rostock werde stattdessen gegenteilig verfahren. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie wiederholt nochmals seine Kritik daran, dass der Planungsverband bei den Ausschluss- und Restriktionskriterien des Land- schaftsschutzes nicht strikt den Vorgaben des Landes gefolgt ist, wie sie sich aus der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums vom Mai 2012 ergeben. Auf die vom Planungs- verband in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 und in den früher veröffentlichten Entwürfen dargelegten Gründe für diese Abweichungen möchte das Landesamt ausdrücklich nicht eingehen. Es handle sich um Ausschlusskriterien, deren Anwendung keiner planerischen Abwägung unterliegen dürfe. Das Landesamt nimmt bei der Bewertung der im RREP-Entwurf enthaltenen Vorranggebiete auf die Anlage 3 Bezug. Das bedeutet, dass bei der Schutzwür- digkeit des Landschaftsbildes der landeseinheitliche Stand von 1995 herangezogen wird und bei der Schutzwürdigkeit der landschaftlichen Freiräume die Bewertung nach der reinen Flä- chengröße mit Stand von 2001 (vgl. hierzu die in den Abschnitten 6 bis 8 wiedergegebenen Hinweise des Landesamtes zu einzelnen Vorranggebieten). Der in der Anlage 3 vorgesehene zusätzliche Schutzabstand von 1.000 Metern um Räume mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes sei mit der andauernden Tendenz zur Entwicklung immer größerer Wind- energieanlagen begründet. Aus Sicht des Landesamtes gibt es keine Rechtfertigung, von einer

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Anwendung dieses Abstandsrichtwertes im Sinne eines strikten Ausschlusskriteriums abzu- weichen. Das gleiche gelte für den Schutzabstand von 500 Metern um die europäischen Vo- gelschutzgebiete. Da bestimmte Vogelarten durch Windenergieanlagen in besonderem Maße gefährdet seien, habe auch dieses Kriterium als striktes Ausschlusskriterium zu gelten. Das Landesamt hält darüber hinaus an seiner schon zu den früher veröffentlichten Entwürfen vor- getragenen Sichtweise fest, wonach auch die Restriktionskriterien des Naturschutzes im Re- gelfall wie Ausschlusskriterien anzuwenden wären. Nur wenn eine anderweitige Vorbelastung der betreffenden Fläche vorliege, könne der Planungsverband eine Abwägung zugunsten der Windenergienutzung treffen und ein Vorranggebiet festlegen. Das Landesamt geht davon aus, dass für die betreffenden Einzelfälle eine dezidierte Abwägung durch den Planungsverband noch vorzunehmen und zu dokumentieren wäre, und erwartet, dass ihm zu dieser Abwägung dann nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Ebenfalls zum wiederholten Male weist das Landesamt auf marginale Überschneidungen einzelner Vorranggebiete mit Räumen von sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hin, die auch für den Pla- nungsverband eigentlich als Ausschlussgebiete gelten. Der Planungsverband möge überprü- fen, inwieweit hierfür abweichende Datengrundlagen, projektions- oder maßstabsbedingte Un- genauigkeiten ursächlich waren. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock regt im Sinne der Rechtsklarheit an, in der Begründung zum Satz 6,5 (2) bei in der Aufzählung möglicher Bauverbotszonen innerhalb der Vorranggebiete neben den gesetzlich geschützten Biotopen auch die Geotope ausdrück- lich zu benennen. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern bemängelt, dass der Planungsverband bei der Be- stimmung seiner Ausschlusskriterien darauf verzichtet hat, um die Schutzgebiete nach dem Naturschutzrecht jeweils noch zusätzliche Schutzabstände zu berücksichtigen. Der Einwender bezieht sich auf die Empfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW), die für Europäische Vogelschutzgebiete einen zusätzlichen Abstand entspre- chend der zehnfachen Anlagenhöhe, mindestens jedoch 1.200 Meter, vorsehen. Die Schutz- gebiete beherbergten nicht nur Brutvorkommen, sondern auch besonders große Ansammlun- gen von ziehenden, mausernden und rastenden Vögeln. Die gleiche Anforderung gelte für nationale Schutzgebiete, wenn deren Schutzzweck windkraftsensible Arten umfasst. In der Region Rostock treffe dies für die Naturschutzgebiete Göldenitzer Moor und Groß Potremser Moor zu. Die Empfehlungen der LAG-VSW dokumentierten den Stand von Wissenschaft und Technik bezüglich der Berücksichtigung von Vogelschutzbelangen bei der Zulassung von Windenergieanlagen. Der Planungsverband habe seine Abweichung von diesen Empfehlun- gen nicht begründet. Der Einwender möchte nicht annehmen, dass der Planungsverband über höheren ornithologischen Sachverstand verfügte als die Fachleute der staatlichen Vogel- schutzwarten. Es könne deshalb erwartet werden, dass der Planungsverband sein Konzept den Empfehlungen der LAG-VSW anpasse. Ein pauschaler Schutzabstand von 1.000 Metern sei um die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (sog. FFH-Gebiete) von Windenergie- anlagen freizuhalten, wenn dort Fledermäuse zu den maßgebenden Zielarten gehören. Die UKA Nord Projektentwicklung GmbH & Co kritisiert, dass der Planungsverband die Ge- biete mit sehr hoher Schutzwürdigkeit der Freiraumfunktion als pauschales Ausschlusskrite- rium herangezogen hat, ohne dieses Kriterium näher zu begründen. Im Umweltbericht vom November 2018 sei lediglich auf die Datengrundlage hingewiesen worden. Warum diese Ge- biete nach dem Willen des Planungsverbandes von Windenergieanlagen freigehalten werden sollten, sei nicht ersichtlich. Eine solche Begründung sei allerdings zwingend erforderlich, um einen pauschalen Ausschluss zu rechtfertigen. Die Einwenderin verweist dazu auf einschlä- gige Gerichtsurteile. Die Bewertung der landschaftlichen Freiräume gehe auf das Gutachtliche Landschaftsprogramm aus dem Jahr 2003 und den Gutachtlichen Landschaftsrahmenplan Mittleres Mecklenburg/Rostock aus dem Jahr 2007 zurück. Beide Gutachten seien von der Zeit überholt worden und gäben nicht mehr den wirklichen Zustand der Landschaft wieder. Der Planungsverband habe sein Kriteriensystem somit auf veraltete Grundlagen gestützt. Mit dem Kriterium der landschaftlichen Freiräume seien allein 70.000 Hektar, entsprechend 20% der

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Regionsfläche, von der Windenergienutzung ausgeschlossen worden, obwohl diese Frei- räume in ihrer ursprünglichen Qualität zum Teil nicht mehr existierten. Dies müsse als Abwä- gungsfehler gewertet werden. Auch hierzu führt die Einwenderin einschlägige Gerichtsurteile an, wonach der Träger einer Planung sich stets vergewissern müsse, ob ältere Erkenntnisse zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch zutreffend seien. In der benachbarten Region Meck- lenburgische Seenplatte sei der dortige Planungsverband richtig vorgegangen, indem er die landschaftlichen Freiräume als bloßes Restriktionskriterium herangezogen und damit einer planerischen Abwägung zugänglich gemacht habe. Grundsätzlich stehe jedoch in Frage im Raum, ob Windenergieanlagen die schutzwürdigen Freiraumfunktionen überhaupt in erhebli- cher Weise beeinträchtigen könnten. Die nach dem Umweltrecht maßgebenden Schutzgüter wie der Boden, die Tierwelt oder das Klima würden durch die Windenergienutzung nur unwe- sentlich beeinträchtigt. Im Gegensatz zu einer Zerschneidung durch Straßen oder Leitungen brächten Windenergieanlagen immer nur punktuelle Eingriffe mit sich und könnten einen Land- schaftsraum nicht in gleicher Weise entwerten. Dies gelte sowohl für die Prägung des Land- schaftsbildes als auch für die Beeinträchtigung des Naturhaushaltes. Aus Sicht der Einwende- rin gäbe es somit eigentlich gar keine Rechtfertigung, die Windenergienutzung in den schützenswerten Freiräumen pauschal auszuschließen. Die Einwenderin regt deshalb an, diese Räume bei der RREP-Fortschreibung als bloßes Restriktionskriterium einzustufen. Be- züglich der Europäischen Vogelschutzgebiete regt die Einwenderin eine Zuordnung zu den „weichen“ Ausschlusskriterien an. Diese Zuordnung würde auch durch diverse Gerichtsurteile gestützt (vgl. hierzu die im Abschnitt 4.5 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwen- derin).

5.6.3 Zusammengefasste Abwägung Der von einer Bürgerin vorgebrachte Einwand, dass bei der Nutzung erneuerbarer Energie- quellen die Förderung von Großanlagen unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschut- zes generell falsch sei, wird zur Kenntnis genommen. Der Planungsverband gibt dazu den Hinweis, dass die Größenentwicklung in der Anlagentechnik maßgebend dazu beigetragen hat, dass Strom aus Windenergie heute zu annähernd gleichen Kosten erzeugt werden kann wie in konventionellen Kraftwerken. Die damit verbundene Frage nach den Grenzen der Hö- henentwicklung ist aber grundsätzlich berechtigt. In weiten Teilen der Region Rostock sind der Höhenentwicklung durch Bauhöhenbeschränkungen der Flugsicherung Grenzen gesetzt. Die Kritik des Vereins „Freier Horizont“, dass der Planungsverband die Windenergienutzung gerade in bislang unverbauten, kulturhistorisch wertvollen Landschaftsräumen kon- zentriere, ist im Ansatz berechtigt. Tatsächlich ist schon mit der Neuaufstellung des RREP im Jahr 2011 eine deutliche Verschiebung der Windenergie-Eignungsgebiete weg von der Küste in die dünner besiedelten Räume des Hinterlandes erfolgt. Teilweise sind dies Gebiete, die von größeren Infrastrukturvorhaben und Siedlungserweiterungen der letzten Jahrzehnte we- niger berührt wurden, sodass das Erscheinungsbild einer agrarisch geprägten Kulturland- schaft noch vergleichsweise gut erhalten ist. Diese tendenzielle Standortverschiebung ist eine unmittelbare Folge der im Jahr 2011 vorgenommenen Erhöhung der Richtwerte für die Min- destgröße von Eignungsgebieten und deren Abstand zu den Wohnorten. Mit der aktuellen RREP-Fortschreibung wird diese Tendenz zumindest teilweise abgemildert, indem die Min- destgröße für Windenergie-Eignungsgebiete wieder reduziert wurde, sodass auch in den dich- ter besiedelten Teilen der Region neue Potenzialflächen verfügbar geworden sind. Der Pla- nungsverband wiederholt diesbezüglich seinen schon weiter oben gegebenen Hinweis, dass die angewandten Planungskriterien ein aufeinander abgestimmtes System bilden. Wer mög- lichst große Abstände zu den Wohnorten und möglichst wenige, große Windparks will, muss in Kauf nehmen, dass die Windenergienutzung in bisher ungestörte Landschaftsräume ge- drängt wird. Wer gerade diese Räume schützen will, muss geringere Abstände zu den Wohn- orten und eine stärkere Zersplitterung der Eignungsflächen in Kauf nehmen. Dem Verein „Freier Horizont“ steht es zwar frei, beides zugleich zu fordern – maximale Abstände zu den

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Wohnorten und einen maximalen Landschaftsschutz – der Planungsverband muss letztlich jedoch Kompromisse machen. Mehrere Einwender kritisieren den Umgang des Planungsverbandes mit fachlichen Emp- fehlungen des Naturschutzes, insbesondere bezüglich angemessener Mindestabstände zu Schutzgebieten sowie schutzwürdigen Vogelbrutstätten und Vogellebensräumen. Dies betrifft die Hinweise der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW) als bundes- weit verbreitete Empfehlung sowie die Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums Mecklenburg-Vorpommern. Zu beiden Empfehlungen wird vorgebracht, dass der Planungs- verband sie eigentlich als verbindliche Vorschriften im Sinne eines untergesetzlichen Regel- werkes oder eines fachlich anerkannten Methodenstandards hätte anwenden müssen. Zumin- dest hätten alle Abweichungen einer dezidierten fachlichen Begründung bedurft. Der Planungsverband teilt diese Auffassung nicht. Beide Dokumente unterscheiden sich in ihren Anforderungen zum Teil erheblich voneinander. Die Einwendungen machen dies am Beispiel des empfohlenen Schutzabstandes zu den Europäischen Vogelschutzgebieten deutlich. Wür- den die Empfehlungen der LAG-VSW einen bundesweit anerkannten fachlichen Standard de- finieren, dürften schon die Empfehlungen des Landes nicht davon abweichen. Nach Kenntnis des Planungsverbandes sind die Empfehlungen der LAG-VSW jedoch bislang von keiner zu- ständigen Stelle des Bundes oder des Landes zur behördlichen Anwendung förmlich einge- führt worden. Auch in der Fachöffentlichkeit werden diese Empfehlungen nach Kenntnis des Planungsverbandes kontrovers diskutiert, zum Teil unter ausdrücklichem Bezug auf die fragli- che (oder zumindest nicht durchweg nachvollziehbare) wissenschaftliche Begründung der empfohlenen Abstandsrichtwerte. Bezüglich der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie ist dem Pla- nungsverband bekannt, dass sie überwiegend pragmatisch gesetzte Richtwerte enthält, die nicht im strengen Sinne wissenschaftlich hergeleitet und begründet sind. Aus ebenso pragma- tischen Erwägungen ist der Planungsverband von diesen Empfehlungen zum Teil abgewichen. Der Planungsverband folgt damit der rechtlichen Anforderung, dass der Windenergienutzung hinreichend Raum gegeben werden muss und dass die Anwendung fachlich begründeter Aus- schlusskriterien im Endergebnis nicht zu einer reinen Verhinderungsplanung führen darf. Die eigenen Überlegungen des Planungsverbandes zu den angewandten Kriterien und der Abwä- gungsspielraum für unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bei der Kriterienauswahl sind im Umweltbericht und in dieser Abwägungsdokumentation umfänglich dargelegt. Einer weiterge- henden Begründung für die erfolgten Abweichungen von den genannten Empfehlungen bedarf es nach Auffassung des Planungsverbandes nicht. An die Abweichung von einer (unverbind- lichen) Empfehlung können keine höheren Begründungs- und Rechtfertigungsanforderungen gestellt werden als an die Empfehlung selbst. Zum selben Gegenstand wird auch auf die Aus- führungen in den Abschnitten 4.4, 4.5 und 4.7 verwiesen. Zur Forderung des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie, dass die Restrikti- onskriterien des Naturschutzes bei der Flächenauswahl wie faktische Ausschlussgebiete zu behandeln seien, die nur in ganz besonderen Ausnahmefällen eine Abwägung zugunsten der Windenergienutzung erlaubten, wird auf die Ausführungen im Abschnitt 4.4 dieser Abwä- gungsdokumentation sowie auf den Umweltbericht verwiesen. Der Planungsverband bleibt da- bei, dass die Restriktionskriterien differenziert anzuwenden sind und dass nur einzelnen dieser Kriterien eine Verbindlichkeit zuzuerkennen ist, die der von strikten Ausschlusskriterien nahe- kommt. Zur Heranziehung des Gutachtlichen Landschaftsrahmenplanes als Grundlage für um- weltbezogene Kriterien bei RREP-Fortschreibung werden in zweierlei Hinsicht Bedenken er- hoben. Die UKA Nord Projektentwicklung GmbH & Co stellt die Verwendbarkeit dieses Planes generell in Frage, weil er veraltet sei. Der Planungsverband gibt hierzu den Hinweis, dass es sich bei diesem Plan nicht um irgendein Fachgutachten handelt, sondern um die nach dem Landesplanungsgesetz maßgebende Grundlage für die Berücksichtigung von Umweltbelan- gen in der Regionalplanung. Der Einwand der UKA ist nur insoweit berechtigt als die Inhalte dieses Planes selbstverständlich nicht unreflektiert übernommen werden dürfen. Wenn kon-

140 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 krete Hinweise darauf vorliegen, dass bestimmte Planinhalte durch die tatsächliche Entwick- lung oder durch neue Erkenntnisse überholt wurden, muss diesen Hinweisen nachgegangen werden. Es wäre jedoch nicht sachgerecht – und schon gar nicht wäre der Planungsverband dazu verpflichtet – diesen Plan pauschal für veraltet zu erklären und gänzlich zu verwerfen, um dann alle für die RREP-Fortschreibung relevanten Inhalte durch neue, eigene Untersu- chungen zu ersetzen. Die Forderung des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie, dass bei der Bewertung der Freiraumfunktion und des Landschaftsbildes nicht auf den Land- schaftsrahmenplan von 2007, sondern auf ältere, landesweit einheitliche Bewertungsstände Bezug genommen werden sollte, wurde auch zu den früher veröffentlichten Entwürfen schon vorgebracht. Hierzu wird auf den Umweltbericht sowie auf die früheren Abwägungsdokumen- tationen verwiesen. Die Bewertungsunterschiede waren für die früheren Entwürfe der RREP- Fortschreibung durchaus relevant. Auf die im Ergebnis des Planungsverfahrens nunmehr fest- gelegten neuen Windenergie-Vorranggebiete hätten sie keine Auswirkungen, weil diesbezüg- lich strittige Gebietsvorschläge schon aus anderen Gründen verworfen worden sind. Mit der Forderung, dass entsprechend den Empfehlungen der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie generell ein Abstand von 1.000 Metern zu den Räumen mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes eingehalten werden müsse, hatte sich der Planungsverband bereits in den früher veröffentlichten Entwurfsdokumenten auseinandergesetzt. Es handelt sich um einen pragmatisch gesetzten Richtwert, der zwar in der Sache zweifelsfrei gut begründet, in seinem Maß jedoch willkürlich festgelegt ist. Mit der gleichen Berechtigung könnte man drei, fünf oder zehn Kilometer Abstand fordern, je nachdem, welche Bedeutung man den hochwer- tigen Landschaftsräumen in der Abwägung zuerkennen möchte. Mit einem Abstand von 1.000 Metern wird die visuelle Einwirkung großer Windenergieanlagen in diese Räume keinesfalls vermieden. Der Planungsverband hat aus ebenso pragmatischen Erwägungen auf die strikte Anwendung dieses Abstandsrichtwertes gänzlich verzichtet, weil ansonsten ein Übermaß an Ausschlussflächen entstanden wäre und früher festgelegte, bereits ausgenutzte Eignungsge- biete im Nachhinein für ungeeignet hätten erklärt werden müssen. Von einigen Einwendern wird die Frage nach einem besonderen Schutz historischer Kultur- landschaften aufgeworfen, der über die im Gutachtlichen Landschaftsrahmenplan enthaltene Bewertung des Landschaftsbildes hinausgehen müsste. Soweit die betreffenden Einwender auf rechtliche Anforderungen Bezug nehmen, ist sich der Planungsverband keiner Unterlas- sung bewusst. Das Konzept der landesweiten Bewertung des Landschaftsbildes, auf dem die Einstufungen des Landschaftsrahmenplanes und die daraus abgeleiteten Ausschluss- und Restriktionskriterien der RREP-Fortschreibung beruhen, entspricht dem allgemeinen Ver- ständnis von „Kulturlandschaft“ als Gesamtheit natürlicher, agrarischer und baulich geprägter Landschaftsformen. Prägende Elemente einer vom Menschen gestalteten Kulturlandschaft wie Hecken, Alleen, Parks, bauliche Höhendominanten sowie in ihrer Ansicht gut erhaltene Ortsränder und Silhouetten wurden in diese Bewertung ebenso einbezogen wie spätere Über- formungen durch Gewerbe, Industrie, technische Infrastruktur und Siedlungserweiterungen. Der von einzelnen Einwendern gegebene Hinweis auf die Vorgehensweise in der Nachbarre- gion Mecklenburgische Seenplatte führt allerdings zu der berechtigten Frage, ob speziell bau- kulturelle und denkmalpflegerische Aspekte eine nochmals herausgehobene Beachtung ver- dient hätten. Die Region Seenplatte fokussiert dabei auf eine bestimmte Zeitepoche, die Hochphase der Gutswirtschaft im 19. Jahrhundert, die in Teilen dieser Region idealtypisch repräsentiert ist. Der Planungsverband hatte bereits in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 angemerkt, dass die in der Nachbarregion identifizierte „zentralmecklenburgi- sche Park- und Gutslandschaft“ sich auch in die Region Rostock erstreckt. Der betreffende Teil der Region ist jedoch schon aufgrund anderer Ausschlusskriterien (unter anderem der Lage im Naturpark Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See) nicht für die Windener- gienutzung in Betracht gekommen. Inwieweit der methodische Ansatz der Nachbarregion auf die Region Rostock übertragbar ist und ein erweiterter Schutz der Kulturlandschaft in diesem Sinne Gegenstand regionalplanerischer Festlegungen werden sollte, kann bei zukünftigen Fortschreibungen des RREP nochmals geprüft und erwogen werden. Für die aktuelle Fort-

141 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 schreibung stellt der Planungsverband fest, dass die von Überformungen des Industriezeital- ters relativ wenig berührten Teilräume im Süden und Osten der Region Rostock schon auf- grund der angewandten Ausschlusskriterien des Natur- und Landschaftsschutzes sehr weit- gehend von der Windenergienutzung ausgenommen werden. Die von der UKA Nord Projektentwicklung GmbH & Co vorgetragene Kritik, dass die Gebiete mit hoher Schutzwürdigkeit der Freiraumfunktion als Ausschlusskriterium nicht begründet seien, trifft aus Sicht des Planungsverbandes nicht zu. Die Sicherung landschaftlicher Frei- räume ist ein ausdrückliches Ziel der Landschaftsplanung. Im Ansatz zutreffend ist die Kritik der Einwenderin nur insoweit als Windparks tatsächlich keine Zerschneidungswirkung im Sinne einer linearen Barriere für landgebundene Tierarten haben. Wenn man den Freiraum- schutz auf den ökologischen Teilaspekt reduzieren wollte, dass Bewegungsräume für landge- bundene Tierarten mit großen Raumansprüchen erhalten werden sollen, könnte man den Aus- schluss der Windenergienutzung tatsächlich in Frage stellen. Der Planungsverband hatte sich diese Frage bei der Festlegung der Ausschlusskriterien schon selbst vorgelegt, letztlich aber anerkannt, dass die Landschaftsplanung mit diesen Räumen einen weiter gefassten Schutz- anspruch verbindet, der auch die Bewahrung des typischen Landschaftsbildes und die Erhal- tung ungestörter Lebensräume für die Avifauna umfasst. Dies kommt schon darin zum Aus- druck, dass im Landschaftsrahmenplan die vorhandenen Windparks als störende Elemente im Freiraum berücksichtigt und ausgegrenzt wurden. Entsprechend diesem erweiterten Verständ- nis ist das Kriterium auch im Umweltbericht erläutert worden. Die Kritik der Einwenderin, dass es in den Entwurfsdokumenten vom November 2018 an jeglicher Begründung gefehlt habe, trifft somit nicht zu. In methodischer Hinsicht könnte eingewandt werden, dass für den Schutz des Landschaftsbildes und der Avifauna bereits andere Ausschlusskriterien herangezogen werden. Solche Mehrfachberücksichtigungen bestimmter Schutzzwecke kommen jedoch auch an anderer Stelle im Kriteriensystem vor. Sie sind in planungsmethodischer Hinsicht zumindest insoweit unproblematisch, wie im Ergebnis der Kriterienanwendung noch ein ausreichender Raum für die Windenergienutzung verbleibt. Ebenfalls unzutreffend ist die Annahme der Ein- wenderin, dass die betreffenden Räume seit der ursprünglichen Bewertung vielfältige Verän- derungen erfahren hätten, sodass diese Bewertung heute nicht mehr maßgebend sein könne. Tatsächlich sind in diesen Räumen jedoch keine neuen Straßen oder Eisenbahnstrecken ge- baut, keine neuen Windparks errichtet und keine Siedlungen großflächig erweitert worden. Eine Veränderung hat allenfalls durch Maßnahmen im ländlichen Wegebau stattgefunden. Eine Ausnahme bildet die Verkleinerung des Freiraumes um die Conventer Niederung und das Waldgebiet Großer Wohld durch die Randstraße von Bad Doberan und das neue Wohn- gebiet Kammerhof. Diese Verkleinerung ist jedoch marginal und damit vernachlässigbar. Sie betrifft im Übrigen einen Raum, der schon aufgrund anderer Kriterien nicht für die Windener- gienutzung in Frage käme. Zur Frage, ob um die Europäischen Vogelschutzgebiete ein zusätzlicher Schutzabstand als striktes Ausschlusskriterium hätte berücksichtigt werden müssen, wird auf die oben wiederge- gebenen allgemeinen Erwägungen zum Umgang mit fachlichen Empfehlungen des Natur- schutzes verwiesen. Für die Abstandsempfehlung gilt (ebenso wie für den oben erörterten 1.000-Meter-Abstand um hochwertige Landschaftsräume), dass sie in der Sache schlüssig begründet werden kann, in ihrem Maß jedoch eher beliebig erscheint. Sowohl die Empfehlung der LAG-VSW (zehnfache Anlagenhöhe) als auch die der Landesregierung (500 Meter) schei- nen auf pragmatischen Setzungen zu beruhen, wobei im einen Fall wohl der Gedanke der größtmöglichen Vorsorge im Sinne des Vogelschutzes maßgebend war, während im anderen Fall schon eine erste Abwägung mit den Raumansprüchen der Windenergienutzung sowie anderen Ausschlusskriterien bezogen auf die Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern statt- gefunden hat. Der Planungsverband hat bei der Festlegung seiner Kriterien eine nochmals genauere Betrachtung und Abwägung im Hinblick auf die Verhältnisse der Region Rostock vorgenommen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass auf einen pauschalen Vorsorgeab- stand verzichtet wird. Das Erfordernis, für alle festgelegten Vorranggebiete die Verträglichkeit mit den Schutzzielen der Vogelschutzgebiete nachzuweisen, bleibt davon unberührt.

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Die Frage, ob die im RREP festgelegten Tourismusschwerpunkträume eigentlich ein Aus- schlusskriterium sein müssten, war in den früher veröffentlichten Entwurfsdokumenten bereits erschöpfend erörtert worden. Der Planungsverband bleibt bei seiner Einschätzung, dass die Abgrenzungsmethodik, die diesen Gebieten zugrunde liegt, keine konsistente Anwendung als striktes Ausschlusskriterium erlaubt. Als Restriktionskriterium wird diesen Räumen jedoch ein sehr hohes Gewicht beigemessen, sodass in der Regel gegen die Windenergienutzung abzu- wägen ist. Für die im Ergebnis des Planungsverfahrens festgelegten Windenergie-Vorrangge- biete ist diese Frage ohne Belang, da sie sich ausnahmslos außerhalb der Tourismusschwer- punkträume befinden. Nicht gefolgt werden kann der Anregung zur Berücksichtigung der Schutzgebiete von ge- meinschaftlicher Bedeutung (sogenannte FFH-Gebiete) als striktes Ausschlusskriterium. Diese Gebiete umfassen nicht nur schützenswerte, naturnahe Biotope, sondern in ihren Rand- bereichen zum Teil auch intensiv bewirtschaftete Ackerflächen. Soweit es dem speziellen Schutzzweck im Einzelfall nicht entgegensteht, spricht nichts gegen die Windenergienutzung in diesen Gebieten. Zu weitgehend erscheint auch die Anregung des NABU, dass ein zusätz- licher Abstand von 1.000 Metern als Ausschlussbereich freigehalten werden müsste, soweit Fledermäuse zu den Zielarten der Schutzgebiete gehören. Der Planungsverband geht davon aus, dass mit dem Ausschluss von Waldgebieten und größeren Biotopen den Belangen des Fledermausschutzes auf der Ebene der Regionalplanung hinreichend entsprochen wird. Im Übrigen sind diese Belange später bei der Planung von Windparks innerhalb der Vorrangge- biete näher zu untersuchen und entsprechend zu berücksichtigen. Dieser Ansatz entspricht auch den geltenden Empfehlungen des Artenschutzes in Mecklenburg-Vorpommern. Ebenfalls nicht gefolgt wird der Anregung der Naturschutzbehörde, die geschützten Geotope in die Aufzählung möglicher Restriktionen in der Begründung zum Satz 6.5 (2) des RREP auf- zunehmen. Dort werden nur solche Restriktionen aufgezählt, die innerhalb der Vorranggebiete tatsächlich vorkommen. Zwar gab es in früheren Entwürfen der RREP-Fortschreibung einzelne Gebietsvorschläge, die geschützte Geotope umfassten; auf die nunmehr festgelegten Vor- ranggebiete trifft dies jedoch nicht mehr zu. Der Hinweis des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie auf marginale Über- schneidungen der Vorranggebiete mit Ausschlussgebieten des Naturschutzes ist be- rechtigt. Allerdings waren die Gründe für diese Überschneidungen in den früher veröffentlich- ten Entwurfsdokumenten bereits umfassend dargelegt worden. Der Planungsverband verweist hierzu auf die Erläuterungen zur Anwendung der Kriterien im Abschnitt 6 des Umweltberichtes. Bei den Räumen mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes handelt es sich tat- sächlich um eine maßstabsbedingte Abweichung. Die Bezugsräume der Landschaftsbildbe- wertung wurden von den damit befassten Gutachtern „freihändig“ in grober Anlehnung an sichtbare Zäsuren im Landschaftsraum gezogen. Der Planungsverband hat sich dagegen be- müht, die Abgrenzung der Vorranggebiete möglichst eindeutig an topografisch bestimmbaren und verbal beschreibbaren Grenzen und Bemessungspunkten auszurichten, damit für die spä- tere Genehmigung von Windenergieanlagen eine ordentliche Beurteilungsrundlage vorliegt. Somit kommt es zu marginalen Abweichungen, die erkennbar werden, wenn man die digitalen Daten der Landschaftsbildbewertung und der Vorranggebiete in vergrößertem Maßstab über- einanderlegt.

5.7 Artenschutz

5.7.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Appelhagen (vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel), Parchow (mit Unterschriftenliste), Dalkendorf, Rakow und anderen Orten • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

143 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

• Freier Horizont e.V., Penzlin • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Wind Energy Network e.V., Rostock • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • FEW Wardow GmbH • BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • BS Windertrag GmbH, Berlin • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock • BWE Bundesverband Windenergie – Landesverband M-V, Sternberg • Wind-Projekt GmbH, Börgerende • Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“, Gülzow-Prüzen • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow • Gemeinde Gülzow-Prüzen • Gemeinde Plaaz

5.7.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin aus Appelhagen, vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel, nimmt zum Vorranggebiet Nr. 127 Stellung und geht dabei auch auf die örtlichen Greifvogel- vorkommen ein (vgl. die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwende- rin). Die Einwenderin bemängelt, dass für die Brutreviere des Rotmilans und des Mäusebus- sards vom Planungsverband keine Ausschlusskriterien festgelegt worden sind. Die Erfassung und Einbeziehung dieser Arten sei jedoch notwendig, um die gesetzlich vorgeschriebene Ab- wägung durchführen zu können. Ansonsten würden Flächen als Eignungsgebiete identifiziert, die sich bei genauer Betrachtung als tatsächlich ungeeignet erweisen müssten. Die in der Be- gründung zum Satz 6.5 (2) der RREP-Fortschreibung enthaltene Maßgabe, wonach bei später festgestellten Konflikten mit dem Artenschutzrecht vorrangig die Möglichkeit einer Ausnahme geprüft werden soll, hält die Einwenderin für rechtswidrig. Die zweckmäßige Ausnutzung der Vorranggebiete für Windenergieanlagen dürfe nicht über den Schutz der besonders geschütz- ten Vogelarten gestellt werden. Der Planungsverband habe diese Arten von vornherein in seine Abwägung einzubeziehen. Eine Bürgerin (Wohnort nicht bekannt) stellt die Frage, ob für die Planung herangezogene Gutachten frei und unabhängig entstanden sein könnten, wenn an bestimmten Ergebnissen ein großes wirtschaftliches Interesse bestehe. Wer habe die vom Ingenieurbüro Günther durchgeführte Großvogelerhebung in Auftrag gegeben? Von wem sei diese bezahlt worden? Die Einwenderin fragt weiterhin, ob die in der Region vorhandenen und geplanten Windpark- standorte im Zusammenhang betrachtet worden seien – ob also großräumige Barrierewirkun- gen im Luftraum und deren mögliche Auswirkungen auf die Vogel- und Insektenwelt für die Erwägungen des Planungsverbandes maßgebend gewesen seien. Das Revier eines Seead- lers zum Beispiel könne bis zu 50 Quadratkilometer umfassen. Die Einwenderin bezieht sich auf ihr bekannte Veröffentlichungen, wonach in nennenswerter Anzahl Insekten an den Rotor- blättern der Windenergieanlagen zu Tode kämen. Bürger aus Parchow (mit Unterschriftenliste) kritisieren die im Umweltbericht vom Novem- ber 2018 enthaltenen Ausführungen zum gesetzlichen Artenschutz. Sie nehmen dabei insbe- sondere Bezug auf den Schutz des Rotmilans. Der Planungsverband irre, wenn er davon aus- gehe, dass das bloße Risiko des Vogelschlages durch Windenergieanlagen nicht vom Tötungsverbot des § 44 Bundesnaturschutzgesetz erfasst werde. Nach Ansicht der Einwender

144 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 wären Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage unzulässig, wenn auch nur ein einzel- ner Rotmilan dadurch in Gefahr geraten würde. Das Tötungsverbot sei grundsätzlich auf das einzelne Vogelexemplar bezogen. Es sei zunächst völlig unbeachtlich. ob es sich um das Exemplar einer seltenen oder einer häufigen Art handle. Schutz und Erhaltung ganzer Popu- lationen würden im Naturschutzrecht dagegen mit dem Gebietsschutz geregelt. Für den Schutz des einzelnen Exemplars habe sich in der Rechtsprechung das Kriterium des „gegen- über dem allgemeinen Lebensrisiko signifikant erhöhten Tötungsrisikos“ herausgebildet. Eine Windenergieanlage sei unzulässig, wenn ihr Betrieb ein solches Risiko hervorrufen würde. Wenn der Planungsverband davon ausgehe, dass in solchen Fällen vorrangig von der Mög- lichkeit artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigungen Gebrauch gemacht werden sollte, setze er damit wissentlich das Naturschutzrecht zugunsten wirtschaftlicher Interessen außer Kraft. Eine Bürgerin aus Dalkendorf nimmt zu den Gebieten 38, 73 und 127 Stellung und weist dazu auf örtliche Vorkommen des Rotmilans und anderer geschützter Vogelarten hin (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 6 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). An der Tatsache, dass der Entwurf der RREP-Fortschreibung schon zum dritten Mal ausgelegt wurde, könne man ersehen, dass diese Vorkommen vom Planungsverband anscheinend gar nicht beachtet worden seien. Es mache traurig, dass man in der letzten Zeit wiederholt von Fällen habe hören müssen, in denen Horste absichtlich von Windkraftbefürwortern zerstört worden sein sollen. Deshalb wage man die Brutplätze geschützter Vögel kaum noch zu er- wähnen, weil man sie damit möglicherweise der Zerstörung preisgebe. Eine Bürgerin aus Rakow äußert sich gleichlautend wie die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (siehe unten) und geht darüber hinaus auf die im Umweltbericht vom November 2018 beschriebene Methodik des Planungsverbandes bei der Anwendung des 2.000-Meter-Abstandes um die Brutplätze der Seeadler ein. Auf Nachfrage beim zuständigen Umweltamt habe man die Auskunft erhalten, dass Seeadler durchaus brutplatztreu seien und keineswegs – wie es der Planungsverband suggerieren wolle – ständig den Horst wechselten. Somit könne durchaus eine randscharfe Abgrenzung der Vorranggebiete anhand der Nist- plätze und des maßgebenden Schutzabstandes vorgenommen werden. Die Vorgehensweise des Planungsverbandes – also die Orientierung an der jeweils nächsten topografisch bestimm- baren Grenze – sei mit dem Naturschutzrecht nicht vereinbar Der NABU Mecklenburg-Vorpommern schickt seiner Stellungnahme ausdrücklich voraus, dass diese sich auf Fragen des Natur- und Artenschutzes konzentriere. Das Interesse an einer erfolgreichen Umsetzung der Energiewende werde im Verfahren der RREP-Fortschreibung von anderen finanzstarken und politisch einflussreichen Akteuren bereits ausreichend vertre- ten. Der Landesverband betont, dass er weder dem Artenschutz Vorrang vor den Erfordernis- sen des Klimaschutzes eingeräumt wissen wolle, noch sei dies im umgekehrten Sinne zu tun. Der NABU setze sich vielmehr für die ausreichende Integration von Natur- und Artenschutz- belangen bei der Realisierung der deutschen Energie- und Klimaschutzziele ein. Der Pla- nungsverband Region Rostock sei bei der letzten Überarbeitung seines Entwurfes prinzipiell richtig vorgegangen, indem er angesichts der unzureichenden Kenntnislage zunächst eine Er- hebung der planungsrelevanten Großvogelvorkommen veranlasst hat. Dass ein solches Vor- gehen in der Regionalplanung nicht allgemein üblich ist, sei vom NABU in anderen Verfahren schon mehrfach bemängelt worden. Nach wie vor kritisch betrachtet der NABU jedoch die im Planungskonzept enthaltenen Abweichungen von den Abstandsempfehlungen für Wind- energieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (dem sogenannten „Helgoländer Papier“) der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vo- gelschutzwarten (LAG-VSW). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Empfehlungen habe offensichtlich nicht stattgefunden, und die Abweichungen seien nicht hinreichend be- gründet. Der NABU glaubt hierin einen gravierenden Abwägungsfehler und einen inhaltlichen Mangel des vorgelegten Umweltberichtes zu erkennen. Die Empfehlungen der LAG-VSW lie- gen seit dem Jahr 2008 vor und wurden 2015 in einer überarbeiteten Fassung neu veröffent-

145 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 licht. Die Arbeitsgemeinschaft der für den ornithologischen Artenschutz zuständigen Fachbe- hörden sei eines der ältesten staatlichen Fachgremien in Deutschland. Ihre Empfehlungen gäben den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik wieder. Der Planungsverband hätte sich deshalb in seinem Umweltbericht im Einzelnen mit diesen Empfehlungen auseinander- setzen müssen. Es sei nicht ausreichend, an deren Stelle einfach die zum Teil geringeren Anforderungen der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu setzen. Die Darlegung des Planungsverbandes, wonach bei einer unumschränkten Anwendung der Abstandsempfehlungen nicht genug Raum für die Windenergienutzung verfügbar gemacht werden könnte, sei nicht überzeugend. Dies- bezügliche Berechnungen seien im Umweltbericht vom November 2018 nur sehr pauschal wiedergegeben worden und somit nicht nachvollziehbar. Im Übrigen sähe der NABU gar kein Problem darin, wenn die Hälfte bis zwei Drittel der Regionsfläche allein durch artenschutz- rechtliche Verbote für die Windenergienutzung gesperrt würden. Anstatt aus diesem Grund die Anforderungen des Artenschutzes zurückzunehmen, böte es sich eher an, andere aus Sicht des NABU fragwürdige Planungskriterien wie den Schutzabstand von 800 Metern zu Einzel- häusern und Splittersiedlungen oder den Ausschluss von Industrie- und Gewerbegebieten so- wie Bergbauflächen zu revidieren (vgl. hierzu die in den Abschnitten 4.4, 5.1 und 5.12 wieder- gegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Der NABU geht davon aus, dass sämtliche von der LAG-VSW empfohlenen brutplatzbezogenen Schutzabstände als Ausschlusskriterien in die RREP-Fortschreibung zu übernehmen wären. Dies habe der Planungsverband für die Arten Schwarzstorch (3.000 m), Weißstorch (1.000 m), Wespenbussard (1.000 m), Korn-, Wiesen- und Rohrweihe (jeweils 1.000 m), Rotmilan (1.500 m), Schwarzmilan (1.000 m), Baumfalke (500 m), Wanderfalke (1.000-3.000 m), Uhu (1.000 m), Sumpfohreule (1.000 m) und Reiher (1.000 m) unterlassen. Bei konsequenter Anwendung der Empfehlungen der LAG- VSW wären um die Brutplätze der Seeadler regelmäßig 3.000 Meter Abstand einzuhalten. Die weitgehende Einhaltung dieses Richtwertes habe in Deutschland wesentlich zum Schutz der Brutvögel und der Brutplätze beigetragen. Mit nahezu 50% des deutschen Gesamtbestandes trage Mecklenburg-Vorpommern eine besondere Verantwortung für den Schutz des Seead- lers, und die hier lebenden Vögel bildeten die Quellpopulation für die Ausbreitung der Art nach Westen und Süden. Dafür, dass in Mecklenburg-Vorpommern gemäß AAB-WEA nur 2.000 Meter Abstand angesetzt werden, fehle jede fachliche Begründung. Der NABU sieht dies als willkürliche Festlegung an; wenn der Planungsverband sie ungeprüft übernehme, begehe er einen Abwägungsfehler. Das Gleiche gelte für die Berücksichtigung der Nahrungsgewässer des Seeadlers, die in Mecklenburg-Vorpommern auf größere Seen ab 5 Hektar Wasserfläche beschränkt wurde. Aus der Biologie des Seeadlers ergäben sich keine Gründe für eine solche Beschränkung. Die Tiere nutzten zur Nahrungssuche auch kleinere ruhende Gewässer sowie Fließgewässer. Da es sich beim gesetzlichen Artenschutz um striktes Recht handle, sei es unzulässig, aus Gründen der bloßen Verwaltungsvereinfachung einen erheblichen Teil der Nahrungsreviere aus der Betrachtung auszublenden. Die genaue Lage der Gewässer sei dem Planungsverband bekannt, sodass schon auf der Ebene der Regionalplanung die mutmaßli- chen Flugkorridore der Seeadler mit wenig Aufwand ermittelt werden könnten. Ebenso wie beim Seeadler kritisiert der NABU auch beim Schreiadler, dass in Mecklenburg-Vorpommern von den Empfehlungen der LAG-VSW ohne fachliche Begründung abgewichen werde. Der von der LAG empfohlene Mindestabstand von 6.000 Metern sei damit begründet, dass die letzten Brutreviere des Schreiadlers in Nordostdeutschland mit vergleichsweise wenig geeig- neten Nahrungsflächen ausgestattet seien, sodass die hiesigen Vögel ihre Nahrung in einem viel größeren Umkreis um den Brutplatz suchen müssten als ihre Artgenossen im Osten Eu- ropas. Die Berechtigung der Abstandsempfehlung sei durch Telemetriestudien in den letzten Jahren mehrfach belegt worden. In Mecklenburg-Vorpommern sei dieser Abstand willkürlich auf 3.000 Meter reduziert worden. Zwar stehe es jedem Bundesland grundsätzlich zu, die Empfehlungen der LAG-VSW an landesspezifische Besonderheiten anzupassen. An solchen Besonderheiten fehle es jedoch im Fall des Schreiadlers. Die Abweichung sei ohne fachliche Begründung erfolgt. Die Naturschutzbehörde des Landes habe damit die ihr bei der Anwen- dung des Artenschutzrechts grundsätzlich zustehende Einschätzungskompetenz überschrit- ten, indem sie den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik, wie er in den Empfehlungen

146 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 der LAG-VSW wiedergegeben sei, einfach außer Acht gelassen habe. Dem vom Land statt- dessen verfolgten Ansatz, die Zulässigkeit von Windenergieanlagen im 6.000-Meter-Umkreis von der Nahrungsflächenausstattung des betreffenden Brutrevieres abhängig zu machen, könne zwar einige Plausibilität zugebilligt werden – zuverlässige Nachweise, dass dieser An- satz tatsächlich die erhoffte Schutzwirkung entfaltet, gebe es jedoch bislang nicht. Wenn der Planungsverband an seiner – aus Sicht des Einwenders irrigen – Auffassung festhalten wolle, dass den Empfehlungen der AAB-WEA Vorzug gegenüber denen der LAG-VSW zu geben sei, müssten innerhalb der 6.000-Meter-Abstandsbereiche um die Brutplätze des Schreiadlers zu- mindest die bevorzugten Nahrungsflächen und Flugkorridore von der Windenergienutzung ausgenommen werden. Die essenziellen Nahrungsflächen der Schreiadler seien landesweit zu einem großen Teil erfasst und lägen beim Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geolo- gie vor, sodass sich die entsprechenden Ausschlussbereiche im Rahmen der RREP-Fort- schreibung mit wenig Aufwand ermitteln ließen. Dies beträfe insgesamt fünf der geplanten Vorranggebiete aus dem Entwurf vom November 2018, die innerhalb der 6.000-Meter-Ab- standsbereiche liegen (Nr. 107, 109, 127, 129 und 130). Zum Schutz des Weißstorches ge- ben sowohl die Empfehlungen der LAG-VSW als auch die AAB-WEA einen Mindestabstand von 1.000 Metern vor. Nach Auffassung des NABU sollte dieser Mindestabstand bei der RREP-Fortschreibung als Ausschlusskriterium gelten. Deutschlandweit seien bisher 67 Fälle registriert, in denen Weißstörche an Windenergieanlagen umgekommen sind, 11 davon in Mecklenburg-Vorpommern. Angesichts dieser Zahl von Schlagopfern sei es nicht gerechtfer- tigt, wenn der Planungsverband bei der Bestimmung seiner Kriterien zwischen Greifvögeln und Störchen differenziere und bei letzteren ein verhaltensbedingt geringeres Kollisionsrisiko unterstelle. 80% aller Nahrungsflüge des Weißstorches zur Brutzeit fänden in einem Radius von 2.000 Metern um den Brutplatz statt, wobei die Aktionsräume im Ackerland größer seien als in Räumen mit vorherrschender Grünlandnutzung. Es sei davon auszugehen, dass etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Nahrungsflüge in einer Höhe von 50 bis 150 Metern erfolge. Nach Einschätzung des NABU ist ein Meidungsverhalten gegenüber Windenergieanlagen beim Weißstorch nur gering ausgeprägt. In attraktiven Nahrungsrevieren sei vielmehr von Gewöh- nungseffekten auszugehen, die zu einem erhöhten Kollisionsrisiko führten. Der Planungsver- band gehe in Abweichung von den Empfehlungen der LAG-VSW und der AAB-WEA davon aus, dass ein Schutzabstand von 800 Metern ausreichend sein könne, ohne diese Abweichung fachlich zu begründen. Dies stelle einen Abwägungsfehler dar. Bezüglich des Rotmilans be- dauert der NABU, dass im Rahmen der RREP-Fortschreibung keine flächendeckende Erhe- bung der Brutplätze in der gesamten Planungsregion erfolgt ist. Nach Auffassung des NABU hätte eine solche umfassende Bestandsaufnahme den Planungsverband in die Lage versetzt, die Erfordernisse des gesetzlichen Artenschutzes bereits sehr weitgehend auf der Ebene der Regionalplanung zu prüfen und Konflikte mit den Flächenansprüchen der Windenergienutzung zu lösen. Eine Verschiebung dieser Konflikte auf die Ebene der nachfolgenden Genehmi- gungsverfahren könne Windparkvorhaben zu einem Zeitpunkt zum Scheitern bringen, zu dem bereits erhebliche Investitionen getätigt wurden. Die Lösung möglichst vieler Artenschutzkon- flikte auf der Ebene der Regionalplanung würde nicht nur dem Artenschutz dienen, sondern auch die Investitionssicherheit für die Windenergiewirtschaft erhöhen. Wenn einem solchen Ansatz die Wechselhaftigkeit des Rotmilans entgegengehalten werde, sei dies nicht überzeu- gend. Zwar treffe es zu, dass der Rotmilan häufig seine Horste wechselt; bei ansonsten un- veränderten Umgebungsbedingungen bleibe er jedoch seinem Brutrevier langjährig treu. Der NABU spricht sich vor diesem Hintergrund dafür aus, das Konzept der sogenannten Dichte- zentren, wie es in der Nachbarregion Westmecklenburg angewandt wird, weiterzuentwickeln und als planerische Grundlage zur landesweiten Sicherung eines ausreichenden Lebensrau- mes für den Rotmilan heranzuziehen. Die Durchsetzung der brutplatzbezogenen Schutzanfor- derungen in späteren Genehmigungsverfahren müsse davon allerdings prinzipiell unberührt bleiben. Der NABU bemängelt weiterhin, dass das Planungskonzept der RREP-Fortschrei- bung keine strikten Ausschlusskriterien zum Schutz der Zugvögel enthalte. Auch in dieser Hinsicht mahnt der Einwender eine unbedingte Beachtung der LAG-VSW-Empfehlungen an. Diese sehen die Freihaltung der Hauptflugkorridore zwischen Schlaf- und Nahrungsplätzen

147 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 der Kraniche, Schwäne, Gänse und Greifvögel vor. Des Weiteren seien die überregional be- deutsamen Hauptzugkorridore freizuhalten sowie ein pauschaler Mindestabstand von 1.200 bis 2.000 Metern zu den Gastvogellebensräumen internationaler, nationaler und landesweiter Bedeutung einzuhalten. Mit seinem vollständigen Verzicht auf entsprechende Ausschlusskri- terien verkenne der Planungsverband die besondere Bedeutung und die internationale Ver- antwortung des Landes Mecklenburg-Vorpommern für den Vogelzug. Der Einwender verweist diesbezüglich auf die europäische Vogelschutzrichtlinie sowie internationale Übereinkommen zum Vogelschutz. Mecklenburg-Vorpommern befinde sich im zentralen Teil des East Atlantic Flyway, den die Wat- und Wasservögel beim Zug aus ihren Brutgebieten in Nordeurasien in die Überwinterungsgebiete Nordafrikas nutzen. Es gehöre zum arttypischen Verhalten dieser Vögel, dass sie während ihres Aufenthaltes in Mecklenburg-Vorpommern täglich zwischen Schlaf- und Nahrungsplätzen wechseln. Die betreffenden Flugkorridore müssten ebenso wie die Hauptzugkorridore von Windenergieanlagen freigehalten werden und bei der RREP-Fort- schreibung entsprechend als Ausschlusskriterien gelten. Das landesweit verwendete Modell der Dichte des Vogelzuges aus dem Jahr 1996 sieht der NABU als wissenschaftlich fundiert an. Allerdings sei darauf hinzuweisen, dass sich aufgrund großflächiger Renaturierungsmaß- nahmen in den letzten zehn bis 15 Jahren die Durchzugs- und Rastzahlen vieler Vogelarten erhöht und auch die räumliche Verteilung der Flugbewegungen verändert hätten. Als Beispiel in der Region Rostock könne die Entwicklung des Kranichschlafplatzes im Naturschutzgebiet Radelsee in Verbindung mit den westlich von Rostock gelegenen Äsungsflächen genannt wer- den. Dem NABU fehlten jedoch leider die Mittel, um mit eigenen Untersuchungen eine Aktua- lisierung des Dichtemodells vornehmen zu können. Die in der Begründung zum Satz 6.5 (2) der RREP-Fortschreibung enthaltene Maßgabe zur Anwendung artenschutzrechtlicher Aus- nahmen wird vom NABU mit Interesse zur Kenntnis genommen. Der NABU geht davon aus, dass das Recht des Artenschutzes keiner solchen planerischen Bindung unterliegen könne. Hier seien Vorschriften maßgebend, die sich nicht nur dem Einfluss der Regionalplanung, son- dern zu großen Teilen auch dem der nationalen Gesetzgebung entzögen. Zur nachträglichen Überprüfung artenschutzrechtlicher Belange bei der erneuten Festlegung langjährig ge- nutzter Eignungsgebiete als Vorranggebiete nimmt der NABU Bezug auf die Darlegungen, des Planungsverbandes zum Gebiet Nr. 33/45 in der Abwägungsdokumentation vom Novem- ber 2018. Zu einer möglichen Gefährdung des in der Nähe brütenden Weißstorches war vom Planungsverband festgestellt worden, dass aufgrund der langjährigen Existenz des betreffen- den Brutplatzes neben dem Windpark die Annahme eines besonders hohen Kollisionsrisikos als faktisch widerlegt gelten könne. Der NABU bemerkt dazu, dass die Vögel bisher möglich- erweise nur Glück gehabt hätten. Die aktuell empfohlenen Mindestabstände seien auch bei bestehenden Windparks unbedingt einzuhalten. Aus Sicht des Vereins Freier Horizont e.V. wurden die Belange des Artenschutzes bei der Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen nicht hinreichend berücksichtigt. Als Pla- nungsgrundlage seien die von anerkannten Ornithologen erarbeiteten und als wissenschaftli- cher Standard geltenden Empfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwar- ten aus dem Jahr 2015 heranzuziehen. Diese seien vom Planungsverband ignoriert worden. Die in Mecklenburg-Vorpommern eingeführte Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungs- hilfe sieht der Einwender als problematisch an, insofern darin zum Teil von den Empfehlungen der Vogelschutzwarten abgewichen wurde. Diese Abweichungen schafften Rechtsunsicher- heit und sorgten immer wieder für Konfliktpotenzial. Im Entwurf zur RREP-Fortschreibung sei nicht einmal der Rotmilan als besonders gefährdete Großvogelart berücksichtigt worden. Zu den Brutplätzen dieser Art seien regelmäßig 1.500 Meter Abstand einzuhalten. Neue Erkennt- nisse legten zudem nahe, dass der Windenergienutzung ein nicht unbedeutender Beitrag zum Rückgang der Insektenpopulation beizumessen sei. Die Entwurfsunterlagen vom November 2018 ließen jegliche Betrachtung hierzu vermissen. Der Einwender kritisiert außerdem die im Begründungsteil des RREP-Entwurfes enthaltenen Ausführungen zur Anwendung der arten- schutzrechtlichen Ausnahmeregelung. Damit würde der Artenschutz zugunsten der Windener- giewirtschaft ausgehebelt. Es würde nicht nur gegen deutsches, sondern auch gegen europä- isches Recht verstoßen.

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Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg äußert sich kritisch zu der im Begründungsteil des RREP enthaltenen Maßgabe, wonach bei später ein- tretenden Konflikten mit dem Artenschutzrecht grundsätzlich von der Möglichkeit der arten- schutzrechtlichen Ausnahme Gebrauch gemacht werden soll. Es bestehe die Gefahr, dass die Ausnahmeentscheidung zum Regelfall werde und somit von der Genehmigungsbehörde re- gelmäßig Entscheidungen zu treffen wären, die von vornherein rechtlich angreifbar wären. Der Verein Wind Energy Network e.V. steht der Berücksichtigung des Artenschutzes bei der Fortschreibung des RREP kritisch gegenüber. Grundsätzlich sollten nach Ansicht des Einwen- ders entsprechende Prüfungen den späteren Genehmigungsverfahren für Windparks inner- halb der Vorranggebiete vorbehalten bleiben. Als wesentlichen Grund nennt der Einwender die Wechselhaftigkeit des Naturgeschehens, welches im Rahmen der auf einen Planungszeit- raum von 10 Jahren angelegten RREP-Fortschreibung nicht sinnvoll erfasst und berücksichtigt werden könne. Als Beispiel nennt der Einwender den Schutz des Rotmilans, der seine Brut- plätze bekanntlich regelmäßig wechsle. Nach Aufgabe einer Brutstätte sei der nachwirkende Schutz auf ein bis drei Jahre beschränkt. Der Einwender geht davon aus, dass dem Arten- schutz mit einzelfallbezogenen Prüfungen in späteren Genehmigungsverfahren besser Rech- nung getragen werden könnte als mit der Anwendung pauschaler Abstandskriterien in der Re- gionalplanung. In den Genehmigungsverfahren könnten dann auch mögliche Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen in die Prüfung einbezogen werden, sodass potenziell geeig- nete Standorte nicht schon von der Regionalplanung ausgeschlossen werden sollten. Aktuelle Forschungen und Entwicklungen deuteten darauf hin, dass beim Greifvogelschutz mit Ablen- kungsfütterungen und automatisierten Anflugerkennungssystemen gute Wirkungen erzielt werden könnten. Der Einwender verweist diesbezüglich auf eine aktuelle Veröffentlichung des Bundesamtes für Naturschutzes zur Wirksamkeit von Maßnahmen gegen Vogelkollisionen an Windenergieanlagen. Für eine standortkonkrete Prüfung, inwieweit mit solchen oder anderen Maßnahmen das Tötungsrisiko unter die Signifikanzschwelle gesenkt werden könne, habe sich das Anlagengenehmigungsverfahren bewährt. Aufgrund der engen Einbindung der Na- turschutzbehörde und der weitreichenden Klagemöglichkeiten der Naturschutzverbände sei eine effektive Durchsetzung der Artenschutzbelange in jedem Fall gesichert. Nach Einschät- zung des Einwenders wäre ein Miteinander von Artenschutz und Windenergienutzung in Mecklenburg-Vorpommern auf diese Weise möglich, ohne dass die positive Bestandsentwick- lung, die bei vielen geschützten Arten zu verzeichnen sei, damit gefährdet würde. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie wiederholt nochmals seine Kritik daran, wie in der Region Rostock mit dem Schutz der Schwarzstörche, Weißstörche und Wan- derfalken umgegangen wurde. Eine innerhalb des Landes unterschiedliche Bewertung der Schutzerfordernisse für einzelne Großvogelarten sei fachlich nicht vertretbar. Die Tatsache, dass einzelne Fundpunkte über einen längeren Zeitraum nicht besetzt waren, führe nicht zu einer Änderung der Schutzziele für die betreffende Art und rechtfertige deshalb auch keine Änderungen an den Planungskriterien. Die Festlegung nachwirkender Schutzfristen für aufge- gebene Brutplätze sei Sache der Naturschutzbehörde und nicht des Planungsverbandes. Ebenfalls zum wiederholten Male weist das Landesamt auf marginale Überschneidungen ein- zelner Vorranggebiete mit Abstandszonen um Adlerbrutplätze hin, die auch für den Planungs- verband eigentlich als Ausschlussgebiete gelten. Der Planungsverband möge überprüfen, in- wieweit hierfür abweichende Datengrundlagen, projektions- oder maßstabsbedingte Ungenauigkeiten ursächlich waren. Auch die Lage der Vorranggebiete Nr. 106 und 123 im Randbereich eines Vogelzugkorridors wird vom Landesamt erneut kritisiert. Aufgrund der Lage Mecklenburg-Vorpommerns im Zentrum des nordwestpaläarktisch-atlantischen Zugweges müsse dem Schutz der Zugvögel in der Planung ein gebührender Rang eingeräumt werden. Innerhalb der im landesweiten Dichtemodell des Vogelzuges ausgewiesenen Dichtezone A müsse dem Vogelschutz grundsätzlich Vorrang eingeräumt werden. Nur in begründeten Fällen könne davon abgewichen werden. Wenn der Planungsverband im Umweltbericht vom Novem- ber 2018 darlege, dass „Erfahrungen mit bestehenden Windparks“ innerhalb der betreffenden Räume nicht auf ein besonders hohes Konfliktpotenzial schließen ließen, könne sich dies nur auf Sonderfälle beziehen. Für die Vorranggebiete Nr. 106 und 123 fehle eine solche besondere

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Begründung. Die Gebiete lägen genau in der von Nordost nach Südwest verlaufenden Haupt- zugrichtung und wiesen aufgrund des überdurchschnittlich hohen Grünland- und Gewässer- anteils attraktive Strukturen für die Zugvögel auf. In Abhängigkeit von Jahreszeit, herrschender Witterung, Wind- und Lichtverhältnissen sowie den Bewirtschaftungszyklen der Landwirtschaft kämen den Flächen im Vogelzugkorridor wechselnde Funktionen als Flugleitlinie, Nahrungs- revier, Rast- oder Schlafplatz zu. Die Dichtezone A bilde innerhalb des Zugkorridors eine Kern- zone, die, eingebettet in die Zone B, eine herausragende Bedeutung besitze. Ausdrücklich positiv hebt das Landesamt die vom Planungsverband im Jahr 2016 veranlasste Greifvogeler- hebung und die daraus gezogenen Konsequenzen bei der Flächenauswahl hervor. Dieses Vorgehen belege, dass der Planungsverband sich intensiv mit den Anforderungen des Natur- schutzes befasst habe. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock begrüßt die tiefergehende Untersu- chung der Artenschutzbelange, die vom Planungsverband in enger Abstimmung mit der Ein- wenderin und dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie durchgeführt worden ist. Die Ergebnisse dieses Abstimmungsprozesses hätten in den Entwurf vom November 2018 Eingang gefunden. Mit der weitgehenden Berücksichtigung der Artenschutzbelange bei der Flächenauswahl könne eine wesentliche Beschleunigung der späteren anlagenbezogenen Genehmigungsverfahren und eine gute Ausnutzung der Vorranggebiete erreicht werden. Zu- gleich kritisiert die Naturschutzbehörde jedoch, dass einige Inhalte der Entwurfsunterlagen vom November 2018 nicht den Abstimmungsergebnissen entsprächen und im Widerspruch zu den Vorgaben der in Mecklenburg-Vorpommern eingeführten Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) stünden. Dies betreffe zum Teil die im Umweltbericht ent- haltenen grundsätzlichen Ausführungen zur Bewertungsmethodik und zur Anwendung arten- schutzrechtlicher Ausnahmen. Zum Teil geht es auch um die getroffene Auswahl der Vorrang- gebiete für Windenergieanlagen, insbesondere das Gebiet Nr. 129 und den geänderten Flächenzuschnitt der Gebiete Nr. 38 und 71 (vgl. hierzu die in den Abschnitten 6 und 8 wie- dergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Zunächst wird kritisiert, dass der Pla- nungsverband einen eigenen Schwellenwert festgelegt hat, um einzuschätzen, ab welcher Größenordnung die Verluste einzelner Vögel populationsrelevant werden können. Angesichts der natürlichen Dynamik der Populationsentwicklung sowie der mit dem Ausbau der Wind- energienutzung einhergehenden Kumulationswirkungen könne die Bestimmung einer Rele- vanzschwelle immer nur durch die zuständige Naturschutzbehörde im Ergebnis eines einzel- fallbezogenen Ermessens erfolgen. Diese Ermessensentscheidung könne nicht durch die Regionalplanung vorweggenommen werden. Fehlerhaft seien auch die in der Tabelle 6 des Umweltberichtes wiedergegebene Einschätzung zur Wirksamkeit pauschaler Abstandszonen bei den Arten Rot- und Schwarzmilan sowie die daraus im Weiteren gezogenen Schlussfolge- rungen. Auch hiermit stehe der Umweltbericht im Widerspruch zu den Vorgaben der AAB- WEA. Daraus folgend sei die in der Tabelle 9 des Umweltberichtes wiedergegebene Konflikt- bewertung der Untersuchungsgebiete zu überprüfen. Aus Sicht der Naturschutzbehörde könne die weitgehende Überschneidung eines potenziellen Eignungsgebietes mit den in der AAB-WEA festgelegten Abstandszonen um einzelne Vogelbrutplätze bereits für sich genom- men ein hohes Konfliktpotenzial und damit einen Ausschluss des betreffenden Gebietes be- gründen. Dies sei vor allem für das Gebiet Nr. 129 relevant. Die FEW Wardow GmbH plädiert für eine Wiederaufnahme des ursprünglich geplanten Eig- nungsgebietes Nr. 124 in den RREP-Entwurf und geht in diesem Zusammenhang auf allge- meine Fragen des Klimaschutzes und des Vogelschutzes ein (vgl. auch die in den Abschnitten 4.1 und 8) wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Zu kritisieren ist aus Sicht der Einwenderin die Berücksichtigung von Brutplätzen der Milane bei der RREP-Fortschrei- bung. Der Schutz dieser Vögel sei nicht Sache der Raumordnung. Trotz dem massiven Aus- bau der Windenergienutzung habe die Milanpopulation in den letzten 20 Jahren landes- und bundesweit um 20-40% zugenommen. Zu berücksichtigen sei auch die Tatsache, dass in jeder Saison mehr als die Hälfte der Milane sich neue Brutplätze suche, welche nicht mit denen des Vorjahres identisch seien. Für die Milane lägen Ergebnisse langjähriger wissenschaftlicher Untersuchungen vor, welche klar belegten, dass der Betrieb von Windenergieanlagen keinerlei

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Auswirkungen auf die Populationsentwicklung hätte. Die Einwenderin legt hierzu eine Inter- netveröffentlichung der Energieagentur Nordrhein-Westfalen vor, in der über Erkenntnisse aus einem Rotmilan-Überwachungsprogramm auf der Paderborner Hochfläche berichtet wird. Im Naturschutzgesetz sei ebenso klar bestimmt, dass es im Prinzip um den Erhalt der Population und nicht um den Schutz des einzelnen Tieres gehe. Zudem habe der Planungsverband über- haupt nicht berücksichtigt, dass es in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Entwicklung kamera- und radargestützter Technologien zur Vogelerkennung gegeben habe. Solche neuen technischen Lösungen könnten – in Verbindung mit der bewährten Anlage von Ablenkungs- habitaten im Zuge notwendiger Kompensationsmaßnahmen – dafür sorgen, dass Greifvögel höchst wirkungsvoll geschützt werden, sodass in der Regionalplanung der Schutz von Greif- vogel-Brutrevieren nicht mehr als Grund für den Ausschluss potenzieller Windenergie-Eig- nungsgebiete gelten könne. Der BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V. lehnt die Festlegung von Windenergie-Vorrang- gebieten innerhalb der Vogelzugkorridore ab und spricht sich folglich gegen das Gebiet Nr. 123 aus. Zur Bedeutung der über dem Festland verlaufenden Vogelzugkorridore gibt der Verband einen Auszug aus dem dazu im Jahr 1996 für die Landesregierung erstellten Gutach- ten wieder. Demnach haben neben der Ostseeküste die großen Flusstalmoore eine besondere Bedeutung als Leitlinien für den Vogelzug. Sie seien für die Vögel im Überflug gut erkennbar, weil sie von Seen, Fließgewässern und größeren Grünlandflächen eingenommen werden. Die Argumentation des Planungsverbandes mit der sehr groben, modellhaften Abgrenzung der Vogelzugkorridore, die eine Heranziehung als randscharfes Abgrenzungskriterium in der Re- gionalplanung nicht zulassen würde, hält der Einwender für nicht sachgerecht. Im zugehörigen Datenblatt des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie sei für das Modell der Dichte des Vogelzuges eine Lagegenauigkeit von +/- 250 Metern angegeben. Dieser Unschär- febereich sei im Sinne des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips zugunsten des Zugvogelschut- zes auszulegen und rechtfertige keinesfalls eine planerische Abwägung des Vogelschutzes gegen die Belange der Windenergienutzung. Bezüglich der Rastgebiete der Wat- und Was- servögel sei die vom Planungsverband getroffene Kriterienauswahl nicht vollkommen nach- vollziehbar. Aus Sicht des Einwenders müssten zusätzlich zu den Rastgebieten der Stufe 4 auch diejenigen der Stufe 3 als Ausschlusskriterium herangezogen werden. Die Stufe 4 um- fasse außerordentlich hoch frequentierte Nahrungs- und Ruheflächen in Rastgebieten der Ka- tegorie A. Die Stufe 3 umfasse außerordentlich hoch frequentierte Flächen in Rastgebieten der Kategorie B sowie auch Flächen der Kategorie A, die nur hoch (aber nicht außerordentlich hoch) frequentiert sind. Da sowohl die Gebiete der Stufe 3 als auch diejenigen der Stufe 4 Flächen der Kategorie A umfassen, müssten beide als Ausschlussgebiete für die Windener- gienutzung gelten. Bei der Kategorie A handle es sich um „Gebiete, in denen regelmäßig die quantitativen Kriterien für international bedeutsame Vogelkonzentrationen um das Mehrfache überschritten oder durch Arten des Anhangs I der Vogelschutzrichtlinie erreicht oder über- schritten werden.“ Die im Umweltbericht vom November 2018 auf Seite 42 enthaltene Abbil- dung lasse erkennen, dass der Planungsverband nur die Daten der Rastgebiete „Land“ und „Gewässer“ herangezogen habe, wie sie im Kartenportal des Landesamtes für Umwelt, Natur- schutz und Geologie abrufbar sind. Nach Ansicht des Einwenders müssten jedoch zusätzlich die Schlafplätze der Kategorie A als Kriterium herangezogen werden. Folglich müsste dann im Umweltbericht auch das Rastgebiet mit dem Code 3.1.10 an der Autobahn 20 zwischen Dum- merstorf und Tessin als Ausschlussfläche kartografisch dargestellt werden. Grundsätzlich müssten, wenn man die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 4 (2) der Europäischen Vogelschutzrichtlinie ernst nehme, auch die Rastgebiete der Kategorie B in der Regionalpla- nung berücksichtigt werden. Dies seien Gebiete, in denen regelmäßig die quantitativen Krite- rien für international bedeutsame Vogelkonzentrationen erreicht oder überschritten werden. Der Verband hält es für erforderlich, das Kriteriensystem der Regionalplanung entsprechend anzupassen. Die BS Windertrag GmbH setzt sich für eine Wiederaufnahme der Gebiete Nr. 128, 133 und 134 in die RREP-Fortschreibung (vgl. hierzu die im Abschnitt 8) wiedergegebenen Ausführun-

151 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 gen derselben Einwenderin). Der Planungsverband habe die Streichung der fraglichen Ge- biete mit Belangen des Greifvogelschutzes begründet. Die diesbezüglich vorgenommene Kon- fliktbewertung beruhe jedoch auf fehlerhaften methodischen Ansätzen, sodass auch die auf dieser Grundlage vorgenommene Abwägung falsch sei. Die Einwenderin legt dazu eine gut- achterliche Stellungnahme des Instituts für Angewandte Ökosystemforschung aus Broderstorf vor, welche die vorgetragenen Einwände fachlich unterstützen soll. Die Kritik der Einwenderin bezieht sich im Wesentlichen auf die Kriterien der Greifvogeldichte und der Habitatausstattung, die vom Planungsverband zur Konfliktbewertung im Hinblick auf die Belange des Vogelschut- zes herangezogen wurden. Bei der Dichteberechnung müsse die Einbeziehung des Mäuse- bussards als sehr häufiger Art mit landesweit mehreren tausend Brutrevierpaaren zwangsläu- fig zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen. Auch habe der Planungsverband die vom Ingenieurbüro Günther im 2.000-Meter-Umkreis der potenziellen Eignungsgebiete erhobenen Daten in methodisch unzulässiger Weise vermengt mit den vom Landesamt für Umwelt, Na- turschutz und Geologie zusätzlich herangezogenen Daten der Adlerbrutplätze im 6.000-Meter- Umkreis. Die Verlässlichkeit beider Datenquellen sei fragwürdig. Konsistenz und Validität der vom Ingenieurbüro Günther erhobenen Daten seien aufgrund der geringen Untersu- chungstiefe und der geringen Anzahl der Begehungen anzuzweifeln. Den Ergebnissen sei le- diglich die Aussagekraft einer Stichprobe zuzumessen. Die Daten des Landesamtes stammten aus unterschiedlichen Erhebungsjahren und seien augenscheinlich für das Jahr 2016 nicht überprüft worden. Eine wissenschaftlich fundierte und methodisch einwandfreie Bewertung und Abwägung sei auf dieser Basis jedenfalls unmöglich. Ein methodischer Fehler hafte auch der Habitatbewertung an, welche rein quantitativ und ohne Rücksicht auf die ökologische Qua- lität der Lebensräume erfolgt sei. Auch dies müsse zwangsläufig zu einer Fehlgewichtung füh- ren. In der Zusammenführung der Bewertungskriterien hätten sich die aufgezeigten Fehler derart ausgewirkt, dass letztlich willkürliche Ergebnisse entstanden seien. Die so erzeugte Be- wertung habe offenkundig vor allem ein politisch gewolltes Ergebnis stützen sollen. Die Ein- wenderin empfiehlt, dass der Planungsverband die Prüfung und Bewertung der Artenschutz- belange den Genehmigungsbehörden überlassen möge. Eine Abwägung auf der Ebene der Raumordnung müsse nicht nur an der mangelnden Qualität der verfügbaren Daten scheitern, sie sei auch in Anbetracht der (vom Planungsverband bereits selbst erkannten) Dynamik des Naturgeschehens nicht sachgerecht. In den Darlegungen des Umweltberichtes vom Novem- ber 2018 glaubt die Einwenderin Widersprüche zu erkennen. Seine zu den Vorkommen des Rotmilans gewonnenen Erkenntnisse habe der Planungsverband dahingehend zusammenge- fasst, dass die Art in der Region Rostock offensichtlich flächendeckend vorkomme. Teilregio- nale Unterschiede seien im Ergebnis der 2016 durchgeführten Erhebung nicht auffällig gewor- den. In den weiteren Ausführungen werde jedoch behauptet, dass mit der vorgenommenen Streichung einiger ursprünglich geplanter Eignungsgebiete im Süden und Osten der Region das Konfliktpotenzial bezüglich der Lebensraumansprüche des Rotmilans erheblich gemindert würde. Tatsächlich wiesen die von der Einwenderin näher betrachteten Gebiete 128, 133 und 134 jedoch keine Überschneidungen mit den gemäß der AAB-WEA anzusetzenden 1.000- Meter-Abstandszonen um die Brutplätze des Rotmilans auf. Die vom Planungsverband nicht verworfenen, in den letzten Entwurf als Vorranggebiete übernommenen Gebiete seien dage- gen insgesamt zu einem Fünftel ihrer Fläche von diesen Abstandszonen überdeckt. Die Ein- wenderin sieht dies als Beleg für die Beliebigkeit an, mit der vom Planungsverband vorgebliche Belange des Artenschutzes herangezogen worden seien, um ein politisch gewolltes Planungs- ergebnis zu begründen. Diese Begründung sei dem Planungsverband offensichtlich miss- glückt. Der Planungsverband habe die von ihm bezüglich des Greifvogelschutzes vorgenom- mene Konfliktbewertung praktisch wie ein striktes Ausschlusskriterium angewandt und der Abwägung mit anderen Belangen in unzulässiger Weise entzogen. In planungsmethodischer Hinsicht handle es sich jedoch nicht um ein Ausschlusskriterium, sondern um einen öffentli- chen Belang, der sich nur im Ergebnis einer planerischen Abwägung gegen andere Belange durchsetzen könne. Zwar habe der Planungsverband seine Flächenauswahl als Ergebnis ei- ner „Gesamtabwägung“ bezeichnet, diese Abwägung jedoch tatsächlich gar nicht durchge- führt.

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Die von der BS Windertrag GmbH vorgelegte gutachterliche Stellungnahme des Instituts für Angewandte Ökosystemforschung setzt sich sehr eingehend mit den fachlichen und me- thodischen Aspekten der Artenschutzprüfung auseinander. Die vom Ingenieurbüro Günther im Jahr 2016 zur RREP-Fortschreibung durchgeführte Erhebung habe vollständig den üblichen Standards entsprochen. Grundsätzlich sei jedoch davon auszugehen, dass eine einjährige Er- hebung bei Arten mit hoher Brutplatzwechselrate, wie der Wiesenweihe, der Rohrweihe (bei Ackerbruten), dem Rotmilan, dem Baumfalken und dem Wanderfalken (bei Baumbruten), im- mer nur eine Momentaufnahme wiedergeben könne. In methodischer Hinsicht problematisch sei, dass im veröffentlichten Bericht des Ingenieurbüros Günther nicht klar unterschieden wurde zwischen den im Jahr 2016 selbst erhobenen Befunden und den zusätzlich vom Lan- desamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie übernommenen Daten. Letztere enthielten auch ältere Befunde und langjährig aufgegebene Brutplätze, für die ein nachwirkender Horstschutz gilt. Aufgrund des zeitlichen Verzuges zwischen der Erstellung des Gutachtens und der plane- rischen Abwägung könne dies ein methodisches Problem darstellen. Der für das Untersu- chungsgebiet Dehmen aufgeführte Brutplatz des Schwarzstorches sei zum Beispiel nachweis- lich seit 2009 nicht mehr besetzt, sodass ein Erlöschen des nachwirkenden Schutzes für das Jahr 2019 zu erwarten sei. Bei der Einschätzung der Brutplatztreue der untersuchten Vogel- arten habe das Ingenieurbüro Günther zum Teil tendenziöse oder absichtlich vage Formulie- rungen gewählt. Die behauptete „Brutwaldtreue“ entspreche beim Rotmilan in vielen Fällen nicht der Realität. In Gebieten mit Kleingehölzen und Gehölzinseln wechsle der Rotmilan häu- fig den Brutplatz, behalte jedoch das Revier bei. Die vom Planungsverband aufgrund der Er- hebung des Ingenieurbüros Günther vorgenommene Greifvogel-Dichteberechnung er- scheine auf den ersten Blick als sinnvoller Ansatz, um die „Tragfähigkeit“ des jeweiligen Landschaftsraumes als Lebensraum für Greifvögel zu ermitteln. Fragwürdig seien jedoch die Einbeziehung des Mäusebussards (für dessen Brutplätze in der AAB-WEA kein pauschaler Schutzabstand festgelegt ist) sowie die Außerachtlassung der Kollisionsgefährdung und der realen Habitatnutzung durch die einzelnen Arten. Methodisch unzulässig seien sowohl die ein- fache Addition von absoluten und relativen Zahlenwerten als auch die damit rechnerisch her- gestellte Abhängigkeit von Bewertungsindex und Flächengröße. Nach Auffassung des Gut- achters könnte das Berechnungsmodell des Planungsverbandes für eine sachgerechte Bewertung im Sinne der AAB-WEA nur dann herangezogen werden, wenn der Mäusebussard von der Berechnung ausgenommen würde und weitere Arten nur insoweit berücksichtigt wür- den, wie sie eine erhöhte Kollisionsgefährdung aufweisen. Den auf diese Weise ermittelten Ergebnissen würde jedoch nach wie vor die maßgebende Referenzgröße fehlen, anhand derer die artenschutzrechtliche Zulässigkeit der Windenergienutzung zu bewerten wäre. Die vom Planungsverband zusätzlich vorgenommene Bewertung der Habitateigenschaften der Un- tersuchungsgebiete hält der Gutachter für zu pauschal, um daraus zuverlässige Rückschlüsse auf die tatsächliche Raumnutzung der planungsrelevanten Arten ziehen zu können. Die im Umweltbericht vom November 2018 hierzu wiedergegebene Tabelle 8 enthalte mathematisch fehlerhafte Additionen. Der reine Flächenanteil bestimmter Habitattypen sei im Hinblick auf das Untersuchungsziel nicht aussagekräftig. Der Planungsverband hätte bei den Wäldern zu- mindest nach Altersklassen und beim Grünland nach der Intensität der Bewirtschaftung unter- scheiden müssen. Viele Grünlandflächen wiesen aufgrund der Intensität der Bewirtschaftung keine Eignung als Nahrungsfläche für Greifvögel auf. Die begrenzte Aussagekraft seiner Be- wertungsansätze habe der Planungsverband offensichtlich selbst erkannt und im Umweltbe- richt zutreffend beschrieben. Dennoch würden bei der Gesamtbewertung der Untersu- chungsgebiete weitreichende Konsequenzen für die Flächenauswahl daraus abgeleitet. Die generelle Einschätzung, dass der Osten und der Süden der Planungsregion eine vergleichs- weise hohe Bedeutung als Greifvogellebensraum hätten, beruhe auf einem Zirkelschluss: Zu- nächst stelle der Planungsverband fest, dass die ermittelten Greifvogel-Dichtewerte keine ein- deutigen Schlüsse zuließen – in der Zusammenschau mit der Habitatbewertung jedoch ein durchaus schlüssiges Bild ergäben. Dann werde das Gleiche für die Habitatbewertung in Zu- sammenschau mit den Dichtewerten festgestellt. Die Gesamtbewertung gemäß Tabelle 9 des Umweltberichtes sei im Übrigen nicht nachvollziehbar und zum Teil methodisch falsch. Es sei nirgends erläutert, wie die vorher ermittelten Zahlenwerte in verbale Kriterien überführt worden

153 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sind. Es sei eine Mehrfachbewertung untereinander abhängiger Größen vorgenommen wor- den. Als Bezugsraum sei der 6.000-Meter-Umkreis gewählt worden, obwohl die Dichteberech- nung nur für den 2.000-Meter-Umkreis exakt erfolgt sei. Die angegebenen Überschneidungen mit Ausschlussgebieten der AAB-WEA seien aus den Unterlagen nicht im Einzelnen nachzu- vollziehen. Brutplätze des Rotmilans dürften hier kaum maßgebend sein, weil der Planungs- verband in seinen Ausführungen vorher selbst festgestellt habe, dass die diesbezüglichen Ab- standskriterien in der Regionalplanung nicht sinnvoll anwendbar seien. Diese Feststellung könne aus gutachterlicher Sicht bestätigt werden. Für die drei von der BS Windertrag GmbH zur Wiederaufnahme in die RREP-Fortschreibung vorgeschlagenen Gebiete Nr. 128, 133 und 134 legt der Gutachter Datenblätter vor, auf denen die im Untersuchungsbericht des Ingeni- eurbüros Günther aufgeführten Großvogelvorkommen den Ergebnissen weiterer Erhebungen gegenübergestellt sind, welche in privatem Auftrag während der letzten Jahre durchgeführt worden sind. Die Zusammenstellung zeige, wie stark zum Beispiel beim Rotmilan der Bestand innerhalb weniger Jahre schwanken könne. Auch die Lage der Horste variiere erheblich. Es werde deutlich, dass für Rotmilan, Schwarzmilan und Mäusebussard auf der Ebene der Raum- ordnung keine verlässlichen Schlussfolgerungen aus einjährig erhobenen Daten abgeleitet werden könnten. Der Planungsverband könne die vorgelegte Zusammenstellung der Daten mehrerer Jahre für eine nochmalige Überprüfung der drei fraglichen Gebiete Nr. 128, 133 und 134 heranziehen. Die im Umweltbericht vom November 2018 vorgenommene Bewertung spiegle die reale Gefährdung von Greifvögeln in den drei Gebieten nicht wieder. Der Aus- schluss dieser Gebiete sei offensichtlich willkürlich erfolgt. Das Regionalbüro Rostock des BUND M-V sieht aus Gründen des Klimaschutzes einen weiteren Ausbau der Windenergienutzung als notwendig an. Die Veränderung des Klimas stelle auch für die heimischen Arten und Lebensräume ein zunehmendes Risiko dar. Die Schä- den und massiven Veränderungen, die zum Beispiel durch lange Trockenperioden wie im Sommer 2018 im Naturhaushalt entstehen würden, müssten gegen die punktuellen Umwelt- auswirkungen der Windenergieanlagen abgewogen werden. Dies müsse auch beim Schutz von seltenen Arten wie dem Schreiadler gelten: Dem Risiko, dass einzelne Tiere an Windener- gieanlagen zu Tode kommen, müsse der positive Beitrag dieser Anlagen zum Klimaschutz und damit zur Erhaltung der Lebensräume einheimischer Arten entgegengestellt werden. Kon- krete Anforderungen des Naturschutzes müssten beim Ausbau der Windenergienutzung so- weit wie möglich berücksichtigt werden. Ungestörte Lebensräume für Vögel und Fledermäuse müssten in einem ausreichenden Umfang freigehalten werden, um die regionalen Bestände der betreffenden Arten nicht zu beeinträchtigen. In der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 habe der Planungsverband jedoch das Konfliktpotenzial der untersuchten Eig- nungsgebiete bezüglich der Belange des Vogelschutzes zum Teil überbewertet. Die Bewer- tung und die daraufhin getroffene Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen seien insgesamt nicht konsistent. Das Regionalbüro fordert die Wiederaufnahme der aus Vogel- schutzgründen verworfenen Gebiete Nr. 124, 126, 128 und 133 in die RREP-Fortschreibung (vgl. hierzu auch die Im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders zu den betreffenden Gebieten). Der BWE-Landesverband M-V stellt fest, dass Mecklenburg-Vorpommern über ausgedehnte Naturräume mit teilweise idealen Lebensbedingungen für geschützte Tierarten verfüge, was beim Ausgleich verschiedener Raumnutzungsansprüche eine besondere Verantwortung mit sich bringe. Die bei der Auswahl von Windenergie-Eignungsgebieten angewandte Methodik, mit der zum Schutz bestimmter Vogelarten sämtliche Nistplätze mit pauschalen Abstandszo- nen versehen und ausgeschlossen werden, hält der Verband jedoch für unverhältnismäßig und rechtlich fragwürdig. Dies ergebe sich schon aus der Diskrepanz zwischen regelmäßiger Geltungsdauer der Raumentwicklungsprogramme und der Dauer des nachwirkenden Schut- zes der Brutstätten, wenn diese von den Vögeln aufgegeben werden. So ende der Schutz für den Weißstorch zum Beispiel fünf Jahre nach Aufgabe des Brutrevieres. Somit treffe die Re- gionalplanung Festlegungen aufgrund von Tatsachen, über deren Fortbestehen im Planungs- zeitraum sie keinerlei Gewissheit habe, denn es sei objektiv nicht vorhersehbar, ob die betref- fenden Vögel ihre Reviere in den nächsten Jahren aufgeben oder beibehalten würden. Zwar

154 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 möge es der Regionalplanung durchaus zustehen, bei fehlender Gewissheit ihre Festlegungen aufgrund von Prognosen zu treffen. Dies setze aber voraus, dass die Prognose sich auf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit stützen könne. Für das Brutplatzwahlverhalten der betreffen- den Vögel gebe es jedoch keine Anhaltspunkte, die eine Prognose mit hinreichender Wahr- scheinlichkeit begründen könnten. Brutreviere würden regelmäßig aufgegeben, und neue Re- viere würden begründet. Der Einwender bezweifelt, dass eine Planung, die auf derart ungesicherten Annahmen beruhe, den gesetzlichen Anforderungen an eine abschließende Abwägung genügen könne. Die Regionalplanung nehme in Kauf, dass für die Windenergie- nutzung potenziell geeignete Flächen aufgrund solcher ungesicherten Annahmen pauschal aus der Planung herausfallen. Die vom Bundesverwaltungsgericht gestellte Anforderung, dass der Windenergienutzung im Außenbereich in einem substanziellen Umfang Raum zu schaffen sei, dürfte nach Einschätzung des Einwenders mit dieser Vorgehensweise nicht zu erfüllen sein. Grundlegende Zweifel an der Anwendung brutplatzbezogener Ausschlusskriterien seien auch bezüglich der artspezifischen Gefährdung der betreffenden Vögel durch Windenergiean- lagen angebracht. Die meisten Arten seien nur während der Brutperiode anwesend und zögen für die Wintermonate in den Süden. Der Schreiadler sei zum Beispiel nur von April bis Sep- tember in Mecklenburg-Vorpommern anzutreffen. Auch in der Brutsaison sei eine Gefährdung nur am Tage gegeben. Wenn Windenergieanlagen während der Brutzeit tagsüber abgeschal- tet würden, könnten sie auch in der Nähe der Brutplätze geschützter Vögel betrieben werden, ohne dass es zu einer wesentlichen Erhöhung des Schlagrisikos kommen würde. Von stehen- den Windenergieanlagen gehe kein höheres Risiko aus als von anderen Bauwerken oder von Bäumen. Die im Genehmigungsrecht grundsätzlich gegebene Option, das Schlagrisiko für ge- schützte Tiere durch Auflage angemessener Abschaltzeiten zu mindern, werde von der Regi- onalplanung ausgehebelt, wenn die potenziellen Standorte von vornherein anhand pauschaler Abstandskriterien ausgeschlossen würden. Die Regionalplanung dürfe jedoch solche Möglich- keiten der Risikominderung nicht einfach außer Betracht lassen, sondern müsse es den ange- henden Windparkbetreibern überlassen, darüber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten selbst zu entscheiden. Der Einwender plädiert deshalb dafür, die Prüfung artenschutzrechtli- cher Belange vollständig den Genehmigungsbehörden zu überlassen, die später über die Zu- lassung von Windenergieanlagen innerhalb der Vorranggebiete entscheiden. In den Geneh- migungsverfahren könnten die örtlichen Umstände besser berücksichtigt werden, und zugleich würde die Möglichkeit eröffnet, neue Ansätze der Vermeidung und Minderung von Schlagrisi- ken zur praktischen Anwendung zu bringen. Der Einwender verweist dazu auf eine aktuelle Veröffentlichung des Bundesamtes für Naturschutz, in der zum Beispiel Ablenkfütterungen und bedarfsgesteuerte Abschaltungen als wirksame Maßnahmen beschrieben werden. Für letz- tere Option seien sowohl kamera- als auch radargestützte Systeme am Markt erhältlich. Die Zweckmäßigkeit solcher Maßnahmen müsse in jedem Einzelfall nach genauerer Untersu- chung beurteilt werden. Insbesondere die bevorzugten Flugkorridore und Nahrungshabitate müssten dafür genauer ermittelt werden, was auf der abstrakten Ebene der Regionalplanung gar nicht zu leisten sei. Auch eine wirksame Erfolgskontrolle unter Einbeziehung der Natur- schutzbehörde könne auf der Genehmigungsebene sichergestellt werden. Wie die pauschalen Abstandskriterien des Artenschutzes sei auch die Einhaltung eines pauschalen Schutzabstan- des von 500 Metern um die Europäischen Vogelschutzgebiete als rechtlich fragwürdig anzu- sehen. Dieser Abstand könne allenfalls als Restriktionskriterium in Frage kommen. Bei der Abwägung der Belange des Artenschutzes müsse grundsätzlich berücksichtigt werden, dass die Bestände geschützter Arten in Mecklenburg-Vorpommern tendenziell zunähmen. Der dadurch bedingten Zunahme potenzieller Konflikte könne durch die genannten Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen entgegengewirkt werden. Ein effektiver Artenschutz und die Nut- zung der Windenergie ließen sich auf diese Weise miteinander in Einklang bringen. Das der- zeit angewandte Kriteriensystem der Regionalplanung mit seinen pauschalen Ausschlussge- bieten räume den genannten Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen dagegen überhaupt keine Bewährungsmöglichkeit ein. Des weiteren geht der Einwender auf die Voraussetzungen artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigungen gemäß § 45 des Bundesnaturschutzgeset- zes ein: Die für Mecklenburg-Vorpommern maßgebende Artenschutzrechtliche Arbeits- und

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Beurteilungshilfe gehe von der Regelannahme aus, dass ein Vorhaben innerhalb eines fest- gelegten Eignungsgebietes im Fall eines Konfliktes mit dem Artenschutzrecht nicht auf Alter- nativstandorte in anderen Eignungsgebieten verwiesen werden könne. Dies könne jedoch keine bloße Regelannahme sein. Vielmehr werde die gesetzlich geforderte Alternativenprü- fung bereits mit der regionalplanerischen Abwägung über die Festlegung der Eignungsgebiete abschließend durchgeführt. Wenn diese Gebiete förmlich festgelegt sind, sei deren Ausnut- zung im rechtlichen Sinne alternativlos. Dies ergebe sich aus dem rechtlichen Gebot, dass der Windenergienutzung im Planungsraum „in substanzieller Weise Raum geschaffen“ werden müsse (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.2 wiedergegebenen Ausführungen desselben Ein- wenders). Von den im § 45 des Bundesnaturschutzgesetzes aufgeführten Voraussetzungen für eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung seien bei Vorhaben innerhalb von Eig- nungsgebieten somit nur noch die Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Population und eventuell weitergehende Anforderungen der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie zu prüfen. Bei der Festlegung der Eignungsgebiete müsse die Regionalplanung alle Rauman- sprüche gerecht gegeneinander abwägen und zum Ausgleich bringen. Die verschiedenen Schutzgüter seien dabei entsprechend ihrer Wertigkeit unterschiedlich zu gewichten. Dem Schutz der Menschen, der in der Planung mit pauschalen Schutzabständen zu den Wohnorten gewährleistet werde, komme dabei regelmäßig ein höheres Gewicht zu als dem individuenbe- zogenen Artenschutz. Um dem Geltungsanspruch förmlich festgelegter Eignungs- und Vor- ranggebiete gerecht zu werden, sei bei Konflikten mit dem Artenschutzrecht stets eine popu- lationsbezogene Betrachtung vorzunehmen, wie sie als Ausnahmevoraussetzung im § 45 des Bundesnaturschutzgesetzes vorgesehen sei. Die Wind-Projekt GmbH äußert sich gleichlautend wie der BWE. Die Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“ aus Gülzow-Prüzen bemängelt, dass die in einer aktuellen Veröffentlichung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt beschriebenen Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Insekten gänzlich unberücksichtigt geblieben seien. Eine Bestandsreduzierung bei den Insekten beschleunige nicht nur das Ar- tensterben, sondern wirke sich über die Nahrungsketten auch auf weitere Tierarten aus. Der Rückgang der natürlichen Bestäubung beeinträchtige auch die Landwirtschaft. Von einem sig- nifikant erhöhten Tötungsrisiko im Sinne der deutschen Rechtsprechung sei bereits dann aus- zugehen, wenn Tiere einer besonders geschützten Art in der Umgebung eines Windparks vor- kommen und wenn zu erwarten sei, dass einzelne Exemplare in dessen Gefahrenbereich geraten könnten. Generell müssten zu den Lebensstätten der Großvögel größere Schutz- und Prüfabstände eingehalten werden, wie sie von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogel- schutzwarten (sog. Helgoländer Papier) empfohlen werden. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ kritisiert, dass die gesamte RREP-Fortschreibung einseitig an den Interessen der Windenergiewirtschaft ausge- richtet sei. Wo sich Konflikte zwischen Windenergienutzung und Naturschutz abzeichneten, unterlaufe der Planungsverband die eigenen Fachgremien und ignoriere allgemein anerkannte Empfehlungen wie das sogenannte Helgoländer Papier. Die Einwenderin fordert, dass solche fachlich anerkannten Empfehlungen in die RREP-Fortschreibung einbezogen und die Ab- standszonen um Vogellebensräume entsprechend erweitert werden. Die Gemeinde Gülzow-Prüzen nimmt zum Gebiet Nr. 71 Stellung und bemängelt in diesem Zusammenhang, dass der Planungsverband den Beitrag der Windenergieanlagen zum Insek- tensterben nicht beschrieben und bewertet habe. Auch die Gemeinde Plaaz kritisiert die unterlassene Bewertung möglicher Auswirkungen auf Insekten. Die Gemeinde verweist dazu auf jüngste Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, die erstmalig einen Zusammenhang zwischen dem Betrieb von Windenergie- anlagen und der Tötung von Insekten nahgewiesen hätten.

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5.7.3 Zusammengefasste Abwägung: Die zum Teil sehr ausführlichen Stellungnahmen zu den Artenschutzbelangen machen den Stellenwert deutlich, den diese Belange in der öffentlichen Diskussion um die Windenergienut- zung in den letzten Jahren erhalten haben. Mit der Frage, inwieweit eine Abwägung zwischen den Belangen des Artenschutzes und des Klimaschutzes erfolgen müsse, hat sich der Planungsverband bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 auseinander- gesetzt. Der Planungsverband bleibt diesbezüglich bei seiner Auffassung, dass eine solche Abwägung dort ihre Grenzen haben muss, wo der Bestandserhalt bestimmter Arten in Frage steht. Der Rückgang der natürlichen Artenvielfalt ist in globaler Perspektive ein ebenso drän- gendes Problem wie der Klimawandel, sodass der Artenschutz nicht hinter den Klimaschutz zurückgestellt werden darf. In gleichem Maße gilt dies für die Belange des vorsorgenden Im- missionsschutzes, denen ein Einwender grundsätzlich Vorrang gegenüber dem besonderen Artenschutz eingeräumt wissen möchte. Der Planungsverband hält einen solchen Vorrang nicht für gerechtfertigt. Bezüglich der in einigen Stellungnahmen aufgeworfenen Frage, inwieweit der Artenschutz auf das einzelne Brutvorkommen Bezug nehmen muss, teilt der Planungsverband die Skepsis, die von einzelnen Einwendern gegenüber diesem Schutzkonzept zum Ausdruck ge- bracht wird. Der Planungsverband hat im Umweltbericht vom November 2018 eine Einschät- zung vorgenommen, bei welchen Arten die Berücksichtigung des einzelnen Brutvorkommens aufgrund der Seltenheit der Vorkommen und der Beständigkeit der Brutplatzwahl sinnvoll sein kann, und bei welchen anderen Arten dagegen die ubiquitäre Verbreitung oder die hohe Vari- abilität der Raumnutzung einen solchen Ansatz methodisch und fachlich fragwürdig erschei- nen lassen. Diese Einschätzung wird im Ergebnis der abschließenden Abwägung beibehalten. Aus den eingegangenen Stellungnahmen ergeben sich keine Tatsachen, die diese Einschät- zung in Frage stellen würden. Die rein formale Kritik der Naturschutzbehörden und des NABU, dass damit von einschlägigen fachlichen Empfehlungen abgewichen wird, vermag daran nichts zu ändern. Der Planungsverband geht davon aus, dass die betreffenden Empfehlungen in den nächsten Jahren entsprechend weiterentwickelt werden müssen. Mögliche Ansätze für eine habitat- und populationsbezogene Bewertung über die Ermittlung sogenannter Dichte- zentren hat der NABU selbst aufgezeigt. Mit dem § 38 des Bundesnaturschutzgesetztes wäre eine rechtliche Grundlage für solche Ansätze vorhanden. Soweit der Artenschutz bei seltenen Arten am einzelnen Brutvorkommen ansetzen soll, müs- sen die fachlichen Empfehlungen dahingehend weiterentwickelt werden, dass ein allgemeiner Maßstab der Signifikanz für die Bewertung des Tötungsrisikos gebildet wird. Dass es da- ran bislang fehlt, lässt der Einwand des NABU zur Berücksichtigung der Schreiadler erkennen. Der NABU verweist auf Telemetriestudien, die einen Ausschlussradius von sechs Kilometern um die Brutplätze dieser Art begründen würden. Kartografische Auswertungen solcher Studien über Brutreviere in der Region Rostock, die dem Planungsverband im Rahmen der RREP- Fortschreibung vorgelegt wurden, belegen tatsächlich einen entsprechenden Aktionsradius der Tiere – lassen aber gleichzeitig erkennen, dass sich die überwiegende Mehrzahl der Flüge innerhalb eines 3-Kilometer-Umkreises bewegt, was dem bei der RREP-Fortschreibung vor- sorglich angewandten Schutzabstand entspricht. Offenkundig fehlt es hier an einer allgemein- verbindlichen Übereinkunft, welches Gefährdungspotenzial als normal und noch vertretbar an- gesehen werden kann, und ab welcher Dichte und Häufigkeit von Überflügen ein im rechtlichen Sinne signifikant erhöhtes Schlagrisiko angenommen werden muss. Der Planungsverband sieht, wie bereits in den Entwurfsdokumenten vom November 2018 dargelegt, ein derart er- höhtes Risiko allenfalls dann als gegeben an, wenn Windenergieanlagen in täglich oder na- hezu täglich genutzten Flugkorridoren errichtet werden. Der NABU scheint die Signifikanz- schwelle deutlich niedriger anzusetzen, macht dazu jedoch keine näheren Ausführungen. An einem einheitlichen Verständnis fehlt es offensichtlich auch bezüglich des Referenzni- veaus für die Risikobewertung. Dies wird ebenfalls aus der Stellungnahme des NABU deut- lich. Der NABU kritisiert, dass in Mecklenburg-Vorpommern ein Schutzabstand von 2.000 Me- tern um die Brutplätze des Seeadlers eingehalten wird, während die Empfehlungen der LAG-

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VSW 3.000 Meter vorsehen. Würde man von einer strikt auf das einzelne Brutvorkommen bezogenen Risikoabschätzung ausgehen, wäre dem NABU in seiner Kritik wohl Recht zu ge- ben. Es ist tatsächlich nicht ersichtlich, warum ein Seeadler in Mecklenburg-Vorpommern ei- nem höheren Schlagrisiko ausgesetzt werden dürfte als in anderen Teilen Deutschlands. Geht man dagegen von der hohen Populationsdichte des Seeadlers in Mecklenburg-Vorpommern aus, könnte man argumentieren, dass für diese Art schon aufgrund der Anzahl und Dichte der Flugbewegungen ein hohes gebietsbezogenes Allgemeinrisiko des Vogelschlags an Wind- energieanlagen, Leitungen oder Verkehrswegen besteht, sodass auch die artenschutzrechtli- che Signifikanzschwelle entsprechend höher anzusetzen wäre. Der Planungsverband möchte sich in dieser Frage nicht festlegen, weist aber nochmals darauf hin, dass eine strikte Anwen- dung der LAG-VSW-Empfehlungen, wie sie vom NABU und anderen Einwendern angeregt wird, zu einem faktischen Ausschluss der Windenergienutzung in der Region Rostock führen würde. Der NABU stellt dazu die rhetorische Frage, was denn schlimm daran wäre, wenn der größte Teil eines Planungsraumes allein durch artenschutzrechtliche Verbote für die Wind- energienutzung gesperrt würde. „Schlimm“ wäre dies nicht – es würde nur mit dem rechtlichen Gebot kollidieren, dass in jedem Planungsraum der Windenergienutzung substanziell Raum gegeben werden muss. Es würde ebenfalls dem von der Rechtsprechung formulierten Grund- satz zuwiderlaufen, dass der gesetzliche Schutz einzelner Vorkommen wildlebender Tiere in der Praxis nicht zu einem unverhältnismäßigen Planungshindernis ausarten darf. An einem einheitlichen Bewertungsmaßstab fehlt es auch bei der Frage, unter welchen Vo- raussetzungen der Verlust eines einzelnen Vogels als populationsrelevant angesehen werden kann. Der Planungsverband hat im Umweltbericht vom November 2018 hierfür einen selbst gesetzten, groben Orientierungsmaßstab angegeben, um seine eigene Einschätzung zur Zulässigkeit artenschutzrechtlicher Ausnahmen für die Planungsbeteiligten nachvollzieh- bar zu machen. Die Naturschutzbehörden kritisieren dies als eigenmächtige Vorwegnahme einer Prüfung, die dem Planungsverband nicht zustehe. Der Planungsverband hält nach noch- maliger Prüfung an seinen Ausführungen fest. Von den Naturschutzbehörden werden keine anderen Maßstäbe angegeben, auf die sich der Planungsverband alternativ beziehen könnte. Gerade bei häufigen und räumlich wechselhaften Vögeln wie Rotmilan und Mäusebussard ist jederzeit damit zu rechnen, dass sie sich auch innerhalb der festgelegten Vorranggebiete an- siedeln. Eine planerische Voreinschätzung der Zulässigkeit von artenschutzrechtlichen Aus- nahmen ist für solche Fälle unabdingbar. Die Ausnahmeprüfung nach § 45 des Bundesnatur- schutzgesetzes wird damit nicht vorweggenommen – gleichwohl soll der RREP-Begründung in dieser Hinsicht eine ermessensleitende Wirkung zukommen. Bezüglich der von verschiedenen Einwendern kritisierten unterschiedlichen Behandlung von Störchen und Greifvögeln bei der Anwendung pauschaler Schutzabstände bleibt der Planungsverband bei seiner bisherigen Abwägung. Bezüglich der Schwarzstörche ist die Frage, ob den Abstandszonen eine Ausschluss- oder nur eine Restriktionswirkung zukommen soll, gleichgültig, weil diese Art in der Region Rostock nicht mehr heimisch ist. Bezüglich der Weißstörche ist sie weitgehend gleichgültig, weil die Brutplätze sich meist in Ortschaften be- finden, wo die Abstandszonen des Artenschutzes sich mit denen um die Wohnhäuser decken. Dem Planungsverband ist bekannt, dass dem Weißstorch in der Fachliteratur zum Teil ein hohes artspezifisches Kollisionsrisiko zugeschrieben wird. Auch die Vermutungen des NABU über eine mögliche Gewöhnung der Vögel und ein nachlassendes Meidungsverhalten gegen- über Windenergieanlagen mögen zutreffen. Dessen ungeachtet rechtfertigen die starken Po- pulationsschwankungen der letzten Jahre aus Sicht des Planungsverbandes eine Einstufung der Schutzabstände als Restriktionskriterium. Eine Unterschreitung des empfohlenen 1.000- Meter-Abstandes tritt bei lediglich zweien der festgelegten Vorranggebiete auf. In einem dieser Fälle ist dem Planungsverband bekannt, dass der Brutplatz zwischenzeitlich aufgegeben wurde. Bezüglich der Brutplätze des Wanderfalken hatte sich der Planungsverband gegen die Anwendung eines pauschalen Schutzabstandes entschieden, weil diese Art nicht brutplatztreu ist. Für die Flächenauswahl der Vorranggebiete ist dies ohne Belang. In der Umgebung dieser Gebiete sind keine Vorkommen des Wanderfalken bekannt.

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Bei einigen Greifvögeln ist die Frage von Bedeutung, ob für die Bemessung der Schutzab- stände der einzelne Nistplatz oder ein Brutrevier mit mehreren Wechselhorsten maßge- bend sein muss. Für den Schreiadler liegt eine Abgrenzung der Brutwälder vor, sodass eine methodisch konsistente Bemessung der Schutzabstände möglich ist. Für den Seeadler sieht die AAB-WEA vor, dass jeweils auf den aktuell (und in der Regel mehrjährig) genutzten Horst Bezug zu nehmen ist. Allerdings ist bekannt, dass die Seeadler innerhalb ihrer Brutreviere wechselnde Horstbäume nutzen, sodass der Bezugspunkt für die Abstandsbemessung im Pla- nungszeitraum des RREP nicht immer konstant bleiben wird. Dies gilt erst Recht für den Ge- nehmigungs- und Betriebszeitraum einer Windenergieanlage, der in der Regel mehr als zwan- zig Jahre umfasst. Der Planungsverband hat diesem Umstand im Entwurf vom November 2018 damit Rechnung getragen, dass keine randscharfe Abgrenzung von Vorranggebieten anhand der 2.000-Meter-Abstandszonen um die Brutplätze vorgenommen wurde, sondern die jeweils nächste topografisch fassbare und beschreibbare Grenze gewählt wurde. Damit sind die vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bemerkten marginalen Überschnei- dungen der Vorranggebiete mit den Abstandszonen zu erklären. Der Planungsverband hatte diese Vorgehensweise bereits im Umweltbericht vom November 2018 erläutert. Zukünftig wä- ren allerdings für den Seeadler die naturschutzfachlichen Empfehlungen dahingehend weiter- zuentwickeln, dass bei der Abstandsbemessung auf einheitlich abgegrenzte Brutreviere und nicht auf einzelne Nistplätze Bezug genommen wird. Die methodischen Grenzen des nistplatz- bezogenen Schutzkonzeptes werden beim Rotmilan deutlich. Nach Kenntnis des Planungs- verbandes, die durch mehrere Einwender bestätigt wird, sind bei dieser Art sehr häufige, mit- unter jährliche Brutplatzwechsel zu beobachten. Jede Brutplatzerfassung kann demnach nur eine Momentaufnahme darstellen, die als Grundlage für längerfristige Planungs- und Geneh- migungsentscheidungen ungeeignet ist – zumindest insoweit ungeeignet, wie am einzelnen Nistplatz ein exakter Schutzabstand abgemessen werden soll, welcher dann unmittelbar pla- nungs- oder genehmigungsrelevant sein soll. Der Planungsverband geht davon aus, dass die- ses offensichtlich ungeeignete Schutzkonzept, wie es in den Empfehlungen der LAG-VSW und in der AAB-WEA derzeit noch enthalten ist, keinen Bestand haben wird und in den nächsten Jahren durch einen anderen methodischen Ansatz ersetzt werden muss, der dem spezifischen Raumnutzungsverhalten des Rotmilans besser gerecht wird. Der NABU geht von einer grund- sätzlichen Reviertreue des Rotmilans aus, macht aber keine Ausführungen zur Größe und Typik solcher Reviere, die es dem Planungsverband erlauben würden, weitere methodische Überlegungen zu dieser Frage anzustellen. Der Planungsverband nimmt aufgrund der ihm vorliegenden Bestandsdaten an, dass die Region Rostock nahezu flächendeckend von Brut- revieren des Rotmilans überzogen ist, sodass vermutlich jedes revierbezogene Schutzkonzept in Verbindung mit den derzeit maßgebenden Abstandsempfehlungen sich selbst aufheben würde, weil letztlich überall in der Region eine potenzielle Betroffenheit des Rotmilans erkannt werden müsste. Vor diesem Hintergrund erkennt der Planungsverband ein flächendeckend hohes Allgemeinrisiko des Rotmilans in der Region Rostock. Ein gegenüber diesem Allge- meinrisiko wiederum signifikant erhöhtes Risiko wäre insbesondere in bevorzugten Nahrungs- habitaten anzunehmen, wo unabhängig von der saisonalen Verteilung einzelner Brutplätze immer mit einer erhöhten Frequentierung durch Rotmilane zu rechnen ist. Diese Bewertung wurde bereits im Umweltbericht vom November 2018 dargelegt. Nach Auswertung der Stel- lungnahmen und nochmaliger Abwägung hält der Planungsverband an dieser Bewertung fest. Sehr unterschiedliche Auffassungen der verschiedenen Einwender kommen in der Frage zum Ausdruck, welche Artenschutzbelange von der Regionalplanung berücksichtigt werden sollten und welche erst später bei der Genehmigung der Windenergieanlagen zu prüfen wären. Der Planungsverband neigt der Auffassung des NABU zu, dass alle großräumig und langjährig wirksamen Belange des Artenschutzes auf der Ebene der Regionalplanung mög- lichst abschließend untersucht und berücksichtigt werden sollten. Dies entspricht dem im Um- welt- und Planungsrecht verankerten Grundsatz der sinnvollen „Abschichtung“ von Prüfungs- inhalten. Im Sinne eines vernünftigen Einsatzes öffentlicher und privater Ressourcen wäre es kaum zu rechtfertigen, wenn auf der Planungsebene wesentliche Belange zunächst ausge-

159 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 blendet würden, um sie dann in einem späteren Verfahren nachträglich zu untersuchen – ob- wohl die nötigen Informationen bereits auf der Planungsebene vorlagen oder mit geringem Aufwand hätten ermittelt werden können. Der vom BWE und weiteren Einwendern vorge- brachte Einwand, dass durch die relativ pauschale, am Prinzip der Vorsorge orientierte Ar- beitsweise der Regionalplanung Flächen ausgeschlossen würden, die unter bestimmten Auf- lagen und Vorkehrungen später vielleicht doch nutzbar wären, trifft zwar zu – er trifft jedoch auf alle anderen Kriterien und Belange, die von der Regionalplanung berücksichtigt werden, ebenso zu. Das gesamte Planungskonzept folgt dem Prinzip der Vorsorge und soll zu einer eng begrenzten Auswahl besonders geeigneter Flächen führen, die ohne wesentliche Aufla- gen und Einschränkungen für Windenergieanlagen genutzt werden können. Auch aus rechtli- chen Gründen wäre ein Ausblenden der Artenschutzbelange nicht vertretbar. In der Recht- sprechung der Verwaltungsgerichte hat sich der Grundsatz verfestigt, dass die Beschränkung der Windenergienutzung auf bestimmte Eignungsgebiete nur dann wirksam ist, wenn sich diese Nutzung innerhalb der Eignungsgebiete tatsächlich durchsetzen kann. Dies setzt zwin- gend voraus, dass alle flächenwirksamen Belange bereits auf der Planungsebene sehr weit- gehend geprüft und berücksichtigt werden. Die Anregung des NABU, dass für die Artenschutzprüfung auf der Ebene der Regionalplanung die Vorkommen relevanter Vogelarten im gesamten Planungsraum flächendeckend er- fasst werden sollten, ist nachvollziehbar. Für populationsbezogene Betrachtungen wäre eine umfassende Erhebung tatsächlich wünschenswert. Im Rahmen der RREP-Fortschreibung standen hierfür jedoch keine Mittel zur Verfügung. Die in der Region Rostock durchgeführte selektive Erhebung in bestimmten Untersuchungsgebieten war jedoch für eine Bewertung des Konfliktpotenzials dieser ausgewählten Gebiete und die artenschutzrechtliche Beurteilung der letztlich festgelegten Vorranggebiete vollkommen ausreichend. Von der BS Windertrag GmbH wird die aus ihrer Sicht mangelnde Genauigkeit der zur RREP- Fortschreibung durchgeführten Großvogelerhebung kritisiert. Der von der Einwenderin selbst beauftragte Fachgutachter vom Institut für Angewandte Ökosystemforschung stellt da- gegen fest, dass das Erhebungsprogramm des Ingenieurbüros Günther dem üblichen Stan- dard entspreche. Zutreffend ist, dass in Absprache mit der Naturschutzbehörde des Landkrei- ses und dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie ein Untersuchungsprogramm gewählt wurde, dass mit geringstmöglichem Aufwand durchführbar war – allerdings unter der Maßgabe, dass ein vollständiges und verlässliches Bild des saisonalen Brutgeschehens ent- stehen sollte. Diese Maßgabe wurde nach Auffassung des Planungsverbandes und der Na- turschutzbehörden erfüllt. Dem Planungsverband ist gleichwohl bekannt, dass die von privater Seite im Hinblick auf spätere Genehmigungsverfahren veranlassten Untersuchungen zum Teil mit größerem zeitlichen Aufwand durchgeführt werden und dann sicherlich auch eine noch etwas höhere Erfassungsgenauigkeit erreichen. Die Einwenderin führt dies als Argument an, warum die Beurteilung der Artenschutzbelange besser den Genehmigungsbehörden überlas- sen werden sollte. Der Planungsverband kann dieser Argumentation nicht folgen. Bei einer räumlich wechselhaften Art wie dem Rotmilan, welcher nach den Prüfmaßstäben der AAB- WEA die weitaus größten Auswirkungen auf die Nutzbarkeit der untersuchten Eignungsge- biete hätte, führt eine möglichst genaue und womöglich mehrjährige Erfassung eben nicht zu einem genaueren Abbild des Naturgeschehens. Sie führt nur wiederum zu der – bereits ge- wonnenen – Erkenntnis, dass der Rotmilan ein wechselhafter Vogel ist und dass sich aus der exakten Verortung einzelner Nistplätze allein keine sinnvollen artenschutzfachlichen Maßga- ben für den gesamten Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung oder gar für die gesamte Betriebszeit eines Windparks ableiten lassen. Der von der BS Windertrag GmbH beauftragte Gutachter vom Institut für Angewandte Öko- systemforschung bemängelt in seiner Stellungnahme, dass er anhand der veröffentlichten Un- terlagen nicht habe nachvollziehen können, wie mit den vom Landesamt für Umwelt, Natur- schutz und Geologie übernommenen Daten der Adlerbrutplätze umgegangen wurde. Es trifft tatsächlich zu, dass der veröffentlichte Untersuchungsbericht des Ingenieurbüros Günther den Lesern keine eindeutige Differenzierung zwischen den vom Gutachter selbst im Jahr 2016

160 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 erhobenen und den aus externer Quelle übernommenen Daten erlaubte. Der Geschäftsstelle des Planungsverbandes lagen hierzu differenziertere Daten vor, die gemäß Abstimmung mit den Naturschutzbehörden nicht veröffentlicht werden sollten. In der vom Planungsverband selbst vorgenommenen Auswertung, wie sie im Umweltbericht vom November 2018 dokumen- tiert wurde, sind die unterschiedlichen Bezugsjahre der Daten berücksichtigt worden. Eine me- thodisch unzulässige Vermischung von Daten aus ein- und mehrjährigen Erhebungen ist nicht erfolgt. Eine Einwenderin stellt ausdrücklich die Frage, wer die vom Ingenieurbüro Günther durch- geführte Greifvogelerhebung bezahlt habe. Diese Erhebung wurde von der Landesregie- rung bezahlt. Der Auftragnehmer wurde in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden ausge- wählt. Der Bericht des Gutachters enthält keinerlei planerische Empfehlungen, welche die Abwägung des Planungsverbandes hätten beeinflussen können. Er beschränkt sich auf eine reine Bestandsaufnahme. Wiederum auf die Frage nach einem einheitlichen Signifikanzkriterium führt die Kritik des NABU am Umgang mit Artenschutzanforderungen bei bestehenden Windparks. Der Pla- nungsverband hatte die langjährige Existenz von Brutplätzen vermeintlich schlaggefährdeter Vögel in der Nähe bestehender Windparks als Indiz dafür gewertet, dass den empfohlenen Schutzabständen der AAB-WEA wohl eine Vorsorgefunktion zukommen könne, dass diese Abstände aber kaum als strikte Maßgabe für die Auslegung der artenschutzrechtlichen Ver- bote herangezogen werden könnten. Der NABU hält dem entgegen, die betreffenden Vögel hätten vielleicht bloß Glück gehabt. Bei der Bestimmung eines im rechtlichen Sinne noch tole- rierbaren Gefährdungsniveaus hilft diese Bemerkung nicht weiter. Auf demselben Argumenta- tionsniveau könnte man Berichten über Schlagopfer mit der Bemerkung begegnen, die betref- fenden Vögel hätten vielleicht bloß Pech gehabt. Der Planungsverband bleibt bei seiner Auffassung, dass ein bloßer Vorsorgeabstand nicht zwingend die nachträgliche Aufhebung eines festgelegten und langjährig genutzten Eignungsgebietes begründen kann. Mehrere Einwender fordern, dass der Planungsverband auch die Auswirkungen der Wind- energienutzung auf die Insektenwelt hätte untersuchen und bewerten müssen. Der Pla- nungsverband weist darauf hin, dass sich die Untersuchung solcher Auswirkungen noch im Stadium der Grundlagenforschung befindet. Weder gibt es bisher gesicherte Erkenntnisse dar- über, welchen Anteil Windenergieanlagen an der erkennbaren Dezimierung der Insektenpo- pulationen haben, noch gibt es nach Kenntnis des Planungsverbandes geeignete Methoden, anhand derer solche Wirkungen auf der Planungsebene abgeschätzt und bewertet werden könnten. Es ist nicht Aufgabe des Planungsverbandes, eine entsprechende Grundlagenfor- schung und Methodenentwicklung selbst durchzuführen. Einzelne Einwender kritisieren die vom Planungsverband bezüglich des Artenschutzes vorgenommene Konfliktbewertung. Die von der BS Windertrag GmbH geäußerte Vermu- tung, dass einem eigentlich politisch motivierten Bestreben zur Reduzierung der Flächenaus- wahl lediglich der Anschein einer fachlichen Begründung gegeben werden sollte, trifft nicht zu. Zutreffend ist, dass in den Gremien des Planungsverbandes unterschiedliche Standpunkte vertreten wurden, wobei ein Teil der gewählten Verbandsvertreter tendenziell dem Natur- und Landschaftsschutz ein höheres Gewicht in der Abwägung geben wollte, während andere die Erfordernisse des Klimaschutzes vorrangig berücksichtigt wissen wollten und dabei mehr Kompromisse beim Artenschutz für erforderlich hielten. Beide Standpunkte sind mit guten Gründen planerisch vertretbar. Es handelte sich dabei nicht um eine „politische“ Diskussion in dem Sinne, dass die Verbandsvertreter das Für und Wider einzelner Eignungsgebiete an einer von ihnen wahrgenommenen politischen Stimmungslage festgemacht hätten – vielmehr wurde darüber diskutiert, in welchem Umfang man sich im Interesse des Klimaschutzes über Beden- ken und Einwände der Naturschutzbehörden hinwegsetzen sollte. Dies ist ein ganz normaler Vorgang der planerischen Abwägung.

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Die Kritik an der Methodik der vom Planungsverband vorgenommenen artenschutzfach- lichen Bewertung entzündet sich vorwiegend an der pauschalierenden, vom einzelnen Brut- vorkommen weitgehend abgelösten Interpretation der gewonnenen Erhebungsergebnisse. Der Planungsverband ist bei seiner Bewertung von der Hypothese ausgegangen, dass insbe- sondere der Süden und Osten der Planungsregion wegen der geringen Siedlungs- und Infra- strukturdichte und des hohen Anteils naturnaher und störungsarmer Landschaftsräume noch relativ gute Lebensbedingungen für die Mehrzahl der relevanten Großvogelarten aufweisen. Diese Hypothese gründet sich auf die Verbreitungsschwerpunkte der Leitarten Seeadler und Schreiadler, die in den entsprechenden Kartendarstellungen im Abschnitt 8.7 des Umweltbe- richtes unmittelbar anschaulich werden. Der Planungsverband ist sich der Tatsache bewusst, dass nicht alle relevanten Arten das glei- che Verbreitungsmuster aufweisen. Um zu prüfen, ob neben der Verbreitung der oben ge- nannten Leitarten auch das Vorkommen weiterer Greifvögel auf eine besondere Bedeutung der störungsarmen Räume als Vogellebensräume hinweist, hat der Planungsverband den pau- schalierenden Bewertungsansatz der Brutplatzdichte gewählt. Die Naturschutzbehörden haben im Zuge der im Jahr 2017 erfolgten Abstimmungen diesen Bewertungsansatz für sach- gerecht befunden. Auch der von der BS Windertrag GmbH beauftragte Gutachter vom Institut für Angewandte Ökosystemforschung erkennt an, dass dieser Ansatz prinzipiell geeignet er- scheine, die „Tragfähigkeit“ eines Landschaftsraumes für Greifvögel zu ermitteln. Der Gutach- ter kritisiert jedoch, dass mit dem Mäusebussard ein relativ häufig vorkommender Vogel in die Bewertung einbezogen wurde. Der Planungsverband hätte seine Berechnung auf die seltene- ren Arten beschränken müssen, für die in der AAB-WEA großflächige Abstandszonen vorge- schrieben werden. Diesem Einwand wird nicht gefolgt. In der sogenannten PROGRESS-Stu- die zur Kollision von Greifvögeln mit Windenergieanlagen, die im Jahr 2016 veröffentlicht wurde, ist der Mäusebussard als potenziell kritische Art identifiziert worden, was sich seither auch in der Beurteilungspraxis der Naturschutzbehörden niedergeschlagen hat. In Einzelfällen wurden die Brutplätze dieser Vögel in der Region Rostock bereits genehmigungsrelevant. Es erschien deshalb sinnvoll und sachgerecht, diese Art in die Dichteberechnung einzubeziehen. Der Gutachter vom Institut für Angewandte Ökosystemforschung kritisiert weiterhin, dass im Umweltbericht vom November 2018 bei der Berechnung der Greifvogeldichte eine mathema- tisch unzulässige Addition von absoluten und relativen Größen vorgenommen wurde. Der Pla- nungsverband hatte in dieser Fassung des Umweltberichtes bereits selbst auf die Inkonsistenz hingewiesen und sie für die Gesamtbewertung als unbeachtlich bezeichnet. Die absoluten Größenunterschiede zwischen den erweiterten Untersuchungsgebieten (6-Kilometer-Um- kreise) sind so gering, dass es keinen Unterschied macht, ob die vorhandenen Adlerbrutplätze in absoluten Zahlen oder (wie es methodisch korrekt wäre) als relative, flächenbezogene Werte wiedergegeben werden. Das Bewertungsergebnis ändert sich dadurch nicht. Der vom Planungsverband gewählte Bewertungsansatz der Habitatausstattung wird eben- fall von der BS Windertrag GmbH und dem von ihr beauftragten Gutachter als zu undifferen- ziert kritisiert. Dieser Kritik könnte gefolgt werden, wenn der Planungsverband sich in seiner Abwägung allein auf diesen Bewertungsansatz gestützt hätte. Für eine ausschließlich auf vor- handenen Landschaftsdaten beruhende Abschätzung des Lebensraumpotenzials der Unter- suchungsgebiete wäre eine genauere Betrachtung der Biotoptypen tatsächlich sinnvoll gewe- sen. Eine solche Vorgehensweise hatte der Planungsverband bereits selbst erwogen. Letztlich wurde jedoch in Absprache mit den Naturschutzbehörden einer gezielten Erhebung der Brut- vorkommen windkraftsensibler Großvögel der Vorzug gegeben, weil diese gegenüber einer bloßen Potenzialabschätzung als verlässlicher angesehen wurde. Die pauschale Ermittlung der Flächenanteile von Wäldern, Gewässern und Grünland ist geeignet, um ergänzend zur durchgeführten Brutplatzerhebung eine grobe Einschätzung des Habitatpotenzials vorzuneh- men. In der Kombination mit dem Bewertungsansatz der Brutplatzdichte ist die Aussagekraft der Daten für eine Abwägung auf der Maßstabsebene der Regionalplanung vollkommen aus- reichend. Der Grad der Pauschalierung und Generalisierung ist hier nicht höher als bei ande- ren Schutzgütern und Belangen, die im Rahmen der planerischen Abwägung betrachtet und berücksichtigt wurden. Die im Umweltbericht vom November 2018 wiedergegebene Tabelle 8

162 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 soll nach Darlegung des Gutachters Werte enthalten, die auf mathematisch unzulässigen Ad- ditionen beruhen. Der Planungsverband hat die angegebenen Werte nochmals überprüft und keine fehlerhaften Operationen darin finden können. Grünland, Seen und Wälder können ei- nander definitionsgemäß nicht überlagern; die entsprechenden Flächenanteile können somit durchaus addiert werden. Zutreffend ist die Bemerkung des Gutachters vom Institut für Angewandte Ökosystemfor- schung, dass der Bewertung des Planungsverbandes kein objektiver Maßstab eines ar- tenschutzrechtlich vertretbaren Kollisionsrisikos zugrunde liegt. Dem Planungsverband ging es gar nicht darum, einen vorab definierten Bewertungsmaßstab an die untersuchten Eig- nungsgebiete anzulegen. Die Schwierigkeit, einen solchen Maßstab überhaupt zu bilden oder aus den einschlägigen Vorschriften herzuleiten, ist oben schon dargelegt. Es ging vielmehr darum, den zahlreichen Einwänden der Naturschutzbehörden und -verbände bezüglich der befürchteten Risiken für die Vogelwelt größtmöglich Rechnung zu tragen – zugleich jedoch im Ergebnis der Windenergienutzung substanziell Raum zu geben. Die Bewertung ist insoweit objektiv erfolgt als der Planungsverband sich in seiner Abwägung von den Stellungnahmen einzelner Einwender zu einzelnen Eignungsgebieten gelöst hat. Dies war notwendig, weil die Inhalte der früher eingegangenen Stellungnahmen – wie bereits in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 ausgeführt wurde – offensichtlich stärker von der spezifischen Orts- und Artkenntnis einzelner Personen als von den tatsächlichen Naturgegebenheiten geprägt waren. Anstelle dieser subjektiv geprägten Einwände wurden objektiv und einheitlich erhobene Daten der vorhandenen Brutplätze und der Habitatausstattung in den Untersuchungsgebieten her- angezogen. Für die Unterscheidung von Eignungsgebieten mit eher durchschnittlichem und solchen mit eher hohem Konfliktrisiko gab es dann jedoch tatsächlich keinen objektiven, von außen vorgegebenen oder vorab festgelegten Maßstab. Diese Unterscheidung ist das Ergeb- nis einer planerischen Abwägung. Dieser Abwägung sind eingehende fachliche Erörterungen mit den Naturschutzbehörden vorausgegangen. Der Planungsverband hält eine solche Abwä- gung für sachgerecht und zulässig. Die Kritik der BS Windertrag GmbH und des von ihr beauf- tragten Gutachters wäre nur dann berechtigt, wenn es sich bei der Festlegung von Windener- gie-Vorranggebieten um eine gebundene Entscheidung handelte – in dem Sinne, dass sämtliche Potenzialflächen, die nach den Prüfmaßstäben des Artenschutzrechts nutzbar wä- ren, zwingend als Vorranggebiete für Windenergieanlagen festzulegen wären. Einer derarti- gen Bindung unterliegt zwar die Genehmigung von Windenergieanlagen innerhalb festgelegter Vorranggebiete, nicht jedoch die Festlegung der Vorranggebiete selbst. Die Einwender argu- mentieren somit aus der Perspektive von Projektentwicklern, denen die Genehmigung für ei- nen Windpark vermeintlich rechtswidrig versagt wurde. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um eine im rechtlichen Sinne richtige oder falsche Entscheidung, sondern um die sach- gerechte Ausfüllung eines planerischen Abwägungsspielraumes. Dieser Spielraum hätte seine Grenzen dort, wo die Ebene der sachbezogenen Abwägung verlassen und willkürlich nach politischer Stimmungslage oder aus anderen sachfremden Gesichtspunkten entschieden würde. Die Abwägung würde ebenfalls an ihre Grenzen gelangen, wenn im Ergebnis kein sub- stanzielles Flächenangebot für die Windenergienutzung mehr herauskäme. Beides ist vorlie- gend nicht der Fall. In sich unlogisch ist vor diesem Hintergrund die Kritik der BS Windertrag GmbH, dass der Planungsverband die Artenschutzbelange der planerischen Abwägung entzogen hätte, indem er seine Entscheidungen am Maßstab einer methodisch einheitlichen Konfliktbewertung ausgerichtet hat. Die Kritik ist unlogisch, weil dieselbe Einwenderin zugleich bemängelt, dass die Artenschutzbelange überhaupt zum Gegenstand der Abwägung gemacht wurden. Der Pla- nungsverband versteht die Anwendung einheitlicher Kriterien und Maßstäbe als ein Hilfsmittel, um sicherzustellen, dass gleichartige Fälle im Wesentlichen gleich behandelt werden und um die Abwägung für alle Beteiligten nachvollziehbar zu machen. Die Kriterien und Maßstäbe sind somit selbst Mittel und Gegenstand der planerischen Abwägung. Kritikwürdig wäre eine solche Vorgehensweise nur dann, wenn sie in reinen Schematismus ausarten und wichtige Beson- derheiten der betrachteten Einzelfälle in gröblicher Vereinfachung übergehen würde. Dies kann der Planungsverband vorliegend nicht erkennen.

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An der Gesamtbewertung des Konfliktpotenzials der untersuchten Eignungsgebiete kriti- siert der Gutachter vom Institut für Angewandte Ökosystemforschung, dass eine Mehrfachbe- rücksichtigung untereinander abhängiger Größen erfolge. Der Planungsverband kann dies nicht erkennen. Die Dichte der Greifvogelvorkommen in einem Untersuchungsraum, das Vor- kommen von Schreiadlern und die Überschneidung potenzieller Eignungsflächen mit den Ab- standszonen der AAB-WEA sind keine direkt voneinander abhängigen Größen. Ebenso wird kritisiert, dass der Planungsverband die Interpretation seiner Berechnungen auf einen Zirkel- schluss gründe. Zu den ermittelten Werten der Greifvogeldichte und des Anteils bestimmter Habitattypen führe der Planungsverband in seinem Umweltbericht aus, dass diese – jeweils für sich genommen – mit Vorsicht zu interpretieren seien. Zu jedem der beiden Kriterien werde dann das jeweils andere als Zusatzargument herangezogen, um die vom Planungsverband selbst als unsicher eingeschätzte Schlussfolgerung zu erhärten. Aus Sicht des Planungsver- bandes handelt es sich hier nicht um einen Zirkelschluss. Sowohl die Greifvogeldichte als auch die Habitatausstattung werden als Indizien herangezogen, um die Ausgangshypothese zu überprüfen, wonach die peripheren, störungsarmen Räume im Süden und Osten der Region eine vergleichsweise hohe Bedeutung für bestimmte Großvögel haben. Wenn zwei Indizien – eine erhöhte Greifvogeldichte und eine überdurchschnittlich reiche Habitatausstattung – auf denselben Tatbestand hindeuten, ist die Vermutung begründet, dass dieser Tatbestand wirk- lich gegeben ist. Wenn zum Beispiel um Krakow am See besonders viele Seeadler leben und der Flächenanteil von Seen und Wäldern besonders hoch ist, deuten beide Indizien zusammen darauf hin, dass hier ein dauerhaft ausgeprägter Verbreitungsschwerpunkt des Seeadlers liegt. Bezüglich der Vorkommen des Rotmilans hat der Planungsverband im Umweltbericht vom November 2018 dargelegt, dass die im Jahr 2016 durchgeführte Erhebung keine ausgepräg- ten Verbreitungsschwerpunkte in den Untersuchungsgebieten erkennen ließ. Zugleich wurde eingeschätzt, dass mit der Streichung bestimmter Eignungsgebiete aufgrund der vorgenom- menen Konfliktbewertung auch den Belangen des Rotmilanschutzes Rechnung getragen werde. Der Gutachter vom Institut für Angewandte Ökosystemforschung glaubt hierin einen Widerspruch zu erkennen. Recht zu geben ist dem Einwender insoweit, als der Annahme des Planungsverbandes kein Berechnungsmodell zugrunde liegt, mit dem aus der Größe der regi- onalen Population, deren räumlicher Verteilung und einschlägigen Totfundstatistiken schlüssig abgeleitet werden könnte, wieviele Windenergieanlagen in welcher räumlichen Konstellation aufgestellt werden dürften, ohne dass die Zahl der Schlagopfer eine populationsrelevante Größe annimmt. Eine solche Berechnung wäre tatsächlich erforderlich gewesen, hätte der Planungsverband seine Konfliktbewertung mit einer artenschutzrechtlich zwingenden Begrün- dung versehen wollen. Dies ist jedoch, wie oben dargelegt, nicht der Fall und nicht erforderlich. Nach Abwägung aller vorgebrachten Einwände bleibt der Planungsverband bei der im Um- weltbericht vom November 2018 dargelegten Bewertung der Vogelschutzbelange, die sich nicht allein auf eine Momentaufnahme des Brutgeschehens, sondern ergänzend auf zeitunab- hängige Kriterien stützt. Damit werden insbesondere solche Flächen, die noch relativ reiche Vorkommen geschützter Vögel aufweisen, vorsorglich von Windenergieanlagen freigehalten. Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass die meisten der relevanten Arten keine aus- gesprochenen Kulturfolger sind, sondern eher in störungsarmen, extensiv genutzten und vom Menschen weniger frequentierten Landschaftsräumen gute Lebensbedingungen vorfinden. Dass nicht alle relevanten Arten in diesen Räumen ihre Verbreitungsschwerpunkte haben, spricht nicht gegen diesen Ansatz. Sowohl die Naturschutzbehörde des Landkreises als auch die BS Windertrag GmbH sprechen sich – mit unterschiedlicher Zielrichtung – dafür aus, die Überschneidung der untersuchten Eignungsgebiete mit den gemäß AAB-WEA empfohlenen Abstandszonen in der Gesamt- bewertung mit höherem Gewicht zu versehen. Die Naturschutzbehörde zielt dabei auf das Vorranggebiet Nr. 129 ab, das von der Abstandszone um einen im Jahr 2016 ermittelten Brut- platz des Rotmilans weitgehend überlagert wird, bei der Greifvogeldichte und der Habitataus- stattung jedoch nur durchschnittliche Werte aufweist. Der Planungsverband hat seine Vorbe- halte gegen eine schematische Anwendung von Abstandsrichtwerten auf die Brutplätze dieser

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Art ausführlich begründet und kommt auch nach nochmaliger Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis. Das Gebiet Nr. 129 umfasst keine bevorzugten Nahrungshabitate des Rotmilans. Die Festlegung als Vorranggebiet ist somit artenschutzfachlich und -rechtlich gut vertretbar. Die BS Windertrag GmbH führt aus, dass die vom Planungsverband verworfenen Gebiete Nr. 128, 133 und 134 keine Überschneidungen mit Rotmilan-Abstandszonen aufwiesen, wäh- rend einige zur Festlegung vorgesehene Vorranggebiete in durchaus erheblichem Umfang von solchen Abstandszonen überdeckt würden. Nach der im Jahr 2016 für die RREP-Fortschrei- bung durchgeführten Erhebung würden sich jedoch die Gebiete Nr. 128 und 133 sehr wohl zu erheblichen Teilen mit den 1.000-Meter-Abstandszonen um Rotmilanbrutplätze überschnei- den. Wenn die Einwenderin aufgrund eigener Erhebungen aus anderen Jahren zu einem an- deren Ergebnis kommt, so belegt dies wiederum nur die hohe Variabilität des Rotmilans bei der Brutplatzwahl, die aus Sicht des Planungsverbandes gegen – und nicht für – eine allzu hohe Gewichtung der Abstandsempfehlungen spricht. Zu einzelnen der betreffenden Gebiete legt die BS Windertrag GmbH Kartendarstellungen mit metergenau abgegrenzten Ausschluss- flächen vor, obwohl sie schon aus ihren eigenen Darlegungen hätte schließen müssen, dass die Wechselhaftigkeit des Naturgeschehens und der Momentcharakter jeglicher Datenauf- nahme solche scheinpräzisen Ableitungen gar nicht zulassen. Das Anliegen der Freihaltung ungestörter Lebensräume für die Vogelwelt wird auch durch die insbesondere vom BWE hervorgehobenen technischen Möglichkeiten zur Minderung des Kollisionsrisikos nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Der Planungsverband geht davon aus, dass Windenergieanlagen, dort wo sie stehen, in der Regel ohne wesentliche Einschränkun- gen dauerhaft betrieben werden sollten. Ein ständiges Anhalten und Wiederanfahren der An- lagen sollte vermieden werden. Somit erscheint es durchaus sinnvoll, Gebiete mit vergleichs- weise hoher Frequentierung durch windkraftsensible Vögel in der Planung vorsorglich auszuschließen und in den ausgewählten Vorranggebieten erforderlichenfalls die beschriebe- nen technischen Verfahren als ergänzende Maßnahme einzusetzen. Bezüglich der Freihaltung der Hauptkorridore des Vogelzuges bleibt der Planungsverband bei seiner bisherigen Abwägung. Potenzielle Eignungsgebiete, die innerhalb dieser Korridore eine ausgeprägte Barrierewirkung entfalten würden, sind nicht in die Entwürfe der RREP-Fort- schreibung aufgenommen worden. Insoweit werden diese Korridore wie ein faktisches Aus- schlusskriterium angewandt. In den Randbereichen wird dagegen bei ansonsten gegebener Eignung zugunsten der Windenergienutzung abgewogen. Eine Abwägung im umgekehrten Sinne, wie sie vom Landesverband des BUND angeregt wird, mag im Sinne einer größtmögli- chen Vorsorge begründet sein – der Planungsverband muss jedoch darauf achten, dass die Anwendung fachlich begründeter Ausschlusskriterien im Ergebnis nicht zu einer reinen Ver- hinderungsplanung führt. Die im Umweltbericht angeführten „Erfahrungen mit bestehenden Windparks“ beziehen sich nicht auf die Hauptkorridore, sondern auf die angrenzenden Gebiete mit mittlerer bis hoher Zugvogeldichte, das heißt die Zone B im landesweiten Modell der Dichte des Vogelzuges. Bezüglich der Rastgebiete der Wat- und Wasservögel folgt der Planungsverband den Emp- fehlungen der Landesregierung, die in der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie wiedergegeben sind. Die Anforderungen an die Freihaltung von Vogelrastgebieten sind mit der Neufassung dieser Empfehlungen im Jahr 2012 deutlich zurückgenommen worden, weil negative Auswirkungen von Windenergieanlagen auf das Zug- und Rastgeschehen offensichtlich nicht in dem Umfang beobachtet werden konnten, wie sie vor zwanzig Jahren noch befürchtet worden waren. Dem Planungsverband liegen keine neuen Erkenntnisse vor, die aus heutiger Sicht wieder eine Ausweitung der entsprechenden Ausschlussgebiete begründen würden. Wie bei den Abstandszonen um die Brutplätze von Großvögeln erkennt der Planungsverband an, dass auch bei den Vogelzuggebieten weitergehende Abstandsempfehlungen der LAG- VSW sowie die einschlägigen Vorgaben der AAB-WEA im Sinne einer größtmöglichen Vor- sorge ihre Berechtigung haben. Wie oben dargelegt können solche Abstandsempfehlungen jedoch nicht als unmittelbare Konkretisierung und Auslegung artenschutzrechtlicher Verbote angesehen werden. Im Gesamtkonzept der RREP-Fortschreibung muss sich die – im Prinzip

165 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 wünschenswerte – Anwendung größtmöglicher Vorsorgeabstände auch an der Anforderung messen, dass im Ergebnis der Planung in einem substanziellen Umfang Raum für die Wind- energienutzung zu schaffen ist. Sinngemäß gelten hierfür die gleichen Überlegungen, die im voranstehenden Abschnitt 5.6 zu möglichen Schutzabständen um die Europäischen Vogel- schutzgebiete wiedergegeben sind. An eine Abweichung von einschlägigen Abstandsempfeh- lungen können keine höheren Begründungsanforderungen gestellt werden als an die Empfeh- lungen selbst. Dem Einwand des NABU-Landesverbandes, dass bei der Berücksichtigung von Nahrungs- gewässern der Seeadler keine Mindestgröße gelten dürfe, wird nicht gefolgt. In der Regio- nalplanung ist eine solche Generalisierung der Prüfschemata schon aus Maßstabsgründen unumgänglich. Soweit es um die Prüfung in späteren Genehmigungsverfahren geht, erscheint dem Planungsverband die Annahme berechtigt, dass nur größere Gewässer mit einer gewis- sen Häufigkeit angeflogen werden, sodass hier die Anwendung einer Mindestgröße auch im Sinne einer Erheblichkeitsschwelle angemessen sein kann. Im Ergebnis der oben ausgeführten Überlegungen teilt der Planungsverband nicht die Befürch- tung des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt, dass die Zulassung artenschutz- rechtlicher Ausnahmen innerhalb der festgelegten Vorranggebiete später zum Regelfall wer- den könnte. Konflikte mit den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten können lediglich in Einzelfällen auftreten, wenn geschützte Vögel sich nach der Verbindlichkeit der RREP-Fort- schreibung innerhalb oder in unmittelbarer Nähe der Vorranggebiete ansiedeln.

5.8 Wälder und Gewässer

5.8.1 Eingegangene Stellungnahmen • Wasser- und Bodenverband „Hellbach - Conventer Niederung“, Kröpelin • Wasser- und Bodenverband „Warnow-Beke“, Jürgenshagen • Landesforst Mecklenburg-Vorpommern, Malchin • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • Wasser- und Bodenverband „Untere Warnow-Küste“, Rostock

5.8.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Der Wasser- und Bodenverband „Hellbach - Conventer Niederung“ weist auf erforderliche Abstände baulicher Anlagen zu Gewässern II. Ordnung hin, welche durch die Windenergie- Vorranggebiete verlaufen. Fundamente von Windenergieanlagen müssen einen Abstand von 10 Metern, bei offenen Fließgewässern zur Böschungsoberkante und bei verrohrten Gewäs- sern beiderseits der Rohrtrasse, einhalten. Für kleinere bauliche Anlagen und Zuwegungen gelten als Mindestabstände 5 Meter (zu Böschungen) bzw. 7 Meter (zu Rohrtrassen). Der Wasser- und Bodenverband „Untere Warnow-Küste“ verlangt sowohl bei offenen als auch bei verrohrten Gewässern II. Ordnung einen Schutzabstand von 7 Metern. Der Verband weist außerdem darauf hin, dass die Äcker in den Vorranggebieten drainiert sein können. Die Funktion der Drainageanlagen müsse nach der Errichtung von Windenergieanlagen in diesen Gebieten aufrechterhalten bleiben. Der Wasser- und Bodenverband „Warnow-Beke“ weist auf den besonderen Abstimmungs- bedarf bei der Planung von Windparks innerhalb der Vorranggebiete hin, da gerade im Gebiet des Verbandes „Warnow-Beke“ viele Gewässer verrohrt und damit nicht sichtbar sind. Ein- wände gegen die geplanten Vorranggebiete werden nicht erhoben.

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Die Landesforst Mecklenburg-Vorpommern stellt fest, dass sich innerhalb der Vorrangge- biete für Windenergieanlagen keine zusammenhängenden Waldgebiete über 10 Hektar Größe befinden. Für die kleineren Waldstücke in den Vorranggebieten gelten – unabhängig von ihrer Größe – der gesetzliche Schutz vor einer Überbauung sowie der gesetzliche Waldabstand von 30 Metern, welcher bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen einzuhalten ist. Weitergehende Auflagen zum Waldbrandschutz können in den Genehmigungsverfahren durch die unteren Forstbehörden erteilt werden. In Gebieten mit automatisierten Waldbrand- früherkennungssystemen ist vom Antragsteller nachzuweisen, dass diese durch die geplanten Windenergieanlagen nicht gestört werden. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern kritisiert, dass Waldstücke unter 10 Hektar Größe vom Planungsverband bei der Flächenauswahl außer Acht gelassen wurden. Eine solche Dif- ferenzierung nach der Flächengröße sei im Landeswaldgesetz nicht vorgesehen und in einem waldarmen Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern auch nicht angemessen. Grundsätz- lich müssten alle ökologisch wertvollen Lebensräume für die windenergiesensiblen Arten des Waldes erhalten bleiben. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, warum in den essenziellen Aus- schlusskriterien des RREP kein regelmäßiger Schutzabstand zu Waldgebieten enthalten ist. Unter Berücksichtigung des Rotordurchmessers einer Windenergieanlage entspreche schon der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand einer Entfernung von etwa 100 Metern zum Waldrand. Tatsächlich sei jedoch ein noch größerer Schutzabstand aus Gründen des Wald- brandschutzes geboten. Als maßgebendes Havarieszenario sei bei Windenergieanlagen der Absturz einer brennenden Gondel mit Rotor anzunehmen. Als angemessener Mindestabstand sei deshalb die übliche Gesamthöhe moderner Anlagen, also 250 Meter, anzusetzen. Das- selbe Abstandsmaß ergebe sich auch aus den Anforderungen des Artenschutzes, insbeson- dere des Schutzes der Fledermäuse. Dieser Abstandsrichtwert habe als Mindestanforderung für kleine Waldstücke zu gelten. Für Waldstücke ab 10 Hektar seien generell 500 Meter Schutzabstand anzusetzen. Auch bei den Binnengewässern bemängelt der Einwender die für die Regionalplanung gesetzte Relevanzschwelle von 10 Hektar Flächengröße. Die pauschale Außerachtlassung kleinerer Gewässer genüge weder den Anforderungen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie noch denen des Artenschutzes. Bezüglich der Fließgewässer hätten sowohl das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt als auch die Wasserbehörde des Landkreises in ihren früheren Stellungnahmen zu Recht auf das Erfordernis von Ausschluss- flächen entlang der Fließgewässer erster und zweiter Ordnung hingewiesen. Die Wasserrah- menrichtlinie sehe vor, dass bis zum Jahr 2027 die Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen sind. Dafür bedürfe es der Freihaltung von Gewässerentwicklungskorri- doren. Die Wasserbehörde habe diesbezüglich einen Mindestabstand von 10 Metern genannt. Der Einwender geht davon aus, dass die bundesweit bestehenden Defizite bei der ökologi- schen Gewässerentwicklung dem Planungsverband bekannt sein müssten. Es sei deshalb wichtig, dass die notwendigen Verbesserungen nicht durch Festlegungen der Regionalpla- nung behindert würden. Auch sei zu beachten, dass die Umgebung von Gewässern zu den bevorzugten Jagdrevieren der Fledermäuse gehöre. Angemessene Abstände seien deshalb schon aus Gründen des Artenschutzes erforderlich. Der Einwender regt an, dass für alle Standgewässer ab 1 Hektar Größe und für alle Fließgewässer erster Ordnung ein Mindestab- stand von 500 Metern als pauschales Ausschlusskriterium für die Festlegung der Windenergie- Vorranggebiete im RREP gelten sollte.

5.8.3 Zusammengefasste Abwägung Die vom NABU-Landesverband aufgeworfene Frage nach einem angemessenen Mindest- abstand der Windenergie-Vorranggebiete zu Wäldern und Gewässern ist grundsätzlich berechtigt. Sinngemäß gelten hierzu die weiter oben gemachten Ausführungen zu den vom NABU angeregten Schutzabständen um Vogelbrutplätze und Vogellebensräume. Die Anre- gungen mögen aus der fachlichen Sicht des Naturschutzes berechtigt sein, um einen größt- möglichen vorsorglichen Schutz – hier insbesondere der Fledermäuse – zu gewährleisten. Das Kriteriensystem zur Auswahl der Vorranggebiete kann jedoch nicht ausschließlich an den

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Anforderungen des Naturschutzes ausgerichtet werden. Der Planungsverband muss alle maß- gebenden Raumansprüche gegeneinander abwägen und im Ergebnis der Windenergienut- zung noch ausreichend Raum schaffen. Der Anregung des NABU kann somit nicht gefolgt werden. Die Lebensraumansprüche der Fledermäuse werden nach Maßgabe genauerer Un- tersuchungen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen berücksichtigt. Ebenfalls nicht gefolgt werden kann dem NABU bezüglich der Anregung, dass auch sehr kleine Waldstücke und Gewässer mit einem vorsorglichen Schutzabstand berücksichtigt werden sollen. Dies würde zu zusätzlichen Ausschlussflächen in einer Ausdehnung führen, die zur Größe der betreffenden Landschaftsteile und zum angestrebten Schutzzweck außer Verhältnis stünde. Schon aus Gründen der Maßstäblichkeit muss davon abgesehen werden, sämtliche Landschaftsstrukturen bei der Abgrenzung der Vorranggebiete zu berücksichtigen. Die im Rahmen der RREP-Fortschreibung untersuchten Eignungsgebiete sind von Feldgehöl- zen und Gewässern mehr oder weniger durchsetzt. Mit einer Berücksichtigung aller dieser Strukturen würden derart zerklüftete Gebiete entstehen, dass eine Darstellung im Maßstab der RREP-Grundkarte kaum noch möglich wäre. Die Hinweise auf den gesetzlichen Waldabstand werden zur Kenntnis genommen. Der Pla- nungsverband hat diesen Abstand bereits bei der letzten Überarbeitung des Entwurfes der RREP-Fortschreibung mit einem Pauschalwert bei der Abgrenzung der Vorranggebiete be- rücksichtigt. Bei kleineren Waldstücken ist die Einhaltung des gesetzlichen Abstandes im Rah- men der Anlagengenehmigung zu prüfen. Die Einhaltung notwendiger Abstände zu Gewässern sowie die Freihaltung der Entwick- lungskorridore der Fließgewässer sind ebenfalls bei der Anlagengenehmigung sicherzustellen. Fließgewässer erster Ordnung oder größere Stillgewässer sind innerhalb oder an den Grenzen der Vorranggebiete für Windenergieanlagen nicht vorhanden.

5.9 Trinkwasserschutzgebiete

5.9.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Tarnow, vertreten durch die SHP Rechtsanwälte aus Bad Doberan • ENO Energy GmbH, Rerik

5.9.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Bürger aus Tarnow mahnen mit Verweis auf die Lage des Vorranggebietes Nr. 71 in einem Trinkwasserschutzgebiet eine höhere Gewichtung des Trinkwasserschutzes bei der RREP- Fortschreibung an. Die Risiken der Windenergienutzung für das Grundwasser seien vom Pla- nungsverband in leichtfertiger Weise verkannt worden. Die ENO Energy GmbH wendet sich gegen die Herausnahme einer großen Teilfläche aus dem bisherigen Eignungsgebiet Nr. 113 (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Aus- führungen derselben Einwenderin). In den engeren Schutzzonen der Trinkwasserschutzge- biete seien Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen nicht prinzipiell ausgeschlossen, sondern könnten unter bestimmten Schutzvorkehrungen durchaus zugelassen werden. Die Gefahr des Austretens wassergefährdender Stoffe sei bei den hier regelmäßig eingesetzten Landmaschinen wesentlich größer als im geschlossenen System einer Windenergieanlage, welches gegen solche Havariefälle mehrfach gesichert sei. Dass die Errichtung von Windener- gieanlagen in Wasserschutzgebieten grundsätzlich möglich sei, belege auch die Stellung- nahme des Warnow-Wasser- und Abwasserverbandes zum ursprünglich geplanten Eignungs- gebiet Nr. 132, die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegeben wurde.

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5.9.3 Zusammengefasste Abwägung Der Schutz des Trinkwassers wird bei der RREP-Fortschreibung angemessen berücksich- tigt, indem die engeren Schutzzonen der Wasserschutzgebiete von der Windenergienutzung ausgeschlossen bleiben. Dies entspricht der Systematik abgestufter Schutzanforderungen, wie sie in den entsprechenden Schutzgebietsverordnungen vorgesehen ist. In den räumlich weit gefassten äußeren Schutzzonen der Wasserschutzgebiete ist die Windenergienutzung generell möglich. Die damit verbundenen Risiken für das Grundwasser sind nicht höher als bei anderen Nutzungen für Landwirtschafts-, Verkehrs- und Siedlungszwecke, die in den äu- ßeren Schutzzonen ebenfalls regelmäßig zulässig sind. Der Anregung der ENO Energy GmbH, auch die engeren Schutzzonen der Trinkwasser- schutzgebiete für die Windenergienutzung zu öffnen, wird nicht gefolgt. Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck von Vorranggebieten, dass Windenergieanlagen dort nur unter beson- deren Auflagen und Einschränkungen betrieben werden können. Der von der Einwenderin an- gestellte Vergleich mit dem Betrieb von Landmaschinen geht aus Sicht des Planungsverban- des an der Sache vorbei. Betankung, Befüllung und Ölwechsel an solchen Maschinen dürfen nach Kenntnis des Planungsverbandes nicht in der Trinkwasserschutzzone II durchgeführt werden; bei einer ortsfesten Windenergieanlage wäre jedoch genau dies erforderlich. Der Hin- weis der Einwenderin auf eine frühere Stellungnahme des Warnow-Wasser- und Abwasser- verbandes zum ehemals geplanten Gebiet Nr. 132 ist irreführend. Das (zwischenzeitlich ver- worfene) Gebiet Nr. 132 befand sich in der weiteren Schutzzone (Zone III) des Trinkwasserschutzgebietes Warnow.

5.10 Denkmalschutz

5.10.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürgerin aus Appelhagen (vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer, Kiel) • Landkreis Rostock, untere Denkmalbehörde • Architekturbüro Sunder-Plassmann, Münster/Boitin

5.10.2 Wesentliche Hinweise Eine Bürgerin aus Appelhagen, vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel, nimmt zum Vorranggebiet Nr. 127 Stellung und geht dabei auch allgemein auf die Belange des Denkmalschutzes ein (vgl. auch die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen der- selben Einwenderin). Unter anderem wird Bezug genommen auf eine frühere Stellungnahme des Tourismusverbandes Meckl. Seenplatte, die in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 wiedergegeben war. Der Verband hatte angeregt, die Tourismusschwerpunkt- räume gemäß den Empfehlungen der Landeregierung als striktes Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung anzuwenden und darüber hinaus – nach dem Vorbild des Regionalen Planungsverbandes Meckl. Seenplatte – ein zusätzliches Ausschlusskriterium „historische Kulturlandschaften“ in die RREP-Fortschreibung einzuführen. Der Planungsverband Region Rostock habe zu letzterer Anregung eine Abwägung vorgenommen, ohne vorher die eigene Region in dieser Hinsicht untersucht zu haben. Somit sei eine Abwägung ohne hinreichende Sachaufklärung erfolgt. Das Raumordnungsgesetz, das Bundesnaturschutzgesetz und das Landesraumentwicklungsprogramm schrieben den Schutz historischer Kulturlandschaften und Kulturdenkmale ausdrücklich vor. Der Planungsverband hätte sich demnach zwingend mit die- sem Belang auseinandersetzen und entsprechende Untersuchungen durchführen müssen. Die vom Planungsverband im Umweltbericht vom November 2018 getroffene Einschätzung, dass die historischen Gutsanlagen in der Region Rostock meist keinen visuellen Bezug in die umliegende Landschaft aufwiesen, sei falsch. Nach dem Denkmalschutzgesetz sei jedes

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Denkmal nicht nur in seiner Substanz, sondern auch in seinem Erscheinungsbild zu schützen, was einen Umgebungsschutz grundsätzlich einschließe. Wie weit dieser Umgebungsschutz reichen müsse, lasse sich nicht allgemeingültig, sondern nur anhand des konkreten Einzelfal- les entscheiden. Um bei der Auswahl der Windenergie-Vorranggebiete dem rechtlichen Gebot der umfassenden und abschließenden Abwägung gerecht zu werden, hätte sich der Planungs- verband mit den Belangen des Denkmalschutzes in jedem Einzelfall auseinandersetzen müs- sen. Die diesbezüglichen Darlegungen des Planungsverbandes in seinem Umweltbericht seien als schlichte Schutzbehauptungen zu werten. Der Bezug auf „überregional“ bedeutsame Kulturdenkmale sei weder rechtlich noch fachlich begründet, und eine dominierende Wirkung von Windenergieanlagen auf das Erscheinungsbild eines Denkmals könne nicht allein auf- grund einer gewissen Mindestentfernung ausgeschlossen werden. Die Denkmalbehörde des Landkreises Rostock äußert sich nochmals kritisch zur Festle- gung weiterer Vorranggebiete für Windenergieanlagen im RREP und bekräftigt ihre bereits zu früheren Entwürfen geäußerten Vorbehalte. Es seien negative Auswirkungen auf die regionale Kulturlandschaft zu erwarten. Die in den vergangenen Jahren errichteten Windparks ließen erkennen, dass Bau- und Bodendenkmale oft auch dann noch in ihrem Erscheinungsbild be- einträchtigt würden, wenn Abstände von mehreren Kilometern eingehalten wurden. Dies gelte insbesondere für Objekte, die als Landmarken weithin sichtbar sind, wie Kirchtürme, Wind- mühlen, Stadtsilhouetten und oberirdisch sichtbare Bodendenkmale – aber auch für sonstige Denkmale, die Sichtbeziehungen in die Umgebung aufweisen, wie zum Beispiel historische Parkanlagen. Die vom Planungsverband im Umweltbericht vom November 2018 getroffene Einschätzung, dass die historischen Gutsanlagen meist keinen visuellen Bezug zur freien Landschaft aufwiesen, sei falsch. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert seien zahlreiche Guts- besitzer bestrebt gewesen ihre Ländereien in gestaltete Landschaften zu verwandeln, um ihre herrschaftlichen Wohnsitze vorteilhaft ins Bild zu setzen und zugleich von ihren Anwesen weite Ausblicke in die Umgebung zu ermöglichen. Die Errichtung neuer Windparks werde in den betroffenen Räumen allgemein als Beeinträchtigung der Lebens- und Aufenthaltsqualität emp- funden und verringere damit auch die Chancen für den Erhalt und die sinnvolle Nutzung von Baudenkmalen. Zahlreiche Eigentümer von Gutshäusern, Bauernhöfen und anderen ländli- chen Anwesen hätten sich auf Angebote für einen „sanften“ Tourismus spezialisiert, deren Erfolg in hohem Maße von den Qualitäten des charakteristischen Landschaftsbildes abhänge. Auch auf die Bodendenkmale würde die Errichtung von Windenergieanlagen in den neuen bzw. neu abgegrenzten Vorranggebieten einen erheblichen Einfluss haben. Zum Umgebungs- schutz für die oberirdisch sichtbaren, unveränderlichen Bodendenkmale müsse ein Umkreis von 100 Metern von Windenergieanlagen freigehalten werden. Die im Umweltbericht vom No- vember 2018 gemachten Angaben zu den vorhandenen sichtbaren Bodendenkmalen seien lückenhaft. Die Einwenderin gibt hierzu ergänzende Hinweise (vgl. die im Abschnitt 8 zu ein- zelnen Vorranggebieten sowie im Abschnitt 12 zum Umweltbericht wiedergegebenen Hin- weise derselben Einwenderin). Im Übrigen werden nochmals allgemeine Hinweise zum Um- gang mit sonstigen, oberirdisch nicht sichtbaren Bodendenkmalen gegeben. Solche Bodendenkmale seien in fast allen Vorranggebieten bekannt oder ernsthaft zu vermuten. Zum Umgang mit diesen Denkmalen wird noch einmal auf die einschlägigen §§ 6, 7 und 11 des Denkmalschutzgesetztes Mecklenburg-Vorpommern verwiesen. Das Architekturbüro Sunder-Plassmann nimmt auf die Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 Bezug, in der zum Gebiet Nr. 71 die (negative) Stellungnahme des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege sowie die (positive) Stellungnahme einer Projektentwicklungs- gesellschaft wiedergegeben waren. Der Planungsverband habe völlig unreflektiert die Wün- sche der Projektentwicklungsgesellschaft aufgegriffen und den Schutz von Kulturgütern und Kulturlandschaft außer Acht gelassen. Eine diesbezügliche Bewertung hätte der Planungsver- band auch gar nicht selbst vornehmen dürfen. Diese unterliege der alleinigen Hoheit des Kul- tusministeriums, welches seine Entscheidung in Abstimmung mit der Landeskirche zu treffen habe. Der Planungsverband überschreite seine Kompetenzen, wenn er eine entsprechende Abwägung selbst vornehme. Sollte der Planungsverband an seiner Abwägung festhalten, sähe

170 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sich der Einwender veranlasst, den Schutz der Tarnower Dorfkirche und ihres Erscheinungs- bildes zu einem landesweiten Präzedenzfall zu machen.

5.10.3 Zusammengefasste Abwägung Zum Einwand, der Planungsverband habe den Schutz historischer Kulturlandschaften bei der RREP-Fortschreibung vernachlässigt, wird auf die oben im Abschnitt 5.6 enthaltenen Aus- führungen verwiesen. Die Bewertung der Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes im Gutacht- lichen Landschaftsrahmenplan, auf deren Grundlage wesentliche Teile der Region von der Windenergienutzung ausgenommen werden, berücksichtigt als schutzwürdige Elemente der Kulturlandschaft auch Zeugnisse der Baukultur wie Kirchtürme sowie in ihrer historischen An- sicht gut erhaltene Ortsränder und Silhouetten. Der Vorwurf, dass dieser Aspekt in der Planung unberücksichtigt geblieben wäre, trifft somit nicht zu. Bezüglich der vom Architekturbüro Sunder-Plassmann aufgeworfenen Frage, welche öffent- liche Stelle bei der RREP-Fortschreibung über die Belange des Denkmalschutzes zu entscheiden habe, weist der Planungsverband auf seine gesetzliche Zuständigkeit als Träger der Regionalplanung hin. Dem Einwender ist jedoch insoweit Recht zu geben als die fachliche und rechtliche Einschätzung der Denkmalbehörden eine maßgebende Entscheidungsgrund- lage für den Planungsverband bilden muss. Gegen die festgelegten Vorranggebiete für Wind- energieanlagen wurden keine denkmalrechtlichen Ablehnungsgründe durch die zuständigen Behörden vorgebracht. Der Planungsverband geht davon aus, dass die Schwelle einer erheb- lichen Beeinträchtigung im rechtlichen Sinne in keinem Fall überschritten wird. Strittige Einzel- fälle sind somit unter fachlichen Gesichtspunkten und nach Maßgabe einer planerischen Ab- wägung zu entscheiden. Zu dem vom Einwender angeführten Fall der Tarnower Dorfkirche wird auf die Ausführungen im Abschnitt 6 verwiesen. Bei der rechtlichen Beurteilung einer möglichen Beeinträchtigung von Denkmalen dürfen nach Auffassung des Planungsverbandes keine überzogenen Maßstäbe angelegt werden. Grundsätzlich kann für fast alle baulichen Zeugnisse früherer Zeitepochen festgestellt werden, dass ihre Umgebung durch spätere Neubauten sowie technische Anlagen und Infrastrukturen mehr oder weniger stark verändert wurde. Soweit es dem Planungsverband bekannt ist, wird eine im rechtlichen Sinne erhebliche Beeinträchtigung in der Regel daran festgemacht, dass das betreffende Denkmal in der Wahrnehmung des Betrachters gleichsam verdrängt oder er- drückt würde. Der Planungsverband geht davon aus, dass eine derart erdrückende Wirkung durch die regelmäßig angesetzten Schutzabstände von 1.000 bzw. 800 Metern zu Ortschaften und Splittersiedlungen wirksam vermieden wird. Selbstverständlich schließt ein solcher Ab- stand nicht aus, dass die Fernsicht auf ein Baudenkmal aus bestimmten Blickrichtungen von Windenergieanlagen gänzlich dominiert sein kann. Eine solche Wirkung ist aufgrund der Größe der Windenergieanlagen schlechthin unvermeidbar. Sie könnte – wie die Denkmalbe- hörde des Landkreises zutreffend feststellt – auch mit Schutzabständen von mehreren Kilo- metern nicht vermieden werden. Bei der planerischen Bewertung der Denkmalschutzbelange muss nach Auffassung des Pla- nungsverbandes differenziert werden, auch wenn im rechtlichen Sinne zunächst allen Bau- denkmalen der gleiche Schutzstatus zukommt. Bei der Aufzählung wichtiger Baudenkmale im Umweltbericht hat sich der Planungsverband auf Kirchen und Gutsanlagen beschränkt, weil diese das Erscheinungsbild der ländlichen Siedlungen in der Region besonders nachhaltig geprägt haben. Die Einschätzung des Planungsverbandes, dass die Kirchen der Rostocker Altstadt, die Klosteranlage in Bad Doberan sowie das Schloss Güstrow mit den benachbarten Kirchen darüber hinaus eine überregionale Bedeutung als Bau- und Kulturdenkmale haben, ist fachlich durchaus begründet und wird aufrechterhalten. Eine deutlich wahrnehmbare Veränderung des Erscheinungsbildes durch Windenergieanla- gen kann der Planungsverband in erster Linie bei den Kirchtürmen erkennen. Es entspricht dem historischen Zweck dieser Bauwerke, dass sie das Ortsbild prägen und in der Umgebung weithin sichtbar sein sollten. Diese bislang typische Prägung der Orts- und Landschaftsbilder

171 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 wird nun in bestimmten Perspektiven durch die Ansicht wesentlich größerer Windenergieanla- gen überlagert. Dieser Effekt ist, wie oben ausgeführt, nicht vermeidbar. Er betrifft in der Regel die Fernsicht auf die historischen Bauwerke. Eine unmittelbar erdrückende Wirkung auf das Denkmal würde dann entstehen, wenn Windenergieanlagen direkt neben einen Kirchturm ge- stellt würden, sodass auch die Nahsicht von diesen Anlagen dominiert würde. Dies kann durch die Einhaltung von Schutzabständen wirksam vermieden werden. Der Auffassung der Einwen- derin aus Appelhagen, dass pauschale Abstände für die Bewertung der Denkmalschutzbe- lange untauglich seien, kann somit nicht gefolgt werden. Bei den Gutsanlagen erscheint dem Planungsverband auch nach nochmaliger Prüfung das Beeinträchtigungspotenzial wesentlich geringer als bei den Kirchtürmen. Die Gutsanlagen sind nicht in gleichem Maße auf eine Außenwirkung in die freie Landschaft hin geplant worden. Die von einer Einwenderin angeführte Gutsanlage Appelhagen ist hierfür ein geeignetes Anschau- ungsbeispiel. Das repräsentative Gutshaus ist mit seiner Frontseite zur Dorfstraße ausgerich- tet und rückwärtig von einer Parkanlage mit hohen Bäumen umgeben. Die baulichen Anlagen des Gutes sind somit nur aus dem unmittelbaren Nahbereich heraus sichtbar. Der Hinweis der Denkmalbehörde, dass oftmals die umgebende Landschaft von den Gutsbesitzern absichtlich mitgestaltet wurde. um reizvolle Ausblicke zu ermöglichen, trifft zweifellos zu. Allerdings kann in vielen Fällen festgestellt werden, dass die historischen Gutsparks stark zugewachsen und frühere Sichtbeziehungen nicht mehr vorhanden sind. Dort, wo solche Sichtbeziehungen noch vorhanden sind oder denkmalgerecht wiederhergestellt wurden, kommt wiederum dem Ab- stand der Windenergieanlagen zum Denkmalensemble eine entscheidende Bedeutung zu. Wenn der regelmäßige Schutzabstand von 800 bis 1.000 Metern eingehalten wird, kann eine gleichsam erdrückende Wirkung der Anlagen auf das Erscheinungsbild des Denkmals oder einzelner seiner Bestandteile meist ausgeschlossen werden. Eine im rechtlichen Sinne erheb- liche Beeinträchtigung dürfte somit in der Regel nicht vorliegen. Ob die gewünschte Freihal- tung bestimmter Sichtbeziehungen in der Umgebung von Gutsanlagen dennoch einen Aus- schluss von Windenergieanlagen rechtfertigt, ist nach Maßgabe planerischer Abwägung im Einzelfall zu entscheiden. Der Idealzustand einer Parklandschaft des neunzehnten Jahrhun- derts ist vielfach schon aufgrund anderer Zeugnisse des Industriezeitalters nicht mehr gege- ben. An die Planung von Standorten für Windenergieanlagen dürfen mit Blick auf den Denk- malschutz keine strengeren Anforderungen gestellt werden als an andere bauliche und technische Anlagen. Weitergehende Überlegungen zum speziellen Fall der Gutsanlage Ap- pelhagen sind im Abschnitt 8 wiedergegeben. Die Denkmalbehörde des Landkreises weist auf den Landtourismus hin, der eine große Be- deutung für die wirtschaftlich tragfähige Nachnutzung denkmalgeschützter Herrenhäu- ser hat. Der Planungsverband ist sich des Zielkonfliktes zwischen Tourismusförderung und Windenergienutzung vollkommen bewusst. Zahlreiche Ausschlusskriterien des Natur- und Landschaftsschutzes sorgen allerdings dafür, dass die für den naturnahen Tourismus beson- ders attraktiven Teile der Region von der Windenergienutzung weitgehend ausgenommen bleiben. In der Umgebung der wenigen ausgewählten Vorranggebiete müssen gewisse Ver- änderungen des Landschaftsbildes im Interesse der umweltfreundlichen Energiegewinnung hingenommen werden. Wenn die Denkmalbehörden weitergehende planerische Anforderun- gen speziell zum Schutz von Denkmalumgebungen hätten berücksichtigt wissen wollen, hät- ten sie diese Anforderungen im Verfahren der RREP-Fortschreibung vorbringen können.

172 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6 Einwendungen zur Überplanung alter Eignungsgebiete

6.1 Admannshagen (Nr. 1)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig neu teilweise vollständig Anpassung

6.1.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Deutscher Wetterdienst, Stahnsdorf

6.1.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf zwei Richtfunkstrecken des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verlaufen. Alle geplanten Türme und Rotoren von Windenergieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) wiederholt nochmals seine bereits zu früheren Entwürfen vorgetragenen grundsätzlichen Ausführungen und konkreten Einwände (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.5 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Das Vorranggebiet Nr. 1 befindet sich innerhalb des 15-Kilometer-Umkreises um das Wetterradar Rostock- Warnemünde. Für Windenergieanlagen gelten hier Höhenbeschränkungen. Das Gebiet Nr. 1 liegt in einer Entfernung von 7 Kilometern zum Radar. Hier gilt eine Höhenbeschränkung auf 40 Meter über NN. Die Windenergieanlagen im Gebiet halten diese Höhenbeschränkung nicht

173 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ein. Der DWD wiederholt seine Bitte, von der Festlegung von Vorranggebieten innerhalb des 15-Kilometer-Umkreises um das Wetterradar Rostock abzusehen. Der DWD nimmt hierzu Be- zug auf Ausführungen einer Windenergiefirma, die in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 wiedergegeben waren. Diese Firma hatte mit Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung die Anforderungen des DWD für grundsätzlich nicht verbindlich erklärt. Der DWD stellt hierzu wiederum klar, dass in jedem Einzelfall die Größe des potenziell gestörten Sektors für die Beurteilung maßgebend sei. Für das Gebiet Nr. 1 ergebe sich ein Sektor von 9 Grad, in dem Störungen auftreten würden.

6.1.3 Zusammengefasste Abwägung Der Planungsverband nimmt die Einwände und Hinweise zur Kenntnis. Der ursprüngliche An- lagenbestand im Vorranggebiet Nr. 1 ist in den Jahren 2016 und 2017 vollständig durch neue Anlagen ersetzt worden. Im Rahmen der Genehmigungsverfahren für diese neuen Anlagen sind nach Kenntnis des Planungsverbandes die Belange der Wettervorhersage und der Te- lekommunikation umfassend geprüft worden. Für den Planungszeitraum der RREP-Fort- schreibung ist die Windenergienutzung im Gebiet Nr. 1 als gegebene Tatsache anzusehen. Zu den Einwendungen des Deutschen Wetterdienstes wird auch auf die allgemeinen Ausfüh- rungen im Abschnitt 5.5 verwiesen. Der Planungsverband kommt nach nochmaliger Abwä- gung wiederum zu dem Ergebnis, dass mögliche Störungen des Wetterradars in begrenztem Umfang durch technische Maßnahmen und Dateninterpolation ausgeglichen werden können. Aufgrund der Angaben des Deutschen Wetterdienstes zum Ausmaß der potenziell gestörten Sektoren im Umkreis der Radaranlage geht der Planungsverband davon aus, dass die Stör- wirkungen insgesamt nicht über ein vertretbares Maß hinausgehen werden. Sollten die Erfah- rungen der nächsten Jahre wider Erwarten zeigen, dass Störungen in einem dauerhaft nicht vertretbaren und nicht kompensierbaren Ausmaß auftreten, kann bei zukünftigen Fortschrei- bungen des RREP eine Aufhebung des Gebietes Nr. 1 mit Blick auf den zukünftigen Ersatz der heute vorhandenen Anlagen – der wohl in 20 bis 30 Jahren fällig wäre – im Sinne der planerischen Vorsorge erneut geprüft und erwogen werden. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 1 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

174 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.2 Broderstorf (Nr. 2/4)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

6.2.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Groß Kussewitz • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • 50-Hertz Transmission GmbH, Berlin • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Gemeinde Broderstorf • ENO Energy GmbH, Rerik • Deutscher Wetterdienst, Stahnsdorf

6.2.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Groß Kussewitz begrüßt die Aufhebung des benachbarten Eignungsgebietes Nr. 17 und möchte zugleich ausgeschlossen wissen, dass zum Ausgleich dafür eine Erweite- rung des Gebietes Nr. 2/4 erfolgt oder dass hier Ersatzanlagen für die bestehenden Anlagen aus dem Gebiet Nr. 17 errichtet werden. Auch eine Zulassung von Windenergieanlagen-Pro- totypen per Ausnahmegenehmigung sollte nicht erfolgen. Eine Bürgerin aus Groß Kussewitz regt die Aufhebung des Gebietes Nr. 2/4 an. Die Schutz- abstände zu den Wohnorten seien zu gering, um hier zukünftig die Errichtung von weiteren Windenergieanlagen oder Ersatzanlagen ohne Höhenbeschränkung zuzulassen. Schon jetzt sei die Wohnruhe der Anwohner innerhalb und außerhalb ihrer Häuser gestört. Diese Störun- gen würden optisch durch die massive Erscheinung der Anlagen, den Schattenwurf und die nächtliche Beleuchtung wirksam, akustisch durch Lärm und hörbares Brummen sowie durch Infraschall. Die Gesundheit der Menschen werde beeinträchtigt. Eine weitere Bürgerin aus Groß Kussewitz regt ebenfalls die Aufhebung des Gebietes an. Der Windpark befinde sich zu nahe am Ort und zu nahe an der Biogasanlage in Fienstorf. Im

175 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Havariefall bestehe Gefahr für alle umliegenden Gemeinden. Der Lärm der Anlagen sei bei bestimmten Windrichtungen schon jetzt teilweise unerträglich. Der Planungsverband solle nicht nur an den Profit denken, sondern dem Schutz der menschlichen Gesundheit Vorrang geben. Die Anlagen stünden oft still und könnten keinen Strom abführen. Man müsse sich zuerst einmal Gedanken machen, wie der gewonnene Strom gespeichert werden könne. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die 50-Hertz Transmission GmbH weist auf den geplanten Ersatz der südlich und westlich des Vorranggebietes verlaufenden 220-Kilovolt-Freileitungen durch neue 380-Kilovolt-Leitun- gen hin. Zwischen dem Umspannwerk Bentwisch und einem neu zu errichtenden Umspann- werk im Raum -Dettmannsdorf ist der Ersatz der vorhandenen Leitung geplant. Diese Netzverstärkung ist als Maßnahme P215, M521 im Netzentwicklungsplan 2017-2030 durch die Bundesnetzagentur bestätigt worden. Für die 220-Kilovolt-Freileitung Bentwisch—Güstrow ist ebenfalls der Ersatz durch den Neubau einer 380-Kilovolt-Leitung geplant. Dieser ist als Maßnahme P215, M454 durch die Bundesnetzagentur bestätigt worden. Für letzteres Vorha- ben ist der Beginn der Genehmigungsplanungen im Jahr 2019 vorgesehen. Derzeit sei von einer Umsetzung dieser Maßnahme bis zum Jahr 2030 auszugehen. Um die geplanten Lei- tungsneubauten im bestehenden Trassenraum realisieren zu können, sollte grundsätzlich ein Streifen von jeweils einem Kilometer Breite, mindestens jedoch von 250 Metern, beiderseits der Trassenachse von entgegenstehenden Nutzungen freigehalten werden. Die Einwenderin bittet darum diesen Vorbehaltskorridor, der als nähere Bestimmung zum Grundsatz 6.5 (10) bereits in den RREP-Entwurf vom November 2018 aufgenommen wurde, auch bei der zeich- nerischen Darstellung des Vorranggebietes 2/4 in der Grundkarte zu berücksichtigen. Auf die Ausnutzung des Vorranggebietes hätte dies erhebliche Auswirkungen. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Die Gemeinde Broderstorf bekräftigt nochmals ihre bereits zum vorausgegangenen Entwurf vorgetragene Forderung, dass bei einem Ersatz der derzeit vorhandenen Windenergieanlagen keine größeren Anlagen errichtet werden sollten. Mit Blick auf die Ausnahmeregelung gemäß Satz 6.5 (4) der RREP-Fortschreibung möchte die Gemeinde ausgeschlossen wissen, dass außerhalb der Grenzen des Vorranggebietes weitere Anlagen entstehen und die Schutzab- stände zu den Wohnorten somit unterschritten würden. Die Errichtung von Prototypen per Ausnahmegenehmigung lehnt die Gemeinde auf ihrem Gebiet ab. Die ENO Energy GmbH bringt nochmals zum Ausdruck, dass sie die Verkleinerung des Ge- bietes Nr. 2/4 ablehnt. Der Abwägungsdokumentation des Planungsverbandes vom November 2018 ließen sich keinerlei Belange entnehmen, welche die Anpassung der Gebietsgrenzen rechtfertigen würden. Zur Stellungnahme der 50-Hertz Transmission GmbH sei anzumerken, dass die angeführte DIN-Norm zwischenzeitlich durch die DIN EN 50341-2-4 (VDE 0210-2-4) ersetzt worden sei. Die in der Stellungnahme angegebenen Abstandsrichtwerte entsprächen somit nicht mehr dem aktuellen Stand. Die neue Norm sehe einen nennspannungsabhängigen Mindestabstand von 10 bis 30 Metern vor, welcher nach Einzelfallprüfung unter Umständen erhöht werden müsse. Der von der 50-Hertz Transmission GmbH angegebene Richtwert vom Dreifachen des Rotordurchmessers sei nicht mehr maßgebend. Auch die pauschalen Anfor- derungen des Deutschen Wetterdienstes seien für die Regionalplanung unbeachtlich, was sich bereits aus der Stellungnahme des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt ergebe. Bezüglich der Stellungnahme der Gemeinde Broderstorf und der gemeindlichen Bauleitpla- nung räumt die Einwenderin ein, dass der Planungsverband eine Gewichtung vornehmen

176 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 müsse. Die Einwenderin geht jedoch davon aus, dass die Darstellungen des wirksamen Flä- chennutzungsplanes höher zu gewichten wären als eine bloße Stellungnahme, welche die Gemeinde im Rahmen eines „fremden“ Planungsverfahrens abgegeben habe. Der Flächen- nutzungsplan sei im Ergebnis eines langwierigen demokratischen Verfahrens aufgestellt wor- den und habe in Teilen auch Wirkung gegenüber Dritten. Es sei durchaus fraglich, ob die Ge- meinde mit ihrer Stellungnahme zur RREP-Fortschreibung überhaupt von den Darstellungen des eigenen Flächennutzungsplanes habe abweichen dürfen – und ob die gemeindliche Stel- lungnahme nicht schon aus diesem Grund unbeachtlich sei. Auch nach den vom Planungs- verband selbst angesetzten Kriterien sei die Abgrenzung im Entwurf vom November 2018 feh- lerhaft. Gemäß den Entwurfsunterlagen habe der Planungsverband Linieninfrastrukturen mit ihren Schutzbereichen, soweit sie durch die Vorranggebiete hindurch verlaufen, nicht berück- sichtigt. Dies müsse auch für die hier verlaufende Freileitung gelten, sodass das Vorranggebiet im Südwesten zumindest bis auf 1.000 Meter Abstand zu den nächstgelegenen Ortschaften ausgedehnt werden könnte. Im Nordwesten wäre der Schutzabstand zur Ortschaft Albertsdorf zu überprüfen, der nach Ansicht der Einwenderin ungenau bemessen wurde. Die Einwenderin hat ihre diesbezügliche Überprüfung anhand der vom Planungsverband veröffentlichten Geo- daten vorgenommen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) wiederholt nochmals seine bereits zu früheren Entwürfen vorgetragenen grundsätzlichen Ausführungen und konkreten Einwände (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.5 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Das Vorranggebiet Nr. 2/4 befindet sich innerhalb des 15-Kilometer-Umkreises um das Wetterradar Rostock- Warnemünde. Für Windenergieanlagen gelten hier Höhenbeschränkungen. Das Gebiet liegt in einer Entfernung von 14 Kilometern zum Radar. Hier gilt eine Höhenbeschränkung auf 52 Meter über NN. Die Windenergieanlagen im Gebiet halten diese Höhenbeschränkung nicht ein. Der DWD wiederholt seine Bitte, von der Festlegung von Vorranggebieten innerhalb des 15-Kilometer-Umkreises um das Wetterradar Rostock abzusehen. Der DWD nimmt hierzu Be- zug auf Ausführungen einer Windenergiefirma, die in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 wiedergegeben waren. Diese Firma hatte mit Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung die Anforderungen des DWD für grundsätzlich nicht verbindlich erklärt. Der DWD stellt hierzu wiederum klar, dass in jedem Einzelfall die Größe des potenziell gestörten Sektors für die Beurteilung maßgebend sei. Beim Gebiet Nr. 2/4 ergäben sich mindestens 16 Grad, wenn auch die außerhalb des Gebietes in der näheren Umgebung befindlichen Anlagen berücksichtigt werden, die hier eine gemeinsame Störzone bilden.

6.2.3 Zusammengefasste Abwägung Den Anregungen einzelner Bürger zur gänzlichen Aufhebung des Gebietes Nr. 2/4 wird nicht gefolgt. Die angewandten Schutzabstände von 1.000 Metern zu allen Ortschaften und 800 Metern zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen im Außenbereich sind für heute übliche und in den nächsten Jahren absehbare Anlagengrößen ausreichend. Hierzu wird auch auf die Aus- führungen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Der Planungsverband weist darauf hin, dass die meis- ten vorhandenen Anlagen im Gebiet Nr. 2/4 erst vor fünf bis sechs Jahren errichtet wurden, sodass ein Ersatz im Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung nicht ansteht. Sofern sich einzelne Bürger durch den Betrieb der vorhandenen Anlagen in ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt fühlen, müssten sie die zuständige Im- missionsschutzbehörde um Überprüfung bitten, ob die Anlagen vorschriftsmäßig betrieben und die Richtwerte für Lärm und Schattenwurf eingehalten werden. Der Planungsverband muss bei der RREP-Fortschreibung davon ausgehen, dass alle Windenergieanlagen innerhalb der Vorranggebiete entsprechend den Vorschriften des Immissionsschutzes betrieben wer- den. Von der Biogasanlage bei Fienstorf ist das Gebiet Nr. 2/4 mehr als 1.000 Meter entfernt. Für den Planungsverband ist nicht ersichtlich, welches mögliche Havarieszenario ein Gefahrenpo-

177 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 tenzial im Zusammenhang mit dieser Biogasanlage begründen könnte. Empfohlene Richt- werte zur Einhaltung von Abständen zwischen Windenergieanlagen und anderen technischen Anlagen liegen nach Kenntnis des Planungsverbandes im dreistelligen Meterbereich und nicht über 1.000 Metern. Für die Zulassung von Windenergieanlagen-Prototypen gelten die Festlegungen der Sätze 6.5 (3) und 6.5 (4) der RREP-Fortschreibung. Weitergehende oder besondere Regelungen für das Vorranggebiet Nr. 2/4 oder das Gebiet der Gemeinde Broderstorf wären aus Sicht des Planungsverbandes nicht begründet. Zu den Einwendungen des Deutschen Wetterdienstes wird auch auf die allgemeinen Ausfüh- rungen im Abschnitt 5.5 verwiesen. Der Hinweis der ENO Energy GmbH, dass die Anforde- rungen des DWD nicht als zwingende Vorgabe zu verstehen seien, trifft zu. Die Belange der Wettervorhersage sind dennoch mit angemessenem Gewicht in die planerische Abwägung einzubeziehen. Der Planungsverband kommt nach nochmaliger Abwägung wiederum zu dem Ergebnis, dass mögliche Störungen des Wetterradars in begrenztem Umfang durch techni- sche Maßnahmen und Dateninterpolation ausgeglichen werden können. Aufgrund der Anga- ben des Deutschen Wetterdienstes zum Ausmaß der potenziell gestörten Sektoren im Umkreis der Radaranlage geht der Planungsverband davon aus, dass die Störwirkungen insgesamt nicht über ein vertretbares Maß hinausgehen werden. Mit der Verkleinerung des Gebietes Nr. 2/4 und der gänzlichen Aufhebung des benachbarten Gebietes Nr. 17 wird das Störpotenzial mittelfristig deutlich gemindert. Sollten die Erfahrungen der nächsten Jahre wider Erwarten zeigen, dass Störungen in einem dauerhaft nicht vertretbaren und nicht kompensierbaren Aus- maß auftreten, kann bei zukünftigen Fortschreibungen des RREP eine Aufhebung des Gebie- tes Nr. 2/4 erneut geprüft und erwogen werden. Ein Ersatz wird bei der Mehrzahl der im Gebiet vorhandenen Windenergieanlagen wohl erst in etwa 20 Jahren fällig, sodass für den Planungs- zeitraum der aktuellen Fortschreibung die Windenergienutzung als gegebene Tatsache ange- sehen werden muss. Der Abstand zur 220-Kilovolt-Freileitung wird nach nochmaliger Abwägung mit 250 Metern beibehalten. Die weitergehende Empfehlung der 50-Hertz Transmission GmbH zur Freihaltung einer Abstandszone von generell 1.000 Metern wird als Richtwert für bislang nicht baulich ge- nutzte Flächen im Trassenverlauf verstanden, dessen Anwendung die Entstehung neuer Zwangspunkte und Engstellen vermeiden soll. In diesem Sinne ist der 1.000-Meter-Richtwert als abwägungs- und ermessensleitende Maßgabe in die Begründung zum Satz 6.5 (10) der RREP-Fortschreibung aufgenommen worden. Im Bereich vorhandener baulicher Nutzungen soll deren Bestandsschutz in der Regel Vorrang haben. Dies gilt auch für vorhandene Wind- parks in früher festgelegten Eignungsgebieten. Im vorliegenden Fall wird davon ausgegangen, dass der empfohlene Mindestabstand von 250 Metern ausreicht, um später eine neue Freilei- tung im vorhandenen Trassenraum errichten zu können. Die Hinweise der ENO Energy GmbH auf einschlägige Regelwerke zum Schutz vorhandener Freileitungen, die wesentlich geringere Abstände vorsehen, treffen hier nicht zu, weil es nicht um den Schutz der vorhandenen Leitung geht, sondern um die vorsorgende Sicherung von Planungsspielräumen für einen notwendi- gen Leitungsneubau. Die von der ENO angeregte Erweiterung des Vorranggebietes über die Leitungstrasse hinaus würde kein nutzbares Flächenpotenzial erschließen. Die Erweiterungs- fläche befände sich vollständig innerhalb des 250-Meter-Abstandsbereiches um die vorhan- dene Freileitung. Der Anregung wird deshalb nicht gefolgt. Der Auffassung der ENO Energy GmbH zur Berücksichtigung der gemeindlichen Bauleit- planung schließt sich der Planungsverband ebenfalls nicht an. Die Frage, ob die nachträgliche Durchsetzung neu bestimmter Ausschlusskriterien – in diesem Fall die erhöhten Schutzab- stände zu den Wohnorten – es rechtfertigt, eine Änderung wirksamer Bauleitpläne zu erzwin- gen, ist vom Planungsverband sorgfältig erwogen worden. Bereits die Abwägungsdokumen- tation vom November 2018 enthielt dazu umfangreiche Ausführungen. Nach nochmaliger Überprüfung kommt der Planungsverband zu keinem anderen Ergebnis. Es wird davon aus- gegangen, dass die vorhandenen Bauleitpläne ohnehin angepasst werden müssen, wenn zu- künftig größere Anlagen in den früher festgelegten Eignungsgebieten errichtet werden sollen.

178 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Im vorliegenden Fall macht die Stellungnahme der Gemeinde Broderstorf deutlich, dass auch diese selbst die Anpassung für sachgerecht und geboten hält. Die Darstellungen des wirksa- men Flächennutzungsplanes sind von der Gemeinde aus den Festlegungen des Regionalen Raumordnungsprogrammes (erste Teilfortschreibung) von 1999 entwickelt worden. Wenn nun, wie es die Einwenderin nahelegt, sowohl die Gemeinde selbst als auch der Planungsver- band an den Flächennutzungsplan gebunden wären, dürfte dieser niemals mehr geändert wer- den. Die Gemeinde dürfte ihn nicht ändern, weil er den Festlegungen des geltenden RREP entspricht. Sie dürfte beim Planungsverband nicht die Änderung des RREP anregen, weil sie – wie es die Einwenderin verstanden wissen möchte – in ihrer Stellungnahme an den eigenen, früher aufgestellten Plan gebunden wäre. Der Planungsverband wiederum dürfte das RREP auch nicht eigenmächtig ändern, weil er ebenfalls den gemeindlichen Flächennutzungsplan berücksichtigen müsste. Eine Anpassung einmal festgelegter Eignungsgebiete an die techni- sche Entwicklung wäre somit niemals möglich. Diese Argumentation der Einwenderin führt offensichtlich nicht weiter. Die für die Abgrenzung des Vorranggebietes maßgebenden Abstände zur Ortschaft Alberts- dorf hat der Planungsverband nochmals überprüft. Eine Änderung der Gebietsgrenzen ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht erforderlich. Die Differenzen im Abgrenzungsvorschlag der ENO Energy GmbH resultieren vermutlich daraus, dass die Einwenderin ausschließlich auf die im amtlichen Liegenschaftskataster verzeichneten Wohngebäude Bezug nimmt. Der Planungsverband hat dagegen am östlichen Ortsrand das Hotelgebäude und am südlichen Ortsrand das letzte – in den beim Planungsverband vorliegenden digitalen Liegenschaftsdaten nicht enthaltene – Wohnhaus für die Abstandsbemessung herangezogen. Der Hinweis auf die im Vorranggebiet verlaufende Richtfunkstrecke wird zur Kenntnis ge- nommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 2/4 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

179 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.3 Kavelstorf (Nr. 5)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt vollständig vollständig Aufhebung

6.3.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Dammer Windkraft GmbH & Co KG, Elsfleth, vertreten durch die Rechtsanwälte Kannieß, Ruge, Sannig & Partner, Meldorf

6.3.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen hin. Die Dammer Windkraft GmbH & Co KG betreibt zwei Windenergieanlagen im bisherigen Eignungsgebiet. Die Einwenderin weist darauf hin, dass der Standort im gemeindlichen Flä- chennutzungsplan als Sondergebiet für Windkraftanlagen dargestellt wurde. Die Einwenderin geht davon aus, dass sie Schadenersatzansprüche geltend machen könnte, wenn die Ge- meinde den Flächennutzungsplan im Ergebnis der RREP-Fortschreibung anpassen müsse. Sie habe nicht nur in die vorhandenen Windenergieanlagen, sondern auch in erheblichem Umfang in die Infrastruktur investiert. Die Einwenderin schließt an diesen Hinweis umfangrei- che grundsätzliche Ausführungen zur Anwendung pauschaler Schutzabstände und zur Über- planung der früher festgelegten Eignungsgebiete an, die nahelegen sollen, dass die RREP- Fortschreibung in dieser Hinsicht insgesamt fehlerhaft und rechtswidrig sein könnte (vgl. hierzu die im Abschnitt 4.9 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Schon die be- stehenden Eignungsgebiete seien Ergebnisse einer planerischen Abwägung. Mit der jetzt be- absichtigten Aufhebung würde der Planungsverband diese früher vorgenommene Abwägung nachträglich für fehlerhaft erklären. Nach herrschender Rechtsprechung müsse der Planungs- verband jedoch die Interessen der Windparkbetreiber – hier insbesondere das Interesse an einem Ersatz älterer Anlagen – in seine Abwägung einbeziehen. Gerade wenn alte Windparks in einem förmlich festgelegten Eignungsgebiet stehen, müsse der Planungsverband davon

180 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ausgehen, dass die Betreiber im Vertrauen auf diese Festlegung nicht nur in die bestehenden Windenergieanlagen, sondern auch in den Standort investiert hätten, also in Zuwegungen und Netzanschlüsse, ökologische Kompensationsmaßnahmen und eine langfristige vertragliche Bindung der Grundstücke.

6.3.3 Zusammengefasste Abwägung Zu den Gründen, die den Planungsverband zur Aufhebung einzelner früher festgelegter Eignungsgebiete bewogen haben. wird auf die Ausführungen in den Abschnitten 3.10 und 4.9 verwiesen. Im speziellen Fall des Gebietes Nr. 5 kommt der Planungsverband zu keinem anderen Ergebnis. Der Auffassung der Einwenderin, dass eine früher erfolgte Abwägung für die aktuelle RREP-Fortschreibung weiterhin bindend sein müsse, möchte sich der Planungsverband nicht anschließen. Dass früher geeignete Standorte nach heutigen Maßstäben anders beurteilt werden, ist durch den Fortschritt der Anlagentechnik begründet. Die Voraussetzungen der Pla- nung haben sich somit verändert. Dies wurde bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt. Etwaige Ansprüche der Einwenderin auf Schadenersatz wären nach Auffassung des Pla- nungsverbandes nicht begründet, weil ein Flächennutzungsplan – im Unterschied zum Bebau- ungsplan – nicht unmittelbar Baurecht schafft, welches durch eine Änderung der Planung wie- der entzogen werden könnte. Die Einwenderin musste grundsätzlich damit rechnen, dass eine einmal erfolgte planerische Standortzuweisung für Windenergieanlagen im Außenbereich nicht für alle Zeit Bestand haben würde, sondern dem Fortschritt der Anlagentechnik ange- passt werden könnte. Vor diesem Hintergrund sind die Argumente der Einwenderin bezüglich Ihres Vertrauens in die Festlegungen des RREP und den wirksamen Flächennutzungsplan nachvollziehbar und berechtigt, müssen sich aber nicht zwingend gegen die mit der RREP-Fortschreibung an- gestrebte Erhöhung der Schutzabstände zu den Wohnorten durchsetzen. Berechtigt ist in die- sem Zusammenhang auch der Hinweis auf getätigte Investitionen in die Erschließung des vor- handenen Windparkstandortes. Auch dieser Belang war vom Planungsverband bereits bei der letzten Überarbeitung des Entwurfes erwogen und in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 dargelegt worden. Der Planungsverband geht davon aus, dass bei einem Wind- park der größte Teil des materiellen Anlagevermögens in den Windenergieanlagen selbst steckt und somit bei einem Ersatz erneuert werden muss. Die Standortvariabilität der Wind- energienutzung ist somit vergleichsweise hoch. Dem volkswirtschaftlichen Interesse an der Weiternutzung einmal erschlossener Windparkstandorte und dem privatwirtschaftlichen Inte- resse der Betreiber ist somit in der Abwägung ein erhebliches, aber kein sehr hohes Gewicht beizumessen. Der Planungsverband trägt diesen Interessen damit Rechnung, dass alle Mög- lichkeiten einer Anpassung der bestehenden Eignungsgebiete ausgenutzt werden und eine gänzliche Aufhebung nur dann erfolgt, wenn keine Anpassung an die aktuellen Abstandsricht- werte möglich ist. Das Gebiet Nr. 5 ist so dicht von Wohnorten umgeben, dass eine Anpassung in diesem Fall nicht möglich ist. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das ehemalige Eignungsgebiet für Wind- energieanlagen Nr. 5 nicht erneut als Vorranggebiet festgelegt.

181 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.4 Jennewitz (Nr. 14)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt vollständig keine Aufhebung

6.4.1 Eingegangene Stellungnahmen • ENO Energy GmbH, Rerik

6.4.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die ENO Energy GmbH erklärt, dass sie bezüglich der Aufhebung des Gebietes Nr. 14 weder die vom Planungsverband vorgenommene Abwägung noch die zustimmende Stellungnahme der Stadt Kröpelin nachvollziehen könne. Die Einwenderin legt dazu einen Beschluss der Stadtvertretung vom 11. Dezember 2018 vor, wonach ein Vorhaben der Einwenderin zum Er- satz der vorhandenen sechs Windenergieanlagen im bestehenden Eignungsgebiet durch drei neue Anlagen befürwortet und das gemeindliche Einvernehmen in Aussicht gestellt wird. Die zuletzt abgegebene Stellungnahme der Stadt Kröpelin sei damit überholt. Die Einwenderin betont ausdrücklich, dass sie nicht erwarte, dass ihre eigenen Interessen oder die gemeindli- chen Planungsabsichten in herausgehobener Weise bei der RREP-Fortschreibung berück- sichtigt würden. Es gehe lediglich um eine sachgerechte Berücksichtigung und Gewichtung der verschiedenen Belange, die hier offensichtlich nicht erfolgt sei. Die Einwenderin verweist dazu nochmals auf das sogenannte Gegenstromprinzip, wonach die Raumordnung auf die Planungen der Gemeinden Rücksicht zu nehmen habe. Dies betreffe zunächst den bestehen- den Flächennutzungsplan, welcher den Bereich des vorhandenen Windparks als Gebiet für die Windenergienutzung darstelle. Der Flächennutzungsplan sei Ergebnis eines langwierigen, mehrstufigen Verfahrens, in welchem die Gemeinde die örtlich maßgebenden Belange und Interessen bereits berücksichtigt habe. Der Plan habe nicht nur eine verwaltungsinterne Bin- dungswirkung, sondern entfalte auch unmittelbare bodenrechtliche Wirkung gegenüber Priva- ten. Bezüglich der Belange der unmittelbaren Anwohner weist die Einwenderin auf die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Stellungnahmen einzelner Bürger hin, welche sich ausdrücklich für eine Beibehaltung des Eignungsgebietes Nr. 14 aus- gesprochen hatten. Die Einwenderin sieht diese Stellungnahmen als Beleg dafür an, dass der vorhandene Windpark in der Bevölkerung akzeptiert sei. Der Planungsverband hätte diese

182 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Tatsache in seine Abwägung einbeziehen sollen, anstatt pauschalierend davon auszugehen, dass eine Erhöhung der Schutzabstände und die daraus resultierende Aufhebung alter Eig- nungsgebiete in der Regel den Interessen der Anwohner entsprächen. Der vorhandene Wind- park verfüge über eine vollständige Infrastruktur, die beim Ersatz der Anlagen zu wesentlichen Teilen weiter genutzt werden könne. Eine möglichst weitgehende Nutzung vorhandener Infra- strukturen entspreche auch den Grundsätzen des Landesraumentwicklungsprogrammes. Die Einwenderin bittet deshalb um nochmalige Überprüfung der vorgenommenen Abwägung und um Beibehaltung des Gebietes Nr. 14.

6.4.3 Zusammengefasste Abwägung Der Hinweis der Einwenderin auf das von der Stadt Kröpelin in Aussicht gestellte Einver- nehmen zu einem Ersatz des bestehenden Windparks wird zur Kenntnis genommen. Der Planungsverband kann hierin keinen Widerspruch zur früher abgegebenen Stellungnahme der Stadt zum Entwurf der RREP-Fortschreibung erkennen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Stadt eine abwartende Haltung einnimmt, indem sie grundsätzlich eine Aufhebung des Eignungsgebietes befürwortet – zugleich aber für den Fall dessen Fortbestehens der Einwen- derin das Einvernehmen zu ihrem Vorhaben in Aussicht stellt. Der Planungsverband bleibt nach nochmaliger Prüfung bei seiner bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 vertretenen Auffassung, dass die Überplanung der früher festgelegten Eignungsgebiete nach einheitlichen Maßstäben erfolgen soll und sich nicht von Fall zu Fall an den Interessen- bekundungen einzelner Planungsbeteiligter ausrichten kann. Auch bezüglich der Bindungswirkung des vorhandenen Flächennutzungsplanes der ehe- maligen Gemeinde Jennewitz für die RREP-Fortschreibung bleibt der Planungsverband bei seiner früher dargelegten Auffassung. Die um die Jahrtausendwende für einige Windparks aufgestellten Bauleitpläne gingen vom damaligen Stand der Windenergietechnik aus und müssten in den meisten Fällen für einen Ersatz der vorhandenen Windenergieanlagen ohnehin angepasst werden. Zum Teil liegen Bebauungspläne vor, zum Teil sind Darstellungen in Flä- chennutzungsplänen enthalten; in vielen Fällen wurde gar keine Bauleitplanung gemacht. Die vor zwanzig Jahren gegebenen Gründe für das unterschiedliche Vorgehen der Gemeinden können für die aktuelle RREP-Fortschreibung ebensowenig maßgebend sein wie der damalige Stand der Anlagentechnik. Der Planungsverband hat sich deshalb dafür entschieden den vor- handenen Bauleitplänen kein besonderes Gewicht in der Abwägung beizumessen. Gründe, die im speziellen Fall des Eignungsgebietes Nr. 14 eine besondere Gewichtung rechtfertigen würden, sind für den Planungsverband nicht erkennbar. Weder von der Stadt Kröpelin noch von der Einwenderin wurden solche Gründe benannt. Die von der Einwenderin angeführte Tatsache, dass die Darstellung eines Sondergebietes für Windenergieanlagen eine unmittel- bare Vorgabe für die zulässige Nutzung privater Grundstücke beinhaltet, ist kein solcher Grund. Auch ohne die Konkretisierung durch einen Flächennutzungsplan hätte das Eignungs- gebiet diese planungsrechtliche Wirkung. Eine solche planerische Vorgabe kann geändert werden, wenn sich die Voraussetzungen der Planung – in diesem Fall die Größe marktüblicher Windenergieanlagen – wesentlich geändert haben. Für die Berücksichtigung von Stellungnahmen der Anwohner gelten ebenfalls die bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegten Erwägungen. In der Ge- samtschau lassen diese Stellungnahmen den Schluss zu, dass ein möglichst großer Schutz- abstand den Interessen der Anwohner bestmöglich entspricht. Der Planungsverband hatte im November 2018 seine Skepsis gegenüber dem Argument der Akzeptanz langjährig etablierter Windparkstandorte zum Ausdruck gebracht und darauf hingewiesen, dass bei einer Errichtung größerer Anlagen diese Akzeptanz schnell verloren gehen könnte. Die aktuell vorliegenden Stellungnahmen zum Gebiet Nr. 22 (vgl. Abschnitt 6), wo ein Ersatz alter Anlagen ohne An- passung der Schutzabstände erfolgt ist, machen aus Sicht des Planungsverbandes deutlich, dass diese Skepsis nicht unbegründet war. Die von der Einwenderin kritisierte Typisierung der Interessenlagen verschiedener Planungsbeteiligter ist aus Sicht des Planungsverbandes not-

183 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 wendig. Die Tatsache, dass sich zum Entwurf vom November 2015 bezüglich des Eignungs- gebietes Nr. 14 mehrere Bürger ausdrücklich für eine Beibehaltung ausgesprochen hatten, rechtfertigt keine besondere Behandlung dieses Einzelfalles. Die von der Einwenderin aufgeworfene Frage, ob der Planungsverband die maßgebenden Belange bei der Überplanung bestehender Eignungsgebiete angemessen gewichtet hat, ist berechtigt. Der Planungsverband bekräftigt hierzu nochmals seine Auffassung, dass die konsequente Anpassung der Flächenfestlegungen an die aktuellen Abstandsrichtwerte kei- neswegs zwingend, aber dennoch gut begründet ist. Die bisher ungebrochene Entwicklung hin zu immer größeren Anlagen und die damit einhergehende Verbesserung der Wirtschaft- lichkeit der Windenergienutzung rechtfertigen diese konsequente Anpassung. Mögliche Alter- nativen wurden vom Planungsverband erwogen, letztlich aber nicht für vorzugswürdig befun- den. Hierzu wird auch auf die im Abschnitt 3.10 nochmals wiedergegebenen grundsätzlichen Erwägungen verwiesen. Berechtigt ist auch der Hinweis der Einwenderin auf die langfristig nutzbare Infrastruktur des vorhandenen Windparkstandortes. Auch dieser Belang war vom Planungsverband bereits bei der letzten Überarbeitung des Entwurfes erwogen und in der Ab- wägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt worden. Der Planungsverband geht davon aus, dass bei einem Windpark der größte Teil des materiellen Anlagevermögens in den Windenergieanlagen selbst steckt und somit bei einem Ersatz erneuert werden muss. Die Standortvariabilität der Windenergienutzung ist somit vergleichsweise hoch. Dem volkswirt- schaftlichen Interesse an der Weiternutzung einmal erschlossener Windparkstandorte und dem privatwirtschaftlichen Interesse der Betreiber ist somit in der Abwägung ein erhebliches, aber kein sehr hohes Gewicht beizumessen. Der Planungsverband trägt diesen Interessen damit Rechnung, dass alle Möglichkeiten einer Anpassung der bestehenden Eignungsgebiete ausgenutzt werden und eine gänzliche Aufhebung nur dann erfolgt, wenn keine Anpassung an die aktuellen Abstandsrichtwerte möglich ist. Ein volkswirtschaftliches Interesse besteht im Übrigen nicht nur an einer langfristigen Nutzung langlebiger Infrastrukturen, sondern auch an einer möglichst wirtschaftlichen Nutzung der Windenergie, was den Einsatz möglichst großer Anlagen bedingt. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das ehemalige Eignungsgebiet für Wind- energieanlagen Nr. 14 nicht erneut als Vorranggebiet festgelegt.

184 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.5 Carinerland Ost (Nr. 15)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig neu teilweise keine Anpassung

6.5.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, Dienst- stelle Kiel • Gemeinde Carinerland • Stadt Neubukow • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

6.5.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel – Schutzbereichbehörde) weist auf die Lage des Vorranggebietes im er- weiterten Interessengebiet (35-bis-50-Kilometer-Umkreis) um die Großradaranlage Elmen- horst (Nordwestmecklenburg) hin. Anhand von Höhen, Standorten und Typen geplanter Wind- energieanlagen sei zu gegebener Zeit zu prüfen, ob negative Auswirkungen auf die Radarerfassung befürchtet werden müssen. Im Ergebnis dieser Prüfungen könne es zu ab- lehnenden Bescheiden kommen. Die Gemeinde Carinerland stimmt dem Entwurf vom November 2018 zu und regt zusätzlich an, dass eine einheitliche Flugbefeuerung der Windparks angestrebt werden sollte. Die Stadt Neubukow äußert sich kritisch bezüglich der Umstellungswirkung, die mit den Vor- ranggebieten Nr. 15, N1 und 22 sowie dem neuen Gebiet Nr. 116 entstehen würde. Die Stadt fordert, dass eine solche Umstellung höchstens 120 Grad des Umkreises umfassen dürfte. Bei Neubukow würden mit den vier genannten Vorranggebieten annähernd 180 Grad erreicht. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist darauf hin, dass ein Mindest- abstand von 2,5 Kilometern zu den benachbarten Vorranggebieten Nr. N1, 116 und 117 nicht eingehalten wird.

185 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist auf einen Brutplatz des Seeadlers hin, der sich in weniger als 3.000 Metern Entfernung vom Vorranggebiet Nr. 15 befindet. Für das im Vor- ranggebiet befindliche Kleingewässer sei zu überprüfen, ob es als potenzielles Nahrungsha- bitat des Seeadlers anzusehen wäre und ein entsprechender Flugkorridor von 1.000 Metern Breite von Windenergieanlagen freigehalten werden müsste (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders zum Artenschutz im Allgemeinen und zum Schutz der Seeadler im Besonderen).

6.5.3 Zusammengefasste Abwägung Bezüglich des Abstandes des Gebietes Nr. 15 zu den benachbarten Vorranggebieten wird auf die im Abschnitt 3.5 wiedergegebenen grundsätzlichen Erwägungen zur lokalen Häufung von Windparks verwiesen. Der Planungsverband bleibt nach nochmaliger Prüfung bei seiner Auffassung, dass die Einhaltung eines pauschalen Mindestabstandes zwischen benachbarten Gebieten allein nicht geeignet ist, um die Grenze zwischen einer (grundsätzlich gewollten) räumlichen Konzentration und einer (nicht gewollten) übermäßigen Zusammenballung von Windenergieanlagen zu bestimmen. Die moderate Konzentration von Windparks in der Um- gebung von Neubukow ist planerisch vertretbar und gewollt. Ein verträgliches Maß wird hier nicht überschritten. Das Gleiche gilt für eine mögliche Umstellungswirkung auf die Stadt Neubukow. Der ge- samte nördliche Umkreis um die Stadt bleibt frei von Windenergieanlagen. Die südöstlich ge- legenen Vorranggebiete Nr. 15 und 116 sind zudem mehrere Kilometer von der Stadt entfernt. Kritische Werte im Hinblick auf einen noch vertretbaren Umstellungsgrad werden hier nicht annähernd erreicht. Bei dem vom NABU-Landesverband erwähnten Kleingewässer handelt es sich um ein Acker- soll mit einer Ausdehnung von etwa zehn mal zehn Metern, das nach Kenntnis des Planungs- verbandes zeitweise trockenfällt. Dass dieses Kleinstbiotop eine nennenswerte Bedeutung als Nahrungsrevier des Seeadlers haben sollte, hält der Planungsverband für unwahrscheinlich. Der Planungsverband hat sich bei der Berücksichtigung der Lebensraumansprüche des See- adlers an der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe des Landesamtes für Um- welt, Naturschutz und Geologie orientiert, nach der nur Stillgewässer einer gewissen Größe als beurteilungsrelevant gelten. Regelungen zur Befeuerung der Windenergieanlagen liegen nicht in der Zuständigkeit der Regionalplanung. Der Hinweis auf die Vorbehalte der Flugsicherung wird zur Kenntnis genommen. Die zweck- mäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 15 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

186 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.6 Carinerland West (Nr. N1)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

6.6.1 Eingegangene Stellungnahmen • Söhnholz-Schweinezucht KG, Neubukow • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienst- stelle Kiel – Schutzbereichbehörde) • Gemeinde Carinerland • Stadt Neubukow • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • ENO Energy GmbH, Rerik

6.6.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die Söhnholz-Schweinezucht KG weist auf ein Wohnhaus am Rand der Ansiedlung Panzow hin, dass der Planungsverband bei der Abgrenzung des geplanten Vorranggebietes nicht be- rücksichtigt habe. Die Einwenderin bittet um entsprechende Korrektur der Abgrenzung. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel – Schutzbereichbehörde) weist auf die Lage des Vorranggebietes im er- weiterten Interessengebiet (35-bis-50-Kilometer-Umkreis) um die Großradaranlage Elmen- horst (Nordwestmecklenburg) hin. Anhand von Höhen, Standorten und Typen geplanter Wind- energieanlagen sei zu gegebener Zeit zu prüfen, ob negative Auswirkungen auf die Radarerfassung befürchtet werden müssten. Im Ergebnis dieser Prüfungen könne es zu ab- lehnenden Bescheiden kommen. Die Gemeinde Carinerland stimmt dem Entwurf vom November 2018 zu und regt zusätzlich an, dass eine einheitliche Flugbefeuerung der Windparks angestrebt werden sollte.

187 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die Stadt Neubukow lehnt die mit dem letzten Entwurf vorgenommenen Änderungen an der Abgrenzung des Gebietes Nr. N1 ab. Zunächst sei ersichtlich, dass im Südwesten des Gebie- tes der vom Planungsverband generell angesetzte Schutzabstand von 800 Metern zur nächst- gelegenen Wohnbebauung in Panzow nicht eingehalten würde. Darüber hinaus sei für die Ansiedlung Panzow ein Schutzabstand von 1.000 Metern zu fordern. Die Stadt verlangt hin- sichtlich der Schutzabstände eine Gleichbehandlung aller Bürger, ungeachtet des Wohnortes. Der Schutz des einzelnen Menschen könne nicht von der Anzahl der Wohngebäude abhän- gen, zumal in Panzow eine Bebauung von einigem Gewicht vorhanden sei. Da die wissen- schaftliche Erkenntnis bezüglich möglicher Gesundheitsgefährdungen durch Windenergiean- lagen noch nicht soweit fortgeschritten sei, dass man risikofreie Schutzabstände sicher bestimmen könnte, sollte der Schutzanspruch für alle Menschen gleich hoch sein. Die im Nord- westen vorgenommene Erweiterung des Eignungsgebietes über die hier verlaufende Freilei- tung hinaus wird von der Stadt ebenfalls abgelehnt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die früher hier maßgebenden Schutzabstände zu Leitungen und Waldrändern heute nicht mehr gelten sollten. Die Stadt befürchtet, dass es zu Schäden an der Freileitung kommen würde, wenn Windenergieanlagen hier in zu geringem Abstand errichtet würden. Im Übrigen habe die Stadt angrenzend an das Vorranggebiet und den Panzower Bach eine Ökokontofläche im Um- fang von 30 Hektar eingerichtet. Die hier vorgenommene Umwandlung von Acker in Dauer- grünland solle eine alternative Nahrungsfläche für Kranich, Seeadler und Rotmilan schaffen sowie als Bruthabitat für Bodenbrüter und als Bienenweide dienen. Zu beachten seien auch die in diesem Bereich durchgeführten Maßnahmen der Gewässerrenaturierung und die damit verbesserten Lebensbedingungen für Reptilien und Amphibien sowie Wat- und Wasservögel. Eine Beeinträchtigung dieser Lebensraumfunktionen sei zu erwarten, wenn der Windpark zu- künftig näher an die betreffenden Flächen heranrücken würde. Ebenso abgelehnt wird die nordöstliche Erweiterung des Eignungsgebietes über die Landesstraße 104. Die Stadt ver- weist auf das gesetzliche Anbauverbot im Abstand von 20 Metern an Landesstraßen und stellt die Frage, warum dies nicht auch für Windenergieanlagen gelte. Durch rotierende Anlagenteile und Eisschlag entstünden viel höhere Gefährdungspotenziale als bei anderen baulichen An- lagen. Von den Nutzern des (viel weniger befahrenen) Landweges nach Zarfzow sei der Stadt berichtet worden, dass Eisstücke direkt am Weg und in geringem Abstand zu den Autos auf- geschlagen seien. Für die Landesstraße sieht die Stadt die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs mit der Erweiterung des Eignungsgebietes gefährdet. Im Waldstück östlich der Lan- desstraße befinde sich außerdem ein Brutplatz des Rotmilans. Die Errichtung einer bestehen- den Windenergieanlage im Gebiet Nr. N1 sei bereits mit der Auflage verbunden gewesen, eine Ablenkungsfläche nördlich des Waldstückes einzurichten. Der Flugkorridor vom Brutplatz zu dieser Ablenkungsfläche würde mit der Erweiterung des Eignungsgebietes eingeschränkt. Es sei widersinnig, erst die Umsetzung von Artenschutzmaßnahmen zu verlangen und dann die Grenzen des Eignungsgebietes so zu verschieben, dass diese Maßnahmen sinnlos würden. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist erneut auf die Lage des Ge- bietes Nr. N1 in der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdig- keit des Landschaftsbildes hin. Das Landesamt bekräftigt seine Auffassung, dass der 1.000- Meter-Abstand als zwingendes Ausschlusskriterium zu gelten habe, dessen Anwendung kei- ner planerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiederge- gebenen Ausführungen desselben Einwenders). Auch der Schutzabstand von 500 Metern zu dem im Landesraumentwicklungsprogramm 2016 festgelegten Vorranggebiet für Naturschutz und Landschaftspflege um den Lauf des Panzower Baches wird in Teilen des Gebietes Nr. N1 unterschritten. Dieser Schutzabstand gilt als Restriktionskriterium. Außerdem werde ein Min- destabstand von 2,5 Kilometern zu den benachbarten Vorranggebieten Nr. 15 und 117 nicht eingehalten. Dass im bisherigen Eignungsgebiet bereits Windenergieanlagen stehen, könne aus Sicht des Landesamtes kein Grund sein, dieses Gebiet als Vorranggebiet mit der RREP- Fortschreibung erneut festzulegen. Vielmehr sei ein Rückbau der vorhandenen Anlagen nach Ende ihrer Nutzungsdauer anzustreben, um das Landschaftsbild in diesem hochwertigen Landschaftsraum wiederherzustellen.

188 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist auf einen Brutplatz des Seeadlers hin, der sich in weniger als 3.000 Metern Entfernung vom Vorranggebiet Nr. N 1 befindet. Zur Einhaltung des notwendigen Schutzabstandes von 3.000 Metern sei die Gebietsabgrenzung anzupassen (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders zum Artenschutz im Allgemeinen und zum Schutz der Seeadler im Besonderen). Die ENO Energy GmbH regt eine geringfügige Erweiterung des Gebietes Nr. N 1 im Nord- westen an. Zum hier vorhandenen Wald sei gemäß § 20 Landeswaldgesetz ein Abstand von 30 Metern einzuhalten. Für die Einhaltung eines größeren Abstandes seien keine Gründe er- sichtlich. Im Südwesten sei die Bemessung der hier maßgebenden Schutzabstände zu den nächstgelegenen Wohnhäusern nicht nachvollziehbar. Die Einwenderin regt eine entspre- chende Korrektur der Abgrenzung an.

6.6.3 Zusammengefasste Abwägung Wesentliche Einwände zum Gebiet Nr. N 1 beziehen sich auf die Neufassung von Aus- schlusskriterien, welche mit den Empfehlungen des Energieministeriums vom Mai 2012 er- folgte und in modifizierter Form vom Planungsverband für die im selben Jahr begonnene RREP-Fortschreibung aufgegriffen wurde. Die ersten Entwürfe von 2013 und 2014 sahen vor, dass nur neue Eignungsgebiete nach den neuen Kriterien ausgewählt und die im RREP 2011 festgelegten Gebiete unberührt bleiben sollten. Aufgrund beginnender Planungen von Wind- parkbetreibern zum Ersatz alter Anlagen sowie der verstärkten öffentlichen Diskussion um an- gemessene Schutzabstände zu den Wohnorten wurde mit dem Entwurf vom November 2015 zunächst eine Anpassung aller früher festgelegten Eignungsgebiete anhand der betreffenden Abstandsrichtwerte vorgenommen. Im Zuge der nochmaligen Überarbeitung des Fortschrei- bungsentwurfes wurde im Jahr 2018 dann eine nochmals weitergehende Anpassung an sämt- liche neuen Ausschlusskriterien vorgenommen. Das Gebiet Nr. N 1 hat sich damit, bedingt durch den Entfall früher geltender Schutzabstände zu Wäldern, Straßen und Leitungen, etwas vergrößert. Grundsätzliche Erwägungen zur Bestimmung der Planungskriterien sind oben im Abschnitt 3.10 sowie im Umweltbericht wiedergegeben. Die vorsorglichen Schutzabstände zu Straßen und Leitungen wurden auf Empfehlung der Landesregierung insbesondere deshalb abgeschafft, um eine räumliche Bündelung von Windenergieanlagen mit anderen Infrastruktu- ren und Lärmquellen zu begünstigen. Die vorsorglichen Abstände zu Wäldern wurden abge- schafft, weil zum Teil kleine Waldstücke sehr große Ausschlussflächen erzeugt haben und in der Gesamtabwägung andere Kriterien des Natur- und Landschaftsschutzes als wichtiger er- achtet wurden. Der vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie angeregte Schutzabstand von 1.000 Metern um Räume mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes ist in der Empfehlung der Landesregierung als Ausschlusskriterium enthalten, wurde vom Pla- nungsverband aber nicht als solches übernommen. Wesentliche Gründe sind, dass ein Über- maß an Ausschlussgebieten vermieden werden musste und dass bereits ausgenutzte Eig- nungsgebiete wie das Gebiet Nr. N 1 nicht im Nachhinein für ungeeignet erklärt werden sollten. Im Unterschied zum Landesamt geht der Planungsverband davon aus, dass Bestandsschutz- interessen sehr wohl mit einem gewissen Gewicht in die planerische Abwägung einzubeziehen sind und dass nicht jede nachträgliche Neubestimmung von Planungskriterien umstandslos zur Aufhebung früher festgelegter und langjährig genutzter Eignungsgebiete führen darf. Die diesbezüglichen Überlegungen des Planungsverbandes sind im Abschnitt 3.10 wiedergege- ben. Bezüglich des Abstandes des Gebietes Nr. N 1 zu den benachbarten Vorranggebieten wird auf die im Abschnitt 3.5 wiedergegebenen grundsätzlichen Erwägungen zur lokalen Häu- fung von Windparks verwiesen. Der Planungsverband bleibt nach nochmaliger Prüfung bei seiner Auffassung, dass die Einhaltung eines pauschalen Mindestabstandes zwischen be- nachbarten Gebieten allein nicht geeignet ist, um die Grenze zwischen einer (grundsätzlich

189 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 gewollten) räumlichen Konzentration und einer (nicht gewollten) übermäßigen Zusammenbal- lung von Windenergieanlagen zu bestimmen. Die moderate Konzentration von Windparks in der Umgebung von Neubukow ist planerisch vertretbar und gewollt. Ein verträgliches Maß wird hier nicht überschritten. Die Schutzabstände zu den umliegenden Wohnorten hat der Planungsverband nochmals überprüft. Bezüglich des 800-Meter-Abstandes zu den Wohnhäusern in Panzow wird von ei- nem Einwender der Hinweis gegeben, dass Karte und Erläuterungstext zum Gebiet Nr. N 1 im Anhang des Umweltberichtes vom November 2018 nicht übereinstimmten. Diese Unstimmig- keit wird korrigiert. Der Planungsverband hatte ein Haus unberücksichtigt gelassen. das in der verwendeten digitalen Datengrundlage nicht als Wohnhaus verzeichnet war. Bei der Geneh- migung der im Gebiet bereits errichteten Windenergieanlagen war das betreffende Haus da- gegen als maßgebender Immissionsort mit den üblichen Richtwerten berücksichtigt worden. Die immissionsschutzrechtliche Einstufung war in Abstimmung mit den zuständigen Baube- hörden als Wohnhaus im Außenbereich analog zu einem Dorfgebiet erfolgt. Der Planungsver- band hat nochmals eine Ortsbesichtigung vorgenommen und festgestellt, dass seine für den Entwurf vom November 2018 verwendete Datengrundlage an dieser Stelle lückenhaft war. In der Grundkarte des RREP ist der Unterschied in der Abgrenzung kaum auffällig, in der genau- eren Kartendarstellung im Anhang des Umweltberichtes aber gut erkennbar. Mit der Korrektur wird die Einheit von kartografischer Darstellung und textlicher Beschreibung des Vorrangge- bietes wiederhergestellt. Bezüglich der Unterscheidung von zusammenhängend bebauten Ortschaften und Wohn- häusern im Außenbereich wird auf die grundsätzlichen Ausführungen im Abschnitt 5.1 ver- wiesen. Der Planungsverband hält die Differenzierung der maßgebenden Abstandsrichtwerte für sachgerecht und kann keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der betroffenen Bürger darin erkennen. Das Argument der Stadt Neubukow, dass über die möglichen Auswirkungen von Windenergieanlagen auf den Menschen noch große Unsicherheit bestehe und deshalb für alle Anwohner ein größtmöglicher Schutzabstand gelten müsste, überzeugt den Planungs- verband nicht. Mit 1.000 und 800 Metern wurden bereits sehr große Schutzabstände gewählt, die dem Grundsatz der Vorsorge bestmöglich entsprechen. Die Wirkung von Schallimmissio- nen auf die menschliche Gesundheit kann im Übrigen als relativ gut erforscht gelten. Der Pla- nungsverband erlaubt sich außerdem den Hinweis, dass auch die Stadt Neubukow selbst in ihrem Flächennutzungsplan eine Differenzierung zwischen Wohn- und Mischgebieten vor- nimmt und damit den jeweiligen Bewohnern unterschiedliche Grade von zumutbaren Belästi- gungen zuweist. Bei der Erweiterung des Vorranggebietes über die Landesstraße 104 im Nordosten ist der Planungsverband davon ausgegangen, dass das gesetzliche Anbauverbot selbstverständlich auch für Windenergieanlagen gilt. Auch unter Berücksichtigung des Anbauverbotes erscheint die betreffende Erweiterungsfläche für eine weitere Windenergieanlage nutzbar. Über die An- forderungen der Verkehrssicherheit ist durch die zuständigen Behörden im Genehmigungs- verfahren zu entscheiden. Zu den grundsätzlichen Erwägungen bezüglich eines regionalpla- nerischen Schutzabstandes zu Hauptverkehrswegen wird auf den Abschnitt 5.5 verwiesen. Eine mögliche erhebliche Einschränkung bevorzugter Flugkorridore des Rotmilans ist für den Planungsverband nicht ersichtlich. Die Schaffung neuer Grünlandflächen ist für den Erhalt die- ser Art sicherlich wichtig. Inwieweit tatsächlich eine „Lenkung“ der Flugbewegungen mit der Anlage solcher Flächen gelingen kann, erscheint dem Planungsverband angesichts der hohen räumlichen Variabilität des Rotmilans jedoch fraglich. Für die nordwestliche Erweiterung des Vorranggebietes über die Trasse der hier verlau- fenden Freileitung gelten sinngemäß die obigen Erläuterungen zur nordöstlichen Erweite- rung. Auch hier erscheint die betreffende Fläche unter Berücksichtigung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes zur Freileitung durchaus nutzbar. Die ausgedehnten Grünlandbereiche um den Panzower Bach werden von der Erweiterungsfläche nicht berührt. Eine mögliche er- hebliche Beeinträchtigung dieser Bereiche in ihrer Lebensraumfunktion für Vögel und Insekten

190 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ist für den Planungsverband nicht erkennbar. Der gesetzliche Waldabstand wurde bei der Neu- abgrenzung des Vorranggebietes bereits berücksichtigt. Bei der Berücksichtigung der Brutplätze des Seeadlers orientiert sich der Planungsverband an den geltenden Empfehlungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Es wird ein vorsorg- licher Schutzabstand von 2.000 Metern angewandt. Der weitergehenden Anregung des NABU-Landesverbandes wird nicht gefolgt. Hierzu wird auch auf die grundsätzlichen Erwä- gungen zum Artenschutz im Abschnitt 5.7 verwiesen. Regelungen zur Befeuerung der Windenergieanlagen liegen nicht in der Zuständigkeit der Regionalplanung. Der Hinweis auf die Vorbehalte der Flugsicherung wird zur Kenntnis genommen. Die zweck- mäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. N1 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

191 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.7 Kessin (Nr. 16)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt vollständig vollständig Aufhebung

6.7.1 Eingegangene Stellungnahmen • Regen – Regenerative Energien Kessin KG, Kessin

6.7.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die Regen – Regenerative Energien Kessin KG gibt ihre Stellungnahme zugleich im Namen der Nordum Windpark GbR ab. Die Einwender sprechen sich erneut gegen die Aufhebung des Eignungsgebietes Nr. 16 aus und bekräftigen nochmals ihre früher vorgetragenen Ein- wände, die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegeben wurden. Die Überplanung des Gebietes anhand pauschaler Abstandsrichtwerte sei nicht sachgerecht. Eine mögliche „optisch bedrängende“ Wirkung der Windenergieanlagen auf die Nachbarschaft hänge immer vom Verhältnis von Abstand und Anlagenhöhe ab. Solange es für dieses Ver- hältnis und für die Höhe der Anlagen keine allgemein gültigen Richtwerte gebe, könne der Planungsverband eine mögliche bedrängende Wirkung nicht zur Begründung seiner Ab- standswerte heranziehen. Wenn der Planungsverband davon ausgehe, dass aufgrund der ge- setzlichen Vergütungsregelungen und des damit erzeugten Wettbewerbsdrucks tendenziell immer die größtmöglichen Anlagen errichtet würden, sei dies eine Spekulation. Der Planungs- verband könne nicht im Voraus wissen, wie sich Stromnachfrage und Strompreise in den nächsten Jahren entwickeln werden, und es sei auch nicht Sache des Planungsverbandes, sich in die Lage privater Unternehmer hineinzuversetzen und deren Wirtschaftlichkeitsberech- nungen vorwegzunehmen. Ein Unternehmer müsse selbst einschätzen, inwieweit er dem Prin- zip der reinen Gewinnmaximierung folgen oder im Einzelfall davon abgehen wolle. Dies sei nicht die Aufgabe der Regionalplanung. Bezüglich einer möglichen Lärmbelästigung der An- wohner habe der Planungsverband selbst anerkannt, dass diese vor der Hintergrundbelastung durch die Autobahn wohl planerisch irrelevant sei. Für das Problem des Schattenwurfes habe der Planungsverband dies jedoch nicht in gleicher Weise erkennen wollen. Hierzu stellen die Einwender fest, dass entsprechende Abschalttechnik eingesetzt werde, sodass dieses Prob-

192 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 lem bei der RREP-Fortschreibung vernachlässigbar sei. Nicht nachvollziehen können die Ein- wender die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthaltenen Überlegungen des Planungsverbandes zur Zumutbarkeit von Standortalternativen. Dem Planungsverband müsse eigentlich klar sein, dass ein einfaches Ausweichen auf andere Standorte für die Be- treiber bestehender Windparks in der Praxis kaum möglich sei, weil sie nicht über die benötig- ten Grundstücke verfügten. Dazu hätte eine besondere Regelung des Inhalts getroffen werden müssen, dass den Betreibern Ersatzstandorte in den neuen Vorranggebieten zustehen wür- den. Da die RREP-Fortschreibung keine derartige Regelung enthalte, komme die Aufhebung bisheriger Eignungsgebiete einer Enteignung gleich. Auch der Umgang des Planungsverban- des mit den Hinweisen der Gemeinde Dummerstorf stößt bei den Einwendern auf Unverständ- nis: Es gebe sehr wohl gute Gründe, die bestehenden Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 16 kurzfristig durch neue zu ersetzen und sie nicht noch jahrelang weiterlaufen zu lassen. Die Betreiber hätten sich mit den Anwohnern und der Gemeinde darauf geeinigt die fünf alten Anlagen durch nur noch zwei neue zu ersetzen, die beide nur unwesentlich höher als die höchste der derzeit vorhandenen Anlagen sein sollten. Bezüglich der Abstände, der Schal- limmissionen und der optimierten Nachtkennzeichnung der Anlagen würden mit diesem Kon- zept erhebliche Verbesserungen für die Anwohner erreicht. Da für eine der beiden Ersatzan- lagen bereits eine Genehmigung erteilt wurde, sei die Windenergienutzung im Gebiet Nr. 16 ohnehin für die nächsten 30 Jahre als feststehende Tatsache anzusehen. Mit der Aufhebung des Eignungsgebietes würde der Planungsverband lediglich verhindern, dass alle fünf alten Anlagen in naher Zukunft zurückgebaut würden und auch die zweite Ersatzanlage genehmigt und errichtet werden könnte. Die Anwohner müssten somit noch länger mit einer für sie weni- ger günstigen Konstellation leben. In der Gesamtbetrachtung aller Belange ergebe die Aufhe- bung des Gebietes Nr. 16 keinen erkennbaren Sinn. Wenn der Planungsverband dennoch da- ran festhalten wolle, sollte die Möglichkeit einer „Öffnungsklausel“ für alte Eignungsgebiete nochmals in Betracht gezogen werden, um die Verwirklichung von örtlich angepassten Ersatz- vorhaben zu ermöglichen.

6.7.3 Zusammengefasste Abwägung Zu den grundsätzlichen Einwendungen gegen eine einheitliche Überplanung der früher fest- gelegten Eignungsgebiete wird auf die Ausführungen in den Abschnitten 3.10, 4.8 und 4.9 verwiesen. Die generelle Annahme des Planungsverbandes, dass bei der Neuerrichtung von Windparks in der Regel die größtmöglichen Anlagen gewählt werden, ist anhand der Ent- wicklung in der Region Rostock gut belegbar und deshalb mehr als eine bloße Spekulation. Der Planungsverband ist sich der Tatsache bewusst, dass die mit Blick auf einen längeren Planungszeitraum vorgenommene Anpassung der Eignungsgebiete in der aktuellen Situation zu Verwerfungen führen kann und dass einzelne bereits fortgeschrittene, aber noch nicht ge- nehmigte Planungen zum Ersatz bestehender Windparks damit durchkreuzt werden. Nach Kenntnis des Planungsverbandes handelt es sich jedoch tatsächlich um Einzelfälle. In der ge- samtregionalen Betrachtung erscheint dem Planungsverband die konsequente Anpassung der bestehenden Eignungsgebiete gerechtfertigt, sodass auch nach nochmaliger Abwägung der maßgebenden Belange daran festgehalten wird. Dem Planungsverband ist bekannt, dass nicht jeder Windparkbetreiber, wenn er heute den Ersatz seiner Anlagen plant, zwingend auf die größten verfügbaren Anlagentypen zurückgrei- fen wird. Dem Planungsverband ist ebenfalls bekannt, dass für einige (nicht für alle) betreffen- den Unternehmer die Wahl eines Alternativstandortes in einem anderen, fortbestehenden Eignungsgebiet keine reale Option darstellt. Dennoch erscheint dem Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung bis etwa 2030 die Annahme gerechtfertigt, dass die Entwicklung hin zu immer größeren und produktiveren Anlagen weitergehen wird und relativ wohnortnahe Stand- orte an Akzeptanz verlieren werden. Ebenso erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass auf- grund des zunehmenden Investitions- und Planungsaufwandes für Windparks die Bedeutung von Einzelunternehmern in dieser Branche weiter zurückgehen wird. Bereits heute wird nach Kenntnis des Planungsverbandes der Markt von Unternehmen dominiert, die in der Regel an

193 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 mehreren Standorten aktiv sind und somit prinzipiell auch standörtliche Alternativen in Betracht ziehen können. Im Sinne einer einheitlichen Vorgehensweise wird deshalb an der konsequen- ten Anpassung festgehalten. Die Annahme, dass die Aufhebung der betreffenden Eignungs- gebiete einer Enteignung der Windparkbetreiber gleichkomme, hält der Planungsverband für zu weitgehend. Das von der Einwenderin dargelegte Konzept, im Einvernehmen mit der Standortgemeinde die bestehenden fünf Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 16 durch zwei neue mit moderat angepasster Höhe zu ersetzen, ist grundsätzlich sinnvoll und entspricht den ursprünglichen Überlegungen des Planungsverbandes, die noch den ersten Entwürfen der RREP-Fortschrei- bung in den Jahren 2013 und 2014 zugrunde lagen. Im Laufe des Fortschreibungsverfahrens sind jedoch mit der forcierten Entwicklung größerer Anlagentypen und der Einführung von Wettbewerbselementen in das Vergütungssystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Ten- denzen sichtbar geworden, die eine konsequente Orientierung an einheitlichen Abstandsricht- werten begründen. Diese haben den Ausschlag für die erfolgte Abkehr vom ursprünglichen Planungsansatz der RREP-Fortschreibung im Umgang mit den alten Eignungsgebieten gege- ben. Der Planungsverband hat seine diesbezüglichen Erwägungen und die grundsätzlichen Planungsalternativen bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 umfäng- lich dargelegt. Im Abschnitt 3.10 sind diese Überlegungen nochmals wiedergegeben. Die Einführung einer sogenannten Öffnungsklausel für gemeindliche Planungen gehört nach Auffassung des Planungsverbandes nicht zu den gegebenen Planungsalternativen. Es sind zumindest Zweifel begründet, ob mit einer einfachen Verschiebung ungelöster Konflikte auf eine andere Planungsebene dem gesetzlichen Gebot der planerischen Konfliktbewältigung und der abschließenden Abwägung Genüge getan würde. Auch hierzu wird auf den Abschnitt 3.10 verwiesen. Die von der Einwenderin gegebene Anregung, dass Ersatzstandorte angeboten werden müssten, wenn bestehende Eignungsgebiete gänzlich aufgehoben werden, war bereits Gegenstand eigener Erwägungen des Planungsverbandes. Ein solches Angebot entzieht sich jedoch einer Regelung durch die Regionalplanung, weil diese keinen Einfluss darauf nehmen kann, welcher Unternehmer in einem neuen Vorranggebiet Windenergieanlagen errichten darf. Im RREP können keine Standorte für bestimmte Betreiber verbindlich reserviert werden. Der Planungsverband hat deshalb entsprechende Überlegungen nicht weiter verfolgt. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das ehemalige Eignungsgebiet für Wind- energieanlagen Nr. 16 nicht erneut als Vorranggebiet festgelegt.

194 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.8 Bentwisch (Nr. 17)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt vollständig vollständig Aufhebung

6.8.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Rostock und Groß Kussewitz

6.8.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Rostock nimmt als Betreiber des bestehenden Windparks in Bentwisch Stel- lung und sieht durch die Aufhebung des bisherigen Eignungsgebietes sein Recht auf Vertrau- ensschutz verletzt. Dieser Vertrauensschutz sei auch durch den gemeindlichen Bauleitplan begründet, der für den Windpark aufgestellt worden ist. Seine Familie habe Grundstücke im bisherigen Eignungsgebiet zu einem Kaufpreis erworben, der im Hinblick auf eine dauerhafte Nutzung als Windparkstandort kalkuliert gewesen sei. Mit der Aufhebung des Eignungsgebie- tes ginge der Wert der Grundstücke verloren, was auch die darauf noch lastenden Schulden berühre. Bis heute sei die Betreibergesellschaft des Windparks mit mehr als einer Million Euro Kreditschulden belastet. In der veranschlagten Restnutzungszeit der Windenergieanlagen könnten diese Schulden zwar voraussichtlich getilgt werden; dennoch sollte nach Auffassung des Einwenders einem ortsansässigen Unternehmen auch die Modernisierung seiner Anlagen mit einer langfristigen Perspektive ermöglicht werden. Der Planungsverband irre sich, wenn er unterstelle, dass der Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen mit Ablauf der gesetzlich garan- tierten Vergütungsfrist automatisch unwirtschaftlich werde. Ebenso irrtümlich werde unterstellt, dass jede Modernisierung zwangsläufig die Errichtung größerer und lauterer Anlagen bedinge. Anlagen der Größenklasse, wie sie im Windpark Bentwisch vorhanden sind, seien auch heute noch auf dem Markt verfügbar. Der Betrieb des Windparks sei wirtschaftlich, wenn der Strom für 5 Cent je Kilowattstunde verkauft werde, oder wenn er mit diesem Einstandspreis in Wärme umgewandelt werde, sodass dann die Wärme verkauft werden könne. Der Bedarf dafür sei vorhanden. Denkbar sei zum Beispiel die Nutzung des gemeindeeigenen Netzes der Straßen- beleuchtung, um Überschussstrom aus dem Windpark direkt an die Endverbraucher abzuge- ben, welche daraus dezentral für ihren Bedarf Wärme erzeugen könnten. Eine entsprechende Umrüstung der Gebäudeheizungen könnte vom Energieversorger übernommen werden. Die

195 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 jährlichen Heizkosten ließen sich damit halbieren. Der Einwender geht davon aus, dass mit solchen Lösungen die – in Bentwisch schon bislang hohe – Akzeptanz der Windenergienut- zung nochmals erheblich gesteigert werden könnte. Der Einwender versuche derzeit im Rah- men eines bundesweiten Kraft-zu-Wärme-Projektes gemeinsam mit anderen Anbietern ent- sprechende Modelle zu entwickeln. Mit der Aufhebung des Eignungsgebietes würde der einzige Standort in Bentwisch unwiederbringlich verloren gehen, an dem ein solches Modell auf Gemeindeebene praktisch umgesetzt werden könnte. Grundsätzlich falsch sei auch die Annahme des Planungsverbandes, dass Windenergieanlagen nur für eine begrenzte Nut- zungszeit betrieben werden könnten. Es handle sich um robuste Anlagen, deren Komponenten ständig gewartet, regelmäßig überprüft und bei Bedarf repariert oder erneuert würden. Die technische Nutzungsdauer der Anlagen sei somit prinzipiell unbegrenzt. Der Einwender hebt auch die ökologische Aufwertung hervor, die mit der Errichtung der vorhandenen Windener- gieanlagen und den dafür durchgeführten Kompensationsmaßnahmen eingetreten sei. Mit ei- ner Rückverwandlung des Windparkstandortes in Ackerland würden wertvolle, über 25 Jahre gewachsene Biotopstrukturen verloren gehen. Ein Bürger aus Groß Kussewitz begrüßt die Aufhebung des Eignungsgebietes Nr. 17 und begründet dies mit Belästigungen durch Lärm und Schattenwurf der vorhandenen Anlagen. Ein Ersatz dieser Anlagen sollte nach Ansicht des Einwenders nicht zugelassen werden. Auch eine Zulassung von Windenergieanlagen-Prototypen per Ausnahmegenehmigung sollte nicht erfolgen. Eine Bürgerin aus Groß Kussewitz begrüßt die Aufhebung ebenfalls und verweist auf die große Nähe zum Wohngebiet. Auch würden Rotmilane in der Nähe brüten.

6.8.3 Zusammengefasste Abwägung Die vorgebrachten Einwände betreffen überwiegend das grundsätzliche Vorgehen des Pla- nungsverbandes bei der Anpassung und Aufhebung früher festgelegter Eignungsge- biete. Hierzu wird auf die allgemeinen Erwägungen in den Abschnitten 3.10, 4.8 und 4.9 ver- wiesen. Der Planungsverband unterstellt nicht, dass der Betrieb einer Windenergieanlage mit Ablauf der gesetzlichen Vergütungsfrist automatisch unwirtschaftlich würde. Auch ist dem Pla- nungsverband bekannt, dass kleine und mittelgroße Anlagen nach wie vor auf dem Markt er- hältlich sind. Dennoch entspricht es der bisherigen Erfahrung in der Region Rostock, dass die Windparkbetreiber aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen in der Regel nach einer Laufzeit von etwa 20 Jahren über einen Ersatz ihrer Anlagen nachdenken – sofern ein solcher Ersatz am selben Standort planungsrechtlich möglich ist. Ebenso entspricht es der bisherigen Erfah- rung, dass im Ersatzfall auf die Errichtung möglichst großer Anlagen orientiert wird und dass die letzte Novellierung der gesetzlichen Vergütungsregelungen im Jahr 2017 nochmals eine erhebliche Anreizwirkung zum Einsatz möglichst profitabler und ertragsstarker Anlagen entfal- tet hat. Andere Modelle, die auf Ertragsmaximierung verzichten und stattdessen auf lokale Vermarktung des erzeugten Stroms zu auskömmlichen Preisen basieren, mögen auch in Zu- kunft in bestimmten Einzelfällen möglich sein – die technische und wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre deutet jedoch nach Ansicht des Planungsverbandes nicht darauf hin, dass solche Modelle landesweit zu einer Regellösung werden könnten. Auch nach nochmaliger Würdigung der diesbezüglichen Einwände hält es der Planungsverband deshalb für gerecht- fertigt, sich bei der Fortschreibung des RREP am heutigen Stand der Technik sowie an aktuell marktbeherrschenden Anlagengrößen zu orientieren und die Eignungs- und Vorranggebiete entsprechend anzupassen. Dessen ungeachtet wird der Planungsverband die Entwicklung in den nächsten Jahren weiter beobachten, und er kann seine heute getroffenen Entscheidungen bei der nächsten Überarbeitung des RREP korrigieren, wenn sich Annahmen als falsch her- ausstellen sollten. Aus der Aufhebung alter Eignungsgebiete folgt kein unmittelbarer Zwang zum Rückbau der bestehenden Anlagen. Diese können, wie vom Betreiber des Windparks im Gebiet Nr. 17 dargelegt wird, bei guter Wartung sehr lange betrieben werden. Auch der Ein- bindung solcher Anlagen in lokale Projekte der Kraft-Wärme-Kopplung, wie sie vom selben Einwender angeregt wird, steht nichts entgegen. Wenn die Entwicklung der nächsten Jahre

196 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 zeigen sollte, dass ein vermehrter Standortbedarf für dezentrale, verbrauchernahe Lösungen mit kleineren Windenergieanlagen entsteht, kann darauf mit zukünftigen RREP-Fortschreibun- gen reagiert werden. Die Frage, ob vorhandene Bauleitpläne bei der Überplanung der alten Eignungsgebiete be- sonders berücksichtigt werden sollten, ist bereits in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 erörtert worden. Die maßgebenden Erwägungen sind im Abschnitt 3.10 noch- mals wiedergegeben. Der Planungsverband bleibt nach nochmaliger Überprüfung bei seiner Auffassung, dass eine vorrangige Ausrichtung des Planungskonzeptes an den gemeindlichen Plänen tendenziell zur Ungleichbehandlung der betreffenden Windparkbetreiber führen würde und deshalb nicht vorzugswürdig wäre. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 und in der vorliegenden Dokumentation wiedergegebenen Stellungnahmen zum Gebiet Nr. 17 und zu anderen früher festgelegten Eignungsgebieten machen deutlich, dass sich am Ersatz alter Windparks in den Gemeinden erhebliche Konflikte entzünden können. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das ehemalige Eignungsgebiet für Wind- energieanlagen Nr. 17 nicht erneut als Vorranggebiet festgelegt.

197 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.9 Neubukow (Nr. 22)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise teilweise Anpassung

6.9.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Satow, Rakow und anderen Orten • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienst- stelle Kiel – Schutzbereichbehörde) • Gemeinde Am Salzhaff • Stadt Neubukow • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Bürgerenergiegesellschaft „Am Salzhaff“ GbR, Rakow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • ENO Energy GmbH, Rerik • Wind-Projekt GmbH, Börgerende

6.9.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Satow hatte als Grundeigentümer im Gebiet Nr. 22 bereits zu einem voran- gegangenen Entwurf der RREP-Fortschreibung Stellung genommen und eine Neuabgrenzung des Gebietes anhand der einheitlich angewandten Ausschluss- und Abstandskriterien ange- regt. Der Einwender begrüßt ausdrücklich, dass der Planungsverband dieser Anregung gefolgt sei und bekräftigt, dass mit dieser Neuabgrenzung allen Interessen und Belangen bestmöglich Rechnung getragen würde. Kritik übt der Einwender an der im Umweltbericht vom November enthaltenen Angabe, wonach das neue Vorranggebiet nur noch Platz für drei Windenergiean- lagen bieten würde (vgl. hierzu die im Abschnitt 12 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders).

198 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Ein Bürger (vermutlich aus Rakow oder Buschmühlen) nimmt als Anwohner Stellung und begrüßt die Neuabgrenzung des Vorranggebietes. Allerdings habe man mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass der Planungsverband bezüglich der tatsächlichen Situation vor Ort wohl nicht auf dem neuesten Stand sei. Die Gemeinde Am Salzhaff und die (nach Ansicht des Einwenders zu Unrecht so genannte) Rakower Bürgerwindparkgesellschaft hätten bereits Fak- ten geschaffen und weit außerhalb des neu abgegrenzten Vorranggebietes wesentlich größere neue Windenergieanlagen errichtet. Durch offensichtliche Unterschreitung sämtlicher Schutz- abstände seien nunmehr Schattenschlag und nächtliche Befeuerung ständige Begleiter der Anwohner. Selbst beim Haus des Einwenders, das etwas außerhalb der Mindestabstände liege, seien bei entsprechender Windrichtung deutliche Geräuschimmissionen wahrzuneh- men. Über den Seeadler müsse man sich wohl keine Gedanken mehr machen, da dessen Horst mutwillig zerstört worden sei. Die von der Gemeinde vorgeschobene Idee eines „ener- gieautonomen Dorfes“ sei technisch unausgegoren und unrealistisch. Am Windpark würden wohl nur einige ausgewählte „Bürger“ verdienen, die wahrscheinlich mit den Gesellschaftern der Windparkgesellschaft identisch seien. Ein Bürger aus Rakow beklagt, dass trotz der bereits geplanten Aufhebung des Gebietes Nr. 22 im Jahr 2018 vier Ersatzanlagen auf dem Gebiet der Gemeinde Am Salzhaff neu er- richtet wurden. Diese Anlagen stellten für den Einwender eine essenzielle gesundheitliche Be- lastung dar. Die Schlaggeräusche der Rotoren seien allgegenwärtig. Diese dominanten Ge- räusche seien nicht nur hörbar, sondern auch als Druckgefühl auf dem Trommelfell spürbar. Nur innerhalb des Hauses und hinter dem Haus lasse dieses Druckgefühl nach. Die Fenster könne man nicht mehr öffnen, ohne sich auch im Haus dieser Belastung auszusetzen. Zu den Schlaggeräuschen der Rotoren kämen ein tieftönendes Brummen, das wohl von den Genera- toren oder der Anlagenkühlung herrühre, und ein dumpfes Mahlgeräusch von den Generato- ren, das gerade noch hörbar und zugleich schon körperlich spürbar sei. Zusätzlich sei ein klingender Dauerton zu hören. Nur wenn er bei Spaziergängen sein Anwesen verlasse, spüre der Einwender, wie sein gesamtes Nervensystem „aufatmen“ könne. Derselbe Effekt sei spür- bar gewesen, als die Anlagen einmal für einen ganzen Tag stillgestanden hätten. Auch der Schattenschlag der neuen Anlagen wirke sich erheblich störend auf das Anwesen des Ein- wenders aus. Das gesamte Grundstück sei davon betroffen. Schon im Februar 2019 sei das Wohnhaus über neun Stunden dem Schattenwurf ausgesetzt gewesen. Auf den Sitzungen der Gemeindevertretung sei erklärt worden, dass der Schattenwurf durch eine Automatik in den Anlagen ausgeschaltet werde. Der Einwender habe diesen Erklärungen nicht geglaubt, und die Erfahrung zeige nun, dass dieses Misstrauen berechtigt gewesen sei. Die entsprechende Programmierung der Anlagen müsse entweder noch fehlen, oder sie sei falsch eingestellt. Von den zuständigen Behörden erhalte der Einwender leider keinerlei Unterstützung. Diese verträ- ten ausschließlich die Interessen der Anlagenbetreiber. Für die nächtliche Befeuerung der An- lagen sei ebenfalls eine bedarfsabhängige Steuerung zugesichert worden. Auch diese funkti- oniere nicht. Die Blinklichter stellten für den Einwender noch die geringste Belastung dar – stören würden sie dennoch. Das Grundstück des Einwenders befinde sich etwa 500 Meter vom Windpark entfernt und gehöre laut einer Satzung aus dem Jahr 1996 zum Innenbereich des Ortes Rakow. Das Gebiet Nr. 22 sei damit viel zu dicht am Ort gelegen und müsse aufge- hoben werden. Der Einwender fragt, warum der Planungsverband nicht von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Planungen zum Ersatz des alten Windparks zu untersagen. Der Einwender müsse jetzt die Folgen dieser Unterlassung tragen. Ein Verkauf seines Anwesens komme für den Einwender nicht in Betracht. Der Wert sei dermaßen gemindert, dass es dem Einwender nicht mehr möglich wäre sich anderswo etwas vergleichbares aufzubauen. Der Einwender berichtet auch von Adlerjungen, Kranichen, Rotmilanen und anderen Vögeln, die er nahezu täglich in unmittelbarer Nähe der Windenergieanlagen beobachten könne, obwohl gutachterliche Stellungnahmen zu ganz anderen Ergebnissen gekommen seien. Eine Bürgerin aus Rakow verlangt eine vollständige Aufhebung des Eignungsgebietes Nr. 22 und äußert auch grundsätzliche Kritik am Ausbau der Windenergienutzung, den Regelungen der RREP-Fortschreibung und an der Vorgehensweise des Planungsverbandes bei der Flä-

199 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 chenauswahl (vgl. hierzu auch die in verschiedenen Abschnitten dieser Dokumentation wie- dergegebenen Ausführungen der Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augen- maß“, die von der Einwenderin gleichlautend vorgebracht werden). Am Beispiel des Gebietes Nr. 22 werde deutlich, dass der Staat nicht in der Lage sei, sichere und umweltverträgliche Verhältnisse für Mensch, Natur und Landschaft herzustellen. Es werde nicht zum Wohle des Landes, sondern zum Wohle einer Industrie geplant, die sich selbst am nächsten sei und die weder vor Manipulation noch vor der Verbreitung „alternativer Fakten“ zurückschrecke. Wer sich heutzutage noch an Recht und Ordnung halte und eigene, selbstkritische und reflektierte Wertvorstellungen für einen sorgsamen Umgang mit sich selbst, der Natur und der Landschaft entwickelt habe, werde schnell eines besseren belehrt. Der Planungsverband habe für die Windenergie-Vorranggebiete eine Mindestgröße von 35 Hektar vorgegeben. Das im Entwurf vom November 2018 neu abgegrenzte Gebiet Nr. 22 umfasse 30 Hektar. Wie könne der Pla- nungsverband zunächst eine allgemeine Regel aufstellen, um sie dann für die sogenannten Altgebiete gleich wieder außer Kraft zu setzen? Eine solche Verfahrensweise sei grundsätzlich abzulehnen. Der Planungsverband habe selbst Ausschlusskriterien aufgestellt, die keiner Ab- wägung zugänglich sein sollen. Dazu gehörten die Schutzabstände von 1.000 Metern zu Wohnorten und von 2.000 Metern zu Brutplätzen des Seeadlers. Bei richtiger Anwendung die- ser Kriterien müsste das Gebiet Nr. 22 vollständig ausgeschlossen werden. Bezüglich der Wohnbebauung müsse der Planungsverband den aktuellen Planungsstand für die Ortsteile Buschmühlen und Rakow zugrunde legen, anstatt auf veraltete Pläne zurückzugreifen. Auf Nachfrage beim zuständigen Umweltamt habe man die Auskunft erhalten, dass Seeadler durchaus brutplatztreu seien und keineswegs – wie es der Planungsverband suggerieren wolle – ständig den Horst wechselten. Somit könne durchaus eine randscharfe Abgrenzung der Vor- ranggebiete anhand der Nistplätze und des maßgebenden Schutzabstandes vorgenommen werden. Die Vorgehensweise des Planungsverbandes – also die Orientierung an der jeweils nächsten topografisch bestimmbaren Grenze, die hier durch den vorhandenen Windpark ge- setzt wird – sei mit dem Naturschutzrecht nicht vereinbar. Da dem Planungsverband der ge- naue Horststandort bekannt sei, müsse ein klar definierter Schutzabstand eingehalten werden. Die Familie der Einwenderin habe sich durch persönliche Inaugenscheinnahme überzeugt, dass der Horst in der Brutsaison 2019 besetzt sei. Flüge – vor allem juveniler – Seeadler durch den vorhandenen Windpark könnten durch zahlreiche private Fotos belegt werden. Ein von der Windparkgesellschaft im Jahr 2017 vorgelegtes Gutachten, welches kein signifikant er- höhtes Kollisionsrisiko für den Seeadler ausweise, sei damit wiederlegt. Vollkommen unver- ständlich sei die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 zum Ausdruck ge- brachte gleichgültige Haltung des Planungsverbandes gegenüber den Planungen zum Ersatz der vorhandenen Anlagen im Neubukower Teil des Windparks. Die Einwenderin macht um- fangreiche Ausführungen zu diversen Unregelmäßigkeiten und behördlichen Pflichtverletzun- gen bei der Genehmigung und Überwachung des vorhandenen Windparks, die sie selbst er- mittelt habe. Angesichts der erwiesenen Inkompetenz der staatlichen Behörden sei es der Einwenderin schleierhaft, wie der Planungsverband den geplanten Ersatz der vorhandenen Windenergieanlagen als verträgliche und vertretbare Lösung ansehen könne. Möglicherweise habe hier die Haltung der Stadt Neubukow den Ausschlag gegeben, die sich in der Verbands- versammlung des Planungsverbandes für den Erhalt des „eigenen“ Eignungsgebietes ausge- sprochen, gegen alle anderen Gebiete in der Umgebung jedoch Widerspruch eingelegt habe. Dort habe sich die Stadt auch für höhere Abstände zu den Wohnorten ausgesprochen, wäh- rend sie bei ihren eigenen Planungen im Gebiet Nr. 22 noch nicht einmal die vorgegebenen 1.000 Meter Abstand zur Ortschaft Buschmühlen einhalte. Eine solche Verlogenheit sei symp- tomatisch für die heutige Politik. Der Planungsverband ermuntere mit seiner Abwägung die Windparkbetreiber, die ohne Rücksicht auf die laufende RREP-Fortschreibung ihre Planungen zum Ersatz bestehender Windparks vorantrieben. Es werde bewusst toleriert, dass noch vor der Verbindlichkeit der RREP-Fortschreibung neue Anlagen errichtet werden, die dann später Bestandsschutz genössen, obwohl sie außerhalb der Vorranggebiete stünden. Der Planungs- verband befürworte die Aushebelung seiner eigenen Planung und habe es – trotz der schon früher gegebenen Hinweise der Einwenderin – unterlassen, den bereits erfolgten Ersatz der Anlagen im Rakower Teil des Windparks durch eine befristete Untersagung zu verhindern.

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Nun seien in 480 Metern Entfernung zum Wohnhaus der Einwenderin neue Anlagen errichtet worden, ohne dass überhaupt eine rechtskräftige Bebauungsplanung dafür vorliege. Sämtli- che Schutzmechanismen, welche die Einwenderin und ihre Gesundheit vor Beeinträchtigun- gen bewahren sollten, seien von den Behörden bewusst ausgehebelt worden. Es werde deut- lich, wie sehr Korruption, Manipulation und Profitgier unsere Welt heutzutage beherrschten und ein Rechtsverständnis unterstützt werde, dass auf ein Ausloten von Schlupflöchern aus- gerichtet sei, anstatt die Intentionen des Gesetzgebers zu erfassen und sachgerecht umzu- setzen. Als Beispiel für die verbreitete Praxis der Manipulation könne die behauptete Absicht der Gemeinde Am Salzhaff gelten, ein „energieautarkes Dorf“ zu werden. Diese Absicht sei weder durch konkrete Ziele und Maßnahmen untersetzt, noch seien irgendwelche Bestrebun- gen erkennbar, ein solches Unterfangen jemals wirklich umzusetzen. Das Konzept der Ener- gieautarkie solle nur im Interesse einer Investorengruppe etwas vorgaukeln, und die entspre- chenden Beschlüsse würden von ehrenamtlichen Gemeindevertretern ohne fachliche Kompetenz gefasst. Der Planungsverband habe die Pflicht, für die Gesundheit der Bevölke- rung einzutreten, Vorsorge für kommende Generationen zu treffen und den Ausverkauf des Landes zu verhindern. Das Land dürfe nicht zu einer Stromexportkolonie verkommen. Eine weitere Bürgerin aus Rakow zeigt sich enttäuscht, dass das Gebiet Nr. 22 im Entwurf vom November 2018 wieder enthalten ist. Die Einwenderin habe gehofft, dass der Planungs- verband und die zuständigen Behörden das Gebiet anhand der Abstände zu den Wohnorten ordentlich prüfen würden. Nun hätten jedoch der Windparkbetreiber und Vertreter der Ge- meinde die Errichtung größerer Windenergieanlagen durchgesetzt, ohne Rücksicht auf die Anwohner zu nehmen. Die Einwenderin fragt, warum der Planungsverband die Errichtung die- ser Anlagen nicht verhindert habe. Die höheren Anlagen seien vom Haus der Einwenderin nun deutlich zu sehen, auch der Flügelschlag sei zu hören. Kraniche, Milane und andere Zugvögel würden in ihrem Flug gestört; einige würden wohl auch getötet oder vertrieben. Die Einwen- derin überlege, ob sie aus Rakow wegziehen sollte – aufgrund der Wertminderung ihrer Im- mobilie würde es jedoch nicht einfach werden, einen akzeptablen Preis zu erzielen. Es gebe in Mecklenburg-Vorpommern so viele Freiflächen, auf denen Windenergieanlagen errichtet werden könnten – die Erneuerung des Windparks in Rakow hätte aus Sicht der Einwenderin nicht sein müssen. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel – Schutzbereichbehörde) weist auf die Lage des Vorranggebietes im In- teressengebiet (35-Kilometer-Umkreis) um die Großradaranlage Elmenhorst (Nordwestmeck- lenburg) hin. Anhand von Höhen, Standorten und Typen geplanter Windenergieanlagen sei zu gegebener Zeit zu prüfen, ob negative Auswirkungen auf die Radarerfassung befürchtet wer- den müssen. Im Ergebnis dieser Prüfungen könne es zu ablehnenden Bescheiden kommen. Die Gemeinde Am Salzhaff spricht sich für eine Beibehaltung des Gebietes Nr. 22 in der bisherigen Abgrenzung aus. Die Einnahmen aus dem Windpark trügen seit Jahren mittelbar und unmittelbar mit einem entscheidenden Anteil zur finanziellen Selbständigkeit und Hand- lungsfähigkeit der Gemeinde bei. Eine Reduzierung oder Aufhebung des Gebietes hätte somit existenzielle Auswirkungen auf die Gemeinde. Ersatz und Erneuerung vorhandener Anlagen sollten innerhalb der Grenzen des vorhandenen Windparks, soweit er sich auf dem Gebiet der Gemeinde befindet, auch in Zukunft möglich bleiben. Die Stadt Neubukow begrüßt, dass der Planungsverband von der ursprünglich geplanten Aufhebung des Eignungsgebietes Nr. 22 Abstand genommen hat. Ihre diesbezüglichen Ein- wände seien insoweit aufgegriffen worden. Die Stadt befürwortet die Anpassung des bisheri- gen Eignungsgebietes im Hinblick auf den nunmehr erhöhten Schutzabstand zur Ortschaft Buschmühlen. Dies komme den Interessen der Stadt und der Anwohner entgegen. Die Stadt selbst habe den aktuellen Planungen des Windparkbetreibers zum Ersatz der vorhandenen Windenergieanlagen nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die dem Ort nächstgelegene Anlage entfallen würde. Die vom Planungsverband mit Rücksicht auf die Belange des Vogel- schutzes vorgenommene südliche Abgrenzung sei nachvollziehbar. Ebenso wird die östliche

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Abgrenzung befürwortet. Eine mögliche Ausweitung des Vorranggebietes über den hier ver- laufenden Landweg hinaus nach Osten wäre abzulehnen, da die Stadt entsprechend ihrer Funktion als Grundzentrum im Flächennutzungsplan neue Wohnbauflächen am westlichen Stadtrand vorgesehen habe. Ein Heranrücken des Windparks an diese geplanten Wohnbau- flächen wäre von der Stadt nicht gewollt. Die Stadt weist auf den bestehenden Bebauungsplan Nr. 9 „Windpark Neubukow“ hin. Sie habe selbst nicht beabsichtigt, diesen Bebauungsplan zu ändern. Wenn nun aufgrund der RREP-Fortschreibung eine Änderung erforderlich werde, würde man für die entstehenden Kosten die Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen prüfen und diese gegebenenfalls geltend machen. Auch auf die Möglichkeit von Schadenersatzan- sprüchen Dritter, die nach geltendem Recht vom Land zu erstatten wären, weist die Stadt ausdrücklich hin. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg weist darauf hin, dass sich das Vorranggebiet Nr. 22 in seiner neuen Abgrenzung mit der 2.000-Meter- Abstandszone um einen nahegelegenen Seeadlerbrutplatz überschneidet. Wenn im betreffen- den Teil des Vorranggebietes Windenergieanlagen neu genehmigt werden sollten, wäre dies nur mit einer artenschutzrechtlichen Ausnahme möglich, was das Amt generell als rechtlich fragwürdig ansieht (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen des- selben Einwenders). Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die Überschneidung des Gebietes Nr. 22 mit der 2.000-Meter-Abstandszone um einen nahegelegenen Großvogelbrut- platz, der 500-Meter-Abstandszone um ein Vogelschutzgebiet sowie der 1.000-Meter-Ab- standszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hin. Nach Auffassung des Landesamtes hätten alle diese Abstandskriterien als Ausschlusskriterien für die Windenergienutzung zu gelten, die keiner planerischen Abwägung zugänglich sein dürften. Die Bürgerenergiegesellschaft „Am Salzhaff“ GbR nimmt als Betreiberin der Windenergie- anlagen im westlichen Teil des vorhandenen Windparks Stellung und lehnt die Anpassung des ursprünglichen Eignungsgebietes Nr. 22 ab. Dieses Eignungsgebiet sei von der Gemeinde Am Salzhaff durch einen Bebauungsplan untersetzt worden, und im Rahmen dieser Planung seien mögliche Beeinträchtigungen von Mensch und Tier umfassend untersucht worden. Auf der Grundlage dieses Bebauungsplanes seien die vorhandenen vier Anlagen mit einer Bauhöhe von 150 Metern genehmigt worden. Die Einwenderin weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich hierbei nicht um alte, sondern um neu errichtete Anlagen handelt und dass der diesbe- zügliche Eintrag in der Tabelle 2 der Abwägungsdokumentation vom November 2018 insoweit falsch gewesen sei. Der vom Planungsverband angesetzte essenzielle Mindestabstand von 500 Metern werde zu den umliegenden Wohnhäusern eingehalten. Für die nachträgliche An- wendung eines weitergehenden Schutzabstandes fehle eine gesetzliche Grundlage. Nach An- sicht des Einwenders dürfte die Anwendung solcher „weicher“ Kriterien nicht willkürlich über die gemeindliche Planungshoheit gestellt werden. Dass der Betrieb der vorhandenen Anlagen den maßgebenden Vorschriften, insbesondere der Technischen Anleitung Lärm, entspreche, sei im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durch das zuständige Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bestätigt worden. Im Übrigen seien die bereits früher vorgetragenen Einwände der Rakower Bürgerwindpark GmbH & Co KG und der Gemeinde Am Salzhaff, wie sie in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegeben wurden, zu bekräf- tigen. Der Windpark Rakow bilde die Basis der wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinde. Die angestrebte Autarkie bei der Energieversorgung sei Voraussetzung für die Ansiedlung weiterer Gewerbebetriebe. Dies stehe auch im Einklang mit den touristischen Entwicklungs- zielen der Gemeinde. Der Planungsverband gehe von einer falschen Annahme aus, wenn er glaube, dass die 2017 novellierten Vergütungsregelungen die Errichtung immer größerer An- lagen mit Bauhöhen deutlich über 150 Metern erzwingen würden. Die Einwenderin habe sich selbst an Ausschreibungen auf der Grundlage des aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetzes beteiligt und könne die neu errichteten Anlagen unter den am Standort herrschenden Windbe- dingungen wirtschaftlich betreiben. Der Planungsverband könne heute gar nicht vorhersehen,

202 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 wie die Anlagentechnik sich in den kommenden 20 Jahren – also in dem für den neuen Wind- park Rakow garantierten Vergütungszeitraum – entwickeln werde und mit welchen Emissionen und visuellen Auswirkungen bei zukünftigen Anlagengenerationen gerechnet werden müsse. Für das Gebiet Nr. 22 entbehre die vom Planungsverband vorgenommene Anpassung somit einer planerischen Rechtfertigung. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist auf einen Brutplatz des Seeadlers hin, der sich in weniger als 3.000 Metern Entfernung vom Vorranggebiet Nr. 22 befindet. Außerdem werde der notwendige Schutzabstand zum westlich gelegenen Vogelschutzgebiet „Wismarbucht und Salzhaff“ nicht eingehalten. Zum Schutzgebiet sei ein Abstand vom zehnfachen der Höhe der zu errichtenden Windenergieanlagen, mindestens jedoch von 1.200 Metern erforderlich (vgl. auch die in den Abschnitten 5.6 und 5.7 wiedergegebenen allgemeinen Ausführungen dessel- ben Einwenders zur Berücksichtigung der Vogelschutzgebiete und zum Schutz der Seeadler). Der NABU lehnt die Festlegung des Gebietes Nr. 22 deshalb ab. Auch aus Gründen des Fle- dermausschutzes sei der Betrieb von Windenergieanlagen an diesem Standort kritisch zu be- urteilen. Der NABU wiederholt diesbezüglich seinen schon früher gegebenen Hinweis auf ge- häufte Totfunde von Fledermäusen unter den hier vorhandenen Anlagen. Die ENO Energy GmbH regt eine umfassende Überprüfung der Gebietsabgrenzung an. Die vom Planungsverband vorgesehene Abgrenzung erwecke den Eindruck, dass maßgebende Kriterien nicht einheitlich und konsequent angewandt worden seien. Bei Heranziehung der vom Planungsverband festgelegten Ausschlusskriterien ergebe sich eine wesentlich größere Fläche als im Entwurf vom November 2018 dargestellt. Die Einwenderin geht in ihrem Vor- schlag davon aus, dass die Ansiedlung Buschmühlen und die Wohnhäuser am Südrand von Rakow dem Außenbereich zuzuordnen wären und somit nur einen Schutzabstand von 800 Metern erforderten. Im Westen sei eine Ausdehnung des Vorranggebietes bis zur Straße mög- lich, die zugleich die Grenze des Vogelschutzgebietes bildet. Im Süden seien 1.000 Meter Abstand zur Ansiedlung Questin und im Osten 2.500 Meter Abstand zum benachbarten Vor- ranggebiet Nr. N 1 zu berücksichtigen. In dieser Abgrenzung entstünde ein Gebiet von 110 (statt 30) Hektar Größe. Die Wind-Projekt GmbH begrüßt die erneute Festlegung des Gebietes Nr. 22. Im Gebiet seien Windenergieanlagen seit Jahren im Betrieb, und in Abstimmung mit der Stadt Neubukow werde derzeit ein Ersatz der vorhandenen Anlagen geplant. Die Einwenderin regt allerdings eine wesentlich geänderte Abgrenzung des Gebietes an, welches dann im Westen bis zur Straße, im Osten bis auf 1.000 Meter Abstand zu den Wohngebieten der Stadt Neubukow und im Süden bis an das Waldgebiet Neubukower Tannen heranreichen würde. Darüber hinaus sollten mögliche eigene Planungsabsichten der Stadt Neubukow Berücksichtigung finden, in- dem der Stadt geringe Abweichungsspielräume bei der späteren Übernahme des Vorrangge- bietes in ihre Bauleitplanung zugestanden werden.

6.9.3 Zusammengefasste Abwägung Die zum Gebiet Nr. 22 eingegangenen Stellungnahmen machen die unterschiedlichen Inte- ressenlagen, die mit der Überplanung der alten Eignungsgebiete verbunden sind, exempla- risch deutlich. Einzelne Einwender regen an das Gebiet Nr. 22 aus dem RREP zu streichen, weil es in der neuen Abgrenzung weniger als 35 Hektar umfasst, oder weil es bei vermeintlich richtiger Anwendung der maßgebenden Abstandskriterien vollständig von diesen überdeckt würde. Der Planungsverband hatte in seinem Entwurf vom November 2015 das Gebiet Nr. 22 zunächst selbst zur Streichung vorgesehen. Für diesen Entwurf wurden damals noch weniger präzise Daten zur Bemessung der Schutzabstände verwandt, und bezüglich der freizuhalten- den Flugkorridore des Seeadlers gab es noch keine eingeführte Bewertungsmethodik, sodass der Planungsverband sich diesbezüglich auf Einschätzungen der Naturschutzbehörde gestützt hatte. Für den Entwurf vom November 2018 wurde dann eine genauere Abgrenzung vorge- nommen, und die maßgebenden Lebensraumansprüche des Seeadlers wurden nach dem

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Prüfschema der 2016 eingeführten Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe be- stimmt – mit dem Ergebnis, dass eine relativ kleine, aber dennoch hinreichende Fläche für die Festlegung als Vorranggebiet in Frage kommt. Dass die Mindestgröße von 35 Hektar auf be- stehende, langjährig genutzte Eignungsgebiete nicht in gleicher Weise angewandt wird wie bei der Neuauswahl bisher ungenutzter Flächen, wurde bereits in der Abwägungsdokumenta- tion vom November 2018 dargelegt und begründet. Die entsprechenden Gründe sind in den Abschnitten 3.10 und 4.9 nochmals ausgeführt. Der Planungsverband hält nach nochmaliger Abwägung an dieser Vorgehensweise fest. Andere Einwender regen an, das Gebiet Nr. 22 noch wesentlich zu erweitern. Soweit es die maßgebenden Abstände zu den Wohnorten betrifft, gibt es unterschiedliche Meinungen dar- über, ob bestimmte Siedlungsteile den zusammenhängend bebauten Ortschaften (mit 1.000 Metern Schutzabstand) oder dem Außenbereich zuzuordnen wären. Es geht hierbei um den Ortsteil Buschmühlen der Stadt Neubukow sowie die Neubauten am Südrand der Ortschaft Rakow. In beiden Fällen erkennt der Planungsverband an, dass Umfang und Anordnung der vorhandenen Bebauung nicht eindeutig für eine bestimmte Zuordnung sprechen. Bei Rakow wurden neue Wohngebäude im Freiraum zwischen Ort und Windpark errichtet, sodass erst in den letzten Jahren der Ortsrand in Richtung des vorhandenen Windparks verschoben wurde. Der Planungsverband hat sich in solchen Zweifelsfällen an den kommunalen Flächennut- zungsplänen und Satzungen orientiert. Aufgrund der vorliegenden Pläne und Satzungen der Stadt Neubukow und der ehemaligen Gemeinde Am Salzhaff wird in beiden Fällen ein Schutz- abstand von 1.000 Metern, wie im Entwurf vom November 2018 vorgesehen, beibehalten. Auch bezüglich des notwendigen Schutzabstandes zum Seeadlerbrutplatz im Süden des Ge- bietes Nr. 22 werden aus den vorliegenden Stellungnahmen unterschiedliche Auffassungen deutlich. Bezüglich der Anregung des NABU-Landesverbandes, dass zu den Brutplätzen die- ser Art generell 3.000 Meter Abstand eingehalten werden sollten, wird auf die grundsätzlichen Ausführungen zum Artenschutz und zum Umgang mit einschlägigen Abstandsempfehlungen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Der Planungsverband bleibt, in Übereinstimmung mit den in Meck- lenburg-Vorpommern geltenden Empfehlungen, bei einem Schutzabstand von 2.000 Metern. Dass dieser Schutzabstand nicht für eine randscharfe Abgrenzung der Vorranggebiete heran- gezogen wird, ist ebenfalls im Abschnitt 5.7 sowie im Umweltbericht begründet. Der hierzu von einer Einwenderin gegebene Hinweis, dass Seeadler eine vergleichsweise hohe Brutplatz- treue aufweisen, trifft zu. Allerdings ist ein Wechsel der mehrjährig genutzten Horste innerhalb desselben Brutrevieres durchaus die Regel, sodass für den Planungszeitraum der RREP-Fort- schreibung von etwa 10 Jahren nicht von einem festen Bemessungspunkt für den anzuset- zenden Schutzabstand ausgegangen werden kann. Die in diesem Fall erfolgte Orientierung der Gebietsgrenzen an vorhandenen Landwegen erscheint dem Planungsverband auch nach nochmaliger Abwägung methodisch sinnvoller als die starre Bezugnahme auf einen veränder- lichen Horststandort. Bezüglich des vom NABU-Landesverband angeregten Schutzabstandes zum westlich angren- zenden Vogelschutzgebiet wird auf die allgemeinen Erwägungen zum Umgang mit solchen Abstandsempfehlungen im Abschnitt 5.6 verwiesen. Die möglichen Auswirkungen der Wind- energienutzung im Gebiet Nr. 22 auf das Vogelschutzgebiet sind im Umweltbericht dargelegt. Sie können als nicht erheblich eingeschätzt werden. Der Hinweis des NABU auf eine mögliche Betroffenheit von Fledermäusen wird zur Kenntnis genommen. Der Planungsverband bleibt – in Übereinstimmung mit dem Einwender – bei sei- ner Auffassung, dass die speziellen Erfordernisse des Fledermausschutzes besser im Verfah- ren der Anlagengenehmigung und nicht in der Regionalplanung geprüft und berücksichtigt werden können. Der Hinweis auf gehäufte Totfunde ist für den Planungsverband nur schwer einzuordnen, weil hierfür keine Referenzgrößen vorliegen und weil unklar bleibt, inwieweit die Bewertung des NABU auf systematischen Beobachtungen beruht.

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Von einem Einwender wird die in den Entwurfsdokumenten vom November 2018 enthaltene Einschätzung des Planungsverbandes kritisiert, dass das Gebiet Nr. 22 in seiner neuen Ab- grenzung Platz für drei Anlagen bieten würde. Dieser Zahlenwert ist keinesfalls als planeri- sche Maßgabe für die spätere Ausnutzung des Vorranggebietes zu verstehen. Die Angabe soll vielmehr allen Planungsbeteiligten, denen einschlägige Anhaltswerte für Flächenbedarf und Mindestabstand von Windenergieanlagen nicht geläufig sind, eine Vorstellung von der hier möglichen Windparkgröße geben. In diesem Sinne wird die Zahlenangabe beibehalten. Ein weiterer Einwender kritisiert, dass der Planungsverband den im Jahr 2018 erfolgten Er- satz von vier Anlagen im Rakower Teil des Windparks in den Entwurfsdokumenten noch nicht vermerkt hatte. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Planungsverband in den Ent- wurfsunterlagen vom November 2018 auf seinen Erfassungsstand der Jahresmitte Bezug ge- nommen hatte, während der Ersatz der betreffenden Anlagen erst im zweiten Halbjahr erfolgt ist. Die von mehreren Einwendern aufgeworfene Frage, ob nicht der Planungsverband die Errichtung dieser Anlagen hätte verhindern sollen, weil die RREP-Fortschreibung damit gleich- sam unterlaufen wurde, ist im Prinzip berechtigt. Der Planungsverband verfügt jedoch selbst über keine rechtlichen Mittel, die Genehmigung und Errichtung neuer Windenergieanlagen zu unterbinden. Das Landesplanungsgesetz und das Raumordnungsgesetz enthalten das Instru- ment der befristeten Untersagung. Mit einer solchen Untersagung kann verhindert werden, dass während der Aufstellung eines Raumordnungsplanes vorzeitig Fakten geschaffen wer- den, die den Zielen der Planung entgegenstehen. Aussprechen kann eine solche Untersagung nur die oberste Landesplanungsbehörde. Im Fall des Windparks Rakow hat die Landespla- nungsbehörde von einer Untersagung abgesehen. Ausschlaggebend für diese Zurückhaltung dürfte nach Einschätzung des Planungsverbandes auch die Tatsache gewesen sein. dass ein rechtskräftiger Bebauungsplan für den Windpark vorliegt und die Gemeinde Am Salzhaff es somit selbst in der Hand hatte, die Voraussetzungen für den Ersatz der alten Anlagen zu schaf- fen oder dies zu unterlassen. Dass durch den erfolgten Ersatz ein Missstand eingetreten wäre, wie es einige Einwender nahelegen möchten, glaubt der Planungsverband nicht. Die Höhe der neu errichteten Anlagen liegt mit 150 Metern an der Untergrenze des Spektrums heute üblicher Anlagengrößen. Zum ursprünglichen Bebauungszusammenhang der Ortschaft Rakow wird mit 800 Metern ein für diese Anlagenhöhe ausreichender Abstand eingehalten. Stärker expo- niert sind nur einzelne Neubauten, die in den letzten Jahren außerhalb der ursprünglichen Ortslage entstanden sind. Der Anregung der Gemeinde Am Salzhaff und der Rakower Bürgerwindparkgesellschaft, das Gebiet Nr. 22 in seiner bisherigen Abgrenzung beizubehalten, wird nicht gefolgt. Es trifft zu, dass der Planungsverband nicht sicher vorhersehen kann, wie sich die Windenergietechnik und die Wirtschaftlichkeit bestimmter Anlagengrößen im Planungszeitraum der RREP-Fort- schreibung weiter entwickeln werden. Der Planungsverband kann aber gleichwohl begründete Einschätzungen treffen und Schlussfolgerungen aus der tatsächlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte ziehen. Die entsprechenden Überlegungen zur Überplanung der alten Eignungs- gebiete wurden bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 umfänglich dar- gelegt und sind im Abschnitt 3.10 nochmals wiedergegeben. Im Fall der Schutzabstände zu den Wohnorten ist eine nachträgliche Anpassung gerechtfertigt, auch wenn es sich – wie die Windparkgesellschaft zutreffend feststellt – nicht um rechtlich zwingende Abstandskriterien handelt. Nach nochmaliger Abwägung aller maßgebenden Belange hält der Planungsverband an der Überplanung der Eignungsgebiete nach einheitlichen Kriterien fest. Gerade im Fall des Gebietes Nr. 22 lassen die widerstreitenden Meinungen und Interessen der verschiedenen Einwender die Berechtigung dieses Planungsansatzes deutlich werden. Der Betrieb der ge- rade neu errichteten Anlagen im Rakower Teil des Windparks wird durch die RREP-Fortschrei- bung nicht berührt. In die von verschiedenen Einwendern geführte Diskussion, ob und inwie- weit Bestrebungen zum Aufbau einer eigenen Energieversorgung der Gemeinde ernst gemeint, sinnvoll und realistisch sind, möchte sich der Planungsverband nicht einmischen. Der Planungsverband wird in den nächsten Jahren beobachten, in welchem Umfang solche Be- strebungen in die Realität umgesetzt werden, und kann gegebenenfalls mit zukünftigen Fort-

205 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 schreibungen des RREP darauf reagieren. Im Zuge der allmählichen Umstellung der Energie- versorgung auf erneuerbare Quellen ist eine stärkere Dezentralisierung der Versorgungsstruk- turen sicherlich sinnvoll. Bezüglich der Vorranggebiete für Windenergieanlagen geht der Pla- nungsverband jedoch davon aus, dass sich die Planung in erster Linie an einem regionalen und überregionalen Bedarf auszurichten hat und nicht vorrangig auf die Selbstversorgung ein- zelner Gemeinden zielt. Die Bauleitplanung der Stadt Neubukow und der Gemeinde Am Salzhaff unterliegt dem An- passungsgebot des § 1(4) des Baugesetzbuches. Eigene Abwägungsspielräume für die Bau- leitplanung sind insoweit gegeben, wie es um die Berücksichtigung örtlicher Belange geht, die bei der RREP-Fortschreibung noch nicht berücksichtigt und abgewogen wurden. Bezüglich möglicher Entschädigungspflichten wird auf die Ausführungen im Abschnitt 3.10 verwiesen. Der Hinweis auf die Vorbehalte der Flugsicherung wird zur Kenntnis genommen. Die zweck- mäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 22 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

206 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.10 Radegast (Nr. 28)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

6.10.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienst- stelle Kiel – Schutzbereichbehörde) • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Landesamt für Straßenbau und Verkehr, Abt. Autobahn, Güstrow • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

6.10.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel – Schutzbereichbehörde) weist auf die Lage des Vorranggebietes im er- weiterten Interessengebiet (35-bis-50-Kilometer-Umkreis) um die Großradaranlage Elmen- horst (Nordwestmecklenburg) hin. Anhand von Höhen, Standorten und Typen geplanter Wind- energieanlagen sei zu gegebener Zeit zu prüfen, ob negative Auswirkungen auf die Radarerfassung befürchtet werden müssen. Im Ergebnis dieser Prüfungen könne es zu ab- lehnenden Bescheiden kommen. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf zwei Richtfunkstrecken des Unterneh- mens hin, die (ausgehend von dem im Nordwesten stehenden Funkmast) durch das Vorrang- gebiet verlaufen. Alle geplanten Türme und Rotoren von Windenergieanlagen sowie Baustel- leneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrassen ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen ver- tikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr teilt mit, dass aufgrund jüngster Havariefälle an Windenergieanlagen grundsätzlich von einem Gefährdungspotenzial dieser Anlagen im

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Hinblick auf die Verkehrssicherheit auszugehen sei. Von den Bundesautobahnen sei deshalb als Mindestanforderung ein Abstand von 100 Metern (gemessen vom Rand des Rotorkreises) einzuhalten. Empfohlen wird ein höherer Abstand, welcher der Gesamthöhe der Anlage (ein- schließlich Rotorkreis) entspricht. Der Mindestabstand sei bereits bei der Festlegung der Vor- ranggebiete für Windenergieanlagen als Ausschlusskriterium zu berücksichtigen. Das Amt weist nochmals auf das bestehende Anbauverbot bis zu einer Entfernung von 40 Metern vom äußeren Fahrbahnrand und den Zustimmungsvorbehalt der Straßenbaubehörde bei der Ge- nehmigung baulicher Anlagen bis zu einer Entfernung von 100 Metern hin. Unter das Verbot und die Beschränkung fallen auch Leitungen, Zuwegungen und Baustelleneinrichtungen. Au- ßerdem wird darauf hingewiesen, dass Zu- und Abfahrten zu den Bundesautobahnen nicht angelegt werden dürfen. Das Amt empfiehlt deshalb vor der Festlegung von Windenergie- Vorranggebieten an Autobahnen zu prüfen, ob die Erschließung über das nachgeordnete Stra- ßen- und Wegenetz für Großraum- und Schwertransporte möglich ist. Zu beachten sei, dass nicht alle Brücken über die Autobahnen für Schwertransporte genutzt werden können, da zum Teil erhebliche Lastbeschränkungen bestehen. Das Amt weist auch auf Fernmeldekabel der Straßenbauverwaltung hin, die entlang der Autobahnen verlaufen. Eine potenzielle Betroffen- heit ergebe sich, wenn Energiekabel von Windparks über mehr als 1.000 Meter Länge parallel neben Kupfer-Fernmeldekabeln geführt werden sollten. In solchen Fällen seien Nachweise über eine mögliche Beeinflussung durch den Vorhabensträger zu erbringen und gegebenen- falls entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg weist auf das laufende Flurneuordnungsverfahren Wokrent-Jürgenshagen hin. Das Verfahrensgebiet grenze unmittelbar an das Vorranggebiet an. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die (marginale) Über- schneidung des Gebietes Nr. 28 mit der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hin. Nach Auffassung des Landesamtes müsste dieses Abstandskriterium als Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung gelten, das keiner planerischen Abwägung zugänglich wäre (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Außerdem werde ein Mindestab- stand von 2,5 Kilometern zum benachbarten Vorranggebiet Nr. 33/45 nicht eingehalten. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern sieht die Einhaltung Abstandes von nur 800 Metern zum Vogelschutzgebiet „Kariner Land“ als nicht ausreichend an. Zum Schutzgebiet sei ein Abstand vom zehnfachen der Höhe der zu errichtenden Windenergieanlagen, mindestens je- doch von 1.200 Metern erforderlich (vgl. auch die in den Abschnitt 5.6 wiedergegebenen all- gemeinen Ausführungen desselben Einwenders zur Berücksichtigung der Vogelschutzge- biete). Die Abgrenzung des Gebietes Nr. 28 sei entsprechend anzupassen.

6.10.3 Zusammengefasste Abwägung Bezüglich der Hinweise des NABU-Landesverbandes und des Landesamtes für Umwelt, Na- turschutz und Geologie auf geltende Abstandsempfehlungen wird auf die allgemeinen Aus- führungen zu den betreffenden Belangen weiter oben verwiesen. Dies betrifft den Abstand des Gebietes Nr. 28 zum Vogelschutzgebiet „Kariner Land“ und zu einem Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes. Zum Umgang mit diesen Empfehlungen sind Aus- führungen im Abschnitt 5.6 enthalten. Der Planungsverband kann nicht allen einschlägigen Abstandsempfehlungen uneingeschränkt folgen, sondern muss darauf achten, dass im Ergeb- nis der Planung noch ein substanzieller Umfang an Flächen für die Windenergienutzung fest- gelegt werden kann. Im speziellen Fall des Gebietes Nr. 28 sprechen zusätzlich der bereits vorhandene Windpark sowie die Lage in einem durch die Autobahn verlärmten und zerschnit- tenen Landschaftsraum für die erneute Festlegung als Vorranggebiet. Zum Umgang mit der Empfehlung eines Mindestabstandes zwischen benachbarten Eig- nungsgebieten wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 3.5 verwiesen. Der Pla- nungsverband bleibt bei seiner Auffassung, dass ein Mindestabstand allein kein geeignetes

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Kriterium ist, um eine erwünschte räumliche Konzentration von Windenergieanlagen zu unter- scheiden von einer übermäßigen, unerwünschten Zusammenballung. Der Planungsverband hält diesbezüglich an seinem bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegten Bewertungsansatz zur Identifikation lokaler Häufungen von Windparks fest. Im vorliegenden Fall wird mit der Festlegung mehrerer direkt benachbarter Vorranggebiete ent- lang der Autobahn 20 ein verträgliches Maß an lokaler Häufung von Windenergieanlagen nicht überschritten. Der Hinweis des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr auf erweiterte Abstandsanforde- rungen längs der Autobahnen wird zur Kenntnis genommen. Der empfohlene Richtwert von 100 Metern zuzüglich Rotordurchmesser entspricht ungefähr dem Abstand, der bereits in den letzten Jahren bei der Errichtung neuer Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 28 und in anderen Eignungsgebieten eingehalten wurde. Als problematisch ist der Abstand zur Autobahn im Hinblick auf die Nutzbarkeit der nordwest- lichen, bisher nicht mit Windenergieanlagen bebauten Teilfläche des Gebietes Nr. 28 anzuse- hen. Die Betrachtung in der Zusammenschau mit den hier verlaufenden Richtfunkstrecken und dem von der Betreiberin angegebenen Schutzabstand lässt erkennen, dass das Stand- ortpotenzial für die Errichtung weiterer Windenergieanlagen nordwestlich der Autobahn sehr eingeschränkt ist. Die weitere Sachaufklärung hat jedoch ergeben, dass voraussichtlich eine Richtfunkverbindung in absehbarer Zeit abgeschaltet wird, sodass eventuell noch eine oder zwei neue Anlagen nordwestlich der Autobahn Platz finden können. Der Hinweis auf die Vorbehalte der Flugsicherung wird zur Kenntnis genommen. Die zweck- mäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 28 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

209 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.11 Jürgenshagen (Nr. 33/45)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

6.11.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Satow, vertreten durch die Rechtsanwälte Kannieß, Ruge, Sannig und Partner aus Meldorf • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Gemeinde Satow • Landesamt für Straßenbau und Verkehr, Abt. Autobahn, Güstrow • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • ENO Energy GmbH, Rerik

6.11.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Satow (vertreten durch die Rechtsanwälte Kannieß, Ruge, Sannig und Part- ner aus Meldorf) nimmt nochmals als Eigentümer des Grundstückes An der Chaussee Stel- lung, auf dem ehemals ein Wohnhaus stand. Der Einwender beabsichtige nach wie vor, das Haus wieder zu errichten und verfüge über eine Baugenehmigung, die bis Ende November 2019 verlängert worden sei. Das Vorranggebiet Nr. 33/45 würde dann nicht mehr den maßge- benden Abstandskriterien entsprechen. Der Planungsverband dürfe diesen Sachverhalt nicht außer Acht lassen. Der Einwender verweist hierzu auf einen Beschluss des Bundesverwal- tungsgerichtes sowie auf einschlägige juristische Fachliteratur, wonach bei der Festlegung von Gebieten für die Windenergienutzung bereits auf der Ebene der Regionalplanung Detailkennt- nisse und Interessen privater Grundstückseigentümer zu berücksichtigen seien. Ein „Konflikt- transfer“ auf nachfolgende Genehmigungsverfahren sei nicht zulässig. Die Frage, ob mit einer

210 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Wiedererrichtung des Wohnhauses zu rechnen sei, dürfe also bei der RREP-Fortschreibung nicht offenbleiben, zumal der Eigentümer seine Absichten dem Planungsverband mit der vor- liegenden Stellungnahme bekanntgemacht habe. Der Rechtsanwalt des Einwenders macht darüber hinaus umfangreiche grundsätzliche Ausführungen, in denen er sich kritisch insbe- sondere mit der vom Planungsverband beabsichtigten Anpassung und Aufhebung alter Eig- nungsgebiete auseinandersetzt. Diese entsprechen den Ausführungen, die von derselben Kanzlei in Vertretung der Dammer Windkraft GmbH & Co vorgebracht werden (vgl. hierzu die ausführliche Wiedergabe in den Abschnitten 4.9 und 6.3). Insgesamt wird aus der Stellung- nahme nicht deutlich, worum es dem Einwender eigentlich geht: Zunächst legt der Anwalt mit Rücksicht auf die Interessen seines Mandanten eine Anpassung des Gebietes Nr. 33/45 nahe – dann werden jedoch ebensolche Anpassungen zulasten langjährig etablierter und akzeptier- ter Windparkstandorte problematisiert und als potenziell abwägungsfehlerhaft bezeichnet. Die Stellungnahme erscheint somit in sich widersprüchlich. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Die Gemeinde Satow wiederholt und bekräftigt nochmals ihre Ablehnungsgründe, die sie be- reits zum Entwurf vom November 2015 vorgetragen hatte. Ein weiteres Heranrücken des Windparks an den Gemeindehauptort Satow wird mit Verweis auf die bereits hohe Windener- gieanlagendichte in der Gemeinde und die dadurch empfundenen Belastungen abgelehnt. Es wird erneut gefordert, die Errichtung neuer Anlagen gegebenenfalls vom Rückbau bestehen- der Anlagen abhängig zu machen. Auch wird nochmals auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Kindertagesstätte am südlichen Ortsrand sowie den nahegelegenen Weißstorchbrutplatz hingewiesen. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr teilt mit, dass aufgrund jüngster Havariefälle an Windenergieanlagen grundsätzlich von einem Gefährdungspotenzial dieser Anlagen im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auszugehen sei. Von den Bundesautobahnen sei deshalb als Mindestanforderung ein Abstand von 100 Metern (gemessen vom Rand des Rotorkreises) einzuhalten. Empfohlen wird ein höherer Abstand, welcher der Gesamthöhe der Anlage (ein- schließlich Rotorkreis) entspricht. Der Mindestabstand sei bereits bei der Festlegung der Vor- ranggebiete für Windenergieanlagen als Ausschlusskriterium zu berücksichtigen. Das Amt weist nochmals auf das bestehende Anbauverbot bis zu einer Entfernung von 40 Metern vom äußeren Fahrbahnrand und den Zustimmungsvorbehalt der Straßenbaubehörde bei der Ge- nehmigung baulicher Anlagen bis zu einer Entfernung von 100 Metern hin. Unter das Verbot und die Beschränkung fallen auch Leitungen, Zuwegungen und Baustelleneinrichtungen. Au- ßerdem wird darauf hingewiesen, dass Zu- und Abfahrten zu den Bundesautobahnen nicht angelegt werden dürfen. Das Amt empfiehlt deshalb vor der Festlegung von Windenergie- Vorranggebieten an Autobahnen zu prüfen, ob die Erschließung über das nachgeordnete Stra- ßen- und Wegenetz für Großraum- und Schwertransporte möglich ist. Zu beachten sei, dass nicht alle Brücken über die Autobahnen für Schwertransporte genutzt werden können, da zum Teil erhebliche Lastbeschränkungen bestehen. Das Amt weist auch auf Fernmeldekabel der Straßenbauverwaltung hin, die entlang der Autobahnen verlaufen. Eine potenzielle Betroffen- heit ergebe sich, wenn Energiekabel von Windparks über mehr als 1.000 Meter Länge parallel neben Kupfer-Fernmeldekabeln geführt werden sollten. In solchen Fällen seien Nachweise über eine mögliche Beeinflussung durch den Vorhabensträger zu erbringen und gegebenen- falls entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen.

211 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg weist auf das laufende Flurneuordnungsverfahren Wokrent-Jürgenshagen hin. Das Vorranggebiet Nr. 33/45 liege teilweise im Verfahrensgebiet. Mit der Neuordnung werde zwangsläufig eine neue Eigen- tümerstruktur im Vorranggebiet entstehen. Die Bekanntgabe des Bodenordnungsplanes sei noch im Jahr 2019 vorgesehen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die teilweise Überschnei- dung des Gebietes Nr. 33/45 mit der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Weißstorchbrut- platz hin. Das Landesamt bekräftigt seine Auffassung, dass der 1.000-Meter-Abstand als zwin- gendes Ausschlusskriterium zu gelten habe, dessen Anwendung keiner planerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausfüh- rungen desselben Einwenders). Außerdem wird darauf hingewiesen, dass das Gebiet Nr. 33/45 einen Mindestabstand von 2,5 Kilometern zu den nächstgelegenen Vorranggebieten Nr. 28, 118 und 100/101 nicht einhalte. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern nimmt Bezug auf die Darlegungen des Planungsver- bandes in der Abwägungsdokumentation vom November 2018. Zu einer möglichen Gefähr- dung des in der Nähe brütenden Weißstorches war festgestellt worden, dass aufgrund der langjährigen Existenz des betreffenden Brutplatzes neben dem Windpark die Annahme eines besonders hohen Kollisionsrisikos als faktisch widerlegt gelten könne. Der NABU bemerkt dazu, dass die Vögel bisher möglicherweise nur Glück gehabt hätten. Ein Schutzabstand von 1.000 Metern sei unbedingt einzuhalten (vgl. auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen all- gemeinen Ausführungen desselben Einwenders). Die ENO Energy GmbH regt eine Überprüfung der Gebietsgrenzen im Norden an. Zu den hier vorhandenen Waldstücken sei gemäß § 20 Landeswaldgesetz ein Abstand von 30 Metern einzuhalten. Für die Einhaltung eines größeren Abstandes seien keine Gründe ersichtlich. Nach Osten wäre eine geringfügige Erweiterung in den Niederungsbereich des Mühlenbaches möglich.

6.11.3 Zusammengefasste Abwägung Bezüglich möglicher nachteiliger Auswirkungen auf die Ortschaft Satow bleibt der Pla- nungsverband bei seiner bisherigen Einschätzung, wie sie bereits in der Abwägungsdokumen- tation vom November 2018 dargelegt wurde. Es trifft zu, dass im Gebiet der Gemeinde Satow bereits relativ viele Windenergieanlagen stehen. Insgesamt wird ein vertretbares und verträg- liches Maß der lokalen Häufung jedoch nicht überschritten. Der gesamte nordwestliche Um- kreis des Gemeindehauptortes Satow bleibt frei von Windenergieanlagen. Die festgelegten Vorranggebiete im Süden und Osten des Ortes konzentrieren sich entlang der Autobahn in einem Bereich, der ohnehin verlärmt ist. Zum Ort wird mit 1.000 Metern ein ausreichender Abstand eingehalten. Der Hinweis der Gemeinde auf die am Ortsrand gelegene Kindertages- stätte als besonders schutzwürdige Nutzung ändert nichts an dieser Einschätzung. Auch für solche besonders schutzwürdigen Nutzungen wird mit einem Abstand von 1.000 Metern aus- reichend Vorsorge getroffen. Hierzu wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Bezüglich des Abstandes des Gebietes Nr. 33/45 zu den benachbarten Vorranggebieten verweist der Planungsverband auf die allgemeinen Überlegungen, die im Abschnitt 3.5 wie- dergegeben sind. Der Planungsverband bleibt bei seiner Auffassung, dass die Anwendung eines pauschalen Mindestabstandes allein nicht geeignet ist, die Grenzen zwischen einer er- wünschten Konzentration von Windenergieanlagen und einer übermäßigen, unerwünschten Zusammenballung im konkreten Einzelfall zu bestimmen. Die südöstlich von Satow entlang der Autobahn entstandene Häufung von Windparks ist planerisch vertretbar und gewollt. Der wiederholten Anregung der Gemeinde Satow, dass die Errichtung neuer Windenergie- anlagen im Vorranggebiet von einem Rückbau bestehender Anlagen abhängig gemacht werden sollte, wird auch nach erneuter Prüfung nicht gefolgt. Solange bestehende Anlagen

212 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 im Einklang mit den Bestimmungen des Immissionsschutzes betrieben werden, besteht kein Grund, einen vorzeitigen Rückbau durch planerische Anreize zu beschleunigen. Das Grundstück des ehemaligen Wohnhauses An der Chaussee hat die Geschäftsstelle des Planungsverbandes im Sommer 2019 nochmals in Augenschein genommen. Unverändert waren keinerlei Anzeichen für einen beabsichtigten Wiederaufbau des Hauses zu erkennen. Der Planungsverband war bereits im Jahr 2018 davon ausgegangen, dass nach Ablauf meh- rerer Jahre seit dem Totalverlust des Gebäudes nicht mehr mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Nutzung gerechnet werden muss. Nach Ablauf eines weiteren Jahres erhält diese Einschätzung eine nochmals höhere Berechtigung. Von einer „alsbaldigen“ Neuerrich- tung im Sinne des Gesetzes könnte sechs Jahre nach dem Abbrennen des Altgebäudes wohl kaum noch die Rede sein. Wenn die Angabe des Einwenders zutrifft, dass immer noch eine Baugenehmigung vorliegt, würde der Einwender jedenfalls durch die Festlegung des Vorrang- gebietes nicht daran gehindert ein neues Wohnhaus zu errichten. Auch sonstige Rechte des Einwenders würden nicht verletzt. Die vom Rechtsanwalt des Einwenders dargelegte Gefahr, dass hier ein Konflikt nicht gelöst, sondern in unzulässiger Weise verschoben würde, kann der Planungsverband nicht erkennen. Es besteht offensichtlich kein Konflikt, weil die ursprüngliche Nutzung des betreffenden Grundstückes nicht mehr gegeben ist und – im unwahrscheinlichen Fall der Wiederaufnahme dieser Nutzung – die Bestimmungen des Immissionsschutzes bei der Genehmigung weiterer Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 33/45 ohnehin zu beachten wä- ren. Der Planungsverband weist im Übrigen darauf hin, dass die Lage des betreffenden Grund- stückes direkt an der Autobahn kein ruhiges Wohnen zuließe. Bezüglich der vom Rechtsanwalt desselben Einwenders geäußerten allgemeinen Vorbehalte gegen eine nachträgliche Anpassung früher festgelegter Eignungsgebiete an neue Ab- standsrichtwerte wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Abschnitten 3.10 und 4.9 verwiesen. Der Planungsverband bleibt bei seiner bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegten Auffassung, dass die Entwicklung der Windenergietechnik und die anhaltende Tendenz zu immer größeren Anlagen diese Anpassung rechtfertigen. Das Storchennest beim ehemaligen Wohnhaus An der Chaussee war nach Kenntnis des Planungsverbandes in der Brutsaison 2019 nicht besetzt. Zum Umgang mit den Brutplätzen der Weißstörche wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt 5.7 sowie auf den Umweltbericht verwiesen. Der in den letzten Jahren zu beobachtende Rückgang der Weiß- storchpopulation in der Region Rostock und die damit verbundene Aufgabe zahlreicher Nist- plätze sprechen aus Sicht des Planungsverbandes gegen eine Berücksichtigung des empfoh- lenen 1.000-Meter-Abstandes als starres Ausschlusskriterium bei der RREP-Fortschreibung. Dies gilt umso mehr bei solchen Vorranggebieten, in denen bereits seit vielen Jahren Wind- energieanlagen betrieben werden, ohne dass es Hinweise auf vermehrte Todesfälle unter den örtlichen Weißstörchen gäbe. Der Einwand des NABU-Landesverbandes, dass die Störche bisher vielleicht nur „Glück gehabt“ hätten, ist insofern berechtigt als das Ausbleiben von Un- glücksfällen allein noch nicht beweist, dass gar kein Risiko vorhanden wäre. Der Planungsver- band möchte dies nicht als Beweis verstanden wissen, sehr wohl jedoch als deutlichen Hin- weis darauf, dass ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko im rechtlichen Sinne hier offensichtlich nicht gegeben ist. Bezüglich der Abgrenzung des Vorranggebietes entlang der Waldränder und der Müh- lenbachniederung werden keine Änderungen gegenüber dem Entwurf vom November 2018 vorgenommen. Bei den Waldstücken im Norden des Vorranggebietes werden nur die gesetz- lichen Abstandsanforderungen berücksichtigt, die später bei der Genehmigung von Windener- gieanlagen ohnehin zu beachten wären. Auf der Ebene der Regionalplanung wäre dies nicht zwingend erforderlich – es wird aber dennoch so gemacht, um die Abgrenzung der Vorrang- gebiete möglichst weit derjenigen Fläche anzunähern, die später tatsächlich für die Errichtung von Windenergieanlagen verfügbar ist. Hierzu wird auf die Ausführungen zur Abgrenzung der Vorranggebiete im Abschnitt 6 des Umweltberichtes verwiesen. Die Mühlenbachniederung wird nicht in das Vorranggebiet einbezogen, weil sie als Dauergrünland ein mutmaßliches Nahrungshabitat für die in der Umgebung brütenden Weißstörche bildet. Dessen ungeachtet

213 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 wäre die von der ENO Energy Gmbh hier angeregte Erweiterung des Vorranggebietes nicht sinnvoll, weil schon die notwendigen Abstände zum Wald und zur Autobahn die Errichtung einer Windenergieanlage innerhalb dieser (sehr kleinen) Erweiterungsfläche ausschließen würden. Der Landweg von Satow nach Wokrent bildet hier die Grenze des Vorranggebietes. Die vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr gestellten Anforderungen bezüglich ausrei- chender Schutzabstände zur Autobahn werden zur Kenntnis genommen. Im Verhältnis zur Anlagenhöhe entsprechen diese Anforderungen annähernd den Abständen, die bisher schon bei der Errichtung von Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 33/45 und in anderen Eignungsge- bieten entlang der Autobahnen eingehalten wurden. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vor- ranggebietes wird durch diese Anforderungen nicht in Frage gestellt. Die Hinweise auf die Vorbehalte der Flugsicherung werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage ge- stellt. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 33/45 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

214 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.12 Bützow (Nr. 37/51)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

6.12.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Neuendorf und anderen Orten • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • PST Mølleinvest, Århus/Wind Energy GmbH & Co Vierte Bützow KG, Handewitt • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • ENO Energy GmbH, Rerik

6.12.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Neuendorf nimmt Bezug auf die Abwägungsdokumentation vom November 2018, in der ein anderer Einwender mit der Äußerung zitiert wird, dass der vorhandene Wind- park bei den Anwohnern „weitgehend akzeptiert“ sei. Diese Aussage sei nicht ganz richtig. Viele Anwohner sähen sich eher gezwungen den Windpark zu tolerieren, weil er nun einmal vorhanden ist. Ein Zubau wesentlich größerer Anlagen im neu abgegrenzten Vorranggebiet werde sicherlich nicht positiv gesehen. Die Bebauung mit Windenergieanlagen in der Umge- bung sei schon jetzt sehr dicht, sodass eine Erweiterung des Anlagenbestandes von den Bür- gern wohl kaum akzeptiert würde. Der Einwender verweist auf die vom Planungsverband an- gesetzte Mindestgröße von 35 Hektar, die bei der Neuabgrenzung des Gebietes Nr. 37/51 nicht eingehalten wurde. Solche eigenen planerischen Vorgaben, die ja nicht ohne Grund ent- wickelt worden seien, sollten aus Sicht des Einwenders zwingend eingehalten werden. Größe und Lage des bisherigen Eignungsgebietes dürften dabei keine Rolle spielen. Der Einwender geht zudem davon aus, dass sich nach genauer Überprüfung der Abstände zu den umliegen- den Wohnorten eine weitere Verkleinerung der tatsächlich nutzbaren Fläche des neuen Vor- ranggebietes ergeben würde. Insbesondere die westlich der Landesstraße gelegene Teilflä- che dürfte nach entsprechender Anpassung kaum noch nutzbar sein. Außerdem habe der

215 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Planungsverband die Ansiedlung Langen Trechow fälschlich dem Außenbereich zugeordnet, obwohl sie angesichts der zusammenhängenden Bebauung zweifellos einen Ortsteil bilde, zu dem ein Mindestabstand von 1.000 Metern einzuhalten wäre. Für das ursprüngliche Eignungs- gebiet habe eine Höhenbeschränkung auf 100 Meter gegolten, die aber bis zum Jahr 2014 bereits „aufgeweicht“ worden sei, sodass drei wesentlich höhere Anlagen errichtet werden konnten. Für das neue Vorranggebiet sei offensichtlich keine Beschränkung vorgesehen, so- dass hier mit Anlagen in gleicher Höhe wie im benachbarten Gebiet Nr. 104 gerechnet werden müsste, was für die Anwohner höhere Immissionen durch Schall und Schattenwurf bedeute. Außerdem müssten die Anlagen für die Flugsicherung nachts sichtbar gemacht werden. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Bedenken des Lan- desamtes für Kultur und Denkmalpflege, welches eine Beeinträchtigung der Sichtachse vom Bützower Schlossplatz entlang der Landesstraße 11 befürchtet, möchte der Einwender aus- drücklich bekräftigen. Ein negatives Beispiel gäben hier die nahe der Straße errichteten Anla- gen im Vorranggebiet Nr. 104. Der Einwender empfiehlt dem Planungsverband, dass man diese Ansicht nochmals auf sich wirken lassen möge, bevor eine endgültige Entscheidung zum Gebiet Nr. 37/51 getroffen wird. Sehr ausführlich geht der Einwender auf das Problem der Schallemissionen ein. Diese hätten beim vorhandenen Windpark im Verlauf der Jahre deutlich wahrnehmbar zugenommen, was zum Teil durch den Zubau neuer Anlagen, zum Teil aber wohl auch durch den technischen Verschleiß der älteren Anlagen erklärt werden könne. Im Ort Neuendorf würden die maßgebenden Immissionsrichtwerte bei ungünstigen Windverhältnis- sen bereits jetzt erreicht. Für andere umliegende Wohnorte dürfte sich aufgrund ihrer Lage zum Windpark die Situation noch ungünstiger darstellen. Da man sich hier bereits im Grenz- bereich der zulässigen Immissionen für Dorfgebiete bewege, bestünden nach Einschätzung des Einwenders keinerlei Reserven mehr für einen Zubau weiterer Anlagen im neuen Vorrang- gebiet und für die erwartbare alterungsbedingte Zunahme der Lautstärke bei den vorhandenen Anlagen. Der Einwender empfiehlt ausdrücklich, dem Immissionsschutz bereits bei der Pla- nung der Vorranggebiete eine höhere Aufmerksamkeit zu widmen und dabei auch auf reale Messergebnisse aus der Umgebung vorhandener Windparks zurückzugreifen. Der Einwender schätzt ein, dass sich im Ergebnis einer solchen Betrachtung das neu abgegrenzte Vorrang- gebiet als möglicherweise nicht nutzbar (oder erst nach Rückbau bestehender Anlagen nutz- bar) erweisen würde. Das Gebiet Nr. 37/51 sollte deshalb nicht als Vorranggebiet festgelegt werden. Eine Bürgerin (Wohnort unbekannt) spricht sich gegen die Erweiterung des Gebietes Nr. 37/51 in den Bereich westlich der Landesstraße 11 aus. Der Windpark in seiner derzeitigen Flächenausdehnung stelle bereits eine Belastung für die Vogelwelt und für die Anwohner dar. Der Geräuschpegel sei sehr hoch. Die beiden am nördlichen Rand des ursprünglichen Eig- nungsgebietes errichteten Ersatzanlagen seien größer und lauter als die am selben Standort zurückgebauten alten Anlagen. Der Wert der Immobilien sinke, und niemand ziehe freiwillig in die Umgebung solcher Windparks. Zwischen dem Dorf (gemeint ist vermutlich Neuendorf) und dem Windpark hätten zwei Milanpaare ihre Nester; diese wären mit der geplanten Neuabgren- zung des Gebietes Nr. 37/51 in Gefahr. Der Schreiadler sei bereits vertrieben worden. Auch handle es sich bei der betreffenden Fläche um ein Durchzugs- und Rastgebiet von Zugvögeln. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die PST Mølleinvest und die Wind Energy GmbH & Co Vierte Bützow KG nehmen als Betreiber von insgesamt vier Anlagen im Windpark Bützow Stellung, die im Jahr 2003 in Be- trieb genommen wurden. Die Einwender planen den Ersatz dieser alten Anlagen und befür- worten die Neuabgrenzung des Vorranggebietes Nr. 37/51, welches zukünftig Platz für drei neue Anlagen bieten würde. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist darauf hin, dass ein Mindest- abstand von 2,5 Kilometern zum benachbarten Vorranggebiet Nr. 104 nicht eingehalten wird. Auf 35% der Gebietsfläche liege eine Überschneidung mit dem1.000-Meter-Schutzabstand zu

216 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 einem nahegelegenen Weißstorchbrutplatz vor. Zudem werde bereits ohne Berücksichtigung des Weißstorches die Mindestgröße von 35 Hektar unterschritten. Das Landesamt lehnt die Festlegung des Vorranggebietes deshalb ab. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist auf einen Brutplatz des Seeadlers hin, der sich in weniger als 3.000 Metern Entfernung vom Vorranggebiet Nr. 37/51 befindet. 3.000 Meter seien als notwendiger Schutzabstand einzuhalten (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wie- dergegebenen Ausführungen desselben Einwenders zum Artenschutz im Allgemeinen und zum Schutz der Seeadler im Besonderen). Aufgrund der geringen Größe des Gebietes Nr. 37/51 empfehle es sich, von der Festlegung als Vorranggebiet gänzlich abzusehen. Die ENO Energy GmbH begrüßt die Festlegung des Vorranggebietes Nr. 37/51 in der neuen Abgrenzung. Der Planungsverband mache damit deutlich, dass auch sehr kleine Flächen für die Windenergienutzung geeignet sein können.

6.12.3 Zusammengefasste Abwägung Zu Frage der Anwendung einer Mindestgröße von 35 Hektar auf bestehende Eignungsge- biete wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Abschnitten 3.10 und 4.9 verwiesen. Der Planungsverband bleibt nach nochmaliger Abwägung bei seiner Auffassung, dass eine pauschale Mindestgröße bei bestehenden, erschlossenen und langjährig genutzten Eignungs- gebieten nicht in gleicher Weise gerechtfertigt ist wie bei der Neufestlegung von Vorrangge- bieten auf bisher ungenutzten Flächen. Bezüglich des Abstandes des Gebietes Nr. 37/51 zum benachbarten Gebiet Nr. 104 wird auf die im Abschnitt 3.5 wiedergegebenen grundsätzlichen Erwägungen zur lokalen Häufung von Windparks verwiesen. Der Planungsverband bleibt nach nochmaliger Prüfung bei seiner Auffassung, dass die Einhaltung eines pauschalen Mindestabstandes zwischen benachbarten Gebieten allein nicht geeignet ist, um die Grenze zwischen einer (grundsätzlich gewollten) räumlichen Konzentration und einer (nicht gewollten) übermäßigen Zusammenballung von Windenergieanlagen zu bestimmen. Die moderate Konzentration von Windparks in der Um- gebung von Bützow ist planerisch vertretbar und gewollt. Ein verträgliches Maß wird hier nicht überschritten. Der Einschätzung eines Einwenders, dass die konkrete Anschauung vor Ort, insbesondere in der Sichtachse vom Bützower Schlossplatz entlang der Landesstraße 11, ein besonderes Konfliktpotenzial erkennbar werden lasse, kann der Planungsverband nach nochmaliger Über- prüfung nicht folgen. Weder im Bezug auf die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Bedenken des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege (die in der letzten Stellungnahme des Amtes nicht erneut vorgebracht werden), noch bezüglich sonstiger Wirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild kann der Planungsverband ein besonderes Kon- fliktpotenzial erkennen. Die maßgebenden Abstände zu den umliegenden Wohnorten hat der Planungsverband nochmals überprüft. Zu den Wohnhäusern der Ansiedlung Langen Trechow ist ein Schutzab- stand von 800 Metern ausreichend. Diese Ansiedlung ist planungsrechtlich dem Außenbereich zugeordnet. Zu den Häusern in Neuendorf werden 1.000 Meter Abstand eingehalten. Noch- malige Änderungen am Zuschnitt des Vorranggebietes sind nicht erforderlich. Die Ausführungen eines Bürgers zur Geräuschentwicklung der vorhandenen Windener- gieanlagen werden zur Kenntnis genommen. Die diesbezügliche Überwachung der Anlagen ist Sache der Immissionsschutzbehörde. Sollte die Vermutung des Einwenders zutreffen, dass das Maß zulässiger Schallimmissionen in den umliegenden Orten bereits erreicht wäre, so wäre die Genehmigung weiterer Anlagen tatsächlich nicht ohne weiteres möglich. Der Pla- nungsverband kann hierin jedoch kein Problem erkennen, welches die Neuabgrenzung und erneute Festlegung des Gebietes Nr. 37/51 in Frage stellen würde. Die oben wiedergegebe- nen Ausführungen einer Betreiberfirma lassen erkennen, dass im Zusammenhang mit der Pla- nung neuer Anlagen ein Rückbau älterer Anlagen bereits in Betracht gezogen wird.

217 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Zu den Brutplätzen der Weißstörche und der Seeadler werden nach Auffassung des Pla- nungsverbandes ausreichende Abstände eingehalten. Zum Umgang mit den einschlägigen Abstandsempfehlungen wird auf die Ausführungen im Abschnitt 5.7 sowie den Umweltbericht verwiesen. Zum Nistplatz des Weißstorches in Langen Trechow beträgt der Abstand 900 Me- ter. Der Planungsverband hält dies für ausreichend, zumal das Vorranggebiet keine bevorzug- ten Nahrungshabitate des Weißstorches umfasst. Die langjährige Existenz dieses Brutplatzes in der Nachbarschaft des vorhandenen Windparks – wobei die nächste Windenergieanlage lediglich 500 Meter vom Nest entfernt ist und seit über 20 Jahren dort betrieben wird – stützt aus Sicht des Planungsverbandes die Annahme, dass ein besonders hohes Konfliktpotenzial hier nicht gegeben ist. Zu den Brutplätzen der Seeadler wird bei der RREP-Fortschreibung regelmäßig ein Abstand von 2.000 Metern eingehalten. Dieser wird hier nicht unterschritten. Bei der Berücksichtigung von Vogelzug- und Rastgebieten hat sich der Planungsverband an den Empfehlungen der Landesregierung und den landesweit vorliegenden Datengrundlagen orientiert. Hierzu wird auf den Umweltbericht verwiesen. Das Gebiet Nr. 37/51 weist keine herausgehobene Bedeutung als Rast- und Durchzugsgebiet für Wat- und Wasservögel auf. Auch bezüglich der Lebensraumansprüche von Milanen kann keine besondere Konfliktsitu- ation erkannt werden. Die Umgebung des Vorranggebietes ist durch strukturarmes Ackerland geprägt, das mit einzelnen Feldgehölzen durchsetzt ist. Der relativ häufige rote Milan kann in solchen Feldgehölzen saisonal durchaus als Brutvogel angetroffen werden. Innerhalb und in der näheren Umgebung des Vorranggebietes sind jedoch keine Biotopstrukturen vorhanden, die auf ausgeprägte Verbreitungsschwerpunkte oder bevorzugte Nahrungshabitate dieser Art schließen lassen. Die Hinweise auf die Vorbehalte der Flugsicherung werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage ge- stellt. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 37/51 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

218 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.13 Dalkendorf (Nr. 38)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt teilweise vollständig Anpassung

6.13.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dalkendorf, Groß Roge, Berlin, Appelhagen, Heidesheim, Rachow, Amalien- hof, Warnkenhagen, Groß Wokern, Neuenkirchen, Frellstedt, Gottin, , Dreschvitz, Mieckow, Rachow, Wotrum, Alt Krassow, Klein Roge, Teterow, Klocksin, Thürkow, Tessin, , , Gingst, Gustow, Flöha und weiteren Orten • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Green City AG, München • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • BVVG Mecklenburg-Vorpommern • Thünengut Tellow gGmbH/Thünen-Museum Tellow • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde und Amt für Kreisentwicklung • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • ENO Energy GmbH, Rerik • Gemeinde Warnkenhagen • Gemeinde Dalkendorf

6.13.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Dalkendorf lehnt die Errichtung weiterer Windenergieanlagen in der Ge- meinde ab und berichtet von Ruhestörungen, die seit Jahren bereits von einer einzelnen An- lage in der Nähe ausgingen. Das Schlafen bei offenem Fenster sei oft nicht mehr möglich. Der

219 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Einwender nimmt für sich in Anspruch, mit seinen Einwänden für die Mehrheit der Dalkendorfer Bürger zu sprechen. Ein Bürger aus Groß Roge lehnt die Nutzung der Windenergie aus grundsätzlichen Erwä- gungen ab (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.1 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Die einmalige Landschaft dürfe nicht dem Ausbau einer nutzlosen Technologie geopfert werden. Ein Bürger aus Berlin besitzt ein denkmalgeschütztes Haus in der Gemeinde Groß Roge und spricht sich gegen die Vorranggebiete Nr. 38 und 73, soweit hier eine Erweiterung der vorhan- denen Windparks und eine Errichtung höherer Anlagen ermöglicht wird, und gegen das Gebiet Nr. 127 aus. Der Einwender befürchtet eine Wertminderung für seine Immobilie und bemän- gelt, dass der Planungsverband offensichtlich kein besonderes Augenmerk auf den Schutz der bislang noch wenig verbauten Kulturlandschaft gerichtet habe. Bei der Beschreibung der Ge- biete im Umweltbericht habe der Planungsverband lediglich neun Baudenkmale im Umkreis von sechs Kilometern berücksichtigt. Tatsächlich seien in der Denkmalliste jedoch 56 Objekte enthalten, wenn man zusammenhängende Ensembles und die Stadt Teterow jeweils als Ein- heiten betrachte. Würde man alle betreffenden Denkmale einzeln zählen, seien es 280. Viele Touristen kämen gerade wegen der vielen noch gut erhaltenen Gutsanlagen, Höfe und Dorfkir- chen. Der Einwender nimmt Bezug auf die Abwägungsdokumentation vom November 2018, wonach der Planungsverband bei der Bewertung lokaler Häufungen benachbarter Eignungs- gebiete von 5 Kilometern Abstand ausgegangen ist. Die Gebiete 38, 73 und 127, die jeweils rund 1 Kilometer voneinander entfernt liegen, würden für den Betrachter wie ein großer Wind- park wirken. Der Eingriff in die Kulturlandschaft wäre enorm. Es sei nicht hinnehmbar, dass diese Kulturlandschaft im Interesse einzelner Investoren zerstört würde. Auch in Anbetracht des Rückgangs der Artenvielfalt bei Vögeln und Insekten sollte auf einen weiteren Ausbau der Windenergienutzung in der Region verzichtet werden. Bürger aus Dalkendorf beklagen, dass die Interessen der Bürger in der Planung nicht be- rücksichtigt würden. Die Landschaft würde auf alle Ewigkeit verschandelt. Schon der Bau von Zufahrtswegen und die Errichtung der Anlagen mit dem dadurch bedingten Schwerverkehr würden Schäden in der Natur verursachen und die Anwohner Tag und Nacht belasten. Die Windenergieanlagen würden schädlichen Dauerlärm. Schattenwurf, Sichteinschränkungen und Beklemmungsgefühle hervorrufen und besäßen darüber hinaus ein erhebliches Gefah- renpotenzial für die Menschen und für die örtliche Vogelwelt. Bei einem Abstand von nur 800 Metern sei mit einem dramatischen Wertverlust für ihr Haus zu rechnen. Bürger aus zahlreichen Orten machen gleichlautende, umfangreiche Ausführungen zum Vorranggebiet Nr. 127, die in großen Teilen auch für die Gebiete Nr. 38 und 73 gelten sollen (vgl. auch die im Abschnitt 8 zum Gebiet Nr. 127 ausführlicher wiedergegeben Ausführungen derselben Einwender). Die Festlegung der drei Vorranggebiete wird von den Einwendern mit Verweis auf die besondere Empfindlichkeit des Naturraumes und die Beeinträchtigung der An- wohner abgelehnt. Bezüglich des Gebietes Nr. 38 greifen die Einwender zusätzlich die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Hinweise des Landesam- tes für Kultur und Denkmalpflege sowie der Landesforstanstalt auf vorhandene Bodendenk- male bzw. Waldstücke auf. Diese seien vom Planungsverband in seiner Abwägung nicht ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt worden. Die Einwender gehen davon aus, dass bereits die ursprüngliche Festlegung der Eignungsgebiete Nr. 38 und 73 sowie die Genehmigung der dort befindlichen Windenergieanlagen ohne hinreichende Prüfung der Umweltverträglichkeit und somit rechtswidrig erfolgt sei. Bezüglich der Schutzabstände zu den Wohnorten habe es der Planungsverband versäumt, eine Anpassung an den heutigen Stand der Anlagentechnik vorzunehmen (vgl. hierzu die im Abschnitt 5.1 wiedergegeben Ausführungen derselben Ein- wenderin). Bürger aus Amalienhof lehnen die Festlegung der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 eben- falls ab. Ortschaften wie Amalienhof und Dalkendorf würden von Windenergieanlagen zukünf- tig komplett eingeschlossen. Nach Ansicht der Einwender würde es die Weitläufigkeit der

220 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 mecklenburgischen Landschaft ohne weiteres zulassen, die Windparks in größerem Abstand zu den Ortschaften zu planen. Die Einwender äußern vor diesem Hintergrund auch grundsätz- liche Kritik an der Vorgehensweise des Planungsverbandes, die jeglichen Sachverstand und jegliches Verantwortungsbewusstsein vermissen lasse (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.3 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwender). Die Planung führe zu einer schlei- chenden Enteignung der Immobilienbesitzer. Der Verkaufswert von Grundstücken in diesem Teil der Region liege schon jetzt weit unter dem Bundesdurchschnitt und sei tendenziell stark fallend, bis zur Unverkäuflichkeit. Auch die Belange des Naturschutzes würden aus Sicht der Einwender gegen die Festlegung der Vorranggebiete sprechen. Im Appelhäger Forst würde derzeit, seinem Status als Schutzgebiet zum Trotz, so intensiv gerodet, dass sich für die Groß- vögel die Lebensbedingungen nachhaltig verschlechtern würden. Mit neuen Windenergiean- lagen in den drei Vorranggebieten würden auch die mutmaßlichen Flugkorridore der Vögel zum Radener und Wotrumer See unterbrochen. Eine Bürgerin aus Groß Roge befürchtet eine enorme Minderung der Lebensqualität für die Anwohner, wenn zukünftig weitere und wesentlich größere Windenergieanlagen in den Vor- ranggebieten Nr. 38, 73 und 127 errichtet würden. Die drei Gebiete lägen so dicht beieinander, dass sie wie ein einziger riesiger Windpark wirken würden. Diesbezügliche Mindestabstände seien im Vergleich zu anderen Regionen sehr gering angesetzt worden. Die Einwenderin er- klärt, sie sei extra aus der Großstadt in ihren jetzigen Wohnort gezogen, um nicht mehr unter solchen Bedingungen leben zu müssen. Unverständlich ist der Einwenderin, warum gemäß dem Umweltbericht vom November 2018 der Erholungsfunktion der Landschaft hier „keine besondere Bedeutung“ zugemessen wurde. Offensichtlich sei diesbezüglich nur eine unzu- reichende Prüfung erfolgt. Der Reiz der Landschaft für Touristen würde verloren gehen, und den Einwohnern würden damit entsprechende Einnahmequellen entzogen. Ein Bürger aus Groß Roge ist dagegen, dass noch mehr Windenergieanlagen errichtet wer- den und verweist auf die Schönheit der Landschaft mit ihren prächtigen Gutshäusern und Denkmalen, welche Besucher anzögen. Eine Bürgerin aus Groß Roge hält aufgrund der engen Nachbarschaft der drei Vorrangge- biete 38, 73 und 127 die Schutzabstände zu den Wohnorten für zu gering. Bei einer derartigen Kumulierung von Windparks seien höhere Abstände erforderlich. Ruhe würde in einer solchen Umgebung niemand mehr finden, wenn die Anwohner eine Dauerbeschallung bis zu 45 Dezi- bel aushalten müssten. In Wohnräumen würden Lautstärken von 40 Dezibel tagsüber und 30 Dezibel nachts als Ruhestörung eingestuft. Das Schlafen bei geöffneten Fenstern wäre somit zukünftig nicht mehr möglich. Aufgrund des geringen Abstandes der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 untereinander würden sich nach Einschätzung der Einwenderin die Schallemissi- onen überlagern, sodass für die Anwohner eine umso höhere Belastung entstünde. Der Pla- nungsverband habe diese Kumulationswirkung nicht berücksichtigt und damit einen erhebli- chen Abwägungsfehler begangen. Ein Bürger aus Mieckow lehnt die Festlegung der Vorranggebiete 38, 73 und 127 ab. Die Ansiedlung Amalienhof sei bereits in einem Winkel von bis zu 230 Grad von Windenergiean- lagen umstellt. Durch Festlegung der Vorranggebiete in der gemäß Entwurf vom November 2018 vorgesehenen neuen Abgrenzung würde sich der Umstellungswinkel auf 280 Grad er- höhen. In der Wahrnehmung würde dies eine nahezu vollständige Umstellung bedeuten, durch Windenergieanlagen, die größtenteils nur 800 Meter entfernt wären. Auch für die Ortschaft Dalkendorf würde durch die hinzukommenden Anlagen ein Umstellungswinkel von über 180 Grad erreicht. Vom geometrischen Flächenmittelpunkt des Ortes gemessen betrage der Win- kel 195 Grad, von den Häusern nördlich der Hauptstraße sogar 220 Grad. Die vom Planungs- verband in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 getroffene Aussage, dass we- niger als die Hälfte des Umkreises umstellt würde, sei falsch. Der von der Landesregierung empfohlene Mindestabstand von 2,5 Kilometern zwischen benachbarten Vorranggebieten würde erheblich unterschritten. Der Abstand des Gebietes Nr. 127 zur vorhandenen Wind- energieanlage bei Amalienhof betrage lediglich 1.000 Meter. Die Gebiete Nr. 38 und 73 ein-

221 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 schließlich des vorhandenen Anlagenbestandes grenzten fast nahtlos aneinander. Der Pla- nungsverband habe selbst zutreffend festgestellt, dass solche eng benachbarten Gebiete aus mittlerer Entfernung wie ein zusammenhängender Windpark wahrgenommen würden. Im Üb- rigen hält der Einwender die bei der RREP-Fortschreibung angewandten Mindestabstände zu den Wohnorten für nicht ausreichend (vgl. hierzu die um Abschnitt 5.1 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders). Die Abstände seien zu gering um die Anwohner vor Ge- sundheitsgefahren zu schützen. Die Bewohner der Orte Dalkendorf, Amalienhof, Neu Tenze, Tenze und Appelhagen würden durch Windenergieanlagen in den Gebieten Nr. 127 und 38 einer unzumutbaren Gefährdung ausgesetzt und in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Durch den drohenden Wertverlust ihrer Immobilien würden die Bürger zudem in ihren Eigentumsrechten verletzt. Der Bestand der Großvögel, aber auch der kleineren Singvögel und der Fledermäuse werde durch Windenergieanlagen erheblich bedroht. Dies betreffe nicht nur Arten, für welche Horstschutzzonen festgelegt wurden, sondern ebenfalls den Rotmilan, den Mäusebussard und andere, die in den Feldgehölzen und Wäldern ihre Horste und auf den Feldern der geplanten Vorranggebiete ihre Jagdreviere hätten. Raubwild hingegen gebe es schon genug. Dieses müsse nicht noch durch die Kadaver unter den Windenergieanlagen gemästet werden. Durch den Verlust des Erholungswertes der Landschaft würde die Familie des Einwenders auch in ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen verletzt, da sie vor Ort eine Erholungseinrichtung plane. Derselbe Einwender hatte bereits zum zweiten Entwurf der RREP-Fortschreibung auf einen mutmaßlichen Seeadlerbrutplatz im Waldgebiet nordwestlich von Dalkendorf hingewiesen. In der Großvogelerhebung des Jahres 2016 sei der betreffende Horst als Nistplatz eines Kolkraben erfasst worden. Es handle sich jedoch tatsächlich um einen Wechselhorst, der in unregelmäßiger Folge von den Seeadlern aus dem Appelhäger Forst zur Brut genutzt werde. Ansonsten bleibe der Horst leer oder werde von Kolkraben in Anspruch genommen. In die Bewertung der Lebensraumansprüche der örtlichen Seeadler müssten so- mit beide Horste einbezogen werden. Von einem Ausschluss der Windenergienutzung im Um- kreis von 2.000 Metern wären die Gebiete Nr. 38 und 73 fast vollständig betroffen. Von der Freihaltung der Flugkorridore zu den Hauptnahrungsgewässern Teterower See (in 7,5 Kilome- ter Entfernung) sowie Wotrumer und Radener See (3,5 Kilometer) wären die Gebiete Nr. 38 und 127 jeweils mit ihrem südlichen Teil betroffen. Da das Seeadlerpaar seit vielen Jahren mit den vorhandenen Windenergieanlagen zurechtzukommen scheine, könne man vielleicht da- von ausgehen, die Vögel bislang nicht gefährdet seien. Die bestehenden Anlagen seien alle etwa 1 Kilometer vom Horst entfernt. Mit der Neufestlegung der Vorranggebiete würde der Anlagenbestand jedoch näher an den Horst heran- und in die Flugschneisen zu den genannten Seen hineinrücken. Der Einwender schätzt ein, dass sich hierdurch das Kollisionsrisiko für die Vögel erheblich erhöhen würde, und hält eine mehrjährige systematische Beobachtung der örtlichen Seeadler für erforderlich. Sofern sich im Ergebnis der Beobachtung seine Einschät- zungen bewahrheiten sollten, wäre nach Ansicht des Einwenders eine Neubewertung der Vor- ranggebiete Nr. 38, 73 und 127 erforderlich. Die Errichtung von Windenergieanlagen wäre dann in den Gebieten Nr. 38 und 73 gar nicht und im Gebiet Nr. 127 nur auf einer Teilfläche möglich. Ein Bürger aus Groß Wokern betont, dass er kein Gegner der Windenergienutzung sei, die Neubebauung und Erweiterung der Eignungsgebiete Nr. 38 und 73 sowie die Neufestlegung des Gebietes Nr. 127 jedoch ablehne. Der Einwender ist Besitzer eines nahegelegenen Guts- hauses mit Ferienwohnungen. Die bisher vorhandenen Windenergieanlagen wirkten sich nur bei bestimmten Windverhältnissen störend aus. Bei zukünftig erweiterten Windparkflächen und größeren Anlagen befürchtet der Einwender wesentlich größere Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Feriengäste und der Einwohner. Die Attraktivität der Ferienwohnungen würde sinken, gerade für diejenigen Gäste, die einen ruhigen, naturnahen Urlaub abseits der Touristenzentren verbringen möchten. Für den Einwender entstünde durch die Erweiterung der Windparks ein großer wirtschaftlicher Schaden, und der Wert seiner Immobilie würde sin- ken. Wie der Einwender aus Berlin bemängelt auch dieser Einwender, dass der Planungsver- band in seinem Umweltbericht vom November 2018 lediglich neun Denkmale erwähnt hat, obwohl die Denkmalliste im Umkreis von 6 Kilometern insgesamt 56 Objekte verzeichne. Auch

222 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dieser Einwender weist auf den touristischen Attraktionswert der vielen gut erhaltenen Kirchen, Gutsanlagen und Höfe hin und befürchtet, dass die Windenergieanlagen in den Gebieten Nr. 38, 73 und 127 später wie ein großer zusammenhängender Windpark wirken und einen enor- men Eingriff in die Kulturlandschaft darstellen würden. Es sei nicht erkennbar, dass der Pla- nungsverband dem Schutz dieser Kulturlandschaft – wie in den Entwurfsunterlagen vom No- vember 2018 bekundet – ein besonderes Augenmerk gewidmet hätte. Der mit 45 Dezibel angegebene Maximalwert der Lautstärke, welche die Anwohner als Dauerbeschallung aushal- ten müssten, sei zu hoch (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.1 wiedergegebenen Ausführun- gen desselben Einwenders). Auch die Abnahme der Artenvielfalt bei den Vögeln und Insekten wäre aus Sicht des Einwenders ein Grund, auf den weiteren Ausbau der Windenergienutzung in der Region Rostock zu verzichten. Es sei nicht hinnehmbar, dass im wirtschaftlichen Inte- resse einzelner Investoren und Grundstückseigentümer die Bürger im Umfeld der Anlagen benachteiligt würden und die Kulturlandschaft zerstört würde. Schon jetzt werde in Mecklen- burg-Vorpommern mehr Strom erzeugt als hier verbraucht werde, und die Bürger müssten die höchsten Strompreise in Deutschland zahlen. Eine gesellschaftliche Notwendigkeit sei nicht zu erkennen, solange nicht einmal die vorhandenen Anlagen komplett ausgenutzt würden und solange der Energieverschwendung nicht Einhalt geboten werde. Eine Bürgerin aus Mieckow nimmt zu den Vorranggebieten Nr. 38, 73 und 127 Stellung. Die Einwenderin hält, insbesondere vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen des Infraschalls, die vom Planungsverband angewandten Ab- standsrichtwerte für zu niedrig. Die Einwenderin äußert auch generelle Zweifel an der Umwelt- verträglichkeit der Windenergienutzung (vgl. die in den Abschnitten 4.1 und 5.1 wiedergege- benen Ausführungen derselben Einwenderin). Vor Ort erwachten die Bürger und informierten sich über die Vor- und Nachteile der Windenergienutzung und über die gesundheitlichen Aus- wirkungen der riesigen Anlagen. Den Anwohnern werde bewusst, dass ihre Gesundheit, der Wert ihrer Häuser und die Schönheit der Landschaft für den Profit Einzelner aufs Spiel gesetzt würden. In der Politik werde derzeit ein Gesetzentwurf diskutiert, wonach die Abstände von Windparks zu Splittersiedlungen auf 1.000 Meter und zu Ortschaften auf 1.500 Meter erhöht werden sollten. Mit diesen Richtwerten wären die drei fraglichen Vorranggebiete hinfällig. Es sei unverantwortlich, wenn hier kurz vor dem Inkrafttreten dieser Neuregelung noch schnell ein Windpark errichtet würde. Ein Bürger aus Groß Roge weist darauf hin, dass Windenergieanlagen aufgrund ihrer Größe weit über ihren Standort hinaus wirkten. Im Südosten schließe sich unmittelbar der Naturpark Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See an. Dieser würde beeinträchtigt. Die hier vorhandene Natur- und Kulturlandschaft sei über Jahrhunderte gewachsen. Alte Dörfer mit denkmalgeschützten Gutshäusern, uralte Eichen, Hecken und Alleen, Feldgehölze und grö- ßeren Waldflächen fügten sich in die hügelige Ackerlandschaft ein. Windenergieanlagen wür- den in dieser Landschaft einen Fremdkörper bilden und das Landschaftsbild dauerhaft stören. Viele örtlich vorkommende Vogelarten stünden unter Schutz. Mit der Errichtung weiterer Wind- energieanlagen würde der ohnehin begrenzte Lebensraum dieser Arten weiter eingeschränkt und der Erhalt der Populationen bedroht. In der einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft mit ihrer Weite und Stille liege ein großes Potenzial für den Tourismus und die Erholung des Men- schen. Dieses Potenzial sollte erhalten bleiben. Bürger aus Groß Roge empfinden bereits die bestehenden Windparks in den bisherigen Eig- nungsgebieten Nr. 38 und 73 als Zumutung für die Anwohner und erhebliche Störung des Landschaftsbildes. Auch seien die Gefahren bekannt, die von Windenergieanlagen für viele Vogelarten ausgingen. Eine Errichtung weiterer, wesentlich größerer Anlagen würde diese Gefahren noch erhöhen und die Lebensqualität der Anwohner zusätzlich beeinträchtigen. Das Bild der Landschaft mit ihren schönen Dörfern sowie den alten Herrenhäusern und Gutsanla- gen wäre auf immer verstellt. Jedem Laien müsse klar sein, dass neue Anlagen in den geplan- ten Ausmaßen die Urlauber zukünftig aus Mecklenburg fernhalten würden. Der Tourismus bringe dem Land Mecklenburg-Vorpommern in jedem Jahr 1,1 Milliarden Euro an Einnahmen. Ein weiterer Ausbau der Windenergienutzung und der Tourismus schlössen einander aus.

223 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Bürger aus Teterow machen sich Sorgen um die schöne Umgebung der Stadt Teterow. In den Heidbergen und am Hohen Holz stoße man auf Schilder, die darauf hinwiesen, dass dort Naturschutzgebiete seien. Die Einwender äußern ihr Unverständnis darüber, dass in einer sol- chen Umgebung, wenige Kilometer vor der Stadt, riesige Windenergieanlagen zugelassen werden sollten. Eine Bürgerin aus Dalkendorf berichtet, dass sie den Aufenthalt in der Nähe von Windener- gieanlagen nicht als angenehm empfinde. Sobald eine solche Anlage ins Gesichtsfeld rücke, sei die ganze Landschaft in Unruhe. Der Anblick erzeuge Unruhe beim Betrachter und sei deshalb unangenehm. Die Einwenderin hält eine Politik, die auf die Förderung von Großanla- gen setze, für falsch (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.1 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwenderin weist darauf hin, dass nach Angaben örtlicher Na- turkundiger und Ornithologen sowohl im Dalkendorfer als auch im Appelhäger Forst Horste des Rotmilans und anderer geschützter Vögel vorhanden seien. Hier gelte es die vorgeschrie- benen Mindestabstände zu beachten. Daran, dass der Entwurf der RREP-Fortschreibung schon zum dritten Mal ausgelegt wurde, erkenne man, dass der Planungsverband diese Vögel wohl gänzlich übersehen habe. Ein Bürger aus Dalkendorf berichtet, dass er in der letzten Zeit vergeblich versucht habe, eine Wohnung in seinem Haus zu vermieten. Mehrere Interessenten seien regelrecht geflüch- tet als sie durchs Fenster die Windenergieanlagen gesehen hätten. Dabei seien dies nur die jetzt vorhandenen „kleinen“ Anlagen. Bei offenem Fenster höre man auch das rhythmische Schlagen der Rotorblätter. Die Wohnung stehe immer noch leer, was für den Einwender eine finanzielle Katastrophe sei und eine Wertminderung des Hauses bedeute. Der Einwender be- fürchtet, dass eine Ausweitung der Windparkflächen die Situation noch verschlimmern würde. Sein Einkommen würde sich durch längere Leerstände und Mietzugeständnisse reduzieren, der Wert des Hauses würde weiter sinken. Der Einwender fürchtet auch um die Gesundheit der Anwohner, wenn zukünftig wesentlich größere Anlagen in derart großer Nähe zu den Wohnhäusern errichtet würden. Sicher brächten die Windenergieanlagen mehr Geld ein als die Vermietung einer Wohnung. Es sei schockierend, wie das Interesse der Anwohner miss- achtet und ihre Existenz vernichtet würde, nur weil sie schwächer seien und ein „Starker“ (ge- meint ist vermutlich ein interessierter Windparkbetreiber) mehr Geld habe. Eine Bürgerin aus Dalkendorf gibt an, gerade von Berlin nach Mecklenburg gezogen zu sein, um hier die Ruhe und die Natur zu genießen. Die Natur zeichne sich hier immer noch durch einen großen Artenreichtum aus und müsse geschützt werden. Durch die Errichtung weiterer und noch größerer Windenergieanlagen würde die Wohnqualität stark beeinträchtigt. Zukünftig wäre der Ort von mehreren Seiten umstellt. Ein Bürger aus Tessin erklärt, dass er mit seiner Familie oft in der Freizeit auf den Wander- und Radwegen zwischen Appelhagen und Teterow unterwegs sei. Die Familie besuche gele- gentlich Veranstaltungen im Museumsdorf Tellow und in den schönen alten Gutshäusern der Umgebung. Es sei sehr wichtig, dass diese Orte zum Wohle Aller erhalten werden. Viele en- gagierte Gutsherren leisteten in wachsendem Maße ihren Beitrag dazu. Die historischen Guts- anlagen lockten wie die Radwege Jahr um Jahr viele Touristen an. Kürzlich habe man lesen können, dass der Tourismus dem Land Mecklenburg-Vorpommern jedes Jahr 1,1 Milliarden Euro einbringe. Dies komme auch den Gemeinden zugute. Komme es zu einem weiteren Aus- bau der Windenergienutzung im geplanten Umfang, würde dies nach Einschätzung des Ein- wenders die Urlauber aus Mecklenburg fernhalten. Eine Bürgerin aus Rachow gibt an, selbst Ornithologin zu sein. Sie wirke bei der Erfassung von Seeadler und Rotmilan mit und wisse, wie viele Großvögel jährlich Opfer von Windener- gieanlagen würden. Im Naturschutzgebiet bei Appelhagen hätten Seeadler, Rotmilan, Rohr- weihe, Wiesenweihe, Kornweihe, sowie auch rar gewordene Vogelarten wie Schleiereule, Raubwürger und Neuntöter angestammte Lebensräume. Die weitere Zerschneidung der Land- schaft durch neue Windenergieanlagen würde sich negativ auswirken. Schon jetzt sei beim Rotmilan innerhalb der letzten drei Jahre ein Bestandsrückgang um ein Drittel zu verzeichnen.

224 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Eine Bürgerin aus Lelkendorf besucht regelmäßig Bekannte in Dalkendorf. Sie glaubt, dass ihre Kinder dort nicht mehr unbeschwert spielen könnten, wenn noch größere Windenergiean- lagen errichtet würden. Ein Bürger aus Dalkendorf hält die bereits vorhandenen Windenergieanlagen für „scheußlich und monströs“. Würden zukünftig noch größere Anlagen noch näher am Haus des Einwenders gebaut, könne er seinen Kindern wohl nur noch ein wertloses Haus in einem toten Industriedorf vererben. Ein Bürger aus Appelhagen verweist auf den in Bayern für Windenergieanlagen geltenden Abstandsrichtwert von 2.000 Metern. Es stelle sich die Frage, ob die Menschen in Mecklen- burg-Vorpommern weniger wert seien. Eine Bürgerin aus Appelhagen sieht die Ruhezonen des ländlichen Raumes durch den Aus- bau der Windenergienutzung gefährdet. Den Gemeinden entstünden Einnahmeverluste in- folge von Abwanderung der Einwohner. Die Schäden würden noch die nächste Generation belasten. Eine Bürgerin aus Groß Roge verweist darauf, dass alle drei betroffenen Gemeinden die Neufestlegung der Vorranggebiete abgelehnt hätten. Auch viele Bürger lehnten sie ab. Die großen Hersteller errichteten ihre Anlagen im Meer, weil die Windenergienutzung dort effekti- ver und weniger schädlich sei als an Land. Die Zeit für Windenergieanlagen auf dem Festland sei abgelaufen, da die Bevölkerung einen weiteren Ausbau nicht mehr hinnehmen werde. Bürger aus Appelhagen zeigen sich betroffen über die politische Willkür, mit der Windener- gieanlagen gegen den Willen der Bevölkerung errichtet werden sollten. Eine Bürgerin aus Teterow führt aus, die Eingriffe in die Landschaft würden über Jahrzehnte zu sehen und zu spüren sein. Es stünden schon genug Windenergieanlagen in dieser Gegend. Der geringe Abstand von 800 Metern sei eine Zumutung für jeden Bürger. Ein Bürger aus Dalkendorf beobachtet regelmäßig Fahrradtouristen in seiner Gemeinde. Als Urlauber möchte man „Natur pur“ erleben. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Green City AG spricht sich für die Festlegung des Gebietes Nr. 38 mit der Erweiterung nach Süden aus. Die Einwenderin weist dazu auf die Übereinstimmung des Gebietes mit den maßgebenden Planungskriterien und die mit dem vorhandenen Windpark bereits gegebene Vorprägung der Landschaft hin. Die Eigentümer der betreffenden Grundstücke würden nach Kenntnis der Einwenderin die Errichtung von Windenergieanlagen befürworten. Bezüglich der nördlichen Abgrenzung des Vorranggebietes bittet die Einwenderin um nochmalige Überprü- fung. Der Planungsverband habe drei Wohngebäude bei der Ortschaft Gottin irrtümlich dem zusammenhängend bebauten Ortsteil zugeordnet und an diesen Gebäuden den entsprechen- den Schutzabstand von 1.000 Metern bemessen. Tatsächlich seien diese Gebäude jedoch planungsrechtlich dem Außenbereich zuzuordnen. Dies habe auch der Landkreis Rostock ge- genüber der Einwenderin im Februar 2019 ausdrücklich bestätigt. Die betreffenden Gebäude lägen nicht im Geltungsbereich eine Bebauungsplanes oder einer städtebaulichen Satzung. In einem früheren Entwurf der laufenden RREP-Fortschreibung habe der Planungsverband die nördliche Grenze des Vorranggebietes schon einmal richtig dargestellt. Die Einwenderin bittet den Planungsverband diesbezüglich den früheren Entwurfsstand wieder aufzugreifen. Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach das Vorrang- gebiet Nr. 38 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooksberg liegt. Die Einwenderin hatte empfohlen, innerhalb dieses Bereiches aufgrund der zu erwartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Windenergieanlagen keine Eignungs- und Vorranggebiete festzulegen.

225 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die BVVG Mecklenburg-Vorpommern verfügt über Grundstücke im Vorranggebiet und be- grüßt ausdrücklich die Erweiterung des Gebietes nach Süden. Mit fast allen betroffenen Grundstückseigentümern habe man Einigkeit über eine gemeinschaftliche Vergabe der Nut- zungsrechte im Wege einer öffentlichen Ausschreibung erzielen können. Bezüglich der nörd- lichen Abgrenzung des Vorranggebietes bittet die Einwenderin um nochmalige Überprüfung. Zur planungsrechtlichen Einstufung der Wohnhäuser bei Gottin und der hier maßgebenden Schutzabstände gebe es offensichtlich verschiedene Einschätzungen. Das Thünengut und das Thünen-Museum Tellow lehnen die Festlegung des Vorranggebie- tes Nr. 127 und die mögliche Erweiterung der Windparks in den Gebieten Nr. 38 und 73 ab. Als Personal- und Freilichtmuseum lebe man von der kulturgeschichtlich gewachsenen Guts- anlage und ihrer Einfügung in die landschaftliche Umgebung. Diese mache auch wesentlich die Attraktivität für Touristen aus. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist nochmals auf die Lage des Gebietes Nr. 38 im Anlagenschutzbereich der Radaranlage Schmooksberg hin, der einen Umkreis von 15 Kilometern um den Standort der Flugsicherungseinrichtung umfasst. Gemäß § 18 a Luft- verkehrsgesetz ist innerhalb dieses Bereiches regelmäßig zu prüfen, ob die Flugsicherungs- einrichtung durch Windenergieanlagen gestört würde. Diese Prüfung erfolge, wenn über die zuständige Luftfahrtbehörde des Landes konkrete Vorhabenplanungen vorgelegt würden. Da die zu erwartenden Einschränkungen dem eigentlichen Ziel von Vorrang- und Eignungsgebie- ten entgegenstünden, wiederholt das Amt seine Empfehlung, innerhalb von Anlagenschutzbe- reichen keine Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen, jeden- falls aber auf die Möglichkeit von Einschränkungen im späteren Genehmigungsverfahren und die Notwendigkeit der Beteiligung der Luftfahrtbehörde hinzuweisen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist erneut darauf hin, dass sich das Gebiet Nr. 38 im Norden teilweise mit der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes überschneidet. Das Landesamt bekräftigt seine Auffassung, dass der 1.000-Meter-Abstand als zwingendes Ausschlusskriterium zu gel- ten habe, dessen Anwendung keiner planerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Außerdem werde ein Mindestabstand von 2,5 Kilometern zu den benachbarten Vorranggebieten Nr. 73 und 127 nicht eingehalten. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock kritisiert die mit dem Entwurf von No- vember 2018 erfolgte Ausdehnung des Gebietes Nr. 38 in südliche Richtung. Dies sei als we- sentliche Erweiterung anzusehen. Die Abgrenzung entspreche nicht mehr dem Entwurfsstand vom November 2015, welcher der 2016 durchgeführten Greifvogelerhebung und der daraufhin vorgenommenen artenschutzfachlichen Bewertung zugrunde lag. Durch den streifenförmigen Ausläufer des Vorranggebietes werde das östlich gelegene Waldstück einseitig abgeriegelt. Aus Sicht des Naturschutzes sei eine kompakte Anordnung der Windenergieanlagen einer Aufstellung in Reihe grundsätzlich vorzuziehen, weil die letztere Aufstellungsform eine stär- kere Barrierewirkung im Luftraum entfalte und zu Vogelkollisionen in größerer Zahl führe. Die Naturschutzbehörde bezieht sich dabei auf eine Studie des Bundesamtes für Naturschutz, in der wiederum auf andere einschlägige Studien Bezug genommen wird. Greifvögel würden die Waldränder zur Nahrungssuche, als Sitzwarten und als Balzplätze nutzen, sodass hier ein erhöhtes Schlagrisiko angenommen werden müsse. Auch bezüglich der möglichen Wirkungen auf das Landschaftsbild sei der Zuschnitt des Vorranggebietes Nr. 38 als besonders nachteilig anzusehen. Das Amt für Kreisentwicklung des Landkreises Rostock bemängelt die aus seiner Sicht unzureichende Berücksichtigung der Tourismusentwicklungsräume bei der Auswahl der Vor- ranggebiete für Windenergieanlagen (vgl. auch die im Abschnitt 5.3 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders). Die Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 liegen zum Teil im Tourismusentwicklungsraum. Im Bereich der Vorranggebiete verlaufen zwei bedeutende tou- ristische Radrouten. Dies sind der Radfernweg Hamburg—Rügen und der Schlösserrundweg.

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Der Verlauf der Routen sei im Hinblick auf die Anbindung der Gutsanlage Tellow und der Stadt Teterow gewählt worden. Den Touristen solle in verkehrsarmer Umgebung eine freie Sicht in die Landschaft ermöglicht werden. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern kritisiert die mit der letzten Überarbeitung des Ent- wurfes vorgenommene Ausdehnung des Gebietes Nr. 38 nach Süden. Dadurch würde eine langgezogene Front von Windenergieanlagen vor dem angrenzenden Waldstück entstehen, welches durch die im Nordosten und Osten geplanten weiteren Vorranggebiete zusätzlich um- stellt würde. Der NABU befürchtet negative Auswirkungen auf die Vögel und Fledermäuse und empfiehlt, auf die südliche Ausdehnung des Vorranggebietes zu verzichten. Die ENO Energy GmbH regt eine Überprüfung der Gebietsabgrenzung an. Zum östlich gele- genen Wald sei gemäß § 20 Landeswaldgesetz ein Abstand von 30 Metern einzuhalten. Für die Einhaltung eines größeren Abstandes seien keine Gründe ersichtlich. Auch der Abstand zur südlich verlaufenden Allee sei anhand der Entwurfsunterlagen nicht nachvollziehbar und möglicherweise willkürlich angesetzt. Die Einwenderin regt eine Erweiterung des Vorrangge- bietes über die Straße hinaus bis auf 800 Meter Abstand zu den nächstgelegenen Häusern an. Die Gemeinde Warnkenhagen spricht sich grundsätzlich für die Nutzung erneuerbarer Ener- giequellen aus. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, dass Windenergieanlagen immer dichter an den Wohnhäusern errichtet würden. Da die betroffenen Bürger von den Anlagen keine Vor- teile, sondern nur Nachteile hätten, gehe die Akzeptanz gegen Null. Für den Fall, dass der Planungsverband an den Gebieten Nr. 38 und 73 festhalten wolle, fordert die Gemeinde eine Erhöhung der Schutzabstände zu den Wohnhäusern. Den betroffenen Gemeinden sei eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Der Strom müsse den Verbrauchern vor Ort zu gerin- geren Preisen angeboten werden. Auch die Gemeinde Dalkendorf betont ihre grundsätzlich positive Haltung zu den erneuerba- ren Energien. Diese habe man mit der Zustimmung zu den ersten Windparks sowie dem Auf- bau einer örtlichen Wärmeversorgung aus der Abwärme einer Biogasanlage bewiesen. Mit der Wärmeversorgung werde in erheblichem Umfang Heizöl eingespart, und die Haushalte wür- den finanziell entlastet. Durch Windenergieanlagen würden den Bürgern dagegen nur Nach- teile entstehen, sodass für neue Vorranggebiete keine Akzeptanz vorhanden sei. Die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern müssten mittlerweile die höchsten Strompreise bezahlen. Vor- teile hätten nur die Grundeigentümer, auf deren Land die Anlagen stünden. Die Gemeinden hätten nur die Steuereinnahmen, die jedoch in den nächsten Jahren immer weniger würden. Darüber hinaus habe man die Diskussion mit den Bürgern auszuhalten, die von diesen immer nachdrücklicher geführt würde. Mit der südlichen Erweiterung des Gebietes Nr. 38 und der Neufestlegung des Gebietes Nr. 127 würden die Dörfer Amalienhof und Dalkendorf zu drei Vierteln von Windenergieanlagen umstellt. Dies sei nicht hinnehmbar. Für den Fall, dass alle Widersprüche und Proteste erfolglos blieben, fordert die Gemeinde die Nabenhöhe der Wind- energieanlagen auf unter 100 Meter zu beschränken. Der Abstand zu allen Gebäuden müsse mindestens 1.000 Meter betragen. Es müssten radargestützte Befeuerungssysteme einge- setzt werden, um ein dauerndes Blinken der Anlagen zu vermeiden. Die Gemeinde müsste eine finanzielle Unterstützung erhalten. Den Einwohnern müssten Preisnachlässe bei der Stromversorgung gewährt werden.

6.13.3 Zusammengefasste Abwägung Aus den Gemeinden nordwestlich von Teterow sind zum letzten Entwurf der RREP-Fortschrei- bung relativ viele Stellungnahmen der Bürger eingegangen. Die große Mehrzahl der Ein- wendungen richtet sich gleichermaßen gegen die erneute Festlegung der alten Eignungsge- biete Nr. 38 und 73 sowie gegen das neue Gebiet Nr. 127. Die oben dokumentierten Bürgereinwendungen geben das Spektrum der wesentlichen Argumente wieder. Auf eine Wie- dergabe aller Einwendungen hat der Planungsverband verzichtet, weil in großer Zahl wort-

227 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 oder inhaltsgleiche Stellungnahmen – zum Teil in Form unterschriebener Vordrucke – einge- reicht wurden. Der Planungsverband geht in Auswertung der bislang durchgeführten öffentli- chen Auslegungen davon aus, dass die bloße Anzahl der Einwendungen allein keine unmittel- baren Rückschlüsse auf Schwere und Ausmaß der mit den betreffenden Vorranggebieten verbundenen Konflikte erlaubt. Die große Anzahl kann gleichwohl ein Hinweis darauf sein, dass bestimmte Belange und Schutzinteressen hier besonders berührt werden. Im Ergebnis der nachfolgend dargelegten Abwägung kommt der Planungsverband jedoch zu dem Ergeb- nis, dass das Gebiet Nr. 38 kein besonders herausgehobenes Konfliktpotenzial aufweist. Dem Einwand zahlreicher Bürger, dass schon die ursprüngliche Festlegung des Eignungs- gebietes Nr. 38 im Jahr 1999 rechtswidrig und ohne gebührende Prüfung von Umweltschutz- belangen erfolgt sei, kann der Planungsverband nicht folgen. Entsprechende Mängel in der damals erfolgten planerischen Abwägung sind dem Planungsverband nicht bekannt und wer- den auch von den Einwendern nicht dargelegt. Zutreffend ist allerdings, dass die Anforderun- gen an die Prüfung der Umweltbelange sowie die Dokumentation der diesbezüglichen Unter- suchungen und Erwägungen seit 1999 vom Gesetzgeber maßgeblich weiterentwickelt wurden. An früher abgeschlossene Planungsverfahren kann nicht einfach nachträglich der Maßstab des heutigen Verfahrensrechts angelegt werden. Ebenso wenig kann der Planungs- verband dem Einwand folgen, dass vermeintliche Fehler der Vergangenheit mit der aktuellen RREP-Fortschreibung wiederum ohne gebührende Prüfung übernommen und nochmals fest- geschrieben würden. Vielmehr wurden die früheren planerischen Festlegungen zur Windener- gienutzung umfassend überprüft. Bei der heutigen Bewertung von Umweltauswirkungen ist grundsätzlich vom aktuellen Zustand auszugehen. Die vorhandenen Windparks in den früher festgelegten Eignungsgebieten sind zunächst als bestehende Nutzung (also als Teil der Um- welt) zu berücksichtigen. Hinweise darauf, dass bereits diese bestehende Nutzung mit (nach heutigen Maßstäben des Umweltschutzes) nicht vertretbaren Auswirkungen einhergehen würde, liegen dem Planungsverband weder für das Gebiet Nr. 38 noch für andere früher fest- gelegte Eignungsgebiete vor. Zur Frage, inwieweit die planerische Vorsorge im Hinblick auf einen zukünftigen Ersatz der bestehenden Windparks durch größere Anlagen nachträgliche Änderungen an den früher festgelegten Eignungsgebieten begründet, wird auf die Abschnitte 3.10 und 4.9 und die dort dargelegten grundsätzlichen Erwägungen verwiesen. Ebensowenig folgen kann der Planungsverband dem Einwand, dass die Neuabgrenzung bzw. Neufestlegung der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 einer „Salamitaktik“ gleich- komme, indem Raum für neue Anlagen geschaffen würde ohne die bereits gegebenen Um- weltauswirkungen der bestehenden Anlagen zu betrachten. Selbstverständlich wären bei einer Genehmigung neuer Anlagen die vorhandenen Windparks und die von ihnen verursachten Vorbelastungen zu beachten. Soweit es zum Beispiel um die Einhaltung konkreter Immissi- onsrichtwerte in den umliegenden Wohnorten geht, ist dies jedoch Gegenstand späterer Ge- nehmigungsverfahren – und nicht des Planungsverfahrens zur RREP-Fortschreibung. In pla- nerischer Hinsicht ist als mögliche Kumulationswirkung insbesondere die lokale Häufung von Windenergieanlagen zu betrachten. Diese ist im Hinblick auf die technische Überformung des Landschaftsbildes sowie die Umstellung von Ortschaften zu bewerten. Die entsprechenden Erwägungen des Planungsverbandes wurden bereits in den Entwurfsunterlagen vom Novem- ber 2018 dargelegt und sind im Abschnitt 3.5 nochmals wiedergegeben. Zahlreiche Stellungnahmen beziehen sich auf die Erhaltung der Kulturlandschaft, die durch Windenergieanlagen in ihrem Erscheinungsbild verändert würde. Inwieweit die bereits vorhan- denen Anlagen in den bisherigen Eignungsgebieten Nr. 38 und 73 eine noch hinnehmbare oder eine bereits unverträgliche Veränderung darstellen, scheinen die Einwender unterschied- lich zu beurteilen. Die diesbezüglichen Einwendungen berühren eine zentrale Grundsatzfrage der RREP-Fortschreibung, nämlich die Frage nach dem erwünschten und vertretbaren Grad der räumlichen Konzentration von Windenergieanlagen. Der Planungsverband bleibt bei sei- ner Einschätzung, dass eine moderate Konzentration bei gleichzeitiger Freihaltung besonders wertvoller Landschaftsräume dem Charakter der Kulturlandschaft in der Region Rostock am

228 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 besten gerecht wird. Die von den Einwendern hervorgehobenen landschaftsprägenden Struk- turen und Bauwerke wie Alleen, Kirchen und Gutsanlagen sind überall in der Region vorhan- den, nicht nur in der Umgebung von Teterow. Innerregionale Unterschiede gibt es allerdings bei der Überformung der historischen Kulturlandschaft durch Infrastrukturen und Siedlungser- weiterungen des Industriezeitalters. Diese ist in der näheren Umgebung von Rostock und Güstrow sowie im Küstenraum tatsächlich weiter fortgeschritten als in den peripheren Teilen der Region um Gnoien, Krakow am See und Teterow. Der Planungsverband ist bei der Aus- wahl von Standorten für Windparks einem Zielkonflikt ausgesetzt. Die Forderung nach immer größeren Schutzabständen zu den Wohnorten hat in den letzten Jahren gerade dazu geführt, dass für die Windenergienutzung vermehrt die dünnbesiedelten Randgebiete der Region in Betracht gezogen wurden, in denen der Charakter einer agrarisch geprägten Kulturlandschaft noch relativ gut erhalten ist (vgl. hierzu auch die allgemeinen Ausführungen in den Abschnitten 4.3 und 5.6). Den Einwendern steht es selbstverständlich frei, beides zugleich zu fordern – die Einhaltung maximaler Abstände zu den Wohnorten und die konsequente Freihaltung der dünn- besiedelten, bisher wenig veränderten Agrarlandschaften. Der Planungsverband muss dies- bezüglich jedoch Kompromisse eingehen, weil beide Forderungen nicht miteinander vereinbar sind. Die Mecklenburgische Schweiz als Kulturlandschaft von herausgehobener Bedeutung wird bei der RREP-Fortschreibung geschützt, indem der Naturpark Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See, die Gebiete mit besonderer Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes und der Freiraumfunktion sowie der Tourismusschwerpunktraum um Teterow und den Malchi- ner See von der Festlegung von Windenergie-Vorranggebieten ausgenommen wurden. Der Raum um Warnkenhagen und Dalkendorf, in dem die drei fraglichen Vorranggebiete liegen, gehört nicht zu diesen besonders schützenswerten Landschaftsräumen. Bezüglich der vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie angemahnten Einhal- tung eines zusätzlichen Schutzabstandes um die Räume mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.6 verwiesen. Für das Gebiet Nr. 38 liegen keine Erkenntnisse vor, die in diesem Fall eine andere Abwägung rechtfertigen würden. Der größte Teil des Gebietes Nr. 38 liegt außerhalb der vom Landesamt empfohlenen 1.000-Meter-Abstandszone. Mehrere Einwender bemängeln, dass der Planungsverband im Anhang des Umweltberichtes die in der Umgebung der drei fraglichen Vorranggebiete vorhandenen Baudenkmale nur un- vollständig aufgezählt hat. Diese Aufzählung erfolgt tatsächlich ohne Anspruch auf Vollstän- digkeit. Der Planungsverband hat sich im Wesentlichen auf die Aufzählung der Kirchen und Gutsanlagen beschränkt, weil diese in besonderem Maße die Ortsbilder prägen. Die im Anhang des Umweltberichtes wiedergegebene Bewertung der Erholungseignung der Landschaft stammt aus dem Gutachtlichen Landschaftsrahmenplan Mittleres Mecklenburg/ Rostock und ist nach Einschätzung des Planungsverbandes im Wesentlichen zutreffend. Da- mit wird nicht in Frage gestellt, dass die Umgebung der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 – wie die gesamte Region Rostock – eine Bedeutung für den Tourismus und die Naherholung hat. Diese Bedeutung ist hier aber nicht so ausgeprägt, dass sie einen völligen Ausschluss der Windenergienutzung begründen würde. Auch die Lage der drei Vorranggebiete in einem Tourismusentwicklungsraum rechtfertigt keinen Ausschluss der Windenergienutzung. Da die Region Rostock insgesamt eine Touris- musregion ist, umfassen die im RREP festgelegten Tourismusräume den größten Teil der Re- gion. Es wäre weder möglich noch planerisch gerechtfertigt diese Räume komplett von Wind- parks freizuhalten. Der Tourismus und die Windenergienutzung schließen einander nicht grundsätzlich aus. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass das Landschaftsbild nicht zu sehr von Windenergieanlagen dominiert wird. Mit dem bei der RREP-Fortschreibung ange- wandten Kriteriensystem wird dies aus Sicht des Planungsverbandes gewährleistet. Der zwischen den drei Vorranggebieten verlaufende touristische Radfernweg begründet in diesem Fall keine andere Einschätzung. Der Verlauf dieses Radweges berührt keineswegs

229 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 nur reine Natur- und Agrarlandschaften, sondern wechselt zwischen naturnäheren und stärker von Siedlung und Infrastruktur geprägten Bereichen. Die Einschätzung einiger Einwender, dass der Planungsverband den wirtschaftlichen Inte- ressen von Windparkbetreibern ein höheres Gewicht gegeben habe als den Interessen der Hauseigentümer oder der Tourismuswirtschaft, trifft nicht zu. Zutreffend ist, dass die Region Rostock Standort von Unternehmen der Windenergiebranche ist und somit – neben dem all- gemeinen öffentlichen Interesse an der umweltverträglichen Energiegewinnung – ein regional- wirtschaftliches Interesse am Ausbau der Windenergienutzung besteht. Ebenso besteht ein regionalwirtschaftliches Interesse daran, den Tourismus zu fördern und die Attraktivität der Region als Wohnort zu erhalten. Wie bei den oben dargelegten planerischen Zielen besteht somit auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein Zielkonflikt, der nicht einfach dadurch gelöst werden kann, dass ein einzelnes Interesse über alle anderen gestellt wird. Die Region kann weder allein vom Tourismus noch allein von der Energiegewinnung leben. Die verschiedenen Be- lange und Interessen müssen in ausgewogener Weise berücksichtigt werden. Die Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen folgt den einheitlichen Kriterien, die in den Plan- unterlagen der RREP-Fortschreibung ausführlich beschrieben sind. Die wirtschaftlichen Inte- ressen einzelner Unternehmen waren bei der Auswahl der Vorranggebiete in keinem Fall maß- gebend. Mehrere Einwender betonen, dass sie ihren Wohnort absichtlich in einem besonders ruhi- gen und naturnahen Umfeld gewählt haben, und sehen die Errichtung neuer und größerer Windenergieanlagen als unzumutbaren Eingriff in ihre Wohnumgebung an. Entsprechende Einwände werden auch in anderen Teilen der Region gegen die dort festgelegten Vorrangge- biete vorgebracht. Die Gemeinden nordwestlich von Teterow nehmen in dieser Hinsicht offen- sichtlich keine Sonderstellung ein. Der Planungsverband ist sich der Bedeutung und der At- traktivität des ländlichen Raumes als Wohnort bewusst und geht davon aus, dass mit den angewandten Planungskriterien dieser Bedeutung hinreichend Rechnung getragen wird. An- hand dieser Kriterien werden Teile der Region großräumig von Windparks freigehalten. Mit einem Schutzabstand von 800 Metern wird im Übrigen für die vorhandenen Wohnhäuser im Außenbereich eine sehr weitreichende planerische Vorsorge betrieben. Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass der Gesetzgeber den Außenbereich als Standort für störende Anlagen aus- drücklich vorgesehen hat. Das Interesse der Bewohner an der Erhaltung einer möglichst ruhi- gen Umgebung kann deshalb für die RREP-Fortschreibung nicht allein maßgebend sein. Mit der Einhaltung großzügiger Schutzabstände zu allen Wohnhäusern wird gewährleistet, dass mögliche Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes ein vertretbares Maß nicht übersteigen. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Die Einschät- zung einzelner Einwender, wonach die Errichtung von Windenergieanlagen in ihrer Nachbar- schaft einer Enteignung gleichkäme, hält der Planungsverband für zu weitgehend. Das Woh- nen wird im Umfeld der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 auch in Zukunft ohne Einschränkungen möglich sein. Eine generelle Garantie zur Erhaltung einer völlig störungs- freien Wohnumgebung, die alle Hauseigentümer vor jeglichen Veränderungen in ihrer Nach- barschaft schützen würde, kann es nicht geben. Bezüglich der lokalen Häufung von Windparks sowie einer möglichen Umstellungswir- kung auf Ortschaften wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 3.5 verwiesen. Die einheitlich angewandten Orientierungswerte zur Bestimmung übermäßiger Zusammenballun- gen werden bei den drei fraglichen Vorranggebieten Nr. 38, 73 und 127 nicht erreicht. Die summierte Flächengröße der drei Gebiete wird in anderen Teilen der Region schon von ein- zelnen Vorranggebieten überschritten. Ansätze einer möglichen Umstellungswirkung sind nur für die Ortschaft Dalkendorf festzustellen. Die Summe der potenziell verstellten Bereiche um diesen Ort beträgt 160 Grad. 180 Grad würden erreicht, wenn die fast 20 Jahre alten, zukünftig außerhalb der Vorranggebiete stehenden Anlagen des vorhandenen Windparks Warnkenha- gen mitgerechnet werden, von denen gegenwärtig nicht bekannt ist, ob sie in der nächsten Zeit zurückgebaut oder noch länger betrieben werden. Der Planungsverband hat diesem Um-

230 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 stand bereits Rechnung getragen und bei der Abgrenzung des Gebietes Nr. 38 auf eine maxi- mal mögliche Ausdehnung nach Süden verzichtet. Der gesamte südliche Umkreis des Ortes würde von Windenergieanlagen frei bleiben. Die Ansiedlung Amalienhof ist planungsrechtlich dem Außenbereich zuzuordnen. Die Maßstäbe, die bei der Beurteilung möglicher Umstel- lungswirkungen auf Ortschaften angewandt werden, gelten für eine solche Splittersiedlung nicht. Bezüglich der nördlichen Abgrenzung des Gebietes Nr. 38 weisen einzelne Einwender da- rauf hin, dass mehrere Wohnhäuser vom Planungsverband im Entwurf vom November 2018 versehentlich dem Bebauungszusammenhang der Ortschaft Gottin zugeordnet wurden, ob- wohl sie tatsächlich im Außenbereich stehen. Der Schutzabstand von 1.000 Metern zur Ort- schaft wurde somit nicht ganz richtig bemessen, obwohl im vorausgegangenen Entwurf vom November 2015 diese Bemessung schon einmal richtig vorgenommen worden war. Der Fehler ist bei der letzten Überarbeitung des Entwurfes in der Geschäftsstelle des Planungsverbandes unterlaufen. In der Grundkarte des RREP ist die Differenz kaum erkennbar; in der genaueren Kartendarstellung im Anhang des Umweltberichtes ist sie jedoch auffällig. In der Fassung vom November 2018 wurde die Abgrenzung zwar im Text richtig beschrieben, in der Karte jedoch leicht abweichend dargestellt. In der endgültigen Fassung der RREP-Fortschreibung wird der Fehler behoben und somit die Einheit von zeichnerischer Darstellung und verbaler Beschrei- bung der Gebietsgrenzen im Umweltbericht wiederhergestellt. Mehrere Einwände beziehen sich auf die im Entwurf vom November 2018 vorgenommene südliche Erweiterung der Gebietes Nr. 38. Die dadurch entstandene schlauchförmige Aus- formung des Vorranggebietes wird zum Teil für problematisch gehalten, weil aus Gründen des Landschaftsschutzes eine kompakte Anordnung der Windenergieanlagen grundsätzlich anzu- streben sei. Im Entwurf vom November 2015 war die Erweiterung noch nicht enthalten, weil der Planungsverband zunächst selbst eine kompakte Gebietsform als vorzugswürdig angese- hen hatte, die sich nicht allzu weit von den Grenzen des bisher geltenden Eignungsgebietes entfernen sollte. Bei der Überarbeitung des Entwurfes im Jahr 2018 ist dann einer strikten Anwendung der einheitlichen Abstandskriterien der Vorzug gegeben worden, die zu der lang- gezogenen Form des Vorranggebietes geführt hat. Der Planungsverband hält diese Ausfor- mung nach nochmaliger Abwägung für vertretbar. Andere Vorranggebiete in der Region Rostock weisen eine ähnlich große oder noch größere Längenausdehnung auf, und es liegt kein extremes Missverhältnis von Längs- und Querausdehnung des Gebietes Nr. 38 vor. Die Tatsache, dass in einem Teil des Vorranggebietes nur eine einreihige Bebauung mit Wind- energieanlagen möglich sein wird, rechtfertigt nicht zwingend einen Ausschluss dieser Teilflä- che. Bezüglich der Abgrenzung des Gebietes Nr. 38 zum südöstlich gelegenen Wald und zur Kreisstraße 30 bleibt der Planungsverband bei der im Entwurf vom November 2018 gewähl- ten Methodik. Die Gebietsgrenzen sollen möglichst annähernd den Bereich abbilden, der nach den Maßstäben des Genehmigungsrechtes später für eine Bebauung mit Windenergieanlagen zur Verfügung stehen wird. Bei Wäldern wird der gesetzliche Waldabstand und bei Straßen ein ggf. bestehendes Anbauverbot zuzüglich eines Rotorhalbmessers heute üblicher Wind- energieanlagen berücksichtigt. Zur Methodik der Gebietsabgrenzung wird auf die Ausführun- gen im Abschnitt 6 des Umweltberichtes verwiesen. Zutreffend ist, dass unter Berücksichti- gung von Mindestabständen zur Fahrbahn der südlich verlaufenden Kreisstraße und zu den Wohnhäusern in Zierstorf Ausbau eine weitere Ausdehnung des Gebietes Nr. 38 nach Süden (über die Straße hinaus) möglich gewesen wäre. Der Planungsverband hat auf diese maximale Ausdehnung verzichtet, um – wie oben erläutert – eine Umstellungswirkung auf die Ortschaft Dalkendorf zu vermeiden. Die Kreisstraße mit ihrem Alleebaumbestand bildet nach Süden eine Zäsur im Landschaftsraum und damit eine sinnvolle Grenze für das Vorranggebiet. Eine mögliche Barrierewirkung auf das angrenzende Waldgebiet bzw. eine erhöhte Gefahr für die hier lebenden Vögel und Fledermäuse kann im Zusammenhang mit der südlichen Aus- dehnung des Gebietes Nr. 38 sicherlich angenommen werden. Die hier eintretende Situation, dass ein Vorranggebiet auf etwa einem Kilometer Länge direkt an einen Wald angrenzt, ist

231 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 jedoch an anderen Stellen in der Region ebenso gegeben, ohne dass sie dort zum Ausschluss der betreffenden Vorranggebiete geführt hätte. Örtliche Besonderheiten, die im Fall des Ge- bietes Nr. 38 eine andere Abwägung nahelegen würden, sind aus den vorliegenden Stellung- nahmen nicht ersichtlich. Bei der Berücksichtigung der Lebensraumansprüche der Seeadler hat sich der Planungsver- band auf die Brutplatzdaten des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie gestützt, die auf langjährigen, kontinuierlichen Erhebungen ortskundiger Fachleute beruhen. Das Wald- gebiet bei Dalkendorf ist behördlicherseits nicht als Brutrevier des Seeadlers bekannt. Auch die im Jahr 2016 für die RREP-Fortschreibung durchgeführte Brutplatzerhebung hat keinen entsprechenden Befund ergeben. Brutplätze des Rotmilans wurden im Umkreis des Gebietes Nr. 38 bei der 2016 durchgeführ- ten Erhebung nicht festgestellt. Sofern in anderen Jahren ein Brutvorkommen dieser Art im Wald bei Dalkendorf beobachtet wurde, bezeugt dies kein besonderes Konfliktpotenzial des Gebietes Nr. 38, sondern nur die bekannte Wechselhaftigkeit des Rotmilans bei der Brutplatz- wahl. Im Übrigen wird bezüglich der Belange des Vogelschutzes auf die diesbezüglichen Ausfüh- rungen im Umweltbericht sowie im Abschnitt 5.7 dieser Abwägungsdokumentation verwiesen. Zutreffend ist der Einwand der unteren Naturschutzbehörde, dass die Untersuchungsräume der im Jahr 2016 durchgeführten Brutplatzerhebung noch auf dem Entwurfsstand der RREP- Fortschreibung vom November 2015 beruhten und somit ohne Rücksicht auf die – erst nach- träglich vorgenommene – Süderweiterung des Gebietes Nr. 38 bestimmt wurden. Allerdings liegt diese Erweiterung vollständig innerhalb des Untersuchungsraumes. Somit kann ausge- schlossen werden, dass innerhalb oder in unmittelbarer Nähe des nunmehr festgelegten Vor- ranggebietes wichtige Vogelschutzbelange übersehen wurden. Eine methodische Unschärfe liegt jedoch insoweit vor, wie sich die artenschutzfachliche Bewertung auf die weiteren Um- kreise von 2 und 6 Kilometern um die Vorranggebiete sowie die darin vorgefundene Habitat- ausstattung bezieht. Diese methodische Unschärfe ist im Nachhinein nicht mehr vollständig zu beseitigen. Eine mögliche nachträgliche Erhebung der Brutplätze in einem entsprechend erweiterten Untersuchungsraum wäre mit dem Mangel behaftet gewesen, dass für alle ande- ren Untersuchungsgebiete der Brutbestand des Jahres 2016 und für das Gebiet Nr. 38 die Befunde eines späteren Jahres herangezogen worden wären. Dies wäre insofern ein Problem gewesen als die Bewertung der Brutplatzdichte wesentlich auf einem direkten Vergleich der untersuchten Gebiete beruht, der eine möglichst einheitliche Datengrundlage voraussetzt. Der Planungsverband kommt nach nochmaliger Abwägung der möglichen Alternativen – Rück- nahme der Süderweiterung, Nachuntersuchung, oder Beibehaltung ohne Nachuntersuchung – zu dem Ergebnis, dass keine zu einem methodisch einwandfreien Ergebnis führt. Allerdings ist auch für keine dieser Alternativen zu erkennen, dass Grundsätze einer sachgerechten Prü- fung und Abwägung verletzt würden. Der Planungsverband bleibt somit bei der im Entwurf vom November 2018 vorgezeichneten Abgrenzung. Die im Umweltbericht wiedergegebene Bewertung der Artenschutzbelange lässt erkennen, dass das Gebiet Nr. 38 das konfliktärmste unter den untersuchten Eignungsgebieten ist. Dass sich im Ergebnis einer Nachuntersuchung die Bewertungsparameter Greifvogeldichte und Überschneidung mit AAB-Abstandszonen maßgebend verändert hätten, ist für ersteren Parameter unwahrscheinlich und für letzteren ausgeschlossen, da die fragliche Gebietserweiterung lediglich 10 Hektar umfasst. Die Para- meter Habitatausstattung und Lage im Schreiadlerlebensraum ändern sich jedenfalls nicht, weil das südliche Umfeld von großflächigem Ackerland geprägt ist und weil keine weitere An- näherung an die nächstgelegenen Brutreviere des Schreiadlers erfolgt. Somit würde in der Gesamtbewertung kein anderes Ergebnis herauskommen. Die Belange des Artenschutzes wurden im Rahmen der RREP-Fortschreibung in einer dem Maßstab der Regionalplanung angemessenen Tiefe geprüft und berücksichtigt. Eine weitere Untersuchung und abschlie- ßende Prüfung erfolgt nochmals bei der späteren Genehmigung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet. Somit besteht nicht die Gefahr, dass mit der Festlegung des Gebietes Nr. 38

232 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 in der nunmehr bestimmten Abgrenzung Konflikte mit den Belangen des Artenschutzes her- vorgerufen werden, die nicht in nachfolgenden Genehmigungsverfahren gelöst werden könn- ten. Bezüglich der Belange der Flugsicherung wird auf die allgemeinen Ausführungen im Ab- schnitt 5.4 verwiesen. Der Planungsverband geht aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen und der bisherigen Erfahrungen davon aus, dass sich die Anforderungen der Luftfahrtbehör- den auf die mögliche Höhe und Stellung der Windenergieanlagen im Vorranggebiet auswirken, die zweckmäßige Ausnutzung dieses Gebietes insgesamt jedoch nicht in Frage stellen wer- den. Die von den Gemeinden Dalkendorf und Warnkenhagen angeregten finanziellen Aus- gleichsregelungen, die ihnen und den Bürgern zu Gute kommen sollten, liegen nicht in der Zuständigkeit des Planungsverbandes. Im Ergebnis der Abwägung wird das Gebiet Nr. 38 mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

233 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.14 Mistorf (Nr. 55/58)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

6.14.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Groß Schwiesow • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • 50-Hertz Transmission GmbH, Berlin • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Enertrag AG, Dauerthal • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • Gemeinde Groß Schwiesow

6.14.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Bürger aus Groß Schwiesow lehnen sowohl die Arrondierung des Gebietes Nr. 55/58 als auch die Erweiterung im Südwesten ab. Die südwestliche Ausdehnung des Gebietes über den Landweg Groß Schwiesow—Oettelin sei bereits bei der Aufstellung des bisher geltenden RREP von 2011 von der Gemeinde Groß Schwiesow abgelehnt worden, und der Planungs- verband sei damals den Einwänden der Gemeinde gefolgt. An den maßgebenden Ableh- nungsgründen habe sich seit 2011 nichts geändert. Der Ort Groß Schwiesow sei bereits zu mehr als 120 Grad von Windenergieanlagen umstellt, und durch die Erweiterung des Vorrang- gebietes würde sich diese Umstellungswirkung noch verstärken. Auch die Geräuscheinwir- kung würde zunehmen. Die Einwender verweisen auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes Mün- chen, wonach Windenergieanlagen vom Typ Enercon E-82, von dem einige Anlagen im Gebiet Nr. 55/58 errichtet wurden, die einschlägigen Lärmrichtwerte überschritten und impulshaltige

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Geräusche verursachten. Es sei fraglich, ob noch von einer vertretbaren Auslastung des Vor- ranggebietes die Rede sein könnte, wenn diese Anlagen über Stunden abgeschaltet würden und stillstehen müssten. Nach Ansicht der Einwender würden die nötigen Abstände zum Wald und zu den nächstgelegenen Wohnhäusern im südwestlichen Ausläufer nicht eingehalten. Auch der Abstand eines hier möglichen weiteren Anlagenstandortes zum vorhandenen Wind- park sei zu klein, sodass hier die Anströmung gestört und die Wirtschaftlichkeit der bestehen- den Anlagen beeinträchtigt würden. Zudem seien zusätzliche negative Auswirkungen auf die Vogelwelt zu befürchten. Mit Blick auf die Arrondierung im mittleren Teil des Vorranggebietes fordern die Einwender, dass die hier ursprünglich maßgebenden Schutzabstände zu kleineren Waldstücken beibehalten werden sollten. Gerade solche grünen Oasen innerhalb des Wind- parks böten den wildlebenden Tieren eine notwendige Schutz- und Ruhezone. Die Einwender verweisen diesbezüglich auf die Beschreibung des Gebietes Nr. 55/58 im Umweltbericht vom November 2018, wonach der betreffende Teil des Vorranggebietes schutzwürdige Lebens- räume und Brutplätze geschützter Großvögel umfasst. Noch heute befänden sich Schlafplätze des Kranichs im Bereich südwestlich der Freileitung. Das Weißstorchenpaar in Groß Schwiesow habe in diesem Jahr endlich wieder Nachwuchs. Durch eine Erweiterung des bis- herigen Eignungsgebietes würde das Nahrungsflächenangebot für die Störche weiter einge- schränkt und das Störungspotenzial erhöht. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die 50-Hertz Transmission GmbH weist nochmals auf die 220-Kilovolt-Freileitung Bent- wisch—Güstrow hin, welche durch das Vorranggebiet verläuft. Der Ersatz dieser Leitung durch den Neubau einer 380-Kilovolt-Leitung ist geplant. Diese Netzverstärkung sei als Maßnahme P215, M454 im Netzentwicklungsplan 2017-2030 durch die Bundesnetzagentur bestätigt wor- den. Der Beginn der Genehmigungsplanungen sei für das Jahr 2019 vorgesehen. Vorzugsva- riante sei gegenwärtig ein trassengleicher Ersatzneubau. Alternativ sei jedoch auch eine Neutrassierung entlang der Autobahn 19 und der vorhandenen 380-Kilovolt-Leitung 543/544 möglich. Derzeit sei von einer Umsetzung der Maßnahme bis zum Jahr 2030 auszugehen. Um den geplanten Leitungsneubau im bestehenden Trassenraum realisieren zu können, sollte grundsätzlich ein Streifen von jeweils 1 Kilometer Breite, mindestens jedoch von 250 Metern, beiderseits der Trassenachse von entgegenstehenden Nutzungen freigehalten werden. Die Einwenderin bittet darum, diesen Vorbehaltskorridor, der als nähere Bestimmung zum Grund- satz 6.5 (10) bereits in den RREP-Entwurf vom November 2018 aufgenommen wurde, auch bei der zeichnerischen Darstellung des Vorranggebietes 55/58 in der Grundkarte zu berück- sichtigen. Wenigstens sollten die geltenden Abstandsregelungen der DIN EN 50341-2-4:2016 in die Darstellung aufgenommen werden. Bezüglich der Richtfunkstrecke, die durch den süd- östlichen Ausläufer des Vorranggebietes verläuft, weist die Einwenderin auf den Mindestab- stand von 30 Metern hin, der zwischen Richtfunkstrahl und dem Rotorkreis einer Windener- gieanlage einzuhalten ist. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Die Enertrag AG befürwortet ausdrücklich die Arrondierung des Vorranggebietes Nr. 55/58. Die Einwenderin plant selbst die Errichtung einer Windenergieanlage innerhalb dieser Fläche. Im Zuge der Vorbereitung des Genehmigungsantrages sei das Gebiet umfassend kartiert und untersucht worden. Nach den dabei gewonnenen Erkenntnissen spreche aus naturschutzfach- licher Sicht nichts gegen eine Festlegung des Gebietes einschließlich der Arrondierungsfläche. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die (marginale) Über- schneidung des Gebietes Nr. 55/58 mit der 1-Kilometer-Abstandszone um einen Raum mit

235 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hin. Ebenfalls marginal überschnitten werde die 500-Meter-Abstandszone um ein Vogelrastgebiet von sehr hoher Bedeutung. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock bemängelt den Einschluss eines ge- setzlich geschützten Biotopes im Norden des Vorranggebietes. Dies widerspreche den ein- schlägigen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes und des Naturschutzausfüh- rungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Planung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet sei ein Rotorabstand zum Biotop einzuhalten. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern nimmt Bezug auf die in der Abwägungsdokumenta- tion vom November 2018 wiedergegebene Einwendung eines Bürgers, wonach die Arrondie- rungsfläche in der Mitte des Gebietes Nr. 55/58 mit den dort vorhandenen Biotopen ein wich- tiges Nahrungshabitat für Greifvögel und Störche sei. Der NABU fordert aufgrund der hohen Bedeutung dieser Flächen für den Naturhaushalt von der Arrondierung Abstand zu nehmen. Die Gemeinde Groß Schwiesow lehnt die Erweiterung des Gebietes Nr. 55/58 im südwestli- chen Ausläufer über den Oetteliner Weg ab. Mit dieser Erweiterung würde der Ort Groß Schwiesow zu mehr als einem Drittel des Umkreises von Windenergieanlagen umstellt. Ge- messen von der Ortsmitte an der Einmündung der Straße Am Speicher ergäbe sich ein Um- stellungswinkel von 140 Grad. Würde die vorhandene Windenergieanlage bei Augustenruh (außerhalb der neuen Grenzen des Vorranggebietes) in die Berechnung einbezogen, ergäbe sich ein noch größerer Winkel. Das Konfliktpotenzial sei damit zweifelsfrei als erhöht anzuse- hen. Mit der südwestlichen Ausdehnung des Windparks würde sich die Einwirkung von Schlag- schatten auf die Wohnhäuser in Groß Schwiesow erhöhen. Der regelmäßige Schutzabstand von 1.000 Metern würde mit Bezug auf das letzte Flurstück am Ortsrand von Oettelin unter- schritten. Zur südwestlichen Windenergieanlage im derzeit festgelegten Eignungsgebiet könne innerhalb der Erweiterungsfläche höchstens ein Abstand von 350 Metern eingehalten werden. Bei Einhaltung dieses Abstandes könne aber wiederum der Schutzabstand von 800 Metern zum südlich gelegenen Wohngrundstück an der Landesstraße nicht gewahrt werden. Nach Ansicht der Gemeinde wurde die südwestliche Erweiterung des Gebietes Nr. 55/58 ohne Rücksicht auf eine wirtschaftlich und technisch optimale Anordnung der Windenergieanlagen vorgesehen. Der Planungsverband habe die ungünstigen Voraussetzungen für eine Erweite- rung bereits selbst erkannt und in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 be- schrieben. Eine nochmalige Überprüfung sollte nach Ansicht der Gemeinde dazu führen, dass von der Erweiterung abgesehen wird.

6.14.3 Zusammengefasste Abwägung Den Anregungen der 50-Hertz Transmission GmbH zur Berücksichtigung einer weitergehen- den Abstandszone um die 220-Kilovolt-Freileitung wird nicht gefolgt. Im Vorranggebiet Nr. 55/58 verläuft die Leitung zusammen mit einer 110-Kilovolt-Leitung zwischen den Wind- energieanlagen in einem Freiraum von rund 500 Metern Breite. Dieser Freiraum ist durch vor- handene Anlagen im bisherigen Eignungsgebiet begrenzt. Ein Verzicht auf die mit der RREP- Fortschreibung vorgenommene Arrondierung des Eignungsgebietes würde an den bereits vor- handenen Zwangspunkten nichts ändern. Die weitergehende Empfehlung der 50-Hertz Trans- mission GmbH zur Freihaltung einer Abstandszone von generell 1.000 Metern beiderseits der Leitungstrasse wird als Richtwert für bislang nicht baulich genutzte Flächen im Trassenverlauf verstanden, dessen Anwendung die Entstehung neuer Zwangspunkte und Engstellen vermei- den soll. In diesem Sinne ist der 1.000-Meter-Richtwert als abwägungs- und ermessenslei- tende Maßgabe in die Begründung zum Satz 6.5 (10) der RREP-Fortschreibung aufgenom- men worden. Im Bereich vorhandener baulicher Nutzungen soll deren Bestandsschutz in der Regel Vorrang haben. Dies gilt auch für vorhandene Windparks in früher festgelegten Eig- nungsgebieten. Im vorliegenden Fall wird davon ausgegangen, dass der vorhandene Trassen- raum ausreicht, um später eine neue Freileitung errichten zu können. Die Leitung passiert den Windpark auf einem Abschnitt von etwa zwei Kilometern Länge, wovon nur ein Kilometer beid- seitig durch Windenergieanlagen eingeengt ist.

236 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die im bisherigen Eignungsgebiet und in der neu festgelegten Arrondierungsfläche vorhande- nen geschützten Biotope erreichen allesamt nicht die Größe von fünf Hektar und bleiben somit bei der Abgrenzung des Vorranggebietes unberücksichtigt. Die Regionalplanung kann schon aus Gründen der Maßstäblichkeit nicht jede Vegetationsstruktur berücksichtigen. Hierzu wird auch auf die Ausführungen im Abschnitt 5.6 verwiesen. Der gesetzliche Schutzstatus der Biotope wird durch die Festlegung des Vorranggebietes nicht berührt. Es dürfen also keine Windenergieanlagen innerhalb der Biotope genehmigt und errichtet werden. Somit bleiben der Bestand und die ökologische Funktion der Biotope auch innerhalb des Vorranggebietes gesi- chert. Die von der Naturschutzbehörde beklagte Einschlusswirkung ist schon durch den vor- handenen Windpark gegeben und wird durch die Arrondierung des bisherigen Eignungsgebie- tes nicht mehr wesentlich verstärkt. Der Hinweis der ortsansässigen Bürger, dass der vorhandene Windpark nach wie vor von Kranichen frequentiert wird und die hier vorhandenen Schlafplätze nicht aufgegeben wurden, deutet im Übrigen darauf hin, dass die Windenergie- anlagen für diese Großvögel keine ausgeprägte Barrierewirkung haben. Für die meisten an- deren der örtlich vorkommenden Tierarten dürfte diese umso mehr zutreffen. Ein erhöhtes Gefährdungspotenzial besteht vermutlich für die vom NABU erwähnten Greifvögel. Auch dies ist jedoch bereits durch die vorhandenen Anlagen gegeben und wird durch die Arrondierung nicht wesentlich weiter erhöht. Für die Waldstücke innerhalb der Arrondierungsfläche gelten im Prinzip die gleichen Über- legungen wie für die geschützten Biotope. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.8 verwiesen. Zutreffend ist, dass bei der Aufstellung des geltenden RREP im Jahr 2011 weitergehende Ausschluss- und Abstandskriterien zum Schutz der Wälder ange- wandt wurden. Bei der Fortschreibung des RREP hat sich der Planungsverband an den seit 2012 geltenden Empfehlungen der Landesregierung orientiert, mit denen die Anforderungen etwas zurückgenommen wurden. Diese Änderung war insofern gerechtfertigt als nach der al- ten Methodik um sehr kleine Waldstücke zum Teil unverhältnismäßig große Ausschlussflächen berücksichtigt wurden. Der gesetzliche Schutz des Waldes wird durch die Festlegung des Vor- ranggebietes nicht berührt. Zur südwestlichen Erweiterung des bisherigen Eignungsgebietes wird auf die in der Abwä- gungsdokumentation vom November 2018 bereits enthaltenen Ausführungen verwiesen. Nach nochmaliger Überprüfung kommt der Planungsverband zu keinem anderen Ergebnis. Für die Ortschaft Groß Schwiesow ist im Ansatz eine Umstellungswirkung zu erkennen, die jedoch ein verträgliches und vertretbares Maß nicht übersteigt. Der gesamte südliche Umkreis des Ortes bleibt frei von Windenergieanlagen. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Erläute- rungen zum Umgang mit lokalen Häufungen von Windparks in den Abschnitten 3.5 und 5.2 verwiesen. Die vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bemerkten marginalen Über- schneidungen des Vorranggebietes mit bestimmten Abstandskriterien des Natur- und Landschaftsschutzes betreffen keine Ausschluss-, sondern Restriktionskriterien. Zum Um- gang mit diesen Kriterien wird insbesondere auf die Erläuterungen im Umweltbericht verwie- sen. Zu den allgemeinen Vorbehalten des Landesamtes gegen die vom Planungsverband vor- genommene Differenzierung der Ausschluss- und Restriktionskriterien wird auf die Ausführungen im Abschnitt 4.4 dieser Abwägungsdokumentation verwiesen. Die Hinweise auf die im Gebiet verlaufenden Richtfunkstrecken werden zur Kenntnis genom- men. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 55/58 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

237 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.15 Tarnow (Nr. 71)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt teilweise keine Anpassung

6.15.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Lübstorf, Tieplitz, Tarnow (vertreten durch die SHP Rechtsanwälte aus Bad Doberan), Prüzen, Karcheez, Oldenburg • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Denker & Wulf AG, Rerik • Gemeinde Tarnow • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde und untere Denkmalbehörde • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • Jagdgenossenschaft Boitin • Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“, Gülzow-Prüzen • Architekturbüro Sunder-Plassmann, Münster/Boitin • Gemeinde Gülzow-Prüzen

6.15.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Bürger aus Gülzow-Prüzen befürchten, dass mit der Festlegung des Vorranggebietes in der geplanten Neuabgrenzung die Schaffung einer Industrielandschaft vorprogrammiert wäre und das ökologische Gleichgewicht gestört würde. Die geplante Annäherung des Windparks an das Waldgebiet Herrenholz sei unverantwortlich. Betroffen wären hier unter anderen Seeadler, Rotmilan, Mittelspecht, viele Tag- und Nachtvögel sowie Fledermäuse und Insekten. Der Er- holungswert einer noch intakten Landschaft würde durch unnatürliche Luftbewegungen, Lärm, Eisabwurf, Schattenwurf, Lichtverschmutzung und Veränderung des Landschaftsbildes in er- heblichem Maße beeinträchtigt. Der energetische und finanzielle Ertrag dieser Anlagen ginge zu 100 Prozent an den Menschen der Region vorbei und komme wenigen Auswärtigen zugute.

238 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Ein Bürger aus Lübstorf berichtet, dass er als früherer Anwohner die Errichtung des Wind- parks Tarnow selbst miterlebt habe. An die Veränderung des Landschaftsbildes habe man sich anfangs gewöhnen müssen; mit der Zeit jedoch habe man die Anlagen als ganz normal empfunden und keinerlei Beeinträchtigungen erfahren. Das neu abgegrenzte Vorranggebiet sei ausgewogen und von den nächstgelegenen Ansiedlungen weit entfernt. Immer nur dage- gen zu sein schaffe keine Energie. Daher sollten nach Ansicht des Einwenders nicht immer irgendwelche Gründe gesucht werden, um Windparks zu verhindern. Gerade in Mecklenburg- Vorpommern sollte die Windenergie genutzt werden um Wertschöpfung und Steuereinnahmen für die Gemeinden zu generieren. Bürger aus Tarnow (vertreten durch die SHP Rechtsanwälte aus Bad Doberan; gleichlautend weitere Bürger aus weiteren Orten) nehmen als unmittelbare Anwohner Stellung und bean- standen die vom Planungsverband vorgenommene Neuabgrenzung des Gebietes Nr. 71. Der Zuschnitt in Form einer langgezogenen Sichel entspreche nicht ihrem Verständnis eines Eig- nungsgebietes, weil es nicht die Errichtung eines kompakten Windparks, sondern nur die An- einanderreihung einzelner Anlagen in einem schmalen Korridor erlaube. Auf diese Weise wür- den die Auswirkungen auf die umliegenden Wohnorte, die Zahl der betroffenen Anwohner und die Gefahren für die Vogelwelt maximiert. Die Regionalplanung müsse jedoch eigentlich eine Minimierung dieser Auswirkungen zum Ziel haben. Die Einwender fordern für ihr eigenes An- wesen die Anwendung höherer Abstandsrichtwerte als die vom Planungsverband bei Wohn- häusern im Außenbereich regelmäßig angesetzten 800 Meter. Das Haus der Einwender würde anderenfalls unbewohnbar. Der Planungsverband habe es versäumt die Abstandsrichtwerte der Entwicklung der Windenergietechnik anzupassen. Die Einwender verweisen hierzu auf ein älteres Gerichtsurteil aus Niedersachsen, wonach der Abstand einer Windenergieanlage zu einem Wohnhaus mindestens dem siebenfachen der Anlagenhöhe entsprechen müsse. In ei- nem anderen Gerichtsurteil aus Rheinland-Pfalz sei festgestellt worden, dass in Einzelfällen ein Verstoß gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorliegen könne, wenn Ter- rassen, Balkone oder sonstige Ruhezonen eines Wohngebäudes durch den Betrieb von Wind- energieanlagen erheblich beeinträchtigt würden. Die Drehbewegung der Rotoren könne, wenn sie innerhalb oder am Rande des menschlichen Blickfeldes liege, schon nach kurzer Zeit un- erträglich werden. Jedenfalls sähen die Einwender im vorliegenden Fall die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt, was nach dem Baugesetzbuch der Errichtung von Windener- gieanlagen entgegenstünde. In formaler Hinsicht bemängeln die Einwender, dass der Pla- nungsverband den vorhandenen Windpark Tarnow in seine Abwägung nicht einbezogen habe. Die bestehenden Anlagen, die ihrer Errichtung vorausgegangenen Genehmigungsverfahren sowie die in diesem Rahmen durchgeführten Prüfungen und ermittelten Sachverhalte hätten in den Entwurfsunterlagen der RREP-Fortschreibung umfassend beschrieben und dargelegt werden müssen. Dasselbe gelte für das früher hier festgelegte Eignungsgebiet und die dazu durchgeführte Planung. Ohne eine solche umfassende Sachverhaltsdarstellung bleibe die Ab- wägung unvollständig. Die unvollständige Sachaufklärung wirke sich auch in der Umweltprü- fung aus: Der Planungsverband habe das Schutzgut der „ökologischen Empfindlichkeit“ bezo- gen auf das Vorranggebiet Nr. 71 gar nicht hinreichend bewerten und berücksichtigen können. Dies sei im rechtlichen Sinne ein Verfahrensfehler, welcher von den Einwendern jedenfalls geltend gemacht werden könne – auch ohne dass dafür eine persönliche Betroffenheit nach- gewiesen werden müsste. Bezüglich der Belange des Naturschutzes weisen die Einwender auf die teilweise Überschneidung des Vorranggebietes mit einem Schutzgebiet von gemein- schaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiet) hin. Dies sei bereits unzulässig, und die vorgesehene Erweiterung des ursprünglichen Eignungsgebietes nach Süden verstoße im Zusammenwirken mit dem vorhandenen Windpark gegen das umweltrechtliche Kumulierungsverbot. Mit Verweis auf die vom Planungsverband selbst im Umweltbericht vom November 2018 dokumentierten Großvogelvorkommen, die ebendort wiedergegebene Beschreibung potenzieller Gefahren für die Vogelwelt sowie die einschlägigen Abstandsempfehlungen der Länder-Arbeitsgemein- schaft der Vogelschutzwarten führen die Einwender aus, dass sie die Verbotstatbestände des § 44 Bundesnaturschutzgesetz für das Vorranggebiet Nr. 71 als gegeben ansehen. Auch aus diesem Grunde wäre die Festlegung somit rechtswidrig. Im gleichen Zusammenhang gehen

239 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 die Einwender auf Widersprüche ein, die sie in der vom Planungsverband vorgenommenen Bewertung der benachbarten Eignungsgebiete Nr. 71 und 122 erkannt haben wollen. Bezüg- lich der in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 behandelten Lebensrauman- sprüche des Rotmilans und des Seeadlers wiesen beide Gebiete keine Unterschiede auf und seien deshalb gleich zu bewerten. Rotmilane brüteten in den Wäldern beim Gebiet Nr. 71 im Abstand von weniger als 1.000 Metern, und bei Feldarbeiten könnten auf den Äckern bis zu zehn Exemplare dieser Art gleichzeitig beobachtet werden. Auch Fledermäuse kämen in ei- nem Abstand von weniger als 800 Metern zum Vorranggebiet vor. Mit Verweis auf die Lage des Gebietes Nr. 71 in einem Trinkwasserschutzgebiet mahnen die Einwender eine höhere Gewichtung des Trinkwasserschutzes bei der RREP-Fortschreibung an. Die Risiken der Wind- energienutzung für das Grundwasser seien vom Planungsverband in leichtfertiger Weise ver- kannt worden. Der Planungsverband dürfe nicht im Sinne einer „Salamitaktik“ Voraussetzun- gen für die Errichtung weiterer Windenergieanlagen in Tarnow schaffen, bevor nicht die Umweltauswirkungen der bereits vorhandenen Anlagen umfassend dokumentiert und bewer- tet wurden. Bei rechtskonformer Prüfung im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglich- keitsprüfung hätte nach Ansicht der Einwender schon der vorhandene Windpark Tarnow nicht zugelassen werden dürfen, weil er sich in einem Raum mit hoher ökologischer Empfindlichkeit befinde. Bei Zulassung weiterer Windenergieanlagen, wie im Fall des 2011 errichteten Proto- typen, oder bei der jetzt geplanten Erweiterung und Neuabgrenzung des Vorranggebietes, müssten immer die bereits vorhandenen Anlagen und mögliche Kumulationswirkungen in die Bewertung der Umweltauswirkungen einbezogen werden. Der Planungsverband mache nun den gleichen Fehler, den die Genehmigungsbehörden bereits bei der Zulassung der vorhan- denen Anlagen gemacht hätten, indem sie keine rechtskonforme Umweltverträglichkeitsprü- fung durchgeführt hätten. Auch die gesetzlich vorgeschriebene Vorprüfung im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen europäischer Schutzgebiete habe der Planungsverband für das Gebiet Nr. 71 unterlassen. Eine solche Vorprüfung hätte die Gefahr von Beeinträchtigungen zweifelsfrei ergeben müssen, und eine nähere Prüfung hätte zur Aufgabe des Gebietes Nr. 71 führen müssen. Auch in dieser Hinsicht sei das Gebiet Nr. 71 analog zum benachbarten Gebiet Nr. 122 zu bewerten, das vom Planungsverband zu Recht verworfen worden sei. Ein Bürger aus Oldenburg gibt an, er habe kürzlich ein Grundstück in Tieplitz erworben, um darauf ein Ferienhaus für sich und seine Familie zu errichten. Aufgrund der geplanten Neu- festlegung des Vorranggebietes Nr. 71 erwäge man nun jedoch, dieses Bauvorhaben aufzu- geben. Der Einwender möchte ein Ferienhaus in möglichst naturnaher Umgebung. Tieplitz werde bereits durch die südlich verlaufende Hochspannungsleitung stark bedrängt. Mit der Errichtung weiterer Windenergieanlagen im Norden würde die Umgebung jede Natürlichkeit verlieren und eher an ein Industriegebiet erinnern. Die Festlegung des Vorranggebietes würde wohl dazu führen, dass ein regionales Bauunternehmen einen Auftrag verlieren und das Grundstück der Einwender einen Wertverlust erleiden würde. Der Einwender bittet darum, dass auch solche persönlichen und wirtschaftlichen Aspekte in der planerischen Abwägung berücksichtigt werden. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Denker & Wulf AG hat das Vorranggebiet Nr. 71 in seiner geplanten Neuabgrenzung noch einmal selbst anhand aller maßgebenden Ausschluss- und Restriktionskriterien überprüft und legt eine entsprechende Ausarbeitung vor. Bezüglich der Belange des Vogelschutzes weist die Einwenderin darauf hin, dass sie die aktuelle Bestandssituation im Umkreis des Vorrang- gebietes derzeit selbst durch ein Fachbüro ermitteln lasse. Hierbei habe bereits ein Seeadler- horst außerhalb des 2-Kilometer-Ausschlussbereiches, jedoch innerhalb des 6-Kilometer-Prüf- bereiches nachgewiesen werden können. Die im Jahr 2019 laufenden Untersuchungen sollten weitere Aufschlüsse über die tatsächliche Nutzung des aufgefundenen Horstes sowie die Nut- zung der umliegenden Gewässer und Nahrungsflächen geben. Die gewonnenen Erkenntnisse

240 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 könnten dann bei der konkreten Planung einzelner Standorte der Windenergieanlagen im Vor- ranggebiet berücksichtigt werden und Eingang in ein späteres Genehmigungsverfahren fin- den. Der Festlegung der Fläche als Vorranggebiet stünden die Belange des Vogelschutzes nach Einschätzung der Einwenderin nicht entgegen. Die Gemeinde Tarnow erklärt, dass der vorhandene Windpark im Gebiet Nr. 71 seit Jahren eine Belastung für die Anwohner darstelle und lehnt die Festlegung des Vorranggebietes in der neuen Abgrenzung ab. Aufgrund der Lage des Windparks in der Hauptwindrichtung zur Ortschaft Tarnow wirkten sich Schallimmissionen hier besonders aus. Die Gemeinde habe sich in den letzten Jahren sehr aufgeschlossen gegenüber der Windenergienutzung und auch der Neufestlegung entsprechender Vorranggebiete gezeigt. In Gebieten, wo die Windenergie- nutzung jedoch auf Kosten der Lebensqualität und der Gesundheit der Anwohner gehe, werde sie von der Gemeinde abgelehnt. Bei richtiger Anwendung der Schutzabstände von 1.000 bzw. 800 Metern zu den umliegenden Wohngebieten und Wohnhäusern ergäbe sich nach Ansicht der Gemeinde kein zusammenhängendes Gebiet über 35 Hektar Größe, das für eine Festle- gung als Vorranggebiet im RREP in Frage käme. Die Gemeinde schließt sich der in der Ab- wägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Einschätzung des Landes- amtes für Kultur und Denkmalpflege an, wonach das Ortsbild von Tarnow durch die Errichtung neuer Windenergieanlagen beeinträchtigt werden könnte. Nach Einschätzung der Gemeinde wäre eine solche Beeinträchtigung auch für die Orte Boitin, Grünenhagen und Prüzen zu be- fürchten. Darüber hinaus habe der Planungsverband unterschiedliche Maßstäbe bei der Be- wertung der Gebiete Nr. 71 und 122 angelegt: Wenn im Fall des Gebietes Nr. 122 das Vor- kommen des Rotmilans zum Ausschluss führe, müsse dies für das Gebiet Nr. 71 erst recht gelten, denn die betreffenden Milane müssten das letztere Gebiet durchfliegen, um in das ers- tere zu gelangen. Auch bezüglich der Nähe zu einem Brutrevier des Seeadlers liege eine ana- loge Situation vor, ohne dass der Planungsverband die gleichen Konsequenzen gezogen hätte. Auch hier müsse damit gerechnet werden, dass der betreffende Seeadler seinen Brut- platz innerhalb des Revieres wechseln könnte, womit dann das Gebiet Nr. 71 insgesamt in Frage stünde. Die Gemeinde zeigt sich im Übrigen verwundert darüber, dass sie zur geplanten Neuabgrenzung des Gebietes Nr. 71 erst im Zuge der regulären Auslegung beteiligt wurde und der Planungsverband die Entwurfsinhalte nicht vorher mit ihr abgestimmt hat. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die Lage des Gebietes Nr. 122 in der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hin. Zusätzlich wird auf die Überschneidung des Gebietes mit den Ab- standszonen um einen Naturpark und ein Vorranggebiet für Naturschutz und Landschafts- pflege hingewiesen. Eine Festlegung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen würde vom Landesamt abgelehnt. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock beanstandet die mit dem Entwurf von 2018 vorgenommene Erweiterung des Gebietes nach Süden. Diese entspreche nicht dem Entwurfsstand vom November 2015, welcher der 2016 durchgeführten Greifvogelerhebung und der daraufhin vorgenommenen artenschutzfachlichen Bewertung zugrunde lag. Die Ein- wenderin weist darauf hin, dass der Planungsverband das Gebiet Nr. 71 in seinem Entwurf von 2015 zur Streichung vorgesehen hatte. Durch den streifenförmigen Ausläufer des Vor- ranggebietes werde das westlich gelegene Waldgebiet Herrenholz abgeriegelt. Windenergie- anlagen würden hier den Flugkorridor eines in der Nähe brütenden Seeadlers zu seinen Hauptnahrungsgewässern Karcheezer und Prüzener See versperren. Die Errichtung solcher Anlagen würde somit gegen die Zugriffsverbote des § 44 Bundesnaturschutzgesetz verstoßen. Im Süden werde zudem der empfohlene Mindestabstand von 500 Metern zum Naturpark Sternberger Seenland nicht eingehalten. Da das Gebiet zwischen Tieplitz und Boitin als Tor zu diesem Naturpark gelte, sollte dieser Mindestabstand nicht unterschritten werden. Die Denkmalbehörde des Landkreises Rostock weist auf ein Großsteingrab am östlichen Rand des Waldgebietes Herrenholz hin. Von diesem Bodendenkmal sei ein Abstand von min- destens 100 Metern einzuhalten.

241 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Der NABU Mecklenburg-Vorpommern spricht sich gegen die südliche Erweiterung des Ge- bietes Nr. 71 aus. Die angeführten Gründe entsprechen denen, die auch von der Naturschutz- behörde des Landkreises vorgetragen werden: Es wird eine Barrierewirkung des langgezoge- nen Windparks entlang dem Waldrand für Vögel und Fledermäuse sowie eine Versperrung des Seeadler-Flugkorridors zum Karcheezer See befürchtet. Zusätzlich fordert der NABU die Einhaltung eines Schutzabstandes von 3.000 Metern (statt 2.000) um die Brutplätze des See- adlers, wovon der südliche Ausläufer des Gebietes Nr. 71 ebenfalls betroffen wäre (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen grundsätzlichen Ausführungen desselben Ein- wenders). Auch die Jagdgenossenschaft Boitin lehnt die Neufestlegung des Gebietes Nr. 71 ab. Im Gebiet seien geschützte Tiere wie Fledermäuse, Greifvögel, Kraniche, aber auch dem Jagd- recht unterstehende Arten wie Schwäne, Gänse und Enten, die als Schlagopfer an Windener- gieanlagen getötet oder verletzt würden, in hoher Anzahl anzutreffen. Die Einwenderin ver- weist in diesem Zusammenhang auch auf die unmittelbare Nähe des Gebietes Nr. 71 zu einem Schutzgebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiet). Der Jagdwert des gemein- schaftlichen Jagdbezirkes würde durch Beunruhigung des Wildes Schaden nehmen und das Landschaftsbild würde immer mehr zerstört. Die Einwenderin hält auch die vom Planungsver- band angesetzten Schutzabstände zu den Wohnorten für zu gering und bezweifelt die Effizienz der Windenergienutzung angesichts fehlender Netzkapazitäten. Die Wählergruppe „Gemeinde Gemeinsam Gestalten“ aus Gülzow-Prüzen schickt ihrer Stellungnahme voraus, dass sie sich den bundes- und landespolitischen Zielsetzungen der Energiewende keinesfalls entgegenstellen möchte. Unbestreitbar seien in den letzten Jahr- zehnten jedoch gravierende Fehler in der Energiepolitik gemacht worden. Die Einwender war- nen deshalb vor einem „vorauseilenden Gehorsam“ der Regionalplanung gegenüber der Poli- tik und vor der Unterwerfung unter einen vermeintlich gegebenen Zeitdruck bei der Umsetzung der politischen Ziele. Der Entwurf zur RREP-Fortschreibung lasse eine verantwortungsbe- wusste Gegenüberstellung von Nutzen und Umweltrisiken der Windenergienutzung nicht er- kennen. Das nachträglich erweiterte Vorranggebiet Nr. 71 erfülle noch nicht einmal die Min- destanforderungen, die bei der Festlegung eines solchen Gebietes zu beachten seien. Es bestünden Zweifel, ob die RREP-Fortschreibung in dieser Fassung einer rechtlichen Prüfung standhalten würde. Die Einwender halten es für bedenklich, wenn ein Gebiet, dass nach ver- bindlichen Ausschlusskriterien für die Windenergienutzung nicht in Betracht kommen dürfte, dennoch unter Berufung auf die baurechtliche Privilegierung dieser Nutzung in die Planung einbezogen werde. Der Planungsverband selbst sei bereits in seinem Entwurf vom November 2015 von einer Nichteignung und Aufhebung des Gebietes Nr. 71 ausgegangen. Offensichtlich habe dann ausschließlich der Einwand der UKA Nord Projektentwicklung GmbH dazu geführt, dass das Gebiet mit neuer Abgrenzung wieder in die RREP-Fortschreibung aufgenommen wurde. Die Einwender befürchten, dass durch eine schrittweise, zeitlich verzögerte Zulassung von Windenergieanlagen an solchen Standorten die Vorschriften des Umweltrechts umgangen werden könnten. Umweltfolgen, die erst im Zusammenwirken mehrerer Einzelvorhaben ein- treten, seien bereits bei der ursprünglichen Festlegung des Eignungsgebietes Nr. 71 nicht ge- prüft und bewertet worden. Nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung sei aber eine solche Prüfung kumulativer Umweltauswirkungen zwingend vorgeschrieben. Im Fall des Gebietes Nr. 71 hätte eine rechtskonforme Umweltprüfung bereits in der ursprünglichen Pla- nung zum Ausschluss führen müssen. Der Entwurf zur RREP-Fortschreibung vom November 2018 leide am gleichen Rechtsfehler. Auch hier sei die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Umweltverträglichkeit unterblieben. Darüber hinaus habe der Planungsverband nicht alle maßgebenden Ausschluss- und Restriktionskriterien entsprechend den aktuellen Gegeben- heiten berücksichtigt. Es liege im Interesse der Allgemeinheit, dass vor der Festlegung eines Vorranggebietes sämtliche potenziell entgegenstehenden Belange abschließend aufgeklärt und berücksichtigt würden. Damit würde auch Planungssicherheit für mögliche Investoren ge- schaffen. Bei der Abwägung dürften öffentliche Belange und Naturschutzanforderungen kei- nesfalls hinter politischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen und dem Streben nach Gewinn- maximierung zurücktreten. Die Einwender befürchten, dass ein gewisser Erwartungsdruck auf

242 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dem Planungsverband laste, dass die RREP-Fortschreibung nunmehr zügig abgeschlossen werde. Angesichts der Tatsache, dass die Nutzungszeit der vorhandenen neun Windenergie- anlagen im Eignungsgebiet Nr. 71 demnächst auslaufe, sei ein solcher Zeitdruck jedoch nicht angebracht. Keinesfalls dürften jetzt vorschnelle Entscheidungen getroffen werden. Den Ein- wendern ist bekannt, dass die Gemeinden bei der Festlegung der Vorranggebiete kein direktes Mitbestimmungsrecht haben. Allerdings könnten sie nicht nachvollziehen, warum der Pla- nungsverband die Gemeinde Gülzow-Prüzen nicht über die beabsichtigte Erweiterung des Gebietes Nr. 71 informiert hat, bevor diese Gegenstand eines förmlichen Planentwurfes wurde. Der Planungsverband hätte erkennen müssen, dass mit der Erweiterung eine Gemein- degrenze überschritten würde. Im Sinne eines verantwortungsvollen Miteinanders wäre eine entsprechende Information der Gemeinde aus Sicht der Einwender geboten gewesen. Die Be- troffenen hätten somit erstmals im Februar 2019 mit der Veröffentlichung im Amtskurier von der Planung erfahren. Der Zeitraum der öffentlichen Auslegung habe nicht ausgereicht, um die im Laufe der RREP-Fortschreibung entstandenen Planungen, Änderungen und Ergänzun- gen nachzuvollziehen und alle zugrundeliegenden Kriterien und Tatsachen zu überprüfen. Hie- rin sehen die Einwender einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Während andere Verfahrensbeteiligte in Kenntnis der Planungen zum Teil mehrere Jahre Zeit gehabt hätten, entsprechend zu reagieren, sei im Fall der Erweiterung des Gebietes Nr. 71 den Be- troffenen diese Möglichkeit genommen. Man sei einfach mit dem Ergebnis der Planung kon- frontiert worden und könne nur noch im Rahmen des förmlichen Beteiligungsverfahrens rea- gieren. Wenn der Planungsverband das Verfahren im Ergebnis der Beteiligung abschließe, verblieben der Gemeinde keine Möglichkeiten einer wesentlichen Einflussnahme. Zwangsläu- fig komme der Verdacht auf, dass der Planungsverband diese Verfahrensweise absichtlich gewählt habe, um den dritten Entwurf ohne große Widerstände der neu hinzugekommenen Betroffenen „durchwinken“ zu können. Die Einwender fordern deshalb eine angemessene Ver- längerung der Einwendungsfrist. Zu bemängeln sei auch, dass die im Februar 2019 ausgeleg- ten Entwurfsunterlagen keine genauen Angaben zur Anzahl, Art und Größe der im Gebiet Nr. 71 geplanten Windenergieanlagen enthielten. Solche Angaben wären nach Ansicht der Einwender erforderlich gewesen – sowohl für den Planungsverband selbst, um die Umwelt- auswirkungen zu beurteilen und sachgerecht abwägen zu können, als auch für die Betroffe- nen, um eine fundierte Stellungnahme abgeben zu können. Nach den geltenden Empfehlun- gen müsse die Raumordnung eigentlich bestrebt sein eine möglichst hohe Konzentration von Windenergieanlagen auf möglichst wenigen Flächen zu erreichen, um daneben möglichst große Räume von diesen Anlagen gänzlich freizuhalten. Die ausgewählten Eignungsflächen sollten möglichst kompakt abgegrenzt werden, um den von Umweltauswirkungen der Wind- energieanlagen betroffenen Raum möglichst kleinzuhalten. Die im Entwurf vom November 2018 vorgesehene Neuabgrenzung des Gebietes Nr. 71 laufe diesem Grundsatz zuwider. Die ungewöhnlich schmale und langgezogene Fläche des Vorranggebietes mit einer Länge von rund 2.000 Metern entlang dem Waldrand des Herrenholzes bewirke das Gegenteil. Gegen- über dem ursprünglichen Eignungsgebiet würden die Reichweite potenzieller Umweltauswir- kungen und die Anzahl betroffener Anwohner deutlich erhöht. Es entstehe ein zusätzliches Konfliktpotenzial. Die Einwender sehen damit das grundgesetzlich garantierte Recht auf Le- ben und körperliche Unversehrtheit verletzt. Auch nach den vom Planungsverband selbst auf- gestellten Kriterien hätte nach Auffassung der Einwender das Gebiet Nr. 71 so nicht abge- grenzt werden dürfen. Die Einwender weisen auf eine im November 2018 in Kraft getretene Satzung der Gemeinde Gülzow-Prüzen hin, mit der ehemals dem Außenbereich zugeordnete Häuser bei Prüzen in die Grenzen des zusammenhängend bebauten Ortsteiles einbezogen worden seien. Der Planungsverband habe dies nicht berücksichtigt und zu den betreffenden Häusern fälschlich 800 Meter (statt 1.000 Meter) Schutzabstand angesetzt. Die vom Planungs- verband gewählte Abgrenzung wäre somit als rechtswidrig einzuschätzen. Den Anwohnern im nördlichen Teil der Ortslage Prüzen müsse das gleiche Schutzbedürfnis zuerkannt werden wie denen im südwestlichen Siedlungsteil. Dessen ungeachtet sind die Einwender grundsätzlich der Meinung, dass die vom Planungsverband angesetzten Schutzabstände zu den Wohnorten zu gering seien (vgl. hierzu die im Abschnitt 5.1 wiedergegebenen Ausführungen derselben

243 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Einwender). Bezüglich der Abstände zu den Wohnorten habe der Planungsverband offensicht- lich nur den Eindruck erwecken wollen, dass diese seit der erstmaligen Festlegung von Eig- nungsgebieten zugunsten der Anwohner erhöht worden seien. Dies sei Augenwischerei. Auch bei anderen Kriterien sei eine sukzessive Modifizierung erkennbar, die im Laufe der RREP- Fortschreibung zulasten des Umweltschutzes vorgenommen worden sei (vgl. hierzu die im Abschnitt 4.3 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwender). Die Einwender vermu- ten, dass diese Anpassungen aus einem Mangel an tatsächlich geeigneten Potenzialflächen resultieren. Im Fall des Gebietes Nr. 71 entstehe der Eindruck, dass Bewertungskriterien so lange modifiziert, aufgeweicht und ergänzt worden seien, bis das Gebiet mit den politischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen kompatibel gewesen sei und als Vorranggebiet deklariert werden konnte. Mit dem eigentlichen Ziel einer nachhaltigen Energiegewinnung habe diese Vorgehensweise nichts mehr gemein. Bezüglich der ökologischen Auswirkungen eines Wind- parks bemängeln die Einwender, dass der Planungsverband keine umfassende Untersuchung der örtlichen Vogelwelt durchgeführt habe. Eine fundierte Einschätzung der Umweltauswirkun- gen sei dem Planungsverband somit gar nicht möglich gewesen. Gemäß dem Umweltbericht liegt westlich des Vorranggebietes ein Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit der Arten und Lebensräume. Die südliche Erweiterungsfläche des Vorranggebietes schließe unmittelbar an diesen Raum an. Somit müsse hier von gleichen Bedingungen ausgegangen werden. Die in einer aktuellen Veröffentlichung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt beschriebe- nen Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Insekten seien gänzlich unberücksichtigt ge- blieben. Eine Bestandsreduzierung bei den Insekten beschleunige nicht nur das Artensterben, sondern wirke sich über die Nahrungsketten auch auf weitere Tierarten aus. Der Rückgang der natürlichen Bestäubung beeinträchtige auch die Landwirtschaft. Die langgezogene Form des Gebietes Nr. 71 bewirke eine Abriegelung des Waldgebietes Herrenholz. Die Windener- gieanlagen würden wie eine Wand entlang dem Waldrand stehen und eine sichere Passage für Groß- und Greifvögel nahezu unmöglich machen. Die Einwender sähen damit das Tötungs- verbot des § 44 Bundesnaturschutzgesetz verletzt. Von einem signifikant erhöhten Tötungsri- siko im Sinne der deutschen Rechtsprechung sei bereits dann auszugehen, wenn Tiere einer besonders geschützten Art in der Umgebung vorkommen und wenn zu erwarten sei, dass einzelne Exemplare in den Gefahrenbereich des Windparks geraten könnten. In Anbetracht der örtlich bekannten Vogel- und Fledermausvorkommen sei ein derart erhöhtes Risiko beim Gebiet Nr. 71 zweifelsfrei gegeben. Die Einwender verweisen auf das in der Nähe ursprünglich geplante Eignungsgebiet Nr. 122, welches vom Planungsverband mit Rücksicht auf die Be- lange des Vogelschutzes verworfen worden ist. Wegen des außergewöhnlich dichten Vorkom- mens geschützter Vogelarten sei das Gebiet Nr. 71 als mindestens ebenso schutzwürdig an- zusehen wie das benachbarte Gebiet Nr. 122. Besonders hervorheben möchten die Einwender in diesem Zusammenhang das Vorkommen des vom Aussterben bedrohten Schreiadlers. Vögel dieser Art seien bereits mehrfach gesichtet und fotografisch festgehalten worden. Die Lage des Brutplatzes habe jedoch noch nicht ermittelt werden können. Die Ein- wender fordern eine mindestens zweijährige Beobachtung der Schreiadlervorkommen. Gene- rell müssten zu den Lebensstätten der Großvögel größere Schutz- und Prüfabstände einge- halten werden, wie sie von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten im sogenannten Helgoländer Papier empfohlen werden. Ein neu errichteter Horst des Seeadlers befinde sich in unmittelbarer Nähe des Gebietes Nr. 71 in Richtung Lübzin. Zwei Horste des Rotmilans befänden sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe im Boitiner Wald und im Uferwald des Karcheezer Sees. Ein Nistplatz des Weißstorches befinde sich in einem Abstand von we- niger als 1.000 Metern zum Vorranggebiet. Nahrungs- und Brutgebiete von Kranich und Hö- ckerschwan befänden sich im Vorranggebiet bzw. in der direkten Umgebung. Flächenzer- schneidung, Bodenversiegelung und Beunruhigung, die mit Errichtung und Betrieb eines Windparks einhergehen würden, hätten eine Entwertung des Gebietes als Rast- und Nah- rungshabitat für Vögel zur Folge. Bezüglich des Schutzgutes Boden habe der Planungsver- band in seinem Umweltbericht selbst festgestellt, dass das Gebiet Nr. 71 überwiegend Böden von hoher Schutzwürdigkeit umfasse. Es sei deshalb unverständlich, dass dieses Schutzgut in der planerischen Abwägung völlig außer Betracht geblieben sei. Aufgrund der langgezoge-

244 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 nen Form des Vorranggebietes würden zur Erschließung lange Zufahrtswege benötigt. Land- wirtschaftliche Nutzfläche ginge verloren, und der Boden würde versiegelt. Auch bezüglich des Schutzgutes Wasser vermissen die Einwender in den Entwurfsunterlagen eine eigehende Be- fassung mit den möglichen Auswirkungen eines Windparks. Mögliche Risiken für das Grund- wasser seien nicht betrachtet worden. Solche Risiken bestünden nach Einschätzung der Ein- wender durchaus, da es bei der Herstellung der Anlagenfundamente zu einem Anschneiden grundwasserführender Schichten und zur Kontamination des Grundwasserkörpers kommen könne. Die Einwender merken dazu an, dass der örtliche Grundwasserspiegel in den letzten Jahren infolge klimatischer Veränderungen und verstärkter Entnahmen zu Bewässerungszwe- cken dramatisch gesunken sei. Dies habe bereits zur Austrocknung von Söllen, zu Schäden an Gebäuden und zu Problemen bei der Trinkwasserversorgung geführt. Bezüglich des Schutzgutes Landschaft verweisen die Einwender auf die im Umweltbericht wiedergegebene Bewertung der Freiraumfunktion. Die mittlere bis hohe Schutzwürdigkeit würde nach Ansicht der Einwender eher gegen die Festlegung des Vorranggebietes sprechen. Auch bemängeln die Einwender, dass der bestehende Windpark in die Bewertung der Freiraumfunktion als Vor- belastung eingegangen ist und im engeren Umkreis zu einer Abwertung geführt hat. Die Be- hauptung, dass die bestehenden Windenergieanlagen unter den Anwohnern allgemein akzep- tiert seien, treffe nicht zu und gebe eine bloße Vermutung des Planungsverbandes wieder. Der Planungsverband habe es unterlassen die Kapazität der örtlich vorhandenen Leitungen zu prüfen. Nach Kenntnis der Einwender würde diese für eine Erweiterung des Windparks nicht ausreichen. Somit würde gegebenenfalls ein Leitungsneubau erforderlich, welcher den land- schaftlichen Freiraum weiter beeinträchtigen würde. Dieser sei in der Gemeinde Gülzow- Prüzen bereits durch eine Überlandleitung, die Bundesstraße 104, zwei Funkmasten und eine Biogasanlage belastet. Eine weitere Einschränkung der Freiraumfunktion halten die Einwen- der für nicht vertretbar. Im Landschaftsbild würden die nach Ansicht der Einwender überdi- mensionierten Windenergieanlagen heutiger Bauart mit den erforderlichen farblichen Markie- rungen und der nächtlichen Befeuerung eine eklatante Kontrast- und Störwirkung hervorrufen, auch über große Entfernungen. Die Einwender befürchten nachteilige Auswirkungen auf die weitere touristische Entwicklung der Region. Bezüglich der Belange des Denkmalschutzes kri- tisieren die Einwender, dass bei der zuletzt vorgenommenen Erweiterung des Gebietes Nr. 71 offensichtlich jegliche Überprüfung im Hinblick auf zusätzlich betroffene Denkmale unterblie- ben sei. Die Einwender verweisen auf das denkmalgeschützte Inspektorenhaus des Gutes Tieplitz. Weder eine dominierende Wirkung großer Windenergieanlagen noch eine Beeinträch- tigung von Sichtachsen in der Umgebung dieses Baudenkmales könnten ausgeschlossen wer- den. Die Sichtbeziehungen in südlicher und westlicher Richtung seien bereits durch die Frei- leitung und einen Funkmast gestört. Eine weitere „Einkesselung“ des Denkmales durch hinzutretende technische Anlagen sollte nach Ansicht der Einwender vermieden werden. Im gleichen Abstandsbereich von ca. 1.000 Metern um das Vorranggebiet befänden sich der Speicher und die Kapelle in Prüzen, die als Baudenkmale ebenfalls erwähnenswert seien. Als unveränderliches Bodendenkmal müsse das am östlichen Rand des Herrenholzes befindliche Großsteingrab erwähnt werden. Bezüglich der maßgebenden Restriktionskriterien weisen die Einwender auf den 500-Meter-Abstand zu Naturpark „Sternberger Seenland“ hin. Die Einwen- der fordern, dass dieses Kriterium bei der Abgrenzung des Gebietes Nr. 71 berücksichtigt wer- den sollte. Die Einwender bitten den Planungsverband, alle vorgetragenen Einwände sorgfäl- tig zu prüfen und die unterlassene Prüfung der Umweltverträglichkeit nachzuholen. Der Planungsverband wolle nach eigenem Bekunden die Belange des Natur- und Landschafts- schutzes, des Wohnens und des Tourismus bei der Auswahl der Windenergie-Vorranggebiete besonders berücksichtigen. Im Sinne dieses selbst erhobenen Anspruches möge der Pla- nungsverband nochmals abwägen, ob der beim Gebiet Nr. 71 gewinnbare minimale Zuwachs an Stromerzeugungskapazität die zu erwartenden Nachteile für die Umwelt tatsächlich aus- gleiche. Das Architekturbüro Sunder-Plassmann nimmt auf die Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 Bezug, in der zum Gebiet Nr. 71 die (negative) Stellungnahme des Landesamtes

245 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 für Kultur und Denkmalpflege sowie die (positive) Stellungnahme der UKA Nord Projektent- wicklung GmbH & Co KG wiedergegeben waren. Der Planungsverband habe völlig unreflek- tiert die Wünsche der Projektentwicklungsgesellschaft aufgegriffen und den Schutz von Kul- turgütern und Kulturlandschaft außer Acht gelassen. Eine diesbezügliche Bewertung hätte der Planungsverband auch gar nicht selbst vornehmen dürfen. Diese unterliege der alleinigen Ho- heit des Kultusministeriums, welches seine Entscheidung in Abstimmung mit der Landeskirche zu treffen habe. Der Planungsverband überschreite seine Kompetenzen, wenn er eine ent- sprechende Abwägung selbst vornehme. Sollte der Planungsverband an seiner Abwägung festhalten, sähe sich der Einwender veranlasst den Schutz der Tarnower Dorfkirche und ihres Erscheinungsbildes zu einem landesweiten Präzedenzfall zu machen. Der zuständige Bear- beiter beim Planungsverband habe offensichtlich keine Vorstellung von den örtlichen Gelän- deverhältnissen. Würde das Vorranggebiet Nr. 71 in der vorgesehenen Neuabgrenzung ge- mäß dem Entwurf vom November 2018 ausgenutzt, entstünde eine drei Kilometer lange Reihe von Windenergieanlagen, die sich auf einer nach Süden ansteigenden Kuppe bis zu einer Geländehöhe von 60 Metern erstrecken würde. Bei einer Nabenhöhe von 200 Metern ergäbe sich eine Höhe von 260 Metern über dem Meeresspiegel. Dies sei mit großen Fernsehtürmen vergleichbar. Aus der Nebel-Warnow-Niederung heraus würde der Anblick dieser Anlagen voll erlebbar sein, und bereits die Fahrgäste der Fähr- und Kreuzfahrtschiffe vor Warnemünde würden die Anlagen deutlich sehen können – sowie umgekehrt die Stadtsilhouette von Güst- row und der Kühlturm im Rostocker Hafen vom Standort des heutigen Windparks aus sichtbar seien. Die Festlegung des Gebietes Nr. 71 würde somit Auswirkungen bis in den Küstenraum haben. Neben der typischen Dorfkirche in Tarnow seien auch die Kirche in Boitin, das zuge- hörige Pfarrhaus und der großangelegte Friedhof sowie das noch intakte Gutsensemble zu berücksichtigen. Diese bildeten einen Garten der Ruhe. Als Ziel des Wandertourismus sei der weit über Mecklenburg hinaus bekannte Boitiner Steintanz von Bedeutung. Boitin sei das Ein- gangstor zum Naturpark „Sternberger Seenland“. Die Errichtung großer Windenergieanlagen in dieser Umgebung würde die Attraktivität für Ferien- und Erholungsgäste beeinträchtigen und der Entwicklung der Region Rostock schaden. Das Gebiet Nr. 71 sei eine Fehlplanung. Die Gemeinde Gülzow-Prüzen lehnt das Gebiet Nr. 71 in der vorgesehenen Neuabgrenzung ab. Zur Begründung führt die Gemeinde zunächst Belange des Bodenschutzes an. Die natür- liche Ressource Boden sei nicht vermehrbar und müsse der Landwirtschaft vorbehalten blei- ben – zumal wenn es sich wie im vorliegenden Fall um Böden von hoher Güte handle. Zudem würde mit der südlichen Erweiterung des Gebietes Nr. 71 der regelmäßige Schutzabstand von 1.000 Metern zum Ortsteil Prüzen nicht eingehalten. Für die Ortsteile Tieplitz und Prüzen läge eine rechtskräftige Klarstellungs- und Ergänzungssatzung vor. Die Häuser im Bereich Prüzen- Hof seien darin dem Bebauungszusammenhang des Ortes zugeordnet worden. Ein entspre- chender Abstand sei einzuhalten. Auch befinde sich in diesem Bereich ein Nistplatz von Weiß- störchen. Ebenfalls dem Bebauungszusammenhang sei das Wohngebiet Siedlerweg/Am Berge zuzuordnen. Auch hier sei ein Abstand von 1.000 Metern einzuhalten. Durch die stark befahrene Bundesstraße, die Schweinemastanlage sowie eine Biogasanlage seien die Orts- teile Prüzen und Tieplitz bereits sehr belastet. Eine weitere Belastung durch Windenergiean- lagen würde nach Einschätzung der Gemeinde zur Verschlechterung von Gesundheit und Wohlbefinden der Einwohner führen. Darüber hinaus bemängelt die Gemeinde, dass der Pla- nungsverband die Belange des Artenschutzes in seine Abwägung nicht in angemessenem Umfang einbezogen habe. Dies gelte allgemein für den Beitrag der Windenergieanlagen zum Insektensterben und im Besonderen für den einzigartigen Bestand an Groß- und Greifvögeln in der Umgebung des Gebietes Nr. 71. Seeadler flögen regelmäßig vom Herrenholz in Rich- tung der umliegenden Seen. Diese Flugrichtung würde durch eine Erweiterung des Windparks auf der gesamten Länge des Waldes versperrt. Die Gemeinde befürchtet außerdem, dass mit einer Errichtung von 250 Meter hohen Windenergieanlagen die Attraktivität der Landschaft für den Tourismus verloren ginge.

246 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.15.3 Zusammengefasste Abwägung Bei einzelnen Einwendern ist aufgrund der Wiedergabe der Stellungnahmen zum Gebiet Nr. 71 in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 der Eindruck entstanden, dass der Planungsverband seinen letzten Entwurf vorrangig an den Wünschen bestimmter Unternehmen der Windenergiewirtschaft ausgerichtet habe. Dieser Eindruck ist falsch. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 71 hatte der Planungsverband im Entwurf vom November 2015 zunächst zur Aufhebung vorgesehen, weil es nach Anpassung an die aktuellen Ab- standskriterien nicht mehr die einheitliche Mindestgröße von 35 Hektar erreichte. Das Für und Wider einer nachträglichen Anwendung dieser Mindestgröße auf bereits langjährig genutzte Eignungsgebiete ist bei der Überarbeitung des Entwurfes dann nochmals erwogen worden. Diese Erwägungen und ihr Ergebnis sind bereits in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 ausführlich dargelegt worden. Sie sind im Abschnitt 3.10 der vorliegenden Do- kumentation nochmals wiedergegeben. Alle betreffenden Eignungsgebiete unter 35 Hektar sind einheitlich behandelt worden. Es gab keine Einzelfallentscheidungen zugunsten privater Interessenten. Die Erweiterung des ursprünglichen Eignungsgebietes im Entwurf von 2018 ist ebenfalls nicht auf bestimmte Wünsche und Interessen, sondern wiederum auf die einheitliche Anwen- dung von Kriterien zurückzuführen. Für die Bemessung der Schutzabstände zu den Wohnor- ten sind im Jahr 2018 präzisere Daten verwendet worden als beim vorausgegangenen Entwurf im Jahr 2015. Auf diese Weise ist die sichelförmige Ausformung in Richtung Süden entstan- den, die von der Mehrzahl der Einwender kritisiert wird. Die von mehreren Einwendern vorgebrachte Kritik an der langgezogenen Form des Gebietes im Entwurf von 2018 ist grundsätzlich berechtigt, soweit sie sich auf das Verhältnis von nutz- barer Gebietsfläche und Umweltauswirkungen bezieht. Unter energiewirtschaftlichen Ge- sichtspunkten kann dagegen gerade eine solche Ausformung als besonders günstig angese- hen werden, da im Verhältnis zur Gebietsfläche eine maximale Anzahl an Windenergieanlagen errichtet werden könnte und die Aufstellung in einer Reihe annähernd rechtwinklig zur Hauptwindrichtung eine maximale Energieausbeute erlauben würde. Die endgültige Abwä- gung der genannten Vor- und Nachteile kann dahingestellt bleiben, weil von der Erweiterung des Gebietes Nr. 71 wieder Abstand genommen wird. Die von mehreren Einwendern angemahnte Berücksichtigung der Lebensraumansprüche des Seeadlers führt dazu, dass die südliche Ausdehnung des Gebietes Nr. 71 im Ergebnis der abschließenden Abwägung nochmals angepasst wird. Der Planungsverband hatte bei der Überarbeitung des Entwurfes im Jahr 2018 eine überschlägige Prüfung der geplanten Vor- ranggebiete im Hinblick auf die mögliche Verstellung von Flugkorridoren zwischen bekannten Brutplätzen und Nahrungsgewässern der Seeadler vorgenommen. Der Planungsverband hat sich dabei am Prüfschema der in Mecklenburg-Vorpommern eingeführten Artenschutzrechtli- chen Arbeits- und Beurteilungshilfe orientiert. Der (eigentlich bekannte) Brutplatz beim Gebiet Nr. 71 und seine funktionale Beziehung zum Prüzener und Karcheezer See ist dabei überse- hen worden. Der mutmaßliche Flugkorridor der Adler zu diesen Gewässern überstreicht den südlichen Ausläufer des Gebietes Nr. 71. In diesem speziellen Fall trifft tatsächlich der von einigen Einwendern sehr pauschal erhobene Vorwurf der mangelnden Sorgfalt bei der Ent- wurfsbearbeitung zu. Zur Anregung des NABU-Landesverbandes, dass um die Brutplätze der Seeadler generell 3.000 Meter Abstand eingehalten werden müssten, wird auf die allgemeinen Ausführungen zum Vogelschutz im Abschnitt 5.7 verwiesen. Die von der Gemeinde Gülzow-Prüzen im letzten Jahr neu aufgestellte Innenbereichssat- zung für den Ortsteil Prüzen war dem Planungsverband nicht bekannt und konnte somit bei der (zeitgleichen) Erstellung des letzten Entwurfes der RREP-Fortschreibung nicht berücksich- tigt werden. Bei Anwendung des regelmäßigen Schutzabstandes von 1.000 Metern auf das neu in den Innenbereich einbezogene Wohngebäude in Prüzen-Hof ergäbe sich tatsächlich keine zusammenhängende Eignungsfläche mehr, die den südlichen Teil des Gebietes Nr. 71

247 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 einschließen würde. Der Planungsverband hält bezüglich der Abstandsbemessung zur Ort- schaft Prüzen dennoch an seinem Entwurfsstand vom November 2018 fest. Das fragliche Wohngebäude befindet sich in einer überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägten Gemengelage. Ein Schutzabstand von 800 Metern zum Gebiet Nr. 71 ist für dieses Gebäude ausreichend. Bebauungsstruktur und Nutzungen haben sich seit der Erarbeitung des letzten Entwurfes zur RREP-Fortschreibung im Jahr 2018 nicht geändert. Zur zusammenhängenden Wohnbebauung am Neuhofer Weg wird der regelmäßige Schutzabstand von 1.000 Metern eingehalten. Nicht folgen kann der Planungsverband den Einwendungen soweit darin behauptet wird, dass schon das ursprüngliche Eignungsgebiet Nr. 71 bei sorgfältiger und sachgerechter Prü- fung der Umweltschutzbelange gar nicht hätte festgelegt werden dürfen. Bereits die Aus- wahl der ersten Eignungsgebiete mit der Fortschreibung des Raumordnungsprogrammes im Jahr 1999 wurde nach strengen, landeseinheitlich festgelegten Ausschlusskriterien vorgenom- men. Bei der Bestimmung dieser Kriterien sind in großem Umfang Belange des Vogelschut- zes, des allgemeinen Natur- und Landschaftsschutzes und des vorsorgenden Immissions- schutzes berücksichtigt worden. Mängel in der damals erfolgten planerischen Abwägung sind dem Planungsverband nicht bekannt und werden auch von den Einwendern nicht dargelegt. Dasselbe gilt für die Verfahren, die zur Genehmigung der im Gebiet Nr. 71 vorhandenen Wind- energieanlagen durchgeführt wurden. Zutreffend ist allerdings, dass die Anforderungen an die Prüfung der Umweltbelange sowie die Dokumentation der diesbezüglichen Untersuchungen und Erwägungen seit 1999 vom Gesetzgeber maßgeblich weiterentwickelt wurden. An früher abgeschlossene Planungsverfahren kann jedoch nicht einfach nachträglich der Maßstab des heutigen Verfahrensrechts angelegt werden. Ebenso wenig kann der Planungsverband dem Einwand folgen, dass vermeintliche Fehler der Vergangenheit mit der aktuellen RREP-Fort- schreibung wiederum ohne gebührende Prüfung übernommen und nochmals festgeschrieben würden. Vielmehr wurden die früheren planerischen Festlegungen zur Windenergienutzung umfassend überprüft. Bei der heutigen Bewertung von Umweltauswirkungen ist grundsätzlich vom aktuellen Zustand auszugehen. Die vorhandenen Windparks in den früher festgelegten Eignungsgebieten sind zunächst als bestehende Nutzung (also als Teil der Umwelt) zu be- rücksichtigen. Hinweise darauf, dass bereits diese bestehende Nutzung mit (nach heutigen Maßstäben des Umweltschutzes) nicht vertretbaren Auswirkungen einhergehen würde, liegen dem Planungsverband weder für das Gebiet Nr. 71 noch für andere früher festgelegte Eig- nungsgebiete vor. Zur Frage, inwieweit die planerische Vorsorge im Hinblick auf einen zukünf- tigen Ersatz der bestehenden Windparks durch größere Anlagen nachträgliche Änderungen an den früher festgelegten Eignungsgebieten begründet, wird auf die Abschnitte 3.10 und 4.9 und die dort dargelegten grundsätzlichen Erwägungen verwiesen. Mit der Anpassung des Ge- bietes Nr. 71 an die seit 1999 wesentlich erhöhten Schutzabstände zu den Wohnorten wird diesem Vorsorgeaspekt Rechnung getragen. Ebensowenig folgen kann der Planungsverband dem Einwand, dass die Einbeziehung bis- her unbebauter Flächen bei der Neuabgrenzung des ursprünglichen Eignungsgebietes einer „Salamitaktik“ gleichkomme, indem Raum für neue Anlagen geschaffen würde, ohne die be- reits gegebenen Umweltauswirkungen der bestehenden Anlagen zu betrachten. Selbstver- ständlich wären bei einer Genehmigung neuer Anlagen im Vorranggebiet der vorhandene Windpark und die von ihm verursachten Vorbelastungen zu beachten. Soweit es zum Beispiel um die Einhaltung konkreter Immissionsrichtwerte in den umliegenden Wohnorten geht, ist dies jedoch Gegenstand späterer Genehmigungsverfahren – und nicht des Planungsverfah- rens zur RREP-Fortschreibung. In planerischer Hinsicht ist als mögliche Kumulationswirkung insbesondere die lokale Häufung von Windenergieanlagen zu betrachten, wenn neue Vorrang- gebiete neben bereits vorhandenen Windparks festgelegt werden sollen. Diese ist im Hinblick auf die technische Überformung des Landschaftsbildes sowie die Umstellung von Ortschaften zu bewerten. Das Gebiet Nr. 71 mit seiner geringen Größe und seinem sehr großen Abstand zu allen anderen Vorranggebieten lässt die Gefahr einer solchen Kumulationswirkung nicht einmal im Ansatz erkennen.

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Bezüglich der maßgebenden Schutzabstände zu den Wohnorten wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Diese Abstände können nicht beliebig erhöht wer- den, weil neben dem Schutzbedürfnis der Anwohner auch noch andere Schutzerfordernisse bei der RREP-Fortschreibung zu berücksichtigen sind. Bezüglich des Schutzes historischer Kulturlandschaften wird auf die diesbezüglichen allge- meinen Ausführungen im Abschnitt 5.6 verwiesen. Der Planungsverband geht davon aus, dass mit den bei der RREP-Fortschreibung angewandten Ausschlusskriterien des Landschafts- schutzes diesem Belang hinreichend Rechnung getragen wird. Der zum Teil exponierten Höhenlage bestimmter Flächen im Süden der Region Rostock ist sich der Planungsverband wohl bewusst. Das Vorranggebiet Nr. 71 gehört mit Geländehöhen um 40 Meter über NN jedoch gerade nicht zu den besonders exponierten Flächen. Ein Ein- wender weist mit Recht darauf hin, dass große Windenergieanlagen aus bestimmten Blickrich- tungen bis zur Ostseeküste hin sichtbar wären. Diese Fernwirkung ist bei der Größe moderner Anlagen schlechthin unvermeidbar. Der Planungsverband gibt jedoch zu bedenken, dass die Anlagen mit einer gewissen Entfernung ihre dominierende Wirkung im Landschaftsbild verlie- ren. Tatsächlich gibt es in der Region Rostock bestimmte Blickfelder, in denen der Betrachter auf mittlere Entfernung eine von Windparks geprägte Landschaft wahrnimmt. Das Gebiet Nr. 71 ist jedoch zu klein und in seiner Lage von den übrigen Vorranggebieten zu sehr abge- sondert, als dass die hier vorhandenen oder zukünftig zu errichtenden Windenergieanlagen das Landschaftsbild in solcher Weise prägen könnten. Einzelne Einwender befürchteten negative Auswirkungen auf das Erscheinungsbild von Bau- denkmalen. Die Ansicht der Tarnower Kirche ist schon durch den vorhandenen Windpark verändert. Mit der zukünftig möglichen Errichtung größerer Anlagen würde sich diese Verän- derung aus bestimmten Blickrichtungen noch verstärken. Durch die Neuabgrenzung des Ge- bietes Nr. 71 und die damit erfolgte Verdoppelung des Schutzabstandes zur Ortschaft wird diese Wirkung allerdings wieder abgemildert. Solche Veränderungen auf die früher von Kirch- türmen dominierten Ortsbilder sind an vielen Stellen in der Region Rostock zu beobachten. Sie sind aufgrund der Größe der Windenergieanlagen nicht vermeidbar. Die Tarnower Kirche steht nicht auf einer Anhöhe und ist eng in den Bebauungszusammenhang des Ortes einge- bunden. Sie hat somit keine herausgehobene Wirkung auf das Bild der umliegenden Land- schaft, die in diesem speziellen Fall eine besondere Berücksichtigung erfordern könnte. Dies gilt erst recht für die Kirche in Boitin, die einen wesentlich größeren Abstand zum Gebiet Nr. 71 aufweist. Der alte Speicher in Prüzen steht in einer durch gewerbliche Nutzungen geprägten Umgebung und ist ein Beispiel dafür, wie sich die Ansicht eines Denkmals unweigerlich ver- ändert, wenn dessen Umfeld nach neuzeitlichen Anforderungen umgestaltet wird. Dass hier durch die Errichtung von Windenergieanlagen in 1.000 Metern Entfernung eine nennenswerte zusätzliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes entstehen könnte, ist für den Planungs- verband nicht ersichtlich. Bei der Planung von Windenergieanlagen dürfen an den Umge- bungsschutz von Denkmalen keine höheren Anforderungen gestellt werden als bei anderen baulichen Anlagen. Im Übrigen wird auf die allgemeinen Ausführungen zum Denkmalschutz im Abschnitt 5.10 verwiesen. Dort wird auch auf die von einem Einwender aufgeworfene Frage eingegangen, welcher öffentlichen Stelle die fachliche und rechtliche Beurteilung der Denk- malschutzbelange eigentlich zustehe. Die von einzelnen Einwendern vorgetragenen Ein- wände bezüglich der Gutsanlage Tieplitz werden mit dem Verzicht auf die südliche Erweite- rung des Gebietes Nr. 71 gegenstandslos. Bezüglich sonstiger Belange des Vogelschutzes gehen einzelne Einwender davon aus, dass das Gebiet Nr. 71 in gleicher Weise wie das ursprünglich in der Nachbarschaft geplante Gebiet Nr. 122 zu beurteilen und aus diesem Grund zu verwerfen sei. Das Gebiet Nr. 122 ist vom Planungsverband verworfen worden, weil es in einem ausgedehnten Grünlandbereich liegt und damit besondere Eigenschaften als Nahrungshabitat für den Rotmilan und andere Groß- vögel aufweist. Das Gebiet Nr. 71 weist keine solchen besonderen Eigenschaften auf. Zur Berücksichtigung der Brutvorkommen des Rotmilans sowie zur Bewertung der Vogelschutz- belange bei langjährig genutzten Eignungsgebieten wird auf die allgemeinen Ausführungen

249 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 zum Artenschutz im Abschnitt 5.7 sowie auf den Umweltbericht verwiesen. Dort wird auch auf den Schutz der Fledermäuse eingegangen. Zum Brutplatz des Weißstorches in Prüzen wird mit 1.000 Metern ein ausreichender Abstand eingehalten. Die Einwände der Naturschutzbehörden bezüglich der Überschneidung des Gebietes Nr. 71 mit Abstandszonen um den Naturpark sowie um Räume mit sehr hoher Schutzwürdig- keit des Landschaftsbildes werden mit dem Verzicht auf die südliche Erweiterung gegen- standslos. Bemängelt wird weiterhin die vermeintlich unterbliebene Prüfung der Verträglichkeit der Windenergienutzung im Gebiet Nr. 71 mit den Schutzzielen des angrenzenden Schutz- gebietes „Wald- und Gewässerlandschaft um Groß Upahl und Boitin“. Dieses Schutzgebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (sog. FFH-Gebiet) erstreckt sich westlich des Landweges von Tarnow zur Hofstelle Teigeli. Es dient ausschließlich dem Schutz land- und wassergebun- dener Tierarten und ihrer Lebensräume. Das Vorranggebiet Nr. 71 ragt mit seinem westlichen Ausläufer etwa 100 Meter in das Schutzgebiet hinein. Betroffen ist hier eine intensiv genutzte Ackerfläche, auf der bereits eine Windenergieanlage steht. Die geschützten Lebensräume in- nerhalb des Schutzgebietes werden vom Vorranggebiet nicht berührt. Mögliche Auswirkungen der Windenergienutzung im Vorranggebiet auf die Lebensbedingungen der geschützten Tiere im Schutzgebiet (Amphibien, Fischotter und Schnecken) sind nicht ersichtlich. Eine entspre- chende Prüfung ist bereits bei der Zulassung der hier vorhandenen Windenergieanlage durch- geführt worden. Sie muss im Rahmen der RREP-Fortschreibung nicht wiederholt werden. Zur Klarstellung wird hierzu eine kurze Erläuterung in die Endfassung des Umweltberichtes aufge- nommen. Die Lage in der äußeren Schutzzone eines Trinkwasserschutzgebietes steht der Festlegung des Vorranggebietes nicht entgegen. Der Schutz des Trinkwassers wird bei der RREP-Fort- schreibung angemessen berücksichtigt, indem die engeren Schutzzonen der Wasserschutz- gebiete von der Windenergienutzung ausgeschlossen bleiben. Dies entspricht der Systematik abgestufter Schutzanforderungen, wie sie in den entsprechenden Schutzgebietsverordnungen vorgesehen ist. In den räumlich weit gefassten äußeren Schutzzonen der Wasserschutzge- biete ist die Windenergienutzung generell möglich. Die damit verbundenen Risiken für das Grundwasser sind nicht höher als bei anderen Nutzungen für Landwirtschafts-, Verkehrs- und Siedlungszwecke, die in den äußeren Schutzzonen ebenfalls regelmäßig zulässig sind. Besondere Ausschlusskriterien zum Schutz des Bodens wurden bei der Auswahl der Vor- ranggebiete nicht angewandt, weil mit der Windenergienutzung nur punktuelle Eingriffe in den Boden verbunden sind. Die im Gebiet Nr. 71 überwiegende „hohe“ Schutzwürdigkeit des Bo- dens stellt keine herausgehobene Bewertung dar und rechtfertigt keinen Ausschluss der Wind- energienutzung. Bezüglich weiterer Anforderungen des Natur- und Landschaftsschutzes wird auf die all- gemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.6 und sowie auf den Umweltbericht verwiesen. Mögliche Auswirkungen der Windenergienutzung auf Verbreitung und Verhalten des Jagdwil- des sind dem Planungsverband nicht bekannt. Wenn solche Auswirkungen kleinräumig nach- weisbar wären, müssten sie im Interesse der umweltfreundlichen Energiegewinnung hinge- nommen werden. Die Kritik einzelner Einwender an der Aufbereitung und Auslegung der Entwurfsunterla- gen ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht berechtigt. Hierzu wird auch auf die Ausfüh- rungen im Abschnitt 2.2 verwiesen. Der Entwurf kann nur diejenigen Inhalte wiedergeben, die Gegenstand der Planung sind. Die genaue Anzahl, Größe und Position möglicher Windener- gieanlagen im Vorranggebiet gehören nicht dazu. Die Anforderungen an ein Beteiligungsver- fahren würden im Übrigen überzogen, wenn man ernsthaft verlangen wollte, dass jeglicher Entwurfsinhalt mit den Gemeinden vorabgestimmt werden müsste – oder jedenfalls mehrere Auslegungen zu durchlaufen hätte, damit alle Beteiligten mehrmals zu denselben Inhalten

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Stellung nehmen könnten. Es besteht auch keine Ungleichbehandlung der potenziell Betroffe- nen darin, dass einzelne Planinhalte über mehrere Entwurfsfassungen unverändert blieben, während andere im Verlauf der Planung mehrfach geändert wurden. Das bisherige Eignungsgebiet Nr. 71 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

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6.16 Kuhs (Nr. 72)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

6.16.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • WPD Onshore GmbH & Co KG, Rostock • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • WEB Windenergie Deutschland GmbH, Hamburg

6.16.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach das Vorrang- gebiet Nr. 72 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooksberg liegt. Die Einwenderin hatte empfohlen, innerhalb dieses Bereiches aufgrund

252 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 der zu erwartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Windenergieanlagen keine Eignungs- und Vorranggebiete festzulegen. Die WPD Onshore GmbH & Co KG kritisiert die aus ihrer Sicht nicht sachgemäße Zuordnung des Bauschutzbereiches um den Flugplatz Laage zu den essenziellen Ausschlusskriterien (vgl. auch die in den Abschnitten 4.5 und 5.4 diesbezüglich wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Für das Vorranggebiet Nr. 72 ergebe sind durch diese falsche Zuord- nung eine flächenmäßige Einschränkung, welche die zweckmäßige Ausnutzung der vom Pla- nungsverband vorgesehenen Erweiterungsfläche im Norden des bestehenden Windparks ver- hindern würde. Da auf der bisherigen Grenze des Eignungsgebietes relativ neue Anlagen stehen, wäre die im Entwurf von November 2018 vorgesehene Erweiterungsfläche wegen ihrer geringen Größe und des erforderlichen Abstandes zwischen den Windenergieanlagen auf ab- sehbare Zeit nur sehr eingeschränkt nutzbar. Auf Anfrage der Einwenderin habe die Bundes- wehr die Zulassung von Windenergieanlagen hier ab einer Entfernung von 5 Kilometern zum Flugplatz in Aussicht gestellt, während der Bauschutzbereich einen Umkreis von 6 Kilometern bildet. Die Einwenderin regt an, das Vorranggebiet bis an den 5-Kilometer-Umkreis um den Flughafenbezugspunkt zu erweitern. Erst bei einer Entfernung unter 5 Kilometern gehe die Bundeswehr davon aus, dass ihre Anflugradarsysteme gestört würden. Die notwendigen Ab- stände zu den nächstgelegenen Ortschaften und dem in der Nähe befindlichen Großvogel- brutrevier würden auch mit dieser Erweiterung eingehalten. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist nochmals auf die Lage des Gebietes Nr. 72 im Anlagenschutzbereich der Radaranlage Schmooksberg hin, der einen Umkreis von 15 Kilometern um den Standort der Flugsicherungseinrichtung umfasst. Gemäß § 18 a Luft- verkehrsgesetz ist innerhalb dieses Bereiches regelmäßig zu prüfen, ob die Flugsicherungs- einrichtung durch Windenergieanlagen gestört würde. Diese Prüfung erfolge, wenn über die zuständige Luftfahrtbehörde des Landes konkrete Vorhabenplanungen vorgelegt würden. Da die zu erwartenden Einschränkungen dem eigentlichen Ziel von Vorrang- und Eignungsgebie- ten entgegenstünden, wiederholt das Amt seine Empfehlung, innerhalb von Anlagenschutzbe- reichen keine Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen, jeden- falls aber auf die Möglichkeit von Einschränkungen im späteren Genehmigungsverfahren und die Notwendigkeit der Beteiligung der Luftfahrtbehörde hinzuweisen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die (marginale) Über- schneidung des Gebietes Nr. 72 mit der 2.000-Meter-Abstandszone um einen nahegelegenen Großvogelbrutplatz hin. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist auf vorhandene Greifvogelbrutplätze hin, die aus den Unterlagen eines aktuellen Genehmigungsverfahrens zum Ersatz von zwei Windener- gieanlagen im Gebiet Nr. 72 bekannt seien. In etwa 2.000 Metern Entfernung befänden sich demnach zwei Brutplätze des Rotmilans. Nach Einschätzung des NABU könnte die Feucht- grünlandfläche im Westen des Gebietes Nr. 72 ein essenzielles Nahrungsrevier für die Rotmi- lane bilden. Zwei weitere Feuchtgrünlandflächen befänden sich im Nordosten. Bezüglich der tatsächlichen Raumansprüche der Rotmilane bestehe noch Klärungsbedarf, der eventuell im laufenden Genehmigungsverfahren erfüllt werden könnte. Der nördliche Teil des Gebietes Nr. 72 liege im 3.000-Meter-Umkreis um einen Seeadlerbrutplatz. Einen Mindestabstand von 3.000 Metern wäre nach Auffassung des NABU als generelles Ausschlusskriterium bei der Festlegung von Eignungs- und Vorranggebieten für Windenergieanlagen anzuwenden (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Die WEB Windenergie Deutschland GmbH nimmt als Betreiberin von drei Windenergiean- lagen im Gebiet Nr. 72 Stellung. Die Einwenderin begrüßt, dass die Bemessung der Schutz- abstände zu den Wohnorten im Entwurf vom November 2018 anhand der einzelnen Wohnge- bäude vorgenommen wurde und nicht wie früher anhand der Grundstücke. Dieses Vorgehen entspreche den Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung. Die Einwenderin verweist hierzu auf Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg zur Beurtei-

253 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 lung einer möglichen „bedrängenden“ Wirkung von Windenergieanlagen auf die Nachbar- schaft. Diesen Urteilen sei zu entnehmen, dass immer nur die tatsächlich vorhandene Wohn- bebauung als schutzwürdig anzusehen sei. Am westlichen Rand der Ortschaft Kuhs befänden sich zahlreiche Grundstücke, die entweder gar nicht oder lediglich im östlichen Bereich bebaut seien. Die neue Abgrenzung des Gebietes Nr. 72 gemäß dem Entwurf von 2018 werde somit den örtlichen Verhältnissen besser gerecht. Die Gemeinde Kuhs profitiere seit geraumer Zeit von den Einnahmen des vorhandenen Windparks und werde auch in Zukunft von den neu zu errichtenden Anlagen profitieren können.

6.16.3 Zusammengefasste Abwägung Die von der WPD Onshore GmbH & Co KG eröffnete Diskussion um den Ausschluss des Bauschutzbereiches um den Flugplatz Laage macht die Schwierigkeiten exemplarisch deutlich, mit denen die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Differenzierung zwischen „harten“ und „weichen“ Ausschlusskriterien verbunden ist. Hierzu wird auch auf die allgemei- nen Ausführungen zu dieser Thematik in den Abschnitten 3.2 und 4.5 verwiesen. Die Einwen- derin hat bei der zuständigen Luftfahrtbehörde in Erfahrung bringen können, dass die Zulas- sung von Windenergieanlagen im Bauschutzbereich überwiegend ausgeschlossen, in den Randbereichen aber durchaus möglich wäre. Diese Auskunft entspricht auch dem bisherigen Kenntnisstand des Planungsverbandes. Bei enger Auslegung des Begriffes der „harten“ Aus- schlusskriterien dürfte man den Bauschutzbereich nicht zu dieser Kategorie zählen, weil dort die Errichtung von Windenergieanlagen nicht schlechthin unmöglich ist. Wollte man den Begriff der „weichen“ Kriterien ebenso eng auslegen, gehörte der Bauschutzbereich auch in diese Kategorie nicht hinein. „Weiche“ Ausschlusskriterien kennzeichnen nach dem Verständnis des Bundesverwaltungsgerichtes solche Flächen, die nach dem Willen des Plangebers von der Windenergienutzung ausgeschlossen bleiben sollen. Auch dies trifft hier nicht zu, da jedenfalls im größten Teil des Bauschutzbereiches die Zulassung von Windenergieanlagen schon am Luftfahrtrecht scheitern würde, sich also dem Willen des Plangebers entzieht. Einen denkba- ren Ausweg böte die Differenzierung des Bauschutzbereiches in einen „harten“ Kern und einen „weichen“ Rand. Um eine solche Differenzierung sicher vornehmen zu können, würden jedoch fachliche Informationen benötigt, über die der Planungsverband nicht verfügt. Insbesondere wenn man ein solches Vorgehen für alle im Abschnitt 3.2 aufgeführten zweifelhaften Aus- schlusskriterien verlangen wollte, würden die Anforderungen an das Planungskonzept in einer Weise erhöht, die zumindest für die Maßstabsebene der Regionalplanung nicht mehr realis- tisch und angemessen wäre. Der Planungsverband nimmt deshalb bei der Zuordnung der Kri- terien eine Pauschalierung vor: Der Bauschutzbereich ist ein essenzielles („hartes“) Aus- schlusskriterium, weil er aus rechtlichen Gründen für die Windenergienutzung überwiegend nicht verfügbar ist. Für den Fall, dass die Einwenderin diese Pauschalierung für zu weitgehend hält, weist der Planungsverband ausdrücklich darauf hin, dass schon aus planerischen Erwä- gungen der Bauschutzbereich unbedingt zu den Ausschlusskriterien gehören soll. Für den Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung und für die weitere Zukunft kann nicht ausge- schlossen werden, dass Änderungen im militärischen oder zivilen Flugbetrieb zu geänderten Anforderungen der Flugsicherung führen. Der Bauschutzbereich stellt nach Ansicht des Pla- nungsverbandes den minimalen Raum dar, der schon aus Gründen der planerischen Vorsorge von Windenergieanlagen freigehalten werden sollte. Die akademische Diskussion über „harte“ und „weiche“ Kriterien hat also im Fall des Gebietes Nr. 72 keinen Einfluss auf das Planungs- ergebnis. Der von der WPD erhobene Einwand, dass die mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes hinzugenommene Erweiterungsfläche derzeit nicht optimal ausnutzbar sei, ist berechtigt. Dieser Umstand begründet jedoch kein Absehen von der Freihaltung des Bauschutzbereiches. Bezüglich der über den Bauschutzbereich hinausgehenden Belange der Flugsicherung wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.4 verwiesen. Der Planungsverband geht aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen und der bisherigen Erfahrungen davon aus, dass

254 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sich die Anforderungen der Luftfahrtbehörden auf die mögliche Höhe und Stellung der Wind- energieanlagen im Vorranggebiet auswirken, die zweckmäßige Ausnutzung dieses Gebietes insgesamt jedoch nicht in Frage stellen werden. Bezüglich der Belange des Vogelschutzes wird auf die allgemeinen Ausführungen im Ab- schnitt 5.7 verwiesen. Zum nahegelegenen Brutplatz des Seeadlers wurde bei der Abgrenzung des Gebietes Nr. 72 der in Mecklenburg-Vorpommern empfohlene Schutzabstand von 2.000 Metern berücksichtigt. Die Abgrenzung erfolgte – wie im Abschnitt des Umweltberichtes be- schrieben – in der Weise, dass ausgehend vom 2.000-Meter-Radius die nächste topografisch bestimmbare Grenze gewählt wurde. Dies sind hier die Baumreihe und der Graben im Norden des Vorranggebietes. Der Hinweis des NABU-Landesverbandes auf eine mögliche Betroffen- heit des Rotmilans wird zur Kenntnis genommen. Eine Freihaltung mutmaßlicher Flugkorridore zu den fraglichen Grünlandflächen innerhalb des Vorranggebietes erschiene aufgrund der Wechselhaftigkeit des Rotmilans bei der Brutplatzwahl nur bedingt dazu geeignet, das Schlag- risiko für diese Vögel zu senken. Die betreffenden Grünlandbereiche sind nicht so ausgedehnt, dass hier von einem signifikant erhöhten Risiko ausgegangen werden müsste. Der Hinweis auf eine im Gebiet verlaufende Richtfunkstrecke wird zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das bisherige Eignungsgebiet Nr. 72 mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

255 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

6.17 Warnkenhagen (Nr. 73)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig alt und neu teilweise vollständig Anpassung

6.17.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dalkendorf, Appelhagen, Heidesheim, Rachow, Amalienhof, Warnkenhagen, Groß Wokern, Neuenkirchen, Frellstedt, Gottin, Altkalen, Groß Roge, Berlin und weiteren Orten • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • Thünengut Tellow gGmbH/Thünen-Museum Tellow • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde und Amt für Kreisentwicklung • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • Gemeinde Warnkenhagen

6.17.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Zu den Stellungnahmen der Bürger wird auf den Abschnitt 6.13 verwiesen. Die von den Bürgern vorgetragenen Einwände richten sich nicht speziell gegen das Gebiet Nr. 73, sondern generell gegen die erneute Festlegung der bisherigen Eignungsgebiete Nr. 38 und 73 sowie das neue Gebiet Nr. 127. Diese Einwände sind im Abschnitt zum Vorranggebiet Dalkendorf (Nr. 38) ausführlich wiedergegeben. Aufgrund des großen Umfangs dieser Einwände wird auf eine Wiederholung an dieser Stelle verzichtet. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin.

256 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach das Vorrang- gebiet Nr. 73 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooksberg liegt. Die Einwenderin hatte empfohlen innerhalb dieses Bereiches aufgrund der zu erwartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Windenergieanlagen keine Eignungs- und Vorranggebiete festzulegen. Das Thünengut und das Thünen-Museum Tellow lehnen die Festlegung des Vorranggebie- tes Nr. 127 und die mögliche Erweiterung der Windparks in den Gebieten Nr. 38 und 73 ab. Insbesondere das neu abgegrenzte Gebiet Nr. 73 weise gerade den Mindestabstand zum his- torischen Gutsensemble und dem Thünenpark in Tellow auf. Als Personal- und Freilichtmu- seum lebe man von der kulturgeschichtlich gewachsenen Gutsanlage und ihrer Einfügung in die landschaftliche Umgebung. Diese mache auch wesentlich die Attraktivität für Touristen aus. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist auf die Lage des Gebietes Nr. 73 im An- lagenschutzbereich der Radaranlage Schmooksberg hin, der einen Umkreis von 15 Kilometern um den Standort der Flugsicherungseinrichtung umfasst. Gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz ist innerhalb dieses Bereiches regelmäßig zu prüfen, ob die Flugsicherungseinrichtung durch Windenergieanlagen gestört würde. Diese Prüfung erfolge, wenn über die zuständige Luft- fahrtbehörde des Landes konkrete Vorhabenplanungen vorgelegt würden. Da die zu erwar- tenden Einschränkungen dem eigentlichen Ziel von Vorrang- und Eignungsgebieten entge- genstünden, wiederholt das Amt seine Empfehlung, innerhalb von Anlagenschutzbereichen keine Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen, jedenfalls aber auf die Möglichkeit von Einschränkungen im späteren Genehmigungsverfahren und die Not- wendigkeit der Beteiligung der Luftfahrtbehörde hinzuweisen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die Lage des Gebietes Nr. 73 innerhalb der 1.000-Meter-Abstandszone um ein Gebiet mit sehr hoher Schutzwürdig- keit des Landschaftsbildes hin. Nach Auffassung des Landesamtes müsste dies als zwingen- des Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung gelten, dessen Anwendung keiner pla- nerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Außerdem werde ein Mindestabstand von 2,5 Kilome- tern zu den benachbarten Vorranggebieten Nr. 38 und 127 nicht eingehalten. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock weist darauf hin, dass das Gebiet Nr. 73 nicht Gegenstand der 2016 durchgeführten Greifvogelerhebung war. Im Zusammenwirken mit den Gebieten Nr. 38 und 127 komme es zu einer Umzingelung der Orte Dalkendorf und Ama- lienhof. Der empfohlene Abstand zu schutzwürdigen Landschaftsräumen werde nicht einge- halten. Das Amt für Kreisentwicklung des Landkreises Rostock bemängelt die aus seiner Sicht unzureichende Berücksichtigung der Tourismusentwicklungsräume bei der Auswahl der Vor- ranggebiete für Windenergieanlagen (vgl. auch die im Abschnitt 5.3 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders). Die Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 liegen zum Teil im Tourismusentwicklungsraum. Im Bereich der Vorranggebiete verlaufen zwei bedeutende tou- ristische Radrouten. Dies sind der Radfernweg Hamburg—Rügen und der Schlösserrundweg. Der Verlauf der Routen sei im Hinblick auf die Anbindung der Gutsanlage Tellow und der Stadt Teterow gewählt worden. Den Touristen solle in verkehrsarmer Umgebung eine freie Sicht in die Landschaft ermöglicht werden. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist auf einen Kranichbrutplatz hin, der sich nach Kenntnis des Verbandes inmitten des Gebietes Nr. 73 befinde. Die Gemeinde Warnkenhagen spricht sich grundsätzlich für die Nutzung erneuerbarer Ener- giequellen aus. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, dass Windenergieanlagen immer dichter an den Wohnhäusern errichtet würden. Da die betroffenen Bürger von den Anlagen keine Vor- teile, sondern nur Nachteile hätten, gehe die Akzeptanz gegen Null. Für den Fall, dass der

257 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Planungsverband an den Gebieten Nr. 38 und 73 festhalten wolle, fordert die Gemeinde eine Erhöhung der Schutzabstände zu den Wohnhäusern. Den betroffenen Gemeinden sei eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Der Strom müsse den Verbrauchern vor Ort zu gerin- geren Preisen angeboten werden.

6.17.3 Zusammengefasste Abwägung Aus den Gemeinden nordwestlich von Teterow sind zum letzten Entwurf der RREP-Fortschrei- bung relativ viele Stellungnahmen der Bürger eingegangen. Die große Mehrzahl der Ein- wendungen richtet sich gleichermaßen gegen die erneute Festlegung der alten Eignungsge- biete Nr. 38 und 73 sowie gegen das neue Gebiet Nr. 127. Die weiter oben zum Gebiet Nr. 38 dokumentierten Bürgereinwendungen geben das Spektrum der wesentlichen Argumente wie- der. Auf eine Wiederholung wird an dieser Stelle verzichtet. Der Planungsverband geht in Aus- wertung der bislang durchgeführten öffentlichen Auslegungen davon aus, dass die bloße An- zahl der Einwendungen allein keine unmittelbaren Rückschlüsse auf Schwere und Ausmaß der mit den betreffenden Vorranggebieten verbundenen Konflikte erlaubt. Die große Anzahl kann gleichwohl ein Hinweis darauf sein, dass bestimmte Belange und Schutzinteressen hier besonders berührt werden. Im Ergebnis der nachfolgend dargelegten Abwägung kommt der Planungsverband jedoch zu dem Ergebnis, dass das Gebiet Nr. 73 kein besonders herausge- hobenes Konfliktpotenzial aufweist. Bezüglich aller Einwände, die sich generell gegen die erneute bzw. erstmalige Festle- gung von Vorranggebieten nordwestlich von Teterow richten, wird auf die weiter oben wiedergegebene Abwägung zum Vorranggebiet Dalkendorf (Nr. 38) verwiesen. Dort sind ins- besondere Erwägungen zur ursprünglichen Festlegung der Eignungsgebiete im Jahr 1999, zur Erhaltung der Kulturlandschaft, zur Aufzählung der Baudenkmale im Umweltbericht, zur Erho- lungseignung der Landschaft, zum Konflikt zwischen Windenergienutzung und Tourismusent- wicklung, zu den touristischen Radwegen, zum Vogelschutz, zum Umgang mit wirtschaftlichen Interessen der Windparkbetreiber, zur Erhaltung der Wohnqualität, zur lokalen Häufung von Windparks sowie einer möglichen Umstellungswirkung auf Ortschaften wiedergegeben. Die allgemeinen Ausführungen zum Gebiet Nr. 38 gelten für das Gebiet Nr. 73 sinngemäß. Den Einwänden des Thünen-Museums Tellow möchte der Planungsverband nicht folgen. Die Sicht auf die historische Gutsanlage wird durch den vorhandenen Windpark im Gebiet Nr. 73 nicht beeinträchtigt. Auch sind keine besonders ausgeprägten Sichtbeziehungen aus der Gutsanlage in die Umgebung vorhanden, die von einem Windpark in erheblicher Weise gestört werden könnten. Mit der Neuabgrenzung des ursprünglichen Eignungsgebietes könn- ten Windenergieanlagen zwar zukünftig etwas näher an der Ortschaft Tellow errichtet werden; durch den regelmäßigen Schutzabstand von 1.000 Metern wird jedoch vermieden, dass diese Anlagen das Ortsbild übermäßig dominieren. Die bloße Sichtbarkeit der Anlagen mindert den historischen Zeugniswert der Gutsanlage und ihre Anziehungskraft auf Touristen nach Auffas- sung des Planungsverbandes nicht. Bezüglich der vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie angemahnten Einhal- tung eines zusätzlichen Schutzabstandes um die Räume mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.6 verwiesen. Für das Gebiet Nr. 73 liegen keine Erkenntnisse vor, die in diesem Fall eine andere Abwägung rechtfertigen würden. Die Großvogelerhebung im Jahr 2016 wurde durchgeführt, um Klarheit über die maßgeben- den Vogelschutzbelange bei den neu festzulegenden Vorranggebieten zu erlangen. Bei den bereits früher festgelegten, langjährig genutzten Eignungsgebieten wird die Windenergienut- zung grundsätzlich als gegebene Tatsache angesehen. Hierzu wird auch auf die diesbezügli- chen Ausführungen im Abschnitt 8.8 des Umweltberichtes verwiesen. Ausnahmsweise wurde nur das Gebiet Nr. 38 in die Erhebung einbezogen, weil hier die räumliche Abweichung des neuen Vorranggebietes vom ursprünglichen Eignungsgebiet relativ stark ist. Auf das Gebiet Nr. 73 trifft dies nicht in gleichem Maße zu. Der Planungsverband erkennt keine Gefahr, dass

258 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 mit der Festlegung des Gebietes Nr. 73 in der neuen Abgrenzung Konflikte mit den Belangen des Artenschutzes hervorgerufen werden, die nicht in nachfolgenden Genehmigungsverfahren gelöst werden könnten. Der Hinweis des NABU auf einen Brutplatz des Kranichs steht der Festlegung des Vorrang- gebietes grundsätzlich nicht entgegen. Kraniche gehören nicht zu den Vögeln, welche durch Windenergieanlagen besonders gefährdet sind. Bezüglich der Belange der Flugsicherung wird auf die allgemeinen Ausführungen im Ab- schnitt 5.4 verwiesen. Der Planungsverband geht aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen und der bisherigen Erfahrungen davon aus, dass sich die Anforderungen der Luftfahrtbehör- den auf die mögliche Höhe und Stellung der Windenergieanlagen im Vorranggebiet auswirken, die zweckmäßige Ausnutzung dieses Gebietes insgesamt jedoch nicht in Frage stellen wer- den. Die von der Gemeinde Warnkenhagen angeregten finanziellen Ausgleichsregelungen, die ihr und den Bürgern zu Gute kommen sollten, liegen nicht in der Zuständigkeit des Planungs- verbandes. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das bisherige Eignungsgebiet Nr. 73 mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

259 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7 Einwendungen zu den 2011 festgelegten Gebieten

7.1 Hohen Luckow (Nr. 100/101)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig neu keine vollständig Anpassung

7.1.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Landesamt für Straßenbau und Verkehr, Abt. Autobahn, Güstrow • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, Bonn • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

7.1.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr teilt mit, dass aufgrund jüngster Havariefälle an Windenergieanlagen grundsätzlich von einem Gefährdungspotenzial dieser Anlagen im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auszugehen sei. Von den Bundesautobahnen sei deshalb

260 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 als Mindestanforderung ein Abstand von 100 Metern (gemessen vom Rand des Rotorkreises) einzuhalten. Empfohlen wird ein höherer Abstand, welcher der Gesamthöhe der Anlage (ein- schließlich Rotorkreis) entspricht. Der Mindestabstand sei bereits bei der Festlegung der Vor- ranggebiete für Windenergieanlagen als Ausschlusskriterium zu berücksichtigen. Das Amt weist nochmals auf das bestehende Anbauverbot bis zu einer Entfernung von 40 Metern vom äußeren Fahrbahnrand und den Zustimmungsvorbehalt der Straßenbaubehörde bei der Ge- nehmigung baulicher Anlagen bis zu einer Entfernung von 100 Metern hin. Unter das Verbot und die Beschränkung fallen auch Leitungen, Zuwegungen und Baustelleneinrichtungen. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr weist auf die Lage des Gebietes Nr. 100/101 im Zuständigkeitsbereich der militärischen Luft- fahrtbehörden um den Flugplatz Laage sowie im Verlauf einer Jet-Tiefflugstrecke der Bundes- wehr hin (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.4 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie berichtet, dass im bestehenden Windpark Heiligenhagen/Hohen Luckow Großvögel in außerordentlich hoher Zahl zu Tode ge- kommen seien. Sechs Rotmilane, ein Seeadler und ein Schreiadler seien hier als Schlagopfer registriert worden. Das Landesamt weist außerdem auf einen Horst des Rotmilans hin, der im Rahmen einer Erhebung im Jahr 2018 im 1.000-Meter-Umkreis um das Gebiet Nr. 100/101 nachgewiesen worden sei. Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Landesamt, dass im Gebiet Nr. 100/101 keine weiteren Windenergieanlagen mehr zugelassen werden sollten. Auch die vorhandenen Anlagen sollten nach Ende ihrer Nutzungszeit nicht mehr ersetzt werden. Das Landesamt weist auch darauf hin, dass ein Mindestabstand von 2,5 Kilometern zu den be- nachbarten Vorranggebieten Nr. 33/45 und 118 nicht eingehalten werde. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist darauf hin, dass im Juni 2017 ein Schreiadler im Windpark Hohen Luckow zu Tode gekommen ist.

7.1.3 Zusammengefasste Abwägung Zu den Hinweisen des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr bezüglich der Autobahnen wird auch auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.5 verwiesen. Das Gebiet Nr. 100/101 ist bereits vollständig mit Windenergieanlagen bebaut, und die vom Landesamt empfohlenen Schutzabstände werden eingehalten. Zur vergleichsweise großen Zahl von Greifvogel-Schlagopfern im Windpark Hohen Luckow liegt dem Planungsverband ein Untersuchungsbericht vor, der auch in den Quellenangaben im Umweltbericht aufgeführt ist. Der Bericht identifiziert eine vorübergehende Umstellung der Landnutzung als mögliche Ursache dafür, dass in einem Jahr außergewöhnlich viele Totfunde von Greifvögeln verzeichnet werden mussten. Nach Kenntnis des Planungsverbandes liegt das Gebiet Nr. 100/101 relativ weit abseits der Brutreviere des Seeadlers und außerhalb der mutmaßlichen Flugkorridore zu größeren Nahrungsgewässern. Das nächste bekannte Brutre- vier des Schreiadlers ist mehr als 20 Kilometer entfernt. Auch ein gehäuftes Vorkommen von Rotmilanen ist hier nicht bekannt. Aus Sicht des Planungsverbandes kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass das Gebiet Nr. 100/101 schon aufgrund seiner Lage ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für Greifvögel aufweist. Vielmehr macht das Beispiel des Windparks Hohen Luckow die methodischen Grenzen eines Schutzkonzeptes deutlich, das vorrangig auf der Einhaltung bestimmter Mindestabstände zu den bekannten Brutplätzen beruht. Die Anre- gung das Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie, dass im Gebiet Nr. 100/101 zukünftig keine neuen Anlagen mehr errichtet werden sollten, ist aus Sicht des Planungsver- bandes nicht begründet. Die Hinweise auf die im Gebiet verlaufende Richtfunkstrecke sowie die Belange Flugsiche- rung werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt.

261 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 100/101 als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

262 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7.2 Rukieten (Nr. 102)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig neu teilweise vollständig Anpassung

7.2.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow

7.2.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die Überschneidung des Gebietes Nr. 102 mit der 1.000-Meter-Abstandszone um ein Gebiet mit sehr hoher Schutzwür- digkeit des Landschaftsbildes hin. Nach Auffassung des Landesamtes müsste dies als zwin- gendes Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung gelten, dessen Anwendung keiner planerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergege- benen Ausführungen desselben Einwenders).

7.2.3 Abwägung Bezüglich der vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie angemahnten Einhal- tung eines zusätzlichen Schutzabstandes um die Räume mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes wird auf die allgemeinen Ausführungen zum Natur- und Landschafts- schutz im Abschnitt 5.6 sowie auf die Ausführungen zur nachträglichen Anwendung neuer Planungskriterien bei früher festgelegten, bereits langjährig genutzten Eignungsgebieten im Abschnitt 3.10 verwiesen. Für das Gebiet Nr. 102 liegen keine Erkenntnisse vor, die in diesem Fall eine andere Abwägung rechtfertigen würden.

263 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 102 mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

264 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7.3 Kurzen Trechow (Nr. 104)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig neu keine vollständig keine Änderung

7.3.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

7.3.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die (marginale) Über- schneidung des Gebietes Nr. 104 mit der 2.000-Meter-Abstandszone um einen nahegelege- nen Großvogelbrutplatz hin. Außerdem würde ein Mindestabstand von 2,5 Kilometern zum benachbarten Vorranggebiet Nr. 37/51 nicht eingehalten. Auch der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist auf die Überschneidung mit der Abstands- zone um einen Seeadlerbrutplatz hin. Diese sei nicht akzeptabel. Nach Auffassung des NABU wären zudem grundsätzlich 3.000 (statt 2.000) Meter Abstand zu den Brutplätzen des Seead- lers einzuhalten (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen des- selben Einwenders). Inwiefern die in den Entwurfsunterlagen beschriebenen Feuchtgebiete, Kleingewässer und Feldgehölze im südlichen und östlichen Teil des Vorranggebietes eine be- sondere Bedeutung für die örtlichen Vorkommen des Rotmilans haben könnten, könne seitens des NABU derzeit nicht eingeschätzt werden.

265 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7.3.3 Zusammengefasste Abwägung Bezüglich der Belange des Vogelschutzes wird auf die allgemeinen Ausführungen im Ab- schnitt 5.7 verwiesen. Zum nahegelegenen Brutplatz des Seeadlers wurde bei der Abgrenzung des Gebietes Nr. 104 der in Mecklenburg-Vorpommern empfohlene Schutzabstand von 2.000 Metern berücksichtigt. Die Abgrenzung erfolgte – wie im Abschnitt 6 des Umweltberichtes be- schrieben – in der Weise, dass ausgehend vom 2.000-Meter-Radius die nächste topografisch bestimmbare Grenze gewählt wurde. Diese wird hier durch den Landweg von nach Kurzen Trechow gebildet. Der Hinweis des NABU-Landesverbandes auf eine mögliche Betrof- fenheit des Rotmilans wird zur Kenntnis genommen. Die vom NABU bezeichneten Biotope innerhalb des Vorranggebietes sind nicht so ausgedehnt, dass hier von einem signifikant er- höhten Risiko ausgegangen werden müsste. Bezüglich des Abstandes des Gebietes Nr. 104 zum benachbarten Gebiet Nr. 37/51 und der Bewertung lokaler Häufungen von Windenergie-Vorranggebieten wird auf die Ausführun- gen im Abschnitt 3.5 verwiesen. Eine problematische Häufung ist hier nicht zu erkennen. Eine Umstellungswirkung ist im Ansatz bei der Ansiedlung Langen Trechow zu erkennen. Die Wohnhäuser in Langen Trechow sind jedoch planungsrechtlich dem Außenbereich zugeord- net, sodass hier nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden können wie an eine zusammen- hängend bebaute Ortschaft. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 104 als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

266 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7.4 Glasewitz (Nr. 106)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig neu keine vollständig Erweiterung

7.4.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • 50-Hertz Transmission GmbH, Berlin • Notus Energy Wind GmbH & Co KG, Potsdam, vertreten durch die Kanzlei Dombert Rechtsanwälte, Potsdam • Landesamt für Straßenbau und Verkehr, Abt. Autobahn, Güstrow • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • BS Windertrag GmbH, Berlin • Stadt Güstrow

7.4.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach das Vorrang- gebiet Nr. 106 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooksberg liegt. Die Einwenderin hatte grundsätzlich empfohlen, innerhalb dieses Berei- ches aufgrund der zu erwartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Wind- energieanlagen keine Eignungs- und Vorranggebiete festzulegen. Im Besonderen bestehen

267 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Einwände gegen die geplante westliche Erweiterung des Vorranggebietes. Das Gebiet 106 befinde sich nur 1.000 Meter entfernt von dem gemäß Durchführungsverordnung zur Luftver- kehrsordnung für den Flugplatz Laage festgelegten Pflichtmeldepunkt SIERRA. Der gemäß Nachrichten für Luftfahrer 1-847-16 (Festlegung von Mindestabständen von Hindernissen zu festgelegten Sichtflugverfahren) festgelegte Mindestabstand von 2.000 Metern um Pflicht- und Bedarfsmeldepunkte werde damit nicht eingehalten. Wegen der erheblichen Betroffenheit des Sichtflugverkehrs in diesem Bereich würde die Deutsche Flugsicherung in einer gutachterli- chen Stellungnahme gegenüber der Luftfahrtbehörde empfehlen, keine neuen Windenergie- anlagen westlich des bestehenden Windparks zu genehmigen. Aus Sicht der Flugsicherung seien nur im südöstlichen Bereich des Gebietes noch zusätzliche Anlagen denkbar. Der Mel- depunkt SIERRA sei bereits nach Norden verlegt worden, um die Genehmigung des vorhan- denen Windparks zu ermöglichen. Ein Heranrücken des Windparks an die Autobahn und somit an die Sichtflugstrecke sei zu vermeiden. Die 50-Hertz Transmission GmbH weist nochmals auf den geplanten Ersatz der südlich des Vorranggebietes verlaufenden 220-Kilovolt-Freileitung Güstrow—Pasewalk durch eine neue 380-Kilovolt-Leitung hin. Diese Netzverstärkung sei in den zwei Maßnahmen P216, M523 und M455 im Netzentwicklungsplan 2017-2030 durch die Bundesnetzagentur bestätigt worden. Um den geplanten Leitungsneubau im bestehenden Trassenraum realisieren zu können, sollte grundsätzlich ein Streifen von jeweils 1 Kilometer Breite, mindestens jedoch von 250 Metern, beiderseits der Trassenachse von entgegenstehenden Nutzungen freigehalten werden. Die Einwenderin bittet darum, diesen Vorbehaltskorridor, der als nähere Bestimmung zum Grund- satz 6.5 (10) bereits in den RREP-Entwurf vom November 2018 aufgenommen wurde, auch bei der zeichnerischen Darstellung des Vorranggebietes in der Grundkarte zu berücksichtigen. Auf die Ausnutzung des Vorranggebietes hätte dies erhebliche Auswirkungen. Die Notus Energy Wind GmbH & Co KG regt an, das Gebiet 106 nach Süden und Nordwes- ten zu erweitern und insoweit den Entwurfsstand vom Mai 2014 wieder aufzugreifen. Die Ein- wenderin betreibt den bestehenden Windpark im Gebiet Nr. 106 und gibt an, dass sie im Be- reich der möglichen Erweiterungsflächen Nutzungsrechte an Grundstücken gesichert habe, um dort weitere Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Eine Anlage in der west- lichen Teilfläche sei beantragt und befinde sich aktuell im Genehmigungsverfahren. Bezüglich der südlichen Erweiterungsfläche und der dort verlaufenden Freileitung weist die Einwenderin darauf hin, dass die bereits vorhandene Windenergieanlage im Jahr 2014 mit Zustimmung des Leitungsbetreibers 50-Hertz genehmigt worden ist. Auch der Planungsverband selbst habe im Jahr 2014 die Freileitung nicht als Grund angesehen, von seinem Vorschlag zur südlichen Erweiterung des Eignungsgebietes Abstand zu nehmen. Bezüglich der nordwestlichen Erwei- terung weist die Einwenderin darauf hin, dass die Güstrower Kies und Mörtel GmbH als Be- treiberin des Sandtagebaus und der Deponie Spoitgendorf ihr ausdrückliches Interesse an einer Errichtung von Windenergieanlagen bekundet habe. Sowohl das Bergamt als auch die Abfallbehörde hätten in diesbezüglichen Gesprächen bereits ihre Zustimmung bekundet. Die Einwenderin betont, dass sie gemäß § 7 (2) Raumordnungsgesetz einen Anspruch darauf habe, dass ihre wirtschaftlichen Interessen in der planerischen Abwägung mit angemessenem Gewicht berücksichtigt werden. Die Einwenderin geht davon aus, dass die letzte Überarbei- tung des Entwurfes im Jahr 2018 auf einer fehlerhaften Abwägung beruhe und bringt in diesem Zusammenhang auch grundsätzliche Bedenken gegen die Methodik der Planung vor (vgl. die im Abschnitt 4.5 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Nach der einschlä- gigen obergerichtlichen Rechtsprechung setze eine fehlerfreie Abwägung voraus, dass (ers- tens) die in der Abwägung berücksichtigten Belange auf wirklichen Sachverhalten beruhten, dass diese (zweitens) vom Planungsverband sachgerecht beurteilt und ihrer tatsächlichen Be- deutung entsprechend gewichtet würden und dass (drittens) diese Gewichtung nicht außer Verhältnis stehen dürfe zu dem Gewicht, dass dem Interesse an der Nutzung der Windenergie zugemessen werde. Wenn, wie im vorliegenden Fall, bestimmte Flächen trotz offensichtlich gegebener Eignung von der Windenergienutzung ausgeschlossen würden, liege bereits im Ansatz ein erheblicher Abwägungsfehler vor. Die Überprüfung anhand der maßgebenden Aus-

268 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 schlusskriterien und der hier zu berücksichtigenden Abstände zur Autobahn und zur Freilei- tung ergebe, dass einer Neuabgrenzung des Vorranggebietes in der ursprünglich vorgesehe- nen größeren Ausdehnung keine Belange entgegenstünden. Im Entwurf vom November 2018 habe der Planungsverband das Gebiet falsch abgegrenzt, indem zusätzlich zu den in der Plan- begründung genannten Kriterien weitere Ausschlussflächen herangezogen worden seien: Ge- mäß Kriterienkatalog dürften weder die Waldgebiete im Norden und Westen, noch die Gas- verteilerstation, noch die planfestgestellte Bergbaufläche, noch die Freileitung für die Bestimmung von Schutzabständen bzw. Ausschlussflächen maßgebend sein. Der Planungs- verband dürfe in seiner Abwägung bezüglich einzelner Vorranggebiete prinzipiell nur solche Belange berücksichtigen, die ausdrücklich als Restriktionskriterien in der Planbegründung auf- geführt sind. Alle weiteren Belange, wie insbesondere die Planungsabsichten der 50-Hertz GmbH zum Ersatz der vorhandenen Freileitung, müssten der späteren Prüfung im Rahmen anlagenbezogener Genehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. Bezüglich der Freileitung macht die Einwenderin darauf aufmerksam, dass zur Genehmigung der vorhandenen, befristet zugelassenen Prototypenanlage südlich des Eignungsgebietes eine Einigung mit der Lei- tungsbetreiberin habe erzielt werden können, indem technische Vorkehrungen zum Schwin- gungsschutz beauflagt wurden. Die Einwenderin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass der Planungsverband in seiner Abwägung auch die Interessen der Betreiber von Wind- energieanlagen berücksichtigen müsse, welche bislang außerhalb der festgelegten Eignungs- gebiete stehen. Diese Betreiber hätten grundsätzlich ein Interesse daran, ihre Standorte lang- fristig zu nutzen, was auch Ersatz und Erneuerung vorhandener Anlagen einschließe. Die nunmehr angeführten Absichten zum Ersatz der vorhandenen 220-Kilovolt-Leitung durch eine neue 380-Kilovolt-Leitung seien sowohl hinsichtlich des möglichen Realisierungszeitraumes als auch hinsichtlich der möglichen Trassierung noch zu vage, um das Interesse der Einwen- derin an einer langfristigen Nutzung des fraglichen Anlagenstandortes und dessen Einbezie- hung in das Vorranggebiet überwiegen zu können. Es sei im Übrigen nicht ungewöhnlich, dass Freileitungen durch Windparks verlaufen; offensichtlich sei dies ohne Konflikte möglich. Das gleiche gelte für Erdgasleitungen. Auch bezüglich der westlichen und nördlichen Erweiterung des Eignungsgebietes Nr. 106 dürften nach Auffassung der Einwenderin die vom Planungs- verband berücksichtigten Belange nicht maßgebend sein: Ein Abstand von 200 Metern zur Gasverteilerstation sei nicht erforderlich. Auch die hier maßgebenden Schutzanforderungen könnten nicht Gegenstand der Regionalplanung, sondern nur eines anlagenbezogenen Ge- nehmigungsverfahrens sein. Die Einwenderin legt dazu ein von ihr in Auftrag gegebenes Fach- gutachten vor, wonach – unter der Voraussetzung spezieller technischer Sicherheitsvorkeh- rungen – die von der Einwenderin aktuell geplante Windenergieanlage auf der potenziellen Erweiterungsfläche zugelassen werden könnte. Bezüglich der nordwestlich gelegenen Tage- bauflächen habe der Planungsverband in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 auf eine geplante Nachnutzung als Deponie Bezug genommen, jedoch nicht näher ausgeführt, woher diese Information komme, durch wen die Nachnutzung erfolgen würde und warum eine solche Nachnutzung mit der Errichtung von Windenergieanlagen nicht vereinbar sein sollte. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr teilt mit, dass aufgrund jüngster Havariefälle an Windenergieanlagen grundsätzlich von einem Gefährdungspotenzial dieser Anlagen im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auszugehen sei. Von den Bundesautobahnen sei deshalb als Mindestanforderung ein Abstand von 100 Metern (gemessen vom Rand des Rotorkreises) einzuhalten. Empfohlen wird ein höherer Abstand, welcher der Gesamthöhe der Anlage (ein- schließlich Rotorkreis) entspricht. Der Mindestabstand sei bereits bei der Festlegung der Vor- ranggebiete für Windenergieanlagen als Ausschlusskriterium zu berücksichtigen. Das Amt weist nochmals auf das bestehende Anbauverbot bis zu einer Entfernung von 40 Metern vom äußeren Fahrbahnrand und den Zustimmungsvorbehalt der Straßenbaubehörde bei der Ge- nehmigung baulicher Anlagen bis zu einer Entfernung von 100 Metern hin. Dies gilt auch für die Zu- und Abfahrten. Unter das Verbot und die Beschränkung fallen auch Leitungen, Zuwe- gungen und Baustelleneinrichtungen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Zu- und Ab- fahrten zu den Bundesautobahnen nicht angelegt werden dürfen. Das Amt empfiehlt deshalb,

269 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 vor der Festlegung von Windenergie-Vorranggebieten an Autobahnen zu prüfen, ob die Er- schließung über das nachgeordnete Straßen- und Wegenetz für Großraum- und Schwertrans- porte möglich ist. Zu beachten sei, dass nicht alle Brücken über die Autobahnen für Schwer- transporte genutzt werden können, da zum Teil erhebliche Lastbeschränkungen bestehen. Das Amt weist auch auf Fernmeldekabel der Straßenbauverwaltung hin, die entlang der Auto- bahnen verlaufen. Eine potenzielle Betroffenheit ergebe sich, wenn Energiekabel von Wind- parks über mehr als 1.000 Meter Länge parallel neben Kupfer-Fernmeldekabeln geführt wer- den sollten. In solchen Fällen seien Nachweise über eine mögliche Beeinflussung durch den Vorhabensträger zu erbringen und gegebenenfalls entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist nochmals auf die Lage des Gebietes Nr. 106 im Anlagenschutzbereich der Radaranlage Schmooksberg hin, der einen Umkreis von 15 Kilometern um den Standort der Flugsicherungseinrichtung umfasst. Gemäß § 18 a Luft- verkehrsgesetz ist innerhalb dieses Bereiches regelmäßig zu prüfen, ob die Flugsicherungs- einrichtung durch Windenergieanlagen gestört würde. Diese Prüfung erfolge, wenn über die zuständige Luftfahrtbehörde des Landes konkrete Vorhabenplanungen vorgelegt würden. Da die zu erwartenden Einschränkungen dem eigentlichen Ziel von Vorrang- und Eignungsgebie- ten entgegenstünden, wiederholt das Amt seine Empfehlung, innerhalb von Anlagenschutzbe- reichen keine Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen, jeden- falls aber auf die Möglichkeit von Einschränkungen im späteren Genehmigungsverfahren und die Notwendigkeit der Beteiligung der Luftfahrtbehörde hinzuweisen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist noch einmal auf die teilweise Überschneidung des Gebietes Nr. 106 mit dem Vogelzugkorridor (Dichtezone A) entlang der Augrabenniederung hin. Die erneute Festlegung des bestehenden Eignungsgebietes als Vor- ranggebiet wird aus diesem Grund abgelehnt. Aufgrund der Lage Mecklenburg-Vorpommerns im Zentrum des nordwestpaläarktisch-atlantischen Zugweges müsse dem Schutz der Zugvö- gel in der Planung ein gebührender Rang eingeräumt werden. Innerhalb der im landesweiten Dichtemodell des Vogelzuges ausgewiesenen Dichtezone A müsse dem Vogelschutz grund- sätzlich Vorrang eingeräumt werden. Nur in begründeten Fällen könne davon abgewichen werden. Wenn der Planungsverband im Umweltbericht vom November 2018 darlege, dass „Erfahrungen mit bestehenden Windparks“ innerhalb der betreffenden Räume nicht auf ein besonders hohes Konfliktpotenzial schließen ließen, könne sich dies nur auf Sonderfälle be- ziehen. Für die Vorranggebiete Nr. 106 und 123 fehle eine solche besondere Begründung. Die Gebiete lägen genau in der von Nordost nach Südwest verlaufenden Hauptzugrichtung und wiesen aufgrund des überdurchschnittlich hohen Grünland- und Gewässeranteils attraktive Strukturen für die Zugvögel auf. In Abhängigkeit von Jahreszeit, herrschender Witterung, Wind- und Lichtverhältnissen sowie den Bewirtschaftungszyklen der Landwirtschaft kämen den Flächen im Vogelzugkorridor wechselnde Funktionen als Flugleitlinie, Nahrungsrevier, Rast- oder Schlafplatz zu. Die Dichtezone A bilde innerhalb des Zugkorridors eine Kernzone, die, eingebettet in die Zone B, eine herausragende Bedeutung besitze. Außerdem erfolgt der Hinweis, dass ein Mindestabstand von 2,5 Kilometer zum benachbarten (und vom Landesamt ebenfalls abgelehnten) Vorranggebiet Nr. 123 nicht eingehalten werde. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern begrüßt, dass der Planungsverband von der zuletzt vorgesehenen südlichen Erweiterung des Gebietes Nr. 106 wieder Abstand genommen hat. Aufgrund der Überschneidung mit der Abstandszone um ein Schwarzstorchbrutrevier wurde diese Erweiterungsoption vom NABU besonders kritisch betrachtet. Der NABU schließt sich der in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Einschätzung des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie an, wonach eine Wiederbesetzung des in den Jahren 2000 bis 2008 vorhandenen Brutplatzes weiterhin möglich wäre, weil nach wie vor ein geeigneter Lebensraum vorliege. Bezüglich der Überschneidung des Gebietes Nr. 106 mit einem Vogelzugkorridor bemängelt der NABU, dass der Planungsverband diese in erster Linie mit abstrakten methodischen Erwägungen begründet hat. Der NABU geht davon

270 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 aus, dass im Rahmen der Genehmigungsverfahren für die bereits vorhandenen Windenergie- anlagen konkrete Untersuchungen zum Vogelzug angestellt worden seien, die der Planungs- verband für seine Abwägung heranziehen sollte. Die BS Windertrag GmbH regt nochmals an, das Gebiet Nr. 106 in die nordwestlich angren- zenden Tagebauflächen zu erweitern. Der Eigentümer sei gleichzeitig Betreiber des Kieswer- kes und befürworte die Errichtung von Windenergieanlagen auf seinen Flächen. Die mit dem Entwurf vom November 2018 erfolgte Verkleinerung der Erweiterungsfläche sei ohne umfas- sende Abwägung und ohne die vorgeschriebene Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgt. Somit liege ein beachtlicher Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften des Landesplanungsgesetzes vor. Die Stadt Güstrow hatte sich in den vergangen Jahren ablehnend zur Festlegung des Gebie- tes Nr. 106 und zu dessen geplanter Erweiterung geäußert. Die mit dem Entwurf vom Novem- ber 2018 erheblich reduzierte Erweiterungsmöglichkeit sei aus Sicht der Stadt hinnehmbar.

7.4.3 Zusammengefasste Abwägung Die von der Notus Energy Wind GmbH & Co KG aufgeworfene Frage nach dem Gewicht, das privaten Interessen in der planerischen Abwägung zugemessen werden müsse, lässt sich anhand des Gebietes Nr. 106 beispielhaft erörtern. Der Planungsverband geht grundsätz- lich davon aus, dass private wirtschaftliche Interessen einzelner Grundstückseigentümer und Windenergiefirmen in die Abwägung einzubeziehen sind, sich aber nicht notwendigerweise gegen öffentliche Belange durchsetzen müssen. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Erwä- gungen im Abschnitt 4.8 verwiesen. Ein relativ hohes Gewicht ist den privaten Interessen dort zu geben, wo vorhandene Windenergieanlagen in verbindlich festgelegten Eignungsgebieten stehen, sodass die Betreiber dieser Anlagen einen gewissen Vertrauensschutz für sich geltend machen können. Auf die fraglichen Erweiterungsflächen beim bisherigen Eignungsgebiet Nr. 106 trifft dies nicht zu. Ein deutlich geringeres Gewicht ist dem Interesse an der langfristi- gen Nutzung bestehender Anlagenstandorte zu geben, wenn diese sich außerhalb der bisher festgelegten Eignungsgebiete befinden. Ein Vertrauensschutz kann an solchen Standorten nicht geltend gemacht werden, weil diese planerisch gerade nicht für eine langfristige Nutzung vorgesehen waren. Gleichwohl spricht die vorhandene Nutzung im Zweifel dafür, solche Standorte bei der RREP-Fortschreibung in die neuen Vorranggebiete einzubeziehen, wenn sie den Planungskriterien entsprechen und nicht andere Belange einer solchen Einbeziehung entgegenstehen. Dies war für die fragliche Süderweiterung des Gebietes Nr. 106 zu prüfen, wo eine Windenergieanlage ausnahmsweise außerhalb des Eignungsgebietes zugelassen worden ist. Ein nochmals geringeres, aber durchaus noch erhebliches Gewicht käme den pri- vaten Interessen zu, wenn am fraglichen Standort noch keine Windenergieanlage steht, aber eine rechtskräftige Genehmigung zur Errichtung einer solchen Anlage erteilt wurde. Im Bereich der westlichen Erweiterung des Gebietes Nr. 106 trifft dies nicht zu. Zwar sind von der Ein- wenderin vor geraumer Zeit entsprechende Anträge gestellt worden; sie wurden aber wegen entgegenstehender Belange bislang nicht genehmigt. Das Gewicht der privaten Interessen ist hier nochmals niedriger anzusetzen, weil sich die Einwenderin auf keinerlei gefestigte Rechts- positionen, materielle Tatsachen oder Vertrauenstatbestände berufen kann. Das private Inte- resse muss dann in der Regel hinter den öffentlichen Belangen zurückstehen – auch wenn es sich um Belange der bloßen Vorsorge handelt – weil ansonsten die RREP-Fortschreibung durch spekulative Planungen und Antragstellungen von privater Seite sehr weitgehend beein- flusst werden könnte. Eine weitere Grundsatzfrage der planerischen Abwägung wird von derselben Einwenderin auf- geworfen, indem diese darlegt, dass der Planungsverband seine Abwägung strikt am Ka- talog der eingangs festgelegten Restriktionskriterien ausrichten müsse und weitere Be- lange im Einzelfall gar nicht berücksichtigen dürfe. Der Planungsverband vertritt in dieser Frage eine andere Auffassung. Die in der Begründung des RREP aufgeführten Ausschlusskri-

271 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 terien sind ein Hilfsmittel der Vor-Auswahl potenziell geeigneter Flächen für die Windenergie- nutzung. Die ebendort aufgeführten Restriktionskriterien sind zunächst ein Hilfsmittel für die Erst-Bewertung dieser Vorauswahl. Wenn später im Ergebnis der öffentlichen Auslegung des Planentwurfes weitere Belange offenbar werden, welche für oder gegen die Festlegung einer bestimmten Fläche als Vorranggebiet sprechen, kommt es nicht darauf an, ob sich diese Be- lange in den eingangs festgelegten Kriterienkatalog inhaltlich einordnen lassen. Es kommt ausschließlich darauf an, ob diese Belange flächenwirksam und von erheblichem Gewicht sind. Insbesondere Belange der planerischen Vorsorge – wie zum Beispiel die vorsorgliche Freihaltung einer Leitungstrasse – müssen bei der RREP-Fortschreibung in die Abwägung einbezogen werden, weil sie sich später, wenn ein Vorranggebiet festgelegt ist, in der Regel nicht mehr gegen die (dann vorrangige) Windenergienutzung durchsetzen können. Bei der fraglichen Erweiterung des Gebietes Nr. 106 in Richtung Westen und Norden geht es zum Teil um die Flächen des Sandtagebaus Spoitgendorf. Die unter Bergrecht stehenden Flächen waren vom Planungsverband im Entwurf vom Mai 2014 zunächst versehentlich in das Gebiet Nr. 106 einbezogen worden, weil die Bergbauflächen im amtlichen Raumordnungska- taster zu diesem Zeitpunkt nicht ordentlich geführt wurden. Die Betreibergesellschaft des Ta- gebaus hat aufgrund des Entwurfes vom Mai 2014 ihr Interesse bekundet, Windenergieanla- gen im Bereich des Tagebaus errichten zu lassen. Zur gleichen Zeit wurden Planungen zum schrittweisen Ausbau der Deponiekapazitäten in den aufgelassenen Bereichen des Tagebaus bei der Abfallbehörde eingereicht. Bei der Überarbeitung des Entwurfes waren dann bergbau- liche und abfallwirtschaftliche Belange gegen die Belange der Windenergienutzung abzuwä- gen. Aufgrund des absehbaren Bedarfes an Deponiekapazitäten für Bodenaushub und gering belastete Abfälle sowie der sehr guten Eignung des Tagebaus Spoitgendorf für die Einlage- rung solcher Abfälle wurde den Belangen der Abfallwirtschaft hier aus regionalplanerischer Sicht der Vorrang gegeben. Diese Abwägung wird auch nach nochmaliger Überprüfung auf- rechterhalten. Der Planungsverband ist sich dabei der Tatsache bewusst, dass sich einzelne Windenergieanlagen durchaus am Rande einer Deponiefläche einordnen ließen. In einem Vor- ranggebiet muss die Windenergienutzung jedoch Vorrang vor anderen Nutzungen haben. Dies wäre mit der laufenden Deponieplanung nicht vereinbar. Es handelt sich dabei nicht um eine unbestimmte Planungsabsicht, sondern um eine weit fortgeschrittene Planung, die in Teilen bereits Gegenstand eines förmlichen Planfeststellungsverfahrens ist. Der Planungsverband geht davon aus, dass mittelfristig der gesamte Tagebau – einschließlich der noch nicht aufge- schlossenen Bereiche – ausgenutzt und für die Nachnutzung als Deponie vorgesehen wird. Die bislang dem Bergrecht unterstehende Fläche wurde deshalb bei der nochmaligen Neuab- grenzung des Gebietes Nr. 106 im Entwurf der RREP-Fortschreibung vom November 2018 vollständig ausgenommen. Weitergehende Vorbehalte gegen eine westliche Erweiterung des Gebietes Nr. 106 werden aus Sicht der Flugsicherung geäußert. Zum Entwurf vom Mai 2014 waren lediglich allge- meine Hinweise der Luftfahrtbehörden bezüglich der Lage innerhalb von Schutz- und Interes- senbereichen sowie bestehender Genehmigungsvorbehalte eingegangen. Die Deutsche Flug- sicherung GmbH gibt nun den konkreten Hinweis, dass westlich der Autobahn aufgrund der hier verlaufenden Sichtflugstrecke keine Aussicht auf die Genehmigung weiterer Windener- gieanlagen bestehe. Der Planungsverband hat sich daraufhin bei der Genehmigungsbehörde erkundigt, auf welchem Stand die Prüfung des von der Notus Energy Wind GmbH & Co KG eingereichten Genehmigungsantrages ist. Die Genehmigungsbehörde teilte mit, dass die Luft- fahrtbelange noch Gegenstand laufender Prüfungen und Abstimmungen zwischen der Antrag- stellerin, der Luftfahrtbehörde und der Genehmigungsbehörde seien. Aufgrund der in diesem Punkt nicht übereinstimmenden Stellungnahmen der Deutschen Flugsicherung GmbH und des zuständigen Bundesamtes sowie der noch nicht abgeschlossenen Prüfung der Flugsicher- heitsbelange in einem bereits laufenden Anlagengenehmigungsverfahren entscheidet sich der Planungsverband dafür, die westliche Erweiterung des Gebietes Nr. 106 gemäß dem Ent- wurfsstand vom November 2018 beizubehalten. Wenn sich im Ergebnis der luftfahrtrechtlichen Prüfung erweisen sollte, dass die Fläche westlich der Autobahn nicht nutzbar ist, kann eine Anpassung im Zuge zukünftiger RREP-Fortschreibungen erfolgen. Es geht lediglich um einen

272 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 einzigen potenziellen Anlagenstandort; im Übrigen wird die Festlegung und zweckmäßige Aus- nutzung des Vorranggebietes Nr. 106 von dieser Unsicherheit nicht berührt. Der hiermit vor- genommene Konflikttransfer auf die Ebene der Genehmigungsplanung ist zwar grundsätzlich problematisch, in dieser besonderen Konstellation aus Sicht des Planungsverbandes jedoch vertretbar. Zusätzliche Restriktionen gehen für die westliche Erweiterungsfläche von der vorhandenen Gasverteilerstation aus. Das von der Firma Notus diesbezüglich eingereichte Fachgutachten zu den hier maßgebenden Sicherheitsanforderungen widerlegt die vom Planungsverband in der Abwägung vom November 2018 angestellten Überlegungen nicht, sondern bestätigt diese. Die Gutachter gehen aufgrund ihrer eingehenden Risikobetrachtung davon aus, dass die Ge- nehmigung einer Windenergieanlage im Abstand von rund 200 Metern zur Gasstation nur un- ter der Auflage verkürzter Intervalle bei der technischen Überwachung vertretbar wäre. Der bei der Abgrenzung des Vorranggebietes berücksichtigte Schutzabstand ist somit gerechtfertigt und angemessen. Die Hinweise des Straßenbauamtes Schwerin bezüglich des Abstandes von Windenergie- anlagen zur Autobahn werden zur Kenntnis genommen. Im bestehenden Windpark innerhalb des bisherigen Eignungsgebietes Nr. 106 wird der geforderte Abstand bereits eingehalten – zumindest soweit es die Hauptfahrbahn der Autobahn 19 betrifft. Bezüglich der Berücksichtigung des Vogelzuges wird auf die allgemeinen Darlegungen im Abschnitt 5.7 sowie auf den Umweltbericht verwiesen. Die bei der Planung des vorhandenen Windparks durchgeführten Untersuchungen zum Vogelzug- und Rastgeschehen haben, so- weit sie dem Planungsverband bekannt sind, keine Hinweise auf eine besondere Bedeutung des Gebietes Nr. 106 für den Vogelzug ergeben. Bezüglich der im Entwurf vom Mai 2014 enthaltenen südlichen Erweiterung des Vorrangge- bietes bleibt der Planungsverband bei seiner zuletzt vorgenommenen Abwägung, wie sie in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 dokumentiert wurde. Die (im Jahr 2014 dem Planungsverband noch nicht gegenwärtige) Planung zum Ersatz der vorhandenen Freilei- tung rechtfertigt die Freihaltung einer minimalen Vorbehaltstrasse. Dass es sich um mehr als eine unbestimmte Planungsabsicht handelt, geht aus der Stellungnahme der 50-Hertz Trans- mission GmbH hervor. Der weitergehenden Anregung derselben Einwenderin, eine 1.000-Me- ter-Abstandszone vorsorglich freizuhalten, wird dagegen nicht gefolgt. Hierzu wird auf die all- gemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.5 verwiesen. Der 1.000-Meter-Richtwert kann dort sinnvoll angewandt werden, wo es um die Freihaltung bisher unbebauter Flächen geht. Im Bereich vorhandener baulicher Nutzungen wäre dies zu weitgehend. Bei der Berücksichtigung der vorhandenen Windenergieanlagen gelten die oben wiedergegebenen grundsätzlichen Ausführungen: Für die Anlagen innerhalb des bisher verbindlichen Eignungsgebietes wird ein höheres Bestandsschutzinteresse erkannt als für den – lediglich befristet und ausnahmsweise zugelassenen – Prototypen im Süden der Freileitung. Dies gilt umso mehr, als der Hauptzweck dieser Anlage, die Erprobung und Vermessung, nach einem gewissen Zeitraum erfüllt sein wird. Mit einer nachträglichen Einbeziehung des Prototypenstandortes in die Grenzen des neuen Vorranggebietes würde ein bestehender Zwangspunkt verfestigt, der ansonsten auf- grund des bereits festgesetzten Rückbautermins vor dem voraussichtlichen Zeitpunkt des Lei- tungsneubaus entfallen würde. Der Planungsverband kann solche Erwägungen der planeri- schen Vorsorge nicht – wie es die Firma Notus anregt – späteren Genehmigungsverfahren überlassen, weil innerhalb eines festgelegten Vorranggebietes solche Vorsorgeaspekte in der Regel keine Berücksichtigung mehr finden können. Ebenfalls die südliche Erweiterungsfläche betreffen die vom NABU-Landesverband nochmals vorgebrachten Belange des Schwarzstorchenschutzes. Diese Belange waren zunächst ur- sächlich für das Hin und Her um die südliche Abgrenzung des Gebietes Nr. 106, das bereits mit der ursprünglichen Planung dieses Gebietes vor über 10 Jahren einsetzte. Der damals noch besetzte Brutplatz des Schwarzstorches und die Lage des Gebietes Nr. 106 im Aktions-

273 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 raum des betreffenden Brutpaares hatten den Planungsverband auf Anregung der Natur- schutzbehörde dazu bewogen, das Eignungsgebiet möglichst kompakt abzugrenzen und nördlich der Freileitung enden zu lassen. Später hat die Naturschutzbehörde dennoch der Ge- nehmigung des Windenergieanlagen-Prototypen südlich der Freileitung zugestimmt. Die zwi- schenzeitlich erfolgte Aufgabe des Schwarzstorchbrutplatzes hatte dann wiederum den Pla- nungsverband im Jahr 2014 dazu bewogen, den Prototypenstandort zur nachträglichen Einbeziehung in das Eignungsgebiet vorzusehen. Dabei wäre der Planungsverband geblie- ben, wenn nicht im Ergebnis der Auslegung des Entwurfes die oben beschriebene Planung zum Ersatzneubau einer 380-Kilovolt-Leitung bekannt geworden wäre, die wiederum ein Zu- rückfallen auf die bisherige Abgrenzung des Eignungsgebietes erforderte. Der Schutz des Schwarzstorches war somit für die zuletzt vorgenommene Abwägung nicht mehr relevant. Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit der Wiederbesetzung des erloschenen Brutrevieres, wie sie vom NABU nochmals angestellt werden, können somit dahingestellt bleiben. Der Schwarz- storch kommt als Brutvogel in der Region Rostock seit 10 Jahren nicht mehr vor. Hierzu wird auch auf die diesbezüglichen Ausführungen im Umweltbericht verwiesen. Bezüglich des Abstandes zum nördlich gelegenen Waldgebiet wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.8 sowie auf die Erläuterungen zur Abgrenzungsmethodik im Ab- schnitt 6 des Umweltberichtes verwiesen. Bezüglich des Abstandes zum benachbarten Vorranggebiet Nr. 123 wird auf die allgemei- nen Ausführungen zur Problematik lokaler Häufungen von Windparks in den Abschnitten 3.5 und 5.2 verwiesen. Die Vorranggebiete Nr. 106 und 123 rufen auch im Zusammenwirken keine problematische Häufung von Windenergieanlagen hervor. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 106 mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

274 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7.5 Dalwitz (Nr. 107)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

teilweise neu teilweise vollständig Anpassung

7.5.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, Amt für Kreisentwicklung • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

7.5.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach das Vorrang- gebiet Nr. 107 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooksberg liegt. Die Einwenderin hatte empfohlen innerhalb dieses Bereiches aufgrund der zu erwartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Windenergieanlagen keine Eignungs- und Vorranggebiete festzulegen. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist auf die Lage des Gebietes Nr. 107 im Anlagenschutzbereich der Radaranlage Schmooksberg hin, der einen Umkreis von 15 Kilo- metern um den Standort der Flugsicherungseinrichtung umfasst. Gemäß § 18 a Luftverkehrs- gesetz ist innerhalb dieses Bereiches regelmäßig zu prüfen, ob die Flugsicherungseinrichtung durch Windenergieanlagen gestört würde. Diese Prüfung erfolge, wenn über die zuständige

275 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Luftfahrtbehörde des Landes konkrete Vorhabenplanungen vorgelegt würden. Da die zu er- wartenden Einschränkungen dem eigentlichen Ziel von Vorrang- und Eignungsgebieten ent- gegenstünden, wiederholt das Amt seine Empfehlung, innerhalb von Anlagenschutzbereichen keine Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen, jedenfalls aber auf die Möglichkeit von Einschränkungen im späteren Genehmigungsverfahren und die Not- wendigkeit der Beteiligung der Luftfahrtbehörde hinzuweisen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die Lage des Gebietes Nr. 107 in der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hin. Außerdem liege das Gebiet in einem unzerschnittenen Freiraum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit. Das Landesamt bekräftigt seine Auffassung, dass beide Kri- terien als zwingende Ausschlusskriterien zu gelten hätten, deren Anwendung keiner planeri- schen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Auch der Schutzabstand von 2.000 Metern zu einem nahegelegenen Großvogelbrutplatz werde teilweise unterschritten. Das Amt für Kreisentwicklung des Landkreises Rostock bemängelt die aus seiner Sicht unzureichende Berücksichtigung der Tourismusentwicklungsräume bei der Auswahl der Vor- ranggebiete für Windenergieanlagen (vgl. auch die im Abschnitt 5.3 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders). Das Vorranggebiet Nr. 107 liegt im Tourismusentwick- lungsraum. Die Gemeinde , zu der das Gebiet Nr. 107 gehört, sei ein Motor des Tourismus in der Region „Mecklenburger Parkland“, die sich vor allem durch naturnahe Ange- bote auszeichne. In dieser Region werde derzeit das Projekt „Sternenpark“ entwickelt und ge- fördert, das von bestimmten Voraussetzungen – darunter ein von künstlichen Lichteinflüssen ungestörter Nachthimmel – abhänge. Ein Vorranggebiet für Windenergieanlagen sei daher unzuträglich für dieses Projekt, da zusätzliche Lichtemissionen erzeugt würden. Mit dem Schlösserrundweg und dem Herrenhausrundweg verlaufen außerdem zwei Radrouten des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der Umgebung des Vorranggebietes. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern lehnt die erneute Festlegung des Gebietes Nr. 107 ab und fordert die Einhaltung genereller Schutzabstände von 6.000 Metern um die Brutreviere des Schreiadlers und von 3.000 Metern um die Brutplätze des Seeadlers, wie sie von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten empfohlen werden (vgl. auch die im Ab- schnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Beim Gebiet Nr. 107 be- finden sich nach Kenntnis des NABU fünf Schreiadlerbrutreviere, wovon zwei im Abstandsbe- reich von 5.000 bis 6.000 Metern und drei im Bereich von 3.000 bis 5.000 Metern liegen. Daneben sind zwei Brutplätze des Seeadlers bekannt, deren Abstandszonen bei Anwendung eines Abstandes von 3.000 Metern das Gebiet Nr. 107 nahezu vollständig überdecken würden. Die Grünlandbereiche am östlichen Rand des Gebietes erhöhten das Konfliktpotenzial bezüg- lich der Belange des Artenschutzes zusätzlich. Der NABU weist zudem auf das nahegelegene Vogelschutzgebiet „Recknitz- und Trebeltal“ hin, zu dessen Zielarten auch windkraftsensible Arten gehören.

7.5.3 Zusammengefasste Abwägung Der vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie angeregte Schutzabstand von 1.000 Metern um Räume mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes ist in der Empfehlung der Landesregierung als Ausschlusskriterium enthalten, wurde vom Pla- nungsverband aber nicht als solches übernommen. Wesentliche Gründe sind, dass ein Über- maß an Ausschlussgebieten vermieden werden musste und dass bereits ausgenutzte Eig- nungsgebiete wie das Gebiet Nr.107 nicht im Nachhinein für ungeeignet erklärt werden sollten. Im Unterschied zum Landesamt geht der Planungsverband davon aus, dass Bestandsschutz- interessen sehr wohl mit einem gewissen Gewicht in die planerische Abwägung einzubeziehen sind und dass nicht jede nachträgliche Neubestimmung von Planungskriterien umstandslos zur Aufhebung früher festgelegter und langjährig genutzter Eignungsgebiete führen darf. Die

276 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 diesbezüglichen Überlegungen des Planungsverbandes sind im Abschnitt 3.10 wiedergege- ben. Allgemeine Überlegungen des Planungsverbandes zu der vom Amt für Kreisentwicklung an- geregten Berücksichtigung der Tourismusentwicklungsräume und der touristischen Rad- wege sind im Abschnitt 5.3 wiedergegeben. Der mit Bezug auf das Gebiet Nr. 107 gegebene Hinweis auf das aktuelle Projekt zum Aufbau eines „Sternenparks“ ist berechtigt. Wenn es um die erstmalige Festlegung einer bislang un- genutzten Fläche als Vorranggebiet für Windenergieanlagen ginge, wäre die erwünschte Frei- haltung des Nachthimmels von Lichtemissionen jedenfalls in die planerische Abwägung einzubeziehen. Das Gebiet Nr. 107 ist jedoch, soweit es erneut als Vorranggebiet festgelegt wird, bereits ausgenutzt. Der vorhandene Windpark ist für den Planungszeitraum der RREP- Fortschreibung und darüber hinaus als bestehende Nutzung und Vorbelastung anzusehen. Bezüglich der Belange des Vogelschutzes wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Zum südöstlich gelegenen Brutplatz des Seeadlers wurde bei der Abgrenzung des Gebietes Nr. 107 der in Mecklenburg-Vorpommern empfohlene Schutzabstand von 2.000 Metern berücksichtigt. Die Abgrenzung erfolgte – wie im Abschnitt 6 des Umweltberichtes be- schrieben – in der Weise, dass ausgehend vom 2.000-Meter-Radius die nächste topografisch bestimmbare Grenze gewählt wurde. Diese wird durch den hier verlaufenden Graben gebildet. Ein weiterer, nordöstlich gelegener Brutplatz war bei der ursprünglichen Festlegung des Eig- nungsgebietes Nr. 107 noch nicht vorhanden. Das betreffende Brutpaar hat sich nachträglich in der Nähe des bestehenden Windparks angesiedelt, sodass hier nun eine etwas weiterge- hende Überschneidung des Vorranggebietes mit der 2.000-Meter-Abstandszone um den Brut- platz auftritt. Eine nachträgliche Anwendung dieses vorsorglichen Schutzabstandes auf den vorhandenen Windpark wäre aus Sicht des Planungsverbandes nicht gerechtfertigt. Der Be- standsschutz für die vorhandenen Anlagen hat hier Vorrang. Hierzu wird auch auf die allge- meinen Ausführungen zur Überplanung früher festgelegter Eignungsgebiete und zur nachträg- lichen Anwendung von Planungskriterien im Abschnitt 3.10 sowie auf die Ausführungen zum Artenschutz bei bestehenden Windparks im Umweltbericht verwiesen. Die nordöstliche Ab- grenzung des Gebietes Nr. 107 wird nicht geändert. Der vorliegende Fall lässt die methodi- schen Grenzen erkennbar werden, die der Anwendung starrer Abstandsrichtwerte auf tempo- räre Ausprägungen eines dynamischen Naturgeschehens gesetzt sind. Wenn jetzt die Abgrenzung des Vorranggebietes dem neu hinzugekommenen Brutplatz angepasst würde, wäre der Bestand des vorhandenen Windparks davon nicht berührt. Eine solche Anpassung würde voraussichtlich erst in etwa 20 Jahren wirksam, wenn ein Ersatz der im Jahr 2013 er- richteten Anlagen ansteht. Bis dahin kann sich räumliche Verteilung der örtlichen Adlerbrut- plätze jedoch schon wieder geändert haben. Zu den bekannten Brutrevieren des Schreiadlers wird der in Mecklenburg-Vorpommern emp- fohlene Abstand von 3.000 Metern eingehalten. Bezüglich der weitergehenden Anregung des NABU-Landesverbandes zur Einhaltung eines Abstandes von 6.000 Metern wird auf die allge- meinen Ausführungen zum Vogelschutz im Abschnitt 5.7 verwiesen. Bezüglich einer möglichen Beeinträchtigung des nahegelegenen Vogelschutzgebietes wird auf die Ausführungen im Abschnitt 9 des Umweltberichtes verwiesen. Bezüglich der Belange der Flugsicherung wird auf die allgemeinen Ausführungen im Ab- schnitt 5.4 verwiesen. Die Erfahrungen mit der Ausnutzung des Gebietes Nr. 107 und anderen Eignungsgebieten innerhalb der Schutz- und Interessenbereiche der Flugsicherung haben ge- zeigt, dass sich die Anforderungen der Luftfahrtbehörden auf die mögliche Höhe und Stellung der Windenergieanlagen in den betreffenden Gebieten auswirken, die zweckmäßige Ausnut- zung insgesamt jedoch nicht in Frage stellen. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 107 mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

277 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7.6 Jördenstorf (Nr. 109)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

ungenutzt - keine vollständig keine Änderung

7.6.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger mit unbekanntem Wohnort • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • 50-Hertz Transmission GmbH, Berlin • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Denkmalbehörde • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

7.6.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger (Wohnort unbekannt) bittet darum die Eignung des Gebietes Nr. 109 nochmals zu prüfen. Der Einwender vertritt die Auffassung, dass das Gebiet verworfen werden müsste. Es liege in der Mitte zwischen den ursprünglich geplanten Gebieten Nr. 125 und 126, die der Planungsverband beide maßgeblich zum Schutz der hier lebenden Schreiadler verworfen habe. Die Ergebnisse der zur RREP-Fortschreibung durchgeführten Großvogelerhebung könnten uneingeschränkt auf das Gebiet Nr. 109 übertragen werden. Der Einwender gibt an, seit 30 Jahren direkt beim Gebiet Nr. 109 zu wohnen. Neben den drei in der Umgebung vor- kommenden Adlerarten sei regelmäßig der hochgradig kollisionsgefährdete Rotmilan im Ge- biet zu beobachten. Weißstörche suchten hier regelmäßig Nahrung. Auch habe der Einwender selbst dort wiederholt Exemplare des besonders schützenswerten Schwarzstorches beobach- ten können, die sich zur Brutzeit im 1-Kilometer-Umkreis um das Gebiet Nr. 109 aufgehalten hätten. Diese Beobachtungen könnten durch weitere ortsansässige Bürger bezeugt werden. Im Fall der Errichtung eines Windparks werde sich die Großvogelpopulation vermutlich durch Vogelschlag stark verringern. Der Einwender kündigt an, dass solche Schlagereignisse gege- benenfalls akribisch dokumentiert würden. Ein Windpark wäre somit latent stilllegungsgefähr- det, sodass seine Errichtung von vornherein als unwirtschaftlich angesehen werden müsse.

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Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die 50-Hertz Transmission GmbH weist nochmals auf den geplanten Ersatz der südlich des Vorranggebietes verlaufenden 220-Kilovolt-Freileitung Güstrow—Pasewalk durch eine neue 380-Kilovolt-Leitung hin. Diese Netzverstärkung sei in den zwei Maßnahmen P216, M523 und M455 im Netzentwicklungsplan 2017-2030 durch die Bundesnetzagentur bestätigt worden. Um den geplanten Leitungsneubau im bestehenden Trassenraum realisieren zu können, sollte grundsätzlich ein Streifen von jeweils 1 Kilometer Breite, mindestens jedoch von 250 Metern, beiderseits der Trassenachse von entgegenstehenden Nutzungen freigehalten werden. Die Einwenderin bittet darum, diesen Vorbehaltskorridor, der als nähere Bestimmung zum Grund- satz 6.5 (10) bereits in den RREP-Entwurf vom November 2018 aufgenommen wurde, auch bei der zeichnerischen Darstellung des Vorranggebietes 109 in der Grundkarte zu berücksich- tigen. Auf die Ausnutzung des Vorranggebietes hätte dies erhebliche Auswirkungen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf eine (geringfügige) Über- schneidung des Gebietes Nr. 109 mit der 2.000-Meter-Abstandszone um einen nahegelege- nen Großvogelbrutplatz hin. Die Denkmalbehörde des Landkreises Rostock weist darauf hin, dass sich nördlich des Vorranggebietes zwei Großsteingräber befinden, deren Erscheinungsbild durch die Errichtung von Windenergieanlagen erheblich beeinträchtigt werden könnte. Zu diesen Bodendenkmalen sei ein möglichst großer Abstand einzuhalten. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern lehnt die erneute Festlegung des Gebietes Nr. 109 ab und fordert die Einhaltung eines generellen Schutzabstandes von 6.000 Metern um die Brutreviere des Schreiadlers, wie sie von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutz- warten empfohlen wird (vgl. die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Die Umgebung des Gebietes Nr. 109 bilde einen der letzten Verbreitungs- schwerpunkte des Schreiadlers in Mecklenburg-Vorpommern. Rund um das Vorranggebiet verteilten sich in einem Abstand von 4.000 bis 7.000 Metern vier bekannte Schreiadlerhorste, von denen sich drei im weniger als 3.000 Meter entfernten Vogelschutzgebiet „Mecklenburgi- sche Schweiz und Kummerower See“ befinden. Im Umkreis von 15 Kilometern um das Gebiet Nr. 109 brüteten insgesamt 15 Revierpaare des Schreiadlers. Der Schreiadler zähle zu den wichtigsten Zielarten der beiden Vogelschutzgebiete „Mecklenburgische Schweiz und Kum- merower See“ sowie „Recknitz und Trebeltal“. Für ersteres Gebiet sei ein Bestand von acht Brutpaaren, für letzteres ein Bestand von 24 Brutpaaren angegeben. Der Schreiadler gehöre zu denjenigen Vogelarten, die einem deutlich erhöhten Schlagrisiko durch Windenergieanla- gen unterlägen. Aus den genannten Gründen sei der im Gebiet Nr. 109 geplante Windpark Gegenstand mehrerer vom NABU geführter gerichtlicher Auseinandersetzungen. Derzeit gelte ein im Eilverfahren erwirkter gerichtlicher Baustopp.

7.6.3 Zusammengefasste Abwägung Die vom NABU-Landesverband erwähnten Gerichtsverfahren sind der Grund dafür, dass das 2011 festgelegte Eignungsgebiet Nr. 109 bisher nicht ausgenutzt werden konnte. In der pla- nerischen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass ein im Gebiet geplanter Windpark bereits genehmigt wurde. Zu den örtlich maßgebenden Vogelschutzbelangen sind im Rahmen des Genehmigungsverfahrens Untersuchungen durchgeführt worden, die in Umfang und Tiefe über das hinausgehen, was auf der Ebene der Regionalplanung ermittelt und betrachtet wer- den kann. Aufgrund dieser eingehenden Untersuchungen haben die zuständige Naturschutz- behörde und die Genehmigungsbehörde die Vereinbarkeit der Planung mit den Bestimmun- gen des Naturschutzrechts festgestellt. Damit ist ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der in diesem Fall der Windenergienutzung und den wirtschaftlichen Interessen des zukünftigen Windparkbetreibers ein erhöhtes Gewicht in der planerischen Abwägung verleiht. Dieses Ge- wicht ist allerdings deutlich geringer als beim benachbarten Gebiet Nr. 107, wo bereits ein

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Windpark errichtet wurde und damit materielle Investitionen in den Standort erfolgt sind. Den- noch ist das Gebiet Nr. 109 anders zu bewerten als die unten erwähnten Gebiete Nr. 125 und 126, wo es noch keine verbindlich festgelegten Eignungsgebiete und keine verfestigten Pla- nungen zur Errichtung von Windparks gibt. Bezüglich des Schutzes der Schreiadler hält der Planungsverband im Gegensatz zum NABU die Festlegung des Gebietes Nr. 109 für gut vertretbar. Der Planungsverband hat sich bei der Abgrenzung der Schreiadlerlebensräume an dem in Mecklenburg-Vorpommern empfohlenen Schutzabstand von 3.000 Metern um die Brutwälder orientiert. Innerhalb dieser Umkreise ist regelmäßig mit einer erhöhten Flugaktivität zu rechnen. Darüber hinaus hat sich der Planungs- verband an der Methodik der unteren Naturschutzbehörde orientiert, die von sogenannten In- teraktionsräumen ausgeht. Diese sollen annähernd die Räume abbilden, in denen regelmäßig mit einer erhöhten Flugaktivität von Schreiadlern zwischen benachbarten Brutrevieren zu rech- nen ist. Als Interaktionsräume werden alle Räume verstanden, die von den 6.000-Meter-Ra- dien um mindestens zwei Brutreviere umfasst werden. Nach dieser Methodik lassen sich die Verbreitungsschwerpunkte der Schreiadler für Planungszwecke gut abgrenzen. Mehrere frü- her geplante oder festgelegte Eignungsgebiete befinden sich tatsächlich innerhalb dieser Ver- breitungsschwerpunkte und wurden vom Planungsverband maßgeblich aus Gründen des Schreiadlerschutzes verworfen. Dies sind die Gebiete Nr. 103, 111, 124, 125 und 126. Das Gebiet Nr. 109 liegt am Rande, aber nicht innerhalb dieser Verbreitungsschwerpunkte. Auch die Untersuchungen, die im Rahmen der Planung des hier bereits genehmigten Windparks durchgeführt wurden, deuten, soweit sie dem Planungsverband bekannt sind, darauf hin, dass das Gebiet Nr. 109 von Schreiadlern nur sporadisch aufgesucht und überflogen wird. Zu der vom NABU aufgeworfenen Frage, welcher Mindestabstand zu den Brutplätzen der Schreiadler eingehalten werden sollte, wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Ab- schnitt 5.7 verwiesen. Der NABU möchte mit seiner Forderung nach einem generellen Abstand von 6.000 Metern nahezu jegliches Risiko für die Schreiadler ausschließen. Unter dem Ge- sichtspunkt der größtmöglichen Vorsorge für eine besonders gefährdete Vogelart mag dies gerechtfertigt sein; als allgemeiner Maßstab der Planung erscheint die Forderung nach einem faktischen Nullrisiko jedoch überzogen. Die herrschende Rechtsprechung zum Artenschutz fordert eine derart weitgehende Risikovermeidung nicht. Auch die Annahme des NABU, dass der Schreiadler einem artspezifisch erhöhten Kollisionsrisiko unterliege, ist aus Sicht des Pla- nungsverbandes in Frage zu stellen. Die sehr geringe Populationsgröße und die geringe Zahl der bisher registrierten Schlagopfer dürften kaum zuverlässige Rückschlüsse auf ein artspezi- fisches Risiko erlauben. Der von einem Einwender angestellte Vergleich mit den vom Planungsverband verworfe- nen Gebieten Nr. 125 und 126 trifft aus Sicht des Planungsverbandes nur eingeschränkt zu. Das Gebiet Nr. 109 ist wesentlich weiter von den nächsten Brutrevieren des Schreiadlers ent- fernt. Es liegt, wie oben ausgeführt, außerhalb der potenziellen Interaktionsräume zwischen benachbarten Brutrevieren. Der nähere Umkreis des Gebietes Nr. 109 ist durch ausgeräumtes Ackerland geprägt und weist – anders als bei den Gebieten Nr. 125 und 126 – keine größeren Waldstücke und Grünlandbereiche in unmittelbarer Nähe auf. Selbst wenn die naturräumlichen Voraussetzungen in allen drei Gebieten gleich wären, müsste das Gebiet Nr. 109 in der pla- nerischen Abwägung dennoch anders behandelt werden, weil (wie oben ausgeführt) die be- reits verfestigte und genehmigte Planung zur Errichtung eines Windparks den Belangen der Windenergienutzung hier ein etwas höheres Gewicht verleiht. Die von einem Einwender erwähnten Vogelarten Weißstorch und Rotmilan kommen bei allen Vorranggebieten vor. Ihr Vorkommen rechtfertigt keinen Ausschluss der Windenergienutzung. Das Gebiet Nr. 109 zeichnet sich im Übrigen durch ausgesprochen strukturarme Ackerflächen aus. Es sind kaum Biotope und keine Grünlandflächen vorhanden, die eine besondere Attrak- tivität für die genannten oder andere Großvogelarten haben könnten. Der vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bezeichnete Brutplatz eines See- adlers war bei der ursprünglichen Festlegung des Gebietes Nr. 109 noch nicht vorhanden.

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Auf die RREP-Fortschreibung hat diese nachträgliche Ansiedlung keinen Einfluss, weil die 2.000-Meter-Abstandszone um den Brutplatz das Gebiet Nr. 109 nur am Rande berührt und bei einheitlicher Anwendung der im Umweltbericht dargelegten Abgrenzungsmethodik den Zu- schnitt des Vorranggebietes nicht verändern würde. Der Abstand des Vorranggebietes zur 220-Kilovolt-Freileitung wird mit 250 Metern beibe- halten. Die weitergehende Empfehlung der 50-Hertz Transmission GmbH zur Freihaltung ei- ner Abstandszone von generell 1.000 Metern wird als Richtwert für bislang nicht baulich ge- nutzte Flächen im Trassenverlauf verstanden, dessen Anwendung die Entstehung neuer Zwangspunkte und Engstellen vermeiden soll. In diesem Sinne ist der 1.000-Meter-Richtwert als abwägungs- und ermessensleitende Maßgabe in die Begründung zum Satz 6.5 (10) der RREP-Fortschreibung aufgenommen worden. Im Bereich vorhandener baulicher Nutzungen soll deren Bestandsschutz in der Regel Vorrang haben. Dies gilt auch für bereits genehmigte Windparks in früher festgelegten Eignungsgebieten. Im vorliegenden Fall wird davon ausge- gangen, dass der empfohlene Mindestabstand von 250 Metern ausreicht, um später eine neue Freileitung im vorhandenen Trassenraum errichten zu können. In Richtung Süden ist dieser Trassenraum nicht durch Zwangspunkte begrenzt. Der Hinweis der Denkmalbehörde auf die vorhandenen Großsteingräber im Umfeld des Ge- bietes Nr. 109 wird zur Kenntnis genommen. Nach Auffassung des Planungsverbandes ist der Umfang des Umgebungsschutzes für ein Denkmal maßgeblich daran auszurichten, wie dieses Denkmal selbst die Umgebung prägt und in seiner Ansicht durch ein historisches Umfeld ge- prägt ist. Beides ist hier nur in geringem Maße gegeben. Mögliche erhebliche Auswirkungen eines Windparks auf das Erscheinungsbild der Großsteingräber sind für den Planungsverband somit nicht ersichtlich. In die Aufzählung der Bodendenkmale im Anhang des Umweltberichtes wurden nur Denkmale innerhalb oder im unmittelbaren Randbereich der Vorranggebiete auf- genommen. Beim Gebiet Nr. 109 ist deshalb nur eines der vorhandenen Denkmale ausdrück- lich aufgeführt. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 109 als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

281 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7.7 Stäbelow (Nr. 113)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig neu teilweise vollständig Anpassung

7.7.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • NABU Mecklenburg-Vorpommern • ENO Energy GmbH, Rerik • Deutscher Wetterdienst, Stahnsdorf

7.7.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf einen Horst des Rotmilans hin, der bei einer Erhebung im Jahr 2018 im 1.000-Meter-Umkreis um das Gebiet Nr. 113 nachgewiesen worden sei. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern äußert erhebliche Bedenken gegen die erneute Fest- legung des Gebietes Nr. 113. Es befinde sich zum größten Teil innerhalb der 3.000-Meter- Abstandszone um einen Brutplatz des Seeadlers. Nach Auffassung des NABU wären grund- sätzlich 3.000 (statt 2.000) Meter Abstand zu den Brutplätzen des Seeadlers einzuhalten (vgl.

282 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Darüber hinaus gäben mehrere Beobachtungen von Schreiadlern in der Nähe des Gebietes Anlass zu der Vermutung, dass sich in der Nähe ein bisher nicht bekanntes Brutrevier des Schreiadlers befinden könnte. Diesbezüglich seien nähere Untersuchungen erforderlich. Die ENO Energy GmbH wendet sich gegen die Herausnahme einer großen Teilfläche aus dem bisherigen Eignungsgebiet Nr. 113. Die entfallende Fläche umfasse neben der eigentli- chen Waidbachniederung auch landwirtschaftlich genutzte Bereiche. Es handle sich demnach nicht nur um Flächen, welche aus wasser- oder naturschutzrechtlichen Gründen für die Wind- energienutzung nicht verfügbar wären. Auch in der engeren Schutzzone des Trinkwasser- schutzgebietes seien Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen nicht prinzipiell ausge- schlossen, sondern könnten unter bestimmten Schutzvorkehrungen durchaus zugelassen werden. Die Gefahr des Austretens wassergefährdender Stoffe sei bei den hier regelmäßig eingesetzten Landmaschinen wesentlich größer als im geschlossenen System einer Wind- energieanlage, welches gegen solche Havariefälle mehrfach gesichert sei. Dass die Errichtung von Windenergieanlagen in Wasserschutzgebieten grundsätzlich möglich sei, belege auch die Stellungnahme des Warnow-Wasser- und Abwasserverbandes zum ursprünglich geplanten Eignungsgebiet Nr. 132, die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiederge- geben ist. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) wiederholt nochmals seine bereits zu früheren Entwürfen vorgetragenen grundsätzlichen Ausführungen und konkreten Einwände (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.5 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Das Vorranggebiet Nr. 113 befindet sich innerhalb des 15-Kilometer-Umkreises um das Wetterradar Rostock- Warnemünde. Für Windenergieanlagen gelten hier Höhenbeschränkungen. Das Gebiet Nr. 113 liegt in einer Entfernung von 14 Kilometern zum Radar. Hier gilt eine Höhenbeschrän- kung auf 52 Meter über NN. Die Windenergieanlagen im Gebiet halten diese Höhenbeschrän- kung nicht ein. Der DWD wiederholt seine Bitte, von der Festlegung von Vorranggebieten in- nerhalb des 15-Kilometer-Umkreises um das Wetterradar Rostock abzusehen. Der DWD nimmt hierzu Bezug auf Ausführungen einer Windenergiefirma, die in der Abwägungsdoku- mentation vom November 2018 wiedergegeben waren. Diese Firma hatte mit Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung die Anforderungen des DWD für grundsätzlich nicht ver- bindlich erklärt. Der DWD stellt hierzu wiederum klar, dass in jedem Einzelfall die Größe des potenziell gestörten Sektors für die Beurteilung maßgebend sei. Beim Gebiet Nr. 113 würden Störungen in einem Sektor von mindestens 6 Grad auftreten.

7.7.3 Zusammengefasste Abwägung Die von der ENO Energy GmbH kritisierte Herausnahme der Waidbachniederung aus dem bisherigen Eignungsgebiet Nr. 113 erfolgt in nachträglicher Anpassung an das geänderte Kri- teriensystem. Bei der ursprünglichen Festlegung des Eignungsgebietes im Jahr 2011 galten die engeren Schutzzonen der Trinkwasserschutzgebiete formal nicht als Ausschlusskrite- rium. Gleichwohl wurde schon damals davon ausgegangen, dass diese Schutzzone für die Errichtung von Windenergieanlagen nicht verfügbar sein würde. In methodischer Hinsicht liegt somit ein ähnlicher Fall vor wie aktuell beim neuen Vorranggebiet Nr. 118, das ebenfalls von einer geschützten Bachniederung durchschnitten wird. Dort wird die Gewässerniederung aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht nutzbar sein, der Schutzstatus ist aber formal kein Aus- schlusskriterium und wird somit bei der Auswahl potenzieller Eignungsgebiete zunächst nicht beachtet. Zur Neufestlegung würde das Gebiet Nr. 113 heute nicht mehr in Betracht kommen, weil beide Teilflächen nicht die für neue Vorranggebiete geltende Mindestgröße von 35 Hektar erreichen. Bei früher festgelegten Eignungsgebieten hat jedoch der Bestandsschutz Vorrang. Hierzu wird auf die allgemeinen Ausführungen zur nachträglichen Überplanung bestehender Eignungsgebiete im Abschnitt 3.10 verwiesen. Dieselbe Einwenderin wirft Frage auf, ob ein Ausschluss von Trinkwasserschutzgebieten überhaupt sachlich gerechtfertigt sei. Der Planungsverband bleibt diesbezüglich bei seiner

283 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 bisherigen Auffassung. Die Systematik abgestufter Schutzzonen innerhalb dieser Gebiete geht davon aus, dass in der engeren Schutzzone die Errichtung baulicher Anlagen verboten ist. Somit sind Windenergieanlagen hier generell ausgeschlossen. Ob in besonderen Fällen und unter besonderen Auflagen eine Befreiung von diesem Verbot denkbar wäre, muss auf der Ebene der Regionalplanung nicht geprüft werden. Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck von Vorranggebieten, dass Windenergieanlagen dort nur unter besonderen Auflagen und Ein- schränkungen betrieben werden können. Der von der Einwenderin angestellte Vergleich mit dem Betrieb von Landmaschinen geht aus Sicht des Planungsverbandes an der Sache vorbei. Betankung, Befüllung und Ölwechsel an solchen Maschinen dürfen nach Kenntnis des Pla- nungsverbandes nicht in der Trinkwasserschutzzone II durchgeführt werden; bei einer ortsfes- ten Windenergieanlage wäre jedoch genau dies erforderlich. Der Hinweis der Einwenderin auf eine frühere Stellungnahme des Warnow-Wasser- und Abwasserverbandes zum ehemals ge- planten Gebiet Nr. 132 ist irreführend. Das (zwischenzeitlich verworfene) Gebiet Nr. 132 be- fand sich in der weiteren Schutzzzone (Zone III) des Trinkwasserschutzgebietes Warnow; die Waidbachniederung liegt dagegen in der engeren Schutzzone (Zone II). Zu den Einwendungen des Deutschen Wetterdienstes wird auch auf die allgemeinen Aus- führungen im Abschnitt 5.5 verwiesen. Der Planungsverband kommt nach nochmaliger Abwä- gung wiederum zu dem Ergebnis, dass mögliche Störungen des Wetterradars in begrenztem Umfang durch technische Maßnahmen und Dateninterpolation ausgeglichen werden können. Aufgrund der Angaben des Deutschen Wetterdienstes zum Ausmaß der potenziell gestörten Sektoren im Umkreis der Radaranlage geht der Planungsverband davon aus, dass die Stör- wirkungen insgesamt nicht über ein vertretbares Maß hinausgehen werden. Sollten die Erfah- rungen der nächsten Jahre wider Erwarten zeigen, dass Störungen in einem dauerhaft nicht vertretbaren und nicht kompensierbaren Ausmaß auftreten, kann bei zukünftigen Fortschrei- bungen des RREP eine Aufhebung des Gebietes Nr. 113 erneut geprüft und erwogen werden. Ein Ersatz der im Gebiet vorhandenen Windenergieanlagen wird erst in etwa 20 Jahren fällig, sodass für den Planungszeitraum der aktuellen Fortschreibung die Windenergienutzung als gegebene Tatsache angesehen werden muss. Bezüglich der Berücksichtigung der Lebensraumansprüche des Rotmilans wird auf die Aus- führungen zum Artenschutz im Umweltbericht verwiesen. Ein einzelnes Vorkommen des Rot- milans rechtfertigt keinen Ausschluss der Windenergienutzung – und schon gar nicht die nach- trägliche Anpassung eines früher verbindlich festgelegten, bereits vollständig ausgenutzten Eignungsgebietes. Mit der förmlichen Herausnahme der Trinkwasserschutzzone II fallen zu- gleich die Grünlandflächen der Waidbachniederung aus dem bisherigen Eignungsgebiet her- aus, die ein bevorzugtes Nahrungshabitat für die örtlichen Rotmilane bilden können. Bezüglich der maßgebenden Schutzabstände zu den Brutplätzen der Seeadler wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Der in Mecklenburg-Vorpommern maßgebende Schutzabstand von 2.000 Metern wird eingehalten. Die westliche Verbreitungsgrenze des Schreiadlers wurde nach Kenntnis des Planungsver- bandes in den letzten Jahrzehnten durch die Brutreviere entlang der Recknitz markiert. Sollte sich jetzt weiter im Westen ein Brutpaar angesiedelt haben, wie es der NABU für möglich hält, wäre dies im Sinne des Artenschutzes erfreulich. Auswirkungen auf die RREP-Fortschreibung würden sich daraus nicht ergeben. Die Windenergienutzung im Gebiet Nr. 113 ist für den Pla- nungszeitraum der RREP-Fortschreibung als gegebene Tatsache anzusehen. Hierzu wird auch auf die im Umweltbericht enthaltenen Ausführungen zum Artenschutz bei früher festge- legten Eignungsgebieten verwiesen. Der Hinweis auf die im Vorranggebiet verlaufende Richtfunkstrecke wird zur Kenntnis ge- nommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 113 mit neuer Abgrenzung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

284 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

7.8 Kambs (Nr. 114)

Ausnutzung Anlagenbestand Überlagerung Aus- Überlagerung Re- Ergebnis der Über- schlusskriterien striktionskriterien prüfung

vollständig neu keine vollständig keine Änderung

7.8.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

7.8.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die Überschneidung des Gebietes Nr. 114 mit einem im Landesraumentwicklungsprogramm 2016 festgelegten Vorbe- haltsgebiet für Naturschutz und Landschaftspflege hin. Diese Vorbehaltsgebiete gelten als Restriktionskriterium. Auch die Restriktionskriterien des Natur- und Landschaftsschutzes soll- ten nach Auffassung des Landesamtes grundsätzlich wie Ausschlusskriterien angewandt wer- den, wenn nicht im Einzelfall besondere Vorbelastungen eine andere Abwägung begründen. Zusätzlich wird auf die marginale Überschneidung des Vorranggebietes mit der 1.000-Meter-

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Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hinge- wiesen. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock bittet darum die Abgrenzung des Ge- bietes Nr. 114 an den aktuell vorhandenen Anlagenbestand anzupassen. Für den ungenutzten mittleren Teil des bisherigen Eignungsgebietes seien in den vergangenen Jahren mehrmals Anträge auf Zulassung weiterer Anlagen gestellt worden, die von der Naturschutzbehörde hät- ten abgelehnt werden müssen. Aus Gründen des Arten- und Biotopschutzes müsse hier ein zentraler Korridor zu den Biotopen Grot und Lütt Pölitz von Windenergieanlagen freigehalten werden. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern spricht sich gegen die erneute Festlegung des Ge- bietes Nr. 114 aus. Das Gebiet liegt in einem Schutzgebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiet). Insbesondere aus Gründen des Fledermausschutzes sollten diese Gebiete mit einem zusätzlichen Schutzabstand von 1.000 Metern von Windenergieanlagen freigehalten werden.

7.8.3 Zusammengefasste Abwägung Der Hinweis des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie auf das vorhandene Vorbehaltsgebiet für Naturschutz und Landschaftspflege wird zur Kenntnis genommen. Mit der Aufstellung des RREP im Jahr 2011 ist dieser Vorbehalt zurückgetreten hinter die Festlegung des Eignungsgebietes Nr. 114, innerhalb dessen die Windenergienutzung Vorrang hat. Mit der Vorbehaltsfestlegung im RREP, die auch im aktuellen Landesraumentwicklungs- programm wieder enthalten ist, wurden die Grenzen eines Schutzgebietes von gemeinschaft- licher Bedeutung (sog. FFH-Gebiet) nachgezeichnet. Mit den hier maßgebenden Belangen des Amphibienschutzes hatte sich der Planungsverband bei der Aufstellung des RREP einge- hend auseinandergesetzt. Das Gebiet Nr. 114 liegt im Randbereich des Schutzgebietes, der durch intensiven Ackerbau geprägt ist. Die wichtigen Lebensräume der Amphibien im Schutz- gebiet werden vom Gebiet Nr. 114 nicht berührt. Bei der Planung des im Gebiet Nr. 114 vor- handenen Windparks sind die Naturschutzbelange nochmals eingehender geprüft worden. Dazu gehörten auch die vom NABU vorgebrachten Belange des Fledermausschutzes. Die Naturschutzbehörde und die Genehmigungsbehörde haben festgestellt, dass Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen hier mit den rechtlichen und fachlichen Anforderungen des Naturschutzes vereinbar sind. Hinweise, die aus heutiger Sicht eine andere Einschätzung be- gründen würden, werden von den Einwendern nicht vorgebracht. Die untere Naturschutzbehörde regt an, aus der Abgrenzung des Gebietes Nr. 114 das Umfeld eines kleineren Biotopkomplexes nördlich des im Gebiet verlaufenden Poelitzgrabens herauszunehmen. Die Berücksichtigung zusätzlicher Schutzabstände um geschützte Biotope war sowohl bei der Aufstellung des geltenden RREP als auch bei dessen aktueller Fortschrei- bung mehrfach Gegenstand von Anregungen der Naturschutzbehörden und Erwägungen des Planungsverbandes. Der Planungsverband hat entsprechende methodische Ansätze geprüft und letztlich immer wieder verworfen, weil keine Methodik gefunden wurde, die einheitlich an- wendbar, fachlich begründet und auf der Maßstabsebene der Regionalplanung sinnvoll um- setzbar gewesen wäre. Die Erhaltung der geschützten Biotope innerhalb der strukturarmen Ackerlandschaft ist zweifellos wichtig. Der Berücksichtigung großzügig bemessener pauscha- ler Schutzabstände bei der Genehmigung von Windenergieanlagen steht der Planungsver- band jedoch zurückhaltend gegenüber. Sofern solche Abstände in Einzelfällen erforderlich sind, können sie nach näherer Untersuchung in den Genehmigungsverfahren festgelegt wer- den. Bei der Abgrenzung der Vorranggebiete sollen die kleineren Biotope jedoch grundsätzlich außer Betracht bleiben. Der Hinweis auf die im Vorranggebiet verlaufende Richtfunkstrecke wird zur Kenntnis ge- nommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt.

286 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 114 als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

287 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8 Einwendungen zu neu geplanten Gebieten

8.1 Thelkow (Nr. 103)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Thelkow gering gering hoch erhöht Autobahn nicht be- weniger (103) wertet geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.1.1 Eingegangene Stellungnahmen • Stadt Tessin • Gemeinden Cammin, , , , , , • Gemeinde Thelkow • Gemeinde Nustrow • BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • Wind-Projekt GmbH, Börgerende

8.1.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die Stadt Tessin und die Gemeinden Cammin, Gnewitz, Grammow, Nustrow, Selpin, Stubbendorf und Zarnewanz begrüßen, dass das Gebiet Nr. 103 vom Planungsverband mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes verworfen wurde. Die Bedenken der Menschen vor Ort und der Naturschutz hätten nun offensichtlich das nötige Gewicht erhalten. Die Gemeinde Thelkow bekräftigt nochmals ihre positive Einstellung zum ursprünglich ge- planten Eignungsgebiet und bittet um dessen Wiederaufnahme in die RREP-Fortschreibung. Dies sollte unter Einhaltung der Vorgaben des Artenschutzes erfolgen. Weiterhin müssten alle Möglichkeiten zur Beteiligung der Bürger und der Gemeinden an einem Windpark im Gebiet Nr. 103 gewährleistet werden.

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Der BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V. begrüßt ausdrücklich, dass der Planungsver- band von der Festlegung des Gebietes Nr. 103 als Eignungs- und Vorranggebiet für Wind- energieanlagen Abstand genommen hat. Die Wind-Projekt GmbH regt dagegen die Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 103 in die RREP-Fortschreibung an. Die Einwenderin verweist darauf, dass das Gebiet bereits im ersten Entwurf enthalten war und den maßgebenden Eignungskriterien entsprach. Auch die Vorbe- lastung durch die Autobahn sowie das Fehlen geschlossener Wohnbebauung in westlicher und östlicher Richtung begünstigten hier die Windenergienutzung. Zwar treffe es zu, dass sich in der Nähe mehrere potenzielle Reviere des Schreiadlers befänden – in naher Zukunft würden jedoch Erkennungs- und Steuerungssysteme für Windenergieanlagen verfügbar sein, die den Schutz von Großvögeln auch bei einer Unterschreitung der derzeit maßgebenden Schutzab- stände sicherstellen würden. Da die RREP-Fortschreibung auf einen Planungszeitraum von 10 Jahren angelegt sei, müssten die Anforderungen des Klimaschutzes und die im Übrigen hervorragende Eignung des Gebietes Nr. 103 für die Windenergienutzung in der Abwägung ein höheres Gewicht erhalten als der Artenschutz. Die Einwenderin verweist hierzu auch auf ihre allgemeinen Ausführungen zu den Belangen des Artenschutzes und zum – aus Sicht der Einwenderin – zu geringen Umfang der Windenergie-Vorranggebiete in der Region Rostock (die betreffenden allgemeinen Ausführungen sind gleichlautend auch in der Stellungnahme des BWE-Landesverbandes M-V enthalten und sind in den Abschnitten 4.2 und 5.7 als Ein- wände des BWE wiedergegeben). Die Gemeinde Nustrow gibt zusätzlich zur Sammelstellungnahme der Stadt Tessin eine ei- gene Stellungnahme ab, in der sie ihre Ablehnung des Gebietes Nr. 103 nochmals bekräftigt. In der Umgebung des ursprünglich geplanten Eignungsgebietes befänden sich sechs Horste des Schreiadlers. Die um diese Horste von Windenergieanlagen freizuhaltenden Abstandszo- nen seien dem Planungsverband bekannt. Der Schreiadler gehöre zu den europaweit schüt- zenswerten Tieren. Ein Verstoß gegen die Schutzvorschriften könne empfindliche Strafen nach sich ziehen. Die Regionalplanung könne sich der Einhaltung dieser Vorschriften nicht entziehen. Die Gemeinde betont ihr Bestreben, den Tourismus zu entwickeln. Planungen zur Entwicklung eines Naherholungsgebietes gingen weiter voran.

8.1.3 Zusammengefasste Abwägung Das Für und Wider der Anwendung pauschaler Schutzabstände auf die Brutreviere des Schreiadlers ist vom Planungsverband bereits in der Abwägungsdokumentation vom Novem- ber 2018 umfänglich und mit ausdrücklichem Bezug auf das Gebiet Nr. 103 dargelegt und erwogen worden. Hierzu wird auch auf die Ausführungen im Abschnitt 5.7 der vorliegenden Dokumentation und im Umweltbericht verwiesen. Der Planungsverband bleibt bei seiner Ein- schätzung, dass das Gebiet Nr. 103 nach den Maßstäben des Artenschutzrechtes für die Windenergienutzung durchaus in Frage käme, weil es sich abseits der wichtigen, regelmäßig genutzten Nahrungsreviere der örtlichen Schreiadler befindet. Somit kann hier nicht von einem signifikant erhöhten Schlagrisiko im rechtlichen Sinne ausgegangen werden. Der Planungs- verband bleibt ebenso bei seiner Auffassung, dass die Anwendung pauschaler Schutzab- stände im Sinne der planerischen Vorsorge ihre Berechtigung hat. Dies gilt jedenfalls für eine vergleichsweise reviertreue und an bestimmte Habitate gebundene Art wie den Schreiadler, der in der Region Rostock ausgeprägte und langjährig stabile Verbreitungsschwerpunkte auf- weist. Das ursprünglich geplante Eignungsgebiet Nr. 103 wird von den einheitlich angewand- ten 3.000-Meter-Abstandszonen um die heute bekannten Brutwälder des Schreiadlers nahezu vollständig überdeckt. Es verbleibt nur eine Splitterfläche an der Autobahn, welche die für neue Vorranggebiete angesetzte Mindestgröße von 35 Hektar nicht annähernd erreicht. Die von der Wind-Projekt GmbH erwähnten technischen Systeme zur Kollisionsvermei- dung werden in den nächsten Jahren sicherlich an Bedeutung gewinnen. Gleichwohl geht der Planungsverband davon aus, dass daneben auch die großräumige Freihaltung bestimmter

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Lebensräume für die Vogelwelt ein wichtiges Instrument des vorsorgenden Artenschutzes blei- ben wird. Der Planungsverband wird die technische Entwicklung weiter beobachten. Wenn es in den nächsten Jahren zu wesentlichen neuen Entwicklungen und Erkenntnissen kommen sollte, wird der Planungsverband bei zukünftigen Fortschreibungen des RREP darauf reagie- ren. Auch die Eignung des Gebietes Nr. 103 kann dann nochmals neu geprüft und bewertet werden. Bezüglich des Gesamtumfangs der festgelegten Vorranggebiete wird auf die Ausführun- gen in den Abschnitten 3.3 und 4.2 verwiesen. Der Planungsverband hält diesen Umfang für ausreichend. Bezüglich der Abwägung von Klimaschutz- und Vogelschutzbelangen wird auf den Abschnitt 5.7 verwiesen. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 103 als Vorranggebiet abgesehen.

290 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.2 Linstow (Nr. 105)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild/Tou- nung rismus Linstow erhöht hoch nicht be- gering Autobahn nicht be- weniger (105) wertet wertet geeignet Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.2.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dobbin-Linstow • Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte, Röbel/Müritz • Naturwind GmbH, Schwerin • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock • Stadt Güstrow

8.2.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Dobbin-Linstow steht dem weiteren Ausbau der Windenergienutzung kritisch gegenüber und begrüßt, dass der Planungsverband bei der letzten Überarbeitung seines Ent- wurfes die Belange von Artenschutz, Tourismus, Natur- und Landschaftsschutz im Teilraum südlich der Bundesstraße 104 gebührender als bisher berücksichtigt habe. Der Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte begrüßt ausdrücklich, dass der Pla- nungsverband von der Festlegung der ursprünglich geplanten Eignungsgebiete Nr. 105 und 128 Abstand genommen hat und bezieht sich dabei auf seine zum Entwurf vom Mai 2014 abgegebene Stellungnahme. Die Naturwind GmbH regt an, das Gebiet Nr. 105 wieder in die RREP-Fortschreibung aufzu- nehmen. Die vom Planungsverband vorgenommene Abwägung zugunsten der Belange des Tourismus halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die im RREP festgelegten Touris- musschwerpunkträume seien anhand pauschaler Kriterien großflächig festgelegt worden –

291 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 und vom Planungsverband bei der Auswahl potenzieller Windenergie-Eignungsgebiete folge- richtig als bloßes Restriktionskriterium herangezogen worden. Die Zuordnung der gesamten Gemeinde Dobbin-Linstow zum Tourismusschwerpunktraum könne nicht pauschal zum Aus- schluss der – grundsätzlich privilegierten – Windenergienutzung im gesamten Gemeindege- biet führen. In der Abwägungsdokumentation vom November 2018 habe der Planungsverband mit der direkten Sichtbeziehung des Gebietes Nr. 105 zur Ferienanlage Linstow argumentiert. Dem sei zu entgegnen, dass ein ausreichender Schutzabstand von mehr als 1.000 Metern eingehalten würde. Die bloße Sichtbarkeit von Windenergieanlagen für die Touristen könne kein Grund sein, ein ansonsten geeignetes Gebiet auszuschließen. Für touristische Wander- und Radrouten würde eine solche Anforderung auch nicht gelten. Die Erholungseignung der Landschaft werde durch einen Windpark nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar seien im Umfeld der Windenergieanlagen deren Geräusche in störender Weise wahrnehmbar. Diese Auswir- kung beschränke sich jedoch auf einen näheren Umkreis von 400 bis 500 Metern und sei auch von den Witterungs- und Windverhältnissen sowie anderen Umgebungsgeräuschen abhängig. Beim Gebiet Nr. 105 sei davon auszugehen, dass der Verkehrslärm der nahen Autobahn die Geräusche der Windenergieanlagen übertönen würde, sodass letztere gar nicht wahrnehmbar wären. Die Abwägung des Planungsverbandes beruhe auf Vermutungen, Spekulationen und Befürchtungen der Tourismuswirtschaft. Die Befürchtungen seien weder durch empirische Studien noch durch sonstige überprüfbare Tatsachen und Erkenntnisse begründet und könn- ten somit eine planerische Abwägung nicht tragen. Die vom Betreiber der Ferienanlage vor- gelegten Ergebnisse einer Gästebefragung könnten nicht unbedingt als repräsentativ einge- schätzt werden – dennoch stütze der Planungsverband seine Entscheidung auch auf diese Befragung. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Ein- wände gegen das Gebiet Nr. 105 unterschieden sich im Übrigen nicht von denen, die bereits in der ersten Abwägung vom Mai 2014 enthalten waren. Wesentlich neue Erkenntnisse seien mit der Auslegung des zweiten Entwurfes nicht hinzugekommen. Mit der letztlich vorgenom- menen Streichung des Gebietes Nr. 105 behandle der Planungsverband den Tourismus- schwerpunktraum wie ein striktes Ausschlusskriterium, obwohl er vorher selbst dargelegt habe, dass und aus welchen Gründen eine solche strikte Ausschlusswirkung nicht gerechtfer- tigt sei. Eine wirkliche Abwägung der Belange von Windenergienutzung und Tourismuswirt- schaft habe nicht stattgefunden, denn es gebe tatsächlich keine Tourismusbelange, die der Windenergienutzung hier entgegenstehen würden; es gebe nur Vermutungen und Befürchtun- gen. Die Ergebnisse landesweiter Befragungen ließen auf ein verträgliches Nebeneinander von Tourismus und Windenergienutzung schließen. Nach einer Studie des Instituts für Touris- mus- und Bäderforschung aus Kiel mit Blick auf das Reiseziel Mecklenburg-Vorpommern wür- den sich weniger als 1% der Urlauber an Windenergieanlagen so sehr stören, dass sie deshalb nicht wiederkommen würden. Aus Sicht der Einwenderin ist dies keine signifikante Größen- ordnung. Beim potenziellen Eignungsgebiet handle es sich um eine Ackerfläche, die, auch aufgrund der Vorbelastungen durch Autobahn und Rohstoffabbau, keine besondere Bedeu- tung für den naturnahen Tourismus habe und somit durch einen Windpark keine zusätzliche Beeinträchtigung ihres Erholungswertes erfahren könnte. Lediglich im südlichen Teil des Ge- bietes würde der 1.000-Meter-Restriktionsabstand zu einem Raum mit sehr hoher Schutzwür- digkeit des Landschaftsbildes unterschritten. Im Übrigen sei nach den vom Planungsverband selbst herangezogenen Kriterien festzustellen, dass die Landschaft hier nicht besonders schützenswert sei. Zwar könne nicht bestritten werden, dass Windenergieanlagen von bis zu 250 Metern Höhe das Landschaftsbild in einem größeren Umkreis verändern – es sei jedoch aufgrund der maßgebenden Schutzabstände unumgänglich, dass die Anlagen mehr und mehr aus dem unmittelbaren Siedlungsumfeld in die offene Landschaft und in unvorbelastete Räume verlagert würden. Die Bewertung, ob es sich hierbei um eine bloße Veränderung des gewohnten Landschaftsbildes, um eine Beeinträchtigung oder gar eine Verschandelung handle, liege im Auge des Betrachters und sei letztlich subjektiv. Sie sei abhängig von der persönlichen Einstellung zur Windenergienutzung, von Idealvorstellungen der Landschaft, Heimatverbundenheit und von weiteren Aspekten. Die Einwenderin gibt weiterhin zu beden- ken, dass das Gebiet Nr. 105 aufgrund seiner Lage an der Autobahn besonders geeignet für die Erprobung neuer Windenergieanlagen wäre. Eine Wiederaufnahme des Gebietes würde

292 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 somit auch dem vom Planungsverband verfolgten Ansatz der gezielten Standortvorsorge für solche Anlagen entsprechen. Nicht zuletzt müssten auch die eigenen wirtschaftlichen Interes- sen der Einwenderin für die planerische Abwägung maßgebend sein. Die Einwenderin ver- weist hierzu auf einschlägige Gerichtsurteile, wonach sich die Regionalplanung bei der Steu- erung der Windenergienutzung unmittelbar auf die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke auswirke, sodass in diesem Fall auch die individuellen Interessen der Grundeigentümer und anderer Nutzungsberechtigter mit einem angemessenen Gewicht in die Abwägung einzube- ziehen seien. Hierbei sei die Entscheidung des Gesetzgebers zur grundsätzlichen „Privilegie- rung“ der Windenergienutzung im Außenbereich zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund geht die Einwenderin davon aus, dass die Festlegung des Gebietes Nr. 105 als Vorranggebiet schon aus rechtlichen Gründen zwingend geboten sei. Es gebe ein öffentliches Interesse an der Nutzung der Windenergie und ein privates wirtschaftliches Interesse der Einwenderin an der entsprechenden Nutzung des Gebietes Nr. 105. Das Gewicht insbesondere des letzteren Belanges habe der Planungsverband bislang verkannt. Auch sei bereits der Ausgleich zwi- schen den berührten öffentlichen Belangen in der bisherigen Abwägung in einer Weise vorge- nommen worden, die zu ihrem objektiven Gewicht außer Verhältnis stehe. Der BUND M-V (Regionalbüro Rostock) kritisiert, dass der Planungsverband das Gebiet Nr. 105 verworfen hat. Die Auswahl der Vorranggebiete im Entwurf vom November 2018 sei methodisch nicht konsistent und werde hinsichtlich des gesamten Flächenumfangs den ener- giepolitischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht gerecht (vgl. hierzu auch die in den Abschnitten 4.2 und 4.3 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Das Gebiet Nr. 105 sei neben anderen Gebieten wieder in die RREP-Fortschreibung aufzu- nehmen. Der Planungsverband hatte diesem Gebiet in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 ein hohes Konfliktpotenzial bezüglich möglicher Auswirkungen auf das Land- schaftsbild zuerkannt. Für eine Ackerfläche direkt neben einer Autobahn sei eine solche Be- wertung nicht nachvollziehbar. Zwischen der Ferienanlage Linstow und dem Gebiet Nr. 105 liege die Autobahn, deren störende Wirkung die möglichen Wirkungen eines Windparks über- lagern würde. Störende Lichtreize eines Windparks könnten durch eine bedarfsgesteuerte Be- feuerung vermieden werden. Andere Konflikte seien nicht erkennbar. Die Stadt Güstrow hatte sich in den vergangen Jahren ablehnend zur Festlegung des Gebie- tes Nr. 105 sowie weiterer Eignungsgebiete in ihrer Umgebung geäußert. Die Stadt nehme zur Kenntnis, dass ihre Belange mit dem Entwurf vom November 2018 berücksichtigt und die be- treffenden Gebiete verworfen wurden.

8.2.3 Zusammengefasste Abwägung Die Naturwind GmbH bezeichnet den Verzicht auf die Festlegung des Gebietes Nr. 105 als einen Rechtsfehler. Der Planungsverband möchte dieser Auffassung nicht folgen und geht vielmehr davon aus, dass es über die Festlegung eines Eignungs- und Vorranggebietes für Windenergieanlagen in einem Tourismusraum keine im rechtlichen Sinne richtige oder fal- sche Entscheidung geben kann. Es handelt sich um eine planerische Entscheidung, die im Ergebnis einer Abwägung zu treffen ist. Die Festlegung des Tourismusschwerpunktraumes im geltenden RREP rechtfertigt und erfordert aus Sicht des Planungsverbandes, dass touristische Belange hier mit besonderem Gewicht in die Abwägung einbezogen werden. Die Annahme der Naturwind GmbH, dass es touristische Belange im Bezug auf die Wind- energienutzung gar nicht gebe, hält der Planungsverband für zu weitgehend. Es kann viel- mehr als durchaus plausible Annahme gelten, dass viele Touristen gezielt Landschaften auf- suchen, die sie als „natürlich“ und „unberührt“ im Sinne einer weitgehenden Freiheit von technischen und baulichen Anlagen des Industriezeitalters empfinden. Anders wäre die be- sondere Attraktivität des Landes Mecklenburg-Vorpommern als Tourismusdestination inner- halb Deutschlands kaum zu erklären. Auch der Widerstand der Tourismuswirtschaft gegen die Gebiete Nr. 105 und 128 dürfte kaum allein von persönlicher Missgunst der betreffenden Ak- teure oder allgemeiner Ablehnung der herrschenden Energiepolitik herrühren. Aus Sicht des

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Planungsverbandes ist aus den einschlägigen Stellungnahmen zu den früher veröffentlichten Entwürfen der RREP-Fortschreibung die durchaus ernsthafte Sorge ablesbar, dass die tech- nische Überformung der Landschaft deren Attraktivität für Touristen zunehmend beeinträchti- gen könnte. Diese technische Überformung der Landschaft durch Windenergieanlagen ist objektiv wahr- nehmbar. Der Verweis der Naturwind GmbH auf die Subjektivität der vorgetragenen Ein- wendungen ist nur insoweit zutreffend als die objektive Wahrnehmung der Veränderungen im Landschaftsbild tatsächlich durch subjektive Einstellungen und individuelle Vorprägungen ver- stärkt oder abgeschwächt werden kann. Dies macht die Abwägung der für- und widerstreiten- den Interessen schwierig. Einerseits kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass die Menschen sich mit der Zeit an veränderte Landschaftsbilder gewöhnen werden. Diese Gewöhnung kann andererseits nicht jegliche Veränderung an jedem Ort rechtfertigen. Dass ein Tourist seine Abneigung gegen große Windparks am Urlaubsort nur „subjektiv“ emp- finden mag, ändert objektiv nichts daran, dass er sich für den nächsten Urlaub ein anderes Ziel suchen könnte. Dass jegliche Vermutungen über das Verhalten der Touristen hochgradig spekulativ sind, hat der Planungsverband schon selbst erkannt. Dies gilt allerdings auch für die von der von der Naturwind GmbH geäußerte Vermutung, dass ein weiterer Ausbau der Windenergie- nutzung keinerlei Auswirkungen auf den Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern haben würde. Die von der Einwenderin angeführte Studie, wonach nur 1% der Touristen sich massiv durch Windenergieanlagen gestört fühlte, könnte diese Vermutung stützen. Sie stützt zumin- dest die Vermutung, dass das Maß einer allgemein als verträglich empfundenen Landschafts- veränderung bisher nicht überschritten wurde. Die Frage, wie sich das Empfinden der Touris- ten entwickelt, wenn zukünftig noch wesentlich mehr und wesentlich größere Anlagen errichtet werden – und dies vermehrt in siedlungsfernen, bisher wenig veränderten Landschaftsräumen – können solche Befragungsergebnisse jedoch nicht beantworten. Die Bewertung der beim Gebiet Nr. 105 vorhandenen Vorbelastungen ist stark vom Betrach- tungsmaßstab abhängig. Bei ausschließlich nahräumiger Betrachtung ist eine von Kiestage- bauen und intensivem Ackerbau geprägte Landschaft zu erkennen, die von der Autobahn ver- lärmt und zerschnitten ist. Die Ferienanlage Linstow, das Industriegebiet in Hohen Wangelin und der Schweinemastbetrieb in Groß Bäbelin sprengen den Maßstab der ursprünglich dörfli- chen Siedlungsstruktur. In dieser nahräumigen Perspektive, wie sie der Planungsverband ur- sprünglich selbst gewählt hatte und wie sie nun vom BUND und von der Naturwind GmbH nochmals eingenommen wird, erscheint das Gebiet Nr. 105 in fast idealer Weise für einen Windpark geeignet. Wird dagegen der Blick etwas weiter gefasst, zeigt sich der äußerste Sü- den der Region Rostock als Raum mit herausgehobenen landschaftlichen Qualitäten, der als letzter Teilraum bisher noch vollkommen frei von Windenergieanlagen ist und zu Recht im RREP den Tourismusschwerpunkträumen zugeordnet wurde. Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung. Auch hierbei gibt es aus Sicht des Planungsverbandes keine einzig richtige oder einzig falsche Bewertung. Nicht zuletzt die zunehmende Größe moderner Windenergieanla- gen und ihre weiträumige Wirkung auf das Landschaftsbild haben den Planungsverband dazu bewogen, sich im Laufe der RREP-Fortschreibung von einer ausschließlich nahräumigen Be- trachtung mehr und mehr abzulösen. Bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 hatte der Planungsverband darauf hingewiesen, dass Autobahn und Tagebaue sich im Landschaftsbild weniger weit auswirken und dass die Autobahn von manchen Touristen eher positiv wahrgenommen werden könnte, weil sie sich selbst darauf fortbewegen. Die Frage der Maßstäblichkeit stellt sich in gleicher Weise bei der Zuordnung des Gebietes Nr. 105 zum Tourismusschwerpunktraum. Die Naturwind GmbH weist zu Recht darauf hin, dass für eine nah- und kleinräumige Bewertung des touristischen Potenzials diese Räume im RREP allzu grob abgegrenzt wurden, indem vorrangig auf Gemeindegrenzen Bezug genom- men wurde. Dieses Problem hatte der Planungsverband schon selbst erkannt und in den frü- her veröffentlichten Entwurfsunterlagen beschrieben. Es war der wesentliche Grund dafür, dass die Tourismusschwerpunkträume bei der RREP-Fortschreibung nicht den Ausschluss-

294 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sondern den Restriktionskriterien zugeordnet wurden, sodass im Zweifel eine Einzelfallabwä- gung ermöglicht wurde. Das Gebiet Nr. 105 ist ein solcher Fall. In einer weiter gefassten Per- spektive gehört das Krakower Seengebiet zur Tourismusregion Mecklenburgische Seenplatte, und die Gemeinde Dobbin Linstow ist ohne Zweifel ein Teil dieser Tourismusregion. Die Tat- sache, dass es innerhalb dieser Gemeinde vorbelastete, für Touristen weniger attraktive Teil- räume gibt, ändert daran nichts. Solche Vorbelastungen können dafür sprechen, an gleicher Stelle auch noch einen Windpark zu planen – sie sind aber kein zwingender Grund dafür, wie es der BUND und die Naturwind GmbH nahelegen möchten. Grundsätzlich misst der Pla- nungsverband den Tourismusschwerpunkträumen ein sehr hohes Gewicht in der planerischen Abwägung bei. Hierzu wird auf die Erläuterungen zur Kriterienanwendung im Umweltbericht verwiesen. Die Tourismusschwerpunkträume sollen in der Regel wie ein Ausschlusskriterium wirken und nur in Ausnahmefällen eine andere Abwägung erlauben. Vor diesem Hintergrund kann auch dem vom BUND erhobenen Vorwurf der mangelnden Konsistenz bei der Kriterienanwendung nicht gefolgt werden. Die Lage im Tourismus- schwerpunktraum ist eine Besonderheit der Gebiete Nr. 105 und 128, die eine herausgeho- bene Berücksichtigung der Tourismusbelange rechtfertigt. Das Gebiet Nr. 105 weist wiederum die Besonderheit auf, dass es einem touristischen Großbetrieb in direkter Sichtbeziehung ge- genüberliegt. Insofern ist es gerechtfertigt, dass den Bedenken des Betreibers hier eine er- höhte Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Hierzu wird nochmals auf die ausführlichen Erwägun- gen verwiesen, die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 zur Streichung des Gebietes Nr. 105 wiedergegeben wurden. Dass die Bedenken der Tourismuswirtschaft zum Teil auf unbewiesenen Annahmen und Vermutungen beruhen, trifft sicherlich zu. Dass diese Bedenken gänzlich unbegründet wären, ist jedoch ebensowenig beweisbar. Der Planungsver- band hat sich deshalb im Zweifel für die Belange des Tourismus entschieden. Zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen von Grundeigentümern und Projekt- entwicklern wird auf den Abschnitt 4.8 sowie die in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 bereits enthaltenen Ausführungen verwiesen. Die Ausführungen der Naturwind GmbH lassen nicht erkennen, warum diesen Interessen im vorliegenden Fall ein besonderes Gewicht in der planerischen Abwägung zukommen sollte. Der Hinweis auf die gesetzliche Pri- vilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich begründet kein solches Gewicht. Dem im § 35 des Baugesetzbuches enthaltenen Katalog der im Außenbereich zulässigen Bauvor- haben liegt offensichtlich keine Absicht des Gesetzgebers zugrunde, den Landeigentümern eine möglichst einträgliche Nutzung ihrer Grundstücke zu ermöglichen. Das Gesetz geht viel- mehr vom Bauverbot als Regelfall und von der baulichen Nutzung als Ausnahme aus. Das bloße Interesse einer privaten Gesellschaft oder eines Landeigentümers, ein bestimmtes Ge- biet für die Errichtung von Windenergieanlagen zu nutzen, ist kein gewichtiger Grund dafür, gerade dieses Gebiet als Vorranggebiet im RREP festzulegen. Das Interesse an der wirt- schaftlich einträglichsten Nutzung ihrer Grundstücke kann grundsätzlich allen Landeigentü- mern in der Region Rostock unterstellt werden. Ebenso kann allen einschlägig tätigen Projekt- entwicklern ein Interesse an der Nutzung jeglicher Potenzialflächen unterstellt werden, die einmal in den Entwürfen der RREP-Fortschreibung enthalten waren. Zur Frage, ob die mit der RREP-Fortschreibung festgelegten Vorranggebiete insgesamt ausreichen, um den energiewirtschaftlichen Erfordernissen im Planungszeitraum ge- recht zu werden, wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Abschnitten 3.3 und 4.2 und verwiesen. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 105 als Vorranggebiet abgesehen.

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8.3 Brusow (Nr. 115)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Brusow gering erhöht gering erhöht keine gegeben geeignet (115)

Ergebnis der Abwägung: Festlegung als Vorranggebiet.

8.3.1 Eingegangene Stellungnahmen • eine Bürgerin (Wohnort nicht bekannt) • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienst- stelle Kiel – Schutzbereichbehörde) • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • ENO Energy GmbH, Rerik • Stadt Kröpelin

8.3.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin (Wohnort nicht bekannt) spricht sich gegen die Festlegung des Gebietes Nr. 115 aus, betont jedoch, dass ihre Einwände prinzipiell für alle neu vorgesehenen Wind- energie-Vorranggebiete gelten würden. Die Einwenderin kritisiert, dass der Planungsverband mit der aktuellen Teil-Fortschreibung des RREP nur einen einzigen Aspekt der Raumentwick- lung herausgegriffen habe, sodass eine gerechte Abwägung aller Raumansprüche gar nicht möglich sei. Die einheitlich angewandten Schutzabstände zu den Wohnorten hält die Einwen- derin für zu gering. Auch bezüglich des Schutzes der Vögel und der Insekten äußert die Ein- wenderin Zweifel, ob eine unvoreingenommene Untersuchung und eine neutrale Abwägung durch den Planungsverband erfolgt seien. Die Einwenderin befürchtet außerdem, dass durch die zeitlich versetzte Zulassung mehrerer Einzelanlagen in einem Vorranggebiet die gesetzli- che Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung unterlaufen werden könnte und dass kumulative

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Umweltauswirkungen mehrerer Einzelvorhaben außer Acht gelassen würden (die Ausführun- gen der Einwenderin sind vorne in den Abschnitten 4 und 5 ausführlicher wiedergegeben). Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel – Schutzbereichbehörde) weist auf die Lage des Vorranggebietes im er- weiterten Interessengebiet (35-bis-50-Kilometer-Umkreis) um die Großradaranlage Elmen- horst (Nordwestmecklenburg) hin. Anhand von Höhen, Standorten und Typen geplanter Wind- energieanlagen sei zu gegebener Zeit zu prüfen, ob negative Auswirkungen auf die Radarerfassung befürchtet werden müssen. Im Ergebnis dieser Prüfungen könne es zu ab- lehnenden Bescheiden kommen. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist erneut auf die Lage des Ge- bietes Nr. 115 in der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwür- digkeit des Landschaftsbildes hin. Das Landesamt bekräftigt seine Auffassung, dass der 1.000-Meter-Abstand als zwingendes Ausschlusskriterium zu gelten habe, dessen Anwen- dung keiner planerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock fordert, dass zum nördlich angrenzen- den Biotop ein Abstand von 200 Metern einzuhalten sei. In diesem Biotop seien Brutplätze von mindestens zwei Kranichpaaren bekannt. Bei größerer Annäherung des Windparks an das Biotop wäre mit einer Beeinträchtigung der Brutplatzfunktion sowie einem erhöhten Kollisions- risiko zu rechnen. Die Naturschutzbehörde weist darauf hin, dass die in Mecklenburg-Vorpom- mern eingeführte Artenschutzrechtliche Arbeits- und Beurteilungshilfe für den Kranich einen Prüfbereich von 500 Metern vorsieht, innerhalb dessen ein artenschutzrechtlicher Verbotstat- bestand grundsätzlich gegeben sein kann. Jedenfalls wäre jedoch im Umkreis von 200 Metern um das Biotop den Belangen des Naturschutzes Vorrang einzuräumen. Die Naturschutzbe- hörde weist außerdem auf die Unterschreitung des empfohlenen Schutzabstandes zu einem Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hin. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern kritisiert die Unterschreitung des Restriktionsabstan- des von 200 Metern um das nördlich gelegene Biotop. Dieser Abstand müsse eingehalten und das Vorranggebiet entsprechend angepasst werden. Die ENO Energy GmbH regt eine geringfügige Vergrößerung des Gebietes Nr. 115 im Osten an. Zum hier vorhandenen Wald sei gemäß § 20 Landeswaldgesetz ein Abstand von 30 Me- tern einzuhalten. Für die Einhaltung eines größeren Abstandes seien keine Gründe ersichtlich. Die Stadt Kröpelin erklärt, dass sie die Festlegung des Gebietes Nr. 115 im Zuschnitt und in der Größe gemäß Entwurf vom November 2018 akzeptiert.

8.3.3 Zusammengefasste Abwägung Zur generellen Vorgehensweise bei der RREP-Fortschreibung wird auf den Abschnitt 4.3 ver- wiesen. Der Vorwurf einer Bürgerin, dass der bei der aktuellen RREP-Fortschreibung einseitig die Förderung der Windenergienutzung ins Auge gefasst und andere Raumansprüche dabei vernachlässigt würden, erscheint dem Planungsverband nicht haltbar. Sowohl die Kri- terien der Flächenauswahl als auch die Vielzahl der nach Auslegung der Entwürfe berücksich- tigten weiteren Belange geben das gesamte Spektrum raumrelevanter Nutzungs- und Schutz- ansprüche wieder.

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Bezüglich der maßgebenden Schutzabstände zu den Wohnorten wird auf die diesbezügli- chen Ausführungen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Diese Abstände wurden sehr großzügig be- messen und können nicht beliebig erhöht werden. Bezüglich der Nähe des Gebietes Nr. 115 zu einem Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.6 sowie auf den Umweltbericht verwiesen. Die Anregung des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie, dass um diese Räume eine Abstandszone von 1.000 Metern generell als Aus- schlusskriterium gelten sollte, ist fachlich zweifellos begründet und würde den Empfehlungen der Landesregierung entsprechen. Der Planungsverband musste bei der Bestimmung seiner Planungskriterien jedoch auch darauf achten, dass kein Übermaß an Ausschlussflächen ent- steht und dass im Ergebnis der Planung ein substanzielles Flächenangebot für die Windener- gienutzung verbleibt. Auf die pauschale Anwendung dieses Abstandskriteriums wurde deshalb verzichtet. Besondere Gründe, die im Fall des Gebietes Nr. 115 einen Ausschluss erfordern würden, sind für den Planungsverband nicht erkennbar. Zweifellos reicht die sichtbare Wirkung der Windenergieanlagen in den schützenswerten Landschaftsraum hinein. Eine solche Wir- kung wäre jedoch bei der Größe moderner Windenergieanlagen auch mit einem Abstand von 1.000 Metern nicht zu vermeiden, sondern könnte allenfalls graduell abgemildert werden. Die Anregung der unteren Naturschutzbehörde, aus der Abgrenzung des Gebietes Nr. 115 den nördlichen Randbereich mit Rücksicht auf ein dort befindliches Biotop herauszu- nehmen, wird nicht aufgegriffen. Die Berücksichtigung zusätzlicher Schutzabstände um ge- schützte Biotope war sowohl bei der Aufstellung des geltenden RREP als auch bei dessen aktueller Fortschreibung mehrfach Gegenstand von Anregungen der Naturschutzbehörden und Erwägungen des Planungsverbandes. Der Planungsverband hat entsprechende metho- dische Ansätze geprüft und letztlich immer wieder verworfen, weil keine Methodik gefunden wurde, die einheitlich anwendbar, fachlich begründet und auf der Maßstabsebene der Regio- nalplanung sinnvoll umsetzbar gewesen wäre. Die Erhaltung der geschützten Biotope inner- halb der strukturarmen Ackerlandschaft ist zweifellos wichtig. Der Berücksichtigung großzügig bemessener pauschaler Schutzabstände bei der Genehmigung von Windenergieanlagen steht der Planungsverband jedoch zurückhaltend gegenüber. Sofern solche Abstände in Ein- zelfällen erforderlich sind, können sie nach näherer Untersuchung in den Genehmigungsver- fahren festgelegt werden. Bezüglich der Abgrenzung des Gebietes Nr. 115 zum östlich gelegenen Wald wird auf die Ausführungen zur Methodik der Gebietsabgrenzung im Abschnitt 6 des Umweltberichtes ver- wiesen Die Grenzen der Vorranggebiete sollen möglichst annähernd den Bereich abbilden, der nach den Maßstäben des Genehmigungsrechts für eine Bebauung mit Windenergieanla- gen zur Verfügung steht. Bei Wäldern wird der gesetzliche Waldabstand zuzüglich eines Ro- torhalbmessers heute üblicher Windenergieanlagen berücksichtigt. Der Ablauf von Genehmigungsverfahren zur Zulassung von Windenergieanlagen im Vorrang- gebiet ist nicht Gegenstand der Festlegungen des RREP. Ob ein Windpark gesamtheitlich geplant und genehmigt wird oder mehrere Einzelvorhaben nacheinander beantragt werden, kann der Planungsverband nicht beeinflussen. Dass im letzteren Fall Anforderungen des Umweltschutzes umgangen und Summationswirkungen vernachlässigt werden könnten, wie es eine Einwenderin befürchtet, trifft jedoch nicht zu. Bei jeder neuen Genehmigung sind die bereits vorhandenen Windenergieanlagen unbedingt als Vorbelastung zu berücksichtigen. Der Hinweis auf Vorbehalte der Flugsicherung und die im Vorranggebiet verlaufende Richtfunkstrecke werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vor- ranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das Gebiet Nr. 115 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

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8.4 Parchow (Nr. 116)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Parchow erhöht gering erhöht gering keine gegeben geeignet (116)

Ergebnis der Abwägung: Festlegung als Vorranggebiet.

8.4.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Alt Karin, Hamburg, Uhlenbrook, Rostock, Biendorf, Parchow (mit Unterschrif- tenliste), Kamin, Westenbrügge und anderen Orten • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienst- stelle Kiel – Schutzbereichbehörde) • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Gemeinde Carinerland • Gemeinde Biendorf • Gutsverwaltung Storch KG, Alt Karin • Stadt Neubukow • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • Enercon GmbH, Rostock • Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Mecklenburg-Vorpommern e.V., Tützpatz • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • Stadt Kröpelin

8.4.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Bürger aus mehreren Orten bekunden ihre ausdrückliche Zustimmung zur Festlegung des Gebietes Nr. 116, auch zur gemischten Nutzung mit Prototypen, unter der Bedingung, dass mehrheitlich kommerzielle Anlagen errichtet werden, die eine Bürgerbeteiligung zulassen.

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Bürger aus Uhlenbrook sprechen sich gegen die Festlegung des Gebietes Nr. 116 aus und bemängeln den aus ihrer Sicht zu geringen Abstand zur Ansiedlung Uhlenbrook. Gehe man von den Grundstücksgrenzen aus, betrage der Abstand lediglich 300 bis 400 Meter. Die Ein- wender geben an, dass sie ihr Grundstück nach Feierabend und an den Wochenenden zur Erholung nutzten. Terrasse, Hof und Garten lägen in Richtung des Vorranggebietes. Die Ein- wender befürchten deshalb eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Selbst die vorhandenen Windenergieanlagen bei Neubukow, die vermeintlich weit genug entfernt stün- den, seien auf dem Hof der Einwender zu hören. Die Einwender befürchten auch gesundheit- liche Beeinträchtigungen und eine Wertminderung ihrer Immobilie, wenn es zur Errichtung von Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 116 kommen sollte. Auch Gründe des Naturschutzes soll- ten nach Ansicht der Einwender einer Festlegung des Gebietes Nr. 116 entgegenstehen. Täg- lich könnten Vogelschwärme beim Überflug beobachtet werden. Das Gebiet liege offensicht- lich in einer Einflugschneise zu den umgebenden Natur- und Vogelschutzgebieten. Zudem seien die Ackerflächen ein Jagdgebiet zahlreicher Greifvögel wie Bussarde und Rotmilane. Ein Bürger aus Rostock gibt an, sich selbst in Parchow niederlassen zu wollen. Er sei entsetzt über die gigantischen Ausmaße der Windenergieanlagen, die hier nach ihm bereits bekannten Planungen errichtet werden sollen. Der Einwender befürchtet massive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Anwohner und auf die Tierwelt. Die Energiewende dürfe nicht zum Selbst- zweck werden. Es sei nicht vertretbar, dass Abstände zu Schutzgebieten reduziert würden und damit riskiert würde, dass noch mehr Vögel an Windenergieanlagen zu Tode kämen. Der in Mecklenburg-Vorpommern empfohlene Schutzabstand von 500 Metern zu Europäischen Vo- gelschutzgebieten komme einem Todesurteil für die meisten Greifvögel gleich. Das soge- nannte Helgoländer Papier empfehle für den Rotmilan einen Schutzabstand von 1.500 Metern. Der Rotmilan sei als Brutvogel in Parchow nachgewiesen. Daneben gebe es Seeadler, Schrei- adler, Weißstörche, Bussarde, Wildgänse, durchziehende Kraniche, Singschwäne am Kariner See und andere Vögel. Schon bei „normalen“ Windenergieanlagen von einer Höhe um 60 Meter, wie sie bis vor einigen Jahren noch üblich gewesen seien, wäre die Errichtung unmit- telbar an einem Vogelschutzgebiet mit großen Gefahren für die Vogelwelt verbunden gewe- sen. Für die jetzt geplanten, viel größeren Anlagen hätten die Schutzabstände vergrößert und nicht verringert werden müssen. Der Planungsverband sei bei seiner Bewertung möglicher Auswirkungen auf das Vogelschutzgebiet von einer Meidungsdistanz von 300 Metern ausge- gangen, wovon dann 50 Hektar Offenland innerhalb des Schutzgebietes betroffen wären. Der Einwender möchte wissen, auf welcher Grundlage dieser Distanzwert beruht. Die Festsetzung des Vogelschutzgebietes sei sicherlich aus dem Grund erfolgt, dass dort Vögel leben – auch im ungeschützten Offenland. Der Planungsverband werde diese Vögel kaum davon überzeu- gen können, die „gefährlichen“ 50 Hektar zu meiden. Faktisch werde das Vogelschutzgebiet also flächenmäßig eingeschränkt, und die Vögel würden in Gefahr gebracht. Es stelle sich die Frage, ob dies rechtens sei. Der Einwender möchte außerdem wissen, ob es Untersuchungen darüber gibt, wie Vögel auf Schallemissionen und Schlagschatten reagieren, die von Wind- energieanlagen verursacht werden. Das Vorkommen des Rotmilans beim Gebiet Nr. 116 sei in der Abwägungsdokumentation vom Mai 2014 bereits erwähnt worden. Im Untersuchungs- bericht zur Großvogelerhebung von 2016 sei der Rotmilan als Brutvogel nachgewiesen. In den Unterlagen zum dritten Entwurf vom November 2018 werde die Art nicht nur als weniger schüt- zenswert eingestuft (im Sinne eines bloßen Restriktionskriteriums), sondern das Vorkommen beim Gebiet Nr. 116 auch noch gänzlich negiert. Es entstehe der Eindruck, dass der Planungs- verband Zahlen und Fakten so verändere, dass sie in sein Konzept passten, und dass wirt- schaftliche Interessen über den Naturschutz gestellt würden. Seit Beginn der neunziger Jahre habe die Zahl der Insekten um 75% abgenommen, die Zahl der Vögel um 50%. In der Umge- bung von Parchow würden Böden und Gewässer bereits durch die intensive Landwirtschaft und den übertriebenen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln belastet. Mit der Errichtung von Windenergieanlagen käme es zusätzlich zur Vertreibung und Tötung zahlreicher Tiere und zur Zerstörung ihres Lebensraumes. Mit einem Ausbau der Windenergienutzung in diesem Aus- maß werde deren Nachhaltigkeit in Frage gestellt. Ausgestorbene Arten könnten auch mit viel Geld nicht wieder zurückgeholt werden. Parchow liege bislang in einem ruhigen, „unverbauten“

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Landschaftsraum. Nach Ansicht des Einwenders sollten Windenergieanlagen vornehmlich dort errichtet werden, wo schon Ballungen von Infrastrukturanlagen wie Stromleitungen, Ei- senbahnen und Autobahnen vorhanden sind. An einer Autobahn würden zusätzliche Lärm- quellen kaum ins Gewicht fallen. Den für die Abgrenzung des Vorranggebietes maßgebenden Schutzabstand von 1.000 Metern zum Ort Parchow hält der Einwender für nicht ausreichend. Es sei klar ersichtlich, dass die Windenergieanlagen die Lebensqualität der Anwohner beein- trächtigen würden. Belästigungen und Gesundheitsschäden seien nicht auszuschließen. Auf- grund der Größe der Anlagen würden die Rotoren permanent sichtbar sein. Eine einzelne Windenergieanlage erzeuge einen Schalldruck von rund 105 Dezibel. In 1.000 Metern Entfer- nung würde der Pegel immer noch bei 45 Dezibel liegen. Dies sei gerade die Grenze der (angeblich) zumutbaren Belastung für die Anwohner. Da im Gebiet Nr. 116 jedoch mindestens fünf Anlagen errichtet werden sollten, müsse man von rund 115 Dezibel im Windpark und rund 55 Dezibel in der Ortschaft ausgehen. Dies liege eindeutig über dem Grenzwert. Da es sich um ein logarithmisches Maß handle, entspreche die Steigerung um 10 Dezibel einer Verdopp- lung der Lautstärke. Zudem seien die Auswirkungen des Infraschalls zu berücksichtigen. So- lange es zu den Langzeitwirkungen von Infraschall auf die menschliche Gesundheit keine ge- sicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gebe, müsse das Thema strittig und die Diskussion von subjektiven Anschauungen geprägt sein. Schon die Tatsache, dass der Infraschall in der öffentlichen Diskussion über die Windenergienutzung so präsent sei, zeige jedoch, dass die Menschen schlechte Erfahrungen damit gemacht haben müssten. Je tiefer die Frequenz des Schalls, umso besser ließen sich die Schallwellen beugen und umso weniger ließen sie sich durch Hindernisse bremsen. Infraschallwellen durchdrängen alles, und ihre Reichweite sei enorm. Bei Windenergieanlagen mit 5 Megawatt Leistung würde der Infraschall noch in 50 Kilometern Entfernung messbar sein. Die Häuser würden durch Infraschall Risse bekommen, was in Techlin bei Tribsees nachgewiesen worden sei. Auch seien Menschen davon krank geworden. Auch wenn die Wirkungen auf den menschlichen Organismus noch nicht ausrei- chend untersucht seien, stehe doch fest, dass es Menschen in vergleichbarer Umgebung ohne Riesen-Windenergieanlagen nicht so ergehe. Das Argument, dass bei den Betroffenen mög- licherweise die bloße Angst vor Gesundheitsschäden diese selbst erst hervorgerufen hätte, möchte der Einwender nicht gelten lassen. Auch in diesem Fall seien letztlich die Windener- gieanlagen schuld. Ein Bürger aus Biendorf sieht die Festlegung des Gebietes Nr. 116 positiv und würde sich freuen, wenn es zur Errichtung eines Windparks komme. Allerdings müsse sichergestellt wer- den, dass die Anwohner, die es wünschten, wirtschaftlich beteiligt würden. Der Betrieb eines Windparks sei eine Chance für die finanziell sehr schlechtgestellte Gemeinde Biendorf und für die Anwohner, von der Nutzung erneuerbarer Energiequellen direkt zu profitieren. Bürger aus Parchow lehnen die Festlegung des Gebietes Nr. 116 ab. Es befinde sich gemäß dem Landesraumentwicklungsprogramm in einem ausgewiesenen Vorranggebiet für den Tou- rismus. Die Einwender stellen die Frage, wozu solche Vorranggebiete festgelegt würden, wenn sich in der weiteren Planung niemand mehr daran zu halten scheine und diese Gebiete einfach mit Festlegungen zur Windenergienutzung überplant werden könnten. Für die Natur und den Tourismus gebe es keine schädlicheren Bauwerke als die geplanten Windenergieanlagen. Kein Mensch würde unter diesen Industrieanlagen spazierengehen, reiten, joggen, Rad fahren oder sonst einer touristischen Aktivität nachgehen. Auch die Möglichkeit, das Gutshaus zu einem kulturellen und touristischen Mittelpunkt zu machen, wie es der Erwerber im Jahr 2000 zugesichert habe, wäre dann nicht mehr gegeben. Der überregional bedeutsame historische Jacobsweg verlaufe durch das Gebiet. Die Einwender zitieren eine Passage aus einer Veröf- fentlichung des DEHOGA M-V, die nach ihrer Einschätzung die befürchteten Auswirkungen der Windenergienutzung auf den Tourismus zutreffend wiedergibt (vgl. hierzu die im Abschnitt 5.3 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwender). Bürger aus Parchow (mit Unterschriftenliste) beklagen, dass von Ihnen in den Jahren 2016 und 2017 an den Planungsverband gerichtete Protestschreiben gegen die Festlegung des Eignungs- und Vorranggebietes Nr. 116 in der Abwägungsdokumentation vom November

301 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

2018 unerwähnt geblieben waren. Die Einwender bekräftigen nochmals ihre ablehnende Hal- tung und reichen erneut eine Liste mit 126 Unterschriften von Bürgern, überwiegend aus den umliegenden Orten, ein. Die Einwender befürchten von einem Windpark im Gebiet Nr. 116 nachhaltige Auswirkungen auf die Wohn- und Lebensqualität der Anwohner und die in den angrenzenden Wäldern und im Vogelschutzgebiet lebenden Tiere. In der öffentlichen Gemein- devertretersitzung der Gemeinde Biendorf im Februar 2019 hätten sich Anwohner und Ge- meindevertreter nochmals über die gemeindliche Position zum Entwurf der RREP-Fortschrei- bung verständigt. Keiner der Anwesenden habe sich für diesen Entwurf ausgesprochen. Die Gemeinde Biendorf habe auch vorher schon mehrfach ihre Ablehnung des Gebietes Nr. 116 bekundet. Eine Entscheidung des Planungsverbandes für dieses Gebiet würde sich somit ge- gen den demokratisch untermauerten Bürgerwillen richten. Die Einwender geben an, dass ihnen und den Gemeindevertretern kein einziger Befürworter eines Windparks im Gebiet Nr. 116 bekannt sei. Die betroffenen Anwohner in den umliegenden Dörfern sprächen sich klar dagegen aus. Vor diesem Hintergrund äußern die Einwender Zweifel an der Authentizität der in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 erwähnten zustimmenden Bürgerstel- lungnahmen, die dem Planungsverband im Jahr 2014 als unterschriebene Vordrucke zuge- gangen waren. Der vom Planungsverband bei der Abgrenzung des Gebietes Nr. 116 ange- setzte Schutzabstand von 1.000 Metern zu den Wohnhäusern der Ortschaft Parchow könne nicht Grundlage der Planung sein, weil es im Ort noch viele ungenutzte Grundstücke gebe, die mit der Festlegung des Vorranggebietes für die Errichtung von Wohnhäusern für immer verloren wären. Die Entwicklung des Dorfes würde damit verhindert. Es sei jedoch ein erklärtes Ziel der Gemeinde, Parchow als Wohnort weiter zu entwickeln und den weiteren Zuzug von Familien zu ermöglichen. Es gebe entsprechende Kauf- und Bauanfragen, und sogar für das Gutshaus gebe es Kaufinteressenten, die eine touristische Nutzung beabsichtigten. Würde der Planungsverband den Abstandsrichtwert von 1.000 Metern auf die bebaubaren Grundstücke in Parchow anwenden, wäre die Festlegung des Gebietes Nr. 116 ausgeschlossen. Im Gut- achtlichen Landschaftsrahmenplan sei die Umgebung von Parchow als Vorbehaltsgebiet für Naturschutz und Landschaftspflege mit der Zweckbestimmung Freiraumsicherung vorgese- hen. Diese Einstufung aus dem Landschaftsrahmenplan, dort ausdrücklich als „Anforderung an die Raumordnung“ bezeichnet, sei plausibel, da es sich hier um ein Durchzugsgebiet hun- derter Kraniche handle. Diese verweilten und rasteten über Wochen genau auf der Fläche des Gebietes Nr. 116. Die Einwender legen hierzu ein Foto von einem Vogelschwarm über dem betreffenden Gebiet vor. Die Feldsölle und Feuchtgebiete würden von Kranichen, Wildenten, Gänsen, Graureihern, Silberreihern, Schwänen und anderen Vögeln genutzt. Mehr als die Hälfte des Vorranggebietes grenze unmittelbar an das Vogelschutzgebiet „Kariner Land“ an. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebene Einschätzung des Planungsverbandes, dass das Vorranggebiet keine herausgehobene Habitatfunktion für die Zielarten des Vogelschutzgebietes aufweise, können die Einwender nicht nachvollziehen. Die Ackerflächen mit ihren Söllen bildeten den Hauptrastplatz der Zugvögel. Auch für die Greifvö- gel seien diese Flächen das Nahrungshabitat, denn ihre Beute lebe auf eben diesen Flächen. Dies könne man regelmäßig beobachten und sollte nach Ansicht der Einwender eigentlich allen Beteiligten klar sein. Mit dem Ausbau des Windparks Carinerland West habe man be- obachten können, dass Zugvögel vermehrt im Bereich des Gebietes Nr. 116 rasteten. Die Einwender zitieren die im Umweltbericht vom November 2018 wiedergegebenen Schutzziele des Vogelschutzgebietes, darunter die Freihaltung großer, störungsarmer Ackerflächen, und weisen zusätzlich auf das sogenannte Helgoländer Papier der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten hin, nachdem die Flugkorridore zwischen Schlaf- und Nahrungsplätzen der Vögel freizuhalten seien. Eben diese Ziele würden mit der Festlegung des Gebietes Nr. 116 gefährdet. Die Vögel aus dem Schutzgebiet suchten Nahrungshabitate und Schlaf- plätze in den Wiesen des Hellbaches auf, welcher nördlich der Gebietes Nr. 116 verläuft. Aus genau diesem Grund sei im Landschaftsrahmenplan das Vorbehaltsgebiet zur Freiraumsiche- rung ausgewiesen worden. Die Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums aus dem Jahr 2012 sehe einen Mindestabstand von 500 Metern zwischen Windenergie-Eignungs- gebieten und Vogelschutzgebieten vor, das „Helgoländer Papier“ sogar einen Abstand vom zehnfachen der Anlagenhöhe, mindestens jedoch von 1.200 Metern. Zumindest die Vorgaben

302 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 des Ministeriums wären aus Sicht der Einwender als rechtlich zwingend anzusehen und hätten somit vom Planungsverband unbedingt eingehalten werden müssen. Der Umweltbericht vom November 2018 belege im Übrigen, dass der Planungsverband die Gefahr einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes schon selbst erkannt habe. Es sei nicht nachvoll- ziehbar, dass der Planungsverband diese von ihm selbst erkannte Beeinträchtigung als nicht erheblich bewertet habe. Wozu gebe es solche Schutzgebiete, wenn ein Verlust von 50 Hektar Rast- und Nahrungsfläche innerhalb des Schutzgebietes keine Rolle spiele? Der Planungs- verband nehme diese 50 Hektar praktisch aus dem Schutzgebiet heraus und erkläre sie ei- genmächtig für nicht schutzwürdig. Die Bedeutung dieser Flächen als Vogelrastplatz sei je- doch erwiesen. Widersprüche glauben die Einwender auch in der Bewertung des Schutzgebietes als Bruthabitat für Großvögel zu erkennen. In der Abwägungsdokumentation vom November 2018 werde behauptet, dass in den Wäldern am Rande des Schutzgebietes lediglich der weit verbreitete Mäusebussard brüte. Der Bericht des Ingenieurbüros Günther, auf dessen Untersuchungen sich der Planungsverband selbst bezogen hatte, weise jedoch Sichtungen von Rotmilan, Seeadler, Rohrweihe und Schreiadler beim Gebiet Nr. 116 aus. Brutnachweise seien für Kranich, Mäusebussard, Rohrweihe, Rotmilan, Seeadler und Weiß- storch dokumentiert, während in der Abwägung behauptet werde, dass keine Brutvorkommen des Rotmilans in der näheren Umgebung bekannt seien. Mit Bezug auf den Rotmilan kritisie- ren die Einwender auch die im Umweltbericht enthaltenen Ausführungen zum gesetzlichen Artenschutz. Der Planungsverband irre, wenn er davon ausgehe, dass das bloße Risiko des Vogelschlages durch Windenergieanlagen nicht vom Tötungsverbot des § 44 Bundesnatur- schutzgesetz erfasst werde. Nach Ansicht der Einwender wären Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage unzulässig, wenn auch nur ein einzelner Rotmilan dadurch in Gefahr ge- raten würde. Das Tötungsverbot sei grundsätzlich auf das einzelne Vogelexemplar bezogen. Es sei zunächst völlig unbeachtlich. ob es sich um das Exemplar einer seltenen oder einer häufigen Art handle. Schutz und Erhaltung ganzer Populationen würden im Naturschutzrecht dagegen mit dem Gebietsschutz geregelt. Für den Schutz des einzelnen Exemplars habe sich in der Rechtsprechung das Kriterium des „gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko signifi- kant erhöhten Tötungsrisikos“ herausgebildet. Eine Windenergieanlage sei unzulässig, wenn ihr Betrieb ein solches Risiko hervorrufen würde. Wenn der Planungsverband davon ausgehe, dass in solchen Fällen vorrangig von der Möglichkeit artenschutzrechtlicher Ausnahmegeneh- migungen Gebrauch gemacht werden sollte, setze er damit wissentlich das Naturschutzrecht zugunsten wirtschaftlicher Interessen außer Kraft. Die Einwender nehmen auch Bezug auf die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Stellungnahmen der EEN GmbH und der Gutsverwaltung Storch KG und die darin enthaltenen Ausführungen zum Vogelschutz. Wenn die von diesen Gesellschaften beauftragten Gutachter lediglich den Kra- nich als einzige windkraftsensible Art nachgewiesen hätten, müsse wohl angenommen wer- den, dass die Interessen der Auftraggeber das Ergebnis beeinflusst hätten. Völlig außer Acht gelassen habe der Planungsverband den nördlich des Gebietes Nr. 116 verlaufenden Hell- bach, der eines der bedeutendsten Laichgewässer der Meerforelle in Mecklenburg-Vorpom- mern sei. Im Landschaftsrahmenplan sei nicht nur das Nebengewässer westlich des Gebietes Nr. 116 (wie im Anhang zum Umweltbericht bereits vermerkt) sondern auch der Verlauf des Hellbaches im Norden als bedeutendes Fließgewässer dargestellt. Durch einen Gülleeintrag im Jahr 2018 sei der Unterlauf des Hellbaches in seiner Lebensraumfunktion stark geschädigt worden. Der Erhalt des Oberlaufes als Laichgebiet sei damit umso wichtiger. Weitere Risiken und Beeinträchtigungen müssten hier vermieden werden. Die Einwender gehen davon aus, dass Windenergieanlagen in einem Abstand von 80 bis 250 Metern zu den Gewässerläufen die Forellen beim Laichen stören würden. Auch dies sei ein Grund, von der Festlegung des Vorranggebietes abzusehen. Darüber hinaus weisen die Einwender auf die vom Planungsver- band im Umweltbericht schon selbst beschriebenen Risiken hin, die vom Einsatz wasserge- fährdender Stoffe bei Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen ausgehen würden. Diesbezüglich sei auch die Lage des Gebietes Nr. 116 in einem Wasserschutzgebiet zu be- achten. Bezüglich der visuellen Wirkung großer Windenergieanlagen gehen die Einwender davon aus, dass diese beim Gebiet Nr. 116 besonders störend wäre, weil die Sicht auf die Anlagen hier – im Unterschied zu anderen Vorranggebieten – nicht von Alleebäumen oder

303 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Geländekonturen verdeckt würde. Die Anlagen würden im unmittelbaren Sichtfeld der Anwoh- ner stehen, was auch bedeute, dass der Schall der Anlagen ungedämpft auf die Ortschaft wirken würde. Dessen ungeachtet halten die Einwender den vom Planungsverband ange- wandten Abstandsrichtwert für zu gering. Anlagen von über 200 Metern Höhe bedürften eines größeren Abstandes zu bebauten Gebieten. Im Übrigen müsste bereits der gemäß RREP- Richtlinie geforderte Mindestabstand von 2,5 Kilometern zwischen benachbarten Eignungsge- bieten zum Ausschluss des Gebietes Nr. 116 führen. Der Abstand zum Gebiet Nr. 15 betrage lediglich 1,5 Kilometer. Die weitere Umstellung des Ortes Krempin würde zusätzliches Kon- fliktpotenzial bergen. Die Richtlinie schreibe weiterhin vor, dass Windparks nicht auf Anhöhen stehen sollten. Das Gebiet Nr. 116 liege jedoch 20 Meter über dem Geländeniveau des Ortes Parchow. Die im Umweltbericht getroffene Aussage, dass sich Schlagschatten von Windener- gieanlagen bis zu 1.000 Meter weit auswirkten, sei nicht korrekt. Planungsunterlagen für einen Windpark im Gebiet Nr. 116, die im Jahr 2016 in der Gemeinde vorgestellt worden seien, hät- ten einen möglichen Schattenwurf bis in die Ortschaft Parchow dokumentiert. Aktuell seien Anlagen von 230 Metern Höhe geplant, sodass sich der Schattenwurf direkt und erheblich störend auf die Anwohner auswirken müsste. Auf Nachfrage bei Anwohnern bestehender Windparks habe man erfahren, dass die tatsächliche Geräuschentwicklung erheblich über den ursprünglich berechneten und zugesicherten Werten liege. Den Windparkplanern sei dies be- kannt – dennoch würden den Planungen die zu geringen, berechneten Schallwerte zugrunde gelegt. Bei einer einzelnen Anlage werde von den Betroffenen ein permanentes Rauschen wahrgenommen. Ab drei Anlagen werde von schlagenden Geräuschen berichtet, die durch Überlagerung der Schallfrequenzen entstünden. Bezüglich möglicher Wirkungen von Infra- schall weisen die Einwender auf eine neuere Veröffentlichung des Umweltbundesamtes hin. Darin gestehe das Amt ein, dass es bisher an Langzeitstudien fehle, die über mögliche Folgen langjähriger niedriger Infraschalleinwirkung Aufschluss geben könnten. Im Unterschied zum Umweltbundesamt gehen die Einwender selbst davon aus, dass schädliche organische Wir- kungen von niederfrequenter Schallwellen – insbesondere von Windparks – auf Menschen und Tiere durch zahlreiche internationale Studien bereits belegt seien. Windenergieanlagen stellten somit eine nicht kalkulierbare Gesundheitsgefahr dar. Resümierend stellen die Ein- wender fest, dass der Planungsverband den Anforderungen, die an ein Planungskonzept für die Windenergienutzung zu stellen seien, nicht gerecht geworden sei. Das Bundesverwal- tungsgericht habe dazu klare Vorgaben gemacht. Demnach müssten bei der Festlegung von Eignungsgebieten bereits auf der Ebene der Raumordnung alle maßgebenden Belange ge- prüft werden. Innerhalb der Eignungsgebiete dürften keine Belange wirksam sein, die eine zweckentsprechende Nutzung ausschließen würden. Diesen Grundsatz habe der Planungs- verband ignoriert. Er habe Grenz- und Richtwerte zum Teil falsch angewandt, Fakten falsch interpretiert oder gar nicht berücksichtigt, falsche Annahmen getroffen, Einwendungen nicht beachtet sowie Gesetze und Richtlinien umgedeutet oder missachtet. Die Einwender erklären, dass sie im Einklang mit der Natur leben möchten und nicht in der Nachbarschaft industrieller Anlagen. Aus eben diesem Grund seien sie aufs Land gezogen. Die Einwender können nicht verstehen, wie leichtfertig der Planungsverband mit Umweltbelangen umgehe. Das Bestreben, den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren, sei unbestritten wichtig. Die Verfolgung dieses Zieles ohne Rücksicht auf bestehende, noch intakte Natur und deren gesetzlich normierten Schutz bewirke jedoch das Gegenteil dessen, was man eigentlich beabsichtige. In der Umgebung von Parchow habe die Natur schon unter der intensiven Landwirtschaft mit ihrem übermäßigen Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln zu leiden. Bei der Windenergienutzung habe man jetzt noch die Möglichkeit, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Die im Lan- desenergiekonzept enthaltenen Zielwerte seien bereits erreicht. Ein weiterer Ausbau der Windenergienutzung würde diesem Konzept widersprechen. Mit der RREP-Fortschreibung würde der Planungsverband eine Fehlentwicklung fördern, wie sie in Schleswig-Holstein be- reits eingetreten sei. Der Windenergienutzung würde über den Bedarf hinaus Raum gegeben. Strom aus Mecklenburg-Vorpommern werde bereits in andere Bundesländer exportiert oder auch im Ausland als sogenannter „Schrottstrom“ zu Negativpreisen entsorgt. Infolge der Über- produktion müssten Windenergieanlagen immer häufiger abgeschaltet werden, was dann Ent- schädigungszahlungen an die Anlagenbetreiber nach sich ziehe. Der Planungsverband müsse

304 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 berücksichtigen, dass auch andere Bundesländer einen weiteren Ausbau planten und sich selbst versorgen oder darüber hinaus noch Strom exportieren wollten. In den Entwurf der RREP-Fortschreibung hätten solche Überlegungen bisher offensichtlich keinen Eingang ge- funden. Ein Bürger aus Parchow weist ebenfalls darauf hin, dass bereits im Jahr 2016 Unterschriften gegen die Festlegung des Gebietes Nr. 116 gesammelt worden seien. Mit der Abwägungsdo- kumentation vom November 2018 habe der Planungsverband den falschen Eindruck vermit- telt, dass bei den Bürgern vor Ort keine Einwände gegen einen Windpark bestünden. Der Ein- wender gibt an, dass er selbst vor mehreren Jahren nach Parchow gezogen sei, weil man dort unberührte Natur, Ruhe und Erholung finden könne. Wenn man Bürger aus den umliegenden Orten befrage, dann klagten diese trotz der eingehaltenen Schutzabstände über Lärmbelästi- gung, Schattenwurf und rote Blinklichter. Der Einwender möchte seine Kinder in gesunder Umgebung aufwachsen sehen und macht sich Sorgen über mögliche Gesundheitsgefahren, die von Windenergieanlagen ausgehen könnten. Seine Familie habe sich nicht für das Dorfle- ben entschieden, um solche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen zu müssen. Aufgrund der Haushaltslage der Gemeinde müsse man sich bereits mit schlechten Straßen, fehlender Be- leuchtung und fehlendem Anschluss an das Wasser- und Abwassernetz abfinden. Einen von der Familie geplanten Hausbau in Parchow werde man nun überdenken müssen. Der Einwen- der sieht auch eine generelle Gefahr darin, dass der Zuzug in die ländlichen Gemeinden un- attraktiv und der Wegzug gefördert werde, wodurch den Gemeinden Steuerverluste entstün- den, was wiederum Konsequenzen für das wirtschaftliche und kulturelle Leben auf dem Land haben müsse. Der Einwender weist auch auf verschiedene Zugvogelarten hin, die man in der Umgebung des Ortes beobachten könne. Er habe den Eindruck, dass eigentlich schützens- werte Arten wie Rotmilan, See- und Fischadler, Fledermäuse und Silberreiher, deren Vorkom- men in dem vom Planungsverband veröffentlichten Untersuchungsbericht dokumentiert sei, bei der Auswahl der Vorranggebiete gar nicht berücksichtigt worden seien. Nach Ansicht des Einwenders sollte das Vorkommen dieser Tiere, die man vor Ort beobachten könne, ein Aus- schlusskriterium für die Windenergienutzung sein. Der Einwender betont, grundsätzlich ein Befürworter der Energiewende zu sein; diese dürfe jedoch nicht auf Kosten der Natur und der menschlichen Gesundheit umgesetzt werden. Weitere Bürger aus Parchow betonen ebenfalls, dass sich Bürger aus Parchow, Krempin und Umgebung sowie die Gemeinde Biendorf in den letzten Jahren klar gegen das Gebiet Nr. 116 ausgesprochen hätten und dass die Abwägungsdokumentation vom November 2018 diesbe- züglich einen falschen Eindruck vermittelt habe. Die Einwender geben an, dass sie sich be- wusst für ein Leben auf dem Land entschieden hätten um dort „im Einklang mit der Natur“ zu leben. Dafür nehme man weite Arbeitswege und defizitäre Infrastruktur in Kauf. Mit einem Windpark würde man wie in einem Industriegebiet leben. Für die Einwender würde sich dann die Frage stellen, ob sie ihren Wohnsitz aufgeben und woanders neu anfangen sollten, um ihre gewohnte Lebensqualität beizubehalten. Durch einen Windpark würde jedoch der Wert ihrer jetzigen Immobilie gemindert. Es sei somit fraglich, ab man mit einem Verkauf überhaupt die Kreditsumme decken könnte. Der von den Anlagen ausgehende Schall und Infraschall würde zudem die Bausubstanz der Häuser angreifen. Dieses Risiko sei man nicht bereit zu tragen. Auch die in der Öffentlichkeit immer mehr diskutierten Berichte über die gesundheitli- chen Auswirkungen von Infraschall müssten ernst genommen werden. Der vom Planungsver- band berücksichtigte Schutzabstand von 1.000 Metern zum Ort sei für Windenergieanlagen der hier geplanten Größe unzureichend. Zum benachbarten Vorranggebiet Nr. 15 werde der vorgeschriebene Mindestabstand von 2,5 Kilometern nicht eingehalten. Da es sich hierbei um eine gesetzliche Vorgabe des Landes Mecklenburg-Vorpommern handle, müsse dieser Ab- stand eingehalten und dürfe nicht im Einzelfall angepasst werden. Das Gebiet Nr. 116 sei kreisförmig umgeben von europäischen Schutzgebieten (Vogelschutzgebiete und sog. FFH- Gebiete). Es sei nicht nachvollziehbar, warum inmitten dieser Schutzgebiete, die selbst als Ausschlussgebiete für die Windenergienutzung gälten, ein Windpark errichtet werden dürfe. Zugvögel wie Wildenten, Wildgänse und Kraniche überflögen in enormen Scharen das Gebiet

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Nr. 116. Dem Planungsverband sollte bekannt sein, dass diese Zugvögel sich von der Wind- strömung treiben ließen. Die Errichtung von Windenergieanlagen schließe sich aus diesem Grunde aus. Der vom Planungsverband veröffentliche Untersuchungsbericht des Ingenieur- büros Günther aus dem Jahr 2016 zeige die geringe Populationsgröße der untersuchten Vo- gelarten auf, was dem Planungsverband eigentlich zu denken geben müsse. Bezüglich der Artenschutzbelange stelle sich außerdem die Frage, warum nicht auch neuere Erhebungen bei der RREP-Fortschreibung berücksichtigt worden seien. Ebenso vermissen die Einwender eine Erhebung der örtlich vorkommenden Fledermäuse und Fischadler. Bezüglich der in den Seitenarmen des Hellbaches vorkommenden Meerforelle verweisen die Einwender auf eine Studie aus dem Jahr 2006, in der die Wirkung der Schallemissionen von Windenergieanlagen auf Fische und marine Säuger beschrieben worden sei. Für Salmoniden sei ein Wahrneh- mungsbereich bis zu einem Kilometer ermittelt worden. Auswirkungen eines Windparks auf Verhalten und Physiologie der Forellen, zum Beispiel Stressreaktionen, könnten somit nicht ausgeschlossen werden. Zu untersuchen wären nach Ansicht der Einwender mögliche Aus- wirkungen des Schalls auf den Laich der Forellen, um sicherzustellen, dass die Tiere sich auch zukünftig in ihrer natürlichen Umgebung fortpflanzen und die Bestände erhalten werden könn- ten. Die RREP-Fortschreibung sei abzulehnen, weil der Planungsverband bezüglich der Um- weltauswirkungen von Windenergieanlagen nicht den neuesten Erkenntnisstand berücksich- tigt habe und weil es für den überschüssigen Strom bisher an technisch ausgereiften und wirtschaftlich nutzbaren Speichermöglichkeiten fehle. Eine Bürgerin aus Parchow erklärt, dass sie im Jahr 2016 von den Windparkplanungen der Firma Enercon und der Gutsverwaltung Storch im Gebiet Nr. 116 erfahren habe. Die Planun- gen seien damals in der Gemeindevertretung vorgestellt worden. Die Einwenderin geht davon aus, dass ein Windpark massive Auswirkungen auf ihre eigene Wohn- und Lebensqualität sowie auf die Tierwelt haben würde. Wie andere Bürger betont die Einwenderin, dass sie sich bewusst für ein naturnahes Leben auf dem Dorf entschieden habe und dafür auch Nachteile in Kauf nehme. Sie selbst und zahlreiche Einwohner und Touristen nutzten die Umgebung zur Erholung, zum Rad fahren, Reiten, Wandern und Laufen. Mit einem Windpark drohten die Zerstörung des Landschaftsbildes, dauernder Lärm, Gesundheitsgefahren und Gefahren durch Eisabwurf im Winter. Auch diese Einwenderin stellt Überlegungen an, ihren Wohnsitz in Parchow wieder aufzugeben, hat aber Zweifel, ob sie ihre Immobilie nach der Festlegung des Vorranggebietes für Windenergieanlagen überhaupt noch verkaufen könnte. In der näheren Umgebung seien bereits Windenergieanlagen in übermäßiger Anzahl errichtet worden. Im Um- weltbericht zum Entwurf vom Mai 2014 habe der Planungsverband bereits ausdrücklich auf das direkt angrenzende Vogelschutzgebiet sowie auf die mögliche Betroffenheit des Rotmilans als eine der maßgeblichen Zielarten hingewiesen. Im Umweltbericht zum dritten Entwurf von 2018 werde der Rotmilan dann jedoch als weniger schützenswert nur noch im Sinne eines Restriktionskriteriums behandelt, und sein Vorkommen beim Gebiet Nr. 116 werde vollkom- men negiert. Dies entspreche weder dem vom Planungsverband selbst veröffentlichten Unter- suchungsbericht des Ingenieurbüros Günther, noch den täglichen Beobachtungen der Anwoh- ner in der Umgebung von Parchow, wo die Milane regelmäßig kreisten. Die Einwenderin geht noch auf verschiedene weitere Aspekte ein, die inhaltsgleich auch in der Sammelstellung- nahme der Bürger von Parchow erwähnt sind. Es entstehe der Eindruck, dass der Naturschutz und das Wohl der Bürger bei der RREP-Fortschreibung hinter die Interessen der Windkraftin- dustrie zurückgestellt würden. Die Akzeptanz der Bevölkerung in diesem Teil der Region werde damit endgültig überstrapaziert. Weitere Bürger aus Parchow schreiben, der Planungsverband möge zur Kenntnis nehmen, dass die Mehrheit der betroffenen Bevölkerung, anders als von der Gutsverwaltung Storch dargestellt, gegen die Errichtung von Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 116 sei. Die Einwen- der äußern allerdings die Befürchtung, dass dies den Planungsverband gar nicht interessiere und dass letztlich gegen den Willen der Bevölkerung entschieden werde. Weitere Bürger aus Parchow legen einen Bericht über Lärmprobleme durch Windkraftanla- gen vor, auf den sie durch eine Internetrecherche gestoßen sind. Der Autor komme zu dem

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Schluss, dass Windenergieanlagen bis zu einer zweifelsfreien Aufklärung ihrer Auswirkungen nur „mit großem Sicherheitsabstand“ zu Wohnhäusern errichtet werden sollen. Ein weiterer Bürger aus Parchow macht die Windenergienutzung verantwortlich für die hohen Strompreise. Dem Aspekt der Einsparung von Strom sollte mehr Gewicht gegeben werden. Eine Bürgerin aus Parchow verweist auf den hohen Erholungswert der typischen Mecklen- burger Moränenlandschaft. Dieser ginge mit der Errichtung eines Windparks verloren. Weitere Bürger aus Parchow sprechen sich für die Energiewende aus und halten die Nutzung der Windenergie für wichtig. Diese müsse aber überlegt und nachhaltig erfolgen. Die Einwen- der würden bewusst auf dem Land wohnen, um im Einklang mit der Natur zu leben. Von Be- wohnern anderer Orte in der Umgebung von Windparks sei zu hören, dass es zwar viele Ver- sprechungen und Verweise auf angebliche Regelungen gegeben habe, zur Absenkung der Schallbelastung bei Nacht, zum Schattenschlag und zur Beleuchtung – aber nichts davon funktioniere. Die Anlagen würden nicht abgeschaltet, wenn die Dauer der maximalen Beschat- tung überschritten sei, die Schallwerte seien nachts nicht geringer als tagsüber, die bedarfs- abhängige Befeuerung sei noch lange nicht flächendeckend umgesetzt worden. Die Schall- grenzwerte würden nicht einmal tagsüber eingehalten. Die Einwender werfen die Frage auf, wer eigentlich für die Kontrolle des Anlagenbetriebes zuständig sei, wer für die Nichteinhaltung von Auflagen haftbar gemacht werden könne, welche Entschädigungen gezahlt würden und unter welchen Voraussetzungen die Abschaltung von Anlagen verfügt werden könne. Bezüg- lich des angrenzenden Vogelschutzgebietes kritisieren die Einwender die im Umweltbericht vom November 2018 enthaltene Verträglichkeitsprüfung. Der Planungsverband scheine davon auszugehen, dass die Vögel sich nur innerhalb ihres Schutzgebietes bewegten. Bei Parchow würden jedoch auch die Hellbachwiesen zur Futtersuche genutzt. Es gehe um den Schutz der Tiere, nicht um den Schutz des Schutzgebietes. Deshalb seien die vorgeschriebenen Ab- stands- und Freihaltezonen um das Schutzgebiet so wichtig. Zum Gutachten des Ingenieur- büros Günther werfen die Einwender die Frage auf, wie die zugrunde liegenden Untersuchun- gen wohl durchgeführt worden seien. Hunderte Kraniche auf den Flächen des Gebietes Nr. 116 sollten nach Ansicht der Einwender eindeutig zu identifizieren sein. Die typische Schwanzfeder des Rotmilans müsse jeder Laie erkennen. Die Einwender laden alle Entschei- dungsträger des Planungsverbandes ein, an einem sonnigen Tag nach Parchow zu kommen, um sich selbst davon zu überzeugen, dass Milane, Seeadler, Bussarde, Kraniche, Reiher, Schwäne und Störche auf den betreffenden Flächen rasteten und jagten. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel – Schutzbereichbehörde) weist auf die Lage des Vorranggebietes im er- weiterten Interessengebiet (35-bis-50-Kilometer-Umkreis) um die Großradaranlage Elmen- horst (Nordwestmecklenburg) hin. Anhand von Höhen, Standorten und Typen geplanter Wind- energieanlagen sei zu gegebener Zeit zu prüfen, ob negative Auswirkungen auf die Radarerfassung befürchtet werden müssen. Im Ergebnis dieser Prüfungen könne es zu ab- lehnenden Bescheiden kommen. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf zwei Richtfunkstrecken des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verlaufen. Alle geplanten Türme und Rotoren von Windenergieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Die Gemeinde Carinerland stimmt dem Entwurf vom November 2018 zu und regt zusätzlich an, dass eine einheitliche Flugbefeuerung der Windparks angestrebt werden sollte. Die Gemeinde Biendorf spricht sich weiterhin gegen die Festlegung des Gebietes Nr. 116 aus und legt eine Liste mit Unterschriften von Bürgern, überwiegend aus den Ortsteilen Parchow und Westenbrügge, vor, die diese Ablehnung unterstützen. Im Wesentlichen werden dazu von der Gemeinde die gleichen Argumente vorgetragen wie zum ersten Entwurf aus dem

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Jahr 2013. Der Erholungswert der Region und das Fremdenverkehrsaufkommen würden sin- ken, das typische Landschaftsbild verändere sich in Richtung einer industriellen „Versparge- lung“, die Attraktivität der Gemeinde als Wohnort gehe verloren. Die Gemeinde verweist auf die realisierten Projekte zur Tourismusförderung, die zum Teil aus Mitteln der Europäischen Union, des Bundes und des Landes finanziert worden seien. Die Nachhaltigkeit dieser Inves- titionen würde durch die Errichtung von Windenergieanlagen gefährdet. Mit den Bauarbeiten an bestehenden Windparks seien bereits Schäden im ländlichen Wegenetz entstanden, deren Beseitigung bei der Gemeinde verbleibe. Die Konzentration von Windparks im näheren Umfeld der Gemeinde wirke sich bereits jetzt negativ aus. Mit der Errichtung eines weiteren Windparks im Gebiet Nr. 116 entstehe für die Orte Parchow und Uhlenbrook eine Umzingelungswirkung. Die Gemeinde weist auch nochmals auf das angrenzende Vogelschutzgebiet hin. Das im Auf- trag des Planungsverbandes erstellte Gutachten zu den Großvogelvorkommen lasse zwar un- mittelbar keine Ausschlussgründe erkennen, gehe aber auf mögliche erhöhte Gefährdungen nicht näher ein. Die Gemeinde fordert den Planungsverband auf, bezüglich möglicher Beein- trächtigungen der Anwohner das Vorsorgeprinzip stärker zur Geltung zu bringen als dies in der bisherigen Abwägung erfolgt sei. Die Gemeinde verweist dazu auf möglich Wertverluste von Immobilien, Unfallgefahren, Lärm, Schattenschlag sowie bisher ungeklärte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Die in Bayern eingeführte Abstandsregelung vom zehnfa- chen der Anlagenhöhe folge offensichtlich dem Vorsorgeprinzip. Es stelle sich die Frage, wa- rum eine solche Regelung im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern nicht ebenso gelten könne. Die Gutsverwaltung Storch KG (gleichlautend Stellungnahmen mehrerer Bürger) begrüßt die Festlegung des Vorranggebietes Nr. 116. Das Gebiet sei für die Windenergienutzung gut geeignet, was auch durch zwischenzeitlich erstellte Gutachten zum Umwelt- und Artenschutz belegt werde. Die geplante Standortvorsorge für Windenergieanlagen-Prototypen wird von der Einwenderin ebenfalls begrüßt. Im Vergleich zu anderen Teilen Deutschlands sei die Region Rostock eine strukturschwache Region. Die Bevölkerung sei auf Investitionsmöglichkeiten an- gewiesen. Dies erhöhe langfristig die Kaufkraft und könne dazu beitragen, dass das Land zu- künftig weniger auf Almosen anderer Bundesländer angewiesen sein werde. Windenergiepro- jekte in der direkten Nachbarschaft hätten gezeigt, dass eine Gemeinde damit ihre Handlungsfähigkeit erhalten könnte, was unter den Gemeinden mittlerweile eher eine Aus- nahme sei. Die Stadt Neubukow bekräftigt nochmals ihre Ablehnung des Gebietes Nr. 116 und verweist hierzu auf ihre zu den vorangegangenen Entwürfen der RREP-Fortschreibung abgegebenen Stellungnahmen. Sie äußert sich kritisch bezüglich der Umstellungswirkung, die mit den Vor- ranggebieten Nr. 15, N1 und 22 sowie dem neuen Gebiet Nr. 116 entstehen würde. Die Stadt fordert, dass eine solche Umstellung höchstens 120 Grad des Umkreises umfassen dürfte. Bei Neubukow würden mit den vier genannten Vorranggebieten annähernd 180 Grad erreicht. Die Stadt weist nochmals darauf hin, dass sich die relativ hohe Konzentration von Windenergie- anlagen in der näheren Umgebung schon jetzt negativ auswirke. Bei den Bürgern und in den politischen Gremien werde dies zunehmend negativ gesehen. Immer neue Anlagen würden beantragt, obwohl die Immissionsrichtwerte in Neubukow, Krempin und Panzow bereits mit den bestehenden Anlagen erreicht würden. Die Stadt führt nochmals die wesentlichen Störun- gen und Beeinträchtigungen auf, die nach ihrer Einschätzung bzw. bisherigen Erfahrung für die unmittelbaren Anwohner, die Stadtentwicklung, die Landschaft und die Vogelwelt entste- hen würden. Sie verweist auch auf die zunehmenden Beeinträchtigungen und Unfallgefahren, die mit dem Transport der immer größeren Anlagenteile einhergingen. Eine Eindämmung der negativen Auswirkungen und eine Akzeptanz der Windenergienutzung bei den Bürgern könne nur durch größere Abstände der Windparks zu den Siedlungsräumen erreicht werden. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist erneut auf die Lage des Ge- bietes Nr. 116 innerhalb der 500-Meter-Abstandszone um ein europäisches Vogelschutzgebiet hin. Nach Auffassung des Landesamtes müsste diese Abstandskriterium als Ausschlusskrite- rium für die Windenergienutzung gelten, das keiner planerischen Abwägung zugänglich sein

308 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dürfte (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Ein- wenders). Außerdem werde ein Mindestabstand von 2,5 Kilometern zum benachbarten Vor- ranggebiet Nr. 15 nicht eingehalten. Auch die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock weist nochmals auf die Lage des Gebietes Nr. 116 im 500-Meter-Umkreis um ein Vogelschutzgebiet hin. Bei der 2016 zur RREP-Fortschreibung durchgeführten Erhebung seien keine Vorkommen relevanter Vogelar- ten festgestellt worden, die eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgebietes befürchten ließen. Jedoch sei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass später bei der Genehmigung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet eine Verträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der dann festgestellten Vogelvorkommen durchzuführen sei. Die Enercon GmbH hält das Gebiet Nr. 116 für sehr gut geeignet und begrüßt dessen Fest- legung im RREP. Zwischenzeitlich erstellte Gutachten zum Arten- und Umweltschutz hätten keine Befunde ergeben, welche der Festlegung des Gebietes Nr. 116 entgegenstehen würden. Ausdrücklich begrüßt wird auch die Standortvorsorge für Windenergieanlagen-Prototypen. Als Hersteller von Windenergieanlagen, der über einen Produktionsstandort in Wismar verfügt, sei das Unternehmen auf eben solche Standorte für eine normgerechte Anlagenvermessung an- gewiesen. Infolge der letzten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und der damit eingeführten Ausschreibungsregelungen sei der Forschungs- und Entwicklungsbedarf erheb- lich angestiegen. Der Standort Parchow besitze hierzu eine hervorragende Eignung, weil mit entsprechender Nabenhöhe eine Vielzahl von Messstandorten zur Verfügung stehe und die Lage im Grenzbereich zweier Auslegungswindzonen ein zusätzliches Potenzial für die Anla- genzertifizierung biete. Der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Mecklenburg-Vorpommern e.V. äußert sich weitgehend inhaltsgleich mit einer der oben wiedergegebenen Bürgerstellungnah- men und kritisiert die Festlegung des Gebietes Nr. 116 in unmittelbarer Randlage zu einem Vogelschutzgebiet. Der Bereich um Parchow sei im Gutachtlichen Landschaftsrahmenplan Mittleres Mecklenburg/Rostock als Vorbehaltsgebiet für die Freiraumsicherung vorgesehen worden. Der Entwurf des Planungsverbandes stünde dazu im Gegensatz. Nach Auskunft ört- licher Beobachter sei die Fläche des Gebietes Nr. 116 ein Durchzugsgebiet hunderter Krani- che, welche dort über Wochen rasteten. Die angrenzenden Sölle und Feuchtgebiete bildeten ebenfalls einen Lebensraum für Kraniche sowie Enten, Gänse, Schwäne und Reiher. Der Ver- ein sähe diese Artenvielfalt gefährdet, wenn im Gebiet Nr. 116 ein Windpark errichtet würde. Die vom Planungsverband in seiner Abwägungsdokumentation vom November 2018 ge- troffene Einschätzung, wonach das Gebiet Nr. 116 und die nördlich angrenzenden Flächen keine herausgehobene Habitatfunktion für die Zielarten des Vogelschutzgebietes aufweisen würden, sei nicht plausibel. Die hier vorhandenen Ackerflächen mit ihren Söllen dienten als Hauptrastplatz für die Zugvögel ebenso wie als Jagdgebiet für die Greifvögel. Der Einwender zählt nochmals die im Umweltbericht vom November 2018 benannten Zielarten und Schutz- ziele des Vogelschutzgebietes auf und weist zusätzlich auf die Empfehlungen der Länder- Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten hin, wonach die Flugkorridore zwischen Schlaf- und Nahrungsrevieren der Kraniche von Windenergieanlagen freizuhalten seien. Solche Flug- korridore gerieten mit der Festlegung des Gebietes Nr. 116 in Gefahr. Sing- und Höcker- schwäne, Kraniche, Wildgänse, Wildenten, Rotmilane, Graureiher, Silberreiher und Schwarz- milane flögen vom Schutzgebiet zur Nahrungsaufnahme und zu Schlafplätzen in den Wiesen des Hellbachs, welcher nördlich des Gebietes Nr. 116 verläuft, und zu dessen Nebenarmen. Demzufolge überquerten sie genau das geplante Vorranggebiet. Der Einwender verweist auf den Schutzabstand von 500 Metern, der nach Empfehlung des Energieministeriums zwischen Vogelschutzgebieten und Windenergie-Eignungsgebieten regelmäßig einzuhalten wäre. Die Empfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten gingen noch darüber hinaus und schrieben einen Abstand von zehnfachen der Anlagenhöhe, mindestens jedoch von 1.200 Metern vor. In seinem zweiten Entwurf zur RREP-Fortschreibung habe der Pla- nungsverband den 500-Meter-Abstand noch als Ausschlusskriterium herangezogen, im dritten Entwurf nur noch als Restriktionskriterium. Dies stelle eine inakzeptable „Aufweichung“ von

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Kriterien des Natur- und Landschaftsschutzes dar. Fehler und Widersprüche glaubt der Ein- wender auch in weiteren Inhalten der Entwurfsunterlagen vom November 2018 zu erkennen. So habe der Planungsverband selbst die Möglichkeit einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes auf rund 50 Hektar Fläche erkannt, diese aber als unerheblich erachtet. Im Umweltbericht wurde ausgeführt, dass die angrenzenden Wälder innerhalb des Schutzge- bietes keine besondere Bedeutung als Bruthabitat für Großvögel aufwiesen, obwohl das vom Planungsverband selbst veröffentlichte Gutachten Brutnachweise für Kranich, Mäusebussard, Rohrweihe, Rotmilan, Seeadler und Weißstorch im Umfeld des Gebietes Nr. 116 dokumentiert habe. Bei der Beschreibung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände im Umweltbericht gehe der Planungsverband fälschlich davon aus, dass das bloße Risiko des Vogelschlages durch Windenergieanlagen keinem gesetzlichen Verbot unterliege, während nach verfestigter Rechtsprechung in Deutschland davon auszugehen sei, dass eine signifikante Erhöhung des Lebensrisikos einen Verbotstatbestand darstellt. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Ausführungen der EEN GmbH zu den örtlichen Vogelvor- kommen widersprächen den Ergebnissen des vom Planungsverband veröffentlichten Gutach- tens und müssten als offensichtlich interessengeleitet angesehen werden. Nicht hinreichend gewürdigt habe der Planungsverband die ökologische Bedeutung des Hellbaches. Dieser habe sich zu einem der bedeutendsten Laichgewässer der Meerforelle in Mecklenburg-Vor- pommern entwickelt. Der Einwender weist auf Nebengewässer des Hellbachs hin, von denen eines durch das Gebiet Nr. 116 und eines an dessen östlichen Rand verläuft. Nach dem gut- achtlichen Landschaftsrahmenplan handle es sich hier um bedeutende Fließgewässer. Der Erhalt dieser Biotope sei essenziell, da hier die Laichgründe der Salmoniden lägen. Die Er- richtung von Windenergieanlagen in Entfernungen von 80 bis 250 Metern zu den Gewässer- läufen würde dazu führen, dass die Fische beim Laichen gestört würden. Auch aus diesem Grund sei die Festlegung des Gebietes Nr. 116 nicht vertretbar. Der Planungsverband habe im Umweltbericht selbst auf das Schadensrisiko durch Austritt wassergefährdender Stoffe hin- gewiesen, das mit der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen verbunden wäre. Selbst in Windenergieanlagen kleinerer Bauart befänden sich mehrere hundert Liter Öl. Davon würde nach Ansicht des Einwenders eine massive Gefährdung des Vogelschutzgebietes und der umliegenden Gewässer ausgehen. Landschaften wie man sie in der Umgebung von Parchow vorfinde besäßen einen Eigenwert und seien nicht beliebig belastbar. Durch Bau und Betrieb von Windenergieanlagen erhielten derartige Landschaften den Charakter eines Indust- rieraumes und würden ihre Artenvielfalt, ihren Erholungswert und die identitätsstiftende Wir- kung für die dort lebenden Menschen einbüßen. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern lehnt die Festlegung des Gebietes Nr. 116 ab. Grund- sätzlich fordert der NABU, dass bei der Festlegung der Vorranggebiete in der Nähe von euro- päischen Vogelschutzgebieten ein Schutzabstand entsprechend der zehnfachen Höhe der Windenergieanlagen, mindestens jedoch von 1.200 Metern eingehalten werde (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Die Stadt Kröpelin weist auf die Betroffenheit ihres Ortsteils Altenhagen mit der Ansiedlung Parchow Ausbau hin. Für den Ortsteil wird die Einhaltung des regelmäßigen Schutzabstandes von 1.000 Metern angemahnt. Im Entwurf vom November 2018 werde dieser Abstand nicht eingehalten (der Planungsverband geht davon aus, dass sich diese Forderung nur auf den eigentlichen Ortsteil bezieht). Die Stadt beabsichtigt, in Abstimmung mit der Nachbargemeinde Biendorf Verhandlungen aufzunehmen, um nach dem Bürger- und Gemeindebeteiligungsge- setz Einnahmen aus einem Windpark im Gebiet Nr. 116 zu erzielen.

8.4.3 Zusammengefasste Abwägung Einzelne Einwender führen Klage darüber, dass früher eingereichte Protestschreiben von Bürgern aus Parchow gegen das Vorranggebiet Nr. 116 in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 nicht wiedergeben wurden. Hier ging es um die Frage, ob der Planungs- verband Stellungnahmen außerhalb der förmlichen Beteiligungsfrist entgegennehmen muss.

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Da zwischen der Veröffentlichung des zweiten und des dritten Entwurfes der RREP-Fortschrei- bung fast fünf Jahre vergangen sind, ist das Bedürfnis der Einwender nachvollziehbar, zwi- schenzeitliche Erkenntnisse und Entwicklungen dem Planungsverband umgehend mitzuteilen, damit sie bei der laufenden Überarbeitung des Entwurfes berücksichtigt werden konnten. Im vorliegenden Fall ging es jedoch nicht um neue Erkenntnisse oder Entwicklungen, sondern um ein Meinungs- und Stimmungsbild der Anwohner sowie um – im Prinzip bekannte – Gefahren für die örtliche Vogelwelt. Die Einwender haben diesbezüglich auf eigene Vogelbeobachtun- gen hingewiesen, welche diese Befürchtungen begründen sollten. Der Planungsverband hat diese Hinweise zur Kenntnis genommen, sich bei der Bewertung möglicher Gefahren für die Vogelwelt jedoch nicht auf Berichte über Einzelbeobachtungen, sondern auf die landesweit verfügbaren Daten sowie auf die Ergebnisse der im Jahr 2016 durchgeführten Großvogeler- hebung gestützt. Dessen ungeachtet erkennt der Planungsverband ausdrücklich an, dass den Bürgern solche formalen Erwägungen gleichgültig sein können und dass sie mit einiger Be- rechtigung davon ausgehen konnten ihre Einwände in der Abwägungsdokumentation wieder- zufinden. Die von den Bürgern zum Ausdruck gebrachte Verärgerung ist deshalb verständlich. Im Ergebnis der im Jahr 2018 durchgeführten Auslegung sind dann relativ viele Bürgereinwen- dungen zum Gebiet Nr. 116 eingegangen; insbesondere haben viele Bürger die Einwendun- gen mit ihrer Unterschrift unterstützt. Der von einzelnen Einwendern erhobene Anspruch, dass damit die Mehrheitsmeinung der ortsansässigen Bevölkerung vertreten werde, mag be- rechtigt sein. Der Planungsverband gibt hierzu nochmals den Hinweis, dass das Beteiligungs- verfahren im Rahmen der RREP-Fortschreibung in erster Linie darauf ausgelegt ist, sachliche Hinweise zum Planentwurf zu sammeln. An eine Meinungsumfrage oder einen Bürgerent- scheid wären andere förmliche Anforderungen zu stellen. Hierzu wird auch auf die Erwägun- gen zur Verfahrensdurchführung im Abschnitt 2.2 verwiesen. Der Planungsverband geht in Auswertung der bislang durchgeführten öffentlichen Auslegungen davon aus, dass die bloße Anzahl der Einwendungen allein keine unmittelbaren Rückschlüsse auf Schwere und Ausmaß der mit den betreffenden Vorranggebieten verbundenen Konflikte erlaubt. Die große Anzahl kann gleichwohl ein Hinweis darauf sein, dass bestimmte Belange und Schutzinteressen hier besonders berührt werden. Im Ergebnis der nachfolgend dargelegten Abwägung kommt der Planungsverband jedoch zu dem Ergebnis, dass das Gebiet Nr. 116 kein besonders heraus- gehobenes Konfliktpotenzial aufweist. Bezüglich der maßgebenden Schutzabstände zu den Wohnorten wird auf die diesbezügli- chen Ausführungen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Diese Abstände wurden sehr großzügig be- messen und können nicht beliebig erhöht werden. Bei der Bemessung des Abstandes zur Ortschaft Parchow hat sich der Planungsverband an der hier geltenden gemeindlichen Sat- zung orientiert, die auch gegenwärtig ungenutzte Grundstücke im südlichen Siedlungsteil und das verfallene Gutshaus dem zusammenhängend bebauten Ortsteil zuordnet. Der von einzel- nen Einwendern angemahnten planerischen Vorsorge wird damit sehr weitgehend Rechnung getragen. Die Betrachtung des baulichen Bestandes würde eigentlich eine Einstufung als Split- tersiedlung nahelegen. Mehrere Einwender betonen, dass sie ihren Wohnort absichtlich in einem besonders ruhi- gen und naturnahen Umfeld gewählt haben, und sehen die Errichtung von Windenergiean- lagen als unzumutbaren Eingriff in ihre Wohnumgebung an. Entsprechende Einwände werden auch in anderen Teilen der Region gegen die dort festgelegten Vorranggebiete vorgebracht. Die Gemeinde Biendorf nimmt in dieser Hinsicht keine Sonderstellung ein. Der Planungsver- band ist sich der Bedeutung und der Attraktivität des ländlichen Raumes als Wohnort bewusst und geht davon aus, dass mit den angewandten Planungskriterien dieser Bedeutung hinrei- chend Rechnung getragen wird. Anhand dieser Kriterien werden Teile der Region großräumig von Windparks freigehalten. Im Übrigen wird mit einem Schutzabstand von 800 Metern für alle Wohnhäuser im Außenbereich eine äußerst weitreichende planerische Vorsorge betrieben. Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass der Gesetzgeber den Außenbereich als Standort für störende Anlagen ausdrücklich vorgesehen hat. Das Interesse der Bewohner an der Erhaltung einer möglichst ruhigen Umgebung kann deshalb für die RREP-Fortschreibung nicht allein

311 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 maßgebend sein. Mit der Einhaltung großzügiger Schutzabstände zu allen Wohnhäusern wird gewährleistet, dass mögliche Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes ein vertretbares Maß nicht übersteigen. Eine generelle Garantie zur Erhaltung einer völlig störungsfreien Wohnum- gebung, die alle Hauseigentümer vor jeglichen Veränderungen in ihrer Nachbarschaft schüt- zen würde, kann es nicht geben. Im Übrigen folgt der Planungsverband der von den Einwen- dern abgegebenen Einschätzung nicht, dass sich Parchow in einem besonders ruhigen und naturnahen Umfeld befinden würde. Das Küstenhinterland zwischen Wismar und Rostock, in dem das Gebiet Nr. 116 liegt, bildet innerhalb der Region einen vergleichsweise dicht besie- delten und von Infrastrukturen stark zerschnittenen Teilraum. Gerade unter dem Gesichts- punkt der Vorbelastung müssten Windenergieanlagen vorrangig hier errichtet werden. Eine direkte Zuordnung der Windparks zu besonders störenden Infrastrukturen wie Autobahnen, wie sie von einem Einwender angeregt wird, ist zwar grundsätzlich anzustreben, trifft hier je- doch ebenso auf Vorbehalte der Anwohner. Im Zweifel wird dann umgekehrt argumentiert – in dem Sinne, dass man durch die Autobahn schon genug belastet sei und nicht auch noch einen Windpark ertragen könne. Die Einhaltung maßgebender Richtwerte des Immissionsschutzes in der Umgebung von Windparks ist nicht Gegenstand der RREP-Fortschreibung. Entsprechende Berechnungen und Prüfungen sind erst möglich, wenn eine konkrete Planung zur Ausnutzung des Gebietes Nr. 116 vorliegt. Von einem Einwender werden Vermutungen auf der Grundlage vorläufiger Planungen privater Interessenten angestellt, die wohl in der Gemeinde schon einmal vorge- stellt worden sind. Solche Vermutungen führen jedoch nicht weiter. Letztlich hinge bei jeder denkbaren Windparkkonfiguration die Genehmigung davon ab, dass die maßgebenden Im- missionsrichtwerte eingehalten werden. Dass die von Windenergieanlagen ausgehenden Schallwellen die Bausubstanz von Häusern schädigen können, wie es vereinzelt behauptet wird, glaubt der Planungsverband nicht. Die Einschätzung einiger Einwender, dass der Planungsverband den wirtschaftlichen Inte- ressen von Windparkbetreibern ein höheres Gewicht gegeben habe als den Interessen der Hauseigentümer oder den Belangen der Tourismusförderung, trifft nicht zu. Zutreffend ist, dass die Region Rostock Standort von Unternehmen der Windenergiebranche ist und somit – neben dem allgemeinen öffentlichen Interesse an der umweltverträglichen Energiegewinnung – ein regionalwirtschaftliches Interesse am Ausbau der Windenergienutzung besteht. Ebenso besteht ein regionalwirtschaftliches Interesse daran, den Tourismus zu fördern und die Attrak- tivität der Region als Wohnort zu erhalten. Es besteht somit ein Zielkonflikt, der nicht einfach dadurch gelöst werden kann, dass ein einzelnes Interesse über alle anderen gestellt wird. Die Region kann weder allein vom Tourismus noch allein von der Energiegewinnung leben. Die verschiedenen Belange und Interessen müssen in ausgewogener Weise berücksichtigt wer- den. Die Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen folgt den einheitlichen Kriterien, die in den Planunterlagen der RREP-Fortschreibung ausführlich beschrieben sind. Die wirt- schaftlichen Interessen einzelner Unternehmen waren bei der Auswahl der Vorranggebiete in keinem Fall maßgebend. Bezüglich der lokalen Häufung von Windparks sowie einer möglichen Umstellungswir- kung auf Ortschaften wird auf die allgemeinen Ausführungen in den Abschnitten 3.5 und 5.2 verwiesen. Die einheitlich angewandten Orientierungswerte zur Bestimmung übermäßiger Zu- sammenballungen werden bei den fraglichen Vorranggebieten in der Umgebung von Neubu- kow nicht überschritten. Die summierte Flächengröße der Gebiete Nr. 15, 22, N1 und 116 wird in anderen Teilen der Region schon von einzelnen Vorranggebieten überschritten. Ansätze einer möglichen Umstellungswirkung sind nur für die Ortschaft Krempin festzustellen. Die Summe der potenziell verstellten Bereiche um diesen Ort beträgt 170 Grad. Der nördliche Umkreis des Ortes würde von Windenergieanlagen weitgehend frei bleiben. Die Gefahr einer besonderen Beeinträchtigung der Anwohner aufgrund der Höhenlage des Vorranggebietes und der Sichtbeziehung zur Ortschaft Parchow kann der Planungsver- band nicht erkennen. Das Gebiet Nr. 116 weist in dieser Hinsicht keinerlei Besonderheiten auf.

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Die Berichte der Anwohner über eigene Vogelbeobachtungen im Gebiet Nr. 116 werden zur Kenntnis genommen. Sie entsprechen den Berichten, die auch von Anwohnern anderer Vorranggebiete gegeben werden. Dass die Region eine erhebliche Bedeutung als Durchzugs- gebiet für nordische Zugvögel hat, ist bekannt. Ebenso bekannt ist die relativ hohe Dichte der Greifvogelvorkommen. Anforderungen des Vogelschutzes sind deshalb schon bei Vorauswahl potenzieller Eignungsgebiete im Rahmen der RREP-Fortschreibung durch großflächig wirk- same Ausschlusskriterien berücksichtigt worden. Die Belange des Greifvogelschutzes wurden bei der endgültigen Auswahl der Vorranggebiete dann nochmals besonders berücksichtigt. Hierzu wird auf den Umweltbericht verwiesen. Bei den Wasservögeln ist davon auszugehen, dass sie Windenergieanlagen meiden und bei der Wahl ihrer Rast- und Nahrungsgebiete anpassungsfähig sind. Einzelne Einwender haben dies selbst beobachtet und berichten davon, dass seit dem Ausbau des Windparks in Cariner- land die Zugvögel vermehrt auf Ackerflächen bei Parchow ausgewichen seien. Wenn im Vor- ranggebiet Nr. 116 ein Windpark errichtet wird, ist wiederum damit zu rechnen, dass die Vögel auf andere Flächen ausweichen. Das Angebot geeigneter Nahrungsflächen ist in der von weit- räumiger Ackerlandnutzung geprägten Region Rostock sehr groß und stellt keine kritische Größe im Hinblick auf die Belange des Vogelschutzes dar. In den landesweiten Untersuchun- gen zur Zugvogeldichte und zur Rastplatzfunktion der Offenlandbereiche wurde der Umge- bung des Gebietes Nr. 116 keine besondere Bedeutung zuerkannt. Die entsprechenden Be- wertungen sind in der Gebietsbeschreibung im Anhang des Umweltberichtes wiedergegeben. Bezüglich des angrenzenden Vogelschutzgebietes werden von den Einwendern grundsätz- liche Fragen aufgeworfen, die den Planungsverband auch schon selbst beschäftigt haben. Ein Einwender berührt den entscheidenden Punkt mit seiner Forderung, dass nicht das Schutzge- biet, sondern die Vögel zu schützen seien, und stellt dazu die Frage, ob der Planungsverband denn wohl glaube, dass die Vögel sich nur innerhalb ihres Schutzgebietes bewegen würden. Der Planungsverband glaubt dies nicht, geht aber sehr wohl davon aus, dass für den Vogel- schutz außerhalb des Schutzgebietes andere Maßstäbe gelten als innerhalb. Würden überall die gleichen Maßstäbe gelten, hätte ein Schutzgebiet keinen Sinn. Das Vorranggebiet Nr. 116 liegt außerhalb des Schutzgebietes. Somit können hier nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie innerhalb des Gebietes. Schutzwürdig ist nach dem Verständnis des Planungs- verbandes sehr wohl das Gebiet, also zunächst die hier vorhandenen Lebensräume in ihrer Funktion als Brutstätten und Nahrungsgründe für die Vogelwelt. Für den Schutz der Lebewe- sen gelten dagegen die Bestimmungen des Artenschutzes, die ungeachtet irgendwelcher Schutzgebiete grundsätzlich überall anzuwenden sind. Somit kann auch der Einschätzung der Naturschutzbehörde nicht gefolgt werden, die eine abschließende Verträglichkeitsprüfung bezüglich der Schutzziele des Vogelschutzgebie- tes von der in einem zukünftigen Erhebungsjahr ermittelten Brutplatzverteilung abhängig ma- chen möchte. Das Ergebnis der mit der RREP-Fortschreibung vorgenommenen Prüfung ist für nachfolgende Genehmigungsverfahren verbindlich und kann sich nicht von Jahr zu Jahr än- dern. Solange sich die Schutzgebietsgrenzen sowie die maßgebenden Schutzziele und Ziel- arten nicht ändern, wird auch das Ergebnis einer Verträglichkeitsprüfung immer gleich ausfal- len müssen. Grundsätzlich zutreffend ist, dass bei der Verträglichkeitsprüfung mögliche Einwirkungen von außen auf das Schutzgebiet zu beachten sind. Der Planungsverband hat dementsprechend die möglichen Wirkungen eines Windparks auf das angrenzende Schutzgebiet betrachtet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Wirkungen nicht erheblich wären. Hierzu wird auf die Ausführungen im Abschnitt 9 des Umweltberichtes verwiesen. Bei der Bewertung der Er- heblichkeit solcher äußeren Einwirkungen dürfen keine überzogenen Maßstäbe angelegt wer- den. Ein überzogener Maßstab würde aus Sicht des Planungsverbandes angelegt, wenn um jedes Vogelschutzgebiet eine zusätzliche Abstandszone berücksichtigt werden sollte, welche dem typischen Aktionsradius der hier vorkommenden geschützten Vogelarten entsprechen würde. Eine Zielart des Vogelschutzgebietes Kariner Land ist der Seeadler. Die in Mecklen-

313 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 burg-Vorpommern geltende Abstandsempfehlung für Brutplätze des Seeadlers beträgt min- destens 2.000 Meter und in Verbindung mit wichtigen Nahrungshabitaten bis zu 6.000 Metern. Mit einem zusätzlichen Schutzabstand von 2.000 Metern würde sich die Fläche des Vogel- schutzgebietes bereits nahezu verdoppeln. Daran würde sich die Frage anschließen, warum die Grenzen des Schutzgebietes vom Verordnungsgeber nicht von vornherein so gewählt wur- den, dass es die wichtigen Lebensräume der maßgebenden Zielarten vollständig umfasst. Der Planungsverband vertritt die Auffassung, dass die von verschiedenen Seiten gegebenen An- regungen zur Berücksichtigung zusätzlicher Schutzabstände um die Schutzgebiete auf über- wiegend beliebigen Erwägungen und Annahmen beruhen, die weder fachlich noch rechtlich begründet sind. Hierzu wird auch auf die diesbezüglichen allgemeinen Ausführungen im Ab- schnitt 5.6 verwiesen. Der Planungsverband geht davon aus, dass der Schutz bestimmter Le- bensräume – hier insbesondere die Erhaltung störungsarmer, unzerschnittener Offenlandbe- reiche – nur innerhalb Grenzen des Schutzgebietes wirksam wird. Die Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Schutzgebietes ist in der Regel rechtlich unerheblich. Im Ergebnis seiner im Umweltbericht wiedergegebenen Verträglichkeitsprüfung hat der Pla- nungsverband erkannt, dass ein Windpark im Gebiet Nr. 116 durch seine Vergrämungswir- kung die angrenzende Offenlandfläche im Vogelschutzgebiet in ihrer Funktion als Nahrungs- habitat für Wat- und Wasservögel beeinträchtigen würde. Ein Einwender stellt dazu die Frage, wie der Planungsverband denn sicherstellen wolle, dass die von ihm angenommene Meidungszone von den betroffenen Vögeln tatsächlich gemieden würde. Der Planungsver- band muss dies nicht sicherstellen, weil es der allgemeinen Erfahrung entspricht, dass diese Vögel einen gewissen Abstand zu potenziellen Störquellen und Gefahrenbereichen einhalten. Dieses Verhalten kann während der Zugsaison von jedem Bürger selbst beobachtet werden. Einzelne Einwender haben den Eindruck gewonnen, dass die Ausführungen im Umweltbe- richt im Widerspruch stünden zum veröffentlichten Untersuchungsbericht des Ingeni- eurbüros Günther, obwohl beide Dokumente sich auf dieselbe Vogelerhebung des Jahres 2016 beziehen. Der Planungsverband gibt hierzu den Hinweis, dass es im Abschnitt 9.4.2 des Umweltberichtes um die an das Gebiet Nr. 116 direkt angrenzenden Wälder innerhalb des Vogelschutzgebietes geht, während im Bericht des Gutachters ein Untersuchungsraum im Umkreis von 2 Kilometern um das gesamte Vorranggebiet beschrieben wird. Der dem Vor- ranggebiet nächstgelegene Brutplatz eines Rotmilans wurde damals in etwa 1.000 Metern Entfernung vom Vorranggebiet ermittelt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Rot- milan in der vergleichsweise reich strukturierten, mit Waldstücken durchsetzten Landschaft des Vogelschutzgebietes Kariner Land überall geeignete Bruthabitate vorfindet, sodass auch in den Randbereichen des Schutzgebietes jederzeit mit Brutvorkommen zu rechnen wäre. Die Festlegung des Vorranggebietes wird dadurch nicht in Frage gestellt. weil die Funktion der betreffenden Wälder als Bruthabitate durch einen Windpark nicht in erheblicher Weise beein- trächtigt würde. Bezüglich des Schutzes der Fledermäuse wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Um- weltbericht verwiesen. Mögliche Auswirkungen eines Windparks auf den Bestand der Meerforellen im Gewäs- sersystem des Hellbaches oder sonstige ökologische Beeinträchtigungen der Gewässer sind für den Planungsverband nicht erkennbar. In einer der diesbezüglichen Stellungnahmen wird ausdrücklich ausgeführt, dass lediglich allgemeine wissenschaftliche Erkenntnisse dar- über vorliegen, dass Fische physiologische Reaktionen auf Schallwellen zeigen können. Alles Weitere ist Spekulation. Der Planungsverband muss sich bei der Betrachtung möglicher Um- weltauswirkungen auf bekannte Wirkungszusammenhänge und begründete Annahmen be- schränken. Er muss weder Spekulationen nachgehen, noch eigene ökologische Grundlagen- forschungen betreiben. Bezüglich einer möglichen Freisetzung wassergefährdender Stoffe ist das allgemeine Risiko, das von Windenergieanlagen ausgeht, im Umweltbericht dargelegt. Wasser und Boden im Vorranggebiet Nr. 116 weisen diesbezüglich keine Besonderheiten auf, die ein erhöhtes Gefährdungspotenzial mit sich bringen würden.

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Die Lage in der äußeren Schutzzone eines Trinkwasserschutzgebietes steht der Festlegung des Vorranggebietes nicht entgegen. Der Schutz des Trinkwassers wird bei der RREP-Fort- schreibung angemessen berücksichtigt, indem die engeren Schutzzonen der Wasserschutz- gebiete von der Windenergienutzung ausgeschlossen bleiben. Dies entspricht der Systematik abgestufter Schutzanforderungen, wie sie in den entsprechenden Schutzgebietsverordnungen vorgesehen ist. In den räumlich weit gefassten äußeren Schutzzonen der Wasserschutzge- biete ist die Windenergienutzung generell möglich. Die damit verbundenen Risiken für das Grundwasser sind nicht höher als bei anderen Nutzungen für Landwirtschafts-, Verkehrs- und Siedlungszwecke, die in den äußeren Schutzzonen ebenfalls regelmäßig zulässig sind. Die Hinweise auf Vorbehalte der Flugsicherung und die im Vorranggebiet verlaufende Richtfunkstrecke werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vor- ranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das Gebiet Nr. 116 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

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8.5 Kirch Mulsow (Nr. 117)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Kirch Mul- erhöht gering gering gering keine gegeben gut geeig- sow (117) net

Ergebnis der Abwägung: Festlegung als Vorranggebiet.

8.5.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürgerin aus Kirch Mulsow • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienst- stelle Kiel – Schutzbereichbehörde) • Gemeinde Carinerland • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Gemeinde Kirch Mulsow • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin

8.5.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin aus Kirch Mulsow beklagt, dass die bereits erfolgte Errichtung von sechs Windenergieanlagen zu Erprobungszwecken massive Kritik bei den Anwohnern und den Mit- gliedern der Gemeindevertretung hervorgerufen habe. Die Ersetzung des gemeindlichen Ein- vernehmens habe das Vertrauen in die demokratischen Strukturen erschüttert. Die Anlagen befänden sich nur 1.000 Meter vom Dorf entfernt, seien für die Bewohner sichtbar und würden das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Im Zusammenwirken mit den in der Nachbar- gemeinde Carinerland stehenden Anlagen sei eine massive Umzingelung des Dorfes entstan- den, die mit starker Belästigung durch Lärm und Schlagschatten sowie störender nächtlicher Beleuchtung der Anlagen einhergehe. Durch den Transport der Anlagenteile seien bereits er- hebliche Straßenschäden entstanden. Bei den errichteten Prototypen fehle es an der Möglich- keit der finanziellen Beteiligung der Anwohner und der Gemeinden. Die Strompreise seien in Mecklenburg-Vorpommern sehr hoch und stiegen weiter. Bezüglich des Schutzes der Vögel äußert die Einwenderin Zweifel, ob die durchgeführten Untersuchungen ausreichten und die notwendigen Schutzmaßnahmen von den Anlagenbetreibern richtig durchgeführt würden.

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Schall- und Lichtemissionen seien nach Kenntnis der Einwenderin bisher nur anhand von Mo- dellrechnungen untersucht worden. Eine Messung vor Ort, insbesondere bei starkem bis stür- mischem Wind, müsse nach Aufbau aller Anlagen unbedingt erfolgen. Zu möglichen Gesund- heitsschäden durch Infraschall seien in Deutschland bisher nur zwei Studien durchgeführt worden. Dies sei bemerkenswert für ein Land mit der dritthöchsten Anzahl an Windenergiean- lagen weltweit. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel – Schutzbereichbehörde) weist auf die Lage des Vorranggebietes Nr. 117 im erweiterten Interessengebiet (35-bis-50-Kilometer-Umkreis) um die Großradaranlage El- menhorst (Nordwestmecklenburg) hin. Anhand von Höhen, Standorten und Typen geplanter Windenergieanlagen sei zu gegebener Zeit zu prüfen, ob negative Auswirkungen auf die Ra- darerfassung befürchtet werden müssten. Im Ergebnis dieser Prüfungen könne es zu ableh- nenden Bescheiden kommen. Die Gemeinde Carinerland stimmt dem Entwurf vom November 2018 zu und regt zusätzlich an, dass eine einheitliche Flugbefeuerung der Windparks angestrebt werden sollte. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die (marginale) Über- schneidung des Gebietes Nr. 117 mit der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hin. Außerdem würde ein Mindestabstand von 2,5 Kilometern zu den benachbarten Vorranggebieten Nr. N1 und 15 nicht eingehalten. Die Gemeinde Kirch Mulsow (seit Mai 2019 Teil der Gemeinde Carinerland) kritisiert, dass bereits während des laufenden Verfahrens der RREP-Fortschreibung Windenergieanlagen- Prototypen im Gebiet Nr. 117 genehmigt und errichtet worden sind. Die Genehmigungen seien zum Teil ohne gemeindliches Einvernehmen erteilt worden. Dieses Vorgehen, mit dem bereits Tatsachen geschaffen worden seien, während das fragliche Vorranggebiet noch auf seine Eig- nung hin untersucht wurde, habe in der Gemeinde erhebliche Diskussionen ausgelöst. Das Vertrauen in die Arbeit der Behörden und der Landesregierung sei gestört. Es entstehe der Eindruck, dass über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg entschieden werde, egal wie engagiert diese sich am Verfahren der RREP-Fortschreibung beteiligten. Die Gemeinde wiederholt nochmals wesentliche Kritikpunkte, die sie bereits zum ersten Entwurf der RREP- Fortschreibung im Jahr 2013 vorgetragen hatte. Diese bezogen sich zum einen auf die (im Verhältnis zur Größe des Vorranggebietes) relativ große Zahl an Anlagen, die hier geplant waren; entsprechend hoch würde die Geräuschbelastung der Anwohner sein. Zum anderen wurden Vorbehalte gegen die Reservierung des Gebietes für Windenergieanlagen-Prototypen geäußert. Diese bezogen sich auf eine befürchtete permanente Bautätigkeit mit entsprechen- dem Schwerverkehrsaufkommen, wenn die Anlagen, wie im ersten Entwurf vorgesehen, nur für eine kurze Betriebsdauer errichtet und danach wieder abgebaut würden, um neuen Proto- typen Platz zu machen. Auch hatte die Gemeinde befürchtet, dass die ursprünglich vorgese- henen kurzen Rückbaufristen sowohl einer angemessenen Kompensation der Eingriffe in Na- tur und Landschaft als auch einer wirtschaftlichen Beteiligung der Bürger und Gemeinden entgegenstehen würden. Bezüglich der wirtschaftlichen Teilhabe der örtlich Betroffenen wie- derholt die Gemeinde nochmals ihre früher gegebenen Hinweise. Aus heutiger Sicht müsse festgestellt werden, dass die Akzeptanz der Windenergienutzung in der Gemeinde während der letzten Jahre gesunken und der Friede erheblich gestört sei. Gründe, die in Bürgerfrage- stunden und Diskussionen gegenüber den Gemeindevertretern vorgebracht würden, seien die massive Belastung durch Licht, Schall und Schlagschatten, die bei bestimmten Wetterlagen aufträten, der vermutete Wertverlust von Immobilien, auf deren Verkauf manche Eigentümer angewiesen seien, wenn sie später einmal die Kosten von Pflege und Heimunterbringung be- streiten müssten, sowie die fehlende Teilhabe an den Einnahmen der Anlagenbetreiber und der erzeugten Energie. Die bereits errichteten sechs Anlagen erzeugten in den Monaten No- vember bis Februar Schlagschatten; im Rahmen des Probebetriebes sei jedoch keine entspre- chende Abschaltung in den betreffenden Zeiträumen erfolgt. Die Schallimmissionen seien an- hand von Modellrechnungen, nicht von Messungen ermittelt worden, wobei Immissionen im Grenzwertbereich von der Genehmigungsbehörde als hinnehmbar eingestuft worden seien.

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Die Gemeinde sieht es als erforderlich an, dass reale Messungen zur Ermittlung der Gesamt- belastung der Anwohner durch Schall und Schattenwurf durchgeführt werden. Die Gemeinde kritisiert außerdem, dass die im Gebiet Nr. 117 bereits vorhandenen Anlagen ohne Beteiligung der Denkmalpflege genehmigt worden seien. Im unmittelbaren Umfeld der zuletzt in der Ge- markung Clausdorf errichteten Anlage und des Windmessmastes befänden sich bronzezeitli- che Fundplätze. Die erteilten Genehmigungen seien diesbezüglich zu überprüfen. Ebenfalls zu überprüfen wäre nach Auffassung der Gemeinde die Einhaltung der Anforderungen des Artenschutzes. Die Gemeinde hält es für erforderlich, dass zu den Zeiten von Mahd und Ernte eine Abschaltung der Anlagen zum Schutz der Vögel erfolgt. Dies habe man bisher nicht be- obachten können. In der Nähe des Gebietes Nr. 117 befinde sich ein Seeadlerhorst, und das Gebiet werde von Flugrouten der Zwergfledermaus durchzogen. Von einer Berücksichtigung entsprechender Schutzabstände sei nichts bekannt. Die Gemeinde wendet sich erneut gegen die Festlegung des Vorranggebietes für einen reinen Testbetrieb, weil für sie dadurch kaum Gewerbesteuereinnahmen zu erwarten seien und somit kein angemessener Ausgleich zu- gunsten der Gemeinde und der Bürger erfolge. Zusammen mit den benachbarten Gebieten Nr. N 1 und 15 entstehe eine Häufung von Windenergie-Vorranggebieten, welche zudem den geforderten Mindestabstand von 2,5 Kilometern untereinander nicht einhalten würden. Die An- siedlung Zarfzow und der Ort Ravensberg seien bereits durch die Windparks in den bestehen- den Eignungsgebieten in problematischem Umfang umstellt. Aus der Blickrichtung von Zarfzow bildeten diese Windparks eine Einheit, sodass ein geschlossenes Segment von 140 Grad des Umkreises mit Anlagen verstellt sei. Mit der Festlegung des Gebietes Nr. 117 würde sich für den Ort Clausdorf eine ähnliche Situation ergeben. Für Ravensberg würde sich eine Umstellung auf mehr als 180 Grad des Umkreises ergeben. Dies stelle eine Verletzung des einschlägigen Planungskriteriums dar, nachdem nur Segmente von jeweils höchstens 120 Grad mit Windenergieanlagen verstellt werden dürften. Der Gemeinde sei bewusst, dass die von der Landesregierung vorgegebenen Planungskriterien Soll-Bestimmungen sind, die der Planungsverband nicht zwingend beachten müsse. Es sei jedoch als problematisch anzuse- hen, wenn nicht nur ein einzelnes Kriterium, sondern zahlreiche Vorgaben missachtet und abgeschwächt würden oder nur eingeschränkte Berücksichtigung fänden. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern kritisiert den aus seiner Sicht zu geringen Abstand des Gebietes Nr. 117 zum Vogelschutzgebiet „Kariner Land“. Grundsätzlich fordert der NABU, dass bei der Festlegung der Vorranggebiete ein Schutzabstand entsprechend der zehnfachen Höhe der Windenergieanlagen, mindestens jedoch von 1.200 Metern eingehalten werde (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders).

8.5.3 Zusammengefasste Abwägung Das Vorranggebiet Nr. 117 ist in den letzten Jahren bereits weitgehend ausgenutzt worden, indem Windenergieanlagen-Prototypen aufgrund der Ausnahmeregelung des RREP zugelas- sen wurden. Die Art und Weise, wie hier bereits vor der Festlegung des Vorranggebietes Fakten geschaffen wurden, mag aus Sicht der Bürger und der ehemaligen Gemeinde Kirch Mulsow kritikwürdig sein. Der Planungsverband gibt jedoch zu bedenken, dass die übermäßig lange Dauer des Planungsverfahrens zur RREP-Fortschreibung zwangsläufig dazu geführt hat, dass ein gewisser Bedarf an Standorten für die – zeitlich nur begrenzt disponible – Erpro- bung und Vermessung von Prototypen entstanden ist. Dabei waren solche Flächen, die ohne- hin zur Festlegung als Eignungs- und Vorranggebiete im RREP vorgesehen waren, einer In- anspruchnahme von Einzelstandorten in der freien Landschaft grundsätzlich vorzuziehen. Das Gebiet Nr. 117 bot sich dafür in besonderer Weise an, weil seine Festlegung im Unterschied zu anderen Gebieten, die in den Entwürfen der RREP-Fortschreibung enthalten waren, kaum in Frage stand. Die von den Anwohnern als negativ empfundene Veränderung ihres Wohnumfeldes möchte der Planungsverband nicht verharmlosen. Sie kann jedoch nicht gänzlich vermieden werden. Der Planungsverband muss grundsätzlich davon ausgehen, dass beim Betrieb der Windener- gieanlagen die einschlägigen Richtwerte des Immissionsschutzes eingehalten werden.

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Wenn die Anwohner den Verdacht haben, dass der Betrieb nicht vorschriftsmäßig erfolgt, müssten sie bei der zuständigen Immissionsschutzbehörde um Überprüfung bitten. Im Rah- men einer solchen Überprüfung können durch die Behörde auch Messungen vor Ort veran- lasst werden. Bezüglich der maßgebenden Schutzabstände zu den Wohnorten und der Aus- wirkungen der Windenergienutzung auf die Anwohner wird auf den Abschnitt 5.1 verwiesen. Zur lokalen Häufung von Vorranggebieten im Raum Neubukow waren in der Abwägungsdo- kumentation vom November 2018 bereits Ausführungen enthalten. Der Planungsverband kommt nach nochmaliger Prüfung zu keinem anderen Ergebnis und schätzt die hier gegebene Häufung als vertretbar ein. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 3.5 verwiesen. Bezüglich der Umstellungswirkung auf umliegende Ortschaften werden prob- lematische Werte nicht erreicht. Dies gilt für den Richtwert von 180 Grad des Umkreises, den der Planungsverband für die Beurteilung der Umstellungsproblematik ansetzt. Es gilt ebenso für den Richtwert von 120 Grad, den die ehemalige Gemeinde Kirch Mulsow mit Bezug auf ein einschlägiges Fachgutachten herangezogen wissen möchte. Bei den Ortschaften Ravensberg und Clausdorf liegt die Summe der verstellten Sektoren im jeweiligen Umkreis deutlich unter 120 Grad. Die Ansiedlung Zarfzow ist stärker betroffen, liegt jedoch im Außenbereich, sodass hier nicht dieselben Maßstäbe angelegt werden können wie an eine zusammenhängend be- baute Ortschaft. Im Übrigen wird der vom Planungsverband angesetzte Richtwert von 180 Grad auch bei der Ansiedlung Zarfzow nicht erreicht. Die Kritik der ehemaligen Gemeinde Kirch Mulsow, dass geltenden Empfehlungen des Lan- des Mecklenburg-Vorpommern bei der RREP-Fortschreibung nicht ausnahmslos gefolgt wurde, trifft zu. Zur Begründung dieser Vorgehensweise waren bereits in den früher veröffent- lichten Entwurfsdokumenten umfangreiche Erläuterungen enthalten. Im Abschnitt 4.4 dieser Abwägungsdokumentation und im Umweltbericht sind wesentliche Erwägungen nochmals dargelegt. Grundsätzlich war der Planungsverband bestrebt, seine Flächenauswahl möglichst weitgehend an den Empfehlungen des Landes auszurichten. Gleichzeitig musste jedoch da- rauf geachtet werden, dass kein Übermaß an Ausschlussflächen entsteht und dass im Ergeb- nis noch ein substanzielles Flächenangebot für die Windenergienutzung verbleibt. Der von der Gemeinde zur Beurteilung von Umstellungswirkungen herangezogene Richtwert von 120 Grad ist in keiner amtlichen Planungsrichtlinie enthalten. Die Gemeinde bezieht sich hierbei auf ein Gutachten, das zwar im Auftrag des Landes erstellt wurde, jedoch nur fachliche Empfehlungen der Gutachter wiedergibt. Im Übrigen wäre nach diesem Gutachten die Umstellung einer Ort- schaft auf bis zu 240 Grad des Umkreises zulässig. Der Planungsverband hat dies für die Region Rostock als zu weitgehend erachtet und hat selbst mit 180 Grad einen strengeren Richtwert eingeführt als von den Gutachtern empfohlen. Bezüglich der vorrangigen Zulassung von Windenergieanlagen-Prototypen im Gebiet Nr. 117 geht der Planungsverband davon aus, dass mit dem Verzicht auf die ursprünglich vor- gesehene obligatorische Befristung der Betriebsdauer wesentlichen Vorbehalten Rechnung getragen wurde. Mit einem grundsätzlich unbefristeten Betrieb der Anlagen ergeben sich für die Anwohner und die Gemeinde keine wesentlich anderen oder stärkeren Auswirkungen, als sie bei einem rein kommerziellen Windparkbetrieb auftreten würden. Tatsächlich einge- schränkt sind allerdings die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Teilhabe von Bürgern und Ge- meinden. Für den Planungsverband hat jedoch das regionalwirtschaftliche Interesse an der Vorhaltung von Prototypenstandorten kein geringeres Gewicht als die wirtschaftlichen Interes- sen einzelner Bürger und Gemeinden, sodass die Planung nicht allein oder vorrangig an letz- teren Interessen ausgerichtet werden kann. Bezüglich des Schutzes der Vögel und Fledermäuse wird auf den Umweltbericht und die Ausführungen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Die bekannten Brutplätze der Seeadler befinden sich in ausreichender Entfernung vom Gebiet Nr. 117. Regelungen zur zeitweisen Abschaltung der Windenergieanlagen aus Gründen des Artenschutzes werden soweit erforderlich bei der Genehmigung der Anlagen getroffen. Solche Regelungen sind nicht Gegenstand der Regio- nalplanung.

319 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Zu den vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bzw. dem NABU-Landesver- band gegebenen Hinweisen auf die Unterschreitung empfohlener Abstände zu einem Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes und zu einem Vogel- schutzgebiet wird auf die diesbezüglichen allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.6 sowie auf den Umweltbericht verwiesen. Der Hinweis auf vorhandene Bodendenkmale in der Nähe der bereits errichteten Anlagen wird zur Kenntnis genommen. Grundsätzlich muss der Planungsverband davon ausgehen, dass bei der Genehmigung und Errichtung von Anlagen im Vorranggebiet die einschlägigen Bestimmungen des Denkmalschutzes eingehalten werden. Eine Überprüfung bereits erteilter Genehmigungen liegt nicht in der Zuständigkeit der Regionalplanung. Der Hinweis auf Vorbehalte der Flugsicherung wird zur Kenntnis genommen. Die zweckmä- ßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Regelungen zur nächtlichen Befeuerung der Windenergieanlagen liegen nicht in der Kom- petenz der Regionalplanung. Das Gebiet Nr. 117 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

320 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.6 Wokrent (Nr. 118)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Wokrent erhöht gering gering erhöht Autobahn nicht gege- geeignet (118) ben

Ergebnis der Abwägung: Festlegung als Vorranggebiet.

8.6.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Schackendorf und aus Jürgenshagen (mit zahlreichen Unterschriften) • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Kloss New Energy GmbH, Rerik • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Gemeinde Satow • Landesamt für Straßenbau und Verkehr, Abt. Autobahn, Güstrow • Denker & Wulf AG, Rerik • Gemeinde Jürgenshagen • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde

8.6.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Schackendorf spricht sich für eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 131 in den Entwurf der RREP-Fortschreibung aus (vgl. die im Abschnitt 8.17 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders) und geht dabei unter anderem auf die Problematik einer möglichen Umstellung von Ortschaften durch Windenergieanlagen ein. Auf der Grundlage des Gutachtens zur Umfassung von Ortschaften (gemeint ist vermutlich das vom Energieministe- rium in Auftrag gegebene Gutachten der Firma Umweltplan aus dem Jahr 2013) komme man zu dem Ergebnis, dass es mit dem Gebiet Nr. 131 für die Orte Jürgenshagen und Bernitt in

321 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 keiner denkbaren Konstellation zu einer unverträglichen Situation kommen würde. Sehr wohl werde aber deutlich, dass mit den Vorranggebieten entlang der Autobahn 20 dieses „Umfas- sungskriterium“ verletzt würde. Mehrere Bürger aus Jürgenshagen sprechen sich gegen die Festlegung des Gebietes Nr. 118 aus und reichen dazu eine Liste mit fast 200 Unterschriften von Bürgern der Gemeinde Jürgenshagen ein. Die Einwender führen dazu aus, dass sie im Rahmen ihrer Unterschriften- sammlung zahlreiche Gespräche mit den betroffenen Bürgern geführt haben, sodass in ihre Stellungnahme die Meinungen und Einschätzungen aller Unterzeichner eingeflossen seien. Jürgenshagen sei schon jetzt im Vergleich zu anderen Gemeinden der Region Rostock über- proportional durch Windenergieanlagen geprägt. Für die Bürger der Ortschaft Wokrent werde die Belastung durch diese Anlagen schon jetzt als nicht akzeptabel angesehen. Die betroffe- nen Anwohner klagten über Schattenwurf und die Blinklichter der Anlagen. Besonders in den Abend- und Nachtstunden sei die Beeinträchtigung der Landschaft durch die Befeuerung der Anlagen extrem. Die Bürger fühlten sich unwohl, wenn sie nach einem Arbeitstag nach Hause kämen und aus ihrem Garten auf 100 Anlagen blicken müssten. Die einhellige Meinung sei, dass das Maß des Erträglichen in der Gemeinde erreicht wäre. Eine Ausnutzung des Gebietes Nr. 118 würde aufgrund der geringen Abstände zu den benachbarten Windparks dazu führen, dass der Eindruck einer geschlossenen „Anlagenwand“ entstünde. Nach Einschätzung der Einwender würde damit auch eine Barriere für die Vögel entstehen, die diesen Bereich als Flugschneise zwischen den Wäldern nördlich und südlich der Autobahn nutzten. Mit vermehr- ten Kollisionen von Greifvögeln wäre zu rechnen, weil diese insbesondere die Waldränder als Sitzwarten und Balzplätze nutzten. Die Einwender weisen nochmals auf den renaturierten Bachlauf der Tessenitz hin, welche das Gebiet Nr. 118 durchfließt. In die Renaturierung des Gewässers sei eine große Summe an Fördermitteln geflossen, um die ökologische Durchgän- gigkeit wiederherzustellen. Es sei wahrscheinlich, dass neben den wassergebundenen Arten auch Vögel wie Greife und Fischreiher dieses Gebiet nutzten. Die Einwender verweisen hierzu auf die im Umweltbericht vom November 2018 wiedergegebenen Bewertungen der Rastplatz- funktion für Wat- und Wasservögel sowie der Zugvogeldichte, welche die Bedeutung des Ge- bietes für die Vogelwelt wiedergeben. Grundsätzlich hätte nach Ansicht der Einwender der gesetzliche Schutzstatus der Bachniederung als sogenanntes FFH-Gebiet und als geschütz- tes Biotop bei der Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen als striktes Aus- schlusskriterium berücksichtigt werden müssen. Eine Beeinträchtigung dieser geschützten Flächen sei gesetzlich verboten. Die Einstufung als bloßes Restriktionskriterium widerspreche somit dem Naturschutzrecht. Die im Umweltbericht wiedergegebene Bewertung des Land- schaftsbildes und der Freiraumfunktion sei aus Sicht der Einwender nicht zutreffend. Eine Ab- wertung aufgrund der Autobahn sei nicht gerechtfertigt. Die Autobahn sei als horizontale Struk- tur hinsichtlich ihrer Wirkung auf das Landschaftsbild nicht mit einem Windpark zu vergleichen. Schaue man von der Straße zwischen Jürgenshagen und Wokrent in Richtung des Gebietes Nr. 118, sei deutlich erkennbar, dass dieser Bereich für den Betrachter den einzig verbliebenen Freiraum darstelle. Auch wenn das Landschaftsbild schon vorbelastet sei, könne dies nicht als Rechtfertigung für eine weitere Verschandelung dienen. Aufgrund der vorhandenen Windener- gieanlagen, die permanente Unruhe in die Landschaft brächten, seien Erholung und Regene- ration für die Bürger schon jetzt erschwert. Ein weiterer Zubau von Anlagen wäre rücksichtslos gegenüber den Menschen. Auch im Hinblick auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bürger dürften gegebene Vorbelastungen nicht als Rechtfertigung für weitere Belastungen dienen. Der Planungsverband habe, gerade im Fall des Gebietes Nr. 118, die Pflicht, neben den energiepolitischen Zielen auch den Schutz der Menschen und der Natur besonders zu beachten. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin.

322 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die Kloss New Energy GmbH bittet den Planungsverband die Problematik der Umstellung von Ortschaften durch Windenergieanlagen in der Abwägung nochmals aufzugreifen. Die Ein- wenderin spricht sich für eine Wiederaufnahme des verworfenen Gebietsvorschlages Nr. 132 (Reinstorf) aus dem Entwurf vom Mai 2014 aus und hat diesbezüglich die möglichen Umstel- lungswinkel bezogen auf alle umliegenden Ortschaften ermittelt. Bei der Bewertung der Er- gebnisse stützt sich die Einwenderin maßgeblich auf das Gutachten Umfassung von Ortschaf- ten durch Windenergieanlagen, welches im Jahr 2013 im Auftrag des Energieministeriums erarbeitet wurde. Im Bezug auf die Ortschaft Wokrent und das gleichnamige Vorranggebiet stelle sich die Situation problematisch dar, weil die von den Gutachtern empfohlenen „Freihal- tewinkel“ von 60 Grad zu den benachbarten Vorranggebieten Jürgenshagen und Hohen Luckow nicht eingehalten würden. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Die Gemeinde Satow wiederholt und bekräftigt wesentliche Ablehnungsgründe, die sie bereits zu den vorangegangenen Entwürfen vorgetragen hatte (vgl. hierzu die Abwägungsdokumen- tation vom November 2018). Sie verweist dabei erneut auf die vergleichsweise hohe Dichte von Windenergieanlagen im Gemeindegebiet, die schon jetzt eine Benachteiligung der Ge- meinde darstelle. In diesem Zusammenhang wird nochmals auf die Umstellungsproblematik für die Orte Satow und Wokrent sowie die gewünschte Einhaltung eines Mindestabstandes zwischen benachbarten Vorranggebieten hingewiesen. Die Gemeinde bringt erneut ihre Be- sorgnis bezüglich möglicher Auswirkungen auf die Bevölkerungs- und Tourismusentwicklung sowie die zentralörtliche Funktion des Gemeindehauptortes Satow zum Ausdruck. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr teilt mit, dass aufgrund jüngster Havariefälle an Windenergieanlagen grundsätzlich von einem Gefährdungspotenzial dieser Anlagen im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auszugehen sei. Von den Bundesautobahnen sei deshalb als Mindestanforderung ein Abstand von 100 Metern (gemessen vom Rand des Rotorkreises) einzuhalten. Empfohlen wird ein höherer Abstand, welcher der Gesamthöhe der Anlage (ein- schließlich Rotorkreis) entsprechen sollte. Der Mindestabstand sei bereits bei der Festlegung der Vorranggebiete für Windenergieanlagen als Ausschlusskriterium zu berücksichtigen. Das Amt weist nochmals auf das bestehende Anbauverbot bis zu einer Entfernung von 40 Metern vom äußeren Fahrbahnrand und den Zustimmungsvorbehalt der Straßenbaubehörde bei der Genehmigung baulicher Anlagen bis zu einer Entfernung von 100 Metern hin. Unter das Verbot und die Beschränkung fallen auch Leitungen, Zuwegungen und Baustelleneinrichtungen. Au- ßerdem wird darauf hingewiesen, dass Zu- und Abfahrten zu den Bundesautobahnen nicht angelegt werden dürfen. Das Amt empfiehlt deshalb vor der Festlegung von Windenergie- Vorranggebieten an Autobahnen zu prüfen, ob die Erschließung über das nachgeordnete Stra- ßen- und Wegenetz für Großraum- und Schwertransporte möglich ist. Zu beachten sei, dass nicht alle Brücken über die Autobahnen für Schwertransporte genutzt werden können, da zum Teil erhebliche Lastbeschränkungen bestehen. Das Amt weist auch auf Fernmeldekabel der Straßenbauverwaltung hin, die entlang der Autobahnen verlaufen. Eine potenzielle Betroffen- heit ergebe sich, wenn Energiekabel von Windparks über mehr als 1.000 Meter Länge parallel neben Kupfer-Fernmeldekabeln geführt werden sollten. In solchen Fällen seien Nachweise über eine mögliche Beeinflussung durch den Vorhabensträger zu erbringen und gegebenen- falls entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen. Die Denker & Wulf AG regt nochmals die Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 119 in die RREP- Fortschreibung an (vgl. hierzu die im Abschnitt 8.7 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwenderin geht dabei vertieft auf die Problematik der lokalen Häufung ein, welche für die Streichung mehrerer potenzieller Eignungsgebiete im Raum Satow/Bützow maßgebend war. Grundsätzlich problematisch an der vom Planungsverband vorgenommenen Bewertung des Problemfeldes Häufung/Ballung sei, dass ein konkreter Bewertungsmaßstab

323 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 fehle und somit ein unbestimmtes Abwägungskriterium vorliege, welches sich lediglich an Richtwerten und Bewertungshilfen orientiere (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.2 wiederge- gebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehand- lung sei es nicht nachvollziehbar, warum der Planungsverband das Gebiet Nr. 119 verworfen, das im selben räumlichen Zusammenhang gelegene Gebiet Nr. 118 jedoch beibehalten habe. Mit dem Gebiet 118 würde die bestehende Reihung von Windparks entlang der Autobahn wei- ter verdichtet und der Abstand zwischen den benachbarten Vorranggebieten zum Teil auf we- niger als einen Kilometer verringert. Das Gebiet Nr. 119 würde dagegen die bestehende Rei- hung nicht weiter verdichten, sondern in gleicher, aufgelockerter Weise nach Osten fortsetzen. Durch das Gebiet 118 würden bislang freie Sichtfelder um die Orte Wokrent, Jürgenshagen, Neukirchen, Reinstorf und Krugland weiter geschlossen. Eine nachvollziehbare Abwägung zwischen den beiden Gebietsalternativen 118 und 119 habe der Planungsverband bisher nicht vorgenommen. Auch der größere Abstand zum Vogelschutzgebiet „Kariner Land“ und die Überschneidung des Gebietes Nr. 118 mit einem europäischen Schutzgebiet würden aus Sicht der Einwenderin eine Abwägung zugunsten des Gebietes Nr. 119 nahelegen. Die Gemeinde Jürgenshagen bekräftigt nochmals ihre bereits zum Entwurf der RREP-Fort- schreibung vom Mai 2014 vorgetragenen Ablehnungsgründe. Diese bezogen sich insbeson- dere auf die befürchtete Umstellungswirkung für den Ortsteil Wokrent und die relativ starke Häufung von Windenergieanlagen in diesem Teil der Region. Die Gemeinde hatte ihre Argu- mentation maßgeblich auf den vom Energieministerium empfohlenen Mindestabstand von 2,5 Kilometern zwischen benachbarten Eignungsgebieten sowie ein ebenfalls vom Energieminis- terium in Auftrag gegebenes Fachgutachten zur „Umfassung“ von Ortschaften und die darin empfohlenen Richtwerte für Umstellungs- und Freihaltewinkel bezogen. Auch die Überschnei- dung des Gebietes Nr. 118 mit einem europäischen Schutzgebiet war von der Gemeinde als Ablehnungsgrund herangezogen worden. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg weist auf das laufende Flurneuordnungsverfahren Wokrent-Jürgenshagen hin. Das Vorranggebiet Nr. 118 liege teilweise im Verfahrensgebiet. Mit der Neuordnung werde zwangsläufig eine neue Eigen- tümerstruktur im Vorranggebiet entstehen. Die Bekanntgabe des Bodenordnungsplanes sei noch im Jahr 2019 vorgesehen. Das Amt weist auch nochmals auf den Verlauf der Tessenitz im Vorranggebiet hin, deren Renaturierung in diesem Abschnitt während der letzten Jahre erfolgt ist. Beidseitig des Bachlaufes ist ein jeweils 7 Meter breiter Streifen als typkonformer Entwicklungskorridor ausgewiesen. Hier sind alle Maßnahmen ausgeschlossen, die zu einer Einschränkung des Fließgewässers führen könnten. Eine eigendynamische Ausbildung von Mäandern durch natürliche Erosion soll innerhalb dieses Streifens zugelassen werden. Auch eine kontrollierte Überstauung nach Starkregenereignissen ist im Entwicklungskorridor zu to- lerieren. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist auf die Überschneidung des Gebietes Nr. 118 mit einem im Landesraumentwicklungsprogramm 2016 festgelegten Vor- ranggebiet für Naturschutz und Landschaftspflege hin. Von der 500-Meter-Abstandszone um dieses Vorranggebiet würde das Gebiet Nr. 118 vollständig überlagert. Nach Auffassung des Landesamtes müsste dies als zwingendes Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung gelten, dessen Anwendung keiner planerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Außerdem werde ein Mindestabstand von 2,5 Kilometern zu den benachbarten Vorranggebieten Nr. 33/45 und 100/101 nicht eingehalten. Bei der fachlichen Bewertung des Gebietes Nr. 118 bezüglich mög- licher Auswirkungen eines Windparks auf den regionalen Biotopverbund folgt das Landesamt dagegen ausdrücklich der Argumentation des Planungsverbandes, wie sie in der Abwägungs- dokumentation vom November 2018 wiedergegeben worden ist. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock wiederholt nochmals ihre Einwände be- züglich der Überschneidung des Gebietes Nr. 118 mit einem Schutzgebiet von gemeinschaft- licher Bedeutung, das zugleich Bestandteil des regionalen Biotopverbundes ist. Es sei zu be- fürchten, dass die mit der Renaturierung der Tessenitz verfolgten Ziele durch die Festlegung des Vorranggebietes für Windenergieanlagen konterkariert würden. Die besondere Bedeutung

324 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dieses Fließgewässers werde durch die mehrfache Sichtung von Schwarzstörchen im Jahr 2014 belegt. Aus Untersuchungen an anderen Windparks innerhalb der Schutzgebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung sei bekannt, dass es vermehrt zu Kollisionen mit Tieren gesetz- lich geschützten Arten komme. Zumindest müsse beiderseits des Schutzgebietes ein Streifen entsprechend dem Rotorradius einer Windenergieanlage (also etwa 60 Meter) von Anlagen freigehalten werden. Wenn das Gebiet Nr. 118 im RREP festgelegt werden solle, müsse, wie bei den Gebieten Nr. 102 und 113, eine Teilung vorgenommen und das Schutzgebiet ein- schließlich des zusätzlichen Schutzabstandes ausgenommen werden.

8.6.3 Zusammengefasste Abwägung Wesentliche Einwände beziehen sich auf die bereits vergleichsweise starke Prägung der Umgebung von Satow und Jürgenshagen durch die vorhandenen Windparks, mit denen aus Sicht der betreffenden Einwender die Grenzen der Verträglichkeit erreicht seien. Der Pla- nungsverband weist darauf hin, dass im Laufe der RREP-Fortschreibung vier größere poten- zielle Eignungsgebiete (Nr. 119, 120, 131 und 132) in diesem Teil der Region verworfen wur- den, um eine übermäßige Zusammenballung von Windparks zu vermeiden. Mit den im Entwurf vom November 2018 letztlich beibehaltenen Gebieten werden nach Auffassung des Planungs- verbandes die Grenzen einer vertretbaren Häufung nicht überschritten. Dies gilt sowohl be- züglich des Gesamtumfangs der direkt benachbarten Vorranggebiete als auch bezüglich einer möglichen Umstellungswirkung auf die umliegenden Ortschaften. Hierzu wird auch auf die all- gemeinen Ausführungen in den Abschnitten 3.5 und 5.2 verwiesen. Die zwischen Satow, Schwaan und Bützow zu verzeichnende Häufung potenzieller Eignungsgebiete ist darauf zu- rückzuführen, dass dieser Teil der Region keine herausgehobene Bedeutung für den Touris- mus oder den Natur- und Landschaftsschutz und auch keine besonders hohe Siedlungsdichte aufweist. Bis zu einem gewissen Grad ist die Konzentration der Windenergienutzung hier pla- nerisch sinnvoll und gewollt. Der Planungsverband kann darin weder eine besondere Benach- teiligung der betroffenen Gemeinden noch ein Entwicklungshemmnis für das Grundzentrum Satow erkennen. Bezüglich der Maßstäbe zur Bewertung unerwünschter Häufungen von Windparks wird ebenfalls auf die Abschnitte 3.5 und 5.2 verwiesen. Es trifft zu, dass es für diese Bewertung an objektiven Bestimmungsgrößen fehlt. Dies trifft jedoch für nahezu alle Planungskriterien zu, die bei der Auswahl der Windenergie-Vorranggebiete angewandt wurden. Auch das von ein- zelnen Einwendern als Argumentationshilfe herangezogene Gutachten zur Umfassung von Ortschaften durch Windenergieanlagen aus dem Jahr 2013 ist keine objektive Grundlage und beruht selbst wiederum nur teilweise auf objektiven Grundlagen. Der Planungsverband hat sich hat anhand dieses Gutachtens, anhand der zu den früheren Entwürfen der RREP-Fort- schreibung eingegangenen Stellungnahmen sowie aufgrund eigener Anschauung ein Urteil gebildet, welches Maß an lokaler Häufung von Windparks in der typischen Agrarlandschaft der Region Rostock als noch vertretbar angesehen werden kann und ab welchem Grad an Land- schaftsveränderung die Grenze zur technisch überprägten Energie- oder Industrielandschaft überschritten würde. Verschiedentlich – so auch am Beispiel des Gebietes Nr. 118 – wird kri- tisiert, dass in der Region Rostock auf die Anwendung eines 2,5-Kilometer-Schutzabstandes sowie eines 60-Grad-Freihaltwinkels zwischen benachbarten Vorranggebieten verzichtet wurde. Eine starre Anwendung dieser Richtwerte hält der Planungsverband für übertriebenen Schematismus, der nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen würde. Beide Richtwerte ver- hindern nicht das Entstehen extremer lokaler Häufungen von Windenergie-Vorranggebieten und die – in der Region Rostock unerwünschte – Veränderung des Landschaftsbildes von der Agrar- zur Energie- oder Industrielandschaft. Bezüglich der Ortschaft Wokrent, wo sich Ansätze einer Umstellungswirkung am deutlichs- ten abzeichnen, ist festzustellen, dass mit dem neuen Vorranggebiet Nr. 118 und den Wind- parks in den benachbarten Gebieten Nr. 33/45 und 100/101 ein Winkel von 140 Grad in der Summe der verstellten Sektoren des näheren Umkreises nicht überschritten würde. Der ge- samte südliche Umkreis des Ortes bleibt frei von Windenergieanlagen. Auch wenn man den

325 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 aus dem Gutachten Umfassung von Ortschaften durch Windenergieanlagen entnommenen Betrachtungsradius von 3,5 Kilometern als zu klein ansehen und stattdessen einen Umkreis von 5 Kilometern in die Betrachtung einbeziehen wollte, würde sich kein höherer Wert erge- ben. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Ortschaft Wokrent keine ausgeprägte dörfliche Siedlungsform, sondern eher die Bebauungsstruktur einer Splittersiedlung aufweist. Das Orts- bild kann hier nicht in gleichem Maße als schützenswert angesehen werden wie bei den be- nachbarten Orten Satow und Jürgenshagen. Bei diesen beiden Orten ist die Summe der ver- stellten Sektoren im jeweiligen Umkreis noch geringer als bei Wokrent. Von mehreren Einwendern wird das Fachgutachten Umfassung von Ortschaften durch Wind- energieanlagen herangezogen, um dem Planungsverband nahezulegen, dass auf die Fest- legung des Gebietes Nr. 118 zugunsten anderer, im Laufe der RREP-Fortschreibung verworfener Gebiete verzichtet werden sollte. Maßgeblich wird dabei auf den sogenannten „Freihaltekorridor“ von 60 Grad des Umkreises Bezug genommen, der auf Empfehlung der Gutachter zwischen benachbarten Windparks eingehalten werden sollte. Die Bedenken des Planungsverbandes gegen eine schematische Anwendung dieses Richtwertes und eine – von den Gutachtern ebenfalls empfohlene – Zulassung von Umstellungen auf bis zu zwei Dritteln des Umkreises (zweimal 120 Grad) sind im Abschnitt 5.2 dargelegt. Für die Streichung der Gebiete Nr. 131 und 132 aus dem Entwurf der RREP-Fortschreibung war nicht die mögliche Umstellung von Ortschaften maßgebend – vielmehr sollte ein optisches Zusammenwachsen der Windparks um Satow mit denen nördlich von Bützow vermieden werden. Für die Strei- chung des Gebietes Nr. 119 war dagegen tatsächlich die Umstellung maßgebend, die hier bezogen auf die Ortschaft Hohen Luckow deutlich mehr als 180 Grad ausgemacht hätte. Das Gebiet Nr. 118 hat keine vergleichbare Wirkung auf das Ortsbild von Hohen Luckow oder an- derer Dörfer. Die Gebiete 118 und 119 wirken bezüglich der Umstellung der Ortschaften nicht kumulativ. Abwägungen im Sinne einer Alternativenprüfung, wie sie von der Denker & Wulf AG ausdrücklich nahegelegt wird, waren somit nicht durchzuführen. Hierzu wird auch auf die Ausführungen zu den betreffenden Gebieten weiter unten verwiesen. Eine übermäßig ausgeprägte Barrierewirkung im Landschaftsraum kann der Planungsver- band im Zusammenhang mit der Festlegung des Gebietes Nr. 118 nicht erkennen. Die sehr eng benachbarten Gebiete Nr. 33/45, 118 und 100/101 dehnen sich zusammen in der Ost- West-Richtung nicht weiter aus als das Gebiet Nr. 100/101 allein in der Nord-Süd-Richtung. Bezüglich der Überschneidung des Gebietes Nr. 118 mit einem Schutzgebiet von gemein- schaftlicher Bedeutung (sog. FFH-Gebiet) wird auf den Umweltbericht sowie auf die Erläu- terungen zur Bindungswirkung der Vorranggebiete im Begründungsteil der RREP-Fortschrei- bung verwiesen. Der rechtliche Status des Schutzgebietes wird durch die Festlegung des Vorranggebietes für Windenergieanlagen nicht berührt. Die Berücksichtigung der sogenann- ten FFH-Gebiete als bloßes Restriktionskriterium bei der Flächenauswahl (und nicht als strik- tes Ausschlusskriterium) erfolgte in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Landesre- gierung. In den FFH-Gebieten besteht – anders als in Naturschutzgebieten – kein generelles Bauverbot. Strikt geschützt sind jeweils bestimmte Lebensräume innerhalb der FFH-Gebiete. Soweit in diese Lebensräume nicht eingegriffen wird, sind Errichtung und Betrieb von Wind- energieanlagen in den Schutzgebieten grundsätzlich möglich. Somit ist es planerisch sachge- recht, sie bei der Flächenauswahl für die Windenergienutzung nicht von vornherein auszu- schließen. Im Fall des Gebietes Nr. 118 entfaltet die geschützte Niederung der Tessenitz eine ebensolche Wirkung wie die Autobahn mit den beidseitig der Fahrbahn geltenden straßen- rechtlichen Anbauverboten: Sie bildet einen Korridor innerhalb des Vorranggebietes, der für die Errichtung von Windenergieanlagen nicht genutzt werden kann – stellt aber die zweckmä- ßige Ausnutzung des Vorranggebietes insgesamt nicht in Frage. Die vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie vertretene Auffassung, dass schon die im Landesraumentwicklungsprogramm von 2016 erfolgte Festlegung der Tessenitz als Vorranggebiet für Naturschutz und Landschaftspflege zum Ausschluss des Gebietes Nr. 118 führen müsste, teilt der Planungsverband nicht. Die Festlegung des Vorranggebietes beruht auf dem Kriterium „naturnahe Fließgewässerabschnitte“. Fließgewässer wurden jedoch

326 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 vom Planungsverband bei der Auswahl potenzieller Windenergie-Eignungsgebiete generell nicht als Ausschlusskriterium berücksichtigt, weil sie (im Maßstab der Regionalplanung) line- are Elemente sind, die in einem Katalog von Ausschlussflächen einen Fremdkörper bilden und geometrisch nicht flächenwirksam werden können. Aus Gründen der Maßstäblichkeit sind auch in der Karte des Landesraumentwicklungsprogrammes die betreffenden Fließgewässer als lineare Strukturen angelegt. Der vom Landesamt zusätzlich geforderte Schutzabstand von 500 Metern würde sich zwar tatsächlich flächenhaft auswirken; diese Abstandszone um die Vorranggebiete für Naturschutz und Landschaftspflege wurde jedoch vom Planungsverband generell nur als Restriktionskriterium angewandt, das bei der ersten, rechnergestützten Vor- auswahl potenzieller Eignungsflächen noch nicht wirksam wird. Im Fall der Tessenitz in ihrem Verlauf durch das Gebiet Nr. 118 sind im Zuge der RREP-Fortschreibung keine Belange er- sichtlich geworden, welche die Anwendung dieses Abstandsrichtwertes hier begründen wür- den. Das Landesamt billigt dem Planungsverband ausdrücklich zu, dass bezüglich möglicher Auswirkungen der Windenergienutzung auf das Gewässersystem und dessen Funktion inner- halb des Biotopverbundes in den Entwurfsdokumenten vom November 2018 eine zutreffende Einschätzung erfolgt sei. Aus naturschutzfachlicher Sicht gibt es somit keine gewichtigen Gründe für den pauschalen Ausschluss eines Streifens von zweimal 500 Metern beiderseits der Tessenitz. Die von mehreren Einwendern angeführten Belange des Vogelschutzes und die Funktion der Tessenitz als Teil des Biotopverbundes können einen Ausschluss des Gebietes Nr. 118 aus Sicht des Planungsverbandes nicht begründen. In den früher veröffentlichten Entwurfsun- terlagen der RREP-Fortschreibung wurde bereits ausgeführt, dass eine ausgeprägte Verbund- funktion des Gewässerlaufes nur für land- und wassergebundene Tierarten gegeben ist. Eine Barriere stellt insofern die Autobahn dar; die Errichtung von Windenergieanlagen beiderseits der Gewässerniederung hätte dagegen keinerlei Einfluss auf die ökologische Funktion der Tessenitz als Element des Biotopverbundes. Für bestimmte Großvogelarten hat das renatu- rierte Gewässer zweifellos eine gewisse Attraktionswirkung. Dies trifft jedoch grundsätzlich auf alle naturnahen Biotope zu, die sich innerhalb der Vorranggebiete für Windenergieanlagen befinden. Es trifft ebenso auf die umliegenden Ackerflächen zu. Vereinzelte Sichtungen von Schwarzstörchen, über die im Jahr 2014 zum zweiten Entwurf der RREP-Fortschreibung be- richtet wurde, scheinen sich nicht wiederholt zu haben. Der Planungsverband geht davon aus, dass das bis vor etwa 10 Jahren vorhandene Brutrevier des Schwarzstorches im Bereich der Beke erloschen ist. Bezüglich der von den Bürgern aus Jürgenshagen kritisierten Bewertung der Freiraumfunk- tion und des Landschaftsbildes verweist der Planungsverband auf den Gutachtlichen Land- schaftsrahmenplan Mittleres Mecklenburg/Rostock. Dem Planungsverband liegen keine kon- kreten Hinweise darauf vor, dass die Umgebung des Gebietes 118 darin nicht zutreffend bewertet worden wäre. Richtig ist, dass mit der Neuaufstellung des Landschaftsrahmenplanes im Jahr 2007 Abwertungen entlang der zuvor gebauten Autobahn 20 erfolgt sind. Dass solche vorbelasteten Räume dann auch im Hinblick auf die Windenergienutzung neu bewertet wur- den, ist aus Sicht des Planungsverbandes gerechtfertigt, weil im Sinne des Landschaftsschut- zes eine räumliche Zusammenfassung von technischen Infrastrukturen und Emissionsquellen grundsätzlich erwünscht ist. Dessen ungeachtet wies bereits der erste Landschaftsrahmen- plan aus dem Jahr 1996 südlich von Satow Bereiche aus, die aus der damaligen fachlichen Sicht des Naturschutzes ausdrücklich für die Windenergienutzung vorgeschlagen wurden. Die Hinweise des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr auf die Anbauverbote und An- baubeschränkungen längs der Autobahn werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmä- ßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Bezüg- lich der straßenseitigen Erschließung des Vorranggebietes geht der Planungsverband davon aus, dass die vorhandenen Wege, die beiderseits der Autobahn in das Vorranggebiet Nr. 118 bzw. an dessen Grenzen führen, entsprechend ausgebaut werden können.

327 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die Hinweise auf den Gewässerentwicklungskorridor der Tessenitz sowie die im Gebiet verlaufende Richtfunkstrecke werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnut- zung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das Gebiet Nr. 118 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

328 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.7 Matersen (Nr. 119)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Matersen hoch gering nicht be- erhöht keine nicht be- weniger (119) wertet wertet geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.7.1 Eingegangene Stellungnahmen • Kloss New Energy GmbH, Rerik • Denker & Wulf AG, Rerik

8.7.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die Kloss New Energy GmbH regt die Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 119 in die RREP- Fortschreibung an und schlägt dafür eine gegenüber dem ersten Entwurf von 2013 geänderte Abgrenzung vor. Die Einwenderin hat das vorgeschlagene Gebiet selbst noch einmal anhand der maßgebenden Ausschluss- und Abstandskriterien überprüft und legt dazu eine Ausarbei- tung vor. Auf die für den Planungsverband wesentlichen Ausschlussgründe, die in der Abwä- gungsdokumentation vom November 2018 wiedergegeben wurden, geht die Einwenderin ein, indem sie nochmals eine eigene Bewertung der Umstellungsproblematik vornimmt. Die Ein- wenderin stützt sich dabei auf das Gutachten Umfassung von Ortschaften durch Windenergie- anlagen, das im Jahr 2013 im Auftrag des Energieministeriums von der Firma Umweltplan erstellt worden ist. Bei Anwendung der von den Gutachtern empfohlenen Richtwerte sowie Einhaltung eines Mindestabstandes von 2,5 Kilometern zu den benachbarten Vorranggebieten ergebe sich eine gegenüber dem Entwurfsstand von 2013 deutlich verkleinerte Fläche von 50 Hektar, die aus Sicht der Einwenderin als Vorranggebiet festgelegt werden könnte. Auch die Denker & Wulf AG regt nochmals die Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 119 an. Die Einwenderin kritisiert grundsätzlich, dass der Flächenumfang der Windenergie-Vorrang- gebiete gegenüber dem ersten Entwurf der RREP-Fortschreibung stark verringert wurde, und geht davon aus, dass der Planungsverband mit dem zuletzt geplanten Flächenangebot den energiepolitischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr gerecht würde

329 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

(vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.2 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwende- rin). Die Einwenderin verweist auf ihre bereits früher abgegebenen Stellungnahmen zum Ge- biet Nr. 119 und verzichtet insoweit darauf, die aus ihrer Sicht gegebene grundsätzliche Über- einstimmung des Gebietes mit allen maßgebenden Ausschluss- und Abstandskriterien nochmals detailliert darzulegen. Die Einwenderin geht dafür vertieft auf die Problematik der lokalen Häufung von Eignungsgebieten ein, die für die Abwägung des Planungsverbandes an dieser Stelle maßgebend war. Das Bestreben des Planungsverbandes, zwischen den vorhan- denen Windparkfeldern bei Satow und Bützow einen sichtbaren Freiraum zu erhalten, das zur Streichung der Gebiete 120, 131 und 132 aus dem Fortschreibungsentwurf geführt hatte, ist für die Einwenderin durchaus nachvollziehbar. Für das Gebiet Nr. 119 könne diese Begrün- dung jedoch nicht zutreffen, weil es nicht innerhalb dieses Freiraumes liege. Grundsätzlich problematisch an der vom Planungsverband vorgenommenen Bewertung des Problemfeldes Häufung/Ballung sei, dass ein konkreter Bewertungsmaßstab fehle und somit ein unbestimm- tes Abwägungskriterium vorliege, welches sich lediglich an Richtwerten und Bewertungshilfen orientiere (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.2 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sei es nicht nachvollziehbar, warum der Planungsverband das Gebiet Nr. 119 verworfen, das im selben räumlichen Zusam- menhang gelegene Gebiet Nr. 118 jedoch beibehalten habe. Mit dem Gebiet Nr. 118 würde die bestehende Reihung von Windparks entlang der Autobahn weiter verdichtet und der Ab- stand zwischen den benachbarten Vorranggebieten zum Teil auf weniger als einen Kilometer verringert. Das Gebiet Nr. 119 würde dagegen die bestehende Reihung nicht weiter verdich- ten, sondern in gleicher, aufgelockerter Weise nach Osten fortsetzen. Durch das Gebiet Nr. 118 würden bislang freie Sichtfelder um die Orte Wokrent, Jürgenshagen, Neukirchen, Reinstorf und Krugland weiter geschlossen. Eine nachvollziehbare Abwägung zwischen den beiden Gebietsalternativen 118 und 119 habe der Planungsverband bisher nicht vorgenom- men. Auch der größere Abstand zum Vogelschutzgebiet „Kariner Land“ und die Überschnei- dung des Gebietes Nr. 118 mit einem europäischen Schutzgebiet würden aus Sicht der Ein- wenderin eine Abwägung zugunsten des Gebietes Nr. 119 nahelegen. Hierzu schlägt die Einwenderin nochmals vor, das Gebiet Nr. 119 auf 90 Hektar zu verkleinern und in seiner Abgrenzung derart anzupassen, dass bezüglich der Umstellungswirkung auf die Ortschaft Ho- hen Luckow bestimmte Richtwerte nicht überschritten werden. Insgesamt würde der Ort je- doch auch mit diesem modifizierten Flächenzuschnitt auf mehr als 180 Grad des Umkreises von Windenergieanlagen umstellt. Bezüglich störender Auswirkungen auf die Anwohner ver- weist die Einwenderin auf neueste technische Entwicklungen, welche insbesondere die Schal- lemissionen der Windenergieanlagen mindern und einen Verzicht auf deren dauernde nächt- liche Befeuerung erlauben würden. Um die Akzeptanz unter den Anwohnern zusätzlich zu fördern, sei es denkbar, die Windenergieanlagen in ein System zur Wärmeerzeugung einzu- binden. Über das in Teilen bereits vorhandene lokale Wärmenetz könnten die Anwohner güns- tig mit Wärme versorgt werden. Im Rahmen eines regionalen Pilotprojektes könnte so die sinn- volle Nutzung von Überschussstrom gefördert werden. Darüber hinaus böte das im Jahr 2016 in Kraft getretene Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz interessante Beteiligungsmöglich- keiten für die Anwohner und die Gemeinden. Die Gemeinde Satow würde von zusätzlichen Steuereinnahmen profitieren.

8.7.3 Zusammengefasste Abwägung Mit den Einwendungen zum Gebiet Nr. 119 wird nochmals die Frage aufgeworfen, welche Kriterien zur Bewertung lokaler Häufungen von Vorranggebieten in der RREP-Fortschrei- bung zur Anwendung kommen sollen. Darüber hinaus wird die planungsmethodische Frage aufgeworfen, wie diese Kriterien angewandt werden sollen – als reine Bewertungshilfe oder als scharfe Abgrenzungskriterien, welche sich unmittelbar auf den Flächenzuschnitt der Vor- ranggebiete auswirken. Im Zuge der Aufstellung der bislang geltenden Raumentwicklungsprogramme wurde in Meck- lenburg-Vorpommern vor etwa 15 Jahren ein Mindestabstand zwischen benachbarten

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Windenergie-Eignungsgebieten eingeführt. Als Abstandsrichtwert galten zunächst 5 Kilome- ter. Mit diesem Richtwert sollten unerwünschte lokale Zusammenballungen von Windparks vermieden werden. Für die landesweite Fortschreibung der RREP wurde dieser Richtwert im Jahr 2012 auf 2,5 Kilometer reduziert, um mehr Potenziale für die Windenergienutzung zu erschließen. In der Region Rostock wurden beide Richtwerte nicht schematisch angewandt. Im Vergleich zu den anderen Regionen des Landes ist die Region Rostock dicht besiedelt und von Infrastrukturen stark zerschnitten. Bei Anwendung der flächenbezogenen Ausschlusskri- terien führt diese Raumstruktur dazu, dass relativ kleine Potenzialflächen entstehen, die zum Teil sehr dicht beieinander liegen. Schon die erste Generation der Windenergie-Eignungsge- biete, welche im Jahr 1999 festgelegt wurden, war durch mehrere kleine Windparkfelder cha- rakterisiert, die jeweils durch zwei bis drei eng benachbarte Eignungsgebiete gebildet wurden. Derartige Zusammenballungen in kleinstem Maßstab fügen sich gut in die Landschaft ein und können unter keinem Gesichtspunkt als unverträglich angesehen werden. Für den Planungs- verband gab es somit keinen Grund, solche gut verträglichen Häufungen durch die schemati- sche Anwendung eines pauschalen Mindestabstandes zu verhindern. Auch im Rahmen der jetzt abgeschlossenen Fortschreibung des RREP ist der Planungsverband bei seiner Auffas- sung geblieben, dass ein pauschaler Mindestabstand allein kein geeignetes Mittel darstellt, um tatsächlich unverträgliche und übermäßige Häufungen zu erkennen und zu vermeiden. Infolge der oben erwähnten Reduzierung des Abstandsrichtwertes auf 2,5 Kilometer kam es landeswert vermehrt zu Fällen, in denen Ortschaften von eng benachbarten Windenergie- Potenzialflächen teilweise umschlossen werden. Für die Region Vorpommern wurde da- raufhin das von den Einwendern herangezogene Fachgutachten Umfassung von Ortschaften durch Windenergieanlagen erstellt. Aus Sicht des Planungsverbandes Region Rostock hätte es dieses Gutachtens nicht zwingend bedurft, weil einschlägige Problemfälle von der Regio- nalplanung auch ohne ein solches Gutachten erkannt werden können und müssen. Das ver- gleichsweise hohe Konfliktpotenzial des Gebietes Nr. 119 hatte der Planungsverband somit schon vorher selbst erkannt. Die Umstellungswirkung auf den Ort Hohen Luckow hatte bei der Aufstellung des bislang geltenden RREP bereits einmal dazu geführt, dass die Festlegung des Gebietes Nr. 119 verworfen wurde. Ein Vorteil des Fachgutachtens ist allerdings, dass es ein- heitliche Maßstäbe vorschlägt, anhand derer solche Konfliktfälle bewertet werden können. Der Planungsverband hat sich jedoch die Empfehlungen der Gutachter nicht gänzlich zu eigen gemacht. Eine Umstellung von Ortschaften auf bis zu zwei Dritteln des Umkreises, wie sie von den Gutachtern für die Verhältnisse der Region Vorpommern als verträglich eingeschätzt wird, ist in der Region Rostock nicht gewollt. Auch fehlt es aus Sicht des Planungsverbandes an einer schlüssigen Begründung der von den Gutachtern empfohlenen „Freihaltekorridore“. Hierzu wird auch auf die Ausführungen im Abschnitt 5.2 verwiesen. Für die Bewertung lokaler Häufungen von Windenergie-Vorranggebieten in der Region Rostock ist nicht das von den Einwendern herangezogene Gutachten maßgebend, sondern die im Abschnitt 3.5 dieser Abwägungsdokumentation aufgeführten Kriterien. Für den Pla- nungsverband sind diese Kriterien ein Hilfsmittel der Konflikterkennung und der planeri- schen Abwägung. Wenn ein potenzielles neues Eignungsgebiet im Zusammenwirken mit be- reits festgelegten Gebieten zu einer wesentlichen Überschreitung der angesetzten Richtwerte führen würde, spricht dies für einen Verzicht auf die Festlegung des fraglichen Gebietes. Die Festlegung des Gebietes Nr. 119 würde dazu führen, dass die Ortschaft Hohen Luckow auf deutlich mehr als der Hälfte des Umkreises von Windenergieanlagen umstellt würde. Deshalb wird auf die Festlegung des Gebietes Nr. 119 verzichtet. Die beiden Einwender haben dage- gen ein anderes Verständnis der Häufungskriterien. Die Kloss New Energy GmbH zieht den oben erwähnten 2,5-Kilometer-Abstandsrichtwert mit Bezug auf das benachbarte Gebiet Nr. 100/101 als scharfes Abgrenzungskriterium heran und kommt damit zu einer reduzierten Eignungsfläche des Gebietes Nr. 119, welches dann auch den Umstellungskriterien gerecht würde. Methodisch ist es grundsätzlich möglich, den 2,5-Kilometer-Richtwert in dieser Weise anzuwenden. Dies müsste dann jedoch einheitlich erfolgen und würde zu einer gänzlich an- deren Verteilung und Abgrenzung der Windenergie-Vorranggebiete in der Region Rostock füh- ren. Der Planungsverband hat sich aus dem oben genannten Grund gegen eine schematische

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Anwendung dieses Richtwertes entschieden. Ebenso könnten die Richtwerte zur Umstellung von Ortschaften unmittelbar zur Abgrenzung der Vorranggebiete herangezogen werden, in- dem man diese gerade so anpasst, dass jeweils bestimmte Segmente des Umkreises freige- halten werden. Auch bei der Umstellungsproblematik hat sich der Planungsverband jedoch gegen eine allzu schematische Vorgehensweise entschieden. Aus Sicht des Planungsverban- des gibt es diesbezüglich keine einzig richtige oder falsche Methodik. Der komplette Aus- schluss problematischer Potenzialflächen ist ebenso gerechtfertigt wie deren Anpassung. Letztere Vorgehensweise würde allerdings wiederum die Frage aufwerfen, nach welchen Kri- terien über Beibehaltung oder Weglassung bestimmter Teile einer Potenzialfläche zu entschei- den wäre. Die Denker & Wulf AG beschneidet in ihrem Vorschlag das Gebiet Nr. 119 so, dass es im gedachten Umkreis um den Ort Hohen Luckow einen Winkel von exakt 45 Grad ausfüllen würde. Schlüssig hergeleitet und begründet wird diese alternative Abgrenzung nicht. Der Pla- nungsverband möchte grundsätzlich nicht bestreiten, dass eine solche Anpassung in metho- disch konsistenter und nachvollziehbarer Weise möglich wäre, bleibt aber dennoch bei seiner Entscheidung, das Gebiet Nr. 119 vollständig zu verwerfen. Die Frage der einheitlichen Methodik wird auch von der Denker & Wulf AG selbst aufgeworfen, wenn sie dem Planungsverband vorwirft, keine nachvollziehbare Abwägung bezüglich der Streichung oder Beibehaltung bestimmter Eignungsgebiete im Raum zwischen Satow, Schwaan und Bützow durchgeführt zu haben. Die betrifft erstens die vermeintliche Alternative, das Gebiet Nr. 119 beizubehalten und dafür das Gebiet Nr. 118 zu verwerfen. Aus Sicht des Planungsverbandes ist dies keine Alternative. Ein Windpark im Gebiet Nr. 118 wird nicht zu einer weiteren Umstellung des Ortes Hohen Luckow beitragen. Der für die Streichung des Gebietes Nr. 119 maßgebende Belang wird also durch das Gebiet Nr. 118 gar nicht berührt. Das Gebiet Nr. 118 birgt zwar durchaus ein zusätzliches Umstellungspotenzial im Bezug auf andere Ortschaften; dort ist die Umstellung aber nicht so ausgeprägt wie um Hohen Luckow, und die vom Planungsverband diesbezüglich angesetzten Richtwerte werden nicht überschrit- ten. Zweitens betrifft dies die Gebiete Nr. 120, 131 und 132, die mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes im Jahr 2018 entfallen sind. Maßgebender Grund war hier die gewünschte Er- haltung des noch vorhandenen Freiraumes zwischen den Windpark-Häufungsgebieten bei Sa- tow und Bützow. Die Einwenderin gibt den Hinweis, dass dieser Ausschlussgrund für das Ge- biet Nr. 119 nicht zutreffen könne, weil dieses Gebiet den Abstand zwischen den vorhandenen Windparks nicht maßgeblich verringern würde. Wenn es allein um diesen Belang ginge, wäre der Einwenderin Recht zu geben. Auch dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass im Fall des Gebietes Nr. 119 eine besonders problematische Umstellungssituation vorliegt, die schon für sich genommen den Ausschluss rechtfertigt. Die Überlegungen der Denker & Wulf AG zum Aufbau einer lokalen Wärmeversorgung und zur wirtschaftlichen Beteiligung von Bürgern und Gemeinden werden zur Kenntnis ge- nommen. Der Planungsverband geht davon aus, dass in der näheren Umgebung genügend Windenergieanlagen vorhanden sind, die für entsprechende Modellvorhaben genutzt werden könnten. Die Festlegung eines weiteren Vorranggebietes können solche Überlegungen nicht begründen. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 119 als Vorranggebiet abgesehen.

332 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.8 Klein Belitz (Nr. 120)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Klein Belitz hoch gering nicht be- erhöht keine nicht be- weniger (120) wertet wertet geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.8.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Selow

8.8.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Selow nimmt auch als Bürgermeister der Gemeinde Klein Belitz Stellung. Der Einwender begrüßt ausdrücklich, dass die ursprünglich geplanten Eignungsgebiete Nr. 120, 131 und 132 vom Planungsverband verworfen wurden und im Entwurf vom November 2018 nicht mehr enthalten sind. Der Einwender weist auf die erhebliche Veränderung hin, welche die Landschaft zwischen Satow, Bützow und Schwaan durch die hier errichteten Windparks bereits erfahren hat. Die Lärmbelastung werde von den Anwohnern als erheblich empfunden. Die „Rotlichtbeleuchtung“ suche ihresgleichen und sei nicht mehr akzeptabel. Die Zerstörung des Landschaftsbildes spotte jeder Beschreibung. Durch die Versiegelung des Bodens sei landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gegangen.

8.8.3 Abwägung Die Ausführungen werden zur Kenntnis genommen. Der Planungsverband geht davon aus, dass die Veränderung der Landschaft mit den bisher errichteten Windparks in der Umgebung von Klein Belitz ein verträgliches Maß noch nicht überschritten hat. Zur Bewertung lokaler Häufungen von Eignungsgebieten und zu den Gründen für die Aufgabe der Planung des Gebietes Nr. 120 wird auf die Abwägungsdokumentation vom November 2018 sowie auf die in den Abschnitten 3.5 und 5.2 der vorliegenden Dokumentation wiedergegebenen Erwägun- gen verwiesen. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 120 als Vorranggebiet abgesehen.

333 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.9 Tarnow Ost (Nr. 122)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Tarnow Ost gering gering hoch erhöht keine nicht be- weniger (122) wertet geeignet Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.9.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Tarnow • Gemeinde Dreetz • Bürgerenergiegenossenschaft Steintanz eG, Tarnow • Kloss New Energy GmbH, Rerik • BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin

8.9.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Tarnow nimmt auf die Abwägungsdokumentation vom November 2018 Bezug und kritisiert die dort gegebene Begründung für die Aufgabe des Gebietes Nr. 122. Schutzab- stände zu sogenannten Dichtezentren oder Schwerpunktvorkommen bestimmter Großvogel- arten seien in keiner einschlägigen Richtlinie vorgesehen und könnten deshalb der Festlegung eines Vorranggebietes nicht entgegenstehen. Eine flächenmäßige Überschneidung des Ge- bietes Nr. 122 mit einem Schwerpunktvorkommen des Rotmilans sei nicht einmal ansatzweise gegeben, und das Gebiet weise auch nachweislich keinerlei Überschneidungen mit Abstands- zonen um einzelne Brutplätze geschützter Großvogelarten auf. Der Einwender verweist hierzu auf entsprechende Gutachten, die den zuständigen Behörden im Rahmen des Genehmi- gungsverfahrens für den geplanten Bürger- und Gemeindewindpark im Gebiet Nr. 122 vorge- legt worden sind. Bei den beplanten Grünlandflächen handle es sich aufgrund der extensiven Bewirtschaftung mit entsprechend hohem Aufwuchs gerade nicht um bevorzugte Nahrungs- habitate von Rot- und Schwarzmilan. Bei strikter Anwendung der Artenschutzrechtlichen Ar- beits- und Beurteilungshilfe wären nach der letzten Bestandsaufnahme der Großvogelbrut- plätze acht Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 122 regulär genehmigungsfähig, ohne dass

334 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen erteilt werden müssten. Der Einwender ver- weist dazu auf ein Lenkflächenkonzept, das im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bereits mit den Naturschutzbehörden abgestimmt worden sei. Bezüglich der zum Entwurf vom Mai 2014 vorgebrachten Belange des Weißstorchenschutzes weist der Einwender darauf hin, dass in Tarnow seit acht Jahren keine Weißstörche mehr brüteten. Der aufgegebene Nistplatz sei zwischenzeitlich im Zuge einer Dachsanierung entfernt, und eine neu errichtete Nisthilfe von den Störchen bisher nicht angenommen worden. Aufgrund der jüngsten Bestandsentwicklung des Weißstorches rechneten selbst Naturschutzfachleute nicht mehr damit, dass das Brutre- vier Tarnow wieder besetzt würde. Eine mögliche nachwirkende Schutzfrist sei hier mittlerweile weit überschritten, sodass Belange des Storchenschutzes der Festlegung des Gebietes Nr. 122 als Vorranggebiet nicht mehr entgegenstehen könnten. Die in der Abwägungsdokumen- tation vom November 2018 wiedergegebenen Einwände der NABU-Ortsgruppe Güstrow so- wie des Landesjagverbandes beruhten offensichtlich auf Annahmen und Spekulationen. Wenn Beobachtungen der Kornweihe, potenzielle Horstbäume eines Seeadlers, das häufige Auftre- ten des Mäusebussards als Nahrungsgast oder vorhandene Heckenstrukturen ernsthafte Aus- schlussgründe für die Windenergienutzung sein sollten, müsste wohl ein Großteil der geplan- ten Eignungs- und Vorranggebiete ausgeschlossen werden. Für die betreffenden Einwender stünden offensichtlich nicht Tatsachen im Vordergrund, sondern vielmehr der Wunsch, die Festlegung eines Vorranggebietes zu verhindern. Der Planungsverband dürfe seine Abwä- gung nicht auf bloße Annahmen und Spekulationen stützen. Der Einwender empfiehlt statt- dessen die im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahrens erarbeiteten Fachgutachten für die Beurteilung der naturschutzfachlichen Belange heranzuziehen. Auch auf weitere Hin- weise anderer Beteiligter, die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wieder- gegeben sind, geht der Einwender in seiner Stellungnahme ein. Dies betrifft die Hinweise des Staatlichen Umweltamtes zur Wegeerschließung eines möglichen Windparks und des NABU- Landesverbandes zum Erfordernis einer Verträglichkeitsprüfung mit Bezug auf das nahegele- gene Vogelschutzgebiet. Abschließend weist der Einwender darauf hin, dass mit der förmli- chen Zulassung einer Zielabweichung zugunsten des geplanten Bürger- und Gemeindewind- parks durch das Energieministerium bereits eine positive Vorentscheidung für die Windenergienutzung im Gebiet Nr. 122 getroffen worden sei. Dies sei im ausdrücklichen Ein- vernehmen mit dem Planungsverband erfolgt. Das Energieministerium habe seine Entschei- dung im Jahr 2018 noch einmal ausdrücklich bekräftigt. Der Planungsverband habe diesen besonderen Umstand in seiner Abwägung nicht angemessen berücksichtigt. Die Gemeinde Dreetz spricht sich gegen die mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes erfolgte Streichung des Gebietes Nr. 122 aus. Die Gemeinde weist auf die seit mehreren Jah- ren laufenden Planungen zur Errichtung eines Bürger- und Gemeindewindparks im Gebiet Nr. 122 hin, die den Beteiligten – darunter der Gemeinde Dreetz – bereits erhebliche wirt- schaftliche Aufwendungen verursacht habe. Dies sei im Vertrauen auf die positive Entschei- dung des Energieministeriums erfolgt, das hier im Einvernehmen mit dem Regionalen Pla- nungsverband eine Abweichung von den Zielen der Raumordnung ausdrücklich zugelassen hat. Dieser besondere Umstand sei in der Abwägung nicht hinreichend gewürdigt worden. Man sei davon ausgegangen, dass der Entscheidung des Ministeriums eine sorgfältige Untersu- chung der fraglichen Fläche durch die beteiligten Behörden vorausgegangen wäre. Die Natur- gegebenheiten am Ort hätten sich seit dieser Entscheidung nicht verändert. An die natur- schutzfachliche Bewertung des Gebietes könnten jetzt nicht nachträglich neue Maßstäbe angelegt werden. Der Schutz von Großvögeln wie dem Weißstorch und dem Rotmilan sei im bereits begonnenen Genehmigungsverfahren berücksichtigt worden, indem entsprechende Ausgleichs- und Lenkungsflächen vorgesehen worden seien. Die in der Abwägungsdokumen- tation vom November 2018 wiedergegebene Stellungnahme der NABU-Ortsgruppe Güstrow beruhe großenteils auf Annahmen und Erwartungen, nicht auf Tatsachen. So habe in Tarnow seit acht Jahren kein Weißstorch mehr gebrütet. Somit könne dieses ehemalige Brutrevier nicht als Ablehnungsgrund gegen das Gebiet Nr. 122 angeführt werden. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie habe gemäß der Abwägungsdokumentation keine Beden- ken gegen dieses Gebiet geäußert. Die vom Planungsverband getroffene Einschätzung, dass

335 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 das Gebiet Nr. 122 ein bevorzugtes Nahrungshabitat des Rotmilans wäre, treffe nicht zu: Die betreffenden Grünlandflächen unterlägen einer extensiven Bewirtschaftung, sodass sie für die Greifvögel nur an wenigen Tagen im Jahr als Nahrungsflächen verfügbar seien. Außerdem würde die Hälfte der hier geplanten Windenergieanlagen auf Ackerland errichtet. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebene naturschutzfachliche Be- wertung sei in Teilen willkürlich und nicht durch aktuelle Erhebungen oder Gutachten unter- setzt. Die Gemeinde bittet darauf zu achten, dass bei der naturschutzfachlichen Bewertung des Gebietes Nr. 122 nicht strengere Maßstäbe angelegt werden als bei anderen geplanten Vorranggebieten in der Region. Die Bürgerenergiegenossenschaft Steintanz äußert sich im gleichen Sinne wie die Ge- meinde Dreetz und lehnt die Streichung des Gebietes Nr. 122 ab. Sie betont den Modellcha- rakter des hier geplanten Windparks und den hohen Anteil der Bürger und Gemeinden an der Betreibergesellschaft. Die Einwenderin bezieht sich ebenfalls auf die Stellungnahme der NABU-Ortsgruppe Güstrow zum Entwurf vom Mai 2014, die offensichtlich nicht auf tatsächli- chen Beobachtungen, sondern überwiegend auf Annahmen, Eventualitäten und Fehlurteilen beruhe. Die Weißstörche in Tarnow hätten schon seit acht Jahren kein Brutverhalten mehr gezeigt; seitdem seien nur noch Einzeltiere bei kurzen Horstbesuchen gesehen worden. Auch die Beeinträchtigungen der Lebensräume des Seeadlers und der Fledermäuse würden vom NABU nur als Möglichkeit in den Raum gestellt. Die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebenen Hinweise des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie, des NABU-Landesverbandes, des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt sowie der Wasser- und der Denkmalbehörde des Landkreises ließen sich nach Auffassung der Einwenderin im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahrens klären. Die Kloss New Energy GmbH verweist auf das laufende Genehmigungsverfahren für einen Windpark im Gebiet Nr. 122, das von der Einwenderin selbst betrieben wird. Die für dieses Vorhaben getroffene Entscheidung über die Zulassung einer Abweichung von den Zielen des geltenden Regionalen Raumentwicklungsprogrammes sei durch das zuständige Energiemi- nisterium im Jahr 2018 nochmals ausdrücklich bestätigt worden. Vor diesem Hintergrund bittet die Einwenderin darum, das Gebiet Nr. 122 wieder in die RREP-Fortschreibung aufzunehmen. Die Einwenderin legt hierzu eine Ausarbeitung vor, nach der sie selbst noch einmal die vom Planungsverband herangezogenen Ausschluss- und Restriktionskriterien auf die fragliche Flä- che bei Tarnow angewandt hat. Im Ergebnis dieser Überprüfung könne festgestellt werden, dass das Gebiet Nr. 122 für die Windenergienutzung geeignet sei. Bezüglich des nahegelege- nen Großvogelbrutplatzes, der ursprünglich für die Abgrenzung des vorgeschlagenen Eig- nungsgebietes im ersten und zweiten Entwurf der RREP-Fortschreibung maßgebend war, ver- weist die Einwenderin darauf, dass das betreffende Brutpaar zwischenzeitlich seinen Horst innerhalb desselben Waldes gewechselt und ab 2013 in größerer Entfernung vom Gebiet Nr. 122 gebrütet hat. Der Horst befinde sich jetzt somit mehr als 2 Kilometer vom geplanten Windpark entfernt. Bezüglich des Vogelzugkorridors, der nördlich des Gebietes Nr. 122 dem Verlauf der Nebel folgt, verweist die Einwenderin auf den Artenschutzfachbeitrag, der im Rah- men des laufenden Genehmigungsverfahrens erarbeitet wurde. Demnach könnten erhebliche Beeinträchtigungen des Vogelzug- und Rastgeschehens für die hier maßgebenden Vogelarten ausgeschlossen werden. Auch mit den Belangen des Denkmalschutzes und der Gewässer- entwicklung habe man sich in der Genehmigungsplanung bereits auseinandergesetzt und fest- gestellt, dass solche Belange der Windenergienutzung nicht entgegenstehen würden. Über die Brutvorkommen des Rotmilans, auf die sich der Planungsverband in seiner Abwägung bezogen hat, liegen der Einwenderin Daten aus mehreren Erhebungsjahren vor. Im Jahr 2016 wurden ein Horst im 1-Kilometer-Umkreis sowie drei Horste im 1-bis-2-Kilometer-Umkreis um das ursprünglich geplante Eignungsgebiet vorgefunden. Lediglich einer dieser vier Horste war auch im Vorjahr 2015 von Rotmilanen besetzt. Die Einwenderin geht davon aus, dass mit der geplanten Anlage großzügiger Ablenkungsflächen im Norden des Gebietes Nr. 122 sowie ei- ner temporären Abschaltung der Windenergieanlagen während der Mahd und der Bodenbe- arbeitung das Kollisionsrisiko für den Rotmilan auf ein vertretbares Niveau gesenkt werden

336 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 könnte. Gegebenenfalls könne eine Festlegung des Gebietes Nr. 122 im RREP mit der aus- drücklichen Maßgabe verbunden werden, dass Ablenkungsflächen für den Rotmilan im erfor- derlichen Umfang geschaffen werden. Der BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V. begrüßt ausdrücklich, dass der Planungsver- band von der Festlegung des Gebietes Nr. 122 als Eignungs- und Vorranggebiet für Wind- energieanlagen Abstand genommen hat.

8.9.3 Zusammengefasste Abwägung Von mehreren Einwendern wird der Modellcharakter des im Gebiet Nr. 122 geplanten Bür- ger- und Gemeindewindparks hervorgehoben. Der Planungsverband ist sich der Vorbild- funktion dieses Vorhabens sehr wohl bewusst und hatte deshalb im Jahr 2014 sein Einver- nehmen zu einer Abweichung von den Zielen des geltenden RREP erteilt, um eine vorzeitige Zulassung im Vorgriff auf die RREP-Fortschreibung zu ermöglichen. Die mit der letzten Über- arbeitung des Entwurfes erfolgte Streichung des Gebietes Nr. 122 wurde bereits in der Abwä- gungsdokumentation vom November 2018 begründet. Maßgebend für die Entscheidung des Planungsverbandes waren nicht die Stellungnahmen der NABU-Ortsgruppe und des Landes- jagdverbandes, auf die von den Einwendern jetzt nochmals Bezug genommen wird. Maßge- bend waren vielmehr die umfassende Neubewertung der Vogelschutzbelange und die zwi- schenzeitlich erfolgte Ablehnung des geplanten Windparks durch die zuständige Naturschutzbehörde. Auch aus heutiger Sicht des Planungsverbandes muss das Modell des Bürger- und Gemeindewindparks noch als vorbildlich und wegweisend gelten. Der Planungs- verband möchte jedoch kein Vorranggebiet festlegen, dessen Nutzung für den Planungszeit- raum der RREP-Fortschreibung derzeit nicht möglich erscheint. Der von der Gemeinde Dreetz vertretenen Auffassung, dass bereits die Entscheidung des Energieministeriums, eine Abweichung von den Zielen der Raumordnung zuzulassen, einen gewissen Vertrauensschutz für die Antragsteller begründen müsse, kann nur bedingt ge- folgt werden. Diese Entscheidung gibt den Antragstellern die Sicherheit, dass im Genehmi- gungsverfahren keine planungsrechtlichen Ablehnungsgründe mit Bezug auf die geltenden Raumordnungspläne geltend gemacht werden können. Das regierungsinterne Abstimmungs- verfahren, das einer solchen Entscheidung vorausgeht, kann jedoch nicht sämtliche Prüfungs- inhalte eines Genehmigungsverfahrens vorwegnehmen. Auch der Planungsverband ist durch die ministerielle Entscheidung nicht gebunden. Sowohl für das Verfahren der Anlagengeneh- migung als auch für die RREP-Fortschreibung gilt, dass weitere Belange und neue Erkennt- nisse berücksichtigt werden müssen, sodass trotz positiver Entscheidung des Ministeriums später eine negative Entscheidung über das Vorhaben getroffen werden kann. Der Planungs- verband hat nach der förmlichen Erteilung seines Einvernehmens zur Zulassung des Wind- parks tatsächlich nochmals neue Bewertungsmaßstäbe an die geplanten Eignungs- und Vor- ranggebiete angelegt und seine Bewertung des Gebietes Nr. 122 unter dem Gesichtspunkt des Artenschutzes geändert. Die dafür maßgebenden Erwägungen wurden schon in den Ent- wurfsdokumenten vom November 2018 umfänglich dargelegt. Der Planungsverband hat sich bei der Bewertung der Artenschutzbelange auf die in den Jahren 2011 und 2012 durchgeführte Rotmilankartierung der ornithologischen Arbeitsgemein- schaft Mecklenburg-Vorpommern (OAMV), die Biotopausstattung des potenziellen Eignungs- gebietes sowie die von der Naturschutzbehörde vorgenommene Auswertung der zum Geneh- migungsantrag eingereichten Fachgutachten gestützt. Die Rotmilankartierung der OAMV lässt – trotzdem das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht flächendeckend erfasst wurde – einen deutlich ausgeprägten Verbreitungsschwerpunkt im Bereich der Nebelniederung zwischen Bützow und Güstrow erkennen. Dass die hier festgestellte Häufung von Brutrevieren mehr als eine Momentaufnahme darstellt, kann aus der Biotopausstattung dieses Raumes mit seinen ausgedehnten Grünlandflächen geschlossen werden. Die unmittelbare Umgebung des Gebie- tes Nr. 122 wurde im Rahmen dieser Kartierung nicht erfasst. Hierfür liegen jedoch Daten vor,

337 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 die von den Trägern des Windparkvorhabens mit ihrem Genehmigungsantrag eingereicht wur- den. Die Naturschutzbehörde hat diese Daten ausgewertet und festgestellt, dass im Umkreis relativ viele Rot- und Schwarzmilane vorkommen. Als Vergleichsgrößen wurden die Daten herangezogen, die im Rahmen der RREP-Fortschreibung für insgesamt 12 weitere potenzielle Eignungsgebiete durch das Ingenieurbüro Günther erhoben wurden. Da alle Daten aus der Brutsaison 2016 stammen, ist eine Vergleichbarkeit gegeben. Auch bezüglich der näheren Umgebung des Gebietes Nr. 122 erscheint die Folgerung plausibel, dass die vorliegenden Daten mehr als eine Momentaufnahme wiedergeben, weil die Biotopausstattung auf eine er- höhte Attraktivität für diese Vögel schließen lässt. Das Gebiet Nr. 122 liegt in einem ausge- dehnten Niedermoor-Grünlandkomplex, der mit dem Gewässersystem der Nebel verbunden ist. Das Gebiet unterscheidet sich damit von den anderen Windenergie-Eignungsgebieten, die im Rahmen der RREP-Fortschreibung betrachtet wurden. Diese befinden sich auf Ackerland. Der von den Antragstellern beauftragte Gutachter gelangt selbst zu der Feststellung, dass der Landnutzung im Windpark bezüglich des Schlagrisikos für Rotmilane vermutlich eine höhere Bedeutung zukommt als der Einhaltung bestimmter Schutzabstände zwischen Windener- gieanlagen und Brutplätzen. Der Planungsverband ist zu derselben Einschätzung gekom- men und hat daher bei der artenschutzfachlichen Bewertung der potenziellen Eignungsgebiete hauptsächlich auf die Faktoren Habitateigenschaft und Brutplatzdichte Bezug genommen, weil die schematische Anwendung bestimmter Abstandsrichtwerte nicht bei allen Greifvögeln gleichermaßen sachgerecht ist. Hierzu wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Umwelt- bericht verwiesen. Dem Prüfprotokoll der unteren Naturschutzbehörde vom September 2016 ist zu entnehmen, dass den von den Antragstellern vorgeschlagenen Lenkungsmaßnahmen für die Rot- und Scharzmilane keine hinreichenden Erfolgsaussichten zuzuerkennen seien, weil die Fläche des geplanten Windparks offensichtlich ein bedeutendes und traditionell genutztes Nahrungs- habitat für diese Vögel bilde. Darüber hinaus wurde durch die Behörde festgestellt, dass eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nicht in Betracht komme, da insbesondere auf- grund des vergleichsweise dichten Vorkommens von Milanen das öffentliche Interesse des Artenschutzes dasjenige der Windenergienutzung überwiegen müsse. Der Einwand, dass die extensive Bewirtschaftung des Grünlandes eine Nutzung durch den Rotmilan während der meisten Zeit ausschließe, erscheint dem Planungsverband nicht plau- sibel. In dem von einzelnen Einwendern ausdrücklich erwähnten Lenkungsflächenkonzept war im Umfeld des geplanten Windparks die Schaffung zusätzlicher Dauergrünlandflächen mit ex- tensiver Bewirtschaftung ausdrücklich vorgesehen. Wenn diese Bewirtschaftungsart die At- traktivität des Gebietes Nr. 122 als Jagdrevier für den Rotmilan tatsächlich mindern sollte, kann sie nicht zugleich auf anderen Flächen eine besondere Anziehungskraft auf dieselben Vögel entfalten. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 122 als Vorranggebiet abgesehen.

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8.10 Recknitz (Nr. 123)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Recknitz erhöht gering erhöht erhöht keine gegeben geeignet (123) Ergebnis der Abwägung: Festlegung als Vorranggebiet.

8.10.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Recknitz, Plaaz, Liessow, Güstrow, Rheine, Knegendorf, Rossewitz, Diekhof • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Warnow-Wasser- und Abwasserverband, Rostock • Bürgerinitiative „Gegenwind Recknitzland 123 M-V“ • NABU Ortsgruppe Güstrow • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, Bonn • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen • EEN Energie Engineering Nord GmbH, Greifswald • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Amt Laage • Landkreis Rostock, untere Denkmalbehörde und Amt für Kreisentwicklung • Enercon GmbH, Rostock • BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • NABU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin • Gemeinde Plaaz

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8.10.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Bürger aus Recknitz und Plaaz äußern sich als Eigentümer von Grundstücken im Vorrang- gebiet und befürworten dessen Festlegung. Das Gebiet sei für die Windenergienutzung be- sonders geeignet. Zusammen mit einer Projektentwicklungsgesellschaft setze man sich dafür ein, dass gemeinsam mit den Anwohnern und weiteren Landeigentümern Modelle der lokalen Wertschöpfung erarbeitet werden. Bürger aus Liessow sind der Meinung, dass die Anwohner durch Fluglärm bereits genug belastet seien. Sie befürchten gesundheitliche Beeinträchtigungen, wenn weitere Belastungen durch einen Windpark hinzukommen würden. Selbst der Bürgermeister von Plaaz, welcher den dort bestehenden Windpark ursprünglich befürwortet habe, sei inzwischen aufgrund eige- ner Erfahrung als Anwohner dieses Windparks zu einer anderen Auffassung gelangt und habe sich öffentlich gegen das Vorranggebiet Nr. 123 ausgesprochen. Ein Bürger aus Mierendorf habe in einer Gemeindevertretersitzung von unerträglichen Geräuschen berichtet, die selbst bei geschlossenem Fenster noch wahrzunehmen seien. Auch der Taubenzüchterverein in Liessow sehe sich in seiner Arbeit unmittelbar beeinträchtigt, da die Tauben, die aus allen Richtungen und teilweise größerer Entfernung einflögen, durch Windenergieanlagen ihre Ori- entierung verlören und nicht mehr nach Hause fänden. Bürger aus Güstrow und Rheine nehmen als Eigentümer von Grundstücken im Gebiet Nr. 123 Stellung und begrüßen die Wiederaufnahme dieses Gebietes in die RREP-Fortschrei- bung. Das Gebiet sei für die Windenergienutzung besonders geeignet. Aus Gründen des Kli- maschutzes halten die Einwender einen weiteren Ausbau der Windenergienutzung in einem erheblichen Umfang für erforderlich (vgl. hierzu die im Abschnitt 4.1 wiedergegebenen Aus- führungen derselben Einwender). Vorhandene Daten ließen darauf schließen, dass Natur- schutzbelange der Windenergienutzung im Gebiet Nr. 123 nicht entgegenstehen würden. Diese Einschätzung ergebe sich sowohl aus den einschlägigen Daten des Landes als auch aus Erhebungen, die von privater Seite in den letzten zwei Jahren durchgeführt worden seien. Im Rahmen einer angestrebten Zusammenarbeit mit der Firma Enercon setze man sich sei- tens der Landeigentümer dafür ein, dass die Bürger an einem Windpark im Gebiet Nr. 123 wirtschaftlich beteiligt würden. Sowohl im Sinne der gesetzlichen Vorgaben des Landes als auch mit eigenen Konzepten werde man sich bemühen, Modelle der lokalen Wertschöpfung zu erarbeiten und umzusetzen. Mit Verweis auf die Eigentumsgarantie des Grundgesetztes und die baurechtliche Privilegierung der Windenergienutzung im Außenbereich bitten die Ein- wender um Festlegung des Gebietes Nr. 123 als Eignungsgebiet. Bürger aus Knegendorf legen dar, dass sie sich Knegendorf als Wohnort ausgesucht hätten, um Erholung von ihrer starken beruflichen Beanspruchung zu finden. Der Planungsverband wolle sie nun aus ihrem gewohnten Umfeld vertreiben. Die Familie habe ihr Haus über Jahre liebevoll und kostenintensiv saniert. Der Planungsverband wolle sie enteignen und die Kinder der Familie um ihr Erbe bringen. Ein Windpark im Gebiet Nr. 123 würde rund 3.000 Einwohner in drei Gemeinden betreffen. Abstände von 800 bis 1.000 Metern zu den Wohnorten seien unzumutbar. Die Harmonie der Landschaft und die bestehende Siedlungsstruktur würden zer- stört. Die Einwender verweisen auf Gesundheitsgefahren für den Menschen und Gefahren für die Tiere, die ihren Lebensraum oder ihr Leben verlieren würden. Die Anlagen seien eine To- desfalle für Milliarden Insekten. Die Einwender bezweifeln auch den wirtschaftlichen Nutzen eines Windparks, wenn die Anlagen zum Schutz der Vögel und Insekten oder aufgrund der Nähe zum Flugplatz Laage immer wieder ausgeschaltet werden müssten. Die Radaranlage auf dem Schmooksberg sei 8 Kilometer entfernt und werde durch den benachbarten Windpark Glasewitz bereits erheblich gestört. In der Region herrschten geringe Windgeschwindigkeiten vor, sodass Windenergieanlagen trotz Subventionen gar nicht kostendeckend betrieben wer- den könnten. Im angrenzenden Zapkendorfer Wald bestehe bei längerer Trockenheit Wald- brandgefahr. Durch mögliche Gondel- und Flügelbrände an den Windenergieanlagen würde diese Gefahr weiter verstärkt. Die örtlichen Bürger würden über Zwangsabgaben die Wind- energieanlagen bezahlen. Die Einwender befürchten, dass der Strom für ältere Bürger unbe- zahlbar würde und die Umverteilung von unten nach oben zu sozialen Spannungen führe.

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Ein Bürger aus Rossewitz hält den Abstand zum Baudenkmal Schloss Rossewitz, welches eine in Mecklenburg-Vorpommern einmalige Architektur verkörpere, für viel zu gering. Für sich selbst befürchtet der Einwender gesundheitliche Beeinträchtigungen, wie sie bei den Anwoh- nern von Windparks nachgewiesen worden seien. Der Einwender fühlt sich durch Fluglärm schon genug belastet. Bürger aus Plaaz und Mierendorf berichteten, dass sie durch den be- nachbarten Windpark Glasewitz in ihrem Wohlbefinden stark beeinträchtigt würden. Der Ab- stand des Gebietes Nr. 123 zum Wohnort des Einwenders sei noch geringer der Abstand der Glasewitzer Anlagen zu den beiden genannten Orten. Der Einwender weist auf die Bedeutung der Augrabenniederung für den Vogelzug hin. Auch seltene Vögel wie Milan und Schreiadler könne man dort beobachten. Bürger aus Diekhof vertreten die Auffassung, dass Lärm, Infraschall und Schattenschlag von Windenergieanlagen in der Genehmigungspraxis nicht ausreichend berücksichtigt würden. Sie befürchten negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit. Für die Immobilen der Anwohner sei mit Wertminderungen bis zur Unverkäuflichkeit zu rechnen. Windenergieanlagen seien eine große Gefahr für Vögel, welche die Geschwindigkeit der Rotoren nicht einschätzen könnten, und für Fledermäuse, denen durch den Luftdruck die Lungen platzten. Geschützte Arten könn- ten in ihrem Bestand gefährdet werden. Die Anlagen könnten bei Unfällen das Trinkwasser verschmutzen; die Trinkwasserversorgung könnte in Gefahr geraten. Die Einwender gehen im Übrigen davon aus, dass Windenergieanlagen in der Region aufgrund der geringen Windge- schwindigkeiten wahrscheinlich nicht kostendeckend betrieben werden könnten. Im Fall einer Insolvenz der Betreiberfirma müssten möglicherweise die Kosten für den Rückbau von der Allgemeinheit aus Steuergeldern aufgebracht werden. Die Windenergiewirtschaft erziele ihre Profite auf Kosten der Bevölkerung, welche die Anlagen mit Zwangsabgaben finanzieren müssten. Die Einwender befürchten, dass Strom für ältere Menschen unbezahlbar werden könnte und dass soziale Spannungen entstehen könnten. Auch würde die Region an Attrakti- vität für Touristen verlieren. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Der Warnow-Wasser- und Abwasserverband weist auf das verbandseigene Klärschlamm- zwischenlager hin, dass sich in unmittelbarer Nähe des Vorranggebietes Nr. 123 befindet. Mögliche Konflikte mit der Windenergienutzung im Vorranggebiet werden nicht gesehen. Die Bürgerinitiative „Gegenwind Recknitzland 123 M-V“ spricht sich gegen die Festlegung des Vorranggebietes Nr. 123 aus und legt hierzu eine Liste mit Unterschriften von vielen hun- dert Bürgerinnen und Bürgern aus Spoitgendorf, Recknitz, Rossewitz, Korleput, Zapkendorf, Liessow, Diekhof, Plaaz und anderen Orten vor, die das Anliegen der Bürgerinitiative unter- stützen. Nach der Errichtung des Windparks Glasewitz sei jedem Bewohner der umliegenden Dörfer klargeworden, welche extremen Nachteile Windenergieanlagen für das Leben und die Gesundheit der Menschen in diesen Dörfern mit sich brächten. Ein weiterer Windpark im Ge- biet Nr. 123 würde das gewohnte Landschaftsbild und die Heimat der Menschen für immer zerstören. Den Bürgern würden Lärmbelästigungen im Dauerzustand zugemutet. Beeinträch- tigungen durch Schattenwurf, tiefe Tonlagen und Infraschall ließen die Gesundheitsgefähr- dung drastisch ansteigen. Das Gebiet sei bereits durch den Flugplatz Laage permanentem Fluglärm und durch die Autobahn einem von Jahr zu Jahr zunehmendem Verkehrslärm aus- gesetzt. Die Dörfer seien schon jetzt durch die Windparks in Kuhs und Glasewitz umstellt. Verhältnisse wie in Dithmarschen oder Altentreptow wollen die Bürger bei sich nicht akzeptie-

341 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ren. Die vom Planungsverband in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wieder- gegebenen Äußerungen privater Einwender zugunsten des Gebietes Nr. 123 sollten nur das Profitstreben von fünf bis sechs Einzelpersonen beschönigen. Mit Lügen und bestellten Gut- achten werde versucht, die im Jahr 2014 vom Planungsverband getroffene Entscheidung ge- gen das Gebiet Nr. 123 zugunsten Einzelner wieder rückgängig zu machen. Die Bürgerinitia- tive glaubt, dass damit geltendes Recht gebeugt werde. Das Kapital bekomme jegliche politische Unterstützung bis zur Aufgabe rechtsstaatlicher Prinzipien. Die betroffenen Bürger würden dagegen ignoriert und für dumm verkauft, ihre Meinungen würden unterdrückt. Kein Politiker setze sich für sie ein. Mit dieser korrupten Politik der Bevormundung und der Arroganz müsse Schluss gemacht werden. Die Bürgerinitiative verweist auf die Stellungnahmen des Bundesamtes für Flugsicherung, des Naturschutzverbandes BUND und des Landesjagdver- bandes, die sich im Jahr 2013 gegen die Festlegung des Gebietes 123 ausgesprochen hatten. Die damals maßgebenden Belange der Flugsicherheit, des Denkmalschutzes und des Natur- schutzes seien unverändert gegeben. Bei der Beurteilung dieser Belange dürfe nicht auf ir- gendwelche Gutachter vertraut werden, welche nur die Interessen der Windenergiewirtschaft zu vertreten hätten. Die Natur habe sich in den letzten Jahren sogar positiv entwickelt; im Bereich des Augrabens sei die Vogelwelt wieder vielfältiger geworden und geschützte Arten wie die Rohrdommel oder der rote Milan hätten sich neu angesiedelt. Die NABU-Ortsgruppe Güstrow lehnt die Festlegung des Gebietes Nr. 123 als Vorranggebiet ab und verweist auf die hohe Bedeutung der Augrabenniederung für den Vogelzug. Der Pla- nungsverband habe sicherlich recht, wenn er die im Landschaftsrahmenplan ausgewiesenen Vogelzugkorridore nicht für die exakte Abgrenzung von Windenergie-Vorranggebieten heran- zieht, weil sie dafür zu ungenau sind. Die bei der Fortschreibung des RREP gewählte Vorge- hensweise, dass bei Vorranggebieten im Randbereich eines Vogelzugkorridors die jeweils nächste topografisch bestimmbare Grenze herangezogen wurde, sei deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Fall des Gebietes Nr. 123 sei auf diese Weise jedoch zu weit in den Zugkorridor hinein geplant worden. Die hier auftretende Abweichung um einen ganzen Kilo- meter sei weder fachlich noch methodisch zu begründen und vom Planungsverband offen- sichtlich nur deshalb so vorgesehen worden, um an dieser Stelle überhaupt ein Vorranggebiet einordnen zu können. Der Planungsverband habe dabei außer Acht gelassen, dass auch die Zugvögel niemals exakt an bestimmten Leitstrukturen entlang fliegen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass sich das Zuggeschehen nicht auf den Luftraum der eigentlichen Augrabenniederung beschränke, sondern dass die Vögel auch angrenzende Flächen zur Rast und Nahrungsaufnahme aufsuchen müssten. Insbesondere dort, wo offene Ackerflächen im Wechsel mit Wäldern an die Zugkorridore angrenzen, sei davon auszugehen, dass erstere eine besondere Bedeutung als Rast- und Nahrungsflächen hätten. Für die unzerschnittenen und weitgehend ungestörten Ackerflächen östlich von Recknitz sei eine solche besondere Be- deutung nach Erkenntnissen des NABU anzunehmen. Die Zuordnung dieser Flächen zu den Gebieten mit sehr hoher Zugvogeldichte (Zone A) sei deshalb hier zu Recht erfolgt und könne vom Planungsverband nicht einfach im Wege der planerischen Abwägung überwunden wer- den. Der NABU verweist diesbezüglich auf Erhebungen, die 1996/97 für die Planung einer Abfalldeponie des damaligen Landkreises Güstrow durchgeführt worden sind und an denen Mitglieder der NABU-Ortsgruppe beteiligt waren. In einem vorläufigen Untersuchungsbericht zu dieser Deponieplanung, den der NABU seiner Stellungnahme beigefügt hat, wird ausdrück- lich auf die (im Vergleich zu anderen untersuchten Standortalternativen im näheren Umfeld) hohe Bedeutung der Ackerflächen bei Recknitz als Vogelrastplatz, insbesondere für Gänse und Kraniche, hingewiesen. Bezüglich rastender und überfliegender Kraniche legt der NABU auch Ergebnisse neuerer Erhebungen aus den Jahren 2016 bis 2018 vor, die von der Landes- arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft Kranichschutz Deutschland durchgeführt wurden. Diese belegen, dass ziehende Kraniche im Bereich des Augrabens regelmäßig im Frühjahr und im Herbst beobachtet werden können, wobei sowohl kleine Gruppen ab fünf Exemplaren als auch große Schwärme mit mehreren hundert Vögeln gesichtet wurden. Bei einer Zählung rastender Kraniche, die an einem Tag im März 2019 von Beobachtungspunkten an der Bun- desstraße 108 durchgeführt wurde, habe man rund 1.000 Vögel ermitteln können. Würden

342 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 durch Hochrechnung diejenigen Flächen einbezogen, die von den Beobachtungspunkten nicht einsehbar waren, müsse von insgesamt 1.500 bis 2.000 Tieren ausgegangen werden, die sich am betreffenden Tag im Raum Laage aufgehalten hätten. Dass es sich hierbei um Zugvögel aus Nordeuropa handelte, und nicht um einheimische Brutvögel, könne nicht nur aus der gro- ßen Zahl geschlossen werden, sondern auch aus der Tatsache, dass nur ein einziger beringter Vogel erfasst wurde. Nach Einschätzung des Koordinators für den Kranichschutz im Altkreis Güstrow muss im Ergebnis der vorliegenden Erhebungen davon ausgegangen werden, dass der Zugkorridor Recknitz-Augraben jährlich im Frühjahr und im Herbst von mehreren tausend durchziehenden Kranichen genutzt wird. Nach einem Untersuchungsbericht, in dem das Flug- verhalten eines besenderten Kranichs ausgewertet wurde, sei dieser Vogel auf mehr als der Hälfte seiner Zugstrecke im Höhenbereich unter 200 Metern geflogen. Die Gefahr von Kollisi- onen wäre somit bei Errichtung großer Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 123 gegeben. Die vom Planungsverband in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 dargelegte Annahme, dass das Gebiet Nr. 123 außerhalb des eigentlichen Zugkorridors liege, sei durch nichts belegt und stelle offensichtlich eine bloße Behauptung dar. Aus dem Kartenportal des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie sowie eigenen Erhebungen der NABU-Ortsgruppe gehe zudem hervor, dass sich entlang dem Vogelzugkorridor Recknitz-Augraben eine Reihe von regelmäßig genutzten Kranich-Schlafplätzen befinde. Bei widrigen Wetterbedingungen wie Regen, Nebel und starkem Gegenwind komme es entlang der Zugkorridore immer wieder zum sogenannten Zugstau. Die Vögel verweilten dann bis zu einer Wetterbesserung auf ihren Äsungsflächen – und dies seien in der Regel keine Wiesen, sondern Äcker. Der Planungsver- band nehme mit der Festlegung eines Windenergie-Vorranggebietes auf solchen Ackerflächen ein Tötungsrisiko für die betreffenden Zugvögel billigend in Kauf. Damit würden die Bestim- mungen des § 44 Bundesnaturschutzgesetz unterlaufen. Die Einwenderin weist außerdem auf Beobachtungen von Rot- und Schwarzmilanen in der Augrabenniederung und dem Zehlen- dorfer Moor hin, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein von Horsten in den umliegenden Wäldern schließen ließen. Im Bereich des Holmberges südlich von Knegendorf sei ein seit vielen Jahren regelmäßig genutzter Rotmilanhorst bekannt, was bei Anwendung eines Schutzabstandes von 1.000 Metern den südöstlichen Ausläufer des Vorranggebietes Nr. 123 in Frage stelle. Rotmilane horsten in der Regel im Waldrandbereich bis zu 100 Meter von der Waldkante entfernt. Auch für weitere Teile des Vorranggebietes könne somit eine Überschneidung mit den 1.000-Meter-Abstandszonen um Brutplätze des Rotmilans nicht aus- geschlossen werden. Die Einwenderin meldet diesbezüglich Zweifel an der Vollständigkeit der für die RREP-Fortschreibung durchgeführten Greifvogelerhebung an. Diese Zweifel seien auch dadurch begründet, dass das Vorkommen der Wiesenweihe in der Augrabenniederung bei Recknitz im Untersuchungsbericht zur Greifvogelerhebung unerwähnt blieb. Dieser Vogel sei hier zumindest für die Jahre 2016 und 2017 nachgewiesen, wobei jedoch kein Brutplatz lokalisiert werden konnte. Für das Jahr 2016 lag ein Brutverdacht vor: das betreffende Paar sei während der Brutzeit von mehreren Ornithologen bei der Futterübergabe beobachtet wor- den. Die Windenergienutzung im Gebiet Nr. 123 könnte das Vorkommen dieser streng ge- schützten Weihenart erheblich beeinträchtigen und insbesondere bei Balzflügen, welche in einem größeren Umkreis um den Horst im Höhenbereich üblicher Windenergieanlagen statt- finden, zur Tötung einzelner Vögel führen. Nach Einschätzung der Einwenderin müsste allein dieses Risiko zum Verbot der Windenergienutzung im Gebiet Nr. 123 führen, da bei der sehr seltenen Wiesenweihe die Inanspruchnahme von artenschutzrechtlichen Ausnahme- und Be- freiungsmöglichkeiten nicht in Frage komme. Die Einwenderin erwartet deshalb, dass von der Festlegung des Gebietes Nr. 123 abgesehen wird. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr weist auf die Lage des Gebietes Nr. 123 im Zuständigkeitsbereich der militärischen Luftfahrt- behörden um den Flugplatz Laage sowie im Interessenbereich um eine Funkdienststelle der Bundeswehr hin (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.4 wiedergegebenen Ausführungen der- selben Einwenderin). Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist nochmals auf die Lage des Gebietes Nr. 123 im Anlagenschutzbereich der Radaranlage Schmooksberg hin, der einen Umkreis von

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15 Kilometern um den Standort der Flugsicherungseinrichtung umfasst. Gemäß § 18 a Luft- verkehrsgesetz ist innerhalb dieses Bereiches regelmäßig zu prüfen, ob die Flugsicherungs- einrichtung durch Windenergieanlagen gestört würde. Diese Prüfung erfolge, wenn über die zuständige Luftfahrtbehörde des Landes konkrete Vorhabenplanungen vorgelegt würden. Da die zu erwartenden Einschränkungen dem eigentlichen Ziel von Vorrang- und Eignungsgebie- ten entgegenstünden, wiederholt das Amt seine Empfehlung, innerhalb von Anlagenschutzbe- reichen keine Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen, jeden- falls aber auf die Möglichkeit von Einschränkungen im späteren Genehmigungsverfahren und die Notwendigkeit der Beteiligung der Luftfahrtbehörde hinzuweisen. Die EEN Energie Engineering Nord GmbH begrüßt die mit dem dritten Entwurf erfolgte Wie- deraufnahme des Gebietes Nr. 123. Die Einwenderin gibt an, dass sie selbst seit 2016 Unter- suchungen der örtlichen Vogelvorkommen in Auftrag gegeben habe. Im Ergebnis dieser Un- tersuchungen könne festgestellt werden, dass Konflikte mit tierökologischen Abstandskriterien gemäß der in Mecklenburg-Vorpommern eingeführten Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Be- urteilungshilfe im Gebiet Nr. 123 nicht auftreten würden. Auch bezüglich des Vogelzuggesche- hens habe man selbst Untersuchungen durchführen lassen. Die Ergebnisse belegten, dass die intensiv genutzten Ackerflächen im Gebiet Nr. 123 hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Vogelzug nicht vergleichbar seien mit der Kernzone des betreffenden Zugkorridors über der Augrabenniederung. Bezüglich der Belange des Denkmalschutzes weist die Einwenderin auf die Herrenhäuser in Rossewitz und Spoitgendorf hin. Ersteres sei von Baumbestand umge- ben; letzteres sei durch einen Mischwaldstreifen vom Vorranggebiete Nr. 123 optisch abge- schirmt. Für beide Baudenkmale könne festgestellt werden, dass historische Sichtachsen durch die Errichtung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet Nr. 123 nicht gestört würden. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist erneut auf die Lage des Ge- bietes Nr. 123 innerhalb des Vogelzugkorridors (Dichtezone A) entlang der Augrabenniede- rung hin. Die Festlegung des Vorranggebietes wird aus diesem Grund abgelehnt (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Aufgrund der Lage Mecklenburg-Vorpommerns im Zentrum des nordwestpaläarktisch-atlantischen Zug- weges müsse dem Schutz der Zugvögel in der Planung ein gebührender Rang eingeräumt werden. Innerhalb der im landesweiten Dichtemodell des Vogelzuges ausgewiesenen Dichte- zone A müsse dem Vogelschutz grundsätzlich Vorrang eingeräumt werden. Nur in begründe- ten Fällen könne davon abgewichen werden. Wenn der Planungsverband im Umweltbericht vom November 2018 darlege, dass „Erfahrungen mit bestehenden Windparks“ innerhalb der betreffenden Räume nicht auf ein besonders hohes Konfliktpotenzial schließen ließen, könne sich dies nur auf Sonderfälle beziehen. Für die Vorranggebiete Nr. 106 und 123 fehle eine solche besondere Begründung. Die Gebiete lägen genau in der von Nordost nach Südwest verlaufenden Hauptzugrichtung und wiesen aufgrund des überdurchschnittlich hohen Grün- land- und Gewässeranteils attraktive Strukturen für die Zugvögel auf. In Abhängigkeit von Jah- reszeit, herrschender Witterung, Wind- und Lichtverhältnissen sowie den Bewirtschaftungs- zyklen der Landwirtschaft kämen den Flächen im Vogelzugkorridor wechselnde Funktionen als Flugleitlinie, Nahrungsrevier, Rast- oder Schlafplatz zu. Die Dichtezone A bilde innerhalb des Zugkorridors eine Kernzone, die, eingebettet in die Zone B, eine herausragende Bedeu- tung besitze. Außerdem werde ein Mindestabstand von 2,5 Kilometern zum benachbarten (vom Landesamt ebenfalls abgelehnten) Vorranggebiet Nr. 106 nicht eingehalten. Das Amt Laage äußert erhebliche Vorbehalte gegen eine Festlegung des Gebietes Nr. 123 als Vorranggebiet. Die Gemeindevertretung Diekhof und die Ortsteilvertretung Liessow hätten sich im Ergebnis ihrer Beratungen gegen das Gebiet Nr. 123 ausgesprochen. Das Gebiet sei vom Planungsverband so abgegrenzt worden, dass zu den umliegenden Wohnorten jeweils nur die Mindestabstände eingehalten würden. Das Amt hält diese Abstände jedoch für zu ge- ring und regt eine Anpassung an den in Bayern geltenden Richtwert vom zehnfachen der An- lagenhöhe an. Damit würden die Abstände der technischen Entwicklung angepasst, und mög- liche Risiken und Beeinträchtigungen für die Anwohner könnten vermieden werden. In den Gemeinden des Amtes Laage sei gegenwärtig eine erhöhte Nachfrage nach Wohnbauland zu

344 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 verzeichnen. Das Amt profitiere insoweit von seiner Nähe zur Hansestadt Rostock und der sehr guten Verkehrsanbindung. In der Gemeinde Diekhof werde die Erschließung eines Be- bauungsplangebietes für den Wohnungsbau vorbereitet. Auch in Liessow könne die Nachfrage nach Bauland nicht mehr gedeckt werden, und es werde die Ausweisung weiterer Flächen erwogen. Favorisiert werde hierfür eine Fläche am Ortsrand, in Richtung des Vorranggebietes Nr. 123. Durch eine Festlegung des Gebietes Nr. 123 sähe das Amt die bauliche Entwicklung gefährdet. Man befürchte eine Beeinträchtigung der Lebensqualität, des Wohlbefindens und der Gesundheit der Menschen. Die Errichtung von Windenergieanlagen würde hier gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Aufgrund der großen Höhe moderner Anlagen würden außerdem das Orts- und Landschaftsbild, die natürliche Eigenart der Land- schaft und deren Erholungswert nachhaltig beeinträchtigt. Das Amt weist auf Wanderfalken und Habichte hin, die sich im Gebiet angesiedelt hätten, und sieht eine erhebliche Gefahr für Vögel und Fledermäuse. Die Taubenzüchter hätten darauf hingewiesen, dass der Taubensport zukünftig nicht mehr ausgeübt werden könnte, weil die Rotoren der Windenergieanlagen die Tauben zu Boden drücken würden. Aufgrund der Nähe des Gebietes zum Flugplatz Laage wird befürchtet, dass die Errichtung eines Windparks Änderungen der Anflugkorridore erfor- dern würde und die Anwohner in der Folge noch stärker durch Fluglärm belastet würden. Die Einwohner der Dörfer Recknitz, Knegendorf und Spoitgendorf sähen sich durch das nahege- legene Klärschlammdepot und den Sandabbau bereits besonders beeinträchtigt. Die beste- henden Belastungen, wozu auch die Bahnstrecke gehöre, seien vom Planungsverband in der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Generell sei von den Gemeinde- und Orts- teilvertretern Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht worden, dass ein Vorkommen seltener Tierarten ausreichen könne um ein Großprojekt (zum Beispiel den Bau einer Auto- bahn) aufzuhalten, während die Ablehnung durch hunderte betroffene Bürger dies nicht ver- möchte. Der weitere Ausbau der Windenergienutzung unter Beibehaltung der geltenden Min- destabstände verhindere private Investitionen in den Gemeinden und sei somit kontraproduktiv für die Entwicklung der ländlichen Räume. Die Denkmalbehörde des Landkreises Rostock äußert sich grundsätzlich kritisch zur Fest- legung weiterer Vorranggebiete für Windenergieanlagen im RREP (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.10 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Es seien negative Auswirkungen auf die regionale Kulturlandschaft zu erwarten. Die in den vergangenen Jahren errichteten Windparks ließen erkennen, dass Bau- und Bodendenkmale oft auch dann noch in ihrem Erscheinungsbild beeinträchtigt würden, wenn Abstände von mehreren Kilometern ein- gehalten wurden. Die Errichtung neuer Windparks werde in den betroffenen Räumen allge- mein als Beeinträchtigung der Lebens- und Aufenthaltsqualität empfunden und verringere da- mit die Chancen für den Erhalt und die sinnvolle Nutzung von Baudenkmalen. Bei einem herausragenden Baudenkmal wie dem Schloss Rossewitz, das bislang nur im Rohbauzustand wiederhergestellt und gesichert werden konnte, dürfte es mit der Errichtung eines Windparks im Gebiet Nr. 123 nach Einschätzung der Denkmalbehörde noch schwerer – wenn nicht gar unmöglich – werden, eine geeignete und dauerhaft tragfähige Nutzung zu finden, zumal durch den Flugplatz Laage bereits Lärmbelästigungen gegeben seien. Das Gebiet Nr. 123 wird des- halb aus denkmalpflegerischer Sicht abgelehnt. Die Denkmalbehörde weist außerdem auf das (im Umweltbericht vom November 2018 bereits erwähnte) Großsteingrab südlich der Kreis- straße 29 hin. Dieses Bodendenkmal sei oberirdisch zerstört. Aufgrund seiner wissenschaftli- chen Bedeutung sollte jedenfalls die Umgebung des Denkmals von Windenergieanlagen frei- gehalten werden. Eine Bergung und Dokumentation der im Boden erhaltenen Reste des Grabes wäre zwar möglich, aber mit hohem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Auch sei damit zu rechnen, dass in der Nähe des bekannten Grabes Reste von weiteren, bisher nicht bekannten ehemaligen Großsteingräbern aufgefunden würden, was die Kosten für Bergungs- und Dokumentationsmaßnahmen zusätzlich erhöhen würde. Das Amt für Kreisentwicklung des Landkreises Rostock weist darauf hin, dass zwei be- deutsame touristische Radwege im Bereich des Vorranggebietes Nr. 123 verlaufen. Dies sind der Radfernweg Hamburg—Rügen und der Recknitztalrundweg. Beide Routen seien mit der Maßgabe geplant worden, den Touristen eine attraktive Sicht in die freie Landschaft zu bieten.

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Diese würde durch einen Windpark im Gebiet Nr. 123 stark beeinträchtigt. Eine alternative Führung der Radrouten sei in diesem Bereich nicht möglich. Die Enercon GmbH begrüßt, dass ihre Hinweise zum zweiten Entwurf der RREP Fortschrei- bung vom Planungsverband aufgegriffen wurden und infolgedessen das Gebiet Nr. 123 in den dritten Entwurf wieder aufgenommen wurde. Die Einwenderin legt dar, dass sie bereits seit dem Jahr 2016 naturschutzfachliche Untersuchungen im Gebiet durchführen lasse. Eine Ver- letzung tierökologischer Abstandsrichtwerte nach der in Mecklenburg-Vorpommern eingeführ- ten Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe sei im Ergebnis dieser Untersuchun- gen nicht zu befürchten. Auch die Bedeutung des Gebietes für den Vogelzug hätten die von der Einwenderin beauftragten Gutachter über zwei Jahre untersucht. Im Ergebnis dieser Un- tersuchung habe der Nachweis erbracht werden können, dass die intensiv genutzten Acker- flächen im Gebiet Nr. 123 nicht gleichwertig mit den angrenzenden Flächen in der Niederung des Augrabens seien. Das Gebiet Nr. 123 könne somit nicht der Kernzone des hier verlaufen- den Vogelzugkorridors zugeordnet werden. Der BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V. lehnt die Festlegung des Gebietes Nr. 123 ab und verweist diesbezüglich auf seine bereits zum ersten Entwurf der RREP-Fortschreibung im Jahr 2013 abgegebene Stellungnahme. Zur Bedeutung des hier verlaufenden Vogelzugkorri- dors gibt der Verband einen Auszug aus dem dazu im Jahr 1996 für die Landesregierung erstellten Gutachten wieder. Demnach haben neben der Ostseeküste die großen Flusstal- moore eine besondere Bedeutung als Leitlinien für den Vogelzug. Sie seien für die Vögel im Überflug gut erkennbar, weil sie von Seen, Fließgewässern und größeren Grünlandflächen eingenommen werden. Die Argumentation des Planungsverbandes mit der sehr groben, mo- dellhaften Abgrenzung der Vogelzugkorridore, die eine Heranziehung als randscharfes Ab- grenzungskriterium in der Regionalplanung nicht zulassen würde, hält der Einwender für nicht sachgerecht. Im zugehörigen Datenblatt des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geo- logie sei für das Modell der Dichte des Vogelzuges eine Lagegenauigkeit von +/- 250 Metern angegeben. Dieser Unschärfebereich sei im Sinne des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips zugunsten des Zugvogelschutzes auszulegen und rechtfertige keinesfalls eine planerische Ab- wägung zugunsten der Windenergienutzung und gegen die Belange des Vogelschutzes. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern bemängelt, dass der Planungsverband bezüglich des Vogelzuges auf nähere Untersuchungen verzichtet hat. In Anbetracht der Lage des Gebietes Nr. 123 am Rande eines Vogelzugkorridors hätte der NABU erwartet, dass der Planungsver- band zunächst das örtliche Zuggeschehen genauer untersuchen würde, um seine Annahmen bezüglich der Erheblichkeit möglicher Beeinträchtigungen zu überprüfen und eine umfassende Abwägung vornehmen zu können. Die Gemeinde Plaaz lehnt die Festlegung des Gebietes Nr. 123 ab. Dieses Gebiet wäre das viertgrößte Eignungsgebiet für Windenergieanlagen in Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt würden im Bereich des Amtes Güstrow-Land knapp 800 Hektar Fläche für Windenergieanla- gen festgelegt, was etwa 30% der Gesamteignungsfläche in Mecklenburg-Vorpommern (ge- meint ist vermutlich die Region Rostock) entsprechen würde. Dies würde nach Ansicht der Gemeinde eine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Insbesondere im nördlichen Teil des Amtsgebietes sei bereits eine starke Ballung von Windenergieanlagen zu verzeichnen. Die Lebensqualität der Bürger sei dadurch in hohem Maße beeinträchtigt. Der Ausbau dürfe nicht weiter vorangetrieben werden. Für einige Orte würde sich mit einem Windpark im Gebiet Nr. 123 eine nicht vertretbare Umstellung durch Windenergieanlagen ergeben. Die Gemeinde weist auf die kritischen Stellungnahmen der Luftfahrtbehörden zum ersten Entwurf der RREP- Fortschreibung hin, die der Planungsverband in der Abwägungsdokumentation vom Mai 2014 wiedergegeben hatte. In der Abwägung vom November 2018 seien diese Hinweise dann gänz- lich außer Acht gelassen worden, obwohl der Flugverkehr seit dem Jahr 2014 eher noch zu- genommen habe. Der bereits errichtete Windpark im benachbarten Gebiet Nr. 106 habe ge- zeigt, dass die angewandten Schutzabstände zu den Wohnorten keinesfalls ausreichend seien. Gerade bei feuchtem Wetter sei die Lärmbelästigung enorm hoch. Dies führe zu ge-

346 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sundheitlichen Beeinträchtigungen der Anwohner. Die Gemeinde kritisiert auch die vom Pla- nungsverband unterlassene Bewertung möglicher Auswirkungen der RREP-Fortschreibung auf die Insektenwelt. Die Gemeinde verweist dazu auf jüngste Studien des Deutschen Zent- rums für Luft- und Raumfahrt, die erstmalig einen Zusammenhang zwischen dem Betrieb von Windenergieanlagen und der Tötung von Insekten nachgewiesen hätten. Grundsätzlich glaubt die Gemeinde jedoch ein Missverhältnis darin zu erkennen, wie Artenschutzbelange im Ver- gleich zu Bürgerinteressen bei der Regionalplanung berücksichtigt würden. Den Bürgern sei es nicht zu erklären, dass ein einziger geschützter Vogel die Festlegung eines Windenergie- Eignungsgebietes verhindern könne, auf tausende von Bürgerstimmen jedoch nicht gehört werde. Auch die Kommunalpolitiker in den Gemeinden könnten dies nicht verstehen. Es sei dann nicht verwunderlich, dass die Wahlbeteiligung sinke, oder Parteien gewählt würden, die dem Grundgesetz weniger nahestünden. Gerade letztere Strömungen würden sich in den Sit- zungen der Gemeindevertretungen immer stärker bemerkbar machen.

8.10.3 Zusammengefasste Abwägung Das Vorranggebiet Nr. 123 war im ersten Entwurf der RREP-Fortschreibung vom Januar 2013 enthalten und ist im Ergebnis der ersten Auslegung zunächst verworfen worden. Im dritten Entwurf vom November 2018 war das Gebiet dann wieder enthalten. Für die im Jahr 2014 erfolgte Streichung des Gebietes waren Stellungnahmen der Luftfahrtbehörden ausschlag- gebend. Die Wiederaufnahme erfolgte dann maßgeblich auf Initiative privater Interessenten. Vor diesem Hintergrund kann es der Planungsverband nachvollziehen, wenn bei der Bürger- initiative der Eindruck entstanden ist, dass private Interessen und von privater Seite bezahlte Gutachten die planerische Abwägung in einer fragwürdigen Weise beeinflusst hätten. Dieser Eindruck ist jedoch nicht ganz richtig. Es waren zunächst private Interessenten, die den Pla- nungsverband nach der Veröffentlichung des ersten Entwurfes darauf hingewiesen hatten, dass geplante Eignungsgebiete in der näheren Umgebung des Flugplatzes Laage voraussicht- lich nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar sein würden – während die zuständigen Luft- fahrtbehörden selbst entsprechende Hinweise nicht für nötig gehalten hatten. Der Planungs- verband hat sich daraufhin bei den Luftfahrtbehörden um konkretere Informationen bemüht und schließlich die Empfehlung erhalten, dass auf die Festlegung der Gebiete Nr. 121, 123 und 124 wegen bestehender Höhenbeschränkungen verzichtet werden sollte. Dieser Empfeh- lung wurde mit dem zweiten Entwurf der RREP-Fortschreibung vom Mai 2014 gefolgt. Für die Gebiete Nr. 123 und 124 ist diese Entscheidung dann wiederum von privaten Interessenten in Frage gestellt worden, die offenbar über nähere Informationen verfügten als der Planungsver- band. Weitere Schreiben, die der Planungsverband in den Jahren 2016 und 2017 mit der Bitte um konkrete Sachaufklärung an die zivilen und militärischen Luftfahrtbehörden gerichtet hat, blieben unbeantwortet oder wurden mit formelhaften Hinweisen auf bestehende Schutzberei- che beschieden. Bei der letzten Überarbeitung des Entwurfes im Jahr 2018 musste der Pla- nungsverband seine Abwägung auf die neuesten und konkretesten Informationen stützen, die ihm zu dieser Zeit vorlagen. Dies waren die Stellungnahme eines Fachgutachters, die von der Firma Enercon eingereicht worden war, sowie Informationen über die tatsächlich geltenden Höhenbeschränkungen, die von der Geschäftsstelle des Planungsverbandes bei der örtlichen Dienststelle am Flugplatz Laage erfragt wurden. Die Stellungnahmen der Luftfahrtbehörden zum letzten Entwurf vom November 2018 erschöpften sich wiederum in formelhaften Hinwei- sen auf bestehende Schutz- und Interessenbereiche. Der Planungsverband hält die Praxis der Luftfahrtbehörden, planungsrelevante Informationen grundsätzlich bis zum Vorliegen konkre- ter Genehmigungsanträge zurückzuhalten, für nicht sachgerecht, vermag diese Praxis jedoch nicht zu ändern. Aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen und sonstigen Informationen wird davon ausgegangen, dass das Gebiet Nr. 123 unter dem Gesichtspunkt der Flugsicherheit für die Windenergienutzung geeignet ist. Die von der Gemeinde Plaaz beklagte Konzentration von Windenergie-Vorranggebieten nördlich von Güstrow resultiert aus der Anwendung der einheitlichen Ausschluss- und Ab- standskriterien. Sie macht deutlich, dass es sich hier um einen für die Windenergienutzung

347 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 vergleichsweise gut geeigneten Teilraum handelt, der relativ dünn besiedelt ist und keine her- ausgehobene Bedeutung für den Natur- und Landschaftsschutz oder den Tourismus hat. Die moderate Häufung benachbarter Vorranggebiete ist hier planerisch gewollt und vertretbar. In der Stellungnahme der Bürgerinitiative werden der Landkreis Dithmarschen in Schleswig-Hol- stein sowie die Umgebung von Altentreptow in der Region Meckl. Seenplatte als Negativbei- spiele einer aus ihrer Sicht übermäßigen Zusammenballung von Windparks angeführt. Um die Stadt Altentreptow sind Windenergie-Eignungsgebiete im Umfang von 1.200 Hektar geplant. Diese Dimension wird mit den Vorranggebieten nördlich von Güstrow nicht annähernd erreicht, und auch die Größe und enge räumliche Zusammenballung der Windparks bei Altentreptow sind mit den Verhältnissen im Amt Güstrow-Land nicht ansatzweise vergleichbar. Das gleiche gilt für die schleswig-holsteinische Nordseeküste, wo ein vielfach höheres Maß an teilräumli- cher Ballung von Windparks erreicht und in aktuellen Planentwürfen vorgesehen ist. Ansätze einer Umstellungswirkung sind nur für den Ort Zapkendorf erkennbar, der sich zwi- schen den Vorranggebieten Nr. 106 und 123 befindet. Die Summe der potenziell verstellten Bereiche würde hier jedoch weitaus weniger als die Hälfte des Umkreises ausmachen. Der Planungsverband sieht dies als vertretbar an. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausfüh- rungen zur Bewertung lokaler Häufungen von Vorranggebieten im Abschnitt 3.5 verwiesen. Bezüglich der Schutzabstände zu den Wohnorten wird auf die diesbezüglichen Ausführun- gen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Die regelmäßig angesetzten Schutzabstände von 1.000 Me- tern zu Ortschaften und 800 Metern zu Wohnhäusern im Außenbereich sind mehr als ausrei- chend bemessen. Forderungen nach einem Abstand vom zehnfachen der Anlagenhöhe – was bei den heute üblichen Anlagen auf einen Richtwert von 2.000 Metern hinauslaufen würde – sind nicht realistisch. Diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Abschnitt 6.4 des Um- weltberichtes verwiesen. Windenergieanlagen können nicht soweit entfernt von den Wohnor- ten errichtet werden, dass die Anwohner sie überhaupt nicht mehr sehen und hören würden. Die von mehreren Einwendern angeführten Vorbelastungen durch Verkehrslärm und vor- handene Infrastrukturen sprechen nach Auffassung des Planungsverbandes grundsätzlich für die Festlegung des Gebietes Nr. 123 als Vorranggebiet für Windenergieanlagen. Aus regi- onalplanerischer Sicht ist eine räumliche Zusammenfassung von Lärmquellen und von Eingrif- fen in die Landschaft der Inanspruchnahme bisher unbelasteter und unverbauter Teilräume grundsätzlich vorzuziehen. Für eine Tourismusregion wie die Region Rostock gilt dies in be- sonderem Maße. Auch die beim Gebiet Nr. 123 verlaufenden touristischen Radfernwege begründen diesbe- züglich keine andere Einschätzung. Diese Radwege berühren keineswegs nur reine Natur- und Agrarlandschaften, sondern wechseln zwischen naturnäheren und stärker von Siedlung und Infrastruktur geprägten Bereichen. Dass ein Windpark im Gebiet Nr. 123 die bauliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinden beeinträchtigen würde, kann der Planungsverband nicht erkennen. Die umliegen- den Orte sind keine zentralen Orte, die vorrangig für die Entwicklung neuer Baugebiete in Frage kommen würden. Es besteht auch keine Notwendigkeit, die Ortschaften gerade in Rich- tung des Vorranggebietes zu erweitern. Bezüglich einer vermeintlichen Fehlgewichtung von Belangen des Vogelschutzes auf der einen Seite und den Interessen der Anwohner auf der anderen Seite wird auf die diesbe- züglichen Ausführungen im Abschnitt 4.3 verwiesen. Der Planungsverband hat sich um eine ausgewogene Berücksichtigung aller Belange bemüht. Wenn für bestimmte Vogelarten heute sehr strenge Schutzanforderungen gelten, ist dies damit begründet, dass die betreffenden Ar- ten durch die menschliche Nutzung der Landschaft schon sehr weit zurückgedrängt wurden, sodass die verbliebenen Lebensräume umso strenger geschützt werden müssen. Die von den Einwendern beklagte Praxis, dass schon ein einzelnes Brutvorkommen ausreichen kann, um einen Windpark zu verhindern, trifft nur für wenige seltene Arten zu. Ebenso kann schon ein einzelnes Wohnhaus in der freien Landschaft die Festlegung eines Vorranggebietes für Wind- energieanlagen verhindern (was wiederum einzelne Vogelschützer für unangemessen halten).

348 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Der Planungsverband kann diesbezüglich keine Fehlgewichtung der verschiedenen Belange bei der RREP-Fortschreibung erkennen. Gerade die zum Gebiet Nr. 123 eingegangenen Stel- lungnahmen der Naturschutzbehörden und -verbände machen deutlich, dass keineswegs eine einseitige Ausrichtung der Planung an den Belangen des Vogelschutzes erfolgt ist. Aus Sicht des Vogelschutzes wird in den betreffenden Stellungnahmen insbesondere die Lage des Gebietes Nr. 123 am Rande eines Vogelzugkorridors hervorgehoben. Das landesweite Modell der Dichte des Vogelzuges wurde bereits in den neunziger Jahren bei der erstmaligen Festlegung von Windenergie-Eignungsgebieten als Ausschlusskriterium herangezogen. Da- mals standen die nordischen Zugvögel noch im Vordergrund der Betrachtungen, wenn es um die Gefahrenpotenziale der Windenergienutzung für die Vogelwelt ging. Dies wurde in den folgenden Jahren relativiert, und der Schutz der besonders gefährdeten Greifvögel trat immer mehr in den Vordergrund. Bei den Wat- und Wasservögeln kann nach heutiger Kenntnis davon ausgegangen werden, dass sie Windenergieanlagen in der Regel meiden und umfliegen. Bei widriger Witterung und schlechter Sicht wird der Zug unterbrochen, wie es von der NABU- Ortsgruppe mit dem Phänomen des „Zugstaus“ beschrieben wird. In den Empfehlungen der Landesregierung an die Planungsverbände wurden somit im Jahr 2012 die Hauptkorridore des Vogelzuges (Dichtezone A im landesweiten Modell) zum bloßen Restriktionskriterium abge- stuft. Der Planungsverband legt diese Empfehlung so aus, dass bei potenziellen Eignungsge- bieten im Randbereich der Zone A im Zweifel zugunsten der Windenergienutzung abgewogen wird. Wenn dagegen ein potenzielles Eignungsgebiet inmitten der Zone A liegt und dort eine großräumige Barrierewirkung entfalten würde, wird zugunsten des Vogelschutzes abgewogen. Hierzu wird auch auf die Erläuterungen zur Anwendung der Restriktionskriterien im Abschnitt des Umweltberichtes verwiesen. Eine im Rahmen der ersten Vorauswahl ermittelte Potenzial- fläche südwestlich des Gebietes Nr. 123 – inmitten der Augrabenniederung – wurde folglich vom Planungsverband gar nicht erst zur Diskussion gestellt und von vornherein verworfen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bemängelt am Umweltbericht vom No- vember 2018 die Ausführung zu Erfahrungen mit bestehenden Windparks in Vogelzugge- bieten. Diese Textstelle, die auch in der endgültigen Fassung der Umweltberichtes wieder enthalten ist, bezieht sich nicht auf die Hauptkorridore – also die Dichtezone A im landesweiten Modell der Vogelzugdichte – sondern auf die weniger bedeutsamen Zuggebiete, die größere Teile der Region umfassen (Dichtezone B). In der Dichtezone A gibt es gleichwohl einige ältere Windparks mit (nach heutigen Maßstäben) kleinen Anlagen, die in den neunziger Jahren nahe der Ostseeküste errichtet wurden. Auch bezüglich dieser Windparks liegen dem Planungsver- band keine Informationen über gehäufte Totfunde von Zugvögeln vor. Dass die Ackerflächen beiderseits der Augrabenniederung eine gewisse Bedeutung als Rast- und Nahrungsreviere der Zugvögel haben, ist dem Planungsverband bewusst. Dass gerade die Flächen im Gebiet Nr. 123 für die Zugvögel eine essenzielle Bedeutung hätten, glaubt der Planungsverband jedoch nicht. Wenn sie eine besondere Bedeutung hätten, hätte sich diese in der landesweiten Bewertung der Rastplatzfunktion niederschlagen müssen. Im einschlägi- gen Fachgutachten, das vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie im Jahr 2009 veröffentlicht wurde, ist dem Gebiet Nr. 123 jedoch nur eine mittlere Bedeutung für rastende Wat- und Wasservögel zuerkannt worden (Stufen 1 und 2 von vier Bewertungsstufen). Auch die vorangegangene Bewertung aus dem Jahr 1998, die dem Landschaftsrahmenplan Mittle- res Mecklenburg/Rostock zugrunde liegt, erkannte hier keine höhere Bedeutung. Der Einwand des NABU-Landesverbandes, dass der Planungsverband die aktuelle Bedeutung durch ei- gene Untersuchungen hätte überprüfen müssen, ist verständlich. Der Planungsverband geht jedoch davon aus, dass die RREP-Fortschreibung sich im Wesentlichen auf vorhandene Da- tengrundlagen stützen muss. Eine einjährige Erhebung des Zuggeschehens beim Gebiet Nr. 123 hätte kaum mehr als eine Momentaufnahme ergeben. Die von der Enercon GmbH erwähnte, in ihrem Auftrag durchgeführte Untersuchung lässt nicht auf eine erhöhte Frequen- tierung des Gebietes durch Wat- und Wasservögel schließen und bestätigt insoweit die im Rahmen der landesweiten Bewertung vorgenommene Einstufung. Die NABU-Ortsgruppe ver- weist auf eigene Beobachtungen des Kranichzuges, die aus Sicht des Planungsverbandes

349 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 einen deutlichen Hinweis darauf geben, dass das vor mehr als zwanzig Jahren erstellte Vo- gelzug-Dichtemodell die Realität des Naturgeschehens auch heute noch gut abbildet. Die Be- obachtungen der NABU-Ortsgruppe, wie sie in deren Stellungnahme beschrieben sind, erlau- ben jedoch keine Rückschlüsse auf eine vermeintlich herausgehobene Bedeutung der Ackerflächen im Gebiet Nr. 123 als Nahrungsrevier. Sie lassen vielmehr darauf schließen, dass Ackerflächen im Umfeld des Zugkorridors sehr großräumig (und auch außerhalb der Zone A) von den Vögeln zum Nahrungserwerb aufgesucht werden. Die von der NABU-Orts- gruppe zur Unterstützung ihrer Argumente vorgelegte Untersuchung möglicher Deponiestand- orte aus dem Jahr 1997 belegt eine durchaus nennenswerte Frequentierung des Untersu- chungsgebietes durch Limikolen, Gänse und Kraniche, die jedoch nur relativ, mit Bezug auf verschiedene Standortalternativen im näheren Umkreis bewertet wird. Bezüglich der Brutvögel wurde im Untersuchungsbericht damals ausgeführt, dass die untersuchten Flächen zwischen Recknitz und Knegendorf (also der Bereich des Gebietes Nr. 123) aufgrund ihrer Strukturarmut keine besondere Bedeutung als Lebensraum für geschützte Vogelarten hätten: „ln dem nähe- ren Umfeld der (...) potentiellen Deponiefläche tritt als Vorbelastung vor allem intensive Acker- wirtschaft auf. Dies führt in weiten Teilen zu einer spärlichen Besiedlung durch empfindliche und/oder gefährdete Vogelarten“. Die im Jahr 2016 im Rahmen der RREP-Fortschreibung durchgeführte Greifvogelerhebung hat keine besonders hohe Dichte von Greifvogel-Brutplätzen in der Umgebung des Gebietes Nr. 123 ergeben, und das Gebiet weist keine besonders geeigneten Nahrungshabitate für Greifvögel auf. Bezüglich der Brutvorkommen des Rotmilans wird auf die Ausführungen zum Artenschutz im Umweltbericht verwiesen. Der Rotmilan zählt aufgrund seiner flächendecken- den Verbreitung und seiner wechselnden Brutplätze nicht zu den Arten, die mit der Anwendung pauschaler Abstandsrichtwerte sinnvoll geschützt werden können. Der Rotmilanbrutplatz beim Holmberg, auf den die NABU-Ortsgruppe hinweist, konnte von den Gutachtern im Jahr 2016 nicht ermittelt werden, was am konkreten Beispiel nochmals die bekannte Wechselhaftigkeit dieser Vögel belegt. Auch ein saisonales Vorkommen der Wiesenweihe in der Augrabennie- derung würde der Festlegung des Gebietes Nr. 123 nicht entgegenstehen. Diese Vögel sind nicht brutplatztreu, und die Augrabenniederung gehört nach Kenntnis des Planungsverbandes nicht zu den bekannten Verbreitungsschwerpunkten dieser Art in Mecklenburg-Vorpommern. Der empfohlene Abstand von 500 Metern zu den Brutvorkommen dieser Art würde in jedem Fall eingehalten. Die nächsten Brutreviere des Schreiadlers sind mehr als 10 Kilometer vom Vorranggebiet Nr. 123 entfernt. Eine besondere Gefährdung dieser Vögel durch einen Wind- park im Gebiet Nr. 123 ist nicht zu befürchten. Bezüglich möglicher Gefahren für Fledermäuse und Insekten wird auf die allgemeinen Aus- führungen zum Artenschutz im Abschnitt 5.7 verwiesen. Die Lebensraumansprüche der Fle- dermäuse werden später bei der Genehmigung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet berücksichtigt. Für die Beurteilung möglicher Gefahren für die Insektenwelt fehlen bislang hin- reichende Erkenntnisse. Den Denkmalwert des nahegelegenen Schlosses Rossewitz hatte der Planungsverband bereits in der Abwägungsdokumentation vom Mai 2014 hervorgehoben, zugleich jedoch fest- gestellt, dass die Belange des Denkmalschutzes allein einen Ausschluss des Gebietes Nr. 123 nicht begründen können. Das bereits langjährig leerstehende Schloss zeichnet sich durch seine abgeschiedene Lage in der freien Landschaft aus. Es liegt im Niederungsbereich des Augrabens und wurde augenscheinlich nicht auf eine Wirkung als bauliche Dominante im Landschaftsbild hin angelegt. Aus der Umgebung, soweit sie durch Straßen und Wege er- schlossen ist, ist das historische Gebäude praktisch nicht sichtbar. Die direkte Aufsicht auf das Schloss in der Achse der alten Zuwegung würde durch einen Windpark im Gebiet Nr. 123 nicht gestört. Das gleiche gilt für die Aussicht vom Schloss in die weiträumig offene und unverbaute Landschaft der Augrabenniederung. Die Vermutung der Denkmalbehörde, dass ein Windpark im Gebiet Nr. 123 die Aussichten auf eine zeitgemäße Nachnutzung des Schlosses ver- schlechtern würde, kann durch den Planungsverband nicht widerlegt werden, ist jedoch spe- kulativ, weil konkrete Aussichten auf eine solche Nutzung derzeit wohl nicht bestehen. Dass

350 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sich mit dem Ausbau der Windenergienutzung in der Region Rostock auch die Umgebung historischer Gebäude verändert, ist nicht gänzlich vermeidbar. Auch die weiteren Einwände, die gegen eine Festlegung des Gebietes Nr. 123 vorgebracht werden, können aus regionalplanerischer Sicht einen Ausschluss nicht begründen. Zur Vor- sorge vor Walbrandgefahren gilt ein gesetzlich festgelegter Waldabstand, der bei der Abgren- zung des Vorranggebietes bereits berücksichtigt wurde. Eine besondere Gefährdung des Grundwassers geht von Windenergieanlagen nicht aus. Das Gebiet Nr. 123 befindet sich au- ßerhalb von Trinkwasserschutzgebieten. Die Sorgen der Taubenzüchter nimmt der Planungs- verband zur Kenntnis. In der Umgebung des Gebietes Nr. 123 bleibt ungestörter Luftraum in großem Umfang erhalten. Die natürlichen Windverhältnisse erlauben überall in der Region Rostock einen wirtschaftlichen Betrieb von Windenergieanlagen. Die Annahme, dass schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die Festlegung des Vorranggebietes nicht sinnvoll sei, ist unbegründet. Bezüglich allgemeiner Vorbehalte gegen die Windenergienutzung wird auf den Abschnitt 4.1 verwiesen. Die Stellungnahmen der Landeigentümer werden zur Kenntnis genommen. Zur Berücksichti- gung privater wirtschaftlicher Interessen wird auf die Ausführungen im Abschnitt 4.8 ver- wiesen. Der Planungsverband geht davon aus, dass ein Interesse der Landeigentümer an einer möglichst einträglichen Nutzung ihrer Grundstücke grundsätzlich überall in der Region gegeben ist. Die Festlegung eines bestimmten Gebietes als Vorranggebiet für Windenergie- anlagen können solche privaten Interessen in der Regel nicht begründen. Die Hinweise auf die Restriktionen der Flugsicherung, das vorhandene Großsteingrab sowie die im Gebiet verlaufende Richtfunkstrecke werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage ge- stellt. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 123 als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

351 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.11 Wardow (Nr. 124)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenzial: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Wardow gering erhöht hoch erhöht keine gegeben weniger (124) geeignet Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.11.1 Eingegangene Stellungnahmen • Enercon GmbH, Rostock • FEW Wardow GmbH • BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock

8.11.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die Enercon GmbH spricht sich für eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 124 in die RREP- Fortschreibung aus. Die Einwenderin nimmt Bezug auf die Belange des Vogelschutzes, die den Planungsverband zur Aufgabe dieses Gebietes bewogen hatten. Eine von der Einwende- rin im Jahr 2019 veranlasste vorläufige Erhebung habe ergeben, dass von den in der Vergan- genheit nachgewiesenen Horsten des Rotmilans nicht mehr alle vorhanden seien. Aus Sicht der Einwenderin würde dieser Befund dafür sprechen, dass zumindest ein Teil des Gebietes Nr. 124 wieder in die RREP-Fortschreibung aufgenommen werden könnte. Darüber hinaus bittet die Einwenderin den Planungsverband sich nochmals seine eigenen Kriterien zur Be- wertung des Konfliktpotenzials vor Augen zu führen und anhand aktuell bekannter Fakten kri- tisch zu überprüfen. Bezüglich der Flugsicherheitsbelange habe der Planungsverband seine erste Konfliktbewertung aus dem Jahr 2014 bereits revidieren müssen; in den Konfliktfeldern Landschaftsbild und Vogelschutz sei die vorgenommene Bewertung zumindest fraglich. Die Einwenderin verweist auf das vom Planungsverband in Auftrag gegebene Gutachten zur Ver- messungseignung geplanter Windenergie-Eignungsgebiete. Darin seien für das Gebiet Nr. 124 zwei potenzielle Standorte für eine normgerechte Vermessung von Windenergieanla- gen-Prototypen identifiziert worden. Auch eine von der Einwenderin selbst vorgenommene Prüfung habe eine sehr gute Eignung des Gebietes für die normgerechte Vermessung unter

352 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 anderem der Leistungskennlinie und der Schallemissionen ergeben. Die Einwenderin würde das Gebiet Nr. 124 gerne für diesen Zweck nutzen. Im Unternehmen würden derzeit sieben neue Anlagentypen parallel entwickelt, sodass der Bedarf an Prototypenstandorten sehr hoch sei. Die FEW Wardow GmbH plädiert für eine Wiederaufnahme des ursprünglich geplanten Eig- nungsgebietes Nr. 124 in den RREP-Entwurf und geht in diesem Zusammenhang auch auf allgemeine Fragen des Klimaschutzes und des Vogelschutzes ein (vgl. auch die in den Ab- schnitten 4.1 und 5.7 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Bei Betrach- tung zahlreicher Einwendungen, wie sie typischerweise gegen die Festlegung neuer Wind- energie-Eignungsgebiete vorgebracht würden, werde schnell deutlich, dass es darin oftmals um kurzfristig orientierte Einzelinteressen und nicht um eine langfristig ausgewogene Regio- nalentwicklung gehe. Die Einwenderin weist auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entwicklung der weltweiten Kohlendioxidemissionen und die befürchteten Umweltfolgen hin. Um diese Folgen abzuwenden, verbleibe nur noch wenig Zeit. Vor diesem Hintergrund erscheint es der Einwenderin unausweichlich, dass alle im Rahmen der RREP-Fortschreibung verworfenen Windenergie-Eignungsgebiete, soweit sie nicht von absoluten Ausschlusskrite- rien betroffen sind, in drei bis fünf Jahren erneut in die Planung aufgenommen werden müssten – wie auch national und weltweit die Anstrengungen zum Klimaschutz in naher Zukunft erheb- lich vergrößert werden müssten. Allerdings dürfte es in einigen Jahren bereits zu spät sein den Klimawandel noch aufzuhalten. Wie die Enercon GmbH (siehe oben) bittet auch die FEW Wardow den Planungsverband darum, das Konfliktpotenzial des Gebietes Nr. 124 nochmals anhand seiner eigenen Abwägungskriterien zu überprüfen. Wie im Konfliktfeld Flugsicherheit sei auch beim Vogelschutz davon auszugehen, dass das Konfliktpotenzial tatsächlich geringer ist als vom Planungsverband ursprünglich eingeschätzt. Bezüglich der Belange des Schreiad- lerschutzes habe die Einwenderin mit der von ihr bereits zum letzten Entwurf vorgelegten Raumnutzungsanalyse die Verträglichkeit nachweisen können. Bezüglich der Milane, die im Jahr 2016 in der vom Planungsverband veranlassten Greifvogelerhebung beim Gebiet Nr. 124 nachgewiesen wurden, deuteten von der Einwenderin selbst veranlasste Erhebungen darauf hin, dass aktuell weniger Brutreviere in der unmittelbaren Umgebung vorhanden seien. Grund- sätzlich vertritt die Einwenderin die Auffassung, dass die Milane in der Raumordnung gar keine Berücksichtigung finden sollten. Trotz dem massiven Ausbau der Windenergienutzung habe die Milanpopulation in den letzten 20 Jahren landes- und bundesweit um 20-40% zugenom- men. Zu berücksichtigen sei auch die Tatsache, dass in jeder Saison mehr als die Hälfte der Milane sich neue Brutplätze suche, welche nicht mit denen des Vorjahres identisch seien. Für die Milane lägen Ergebnisse langjähriger wissenschaftlicher Untersuchungen vor, welche klar belegten, dass der Betrieb von Windenergieanlagen keinerlei Auswirkungen auf die Populati- onsentwicklung hätte. Die Einwenderin legt hierzu eine Internetveröffentlichung der Energie- agentur Nordrhein-Westfalen vor, in der über Erkenntnisse aus einem Rotmilan-Überwa- chungsprogramm auf der Paderborner Hochfläche berichtet wird. Im Naturschutzgesetz sei ebenso klar bestimmt, dass es im Prinzip um den Erhalt der Population und nicht um den Schutz des einzelnen Tieres gehe. Zudem habe der Planungsverband überhaupt nicht berück- sichtigt, dass es in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Entwicklung kamera- und radargestützter Technologien zur Vogelerkennung gegeben habe. Solche neuen technischen Lösungen könnten – in Verbindung mit der bewährten Anlage von Ablenkungshabitaten im Zuge notwendiger Kompensationsmaßnahmen – dafür sorgen, dass Greifvögel höchst wir- kungsvoll geschützt werden, sodass in der Regionalplanung der Schutz von Greifvogel-Brut- revieren nicht mehr als Grund für den Ausschluss potenzieller Windenergie-Eignungsgebiete gelten könne. Auch die Eignung des Gebietes Nr. 124 für die Vermessung von Windenergie- anlagen-Prototypen, wie sie in dem vom Planungsverband veröffentlichten Gutachten der Firma Wind-Consult nachgewiesen wurde, spreche für eine Festlegung als Vorranggebiet im RREP. Der BUND Mecklenburg-Vorpommern e.V. begrüßt ausdrücklich, dass der Planungsver- band von der Festlegung des Gebietes Nr. 124 als Eignungs- und Vorranggebiet für Wind- energieanlagen Abstand genommen hat.

353 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Das Regionalbüro Rostock des BUND M-V spricht sich dagegen für eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 124 in die RREP-Fortschreibung aus. Die Auswahl der Vorranggebiete im Entwurf vom November 2018 sei methodisch nicht konsistent und werde hinsichtlich des ge- samten Flächenumfangs den energiepolitischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vorpom- mern nicht gerecht (vgl. hierzu auch die in den Abschnitten 4.1, 4.2 und 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Das Gebiet Nr. 124 sei neben anderen Gebieten wie- der in die RREP-Fortschreibung aufzunehmen und als Vorranggebiet festzulegen. Der Pla- nungsverband hatte diesem Gebiet in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 ein hohes Konfliktpotenzial bezüglich des Vogelschutzes zuerkannt. Die Randlage zum Vogelzug- korridor entlang der Recknitz rechtfertige diese Einstufung nicht, weil dieser Korridor ausrei- chend freigehalten würde. Die Nähe zu den Brutrevieren der Schreiadler rechtfertige diese Einstufung ebenfalls nicht, weil das Gebiet keine Grünlandflächen umfasse, die für den Schrei- adler als Nahrungsrevier relevant wären. Mit den bei Errichtung eines Windparks notwendigen Kompensationsmaßnahmen könnten vielmehr zusätzliche Nahrungsflächen für den Schreiad- ler geschaffen und damit dessen Lebensbedingungen noch verbessert werden. In die planeri- sche Abwägung müssten auch solche positiven Beiträge der Windenergienutzung zum Vogel- schutz einbezogen werden. Das Konfliktpotenzial des Gebietes Nr. 124 bezüglich der Belange des Vogelschutzes sei insgesamt nur als „erhöht“ einzustufen und könne den Ausschluss so- mit nicht begründen.

8.11.3 Zusammengefasste Abwägung Bezüglich des Gesamtumfanges der Vorranggebiete für Windenergieanlagen und dessen Ab- leitung aus energie- und umweltpolitischen Zielsetzungen wird auf die Ausführungen im Abschnitt 3.3 verwiesen. Der Planungsverband hat seine diesbezüglichen Überlegungen auf die aktuelle energiepolitische Konzeption des Landes Mecklenburg-Vorpommern gestützt, auf die auch das Regionalbüro des BUND in seiner Stellungnahme Bezug nimmt. Der Planungs- verband kommt – bei konservativer Berechnungsweise – zu dem Ergebnis, dass die RREP- Fortschreibung den Zielen des Landes vollkommen gerecht wird. Die Vermutung der FEW Wardow GmbH, dass der einsetzende Klimawandel schon in wenigen Jahren zu drastisch erhöhten Anforderungen an die Umstellung der Energieversorgung und das Flächenangebot für Windenergieanlagen führen wird, hat einiges für sich. In diesem Fall könnten auch solche potenziellen Eignungsgebiete wie das Gebiet Nr. 124, die jetzt verworfen werden, erneut in Betracht kommen. In den nächsten Jahren wird ohnehin die Überarbeitung des gesamten RREP fällig, welches regelmäßig für einen Planungszeitraum von etwa 10 Jahren aufgestellt wird und zuletzt im Jahr 2011 umfassend aktualisiert wurde. Dabei können und müssen auch die jetzt getroffenen Festlegungen zur Windenergienutzung daraufhin überprüft werden, ob sie noch den dann geltenden Anforderungen entsprechen. Die Mehrzahl der Einwender nimmt Bezug auf die vom Planungsverband vorgenommene Be- wertung des Konfliktpotenzials der Eignungsflächen und hält diese Bewertung für nicht konsistent, oder zumindest für fragwürdig soweit es um die Vogelschutzbelange beim Gebiet Nr. 124 geht. Der Planungsverband hat seine Bewertungskriterien nochmals überprüft und hält im Ergebnis der Abwägung daran fest. Die im Abschnitt 3 nochmals dargelegte Bewertungs- methodik soll dazu beitragen, dass überall in der Region einheitliche Maßstäbe an die Poten- zialflächen angelegt werden. Sie dient damit gerade der vom BUND-Regionalbüro angemahn- ten Konsistenz des Planungskonzeptes. Belange des Vogelschutzes werden dabei mit einem hohen, aus Sicht des Planungsverbandes jedoch nicht übermäßigen Gewicht berücksichtigt. Der Planungsverband weist darauf hin, dass bei weitem nicht alle diesbezüglichen Empfeh- lungen der Naturschutzbehörden und -verbände bei der RREP-Fortschreibung aufgegriffen wurden. Hätte der Planungsverband dies getan, wäre das Gebiet Nr. 124 kaum in die erste Vorauswahl potenzieller Eignungsflächen gelangt. Bei der Bewertung der Lebensraumansprüche des Schreiadlers hat sich der Planungsver- band an der Empfehlung der unteren Naturschutzbehörde orientiert, wonach dem Verbrei-

354 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 tungsgebiet dieser Vögel all jene Flächen zugerechnet werden, auf denen sich die Aktions- räume um mehrere benachbarte Brutreviere überschneiden. Als Aktionsraum wird pauschal ein 6.000-Meter-Umkreis um jedes Brutrevier angenommen. Diese Annahme wird durch die von der FEW Wardow GmbH veranlasste Raumnutzungsanalyse beim Gebiet Nr. 124 ge- stützt. Die darin dokumentierten Flugbeobachtungen lassen erkennen, dass sich die Flugbe- wegungen überwiegend auf einen 3.000-Meter-Umkreis um den Horst beschränken, dass je- doch auch der weitere Umkreis zur Nahrungssuche genutzt wird. Das Gebiet Nr. 124 liegt in der 3.000-bis-6.000-Meter-Abstandszone um mehrere bekannte Brutreviere und damit im Le- bensraum des Schreiadlers. Die Dichte der Flugbewegungen ist hier nicht so hoch, dass mit dem Betrieb von Windenergieanlagen ein signifikant erhöhtes, artenschutzrechtlich relevantes Schlagrisiko einherginge; sie ist gleichwohl so hoch, dass Erwägungen der planerischen Vor- sorge begründet sind. Die Hinweise der FEW Wardow GmbH und des BUND-Regionalbüros auf die Möglichkeit von Kompensationsmaßnahmen, mit denen an anderer Stelle im näheren Umfeld zusätzli- che Nahrungsflächen geschaffen und damit die Lebensbedingungen der Greifvögel verbessert werden könnten, ist berechtigt. Dieser Ansatz entspricht im Prinzip den Empfehlungen der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) des Landesamtes für Um- welt, Naturschutz und Geologie, die beim Schreiadler die konsequente Freihaltung des enge- ren Aktionsraumes und die Anlage zusätzlicher Nahrungshabitate bei Zulassung von Wind- parks im weiteren Aktionsraum vorsieht. Ebenso hat jedoch eine weitergehende Freihaltung der Lebensräume des Schreiadlers ihre Berechtigung. Der Schreiadler kann als Leitart stö- rungsarmer Landschaftsräume gelten, sodass mit einer wachsenden Inanspruchnahme sei- nes Verbreitungsgebietes für die Windenergienutzung landschaftliche und ökologische Quali- täten verloren gingen, die in anderen Teilen Deutschlands gar nicht mehr vorhanden sind. Der im Jahr 2016 veröffentlichte Ergebnisbericht einer bundesweiten Studie zum Kollisionsrisiko von Greifvögeln an Windenergieanlagen (sog. PROGRESS-Studie) empfiehlt die konsequente Freihaltung von Verbreitungsschwerpunkten geschützter Vogelarten als ein durchaus geeig- netes Mittel des Artenschutzes beim weiteren Ausbau der Windenergienutzung. Die im Jahr 2016 zur RREP-Fortschreibung durchgeführte Greifvogelerhebung hatte ergeben, dass das Gebiet Nr. 124 vollständig innerhalb der 1.000-Meter-Abstandszonen um Brutplätze des Rotmilans lag. Das Gebiet war von drei Brutplätzen umgeben und wäre somit nach den Prüfmaßstäben der AAB-WEA für die Windenergienutzung ungeeignet. Die Enercon GmbH weist nun darauf hin, dass bei einer späteren Erhebung weniger Brutplätze ermittelt wurden, sodass nun zumindest Teile des Gebietes in Betracht kommen müssten. Der Planungsver- band sieht diesen Hinweis als Bestätigung seiner Einschätzung an, dass beim Rotmilan die Anwendung pauschaler brutplatzbezogener Abstandsrichtwerte nicht sachgerecht ist. Hierzu wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Umweltbericht verwiesen. Dem Verweis der FEW Wardow GmbH auf eine vermutlich positive, vom Ausbau der Windenergienutzung un- beeinflusste Bestandsentwicklung des Rotmilans stehen die Ergebnisse der oben genannten PROGRESS-Studie gegenüber, wonach Kollisionen mit Windenergieanlagen beim Rotmilan durchaus als populationsrelevantes Phänomen anzusehen wären. Aus Sicht des Planungs- verbandes ist es somit gerechtfertigt, dass bei der RREP-Fortschreibung die Brutvorkommen des Rotmilans in die Berechnung der Greifvogeldichte und damit in die Bewertung des Kon- fliktpotenzials der untersuchten Eignungsgebiete einbezogen wurden. Die von der FEW Wardow erwähnten technischen Maßnahmen zur Kollisionsvermeidung befinden sich nach Kenntnis des Planungsverbandes noch nicht im Stadium der allgemeinen Anwendungsreife. Gleichwohl erscheint die Vermutung der Einwenderin berechtigt, dass tech- nische Systeme in naher Zukunft einen erheblichen Beitrag dazu leisten können, das Kollisi- onsrisiko von Vögeln zu vermindern. Nach Auffassung des Planungsverbandes wird jedoch daneben auch die Freihaltung bestimmter Lebensräume im Sinne des vorsorgenden Arten- schutzes weiterhin ihre Berechtigung haben. Hierzu wird auch auf die diesbezüglichen Aus- führungen im Abschnitt 5.7 verwiesen.

355 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Bezüglich der Randlage des Gebietes Nr. 124 in einem Vogelzugkorridor teilt der Planungs- verband die Einschätzung des BUND-Regionalbüros, dass dieser Belang für sich genommen einen Ausschluss nicht rechtfertigen würde. Hierzu wird auf die ausführlichen Einwendungen und Erwägungen verwiesen, die zum selben Belang im voranstehenden Abschnitt 8.10 bezüg- lich des Vorranggebietes Nr. 123 wiedergegeben sind. Bezüglich des Konfliktpotenzials im Hinblick auf den Schutz des Landschaftsbildes bleibt der Planungsverband bei seiner Bewertung, wie sie bereits in den Entwurfsdokumenten vom November 2018 enthalten war und im Abschnitt 3 nochmals dargelegt ist. Dem unmittelbaren Umfeld des Gebietes Nr. 124 wird im Landschaftsrahmenplan diesbezüglich eine mittlere Schutzwürdigkeit zuerkannt. Das Gebiet ist jedoch von Räumen mit sehr hoher Schutzwürdig- keit umgeben. Wie bei den Belangen des Vogelschutzes ist auch bezüglich des Landschafts- schutzes festzustellen, dass das Gebiet Nr. 124 gar nicht in die Vorauswahl potenzieller Eig- nungsflächen gelangt wäre, wenn der Planungsverband allen einschlägigen Empfehlungen der Naturschutzbehörden gefolgt wäre. Die Hinweise auf die Eignung des Gebietes Nr. 124 für die Vermessung von Windener- gieanlagen-Prototypen sowie die entsprechenden Nutzungsabsichten der Enercon GmbH werden zur Kenntnis genommen. Diese Belange haben nach Auffassung des Planungsver- bandes kein solches Gewicht, dass sie sich in der Abwägung gegen die oben beschriebenen Belange des Vogelschutzes durchsetzen müssten. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 124 als Vorranggebiet abgesehen.

356 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.12 Rey (Nr. 126)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Rey gering erhöht hoch erhöht keine nicht gege- weniger (126) ben geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.12.1 Eingegangene Stellungnahmen • Gemeinde Altkalen • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock

8.12.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die Gemeinde Altkalen wendet sich gegen die Herausnahme des Gebietes Nr. 126 aus dem Entwurf zur RREP-Fortschreibung. Die Gemeinde versuche seit nunmehr elf Jahren in diesem Gebiet einen Windpark zu realisieren. Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen im Einklang mit der Natur sei der Gemeinde ein wichtiges Anliegen. Die Erfahrungen, welche die Gemeinde bei ihrer Beteiligung an der Regionalplanung seit dem Jahr 2008 gemacht habe, hätten ge- zeigt, dass die Gewinnung objektiver Informationen schwierig und teuer, aber gleichwohl not- wendig sei. In Zusammenarbeit mit dem örtlichen Landwirtschaftsbetrieb und in Abstimmung mit dem Amt für Raumordnung und Landesplanung habe sich die Gemeinde der Verwirkli- chung ihrer Planungsabsichten immer weiter angenähert. Vor diesem Hintergrund habe die Abwägung des Planungsverbandes vom November 2018 in der Gemeinde Unverständnis und Enttäuschung hervorgerufen. Die in der Abwägungsdokumentation aufgeführten Argumente erschienen der Gemeinde nicht substanziiert und nicht überzeugend. Bezüglich der dort wie- dergegebenen Einwände des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie sowie der Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock zu den Belangen des Schreiadlerschutzes ver- tritt die Gemeinde die Auffassung, dass ein Ausschluss des Gebietes Nr. 126 dadurch nicht gerechtfertigt wäre. Vielmehr würde man diese Belange in einem späteren Genehmigungsver- fahren abschließend untersuchen müssen. Die Gemeinde verweist darauf, dass der hier maß- gebliche Tatbestand der Tötung wildlebender Tiere gemäß dem § 44 Bundesnaturschutzge- setz erst dann eintritt, wenn das Schlagrisiko für die betroffenen Vögel durch einen Windpark

357 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 signifikant erhöht würde. Könne dagegen unter Berücksichtigung von Vermeidungs- und Min- derungsmaßnahmen davon ausgegangen werden, dass die vom Windpark verursachten Risi- ken nicht wesentlich über das Niveau normaler Lebensrisiken des Schreiadlers hinausgingen, liege kein Verbotstatbestand vor. Den Aspekt der Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen habe der Planungsverband nicht hinreichend in seine Abwägung einbezogen, obwohl gerade hierzu seit vielen Jahren umfangreiche und tragfähige Angebote durch die Gemeinde und orts- ansässige Landwirte gemacht wurden. Nach herrschender Rechtsprechung müsse die Beur- teilung des gesetzlichen Verbotstatbestandes ausschließlich mit Bezug auf das Individuum erfolgen und dürfe nicht vom Erhaltungszustand der Population abhängig gemacht werden. In diese Beurteilung müsse auch die Wirksamkeit möglicher Schutzmaßnahmen einbezogen werden. Dafür käme erstens eine temporäre Abschaltung der Windenergieanlagen in Frage, die auch durch technische Lösungen zur Anflugerkennung unterstützt werden könnte. Zwei- tens wäre eine gezielte Steuerung der landwirtschaftlichen Nutzung im Umfeld des Windparks in Betracht zu ziehen, was die Schaffung neuer Nahrungshabitate für den Schreiadler ein- schließen könne. Bezüglich der Anwendung pauschaler Schutzabstände verweist die Ge- meinde auf die einschlägigen Empfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogel- schutzwarten. Es sei zu beachten, dass außerhalb der engeren Abstandszonen („Tabuzonen“) nicht generell vom Eintreten des Verbotstatbestandes ausgegangen werden dürfe. Bei Wind- parkplanungen in den weiteren Abstandszonen („Restriktionsbereiche“) müssten im Einzelfall greifbare Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung vorliegen, um einen Verbotstatbe- stand zu erkennen. Im Fall des Gebietes Nr. 126 lägen solche greifbaren Anhaltspunkte nicht vor. Das Gebiet befinde sich in ausreichender Entfernung von den Horsten der Schreiadler. Nach den in den Entwurfsdokumenten der RREP-Fortschreibung dargelegten wissenschaftli- chen Erkenntnissen erstrecke sich das Aktivitätszentrum dieser Vögel erfahrungsgemäß bis zu einem Umkreis von 3 Kilometern um den Horst. Dieser Abstand werde im vorliegenden Fall eingehalten. Auch die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegebene Stellungnahme des BUND stütze die Einschätzung der Gemeinde. Der Naturschutzverband hatte ausdrücklich erklärt, dass er mit Blick auf die Belange des Schreiadlerschutzes das Ge- biet Nr. 126 für vertretbar hält. Die Gemeinde bittet vor diesem Hintergrund den Planungsver- band, seine Bewertung der Vogelschutzbelange zu überprüfen und dabei insbesondere die Möglichkeit von Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen für den Schreiadler zu berücksichtigen. Auch das Regionalbüro Rostock des BUND M-V spricht sich für eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 126 in die RREP-Fortschreibung aus. Die Auswahl der Vorranggebiete im Ent- wurf vom November 2018 sei methodisch nicht konsistent und werde hinsichtlich des gesam- ten Flächenumfangs den energiepolitischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht gerecht (vgl. hierzu auch die in den Abschnitten 4.1, 4.2 und 5.7 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders). Das Gebiet Nr. 126 sei neben anderen Gebieten wieder in die RREP-Fortschreibung aufzunehmen und als Vorranggebiet festzulegen. Der Planungsver- band hatte diesem Gebiet in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 ein hohes Konfliktpotenzial bezüglich der Belange des Vogelschutzes zuerkannt. Die Nähe zu den Brut- revieren der Schreiadler rechtfertige diese Einstufung jedoch nicht, weil das Gebiet keine Grünlandflächen umfasse, die für den Schreiadler als Nahrungsrevier relevant wären. Mit den bei Errichtung eines Windparks notwendigen Kompensationsmaßnahmen könnten vielmehr zusätzliche Nahrungsflächen für den Schreiadler geschaffen und damit dessen Lebensbedin- gungen noch verbessert werden. In die planerische Abwägung müssten auch solche positiven Beiträge der Windenergienutzung zum Vogelschutz einbezogen werden. Das Konfliktpotenzial des Gebietes Nr. 126 bezüglich der Belange des Vogelschutzes sei insgesamt nur als „erhöht“ einzustufen und könne den Ausschluss somit nicht begründen.

358 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.12.3 Zusammengefasste Abwägung Die Ausführungen der Gemeinde Altkalen machen deutlich, dass einzelne Gemeinden die Windenergienutzung nach wie vor als positiven Beitrag zu ihrer eigenen Entwicklung begreifen. Der Planungsverband geht gleichwohl davon aus, dass angesichts der Größe mo- derner Windenergieanlagen und der Reichweite ihrer Auswirkungen die Auswahl der Eig- nungs- und Vorranggebiete in erster Linie regionalen Maßgaben folgen muss. Bezüglich der hier maßgebenden Belange des Vogelschutzes, mit denen sich die Gemeinde ausführlich aus- einandersetzt, ist das Gebiet Nr. 126 ungefähr vergleichbar mit dem im Abschnitt 8.11 be- schriebenen Gebiet Nr. 124. Es weist in seinem näheren Umfeld eine relativ hohe Dichte von Greifvogelbrutplätzen auf und befindet sich im Verbreitungsgebiet des Schreiadlers. Der Planungsverband teilt die von der Gemeinde vertretene und begründete Auffassung, dass der Betrieb von Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 126 nicht gegen die gesetzlichen Zugriffs- verbote des Artenschutzes verstoßen würde. Dies hatte der Planungsverband bereits in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 dargelegt. Nicht folgen möchte der Planungsverband den Ausführungen der Gemeinde, sofern darin empfohlen wird auf die Betrachtung von Arten- schutzbelangen bei der RREP-Fortschreibung zu verzichten und entsprechende Prüfungen den späteren Genehmigungsverfahren zu überlassen. Der Planungsverband hält eine voraus- schauende Risikoabschätzung im Hinblick auf das Eintreten artenschutzrechtlicher Verbots- tatbestände sehr wohl für erforderlich. Hierzu wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Umweltbericht verwiesen. Zutreffend ist wiederum die Feststellung der Gemeinde, dass sich der gesetzliche Artenschutz zunächst auf das einzelne Exemplar bezieht und nicht auf die Erhaltung ganzer Populationen. Bei der Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmi- gungen ist jedoch der Erhaltungszustand der Population ein zwingendes Prüfungskriterium. Da der Planungsverband davon ausgeht, dass bei Konfliktfällen innerhalb der festgelegten Vorranggebiete grundsätzlich von der Möglichkeit der Ausnahme Gebrauch gemacht werden soll, müssen auch die Voraussetzungen für solche Ausnahmen vorausschauend beurteilt wer- den. Der Kritik des BUND-Regionalbüros, dass die vorgenommene Bewertung des Konfliktpo- tenzials der Eignungsflächen nicht konsistent und bezüglich der Vogelschutzbelange frag- würdig sei, wird nicht gefolgt. Der Planungsverband hat seine Bewertungskriterien nochmals überprüft und hält im Ergebnis der Abwägung daran fest. Die im Abschnitt 3 und im Umwelt- bericht nochmals dargelegte Bewertungsmethodik soll dazu beitragen, dass überall in der Re- gion einheitliche Maßstäbe an die Potenzialflächen angelegt werden. Sie dient damit gerade der vom BUND angemahnten Konsistenz des Planungskonzeptes. Belange des Vogelschut- zes werden dabei mit einem hohen, aus Sicht des Planungsverbandes jedoch nicht übermä- ßigen Gewicht berücksichtigt. Der Planungsverband weist darauf hin, dass bei weitem nicht alle diesbezüglichen Empfehlungen der Naturschutzbehörden bei der RREP-Fortschreibung aufgegriffen wurden. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die beiden großen Naturschutz- verbände BUND und NABU im Rahmen der RREP-Fortschreibung sehr unterschiedliche Po- sitionen vertreten. Der NABU geht davon aus, dass gerade beim Schutz des Schreiadlers noch viel strengere Maßstäbe angelegt werden müssten, als es der Planungsverband bereits getan hat. Hierzu wird auf die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen grundsätzlichen Einwendungen zum Artenschutz verwiesen. Bei der Bewertung der Lebensraumansprüche des Schreiadlers hat sich der Planungsver- band an der Empfehlung der unteren Naturschutzbehörde orientiert, wonach dem Verbrei- tungsgebiet dieser Vögel all jene Flächen zugerechnet werden, auf denen sich die Aktions- räume um mehrere benachbarte Brutreviere überschneiden. Als Aktionsraum wird pauschal ein 6.000-Meter-Umkreis um jedes Brutrevier angenommen. Diese Annahme wird durch Raumnutzungsanalysen gestützt, die in den vergangenen Jahren in einzelnen Schreiadler- Brutrevieren durchgeführt wurden. Für das dem Gebiet Nr. 126 nächstgelegene Brutrevier liegt dem Planungsverband eine Karte mit Ortungspunkten eines besenderten Schreiadlers vor. Diese lässt erkennen, dass sich die Flugbewegungen überwiegend auf einen 3.000-Meter-

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Umkreis um den Horst beschränken, dass jedoch auch der weitere Umkreis zur Nahrungssu- che genutzt wird. Das Gebiet Nr. 126 liegt in der 3.000-bis-6.000-Meter-Abstandszone um mehrere bekannte Brutreviere und damit im Lebensraum des Schreiadlers. Die Dichte der Flugbewegungen ist hier nicht so hoch, dass mit dem Betrieb von Windenergieanlagen ein signifikant erhöhtes, artenschutzrechtlich relevantes Schlagrisiko einherginge; sie ist gleich- wohl so hoch, dass Erwägungen der planerischen Vorsorge begründet sind. Die Hinweise der Einwender auf die Möglichkeit von Kompensationsmaßnahmen, mit de- nen an anderer Stelle im näheren Umfeld zusätzliche Nahrungsflächen geschaffen und damit die Lebensbedingungen der Greifvögel verbessert werden könnten, ist berechtigt. Dieser An- satz entspricht im Prinzip den Empfehlungen der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurtei- lungshilfe (AAB-WEA) des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie, die beim Schreiadler die konsequente Freihaltung des engeren Aktionsraumes und die Anlage zusätz- licher Nahrungshabitate bei Zulassung von Windparks im weiteren Aktionsraum vorsieht. Ebenso hat jedoch eine weitergehende Freihaltung der Lebensräume des Schreiadlers ihre Berechtigung. Der Schreiadler kann als Leitart störungsarmer Landschaftsräume gelten, so- dass mit einer wachsenden Inanspruchnahme seines Verbreitungsgebietes für die Windener- gienutzung landschaftliche und ökologische Qualitäten verloren gingen, die in anderen Teilen Deutschlands gar nicht mehr vorhanden sind. Der im Jahr 2016 veröffentlichte Ergebnisbericht einer bundesweiten Studie zum Kollisionsrisiko von Greifvögeln an Windenergieanlagen (sog. PROGRESS-Studie) empfiehlt die konsequente Freihaltung von Verbreitungsschwerpunkten geschützter Vogelarten als ein durchaus geeignetes Mittel des Artenschutzes beim weiteren Ausbau der Windenergienutzung. Die von der Gemeinde erwähnten technischen Maßnahmen zur Kollisionsvermeidung be- finden sich nach Kenntnis des Planungsverbandes noch nicht im Stadium der allgemeinen Anwendungsreife. Gleichwohl erscheint die Vermutung berechtigt, dass technische Systeme in naher Zukunft einen erheblichen Beitrag dazu leisten können, das Kollisionsrisiko von Vö- geln zu vermindern. Nach Auffassung des Planungsverbandes wird jedoch daneben auch die Freihaltung bestimmter Lebensräume im Sinne des vorsorgenden Artenschutzes weiterhin ihre Berechtigung haben. Hierzu wird auch auf die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Bezüglich des Gesamtumfanges der Vorranggebiete für Windenergieanlagen und dessen Ab- leitung aus energie- und umweltpolitischen Zielsetzungen wird auf die Ausführungen im Abschnitt 3.3 verwiesen. Der Planungsverband hat seine diesbezüglichen Berechnungen auf die aktuelle energiepolitische Konzeption des Landes Mecklenburg-Vorpommern gestützt, auf die auch der BUND in seiner Stellungnahme Bezug nimmt. Der Planungsverband kommt – bei konservativer Berechnungsweise – zu dem Ergebnis, dass die RREP-Fortschreibung den Zie- len des Landes vollkommen gerecht wird. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 126 als Vorranggebiet abgesehen.

360 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.13 Appelhagen (Nr. 127)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Appelhagen erhöht erhöht gering erhöht keine gegeben geeignet (127)

Ergebnis der Abwägung: Festlegung als Vorranggebiet.

8.13.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dalkendorf, Appelhagen, Heidesheim, Rachow, Amalienhof, Warnkenhagen, Groß Wokern, Neuenkirchen, Frellstedt, Gottin, Altkalen, Appelhagen, Groß Roge, Berlin und weiteren Orten • Aktionsbündnis Dalkendorf, Appelhagen und Thürkow • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • Thünengut Tellow gGmbH/Thünen-Museum Tellow • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Langen • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Denkmalbehörde und Amt für Kreisentwicklung • Enercon GmbH, Rostock • NABU Mecklenburg-Vorpommern • Gemeinde Thürkow

8.13.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Aus den Gemeinden nordwestlich von Teterow sind zum letzten Entwurf der RREP-Fortschrei- bung relativ viele Stellungnahmen der Bürger eingegangen. Die große Mehrzahl der Ein- wendungen richtet sich gleichermaßen gegen die erneute Festlegung der alten Eignungsge- biete Nr. 38 und 73 sowie gegen das neue Gebiet Nr. 127. In großer Zahl sind wort- oder inhaltsgleiche Stellungnahmen – zum Teil in Form unterschriebener Vordrucke – eingereicht

361 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 worden. Das Spektrum der wesentlichen Argumente aus diesen Bürgereinwendungen ist oben im Abschnitt 6.13 zum Vorranggebiet Nr. 38 wiedergegeben. Es wird insoweit auch auf diesen Abschnitt verwiesen. Auf eine umfassende Wiederholung an dieser Stelle wird verzichtet. Eine Bürgerin aus Appelhagen, vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel, nimmt als Eigentümerin der Gutsanlage Appelhagen Stellung. Die Einwenderin weist auf den Denkmalstatus der Gutsanlage hin. Dieser umfasse neben dem Gutshaus auch den Gutspark sowie Kapelle, Obelisk und Grab. Die Einwenderin bemängelt, dass der Planungsverband im bisherigen Verfahren der RREP-Fortschreibung weder die möglichen Auswirkungen eines Windparks auf das Denkmalensemble visualisiert und bewertet, noch bezogen auf die Denk- maleigenschaft der Gutsanlage eine umfassende und abschließende Abwägung vorgenom- men habe. Die Einwenderin geht davon aus, dass im Ergebnis einer entsprechenden Visuali- sierung und Bewertung das Gebiet Nr. 127 zwingend verworfen werden müsste, weil der Denkmalwert der Gutsanlage durch einen Windpark erheblich beeinträchtigt würde. Auch wei- tere Belange hätten nach Auffassung der Einwenderin zum Ausschluss des Gebietes Nr. 127 führen müssen. So sei die für Windenergieanlagen-Prototypen vorauszusetzende ungehin- derte Windanströmung nicht mehr gegeben, wenn gleichzeitig das Gebiet Nr. 38 in der ge- planten Neuabgrenzung festgelegt würde. Der Abstand zwischen beiden Gebieten betrage lediglich 2,5 Kilometer. In anderen Fällen habe der Planungsverband, wenn vergleichbare Konstellationen benachbarter Vorranggebiete vorlagen, ausweislich der Planbegründung von einer Festlegung als Prototypenstandort Abstand genommen. Die Einwenderin bringt in die- sem Zusammenhang auch grundsätzliche Vorbehalte gegen die Regelungen zur Standortvor- sorge für Prototypen zum Ausdruck, die sie für zu unbestimmt hält (vgl. hierzu die im Abschnitt 10 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Zudem befinde sich das Gebiet Nr. 127 teilweise innerhalb der 2.000-Meter-Abstandszone um einen nahegelegenen Großvo- gelbrutplatz sowie vollständig innerhalb der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes. Die Schutzabstände um die Brutplätze von Großvögeln hätte der Planungsverband als zwingendes Ausschlusskriterium beachten müssen. Im Zusammenwirken mit den benachbarten Vorranggebieten Nr. 38 und 73 entstehe ein neuer Konzentrationsraum, und die Orte Dalkendorf und Amalienhof würden von Wind- parks eingekreist. Zu den Fragen des Natur- und Landschaftsschutzes sowie insbesondere des Denkmalschutzes legt die Einwenderin Fachgutachten des Büros Salix (Dr. Scheller) und des Landschaftsarchitekten Dipl.-Ing. Pulkenat vor. Nach den Untersuchungen des Gutachters Dr. Scheller befinden sich im Umfeld des Vorranggebietes zwei Wechselhorste eines Seead- lerbrutpaares. Einer davon war in der Brutsaison 2019 und den vorangegangenen Jahren be- setzt, und der andere wurde zuletzt 2013 genutzt. In der aktuellen Brutsaison wurden außer- dem zwei Brutpaare des Rotmilans und ein Brutpaar des Mäusebussards nachgewiesen. Die Einwenderin bemängelt, dass für die Brutreviere der letztgenannten Arten vom Planungsver- band keine Ausschlusskriterien festgelegt worden sind. Die Erfassung und Einbeziehung die- ser Arten sei jedoch notwendig, um die gesetzlich vorgeschriebene Abwägung durchführen zu können. Ansonsten würden Flächen als Eignungsgebiete identifiziert, die sich später bei ge- nauer Betrachtung als tatsächlich ungeeignet erweisen müssten. Die Einwenderin bemängelt weiterhin, dass der Planungsverband die 1.000-Meter-Abstandszonen um Räume mit sehr ho- her Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes entgegen der Empfehlung des Energieministeri- ums den Restriktionskriterien zugeordnet und damit einer Abwägung zugänglich gemacht hat. Der beabsichtigte Schutz der betreffenden Landschaftsräume sei nicht zu erreichen, wenn große Windenergieanlagen unmittelbar an deren Rändern errichtet werden könnten. Die Frei- haltung einer Abstandszone von 1.000 Metern sei deshalb zwingend geboten. Dies gelte im konkreten Fall auch unabhängig von einer Zuordnung zu den Ausschluss- oder Restriktions- kriterien. Der schutzwürdige Raum umfasse ein wertvolles Hudewaldgebiet und stelle einen wichtigen Bestandteil der historisch gewachsenen Kulturlandschaft dar. Ein Teil des Gebietes Nr. 127 im Umfang von 20 Hektar würde sich darüber hinaus mit dem schutzwürdigen Land- schaftsraum direkt überschneiden. Zur Begründung des Denkmalwertes der Gutsanlage Ap- pelhagen legt die Einwenderin eine ausführliche Beschreibung von deren Gestalt, Geschichte und baulicher Entwicklung vor. Das heutige Gutshaus wurde im Jahr 1829 als Backsteinbau

362 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 im zeittypischen klassizistischen Stil erbaut. Es habe einen baukünstlerischen Wert. An der Erhaltung und sinnvollen Nutzung bestehe ein öffentliches Interesse. Der zum Gutshaus ge- hörende denkmalgeschützte Park zeichne sich durch seinen Bestand an Buchen, Kastanien und Eichen aus, deren Alter zum Teil auf 300 bis 500 Jahre geschätzt werde. Die im neugoti- schen Stil gehaltene Gedenkkapelle im südlichen Teil der Parkanlage wurde im Jahr 1866 erbaut. Nach dem zweiten Weltkrieg habe die Gutsanlage verschiedenen Zwischennutzungen gedient. In den letzten Jahren hätten die Eigentümer die baulichen Anlagen mit hohem Auf- wand denkmalgerecht saniert und den Gutspark wieder in seinen ursprünglichen Zustand ver- setzt. Ursprüngliche Sichtachsen nach Westen und Nordwesten seien wiederhergestellt und dem Parkbild angemessene Neupflanzungen vorgenommen worden. Der Gutachter Dipl.-Ing. Pulkenat hebt in seinen Ausführungen die landschaftsprägende Bedeutung der Gutsanlage hervor. Die historische Gestalt des Gutsparkes als Landschaftspark gehe wahrscheinlich auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück; historische Pläne der Anlage seien jedoch nicht erhal- ten. Typischerweise sei in dieser Epoche die umgebende Landschaft als korrespondierendes Element in die gartenbauliche Gestaltung einbezogen worden – so auch im vorliegenden Fall der nördlich gelegene Hudewald mit seinen Solitäreichen. Die Lage des Parkes erlaubte weite Blicke in die nördlich angrenzende Landschaft. Der Betrachter habe mit der Sonne im Rücken bis zum Abend die Umgebung als malerische Parklandschaft wahrnehmen sollen. Der Gut- achter schätzt ein, dass der Park in seinem heutigen Zustand zu den am besten gepflegten Gutsparkanlagen in Mecklenburg-Vorpommern gehöre. Die im nördlichen Umland vorhande- nen Windenergieanlagen würden bereits heute das Bild der historischen Kulturlandschaft stö- ren. Aufgrund der größeren Entfernung und der (gemessen am heutigen Stand der Technik) geringen Höhe dieser Anlagen könne die Störung jedoch als noch nicht erheblich angesehen werden. Der heutige Anblick lasse jedoch erahnen, wie sich neue Anlagen mit einer Höhe von über 200 Metern auswirkten, wenn sie in nur 800 Metern Entfernung vom Gut errichtet würden. Die Wirkung wäre auch deshalb besonders gravierend, weil die Sichtbeziehungen von der Gutsanlage in die umliegende Landschaft hauptsächlich nach Westen und Norden ausgerich- tet seien. Die vom Planungsverband im Umweltbericht vom November 2018 getroffene Ein- schätzung, dass die historischen Gutsanlagen in der Region Rostock meist keinen visuellen Bezug in die umliegende Landschaft aufwiesen, sei falsch. Dem Entwurf zur RREP-Fortschrei- bung mit dem dazugehörigen Umweltbericht fehlten die gebotene Sorgfalt und ein schlüssiges Konzept zur Betrachtung der hier zu klärenden öffentlichen Belange. Nach dem Denkmal- schutzgesetz sei jedes Denkmal nicht nur in seiner Substanz, sondern auch in seinem Er- scheinungsbild zu schützen, was einen Umgebungsschutz grundsätzlich einschließe. Wie weit dieser Umgebungsschutz reichen müsse, lasse sich nicht allgemeingültig, sondern nur anhand des konkreten Einzelfalles entscheiden. Die Entwurfsunterlagen vom November 2018 ließen diesbezügliche Erwägungen vollständig vermissen (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.10 wie- dergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Da nicht jegliche Veränderung des Er- scheinungsbildes eines Denkmals zu einer Beeinträchtigung im rechtlichen Sinne führe, komme es maßgeblich auf die Erheblichkeit der Veränderung an. Die erhebliche Beeinträchti- gung sei nicht gleichbedeutend mit einer Verunstaltung. Zur Beurteilung der Erheblichkeit gibt die Einwenderin umfangreiche Zitate aus einschlägigen Gerichtsurteilen und anderen Quellen wieder, die den Gegenstand überwiegend wortreich umschreiben, aber kaum näher eingren- zen. Nach Einschätzung des Gutachters Dipl.-Ing. Pulkenat wäre bei der Gutsanlage Appel- hagen von einem Wirkraum auszugehen, der im Süden bis zum Rand der Parkanlage reicht. Im Norden und Westen, wo ein Bezug zur freien Landschaft gegeben sei, wäre ein Umkreis von 2.000 Metern anzusetzen; im Bereich ausgeprägter Sichtbeziehungen innerhalb des Parks und aus diesem heraus betrage der maßgebende Wirkradius rund 5 bis 8 Kilometer. Bei der Beurteilung der Reichweite der Auswirkungen, die ein möglicher Windpark im Gebiet Nr. 127 auf das Landschaftsbild hätte, orientiert sich der Gutachter am Konzept der „Wirkzonen“, das nicht aus dem Denkmalschutz, sondern aus den naturschutzbehördlichen Richtlinien zur Beurteilung von Eingriffen in das Landschaftsbild stammt. Nach diesem Bewertungskonzept läge die gesamte Gutsanlage innerhalb der engeren Wirkzone, das heißt im 2-Kilometer-Ra- dius um den möglichen Windpark. Schon aus diesem Umstand könne auf eine hohe Beein-

363 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 trächtigung des Erscheinungsbildes der Gutsanlage geschlossen werden. Um zu einer ab- schließenden Einschätzung zu kommen, hat der Gutachter selbst Fotosimulationen erstellt, welche die Veränderungen des Landschaftsbildes durch einen Windpark im Gebiet Nr. 127 anschaulich werden lassen. Bei der Erstellung dieser Simulationen habe der Gutachter sich an einschlägigen Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz orientiert, wonach auf eine realitätsnahe und neutrale Darstellung geachtet werden solle, die nicht von vornherein darauf ausgerichtet sein dürfe, beim Betrachter eine bestimmte (positive oder negative) Reaktion her- vorzurufen. Die Simulationen ließen erkennen, dass ein Ausblick von den Terrassen des Guts- hauses, ein Blick auf das Gutshaus von der Dorfstraße und ein Blick aus dem Gutspark in die offene Landschaft nicht mehr möglich wäre, ohne ständig sich drehende Rotorblätter wahrzu- nehmen. Die den Denkmalwert mitkonstituierende Einbindung in die umgebende Landschaft würde damit gestört. Aus Sicht des Gutachters wäre diese Störung im rechtlichen Sinne er- heblich und müsste folglich zur Unzulässigkeit von Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 127 führen. Zur Feststellung einer möglichen Beeinträchtigung zieht der Gutachter aus der ein- schlägigen Rechtsprechung die Begriffe des Erdrückens, Verdrängens und Übertönens heran, sowie den Begriff der mangelnden Achtung vor den kulturellen und künstlerischen Werten, welche das Denkmal verkörpert. Ebenfalls in Anlehnung an die Kriterien der einschlägigen Rechtsprechung könne erkannt werden, dass zwischen dem Denkmalensemble und dem Ge- biet Nr. 127 ein notwendiger Abstand fehle, dass eine oder mehrere Windenergieanlagen aus dem Denkmalensemble heraus permanent sichtbar wären und dass die Dimensionen eines möglichen Windparks die gegebenen Proportionen von Denkmalensemble und umgebender Landschaft verändern und „verfälschen“ würden. Zur Bewertung der Erheblichkeit dieser Be- einträchtigungen nimmt der Gutachter ebenfalls auf ein jüngeres Gerichtsurteil und die diesem zugrunde liegenden Entscheidungskriterien Bezug. Nach diesen Kriterien könne eine erhebli- che Beeinträchtigung insbesondere dann angenommen werden, wenn die Schutzwürdigkeit des betreffenden Denkmales „besonders hoch“ ist, sein Erscheinungsbild „besonders schwer- wiegend“ beeinträchtigt und der Denkmalwert „wesentlich herabgesetzt“ würde. Die Schutz- würdigkeit der Gutsanlage Appelhagen schätzt der Gutachter als „hoch bis sehr hoch“ ein. Diese Einschätzung ergebe sich aus dem guten Bau- und Pflegezustand, dem hohen ge- schichtlichen Dokumentationswert, der eher seltenen Bauweise mit Ziegelfassade, der denk- malgerechten Nutzung und dem in dieser ungestörten Form nur noch selten vorhandenen Zu- sammenhang zwischen Gutshaus, Park, Gutsdorf und umgebender Landschaft. Die beiden anderen gerichtlich angewandten Beurteilungskriterien würden hier ebenso zutreffen, sodass der Gutachter im Ergebnis seiner Untersuchung zu dem Schluss kommt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung im denkmalrechtlichen Sinne angenommen werden müsse. Das Vorrangge- biet Nr. 127 sei somit zu verwerfen. Ein Festhalten an dieser Planung könne vom Planungs- verband auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Nutzung der Windenergie in diesem Fall den Belangen des Denkmalschutzes vorgehen müsste. Für die Errichtung eines Windparks kämen grundsätzlich auch andere Standorte in Frage, wo die Anlagen das Denkmal nicht beeinträchtigen würden. Die Festlegung des Gebie- tes Nr. 127 sei nicht zwingend erforderlich. Bezüglich angemessener Schutzabstände von Windenergieanlagen zu Denkmalen hat der Gutachter eine Auswertung einschlägiger Quellen der Literatur und Rechtsprechung vorgenommen. Demnach könne der Planungsverband pau- schalierend davon ausgehen, dass Windenergieanlagen bis zu einer Entfernung von 2 bis 2,5 Kilometern vordergründig in der Landschaft sichtbar seien. Erst ab einer Entfernung von 4 bis 5 Kilometern könne generell davon ausgegangen werden, dass die Anlagen ihre dominierende Wirkung im Landschaftsbild verlören. Ein Abstand von mindestens 2 bis 2,5 Kilometern sei somit auch für die Gutsanlage Appelhagen zu fordern. Weitere Bürger aus Appelhagen äußern grundsätzliche Kritik an der Vorgehensweise des Planungsverbandes bei der Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen. Die bisher vorgetragenen Einwände der Bürger seien in keiner Weise berücksichtigt worden. Es würden willkürlich und beliebig Ziele zum weiteren Ausbau der Windenergienutzung gesetzt, obwohl Strom bereits im Übermaß erzeugt werde. Argumente, die gegen eine Festlegung des Gebie-

364 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 tes Nr. 127 sprechen würden, seien dagegen vom Planungsverband weggewischt und als un- erheblich abgetan worden. Sowohl die Abwägungsdokumentation als auch der Umweltbericht zum dritten Entwurf ließen dieses Prinzip der Verharmlosung und der Nichtbefassung mit Ge- genargumenten erkennen. Angesichts der Schwere und Dauer der Eingriffe, die mit der RREP- Fortschreibung vorbereitet werden, wäre es jedoch die Pflicht des Planungsverbandes gewe- sen, die Belange der Anwohner in allen Punkten zu prüfen und zu berücksichtigen. Dies sei nicht erfolgt. Damit würden bei den Bürgern Zweifel und Misstrauen gegenüber der Arbeit der zuständigen Behörden geweckt. Windenergieanlagen könnten dort ihren Platz haben, wo sie hingehörten: weit weg von historisch gewachsenen Kulturlandschaften, die nahe daran seien, zum Weltkultur- oder -naturerbe erklärt zu werden. Diese Anlagen gehörten in solche Land- striche, die bereits seit Jahrzehnten durch Industrie und Verkehrsinfrastruktur geprägt seien. Die Einwender wollen nicht, dass auch ihre Umgebung, deren Landschaftsbild nachweislich in höchstem Maße schutzwürdig sei, „technisch überformt“ wird und damit ihren typischen Cha- rakter verliert. Die Einwender erklären, dass sie sich vor Jahrzehnten bewusst in Appelhagen niedergelassen und dort Eigentum erworben hätten. Sie sähen dies als ihre Lebensleistung an, die ihnen und ihren Kindern Sicherheit gebe. Wertverluste von Immobilien in der Nähe von Windparks würden in allen einschlägigen Berichten als teilweise dramatisch bezeichnet – den- noch hätten sie in der Abwägung des Planungsverbandes offensichtlich keine Rolle gespielt. Mit der RREP-Fortschreibung würden die Weichen gestellt für die Sicherstellung von Profiten der Investoren und Windparkbetreiber. 800 Meter Mindestabstand zur Ansiedlung Appelhagen seien ein Hohn auf die bisherige staatliche Politik zur Förderung des Wohneigentumes und des ländlichen Raumes. Die Anwohner würden als Menschen zweiter Klasse behandelt und müssten rund um die Uhr die von den Windenergieanlagen ausgehenden Belastungen ertra- gen. Hinzu kämen die latente Angst vor Bränden, Rotorbrüchen, Eisschlag und Havarien aller Art, wie sie sich in letzter Zeit häuften, sowie Verkehrsbeeinträchtigungen und Straßenschä- den durch Schwer- und Großtransporte. Die Einwender berichten, dass sie häufig Rotmilane und Mäusebussarde sowie auch Kraniche, Störche und Reiher beobachten. Im Appelhäger Park hätten sie große Eulen gesehen und auf Wunsch des von der Behörde beauftragten Vo- gelkartierers Aufzeichnungen über ihre Beobachtungen gemacht. Die Einwender vermissen eine angemessene Berücksichtigung dieser geschützten Vögel bei der RREP-Fortschreibung. Weitere Bürger aus Appelhagen halten einen Schutzabstand von 800 Metern ebenfalls für zu gering. Nach Aussage von Bekannten aus Altentreptow seien die Geräusche der dortigen Windenergieanlagen je nach Windrichtung 2 bis 3 Kilometer weit zu hören. Allerdings wäre man auch dann dagegen, wenn Anlagen weiter weg vom Dorf oder in geringerer Größe errich- tet würden. Windenergieanlagen gehörten in Ballungsgebiete, wo es Betriebe gebe und Ener- gie gebraucht werde. Weitere Bürger aus Appelhagen zeigen sich betroffen über die politische Willkür, mit der Windenergieanlagen gegen den Willen der Bevölkerung errichtet werden sollten. Das Gebiet Nr. 127 widerspreche allen Grundsätzen des Naturschutzes. Mindestabstände zum Natur- schutzgebiet Appelhäger Forst würden unterschritten. Zumindest müsse das Gebiet verklei- nert werden, und die Festsetzung einer maximalen Bauhöhe für Windenergieanlagen im Ge- biet sei erforderlich. Zahlreiche Bürger aus verschiedenen Gemeinden haben zur Bekundung ihrer Ablehnung wortgleiche Vordrucke oder weitgehend gleiche Textvorlagen genutzt, welche zum Teil einfach übernommen und zum Teil variiert wurden. Die Bürger setzen sich sehr umfänglich mit den Gebieten Nr. 38, 73 und 127 auseinander. In diesem Zusammenhang werden auch grundsätz- liche Vorbehalte gegen den Ausbau der Windenergienutzung und die bei der RREP-Fort- schreibung angewandten Planungskriterien zum Ausdruck gebracht. Die Einwände zu den Gebieten Nr. 38, 73 und 127 beziehen sich zum Teil auf Einwände öffentlicher Stellen, die der Planungsverband in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wiedergegeben hatte. Zum Teil wird auch wörtlich aus den Plandokumenten zitiert. Die betreffenden Einwände werden von der Einwenderin nochmals bekräftigt bzw. in ihrem Sinne interpretiert und zum

365 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Teil mit weiteren Informationen unterlegt. Darüber hinaus enthalten die Stellungnahmen je- doch auch Einwände (zum Beispiel die Überschneidung von Windenergie-Vorranggebieten mit europäischen Schutzgebieten oder Trinkwasserschutzgebieten sowie Belange des Bio- topverbundes), die mit den örtlichen Verhältnissen in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen und anscheinend wahllos aus (den Einwendern wohl zufällig bekannten) Stellungnah- men anderer Einwender zu Vorranggebieten in anderen Teilen der Region herauskopiert wur- den. Auf solche offensichtlich unzutreffenden Belange wird hier nicht näher eingegangen. Den Einwendern ging es vermutlich darum, ein möglichst großes Spektrum an Argumenten wie- derzugeben und dem Planungsverband möglichst viele vermeintliche Rechtsfehler nachzu- weisen. Die Einwender beklagen, dass die Schutzabstände zu den Wohnorten vom Planungs- verband generell zu gering bemessen worden seien (vgl. diesbezüglich auch die im Abschnitt 5.1 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwender). Die Anwohner sähen hierin das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Schon die vorhandenen Anlagen zwischen Dalkendorf und Amalienhof stellten eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebens- und Wohn- qualität dar. Durch einen weiteren Windpark würde diese Beeinträchtigung noch verstärkt, und es seien gesundheitliche Nachteile für die Anwohner zu erwarten. Das Recht der Bürger auf körperliche Unversehrtheit werde damit verletzt. In Amalienhof sei es bereits zur Kündigung von Mietverträgen gekommen, weil von den Anlagen zu viel Unruhe und Lärm ausgehe. Für die Vermieter sei dies existenzbedrohend. Wenn Hauseigentümer nicht die Möglichkeit hätten, einfach wegzuziehen, bedeute dies nicht, dass sie durch die Emissionen der Anlagen nicht gefährdet würden. Bezüglich einer befürchteten Umstellungswirkung, insbesondere auf die Ansiedlung Amalienhof, geben die Einwender nochmals diesbezügliche Ausführungen aus der Abwägungsdokumentation vom November 2018 wieder. Aus der Ferne würde zukünftig nur ein einziger großer Windpark zu sehen sein. Der Eingriff in die Kulturlandschaft wäre enorm. Der ländliche Raum verkomme zur unbewohnbaren Industriesteppe. In formaler Hinsicht be- mängeln die Einwender, dass der Planungsverband die bereits vorhandenen Windparks Dal- kendorf und Warnkenhagen in seine Abwägung nicht einbezogen habe. Die bestehenden An- lagen, die ihrer Errichtung vorausgegangenen Genehmigungsverfahren sowie die in diesem Rahmen durchgeführten Prüfungen und ermittelten Sachverhalte hätten in den Entwurfsunter- lagen der RREP-Fortschreibung umfassend beschrieben und dargelegt werden müssen. Das- selbe gelte für die früher hier festgelegten Eignungsgebiete und die dazu durchgeführte Pla- nung. Ohne eine umfassende Sachverhaltsdarstellung bleibe die Abwägung unvollständig. Die unvollständige Sachaufklärung wirke sich auch in der Umweltprüfung aus: Der Planungsver- band habe das Schutzgut der „ökologischen Empfindlichkeit“ bezogen auf das Vorranggebiet Nr. 127 gar nicht hinreichend bewerten und berücksichtigen können. Dies sei im rechtlichen Sinne ein Verfahrensfehler, welcher von den Einwendern jedenfalls geltend gemacht werden könne – auch ohne dass dafür eine persönliche Betroffenheit nachgewiesen werden müsste. Die Festlegung des Vorranggebietes Nr. 127 verstoße im Zusammenwirken mit den bereits vorhandenen Windparks gegen das umweltrechtliche Kumulierungsverbot. Der Planung stün- den gemäß § 35 des Baugesetzbuches öffentliche Belange des Naturschutzes und der Land- schaftspflege, des Bodenschutzes und des Denkmalschutzes entgegen; die natürliche Eigen- art der Landschaft und ihr Erholungswert würden beeinträchtigt und das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet. Mit Verweis auf die vom Planungsverband selbst in den Pla- nungsunterlagen vom November 2018 dokumentierten Großvogelvorkommen, die ebendort wiedergegebene Beschreibung potenzieller Gefahren für die Vogelwelt sowie die einschlägi- gen Abstandsempfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten führen die Einwender aus, dass sie die Verbotstatbestände des § 44 Bundesnaturschutzgesetz für das Vorranggebiet Nr. 127 als gegeben ansehen. Auch aus diesem Grunde wäre dessen Fest- legung rechtswidrig. Zumindest aber sei bezüglich der Belange des Artenschutzes von einem hohen Konfliktrisiko auszugehen, das hier – wie bei anderen ursprünglich geplanten Eignungs- gebieten – zu einem Ausschluss hätte führen müssen. Der Planungsverband dürfe nicht im Sinne einer „Salamitaktik“ Voraussetzungen für die Errichtung weiterer Windenergieanlagen bei Appelhagen schaffen, bevor nicht die Umweltauswirkungen der bereits vorhandenen An- lagen umfassend dokumentiert und bewertet wurden. Bei rechtskonformer Prüfung im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung hätten nach Ansicht der Einwender

366 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 schon die vorhandenen Windparks nicht zugelassen werden dürfen, weil sie sich in einem Raum mit hoher ökologischer Empfindlichkeit befänden. Bei Zulassung weiterer Windenergie- anlagen, wie im Fall des jetzt geplanten neuen Vorranggebietes, müssten immer die bereits vorhandenen Anlagen und mögliche Kumulationswirkungen in die Bewertung der Umweltaus- wirkungen einbezogen werden. Der Planungsverband mache nun den gleichen Fehler, den die Genehmigungsbehörden bereits bei der Zulassung der vorhandenen Anlagen gemacht hätten, indem sie keine rechtskonforme Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt hätten. Auch die gesetzlich vorgeschriebene Vorprüfung im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen europäischer Schutzgebiete habe der Planungsverband für das Gebiet Nr. 127 unterlassen. Eine solche Vorprüfung hätte die Gefahr von Beeinträchtigungen zweifelsfrei ergeben müssen, und eine nähere Prüfung hätte zur Aufgabe des Gebietes Nr. 127 führen müssen. Bürger aus Amalienhof lehnen die Festlegung der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 eben- falls ab. Ortschaften wie Amalienhof und Dalkendorf würden von Windenergieanlagen zukünf- tig komplett eingeschlossen. Nach Ansicht der Einwender würde es die Weitläufigkeit der mecklenburgischen Landschaft ohne weiteres zulassen, die Windparks in größerem Abstand zu den Ortschaften zu planen. Die Einwender äußern vor diesem Hintergrund auch grundsätz- liche Kritik an der Vorgehensweise des Planungsverbandes, die jeglichen Sachverstand und jegliches Verantwortungsbewusstsein vermissen lasse (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.3 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwender). Die Planung führe zu einer schlei- chenden Enteignung der Immobilienbesitzer. Der Verkaufswert von Grundstücken in diesem Teil der Region liege schon jetzt weit unter dem Bundesdurchschnitt und sei tendenziell stark fallend, bis zur Unverkäuflichkeit. Auch die Belange des Naturschutzes würden aus Sicht der Einwender gegen die Festlegung der Vorranggebiete sprechen. Im Appelhäger Forst würde derzeit, seinem Status als Schutzgebiet zum trotz, so intensiv gerodet, dass sich für die Groß- vögel die Lebensbedingungen nachhaltig verschlechtern würden. Mit neuen Windenergiean- lagen in den drei Vorranggebieten würden auch die mutmaßlichen Flugkorridore der Vögel zum Radener und Wotrumer See unterbrochen. Die Einwender kritisieren das bereits begon- nene Genehmigungsverfahren für zwei Windenergieanlagen-Prototypen im Gebiet Nr. 127. Damit solle offensichtlich für spätere größere Eingriffe der Weg bereitet werden. Den betroffe- nen Bürgern seien zunächst nur unvollständige Informationen über das wahre Ausmaß der Planungen gegeben worden. Bürger aus Appelhagen geben an, dass sie seit über 30 Jahren dort wohnen. Die Einwender fürchten um ihre Wohnruhe und den Wert ihrer Immobilie, die sie auch als Altersvorsorge be- trachten. Von Bekannten und Verwandten, die in der Nähe vorhandener Windparks in der wei- teren Umgebung leben, würde über starke Lärmbelästigung und Schattenwurf sowie über Ängste, Schlafstörungen und psychische Probleme berichtet. Auch die Einwender selbst machten diese Erfahrungen, wenn sie dort zu Besuch seien. Zudem seien die örtlichen Feu- erwehren gar nicht hinreichend ausgestattet um mögliche Brände in einem Windpark zu lö- schen. Das Aktionsbündnis Dalkendorf, Appelhagen und Thürkow legt zahlreiche Unterschriften von Bürgern gegen die Festlegung des Gebietes Nr. 127 vor und bringt die Hoffnung zum Ausdruck, dass die gewählten Vertreter des Planungsverbandes die Meinung der Bürger wahr- nehmen möchten. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach das Vorrang- gebiet Nr. 127 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooksberg liegt. Die Einwenderin hatte empfohlen, innerhalb dieses Bereiches aufgrund der zu erwartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Windenergieanlagen keine Eignungs- und Vorranggebiete festzulegen.

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Das Thünengut und das Thünen-Museum Tellow lehnen die Festlegung des Vorranggebie- tes Nr. 127 und die mögliche Erweiterung der Windparks in den Gebieten Nr. 38 und 73 ab. Als Personal- und Freilichtmuseum lebe man von der kulturgeschichtlich gewachsenen Guts- anlage und ihrer Einfügung in die landschaftliche Umgebung. Diese mache auch wesentlich die Attraktivität für Touristen aus. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung weist nochmals auf die Lage des Gebietes Nr. 127 im Anlagenschutzbereich der Radaranlage Schmooksberg hin, der einen Umkreis von 15 Kilometern um den Standort der Flugsicherungseinrichtung umfasst. Gemäß § 18 a Luft- verkehrsgesetz ist innerhalb dieses Bereiches regelmäßig zu prüfen, ob die Flugsicherungs- einrichtung durch Windenergieanlagen gestört würde. Diese Prüfung erfolge, wenn über die zuständige Luftfahrtbehörde des Landes konkrete Vorhabenplanungen vorgelegt würden. Da die zu erwartenden Einschränkungen dem eigentlichen Ziel von Vorrang- und Eignungsgebie- ten entgegenstünden, wiederholt das Amt seine Empfehlung, innerhalb von Anlagenschutzbe- reichen keine Vorrang- und Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen, jeden- falls aber auf die Möglichkeit von Einschränkungen im späteren Genehmigungsverfahren und die Notwendigkeit der Beteiligung der Luftfahrtbehörde hinzuweisen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist erneut auf die Lage des Ge- bietes Nr. 127 in der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwür- digkeit des Landschaftsbildes hin. Das Landesamt bekräftigt seine Auffassung, dass der 1.000-Meter-Abstand als zwingendes Ausschlusskriterium zu gelten habe, dessen Anwen- dung keiner planerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.6 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Außerdem werde ein Mindestab- stand von 2,5 Kilometern zu den benachbarten Vorranggebieten Nr. 38 und 73 nicht eingehal- ten. Auf rund 10% der Gebietsfläche liege eine Überschneidung mit dem 2.000-Meter-Schutz- abstand zu einem nahegelegenen Großvogelbrutplatz vor. Die Denkmalbehörde des Landkreises Rostock stellt fest, dass das Vorranggebiet Nr. 127 nur 800 Meter von der denkmalgeschützten Guts- und Parkanlage Appelhagen entfernt ist. Die Eigentümer hätten Gutshaus, Hof und Park in den letzten Jahren mit großem Aufwand saniert. Die Errichtung von Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 127 würde aus denkmalpflege- rischer Sicht zu einer erheblichen Entwertung dieser besonders schützenswerten Kulturland- schaft führen. Hierzu zähle auch die auf einer Anhöhe stehende Kapelle. Das Amt für Kreisentwicklung des Landkreises Rostock bemängelt die aus seiner Sicht unzureichende Berücksichtigung der Tourismusentwicklungsräume bei der Auswahl der Vor- ranggebiete für Windenergieanlagen (vgl. auch die im Abschnitt 5.3 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders). Die Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 liegen zum Teil im Tourismusentwicklungsraum. Im Bereich der Vorranggebiete verlaufen zwei bedeutende tou- ristische Radrouten. Dies sind der Radfernweg Hamburg—Rügen und der Schlösserrundweg. Der Verlauf der Routen sei im Hinblick auf die Anbindung der Gutsanlage Tellow und der Stadt Teterow gewählt worden. Den Touristen solle in verkehrsarmer Umgebung eine freie Sicht in die Landschaft ermöglicht werden. Die Enercon GmbH begrüßt die Festlegung des Gebietes Nr. 127. Die Einwenderin gibt an, dass sie zu diesem Gebiet eigene Gutachten zum Umwelt- und Artenschutz in Auftrag gege- ben habe. Diese belegten, dass Naturschutzbelange der Festlegung des Gebietes Nr. 127 als Vorranggebiet nicht entgegenstehen würden. Auch die geplante Standortvorsorge für Prototy- pen wird von der Einwenderin ausdrücklich begrüßt. Als Hersteller von Windenergieanlagen sei das Unternehmen auf eben solche Standorte für eine normgerechte Anlagenvermessung angewiesen. Infolge der letzten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und der da- mit eingeführten Ausschreibungsregelungen sei der Forschungs- und Entwicklungsbedarf er- heblich angestiegen. Der Standort Appelhagen besitze hierzu eine hervorragende Eignung, weil mit entsprechender Nabenhöhe eine Vielzahl von Messstandorten zur Verfügung stehe und die Lage im Grenzbereich zweier Auslegungswindzonen ein zusätzliches Potenzial für die Anlagenzertifizierung biete.

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Der NABU Mecklenburg-Vorpommern sieht bezüglich der Belange des Vogelschutzes beim Gebiet Nr. 127 ein erhöhtes Konfliktpotenzial und geht davon aus, dass der Planungsverband in seiner Bewertung dieses Konfliktpotenzial unterschätzt habe. Es lägen Hinweise auf das Vorkommen von Mäusebussard, Rotmilan, Schwarzmilan, Seeadler und Schreiadler vor. In- nerhalb des Gebietes befinde sich ein Kranichbrutplatz. Der NABU weist in diesem Zusam- menhang auf die vergleichsweise reichhaltige Ausstattung des Gebietes mit Grünland sowie kleineren Gehölzen und Gewässern hin. In 5.600 Metern Entfernung vom Gebiet Nr. 127 be- finde sich das nächstgelegene Brutrevier des Schreiadlers. Der NABU fordert die Einhaltung eines generellen Schutzabstandes von 6.000 Metern um die Brutreviere des Schreiadlers, wie er von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten gefordert wird. Zu den Brut- plätzen des Seeadlers sollten generell 3.000 (statt 2.000) Meter Abstand eingehalten werden (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwen- ders). Die Gemeinde Thürkow lehnt die Festlegung des Gebietes Nr. 127 ab. Die Gemeinde führt aus, dass die vom Land Mecklenburg-Vorpommern für das Jahr 2025 angestrebte Zielgröße von 6 Gigawatt installierter Leistung bereits heute überschritten werde. Auch wenn einige Windenergieanlagen in den nächsten Jahren abgebaut würden, könnte der damit verbundene Kapazitätsverlust durch modernere und effizientere Anlagen aufgefangen werden. Es bestehe somit kein Grund, die Landschaft mit weiteren Windparks zu verunstalten und die Bürger auf die Barrikaden zu treiben. Die Gemeinde bemängelt, dass der Planungsverband sich bei sei- ner Flächenauswahl nicht uneingeschränkt an bundes- und landesweit geltenden Empfehlun- gen orientiert habe. Dies betreffe unter anderem die Schutzabstände zu den Wohnorten und zu Brutplätzen geschützter Vögel. Dieses Vorgehen werfe die Frage auf, ob die Menschen und Tiere in Mecklenburg-Vorpommern robuster seien als in anderen Regionen Deutschlands. Die Empfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten aus dem Jahr 2015 sähen vor, dass zu Brutplätzen des Schreiadlers ein Abstand von 6.000 Metern eingehalten werden solle. Es könne deshalb kaum gerechtfertigt sein, dass bei der RREP-Fortschreibung lediglich 3.000 Meter angesetzt wurden. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geolo- gie habe bereits im Jahr 2014 darauf hingewiesen, dass das Gebiet Nr. 127 vollständig inner- halb der Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbil- des liege. Die Gemeinde wolle nicht, dass die Ansicht dieser Landschaft durch einen Windpark verdorben würde. Auch die Lage im Schutzbereich um die Radaranlage Schmooksberg spricht nach Einschätzung der Gemeinde gegen eine Festlegung des Gebietes Nr. 127. Sicherlich gebe es andere Gebiete, die für Windenergieanlagen besser geeignet wären als die Umge- bung von Thürkow, Dalkendorf und Warnkenhagen.

8.13.3 Zusammengefasste Abwägung Zum Gebiet Nr. 127 sind relativ viele Stellungnahmen der Bürger eingegangen, die sich überwiegend auch auf die benachbarten Vorranggebiete Nr. 38 und 73 beziehen. Der Pla- nungsverband geht in Auswertung der bislang durchgeführten öffentlichen Auslegungen da- von aus, dass die bloße Anzahl der Einwendungen allein keine unmittelbaren Rückschlüsse auf Schwere und Ausmaß der mit den betreffenden Vorranggebieten verbundenen Konflikte erlaubt. Die große Anzahl kann gleichwohl ein Hinweis darauf sein, dass bestimmte Belange und Schutzinteressen hier besonders berührt werden. Im Ergebnis der nachfolgend dargeleg- ten Abwägung kommt der Planungsverband jedoch zu dem Ergebnis, dass das Gebiet Nr. 127 kein besonders herausgehobenes Konfliktpotenzial aufweist. Zur Abwägung der von den Bür- gern vorgebrachten Belange wird auch auf die Ausführungen zum Gebiet Nr. 38 im Abschnitt 6.13 sowie auf die allgemeinen Ausführungen zum Planungskonzept der RREP-Fortschrei- bung in den Abschnitten 4 und 5 verwiesen. Mehrere Einwender betonen, dass sie ihren Wohnort absichtlich in einem besonders ruhi- gen und naturnahen Umfeld gewählt haben, und sehen die Errichtung neuer und größerer Windenergieanlagen als unzumutbaren Eingriff in ihre Wohnumgebung an. Entsprechende

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Einwände werden auch in anderen Teilen der Region gegen die dort festgelegten Vorrangge- biete vorgebracht. Die Gemeinden nordwestlich von Teterow nehmen in dieser Hinsicht keine Sonderstellung ein. Der Planungsverband ist sich der Bedeutung und der Attraktivität des länd- lichen Raumes als Wohnort bewusst und geht davon aus, dass mit den angewandten Pla- nungskriterien dieser Bedeutung hinreichend Rechnung getragen wird. Aufgrund dieser Krite- rien werden Teile der Region großräumig von Windparks freigehalten. Mit einem Schutzabstand von 800 Metern wird im Übrigen für die vorhandenen Wohnhäuser im Außen- bereich eine sehr weitreichende planerische Vorsorge betrieben. Gleichzeitig ist jedoch zu be- achten, dass der Gesetzgeber den Außenbereich als Standort für störende Anlagen ausdrück- lich vorgesehen hat. Das Interesse der Bewohner an der Erhaltung einer möglichst ruhigen Umgebung kann deshalb für die RREP-Fortschreibung nicht allein maßgebend sein. Mit der Einhaltung großzügiger Schutzabstände zu allen Wohnhäusern wird gewährleistet, dass mög- liche Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes ein vertretbares Maß nicht übersteigen. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Der Einschätzung einzelner Einwender, wonach die Errichtung von Windenergieanlagen in ihrer Nachbarschaft einer Enteignung gleichkäme, hält der Planungsverband für zu weitgehend. Das Wohnen wird im Umfeld der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 auch in Zukunft ohne Einschränkungen möglich sein. Eine generelle Garantie zur Erhaltung einer völlig störungsfreien Wohnumge- bung, die alle Hauseigentümer vor jeglichen Veränderungen in ihrer Nachbarschaft schützen würde, kann es nicht geben. Dem Einwand zahlreicher Bürger, dass schon die ursprüngliche Festlegung der benach- barten Eignungsgebiete Nr. 38 und 73 im Jahr 1999 rechtswidrig und ohne gebührende Prüfung von Umweltschutzbelangen erfolgt sei, kann der Planungsverband nicht folgen. Ent- sprechende Mängel in der damals erfolgten planerischen Abwägung sind dem Planungsver- band nicht bekannt und werden auch von den Einwendern nicht dargelegt. Zutreffend ist aller- dings, dass die Anforderungen an die Prüfung der Umweltbelange sowie die Dokumentation der diesbezüglichen Untersuchungen und Erwägungen seit 1999 vom Gesetzgeber maßgeb- lich weiterentwickelt wurden. An früher abgeschlossene Planungsverfahren kann nicht einfach nachträglich der Maßstab des heutigen Verfahrensrechts angelegt werden. Ebenso wenig kann der Planungsverband dem Einwand folgen, dass vermeintliche Fehler der Vergangenheit mit der aktuellen RREP-Fortschreibung wiederum ohne gebührende Prüfung übernommen und nochmals festgeschrieben würden. Vielmehr wurden die früheren planerischen Festlegun- gen zur Windenergienutzung umfassend überprüft. Bei der heutigen Bewertung von Umwelt- auswirkungen ist grundsätzlich vom aktuellen Zustand auszugehen. Die vorhandenen Wind- parks in den früher festgelegten Eignungsgebieten sind zunächst als bestehende Nutzung (also als Teil der Umwelt) zu berücksichtigen. Hinweise darauf, dass bereits diese bestehende Nutzung mit (nach heutigen Maßstäben des Umweltschutzes) nicht vertretbaren Auswirkun- gen einhergehen würde, liegen dem Planungsverband weder für die Gebiete Nr. 38 und 73 noch für andere früher festgelegte Eignungsgebiete vor. Ebensowenig folgen kann der Planungsverband dem Einwand, dass die Neufestlegung des Vorranggebietes Nr. 127 in der Nachbarschaft bestehender Windparks einer „Salamitak- tik“ gleichkomme, indem Raum für neue Anlagen geschaffen würde, ohne die bereits gegebe- nen Umweltauswirkungen der bestehenden Anlagen zu betrachten. Selbstverständlich wären bei einer Genehmigung neuer Anlagen im Gebiet Nr. 127 die vorhandenen Windparks und die von ihnen verursachten Vorbelastungen zu beachten. Soweit es zum Beispiel um die Einhal- tung konkreter Immissionsrichtwerte in den umliegenden Wohnorten geht, ist dies jedoch Ge- genstand späterer Genehmigungsverfahren – und nicht des Planungsverfahrens zur RREP- Fortschreibung. In planerischer Hinsicht ist als mögliche Kumulationswirkung insbesondere die lokale Häufung von Windenergieanlagen zu betrachten. Diese ist im Hinblick auf die tech- nische Überformung des Landschaftsbildes sowie die Umstellung von Ortschaften zu bewer- ten. Die entsprechenden Erwägungen des Planungsverbandes wurden bereits in den Ent- wurfsunterlagen vom November 2018 dargelegt.

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Bezüglich der lokalen Häufung von Windparks sowie einer möglichen Umstellungswir- kung auf Ortschaften wird auf die allgemeinen Ausführungen in den Abschnitten 3.5 und 5.2 verwiesen. Die einheitlich angewandten Orientierungswerte zur Bestimmung übermäßiger Zu- sammenballungen werden bei den drei fraglichen Vorranggebieten Nr. 38, 73 und 127 nicht erreicht. Die summierte Flächengröße der drei Gebiete wird in anderen Teilen der Region schon von einzelnen Vorranggebieten überschritten. Ansätze einer möglichen Umstellungs- wirkung sind nur für die Ortschaft Dalkendorf festzustellen. Die Summe der potenziell verstell- ten Bereiche um diesen Ort beträgt 160 Grad. 180 Grad würden erreicht, wenn die fast 20 Jahre alten, zukünftig außerhalb der Vorranggebiete stehenden Anlagen des vorhandenen Windparks Warnkenhagen mitgerechnet werden, von denen gegenwärtig nicht bekannt ist, ob sie in der nächsten Zeit zurückgebaut oder noch länger betrieben werden. Der Planungsver- band hat diesem Umstand bereits Rechnung getragen und bei der Abgrenzung des Gebietes Nr. 38 auf eine maximal mögliche Ausdehnung nach Süden verzichtet. Der gesamte südliche Umkreis des Ortes würde von Windenergieanlagen frei bleiben. Die Ansiedlung Amalienhof ist planungsrechtlich dem Außenbereich zuzuordnen. Die Maßstäbe, die bei der Beurteilung mög- licher Umstellungswirkungen auf Ortschaften angewandt werden, können auf eine solche Splittersiedlung nicht in gleicher Weise angewandt werden. Zahlreiche Stellungnahmen beziehen sich auf die Erhaltung der Kulturlandschaft, die durch Windenergieanlagen in ihrem Erscheinungsbild verändert würde. Inwieweit die bereits vorhan- denen Anlagen in den bisherigen Eignungsgebieten Nr. 38 und 73 eine noch hinnehmbare oder eine bereits unverträgliche Veränderung darstellen, scheinen die Einwender unterschied- lich zu beurteilen. Die diesbezüglichen Einwendungen berühren eine zentrale Grundsatzfrage der RREP-Fortschreibung, nämlich die Frage nach dem erwünschten und vertretbaren Grad der räumlichen Konzentration von Windenergieanlagen. Der Planungsverband bleibt bei sei- ner Einschätzung, dass eine moderate Konzentration bei gleichzeitiger Freihaltung besonders wertvoller Landschaftsräume dem Charakter der Kulturlandschaft in der Region Rostock am besten gerecht wird. Die von den Einwendern hervorgehobenen landschaftsprägenden Struk- turen und Bauwerke wie Alleen, Kirchen und Gutsanlagen sind überall in der Region vorhan- den, nicht nur in der Umgebung von Teterow. Innerregionale Unterschiede gibt es allerdings bei der Überformung der historischen Kulturlandschaft durch Infrastrukturen und Siedlungser- weiterungen des Industriezeitalters. Diese ist in der näheren Umgebung von Rostock und Güstrow sowie im Küstenraum tatsächlich weiter fortgeschritten als in den peripheren Teilen der Region um Gnoien, Krakow am See und Teterow. Der Planungsverband ist bei der Aus- wahl von Standorten für Windparks einem Zielkonflikt ausgesetzt. Die Forderung nach immer größeren Schutzabständen zu den Wohnorten hat in den letzten Jahren gerade dazu geführt, dass vermehrt die dünnbesiedelten Randgebiete der Region in Betracht gezogen wurden, in denen der Charakter einer agrarisch geprägten Kulturlandschaft noch relativ gut erhalten ist (vgl. hierzu auch die allgemeinen Ausführungen in den Abschnitten 4.3 und 5.6). Den Bürgern steht es selbstverständlich frei, beides zugleich zu fordern – die Einhaltung maximaler Ab- stände zu den Wohnorten und die konsequente Freihaltung der dünnbesiedelten, bisher wenig veränderten Agrarlandschaften. Der Planungsverband muss diesbezüglich jedoch Kompro- misse eingehen, weil beide Forderungen nicht miteinander vereinbar sind. Die Mecklenburgi- sche Schweiz als Kulturlandschaft von herausgehobener Bedeutung wird bei der RREP-Fort- schreibung geschützt, indem der Naturpark Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See, die Gebiete mit besonderer Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes und der Freiraum- funktion sowie der Tourismusschwerpunktraum um Teterow und den Malchiner See von der Festlegung von Windenergie-Vorranggebieten ausgenommen wurden. Der Raum um Warn- kenhagen und Dalkendorf, in dem die drei fraglichen Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 liegen, gehört nicht zu diesen besonders schützenswerten Landschaftsräumen. Mehrere Einwender bemängeln, dass der Planungsverband im Anhang des Umweltberichtes die in der Umgebung der drei fraglichen Vorranggebiete vorhandenen Baudenkmale nur un- vollständig aufgezählt hat. Diese Aufzählung erfolgt tatsächlich ohne Anspruch auf Vollstän- digkeit. Der Planungsverband hat sich im Wesentlichen auf die Aufzählung der Kirchen und Gutsanlagen beschränkt, weil diese in besonderem Maße die Ortsbilder prägen.

371 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Einen herausgehobenen Denkmalwert der Gutsanlage Appelhagen hatte der Planungsver- band bei der Erstellung der bisherigen Entwürfe zur RREP-Fortschreibung tatsächlich nicht erkannt. Der Planungsverband hatte lediglich bemerkt, dass Sanierungsarbeiten im Gange waren und dass die historische Anlage in den vergangenen Jahren wieder in einen repräsen- tativen Zustand versetzt worden ist. Der Planungsverband hatte hierbei die Aufsicht auf das Gutshaus in der Achse des Landweges aus Richtung Thürkow im Blick, die durch einen Wind- park im Vorranggebiet Nr. 127 nicht wesentlich verändert würde. Das von der Eigentümerin eingereichte Gutachten von Herrn Dipl.-Ing. Pulkenat enthält nun großformatige Fotosimulati- onen, welche die möglichen Auswirkungen eines Windparks im Gebiet Nr. 127 anschaulich machen. Diese Simulationen wurden offensichtlich mit großer Sorgfalt erstellt und bilden nach Auffassung des Planungsverbands eine gute Grundlage für die denkmalschutzfachliche und denkmalrechtliche Beurteilung der Planung. In seinen schriftlichen Ausführungen geht der Gut- achter auf die Frage ein, inwieweit das Denkmalensemble der Gutsanlage Appelhagen in sei- nem Erscheinungsbild durch einen Windpark im Gebiet Nr. 127 beeinträchtigt werden könnte. Maßgebend für diese Beurteilung ist, wie vom Gutachter ausgeführt wird, das Empfinden des „für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters“. Der Gut- achter stellt fest, dass für die denkmalrechtliche Beurteilung sowohl der Zeugniswert des Denkmals als auch die Schwere der möglichen Beeinträchtigung maßgebend sind. Für die Gutsanlage Appelhagen erkennt der Gutachter einen „besonderen“ Denkmalwert. Zumindest hinsichtlich des Erhaltungs- und Pflegezustandes sowie der weitgehend ungestörten Einheit von Guts- und Parkanlage erscheint dieses Urteil plausibel begründet. Der Gutachter stellt fest, dass nicht nur Eingriffe in die bauliche Substanz eines Denkmals, sondern auch Verän- derungen seines Erscheinungsbildes als Beeinträchtigung des Denkmalwertes im rechtlichen Sinne gelten können. Der Gutachter kommt aufgrund seiner Analyse der örtlichen Sichtbezie- hungen und der Visualisierung eines möglichen Windparks zu dem Schluss, dass im vorlie- genden Fall eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes eintreten würde, wenn Windener- gieanlagen der heute üblichen Größenklasse im Vorranggebiet errichtet würden. Aus Sicht des Planungsverbandes muss dieser gutachterlichen Einschätzung gefolgt werden. Die Sicht auf Teile des Denkmalensembles würde in bestimmten Perspektiven durch die möglichen Windenergieanlagen zweifelsfrei gestört und der Denkmalwert insoweit beeinträchtigt. Der Gutachter stellt grundsätzlich fest, dass nicht jegliche Beeinträchtigung eines Denkmals und seines Erscheinungsbildes rechtlich unzulässig ist. Für die rechtliche Beurteilung entschei- dend ist die Frage der Erheblichkeit möglicher Beeinträchtigungen. Zur Bewertung der mögli- chen visuellen Auswirkungen eines Windparks zieht der Gutachter unbestimmte Rechtsbe- griffe aus einschlägigen Gerichtsurteilen heran, mit denen die Art und Schwere dieser Auswirkungen näher beschrieben werden können. Im Ergebnis seiner Bewertung schätzt der Gutachter ein, dass die möglichen Windenergieanlagen in ihrer optischen Wirkung das Denk- malensemble „erdrücken“, „verdrängen“, und „übertönen“ würden. Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden. Die vom Gutachter vorgenommene Visualisierung lässt erkennen, dass sowohl in der Aufsicht auf das Denkmal als auch in der Aussicht aus der Guts- und Parkanlage heraus die möglichen Windenergieanlagen immer nur entfernt im Hintergrund sichtbar wären. Sie würden in ihrer wahrnehmbaren Dimension nicht wesentlich über Baumwipfel- und Ge- bäudehöhe hinausgehen. Die vom Gutachter herangezogenen Begriffe beschreiben somit die von ihm selbst erstellten Visualisierungen nicht zutreffend. Für die Simulation der Aufsicht auf das Gutshaus wurde im Übrigen vom Gutachter eine Schrägperspektive gewählt, welche den Bereich des späteren Windparks gezielt ins Bild holt, jedoch nicht der vom Architekten ur- sprünglich geplanten Schauperspektive (in der Achse des Thürkower Landweges) entspricht. Diese Schauperspektive wäre jedoch aus Sicht des Planungsverbandes für die Beurteilung in erster Linie maßgebend. Die Ansicht würde in dieser Perspektive durch einen Windpark in wesentlich geringerem Maße verändert. Der Gutachter führt weiterhin aus, dass mit der Er- richtung eines Windparks die „gebotene Achtung“ vor dem künstlerischen und historischen Wert des Denkmals nicht gewahrt würde. Auch dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden. Eine Missachtung besteht nicht allein darin, dass eine moderne technische Anlage neben ein historisches Gebäude gestellt wird. Windenergieanlagen gehören in Mecklenburg-Vorpom- mern zum Landschaftsbild; sie sind in der offenen Landschaft nicht grundsätzlich deplatziert.

372 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Für Windenergieanlagen wird in der Regel eine neutrale Farbgebung vorgesehen, die – abge- sehen von den notwendigen Kennzeichnungen für die Luftfahrt – extra so gewählt wird, dass die Anlagen im Landschaftsbild möglichst wenig hervortreten. Außerdem schätzt der Gutach- ter ein, dass die großen Windenergieanlagen die gewohnten Proportionen im Landschaftsbild derart verändern würden, dass es zu einer „verfälschten Wahrnehmung des Dimensionen des Baudenkmals“ käme. Dieser Effekt tritt bei Windparks regelmäßig auf. Selbst wenn Windparks vier bis fünf Kilometer von einem Denkmal (zum Beispiel einer Kirche) entfernt sind, kann es in bestimmten Perspektiven zu einer groben Verfälschung der Proportionen kommen. Dies lässt sich an zahlreichen Punkten in der Region Rostock anschaulich erfahren und ist bei der Größe moderner Windenergieanlagen schlechthin unvermeidbar. Bei der Gutsanlage Appel- hagen tritt dieser Effekt jedoch gerade nicht auf, weil es aufgrund der Geländekonturen, der Gebäudehöhen und der Vegetation keine Fernsichten auf das Denkmalensemble gibt, die in dieser Weise beeinträchtigt werden könnten. Bezüglich der Sichtbeziehungen aus dem Guts- park in die nähere Umgebung verweist der Gutachter auf die Prinzipien, die dem historischen Gestaltungskonzept zugrunde lagen. Die Einbeziehung der umgebenden Landschaft sei für die Gutsparks der hier maßgebenden Zeitepoche typisch gewesen. Die gestalterische Einbet- tung in die Umgebung und die Sichtbeziehungen in die freie Landschaft machten somit zu einem nicht unwesentlichen Anteil den Denkmalwert der Gutsanlage aus. Konkret bezieht sich diese Einschätzung auf den historischen Hudewald mit seinen alten Solitäreichen, der direkt an den Gutspark angrenzt. Der Hudewald befindet sich allerdings im Nordosten der Gutsan- lage, während der mögliche Windpark den Blick Richtung Norden und Nordwesten verändern würde. Nördlich und nordwestlich der Gutsanlage befindet sich jedoch ausschließlich ausge- räumtes Ackerland. Typische Elemente einer gestalteten Parklandschaft wie Baumgruppen und große Solitärbäume fehlen hier gänzlich, und es fehlen auch jegliche sonstige Bezugs- punkte für ausgeprägte Sichtachsen in die umliegende Landschaft, die durch einen Windpark erheblich beeinträchtigt werden könnten. Dies wird auch aus den vom Gutachter selbst ange- fertigten Visualisierungen unmittelbar anschaulich. Die vom Gutachter ausdrücklich erwähnte Kapelle im südlichen Teil des Gutsparks ist von dichtem Gehölz umgeben und weist keine Sichtbeziehungen in die Umgebung auf. Im Ergebnis der Abwägung bleibt der Planungsver- band bei seiner Einschätzung, dass mit dem angesetzten Schutzabstand von 800 Metern zur Ansiedlung Appelhagen auch den Belangen des Denkmalschutzes hinreichend Rechnung ge- tragen wird. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Gutsanlage Appel- hagen durch einen Windpark im Gebiet Nr. 127 ist nicht absehbar. Den Einwänden des Thünen-Museums Tellow möchte der Planungsverband ebenfalls nicht folgen. Die Sicht auf die historische Gutsanlage würde durch einen Windpark im Gebiet Nr. 127 nicht beeinträchtigt. Auch sind keine besonders ausgeprägten Sichtbeziehungen aus der Gut- sanlage in die Umgebung vorhanden, die von einem Windpark in erheblicher Weise gestört werden könnten. Das Gebiet Nr. 127 ist mehr als zwei Kilometer von der Gutsanlage entfernt. Bezüglich der vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie angemahnten Einhal- tung eines zusätzlichen Schutzabstandes um die Räume mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes wird auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.6 verwiesen. Für das Gebiet Nr. 127 liegen keine Erkenntnisse vor, die in diesem Fall eine andere Abwä- gung rechtfertigen würden. Bezüglich der Abgrenzung des Gebietes Nr. 127 am Rande des schutzwürdigen Landschaftsraumes um den östlich gelegenen Hilgenberg wird auf die allge- meinen Ausführungen zur Abgrenzungsmethodik im Abschnitt 6 des Umweltberichtes verwie- sen. Die im Anhang des Umweltberichtes wiedergegebene Bewertung der Erholungseignung der Landschaft stammt aus dem Gutachtlichen Landschaftsrahmenplan Mittleres Mecklenburg/ Rostock und ist nach Einschätzung des Planungsverbandes im Wesentlichen zutreffend. Da- mit wird nicht in Frage gestellt, dass die Umgebung der Vorranggebiete Nr. 38, 73 und 127 – wie die gesamte Region Rostock – eine Bedeutung für den Tourismus und die Naherholung hat. Diese Bedeutung ist hier aber nicht so ausgeprägt, dass sie einen völligen Ausschluss der Windenergienutzung begründen würde.

373 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Auch die Lage der drei Vorranggebiete in einem Tourismusentwicklungsraum rechtfertigt keinen Ausschluss der Windenergienutzung. Da die Region Rostock insgesamt eine Touris- musregion ist, umfassen die im RREP festgelegten Tourismusräume den größten Teil der Re- gion. Es wäre weder möglich noch planerisch gerechtfertigt, diese Räume komplett von Wind- parks freizuhalten. Tourismus und Windenergienutzung schließen einander nicht grundsätzlich aus. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass das Landschaftsbild nicht zu sehr von Windenergieanlagen dominiert wird. Mit dem bei der RREP-Fortschreibung ange- wandten Kriteriensystem wird dies aus Sicht des Planungsverbandes gewährleistet. Der zwischen den drei Vorranggebieten verlaufende touristische Radfernweg begründet in diesem Fall keine andere Einschätzung. Der Verlauf dieses Radweges berührt keineswegs nur reine Natur- und Agrarlandschaften, sondern wechselt zwischen naturnäheren und stärker von Siedlung und Infrastruktur geprägten Bereichen. Die Einschätzung einiger Einwender, dass der Planungsverband den wirtschaftlichen Inte- ressen von Windparkbetreibern ein höheres Gewicht gegeben habe als den Interessen der Hauseigentümer oder der Tourismuswirtschaft, trifft nicht zu. Zutreffend ist, dass die Region Rostock Standort von Unternehmen der Windenergiebranche ist und somit – neben dem all- gemeinen öffentlichen Interesse an der umweltverträglichen Energiegewinnung – ein regional- wirtschaftliches Interesse am Ausbau der Windenergienutzung besteht. Ebenso besteht ein regionalwirtschaftliches Interesse daran, den Tourismus zu fördern und die Attraktivität der Region als Wohnort zu erhalten. Wie bei den oben dargelegten planerischen Zielen besteht somit auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein Zielkonflikt, der nicht einfach dadurch gelöst werden kann, dass ein einzelnes Interesse über alle anderen gestellt wird. Die Region kann weder allein vom Tourismus noch allein von der Energiegewinnung leben. Die verschiedenen Be- lange und Interessen müssen in ausgewogener Weise berücksichtigt werden. Die Auswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen folgt den einheitlichen Kriterien, die in den Plan- unterlagen der RREP-Fortschreibung ausführlich beschrieben sind. Die wirtschaftlichen Inte- ressen einzelner Unternehmen waren bei der Auswahl der Vorranggebiete in keinem Fall maß- gebend. Bezüglich der maßgebenden Abstände zu den Brutplätzen geschützter Vögel wird auf die allgemeinen Ausführungen zum Artenschutz im Abschnitt 5.7 sowie auf den Umweltbericht verwiesen. Zum nahegelegenen Brutplatz eines Seeadlers wird der in Mecklenburg-Vorpom- mern empfohlene Abstand von 2.000 Metern eingehalten. Mutmaßliche Flugkorridore zu den umliegenden Seen werden durch das Gebiet Nr. 127 nicht berührt. Bei den Rotmilanen und Mäusebussarden ist die Anwendung pauschaler Abstandsrichtwerte nicht sinnvoll. Diese Vö- gel kommen in der Region Rostock flächendeckend vor. Dasselbe gilt für den Kranich, der im Übrigen durch Windenergieanlagen nicht besonders gefährdet ist. Der Planungsverband geht davon aus, dass die örtlichen Feuerwehren angemessen ausge- rüstet sind oder ausgerüstet werden können, um mögliche Brände an Windenergieanlagen zu bekämpfen. Aufgrund der großen Abstände zu den Ortschaften und der hohen Betriebssi- cherheit erscheinen Schadenspotenzial und Schadensrisiko von Windenergieanlagen dem Planungsverband vergleichsweise gering. Die Hinweise auf die Restriktionen der Flugsicherung werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage ge- stellt. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 127 als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

374 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.14 Groß Bäbelin (Nr. 128)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Gr. Bäbelin erhöht erhöht hoch gering Autobahn, gegeben weniger (128) Tagebau geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.14.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dobbin-Linstow, Krakow am See, Groß Bäbelin, Zietlitz • Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte, Röbel/Müritz • Enercon GmbH, Rostock • BS Windertrag GmbH, Berlin • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock • Stadt Güstrow

8.14.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Dobbin-Linstow steht dem weiteren Ausbau der Windenergienutzung kritisch gegenüber und begrüßt, dass der Planungsverband bei der letzten Überarbeitung seines Ent- wurfes die Belange von Artenschutz, Tourismus, Natur- und Landschaftsschutz im Teilraum südlich der Bundesstraße 104 gebührender als bisher berücksichtigt habe. Eine Bürgerin aus Krakow am See äußert sich erfreut darüber, dass im Bereich südlich der Bundesstraße 104 dem Natur- und Landschaftsschutz mit der Streichung der ursprünglich ge- planten Eignungsgebiete Nr. 128 und 134 endlich Rechnung getragen worden sei. Die Ein- wenderin gibt an, selbst Wohnungen an Feriengäste zu vermieten. Ihre Gäste hätten sich in Gesprächen ausnahmslos für die Verschonung der Landschaft von Windenergieanlagen aus- gesprochen. Vorrangig sollte in diesem Teil der Region die Sonnenenergie genutzt werden, zum Beispiel in den Kiesabbauflächen. Ein Bürger aus Groß Bäbelin nimmt als Landwirt und Grundeigentümer Stellung. Die Ent- scheidung des Planungsverbandes, das Gebiet Nr. 128 zu verwerfen, entbehre jeder sachli-

375 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 chen und fachlichen Grundlage. Die vorgenommene Abwägung sei damit falsch und rechts- widrig. Zu den hier maßgebenden Großvogelvorkommen hätten der Einwender selbst und auch Dritte in den letzten zehn Jahren Erhebungen durchführen lassen. Das Gebiet sei eines der bestuntersuchten Gebiete in der Region Rostock. Die Auswertungen lägen auch dem Pla- nungsverband vor. Das Ergebnis der Untersuchungen sei stets gewesen, dass zwar im Umfeld schützenswerte Großvögel vorkämen, ein Windpark im Gebiet Nr. 128 jedoch konfliktfrei be- trieben werden könnte. Da dem Planungsverband zum Zeitpunkt der Abwägung im November 2018 keine aktuelleren Erhebungen vorgelegen hätten, müsse die Entscheidung fehlerhaft sein und folglich revidiert werden. Nach Kenntnis des Einwenders sei im Planungsverband bis zum November 2018 selbst noch die Planung des Gebietes Nr. 128 verfolgt worden. Die dann vom Verbandsvorstand und der Verbandsversammlung offensichtlich grundlos getroffene Ent- scheidung zur endgültigen Flächenauswahl könne Schadenersatzansprüche privater Betroffe- ner begründen, da langjährige Planungen und Aufwendungen willkürlich zunichte gemacht worden seien. Mit seiner Fehleinschätzung der hier maßgebenden Artenschutzbelange kon- terkariere der Planungsverband die gesellschaftlichen Ziele des Klimaschutzes, des Ausstiegs aus der Atomenergienutzung, der wirtschaftlichen Förderung des ländlichen Raumes und der Bürgerbeteiligung. Ein weiterer Bürger aus Groß Bäbelin äußert sein Unverständnis darüber, dass der Pla- nungsverband das Gebiet Nr. 128 verworfen hat. Der Einwender gibt an, zur jüngeren Gene- ration zu gehören und für eine klimaneutrale Energiewirtschaft einzutreten – im Gegensatz zu den „alten Herren“ in der Verbandsversammlung des Planungsverbandes. Der Einwender sei selbst in Groß Bäbelin – und damit in der Nähe der Autobahn – großgeworden. Warum dürfe eine klimaschädliche Autobahn betrieben, Windenergieanlagen jedoch nicht gebaut werden? Durch die Vorbelastungen sei das Gebiet geradezu prädestiniert für die Windenergienutzung, und die ausgeräumte Agrarlandschaft habe keine erhöhte Schutzwürdigkeit. Offensichtlich habe der Planungsverband hier keine sachgerechte Abwägung getroffen. Ein Bürger aus Zietlitz führt aus, dass für das Gebiet Nr. 128 nun schon seit über 15 Jahren Planungen im Gange seien. In den betroffenen Orten Zietlitz und Groß Bäbelin seien in den Jahren 2015 und 2017 Bürgerversammlungen abgehalten worden. In beiden Versammlungen habe es eine mehrheitliche Zustimmung gegeben. Zudem sei eine Unterschriftensammlung durchgeführt worden, die über 70% Zustimmung zu einem Windpark ergeben habe. Der Ein- wender erklärt, dass er selbst und seine Nachbarn daran interessiert seien, umweltfreundlich vor Ort erzeugten Strom zu nutzen. Aufgrund der Regelungen des Bürger- und Gemeindebe- teiligungsgesetzes verspreche man sich auch einen finanziellen Nutzen für sich selbst und für die Gemeinde. Sowohl der Planungsverband als auch private Investoren hätten in den letzten Jahren Untersuchungen und Kartierungen der Vogelvorkommen durchgeführt. Diese hätten nach Kenntnis des Einwenders ergeben, dass das Gebiet Nr. 128 kein konfliktfreies, aber ein sehr konfliktarmes Eignungsgebiet sei. Da seit dem Jahr 2013 Daten erhoben worden seien, bestehe eine vergleichsweise gute Datenbasis. Nach der aktuell geltenden Artenschutzrecht- lichen Arbeits- und Beurteilungshilfe würden keine Taburadien um die Brutplätze windkraft- sensibler Greifvögel berührt. Das Gebiet sei demnach für die Windenergienutzung geeignet. Der Einwender stellt die Frage, aus welchen Gründen das Gebiet dennoch aus dem Entwurf der RREP-Fortschreibung gestrichen wurde. Gründe des Artenschutzes könnten es nicht ge- wesen sein. Der Einwender bittet daher den Planungsverband, den zuletzt gefassten Be- schluss nochmals zu überprüfen und das Gebiet Nr. 128 wieder in die RREP-Fortschreibung aufzunehmen. Der Tourismusverband Mecklenburgische Seenplatte begrüßt ausdrücklich, dass der Pla- nungsverband von der Festlegung der ursprünglich geplanten Eignungsgebiete Nr. 105 und 128 Abstand genommen hat und bezieht sich dabei auf seine zum Entwurf vom Mai 2014 abgegebene Stellungnahme. Die Enercon GmbH regt an, das Gebiet Nr. 128 wieder in die RREP-Fortschreibung aufzu- nehmen. Das Gebiet sei besonders gut für die Windenergienutzung geeignet. Aufgrund der sehr guten Windhöffigkeit und der gleichmäßigen Anströmung seien die Voraussetzungen für

376 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 einen ertragreichen und wartungsarmen Anlagenbetrieb gegeben. Angesichts dieser guten Voraussetzungen habe die Einwenderin seit Beginn der RREP-Fortschreibung ihr Augenmerk auf das Gebiet Nr. 128 gerichtet und eigene Planungen zur Errichtung eines Windparks vo- rangetrieben. In diesem Zusammenhang seien neben der Erstellung eines Windparkkonzep- tes auch landschaftspflegerische und naturschutzfachliche Untersuchungen durchgeführt wor- den, um bereits die notwendigen Datengrundlagen für einen späteren Genehmigungsantrag zu schaffen. Zwischenergebnisse aus diesen Untersuchungen wurden dem Planungsverband von der Einwenderin zur Kenntnis gegeben. Die in den Jahren 2016 bis 2018 erhobenen Daten ließen den Schluss zu, dass der Errichtung von Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 128 keine unüberwindlichen Hindernisse des Artenschutzes entgegenstehen würden. Bei der Planung des Windparks arbeite die Einwenderin mit dem Inhaber des Kiestagebaus und dem Betreiber der benachbarten Ferienanlage zusammen. Gemeinsam habe man die Idee entwickelt, an diesem Standort die Windenergienutzung mit touristischen Attraktionen in einem „Erlebnis- Energiepark“ zu verbinden. Dieser solle sowohl der Wissenschaft und Bildung dienen, als auch Spiel-, Sport- und Freizeitangebote bereithalten. Dieses Konzept solle für eine schrittweise Weiterentwicklung offen sein, sodass im laufenden Betrieb neue Elemente hinzukommen könnten. Das Projekt befinde sich derzeit in der Phase erster Vorstudien und Entwürfe. Es solle in einem umfassenden Abstimmungsprozess unter Beteiligung der maßgeblichen Behör- den, der Anwohner und der Gemeinde weiterentwickelt werden. Die Einwenderin geht davon aus, dass ein derart innovatives Projekt überregionale Anziehungskraft entfalten würde. Es bestehe die einzigartige Möglichkeit, die erneuerbaren Energien und die damit verbundenen Wertschöpfungs- und Entwicklungspotenziale für den ländlichen Raum in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Zur Verwirklichung dieses Konzeptes hofft die Einwenderin not- falls auf die (nach dem Landesplanungsgesetz grundsätzlich mögliche) Zulassung einer Ab- weichung von den Zielen der Raumordnung, womit dann in diesem Einzelfall auch außerhalb der im RREP festgelegten Vorranggebiete ein Windpark genehmigt werden könnte. Im Hin- blick auf ihre Planungs- und Investitionssicherheit sowie die öffentliche Akzeptanz des Vorha- bens könne dies jedoch keine Vorzugslösung sein, sodass der Planungsverband nochmals die förmliche Festlegung des Gebietes Nr. 128 als Vorranggebiet im RREP prüfen möge. Die BS Windertrag GmbH hält eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 128 in die RREP- Fortschreibung für notwendig. Der Planungsverband habe dieses Gebiet nicht aufgrund fach- licher, sondern offensichtlich aufgrund politischer Erwägungen verworfen, sodass eine fehler- hafte Abwägung vorliege. Dieser Fehler müsse korrigiert werden, um die RREP-Fortschrei- bung rechtskonform abschließen zu können. Die vorgelegte Abwägungsdokumentation vom November 2018 begründe die Streichung des Gebietes mit Belangen des Greifvogelschutzes. Die diesbezüglich vorgenommene Konfliktbewertung beruhe jedoch auf fehlerhaften methodi- schen Ansätzen, sodass auch die auf dieser Grundlage vorgenommene Abwägung falsch sei (vgl. hierzu die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Dem Planungsverband müsse bekannt sein, dass das Gebiet Nr. 128 nach den Prüfmaßstä- ben der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) von keinerlei Aus- schlussbereichen des Vogelschutzes betroffen sei. Gänzlich unterlassen habe der Planungs- verband die Würdigung und Abwägung derjenigen Argumente, welche nach Ansicht der Einwenderin für die Festlegung des Gebietes Nr. 128 sprächen. Somit habe eigentlich gar keine umfassende Abwägung stattgefunden. Zugunsten der Windenergienutzung hätten hier jedenfalls die Vorbelastung durch die Autobahn 19, die nahegelegene Schweinemastanlage und den Kiestagebau berücksichtigt werden müssen, wie auch der insgesamt sehr geringe Umfang potenzieller Eignungsflächen in der Region Rostock. Zu den methodischen Proble- men der artenschutzfachlichen Bewertung legt die Einwenderin eine gutachterliche Stellung- nahme des Instituts für angewandte Ökosystemforschung aus Broderstorf vor (vgl. auch hierzu die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen allgemeinen Ausführungen). Diese enthält eine Gegen- überstellung der vom Ingenieurbüro Günther im Jahr 2016 erfassten Brutvogeldaten mit den Ergebnissen weiterer Erhebungen, die in privatem Auftrag während der letzten Jahre beim Gebiet Nr. 128 durchgeführt wurden. Aus der Gegenüberstellung werde insbesondere die Wechselhaftigkeit einiger maßgebender Arten bei der Brutplatzwahl deutlich, die eine Prüfung

377 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 der Artenschutzbelange auf der Ebene der Raumordnung praktisch unmöglich mache. Dies treffe insbesondere auf Rot- und Schwarzmilan sowie den Mäusebussard zu. Die im Umwelt- bericht vom November 2018 enthaltene Darlegung mutmaßlicher Raumansprüche der Seead- ler beim Gebiet Nr. 128 erscheint dem Gutachter zu schematisch. Die Lage der örtlichen Brut- plätze lasse vermuten, dass der Krakower See das hauptsächlich genutzte Nahrungsrevier der Seeadler bilde. Wo tatsächlich die wichtigen Flugkorridore verliefen, sei im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu klären. Zusätzlich weist der Gutachter auf den Brutplatz eines Fischadlers hin, der sich im 3.000-Meter-Umkreis um das potenzielle Eignungsgebiet befindet. Die Ein- wenderin selbst bekräftigt und ergänzt die Ausführungen des Gutachters. Das Krakower Seen- system bilde unzweifelhaft das Hauptjagdrevier der Seeadler. Es sei nicht plausibel, dass die Vögel stattdessen auf den – vom Planungsverband als potenziell konfliktträchtig identifizierten – Bäbeliner See oder gar auf den Großen Liepener See ausweichen würden. Die Einwenderin habe seit dem Jahr 2013 regelmäßig Daten zum Vogelbrut-, Rast- und Zuggeschehen um das Gebiet Nr. 128 erheben lassen. Überflüge von Seeadlern zu den beiden fraglichen Seen seien dabei nicht festgestellt worden. Der Bäbeliner See befinde sich in unmittelbarer Ortsrandlage; der Große Liepener See liege mehr als 6.000 Meter von den maßgebenden Brutplätzen ent- fernt und damit außerhalb des nach der AAB-WEA anzusetzenden Betrachtungsraumes. Selbst bei strikter Anwendung des von der AAB-WEA vorgegebenen Prüfschemas und Außer- achtlassung der voranstehenden Plausibilitätsüberlegungen wären immer noch 120 Hektar Gebietsfläche für die Errichtung von Windenergieanlagen nutzbar. Die Einwenderin legt dazu eine Kartendarstellung vor. Eine pauschale Aufgabe des Gebietes Nr. 128, ohne zumindest mögliche Alternativen beim Flächenzuschnitt erwogen zu haben, ist aus Sicht der Einwenderin nicht gerechtfertigt. Im Übrigen seien alle betrachteten Seeadlerbrutplätze dem Planungsver- band bereits bei der Erstellung des ersten und des zweiten Entwurfes der RREP-Fortschrei- bung bekannt gewesen. Es sei unverständlich, warum mit dem Entwurf von 2018 nun eine andere Bewertung der gleichen Situation erfolgt sei. Sinngemäß würden diese Ausführungen auch für den Fischadler gelten: Auch für diese Vögel bildete das Krakower Seensystem zwei- fellos das Hauptnahrungsrevier, und auch die Brutplätze dieser Art seien dem Planungsver- band seit Jahren bekannt. Im Umweltbericht vom Mai 2014 sei die Situation bezüglich des Schutzes der See- und Fischadler vom Planungsverband zutreffend bewertet worden. Weder dem Untersuchungsbericht des Ingenieurbüros Günther noch dem Umweltbericht vom No- vember 2018 ließen sich Tatsachen entnehmen, die jetzt eine andere Bewertung rechtfertigen würden. Bezüglich einer möglichen Betroffenheit der Rohrweihe nimmt die Einwenderin Bezug auf den Untersuchungsbericht des Ingenieurbüros Günther, wo für den südlichen Teil des Ge- bietes Nr. 128 ein Brutverdacht angegeben war. Der Planungsverband habe diesen bloßen Verdacht fälschlich als Kriterium für einen Ausschlussbereich angesehen und im Umweltbe- richt entsprechend dokumentiert. Die der Einwenderin selbst vorliegenden Erhebungen aus mehreren Jahren bestätigten diesen Brutverdacht jedoch allesamt nicht. Selbst im überdurch- schnittlich niederschlagsreichen Jahr 2017 sei hier kein Brutvorkommen ermittelt worden. Er- hebliche Widersprüche glaubt die Einwenderin in der Bewertung der Lebensraumansprüche des Rotmilans zu erkennen. Seine zu den Vorkommen dieser Art gewonnenen Erkenntnisse habe der Planungsverband dahingehend zusammengefasst, dass die Art in der Region Rostock offensichtlich flächendeckend vorkomme. Teilregionale Unterschiede seien im Ergeb- nis der 2016 durchgeführten Erhebung nicht auffällig geworden. In den weiteren Ausführungen werde jedoch behauptet, dass mit der vorgenommenen Streichung einiger ursprünglich ge- planter Eignungsgebiete im Süden und Osten der Region das Konfliktpotenzial bezüglich der Lebensraumansprüche des Rotmilans erheblich gemindert würde. Tatsächlich weise das Ge- biet Nr. 128 jedoch keine Überschneidungen mit den gemäß der AAB-WEA anzusetzenden 1.000-Meter-Abstandszonen um die Brutplätze des Rotmilans auf. Die vom Planungsverband nicht verworfenen, in den letzten Entwurf als Vorranggebiete übernommenen Gebiete seien dagegen insgesamt zu einem Fünftel ihrer Fläche von diesen Abstandszonen überdeckt. Die Einwenderin sieht dies als Beleg für die Beliebigkeit an, mit der vom Planungsverband vorgeb- liche Belange des Artenschutzes herangezogen worden seien, um ein politisch gewolltes Pla- nungsergebnis zu begründen. Diese Begründung sei dem Planungsverband offensichtlich missglückt. Die Einwenderin regt die Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 128 in einer von ihr

378 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 selbst vorgeschlagenen Abgrenzung unter Einbeziehung des westlich der Autobahn gelege- nen Tagebaus an. Aufgrund der weit fortgeschrittenen Ausbeutung sei eine sinnvolle Nach- nutzung des Tagebaus ohnehin zu planen. Sofern auf die Gewinnung der Restvorkommen aufgrund fehlender Nachfrage verzichtet würde, stünde die Fläche für die Errichtung von Wind- energieanlagen sofort zur Verfügung. Eine Konkurrenz zur ebenfalls beabsichtigten touristi- schen Nutzung sei nicht gegeben, da sich durch eine abgestimmte Planung beide Funktionen miteinander verbinden ließen. Wenn der Tagebau ausgenommen bleiben solle, könne auch zunächst eine kleinere Fläche entsprechend dem Entwurf vom Mai 2014 als Vorranggebiet festgelegt und im Rahmen einer späteren Fortschreibung des RREP erweitert werden. Die Einwenderin betont, dass sie – unabhängig von bestehenden gesetzlichen Regelungen – die wirtschaftliche Beteiligung der Bürger und der Gemeinden an Windparks befürworte und diese schon vielfach praktiziert habe. Auch das Regionalbüro Rostock des BUND M-V spricht sich für eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 128 in die RREP-Fortschreibung aus. Die Auswahl der Vorranggebiete im Ent- wurf vom November 2018 sei methodisch nicht konsistent und werde hinsichtlich des gesam- ten Flächenumfangs den energiepolitischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht gerecht (vgl. hierzu auch die in den Abschnitten 4.2, 4.3 und 5.7 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders). Das Gebiet Nr. 128 sei neben anderen Gebieten wieder in die RREP-Fortschreibung aufzunehmen und als Vorranggebiet festzulegen. Der Planungsver- band hatte diesem Gebiet in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 ein hohes Konfliktpotenzial bezüglich der Belange des Vogelschutzes zuerkannt. Nach Einschätzung des Einwenders wäre das Konfliktpotenzial jedoch nur als „erhöht“ einzustufen und könnte somit den Ausschluss nicht begründen. Das Gebiet weise keine Grünlandflächen auf, die für den Schreiadler als Nahrungsrevier relevant wären. Auch Gewässer seien in einem Umkreis von 6 Kilometern nicht vorhanden. Mit den bei Errichtung eines Windparks notwendigen Kom- pensationsmaßnahmen könnten zusätzliche Nahrungsflächen für den Schreiadler und andere Arten geschaffen und damit Lebensbedingungen dieser Arten noch verbessert werden. In die planerische Abwägung müssten auch solche positiven Beiträge der Windenergienutzung zum Vogelschutz einbezogen werden. Die Stadt Güstrow hatte sich in den vergangen Jahren ablehnend zur Festlegung des Gebie- tes Nr. 128 sowie weiterer Eignungsgebiete in ihrer Umgebung geäußert. Die Stadt nehme zur Kenntnis, dass ihre Belange mit dem Entwurf vom November 2018 berücksichtigt und die be- treffenden Gebiete verworfen wurden.

8.14.3 Zusammengefasste Abwägung Kontroverse Diskussionen über das potenzielle Eignungsgebiet Nr. 128 hatten sich im Laufe der RREP-Fortschreibung zunächst an den Belangen des Tourismus entzündet. Nach Aus- wertung der zum Entwurf vom Mai 2014 eingegangenen Stellungnahmen hatte der Planungs- verband das benachbarte Gebiet Nr. 105 verworfen, um den Einwänden der Tourismuswirt- schaft Rechnung zu tragen. Das als weniger konfliktträchtig eingestufte Gebiet Nr. 128 wurde – in einer gegenüber dem Entwurf vom Mai 2014 wesentlich erweiterten Abgrenzung – in die 2016 durchgeführte Großvogelerhebung einbezogen. Im Ergebnis der Auswertung dieser Er- hebung wurde dann auch das Gebiet Nr. 128 verworfen. Von der BS Windertrag GmbH wird nun der Vorwurf erhoben, es sei eine politisch motivierte Entscheidung getroffen worden, welcher die Bewertung der Vogelschutzbelange lediglich den Anschein einer fachlichen Be- gründung habe geben sollen. Dies trifft nicht zu. Nachdem im Dezember 2016 die Ergebnisse der Großvogelerhebung vorlagen, hat die Geschäftsstelle des Planungsverbandes diese mit der Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock und dem Landesamt für Umwelt, Natur- schutz und Geologie erörtert und daraufhin das Konfliktpotenzial der untersuchten Eignungs- gebiete im Hinblick auf die Belange des Vogelschutzes bewertet. Dem Gebiet Nr. 128 wurde dabei aufgrund der reichen Habitatausstattung des näheren Umfeldes und der sehr hohen Dichte von Greifvogelbrutplätzen ein vergleichsweise hohes Konfliktpotenzial zuerkannt.

379 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Diese Bewertung ist wiederum mit den einbezogenen Vertretern der Naturschutzbehörden ab- gestimmt worden. Erst auf der Grundlage der abgestimmten Bewertung erfolgte dann die wei- tere Erörterung in den Gremien des Planungsverbandes. Zutreffend ist die Feststellung der Einwenderin, dass in den Verbandsgremien noch bis zum November 2018 kontrovers darüber diskutiert wurde, welches Gewicht die Belange des vorsorgenden Artenschutzes in der plane- rischen Abwägung erhalten sollten. Einige Verbandsvertreter stellten dabei die Erfordernisse der Energiewende und des Klimaschutzes in den Vordergrund und sahen das Bemühen um größtmögliche Risikovermeidung beim Vogelschutz als zu weitgehend an. Andere plädierten eher im Sinne des traditionellen Natur- und Landschaftsschutzes für einen möglichst maßvol- len Ausbau der Windenergienutzung. Dies sind Diskussionen, wie sie typischerweise im Rah- men einer planerischen Abwägung geführt werden. Einen Gegensatz von fachlichen Argu- menten auf der einen und rein politischen Beweggründen auf der anderen Seite, wie ihn die Einwenderin bemerkt haben will, vermag der Planungsverband nicht zu erkennen. Zur methodischen Kritik der BS Windertrag GmbH an der vom Planungsverband vorgenom- menen artenschutzfachlichen Konfliktbewertung wird auf die diesbezüglichen Ausführun- gen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Der Planungsverband vertritt die Auffassung, dass eine starre Orientierung an pauschalen, auf den einzelnen Brutplatz bezogenen Abstandsrichtwerten nicht sinnvoll ist, soweit es um Arten mit hoher Variabilität der Raumnutzung geht. Den Aus- führungen der Einwenderin ist zu entnehmen, dass sie diese Auffassung teilt. Die Einwenderin zieht daraus den Schluss, dass eine Befassung mit solchen Arten auf der Ebene der Regio- nalplanung gänzlich unterbleiben sollte. Der Planungsverband folgt dem nicht, weil sich me- thodische Probleme nicht dadurch auflösen, dass man die Befassung mit diesen Problemen auf eine andere Verfahrensebene (in diesem Fall das immissionsschutzrechtliche Genehmi- gungsverfahren) verlagert. Dass die Einwenderin mittlerweile auf mehrjährige Untersuchungs- reihen zum örtlichen Vogelbrutgeschehen zurückgreifen kann, ist der extremen Verzögerung des RREP-Fortschreibungsverfahrens geschuldet, die dazu geführt hat, dass Windparkpla- nungen in den potenziellen Eignungsflächen jahrelang in Wartestellung verharren. Die Durch- führung langjähriger Voruntersuchungen kann jedoch nicht die Regel sein, wenn es darum geht, die Eignung eines Standortes für die Windenergienutzung einzuschätzen. Dass das Ge- biet Nr. 128 nach den Maßstäben der AAB-WEA gänzlich frei von Restriktionen des Arten- schutzes wäre, trifft nicht zu. Bei schematischer Anwendung der einschlägigen Abstandsricht- werte ergab sich für die Brutsaison 2016 eine Überlagerung mit Ausschlussbereichen auf mehr als der Hälfte der potenziellen Eignungsfläche (wobei eine erweiterte Abgrenzung unter Ein- beziehung des Tagebaus betrachtet wurde). Maßgebend waren Brutplätze des Rotmilans und der Rohrweihe. Der Planungsverband hat dieser Tatsache jedoch – wie im Umweltbericht aus- führlich begründet – nur eine begrenzte Indizwirkung beigemessen und seine Konfliktbewer- tung vorrangig auf die Merkmale Greifvogeldichte und Habitatausstattung gestützt. Bezüglich der Lebensraumansprüche des Seeadlers wird auf die Kartendarstellung im Ab- schnitt 8.7.3 des Umweltberichtes verwiesen. Diese macht unmittelbar anschaulich, dass die Umgebung des Krakower Sees einen ausgeprägten Verbreitungsschwerpunkt dieser Art in der Region Rostock bildet. Der Bestand des Seeadlers hat sich in den letzten Jahren gut ent- wickelt. Im 2016 veröffentlichten Ergebnisbericht der sogenannten PROGRESS-Studie, der die Ergebnisse bundesweiter Untersuchungen zum Phänomen des Vogelschlags an Wind- energieanlagen zusammenfasst, wird jedoch ausdrücklich auf das vergleichsweise hohe Kol- lisionsrisiko von Greifvögeln hingewiesen. Bei einzelnen Arten wie dem Seeadler könne durch- aus damit gerechnet werden, dass Unfälle an Windenergieanlagen sich tendenziell auf die Bestandsgrößen auswirken oder sich bei einem weiteren Zubau solcher Anlagen in der Zu- kunft auswirken könnten. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass Fragen des Artenschutzes nicht erst dann berücksichtigt werden sollten, wenn es um die Entscheidung über ein konkretes Windparkprojekt geht. Zu einem vorsorgenden Artenschutz gehöre auch die Freihaltung von Verbreitungsschwerpunkten, die für den Erhalt einer Quellpopulation der betreffenden Art eine besondere Bedeutung haben.

380 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Im Umweltbericht zur RREP-Fortschreibung vom November 2018 hat der Planungsverband auf die potenziellen Nahrungsgewässer des Seeadlers in der Umgebung des Gebietes Nr. 128 hingewiesen, auf nähere Ausführungen zu den mutmaßlichen Flugkorridoren der Adler je- doch verzichtet. Die BS Windertrag GmbH gibt dazu ihre eigenen Überlegungen wieder und kommt zu dem Ergebnis, dass die Adler das Gebiet Nr. 128 gar nicht überfliegen müssten. Tatsächlich kann für die Brutvorkommen am Krakower See angenommen werden, dass vor- nehmlich dieses Gewässer zum Nahrungserwerb aufgesucht wird und nicht die viel kleineren, siedlungsnahen Seen bei Liepen und Groß Bäbelin. Der Planungsverband hatte im Jahr 2018 schon dieselbe Überlegung angestellt, sie im Umweltbericht aber nicht dokumentiert, weil die Prüfung der Artenschutzbelange sich hauptsächlich auf diejenigen Gebiete beschränken soll- ten, die tatsächlich als Vorranggebiete festgelegt werden. Die Betrachtung der Einwenderin bleibt jedoch unvollständig, indem sie sich auf ein einzelnes bekanntes Brutvorkommen am Ufer des Krakower Sees beschränkt. Wendet man das Prüfschema der AAB-WEA auf die Brutreviere des Seeadlers im Hallaliter Forst an, liegen große Teile des Gebietes Nr. 128 in einem Ausschlussbereich. Im Ergebnisbericht einer von privater Seite veranlassten Rast- und Zugvogelerhebung beim Gebiet Nr. 128, die dem Planungsverband zur Kenntnis gegeben wurde, wird ausgeführt, dass an der Mehrzahl der Beobachtungstage im Untersuchungsgebiet (in der Regel mehrere) Seeadler gesichtet wurden. Exemplare dieser Art wurden mehr als doppelt so häufig gesichtet wie Exemplare des Rotmilans, dessen Bestandsdichte in der Re- gion eigentlich viel höher ist. Die dokumentierten Beobachtungen lassen im Übrigen darauf schließen, dass auch der kleine, direkt am Ort gelegene Bäbeliner See von den Adlern als Nahrungsgewässer genutzt wird. Bezüglich des Rotmilans weist die BS Windertrag GmbH auf einen vermeintlichen Wieder- spruch in den Darlegungen des Planungsverbandes hin. Im Umweltbericht vom November 2018 ist ausgeführt worden, dass der Ausschluss bestimmter potenzieller Eignungsgebiete im Ergebnis der artenschutzfachlichen Konfliktbewertung auch dem Schutz des Rotmilans dient. Der Rotmilan sei jedoch – wie es der Planungsverband selbst festgestellt habe – in der Region flächendeckend verbreitet und weise keine Verbreitungsschwerpunkte auf. Dies ist nicht ganz richtig, weil eine größer angelegte Erhebung der Rotmilanvorkommen, die von der Ornitholo- gischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2011 und 2012 durch- geführt wurde, sehr wohl auf solche Verbreitungsschwerpunkte hindeutet. In den Untersu- chungsgebieten, die im Jahr 2016 Gegenstand der zur RREP-Fortschreibung durchgeführten Greifvogelerhebung waren, sind solche Schwerpunkte allerdings nicht zu erkennen. Da sowohl die Anzahl der ermittelten Brutvorkommen als auch die Ausstattung der Untersuchungsgebiete mit Grünland als bevorzugtem Nahrungshabitat der Rotmilane in die Konfliktbewertung einge- flossen sind, dient die im Ergebnis vorgenommene Flächenauswahl auch dem Schutz des Rotmilans. Den gegebenen Vorbelastungen der Landschaft, die insbesondere von der Autobahn und dem großflächigen Kiesabbau ausgehen, hat der Planungsverband in seiner Abwägung sehr wohl Beachtung geschenkt. Diese Vorbelastungen waren ursprünglich der maßgebliche Grund dafür, dass die benachbarten Gebiete Nr. 105 und 128 trotz ihrer Lage in einem fest- gelegten Tourismusschwerpunktraum überhaupt als potenzielle Eignungsgebiete in die Ent- würfe der RREP-Fortschreibung aufgenommen wurden. In der Diskussion über die Tourismus- belange, die insbesondere zum Gebiet Nr. 105 geführt wurde, haben einzelne Einwender jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die räumliche Reichweite der sichtbaren Land- schaftsveränderung bei Windenergieanlagen ungleich höher ist als bei Straßen und Tage- bauen. Diesbezügliche Erwägungen waren bereits in der Abwägungsdokumentation vom No- vember 2018 enthalten, in der das Für und Wider einer Festlegung des Gebietes Nr. 105 umfänglich erörtert wurde. Die wesentlichen Argumente zu diesem Gebiet sind oben im Ab- schnitt 8.2 nochmals dargelegt und können im Prinzip auf das Gebiet Nr. 128 übertragen wer- den. Die Bewertung sogenannter Vorbelastungen ist nicht zuletzt eine Frage des räumlichen Betrachtungsmaßstabes. Löst man den Blick vom engeren Umfeld der Ortschaft Groß Bäbelin, zeigt sich eine Landschaft, die im regionalen Vergleich zu den naturnahen, durch Infrastruktu-

381 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ren und Siedlungsentwicklung vergleichsweise wenig veränderten Teilräumen gehört. Das- selbe gilt, wenn man die Belange des Vogelschutzes in den Vordergrund stellt und die Zer- schneidung des freien Luftraumes betrachtet. Zwar wird die Umgebung von Krakow am See von mehreren Freileitungen durchzogen – sie bildet jedoch den letzten Teilraum in der Region Rostock, der bisher völlig frei von Windenergieanlagen ist. Unter dem Aspekt der Erhaltung eines störungsarmen Luftraumes handelt es sich also um ein Gebiet mit besonders geringer Vorbelastung. Der Tatsache, dass private Interessenten bereits mit erheblichem Aufwand planerische Vor- bereitungen für eine spätere Ausnutzung des Gebietes Nr. 128 getroffen haben, ist dem Pla- nungsverband bewusst. Den betreffenden Interessenten musste jedoch ebenso bewusst sein, dass damit ein gewisses Risiko verbunden war. Der Planungsverband hat seine Erwägungen bezüglich der Tourismus- und Artenschutzbelange stets transparent gemacht. Nach dem im November 2015 in öffentlicher Sitzung gefassten Beschluss der Verbandsversammlung, das Gebiet Nr. 105 zu verwerfen und das Gebiet Nr. 128 in die anstehende Großvogelerhebung einzubeziehen, konnten die Einwender mit einiger Berechtigung davon ausgehen, dass Tou- rismusbelange am Ende nicht mehr zu einer Streichung des Gebietes Nr. 128 führen würden. In der Begründung seines Beschlusses hat der Planungsverband zugleich zum Ausdruck ge- bracht, dass bezüglich der Artenschutzbelange noch kein hinreichender Stand der Sachauf- klärung erreicht werden konnte – sodass die diesbezügliche Abwägung noch gänzlich offen war. Eine Vorentscheidung, die ein gewisses Vertrauen auf privater Seite begründen konnte, war lediglich die im Jahr 2014 vorgenommene erste Abwägung, die noch zugunsten des Ge- bietes Nr. 128 ausgefallen war. Allen Beteiligten der RREP-Fortschreibung war jedoch be- kannt, dass seitdem erhöhte Anforderungen des Artenschutzes die Diskussionen um die Wind- energienutzung maßgeblich bestimmt haben und dass die diesbezüglichen Untersuchungen nochmals zu einer Neubewertung der geplanten Eignungsgebiete führen konnten. Dies war beim Gebiet Nr. 128 der Fall. Dass das Gebiet Nr. 128 bis dahin wenig Kritik bei den Natur- schutzbehörden und -verbänden hervorgerufen hatte, mag dazu beigetragen haben, dass die Einwender in diesem Fall mit einer anderen Entscheidung gerechnet haben. Es war jedoch gerade das Ziel der im Jahr 2016 durchgeführten Erhebung, die Abwägung von den divergie- renden und durch subjektive Sichtweisen geprägten Stellungnahmen der Fachbehörden und Verbände zu lösen und stattdessen auf einer objektiven Grundlage vorzunehmen. Die von der Enercon GmbH geschilderten Überlegungen zur Kombination eines Windparks mit touristischen Attraktionen waren dem Planungsverband bekannt. Derartige Planungen sind grundsätzlich zu begrüßen, und die devastierte Fläche des Kiestagebaus hätte gute Aus- gangsbedingungen für eine solche Mischnutzung geboten. Es scheint sich jedoch um eine Planung zu handeln, die auch nach mehreren Jahren noch nicht das Stadium eines greifbaren Konzeptes erreicht hat. Ein erhöhtes Gewicht in der planerischen Abwägung ist damit nicht zu begründen. Weitere von den Einwendern aufgeführte Zielsetzungen wie die Förderung des ländlichen Raumes und die Beteiligung der Bürger an Windparks sind grundsätzlich positiv zu bewer- ten, sprechen aber nicht in besonderer Weise für eine Festlegung des Gebietes Nr. 128. Bei der Bemessung des Gesamtumfanges der Vorranggebiete für Windenergieanlagen hat sich der Planungsverband an den energiepolitischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vor- pommern orientiert. Hierzu wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt 3.2 ver- wiesen. Der Planungsverband geht davon aus, dass mit den festgelegten Vorranggebieten für den Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung hinreichender Raum für die Windenergienut- zung bereitgestellt wird. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 128 als Vorranggebiet abgesehen.

382 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.15 Dummerstorf (Nr. 129)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Dummers- gering gering erhöht erhöht keine gegeben geeignet torf (129)

Ergebnis der Abwägung: Festlegung als Vorranggebiet.

8.15.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Petschow • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Kloss New Energy GmbH, Rerik • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde und untere Denkmalbehörde • NABU Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • Wind-Projekt GmbH, Börgerende

8.15.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Petschow bemängelt, dass es über den Ausbau der Windenergienutzung keine demokratische Entscheidung gegeben habe. Die Gemeinden hätten kein Mitsprache- recht. Wesentlich höhere Abstände zu den Wohnorten wären erforderlich. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf zwei Richtfunkstrecken des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verlaufen. Alle geplanten Türme und Rotoren von Windenergieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen

383 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 und müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Die Kloss New Energy GmbH kommt nochmals zurück auf die von ihr bereits im Jahr 2013 zum ersten Entwurf der RREP-Fortschreibung gegebene Anregung, das Gebiet Nr. 129 in einer wesentlich größeren Ausdehnung festzulegen. Die Einwenderin greift dazu einige Be- lange auf, die der Planungsverband in seiner Abwägungsdokumentation vom Mai 2014 aufge- führt hatte und die der gewünschten Erweiterung des Gebietes nach Süden potenziell entge- genstehen könnten: Bezüglich der Belange des Moorschutzes hat die Einwenderin ihren Abgrenzungsvorschlag angepasst und eine im Moorschutzkonzept des Landes enthaltene Teilfläche, die hier deckungsgleich mit einem im RREP festgelegten Vorranggebiet für Natur- schutz und Landschaftspflege ist, einschließlich 500 Metern Schutzabstand herausgenom- men. Ob in der übrigen Erweiterungsfläche (die gemäß Erhebung von 1995 größtenteils Moor- flächen umfasst) überhaupt noch Moorböden vorhanden seien, müsste gegebenenfalls durch Bohrungen ermittelt werden. Entsprechende Untersuchungen könnten später im Rahmen ei- nes anlagenbezogenen Genehmigungsverfahrens durchgeführt werden. Bezüglich der Be- lange des Großvogelschutzes stellt die Einwenderin fest, dass nach ihrer Kenntnis keine Hin- weise auf eine Wiederbesetzung des hier ursprünglich vorhandenen Brutrevieres vorlägen. Eine genauere Prüfung müsse späteren Genehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. Die Einwenderin weist auf neuere technische Entwicklungen hin, die es zukünftig erlauben wür- den, durch automatische Abschaltung der Windenergieanlagen das Kollisionsrisiko für Vögel zu mindern oder zu vermeiden. Bezüglich der Belange des Trinkwasserschutzes stellt die Ein- wenderin fest, dass die von ihr vorgeschlagene Erweiterungsfläche nicht in einem entspre- chenden Vorranggebiet liegt. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist erneut auf die Überschnei- dung des Gebietes Nr. 129 mit der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Weißstorchbrutplatz hin. Das Landesamt bekräftigt seine Auffassung, dass der 1.000-Meter-Abstand als zwingen- des Ausschlusskriterium zu gelten habe, dessen Anwendung keiner planerischen Abwägung unterliegen dürfe (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen des- selben Einwenders). Der Schutzabstand von 500 Metern zum Vorranggebiet für Naturschutz und Landschaftspflege im Südwesten wird auf der Hälfte des Gebietes Nr. 129 unterschritten. Dieser Schutzabstand gilt als Restriktionskriterium. Auch die Restriktionskriterien des Natur- und Landschaftsschutzes sollten nach Auffassung des Landesamtes grundsätzlich wie Aus- schlusskriterien angewandt werden, wenn nicht im Einzelfall besondere Vorbelastungen eine andere Abwägung begründen. Das Landesamt fordert insoweit eine Anpassung des Gebietes Nr. 129. Außerdem wird auf ein Brutrevier des Schreiadlers hingewiesen, das in der Umge- bung des Gebietes Nr. 129 im Jahr 2018 neu besetzt worden sei. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock nimmt Bezug auf die im Umweltbericht vom November 2018 enthaltenen Ausführungen zum Artenschutz und hebt einige Aspekte hervor, die nach ihrer Auffassung im Widerspruch zu den Vorgaben der in Mecklenburg-Vor- pommern eingeführten Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) stünden (vgl. hierzu die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwen- derin). Unter anderem sei die in der Tabelle 9 des Umweltberichtes wiedergegebene Konflikt- bewertung der Untersuchungsgebiete zu überprüfen. Aus Sicht der Naturschutzbehörde könne die weitgehende Überschneidung eines potenziellen Eignungsgebietes mit den in der AAB-WEA festgelegten Abstandszonen um einzelne Vogelbrutplätze bereits für sich genom- men ein hohes Konfliktpotenzial und damit einen Ausschluss des betreffenden Gebietes be- gründen. Dies treffe vor allem für das Gebiet Nr. 129 zu, und die Naturschutzbehörde habe ihre diesbezügliche Auffassung bereits bei der gemeinsamen Auswertung der 2016 erfolgten Greifvogelerhebung gegenüber dem Planungsverband vertreten. Selbst wenn man annehmen wollte, das der hier brütende Rotmilan wechselnde Horste nutze, so würden sich diese auf- grund der räumlichen Lage geeigneter Brutwälder immer in unmittelbarer Nähe des Vorrang- gebietes befinden und hier einen Ausschlussbereich bilden.

384 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die Denkmalbehörde des Landkreises Rostock weist auf die slawische Burg Dummerstorf hin, die sich am südlichen Rand des Vorranggebietes befindet. Von diesem Bodendenkmal sei zwar oberirdisch nur noch wenig zu erkennen; dennoch seien die vorhandenen Reste der Burganlage als Teil der Kulturlandschaft zu erhalten und in ihrem Erscheinungsbild zu schüt- zen. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern weist auf Beobachtungen von Schreiadlern hin, die in der Nähe des Gebietes Nr. 129 gemacht worden seien. Aus diesem Grund habe der Ver- band bereits Widerspruch gegen die Genehmigung der dort befindlichen Windenergieanlagen eingelegt. Es seien auch beutetragende, das heißt brütende Tiere beobachtet worden. Die Beobachtungen könnten darauf hindeuten, dass der Schreiadler sein Verbreitungsgebiet von der Recknitz allmählich nach Westen ausdehne. Vor einer Festlegung des Vorranggebietes seien diesbezüglich weitere Untersuchungen erforderlich. Grundsätzlich fordert der NABU die Einhaltung eines Schutzabstandes von 6.000 Metern um die Brutreviere des Schreiadlers, wie er von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten empfohlen wird. Für den See- adler seien 3.000 (statt 2.000) Meter als Mindestabstand vorzusehen (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Für den Seeadler werde der empfohlene Abstand beim Gebiet Nr. 129 unterschritten. Das gleiche gelte für den Schutzabstand von 1.000 Metern um die Brutplätze des Rotmilans, wie in der Artenschutz- rechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe des Landes Mecklenburg-Vorpommern vorgesehen ist. Die Wind-Projekt GmbH hält das Gebiet Nr. 129 für hervorragend geeignet, um über die kon- ventionelle Windenergienutzung hinaus bereits laufende Forschungs- und Entwicklungsaktivi- täten weiter auszubauen. Das Gebiet weise dafür verschiedene Alleinstellungsmerkmale auf. Bislang seien im Gebiet zwei Windenergieanlagen-Prototypen des Herstellers Nordex errichtet worden, an denen alle für die Zertifizierung notwendigen Vermessungen der Leistungskennli- nie, der Schallemissionen und der Netzverträglichkeit vollständig durchgeführt worden seien. Aufgrund der Nähe zum Produktionsstandort und zur Entwicklungsabteilung des Herstellers sowie zum Wirtschaftsstandort Rostock könne das Gebiet Nr. 129 zukünftig für weitere Vor- haben mit Forschungs- und Entwicklungsbezug genutzt werden. Die unmittelbare Nähe zur Autobahnanschlussstelle begünstige die Anlieferung von Großkomponenten zukünftiger Anla- gengenerationen. Die beiden vorhandenen Windenergieanlagen seien durch ein gesondertes Mittelspannungskabel mit der ersten Wasserstofftankstelle in Rostock und mit dem städtischen Stromnetz verbunden. Die Einwenderin sieht hierin Anknüpfungspunkte für eine mögliche zu- künftige Erprobung neuer Technologien zur Zwischenspeicherung und Weiterverwendung von Strom in Verbindung mit neuesten Windenergieanlagen. Auch bestünden Möglichkeiten der direkten Einbindung von Windenergieanlagen in die Stromversorgung des im Aufbau befindli- chen Großgewerbestandortes nördlich von Dummerstorf. Die Einwenderin selbst beschäftige sich mit Wasserstoff- und Batteriespeichern sowie weiteren Technologien der sogenannten Sektorenkopplung. Dabei spiele der Verkehrssektor eine zunehmend wichtige Rolle. Aufgrund der Nähe zur Autobahn und zur Stadt Rostock sei die Einrichtung weiterer Betankungs- und Aufladungsinfrastrukturen in direkter Verbindung mit Windenergieanlagen denkbar. Darüber hinaus arbeite die Einwenderin an neuartigen Erkennungssystemen, mit denen Großvögel vor Kollisionen geschützt werden sollen. Auch solche Systeme könnten am Standort Dummerstorf erprobt werden, weil sich der Firmensitz der Einwenderin in relativer Nähe befinde, sodass die Entwicklungsingenieure einen schnellen und direkten Zugriff auf die Anlagen hätten. Somit bestehe hier das Potenzial für ein interdisziplinäres Versuchsfeld, auf dem verschiedene Tech- nologien im Zusammenhang mit der Windenergienutzung und der Sektorenkopplung erprobt werden könnten. Die Einwenderin regt eine entsprechende Festlegung an.

8.15.3 Zusammengefasste Abwägung Im Gebiet Nr. 129 wurden im Jahr 2018 bereits zwei Windenergieanlagen-Prototypen errichtet. Bedenken gegen die förmliche Festlegung eines Vorranggebietes werden von den Natur- schutzbehörden und vom Naturschutzverband NABU vorgebracht. Die Bedenken gründen

385 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sich insbesondere auf Abstandsrichtwerten, die auf Brutplätze geschützter Vogelarten im Umfeld des Gebietes angewandt werden sollen. Der Planungsverband hat bereits im Um- weltbericht vom November 2018 dargelegt, bei welchen Vogelarten solche Abstandsrichtwerte sinnvoll angewandt werden können und bei welchen nicht. Im Ergebnis der abschließenden Abwägung wird an dieser Einschätzung festgehalten. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausführungen zum Artenschutz im Abschnitt 5.7 verwiesen. Die Erwägungen des Planungsverbandes zur Berücksichtigung der Brutvorkommen des Rotmilans sind bereits im Umweltbericht vom November 2018 umfänglich dargelegt worden. Ein einzelnes Brutvorkommen, das in einem bestimmten Erhebungsjahr in der Nähe des Ge- bietes Nr. 129 festgestellt wurde, rechtfertigt keinen Ausschluss dieses Gebietes. Im Ergebnis der 2016 durchgeführten Erhebung wurde festgestellt, dass die Umgebung des Gebietes Nr. 129 keine herausgehobene Bedeutung als Lebensraum für Greifvögel aufweist. Das Ge- biet umfasst auch keine Grünlandflächen, die als bevorzugte Nahrungsflächen eine besondere Anziehung auf diese Vögel ausüben würden. Die Vermutung der Naturschutzbehörde, dass das 2016 beobachtete Rotmilanbrutpaar sich bei einem Horstwechsel immer wieder im Nah- bereich des Vorranggebietes ansiedeln müsste, ist spekulativ und nicht begründet. Schon ein Wechsel innerhalb desselben Waldstückes könnte dazu führen, dass sich die empfohlene 1.000-Meter-Abstandszone nur noch marginal mit dem Gebiet Nr. 129 überschneiden würde. Im Übrigen ist bekannt, dass der Rotmilan nicht nur Wälder, sondern auch kleinere Feldge- hölze zur Brut nutzt, sodass eine Prognose der zukünftigen Reviernutzung anhand besonders geeigneter Bruthabitate kaum möglich ist. Bezüglich des Weißstorchbrutplatzes im Bereich der Wohnhäuser an der Fernverkehrs- straße bleibt der Planungsverband bei seiner bereits in den früher veröffentlichten Entwurfs- unterlagen vertretenen Auffassung, dass mit rund 900 Metern ein ausreichender Abstand ein- gehalten wird. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Wie oben ausgeführt umfasst das Gebiet Nr. 129 keine Grünlandflächen, die auch für den Weißstorch ein bevorzugtes Nahrungshabitat bilden. Die Erreichbarkeit der mutmaßlichen Nahrungsflächen des örtlichen Brutpaares würde durch einen Windpark im Gebiet Nr. 129 allenfalls marginal beeinträchtigt. Bezüglich der Lebensraumansprüche des Schreiadlers ergeben sich aus den vorliegenden Stellungnahmen keine neuen Erkenntnisse. Auf Beobachtungen von Schreiadlern im Bereich des Gebietes Nr. 129, die auf ein neues Brutrevier hindeuten könnten, wurde bereits im Um- weltbericht vom November 2018 eingegangen. Aus dem Jahr 2017 liegt dem Planungsver- band der Untersuchungsbericht eines Fachgutachters vor, der im Zuge der Genehmigung der bereits vorhandenen Windenergieanlagen die potenziellen Bruthabitate in der näheren Umge- bung untersucht hat. Das Ergebnis war damals negativ. Im Herbst 2019 hat die Geschäftsstelle des Planungsverbandes nochmals bei der unteren Naturschutzbehörde den aktuellen Kennt- nisstand erfragt. Die Behörde hat in den letzten Jahren weitere einschlägige Hinweise orts- kundiger Ornithologen erhalten. Es wurde jedoch auch in den Jahren 2018 und 2019 kein Brutplatz nachgewiesen. Für den Schreiadler gilt wie für den Weißstorch, dass bevorzugt Grünlandflächen zum Nahrungserwerb aufgesucht werden. Sollte sich in den nächsten Jahren im Bereich des Potremser Moores oder des Großen Moores ein Brutrevier des Schreiadlers wieder bzw. neu etablieren, würde die Erreichbarkeit geeigneter Nahrungsflächen durch einen Windpark im Gebiet Nr. 129 nicht wesentlich eingeschränkt. Sollte der vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie angegebene (und bisher nicht bestätigte) Horststandort genutzt werden, würde der in Mecklenburg-Vorpommern empfohlene Schutzabstand von 3.000 Metern eingehalten. Einen pauschalen Schutzabstand von 6.000 Metern, wie er vom NABU angeregt wird, hält der Planungsverband nicht für angemessen. Hierzu wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Die nächsten Brutplätze des Seeadlers sind, soweit sie dem Planungsverband bekannt sind, rund 5 Kilometer vom Gebiet Nr. 129 entfernt. Eine potenzielle Betroffenheit durch Windener- gieanlagen im Gebiet Nr. 129 kann für diese Vögel nicht erkannt werden.

386 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die Wind-Projekt GmbH weist ausdrücklich auf die räumliche Nähe des Vorranggebietes zur Hansestadt Rostock, zum Autobahnkreuz und zu den großen Gewerbestandorten in der Ge- meinde Dummerstorf hin, womit sich günstige Voraussetzungen für Projekte der nahräu- migen Energieversorgung, der Sektorenkopplung sowie der Forschung und Entwick- lung im Zusammenhang mit der Windenergienutzung ergeben. Diese Standortvorteile sind zweifelsfrei gegeben; sie sind beim Gebiet Nr. 129 aber nicht so besonders ausgeprägt, dass sie sich bei der Festlegung eines Vorranggebietes unbedingt gegen die Belange des Natur- schutzes durchsetzen müssten. Gleichwohl geht der Planungsverband davon aus, dass bei potenziellen Eignungsflächen im näheren Umland des Oberzentrums Rostock, das durch Inf- rastrukturen und die Siedlungserweiterungen der letzten Jahrzehnte besonders geprägt ist, im Zweifel zugunsten der Windenergienutzung abgewogen werden sollte. Dafür stehen die Be- lange der möglichst verbrauchernahen Stromerzeugung, der räumlichen Zusammenfassung von Emissionsquellen sowie der Schonung bisher ungestörter und unbelasteter Landschafts- räume in anderen Teilen der Region. Der Planungsverband geht somit davon aus, dass die Festlegung des Gebietes Nr. 129 gerade im Sinne des Natur- und Umweltschutzes gut be- gründet ist und bittet die Naturschutzbehörden und den NABU sich dieser Einschätzung anzu- schließen. Die von der Kloss New Energy GmbH nochmals angeregte südliche Erweiterung des Ge- bietes Nr. 129 war bereits Gegenstand der vorläufigen Abwägungen, die in den Entwurfsun- terlagen vom Mai 2014 und vom November 2018 dokumentiert sind. An dem hier maßgeben- den Ausschlusskriterium hat sich nichts geändert. Der Niederungsbereich der Zarnow, in den sich die Erweiterung erstrecken würde, liegt in der engeren Schutzzone des Trinkwasser- schutzgebietes Warnow. Die engeren Schutzzonen der Trinkwasserschutzgebiete gelten als Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung. Der Niederungsbereich wird als Grünland genutzt. Er bildet somit mutmaßlich ein bevorzugtes Nahrungshabitat der oben erwähnten Vo- gelarten Rotmilan und Weißstorch. Auch für den Schreiadler wäre, wenn sich in der Nähe ein neues Brutvorkommen etablieren sollte, die Zarnowniederung als bedeutsames Nahrungsre- vier anzusehen. Bezüglich der Berücksichtigung gemeindlicher Interessen bei der Festlegung der Wind- energie-Vorranggebiete wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt 4.7 verwie- sen. Die Gemeinden haben sehr wohl ein Mitspracherecht, jedoch kein Vetorecht. Die Ent- scheidung wird in den demokratisch gewählten Gremien des Planungsverbandes getroffen. Die Hinweise auf das am Südrand des Vorranggebietes vorhandene Bodendenkmal und die im Gebiet verlaufende Richtfunkstrecke werden zur Kenntnis genommen. Die zweckmä- ßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird das Gebiet Nr. 129 als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

387 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.16 Schlage (Nr. 130)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Schlage gering gering gering erhöht Autobahn gegeben gut geeig- (130) net

Ergebnis der Abwägung: Festlegung als Vorranggebiet.

8.16.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Kessin, Rostock, Petschow und anderen Orten • Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Schutz- bereichbehörde), Kiel • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, Nürnberg • Landesamt für Straßenbau und Verkehr, Abt. Autobahn, Güstrow • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde • NABU Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin • BS Windertrag GmbH, Berlin

8.16.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Kessin nimmt Bezug auf die Abwägungsdokumentation vom November 2018, in der seine bereits zum zweiten Entwurf vorgetragenen Einwände in einem entscheidenden Aspekt falsch und missverständlich wiedergegeben worden seien. Der Bürger stellt nochmals klar, dass nach seiner Auffassung ein gesondertes behördliches Verfahren zwingend erforder- lich wäre, um eine Nutzungsänderung oder eine Änderung des Schutzzweckes für das Land- schaftsschutzgebiet „Wolfsberger Seewiesen“ zu begründen. Ohne ein solches verwaltungs- rechtliches Verfahren bliebe die Verbindlichkeit der geltenden Schutzgebietsverordnung von der RREP-Fortschreibung unberührt und das prinzipielle Verbot der Errichtung baulicher An- lagen in der freien Landschaft wäre weiterhin zu beachten. Der Planungsverband könne somit bezüglich des Vorranggebietes Nr. 130 keine abschließende Abwägung vornehmen, bevor

388 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 nicht die zuständige Naturschutzbehörde ein gesondertes Verfahren zur entsprechenden Än- derung der Schutzgebietsverordnung durchgeführt und förmlich abgeschlossen habe. Diese Auffassung werde auch durch ein Fachgutachten gestützt, das der Stadtplaner Dipl.-Ing. Mil- lahn im Jahr 2013 für die Gemeinde Dummerstorf erstellt hat. In diesem Gutachten war das betreffende Gebiet als potenzielles Eignungsgebiet für Windenergieanlagen identifiziert wor- den. Dazu sei vom Gutachter ausdrücklich festgestellt worden, dass die Aufnahme des Ge- bietes in das RREP einen Nachweis der Vereinbarkeit mit den Schutzzielen oder eine Heraus- nahme aus dem Landschaftsschutzgebiet voraussetzen würde. Vor diesem Hintergrund sieht es der Einwender als rechtlich fragwürdig an, dass das Energieministerium die Landschafts- schutzgebiete in seiner Kriterienempfehlung aus dem Jahr 2012 den Restriktionskriterien zu- geordnet hat, die einer planerischen Abwägung zugänglich sein sollen. Bezüglich der sachli- chen Voraussetzungen für eine entsprechende Abwägung im Fall des Vorranggebietes Nr. 130 lasse die Dokumentation des Planungsverbandes vom Mai 2018 bereits deutlich erken- nen, dass eine Vielzahl von Gründen gegen eine Rücknahme der Landschaftsschutzbestim- mungen spräche. Der vom Planungsverband angestellte Vergleich mit anderen Teilräumen der Region, in denen ebenfalls neue Vorranggebiete für Windenergieanlagen geplant waren, und der Verweis auf gegebene Vorbelastungen erscheinen dem Einwender nicht sachgerecht. Der Planungsverband habe die hohe bis sehr hohe Bewertung des Landschaftsbildes miss- achtet, welche die Wald- und Biotopkomplexe nördlich der Autobahn im Gutachtlichen Land- schaftsrahmenplan erfahren haben. Zusammen mit den Wolfsberger Seewiesen bildeten diese Biotope einen großflächig unverbauten Lebensraum für Großvögel. Ein solches Gebiet könne und dürfe bezüglich seines ökologischen Wertes nicht in Zeitmomenten beurteilt wer- den. Derartige Schutzgebiete seien dauerhaft zu erhalten. Sie stellten ein Kulturerbe dar, wel- ches durch Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle nicht zu ersetzen sei. Dies werde auch durch eine aktuelle Zeitungsmeldung vom März 2019 belegt, wonach der Rückgang der Ar- tenvielfalt in Mecklenburg-Vorpommern bisher nicht aufgehalten wurde – und nur die Schutz- gebiete von dieser negativen Entwicklung ausgenommen seien. Ein Bürger (Wohnort unbekannt) spricht sich für die Festlegung des Gebietes Nr. 130 aus. Aufgrund der vorherrschenden Ackerlandnutzung, der Zerschneidung durch die Autobahn und der fortgeschrittenen Zersiedlung der Landschaft sei die Fläche in idealer Weise für die Wind- energienutzung geeignet. Besonders schützenswerte Strukturen und Arten kämen nicht vor, und aufgrund der forstwirtschaftlichen Nutzung böten die umliegenden Gehölze keinen attrak- tiven Lebensraum für Großvögel. Dies sei durch unabhängige Untersuchungen nachgewiesen worden. Großvögel kämen demnach nur in größerem Abstand zum Vorranggebiet vor und würden durch Windenergieanlagen im Gebiet nicht in ihrer Nahrungssuche beeinträchtigt. Dies könne durch geeignete Lenkungsmaßnahmen dauerhaft sichergestellt werden. Mit der Errich- tung eines Windparks seien vielmehr positive ökologische Effekte zu erwarten, indem sich um die Zuwegungen und Anlagenfundamente natürlicher Aufwuchs bilde, der wiederum für Klein- tiere und Vögel attraktiv sei, die in der ausgeräumten Ackerlandschaft sonst keinen Lebens- raum mehr fänden. Grundsätzlich sei es sinnvoll, Strom möglichst verbrauchernah zu erzeu- gen. Ein erhebliches Abnehmerpotenzial sei hier mit der Großstadt Rostock und dem neuen Gewerbegebiet in Dummerstorf gegeben. Durch die zunehmende Verbreitung von Elektrofahr- zeugen werde sich dieses Potenzial in naher Zukunft noch erhöhen. Errichtung und Betrieb eines Windparks im Gebiet Nr. 130 würden außerdem einen Beitrag zur wirtschaftlichen Ent- wicklung der Region leisten. Mit der Wahl regional verwurzelter Hersteller und Lieferanten würde der Wirtschaftszweig der erneuerbaren Energien in der Region weiter gestärkt und der Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsstruktur gefördert. Ein Bürger aus Petschow hat bereits zum zweiten Entwurf der RREP-Fortschreibung im Jahr 2014 eine Stellungnahme abgegeben und geht nochmals auf die diesbezügliche Abwägung des Planungsverbandes ein. Der Einwender hatte unter anderem die Sorge zum Ausdruck gebracht, dass der Wildwechsel unter der Autobahn 20 durch einen Windpark beeinträchtigt werden könnte. Der Planungsverband habe diese Befürchtung abgetan mit dem Hinweis, dass dafür keine Anhaltspunkte vorlägen. Diese Aussage sei problematisch. Sie zeige beispielhaft die Gleichgültigkeit, mit der die Sorgen der Anwohner vom Planungsverband aufgenommen

389 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 worden seien. Der Einwender möchte wissen, was der Planungsverband konkret unternom- men habe, um sich in dieser Frage sachkundig zu machen. Mit welchen Behörden oder Orga- nisationen sei diesbezüglich Kontakt aufgenommen worden? Oder erwarte der Planungsver- band, dass diese Sachaufklärung von den Bürgern selbst geleistet werde? Aus Sicht des Einwenders müsste Klarheit geschaffen werden darüber, welche jagdbaren und geschützten Tierarten den hier vorhandenen Wildtunnel annehmen, wie groß die Bedeutung der einzelnen Tiere für die gesamte Art sei und wie die Tiere auf mögliche Störungen reagierten. Daraus könne dann gefolgert werden, welchen Abstand Windenergieanlagen zu einem Wildtunnel ha- ben sollten. Der Planungsverband habe seit 2014 mehr als ausreichend Zeit gehabt, diese Untersuchungen durchzuführen. Des Weiteren nimmt der Einwender Bezug auf den vom Pla- nungsverband veröffentlichten Untersuchungsbericht des Ingenieurbüros Günther über die 2016 durchgeführte Großvogelerhebung. Der Bericht weise zwei Brutreviere des Weißstor- ches und ein bis zwei Brutreviere des Rotmilans nach, die aufgrund ihrer Nähe zum Gebiet Nr. 130 als Restriktionskriterium gelten müssten. Darüber hinaus seien Beobachtungen von Schreiadlern dokumentiert worden, die auf ein besetztes Revier schließen ließen. Damit sei ein potenzielles Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung gegeben. Die RREP-Richtli- nie des Energieministeriums sehe auch die Schutzabstände um Weißstorchenbrutplätze als Ausschlusskriterium vor. Da nachweislich zwei solche Brutplätze im Gebiet Nr. 130 vorhanden seien, wären Windenergieanlagen hier folglich nicht genehmigungsfähig. Besonders erwäh- nen möchte der Einwender, dass das Gebiet Nr. 130 von gleich fünf Ortschaften im Abstand von nur 1.000 Metern umgeben sei. Dieser Abstand sei als Mindestabstand zu verstehen, nicht als Höchstabstand. Schon jetzt störten die beiden Windenergieanlagen bei Dummerstorf, die etwa 3,5 Kilometer von Petschow entfernt seien, den bislang freien Ausblick. Die Vorstellung, dass hier vielleicht einmal 20 Anlagen stehen könnten, sei bedrückend. Bezüglich der Lage des Gebietes Nr. 130 im Landschaftsschutzgebiet verweist der Einwender wiederum auf die RREP-Richtlinie des Energieministeriums. Darin sei die Festlegung von Windenergie-Eig- nungsgebieten innerhalb der Landschaftsschutzgebiete nur für Ausnahmefälle und nach Maß- gabe einer umfassenden Einzelfallprüfung vorgesehen. Statt dieser Maßgabe zu folgen, habe der Planungsverband versucht das Gebiet Nr. 130 aus dem Schutzgebiet herauszulösen. Nach Kenntnis des Einwenders habe der zuständige Landkreis Rostock dem entsprechenden Antrag des Planungsverbandes jedoch nicht stattgegeben. Eine umfassende Prüfung sei bis- lang unterblieben. Die dafür maßgebenden Prüfkriterien möge der Planungsverband bitte nicht bei der Fachbehörde, sondern beim zuständigen Landesministerium erfragen. Zusammenfas- send kommt der Einwender zu dem Schluss, dass das Gebiet Nr. 130 aufgrund der Überlage- rung mit gleich mehreren Restriktionskriterien nicht als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt werden sollte. Grundsätzlich ablehnend äußert sich der Einwender auch zur Stand- ortvorsorge für Windenergieanlagen-Prototypen (vgl. hierzu die im Abschnitt 10 wiedergege- benen Ausführungen desselben Einwenders). Ein Bürger aus Petschow bemängelt, dass es über den Ausbau der Windenergienutzung keine demokratische Entscheidung gegeben habe. Die Gemeinden hätten kein Mitsprache- recht. Der Einwender befürwortet die Windenergienutzung, hält aber wesentlich höhere Ab- stände zu den Wohnorten für erforderlich. Der Einwender verweist auf einen Artikel der Ost- see-Zeitung vom März 2019. Darin sei alles gesagt, was er auch selbst vertrete. Die Reaktionen des Planungsverbandes auf früher vorgetragene Einwände seien nicht immer fun- diert. Diese seien einfach nicht berücksichtigt und vom Planungsverband mit Sprüchen wie „sehen wir nicht so“ oder „liegt nicht in unserer Kompetenz“ abgetan worden. Dies seien keine schlüssigen Argumente, und solche pauschalen Antworten seien nicht befriedigend. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Dienststelle Kiel) weist auf den Prüfungsvorbehalt der militärischen Luftfahrtbehörde bezüg- lich der Höhe und Anordnung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet hin. Die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG weist auf eine Richtfunkstrecke des Unterneh- mens hin, die durch das Vorranggebiet verläuft. Alle geplanten Türme und Rotoren von Wind- energieanlagen sowie Baustelleneinrichtungen dürften nicht in die Richtfunktrasse ragen und

390 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 müssten daher einen horizontalen Schutzkorridor zur Mittellinie des Richtfunkstrahles von 30 Metern und einen vertikalen Schutzabstand zur Mittellinie von 15 Metern einhalten. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr teilt mit, dass aufgrund jüngster Havariefälle an Windenergieanlagen grundsätzlich von einem Gefährdungspotenzial dieser Anlagen im Hinblick auf die Verkehrssicherheit auszugehen sei. Von den Bundesautobahnen sei deshalb als Mindestanforderung ein Abstand von 100 Metern (gemessen vom Rand des Rotorkreises) einzuhalten. Empfohlen wird ein höherer Abstand, welcher der Gesamthöhe der Anlage (ein- schließlich Rotorkreis) entsprechen sollte. Der Mindestabstand sei bereits bei der Festlegung der Vorranggebiete für Windenergieanlagen als Ausschlusskriterium zu berücksichtigen. Das Amt weist nochmals auf das bestehende Anbauverbot bis zu einer Entfernung von 40 Metern vom äußeren Fahrbahnrand und den Zustimmungsvorbehalt der Straßenbaubehörde bei der Genehmigung baulicher Anlagen bis zu einer Entfernung von 100 Metern hin. Unter das Verbot und die Beschränkung fallen auch Leitungen, Zuwegungen und Baustelleneinrichtungen. Au- ßerdem wird darauf hingewiesen, dass Zu- und Abfahrten zu den Bundesautobahnen nicht angelegt werden dürfen. Das Amt empfiehlt deshalb vor der Festlegung von Windenergie- Vorranggebieten an Autobahnen zu prüfen, ob die Erschließung über das nachgeordnete Stra- ßen- und Wegenetz für Großraum- und Schwertransporte möglich ist. Zu beachten sei, dass nicht alle Brücken über die Autobahnen für Schwertransporte genutzt werden können, da zum Teil erhebliche Lastbeschränkungen bestehen. Das Amt weist auch auf Fernmeldekabel der Straßenbauverwaltung hin, die entlang der Autobahnen verlaufen. Eine potenzielle Betroffen- heit ergebe sich, wenn Energiekabel von Windparks über mehr als 1.000 Meter Länge parallel neben Kupfer-Fernmeldekabeln geführt werden sollten. In solchen Fällen seien Nachweise über eine mögliche Beeinflussung durch den Vorhabensträger zu erbringen und gegebenen- falls entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie weist nochmals auf die Lage des Gebietes Nr. 130 im Landschaftsschutzgebiet hin. Die Festlegung des Gebietes Nr. 130 als Vorranggebiet wird aus diesem Grund abgelehnt. Die Errichtung baulicher Anlagen sei gemäß § 4 der Schutzgebietsverordnung unzulässig. Auf die fachlichen und ortsbezogenen Erwägun- gen des Planungsverbandes zum Landschaftsschutz, wie sie in den Entwurfsdokumenten vom November 2018 dargelegt worden sind, geht das Landesamt nicht ein. Zusätzlich wird auf die marginale Überschneidung des Gebietes mit der 1.000-Meter-Abstandszone um einen Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes hingewiesen. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock verweist nochmals auf die geltende Ver- ordnung über das Landschaftsschutzgebiet, nach der die Errichtung baulicher Anlagen hier unzulässig wäre. Im Dezember 2018 hat die Naturschutzbehörde einen aktuellen Genehmi- gungsantrag zur Errichtung von Windenergieanlagen im nördlichen Teil des Gebietes Nr. 130 geprüft. Die in diesem Rahmen durchgeführte vertiefte Prüfung der Artenschutzbelange habe ergeben, dass gemäß der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) Lenkungs- und Kompensationsflächen in ganz erheblichem Umfang nachzuweisen wären. Die Schaffung von Grünland im erforderlichen Umfang wäre für den Träger des Vorhabens kaum realisierbar. Dem Antrag habe daher bisher nicht zugestimmt werden können. Der südliche Teil des Gebietes Nr. 130 werde großenteils vom gemäß AAB-WEA anzuwendenden Aus- schlussbereich um einen Brutplatz des Rotmilans überdeckt. Auch sei nach der AAB-WEA ein Umkreis von 3 Kilometern um das Göldenitzer Moor von Windenergieanlagen freizuhalten. Das Göldenitzer Moor sei als Rastgebiet der Kategorie „A“ eingestuft und als Schlafplatz hauptsächlich für Kraniche und Gänse von Bedeutung. Es werde zusammen mit der Bun- desstiftung Umwelt langfristig als Moorschutzgebiet renaturiert. Mit den geplanten umfangrei- chen Maßnahmen zur Wiedervernässung nach Abschluss des Torfabbaus werde die Bedeu- tung dieses Gebietes für die Vogelwelt voraussichtlich noch steigen. Im Ergebnis der Gesamtbetrachtung müsse festgestellt werden, dass einer Erteilung von Befreiungen vom all- gemeinen Bauverbot für Windenergieanlagen innerhalb des Landschaftsschutzgebietes ge- wichtige naturschutzfachliche Gründe entgegenstünden.

391 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Der NABU Mecklenburg-Vorpommern vermutet, dass das Gebiet Nr. 130 ein erhöhtes Kon- fliktpotenzial bezüglich der Belange des Vogelschutzes aufweist und hält diesbezüglich nähere Untersuchungen für erforderlich. Der Verband weist auf Beobachtungen von Schreiadlern hin, die in der Umgebung von Dummerstorf gemacht worden seien. Es seien auch beutetragende, das heißt brütende Tiere beobachtet worden. Die Beobachtungen könnten darauf hindeuten, dass der Schreiadler sein Verbreitungsgebiet von der Recknitz allmählich nach Westen aus- dehne. Der NABU fordert die Einhaltung eines generellen Schutzabstandes von 6.000 Metern um die Brutreviere des Schreiadlers, wie er von der Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogel- schutzwarten empfohlen wird (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausfüh- rungen desselben Einwenders). Weiterhin seien Vorkommen von Mäusebussard und Schwarzmilan innerhalb der in der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe vor- gesehenen Prüfbereiche bekannt. Zudem gebe es vier Brutplätze des Weißstorches und einen Brutplatz des Rotmilans im 1.000-Meter-Umkreis. Mit Vorkommen weiterer windkraftsensibler Arten sei zu rechnen. Die BS Windertrag GmbH begrüßt die Festlegung des Gebietes Nr. 130 und bekräftigt noch- mals ihre bereits früher vorgetragenen Argumente und Hinweise. Bezüglich der Belange des Landschaftsschutzes habe der Planungsverband das Gebiet zutreffend bewertet. Diese Be- lange stünden der Windenergienutzung nicht entgegen. Auch aus Sicht des Artenschutzes sei das Gebiet geeignet, was durch von der Einwenderin selbst veranlasste mehrjährige Erhebun- gen belegt werde. Im Gebiet seien bereits Genehmigungsverfahren für die Errichtung von ins- gesamt sieben Windenergieanlagen nach Maßgabe der Ausnahmeregelung des geltenden RREP begonnen worden. Dies sei als eine weitgehend verfestigte Planung anzusehen, deren Träger Anspruch auf Vertrauensschutz hätten. Vom Planungsverband sei dieser Umstand bei der abschließenden Abwägung zu berücksichtigen. Mit den geplanten sieben Anlagen zu For- schungs- und Erprobungszwecken sei die vom Planungsverband im Entwurf vom November 2018 vorgesehene Quote bereits erfüllt. Die Einwenderin regt deshalb an, den entsprechenden Richtwert in der Tabelle 6.5-2 der RREP-Begründung auf Null zu setzen. Ein Vergleich mit dem vom Planungsverband veröffentlichten Gutachten der Firma Wind-Consult zeige übri- gens, dass der Gutachter hier nicht sieben, sondern nur vier (bei zweireihiger Bebauung) bzw. zwei Standorte (bei einreihiger Bebauung) als geeignet für eine normgerechte Anlagenver- messung identifiziert habe. Der Planungsverband habe somit einen überhöhten Richtwert un- ter Missachtung der gutachterlichen Empfehlungen angesetzt und insoweit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Angesichts des vom Gutachter für den Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung veranschlagten Bedarfes von (landesweit) 30 bis 40 Vermessungs- standorten erscheine es geradezu absurd, dass sieben davon allein im Gebiet Nr. 130 einge- ordnet werden sollten. Die Einwenderin möchte für ihre Anlagen eine umfassende wirtschaft- liche Beteiligung der Bürger und der Gemeinde ermöglichen. Außerdem sei im Gebiet mit Höhenbeschränkungen der militärischen Flugsicherung zu rechnen. Auch vor diesem Hinter- grund erscheine die vom Planungsverband beabsichtigte Standortvorsorge für Prototypen als unverhältnismäßige zusätzliche Einschränkung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Gebietes Nr. 130.

8.16.3 Zusammengefasste Abwägung Das Gebiet Nr. 130 weist gegenüber den anderen Windenergie-Vorranggebieten die Beson- derheit auf, dass es in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Damit sind drei wesentliche Fragen verbunden, auf die der Planungsverband bereits in den früher veröffentlichten Ent- wurfsdokumenten eingegangen ist, die jedoch von verschiedenen Einwendern jetzt nochmals aufgeworfen werden. Die erste Frage ist, ob es überhaupt vertretbar und gewollt ist, in einem solchen Schutzgebiet einen Windpark zuzulassen. Zweitens ist die Frage nach den konkreten Auswirkungen auf die Landschaft im Schutzgebiet zu beantworten. Drittens sind die formalen Voraussetzungen für die Festlegung des Vorranggebietes zu klären.

392 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die grundsätzliche Frage nach der Öffnung von Landschaftsschutzgebieten für die Windenergienutzung wurde bereits im Vorfeld der RREP-Fortschreibung innerhalb der Lan- desplanungsbehörde erörtert. Auf den ersten Blick erscheint eine solche Öffnung kaum ge- rechtfertigt, weil Windenergieanlagen das Landschaftsbild weiträumig verändern und gerade die Erhaltung des Landschaftsbildes der wesentliche Zweck dieser Schutzgebiete ist. Aus- gangspunkt der Überlegungen in der Landesplanungsbehörde war, dass die Landschafts- schutzgebiete von den Landkreisen festgesetzt werden und dass der Auswahl und Abgren- zung dieser Schutzgebiete landesweit keine einheitliche Systematik zugrunde liegt. Die gutachterliche Bewertung des Landschaftsbildes, die als Grundlage der Landschaftspläne er- stellt wurde, beruht dagegen auf einer landesweit einheitlichen Systematik. Vor diesem Hin- tergrund sind die zuständigen Ministerien der Landesregierung dahingehend übereingekom- men, dass die Berücksichtigung des Landschaftsschutzes bei der Fortschreibung der Regionalen Raumentwicklungsprogramme vorrangig den Bewertungen der Landschaftspla- nung und erst in zweiter Linie den förmlich festgesetzten Schutzgebieten folgen sollte. Die im Jahr 2012 neu herausgegebenen Kriterienempfehlungen an die Regionalen Planungsver- bände sehen deshalb vor, dass die von der Landschaftsplanung als besonders schutzwürdig identifizierten Räume als striktes Ausschlusskriterium gelten sollen, während die Landschafts- schutzgebiete als bloßes Restriktionskriterium gelten. Der Planungsverband Region Rostock hat diese Empfehlung aufgegriffen, gleichzeitig jedoch klargestellt, dass die Inanspruchnahme der Landschaftsschutzgebiete für die Windenergienutzung nur in Ausnahmefällen in Frage kommt. Das Vorranggebiet Nr. 130 ist ein solcher Ausnahmefall, weil im betreffenden Teil des Landschaftsschutzgebietes „Wolfsberger Seewiesen“ der ursprüngliche Schutzzweck schon mit dem Bau der Autobahn 20, die hier durch das Schutzgebiet verläuft, aufgegeben wurde. Nach der Bewertung des Landschaftsrahmenplanes gehört das Vorranggebiet Nr. 130 zu den konfliktärmsten unter den mit der RREP-Fortschreibung neu festgelegten Vorranggebie- ten. Dies wurde schon in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt. Die rein fachliche Bewertung der Landschaftsschutzbelange – unter Absehung von förmlich fest- gesetzten Schutzgebieten – führt also zu dem Ergebnis, dass das Gebiet Nr. 130 für die Wind- energienutzung vergleichsweise gut geeignet ist. Von einzelnen Einwendern wird nun mit der weiträumigen Sichtbarkeit großer Windenergieanlagen argumentiert, die es nicht erlaube, nur den näheren Umkreis zu betrachten, wenn es um die Bewertung der Umweltauswirkungen und der gegebenen Vorbelastungen geht. Dieses Argument trifft zu. Tatsächlich muss festge- stellt werden, dass sich die sichtbare Zerschneidungswirkung der Autobahn auf einen kleinen Teil des Landschaftsschutzgebietes beschränkt. Die Verlärmung des Landschaftsraumes – und damit dessen Entwertung für die Erholung des Menschen – reicht deutlich weiter, bleibt jedoch hinter der visuellen Wirkung eines Windparks ebenfalls zurück. Es ist somit zweifellos davon auszugehen, dass ein Windpark im Gebiet Nr. 130 das Landschaftsbild auch in bisher unvorbelasteten Teilen des Landschaftsschutzgebietes sichtbar prägen und verändern wird. Auch in dieser Hinsicht sollte sich die Bewertung jedoch vorrangig auf fachliche Grundlagen stützen und nicht auf früher einmal festgesetzte, durch die reale Entwicklung überholte Schutz- gebietsgrenzen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass gerade wenn man zur Minderung der visu- ellen Auswirkungen einen größtmöglichen Abstand zwischen Windparks und hochwertigen Landschaftsräumen anstreben möchte, das Gebiet Nr. 130 zu den vorzugswürdigen Gebieten für die Windenergienutzung innerhalb der Region Rostock gehört. Die hochwertigen Land- schaftsteile im Landschaftsschutzgebiet Wolfsberger Seewiesen sind diese Wiesen selbst (also die nähere Umgebung des ehemaligen Wolfsberger Sees), die Niederung der Köster- beck und die Rostocker Schweiz. Der Abstand des Gebietes Nr. 130 zu diesen Landschafts- teilen beträgt einen bis zwei Kilometer. Unter den neuen Windenergie-Vorranggebieten in der Region Rostock gibt es nur noch zwei weitere, die einen vergleichbar großen Abstand zu den jeweils nächstgelegenen hochwertigen Landschaftsräumen aufweisen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die oben genannten Landschaftsteile im Schutzgebiet „Wolfsberger Seewiesen“ lediglich der zweithöchsten Bewertungsstufe zugeordnet wurden. Andere Vorranggebiete be- finden sich dagegen in der Nähe solcher Räume, denen im Landschaftsrahmenplan die höchste Stufe der Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes zuerkannt wurde (ohne dass diese

393 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Räume sich notwendigerweise in Schutzgebieten befinden). Gänzlich vermeiden lässt sich die sichtbare Veränderung des Landschaftsbildes in den hoch bewerteten Räumen und den Land- schaftsschutzgebieten nicht. Wenn man dies erreichen wollte, müssten unrealistisch hohe Schutzabstände um alle diese Räume berücksichtigt werden, was letztlich zu einer (rechts- widrigen) Verhinderungsplanung führen müsste. Die von einem Bürger aus Kessin nochmals mit Nachdruck vorgetragene Problematik der gel- tenden Schutzgebietsverordnung und ihres rechtlichen Verhältnisses zur RREP-Fort- schreibung besteht tatsächlich und ist vom Planungsverband bereits bei der letzten Überar- beitung des Entwurfes betrachtet worden. Die Sichtweise des Einwenders, wonach vor einer Abwägungsentscheidung des Planungsverbandes zunächst eine förmliche Änderung der Schutzgebietsverordnung erfolgen müsse, ist auf den ersten Blick naheliegend, weil anderen- falls nach Verbindlichkeit der RREP-Fortschreibung zwei einander widersprechende Rechts- verordnungen bestehen würden: die Rechtsverordnung des Landes über das RREP, welche die Errichtung von Windenergieanlagen im Gebiet 130 ausdrücklich vorsieht, und die Rechts- verordnung des Landkreises über das Landschaftsschutzgebiet, welche die Errichtung bauli- cher Anlagen in der freien Landschaft hier ausdrücklich verbietet. Gegen die Sichtweise des Einwenders spricht jedoch, dass es für eine Änderung der Schutzgebietsverordnung keine Rechtfertigung gäbe, bevor nicht der Planungsverband eine verbindliche Entscheidung dahin- gehend getroffen hat, dass die Windenergienutzung hier zukünftig Vorrang haben soll. Die vom Einwender vorgeschlagene zeitliche Abfolge ist also nicht weniger problematisch, und ein entsprechendes Vorgehen wurde von der zuständigen Naturschutzbehörde selbst abgelehnt. Wenn die Rechtsauffassung des Einwenders in dem von ihm nahegelegten strengen Sinne zutreffen würde, wäre schon die Autobahn rechtswidrig gebaut worden, da deren Bau und Betrieb den Bestimmungen der Landschaftsschutzgebietsverordnung ohne jeden Zweifel zu- widerläuft und bis heute keine förmliche Ausgliederung aus dem Schutzgebiet erfolgt ist. An- stelle einer förmlichen Ausgliederung der Autobahntrasse wurde eine Befreiung erteilt. Diese Möglichkeit sieht die Schutzgebietsverordnung ausdrücklich vor. Der Planungsverband hat vor der Aufnahme des Gebietes 130 in den Entwurf zur RREP-Fortschreibung bei der zuständigen Naturschutzbehörde angefragt, wie an diesem Standort die Errichtung von Windenergieanla- gen und die Festlegung eines entsprechenden Eignungsgebietes aus rechtlicher und fachli- cher Sicht beurteilt wird. Die Naturschutzbehörde hat die Erteilung von Befreiungen vom all- gemeinen Bauverbot für den Fall in Aussicht gestellt, dass der Planungsverband im Ergebnis einer Gesamtabwägung aller Belange (auch derjenigen des Natur- und Landschaftsschutzes) hier ein Eignungs- und Vorranggebiet förmlich festlegt. Die zuständige Naturschutzbehörde selbst hat also eine abschließende Abwägung auf Seiten der Regionalplanung zur Vorausset- zung gemacht, um hier tätig zu werden und auch die naturschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung von Windenergieanlagen zu schaffen. Für die Rechtmäßigkeit der Fest- legung des Gebietes Nr. 130 im RREP ist nach Auffassung des Planungsverbandes entschei- dend, dass die Errichtung von Windenergieanlagen hier unter dem Gesichtspunkt des Land- schaftsschutzes vertretbar ist und dass der zuständige Landkreis Rostock sein Einvernehmen zur Festlegung des Vorranggebietes erteilt und die spätere Zulassung von Windenergieanla- gen in Aussicht gestellt hat. Ob diese Zulassung im Wege einer Ausgliederung aus dem Land- schaftsschutzgebiet oder im Wege einzelfallbezogener Befreiungen vom Bauverbot ermöglicht wird, ist aus Sicht des Planungsverbandes eine sekundäre Frage. Von der Naturschutzbehörde des Landkreises werden jetzt nochmals Vorbehalte gegen die Planung des Vorranggebietes Nr. 130 geäußert. Die Vorbehalte gründen sich auf Belange des Vogelschutzes und hierbei auch auf den Schutz von Habitaten, die gar nicht im Schutzgebiet liegen. Die Entscheidung über Befreiungen vom allgemeinen Bauverbot im Landschafts- schutzgebiet ist jedoch aufgrund der maßgebenden Bestimmungen der Schutzgebietsverord- nung zu treffen. Auf diese Bestimmungen nehmen die früheren Stellungnahmen des Landkrei- ses Bezug, die dem Planungsverband vorläufig die Sicherheit gegeben hatten, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung gegeben sind und dass das Vorranggebiet später seinem Zweck entsprechend genutzt werden kann. Für die Belange des gesetzlichen Artenschutzes

394 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 sind dagegen die Bestimmungen des § 44 Bundesnaturschutzgesetz maßgebend. Diese gel- ten innerhalb wie außerhalb von Schutzgebieten. Sie sind deshalb nicht anwendbar, wenn es um die Prüfung möglicher Befreiungstatbestände im Schutzgebiet geht. Mit dem Landkreis Rostock wurde nach Auswertung aller Stellungnahmen diesbezüglich nochmals eine abschlie- ßende Abstimmung geführt. Der Landkreis hat sein früher gegebenes Einvernehmen zur Fest- legung des Gebietes Nr. 130 ausdrücklich bekräftigt und klargestellt, dass die Ausführungen der Naturschutzbehörde als fachliche Hinweise für die planerische Abwägung zu verstehen sind. Zu prüfen ist demnach, ob Anforderungen des Artenschutzes für sich genommen dazu führen müssten, dass das Gebiet Nr. 130 später nicht nutzbar wäre. Dies ist, wie nachfolgend ausgeführt, nicht der Fall. Im Ergebnis der 2016 durchgeführten Greifvogelerhebung kann dem Gebiet Nr. 130 ledig- lich ein durchschnittliches Konfliktpotenzial bezüglich der Belange des Vogelschutzes zuer- kannt werden. Hierzu wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Umweltbericht verwiesen. Das Vorranggebiet und seine nähere Umgebung weisen keine besonders hohe Dichte von Greifvogelbrutplätzen und keine besonders reiche Ausstattung mit potenziellen Brut- und Nah- rungshabitaten auf. Eine teilweise Überschneidung des Vorranggebietes mit den in der Artenschutzrechtlichen Ar- beits- und Beurteilungshilfe des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie (AAB- WEA) enthaltenen brutplatzbezogenen Abstandsempfehlungen trat im Jahr 2016 nur im süd- östlichen Teil des Vorranggebietes auf. Maßgebend war hier ein Brutplatz des Rotmilans. Diese Vögel sind nicht brutplatztreu und in der Region flächendeckend verbreitet. Einzelne Vorkommen dieser Vögel in der Nähe der Vorranggebiete können einen Ausschluss nicht be- gründen. Der Hinweis der Naturschutzbehörde auf den großen Umfang von Kompensationsflächen, die zur Genehmigung eines Windparks mit Rücksicht auf den Schutz der Milane nachgewiesen werden müssten, wird zur Kenntnis genommen. Wenn ein für die regionalen Verhältnisse nor- maler Besatz mit Milanen zu Kompensationsforderungen führt, die von der zuständigen Be- hörde selbst als kaum erfüllbar eingeschätzt werden, deutet das aus Sicht des Planungsver- bandes darauf hin, dass die einschlägigen behördlichen Richtlinien einer Überarbeitung bedürfen. Die Anforderungen an die Betreiber der Windparks sollten einen realistischen und angemessenen Umfang grundsätzlich nicht übersteigen. Dies gilt umso mehr, als der Anlage sogenannter Lenkungsflächen für den Rotmilan, um den es hauptsächlich geht, aufgrund des variablen Raumnutzungsverhaltens dieser Vögel nur eine begrenzte Wirksamkeit zuerkannt werden kann. Ein Ausschluss des Gebietes Nr. 130 ist hiermit keinesfalls zu rechtfertigen. Die in der Umgebung des Vorranggebietes vorhandenen Brutplätze der Weißstörche befin- den sich innerhalb der Ortschaften. Der gemäß AAB-WEA empfohlene Schutzabstand wird zu allen Brutplätzen eingehalten. Innerhalb des Vorranggebietes befinden sich keine Grünland- flächen von nennenswertem Umfang, die eine besondere Bedeutung als Nahrungshabitat für die Weißstörche haben könnten. Die relative Nähe des Gebietes Nr. 130 zum Lebensraum der Schreiadler entlang der Reck- nitz ist dem Planungsverband bekannt. Dem Schutz des Schreiadlers wurde bei der RREP- Fortschreibung sehr weitgehend Rechnung getragen, indem auf die Festlegung neuer Wind- energie-Vorranggebiete innerhalb des Verbreitungsgebietes dieser Art verzichtet wurde. Dem Verbreitungsgebiet wurden diejenigen Flächen zugerechnet, auf denen sich die Aktionsräume mehrerer benachbarter Brutreviere überschneiden. Als Aktionsraum wurde jeweils ein Umkreis von 6.000 Metern um den Brutplatz angenommen. Das Vorranggebiet Nr. 130 liegt außerhalb des Verbreitungsgebietes. Dass in der Umgebung des Gebietes Nr. 130 gelegentlich Schrei- adler gesichtet wurden, ist dem Planungsverband ebenfalls bekannt. Hierzu wird auch auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Vorranggebiet Nr. 129 im voranstehenden Abschnitt ver- wiesen. Ein Brutrevier wurde hier bisher nicht nachgewiesen. Ob die Sichtungen auf eine ten- denzielle Ausdehnung der Schreiadlerpopulation hindeuten, wie sie der NABU für möglich hält,

395 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 oder auf normale Schwankungen am Rande des bekannten Verbreitungsgebietes, kann da- hingestellt bleiben. Das Gebiet Nr. 130 weist in jedem Fall einen ausreichenden Abstand zu den bekannten Brutrevieren auf und umfasst keine für diese Vögel besonders geeigneten Nah- rungsflächen. Die Naturschutzbehörde weist darüber hinaus auf die Nähe des Gebietes Nr. 130 zum Gölde- nitzer Moor hin, das eine hohe Bedeutung als Rastplatz für ziehende Gänse und Krani- che aufweist. In der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA), die im Jahr 2016 herausgegeben wurde, ist für die wichtigsten Rastplätze (Kategorie A) ein pauscha- ler Schutzabstand von 3.000 Metern vorgesehen. Hier besteht eine Unstimmigkeit zwischen der AAB-WEA und der RREP-Richtlinie des Energieministeriums. Die AAB-WEA richtet sich in erster Linie an die Umweltbehörden und gibt Empfehlungen für die Umsetzung des gesetz- lichen Artenschutzes bei der Genehmigung von Windenergieanlagen. Ein Abstandsrichtwert, der sich derart weiträumig auswirkt, hätte jedoch zwingend in die Empfehlungen an die Regi- onalplanung aufgenommen werden müssen. Diese sind in der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie niedergelegt, die zuletzt im Jahr 2012 neu herausgegeben wurde. Die Anlage 3 enthält aus- drückliche Empfehlungen zum Schutz der wichtigen Vogelrastgebiete, sieht jedoch einen Schutzabstand von 3 Kilometern um Rastplatzzentren der Kategorie A nicht vor. Diese Zentren sind langjährig stabil und waren im Jahr 2012 schon bekannt. Neue fachliche Erkenntnisse, die eine nachträgliche Verschärfung der entsprechenden Schutzanforderungen begründen würden, sind dem Planungsverband nicht bekannt. Im Ergebnisbericht der 2016 veröffentlich- ten PROGRESS-Studie wird im Ergebnis bundesweiter Untersuchungen zum Phänomen des Vogelschlages an Windenergieanlagen vielmehr ausgeführt, dass Kraniche und Wasservögel im Vergleich zu den Greifvögeln ein eher geringes artspezifisches Kollisionsrisiko aufweisen. Bei Gänsen und Kranichen seien eine Meidung von Windenergieanlagen und ein deutliches Ausweichverhalten zu beobachten. Methodische Erwägungen können ebenfalls nicht dazu ge- führt haben, dass der 3.000-Meter-Richtwert erst 2016 mit der AAB-WEA eingeführt wurde. Die Anwendung wäre auf der Ebene der Regionalplanung mit geringstem Aufwand und ohne nähere Untersuchungen möglich, und sie müsste zwingend auf dieser Ebene erfolgen, weil – wenn dieser Richtwert als striktes Ausschlusskriterium gelten sollte – die Eignung ganzer Po- tenzialflächen davon abhängen würde. Somit sprächen weder die Maßstabsebene der Pla- nung, noch eine Zeitabhängigkeit der Schutzanforderungen, noch ein besonderer Untersu- chungsaufwand dafür, diesen Belang auf der Ebene der Regionalplanung zunächst auszublenden und erst in späteren Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen. In den Ge- nehmigungsverfahren soll über die Standorte einzelner Windenergieanlagen entschieden wer- den, aber nicht mehr über die Eignung oder Nichteignung ganzer Vorranggebiete. Der Pla- nungsverband geht davon aus, dass die AAB-WEA diesbezüglich in den nächsten Jahren überarbeitet wird und ein Abgleich mit den einschlägigen Empfehlungen der RREP-Richtlinie erfolgt. Größere Wasserflächen im Göldenitzer Moor, die als Schlafplätze der Vögel in Frage kommen, bilden der Schwarze See und eine überstaute Teilfläche im Bereich der Torfabbau- felder. Diese Gewässer befinden sich 3 bzw. 2 Kilometer vom Gebiet Nr. 130 entfernt. Der Planungsverband erachtet diese Abstände als ausreichend. Das Gebiet Nr. 130 liegt außer- halb der regionalen Korridore des Vogelzuges und weist selbst nur eine mittlere Bedeutung als Vogelrastgebiet auf. Mögliche Beeinträchtigungen der besonderen Rastplatzfunktion des Göldenitzer Moores durch einen Windpark im Gebiet Nr. 130 sind somit für den Planungsver- band nicht erkennbar. Bezüglich des direkt beim Gebiet Nr. 130 nördlich der Autobahn liegenden Waldgebietes Glöönmoor wird von einem Einwender auf die hohe Bewertung hingewiesen, die es im Land- schaftsrahmenplan erhalten hat. Diese Bewertung bezieht sich jedoch nicht auf das Land- schaftsbild, sondern auf das Arten- und Lebensraumpotenzial. Die spezifischen Habitateigen- schaften dieses Waldstückes für Pflanzen sowie boden- und wassergebundene Tiere werden durch einen Windpark im Gebiet 130 in keiner Weise beeinträchtigt. Eine besondere Bedeu- tung des Glöönmoores als Lebensraum für Großvögel konnte im Rahmen der 2016 durchge- führten Erhebung nicht festgestellt werden.

396 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Bezüglich möglicher Wirkungen eines Windparks auf den Wildwechsel, für den im Bereich des Gebietes Nr. 130 ein Tunnel unter der Autobahn angelegt wurde, bleibt der Planungsver- band bei seiner bisherigen Abwägung. Es liegen keine konkreten Hinweise darauf vor, dass bodengebundene Tierarten durch den Betrieb von Windenergieanlagen weiträumig vergrämt werden könnten. Die Geschäftsstelle des Planungsverbandes hat diesbezüglich nochmals Rücksprache mit der Naturschutzbehörde gehalten. Weitergehende Untersuchungen über das Verhalten der Wildtiere, wie sie von einem Bürger ausdrücklich gefordert werden, könnten erst angestellt werden, wenn Windenergieanlagen im Gebiet Nr. 130 errichtet sind. Solche Unter- suchungen wären jedoch dem Bereich der ökologischen und verhaltensbiologischen For- schung zuzurechnen. Diese ist nicht Aufgabe des Planungsverbandes. Auch bezüglich der Anforderungen zur Standortvorsorge für Windenergieanlagen-Proto- typen bleibt der Planungsverband bei seiner bisherigen Abwägung. Die von der Firma Wind- Consult durchgeführte Untersuchung geplanter Eignungsgebiete bezüglich der Standortvo- raussetzungen für eine normgerechte Vermessung von Prototypen hat für das Gebiet Nr. 130 ein vergleichsweise großes Standortpotenzial ergeben. Dieses Potenzial soll ausgenutzt wer- den. Das regionalwirtschaftliche Interesse an der Bereitstellung von Prototypenstandorten geht dem wirtschaftlichen Interesse von Windparkbetreibern, Grundstückseigentümern und Gemeinden an einer möglichst einträglichen kommerziellen Nutzung ihrer Standorte vor. Dies gilt auch in Anbetracht des geringen Umfanges neuer Vorranggebiete, die für diesen beson- deren Zweck im Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung zur Verfügung stehen werden. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausführungen in den Abschnitten 3.9 und 10 verwiesen. Zutreffend ist der Hinweis der BS Windertrag GmbH, dass der Planungsverband sich bei der Bestimmung der gebietsbezogenen Richtwerte zur Anzahl der Prototypenstandorte an der oberen Grenze der gutachterlichen Empfehlungen orientiert hat. Auch dies ist aufgrund des geringen Umfanges verfügbarer Vorranggebiete gerechtfertigt. Ein Einwender weist ausdrücklich auf die räumliche Nähe des Vorranggebietes zur Hansestadt Rostock und zu den großen Gewerbestandorten in der Gemeinde Dummerstorf hin, womit sich günstige Voraussetzungen für eine nahräumige Energieversorgung ergeben. Diese Standortvorteile sind zweifelsfrei gegeben; sie sind beim Gebiet Nr. 130 aber nicht so beson- ders ausgeprägt, dass sie sich bei der Festlegung eines Vorranggebietes unbedingt gegen Belange des Natur- und Landschaftsschutzes durchsetzen müssten. Gleichwohl geht der Pla- nungsverband davon aus, dass bei potenziellen Eignungsflächen im näheren Umland des Oberzentrums Rostock, das durch Infrastrukturen und die Siedlungserweiterungen der letzten Jahrzehnte besonders geprägt ist, im Zweifel zugunsten der Windenergienutzung abgewogen werden sollte. Dafür stehen die Belange der möglichst verbrauchernahen Stromerzeugung, der räumlichen Zusammenfassung von Emissionsquellen sowie der Schonung bisher unge- störter und unbelasteter Landschaftsräume in anderen Teilen der Region. Der Planungsver- band geht somit davon aus, dass die Festlegung des Gebietes Nr. 130 gerade im Sinne des Natur- und Umweltschutzes gut begründet ist. Bezüglich der Schutzabstände zu den Wohnorten wird auf die diesbezüglichen Ausführun- gen im Abschnitt 5.1 verwiesen. Die regelmäßig angesetzten Schutzabstände von 1.000 Me- tern zu Ortschaften und 800 Metern zu Wohnhäusern im Außenbereich sind mehr als ausrei- chend bemessen. Es handelt sich im rechtlichen Sinne nicht um Mindestabstände, sondern um Richtwerte, die unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Vorsorge festgelegt wurden. Sie können nicht beliebig erhöht werden. Die von einem Einwender bemerkte Tatsache, dass das Gebiet Nr. 130 allseitig von Wohnorten umgeben ist, stellt keine Besonderheit dar. Sie trifft auf die Mehrzahl der Windenergie-Vorranggebiete zu. Der Vorwurf eines Einwenders, dass früher vorgetragene Bedenken der Bürger in der Ab- wägung vom November 2018 leichtfertig abgetan worden seien, ist aus Sicht des Pla- nungsverbandes nicht gerechtfertigt. Der Planungsverband hatte auf Beschwerden der Bürger über eine angeblich verfehlte Gesetzgebung und Energiepolitik mit dem Hinweis reagiert, dass er für Gesetzgebung und Politik nicht zuständig ist, sodass es gar nicht in seiner Macht stünde

397 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 diese zu ändern. Der Planungsverband hat geltendes Recht im Rahmen der ihm zugewiese- nen Aufgaben umzusetzen. Den Bürgern steht es selbstverständlich frei, die öffentliche Aus- legung des RREP-Entwurfes für politische Meinungsäußerungen zu nutzen. Der Planungsver- band ist dafür jedoch eigentlich nicht der richtige Adressat. Im gleichen Zusammenhang wird der Vorwurf erhoben, dass der Planungsverband konkrete Befürchtungen der Einwender ein- fach mit Gegenbehauptungen beantwortet habe, ohne sich um eine angemessene Sachauf- klärung zu bemühen. Dieser Vorwurf dürfte sich insbesondere auf die von zahlreichen Ein- wendern geäußerten Bedenken bezüglich möglicher Gesundheitsgefahren für die Anwohner, des Wertverfalls von Immobilien sowie schädlicher Wirkungen auf die Tierwelt beziehen. Der Planungsverband kann und muss seine diesbezüglichen Einschätzungen auf den aktuellen Stand der Wissenschaft sowie auf einschlägige Richtlinien und Empfehlungen der Fachbehör- den stützen. Er muss diesbezüglich selbst keine Grundlagenforschung betreiben. Bezüglich der Berücksichtigung gemeindlicher Interessen bei der Festlegung der Wind- energie-Vorranggebiete wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Abschnitt 4.7 verwie- sen. Die Gemeinden haben sehr wohl ein Mitspracherecht, jedoch kein Vetorecht. Die Ent- scheidung wird in den demokratisch gewählten Gremien des Planungsverbandes getroffen. Die Hinweise auf bereits begonnene Planungen privater Firmen zur Errichtung von Wind- energieanlagen im Gebiet Nr. 130 werden zur Kenntnis genommen. Nach Auffassung des Planungsverbandes kommt solchen Planungen kein besonderes Gewicht in der planerischen Abwägung zu. Solange sich die RREP-Fortschreibung noch im Entwurfsstadium befindet, und keine abschließende Abwägung erfolgt ist, müssen alle Interessenten grundsätzlich damit rechnen, dass der Entwurf nochmals geändert wird. Der Hinweis des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr auf die Anbauverbote und -be- schränkungen längs der Autobahn wird zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Aus- nutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Bezüglich der straßenseitigen Erschließung des Vorranggebietes geht der Planungsverband davon aus, dass diese von den vorhandenen Straßen des nachgeordneten Netzes aus möglich ist. Der Hinweis auf die im Gebiet verlaufende Richtfunkstrecke wird zur Kenntnis genommen. Die zweckmäßige Ausnutzung des Vorranggebietes wird dadurch insgesamt nicht in Frage gestellt. Das Gebiet Nr. 130 wird nach Abwägung aller maßgebenden Belange als Vorranggebiet für Windenergieanlagen festgelegt.

398 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.17 Groß Gischow (Nr. 131)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Gr. Gischow hoch erhöht nicht be- erhöht keine nicht be- weniger (131) wertet wertet geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.17.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Schackendorf und Selow • Enercon GmbH, Rostock • BS Windertrag, Rostock

8.17.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Selow nimmt auch als Bürgermeister der Gemeinde Klein Belitz Stellung. Der Einwender begrüßt ausdrücklich, dass die ursprünglich geplanten Eignungsgebiete Nr. 120, 131 und 132 vom Planungsverband verworfen wurden und im Entwurf vom November 2018 nicht mehr enthalten sind. Der Einwender weist auf die erhebliche Veränderung hin, welche die Landschaft zwischen Satow, Bützow und Schwaan durch die hier errichteten Windparks bereits erfahren hat. Die Lärmbelastung werde von den Anwohnern als erheblich empfunden. Die „Rotlichtbeleuchtung“ suche ihresgleichen und sei nicht mehr akzeptabel. Die Zerstörung des Landschaftsbildes spotte jeder Beschreibung. Durch die Versiegelung des Bodens sei landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gegangen. Die Enercon GmbH (gleichlautend ein Bürger aus Schackendorf) spricht sich für eine Wie- deraufnahme des Gebietes Nr. 131 in den Entwurf der RREP-Fortschreibung aus. Die Ein- wenderin verweist darauf, dass dieses Gebiet aufgrund seiner Übereinstimmung mit den vom Planungsverband selbst festgelegten Kriterien in den zweiten Entwurf aufgenommen worden war. Nur die einheitliche Anwendung der Planungskriterien führe zu einer Gleichbehandlung potenzieller Eignungsflächen. Im regionsweiten Vergleich verfüge das Amt Bützow-Land über sehr gute Voraussetzungen für die Windenergienutzung, da sehr gute Windbedingungen herrschten und nur wenige Konflikte auftreten würden. Vor diesem Hintergrund sei die Strei- chung des Gebietes Nr. 131 nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei der Eindruck entstanden, dass

399 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 der Planungsverband einseitig und ohne sachlichen Grund zugunsten einiger kompromisslos auftretender Gemeinden und des Amtes Bützow-Land abgewogen habe. Die Einwenderin gibt an, dass nach eigenen Untersuchungen das Gebiet Nr. 131 als sehr windhöffig gelten könne. Der Einwenderin vorliegende Gutachten zum Arten- und Umweltschutz belegten, dass das Schutzgebiet „Beketal mit Zuflüssen“ und das Naherholungsgebiet „Grünes Rad“ durch einen Windpark im Gebiet Nr. 131 nicht beeinträchtigt würden. Die für einen Windpark erforderlichen Kompensationsmaßnahmen könnten sogar für eine Aufwertung des Schutzgebietes genutzt werden. Auch eine Unterschreitung maßgebender Schutzabstände zu den Brutplätzen ge- schützter Vogelarten gemäß der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe sei nach den vorliegenden Gutachten nicht zu befürchten. Von Vorteil sei zudem, dass für die gesamte Fläche nur ein einziger Ansprechpartner bestehe, sodass im Fall der Festlegung des Gebietes Nr. 131 als Vorranggebiet eine Windparkplanung zügig umgesetzt werden könnte. Davon könne auch die betroffene Gemeinde profitieren. Ebenfalls gegeben sei eine grund- sätzliche Eignung des Gebietes für die Errichtung von Windenergieanlagen-Prototypen. Be- züglich einer möglichen Umstellung von Ortschaften durch Windenergieanlagen hat die Ein- wenderin ebenfalls selbst eine Überprüfung vorgenommen. Auf der Grundlage des Gutachtens zur Umfassung von Ortschaften (gemeint ist vermutlich das vom Energieministerium in Auftrag gegebene Gutachten der Firma Umweltplan aus dem Jahr 2013) komme man zu dem Ergeb- nis, dass es für die Orte Jürgenshagen und Bernitt in keiner denkbaren Konstellation zu einer unverträglichen Situation kommen würde. Eine mögliche Umstellung von Ortschaften könne somit nicht als Begründung für die erfolgte Aufgabe des Gebietes Nr. 131 herhalten. Die dies- bezügliche Abwägung sei fehlerhaft, und der Planungsverband stelle sich damit in einen Wi- derspruch zu seinem eigenen Planungskonzept. Nach der einschlägigen Rechtsprechung sei der Planungsverband gehalten, die nach Anwendung eingangs festgelegter Ausschlusskrite- rien verbleibenden Potenzialflächen einzeln einer nachvollziehbaren Abwägung zu unterzie- hen, indem Gründe für und gegen eine Festlegung als Vorranggebiet einander gegenüberge- stellt werden. Dabei stelle es bereits einen Abwägungsfehler dar, wenn bei diesem Planungsschritt weitere Restriktionskriterien herangezogen und wie faktische Ausschlusskri- terien pauschal angewandt würden, sodass der Windenergienutzung nur in besonderen Ein- zelfällen Vorrang zu geben wäre. Eine solche Vorgehensweise führe dazu, dass die notwen- dige Einzelfallabwägung unterbleibe oder von vornherein unter einer Fehlgewichtung der maßgebenden Belange leide. An diesen grundsätzlichen Einwand schließt die Einwenderin eingehende Ausführungen zur vermeintlich falschen Anwendung eines Restriktionskriteriums „Umfassung von Siedlungen“ an. Diese Ausführungen werden hier nicht vollumfänglich wie- dergegeben, weil in der Region Rostock tatsächlich kein solches Restriktionskriterium mit der von der Einwenderin beschriebenen Methodik angewandt wurde – weder im Allgemeinen noch im besonderen Fall des Gebietes Nr. 131. Die entsprechenden Ausführungen sind offensicht- lich wörtlich übernommen aus einer vermutlich früher abgegebenen Stellungnahme zur lau- fenden Fortschreibung des RREP in der Nachbarregion Vorpommern, denn nach Kenntnis des Planungsverbandes wurde nur in dieser Nachbarregion ein solches Kriterium in der von der Einwenderin beschriebenen Weise angewandt. Im Grundsatz übertragbar auf die Region Rostock sind die von der Einwenderin vorgebrachten Bedenken nur insoweit wie es um eine einheitliche Abwägungsmethodik für diejenigen Fälle geht, in denen direkt benachbarte Eig- nungsflächen zusammen eine Häufungs- oder Umstellungswirkung entfalten würden, sodass für die eine und gegen die andere Fläche entschieden werden muss. Die Einwenderin vermisst hierbei eine nachvollziehbare Methodik. Die BS Windertrag GmbH kritisiert die aus ihrer Sicht willkürlich erfolgte Streichung des Ge- bietes Nr. 131 aus dem Entwurf der RREP-Fortschreibung. Eine umfassende planerische Ab- wägung habe nachweislich nicht stattgefunden. Das Gebiet Nr. 131 entspreche sowohl den Kriterien der Anlage 3 zur RREP-Richtlinie des Energieministeriums als auch dem vom Pla- nungsverband selbst daraus abgeleiteten Kriteriensystem der RREP-Fortschreibung. Die Streichung des Gebietes sei offensichtlich politisch motiviert gewesen. Die im Abschnitt 3.9 der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthaltenen Ausführungen stellten den untauglichen Versuch dar, eine Abwägung zur bereits getroffenen Entscheidung nachträglich

400 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 zu fingieren. Zur Streichung des Gebietes sei weder die Öffentlichkeit beteiligt noch ein Um- weltbericht vorgelegt worden. Nach den §§ 7 und 9 des Landesplanungsgesetzes hätte der überarbeitete Entwurf der Fortschreibung einschließlich Begründung – also ein Entwurf, in welchem das Gebiet Nr. 131 nicht mehr dargestellt und seine Streichung begründet worden wäre – und der diesbezügliche Umweltbericht der betroffenen Öffentlichkeit sowie den Behör- den und sonstigen öffentlichen Stellen mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme be- kannt gegeben werden müssen. Dies sei nicht erfolgt. Damit liege ein beachtlicher Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften des Landesplanungsgesetzes vor. Bezüglich des hier ur- sprünglich maßgebenden Ausschlusskriteriums, der Abstandszone um einen Brutplatz des Schwarzstorches, weist die Einwenderin nochmals darauf hin, dass es nicht mehr maßgebend sein könne. Der Nistplatz sei seit Jahren verlassen und inzwischen wohl auch nicht mehr nutz- bar. Diese Einschätzung werde durch Beobachtungen des örtlichen Revierförsters gestützt.

8.17.3 Zusammengefasste Abwägung Die potenziellen Eignungsgebiete Nr. 131 und 132 sind im Jahr 2014 in den zweiten Entwurf der RREP-Fortschreibung aufgenommen worden. Im ersten Entwurf waren sie nicht enthalten. Grund für den Ausschluss war ursprünglich ein nahegelegenes Brutrevier des Schwarzstor- ches. Ein Schutzabstand von 3 Kilometern um die Brutplätze dieser Vögel galt damals als Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung. Im Jahr 2014 war dann absehbar, dass das bereits langjährig verlassene Revier in näherer Zukunft nicht wieder besetzt würde. Dies gilt für alle zuletzt bekannten Brutreviere des Schwarzstorches in der Region Rostock, sodass der pauschale Schutzabstand von 3 Kilometern generell nicht mehr als Ausschlusskriterium her- angezogen wird. Bezüglich des hier maßgebenden Brutplatzes bekräftigt die BS Windertrag GmbH in ihrer Stellungnahme nochmals, dass in den letzten Jahren keine Veränderung der Situation eingetreten ist. Die beim Planungsverband vorliegenden Bestandsdaten des Landes- amtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie bestätigen dies. Die Aufnahme der Gebiete Nr. 131 und 132 in den Entwurf vom Mai 2014 hatte der Planungs- verband mit dem ausdrücklichen Hinweis aus die vergleichsweise starke Häufung potenziel- ler Eignungsgebiete zwischen Satow und Bützow verbunden. Der Planungsverband hatte sich vorbehalten, diesbezüglich eine nochmalige Bewertung im Ergebnis der öffentlichen Aus- legung des Planentwurfes vorzunehmen. Diese Bewertung führte dann zur Streichung der be- nachbarten Gebiete Nr. 131, 132 und 120 aus dem Entwurf. Zu den diesbezüglichen Erwä- gungen des Planungsverbandes und zur angewandten Bewertungsmethodik wird auch auf die Abschnitte 3.5 und 5.2 verwiesen. Ebenso wird auf die Ausführungen verwiesen, die zu dieser Frage in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 bereits enthalten waren. In den zum überarbeiteten Entwurf eingegangen Stellungnahmen wird sowohl Zustimmung als auch Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Die bislang erreichte Dichte von Windparks um Satow und Bützow wird vom Planungs- verband als noch gut verträglich und planerisch vertretbar eingeschätzt. Das Landschaftsbild ist durch die Windenergieanlagen schon stark verändert, wird aber nicht gänzlich von diesen Anlagen dominiert. Zu der von der Enercon GmbH aufgeworfenen Frage, ob die lokale Häufung von Eignungs- gebieten im Raum zwischen Satow und Bützow überhaupt ein Problem sei und als sol- ches in die planerische Abwägung einbezogen werden dürfe, wird auch auf den Abschnitt 5.2 sowie auf die in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 bereits enthaltenen Ausführungen verwiesen. Der Planungsverband geht davon aus, dass das von zahlreichen Einwendern als „Industrialisierung“ der Landschaft beschriebene Phänomen der technischen Überformung durch Windenergieanlagen unbestreitbar gegeben ist. Als gut begründet kann auch die Annahme gelten, dass eine von solchen technischen Anlagen weitgehend dominierte Landschaft nicht der vorherrschenden Idealvorstellung einer naturnahen Urlaubs- und Erho- lungslandschaft entspricht. Dem Planungsverband erscheint es sehr wohl gerechtfertigt, dass in einer Tourismusregion wie der Region Rostock dieser Problematik eine gewisse Beachtung

401 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 geschenkt wird. Die Feststellung der betreffenden Einwender, dass der Raum zwischen Satow und Bützow sich im Ergebnis der nach einheitlichen Kriterien durchgeführten Potenzialflä- chenermittlung als besonders gut geeigneter Teilraum erwiesen habe und eine vergleichs- weise hohe Dichte von Windparks in diesem Teilraum dann die logische Folge sei, trifft im Grundsatz zu. Dies kann jedoch nicht bedeuten, dass hier Zusammenballungen beliebigen Ausmaßes zugelassen werden müssten. Die Planung darf sich nicht in einer rein mechani- schen Anwendung von vorab festgelegten Ausschlusskriterien erschöpfen. Die Einwender ge- stehen dem Planungsverband in ihren weiteren Ausführungen dann auch durchaus zu, dass diesbezüglich nach der ersten Flächenauswahl nochmals eine Einzelfallbetrachtung erfolgen darf. Bezüglich der Maßgaben, nach denen die ortsbezogene Betrachtung und Abwägung der Häufungsproblematik zu erfolgen habe, wird in den Stellungnahmen der Enercon GmbH und der BS Windertrag GmbH Kritik an der Vorgehensweise des Planungsverbandes geäu- ßert. Beide Einwenderinnen sprechen dem Planungsverband ab, sich inhaltlich mit der Prob- lematik hinreichend auseinandergesetzt zu haben. Es seien nachträglich scheinbare Sach- gründe für eine eigentlich politisch motivierte Entscheidung angeführt worden. Dieser Vorwurf würde zutreffen, wenn der Planungsverband seine Entscheidung an der bloßen Anzahl der eingegangenen Ablehnungsbekundungen festgemacht hätte, diese also – im Sinne einer Volksabstimmung oder Meinungsumfrage – ausgezählt und nicht ausgewertet hätte. Der Vor- wurf würde auch dann zutreffen, wenn der Planungsverband den Willensbekundungen der betroffenen Gemeinden im Raum Satow/Bützow einfach gefolgt wäre, ohne sich inhaltlich mit ihren Einwänden auseinanderzusetzen. Beides ist nicht der Fall. Der Planungsverband musste vielmehr feststellen dass die vielen Einwände, die zum Entwurf vom Mai 2014 aus diesem Teil der Region eingegangen sind, zumindest insoweit nicht von der Hand zu weisen waren, wie es um die hier bereits entstandene Häufung von Windparks ging. Es bestand hier tatsächlich die Gefahr, dass mit einer weiteren Verdichtung der Windenergienutzung der bisher vorherr- schende Eindruck einer Agrarlandschaft mit einzelnen Windparks „umkippen“ und das Bild einer von technischen Anlagen dominierten Energie- und Industrielandschaft entstehen würde. Diese Gefahr wurde mit der Errichtung der großen Windparks bei Hohen Luckow und Kurzen Trechow in den Jahren 2013 und 2014 unmittelbar anschaulich. Die Beteiligung der Öffent- lichkeit und der Gemeinden an der Fortschreibung des RREP hat gerade den Zweck, dass berechtigte Einwände und Hinweise aufgegriffen werden sollen und dass die Planung insoweit korrigiert und verbessert werden kann. Nichts anderes ist hier erfolgt. Die Enercon GmbH wirft dem Planungsverband weiterhin vor, dass er die Abwägung der Häufungsproblematik an messbaren Parametern und quantitativ bestimmten Richtwer- ten festgemacht hat. Dies komme der Anwendung pauschaler Ausschlusskriterien gleich, wie sie beim ersten Schritt der Flächenauswahl erfolgt ist. Mit einer Einzelfallabwägung (wie sie im zweiten Schritt der Flächenauswahl zu erfolgen habe) sei dies nicht vereinbar. Die betref- fenden Belange würden damit der planerischen Abwägung entzogen. Der Planungsverband kann dieser Argumentation nicht folgen. Die gesamte Flächenauswahl der Vorranggebiete für Windenergieanlagen ist das Ergebnis einer planerischen Abwägung. Die Auswahl erfolgt tat- sächlich schrittweise, indem zunächst die nicht nutzbaren Flächen ausgesondert werden, da- nach die Vorauswahl potenzieller Eignungsflächen anhand planerischer Ausschlusskriterien weiter eingeschränkt wird, und danach wiederum die verbliebene Auswahl auf ihre tatsächliche Eignung hin näher betrachtet wird. Dahingehende Vorschriften, dass dieser letzte Auswahl- schritt sich streng auf eine verbal-argumentative Betrachtung beschränken müsse und jegli- cher Rückgriff auf pauschale und quantitativ bestimmte Bewertungskriterien unterbleiben müsste, sind dem Planungsverband nicht bekannt. Die RREP-Richtlinie des Energieministeri- ums sieht ausdrücklich vor, dass auch bei der Bewertung einzelner Potenzialflächen pau- schale Kriterien herangezogen werden, und enthält zu diesem Zweck eine ganze Liste emp- fohlener Restriktionskriterien. In ähnlicher Weise werden die vom Planungsverband gebildeten Kriterien zur Bewertung lokaler Häufungen herangezogen. Sie stellen ein Hilfsmittel der Be- wertung dar und sollen hauptsächlich sicherstellen, dass gleiche Sachverhalte im gesamten Planungsraum gleich beurteilt werden. Kritikwürdig wäre die Anwendung solcher Kriterien nur

402 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 dann, wenn sie in reinen Schematismus ausarten würde und wichtige Besonderheiten der be- treffenden Einzelfälle in gröblicher Vereinfachung übergangen würden. Der Planungsverband hat bereits in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt, dass eine derart schematische Anwendung nicht erfolgt, und hat seine Erwägungen zur Häufungsproblematik im Raum Satow-Bützow auch in verbal-argumentativer Weise umfänglich dargelegt. Andere Belange, die in einem so besonderen Maße für die Festlegung des Gebietes Nr. 131 oder der benachbarten Gebiete als Vorranggebiete sprechen würden, dass die Belange des Land- schaftsschutzes (um den es bei der Bewertung der Häufungsproblematik letztlich geht) dahin- ter zurückstehen müssten, sind für den Planungsverband nicht ersichtlich geworden. Auch von den Einwendern werden solche Belange nicht vorgebracht. Zutreffend ist die Feststellung der Enercon GmbH, dass eine allein am Tatbestand der Um- stellung von Ortschaften durch Windenergieanlagen festgemachte Beurteilung nicht zum Ausschluss des Gebietes Nr. 131 geführt hätte. Dies gilt unabhängig davon, ob man sich am von den Einwendern herangezogenen Fachgutachten und den darin empfohlenen Richtwerten orientiert oder an den vom Planungsverband selbst angesetzten Werten. Die Umstellungs- problematik kann jedoch nicht das einzige Kriterium sein, wenn es um die Beurteilung uner- wünschter Häufungen von Windparks geht. Ebenso maßgebend ist der Gesamtumfang be- nachbarter Eignungsflächen, die in einem engen räumlichen Zusammenhang stehen und hinsichtlich kumulierender Wirkungen der Windparks auf das Landschaftsbild betrachtet wer- den müssen. Der Planungsverband hat seine diesbezüglichen Erwägungen schon in der Ab- wägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt und hält im Ergebnis der nochmaligen Überprüfung daran fest. Mit den Gebieten Nr. 28, 33/45, 37/51, 100/101, 104, 114, 118, 119, 120, 131 und 132 wäre ein in der Region Rostock bisher beispielloser Windpark-Ballungsraum mit Vorrangflächen im Gesamtumfang von rund 1.000 Hektar entstanden, der diesen Teil der Region in seinem Erscheinungsbild sehr weitgehend verändert hätte. Dies ist planerisch nicht gewollt. Die BS Windertrag GmbH erhebt darüber hinaus den Vorwurf, dass der Planungsverband es unterlassen hätte, die Streichung des Gebietes Nr. 131 aus dem Entwurf der RREP- Fortschreibung zum Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung zu machen, sodass nie- mand Gelegenheit gehabt hätte, sich mit den maßgebenden Gründen auseinanderzusetzen. Der Planungsverband stellt hierzu fest, dass das Gebiet Nr. 131 in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 als verworfenes Gebiet ausdrücklich aufgeführt und abgehandelt wurde. Die Erwägungen zur Häufungsproblematik, die zur Streichung dieses Gebietes geführt haben, sind in den Unterlagen umfänglich dargelegt worden. Die Unterlagen haben im Februar und März 2019 für zwei Monate öffentlich ausgelegen. Die Einwenderin hat selbst die Gelegenheit genutzt, zum Entwurf Stellung zu nehmen. Der erhobene Vorwurf ist vor diesem Hintergrund unverständlich. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 131 als Vorranggebiet abgesehen.

403 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.18 Reinstorf (Nr. 132)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Reinstorf hoch gering nicht be- erhöht keine nicht be- weniger (132) wertet wertet geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.18.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Selow • Kloss New Energy GmbH, Rerik • ENO Energy GmbH, Rerik

8.18.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Selow nimmt auch als Bürgermeister der Gemeinde Klein Belitz Stellung. Der Einwender begrüßt ausdrücklich, dass die ursprünglich geplanten Eignungsgebiete Nr. 120, 131 und 132 vom Planungsverband verworfen wurden und im Entwurf vom November 2018 nicht mehr enthalten sind. Der Einwender weist auf die erhebliche Veränderung hin, welche die Landschaft zwischen Satow, Bützow und Schwaan durch die hier errichteten Windparks bereits erfahren hat. Die Lärmbelastung werde von den Anwohnern als erheblich empfunden. Die „Rotlichtbeleuchtung“ suche ihresgleichen und sei nicht mehr akzeptabel. Die Zerstörung des Landschaftsbildes spotte jeder Beschreibung. Durch die Versiegelung des Bodens sei landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gegangen. Die Kloss New Energy GmbH regt an, das im Entwurf vom Mai 2014 enthaltene Gebiet Nr. 132 nochmals als Vorranggebiet in Betracht zu ziehen. Die Einwenderin hat die betreffende Fläche selbst anhand der vom Planungsverband angesetzten Ausschluss- und Restriktions- kriterien überprüft und legt diese Prüfung detailliert dar. Sie geht dann besonders auf die vom Planungsverband vorgenommene Bewertung der Häufungsproblematik ein, welche letztlich zum Ausschluss der Fläche geführt hatte. Die Einwenderin setzt der Bewertung des Planungs- verbandes eine eigene Bewertung entgegen. Diese stützt sich maßgeblich auf das Gutachten Umfassung von Ortschaften durch Windenergieanlagen, das im Jahr 2013 im Auftrag des

404 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Energieministeriums erstellt wurde. Mit Bezug auf die umliegenden Wohnorte hat die Einwen- derin den Umfang einer möglichen Umstellung durch Windenergieanlagen ermittelt und legt dies mit Kartendarstellungen und exakt ermittelten Gradangaben dar. Die Einwenderin hat die diesbezüglich von den Gutachtern empfohlenen Richtwerte herangezogen und kommt zu dem Ergebnis, dass das Gebiet Nr. 132 gemäß dem Entwurf vom Mai 2014 mit geringfügigen An- passungen als Vorranggebiet festgelegt werden könnte. Die Einwenderin bittet den Planungs- verband die Umstellungsproblematik in der Abwägung nochmals aufzugreifen und die entspre- chenden Kriterien einheitlich auf alle Vorranggebiete für Windenergieanlagen anzuwenden. Auch die ENO Energy GmbH hält bezüglich des Gebietes Nr. 132 eine nochmalige Überprü- fung der planerischen Abwägung für erforderlich. Der Planungsverband habe die Gebiete 120, 131 und 132 gesamtheitlich betrachtet und die Situation mit und ohne Festlegung dieser drei Gebiete verglichen. Eine vergleichende Betrachtung verschiedener Varianten unter Beibehal- tung bzw. Streichung von jeweils einzelnen der drei Gebiete sei jedoch unterblieben. Die vom Planungsverband postulierte Zielsetzung, ein optisches „Zusammenwachsen“ der Windpark- felder um Satow und Bützow zu verhindern, könnte nach Ansicht der Einwenderin auch er- reicht werden, indem nur die Gebiete Nr. 120 und 131 verworfen würden und das Gebiet Nr. 132 beibehalten würde. Mit dieser Konstellation würde lediglich eine maßvolle Verdichtung entstehen. Aufgrund der zentralen Lage des Gebietes Nr. 132 zwischen den bestehenden Windparks würde aus keiner Blickrichtung eine bereits bestehende Riegelwirkung verstärkt.

8.18.3 Zusammengefasste Abwägung Die potenziellen Eignungsgebiete Nr. 131 und 132 sind im Jahr 2014 in den zweiten Entwurf der RREP-Fortschreibung aufgenommen worden. Im ersten Entwurf waren diese Gebiete noch nicht enthalten. Grund für den Ausschluss war ursprünglich ein nahegelegenes Brutre- vier des Schwarzstorches. Ein Schutzabstand von 3 Kilometern um die Brutplätze dieser Vögel galt damals als Ausschlusskriterium für die Windenergienutzung. Im Jahr 2014 war dann absehbar, dass das bereits langjährig verlassene Revier in näherer Zukunft nicht wieder be- setzt würde. Dies gilt für alle zuletzt bekannten Brutreviere des Schwarzstorches in der Region Rostock, sodass der pauschale Schutzabstand von 3 Kilometern generell nicht mehr als Aus- schlusskriterium herangezogen wird. Die Aufnahme der Gebiete Nr. 131 und 132 in den Entwurf vom Mai 2014 hatte der Planungs- verband mit dem ausdrücklichen Hinweis aus die vergleichsweise starke Häufung potenziel- ler Eignungsgebiete zwischen Satow und Bützow verbunden. Der Planungsverband hatte sich vorbehalten, diesbezüglich eine nochmalige Bewertung im Ergebnis der öffentlichen Aus- legung des Planentwurfes vorzunehmen. Diese Bewertung führte dann zur Streichung der be- nachbarten Gebiete Nr. 131, 132 und 120 aus dem Entwurf. Zu den diesbezüglichen Erwä- gungen des Planungsverbandes und zur angewandten Bewertungsmethodik wird auch auf die Abschnitte 3.5 und 5.2 verwiesen. Ebenso wird auf die Ausführungen verwiesen, die zu dieser Frage in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 bereits enthalten waren. Die bislang erreichte Dichte von Windparks um Satow und Bützow wird vom Planungs- verband als noch gut verträglich und planerisch vertretbar eingeschätzt. Das Landschaftsbild ist durch die Windenergieanlagen schon stark verändert, wird aber nicht gänzlich von diesen Anlagen dominiert. Zutreffend ist die Feststellung der Kloss New Energy GmbH, dass eine allein am Tatbestand der Umstellung von Ortschaften durch Windenergieanlagen festgemachte Beurteilung nicht zum Ausschluss des Gebietes Nr. 132 geführt hätte. Dies gilt unabhängig davon, ob man sich am von der Einwenderin herangezogenen Fachgutachten und den darin empfohlenen Richtwerten orientiert oder an den vom Planungsverband selbst angesetzten Werten. Die Um- stellungsproblematik kann jedoch nicht das einzige Kriterium sein, wenn es um die Beurteilung unerwünschter Häufungen von Windparks geht. Ebenso maßgebend ist der Gesamtumfang benachbarter Eignungsflächen, die in einem engen räumlichen Zusammenhang stehen und

405 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 hinsichtlich kumulierender Wirkungen der Windparks auf das Landschaftsbild betrachtet wer- den müssen. Der Planungsverband hat seine diesbezüglichen Erwägungen schon in der Ab- wägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt und hält im Ergebnis der nochmaligen Überprüfung daran fest. Mit den Gebieten Nr. 28, 33/45, 37/51, 100/101, 104, 114, 118, 119, 120, 131 und 132 wäre ein in der Region Rostock bisher beispielloser Windpark-Ballungsraum mit Vorrangflächen im Gesamtumfang von rund 1.000 Hektar entstanden, der diesen Teil der Region in seinem Erscheinungsbild sehr weitgehend verändert hätte. Dies ist planerisch nicht gewollt. Mit der Streichung der Gebiete Nr. 131, 132 und 120 aus dem Entwurf der RREP-Fortschrei- bung wird sichergestellt, dass die vorhandenen Häufungen von Windparks südlich von Satow und nördlich von Bützow nicht in der optischen Wahrnehmung zu einem einzigen großen Anlagenfeld zusammenwachsen. Der Argumentation der ENO Energy GmbH, wo- nach diese Zielsetzung auch mit der Aufgabe einzelner der drei genannten Gebiete erreicht werden könnte, sodass insofern die Vor- und Nachteile entsprechender Kompromissvarianten nochmals gegeneinander abgewogen werden sollten, wird nicht gefolgt. Es trifft auf alle drei Gebiete zu, dass sie in einem Abstand von zwei bis vier Kilometern ungefähr mittig zwischen den nördlich und südlich bereits entstandenen Windparks liegen und den dort noch vorhande- nen Freiraum ausfüllen würden. Dass verschiedene Windparkkonstellationen aus verschiede- nen Blickrichtungen unterschiedlich wahrgenommen würden, wie es die Einwenderin ausführt, trifft sicherlich zu, ändert aber nichts an der Tatsache, dass alle drei Gebiete – und das Gebiet Nr. 132 aufgrund seiner zentralen Lage in besonderem Maße – die bisher noch deutlich ge- trennten Windparkfelder in der optischen Wahrnehmung zusammenführen würden. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 132 als Vorranggebiet abgesehen.

406 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.19 Dehmen (Nr. 133)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Dehmen erhöht gering hoch erhöht Autobahn bedingt weniger (130) gegeben geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.19.1 Eingegangene Stellungnahmen • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • BS Windertrag GmbH, Berlin • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock • Stadt Güstrow

8.19.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach das Gebiet Nr. 133 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooks- berg liegt. Die Einwenderin hatte empfohlen, innerhalb dieses Bereiches aufgrund der zu er- wartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Windenergieanlagen keine Eig- nungs- und Vorranggebiete festzulegen. Die BS Windertrag GmbH hält eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 133 in die RREP- Fortschreibung für notwendig. Der Planungsverband habe dieses Gebiet nicht aufgrund fach- licher, sondern offensichtlich aufgrund politischer Erwägungen verworfen, sodass eine fehler- hafte Abwägung vorliege. Dieser Fehler müsse korrigiert werden, um die RREP-Fortschrei- bung rechtskonform abschließen zu können. Die Einwenderin bezieht sich auf eine vorläufige Entwurfsfassung der RREP-Fortschreibung vom Herbst 2018, die nach ihrer Kenntnis das fragliche Gebiet noch enthalten habe und erst kurz vor dem Auslegungsbeschluss der Ver- bandsversammlung im November nochmals geändert worden sei. Die nach diesem Beschluss der Öffentlichkeit vorgelegte Abwägungsdokumentation begründe die Streichung des Gebie- tes Nr. 133 mit Belangen des Greifvogelschutzes. Die diesbezüglich vorgenommene Konflikt- bewertung beruhe jedoch auf fehlerhaften methodischen Ansätzen, sodass auch die auf dieser

407 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Grundlage vorgenommene Abwägung falsch sei (vgl. die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Diese Bewertung habe offenkundig vor allem ein poli- tisch gewolltes Ergebnis stützen sollen. Zu den methodischen Problemen der artenschutzfach- lichen Bewertung legt die Einwenderin eine gutachterliche Stellungnahme des Instituts für an- gewandte Ökosystemforschung aus Broderstorf vor (vgl. auch hierzu die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen allgemeinen Ausführungen). Diese enthält eine Gegenüberstellung der vom Ingenieurbüro Günther im Jahr 2016 erfassten Brutvogeldaten mit den Ergebnissen weiterer Erhebungen, die in privatem Auftrag während der letzten Jahre beim Gebiet Nr. 133 durchge- führt wurden. Aus der Gegenüberstellung werde insbesondere die Wechselhaftigkeit einiger maßgebender Arten bei der Brutplatzwahl deutlich, die eine Prüfung der Artenschutzbelange auf der Ebene der Raumordnung praktisch unmöglich mache. Dies treffe insbesondere auf Rot- und Schwarzmilan sowie den Mäusebussard zu. Die im Umweltbericht vom November 2018 enthaltene Darlegung mutmaßlicher Raumansprüche des Seeadlers beim Gebiet Nr. 133 erscheint dem Gutachter zu schematisch. Zum Hofsee Gremmelin müssten die Tiere die Au- tobahn 19 überqueren und dann unmittelbar am Ortsrand auf Beute ansitzen. Es könne ver- mutet werden, dass andere Gewässer in größerer Entfernung eine höhere Bedeutung als Nah- rungsreviere für die örtlichen Seeadler hätten. Wo tatsächlich die wichtigen Flugkorridore verliefen, sei im Rahmen einer Einzelfallprüfung aufzuklären. Die Einwenderin selbst bekräftigt und ergänzt die kritischen Hinweise des Gutachters. Der Planungsverband habe die von ihm konstruierten Bewertungskriterien der Greifvogeldichte und der Habitatausstattung wie strikte Ausschlusskriterien angewandt und damit der Abwägung mit anderen Belangen entzogen. Eine planerische Abwägung im eigentlichen Sinne habe somit gar nicht stattgefunden, womit die gesamte Planung an einem systematischen Fehler leide. Argumente, die für die Windener- gienutzung im Gebiet Nr. 133 sprechen würden, wie insbesondere die gegebene Vorbelastung durch die Autobahn 19 und der insgesamt sehr geringe Umfang potenzieller Eignungsflächen in der Region Rostock, seien vom Planungsverband überhaupt nicht gewürdigt worden. Be- züglich des Seeadlers vermutet die Einwenderin, dass der Tiefe See südöstlich von Dehmen aufgrund seiner Größe und der störungsfreien Anflugmöglichkeit das Hauptnahrungsrevier bilde. Um dorthin zu gelangen, müssten die Tiere das Gebiet Nr. 133 nicht überfliegen. Be- züglich der Lebensraumansprüche des Rotmilans glaubt die Einwenderin erhebliche Wider- sprüche in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 zu erkennen. Seine zu den Vorkom- men dieser Art gewonnenen Erkenntnisse habe der Planungsverband dahingehend zusammengefasst, dass die Art in der Region Rostock offensichtlich flächendeckend vor- komme. Teilregionale Unterschiede seien im Ergebnis der 2016 durchgeführten Erhebung nicht auffällig geworden. In den weiteren Ausführungen werde jedoch behauptet, dass mit der vorgenommenen Streichung einiger ursprünglich geplanter Eignungsgebiete im Süden und Osten der Region das Konfliktpotenzial bezüglich der Lebensraumansprüche des Rotmilans erheblich gemindert würde. Tatsächlich weise das Gebiet Nr. 133 jedoch keine Überschnei- dungen mit den gemäß der AAB-WEA anzusetzenden 1.000-Meter-Abstandszonen um die Brutplätze des Rotmilans auf. Die vom Planungsverband nicht verworfenen, in den letzten Entwurf als Vorranggebiete übernommenen Gebiete seien dagegen insgesamt zu einem Fünf- tel ihrer Fläche von diesen Abstandszonen überdeckt. Die Einwenderin sieht dies als Beleg für die Beliebigkeit an, mit der vom Planungsverband vorgebliche Belange des Artenschutzes herangezogen worden seien, um ein politisch gewolltes Planungsergebnis zu begründen. Diese Begründung sei dem Planungsverband offensichtlich missglückt. Bezüglich des früher vorhandenen Schwarzstorchbrutplatzes in der Nähe des Gebietes Nr. 133 sei der Einwenderin von einem Experten bestätigt worden, dass der aufgegebene Nistplatz seit 2009 nicht mehr besetzt war. Der nachwirkende Schutz der Brutstätte würde somit im Jahr 2019 erlöschen. Für dieses Brutrevier gelte dann keine Abstandszone mehr, die von Windenergieanlagen freige- halten werden müsste, sodass das Gebiet Nr. 133 nach Osten über die Autobahn erweitert werden könnte. Die Einwenderin macht dazu einen Abgrenzungsvorschlag, nachdem das po- tenzielle Eignungsgebiet um 40 Hektar erweitert werden könnte. Für den Fall einer Festlegung als Vorranggebiet regt die Einwenderin an, auf eine Ausweisung als Prototypenstandort zu verzichten, da im Gebiet bereits Auflagen aufgrund der Lage im Wirkungsbereich militärischer Flugsicherungseinrichtungen zu besorgen seien.

408 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Auch das Regionalbüro Rostock des BUND M-V spricht sich für eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 133 in die RREP-Fortschreibung aus. Die Auswahl der Vorranggebiete im Ent- wurf vom November 2018 sei methodisch nicht konsistent und werde hinsichtlich des gesam- ten Flächenumfangs den energiepolitischen Zielen des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht gerecht (vgl. hierzu auch die in den Abschnitten 4.2, 4.3 und 5.7 wiedergegebenen Aus- führungen desselben Einwenders). Das Gebiet Nr. 133 sei neben anderen Gebieten wieder in die RREP-Fortschreibung aufzunehmen und als Vorranggebiet festzulegen. Der Planungsver- band hatte diesem Gebiet in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 ein hohes Konfliktpotenzial bezüglich der Belange des Vogelschutzes zuerkannt. Nach Einschätzung des Einwenders wäre das Konfliktpotenzial jedoch nur als „erhöht“ einzustufen und könnte somit den Ausschluss nicht begründen. Die Lebensräume des Schreiadlers würden durch das Gebiet nicht berührt. Für die örtlich vorkommenden Seeadler habe der Planungsverband selbst festgestellt, dass die potenziellen Flugkorridore nicht erheblich beeinträchtigt würden. Auch Gewässer seien in einem Umkreis von 6 Kilometern nicht vorhanden. Aufgrund der un- mittelbaren Nähe zum benachbarten Vorranggebiet Nr. 106 bestehe ein Konfliktpotenzial be- züglich der lokalen Häufung von Windparks. Angesichts der Lage beider Gebiete direkt an der Autobahn sei dieses Konfliktpotenzial jedoch zu relativieren, da sich die von der Autobahn und die von den Windenergieanlagen ausgehenden Umweltbelastungen überlagern würden. Die Stadt Güstrow hatte sich in den vergangen Jahren ablehnend zur Festlegung des Gebie- tes Nr. 133 sowie weiterer Eignungsgebiete in ihrer Umgebung geäußert. Die Stadt nehme zur Kenntnis, dass ihre Belange mit dem Entwurf vom November 2018 berücksichtigt und die be- treffenden Gebiete verworfen wurden.

8.19.3 Zusammengefasste Abwägung Das Gebiet Nr. 133 liegt in der Nähe eines ehemaligen Schwarzstorch-Brutrevieres, das, wie von der BS Windertrag zutreffend ausgeführt wird, seit rund 10 Jahren nicht mehr besetzt ist und – wie die anderen zuletzt genutzten Reviere dieser Art in der Region Rostock – als erloschen gelten muss. Das potenzielle Eignungsgebiet liegt am Rande der 3-Kilometer-Ab- standszone, die um die Brutplätze des Schwarzstorches regelmäßig eingehalten werden soll. Im Jahr 2013 waren die Belange des Storchenschutzes noch der wesentliche Grund dafür, dass das Gebiet Nr. 133 zunächst nicht in den Entwurf der RREP-Fortschreibung aufgenom- men wurde. Neben den mutmaßlichen Aktionsräumen des Schwarzstorches war auch der vor- handene Weißstorchbrutplatz bei Dehmen maßgebend. Bei der Überarbeitung des Entwurfes im Jahr 2014 wurden diese Vorbehalte dann zurückgestellt, auch weil absehbar war, dass das ursprünglich hier beheimatete Schwarzstorchbrutpaar nicht zurückkehren würde. Aufgrund des nachwirkenden Schutzes der Brutstätte und deren nach wie vor gegebener guter Habi- tateigenschaften wurde das potenzielle Eignungsgebiet jedoch auf den Bereich westlich der Autobahn beschränkt. Die abschließende Überarbeitung des Entwurfes wurde dann im Jahr 2015 ausgesetzt, weil bezüglich der Belange des Vogelschutzes massive Kritik von den Na- turschutzbehörden und -verbänden vorgetragen worden war und der erreichte Stand der Sach- aufklärung zu dieser Problematik noch keine abschließende Abwägung erlaubte. Das Gebiet Nr. 133 gehörte zu den potenziellen Eignungsgebieten, die von den meisten Ver- tretern des Naturschutzes abgelehnt wurden, wofür neben den Raumansprüchen der Schwarz- und Weißstörche auch die allgemein gute Habitatausstattung der näheren Umge- bung für Groß- und Greifvögel ausschlaggebend war. Um bezüglich der Belange des Vogel- schutzes eine einheitliche Beurteilungsgrundlage zu erhalten, wurde im Jahr 2016 eine Erhe- bung der Großvogelbrutplätze in der Umgebung der potenziellen Eignungsgebiete durchgeführt. In diese Erhebung wurde auch das Gebiet Nr. 133 einbezogen. Die Auswertung dieser Erhebung führte dann dazu, dass das Gebiet in den letzten Entwurf vom November 2018 nicht wieder aufgenommen wurde. Zur Bewertung der Vogelschutzbelange wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Umweltbericht verwiesen.

409 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Von der BS Windertrag GmbH wird der Vorwurf erhoben, es sei eine politisch motivierte Entscheidung getroffen worden, welcher die Bewertung der Vogelschutzbelange lediglich den Anschein einer fachlichen Begründung habe geben sollen. Dies trifft nicht zu. Nachdem im Dezember 2016 die Ergebnisse der Großvogelerhebung vorlagen, hat die Geschäftsstelle des Planungsverbandes diese mit der Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock und dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie erörtert und daraufhin das Konfliktpotenzial der untersuchten Eignungsgebiete im Hinblick auf die Belange des Vogelschutzes bewertet. Dem Gebiet Nr. 133 wurde dabei aufgrund der reichen Habitatausstattung des näheren Um- feldes und der erhöhten Dichte von Greifvogelbrutplätzen ein vergleichsweise hohes Konflikt- potenzial zuerkannt. Diese Bewertung ist wiederum mit den einbezogenen Vertretern der Na- turschutzbehörden abgestimmt worden. Erst auf der Grundlage der abgestimmten Bewertung erfolgte dann die weitere Erörterung in den Gremien des Planungsverbandes. Zutreffend ist die Feststellung der Einwenderin, dass in den Verbandsgremien noch bis zum November 2018 kontrovers darüber diskutiert wurde, welches Gewicht die Belange des vorsorgenden Arten- schutzes in der planerischen Abwägung erhalten sollten. Einige Verbandsvertreter stellten da- bei die Erfordernisse der Energiewende und des Klimaschutzes in den Vordergrund und sahen das Bemühen um größtmögliche Risikovermeidung beim Vogelschutz als zu weitgehend an. Andere plädierten eher im Sinne des traditionellen Natur- und Landschaftsschutzes für einen möglichst maßvollen Ausbau der Windenergienutzung. Dies sind Diskussionen, wie sie typi- scherweise im Rahmen einer planerischen Abwägung geführt werden. Einen Gegensatz von fachlichen Argumenten auf der einen und rein politischen Beweggründen auf der anderen Seite, wie ihn die Einwenderin bemerkt haben will, vermag der Planungsverband nicht zu er- kennen. Zur methodischen Kritik der BS Windertrag GmbH an der vom Planungsverband vorgenom- menen artenschutzfachlichen Konfliktbewertung wird auf die diesbezüglichen Ausführun- gen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Der Planungsverband vertritt die Auffassung, dass eine starre Orientierung an pauschalen, auf den einzelnen Brutplatz bezogenen Abstandsrichtwerten nicht sinnvoll ist, soweit es um Arten mit hoher Variabilität der Raumnutzung geht. Den Aus- führungen der Einwenderin ist zu entnehmen, dass sie diese Auffassung teilt. Die Einwenderin zieht daraus den Schluss, dass eine Befassung mit solchen Arten auf der Ebene der Regio- nalplanung gänzlich unterbleiben sollte. Der Planungsverband folgt dem nicht, weil sich me- thodische Probleme nicht dadurch auflösen, dass man die Befassung mit diesen Problemen auf eine andere Verfahrensebene (in diesem Fall das immissionsschutzrechtliche Genehmi- gungsverfahren) verlagert. Dass die Einwenderin mittlerweile auf mehrjährige Untersuchungs- reihen zum örtlichen Vogelbrutgeschehen zurückgreifen kann, ist der extremen Verzögerung des RREP-Fortschreibungsverfahrens geschuldet, die dazu geführt hat, dass Windparkpla- nungen auf den potenziellen Eignungsflächen jahrelang in Wartestellung verharren. Die Durchführung langjähriger Voruntersuchungen kann jedoch nicht die Regel sein, wenn es da- rum geht, die Eignung eines Standortes für die Windenergienutzung einzuschätzen. Dass das Gebiet Nr. 133 nach den Maßstäben der AAB-WEA gänzlich frei von Restriktionen des Arten- schutzes wäre, trifft nicht zu. Bei schematischer Anwendung der einschlägigen Abstandsricht- werte ergab sich für die Brutsaison 2016 eine Überlagerung mit Ausschlussbereichen auf drei Vierteln der potenziellen Eignungsfläche. Maßgebend waren Brutplätze des Weißstorches und des Rotmilans. Der Planungsverband hat dieser Tatsache bezüglich der Betroffenheit des Rot- milans jedoch – wie im Umweltbericht ausführlich begründet – nur eine begrenzte Indizwirkung beigemessen und seine Konfliktbewertung vorrangig auf die Merkmale Greifvogeldichte und Habitatausstattung gestützt. Bezüglich des Rotmilans weist die BS Windertrag GmbH auf einen vermeintlichen Wieder- spruch in den Darlegungen des Planungsverbandes hin. Im Umweltbericht vom November 2018 ist ausgeführt worden, dass der Ausschluss bestimmter potenzieller Eignungsgebiete im Ergebnis der artenschutzfachlichen Konfliktbewertung auch dem Schutz des Rotmilans dient. Der Rotmilan sei jedoch – wie es der Planungsverband selbst festgestellt habe – in der Region flächendeckend verbreitet und weise keine Verbreitungsschwerpunkte auf. Dies ist nicht ganz

410 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 richtig, weil eine größer angelegte Erhebung der Rotmilanvorkommen, die von der Ornitholo- gischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2011 und 2012 durch- geführt wurde, sehr wohl auf solche Verbreitungsschwerpunkte hindeutet. In den Untersu- chungsgebieten, die im Jahr 2016 Gegenstand der zur RREP-Fortschreibung durchgeführten Greifvogelerhebung waren, sind solche Schwerpunkte allerdings nicht zu erkennen. Da sowohl die Anzahl der ermittelten Brutvorkommen als auch die Ausstattung der Untersuchungsgebiete mit Grünland als bevorzugtem Nahrungshabitat der Rotmilane in die Konfliktbewertung einge- flossen sind, dient die im Ergebnis vorgenommene Flächenauswahl auch dem Schutz des Rotmilans. Die von der BS Windertrag angestellten Überlegungen bezüglich der mutmaßlichen Lebens- raumansprüche der örtlichen Seeadler werden zur Kenntnis genommen. Der Planungsver- band hatte entsprechende Erwägungen bereits angestellt und sich dabei maßgeblich auf das Prüfschema der AAB-WEA gestützt. Die Annahme der Einwenderin, dass der Gremmeliner Hofsee nicht unbedingt das Hauptnahrungsrevier dieser Vögel darstellt, erscheint plausibel. Ob allerdings für den Seeadler die Autobahn eine wesentliche Hemmschwelle bildet, wie es die Einwenderin unterstellt, erscheint dem Planungsverband fraglich. Letztlich können diese Erwägungen jedoch dahingestellt bleiben, weil, wie bereits in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 ausgeführt, die mutmaßlichen Flugkorridore der Seeadler nicht ausschlagge- bend waren für die Streichung des Gebietes Nr. 133 aus dem Entwurf der RREP-Fortschrei- bung. Auch die von der BS Windertrag angeregte Erweiterung des Gebietes Nr. 133 nach Osten über die Autobahn hat der Planungsverband bereits selbst erwogen, da das ehemalige Schwarzstorchrevier im Fall einer Festlegung des Gebietes Nr. 133 als Vorranggebiet keinen Einfluss auf dessen Abgrenzung mehr haben sollte. Dies ändert aber nichts daran, dass im Ergebnis der Gesamtbewertung der Vogelschutzbelange hier immer noch ein vergleichsweise hohes Konfliktpotenzial erkannt werden musste. Der Einwand der BS Windertrag GmbH, dass der Planungsverband seine Kriterien zur Kon- fliktbewertung wie Ausschlusskriterien angewandt und die Belange des Vogelschutzes da- mit der planerischen Abwägung entzogen hätte, trifft nicht zu. Die Kriterien der Greifvogel- dichte und der Habitatausstattung sind ein Hilfsmittel der Abwägung. Sie sollen sicherstellen, dass gleichartige Fälle im Wesentlichen gleich bewertet werden. Eine solche einheitliche Be- wertung war aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen zu den früheren Entwürfen nicht mög- lich, weil diese Stellungnahmen zu sehr von subjektiven Sichtweisen der betreffenden Einwen- der geprägt waren. Eine reine Orientierung an den im Jahr 2016 ermittelten Brutplätzen und den Abstandsrichtwerten der AAB-WEA hätte ebenfalls nicht zu einer verlässlichen Bewertung geführt, weil aufgrund der Dynamik des Naturgeschehens in jedem anderen Erhebungsjahr ein anderes Bild der Konfliktsituation entstanden wäre. Die Bewertung soll möglichst zeitun- abhängig erfolgen und möglichst nicht durch lokale und artspezifische Perspektiven einzelner Vertreter der Naturschutzbehörden und -verbände beeinflusst sein. Diese Erwägungen sind bereits in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 umfänglich dargelegt worden. Kritik- würdig wäre die Vorgehensweise des Planungsverbandes allenfalls dann, wenn die Anwen- dung der pauschalen Bewertungskriterien in reinen Schematismus ausarten würde und dabei wichtige Besonderheiten der betrachteten Eignungsgebiete in gröblicher Vereinfachung über- gangen würden. Dies kann der Planungsverband vorliegend nicht erkennen. Die von der BS Windertrag hervorgehobene Vorbelastung durch die Autobahn ist sicherlich ein gewichtiges Argument für die Festlegung eines Vorranggebietes. Die grundsätzlich ange- strebte Bündelung von Emissionsquellen und technischen Infrastrukturen im Landschaftsraum wäre hier möglich. Der Planungsverband gibt diesem Belang in der abschließenden Abwägung jedoch kein so großes Gewicht, dass er sich gegen die Belange des Vogelschutzes durchset- zen könnte. Dennoch gehört das Gebiet Nr. 133 sicherlich zu den Flächen, die erneut in Be- tracht zu ziehen wären, wenn sich im Rahmen zukünftiger Fortschreibungen des RREP noch- mals ein wesentlich erhöhter Flächenbedarf für die Windenergienutzung ergeben sollte.

411 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Bezüglich des Gesamtumfanges der Windenergie-Vorranggebiete wird auf die diesbezüg- lichen Ausführungen in den Abschnitten 3.3 und 4.2 verwiesen. Die Feststellung der BS Wind- ertrag GmbH, dass dieser Flächenumfang gering sei, trifft nur insoweit zu wie man die absolute Flächengröße und den Flächenanteil mit den entsprechenden Größen benachbarter Pla- nungsregionen vergleicht. Dies sind aber nur bedingt geeignete Vergleichsmaßstäbe. Ein re- alistischer Vergleichsmaßstab ist eigentlich nur das Verhältnis von festgelegten Vorranggebie- ten und theoretisch verfügbaren Potenzialflächen für die Windenergienutzung. Gemessen an diesem Maßstab werden in der Region Rostock – trotz der mit Rücksicht auf den Vogelschutz vorgenommenen Streichungen – immer noch mehr Flächen für die Windenergienutzung be- reitgestellt als in den benachbarten Regionen. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 133 als Vorranggebiet abgesehen.

412 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

8.20 Hoppenrade (Nr. 134)

Konfliktpo- Häufung Land- Vogel- Flugsi- Vorbelas- Vermes- Gesamt- tenziale: schafts- schutz cherheit tung sungseig- bewertung bild nung Hoppenrade gering erhöht hoch erhöht keine nicht be- weniger (134) wertet geeignet

Ergebnis der Abwägung: wird verworfen.

8.20.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dobbin-Linstow und Krakow am See • DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Langen • ENO Energy GmbH, Rerik • BS Windertrag GmbH, Berlin • Stadt Güstrow

8.20.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Dobbin-Linstow steht dem weiteren Ausbau der Windenergienutzung kritisch gegenüber und begrüßt, dass der Planungsverband bei der letzten Überarbeitung seines Ent- wurfes die Belange von Artenschutz, Tourismus, Natur- und Landschaftsschutz im Teilraum südlich der Bundesstraße 104 gebührender als bisher berücksichtigt habe. Eine Bürgerin aus Krakow am See äußert sich erfreut darüber, dass im Bereich südlich der Bundesstraße 104 dem Natur- und Landschaftsschutz mit der Streichung der ursprünglich ge- planten Eignungsgebiete Nr. 128 und 134 endlich Rechnung getragen worden sei. Die Ein- wenderin gibt an, selbst Wohnungen an Feriengäste zu vermieten. Ihre Gäste hätten sich in Gesprächen ausnahmslos für die Verschonung der Landschaft von Windenergieanlagen aus- gesprochen. Vorrangig sollte in diesem Teil der Region die Sonnenenergie genutzt werden, zum Beispiel in den Kiesabbauflächen. Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH verweist bezüglich der Belange des Anlagenschut- zes auf ihre Stellungnahme zum zweiten Entwurf aus dem Jahr 2014, wonach das Gebiet Nr. 134 im Schutzbereich gemäß § 18 a Luftverkehrsgesetz um die Radaranlage Schmooks-

413 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 berg liegt. Die Einwenderin hatte empfohlen, innerhalb dieses Bereiches aufgrund der zu er- wartenden Einschränkungen bezüglich Anzahl und Höhe von Windenergieanlagen keine Eig- nungs- und Vorranggebiete festzulegen. Der ENO Energy GmbH erscheinen die vom Planungsverband zur Streichung des Gebietes Nr. 134 angeführten Gründe nicht nachvollziehbar. Selbst wenn ein Teil des Gebietes wegen Überschneidung mit der mutmaßlichen Flugbahn eines Seeadlers nicht nutzbar sein sollte, könnte der verbleibende Teil des Gebietes immer noch zweckmäßig ausgenutzt werden. Bei Betrachtung der Umgebung des Gebietes Nr. 134 sei im Übrigen festzustellen, dass für See- adler eine Vielzahl potenzieller Nahrungsgewässer vorhanden sei. Da ausweislich der Ent- wurfsunterlagen der nördliche Teil des Gebietes Nr. 134 betroffen sei, könne es als wahr- scheinlich angesehen werden, dass eigentlich der Inselsee das Hauptnahrungsrevier des betreffenden Seeadlers bilde. Auch Brutvorkommen des Rotmilans könnten nach Auffassung der Einwenderin einen Ausschluss des Gebietes Nr. 134 nicht begründen. Der Planungsver- band habe selbst festgestellt, dass diese Art in der Region Rostock flächendeckend vorkomme und sich darüber hinaus durch eine geringe Brutplatztreue auszeichne. Die BS Windertrag GmbH hält eine Wiederaufnahme des Gebietes Nr. 134 in die RREP- Fortschreibung für notwendig. Sie schlägt dafür eine geänderte Abgrenzung vor, nach der sich das Gebiet auf etwa 60 Hektar vergrößern würde. Der Planungsverband habe das Gebiet nicht aufgrund fachlicher, sondern offensichtlich aufgrund politischer Erwägungen verworfen, so- dass eine fehlerhafte Abwägung vorliege. Dieser Fehler müsse korrigiert werden, um die RREP-Fortschreibung rechtskonform abschließen zu können. Die Einwenderin bezieht sich auf eine vorläufige Entwurfsfassung der RREP-Fortschreibung vom Herbst 2018, die nach ih- rer Kenntnis das Gebiet Nr. 134 noch enthalten habe und erst kurz vor dem Auslegungsbe- schluss der Verbandsversammlung im November nochmals geändert worden sei. Die nach diesem Beschluss der Öffentlichkeit vorgelegte Abwägungsdokumentation begründe die Strei- chung des fraglichen Gebietes mit Belangen des Greifvogelschutzes. Eine Abwägung aller maßgebenden Belange – auch derer, die für eine Festlegung des Gebietes Nr. 134 sprechen könnten – habe offensichtlich nicht stattgefunden. Zugunsten einer Festlegung hätte der Pla- nungsverband die Nähe des Gebietes zur Autobahn 19, zur Bundesstraße 103, die Vorbelas- tung durch Hochspannungsleitungen sowie den insgesamt sehr geringen Umfang der poten- ziellen Eignungsgebiete in Betracht ziehen müssen. Auch die weiteren von der Einwenderin selbst zum Entwurf vom Mai 2014 vorgetragenen Argumente seien in der Abwägung nicht gewürdigt worden. Der Planungsverband habe damit die von ihm bezüglich des Greifvogel- schutzes vorgenommene Konfliktbewertung praktisch wie ein striktes Ausschlusskriterium an- gewandt und der Abwägung mit anderen Belangen in unzulässiger Weise entzogen. Zwar habe der Planungsverband seine Flächenauswahl als Ergebnis einer „Gesamtabwägung“ be- zeichnet, diese Abwägung jedoch tatsächlich gar nicht durchgeführt. Die Bewertung der Vo- gelschutzbelange beruhe auf fehlerhaften methodischen Ansätzen, sodass auch die auf dieser Grundlage vorgenommene Abwägung falsch sei (vgl. hierzu die im Abschnitt 5.7 wiedergege- benen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwenderin bezieht diese Kritik auf die Kriterien der Greifvogeldichte und der Habitatausstattung, die vom Planungsverband zur Kon- fliktbewertung im Hinblick auf die Belange des Vogelschutzes herangezogen wurden. Bei der Dichteberechnung müsse die Einbeziehung des Mäusebussards als sehr häufiger Art mit lan- desweit mehreren tausend Brutrevierpaaren zwangsläufig zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen. Auch habe der Planungsverband die vom Ingenieurbüro Günther im 2.000-Meter-Um- kreis der potenziellen Eignungsgebiete erhobenen Daten in methodisch unzulässiger Weise vermengt mit den vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie zusätzlich herange- zogenen Daten der Adlerbrutplätze im 6.000-Meter-Umkreis. Die Verlässlichkeit beider Daten- quellen sei fragwürdig. Konsistenz und Validität der vom Ingenieurbüro Günther erhobenen Daten seien aufgrund der geringen Untersuchungstiefe und der geringen Anzahl der Bege- hungen anzuzweifeln. Den Ergebnissen sei lediglich die Aussagekraft einer Stichprobe zuzu- messen. Die Daten des Landesamtes stammten aus unterschiedlichen Erhebungsjahren und seien augenscheinlich für das Jahr 2016 nicht überprüft worden. Eine wissenschaftlich fun- dierte und methodisch einwandfreie Bewertung und Abwägung sei auf dieser Basis jedenfalls

414 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 unmöglich. Ein methodischer Fehler hafte auch der Habitatbewertung an, welche rein quanti- tativ und ohne Rücksicht auf die ökologische Qualität der Lebensräume erfolgt sei. Auch dies müsse zwangsläufig zu einer Fehlgewichtung führen. In der Zusammenführung der Bewer- tungskriterien hätten sich die aufgezeigten Fehler derart ausgewirkt, dass letztlich willkürliche Ergebnisse entstanden seien. Die so erzeugte Bewertung habe offenkundig vor allem ein po- litisch gewolltes Ergebnis stützen sollen. Zu den methodischen Problemen der artenschutz- fachlichen Bewertung legt die Einwenderin eine gutachterliche Stellungnahme des Instituts für angewandte Ökosystemforschung aus Broderstorf vor (vgl. auch hierzu die im Abschnitt 5.7 wiedergegebenen allgemeinen Ausführungen). Diese enthält eine Gegenüberstellung der vom Ingenieurbüro Günther im Jahr 2016 erfassten Brutvogeldaten mit den Ergebnissen weiterer Erhebungen, die in privatem Auftrag während der letzten Jahre beim Gebiet Nr. 134 durchge- führt wurden. Aus der Gegenüberstellung werde insbesondere die Wechselhaftigkeit einiger maßgebender Arten bei der Brutplatzwahl deutlich, die eine Prüfung der Artenschutzbelange auf der Ebene der Raumordnung praktisch unmöglich mache. Dies treffe insbesondere auf Rot- und Schwarzmilan sowie den Mäusebussard zu. Ein Horst des Baumfalken sei beim Ge- biet Nr. 134 im Rahmen der privaten Vogelerhebungen ebenso wie in der Erhebung des Inge- nieurbüros Günther festgestellt worden. Vermutlich handle es sich um denselben Horst. Dieser sei mehr als 350 Meter vom Gebiet Nr. 134 entfernt und stehe einer Festlegung als Vorrang- gebiet somit nicht entgegen. Die im Umweltbericht vom November 2018 enthaltene Darlegung mutmaßlicher Raumansprüche des Seeadlers beim Gebiet Nr. 134 erscheint dem Gutachter zu schematisch. Flacher und Tiefer Ziest als potenzielle Nahrungsgewässer lägen etwa 6 Ki- lometer vom betreffenden Seeadlerhorst entfernt. Um sie zu erreichen, müssten die Adler die Autobahn 19 überqueren. Der im Nordwesten gelegene, viel größere Inselseee und die Kra- kower Seenlandschaft im Süden erscheinen dem Gutachter mindestens in gleichem Maße als Nahrungsreviere geeignet. Wo tatsächlich die wichtigen Flugkorridore verliefen, sei im Rah- men einer Einzelfallprüfung aufzuklären. Die Einwenderin selbst führt zu den Belangen des Seeadlerschutzes ergänzend aus, dass bereits die pauschalen Annahmen des Planungsver- bandes falsch gewesen seien. Der südliche Teil des mutmaßlichen Nahrungsgewässers (Tie- fer Ziest) liege knapp außerhalb des 6.000-Meter-Abstandsbereiches um den Horst, sodass er bei der Ermittlung des freizuhaltenden Flugkorridors entsprechend dem Prüfschema der AAB-WEA außer Betracht bleiben müsse. Der mutmaßliche Flugkorridor zum nördlichen Ge- wässer (Flacher Ziest) würde das Gebiet Nr. 134 nicht berühren. Im Übrigen seien die vorhan- denen Brutplätze des Seeadlers bereits bei der Erstellung des zweiten Entwurfes der RREP- Fortschreibung im Jahr 2014 bekannt gewesen. Im damals vorgelegten Umweltbericht habe der Planungsverband ausgeführt, dass regelmäßig genutzte Flugrouten der See- und Fisch- adler nach seiner Kenntnis durch die vorgeschlagenen Eignungsgebiete nicht berührt würden, sodass er bezüglich der maßgebenden Schutzanforderungen heute zu keinem anderen Er- gebnis kommen könne. Die geänderte Einschätzung sei umso weniger verständlich, als der Planungsverband im aktuellen Umweltbericht vom November 2018 ausdrücklich darauf hinge- wiesen habe, dass wegen der Nutzung von Wechselhorsten innerhalb der Brutreviere keine flächenscharfe Anwendung der Seeadler-Abstandskriterien erfolgt sei. Widersprüche glaubt die Einwenderin auch in der Bewertung der Lebensraumansprüche des Rotmilans zu erken- nen. Seine zu den Vorkommen dieser Art gewonnenen Erkenntnisse habe der Planungsver- band dahingehend zusammengefasst, dass sie in der Region Rostock offensichtlich flächen- deckend vorkomme. Teilregionale Unterschiede seien im Ergebnis der 2016 durchgeführten Erhebung nicht auffällig geworden. In den weiteren Ausführungen werde jedoch behauptet, dass mit der vorgenommenen Streichung einiger ursprünglich geplanter Eignungsgebiete im Süden und Osten der Region das Konfliktpotenzial bezüglich der Lebensraumansprüche des Rotmilans erheblich gemindert würde. Tatsächlich weise das Gebiet Nr. 134 jedoch keine Überschneidungen mit den gemäß der AAB-WEA anzusetzenden 1.000-Meter-Abstandszo- nen um die Brutplätze des Rotmilans auf. Die vom Planungsverband nicht verworfenen, in den letzten Entwurf als Vorranggebiete übernommenen Gebiete seien dagegen insgesamt zu ei- nem Fünftel ihrer Fläche von diesen Abstandszonen überdeckt. Die Einwenderin sieht dies als Beleg für die Beliebigkeit an, mit der vom Planungsverband vorgebliche Belange des Arten-

415 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 schutzes herangezogen worden seien, um ein politisch gewolltes Planungsergebnis zu be- gründen. Diese Begründung sei dem Planungsverband offensichtlich missglückt. Eine wesent- liche Erweiterung des Gebietes Nr. 134 gegenüber dem letzten Entwurfsstand vom Mai 2014 wäre nach Ansicht der Einwenderin in östlicher Richtung möglich. Die drei Anwesen, die sich am Westrand des Ortes Schwiggerow an der Kreisstraße nach Hoppenrade befinden, seien nicht dem Bebauungszusammenhang des Ortes zuzurechnen. Der Abstand von 150 Metern, der zwischen den betreffenden Häusern und den nächsten Häusern im Ort liege, unterbreche diesen Zusammenhang. Die drei Häuser befänden sich im Außenbereich, sodass hier, anders als vom Planungsverband angenommen, ein Schutzabstand von 800 Metern ausreiche. Maß- gebend für die baurechtliche Beurteilung sei im Streitfall die tatsächliche Situation vor Ort, nicht die Auffassung der Gemeinde oder der zuständigen Baubehörde. Kritisch betrachtet die Einwenderin auch die einheitliche 35-Hektar-Mindestgröße, die in der vom Planungsverband ursprünglich vorgesehenen Abgrenzung des Gebietes Nr. 134 nur knapp überschritten wurde. Eine strikte Anwendung dieses Kriteriums ohne Abwägung im Einzelfall ist aus Sicht der Ein- wenderin nicht sinnvoll. Das Bundesverwaltungsgericht habe in einem einschlägigen Urteil aus dem Jahr 2018 klargestellt, dass ein solches Größenkriterium jedenfalls nicht als „hartes“, un- bedingt anzuwendendes Ausschlusskriterium verstanden werden dürfe. Gänzlich unterlassen habe der Planungsverband die Würdigung und Abwägung der von der Einwenderin bereits zum Entwurf vom Mai 2014 vorgetragenen Argumente für die Festlegung des Gebietes Nr. 134. Dies betreffe den Oszug Nienhagen als gesetzlich geschütztes Geotop sowie die Ferngasleitung, die beide im nördlichen Teil des Gebietes Nr. 134 verlaufen und dessen Be- bauung mit Windenergieanlagen potenziell einschränken würden. Die Einwenderin hatte sich mit den für beide Strukturen maßgebenden Schutzanforderungen eingehend auseinanderge- setzt und dargelegt, dass im Ergebnis ihrer Untersuchung die Errichtung von Windenergiean- lagen im betreffenden Teil des Gebietes Nr. 134 sehr wohl möglich wäre. Nach Ansicht der Einwenderin hätten diese – aus ihrer Sicht für die Festlegung des Gebietes Nr. 134 sprechen- den – Darlegungen vom Planungsverband aufgegriffen und gegen die vermeintlich entgegen- stehenden Artenschutzbelange abgewogen werden müssen. Die Stadt Güstrow hatte sich in den vergangen Jahren ablehnend zur Festlegung des Gebie- tes Nr. 105 sowie weiterer Eignungsgebiete in ihrer Umgebung geäußert. Die Stadt nehme zur Kenntnis, dass ihre Belange mit dem Entwurf vom November 2018 berücksichtigt und die be- treffenden Gebiete verworfen wurden.

8.20.3 Zusammengefasste Abwägung Das Gebiet Nr. 134 war im ersten Entwurf der RREP-Fortschreibung vom Januar 2013 noch nicht enthalten, weil die erste Flächenauswahl hier nur eine sehr kleine Potenzialfläche deut- lich unter 35 Hektar ergeben hatte. Mit der Überarbeitung des Entwurfes im Jahr 2014 wurden einige Potenzialflächen auf Anregung verschiedener Einwender nochmals eingehender über- prüft. Für das Gebiet Nr. 134 ergab diese Überprüfung, dass sich eine Ungenauigkeit in einer der verwendeten digitalen Datengrundlagen verfälschend auf die erste Flächenauswahl aus- gewirkt hatte und dass hier tatsächlich ein potenzielles Eignungsgebiet vorlag, welches die einheitlich angewandte Mindestgröße von 35 Hektar gerade erreichte. Der Hinweis der BS Windertrag GmbH, dass es für die Anwendung dieser Mindestgröße keine rechtsverbindliche Grundlage gibt, trifft zu. Diese Feststellung ändert jedoch nichts daran, dass ein solcher Schwellenwert planerisch notwendig ist, wenn die Windenergienutzung auf bestimmte Eig- nungs- und Vorranggebiete konzentriert werden soll. Ohne eine solche Mindestgröße würde sich eine Vielzahl von Kleinst- und Splitterflächen ergeben, und das Ziel einer geordneten Ent- wicklung der Windenergienutzung würde nicht erreicht. Hierzu wird auch auf die diesbezügli- chen allgemeinen Ausführungen im Abschnitt 4.3 verwiesen. Die abschließende Überarbeitung des Entwurfes zur RREP-Fortschreibung wurde im Jahr 2015 ausgesetzt, weil bezüglich der Belange des Vogelschutzes – insbesondere des Greif- vogelschutzes – massive Kritik von den Naturschutzbehörden und -verbänden vorgetragen worden war und der erreichte Stand der Sachaufklärung zu dieser Problematik noch keine

416 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 abschließende Abwägung erlaubte. Das Gebiet Nr. 134 gehörte zu den potenziellen Eignungs- gebieten, die relativ starke Ablehnung aus Gründen des Vogelschutzes hergerufen hatten. Um bezüglich dieser Belange eine einheitliche Beurteilungsgrundlage zu erhalten, wurde im Jahr 2016 eine Erhebung der Großvogelbrutplätze in der Umgebung der potenziellen Eignungsge- biete durchgeführt. In diese Erhebung wurde auch das Gebiet Nr. 134 einbezogen. Die Aus- wertung dieser Erhebung führte dann dazu, dass das Gebiet in den letzten Entwurf vom No- vember 2018 nicht wieder aufgenommen wurde. Zur Bewertung der Vogelschutzbelange wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Umweltbericht verwiesen. Die BS Windertrag hat die vom Planungsverband vorgenommene Bewertung der Vogel- schutzbelange sehr eingehend geprüft und durch einen von ihr selbst beauftragten Fachgut- achter beurteilen lassen. Zur methodischen Kritik der Einwenderin wird auch auf die diesbe- züglichen Ausführungen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Der Planungsverband hält im Ergebnis der Abwägung an seiner Bewertung fest. Von der BS Windertrag GmbH wird der Vorwurf erhoben, es sei eine politisch motivierte Entscheidung getroffen worden, welcher die Bewertung der Vogelschutzbelange lediglich den Anschein einer fachlichen Begründung habe geben sollen. Dies trifft nicht zu. Nachdem im Dezember 2016 die Ergebnisse der Großvogelerhebung vorlagen, hat die Geschäftsstelle des Planungsverbandes diese mit der Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock und dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie erörtert und daraufhin das Konfliktpotenzial der untersuchten Eignungsgebiete im Hinblick auf die Belange des Vogelschutzes bewertet. Dem Gebiet Nr. 134 wurde dabei aufgrund der reichen Habitatausstattung des näheren Um- feldes und der sehr hohen Dichte von Greifvogelbrutplätzen ein vergleichsweise hohes Kon- fliktpotenzial zuerkannt. Diese Bewertung ist wiederum mit den einbezogenen Vertretern der Naturschutzbehörden abgestimmt worden. Erst auf der Grundlage der abgestimmten Bewer- tung erfolgte dann die weitere Erörterung in den Gremien des Planungsverbandes. Zutreffend ist die Feststellung der Einwenderin, dass in den Verbandsgremien noch bis zum November 2018 kontrovers darüber diskutiert wurde, welches Gewicht die Belange des vorsorgenden Artenschutzes in der planerischen Abwägung erhalten sollten. Einige Verbandsvertreter stell- ten dabei die Erfordernisse der Energiewende und des Klimaschutzes in den Vordergrund und sahen das Bemühen um größtmögliche Risikovermeidung beim Vogelschutz als zu weitge- hend an. Andere plädierten eher im Sinne des traditionellen Natur- und Landschaftsschutzes für einen möglichst maßvollen Ausbau der Windenergienutzung. Dies sind Diskussionen, wie sie typischerweise im Rahmen einer planerischen Abwägung geführt werden. Einen Gegen- satz von fachlichen Argumenten auf der einen und rein politischen Beweggründen auf der anderen Seite, wie ihn die Einwenderin bemerkt haben will, vermag der Planungsverband nicht zu erkennen. Zur methodischen Kritik der BS Windertrag GmbH an der vom Planungsverband vorgenom- menen artenschutzfachlichen Konfliktbewertung wird auf die diesbezüglichen Ausführun- gen im Abschnitt 5.7 verwiesen. Der Planungsverband vertritt die Auffassung, dass eine starre Orientierung an pauschalen, auf den einzelnen Brutplatz bezogenen Abstandsrichtwerten nicht sinnvoll ist, soweit es um Arten mit hoher Variabilität der Raumnutzung geht. Den Aus- führungen der Einwenderin ist zu entnehmen, dass sie diese Auffassung teilt. Die Einwenderin zieht daraus den Schluss, dass eine Befassung mit solchen Arten auf der Ebene der Regio- nalplanung gänzlich unterbleiben sollte. Der Planungsverband folgt dem nicht, weil sich me- thodische Probleme nicht dadurch auflösen, dass man die Befassung mit diesen Problemen auf eine andere Verfahrensebene (in diesem Fall das immissionsschutzrechtliche Genehmi- gungsverfahren) verlagert. Dass die Einwenderin selbst mittlerweile auf mehrjährige Untersu- chungsreihen zum örtlichen Vogelbrutgeschehen zurückgreifen kann, ist der extremen Verzö- gerung des RREP-Fortschreibungsverfahrens geschuldet, die dazu geführt hat, dass Windparkplanungen auf den potenziellen Eignungsflächen jahrelang in Wartestellung verhar- ren. Die Durchführung langjähriger Voruntersuchungen kann jedoch nicht die Regel sein, wenn es darum geht, die Eignung eines Standortes für die Windenergienutzung einzuschätzen.

417 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Der Einwand der BS Windertrag GmbH, dass der Planungsverband seine Kriterien zur Kon- fliktbewertung wie strikte Ausschlusskriterien angewandt und die Belange des Vogelschut- zes damit der planerischen Abwägung entzogen hätte, trifft nicht zu. Die Kriterien der Greif- vogeldichte und der Habitatausstattung sind ein Hilfsmittel der Abwägung. Sie sollen sicherstellen, dass gleichartige Fälle im Wesentlichen gleich bewertet werden. Eine solche einheitliche Bewertung war aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen zu den früheren Ent- würfen nicht möglich, weil diese Stellungnahmen zu sehr von subjektiven Sichtweisen der be- treffenden Einwender geprägt waren. Eine reine Orientierung an den im Jahr 2016 ermittelten Brutplätzen und den Abstandsrichtwerten der AAB-WEA hätte ebenfalls nicht zu einer verläss- lichen Bewertung geführt, weil aufgrund der Dynamik des Naturgeschehens in jedem anderem Erhebungsjahr ein anderes Bild der Konfliktsituation entstanden wäre. Die Bewertung soll möglichst zeitunabhängig erfolgen und möglichst nicht durch lokale und artspezifische Per- spektiven einzelner Vertreter der Naturschutzbehörden und -verbände beeinflusst sein. Diese Erwägungen sind bereits in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 umfänglich darge- legt worden. Kritikwürdig wäre die Vorgehensweise des Planungsverbandes allenfalls dann, wenn die Anwendung der pauschalen Bewertungskriterien in reinen Schematismus ausarten würde und dabei wichtige Besonderheiten der betrachteten Eignungsgebiete in gröblicher Ver- einfachung übergangen würden. Dies kann der Planungsverband nicht erkennen. Bezüglich des Rotmilans weist die BS Windertrag GmbH auf einen vermeintlichen Wieder- spruch in den Darlegungen des Planungsverbandes hin. Im Umweltbericht vom November 2018 ist ausgeführt worden, dass der Ausschluss bestimmter potenzieller Eignungsgebiete im Ergebnis der artenschutzfachlichen Konfliktbewertung auch dem Schutz des Rotmilans dient. Der Rotmilan sei jedoch – wie es der Planungsverband selbst festgestellt habe – in der Region flächendeckend verbreitet und weise keine Verbreitungsschwerpunkte auf. Dies ist nicht ganz richtig, weil eine größer angelegte Erhebung der Rotmilanvorkommen, die von der Ornitholo- gischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern in den Jahren 2011 und 2012 durch- geführt wurde, sehr wohl auf solche Verbreitungsschwerpunkte hindeutet. In den Untersu- chungsgebieten, die im Jahr 2016 Gegenstand der zur RREP-Fortschreibung durchgeführten Greifvogelerhebung waren, sind solche Schwerpunkte allerdings nicht zu erkennen. Da sowohl die Anzahl der ermittelten Brutvorkommen als auch die Ausstattung der Untersuchungsgebiete mit Grünland als bevorzugtem Nahrungshabitat der Rotmilane in die Konfliktbewertung einge- flossen sind, dient die im Ergebnis vorgenommene Flächenauswahl auch dem Schutz des Rotmilans. Die von der BS Windertrag angestellten Überlegungen bezüglich der mutmaßlichen Lebens- raumansprüche der örtlichen Seeadler werden zur Kenntnis genommen. Ob für den See- adler die Autobahn eine wesentliche Hemmschwelle bildet, wie es die Einwenderin unterstellt, erscheint dem Planungsverband fraglich. Das östlich der Autobahn gelegene Gewässer des Flachen und Tiefen Ziests besteht aus zwei zusammenhängenden Seen, die beide am Rande des gemäß der AAB-WEA vorgesehenen 6.000-Meter-Prüfbereiches um das hier maßge- bende Brutrevier des Seeadlers liegen. Der Planungsverband hat in seine Betrachtung die beiden Teilgewässer insoweit einbezogen, wie sie innerhalb des Prüfbereiches liegen, und, wie es den Vorgaben der AAB entspricht, einen Korridor von etwa einem Kilometer Breite zum Brutrevier ermittelt. Dieser Korridor schneidet das potenzielle Eignungsgebiet Nr. 134, sodass die Teilfläche nördlich der Kreisstraße überwiegend als Ausschlussbereich für die Windener- gienutzung gelten muss. Die Einwenderin legt nun eine eigene Kartendarstellung vor, wonach der freizuhaltende Korridor scheinbar metergenau an der Grenze des Gebietes Nr. 134 vor- beilaufen würde. Die Einwenderin erreicht diesen Effekt allerdings nur dadurch, dass sie den Korridor deutlich schmaler konstruiert als in der AAB vorgeschrieben. Es handelt sich insoweit um eine scheinpräzise und manipulative Darstellung. Den Hinweisen der BS Windertrag GmbH auf gegebene Vorbelastungen des Gebietes Nr. 134, die in besonderem Maße für die Windenergienutzung an diesem Standort sprechen würden, kann der Planungsverband nur bedingt folgen. Das Gebiet Nr. 134 liegt in mehr als zwei Kilometern Entfernung von der Autobahn 19 und in einem Kilometer Entfernung von der

418 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 ehemaligen Bundesstraße 103. Die Landschaft ist hier weder in hohem Maße verlärmt noch durch technische Infrastrukturen sichtbar dominiert. Daran ändert auch die relativ dicht beim Gebiet Nr. 134 verlaufende Freileitung nichts. Es handelt sich um eine 110-Kilovolt-Leitung, die aufgrund ihrer Dimensionen keinen besonders schweren Eingriff in die Landschaft darstellt. Im Vergleich mit anderen potenziellen und festgelegten Windenergie-Eignungsgebieten in der Region Rostock ist die nähere Umgebung des Gebietes Nr. 134 somit in lediglich durchschnitt- lichem Maße durch andere Infrastrukturen und Emissionsquellen geprägt und beeinträchtigt. Eine besondere Eignung ist damit jedenfalls nicht zu begründen. Eine nochmals andere Be- wertung hinsichtlich der Vorbelastungen ergibt sich, wenn man den Betrachtungsraum erwei- tert und allein die Veränderung des Landschaftsbildes durch Windenergieanlagen in den Blick nimmt: Der Raum Krakow am See, in dem das Gebiet Nr. 134 liegt, ist der letzte Teilraum in der Region Rostock, der bisher gänzlich frei von Windenergieanlagen ist. In dieser Hinsicht spräche die Berücksichtigung von Vorbelastungen eher gegen eine Festlegung als Vorrang- gebiet. Die BS Windertrag GmbH erhebt weiterhin den Vorwurf, dass ihre bereits zum Entwurf vom Mai 2014 vorgetragenen Argumente für eine Festlegung des Gebietes Nr. 134 vom Planungs- verband in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 nicht gewürdigt wurden. Dies betrifft die Belange des Geotopschutzes und die im Gebiet verlaufenden Ferngasleitung. Die Tatsachen, dass sich ein gesetzlich geschütztes Geotop und eine unterirdische Ferngas- leitung innerhalb des potenziellen Eignungsgebietes befinden, sprechen jedoch nicht für des- sen Festlegung. Sie waren vielmehr von anderen Einwendern als Belange vorgebracht wor- den, welche (aus Sicht der betreffenden Einwender) gegen eine Festlegung sprechen würden. Eine abschließende Abwägung hat der Planungsverband diesbezüglich nicht vorgenommen, weil das Gebiet Nr. 134 schon allein aufgrund der oben dargelegten Belange des Artenschut- zes verworfen wurde. Der Schutz technischer Anlagen und der Geotopschutz auf der einen Seite sowie der Artenschutz auf der anderen Seite waren folglich nicht gegeneinander abzu- wägen. Es war lediglich klarzustellen, welche dieser Belange den Planungsverband letztlich dazu bewogen haben, die Planung des Gebietes Nr. 134 nicht weiter zu verfolgen. Diese Klar- stellung ist in der Abwägungsdokumentation erfolgt. Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren nicht der Anlagenschutz oder der Geotopschutz, sondern der vorsorgende Artenschutz. Bei der Abgrenzung der zusammenhängend bebauten Ortsteile hat sich der Planungsverband in Zweifelsfällen tatsächlich an gemeindlichen Satzungen und am Urteil der zuständigen Be- hörden des Landkreises Rostock orientiert. Die von der BS Windertrag bezeichneten Wohn- häuser bei Schwiggerow sind ein solcher Zweifelsfall. Für den Ortsteil Schwiggerow liegt jedoch eine Satzung vor, welche die Grenzen des Bebauungszusammenhanges klarstellt und die drei fraglichen Anwesen in diesen Zusammenhang einbezieht. Bezüglich des Gesamtumfanges der der Windenergie-Vorranggebiete wird auf die diesbe- züglichen Ausführungen in den Abschnitten 3.3 und 4.2 verwiesen. Die Feststellung der BS Windertrag GmbH, dass dieser Flächenumfang gering sei, trifft nur insoweit zu wie man die absolute Flächengröße und den Flächenanteil mit den entsprechenden Größen benachbarter Planungsregionen vergleicht. Dies sind aber nur bedingt geeignete Vergleichsmaßstäbe. Ein realistischer Vergleichsmaßstab ist eigentlich nur das Verhältnis von festgelegten Vorrangge- bieten und theoretisch verfügbaren Potenzialflächen für die Windenergienutzung. Gemessen an diesem Maßstab werden in der Region Rostock – trotz der mit Rücksicht auf den Vogel- schutz vorgenommenen Streichungen – immer noch mehr Flächen für die Windenergienut- zung bereitgestellt als in den benachbarten Regionen. Nach Abwägung aller maßgebenden Belange wird von der Festlegung des Gebietes Nr. 134 als Vorranggebiet abgesehen.

419 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

9 Anregungen zur Aufnahme weiterer Gebiete

9.1 Festschreibung bestehender Windparks

9.1.1 Eingegangene Stellungnahmen • Projekt Windmüller Drgala GmbH, Bülow, vertreten durch die TE Rechtsanwaltsgesell- schaft, Berlin

9.1.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Die Projekt Windmüller Drgala GmbH als Betreiberin zweier alter Windenergieanlagen bei Bülow (Gemeinde Gutow) schlägt nochmals die Neufestlegung eines Vorranggebietes für Windenergieanlagen unter Einbeziehung der bestehenden Anlagen vor; hilfsweise möge der Planungsverband prüfen, ob wenigstens einer der vorhandenen Anlagenstandorte als mögli- cher Prototypenstandort im RREP festgeschrieben werden könnte (zum vorgeschlagenen neuen Vorranggebiet vgl. die im nachfolgenden Abschnitt 9.2 wiedergegebenen weitergehen- den Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwenderin plane derzeit den Ersatz der be- stehenden Anlagen und erwäge dabei die Zusammenarbeit mit einem Anlagenhersteller, der Interesse an einem Standort zur Erprobung und Vermessung von Windenergieanlagen habe. In Anbetracht des vergleichsweise geringen Flächenangebotes für die Windenergienutzung in der Region Rostock sei es nicht nachvollziehbar, warum Anlagenstandorte, die bereits er- schlossen, von den Anwohnern akzeptiert und von der Gemeinde gewollt seien, nicht mehr für die Errichtung neuer Anlagen genutzt werden können. Die Gemeinde Gutow erhalte aus dem Betrieb der Anlagen seit 1994 jährlich verlässliche Steuereinnahmen. Mit einem Ersatz der vorhandenen Anlagen könnten diese Einnahmen für die nächsten 20 bis 30 Jahre verstetigt werden. Nach Auffassung der Einwenderin hat der Planungsverband dem Erfordernis des Be- standsschutzes für vorhandene Anlagenstandorte im Rahmen der RREP-Fortschreibung kein hinreichendes Gewicht gegeben. Die schematische Anwendung pauschaler Planungskriterien auf solche Standorte sei nicht sachgerecht und könne gemäß der Rechtsprechung des Bun- desverwaltungsgerichtes im Einzelfall abwägungsfehlerhaft sein. Bereits genutzte Standorte sollten nach Auffassung der Einwenderin vorrangig Eingang in das Planungskonzept finden. Zumindest jedoch sollte für solche Standorte die Möglichkeit der Errichtung von Windenergie- anlagen-Prototypen ausdrücklich eingeräumt werden, oder, allerwenigstens, die Möglichkeit zur Zulassung von Zielabweichungen für solche Fälle erhalten bleiben.

9.1.3 Zusammengefasste Abwägung Die beiden Windenergieanlagen bei Bülow gehören zur frühesten Anlagengeneration. Sie wur- den in den neunziger Jahren noch vor der erstmaligen Festlegung von Eignungsgebieten er- richtet. Bei der ersten Fortschreibung des Raumordnungsprogrammes im Jahr 1999 wurde von der Festlegung eines Eignungsgebietes an dieser Stelle abgesehen, weil der Standort schon den damals angesetzten Eignungskriterien nicht entsprach. Bei der Neuaufstellung des RREP im Jahr 2011 wurde erneut eine Abwägung zum Umgang mit den älteren Anlagen vor- genommen als es darum ging, ob weiterhin eine Ausnahmeregelung zum Ersatz solcher An- lagen außerhalb der Eignungsgebiete gelten sollte. Der Planungsverband hat sich angesichts der Entwicklung immer größerer Windenergieanlagen gegen großzügige Bestandsschutzre- gelungen entschieden. Standorte, die für eine frühere Anlagengeneration auf einem früheren Stand der Technik ausgesucht wurden, sollten planerisch nicht festgeschrieben werden, wenn sie den aktuellen Anforderungen nicht mehr entsprachen. Diesem Grundsatz folgt der Planungsverband auch bei der aktuellen Fortschreibung des RREP, indem die 1999 festgelegten Eignungsgebiete nunmehr konsequent an die aktuellen Abstandskriterien ange- passt werden. Hierzu wird auf die umfangreichen Erläuterungen verwiesen, die bereits in den

420 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Entwurfsunterlagen vom November 2018 enthalten waren und in den Abschnitten 3.10 und 4.9 und nochmals in den wesentlichen Inhalten wiedergegeben sind. Die von der Einwenderin vorgetragenen Argumente rechtfertigen keine andere Entscheidung in diesem Einzelfall. Der Hinweis der Einwenderin auf die vorhandene Erschließung des Standortes ist berech- tigt. Der Planungsverband geht jedoch davon aus, dass im Fall eines Ersatzes der vorhande- nen Anlagen durch moderne, größere Anlagen auch ein großer Teil der Infrastruktur erneuert werden müsste, sodass diesem Belang kein allzu großes Gewicht in der planerischen Abwä- gung gegeben werden soll. Dass die Anwohner sich an die vorhandenen Anlagen gewöhnt haben, trifft sicherlich zu. Ob die gute Akzeptanz weiterhin gegeben wäre, wenn die Anlagen durch wesentlich größere ersetzt werden sollten, erscheint dem Planungsverband jedoch fraglich. Die vorhandenen An- lagen sind 70 Meter hoch. Nach Kenntnis des Planungsverbandes gilt unter heutigen Förder- bedingungen mindestens die doppelte Höhe als erforderlich, um einen wirtschaftlich einträgli- chen Windparkbetrieb zu ermöglichen. Auch der Hinweis auf die fiskalischen Interessen der Standortgemeinde ist grundsätzlich berechtigt. Diesen Interessen wird allerdings kein solches Gewicht beigemessen, dass plane- rische Erwägungen dahinter zurücktreten müssten. Bei den Dimensionen moderner Windener- gieanlagen gehen die räumlichen Auswirkungen in der Regel über die Grenzen einer ländli- chen Gemeinde hinaus. Die Standortwahl für diese Anlagen muss deshalb regionalen Maßgaben folgen und kann sich nicht vorrangig an den Interessen einzelner Gemeinden aus- richten. Für die Zulassung von Windenergieanlagen zu Forschungs-, Erprobungs- und Vermes- sungszwecken gelten die mit den Sätzen 6.5 (3) und 6.5 (4) der RREP-Fortschreibung ge- troffenen Festlegungen. Der Planungsverband geht davon aus, dass sich die Standortwahl für solche Vorhaben in erster Linie nach den Anforderungen richten muss, die der besondere Forschungs- und Erprobungszweck mit sich bringt. Eine Sonderregelung für Standorte alter Windenergieanlagen erscheint dem Planungsverband nicht gerechtfertigt. Die Möglichkeit der förmlichen Abweichung von den Zielen der Raumordnung entzieht sich der Regelung durch das RREP. Hierfür sind allein die einschlägigen Vorschriften des Raum- ordnungsgesetztes und des Landesplanungsgesetztes maßgebend.

9.2 Neue Gebietsvorschläge

9.2.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Heiligenhagen und Rostock • Projekt Windmüller Drgala Gmbh, Bülow, vertreten durch die TE Rechtsanwaltsgesell- schaft, Berlin • Energiequelle GmbH, Rostock • Bioenergie Mecklenburgische Seenplatte GmbH & Co KG, Rostock • VSB Neue Energien Deutschland GmbH, Potsdam

9.2.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Heiligenhagen regt die Neuaufnahme eines Gebietes bei Strenz, unmittelbar nördlich von Güstrow, als Vorranggebiet für Windenergieanlagen an und legt dazu einen Ab- grenzungsvorschlag vor.

421 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Eine Bürgerin aus Rostock ist Eigentümerin von Grundstücken bei Vogtshagen und regt an, dass die Festlegung eines Eignungsgebietes hier nochmals geprüft werden sollte. Die Ein- wenderin sieht die Festlegung auch deshalb als sinnvoll an, weil viele alte Windenergieanlagen in den nächsten Jahren das Ende ihrer Nutzungszeit erreichen und somit Standorte für neue und größere Anlagen benötigt würden. Das Gebiet bei Vogtshagen stelle sich hinsichtlich der Abstände zu den Wohnorten sowie sonstiger öffentlicher Belange als geeignet dar. Die Projekt Windmüller Drgala GmbH als Betreiberin zweier alter Windenergieanlagen bei Bülow (Gemeinde Gutow) schlägt nochmals die Neufestlegung eines Vorranggebietes für Windenergieanlagen unter Einbeziehung der bestehenden Anlagen vor. Hilfsweise möge der Planungsverband prüfen, ob dasselbe Gebiet in geringerer Größe unter vollständiger Einhal- tung der Schutzabstände zu den Wohnorten (und damit abseits der vorhandenen Windener- gieanlagen) festgelegt werden könnte (vgl. hierzu auch die im vorstehenden Abschnitt 9.1 wie- dergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin zum gewünschten Bestandsschutz für die vorhandenen Anlagenstandorte). Die Anregung der Einwenderin wurde in den letzten Jah- ren schon einmal vorgebracht und war bereits Gegenstand der Abwägung bei der letzten Über- arbeitung des Entwurfes. Bezüglich der vom Planungsverband in der Abwägungsdokumenta- tion vom November 2018 dargelegten Gründe der Nichtberücksichtigung legt die Einwenderin nunmehr Ausarbeitungen zweier Fachgutachter vor, welche die Eignung des vorgeschlagenen Gebietes unter dem Gesichtspunkt des Vogelschutzes belegen sollen. Der Planungsverband sei mit seiner vorausschauenden Bewertung anhand der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) zu weit gegangen: Die Regionalplanung habe sich in ihren Be- trachtungen strikt auf die eigenen, planerischen Eignungskriterien – das heißt, die Einhaltung pauschaler Mindestabstände zu den Brutplätzen bestimmter Großvogelarten – zu beschrän- ken; jede weitergehende Prüfung von Vogelschutzbelangen müsse den nachfolgenden vorha- benbezogenen Genehmigungsverfahren vorbehalten bleiben. Da die regionalplanerischen Kri- terien eingehalten werden könnten, habe eine Festlegung des Gebietes Bülow als Vorranggebiet im RREP zu erfolgen. Bezüglich der AAB-WEA stellt die Einwenderin grund- sätzliche Überlegungen an, ob die (hier zum Teil maßgebende) Bestimmung pauschaler Aus- schlussbereiche zur Freihaltung wichtiger Flugkorridore im weiteren Umkreis um den Brutplatz eines Seeadlers vor dem Hintergrund aktueller Rechtsprechung als zulässig angesehen wer- den könne. Dessen ungeachtet sei es jedenfalls in solchen Bereichen grundsätzlich möglich, die pauschale Bewertung durch eine genauere Betrachtung aufgrund ortskonkreter Flugbe- obachtungen zu ersetzen. Im vorliegenden Fall sei nach Auskunft des örtlichen Horstbetreuers davon auszugehen, dass die betreffenden Seeadler nicht den Sumpfsee, sondern den ihrem Brutplatz näher liegenden Parumer See als Nahrungshabitat nutzten. Dies werde man durch eine Raumnutzungsanalyse nachweisen. Das vom Planungsverband weiterhin angeführte Ab- standsgebot aufgrund der Schlafplatzfunktion des Sumpfsees für Wasservögel würde nur ei- nen Teil des vorgeschlagenen Vorranggebietes betreffen. Bei der naturschutzfachlichen Be- wertung seien außerdem die laufenden Planungen für die neue 380-Kilovolt-Freileitung Güstrow—Parchim zu berücksichtigen, mit deren Verwirklichung sich die infrastrukturelle Vor- belastung des betreffenden Raumes weiter erhöhen würde. Um möglichen Einwänden bezüg- lich der großen Nähe des vorgeschlagenen Gebietes zur Altstadt von Güstrow zu begegnen, legt die Einwenderin eine Karte mit potenziellen Sichtachsen und sichtverschatteten Berei- chen, bezogen auf den Güstrower Dom, vor. Aufgrund der örtlichen Landschaftsausprägung sei eine Beeinträchtigung des Güstrower Stadtbildes durch einen Windpark bei Bülow nicht zu erwarten. Die Energiequelle GmbH regt die Aufnahme von insgesamt sechs neuen Vorranggebieten für Windenergieanlagen in die RREP-Fortschreibung an. Es handelt sich um Flächen bei Jörnstorf, , Gülzow, Gerdshagen, Weitendorf (Gemeinde Cammin) und Klein Wo- kern. Genaue Angaben zur Größe und möglichen Abgrenzung der Flächen macht die Einwen- derin nicht. Die Bioenergie Mecklenburgische Seenplatte GmbH & Co KG schlägt vor, eine zusätzliche Fläche zwischen den Orten Gottin, Warnkenhagen und Schwiessel mit einer Größe von 25

422 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Hektar als Vorranggebiet für Windenergieanlagen in die RREP-Fortschreibung aufzunehmen. Dies könne in Form eines neuen Vorranggebietes oder als Ergänzung des benachbarten Ge- bietes Nr. 38 (Dalkendorf) erfolgen. Das vorgeschlagene Gebiet entspreche den im Entwurf vom November 2018 enthaltenen Eignungskriterien. Die VSB Neue Energien Deutschland GmbH regt die Aufnahme einer Fläche bei Sanitz als weiteres Vorranggebiet an. Die betreffende Fläche war vom Planungsverband bereits in den Abwägungsdokumentationen vom Mai 2014 und November 2018 behandelt worden. Als Grund für die Nichtaufnahme in den Entwurf der RREP-Fortschreibung hatte der Planungsver- band unter anderem die Überlagerung mit dem Schutzbereich einer Radaranlage angegeben. Die Einwenderin führt dazu aus, dass die Bundeswehr hier lediglich Höhenbeschränkungen vorgebe und sich im Bedarfsfall eine Fernabschaltung der Windenergieanlagen vorbehalten würde. Die Radaranlage könne somit nicht als Ausschlusskriterium gelten. Die für neue Vor- ranggebiete geltende Mindestgröße von 35 Hektar könne hier ebenfalls nicht zum Ausschluss führen, da die vorgeschlagene Fläche nach Abzug aller nicht nutzbaren Bereiche (Autobahn, Wald, Sukzessionsflächen) 80 Hektar umfasse und somit groß genug sei. Im Übrigen erfülle die Fläche alle vom Planungsverband herangezogenen Auswahlkriterien und sei durch die Autobahn bereits vorbelastet. Das Landschaftsbild sei hier nicht als besonders schützenswert einzustufen. Die große Mehrheit der Grundstückseigentümer befürworte die Festlegung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen. Die Einwenderin erklärt, dass sie mit den Eigentümern eine vertragliche Bindung eingehen werde. Sie habe somit einen Anspruch darauf, dass ihre privaten Interessen in der Abwägung berücksichtigt würden. Aufgrund der Regelungen des Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetzes könne ein Windpark hier zur Wertschöpfung in der strukturschwachen Region beitragen.

9.2.3 Zusammengefasste Abwägung Zum Vorschlag eines möglichen Vorranggebietes bei Strenz waren bereits Ausführungen in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthalten. Mit Rücksicht auf die Nähe zur Güstrower Altstadt und die laufenden Planungen zur Neuordnung der Freileitungstrassen im Umfeld des Güstrower Umspannwerkes wird von einer näheren Betrachtung dieses Gebietes abgesehen. Eine potenzielle Eignungsfläche bei Vogtshagen war dem Planungsverband im Rahmen sei- ner Voruntersuchungen zur RREP-Fortschreibung bereits selbst aufgefallen und ist von ver- schiedenen Einwendern im Laufe des weiteren Verfahrens dann nochmals vorgeschlagen worden. In der Abwägungsdokumentation vom Mai 2014 ist sie unter der Bezeichnung Vol- kenshagen enthalten. Die Fläche überschneidet sich mit einem Vorbehaltsgebiet für Gewerbe und Industrie, das im RREP 2011 festgelegt wurde. Die Fläche soll als möglicher Industrie- standort erhalten bleiben. Von einer Festlegung als Vorranggebiet für Windenergieanlagen wird deshalb abgesehen. Zu der von der Projekt Windmüller Drgala GmbH nochmals vorgeschlagenen Fläche bei Bülow waren die maßgebenden Erwägungen in der Abwägungsdokumentation vom Mai 2018 schon enthalten. Darüber hinaus müssten (wie im Fall der Potenzialfläche bei Strenz) die re- lative Nähe zur Güstrower Altstadt und die damit verbundenen Belange des Stadtbild- und Denkmalschutzes in die Abwägung einbezogen werden, wenn dieser Standort für die Wind- energienutzung in Betracht gezogen werden sollte. Eine abschließende Abwägung muss hierzu jedoch nicht erfolgen, weil schon die örtlich maßgebenden Belange des Vogelschutzes eine spätere Genehmigung von Windenergieanlagen absehbar ausschließen. Die Kritik der Einwenderin, dass dem Planungsverband eine vorausschauende Betrachtung dieser Belange gar nicht zustünde, ist nicht berechtigt. Die Regionalplanung kann nicht bei einer rein mecha- nischen Flächenauswahl anhand vorab definierter Kriterien stehenbleiben. Sie hat sich selbst- verständlich mit potenziellen Genehmigungshindernissen auseinanderzusetzen, die bei der Planaufstellung erkennbar werden und mehr als nur marginale Auswirkungen auf die spätere

423 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Ausnutzung der Vorranggebiete haben würden. Die von der Einwenderin eingereichten Aus- arbeitungen zweier Fachgutachter bestätigen ausdrücklich das langjährig bekannte Vorkom- men des Seeadlers in etwa vier Kilometern Entfernung zum vorgeschlagenen Eignungsgebiet und dessen Lage in einem der mutmaßlichen Flugkorridore zwischen Brutplatz und Nahrungs- gewässern. Ein Windpark würde hier eine langgezogene Barriere zwischen dem Brutrevier und dem Sumpfsee bilden. Die von der Einwenderin geäußerte Hoffnung, dass die nach der Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) geltende Regelvermutung durch eine sogenannte Funktionsraumanalyse widerlegt werden könnte, rechtfertigt keine an- dere Abwägung. Auch die Tatsache, dass sich weitere Gewässer in größerer Nähe zum Brut- platz befinden und mutmaßlich häufiger angeflogen werden als der Sumpfsee, rechtfertigt keine andere Abwägung. Die von der Einwenderin zum Ausdruck gebrachten Zweifel, ob die einfachen Prüfschemata der AAB-WEA den rechtlichen Anforderungen an eine differenzierte Prüfung der Artenschutzbelange in späteren Genehmigungsverfahren immer gerecht werden können, mögen begründet sein. Der Planungsverband weist darauf hin, dass in der AAB-WEA ebenso begründete Zweifel an der Validität sogenannter Funktionsraumanalysen dargelegt sind, aufgrund derer man ausdrücklich davon abgesehen hat, solche Analysen als regelmäßig einzusetzendes Mittel der Bestandsaufnahme zu empfehlen. Für die vorausschauende Be- wertung des Konfliktpotenzials auf der Ebene der Regionalplanung sind die Prüfschemata der AAB-WEA, soweit sie sich auf langjährig brutplatztreue Arten beziehen, jedenfalls gut geeig- net. Sofern man von den Artenschutzbelangen absehen und eine Abwägung allein aufgrund der potenziellen Wirkungen eines Windparks auf das Güstrower Stadtbild vornehmen wollte, wäre die von der Einwenderin hierzu eingereichte Kartendarstellung als Beurteilungsgrund- lage nicht verwendbar. Die Darstellung suggeriert, dass sich das vorgeschlagene Eignungs- gebiet außerhalb gegebener Sichtbeziehungen zwischen dem Güstrower Dom und der umlie- genden Landschaft befände. Mögliche Beeinträchtigungen der Sicht auf die Güstrower Altstadt lassen sich anhand dieser Darstellung jedoch nicht beurteilen. In einem Entfernungsbereich von etwa fünf Kilometern um die überregional bedeutsamen Denkmalensembles in den Alt- städten von Rostock und Güstrow sowie der Doberaner Klosteranlage wurden bisher keine Windparks zugelassen. Bei der Festlegung von Vorranggebieten außerhalb dieses Abstands- bereiches geht der Planungsverband davon aus, dass in der Regel keine erhebliche Beein- trächtigung der Ansichten der betreffenden Denkmale zu befürchten ist. Das vorgeschlagene Eignungsgebiet bei Bülow unterschreitet diesen Abstand erheblich. Die Energiequelle GmbH hat die von ihr vorgeschlagenen Flächen nicht näher lokalisiert. Der Planungsverband kann diese Vorschläge jedoch anhand der selbst durchgeführten Potenzial- flächenermittlung zuordnen. Die Gebiete bei Gerdshagen und Weitendorf wurden bereits in der Abwägungsdokumentation vom Mai 2014 beschrieben. Das Gebiet Gerdshagen liegt im Ausschlussbereich um einen Adlerbrutplatz. Das Gebiet Weitendorf entspricht der Fläche, die in der Abwägung von 2014 unter der Bezeichnung Sanitz beschrieben worden war und nun erneut von der VSB Neue Energien Deutschland GmbH zur Diskussion gestellt wird. Zu die- sem Gebiet wird auf die Ausführungen weiter unten verwiesen. Das Gebiet Jörnstorf erreicht nicht die einheitliche Mindestgröße von 35 Hektar. Die Gebiete bei Finkenthal, Gülzow und Klein Wokern liegen in Ausschlussbereichen um Brutplätze der See- und Schreiadler. Das vorgeschlagene Gebiet zwischen Gottin und Schwiessel liegt in einem Raum mit sehr hoher Schutzwürdigkeit des Landschaftsbildes. Dies gilt als Ausschlusskriterium für die Wind- energienutzung. Das Gebiet bei Sanitz war dem Planungsverband auch schon bei der Vorauswahl potenzieller Eignungsgebiete im Jahr 2012 aufgefallen und ist von verschiedenen Interessenten im Laufe des RREP-Fortschreibungsverfahrens immer wieder vorgeschlagen worden. Der Planungs- verband hat die Fläche anhand der maßgebenden Ausschluss- und Abstandskriterien noch- mals überprüft und kommt wiederum zu dem Ergebnis, dass die einheitlich angewandte Min- destgröße von 35 Hektar hier nicht erreicht wird und dass die Nutzbarkeit durch Autobahn, Waldstücke und militärische Richtfunkstrecken stark eingeschränkt wäre. Die VSB Neue Ener- gien Deutschland GmbH wirft nochmals die Frage auf, ob der militärische Schutzbereich um

424 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 den Bundeswehrstandort Gubkow einen pauschalen Ausschluss der Windenergienutzung rechtfertigt. Der Planungsverband bleibt bei seiner bisherigen Auffassung, dass ein solcher Ausschluss gerechtfertigt ist. Die Einwenderin legt selbst dar, dass die Errichtung von Wind- energieanlagen hier nur unter Auflagen und Einschränkungen möglich wäre. Die erklärte Ab- sicht der Einwenderin, selbst vertragliche Bindungen mit den Grundstückseigentümern einzu- gehen, rechtfertigt keine andere Abwägung.

425 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

10 Einwendungen zu weiteren Regelungen

10.1 Standortvorsorge für Windenergieanlagen-Prototypen

10.1.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürgerin aus Appelhagen (vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel), Petschow und Rakow • Regionaler Planungsverband Vorpommern, Greifswald • Projekt Windmüller Drgala GmbH, Bülow, vertreten durch die TE Rechtsanwaltsgesell- schaft, Berlin • NABU Mecklenburg-Vorpommern • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Wind Energy Network e.V., Rostock • Enercon GmbH, Rostock • ENO Energy GmbH, Rerik • BS Windertrag GmbH, Berlin • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow

10.1.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin aus Appelhagen, vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel, hält die Festlegung neuer Vorranggebiete zum Zweck der Vermessung von Windenergieanla- gen-Prototypen für nicht gerechtfertigt. Prototypen könnten ohne weiteres in einem der beste- henden Eignungsgebiete erprobt werden. Der Festlegung von Sonder-Vorranggebieten be- dürfe es dafür ebensowenig wie einer speziellen Ausnahmeregelung. Sowohl der räumliche als auch der sachliche Umfang der vom Planungsverband vorgesehenen Regelungen gehe zu weit. Für den beabsichtigten Zweck reiche es völlig aus, wenn ein einzelnes größeres Eig- nungsgebiet dafür zur Verfügung gestellt würde. Prototypen neuer Generatoren könnten dort zur Vermessung auf vorinstallierten Masten montiert und somit leicht auf- und wieder abgebaut werden. Es gebe auch keinen Grund, ganze Vorserien zu Prototypen zu erklären. Die Rege- lungen und Maßgaben im Entwurf vom November 2018 seien im Übrigen zu unbestimmt. Der Begriff der „normgerechten“ Vermessung sei nicht hinreichend erläutert – Normen seien ver- änderbar und könnten die beabsichtigten RREP-Festlegungen nicht begründen. Auch sei nicht dargelegt, warum für die Vermessung von Lasten und Leistungskurve besondere Standorte erforderlich seien. Ein Bürger aus Petschow schätzt, dass es in der jüngeren deutschen Industriegeschichte ziemlich einmalig sei, dass privaten Konzernen ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeit über eine von den Verbrauchern erhobene Umlage vergütet werde, wie es im Erneuerbare- Energien-Gesetz geregelt sei. Als die Windkraftindustrie noch in den Kinderschuhen steckte, möge diese Art der Förderung ihre Berechtigung gehabt haben. Es müsse jedoch die Frage gestellt werden, wie lange es in dieser Form noch weitergehen solle. Es könne nicht Aufgabe des Staates sein, derart in den Wettbewerb einzugreifen. Bei günstigen Windbedingungen er- zeugten viele tausend Windenergieanlagen in der norddeutschen Tiefebene Strommengen, die den Bedarf weit überstiegen. Für den überflüssigen Strom gebe es bislang keine Verwen- dung; gleichwohl werde er den Erzeugern zum Großteil vergütet. Wenn die Windenergie je- mals eine gewichtige Rolle in der Energiewende übernehmen solle, müsse der überschüssige Strom gespeichert werden, um ihn dann verbrauchen zu können, wenn Bedarf bestehe. Allein

426 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 auf diese wichtige Aufgabe solle der Staat seine Förderpolitik konzentrieren. Alles andere sei Klientelpolitik, die keine nachhaltigen Effekte, insbesondere nicht auf den Erhalt von Arbeits- plätzen, haben werde. Somit sei es sinnlos, den Anlagenherstellern die Aufstellung sogenann- ter Prototypen zu ermöglichen, die sich durch minimale technische Weiterentwicklungen aus- zeichneten. Solche Neuentwicklungen könnten die Firmen ebenso gut durch rechnergestützte Simulation erproben. Bisherige Regelungen für Windenergieanlagen-Prototypen seien somit nur ein Mittel, die Unternehmensgewinne zu steigern. Die Anlagen unterlägen nicht der Aus- schreibungspflicht, und das Gesetz zur Beteiligung von Bürgern und Gemeinden komme nicht zur Anwendung. Auch wenn es sicherlich nicht die ureigene Aufgabe des Planungsverbandes sei, sich um die nationale Förderpolitik zu kümmern, sollte die Regionalplanung nach Ansicht des Einwenders dennoch darauf hinwirken, dass die Förderung zukünftig auf die vorrangigen Probleme der der Energiespeicherung und -verteilung ausgerichtet werde. Der Regionale Planungsverband Vorpommern bemerkt, dass Unklarheit über die konkreten Flächen bestehe, die innerhalb der Vorranggebiete für die Vermessung von Windenergieanla- gen-Prototypen reserviert sein sollen, da auf eine kartografische Darstellung dieser Flächen verzichtet wurde. Die Projekt Windmüller Drgala GmbH lehnt die vorgesehene Beschränkung von Prototypen auf die dafür festgelegten Vorranggebiete ab. Mit Bezug auf die von ihr betriebenen Windener- gieanlagen bei Bülow (Gemeinde Gutow) spricht sich die Einwenderin dafür aus, dass an lang- jährig genutzten Windenergiestandorten beim Ersatz alter Anlagen die Neuerrichtung von Pro- totypen zugelassen werden sollte. Unabhängig davon stehe die vom Planungsverband beabsichtigte Regelung dem weiteren Ausbau der Windenergienutzung entgegen, indem große Teile der neu geplanten Vorranggebiete für Prototypen freigehalten werden sollten. Die Regelung sei auch nicht hinreichend bestimmbar. Es bleibe unklar, wie die Begriffe der „Rand- lage“ oder der „ungehinderten Windanströmung in der Hauptwindrichtung“ im Einzelfall aus- zulegen seien. Eine fehlerfreie Genehmigungsentscheidung könne somit nicht gewährleistet werden. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern begrüßt ausdrücklich die vorgesehene Standortvor- sorge für Prototypen innerhalb der Vorranggebiete. Ohne eine solche Vorsorge bestehe das Risiko eines weiteren „Wildwuchses“ von Windenergieanlagen außerhalb der Vorranggebiete. Der Bedarf der Windkraftindustrie sei bekannt. Die Regionalplanung stehe in der Verantwor- tung, diesem Standortbedarf im Verhältnis zum normalen Windparkbetrieb ausreichend Raum zu geben. Vor diesem Hintergrund sei die Beschränkung der Standortvorsorge auf die mit der RREP-Fortschreibung neu ausgewiesenen Vorranggebiete nicht überzeugend. Der Bedarf an Standorten für Testanlagen bestehe aller Voraussicht nach langfristig und nicht nur für die nächsten Jahre. Die planerische Vorhaltung solcher Standorte auch in bereits länger existie- renden Eignungsgebieten würde vielleicht nicht sofort geeignete Standorte verfügbar machen – mit dem Ende der Nutzungsdauer älterer Anlagen würden jedoch auch in den bereits früher ausgewiesenen Gebieten geeignete Standorte für Testanlagen entstehen. Für eine solche Er- weiterung des Standortangebotes für Prototypen spreche auch die vom Planungsverband selbst getroffene Einschätzung aus der Abwägungsdokumentation vom November 2018, es könne aktuell nicht mehr davon ausgegangen werden, dass diese Gebiete den Standortbedarf im gesamten Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung decken werden. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg weist am Bei- spiel des Vorranggebietes Schlage auf mögliche Probleme bei der Umsetzung der Prototy- penregelung hin. In diesem Gebiet seien derzeit bereits sechs Prototypen zur Genehmigung beantragt. Die geplanten Standorte dieser Anlagen befänden sich jedoch nicht ausschließlich in Randlage des Vorranggebietes. Würden diese sechs Anlagen genehmigt, entstünde nach Auffassung des Amtes eine unklare Situation: Einerseits wäre die im RREP festgelegte Min- destanzahl von Prototypen damit bereits annähernd erreicht; andererseits würden im freien, südlichen Teil des Vorranggebietes noch mehrere weitere Standorte verbleiben, die ausweis- lich des vom Planungsverband veröffentlichten Gutachtens die Voraussetzungen für eine Pro-

427 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 totypenvermessung erfüllen würden. Es erschiene in diesem Fall zweifelhaft, ob der Standort- vorsorge für Prototypen genüge getan wäre, sobald die im RREP festgelegte Richtzahl erreicht wäre, oder ob auch über diese Richtzahl hinaus die allgemeine Maßgabe gelte, dass vermes- sungsgeeignete Standorte im Vorranggebiet ausschließlich für diesen Zweck genutzt werden dürften. Auch bei der Definition des Begriffes „Prototyp“ in der RREP-Begründung glaubt das Amt Widersprüche zu erkennen: Einerseits werde davon ausgegangen, dass die „Mehrzahl der Hauptkomponenten“ neu sein müsse; andererseits sei von „einzelnen Hauptkomponenten“ die Rede, wenn es um die Unterscheidung von Varianten eines Prototypen gehe. Diese For- mulierungen ließen einen großen Interpretationsspielraum und sollten nach Ansicht des Amtes durch eindeutige Kriterien ersetzt werden. Das Amt wirft außerdem die Frage auf, ob nicht regelmäßig eine Prüfung der Genehmigungsanträge daraufhin erfolgen müsste, ob derselbe Prototyp nicht bereits in anderen Bundesländern oder an anderer Stelle in Mecklenburg-Vor- pommern errichtet oder genehmigt wurde. Das Amt regt an, eine entsprechende Erklärung des Anlagenherstellers ausdrücklich in die Aufzählung der beizubringenden Unterlagen in der RREP-Begründung aufzunehmen. Nicht eindeutig geregelt sei auch, wie bei der Genehmigung normaler Serienanlagen der in der RREP-Begründung geforderte Nachweis erbracht werden solle, dass Vermessungsstandorte im selben Vorranggebiet nicht beeinträchtigt würden. Das Amt weist darauf hin, dass die Einhaltung der Maßgaben des Satzes 6.5 (3) in jedem Einzelfall durch die Landesplanungsbehörde geprüft und die entsprechende Beurteilung der Anträge gegenüber der Genehmigungsbehörde nachvollziehbar dargelegt und begründet werden müsste. Der Verein Wind Energy Network e.V. sieht die Bereitstellung von Standorten für Prototypen als sehr wichtig an. Dadurch würden Industrie und Forschung in der Region gestärkt. Nur durch die Erprobung von Anlagen könnten technische Innovationen erfolgreich am Markt etabliert werden. Der Verein befürwortet die Reservierung entsprechender Standortkontingente in den Vorranggebieten, soweit damit die kommerzielle Windenergienutzung nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Mit den im Entwurf vom November 2018 enthaltenen Maßgaben sei keine solche unverhältnismäßige Einschränkung zu befürchten. Vielmehr würde die Technologieent- wicklung angemessen unterstützt, und es würden „Schaufenster“ für hochmoderne Anlagen bereitgestellt. Die Enercon GmbH begrüßt als global tätiger Hersteller von Windenergieanlagen die geplan- ten Regelungen zur Standortvorsorge für Prototypen. Die Verfügbarkeit entsprechender Standorte sei für das Unternehmen von großer Bedeutung, um den Anforderungen des Mark- tes bei der technischen Weiterentwicklung seiner Anlagen gerecht zu werden. Die ENO Energy GmbH begrüßt grundsätzlich die Vorhaltung von Standorten für Erprobungs- und Vermessungszwecke, hält aber die dazu im RREP-Entwurf vom November 2018 enthal- tenen Maßgaben teilweise für nicht sachgerecht. Auch das Verhältnis der Regelungen des Satzes 6.5 (3) zur nachfolgenden Ausnahmeklausel für Windenergieanlagen außerhalb der Vorranggebiete (Satz 6.5 (4)) sei vom Planungsverband noch nicht zweckmäßig bestimmt worden. Die Einwenderin nimmt zunächst Bezug auf die Begründung zum Satz 6.5 (3), wo- nach die Vorhaltung von Standorten für Prototypen in einem Vertrag gemäß § 14 Raumord- nungsgesetz zwischen dem Vorhabensträger und der Landesplanungsbehörde geregelt wer- den könnte. Die Einwenderin äußert Zweifel an der Zulässigkeit und Umsetzbarkeit solcher vertraglicher Vereinbarungen. Bereits aus wettbewerbsrechtlichen Gründen dürfte es unzuläs- sig sein, dass der Träger der Landesplanung zugunsten eines Vorhabensträgers (und damit zulasten anderer Vorhabensträger) Flächen reserviere. Auch sei nicht ersichtlich, wie auf die- sem Wege die erforderliche zivilrechtliche Vereinbarung mit dem Grundstückseigentümer, der vielleicht schon anderweitig gebunden sei, erzielt werden könne. Unrealistisch sei es auch, den jeweiligen Antragstellern eine Nachweispflicht aufzuerlegen, um sicherzustellen, dass die Nutzbarkeit verbleibender Flächen im selben Vorranggebiet nicht beeinträchtigt wird. Ein sol- cher Nachweis sei praktisch nicht zu führen. Jede Errichtung von Windenergieanlagen in ei- nem Vorranggebiet beeinträchtige die Nutzbarkeit der noch verbleibenden Flächen. Dies er- gebe sich schon aus der Tatsache, dass zwischen den Anlagen Mindestabstände eingehalten

428 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 werden müssen. Darüber hinaus sei festzustellen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Vor- ranggebiete, welche für Vermessungszwecke vorgehalten werden sollen, Restriktionen (zum Beispiel Höhenbeschränkungen der Flugsicherung) unterliege und deshalb für eine Vermes- sung aktueller Anlagengenerationen nicht geeignet sei. Vor diesem Hintergrund sieht es die Einwenderin als problematisch an, dass der Planungsverband die Errichtung von Prototypen auf die festgelegten Vorranggebiete beschränken möchte. Anlagenhersteller, die innerhalb der Vorranggebiete keine geeigneten Grundstücke für ihre Zwecke sichern konnten, hätten dann keine Möglichkeit auf Alternativstandorte auszuweichen. Dies könne im Einzelfall dazu führen, dass die Markteinführung einer neuen Anlagengeneration verzögert werde, weil der Hersteller die erforderlichen Vermessungen nicht durchführen könne. Es sei zwingend erforderlich, die Errichtung von Windenergieanlagen zu Vermessungszwecken weiterhin auch außerhalb der Vorranggebiete zuzulassen. Ebenso sei es erforderlich, dass sonstige Forschungs- und Er- probungsarbeiten auch an Anlagen innerhalb der Vorranggebiete durchgeführt werden kön- nen. Die vom Planungsverband bestimmten Voraussetzungen für die Errichtung von Anlagen innerhalb der Vorranggebiete („Vermessung“) und außerhalb der Vorranggebiete („Erfor- schung und Erprobung“) erscheinen der Einwenderin zu schematisch und nicht praxisgerecht. Bei wörtlicher Auslegung müsse dies dazu führen, dass eine neue Anlage in der Entwicklungs- und Erprobungsphase zunächst an einem Standort außerhalb der Vorranggebiete errichtet werden dürfte, bei Erreichung der Serienreife jedoch stillgelegt und zur Durchführung der dann erforderlichen Vermessungen in einem Vorranggebiet neu errichtet werden müsste (vgl. auch die im Abschnitt 10.2 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die BS Windertrag GmbH begrüßt die Änderungen, welche die geplante Prototypenregelung seit dem ersten Entwurf der RREP-Fortschreibung erfahren hat. Einige Einwände seien vom Planungsverband berücksichtigt worden. Dennoch blieben grundsätzliche Bedenken aufseiten der Einwenderin bestehen. Dies betreffe besonders den räumlichen Umfang der beabsichtig- ten Standortvorsorge. Das vom Planungsverband veröffentlichte Gutachten der Firma Wind- Consult gehe zum Teil von unrealistischen Annahmen aus. Allerdings habe der Gutachter in seinem Bericht selbst darauf hingewiesen, dass die von ihm für die Untersuchungsgebiete ermittelten Anzahlen möglicher Standorte als „optimale“ Richtwerte zu verstehen seien. Auf- bauend auf den Ergebnissen einer vorangegangenen Studie schätze der Gutachter den Standortbedarf für die Vermessung von Windenergieanlagen-Prototypen für ganz Mecklen- burg-Vorpommern auf 30 bis 40 Anlagenstandorte für einen Zeitraum von 10 Jahren. Die Ein- wenderin möchte nicht in Abrede stellen, dass der Region Rostock bei der Deckung dieses Standortbedarfes eine besondere Rolle zukomme. Dennoch erscheine die Geltung der Proto- typenregelung für gleich acht Vorranggebiete mit bis zu sieben Einzelstandorten je Gebiet überzogen. Das Beispiel des Prototypenstandortes Kankel mache deutlich, dass für diesen Zweck durchaus auch Standorte außerhalb der wenigen Vorranggebiete sinnvoll genutzt wer- den könnten. Das Gutachten der Firma Wind-Consult gehe offenbar davon aus, dass die Vor- ranggebiete einheitlich und von einer Hand überplant würden. Die örtlichen Eigentumsverhält- nisse, Restriktionen des Biotop- und Artenschutzes sowie der Flugsicherheit würden jedoch in Wirklichkeit dazu führen, dass sich solche idealisierten Bebauungskonzepte in keinem der be- treffenden Gebiete würden umsetzen lassen. Der vom Planungsverband gewählte Ansatz, die Standortvorsorge durch gebietsbezogene Richtzahlen zu gewährleisten, erscheint der Ein- wenderin deshalb nicht sachgerecht. Der Umfang der Vorranggebiete, die der Prototypenre- gelung unterfallen, sollte angemessen reduziert werden – zumal auch die anderen Planungs- verbände (unter anderen Vorpommern) beabsichtigten, zahlreiche sogenannte Testfelder festzulegen. Ein Bedarf in diesem Umfang sei nicht gegeben. Der Planungsverband müsse außerdem bedenken, dass viele der betreffenden Vorranggebiete bereits Nutzungsbeschrän- kungen der Flugsicherung unterliegen, sodass hier die Prototypenregelung als zusätzliche Einschränkung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit hinzukäme. Dies stehe im Widerspruch zu der erklärten Absicht, die öffentliche Akzeptanz der Windparks durch wirtschaftliche Teilhabe der Bürger und Gemeinden zu fördern.

429 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) kritisiert, dass die ursprünglich vorgesehene Befristung der Betriebs- dauer für Prototypen im dritten Entwurf der RREP-Fortschreibung entfallen ist. Eine unbe- grenzte Laufzeit sei nicht im Sinne einer umweltverträglichen Nutzung der Vorranggebiete. Die Betriebsdauer der Anlagen müsse verbindlich auf fünf Jahre festgeschrieben werden. Die Ein- wenderin fordert außerdem, dass die gesetzliche Pflicht zur Beteiligung von Bürgern und Ge- meinden an Windparks nicht durch Sonderregelungen für Prototypen ausgehebelt werden dürfe.

10.1.3 Zusammengefasste Abwägung Mit den Regelungen zur Standortvorsorge für Windenergieanlagen-Prototypen reagiert der Planungsverband auf die stetige Nachfrage nach entsprechenden Standorten, die in der Re- gion Rostock während der letzten Jahre zu verzeichnen war. Die zu den früher veröffentlichten Entwürfen der RREP-Fortschreibung von verschiedenen Einwendern gegebenen Hinweise wurden vom Planungsverband weitestmöglich aufgegriffen. Darüber hinaus stützen sich die Erwägungen des Planungsverbandes maßgeblich auf zwei Gutachten der Firma Wind-Con- sult, die in den Jahren 2013 und 2018 erarbeitet wurden und die auf den Internetseiten des Planungsverbandes für die Öffentlichkeit einsehbar sind. Das erste Gutachten beschreibt in allgemeiner Weise die Vermessungsarbeiten, die zur Markteinführung einer neuen Windener- gieanlage regelmäßig erforderlich sind. Es werden die besonderen Standortanforderungen be- schrieben, die solche Vermessungen an Prototypen mit sich bringen. Außerdem haben die Gutachter auf der Grundlage einer Unternehmensbefragung den absehbaren Standortbedarf für solche Anlagen abgeschätzt. Im zweiten Gutachten wurde das spezifische Standortpoten- zial der geplanten Eignungsgebiete untersucht und beschrieben. Auf der Grundlage des letz- teren Gutachtens hat der Planungsverband die in der Begründung zum Satz 6.5 (3) des RREP angegebenen Richtzahlen für Prototypenstandorte in den festgelegten Vorranggebieten be- stimmt. Ein Bürger aus Petschow stellt die Frage nach der Rechtfertigung einer besonderen Stand- ortvorsorge und verbindet dies mit der Grundsatzfrage, ob die Windenergietechnik überhaupt noch einer besonderen Förderung bedarf. Der Planungsverband geht davon aus, dass diese Förderung nach wie vor ihre Berechtigung hat, jedoch in absehbarer Zeit auslaufen wird, weil die Windenergienutzung bereits nahezu konkurrenzfähig zur konventionellen Stromerzeugung ist. Der Einwender führt zutreffend aus, dass mit den jeweils neuesten Anlagengenerationen meist nur graduelle Weiterentwicklungen und keine grundlegenden Innovationen umgesetzt werden. Eben dieser Prozess fortlaufender gradueller Weiterentwicklungen, der über drei Jahrzehnte verlief, hat jedoch dazu geführt, dass heute eine leistungsfähige und wirtschaftliche Technologie zur Verfügung steht, die in großem Maßstab eingesetzt werden kann. Die ein- schlägige Entwicklungstätigkeit der Anlagenhersteller liegt insoweit auch im öffentlichen Inte- resse und rechtfertigt nach Auffassung des Planungsverbandes sowohl die besonderen finan- ziellen Fördermechanismen, die auf Bundesebene etabliert wurden, als auch eine planerische Standortvorsorge für die Vermessung von Prototypen durch die Regionalplanung. Die Mah- nung des Einwenders, dass in der nächsten Zeit die Weiterentwicklung von Technologien der Speicherung und weiteren Umwandlung von Strom aus Windenergieanlagen im Vordergrund stehen müsse, ist sicherlich berechtigt. Dies ist jedoch nicht vorrangig ein Standortproblem, das von der Regionalplanung zu lösen wäre, und es stellt auch die weitere Entwicklungstätig- keit an den Windenergieanlagen selbst nicht in Frage. Der Hinweis des Einwenders, dass bei der Entwicklung neuer Anlagen vornehmlich rechnergestützte Simulationsverfahren zum Ein- satz kommen, ist ebenso berechtigt. Der Einsatz solcher Verfahren ändert jedoch nichts daran, dass eine neue Anlage einmal unter Realbedingungen vermessen werden muss, bevor sie als Serienanlage auf den Markt gebracht werden kann. Der vergleichsweise hohe Stellenwert, welcher der Standortvorsorge für Prototypen in der Region Rostock beigemessen wird, ist gerechtfertigt durch die besondere Bedeutung

430 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 der Windenergiewirtschaft in dieser Region. Der Planungsverband hatte seine diesbezügli- chen Erwägungen bereits in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 dargelegt und hält im Ergebnis der abschließenden Abwägung daran fest. Das Bestreben von Windparkbetrei- bern und Projektentwicklern, die Vorranggebiete möglichst einträglich zu nutzen und zugleich auch eine finanzielle Beteiligung der Bürger und Gemeinden zu ermöglichen, ist nachvollzieh- bar und berechtigt – aus regionalwirtschaftlicher Sicht kann diesem Bestreben jedoch kein höherer Stellenwert beigemessen werden als der Bereitstellung notwendiger Standorte für die Markteinführung neuer Anlagentypen. Wenn bestimmte Vorranggebiete vergleichsweise gute Bedingungen für die Vermessung von Prototypen bieten, ist es gerechtfertigt, die Gewinninte- ressen von Grundstückseigentümern und Windparkbetreibern hinter die regionalwirtschaftli- chen Interessen zurücktreten zu lassen. Der Verweis einiger Einwender auf entsprechende Regelungen in benachbarten Regionen, die den besonderen Bedarf in der Region Rostock relativieren würden, trifft nur bedingt zu. Die aktuellen Entwürfe zur Fortschreibung der drei anderen RREP in Mecklenburg-Vorpommern räumen dem Forschungs- und Entwicklungsbe- darf der Windenergiewirtschaft nicht alle den gleichen Stellenwert ein. Das besondere Augen- merk, das in der Region Rostock auf diesen Bedarf gerichtet wird, ist deshalb sehr wohl be- gründet. Der Planungsverband weist außerdem darauf hin, dass die ursprünglich geplante Laufzeitbefristung für Prototypen mit der letzten Überarbeitung des Fortschreibungsentwurfes aufgegeben wurde, sodass auch diese Anlagen grundsätzlich gewinnbringend betrieben wer- den können. Die von mehreren Einwendern erneut aufgeworfene Frage nach dem tatsächlichen Bedarf an Prototypenstandorten im Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung kann nicht mit Sicher- heit beantwortet werden. Der Planungsverband hat auf entsprechende Unwägbarkeiten schon in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 hingewiesen. Die ENO Energy GmbH ver- weist zu Recht auf Höhenbeschränkungen der Flugsicherung, die sich mit wachsenden Anla- gengrößen zunehmend auf die Nutzbarkeit potenzieller Prototypenstandorte auswirken. Dies kann dazu führen, dass die interessierten Firmen in Zukunft häufiger auf Standorte in anderen Regionen ausweichen müssen, wo sich solche Restriktionen weniger großflächig auswirken. Die jüngste Entwicklung mit den zuletzt erkennbar gewordenen Auswirkungen der neuen Marktregulierung auf den bundesweiten Ausbau der Windenergienutzung und die wirtschaftli- che Lage der Unternehmen macht es für die abschließende Abwägung nochmals schwieriger, den Bedarf an Prototypenstandorten für den Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung re- alistisch einzuschätzen. Der Planungsverband geht davon aus, dass mit den getroffenen Re- gelungen in einem für die absehbare Zukunft hinreichenden Umfang Vorsorge getroffen wird. Auch die Frage nach der Bestimmtheit der getroffenen Festlegungen war, insbesondere vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt als zuständiger Genehmigungsbehörde, schon bei früheren Auslegungen aufgeworfen worden. Der Planungsverband hat die in der Begründung zum Satz 6.5 (3) enthaltenen Maßgaben mit der letzten Überarbeitung des Ent- wurfes im Jahr 2018 wesentlich ergänzt und präzisiert. Eine noch nähere Bestimmung ist kaum möglich, weil, wie von anderen Einwendern zutreffend ausgeführt wird, die tatsächliche Nutz- barkeit der Vorranggebiete später maßgeblich von der Größe der gewählten Anlagen, der Ver- fügbarkeit der Grundstücke sowie kleinräumig wirksamen Genehmigungshindernissen wie Bi- otopen und Waldstücken bestimmt wird. Es ist unmöglich, auf der Ebene der Regionalplanung die denkbaren Windparkkonstellationen in jedem Vorranggebiet so abschließend zu untersu- chen und verbindlich vorzuschreiben, dass im späteren Genehmigungsverfahren keinerlei be- hördliche Einzelfallprüfung mehr erforderlich wäre. Die hier gegebene Verantwortung der Ge- nehmigungsbehörde geht aber nicht über die Verantwortung hinaus, die bei der Entscheidung über andere genehmigungsrechtliche Belange ohnehin wahrzunehmen ist: Sie beschränkt sich auf die kleinräumige Anordnung der Anlagenstandorte in den Vorranggebieten. Der vom Amt bemerkte Widerspruch in der Begriffsbestimmung des Prototypen ist tatsächlich keiner, weil sich die zuerst genannte Definition auf eine neu eingeführte Baureihe und die zweite De- finition auf Typvarianten derselben Baureihe bezieht. Die vom Amt am Beispiel des Vorrang- gebietes Schlage aufgezeigte Problematik kann tatsächlich auftreten, wenn sich im Ergebnis

431 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 einer konkreten Windparkplanung ergibt, dass die in der Begründung zum Satz 6.5 (3) ange- gebenen Richtwerte nicht erreicht oder überschritten werden können. Es handelt sich tatsäch- lich um Richtwerte, die der näheren Bestimmung (also der einzelfallbezogenen Auslegung) der rechtsverbindlichen Festlegung des Satzes 6.5 (3) dienen, aber nicht unmittelbar an der Rechtsverbindlichkeit teilnehmen. In Zweifelsfällen wäre nach Maßgabe des eigentlichen Pro- grammsatzes zu entscheiden – in dem Sinne, dass das Standortpotenzial für Prototypen im betreffenden Vorranggebiet vollständig auszunutzen ist. Mit dem vom Staatlichen Amt gege- benen Beispiel wird die Problematik jedoch überzeichnet. Das Amt setzt voraus, dass die der- zeit bekannten Planungen im Gebiet Schlage ausschließlich Prototypen nach der Begriffsbe- stimmung der RREP-Fortschreibung umfassten. Der Planungsverband geht davon aus, dass diese Annahme nicht zutrifft und dass in der Regel keine so großen Abweichungen zwischen dem gutachterlich ermittelten und dem tatsächlich realisierbaren Standortpotenzial auftreten werden. Aus den oben dargelegten Gründen hat der Planungsverband auch darauf verzichtet, inner- halb der Vorranggebiete Standorte oder Teilflächen für Prototypen zeichnerisch darzu- stellen. Dies wäre eine Vorwegnahme späterer Projektplanungen, die auf der Ebene der Re- gionalplanung nicht geleistet werden kann und soll. Die Kartendarstellungen im Gutachten der Firma Wind-Consult geben eine Orientierung, wie innerhalb der Vorranggebiete unter be- stimmten Voraussetzungen die Verteilung von Prototypen und normalen Anlagen erfolgen kann. Die Gutachter sind jedoch, wie von der BS Windertrag GmbH zutreffend bemerkt wird, von generalisierten Annahmen ausgegangen und konnten nicht sämtliche Randbedingungen kennen und berücksichtigen, die später bei einer realen Projektplanung zu beachten sind. Der von der BS Windertrag GmbH an die oben wiedergegebenen Überlegungen angeschlos- sene Vorwurf, dass der Planungsverband schon mit der Vorgabe gebietsbezogener Richt- werte für die Anzahl an Prototypen zu weit gehe, ist aus Sicht des Planungsverbandes nicht gerechtfertigt. Die allgemeine Zielfestlegung des Satzes 6.5 (3) wird damit räumlich und sach- lich insoweit näher bestimmt, dass alle Planungsbeteiligten die Auswirkungen der Regelung konkret erkennen können und die mit der Umsetzung befassten Behörden konkrete Maßgaben für die Beurteilung von Einzelvorhaben erhalten. Die nähere Bestimmung geht jedoch nicht soweit, dass spätere Projektplanungen innerhalb der Vorranggebiete in einer unsachgemä- ßen, dem Maßstab der Regionalplanung nicht mehr entsprechenden Weise eingeschränkt würden. Dem Einwand der ENO Energy GmbH, dass der im RREP für den Fall einer abschnittweisen Ausnutzung der Vorranggebiete geforderte Nachweis der Nutzbarkeit verbleibender Rest- flächen nicht zu erbringen sei, möchte der Planungsverband nicht folgen. Die für eine Anla- genvermessung notwendigen Standortvoraussetzungen sind in einschlägigen Normen genau bestimmt, sodass für jede gegebene Teilfläche innerhalb eines konkreten Vorranggebietes die entsprechende Nutzbarkeit durch einen Fachgutachter mit hoher Sicherheit eingeschätzt wer- den kann. Auch das Verhältnis der Regelungen des Satzes 6.5 (3) zur Ausnahmeregelung des Sat- zes 6.5 (4) war bereits Gegenstand von Einwendungen zu früheren Entwürfen. Der Planungs- verband geht davon aus, dass der Anwendungsbereich beider Regelungen in der Begründung des RREP hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Die Standortvorsorge innerhalb der Vorranggebiete gemäß Satz 6.5 (3) zielt auf die normgerechte Vermessung von Prototypen, die in den letzten Jahren den Großteil der forschungs- und entwicklungsbezogenen Standort- nachfrage ausmachte. Die Ausnahmeregelung gemäß Satz 6.5 (4) zielt auf andere Vorhaben mit Forschungs- und Entwicklungsbezug – insbesondere auf solche Vorhaben, deren Stand- ortanforderungen so speziell sind, dass sie innerhalb der Vorranggebiete nicht erfüllt werden können. Durch die Regelungen des RREP wird nicht ausgeschlossen, dass an Prototypen innerhalb der Vorranggebiete neben der normgerechten Vermessung auch weitergehende Forschungs- und Erprobungstätigkeiten durchgeführt werden. Ebensowenig wird ausge- schlossen, dass an besonderen Standorten außerhalb der Vorranggebiete auch reguläre Ver- messungsarbeiten stattfinden dürfen.

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Der NABU-Landesverband regt an, dass auch bereits ausgenutzte Eignungsgebiete in die Standortvorsorge für Prototypen einbezogen werden sollten. Der Planungsverband weist darauf hin, dass der Regelungsgehalt des Satzes 6.5 (3) und die näheren Bestimmungen in der zugehörigen Begründung auf unbebaute Flächen ausgerichtet sind und nicht einfach auf bereits ausgenutzte Eignungsgebiete übertragen werden könnten. Für diese Gebiete müsste gegebenenfalls eine weitergehende Regelung getroffen werden, welche auch die zielgerich- tete Koordination des Rückbaus von Altanlagen mit dem Neubau von Prototypen umfassen müsste. Der Planungsverband geht davon aus, dass schon die jetzt getroffene Regelung für die neuen Vorranggebiete ein gewisses Maß an Komplexität in der Umsetzung birgt. Eine ent- sprechende Regelung für die Altgebiete hätte noch komplexer ausfallen müssen. Der Pla- nungsverband nimmt hiervon Abstand und geht davon aus, dass mit den jetzt getroffenen Re- gelungen dem Standortbedarf für Prototypen in den nächsten Jahren hinreichend Raum gegeben wird. Unter den früher festgelegten Eignungsgebieten gibt es ohnehin nur wenige, die noch einen homogenen Bestand an Altanlagen aufweisen und nicht im Windschatten be- nachbarter Windparks liegen, sodass sie für die Neuerrichtung von Prototypen im Planungs- zeitraum der RREP-Fortschreibung überhaupt in Frage kämen. Die im Jahr 2011 festgelegten Eignungsgebiete Nr. 100/101 bis 114 kommen nicht in Betracht, weil die dort vorhandenen Anlagen erst in den letzten Jahren errichtet wurden, sodass die Gebiete im Planungszeitraum für neue Anlagen nicht zur Verfügung stehen. Unter den 1999 festgelegten Eignungsgebieten Nr. 1 bis 73 gibt es nur drei, welche mit der RREP-Fortschreibung nicht aufgehoben werden und die oben genannten Bedingungen erfüllen. Ein nennenswertes zusätzliches Standortpo- tenzial für Prototypen wäre mit diesen Gebieten nicht zu gewinnen. Ähnliche Anregungen mit umgekehrter Zielrichtung wurden in den vergangenen Jahren dahingehend gegeben, dass in den neuen Vorranggebieten Standorte für den Ersatz von Anlagen aus aufgehobenen Alteig- nungsgebieten reserviert werden sollten. Auch von solchen Überlegungen hat der Planungs- verband angesichts mangelnder Praktikabilität und nicht erkennbarer Rechtfertigung Abstand genommen. Der Vorschlag einer Einwenderin, dass die Vermessung von Prototypen konzentriert in einem einzigen großen Vorranggebiet erfolgen sollte, hat einiges für sich. In einzelnen Bundesländern gibt es tatsächlich extra zu diesem Zweck ausgewiesene Testfelder für Wind- energieanlagen. Der Planungsverband hat die Festlegung eines solchen Testfeldes auch für die Region Rostock erwogen, diese Erwägungen jedoch ergebnislos abschließen müssen. Der wesentliche Grund dafür ist, dass unter den potenziellen Eignungsgebieten kein hinreichend großes, günstig zur Hauptwindrichtung liegendes Gebiet identifiziert werden konnte, das eine freie Windanströmung bieten und die Errichtung von Anlagen ohne Beschränkungen zulassen würde. Die Gutachter von der Firma Wind-Consult haben die Eignungsgebiete auch unter die- sem Gesichtspunkt betrachtet und konnten keines der Gebiete für diesen Zweck empfehlen. Da in einem solchen Gebiet den Anlagenbetreibern sehr kurze Nutzungs- und Rückbaufristen auferlegt werden müssten, wären entsprechend hohe Anforderungen an die Standortqualität zu stellen. Ein solches Testfeld hätte eine gute Ergänzung, aber kein vollständiger Ersatz für die Vorhaltung von Prototypenstandorten in den regulären Vorranggebieten sein können. Es wäre in erster Linie für große Herstellerfirmen in Betracht gekommen, die mit kurzen Rückbau- fristen kalkulieren können. Kleinen und mittleren Betrieben ist dies in der Regel nicht möglich, sodass sie bei der Errichtung von Prototypen auf eine Mischkalkulation aus reinem Testbetrieb und kommerzieller Stromerzeugung setzen müssen. Der Vorschlag derselben Einwenderin, dass die Vermessung der Windenergieanlagen auf vorinstallierten Masten erfolgen sollte, er- scheint dem Planungsverband nicht ohne weiteres umsetzbar, weil nach Kenntnis des Pla- nungsverbandes in der Regel die konstruktive Einheit von Turm, Gondel und Rotor Gegen- stand der Erprobung und Vermessung ist. Ausgehend von den voranstehenden Ausführungen ist auch die von der Wählergruppe Freier Horizont gegebene Anregung zu bewerten, dass für Prototypen generell eine Laufzeitbefris- tung von fünf Jahren vorgeschrieben werden sollte. Damit würde die Möglichkeit der Errich- tung von Prototypen vorrangig für große Konzerne eröffnet, die in der Region Rostock nur

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Niederlassungen betreiben. Für kleine und mittlere Unternehmen, wie sie zum Teil in der Re- gion ansässig sind, wäre dies aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel keine Option. Im Sinne der regionalen Wirtschafts- und Technologieförderung wäre eine solche strenge Lauf- zeitbefristung deshalb nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf die Anwendung vertraglicher Vereinbarungen nach dem Raumordnungs- gesetz für die Umsetzung der Regelungen des Satzes 6.5 (3) liegen in der Region Rostock noch keine Erfahrungen vor. Die ENO Energy GmbH merkt zutreffend an, dass es der Lan- desplanungsbehörde nicht zusteht in den Wettbewerb der privaten Unternehmer einzugreifen, indem sie gezielt Grundstücke an einzelne Firmen vergeben würde. Dies ist nicht beabsichtigt und nach Einschätzung des Planungsverbandes auch kaum möglich, da die Landesplanungs- behörde nicht über eigene Grundstücke verfügt, die sie gezielt vergeben könnte. Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung könnte zum Beispiel sein, dass mehrere private Interessen- ten in einem Vorranggebiet sich über eine abschnittweise, zeitlich gestaffelte Ausnutzung im Sinne der RREP-Regelung abstimmen und die Landesplanungsbehörde mit ihrem Beitritt zum Vertrag die Konformität des Nutzungskonzeptes mit diesen Regelungen förmlich bestätigt – womit für die privaten Akteure dann Planungssicherheit zu Vorbereitung ihrer Genehmigungs- anträge geschaffen wäre.

10.2 Ausnahmeregelung für Anlagen außerhalb der Vorranggebiete

10.2.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Dobbin-Linstow, Benitz, Ziesendorf, Brookhusen, Appelhagen (vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel), Benitz, Petschow, Rakow und Jürgenshagen (mit Unterschriftenliste) • Stadt Schwaan • Stadt Tessin • Gemeinde Broderstorf • Enertrag AG, Dauerthal • NABU Mecklenburg-Vorpommern • Freier Horizont e.V., Penzlin • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Wind Energy Network e.V., Rostock • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock • ENO Energy GmbH, Rerik • BS Windertrag GmbH, Berlin • BUND M-V e.V. – Regionalbüro Rostock • BWE Bundesverband Windenergie – Landesverband MV, Sternberg • Wind-Projekt GmbH, Börgerende • Gemeinde Benitz • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow

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10.2.2 Wesentliche Einwände, Hinweise und Anregungen Ein Bürger aus Dobbin-Linstow steht dem weiteren Ausbau der Windenergienutzung kritisch gegenüber und begrüßt, dass der Planungsverband bei der letzten Überarbeitung seines Ent- wurfes die Belange von Artenschutz, Tourismus, Natur- und Landschaftsschutz im Teilraum südlich der Bundesstraße 104 gebührender als bisher berücksichtigt habe. Folgerichtig müsse jedoch dieser Teil der Region auch für die ausnahmsweise Zulassung von Windenergieanla- gen tabu sein. Mehrere Bürger aus Benitz kritisieren, dass die Ausnahmeregelung die mit dem Satz 6.5 (1) beabsichtigte Konzentrationswirkung in Frage stelle, sie eigentlich sogar wieder aufhebe. Die Ausnahmeregelung sollte deshalb gestrichen werden. Prototypen sollten nach Auffassung der Einwender innerhalb von Windparks errichtet werden. Die Zulassung von Ausnahmen außer- halb der Vorranggebiete würde zu einer weiteren Verschandelung der Landschaft führen und die wachsende Aversion der Bürgerinnen und Bürger gegen den Bau von Windenergieanlagen fördern. Bürger aus Ziesendorf befürchten, dass die Ausnahmeregelung gemäß Satz 6.5 (4) des RREP bezüglich der Vorhaben zu Forschungs- und Erprobungszwecken zu weit gefasst sei. Nach Auffassung der Einwender müssten für solche Vorhaben die standörtlichen Vorausset- zungen sehr restriktiv gefasst werden, indem die regelmäßigen Schutzabstände zu den Wohn- orten und zu schutzwürdigen Landschaftsräumen zu verdoppeln und größere Abstände zu öffentlichen Verkehrswegen einzuhalten seien. Es handle sich um einen Probebetrieb, die An- lagen hätten noch keine reguläre Zulassung, und mit Havarien sei zu rechnen. Die Einwender führen als Beispiel die aktuelle Planung zweier Test-Windenergieanlagen bei Bröbberow an, die vom Planungsverband in den Entwurfsunterlagen vom November 2018 mit keinem Wort erwähnt worden sei. Trotz der Nähe zu mehreren Ortschaften sowie zu einem Naturschutzge- biet werde offensichtlich immer noch weiter an dieser Planung gearbeitet. Ein Bürger aus Brookhusen bezieht sich ebenfalls auf das aktuelle Vorhaben bei Bröbberow und führt diverse Gründe an, warum aus seiner Sicht an diesem Standort keine Windenergie- anlagen zugelassen werden dürften. Der Einwender bittet darum, dieses Gebiet zur „Sperr- zone“ für Windenergieanlagen zu erklären. Eigentlich möchte der Einwender die Errichtung von Windenergieanlagen außerhalb der Vorranggebiete generell unterbunden wissen. Zumin- dest sollten die Hürden für Ausnahmegenehmigungen so hoch gelegt werden, dass die Bürger sich auf die Gebietsfestlegungen des RREP verlassen könnten – und nicht in ständiger Angst leben müssten, dass vor ihrer Haustür jederzeit neue Anlagen per Ausnahme genehmigt wer- den könnten. Eine Bürgerin aus Appelhagen, vertreten durch die Rechtsanwälte Weißleder Ewer aus Kiel, hält die Ausnahmeregelung für nicht gerechtfertigt. In ihrer Unbestimmtheit sei die Regelung geradezu willkürlich. Es bleibe zum Beispiel unklar, was unter „besonderen technischen und betrieblichen Anforderungen“ zu verstehen sei und wie die Formulierung „in der Regel“ bezüg- lich der Befristung der Betriebsdauer und der Erforderlichkeit eines Raumordnungsverfahrens auszulegen sei. Zu ersterem Aspekt bemerkt die Einwenderin, dass die Verknüpfung von Aus- nahmevoraussetzungen mit wirtschaftlichen Interessen unzulässig sei. Zu letzterem Aspekt stellt die Einwenderin die rhetorische Frage, in welchen Fällen – angesichts heute üblicher Anlagenhöhen von bis zu 240 Metern – denn wohl kein Raumordnungsverfahren erforderlich sein könnte? Wenn es sich nicht um sogenannte Kleinwindkraftanlagen handle, sei eigentlich in jedem Fall von einer Raumbedeutsamkeit auszugehen. Die Ausnahmeregelung laufe dem Anliegen des Gesetzgebers zuwider, der mit den einschlägigen Bestimmungen im § 35 (3) des Baugesetzbuches den regionalplanerischen Festlegungen eine Ausschlusswirkung zugedacht habe. Der Entwurf des Planungsverbandes vermittle Planungsunsicherheit anstelle der ange- strebten Planungssicherheit. In Mecklenburg-Vorpommern würden seit Jahren Raumord- nungsverfahren für Windparks aufgrund sogenannter Zielabweichungen durchgeführt. In den meisten Fällen würden dafür Gründe der Wissenschaft und Forschung angegeben. Durch die

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Häufigkeit dieser Begründung entstehe der Eindruck, dass über die Ausnahmeregelung Stand- orte für Windenergieanlagen verfügbar gemacht werden sollten, die ansonsten unzulässig wä- ren. In seiner Abwägungsdokumentation vom November 2018 habe der Planungsverband selbst festgestellt, dass nahezu alle geplanten Eignungsgebiete mehr oder weniger große Teil- flächen aufwiesen, die für einen Erprobungs- und Vermessungsbetrieb in Frage kämen. Vor diesem Hintergrund müsse die Ausnahmeregelung als rechtswidrig angesehen werden. Eine Bürgerin aus Benitz bezieht sich in ihrer Stellungnahme hauptsächlich auf einen Antrag zur Genehmigung zweier Windenergieanlagen bei Bröbberow, der den zuständigen Behörden im Jahr 2018 vorlag. Die von der Einwenderin vorgetragenen Bedenken gegen dieses kon- krete Vorhaben werden hier nicht ausführlich wiedergegeben, weil weder das Vorhaben noch dessen geplanter Standort Gegenstand der RREP-Fortschreibung sind. Am betreffenden Standort ist kein Vorranggebiet für Windenergieanlagen vorgesehen, und der Antrag wurde durch die Genehmigungsbehörde abgelehnt. Die Einwenderin macht jedoch auch allgemeine Ausführungen zum Planungskonzept der RREP-Fortschreibung, die Gegenstand der Abwä- gung sein müssen. Dies betrifft die generelle Gewichtung von wirtschaftlichen und sonstigen Belangen sowie die Abstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnorten, die aus Sicht der Einwenderin zu gering bemessen sind (vgl. hierzu die in den Abschnitten 4.1 und 5.1 wie- dergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Einwenderin lehnt die Zulassung von Windenergieanlagen ab, soweit damit vorrangig privatwirtschaftliche Interessen bedient werden sollten. Im Fall des fraglichen Vorhabens bei Bröbberow befürchtet die Einwenderin, dass normale Windenergieanlagen „unter dem Deckmantel“ der Forschung und Entwicklung errichtet werden sollten. Grundsätzlich sollten nach Ansicht der Einwenderin solche Anlagen nicht gegen den Willen der betroffenen Gemeinden zugelassen werden. Mehrere Bürger aus Benitz setzen sich in einer ausführlichen Stellungnahme ebenfalls mit einem aktuellen Genehmigungsantrag für (zuletzt) eine Windenergieanlage bei Bröbberow auseinander, welche dort zu Erprobungszwecken errichtet werden sollte. Die Bürger befürch- ten, dass mit der im Jahr 2018 erfolgten Ablehnung des Antrages das Vorhaben noch nicht endgültig aufgegeben worden sei und dass, angesichts einer positiven Stellungnahme der Landesplanungsbehörde, Bröbberow weiterhin als potenzieller Standort für Windenergieanla- gen betrachtet würde. Die Einwender legen dar, warum aus Gründen des Natur- und Land- schaftsschutzes, der Verkehrssicherheit sowie des Schutzes der Anwohner der betreffende Standort aus ihrer Sicht ungeeignet ist. Obwohl die bei diesem Vorhaben geplanten Abstände zu den umliegenden Wohnorten besonders groß waren, werden sie von den Einwendern für zu gering gehalten (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 5.1 wiedergegebenen Ausführungen der- selben Einwender). Das abgelehnte Vorhaben war in der Gemeinde Bröbberow durch die An- tragsteller vorgestellt worden. Deren Erläuterungen zum Erprobungszweck des Vorhabens seien unkonkret gewesen und hätten die Bürger nicht überzeugen können. Es sei nicht aus- zuschließen, dass Forschung und Entwicklung lediglich als Vorwand dienen sollten, um die Anlage außerhalb eines Eignungsgebietes errichten zu dürfen. Mit der Zulassung solcher Aus- nahmen werde das Vertrauen der Bürger in die Politik nachhaltig gestört. Die Einwender for- dern, dass Windenergieanlagen-Prototypen nur noch innerhalb der festgelegten Eignungsge- biete errichtet werden dürften und dass Ausnahmen nicht mehr zugelassen werden. Ein Bürger aus Petschow setzt sich grundsätzlich kritisch mit der Förderung von Windener- gieanlagen-Prototypen auseinander (vgl. hierzu die im Abschnitt 10.1 ausführlicher wiederge- gebenen Ausführungen desselben Einwenders). Wenn die Windenergie jemals eine gewich- tige Rolle in der Energiewende übernehmen solle, müsse der überschüssige Strom gespeichert werden, um ihn dann verbrauchen zu können, wenn Bedarf bestehe. Allein auf diese wichtige Aufgabe solle der Staat seine Förderpolitik konzentrieren. Alles andere sei Kli- entelpolitik, die keine nachhaltigen Effekte, insbesondere nicht auf den Erhalt von Arbeitsplät- zen, haben werde. Ein Bürger aus Ziesendorf bemängelt, dass der Tatbestand der Erforschung und Erprobung im Satz 6.5 (4) der RREP-Fortschreibung nicht präzise genug sei. Mit dieser offenen Formu- lierung werde einer Verfahrensweise Tür und Tor geöffnet, die durch die Regionalplanung

436 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 doch eigentlich verhindert werden sollte. Nach Auffassung des Einwenders müsste die Zulas- sung von Windenergieanlagen außerhalb der Eignungsgebiete ganz speziellen Bedingungen unterworfen werden, wozu auch wesentlich erhöhte Abstände zu Schutzgebieten und schutz- würdigen Nutzungen gehören müssten. Ebenso müsse eine Überbauung und Beeinträchti- gung von öffentlichen Verkehrswegen ausgeschlossen werden, denn es handle sich um einen Probebetrieb von Anlagen, die noch keine reguläre Zulassung erhalten hätten. Mit Havarien müsse also gerechnet werden. Bürger aus Jürgenshagen befürchten eine Beeinträchtigung der Landschaft durch weitere Einzelanlagen, die zu Forschungs- und Erprobungszwecken außerhalb der Vorranggebiete errichtet werden könnten. Die Einwender verweisen dazu auf die beiden im Jahr 2018 errich- teten Anlagen bei Hof Tatschow. Die Zulassung solcher Einzelanlagen in der Gemeinde Jürgenshagen wird von den Einwendern strikt abgelehnt. Auch aus Sicht der Stadt Schwaan besteht die Gefahr, dass mit der Ausnahmeregelung die beabsichtigte Konzentration der Windenergieanlagen innerhalb der Vorranggebiete unterlau- fen würde. Konkret besteht diese Sorge bezüglich des Freiraumes zwischen Satow, Bützow und Schwaan, in dem der Planungsverband auf die Festlegung weiterer Vorranggebiete be- wusst verzichtet hat. Die Stadt befürchtet, dass hier über die Ausnahmeregelung dennoch Windenergieanlagen errichtet werden könnten. Die Möglichkeit der Ausnahme für Anlagen zu Forschungs- und Erprobungszwecken sollte deshalb aus dem RREP gestrichen werden. Die Stadt Tessin lehnt die Zulassung von Ausnahmen außerhalb der Vorranggebiete ab. Die Gemeinde Broderstorf lehnt die Errichtung von Windenergieanlagen-Prototypen per Aus- nahmegenehmigung auf ihrem Gebiet ab und regt nochmals die Anlage eines Prototypenre- gisters an. Die Enertrag AG weist auf die Bedeutung der sogenannten Sektorenkopplung für den weite- ren Ausbau der umweltfreundlichen Energieversorgung hin. Während im Bereich der Strom- erzeugung bundesweit mit 40% erneuerbaren Energiequellen bereits ein beachtlicher Anteil erreicht sei, seien in den Bereichen des Verkehrs und der Wärmeerzeugung noch deutlich größere Anstrengungen nötig. Die Förderung von Technologien zur Umwandlung von Strom in Wärme oder Gas sei somit wichtig – auch um den in Mecklenburg-Vorpommern erzeugten Strom vermehrt hier zu nutzen und ihn nicht mit Hochspannungsleitungen über weite Entfer- nungen abtransportieren zu müssen. Die bestehende Ausnahmeregelung für Windenergiean- lagen-Prototypen habe sich für die Anlagenhersteller bewährt und zur guten Entwicklung die- ses Wirtschaftszweiges in der Region Rostock beigetragen. Im Bereich der Sektorenkopplung seien einige Unternehmen in der Region Rostock aktiv, um entsprechende Technologien zur Einsatzreife zu bringen. Um diese Ansätze und die damit verbundene Forschungs- und Ent- wicklungstätigkeit besser zu fördern, regt die Einwenderin an, in die bestehende Ausnahmere- gelung ausdrücklich auch Anlagen der Sektorenkopplung im Industriemaßstab einzubeziehen. Die Einwenderin versteht darunter solche Vorhaben, die eine direkte Kopplung von Windener- gieanlagen mit technischen Anlagen zur Umwandlung und Zwischenspeicherung des erzeug- ten Stromes vorsehen. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern befürchtet, dass mit dem Ausnahmetatbestand der Eigenversorgung auch solche Windenergieanlagen zugelassen werden könnten, die nicht in einem direkten Bebauungszusammenhang mit dem Verbrauchsbetrieb stehen, sodass eine zunehmende Verbauung des Außenbereiches tendenziell begünstigt würde. Der NABU bittet um Überprüfung, ob die einschlägigen Bestimmungen des Baugesetzbuches ausreichen, um dieser Tendenz entgegenzuwirken, oder ob die Formulierung der Ausnahmeregelung im RREP nochmals angepasst werden sollte. Dem Ausnahmetatbestand der Forschung und Er- probung steht der NABU kritisch gegenüber, weil er ein Unterlaufen der mit der Festlegung von Eignungs- und Vorranggebieten beabsichtigten Ausschlusswirkung befürchtet. Grund- sätzlich sollte nach Ansicht des Einwenders der Standortbedarf für solche Vorhaben vollstän- dig innerhalb der Vorranggebiete abgedeckt werden (vgl. die im Abschnitt 10.1 wiedergege- benen Ausführungen desselben Einwenders). Für den Fall, dass der Planungsverband sich

437 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 für die Beibehaltung dieses Ausnahmetatbestandes entscheiden sollte, regt der Einwender an, diesen Tatbestand enger zu fassen, indem die diesbezüglich im Begründungsteil des RREP bereits enthaltenen einschränkenden Bedingungen in den Festlegungsteil übernommen wür- den und der Satz 6.5 (4) entsprechend ergänzt würde. Fragwürdig sei die Heranziehung der Vorranggebiete für Gewerbe und Industrie als pauschales Ausschlusskriterium für die Wind- energienutzung. Moderne Windenergieanlagen seien als Industrieanlagen anzusehen. Bei- spiele aus anderen Bundesländern zeigten, dass innerhalb von Industrie- und Gewerbegebie- ten zwar nicht ganze Windparks, aber durchaus mehrere Anlagen zur direkten Versorgung der ansässigen Betriebe errichtet werden könnten. Aus Umweltsicht sei der Aufbau von Stromer- zeugungskapazitäten in direkter Zuordnung zu gewerblichen Verbrauchern anzustreben. Der Einwender regt deshalb an, in die Begründung des RREP eine Klarstellung dahingehend auf- zunehmen, dass in den Vorranggebieten für Gewerbe und Industrie Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen nicht prinzipiell unzulässig seien. Der Verein Freier Horizont e.V. kritisiert die Ausnahmeregelung. Die Regionalplanung würde sich damit selbst aushebeln und die beabsichtigte Konzentration der Windenergienutzung auf ausgewählte Vorranggebiete unterlaufen. Bisherige Erfahrungen ließen die Befürchtung zu, dass die Ausnahmen zur Regel würden. Die Raumordnung sollte jedoch „Wildwuchs“ verhin- dern und nicht fördern. Windenergieanlagen zur Selbstversorgung des Betreibers könnten ebenso gut in Vorranggebieten errichtet werden, da sich Strom mittels Leitungen auch über größere Entfernungen transportieren lasse. Für Anlagen, die Forschungs- und Erprobungs- zwecken dienen, seien eigens Vorranggebiete vorgesehen. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg bemängelt, dass bei Anlagen zur Selbstversorgung der Begriff „überwiegend“ nicht genau bestimmt sei. Dieser sollte durch eine Prozentangabe präzisiert werden. Bei den Ausnahmen für For- schungs- und Erprobungszwecke sei der Begriff der „betrieblichen“ Anforderungen nicht hin- reichend bestimmt. Es stelle sich die Frage, ob damit auch wirtschaftliche Interessen des Be- treibers gemeint sein könnten. Unklar sei zudem, ob eine Ausnahme schon allein damit gerechtfertigt werden könnte, dass dem Antragsteller keine Grundstücke innerhalb von Vor- ranggebieten zur Verfügung stünden. Das Amt sieht dies nicht als hinreichende Rechtfertigung an und regt an, eine entsprechende Klarstellung in die RREP-Begründung aufzunehmen. Grundsätzlich sieht das Amt die Ausnahmeregelung kritisch. In der RREP-Begründung werde ausdrücklich die Zielsetzung bekundet, eine Verbauung der Landschaft mit Windenergieanla- gen an einer Vielzahl von Klein- und Einzelstandorten zur verhindern. Die Ausnahmeregelung laufe dieser Zielsetzung tendenziell zuwider. Nach den Erfahrungen des Amtes als zuständiger Genehmigungsbehörde riefen gerade Windenergievorhaben außerhalb der Eignungs- und Vorranggebiete in großem Umfang Bürgerproteste hervor, und die Genehmigungsentschei- dungen seien möglicherweise rechtlich angreifbar. Mit Bezug auf die im Abschnitt 3.10.2 der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthaltenen Zahlenangaben weist das Amt darauf hin, dass in den Jahren 2012 bis 2017 Ausnahmegenehmigungen für insgesamt 18 Windenergieanlagen erteilt wurden. Reguläre Genehmigungen seien im selben Zeitraum für insgesamt 178 Anlagen erteilt worden. In den vergangenen zwei Jahren seien fast ausschließ- lich Ausnahmeanträge für Prototypen gestellt worden. Der Verein Wind Energy Network e.V. begrüßt, dass die Zulassung von Windenergieanlagen zu Forschungs- und Erprobungszwecken in bestimmten Fällen auch zukünftig außerhalb der Vorranggebiete ermöglicht werden soll. Dies sei für die Region als Technologie- und Wissen- schaftsstandort von essenzieller Bedeutung. In den letzten Jahren habe sich allerdings ge- zeigt, dass neben der reinen Windenergienutzung auch die sogenannte Sektorenkopplung an Bedeutung gewinne. Der Erprobung solcher Technologien, die sich noch in einem relativ frü- hen Entwicklungsstadium befänden, sollte nach Ansicht des Einwenders mit den Regelungen des RREP ebenfalls Raum gegeben werden. Es wird deshalb angeregt, den im RREP defi- nierten Ausnahmetatbestand entsprechend zu erweitern, indem die Erprobung von Speicher- und Umwandlungstechnologien darin ausdrücklich einbezogen würde.

438 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie regt an, die Ausnahmeregelung für Anlagen zu Forschungs- und Erprobungszwecken aus dem RREP zu streichen. Diese Rege- lung sei in den vergangenen Jahren so großzügig ausgenutzt worden, dass die mit der Fest- legung von Eignungsgebieten beabsichtigte Steuerungswirkung in Frage gestellt worden sei. Die Konzentration der Windenergienutzung auf ausgewählte Eignungsgebiete diene dem Landschaftsschutz. Mit der Zulassung von Einzelanlagen, die aufgrund ihrer heute üblichen Größe sehr weiträumig auf das Landschaftsbild wirkten, würden ganze Teilräume ihren typi- schen Landschaftscharakter verlieren. Der Landkreis Rostock lehnt die Zulassung von Ausnahmen von der Ausschlusswirkung der Vorranggebiete ab. Mit der neu eingeführten Regelung des Satzes 6.5 (3) wonach für Wind- energieanlagen-Prototypen zukünftig Standortvorsorge innerhalb der Vorranggebiete getrof- fen werden soll, entfalle die Notwendigkeit für eine Ausnahmeregelung. Die bisherigen Erfah- rungen hätten im Übrigen gezeigt, dass die Beurteilung von Vorhaben anhand der im RREP genannten Voraussetzungen „Erforschung und Erprobung“ sowie „besondere Standortanfor- derungen“ schwierig gewesen sei. Der Landkreis glaubt, dass diese Beurteilung auch mit den im Begründungsteil des RREP jetzt enthaltenen Klarstellungen und Maßgaben nicht einfacher würde. Zudem stünde auch ohne die Ausnahmeregelung des RREP die Möglichkeit der Ziel- abweichung in Verbindung mit dem Raumordnungsverfahren auf der Grundlage des Landes- planungsgesetzes weiterhin als Instrument zur Verfügung, um Ausnahmen in einem geregel- ten Verfahren prüfen und zulassen zu können. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass künftig für Anlagen bis 50 Meter Höhe die generelle Zulässigkeit im Au- ßenbereich ohnehin gegeben sein soll. Aus Sicht der unteren Naturschutzbehörde wurde be- reits durch die bisher großzügige Anwendung der Ausnahmeregelung das Ziel einer Konzent- ration der Windenergienutzung innerhalb der Eignungsgebiete unterlaufen. Auch Einzelanlagen würden aufgrund ihrer Größe sehr große Räume beeinträchtigen, was dazu führen könne, dass ganze Teilräume der Region ihren landschaftstypischen Charakter verlö- ren. Zudem habe die Vergangenheit gezeigt, dass sich gesetzlich geforderte Alternativenprü- fungen beim Biotop- und Artenschutz im Rahmen der Beurteilung von Ausnahmeanträgen nicht sachlich angemessen und rechtlich einwandfrei durchführen ließen, da in diesen Fällen grundsätzlich die gesamte Planungsregion als Standortsuchraum betrachtet werden müsse. Die ENO Energy GmbH begrüßt die Ausnahmeregelung, hält jedoch eine Präzisierung der dazu im Begründungsteil des RREP enthaltenen Maßgaben für erforderlich. Die Vorausset- zung „besonderer“ Standortanforderungen könnte bezüglich der Wind- und Geländeverhält- nisse dahingehend missverstanden werden, dass nur außergewöhnliche und singuläre Anfor- derungen eine Ausnahme rechtfertigen würden. Bei der Erforschung und Erprobung von Windenergieanlagen bestünden die besonderen Anforderungen regelmäßig darin, dass eine ungehinderte Windanströmung gegeben sein müsse, was innerhalb der Vorranggebiete meist nicht der Fall sei. Es gehe also nicht um standortklimatische Besonderheiten, sondern lediglich um die Freiheit von Fremdeinwirkungen. Diesbezüglich sollte eine Klarstellung im RREP erfol- gen. Die BS Windertrag GmbH kritisiert die Anwendung einer einheitlichen Mindestgröße von 35 Hektar bei der Auswahl der Vorranggebiete (vgl. hierzu die im Abschnitt 4.3 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Wenn der Planungsverband an diesem Richtwert fest- halten wolle, sollten potenzielle Eignungsflächen ab 20 Hektar zumindest von der Ausschluss- wirkung der Vorranggebiete ausgenommen werden, damit die betreffenden Gemeinden hier in ihren Flächennutzungsplänen selbst Gebiete für die Windenergienutzung darstellen können. Der BUND M-V (Regionalbüro Rostock) regt an, die Ausnahmeregelung des Satzes 6.5 (4) auf Windenergieanlagen in Industrie- und Gewerbegebieten zu erweitern, mit der Einschrän- kung, dass die gewerbliche Nutzung dieser Flächen nicht beeinträchtigt werden dürfe. In gro- ßen Industrie- und Gewerbegebieten seien oftmals großflächige Parkplätze und Lagerflächen vorhanden, auf denen Windenergieanlagen errichtet werden könnten. Dies treffe zum Beispiel auf den Rostocker Seehafen zu. Der Einwender hält eine solche Regelung auch angesichts

439 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 des insgesamt zu geringen Umfangs der für die Windenergienutzung vorgesehenen Vorrang- gebiete für erforderlich (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 4.2 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Der BWE-Landesverband MV schlägt vor, dass auch in bisherigen Eignungsgebieten, die mit der RREP-Fortschreibung aufgehoben werden, die Errichtung von Windenergieanlagen wei- terhin ermöglicht werden sollte. Gerade an solchen Standorten hätten die Anwohner bereits Erfahrungen mit der Windenergienutzung gemacht, und es sei eine Gewöhnung eingetreten. Soweit es dem Interesse der betreffenden Gemeinden entspreche, sollten diese Standorte für die Windenergienutzung erhalten bleiben. Durch die Regelungsmöglichkeiten der gemeindli- chen Bauleitplanung und die obligatorischen Prüfungen im immissionsschutzrechtlichen Ge- nehmigungsverfahren würden der Schutz der Anwohner gesichert, die gemeindlichen Interes- sen gewahrt und der Windenergienutzung geeigneter Raum zugestanden. Der Einwender schlägt vor, zu diesem Zweck die in der Nachbarregion Vorpommern vorgesehene „Öffnungs- klausel“ für die Region Rostock zu übernehmen. Darüber hinaus regt der Verband an, dass Windenergieanlagen in Verbindung mit Vorhaben der sogenannten Sektorenkopplung auch außerhalb der festgelegten Vorranggebiete zugelassen werden sollten (vgl. hierzu auch die im Abschnitt 10.3 wiedergegebenen Ausführungen desselben Einwenders). Dieses Anliegen werde durch die Grundsätze des Landesraumentwicklungsprogrammes von 2016 und die Energiepolitische Konzeption des Landes von 2015 gestützt. Auch der insgesamt sehr geringe Umfang der regulären Vorranggebiete für Windenergieanlagen lege eine Sonderregelung für Projekte der Sektorenkopplung nahe. Solche Projekte würden in der Regel von engagierten Unternehmen in Zusammenarbeit mit hiesigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen umgesetzt. Den Hochschulen müsse die Möglichkeit gegeben werden, Forschung an realen, leistungsfähigen Erzeugungsanlagen zu betreiben. Besondere Regelungen für Projekte der Sektorenkopplung seien deshalb auch im Sinne der Forschungs- und Technologieförderung wünschenswert. Die Wind-Projekt GmbH äußert sich gleichlautend wie der BWE. Die Gemeinde Benitz äußert sich zum Teil gleichlautend wie mehrere ortsansässige Bürger (siehe oben). Die Ausnahmeregelung stelle die mit dem Satz 6.5 (1) beabsichtigte Konzentra- tionswirkung in Frage, hebe sie eigentlich sogar wieder auf, und sollte deshalb gestrichen wer- den. Prototypen sollten nach Auffassung der Einwender innerhalb von Windparks errichtet werden. Die Zulassung von Ausnahmen außerhalb der Vorranggebiete würde zu einer weite- ren Verschandelung der Landschaft führen und die wachsende Aversion der Bürgerinnen und Bürger gegen den Bau von Windenergieanlagen fördern. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) spricht sich allgemein gegen einen – aus ihrer Sicht „unkontrollierten“ – weiteren Ausbau der Windenergienutzung aus. Der Entwurf zur RREP-Fortschreibung werde seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Die Raumordnung stelle Ziele und Grundsätze auf, die in sich bereits Ansätze zu ihrer Aushebelung enthielten. Die Einwenderin verweist hierzu insbesondere auf die Ausnahmeregelung des Satzes 6.5 (4) der RREP-Fortschreibung und äußert ihr Unverständnis darüber, dass eine solche Regelung überhaupt in den Entwurf auf- genommen worden ist. Kriterien, die normalerweise durch ein Vorranggebiet erfüllt werden müssten, würden außer Kraft gesetzt. Die Einwenderin spricht sich in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich gegen eine – in der RREP-Fortschreibung nicht enthaltene – „Öffnungs- klausel“ zugunsten gemeindlicher Planungen aus (vgl. hierzu die im Abschnitt 4.7 wiederge- gebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Regelungen, welche durch Formulierungen wie kann, darf oder soll zum Spielball beliebiger Auslegung werden müssten, seien durch Muss-Regelungen zu ersetzen. Programmsätze, die Ausnahmen vorsehen, seien zu streichen oder durch Festlegung unverrückbarer Ausschlusskriterien eindeutig zu bestimmen. Der Satz 6.5 (4) müsse entfallen.

440 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

10.2.3 Zusammengefasste Abwägung Die zur Ausnahmeregelung des bisherigen Satzes 6.5 (3) – jetzt 6.5 (4) – des RREP vorge- brachten Einwände geben im Wesentlichen nochmals das Spektrum der Argumente wie- der, die bereits zum zweiten Entwurf vorgetragen wurden. Hierzu wird auch auf die Aus- führungen in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 verwiesen. Im Ergebnis der abschließenden Abwägung hält der Planungsverband an der Ausnahmeregelung fest. Die Ausnahmeregelung für Anlagen außerhalb der Eignungs- und Vorranggebiete besteht seit vielen Jahren und hat sich aus Sicht des Planungsverbandes gut bewährt. Die von zahlreichen Einwendern befürchtete Wirkung, dass die Regionalplanung sich mit einer solchen Rege- lung selbst aushebeln und die Ausnahme schleichend zur Regel würde, kann in der Rückschau auf die letzten beiden Jahrzehnte nicht erkannt werden. Hierzu waren bereits Aus- führungen in der Abwägungsdokumentation vom November 2018 enthalten, die im Abschnitt 3.9 nochmals wiedergegeben sind. Die Feststellung des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt, dass in den allerletzten Jahren vorwiegend Ausnahmeanträge bearbeitet wurden, trifft zu. Dies ist aber weniger auf eine Inflationierung von Ausnahmen zurückzuführen als auf die Tatsache, dass Standorte für neue reguläre Windparkvorhaben in der Region Rostock zu- letzt nicht mehr verfügbar waren, sodass die Gesamtzahl der zur Genehmigung beantragten Anlagen drastisch zurückgegangen ist. Die Feststellung des Staatlichen Amtes ist im Übrigen dahingehend zu relativieren, dass ein großer Teil der Ausnahmen in geplanten (und mit der RREP-Fortschreibung nunmehr festgelegten) Vorranggebieten zugelassen wurde. Die von mehreren Einwendern beklagten Tendenzen des Unterlaufens der Regionalplanung und der flächenhaften Landschaftsveränderung wurden mit diesen Vorhaben jedenfalls nicht gefördert. Zutreffend ist allerdings, dass die zuständigen Behörden in den letzten Jahren die Ausnahme- voraussetzungen relativ weit ausgelegt haben und dass einige Ausnahmeentscheidungen getroffen wurden, die in der Öffentlichkeit umstritten waren. Der Planungsverband rea- giert darauf, indem die näheren Bestimmungen in der Begründung zum Satz 6.5 (4) mit der Fortschreibung des RREP wesentlich präzisiert und enger gefasst werden. Der nunmehr vor- gebrachten Kritik, dass die mit der Entwurfsfassung vom November 2018 zuletzt ergänzten Maßgaben zur Anwendung der Ausnahmeregelung immer noch zuviel Auslegungsspielraum enthielten, kann der Planungsverband nicht folgen. Sowohl bezüglich der sachlichen Voraus- setzungen als auch bezüglich der verfahrensmäßigen Anforderungen wird die Zulassung von Ausnahmen mit der Fortschreibung des RREP erheblich erschwert. Mehrere Einwender weisen darauf hin, dass für den bisher am häufigsten wirksam geworde- nen Ausnahmetatbestand, die reguläre Vermessung neu entwickelter Windenergieanlagen- Prototypen, nunmehr Vorsorge innerhalb der Vorranggebiete getroffen wird, sodass die Aus- nahmeregelung eigentlich ganz entbehrlich sei. Der Planungsverband folgt dieser Ein- schätzung nicht. Für die eigene Versorgung von Landwirtschafts- und Gewerbebetrieben kann die Errichtung von Einzelanlagen sinnvoll sein, die nicht unbedingt die maximale Größe der heute in Windparks eingesetzten Anlagen erreichen, die aufgrund ihrer Höhe aber dennoch raumbedeutsam sein können. Auch für Forschungs- oder Erprobungszwecke kann in Einzel- fällen die Errichtung von Anlagen am Standort des jeweiligen Betreibers sinnvoll und erforder- lich sein. Die Tatsache, dass diese beiden möglichen Ausnahmegründe in den letzten Jahr- zehnten kaum zum Tragen kamen, spricht nicht dafür, die Möglichkeit solcher Ausnahmen gänzlich zu unterbinden. Sie macht vielmehr deutlich, dass es sich tatsächlich um eine Rege- lung für wenige Ausnahmefälle handelt. In den letzten Jahren wurden zum Beispiel einzelne Anlagen am Rande von Industriegebieten in direkter Zuordnung zu den Herstellerbetrieben zugelassen. Für den Planungsverband ist kein Grund ersichtlich, warum solche Einzelfalllö- sungen zukünftig strikt verboten werden sollten. Das Verhältnis der Ausnahmeregelung zu der mit Satz 6.5 (3) der RREP-Fortschreibung getroffenen Festlegung zur Standortvorsorge für Prototypen ist Gegenstand mehrerer Einwände. Aus Sicht des Planungsverbandes geht der Anwendungsbereich beider Regelun-

441 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 gen aus der RREP-Begründung klar hervor. Die Nachfrage nach Standorten für die normge- rechte Vermessung von Windenergieanlagen-Prototypen trat in den vergangenen Jahren re- gelmäßig auf, sodass ein planerischer Umgang mit dieser Nachfrage innerhalb des Systems der Vorranggebiete geboten ist. Dazu dient die mit der RREP-Fortschreibung neu eingeführte Regelung des Satzes 6.5 (3). Sonstige Vorhaben zu Forschungs-, Entwicklungs- und Erpro- bungszwecken wurden dagegen nur selten beantragt. Sie waren in ihrer Größe und ihren Standortanforderungen sehr verschieden. Für den Planungszeitraum der RREP-Fortschrei- bung ist grundsätzlich damit zu rechnen, dass eine entsprechende Nachfrage auftreten wird. Diese ist jedoch in ihrer Art und ihrem Umfang nicht konkret vorhersehbar, sodass sich diese Vorhaben einer planerischen Standortvorsorge entziehen. Für den Umgang mit solchen Vor- haben ist eine Ausnahmeregelung, wie sie mit dem Satz 6.5 (4) getroffen wird, das geeignete Mittel. In der Begründung ist ausdrücklich klargestellt, dass ein Vorhaben nicht gemäß Satz (4) außerhalb der Vorranggebiete zugelassen werden kann, wenn es gemäß den Vorausset- zungen von Satz (3) auch innerhalb eines Vorranggebietes zugelassen werden könnte. Nicht folgen kann der Planungsverband der von einzelnen Einwendern vorgetragenen Kritik, dass Ausnahmen schon aus rechtlichen Gründen nicht zugelassen werden dürften. Das Raumordnungsgesetz sieht ausdrücklich vor, dass verbindliche Zielfestlegungen in den Raum- ordnungsplänen mit Ausnahmeklauseln verbunden werden können. Daran schließt sich die Frage nach der hinreichenden Bestimmtheit der Ausnahmeregelung an. Den Einwendern ist darin Recht zu geben, dass eine Ausnahmeregelung keine beliebigen Auslegungsspiel- räume eröffnen darf. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Möglichkeit der Ausnahme wird im Satz 6.5(4) auf zwei klar bestimmte Tatbestände beschränkt. In der Begründung zum Satz 6.5 (4) sind für die behördliche Auslegung ebenso klare Maßgaben enthalten. Damit ist eine für die Maßstabsebene der Regionalplanung hinreichende Bestimmbarkeit gegeben. Eine er- schöpfende Beschreibung aller denkbaren Ausnahmefälle in ihren technischen Einzelheiten wäre auf dieser Planungsebene weder möglich noch sinnvoll. Der Begriff der überwiegenden eigenen Versorgung bedarf keiner näheren Bestimmung, weil unter „überwiegend“ im allge- meinen Sprachgebrauch immer „mehr als zur Hälfte“ verstanden wird. Die Anregung des NABU-Landesverbandes, dass die im Begründungsteil des RREP ent- haltenen Maßgaben in den Festlegungsteil übernommen werden sollten, damit sie unmit- telbar an der Rechtsverbindlichkeit teilnehmen, wird nicht aufgegriffen. Die textlichen Festle- gungen in Form kurzer Programmsätze haben sich während der letzten Jahrzehnte in der behördlichen Anwendung bewährt und entsprechen den einschlägigen Empfehlungen der obersten Landesplanungsbehörde. Die näheren Bestimmungen im Begründungsteil machen die Intentionen des Planungsverbandes klar und verdeutlichen, wie der Verband selbst seine Festlegungen ausgelegt wissen möchte. Die zuständigen Behörden können diese Bestimmun- gen nicht einfach übergehen und eine eigene Auslegung des RREP an deren Stelle setzen. Insofern kommt den im Begründungsteil des RREP enthaltenen Maßgaben eine hohe Bin- dungswirkung zu. Die von einzelnen Einwendern kritisierten Soll-Bestimmungen hat der Planungsverband nur insoweit getroffen wie eine strikte Vorgabe nicht zweckmäßig erscheint. In der Begründung zum Satz 6.5 (4) betrifft dies die Durchführung von Raumordnungsverfahren zur Vorprüfung von Ausnahmebegehren im Hinblick auf die Erfordernisse der Raumordnung. Ein solches Ver- fahren dürfte immer sinnvoll sein, wenn es um eine große Windenergieanlage mit weiträumi- gen Auswirkungen auf das Landschaftsbild geht. Es kann dagegen verzichtbar sein, wenn es um eine kleinere oder mittelgroße Anlage geht, die zwar aufgrund ihrer Höhe als raumbedeut- sam gelten muss, jedoch keine überörtlichen Auswirkungen hätte. Der vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt für zu unbestimmt befundene Begriff der „betrieblichen“ Anforderungen wird beibehalten. Die Argumentation des Amtes läuft darauf hinaus, dass bei der Beurteilung von Ausnahmen eine strikte Trennung von technischen und wirtschaftlichen Anforderungen zu erfolgen habe und nur erstere für die behördliche Prüfung maßgebend sein dürften. Der Planungsverband hält eine solche strikte Trennung für

442 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 nicht möglich und nicht sinnvoll. Die Frage, ob zum Beispiel die Errichtung einer Windenergie- anlage zur Selbstversorgung eines Gewerbebetriebes am Standort dieses Betriebes zweck- mäßig ist, kann nicht unter rein technischen Gesichtspunkten beantwortet werden. Der Verein Freier Horizont weist zu Recht darauf hin, dass technisch kaum etwas dagegen spräche, sol- che Vorhaben sämtlich auf die Vorranggebiete zu verweisen. Es wäre aber betrieblich – im Hinblick auf das Verhältnis von Anlagengröße, Versorgungszweck und Anschlussaufwand – unzweckmäßig. Auch bei Vorhaben zu Erprobungszwecken dürfte in der Regel keine strikte Trennung zwischen reinem wissenschaftlich-technischen Erkenntnisinteresse und wirtschaft- lichen Interessen des Anlagenbetreibers möglich sein. Dem Argument, dass Vorhaben außerhalb der Vorranggebiete erforderlichenfalls auch durch eine förmliche Zielabweichung auf der Grundlage des Landesplanungsgesetztes ermög- licht werden könnten, folgt der Planungsverband nicht. Die einschlägigen gesetzlichen Anfor- derungen versteht der Planungsverband so, dass nur außergewöhnliche, zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht vorhersehbare Fälle eine förmliche Abweichung von den Zielen des RREP rechtfertigen – und dies auch nur dann, wenn diese Abweichung im Landesinteresse geboten ist. Die Ausnahmeregelung des RREP zielt dagegen auf vorhersehbare Fälle, deren Zulassung nicht notwendigerweise durch ein besonderes Landesinteresse begründet sein muss. Die Anregung einiger Bürger, dass für die Zulassung von Anlagen zu Forschungs- und Erprobungszwecken nochmals wesentlich strengere Standortanforderungen gelten müssten als für reguläre Windparks hält der Planungsverband für nicht begründet. Die an- geregte Verdopplung einschlägiger Abstandsrichtwerte würde das Standortpotenzial in der Region Rostock praktisch auf Null reduzieren und die Ausnahmeregelung obsolet machen. Hierzu wird auch auf die allgemeinen Ausführungen zur Kriterienauswahl in den vorderen Ab- schnitten dieser Abwägungsdokumentation und im Umweltbericht verwiesen. Die bei der Fest- legung regulärer Vorranggebiete angewandten Abstandsrichtwerte zum Schutz der Wohnorte gehen bereits weit über die nötigen Schutzabstände hinaus, die unter dem Gesichtspunkt der reinen Gefahrenabwehr erforderlich wären. Die Vermutung der Einwender, dass Anlagen, die sich noch im Stadium der Erprobung befinden, ein größeres Havariepotenzial aufwiesen, mag zutreffen. Dennoch müssen auch solche Anlagen einschlägige Anforderungen an die Betriebs- sicherheit erfüllen. Besondere Gefahren gehen von Windenergieanlagen generell nicht aus. Der Planungsverband erkennt auch keinen Grund, aus dem die Zulassung von Ausnahmen für bestimmte Teile der Region oder bestimmte Gemeinden von vornherein ausge- schlossen werden sollte. Die Beurteilung der Standorteignung muss sich in jedem Einzelfall nach den besonderen Anforderungen des Vorhabens und nach der Größe der geplanten Windenergieanlage richten. Die Beteiligung der Gemeinden bei der Zulassung von Ausnahmen wird mit der RREP-Fort- schreibung wesentlich verbessert, indem für große Anlagen in der Regel ein Raumordnungs- verfahren durchgeführt wird. Der Kritik verschiedener Einwender an der bisherigen Zulas- sungspraxis wird damit Rechnung getragen. Der Einwand der Naturschutzbehörde, dass die gesetzlich geforderte Prüfung von Standort- alternativen bei der Zulassung naturschutzrechtlicher Ausnahmen, für Vorhaben außer- halb festgelegter Vorranggebiete schwieriger ist, trifft in formaler Hinsicht zu, weil keine Alter- nativenprüfung auf der Ebene der Regionalplanung vorausgegangen ist. Aus Sicht des Planungsverbandes ist dies jedoch kein Grund, auf die Ausnahmeregelung im RREP zu ver- zichten. Der Planungsverband gibt vielmehr zu bedenken, dass ein Teil des Problems auch in der sehr extensiven behördlichen Auslegung der naturschutzrechtlichen Verbotstatbestände bestehen könnte, die erst dazu führt, dass sehr viele Vorhaben einer Ausnahmegenehmigung der Naturschutzbehörde bedürfen. Hierzu wird auch auf die grundsätzlichen Ausführungen zu den Verboten des Artenschutzes im Umweltbericht sowie im Abschnitt 5.7 dieser Abwägungs- dokumentation verwiesen. Bezüglich des Biotopschutzes dürfte das Problem eigentlich gar

443 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 nicht auftreten, weil nach Kenntnis des Planungsverbandes keine Windenergieanlagen inner- halb geschützter Biotope geplant und errichtet werden. Die bloße Nähe einer Windenergiean- lage zu einem geschützten Biotop fällt nach Auffassung des Planungsverbandes nicht unter die gesetzlichen Verbote. Mehrere Einwender regen an, dass die Ausnahmetatbestände im RREP wesentlich weiter ge- fasst werden sollten. Der Planungsverband folgt diesen Anregungen nicht. Ein ausdrücklicher Bezug auf Anlagen zur Zwischenspeicherung und weiteren Umwandlung von Strom aus Windenergie war im bislang geltenden RREP enthalten. Der Planungsverband hat diesen Passus aus der Planbegründung absichtlich gestrichen, um dem Missverständnis vorzubeu- gen, dass die bloße Verbindung einer Windenergieanlage mit einem Energiespeicher schon in jedem Fall einen Ausnahmegrund bilden würde. Dies ist nicht der Fall. Fallkonstellationen, in denen ein ortsgebundener Energiespeicher zu Forschungs- und Erprobungszwecken die Errichtung einer Windenergieanlage am selben Standort erfordert, werden dagegen durch die allgemeinen Maßgaben zur Anwendung der Ausnahmeregelung erfasst. Der Planungsver- band geht davon aus, dass der Einsatz von Speichertechnologien in den nächsten Jahren zum Standard wird und dass die weitere Entwicklung und Erprobung solcher Technologien keiner besonderen Standortvorsorge durch die Regionalplanung bedarf. Entsprechende Anlagen können sowohl erzeugernah bei regulären Windenergie-Vorranggebieten als auch verbrau- chernah in normalen Industrie- und Gewerbegebieten installiert werden. Ebenso ist eine Zu- ordnung solcher Anlagen zu den Umspannwerken im Stromnetz sowie zu den noch vorhan- denen konventionellen Kraftwerken möglich. Auch der Anregung, die Errichtung von Windenergieanlagen in Industrie- und Gewerbege- bieten als generellen Ausnahmetatbestand zuzulassen, wird nicht gefolgt. Sofern diese in klei- nem und mittlerem Maßstab zur eigenen Versorgung der örtlichen Betriebe erfolgt, ist die Zu- lassung aufgrund der Ausnahmeregelung ohnehin möglich. Für die Windenergienutzung in großem Maßstab sind Industrie- und Gewerbegebiete nach Auffassung des Planungsverban- des dagegen nicht geeignet, weil damit in der Regel Einschränkungen des eigentlichen Nut- zungszwecks einhergehen würden. Eine Erweiterung der Ausnahmeregelung auf potenzielle Eignungsflächen, welche die 35- Hektar-Mindestgröße nicht erreichen und von den betreffenden Gemeinden im Wege der Bauleitplanung für die Windenergienutzung verfügbar gemacht werden könnten, war bereits früher vorgeschlagen und vom Planungsverband verworfen worden. Im Ergebnis der abschlie- ßenden Abwägung kommt der Planungsverband zu keiner anderen Auffassung. Die Zulas- sung einer Vielzahl von Kleinstandorten würde der planerisch gewollten Zusammenfassung der Windenergieanlagen in ausgewählten Gebieten von jeweils nennenswerter Größe zuwi- derlaufen. Auch im rechtlichen Sinne wäre eine solche Regelung zumindest problematisch, weil sie anderen Planungsträgern eigene Planungs- und Abwägungsspielräume eröffnen würde, wo die Regionalplanung eigentlich zur abschließenden Abwägung gesetzlich verpflich- tet ist. Auf die im voranstehenden Absatz dargelegten rechtlichen Bedenken trifft auch die wiederholt vorgetragene Anregung, dass der Ersatz alter Windparks in aufgehobenen Eignungsge- bieten den Gemeinden durch eine sogenannte Öffnungsklausel ermöglicht werden sollte. Zum Umgang mit den früher festgelegten Eignungsgebieten, die den heutigen Anforderungen nicht mehr entsprechen, wird auf die umfangreichen Erwägungen verwiesen, die bereits in der Ab- wägungsdokumentation vom November 2018 dargelegt wurden und die in den Abschnitten 3.10 und 4.9 nochmals in den Grundzügen wiedergegeben sind.

444 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

10.3 Weitere Aspekte der Windenergienutzung

10.3.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Ziesendorf und Rakow • Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ im Landkreis Rostock, Tarnow • Gemeinde Warnkenhagen • Enertrag AG Dauerthal • BWE Bundesverband Windenergie – Landesverband M-V, Sternberg • Wind-Projekt GmbH, Börgerende

10.3.2 Einwände, Hinweise und Anregungen Bürger aus Ziesendorf fordern, dass den Gemeinden nicht nur das Recht einer wirtschaftli- chen Beteiligung an Windparks eingeräumt werden müsste. Zusätzlich müsste eine Beteili- gung am Gewinn (nicht nur dem bilanzierten Gewinn) verbindlich vorgeschrieben werden, denn die Einwohner der Standortgemeinden würden durch Schall und Schattenwurf der Anla- gen beeinträchtigt. Die Wählergruppe „Freier Horizont – Energiewende mit Augenmaß“ (gleichlautend eine Bürgerin aus Rakow) spricht sich gegen einen – aus ihrer Sicht „unkontrollierten“ – weiteren Ausbau der Windenergienutzung aus. Im Umkreis von Bützow, Carinerland und anderen Orten seien bereits Räume entstanden, die hauptsächlich von Windenergieanlagen geprägt seien. Diese Räume hätten bisher keinen oder einen allenfalls geringen Nutzen davon. Daran habe auch die Einführung des Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetzes im Jahr 2016 nichts ge- ändert. Lediglich mit den Standortgemeinden würden von den Windparkentwicklern Verhand- lungen über Ausgleichszahlungen geführt; alle anderen Gemeinden und Anwohner, die im Grunde am stärksten betroffen seien, würden weder umfassend informiert, noch würden ihnen Beteiligungen angeboten. Die Windenergiewirtschaft wisse die Gesetzeslücken auszuloten und ihren Profitanspruch durchzusetzen. Die Einwenderin fordert eindeutige Regelungen zu Teilhabe, Wertschöpfung und Entschädigung für betroffene Gemeinden und Bürger zulasten der Einspeisevergütung. Die Beteiligungsangebote für Bürger und Gemeinden dürften nicht durch Sonderregelungen für Prototypen ausgehebelt werden. Die Gemeinde Warnkenhagen spricht sich grundsätzlich für die Nutzung erneuerbarer Ener- giequellen aus. Es sei jedoch nicht hinnehmbar, dass Windenergieanlagen immer dichter an den Wohnhäusern errichtet würden. Da die betroffenen Bürger von den Anlagen keine Vor- teile, sondern nur Nachteile hätten, gehe die Akzeptanz gegen Null. Den betroffenen Gemein- den sei eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Der Strom müsse den Verbrauchern vor Ort zu geringeren Preisen angeboten werden. Die Enertrag AG macht umfangreiche Ausführungen zur Bedeutung der sogenannten Sekto- renkopplung für den weiteren Ausbau der umweltfreundlichen Energieversorgung. Während im Bereich der Stromerzeugung bundesweit mit 40% erneuerbaren Energiequellen bereits ein beachtlicher Anteil erreicht sei, seien in den Bereichen des Verkehrs und der Wärmeerzeu- gung noch deutlich stärkere Anstrengungen nötig. Die Förderung von Technologien zur Um- wandlung von Strom in Wärme oder Gas sei somit wichtig, auch um den in Mecklenburg- Vorpommern erzeugten Strom vermehrt hier zu nutzen und ihn nicht mit Hochspannungslei- tungen über weite Entfernungen abtransportieren zu müssen. Die Einwenderin regt an, einen zusätzlichen Satz 6,5 (12) „Sektorenkopplung“ als Zielfestlegung in die RREP-Fortschreibung aufzunehmen: „Vorhaben zur Sektorkopplung auf Basis von Erneuerbaren Energien sollen gefördert werden“.

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Auch der BWE-Landesverband M-V geht in seiner Stellungnahme auf die wachsende Be- deutung der Sektorenkopplung ein. Die Verbrauchssektoren Wärme und Mobilität müssten auf erneuerbare Energiequellen umgestellt werden. Im Bereich Wärme, der etwa die Hälfte des Endenergieverbrauches ausmache, bestehe der größte Handlungsbedarf. Technologien der Sektorenkopplung, welche die Speicherung elektrischer Energie und deren Übertragung auf andere Energieträger umfassen, seien in den vergangenen Jahren bereits entwickelt und er- probt worden. Ohne Zweifel sei mit der Anwendung solcher Technologien in größerem Maß- stab ein erhöhter Strombedarf verbunden, sodass zusätzliche Erzeugungseinheiten benötigt würden. Der Verband regt an, dass Windenergieanlagen in Verbindung mit Vorhaben der Sek- torenkopplung auch außerhalb der festgelegten Vorranggebiete zugelassen werden sollten. Dieses Anliegen werde durch die Grundsätze des Landesraumentwicklungsprogrammes von 2016 und die Energiepolitische Konzeption des Landes von 2015 gestützt. Auch in die RREP- Fortschreibung sollte ein gesonderter Programmsatz eingeführt werden, wonach Vorhaben der Sektorenkopplung auf der Basis von erneuerbaren Energien „in geeigneter Weise zu un- terstützen“ wären. Innovative Projekte würden in der Regel von engagierten Unternehmen in Zusammenarbeit mit hiesigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen umgesetzt. Den Hochschulen müsse die Möglichkeit gegeben werden, Forschung an realen, leistungsfähigen Erzeugungsanlagen zu betreiben. Besondere Regelungen für Projekte der Sektorenkopplung seien deshalb auch im Sinne der Forschungs- und Technologieförderung wünschenswert. Die Wind-Projekt GmbH äußert sich gleichlautend wie der BWE.

10.3.3 Abwägung Die Einwände und Anregungen zur wirtschaftlichen Teilhabe von Bürgern und Gemeinden werden zur Kenntnis genommen. Die Ausgestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Windenergienutzung fällt nicht in die Kompetenz der Regionalplanung. Regelungen zur finanziellen Beteiligung der Bürger und Gemeinden wurden durch das Land Mecklenburg-Vor- pommern mit einem eigenen Gesetz getroffen. Eine deklaratorische Festlegung zur sogenannten Sektorenkopplung ist bereits im Landes- raumentwicklungsprogramm enthalten. Einer zusätzlichen Regelung gleichen Inhalts auf regi- onaler Ebene bedarf es nach Ansicht des Planungsverbandes nicht. Die Möglichkeit der Zulassung von Windenergieanlagen außerhalb der Vorranggebiete ist auf- grund der Regelung des Satzes 6.5 (4) der RREP-Fortschreibung grundsätzlich gegeben. Vo- raussetzung sind jedoch immer besondere Standortanforderungen, die eine solche Zulassung im Einzelfall rechtfertigen. Der Planungsverband geht davon aus, dass Anlagen zur Speiche- rung und weiteren Umwandlung von Strom aus Windenergie sowohl erzeugernah – das heißt bei einem vorhandenen Windpark – als auch verbrauchernah errichtet werden können. Auch die Nähe zu einem günstigen Netzanschlusspunkt kann für die Standortwahl maßgebend sein. Konstellationen, die eine räumlich-funktionale Verbindung von ortsgebundenen Energie- speichern und Windenergieanlagen in der Weise bedingen, dass der Speicherstandort den Standort der Windenergieanlage determiniert, dürften nach Einschätzung des Planungsver- bandes die Ausnahme bleiben. Eine besondere Regelung im RREP ist dafür jedenfalls nicht erforderlich.

10.4 Sonnenenergie

10.4.1 Eingegangene Stellungnahmen • NABU Mecklenburg-Vorpommern • Freier Horizont e.V., Penzlin • Landkreis Rostock, untere Naturschutzbehörde

446 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020

• Solarverband Mecklenburg-Vorpommern, Wismar • ENO Energy GmbH, Rerik

10.4.2 Einwände, Hinweise und Anregungen Der NABU Mecklenburg-Vorpommern begrüßt die Berücksichtigung von Natur- und Land- schaftsschutzbelangen in den Sätzen 6.5 (5) und (6) der RREP-Fortschreibung. Grundsätzlich geht der Verband jedoch davon aus, dass Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie im Sinne einer dezentralen, verbrauchernahen Stromerzeugung vorzugsweise an Gebäuden und nicht im Freiland installiert werden sollten. Der Verein Freier Horizont e.V. regt an, die Festlegungen zu schärfen und zu präzisieren. Außer den bereits völlig versiegelten Flächen (Bebauung, Straßen, Wege und Plätze) gebe es eigentlich kaum noch Flächen, die keine Bedeutung für den Naturhaushalt hätten. Photovolta- ikanlagen sollten einzig auf solchen Flächen zulässig sein. Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock weist darauf hin, dass für die im Satz 6.5 (7) benannten Rohstoff-Vorranggebiete auch eine Nachnutzung als Ausgleichs- und Er- satzflächen des Naturschutzes festgesetzt sein kann. Solche Flächen würden für Solarener- gieanlagen nicht zur Verfügung stehen. Der Solarverband Mecklenburg-Vorpommern kritisiert die Regelung im Satz 6.5 (6) der RREP-Fortschreibung, wonach die Errichtung von Freilandanlagen zur Nutzung der Sonnen- energie in allen Vorranggebieten – also auch den Vorranggebieten für Windenergieanlagen – ausgeschlossen ist. Die Vorrangfunktion für die Windenergienutzung stehe nicht im Wider- spruch zur Errichtung großflächiger Photovoltaikanlagen, da beide Nutzungen einander weder in technischer Hinsicht noch hinsichtlich ihres Platzbedarfes ausschließen würden. Es sei viel- mehr volkswirtschaftlich sinnvoll, beide Formen der Stromerzeugung mit gemeinsamem Netz- anschluss in sogenannten Kombikraftwerken zusammenzufassen. Auf diese Weise könnten zeitliche Schwankungen des Stromaufkommens ausgeglichen, die Zahl der Volllaststunden entsprechend erhöht, Stillstandszeiten reduziert und Flächen effizienter genutzt werden. Durch eine zusätzliche Integration von Batteriespeichern könnte die Netzverträglichkeit sol- cher Kombikraftwerke zusätzlich erhöht werden. Der Einwender sieht die fragliche Regelung als einen unnötigen und schädlichen Eingriff in den Transformationsprozess des Energiever- sorgungssystems an. Die einzige Effekt wäre eine Erhöhung der regionalen Netzausbaukos- ten und somit der gesamtgesellschaftlichen Kosten der Energiewende, was sich letztlich auch auf die Strompreise und die Akzeptanz der Energiewende in der Region auswirken müsste. Auch die ENO Energy GmbH äußert sich kritisch zum Ausschluss der Sonnenenergienutzung in den Windenergie-Vorranggebieten. Der Planungsverband möge prüfen, ob der Satz 6.5 (6) der RREP-Fortschreibung nicht überhaupt entbehrlich sei. Die Einwenderin weist darauf hin, dass aufgrund der Förderbestimmungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Photovoltaik- anlagen vorzugsweise entlang der Fernstraßen und Schienenwege angeordnet würden, wo aufgrund von Anbauverboten die Errichtung von Windenergieanlagen ohnehin nicht möglich ist. Da sich innerhalb der Vorranggebiete Verkehrsflächen in erheblichem Umfang befänden, sollten Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie hier insoweit zugelassen werden als sie die Errichtung von Windenergieanlagen nicht einschränken. Dies würde dem im Satz 6.5 (1) be- reits festgelegten prinzipiellen Vorrang für die Windenergienutzung entsprechen, sodass Satz 6.5 (6) möglicherweise gänzlich entfallen könnte. Indem innerhalb der Vorranggebiete für Windenergieanlagen nicht nutzbare Flächen für Solaranlagen freigegeben würden, könne man den Ausbauzielen zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energiequellen Rechnung tragen, die räumliche Konzentration der entsprechenden Anlagen fördern und bestehende Infrastrukturen wie Wege und Kabeltrassen effektiv nutzen.

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10.4.3 Zusammengefasste Abwägung Den Anregungen, die auf eine weitere Einschränkung oder den gänzlichen Ausschluss der Solarenergienutzung im Freiland abzielen, wird nicht gefolgt. Für den Planungsverband ist nicht ersichtlich, welche Umweltauswirkungen von Solaranlagen derartige Einschränkun- gen rechtfertigen würden. Die natürlichen Bodenfunktionen werden durch solche Anlagen kaum mehr beeinträchtigt als durch die normale Landwirtschaft. Nach Einschätzung des Pla- nungsverbandes wird der Sonnenenergienutzung im Freiland neben der Windenergienutzung zukünftig eine erhebliche Bedeutung für die umweltfreundliche Energieversorgung zukommen. Ein gänzlicher Verzicht auf die planerische Steuerung von Freiland-Solaranlagen er- scheint dem Planungsverband ebensowenig gerechtfertigt. Zwar trifft es zu, dass die Förder- bestimmungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes derzeit die Standortwahl für solche Anla- gen weitgehend beschränken – es ist jedoch nicht absehbar, ob diese gesetzliche Regelung im Planungszeitraum der RREP-Fortschreibung Bestand haben wird. Der Anregung, dass die Vorranggebiete für Windenergieanlagen für die Errichtung von Solaranlagen geöffnet werden sollten, wird ebenfalls nicht aufgegriffen. Umweltauswirkun- gen und Standortanforderungen beider Anlagen sind so verschieden, dass der Nutzen der vom Solarverband propagierten „Kombikraftwerke“ für den Planungsverband nicht unmittelbar ersichtlich ist. Bei den Windenergieanlagen erfordern die Umweltauswirkungen die Wahl sied- lungsferner Standorte. Die Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens sind vernachlässigbar. Die völlig emissionsfreien Solaranlagen sind dagegen flächenextensiv und vorzugsweise netz- und verbrauchernah auf solchen Flächen zu errichten, die keine beson- dere Bedeutung für die Landwirtschaft aufweisen. Der Verweis des Einwenders auf den er- wünschten Ausgleich von tageszeit- und witterungsbedingten Schwankungen des Energieauf- kommens ist grundsätzlich berechtigt. Der Planungsverband geht jedoch davon aus, dass dieser Ausgleich über das Leitungsnetz ohnehin erfolgt. Der wirtschaftliche Vorteil von Kom- binationslösungen dürfte kaum die Nachteile aufwiegen, die im Zusammenhang mit Zugäng- lichkeits- und Haftungsfragen auftreten, wenn beiden Nutzungen am selben Standort zusam- mengeführt werden. Auch planungsrechtlich würde diese Lösung Probleme aufwerfen, weil die Zulassung von Solaranlagen in der Regel einen Bebauungsplan voraussetzt. Die Aufstel- lung von Bebauungsplänen für andere Nutzungen ist jedoch mit dem im RREP festgelegten Vorrang für die Windenergienutzung nicht ohne weiteres vereinbar.

10.5 Biomasse

10.5.1 Eingegangene Stellungnahmen • NABU Mecklenburg-Vorpommern • Freier Horizont e.V., Penzlin

10.5.2 Einwände, Hinweise und Anregungen Der NABU Mecklenburg-Vorpommern hält eine Begrenzung des Flächenverbrauches für die Erzeugung von Energiepflanzen für grundsätzlich richtig, sieht jedoch den Richtwert von 30% als sehr hoch gegriffen an. Der Verein Freier Horizont e.V. hält einen Flächenanteil von 30% für viel zu hoch, weil die hier produzierte Biomasse dem Naturkreislauf weitgehend entzogen würde.

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10.5.3 Abwägung: Der Planungsverband hält an seiner bisherigen Abwägung fest. Von den Einwendern werden keine alternativen Richtgrößen genannt, die anstelle des 30-Prozent-Richtwertes herange- zogen werden könnten. Ausgehend von den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Biomassenutzung ist für die nähere Zukunft kaum mit einem erheblichen weiteren Ausbau zu rechnen. Den Einwendern ist allerdings insoweit Recht zu geben, als die Einsatzbereiche der Bioenergie sowie deren ökologisch und ökonomisch sinnvoller Anteil an der regionalen Energieversorgung im kommenden Jahrzehnt nochmals eingehender untersucht werden soll- ten. Dies ist im Rahmen der Erstellung eines regionalen Energiekonzeptes vorgesehen. Diffe- renziertere Festlegungen zur Biomassenutzung können dann, soweit erforderlich, im Rahmen der anstehenden Gesamtfortschreibung des RREP getroffen werden.

10.6 Leitungen

10.6.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürgerin aus Groß Kussewitz • 50-Hertz Transmission GmbH, Berlin • Rostock Port GmbH • Freier Horizont e.V., Penzlin • Wind Energy Network e.V., Rostock

10.6.2 Wesentliche Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin aus Groß Kussewitz spricht sich gegen den Neu- oder Ausbau von Hoch- und Höchstspannungsleitungen in Wohngebieten aus. Dies müsse für jegliche Parallel- und Er- satzneubauten sowie Verstärkungen und Ertüchtigungen gelten. Die Einwenderin bezieht ihre Forderung insbesondere auf die 110-Kilovolt-Leitung Bentwisch—Plennin, die bei Groß Kussewitz verläuft. Die 50-Hertz Transmission GmbH legt ihre aktuellen Planungen zum Ausbau des Höchst- spannungsnetzes dar. In der Netzentwicklungsplanung vorgesehen ist der Ersatz der 220- Kilovolt-Freileitungen Bentwisch—Güstrow (Leitung Nr. 275/276) und Güstrow—Pasewalk durch neue 380-Kilovolt-Leitungen. Die Netzverstärkung Bentwisch—Güstrow ist als Maß- nahme P215, M454 im Netzentwicklungsplan 2017-2030 durch die Bundesnetzagentur bestä- tigt worden. Der Beginn der Genehmigungsplanungen sei für das Jahr 2019 vorgesehen. Vor- zugsvariante sei gegenwärtig ein trassengleicher Ersatzneubau. Alternativ sei jedoch auch eine Neutrassierung entlang der Autobahn 19 und der vorhandenen 380-Kilovolt-Leitung 543/544 möglich. Die Einwenderin regt an, beide Linienführungen als mögliche Optionen im RREP zu vermerken. Derzeit sei von einer Umsetzung der Maßnahme bis zum Jahr 2030 auszugehen. Die Netzverstärkung Güstrow—Pasewalk ist in den zwei Maßnahmen P216, M523 und M455 im Netzentwicklungsplan 2017-2030 durch die Bundesnetzagentur bestätigt worden. Zwischen dem Umspannwerk Bentwisch und einem neu zu errichtenden Umspann- werk im Raum Sanitz-Dettmannsdorf ist ebenfalls der Ersatz der vorhandenen 220-Kilovolt- Leitung geplant. Diese Netzverstärkung ist als Maßnahme P215, M521 im Netzentwicklungs- plan 2017-2030 durch die Bundesnetzagentur bestätigt worden. Im Raum Papendorf ist der Neubau eines Umspannwerkes für den Anschluss weiterer Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energiequellen, insbesondere von Ostseewindparks, geplant. Um die geplanten Leitungsneubauten in den bestehenden Trassenräumen realisieren zu können, wiederholt die Einwenderin ihre Forderung, dass grundsätzlich ein Streifen von jeweils 1 Kilometer Breite, mindestens jedoch von 250 Metern, beiderseits der Trassenachse von entgegenstehenden

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Nutzungen freigehalten werden sollte. Bezüglich der Anlandungspunkte für unterseeische Lei- tungen weist die Einwenderin darauf hin, dass die Anlandung bei Börgerende nur für solche Leitungen in Frage komme, die aus nördlicher oder nordwestlicher Richtung auf die Küste zulaufen würden. Leitungen aus nordöstlicher Richtung müssten zum Anlandungspunkt Bör- gerende die seeseitige Zufahrt des Rostocker Hafens und die Reede vor Warnemünde kreu- zen. Dies würde für ein Seekabel immense Risiken implizieren. Die Einwenderin weist hierzu auch auf die im Landesraumentwicklungsprogramm festgelegten Vorbehaltskorridore für Lei- tungen im Küstenmeer hin, die östlich und westlich von Rostock auf die Küste treffen und eine Querung der Hafenzufahrt nicht vorsehen. Die Einwenderin bittet um eine entsprechende Klar- stellung im RREP. Aus Sicht der Einwenderin befinden sich in der Region Rostock keine po- tenziell geeigneten weiteren Anlandungspunkte. Insbesondere östlich von Markgrafenheide sei der Küstenbereich von Restriktionen durch Moore, Schutzgebiete und Siedlungsbereiche belegt. Für das aktuelle Vorhaben Hansa Power Bridge sei aus diesem Grund ein Anlandungs- punkt bei Dierhagen in der Region Vorpommern festgelegt und durch das Energieministerium des Landes bestätigt worden. Diese Kabelverbindung soll von Schweden über die Ostsee- windparks Baltic I und II zum Umspannwerk Güstrow verlaufen. Das Planfeststellungsverfah- ren solle im Jahr 2020 eröffnet werden. Die Einwenderin bittet darum, die geplante landseitige Trasse in ihrem Verlauf durch die Region Rostock im RREP zu berücksichtigen. Neben dem Interkonnektor Hansa Power Bridge seien weitere Netzanschlüsse aus dem nordöstlichen Seegebiet geplant, für die vorzugsweise der Korridor über den Anlandungspunkt Dierhagen genutzt werden solle. Im Seegebiet nordwestlich von Rostock sei ein weiterer Netzanschluss über den Anlandungspunkt Börgerende geplant. Landseitig würde das Kabel im Korridor des Anschlusses für den Windpark Beta Baltic bis zu einem neuen Umspannwerk bei Papendorf verlaufen. Für diesen Korridor wurde bereits ein Raumordnungsverfahren durchgeführt. Die Rostock Port GmbH weist auf einen Widerspruch zwischen der Formulierung des Satzes 6.5 (11) der RREP-Fortschreibung und der zugehörigen Begründung hin: Der Grundsatz be- stimme, dass für Leitungen vorrangig die Anlandungspunkte Börgerende und Markgrafen- heide genutzt werden sollten – die Begründung schränke dies dann richtigerweise ein, indem klargestellt werde, dass eigentlich nur noch ersterer Anlandungspunkt freie Trassenkapazitä- ten für neue Vorhaben aufweise. Es wird angeregt auch den Grundsatz entsprechend umzu- formulieren. Der Verein Freier Horizont e.V. bezeichnet den Ansatz, vorhandene Leitungstrassen für not- wendige Ausbaumaßnahmen zu nutzen, als prinzipiell richtig. Allerdings sei die Strategie des Netzausbaus zugunsten der Nutzung erneuerbarer Energiequellen grundsätzlich fragwürdig. Es stelle sich die Frage, warum Strom überhaupt exportiert werden müsse und nicht vor Ort genutzt werden könne. Mecklenburg-Vorpommern habe großen Nachholbedarf bei der An- siedlung von Industriebetrieben. Das Bestreben, mit vor Ort produziertem Strom energieinten- sive Industrien zur Ansiedlung zu gewinnen, sollte nach Ansicht des Einwenders Vorrang vor einem Ausbau der Stromleitungsnetze haben. Der gegenwärtige Umbau von einem Versor- gungs- zu einem Entsorgungsnetz führe zu enormen finanziellen Belastungen für die Bürger. Die Strompreise in Mecklenburg-Vorpommern seien bereits deutschlandweit die höchsten. Ein weiterer Netzausbau verschärfe das Problem. Der Verein Wind Energy Network e.V. nimmt Bezug auf die Ausführungen in der RREP- Begründung, wonach der Anlandungspunkt Markgrafenheide nicht weiter ausbaufähig ist. Der Einwender regt deshalb dringend die Prüfung weiterer Anlandungspunkte für unterseeische Leitungen im Raum Dierhagen sowie westlich von Wustrow an.

10.6.3 Zusammengefasste Abwägung: Die vom Verein Freier Horizont aufgeworfene Frage nach der energiewirtschaftlichen Zweckmäßigkeit des Netzausbaus muss vom Planungsverband nicht abschließend beant- wortet werden. Der Ausbau der Übertragungsnetze ist Gegenstand bundesweiter Planungen,

450 PVRR – Abwägungsdokumentation zur Fortschreibung des RREP Rostock (Kapitel Energie) – Juni 2020 in deren Rahmen entsprechende Bedarfsnachweise zu führen und Wirtschaftlichkeitsberech- nungen anzustellen sind. Gegenstand der Raumordnung auf regionaler Ebene ist in erster Linie die räumliche Einordnung der Leitungstrassen, nicht die Bedarfsplanung. Dem Einwen- der ist darin Recht zu geben, dass das Energieaufkommen im Land Mecklenburg-Vorpommern auch ein Standortfaktor für Industrieansiedlungen ist. Der Planungsverband kann jedoch keine Industriebetriebe ansiedeln; er kann nur im Rahmen seiner Verantwortlichkeit die räumlichen Voraussetzungen für solche Ansiedlungen schaffen. Dies erfolgt durch die Festlegung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für Gewerbe und Industrie. Bezüglich der Führung von Leitungstrassen innerhalb oder in der Nähe von Wohngebie- ten geht der Planungsverband davon aus, dass entsprechende Konfliktstellen bei der konkre- ten Planung von Ersatzneubauten identifiziert werden müssen und dass mögliche Konflikte durch kleinräumige Umverlegung der betreffenden Trassen gelöst werden können. Der Grund- satz der bestandsorientierten Neutrassierung wird dadurch nicht in Frage gestellt. Einer be- sonderen Regelung für solche Fälle im RREP bedarf es nach Auffassung des Planungsver- bandes nicht. Die Freihaltung ausreichender Planungsräume beiderseits der vorhandenen Leitungs- trassen ist bereits mit der letzten Überarbeitung des Entwurfes in die RREP-Fortschreibung aufgenommen worden. Durch die gewählte Grundsatzformulierung wird ein hinreichendes Maß an Verbindlichkeit und eine hinreichende Flexibilität bei der Anwendung erreicht. Die Aufnahme geplanter Leitungstrassen als zeichnerische Darstellung in die Grund- karte des RREP erfolgt grundsätzlich, wenn die Bestimmung einer Vorzugstrasse erfolgt ist. Dies ist beim Interkonnektor Hansa Power Bridge der Fall. Diese Trasse kann in die Grund- karte aufgenommen werden, wenn im Ergebnis der Fortschreibung eine Neubekanntmachung des RREP mit einer überarbeiteten Grundkarte erfolgt. Bezüglich der Anlandungspunkte für unterseeische Leitungen bleibt der Planungsverband bei den im letzten Entwurf enthaltenen Ausführungen. Es trifft zu, dass der Anlandungspunkt Markgrafenheide voraussichtlich keine weiteren Leitungen aufnehmen kann. Für die dort be- reits liegenden Leitungen behält er jedoch seine Bedeutung und wird insoweit regionalplane- risch festgeschrieben. Der Planungsverband ist sich ebenfalls der Tatsache bewusst, dass der Anlandungspunkt Börgerende nur für Leitungen aus der westlichen Mecklenburger Bucht ge- eignet ist. Mehrere Einwender weisen folgerichtig auf die Notwendigkeit eines weiteren Anlan- dungspunktes bei Dierhagen hin. Dieser liegt jedoch außerhalb der Region Rostock.

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11 Hinweise zum Umweltbericht

11.1.1 Eingegangene Stellungnahmen • Bürger aus Appelhagen und Satow • Freier Horizont e.V., Penzlin • Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg • Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow • Landkreis Rostock • Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Mecklenburg-Vorpommern e.V., Tützpatz • NABU Mecklenburg-Vorpommern e.V., Schwerin

11.1.2 Wesentliche, Einwände, Hinweise und Anregungen Eine Bürgerin aus Appelhagen nimmt zu Denkmalschutzbelangen beim Vorranggebiet Nr. 127 Stellung (vgl. hierzu Abschnitt 8) und reicht dazu ein Fachgutachten von Herrn Dipl.- Ing. Pulkenat ein. Der Gutachter kritisiert, dass die im Umweltbericht vom November 2018 wiedergegebenen Aufzählungen von Denkmalanlagen in der Region Rostock für einen ganz- heitlichen raumplanerischen Ansatz unbrauchbar seien. Einige Denkmalanlagen fehlten, oder die Angaben seien unvollständig. Für Appelhagen wurde nur das Gutshaus als Denkmal be- nannt. Diese Bezeichnung sei falsch und irreführend. Die genaue Bezeichnung sei: „Gutshaus mit Park und Obelisk Appelhagen“. Ein Bürger aus Satow nimmt zur Neuabgrenzung des Eignungs- und Vorranggebietes Nr. 22 Stellung (vgl. hierzu Abschnitt 6) und bemängelt in diesem Zusammenhang die auf Seite 138 des Umweltberichtes vom November 2018 enthaltene Schätzung des Planungsverbandes zur Anzahl der innerhalb der neuen Gebietsgrenzen realisierbaren Einzelanlagen. Nach Auffas- sung des Einwenders wäre es nicht Aufgabe des Planungsverbandes, die Anzahl der Wind- energieanlagen in den Vorranggebieten vorzugeben. Der Planungsverband widerspreche mit solchen Vorgaben auch dem selbst formulierten Grundsatz, dass die Vorranggebiete best- möglich auszunutzen seien. Im Fall des Gebietes Nr. 22 könne zudem der falsche Eindruck entstehen, dass hier ausschließlich ein Ersatz der im bestehenden Eignungsgebiet bereits vorhandenen Anlagen ermöglicht werden solle, obwohl das neue Vorranggebiet auch bisher ungenutzte Flächen umfasse. Der Verein Freier Horizont e.V. weist auf neue Erkenntnisse hin, die nahelegen würden, dass der Windenergienutzung ein nicht unbedeutender Beitrag zum Rückgang der Insektenpopula- tion beizumessen sei. Auch Monokulturen von Energiepflanzen und großflächige Photovolta- ikanlagen trügen nicht unerheblich zu diesem Phänomen bei. Die Entwurfsunterlagen vom November 2018 ließen jegliche Betrachtung hierzu vermissen. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg hält die im Ab- schnitt 7.3 des Umweltberichtes enthaltenen Ausführungen zur Vorsorgewirkung der ange- wandten Schutzabstände für zu absolut. Erhebliche Beeinträchtigungen der Anwohner durch Schall und Schattenwurf könnten mit diesen Schutzabständen nicht generell ausgeschlossen werden. Das Amt empfiehlt, an dieser Stelle eine entsprechende Relativierung vorzunehmen, wie sie im Abschnitt 10.1 des Umweltberichtes bereits enthalten sei. Das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie bemängelt, dass die im Umweltbe- richt vorgenommene Bewertung der in Mecklenburg-Vorpommern eingeführten Artenschutz- rechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe fachlich und rechtlich unzutreffend sei. Das Landes- amt rät dazu, die entsprechenden Textpassagen zu entfernen, da diese zugleich entbehrlich und falsch seien.

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Die Naturschutzbehörde des Landkreises Rostock nimmt Bezug auf die im Umweltbericht vom November 2018 enthaltenen Ausführungen zum Artenschutz und hebt einige Aspekte hervor, die nach ihrer Auffassung im Widerspruch zu den Vorgaben der in Mecklenburg-Vor- pommern eingeführten Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe (AAB-WEA) stünden. Zunächst wird kritisiert, dass der Planungsverband einen eigenen Schwellenwert festgelegt hat, um einzuschätzen, ab welcher Größenordnung die Verluste einzelner Vögel populationsrelevant werden können. Angesichts der natürlichen Dynamik der Populationsent- wicklung sowie der mit dem Ausbau der Windenergienutzung einhergehenden Kumulations- wirkungen könne die Bestimmung einer Relevanzschwelle immer nur durch die zuständige Naturschutzbehörde im Ergebnis eines einzelfallbezogenen Ermessens erfolgen. Diese Er- messensentscheidung könne nicht durch die Regionalplanung vorweggenommen werden. Fehlerhaft seien auch die in der Tabelle 6 des Umweltberichtes wiedergegebene Einschätzung zur Wirksamkeit pauschaler Abstandszonen bei den Arten Rot- und Schwarzmilan sowie die daraus im Weiteren gezogenen Schlussfolgerungen. Auch hiermit stehe der Umweltbericht im Widerspruch zu den Vorgaben der AAB-WEA. Daraus folgend sei die in der Tabelle 9 des Umweltberichtes wiedergegebene Konfliktbewertung der Untersuchungsgebiete zu überprü- fen. Aus Sicht der Naturschutzbehörde könne die weitgehende Überschneidung eines poten- ziellen Eignungsgebietes mit den in der AAB-WEA festgelegten Abstandszonen um einzelne Vogelbrutplätze bereits für sich genommen ein hohes Konfliktpotenzial und damit einen Aus- schluss des betreffenden Gebietes begründen. Dies sei vor allem für das Gebiet Nr. 129 rele- vant (vgl. hierzu die im Abschnitt 8 wiedergegebenen Ausführungen derselben Einwenderin). Die Wasserbehörde des Landkreises Rostock weist darauf hin, dass die (im Anhang des Umweltberichtes fälschlich noch als Planung bezeichnete) Neufestsetzung des Trinkwasser- schutzgebietes Kuhs mit Verordnung vom 2. Dezember 2013 erfolgt ist. Die Bodenschutzbehörde des Landkreises Rostock stellt fest, dass Altlasten und Altlas- tenverdachtsflächen im Bereich der neu geplanten Vorranggebiete Nr. 115 bis 130 nicht be- kannt sind. Die Denkmalbehörde des Landkreises Rostock bemängelt, dass das Schloss Rossewitz als herausragendes Baudenkmal in der Aufzählung der überregional bedeutsamen Denkmal- objekte im Abschnitt 7.10 des Umweltberichtes fehle. Die im Anhang des Umweltberichtes gemachten Angaben zu den vorhandenen Bodendenkmalen seien lückenhaft, auch einzelne Baudenkmale seien zu ergänzen: • Nr. 15: Ortsbildprägende Baudenkmale seien durchaus vorhanden, z.B. das Niederdeut- sche Hallenhaus in Neu Karin. • Nr. 38: Kirche Warnkenhagen. • Nr. 71: mehrere Bodendenkmale im Waldgebiet Herrenholz, darunter ein Großsteingrab, welches sich direkt am östlichen Waldrand befindet und unmittelbar an das Vorranggebiet grenzt; Baudenkmale: ehemaliges Inspektorenhaus in Tieplitz, Kapelle und Speicher in Prüzen. • Nr. 73: Gutshaus Tenze. • Nr. 100/101: sichtbare Bodendenkmale am Rand des Vorranggebietes, 100-Meter-Ab- stand würde eingehalten. • Nr. 109: zwei Großsteingräber, möglichst großer Abstand erforderlich. • Nr. 114: Kapelle in Passin, Gutshaus Friedrichshof. • Nr. 116: Gutshaus Parchow wurde aus der Denkmalliste gestrichen. • Nr. 123: zahlreiche Bodendenkmale, darunter ein oberirdisch zerstörtes Großsteingrab südlich der K 29. • Nr. 127: Kapelle und Park Appelhagen. • Nr. 129: slawische Burg am südlichen Rand.

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Der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Mecklenburg-Vorpommern e.V. hält die Beschreibung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände im Umweltbericht inso- weit für falsch wie der Planungsverband davon ausgehe, dass das bloße Risiko des Vogel- schlages durch Windenergieanlagen keinem gesetzlichen Verbot unterliege. Der Einwender verweist hierzu auf die verfestigte Rechtsprechung der deutschen Gerichte, wonach ein signi- fikant erhöhtes Risiko für Vögel besonders geschützter Arten zur Unzulässigkeit der Anlage führt. Der NABU Mecklenburg-Vorpommern kritisiert erneut die im Planungskonzept der RREP- Fortschreibung enthaltenen Abweichungen von den Empfehlungen der Länder-Arbeitsge- meinschaft der Vogelschutzwarten (dem sogenannten „Helgoländer Papier“). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsa- men Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten habe offensichtlich nicht stattgefunden, und die Abweichungen seien nicht hinreichend begründet. Der NABU glaubt hierin einen gravierenden Abwägungsfehler und einen inhaltlichen Mangel des vorgelegten Umweltberichtes zu erkennen. Die Empfehlungen der Länder-Arbeitsgemeinschaft liegen seit dem Jahr 2008 vor und wurden 2015 in einer überarbeiteten Fassung veröffentlicht. Die Ar- beitsgemeinschaft der für den ornithologischen Artenschutz zuständigen Fachbehörden sei eines der ältesten staatlichen Fachgremien in Deutschland. Ihre Empfehlungen gäben den aktuellen Stand der Wissenschaft wieder. Der Planungsverband hätte sich deshalb in seinem Umweltbericht im Einzelnen mit diesen Empfehlungen auseinandersetzen müssen. Es sei nicht ausreichend, an deren Stelle einfach die zum Teil geringeren Anforderungen der Arten- schutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu setzen.

11.1.3 Zusammengefasste Abwägung Die ergänzenden Hinweise der Denkmalbehörde zu den im Anhang des Umweltberichtes auf- geführten Denkmalen im Umfeld der Vorranggebiete werden teilweise aufgegriffen. In die Aufzählung der Bodendenkmale im Anhang des Umweltberichtes wurden nur Denkmale in- nerhalb oder im unmittelbaren Randbereich der Vorranggebiete aufgenommen. Der pauscha- len Kritik der Bürgerin aus Appelhagen wird nicht gefolgt. Der Planungsverband hat die Auf- zählung der Baudenkmale im Umweltbericht auf ortsbildprägende Bauten wie Kirchen und Gutsanlagen beschränkt. Es war und ist nicht beabsichtigt, eine vollständige Aufzählung sämt- licher Denkmale zu geben oder in jedem Fall die genaue amtliche Bezeichnung aus der Denk- malliste wiederzugeben. Bezüglich des Schlosses Rossewitz geht der Planungsverband davon aus, dass eine über- regionale Bedeutung nicht in gleichem Maße gegeben ist wie bei den Altstädten von Rostock und Güstrow sowie der Klosteranlage in Bad Doberan. Die Angabe der ungefähren Anzahl der in den neuen Vorranggebieten zu errichtenden Windenergieanlagen soll allen Interessenten eine Vorstellung vom Umfang des jeweils zu erwartenden Eingriffes in die Landschaft geben und insoweit die Umweltauswirkungen der RREP-Fortschreibung fassbar machen. Die Zahlenangaben sind nicht als Vorgaben für spä- tere Projektplanungen innerhalb der Vorranggebiete zu verstehen, und nach Auffassung des Planungsverbandes sind die diesbezüglichen Ausführungen im Umweltbericht auch nicht so formuliert, dass sie ein solches Missverständnis direkt nahelegen würden. Bezüglich möglicher Auswirkungen der Windenergienutzung auf die Insektenwelt wird auch auf die Ausführungen zum Artenschutz im Abschnitt 5.7 verwiesen. Zur Erheblichkeit dieser Auswirkungen liegen bisher nur Vermutungen vor. Es gibt keine gesicherten Erkennt- nisse und keine anerkannten Untersuchungs- und Bewertungsmethoden, anhand derer die mutmaßlichen Auswirkungen in der Regionalplanung geprüft und berücksichtigt werden könn- ten. Die Durchführung eigener Grundlagenforschungen zu dieser Problematik ist nicht Auf- gabe des Planungsverbandes.

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Der Hinweis des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt zu den Auswirkungen von Schall und Schattenwurf der Windenergieanlagen wird nicht berücksichtigt. Der Abschnitt 7.3 des Umweltberichtes, auf den sich die Kritik des Einwenders bezieht, enthält bereits aus- drückliche Relativierungen bezüglich der Wirkung der vorsorglich angewandten Schutzab- stände. Es wird dort nicht behauptet, dass mit Anwendung der Abstandsrichtwerte erhebliche Auswirkungen auf die Anwohner sicher ausgeschlossen werden könnten. Den Hinweisen des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie betreffend die Aus- führungen zum Artenschutz kann nicht gefolgt werden. Das Amt legt nicht dar, welche kon- kreten Textpassagen im Umweltbericht aus seiner Sicht falsch oder entbehrlich wären. Soweit im Umweltbericht methodische Probleme bei der Anwendung einzelner Empfehlungen der 2016 neu eingeführten Artenschutzrechtlichen Arbeits- und Beurteilungshilfe aufgezeigt wer- den, ist dies ebendort ausführlich begründet. Der Planungsverband hält an seinen diesbezüg- lichen Einschätzungen fest. Den konkreter formulierten Hinweisen der unteren Naturschutz- behörde möchte der Planungsverband ebenfalls nicht folgen. Der vom Planungsverband angesetzte Fünf-Prozent-Schwellenwert dient der Voreinschätzung der Populationsrelevanz möglicher Vogelschlagrisiken. Im Umweltbericht ist ausdrücklich ausgeführt, dass die behörd- liche Einzelfallprüfung damit nicht vorweggenommen wird. Der Planungsverband geht aller- dings davon aus, dass auch der Maßstab der behördlichen Prüfung später nicht in jedem Ein- zelfall neu bestimmt werden kann. Die Prüfung der Populationsrelevanz bei der Entscheidung über artenschutzrechtliche Ausnahmen muss sich an einem allgemeinen Maßstab ausrichten. Auch bezüglich der Frage, welches Gewicht den brutplatzbezogenen Abstandsrichtwerten der AAB-WEA bei der planerischen Konfliktbewertung beigemessen werden sollte, bleibt der Pla- nungsverband bei seiner bisherigen Einschätzung. Der in einem Erhebungsjahr festgestellten räumlichen Lage von Milanbrutplätzen in der Umgebung eines Eignungsgebietes kann nicht mehr als eine Indizwirkung zuerkannt werden. Keinesfalls kann aus der Überschneidung eines Eignungsgebietes mit den in der AAB-WEA empfohlenen Abstandszonen unmittelbar auf das Konfliktpotenzial geschlossen werden. Dem Planungsverband liegen für mehrere Eignungs- gebiete Erhebungsergebnisse aus mehreren Jahren vor, die deutlich erkennen lassen, wie sich mit einer schematischen Orientierung an der AAB-WEA das Konfliktpotenzial von Jahr zu Jahr ändern würde, sodass ein und dasselbe Gebiet mal geeignet und mal ungeeignet er- schiene. Eine solche Vorgehensweise würde letztlich Willkürentscheidungen hervorbringen. Der Hinweis der Wasserbehörde bezüglich des Trinkwasserschutzgebietes Kuhs wird auf- gegriffen.

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