<<

Wasserverbandstag e.V. Wasserverbandstag e.V. Bremen I Niedersachsen I Sachsen-Anhalt Bremen Niedersachsen Sachsen-Anhalt

Gewässerunterhaltung in Niedersachsen

Teil B: Grundlagen, Anforderungen, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse

Wasserverbandstag e.V. Bremen I Niedersachsen I Sachsen-Anhalt

Gewässerunterhaltung in Niedersachsen

Teil B: Grundlagen, Anforderungen, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse

Hinweise und Empfehlungen für Unterhaltungspflichtige Grundlagen und Rahmenbedingungen Ökologische Anforderungen und Wasserabfluss Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Grundlagen, Anforderungen, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse

Autor / Federführende Bearbeitung / Leitung der Arbeitskreise Gewässerunterhaltung beim WVT: Ostermann, Ulrich (Kreisverband der Wasser und Bodenverbände )

Coautoren / Mitw irkung: Arbeitsgruppe „Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Marsch, Geest, Börden, Berg- und Hügelland“ des NLWKN und des WVT: Ausborn, Rainer (Unterhaltungs- und Landschaftspflegeverband Große Aue) Dettmer, Ansgar (Artlenburger Deichverband) Eckhoff, Richard (Ammerländer Wasseracht) Hipp, Steffen (Unterhaltungsverband Fuhse-Aue-Erse) Kramer, Manfred (Hase-Wasseracht) Kubitzki, Jens (Gewässer- und Landschaftspflegeverband Südheide) Müller, Andreas (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) Aurich und Verden, Geschäftsbereich (GB) 1, bis 2017) Meyer, Wilhelm (Unterhaltungsverband Obere Oste) Niehaus, Heiner (Kreisverband der Wasser- und Bodenverbände Aschendorf-Hümmling) Schatz, Jens (Leineverband, ab 2017) Stöver, Matthias (Ochtumverband) Zeiler, Wolfgang (Wasserverbandstag)

Beratung: Arbeitskreis „Gewässerunterhaltung in Niedersachsen“ des NLWKN und des WVT: Heddinga, Birgit (NLWKN Direktion, GB 1) Heitsch, Torsten (Unterhaltungsverband Hadeln) Hennies, Godehard (Wasserverbandstag) Huckschlag, Julia (NLWKN Direktion, GB 1, ab 2018) Pinz, Katharina (NLWKN Lüneburg, GB 3, bis 2019) Sellheim, Peter (NLWKN Hannover-Hildesheim, GB 4) Wöhler, Joachim (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz)

Gestaltung und Layout Kuckluck, Bettina (NLWKN Lüneburg GB 3)

Herausgeber: Wasserverbandstag e.V. Bremen, Niedersachen, Sachsen-Anhalt (WVT) Am Mittelfelde 169 30519 Hannover

Titelbild: Gerdau bei Verhorn im Landkreis Uelzen (2014)

Fotos: Richard Eckhoff, Jürgen Herpin, Hans-Jürgen Kreuzkam, Jens Kubitzki, Wilhelm Meyer, Ulrich Ostermann, Ingmar Sannes, Sandra Sieger, Stephan Westhuis und Silke Westphahlen

1. Auflage 2020: 1.000 Exemplare Schutzgebühr: 10 € + Versand (Bezug über den Herausgeber) Kostenfrei als Download unter www.wasserverbandstag.de

2 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Vorwort

Gewässer werden seit Jahrhunderten von den Menschen bewirtschaftet, um mit dem Wasser besser leben können. Die Unterhaltung der Gewässer ermöglicht in unserer modernen Kulturlandschaft oft erst die menschliche Siedlung und Nutzung der Flächen durch die Sicherung des Wasserabflusses. Die Art und Weise der Gewässerunterhaltung hat sich dabei aufgrund ökologischer, ökonomischer und technischer Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten verändert. Die EG-Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) formuliert ambitionierte Ziele für die biologische Qualität der Gewäs- ser, unter anderem den guten ökologischen Zustand oder das gute ökologische Potenzial für alle Oberflächengewäs- ser. Die Umsetzung der Ziele ist Aufgabe des Landes Niedersachsen. Ihm kommt durch die Aufstellung der erforderli- chen Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme mit möglichst konkreten Vorgaben die Schlüsselrolle für die weitere Gestaltung der Gewässer zu. Für die konkrete Umsetzung der Maßnahmen kooperiert das Land mit den ande- ren wasserwirtschaftlichen Akteuren. Die Gewässerunterhaltung ist dabei ein wichtiger Baustein, denn über sie wird der biologische Zustand der Gewäs- ser wesentlich beeinflusst. Sie obliegt weitgehend den Unterhaltungsverbänden und Wasser- und Bodenverbänden; an größeren Gewässern meist dem Land oder dem Bund. Bei der Unterhaltung sind die ökologischen Qualitätsziele an den Gewässern besonders zu beachten. Zugleich besteht nach wie vor die Verpflichtung, einen ordnungsgemäßen Wasserabfluss zu Gunsten der Allgemeinheit und zur Verwirklichung berechtigter Nutzungsansprüche zu gewährleis- ten. Beides steht gleichrangig nebeneinander. In der Praxis ist es oft schwierig, die verschiedenen, teilweise gegenläu- figen Interessen abzuwägen und zu einem in ökonomischer und ökologischer Hinsicht optimalen Ergebnis bei gleich- zeitiger Sicherung des Wasserabflusses und Berücksichtigung der Ziele der EG-WRRL zu kommen. Dieser Herausfor- derung stellen sich die Unterhaltungspflichtigen in Niedersachsen und bringen dabei ihre Fachkunde und Erfahrung ein. Der vorliegende zweite Teil des Leitfadens „Gewässerunterhaltung in Niedersachsen“ fasst die Rahmenbedingun- gen für die Gewässerunterhaltung im wasserreichen Niedersachsen zusammen und strukturiert die vorhandenen Er- kenntnisse. Die besonderen Anforderungen, die den Entscheidungsprozessen in der Gewässerunterhaltung zugrunde liegen, haben dabei einen hohen Stellenwert. Der Leitfaden soll ein Hilfsmittel für eine zeitgemäße Unterhaltungspraxis im Zusammenhang mit den naturschutzrechtlichen/-fachlichen Anforderungen und der EG-WRRL sein, um die Errei- chung der Qualitätsziele so weit wie möglich zu fördern. Die vorgeschlagene strukturierte Abarbeitung der Entschei- dungsprozesse soll dazu beitragen, dass die Gewässerunterhaltung auch in Zukunft den an sie gestellten Herausfor- derungen gerecht wird. Es geht darum, jederzeit eine rechtssichere und sachgerechte Entscheidung zu gewährleisten.

Olaf Lies Heiko Albers Niedersächsischer Minister für Umwelt, Präsident Wasserverbandstag e.V. Energie, Bauen und Klimaschutz Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt

3 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Grundlagen, Anforderungen, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ...... 9 2 Gewässerunterhaltung im Kontext der heutigen Anforderungen ...... 10 2.1 Gesellschaftliche Forderungen an die Gewässerunterhaltung ...... 10 2.2 Administrative Anforderungen an die Gewässerunterhaltung ...... 11 2.3 Klimawandel ...... 13 3 Kernbereiche der Gewässerunterhaltung ...... 14 3.1 Abflusssicherung ...... 14 3.2 Gewässerpflege ...... 15 3.3 Gewässerentwicklung ...... 15 4 Grundlagen der Gewässerunterhaltung ...... 18 4.1 Rechtliche Grundlagen und Hinweise ...... 18 4.1.1 Naturschutz allgemein ...... 18 4.1.2 Artenschutz ...... 18 4.2 Zeitkorridore für abflusssichernde Maßnahmen ...... 20 4.3 Laich- und Schonzeiten der Fischfauna ...... 21 4.4 Wasser- und Uferpflanzen ...... 22 4.5 Gehölze ...... 23 4.6 Erlensterben ...... 24 4.7 Totholz ...... 25 4.8 Gewässerstruktur ...... 26 4.9 Wasserqualität ...... 26 4.10 Invasive Arten (Neobiota) ...... 26 4.10.1 Invasive Pflanzenarten (Neophyten) ...... 27 4.10.2 Invasive Tierarten (Neozoen) ...... 27 4.11 Randstreifen und Uferzonen ...... 28 4.12 Räumgut ...... 29 4.13 Unterhaltungsmethoden und Unterhaltungstechnik ...... 29 5 Rahmenbedingungen der Gewässerunterhaltung ...... 31 5.1 Bestand und Nutzungen ...... 31 5.2 Wasserabfluss ...... 33 5.3 Gewässerökologie ...... 35 6 Entscheidungsprozesse in der Gewässerunterhaltung ...... 40 6.1 Grundsätze ...... 40 6.2 Gewässerökologie ...... 40 6.2.1 Natur- und Artenschutz allgemein ...... 41 6.2.2 Besonderer Artenschutz ...... 41 6.3 Wasserwirtschaftliche Randbedingungen ...... 42 6.4 Entwicklungsmaßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung ...... 43 6.4.1 Maßnahmen bei hydraulischer Auslastung des Querschnitts – Maßnahmengruppe 1 ...... 43 6.4.2 Maßnahmen bei hydraulischen Reserven im Querschnitt – Maßnahmengruppe 2 ...... 43 6.5 Ableitung von Anforderungen und Entwicklungszielen ...... 44 6.6 Festlegung von Indikatoren ...... 45 6.7 Belastungs- und Auswahlmatrix ...... 45 6.8 Entscheidungsprozess und Entscheidungsablauf in der Gewässerunterhaltung ...... 45 6.8.1 Regelunterhaltung ...... 47 6.8.2 Gewässerentwicklung durch gezielte Anpassung der Gewässerunterhaltung ...... 48 6.8.3 Hydraulische Bedingungen als Leitparameter für die Gewässerentwicklung ...... 49

4 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

7 Umsetzung der Gewässerunterhaltung im Unterhaltungsplan ...... 50 7.1 Bestandserfassung ...... 51 7.2 Unterhaltungsklassen/-intensität ...... 51 7.3 Planung der Gewässerunterhaltung ...... 56 7.4 Einsatzsteuerung, Monitoring und Dokumentation ...... 56 8 Begleitende Maßnahmen ...... 57 8.1 Aus- und Fortbildung ...... 57 8.2 Zertifizierung ...... 58 8.3 Vergabe der Unterhaltungsarbeiten ...... 58 8.4 Information der Öffentlichkeit ...... 58 9 Wasserabfluss und hydraulische Nachweise ...... 60 9.1 Grundlagen und Eingangsgrößen ...... 61 9.1.1 Geometrische Daten ...... 61 9.1.2 Wiederkehrintervalle ...... 61 9.1.3 Abflüsse ...... 62 9.1.4 Fließwiderstand ...... 64 9.2 Diagramme zur Abflussermittlung ...... 64 9.2.1 Einfache Diagramme und Grafiken ...... 64 9.2.2 Bemessung verkrauteter Gräben geringer Dimension nach Baitsch und Rademacher ...... 65 9.3 Einfache Berechnungsverfahren zur Abflussermittlung ...... 68 9.3.1 Verfahren nach Gaukler-Manning-Strickler ...... 68 9.3.2 Verfahren nach Rau ...... 68 9.4 Anwenderprogramme und Modellgestützte Berechnungsverfahren ...... 7 0 9.5 Smartphone App ...... 70 10 Zusammenfassung ...... 71 10.1 Theorie und Praxis ...... 71 10.2 Fazit ...... 71 11 Begriffsbestimmungen ...... 72 12 Literaturverzeichnis ...... 76 13 Weiterführende Literatur ...... 78

Kurzdarstellung zum Herausnehmen ...... Seiten I bis VIII

5 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Grundlagen, Anforderungen, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Ausgebautes Gewässer im Tiefland, Bade bei Zeven-Badenstedt (2006) ...... 10 Abbildung 2: Naturnahes Gewässer im Tiefland, Gerdau bei (2008) ...... 12 Abbildung 3: Flutende Unterwasservegetation (2009) ...... 12 Abbildung 4: Mittelwasserstand bei Niedrigwasserabfluss durch Krautstau, bei Bienenbüttel (August 2019) 13 Abbildung 5: Mähkorbeinsatz am Wienhausener Mühlenkanal zwischen Wienhausen und Langlingen (2006) ...... 14 Abbildung 6: Gehölzpflege (Erlenrückschnitt) mit Baumschere am Mobilbagger (2016) ...... 15 Abbildung 7: Stromlinienmahd (mit Mähkorb ausgeführt) an der Vehne bei Garrel-Letherfeld (2019)...... 17 Abbildung 8: Erlensaum an der Hase in Melle-Wellingholzhausen (2016) ...... 23 Abbildung 9: Standortfremde Weiden im Gewässerprofil an einem Hügellandgewässer, Aue bei Bernshausen (2017) ...... 24 Abbildung 10: Erle mit Phytophthora Symtomen ...... 24 Abbildung 11: Teilverklausung an einer Brücke, Rhume bei Bernshausen (2019) ...... 25 Abbildung 12: Naturnahes Gewässer mit Totholz (hier nicht Abflussrelevant), Alverscher Bach im östl. Stadtgebiet von (2009) ...... 26 Abbildung 13: Staudenknöterich (japanisches Springkraut) im/am Mittelgebirgsbach (2019) ...... 27 Abbildung 14: Nutriaspuren und -schäden, Molkereigraben bei Neuhaus-Veldhausen (2018) ...... 28 Abbildung 15: Entwicklung von Gewässerrandstreifen an der Esterau bei Emern (2010) ...... 29 Abbildung 16: Totholz-/Kieseinbau zur eigendynamischen Entwicklung bei hydraulischen Reserven, mit Anpassung der abflusssichernden Maßnahmen, Hase bei Bramsche (2017) ...... 31 Abbildung 17: Naturnahe Bauweise – Ufermauer im Mittelgebirge (2019) ...... 32 Abbildung 18: Kulturstau in der Aue-Mehde (2006) ...... 36 Abbildung 19: Arbeitsschritt artenschutzrechtliche/-fachliche Anforderungen, vereinfachte Darstellung nach NLWKN 2019 (vollständige Darstellung siehe Anhang 3) ...... 42 Abbildung 20: Gewässerunterhaltung – Mittelrinnenmahd, Kleine Aller bei Weyhausen (2017) ...... 50 Abbildung 21: Unterhaltungsintensität nach NLWKN 2016 ...... 52 Abbildung 22: Berglandgewässer ohne Regelunterhaltung, Große Lonau bei Herzberg (2019)...... 54 Abbildung 23: Tieflandgewässer mit Mehrfachunterhaltung, Bottendorfer Bach bei Wierstorf (2017) ...... 55 Abbildung 24: Gewässerentwicklung im Profil, wechselseitige Unterhaltung, Otter bei Malstedt (2019) ...... 55 Abbildung 25: Fortbildungsveranstaltung (Gewässertag) für Leitungsebene und Fachbehörden, Suderburg 2017 ...... 57 Abbildung 26: Fortbildungsveranstaltung für die Ausführungsebene, Bestimmung von Wasserpflanzen, beim Unterhaltungsverband Wüsting (2013) ...... 58 Abbildung 27: Einfluss von Bewuchs auf den Abfluss im Gewässer ...... 64 Abbildung 28: Zusammenhang zwischen Verkrautung und Abflussminderung (Baitsch 1972, Verändert: U. A.N. 2015) ...... 65 Abbildung 29: Bemessung nach Baitsch et al ...... 66 Abbildung 30: Fließgeschwindigkeit und Abfluss in Abhängigkeit von der Verkrautung (in % der Wasseroberfläche) nach Rau ...... 69

6 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Zeitkorridore Unterhaltung im und am Gewässer, Gehölz- und Röhrichtpflege ...... 21 Tabelle 2: Laich- und Larvalzeiten ...... 21 Tabelle 3: Gewässervegetation und Krautung/Mahd ...... 22 Tabelle 4: Hydraulische Leistungsfähigkeit und Unterhaltungsklasse/-intensität nach WVT 2011 ...... 52 Tabelle 5: Unterhaltungsklassen für Geestgewässer – 10 Stufig ...... 53 Tabelle 6: Unterhaltungsklassen/-intensitäten in den Naturräume Niedersachsens ...... 54

Schaubilder (Ablaufdiagramme) Schaubild 1: Entscheidungsablauf Regelunterhaltung ...... 47 Schaubild 2: Entscheidungsablauf Gewässerentwicklung – Anpassung der abflusssichernden Maßnahmen ...... 48 Schaubild 3: Entscheidungsablauf Gewässerentwicklung durch Unterhaltung...... 49

Anhänge Anhang 1: Gefährdungsgrad, Schutzstatus sowie Laich- und Larvalzeiten von Fischen, Neunaugen und Krebsen ... 83 Anhang 2: Empfehlungen für den Umgang mit Wasser- und Uferpflanzen ...... 84 Anhang 3: Prüfschema besonderer Artenschutz ...... 86 Anhang 4: Grundlagenermittlung zum Unterhaltungsplan ...... 87 Anhang 5: Belastungs- und Auswahlmatrix ...... 90

7 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Grundlagen, Anforderungen, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse

8 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

1 Einleitung

Die Gewässerunterhaltung ist kein Selbstzweck, sie dient standserfassungen, Grundlagenermittlungen und Ent- zunächst der Daseinsvorsorge. Gewässer sind dynami- scheidungsprozesse geben. Den Fachkollegen und sche Systeme, die sich laufend in Zeit und Raum verän- Fachkolleginnen in der Gewässerunterhaltung kann der dern. Die Gewässerunterhaltung muss diese Effekte be- Leitfaden eine Richtschnur für das eigene Handeln sein. rücksichtigen und kann sie nutzen, um den Prozess der Er ist eine Hilfestellung, indem er Bausteine und Werk- Gewässerentwicklung aktiv zu gestalten. Dabei geht es zeuge anbietet und Parameter für die Entscheidungspro- auch darum, die Vielfalt der Altersstufen und Sukzessi- zesse der Handelnden vor Ort benennt. Er kann jedoch onsstadien zu erhalten und so wenig wie möglich in die den eigenen, umfassenderen Entscheidungsprozess Gewässer und ihre natürlichen Entwicklungsprozesse durch qualifiziertes Personal des Unterhaltungspflichtigen einzugreifen. Unabhängig von diesen vielfältigen Anfor- nicht ersetzen. Dazu werden insbesondere in den Kapi- derungen und Zielen muss immer auch die Funktion der teln 4 bis 7 Rahmenbedingungen und Anforderungen für Gewässer zur Ableitung des Wassers gewährleistet wer- eine qualifizierte Entscheidung beschrieben, die Hinter- den. Daher gilt für den Umfang der Gewässerunterhal- gründe beleuchtet und die entscheidenden Parameter für tung: „So viel wie nötig – so wenig wie möglich“. den Abwägungsprozess beschrieben. Die umfangreiche Dieser Leitfaden ist das Ergebnis eines Diskussions- Darstellung berücksichtigt alle relevanten Gesichts- und Annäherungsprozesses der Arbeitsgruppe „Gewäs- punkte, damit eine rechtssichere und fachlich abgewo- serunterhaltung in Niedersachsen – Marsch, Geest, Bör- gene Entscheidung möglich ist und dokumentiert werden den, Berg- und Hügelland“ des WVT, die vom Umweltmi- kann. nisterium und vom NLWKN unterstützt wurde. Die Erläu- Die Unterhaltungspflichtigen sind verantwortlich für terungen und Hinweise, Empfehlungen und Beispiele sol- den Wasserabfluss und damit in letzter Instanz zuständig len den Unterhaltungspflichtigen als Impuls und Unter- für die Entscheidungen, die im Zusammenhang mit der stützung bei der fachlichen Abwägung ihrer Tätigkeit die- Gewässerunterhaltung zu treffen sind. Besonders vor nen, um im Rahmen der Gewässerunterhaltung die natio- dem Hintergrund unterschiedlicher gesellschaftlicher und nalen und europäischen Anforderungen des Gewässer- fachlicher Ziele, die einander teilweise widersprechen und Naturschutzes zu berücksichtigen und zu einer kon- können, sind Entscheidungen fachlich qualifiziert zu tref- kreten Umsetzung von Maßnahmen im Sinne der EG- fen, transparent darzustellen und zu kommunizieren. WRRL beizutragen. Der Leitfaden wendet sich an alle mit der Gewäs- Dieser Leitfaden leistet als deutliche Erweiterung ge- serunterhaltung befassten Personen und Einrichtungen genüber dem ersten Teil (WVT 2011) einen Beitrag zur sowie an alle interessierten Institutionen und Bürger. Er zeitgemäßen und fachgerechten Gewässerunterhaltung. soll das Wissen über die Anforderungen an die Gewäs- Es gibt jedoch keinen Königsweg, der immer begehbar serunterhaltung auf eine breite Basis stellen. In der Mitte ist und einfach schematisch abgearbeitet werden kann. enthält er eine Kurzdarstellung (Seiten I bis VIII), die her- Bei der notwendigen teilweise experimentellen Herange- ausgenommen werden kann und die wichtigen Punkte für hensweise an die Gewässerentwicklung werden auch zu- einen schnellen Überblick zusammenfasst. künftig Korrekturen erforderlich sein. Dennoch hat dieser Leitfaden den Anspruch, aufzuzeigen, auf welche Weise abwägend und zielführend vorzugehen ist, damit die ge- steckten ökologischen Ziele rechtlich abgesichert erreicht werden können, ohne die Sicherung des Abflusses zu vernachlässigen. Es handelt sich um einen kontinuierli- chen Prozess in dem aus interdisziplinärem Wissen und neu gewonnen Erkenntnissen eine laufende Anpassung der Methoden und Ziele erforderlich ist. Im Leitfaden werden die Rand- und Rahmenbedin- gungen für die Gewässerentwicklung in der Unterhaltung Ulrich Ostermann dargestellt. Er soll den ehrenamtlich in der Gewässerun- Bearbeitung und federführender Autor terhaltung Tätigen einen Einblick in die erforderlichen Be- Kreisverband der Wasser- und Bodenverbände Uelzen

9 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

2 Gewässerunterhaltung im Kontext der heutigen Anforderungen

2.1 Gesellschaftliche Forderungen an die der Flächennutzung führt. Die Entwicklung der Fließge- Gewässerunterhaltung wässer, insbesondere im Rahmen der Gewässerunter- haltung, ist vor diesem Hintergrund vielfach ein langwieri- Die Bevölkerung hält es für selbstverständlich, dass nach ger Prozess. einem kräftigen Regenguss das Wasser im Boden versi- Die Anforderungen an die Vorflut und damit an den ckert und – eines Tages – ins Meer fließt. Auf seinem Umfang der abflusssichernden Maßnahmen ergeben sich Weg dorthin gelangt das Wasser über oberflächigen Zu- auch aus der historischen Entwicklung der Gewässersys- lauf, über das Grundwasser, aber auch über Dränagen, teme des „Wasserlandes Niedersachsen“ über mehr als örtliche Kanalnetze und Gräben in Bäche und Flüsse. In 200 Jahre. Marschgebieten beeinflussen technische Einrichtungen (Stauanlagen, Schöpfwerke) teil- oder zeitweise den Zu- und Abfluss. Bäche und Flüsse werden auch als wertvolle Land- schaftselemente erlebt, die entsprechend zu schützen sind; sie müssen dennoch ihre Funktion als Teil des Ent- wässerungssystems in ihrem Einzugsgebiet erfüllen. Da- mit das Wasser ohne Schaden und zum Nutzen für den Menschen abfließen kann, besteht für die Fließgewässer nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bzw. dem Nie- dersächsischen Wassergesetz (NWG) die Pflicht zur Ge- wässerunterhaltung. Im Rahmen dieser öffentlich-rechtli- chen Verpflichtung müssen der ordnungsgemäße und schadlose Wasserabfluss gewährleistet und gleichrangig auch die gewässerspezifischen ökologischen Belange Abbildung 1: Ausgebautes Gewässer im Tiefland, Bade bei berücksichtigt werden. Daneben sind bei der Gewäs- Zeven-Badenstedt (2006) serunterhaltung auch alle weiteren gesetzlichen Regelun- gen, insbesondere das Naturschutzrecht, zu beachten. Neben den natürlichen Voraussetzungen und den aktuel- In der Vergangenheit ist ein großer Teil des nieder- len gesellschaftlichen Erfordernissen sind für eine zielge- sächsischen Gewässernetzes mehr oder weniger stark richtete Fließgewässerentwicklung in den verschiedenen ausgebaut worden, um die Hochwassersicherheit für be- Naturräumen (Marsch, Geest, Börden, Berg- und Hügel- baute Gebiete zu verbessern, Vernässungsschäden in land) ebenso auch kleinräumige Randbedingungen der Siedlungen oder an der Infrastruktur vorzubeugen und/ Natur, der Kulturlandschaft und der Einzugsgebiete zu oder die Vorflutverhältnisse für eine intensivere landwirt- berücksichtigen. schaftliche Nutzung zu schaffen. Die menschlichen Nut- Aus der europäischen Hochwasserrisikomanage- zungen haben sich auf die neue Situation eingestellt und mentrichtlinie (EU-HWRM-RL) können sich weitere Rand- sind vielfach unmittelbar an die Gewässer herangerückt. bedingungen und Anforderungen an die Gewässer erge- Dieser Sachverhalt erfordert in vielen Fällen, die vorhan- ben, die nicht nur in der Regionalentwicklung und bei der dene hydraulische Leistungsfähigkeit des Gewässersys- Planung von Maßnahmen, sondern gegebenenfalls auch tems durch abflusssichernde Maßnahmen bei der Ge- bei der Gewässerunterhaltung zu berücksichtigen sein wässerunterhaltung zu erhalten. Ohne diese abflusssi- werden. chernden Maßnahmen würde sich die hydraulische Leis- Für eine nachhaltige Gewässerentwicklung wird es tungsfähigkeit verringern, so dass sich durch höhere entscheidend darauf ankommen, dass mittel- und lang- Wasserstände häufigere Überflutungen einstellen und die fristig neben den ökologischen auch die ökonomischen Anforderungen des § 61 NWG nicht eingehalten werden. und sozialen (regionalpolitischen) Randbedingungen bei Weiterhin kann es zur Vernässung der Grundstücke von der Gewässerunterhaltung berücksichtigt werden, um so An- und Oberliegern sowie zu Laufverlagerungen in an- die aus der EG-WRRL (insb. Art. 4) abgeleiteten Umwelt- liegende Flächen kommen, was zu einer Einschränkung ziele erreichen und auch dauerhaft sichern zu können.

10 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Die Unterhaltungspflichtigen haben vor dem Hintergrund und Kanäle werden als künstliche Gewässer (engl. Artifi- ihres gesetzlichen Auftrags die Aufgabe, die vorgenann- cial Water Body, AWB) eingestuft. Für diese beiden Ge- ten Anforderungen zu erfüllen. Dies erfordert fachliche wässerkategorien muss das gute ökologische Potenzial Qualifikation, Methodenkompetenz und die Bereitschaft, erreicht werden. komplexe Entscheidungen zu treffen. Soweit die Unter- Die überwiegende Zahl der Fließgewässer bedarf zur haltungspflichtigen (Verbände, Kommunen usw.) kein ei- Aufrechterhaltung ihrer Vorflutfunktion einer regelmäßi- genes Fachpersonal haben, ist mittelfristig die Zusam- gen, mehr oder weniger intensiven Gewässerunterhal- menarbeit oder der Zusammenschluss mit entsprechend tung durch abflusssichernde Maßnahmen (ASM). leistungsfähigen Verbänden, die Einstellung von Fach- Maßnahmen der Gewässerunterhaltung können in personal oder die Beauftragung qualifizierter Dienstleister Abhängigkeit von Umfang und Intensität (z. B. Grundräu- anzustreben. mung in engen Zeitintervallen, Eingriffe in die Bö- In der Praxis der Gewässerunterhaltung ist zukünftig schungs- und Sohlstrukturen, Vegetationsbeseitigung, noch stärker auf ökologische Belange einzugehen. Alle sowie Entnahme eingetragener Sedimente oder Totholz) Möglichkeiten und Handlungsspielräume für eine scho- die Biozönose im Fließgewässer erheblich beeinträchti- nende bzw. bedarfsgerechte Gewässerunterhaltung sind gen. Empfindliche Tier- und Pflanzenarten, die dauerhaft im Sinne der Ziele der EG-WRRL konsequent auszu- auf geeignete/spezielle Strukturen angewiesen sind, wer- schöpfen, um die naturnahe Entwicklung der Gewässer den in ihrer Entwicklung erheblich gestört oder ver- zu fördern. schwinden unter Umständen auf lange Sicht sogar voll- Dabei muss deutlich herausgestellt werden, dass es ständig. Die Gewässerunterhaltung hat je nach Art und nicht um das „ob“, sondern um das geeignete „wie“ einer Maß ihrer Durchführung weitreichenden Einfluss auf Gewässerunterhaltung geht. Von den Unterhaltungs- zahlreiche Faktoren der Fließgewässerökologie. Die na- pflichtigen wird zukünftig noch mehr als bisher eine of- turschonende und bedarfsangepasste Gewässerunter- fene und bereitwillige Auseinandersetzung mit einer haltung kann innerhalb bestimmter Grenzen einen Bei- sachgerechten und zweckdienlichen Gewässerunterhal- trag zur Umsetzung der EG-WRRL leisten. tung im Sinne der §§ 61 ff. NWG gefordert. Andererseits Der Ausbau der Gewässer hat fast überall dazu ge- darf eine weitergehende Integration der ökologischen As- führt, dass die Strukturgüte vieler Gewässer nicht gut ist, pekte nicht zu deren Vorrangstellung führen, sondern es weil vielfältige differenzierte Gewässerhabitate nicht muss vielmehr eine Gleichstellung von hydraulischen und mehr oder nur noch eingeschränkt vorhanden sind. Eine ökologischen Anforderungen erfolgen. Der ordnungsge- angepasste Gewässerunterhaltung kann hier im vorhan- mäße Wasserabfluss ist auch weiterhin zu gewährleisten. denen Profil eine Verbesserung der Strukturgüte bewir- ken. 2.2 Administrative Anforderungen an die Die Gewässerunterhaltung hat einen starken Einfluss Gewässerunterhaltung auf die Strukturen und die Lebensgemeinschaften im Ge- wässer. Ökologische Aspekte bei Ausbau und Unterhal- Nach den Ergebnissen der Bestandsaufnahme erreichen tung der Gewässer zu beachten, wurde schon lange vor nur wenige Fließgewässer in Niedersachsen den nach Inkrafttreten der EG-WRRL fachlich thematisiert (DVWK der EG-WRRL geforderten Zustand. Eine der Hauptursa- 1984) und auch bei den Novellierungen des Wasser- chen für dieses Defizit liegt in den zum Teil deutlich ver- haushaltsgesetzes des Bundes (WHG) und des Nieder- änderten Gewässerstrukturen. sächsischen Wassergesetzes (NWG) berücksichtigt. Die heutige Gewässermorphologie ist meistens Folge Seitdem werden verstärkt und wiederholt neue Wege in der Verbesserung der Entwässerung und Kultivierung der Gewässerunterhaltung beschrieben und eingefordert. vorhandener oder zusätzlicher landwirtschaftlicher Nutz- flächen durch Gewässerausbau. Darüber hinaus sind umfangreiche Ausbaumaßnahmen zum Schutz vor Über- flutung oder für verschiedene andere Nutzungen (Ener- giegewinnung, Schifffahrt usw.) durchgeführt worden, die großen Einfluss auf die Gewässer haben. Viele umgestaltete Bach- und Flussläufe in Nieder- sachsen wurden deshalb als erheblich veränderte Ge- wässer (engl. Heavily Modified Water Body, HMWB) ein- gestuft. Die durch den Menschen geschaffenen Gräben

11 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Den durch die gesetzlich vorgegebene integrative Be- trachtung entstehenden Konflikten sollte bereits im Vor- feld begegnet werden und, wo möglich, ein Ausgleich herbeigeführt werden. Eine Veränderung der Gewäs- serunterhaltung mit dem Ziel, typspezifische Strukturen in den Gewässern zu erhalten, zu sichern oder auch wieder entstehen zu lassen, ist über Kriterien für die Unterhal- tung von Fließgewässern zu definieren. Der erforderliche Umfang von abflusssichernden Maßnahmen ist in Abhän- gigkeit vom Naturraum, den wasserwirtschaftlichen Randbedingungen sowie von Nutzungsart und Nutzungs- intensität der Flächen im Gewässereinzugsgebiet festzu-

Abbildung 2: Naturnahes Gewässer im Tiefland, Gerdau bei legen. Eine fachgerechte Abstimmung mit den aus der Eimke (2008) Flora-Fauna-Habitat (FFH)- und der Vogelschutzrichtlinie resultierenden Anforderungen des Arten- und Lebens- In § 39 Abs. 2 WHG ist festgelegt, dass die Gewässerun- raumschutzes ist ebenso notwendig, wie die Berücksich- terhaltung an den Bewirtschaftungszielen der EG-WRRL, tigung der naturschutzrechtlichen und -fachlichen Vorga- die in den §§ 27 bis 31 WHG in das deutsche Recht ben, die sich nach deutschem Recht ergeben. übernommen wurden, auszurichten ist und sie nicht ge- fährden darf. Die Gewässerunterhaltung muss den im Maßnahmenprogramm nach § 117 NWG in Verbindung mit § 82 WHG gestellten Anforderungen entsprechen. Gleichzeitig muss sie weiterhin den ordnungsgemäßen Wasserabfluss gewährleisten. Die Arbeitsgruppe “Gewässerunterhaltung in Nieder- sachsen - Marsch, Geest, Börden, Berg- und Hügelland“ des Wasserverbandstages aus Vertretern der Unterhal- tungsverbände und des Niedersächsischen Landesbe- triebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) wurde gegründet, um mit der Erstellung dieses Leitfadens einen aktiven Beitrag zur Vereinbarkeit der Ziele der EG-WRRL und der Sicherstellung des Wasser- Abbildung 3: Flutende Unterwasservegetation (2009) abflusses zu leisten. Damit wird eine Grundlage geschaf- fen um die teilweise gegenläufigen gesellschaftlichen An- Die Entwicklung von Gewässern im Sinne der EG-WRRL sprüche und Anforderungen an die Gewässerunterhal- ist ein anspruchsvoller Vorgang, der sich mit den Mitteln tung miteinander zu vereinbaren. der Gewässerunterhaltung an vielen Stellen teilweise Diese Arbeitsgruppe hat die Ansprüche und Anforde- umsetzen oder zumindest initiieren lässt. rungen an die Gewässerunterhaltung als öffentlich-recht- Die Gewässerunterhaltung bietet Ansätze und Mög- liche Verpflichtung und die Vorgaben der EG-WRRL in- lichkeiten für eine Entwicklung insbesondere dann, wenn haltlich geklärt, Randbedingungen und Anforderungen ein Ausbau nicht möglich ist und deshalb die Entwicklung definiert und einander gegenübergestellt. Dabei werden im vorhandenen Profil erfolgen muss. Eine eigendynami- realistische Handlungsfelder und Handlungsspielräume sche Entwicklung kann in vielen Fällen mit geringem Auf- sowie Möglichkeiten und Grenzen für eine Gewässerent- wand wirkungsvoller typische Strukturen ausbilden, als wicklung im Rahmen der Gewässerunterhaltung darge- dies bauliche Eingriffe vermögen. stellt und den Unterhaltungspflichtigen mit diesem Leitfa- Oft können die Qualitätsziele aber nur durch Verände- den „Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B“ rungen im Gewässer durch einen Ausbau erreicht wer- an die Hand gegeben. den.

12 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

2.3 Klimawandel

Die prognostizierten und bisher sichtbaren klimatischen Veränderungen zeigen für Niedersachsen neben höhe- ren Durchschnittstemperaturen auch eine veränderte Verteilung der Jahresniederschläge. Zunehmende Win- terniederschläge und häufigere und intensivere Starkre- gen stehen insgesamt abnehmenden Sommernieder- schlägen gegenüber. Diese Aspekte des Klimawandels werden zukünftig auch für die Gewässerunterhaltung eine Rolle spielen. Einerseits ist die möglichst schadlose Ableitung der Win- terniederschläge zu gewährleisten. Andererseits ist ein möglichst guter Rückhalt des Wassers in der „Fläche“ Abbildung 4: Mittelwasserstand bei Niedrigwasserabfluss durch sinnvoll, um die Grundwasserneubildung zu verbessern Krautstau, Ilmenau bei Bienenbüttel (August 2019) und den Basisabfluss der Gewässer in den Sommermo- naten zu sichern. Einen Königsweg für die Bewältigung der sich aus den Lokale und regionale Starkregenereignisse können zu klimatischen Veränderungen ergebenden zukünftigen großen Spitzenabflüssen in den Sommermonaten führen, Anforderungen an die Gewässerunterhaltung wird es die es in der Vergangenheit kaum gab. Geringere Ab- nicht geben, weil die Gewässerquerschnitte für die gerin- flüsse in den Sommermonaten können in Verbindung mit geren Sommerabflüsse zu groß und für die extremen höheren Temperaturen zu einer stärkeren Verkrautung Hochwasser-/Starkregenabflüsse oft zu klein sein wer- der Gewässer führen. Hier gilt es in Zukunft in besonde- den. Dennoch lassen sich aus diesem Leitfaden auch da- rer Weise durch gezielte Unterhaltungsmaßnahmen die für Lösungsansätze ableiten. Dies können zum Beispiel entstehenden Diskrepanzen zwischen Niedrig- und die Mittelrinnenmahd zur gezielten Führung der Niedrig- Hochwasserabfluss, Wasserrückhalt und Mindestfließge- wasserabflüsse und die Nutzung von Querschnittsreser- schwindigkeiten, Geschiebetrieb und Verkrautung auszu- ven oder die Erweiterung von Querschnitten oberhalb der gleichen und zu bewältigen und dabei auch die natur- Mittelwasserlinie (Grenze zum Ausbau beachten) für grö- schutzfachlichen Anforderungen zu berücksichtigen. ßere Abflüsse sein. Eine weitere Auswirkung des Klimawandels auf die Unterhaltung sind längere Vegetationsperioden mit früher einsetzendem Pflanzenwachstum. Insbesondere nach sehr milden Wintern muss in gefällearmen Gewässerab- schnitten mit hohen Nährstoffbelastungen deutlich früher durch den Unterhaltungspflichtigen eingegriffen werden, um den Wasserabfluss zu sichern. Der spätere Beginn von Frostperioden kann außer- dem zur Folge haben, dass im Winter/Frühjahr unter Um- ständen ein anderes Mahd-/Krautungsregime erforderlich wird, oder zusätzliche abflusssichernde Maßnahmen (mindestens Stromlinienmahd) durchzuführen sind. Milde Winter haben auch Auswirkung auf die Vermeh- rungsraten von Nutria und Bisam. Die Tierbestände wer- den größer, so dass insgesamt mehr Schäden an den Ufern entstehen können.

13 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

3 Kernbereiche der Gewässerunterhaltung

Die drei Kernbereiche der Gewässerunterhaltung  Gewässerpflege,  Gewässerentwicklung und  Ordnungsgemäßer Abfluss ergeben sich aus der gesetzlichen Definition in § 61 Abs. 1 NWG. Sie stehen in der Beurteilung des Unterhaltungs- pflichtigen zunächst gleichrangig nebeneinander und sind in der fachlich qualifizierten Entscheidung für die Gewäs- serunterhaltung zu berücksichtigen. Der Entscheidungs- prozess und die abwägungsrelevanten Parameter sollten als transparente rechtssichere Grundlage für die jewei- lige gewässerabschnittsspezifische Gewässerunterhal- tung dokumentiert werden. Die zu berücksichtigenden Abbildung 5: Mähkorbeinsatz am Wienhausener Mühlenkanal Parameter sind in Checklisten (Anhang 4, Kapitel 5) zu- zwischen Wienhausen und Langlingen (2006) sammengestellt. Grundsätzlich geht es darum, die verschiedenen Cha- 3.1 Abflusssicherung rakteristika der Gewässer, die anthropogenen Belastun- gen und Ansprüche und die Anforderungen an den Was- Die Maßnahmen zur Sicherung der Vorflut sind entschei- serabfluss mit den Zielen der EG-Wasserrahmenrichtlinie dend für die Entwässerung von Nutzflächen und zur Ab- und den ökologischen Randbedingungen (Natur- und leitung der auftretenden Hochwasserabflüsse. Dazu ge- Landschaftsschutz, Artenschutz und Gewässerstruktur) hören insbesondere: in Einklang zu bringen. – Sicherstellung des Abflusses und Vermeidung von Die bereits im Teil A dieses Leitfadens (WVT 2011) Überflutungsschäden für Siedlungen und Verkehrsan- dargestellten Randbedingungen und Grundlagen für den lagen und Entscheidungsprozess bei der Pflege und Entwicklung – Vermeidung von Schäden in Gewerbe-, Industriege- der Gewässer werden in den folgenden Kapiteln präzi- bieten und sonstigen intensiv genutzten Gebieten siert. Dazu zählen unter anderem: (z. B. Landwirtschaft). – die zeitliche Abstimmung der abflusssichernden Maß- Die Rand- und Rahmenbedingungen hinsichtlich der nahmen auf die Ansprüche der Fließgewässerfauna rechtlichen und fachlichen Ausgestaltung sind in WVT und -flora, (2011) grundlegend beschrieben. – der Gefährdungsgrad, Schutzstatus sowie die Laich- und Larvalzeiten von artenschutzrechtlich relevanten Die Durchführung aller Maßnahmen zur Abflusssicherung Tier- und Pflanzenarten (z. B. Libellen, Großmuscheln, erfordert einen fortwährenden Entscheidungsprozess, Fische, best. Makrophyten, s. Kapitel 4.1.2) und der zu einer schrittweisen Annäherung der Gewässerun- – die Reaktion von Wasserpflanzen auf Krautung oder terhaltung an das Optimum der Vereinbarkeit von ord- Mahd. nungsgemäßem Wasserabfluss sowie von Pflege und Entwicklung des Gewässers führt. Das entscheidende Neben den ökologischen Faktoren spielt vor allem die Si- Kriterium ist dabei die Aufrechterhaltung des ordnungs- cherung einer ausreichenden, den jeweils auftretenden mäßen Wasserabflusses und der ausreichenden Vorflut Abflüssen entsprechenden hydraulischen Leistungsfähig- für einmündende Gewässer. keit eine entscheidende Rolle. Für den Wasserabfluss sind insbesondere die Was- serstände/-spiegellagen bei Mittelwasserabfluss und un- ter Umständen der bordvolle Abfluss bzw. der maßge- bende Abfluss im betrachteten Gewässerabschnitt ent- scheidend und somit für eine ausreichende Entwässe- rungstiefe maßgebend. In deichgeschützten Gebieten ist bei der hydraulischen Leistungsfähigkeit der Gewässer der Binnenentwässerung auch der Qualmwasserabfluss

14 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

zu berücksichtigen. Das gleiche gilt sinngemäß für die Abführung von Druck- und Sickerwasser, das in den Tal- räumen der Rückstaubereiche von Wehr- und Schleu- senanlagen anfällt. In Kapitel 9 werden die hydraulischen Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Ermittlung der Abflüsse im Gewässer dargestellt und Hinweise zur hydraulischen Berechnung gegeben. Die Auswirkungen des Bewuchses in Gewässern können anhand von grafischen Darstellun- gen und Diagrammen qualitativ abgelesen und quantita- tiv ermittelt oder über die vorgeschlagenen Verfahren be- rechnet werden. Der Entscheidungsprozess, aus dem sich Zeitpunkt und Umfang der erforderlichen abflusssichernden Maß- nahmen ergeben, sollte anhand einheitlicher Kriterien ab- laufen und nachvollziehbar sein. Um die Entscheidung zu systematisieren, ist es sinnvoll, dass sich die Unterhal- tungspflichtigen an den vorgeschlagenen Checklisten oder Ablaufdiagrammen orientieren oder den Prozess selbst strukturieren. Eine Orientierung für das mögliche Vorgehen bietet das in Kapitel 6 dargestellte Verfahren.

3.2 Gewässerpflege Abbildung 6: Gehölzpflege (Erlenrückschnitt) mit Baumschere am Mobilbagger (2016) Die Pflege im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 NWG in Ver- bindung mit § 39 Abs. 2 WHG ist primär auf den Erhalt 3.3 Gewässerentwicklung des vorhandenen Zustandes ausgerichtet. Art und Um- fang der Pflege sind abhängig vom bisherigen Gewässer- Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 NWG in Verbindung mit § 39 zustand, vom ggf. durchgeführten Ausbau und von den Abs. 2 WHG ist die Gewässerentwicklung ein entschei- damit verfolgten Zielen. Die Pflege des Gewässers und dender Teil der Gewässerunterhaltung. seiner Ufer ist in der Regel, wenn keine Entwicklungs- Sofern die bestehenden, ggf. auch zukünftigen Rand- möglichkeiten zur Verfügung stehen, statisch (erhaltend). bedingungen Abweichungen vom bisherigen Zustand er- Grundsätzlich gilt es dabei, neben dem Erhalt der ökolo- lauben, soll die dynamische Veränderung des Gewäs- gischen Gewässerfunktionen auch die Attraktivität der sers zugelassen werden. Für die Gewässerentwicklung Gewässer als Landschaftselement zu sichern. Die Pflege gilt es, die im Gewässerquerschnitt und Gewässerumfeld bezieht sich auf das gesamte Gewässer einschließlich vorhandenen Spielräume zu ermitteln und zu nutzen, um der Böschungen mit ihren Uferstauden und Gehölzen. so die Eigenentwicklung der Gewässer zu fördern und zu Sie ist regelmäßig wiederkehrend oder auch alternierend steuern. Dafür sind zunächst Schutz- und Entwicklungs- (z. B. Gehölze) durchzuführen. ziele für Gewässer- oder Gewässerabschnitte zu definie- ren. Anzustreben ist ein möglichst naturnaher und struk- turreicher Zustand der Fließgewässer um die Qualitäts- ziele der §§ 27 bis 31 WHG zu erreichen. Die erforderli- chen und umsetzbaren Entwicklungsmaßnahmen sind dann in einem abgewogenen Entscheidungsprozess zu erarbeiten. Für diese Prozesse sind in den Kapitel 6.8.2 und 6.8.3 Ablaufdiagramme dargestellt.

15 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Die veränderte Gewässerunterhaltung mit weniger Ein- Veränderungen auf großen Gewässerlängen werden griffen in das Gewässer und damit geringeren Beein- hydraulische Einflüsse auf das Abflussgeschehen haben, trächtigungen von Flora und Fauna wird den Zustand der deren Wirkung auf An- und Oberlieger jeweils abzuschät- Gewässer in Hinblick auf die Strukturgüte und die Quali- zen oder auch zu berechnen ist. tät der biologischen Komponenten verbessern. Inwieweit Bei der Gewässerentwicklung im Rahmen der Gewäs- die damit verbundene Veränderung des Abflussquer- serunterhaltung ist der ordnungsgemäße Abfluss sicher- schnitts der Gewässer abflussrelevant ist muss der Un- zustellen. Welche Maßnahmen bzw. Veränderungen in terhaltungspflichtige abschätzen oder ggf. hydraulisch der Gewässerunterhaltung möglich sind, hängt in vielen berechnen. Fällen davon ab, ob dauerhaft hydraulische Reserven ge- In Schleswig-Holstein haben Untersuchungen in ei- nutzt werden können oder ob lediglich temporär/jahres- nem Pilotprojekt bestätigt, dass sich der Zustand der Ge- zeitlich hydraulische Spielräume vorhanden sind. Neben wässer durch eine veränderte/angepasste Unterhaltung den hydraulischen Anforderungen spielen die mittelbaren verbessern lässt. Auswirkungen der Maßnahmen auf die Ufer-/Anlieger- Die Unterhaltung wurde von einer vollständigen Sohl- grundstücke eine Rolle. Dies können insbesondere die räumung und meist einseitigen Böschungsmahd ab 2010 Laufverlagerung und Beschattung sein, durch die es zu umgestellt auf eine Stromstrichmahd und abschnitts- Veränderungen auf den Anliegerflächen kommen kann. weise einseitige Böschungsmahd. Das veränderte Unter- Möglicherweise entstehende Beeinträchtigungen bei der haltungsregime wurde in einem Untersuchungszeitraum Nutzung der Anliegerflächen sind zu berücksichtigen, bis 2013 beibehalten. Anhand der Kartierung der Struk- wenn vorhandene Spielräume genutzt werden. turgüte, der Gewässerflora (nach PHYLIB) und der Ge- Bei der Entwicklung von Fließgewässern sind fachli- wässerfauna (Makrozoobentos, nach PERLODES) wurde che Grundlagen zu beachten. Neben den Bewirtschaf- nachgewiesen, dass sich über einem Zeitraum von 4 tungsplänen bzw. Maßnahmenprogrammen der Flussge- Jahren nach Umstellung der Unterhaltung das Arten- bietseinheiten zur Umsetzung der EG-WRRL (FGG spektrum erweitert und die Individuenzahlen erhöht ha- 2015, FGG Weser 2015, NLWKN 2009) gilt es, natur- ben. Die Strukturgüte und die Tiefenvarianz der 5 unter- räumliche Rahmenbedingungen, morphologische Aus- suchten Gewässerabschnitte mit 3 – 4 m bzw. 7 - 8 m prägungen und anthropogene Veränderungen und Prä- Breite verbesserte sich um etwa eine halbe Klasse. Für gungen zu berücksichtigen. Die Zuordnung der Fließge- die Makrophytenbestände ergab sich keine signifikante wässertypen nach NLWKN (2001) ist dafür eine wichtige Veränderung. Die Untersuchungen des Makro- Grundlage. zoobenthos zeigten eine eindeutige Erhöhung der Arten- Maßnahmen zur Gewässerentwicklung können mit und Individuenzahlen. Durch die Pflanzenbestände in Laufveränderungen der Gewässer verbunden sein. Wenn den „geschonten“ Bereichen ist es zu einer verstärkten planmäßig Veränderungen vorgenommen oder initiiert Sedimentation gekommen, so dass sich die Profile ver- werden, sind vorher die rechtlichen Fragen in Bezug auf engt haben. Im Niedrig-/Mittelwasserprofil ergibt sich so einen genehmigungsbedürftigen Ausbau, die Grenzen eine erhöhte Fließgeschwindigkeit, die ein wesentlicher der Gewässerparzellen und der ggf. vorhandenen Ge- Grund für die positiven Veränderungen ist. wässerrandstreifen zu klären. Die hydraulischen Auswirkungen der geänderten Un- Auch die Auswirkungen und Einflüsse kleinerer Sei- terhaltung auf den Abfluss wurden nicht untersucht, weil tengewässer und Gräben auf unterhalb anschließende inner- und oberhalb der Versuchsabschnitte (Länge je- Bäche und Flüsse können beträchtlich sein. Das kann weils rd. 500 m) nach Feststellungen der Unterhaltungs- bedeuten, dass auch an/in solchen Gewässern Präventi- pflichtigen keine relevanten Wasserspiegelveränderun- onsmaßnahmen (z. B.: Sand- und Nährstoffeinträge ver- gen sichtbar wurden (Stiller 2014, 2016). ringern) ergriffen werden müssen, um Nachteile für an- Die Untersuchungsergebnisse aus Schleswig-Holstein schließende Gewässerabschnitte auszuschließen, oder zur Gewässerentwicklung im Rahmen der Unterhaltung zu minimieren. sind auch auf vergleichbare niedersächsische Gewässer übertragbar. In welchem Umfang sich so Gewässerent- wicklung initiieren lässt hängt von vielen gewässerspezifi- schen Randbedingungen ab.

16 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Eine eigendynamische Veränderung des Gewässers, die zu einer wesentlichen Veränderung führt und -geplant- einen Ausbau darstellt, muss durch den Unterhaltungs- pflichtigen nicht verhindert werden. Er muss lediglich zu jeder Zeit dafür sorgen, dass der ordnungsgemäße Was- serabfluss gegeben ist. Das kann, muss aber nicht be- deuten, dass eigendynamischen Veränderungen entge- gen zu wirken ist. Die Veränderungen und ihre Auswir- kungen auf den Abfluss sind daher zu beobachten; ggf. ist gegenzusteuern, um die zu erwartenden Abflüsse zu beherrschen.

Abbildung 7: Stromlinienmahd (mit Mähkorb ausgeführt) an der Vehne bei Garrel-Letherfeld (2019)

17 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

4 Grundlagen der Gewässerunterhaltung

4.1 Rechtliche Grundlagen und Hinweise für die FFH-Gebiete aufgestellt werden, zu berücksichti- gen. Die FFH-Managementpläne und die Unterhaltungs- Die rechtlichen Grundlagen für die Gewässerunterhal- pläne sollten hinsichtlich der Aspekte der Gewässerun- tung sind in Teil A des Leitfadens Gewässerunterhaltung terhaltung aufeinander abgestimmt sein. in Niedersachsen (WVT 2011) dargestellt, auf den hin- Die Gewässer haben auch besondere Bedeutung für sichtlich der wasserrechtlichen Bestimmungen verwiesen den Biotopverbund (§ 21 BNatSchG). Dies ist bei der wird. Für die dort beschriebenen naturschutzrechtlichen Entwicklung der Gewässer, ihrer Auen und Gewässer- Anforderungen haben sich insbesondere in Hinblick auf randstreifen (Kap. 4.11) möglichst zu berücksichtigen. den Artenschutz durch den Leitfaden Artenschutz – Ge- Weitere Ausführungen zu den Naturschutzrechtlichen As- wässerunterhaltung (NLWKN 2017) Änderungen erge- pekten der Unterhaltung finden sich in WVT 2011, Kapitel ben, die nachfolgend dargestellt werden. 3.3. Neben der Anwendung des Leitfadens Artenschutz – Gewässerunterhaltung und der Beachtung der Anforde- 4.1.2 Artenschutz rungen des allgemeinen Artenschutzes sind in der Ge- wässerunterhaltung grundsätzlich, bezogen auf Art, Um- Bei der Unterhaltung sind die Vorgaben des Artenschut- fang und Zeitpunkt, sämtliche fachlichen und rechtlichen zes einzuhalten. Diese bestehen zum einen in den Rege- Randbedingungen objektiv abzuwägen und zu einem Er- lungen zum Schutz besonders und streng geschützter gebnis zu führen. Der jeweilige Umfang von abflusssi- Arten in den §§ 44 und 45 BNatSchG (sog. besonderer chernden Maßnahmen sowie von Pflege- und Entwick- Artenschutz) und den allgemeinen Vorgaben zum Schutz lungsmaßnahmen ist gewässerspezifisch und, soweit von Tieren und Pflanzen in § 39 BNatSchG (sog. allge- zweckmäßig und notwendig für die Zielerreichung nach meiner Artenschutz). WRRL, kleinteilig festzulegen. Einzelheiten finden sich Strengere Vorschriften enthalten die Bestimmungen nachfolgend in den Kapiteln zur praktischen Umsetzung des besonderen Artenschutzes nach §§ 44 und 45 der rechtlichen Anforderungen in der Gewässerunterhal- BNatSchG, der in § 44 Abs. 1 verschiedene Verbote ent- tung. hält. Individuen der geschützten Arten dürfen nicht ver- letzt, getötet oder zerstört werden, oder an bestimmten 4.1.1 Naturschutz allgemein Orten beunruhigt werden. Betroffen sind nicht alle, son- dern nur enumerativ als besonders oder streng ge- Bei der Gewässerunterhaltung sind die verschiedenen schützte bestimmte Arten. Der Großteil dieser Arten wird naturschutzrechtlichen Bestimmungen zu berücksichti- in der Bundesartenschutzverordnung genannt, dazu zäh- gen. Neben den bundes- und landesgesetzlichen Anfor- len aber auch noch weitere Arten in Anhängen diverser derungen und Schutzvorschriften der Naturschutz- und EU-Richtlinien sowie alle europäischen Vogelarten. Frei- Landschaftsschutzgebiete und geschützter Landschafts- stellungen von den Verboten des § 44 BNatSchG kann bestandteile sowie des allgemeinen Biotopschutzes mit nur die Naturschutzbehörde unter bestimmten Vorausset- den in diesen Gebieten geltenden Bestimmungen der je- zungen genehmigen. weiligen Schutzgebietsverordnungen sind die europa- Von den Verbotstatbeständen des besonderen Arten- rechtlichen Anforderungen zu berücksichtigen, die sich schutzes ist die Gewässerunterhaltung nicht gesetzlich aus den europäischen Richtlinien (Natura 2000, FFH- freigestellt. Dadurch besteht potentiell ein ständiger Kon- Richtlinie) und den nationalen Verordnungen für die ver- flikt zwischen der Pflicht zur Durchführung der Gewäs- schiedenen Schutzkategorien (z. B.: Biosphärenreservat) serunterhaltung und den Verboten des besonderen Ar- ergeben. In jedem Fall sind für abflusssichernde Maß- tenschutzes, da die typischen Unterhaltungsmaßnahmen nahmen und Entwicklungsvorhaben in Naturschutzgebie- oft geeignet sind, Individuen geschützter Arten u. a. zu ten frühzeitige Abstimmungen mit den zuständigen Unte- zerstören, zu töten oder erheblich zu stören. Insofern ren Naturschutzbehörden erforderlich. Die für die ver- sind konkrete Hinweise zum Verhältnis von Artenschutz schiedenen FFH-Gebiete definierten Schutzziele müssen und Gewässerunterhaltung sinnvoll und nötig. berücksichtigt werden. Deshalb sind auch die Manage- Die Abarbeitung der artenschutzrechtlichen Anforde- mentpläne, die von den Unteren Naturschutzbehörden rungen in der Gewässerunterhaltung wurde für die streng und besonders geschützten Arten durch den Leitfaden

18 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Artenschutz – Gewässerunterhaltung (NLWKN 2017) neu und streng geschützten Arten an den Gewässern in Nie- geregelt. Er wurde am 12.07.2017 im niedersächsischen dersachsen. Die Karten geben den aktuellen Stand der Ministerialblatt Nr. 27/2017 veröffentlicht und ersetzt die bei den staatlichen und kommunalen Behörden vorlie- niedersächsische Artenschutz-Ausnahmeverordnung genden Daten über die geschützten Arten wieder. Eigene (NArtAusnVO, Nds. GVBl. Nr. 17/2012, S. 289), die am Erhebungen müssen die Unterhaltungspflichtigen nicht 31.07.2017 außer Kraft getreten ist. Der Leitfaden Arten- durchführen. schutz – Gewässerunterhaltung und seine Anlagen wer- Sind in den Karten keine Vorkommen geschützter Ar- den laufend aktualisiert (NLWKN 2019). ten verzeichnet, ist davon auszugehen, dass an dem be- Der Leitfaden Artenschutz – Gewässerunterhaltung troffenen Gewässerabschnitt landesseitig keine Kennt- gilt für alle Gewässer, er stellt die grundlegenden arten- nisse über die ggf. hier vorkommenden Arten vorliegen – schutzrechtlichen und -fachlichen Randbedingungen dar und insofern gemäß Leitfaden keine besonderen arten- und ist gleichzeitig eine Handlungsanleitung für die Abar- spezifisch schonenden Unterhaltungsmaßnahmen erfor- beitung des Artenschutzes bei der Entscheidung über Art derlich sind. Anders wäre dies, wenn geschützte Arten und Umfang der Gewässerunterhaltung. Der Leitfaden bekannt sind und/oder vor Ort angetroffen werden; dies hat anders als die weggefallene Verordnung keinen wäre in die Abwägung einzubeziehen. Rechtsnormcharakter, konkretisiert also nur die Bestim- Einzelheiten zur Anwendung des Leitfadens Arten- mungen des BNatSchG für die praktische Anwendung. In schutz – Gewässerunterhaltung sind in Kapitel 6.2.2 be- der Bekanntmachung wird vom Niedersächsischen Minis- schrieben und das zentrale Prüfschema ist in Anhang 3 terium für Umwelt, Energie und Klimaschutz als oberster abgebildet. Naturschutzbehörde allerdings dargelegt, dass bei Be- Wenn es nach entsprechender Abwägung nicht mög- achtung des Leitfadens, also der Anwendung der dort be- lich ist, die allgemeinen oder die speziellen Artenschutz- schriebenen Prüfungs-/Entscheidungsabläufe und der rechtlichen Bestimmungen einzuhalten, muss immer eine beschriebenen artenschonenden Gewässerunterhal- Einzelausnahmegenehmigung (bezogen auf Zeit-, Arten- tungsmaßnahmen, die Einhaltung artenschutzrechtlicher und Gewässer(abschnitte)) nach § 45 Abs. 7 Satz 1 und Vorschriften gewährleistet ist. 2 BNatSchG von der zuständigen Naturschutzbehörde Unter diese Bestimmungen fallen derzeit fast 100 be- eingeholt werden bzw. vorliegen. sonders oder streng geschützte Arten, die in und an den Deshalb wird hier, auch wegen der bei Zuwiderhand- Gewässern vorkommen (Stand August 2019). Zentraler lungen drohenden Sanktionen, ausdrücklich darauf hin- Baustein des Leitfadens ist deshalb das für Niedersach- gewiesen, dass die jeweils geltenden gesetzlichen arten- sen erstellte Verzeichnis der gewässergebundenen be- schutzrechtlichen Regelungen zu beachten sind. Eine sonders oder streng geschützten Tier- und Pflanzenar- enge Abstimmung mit den zuständigen Unteren Natur- ten. Es wird ergänzt durch Artensteckbriefe für die ge- schutzbehörden ist besonders wichtig. nannten betroffenen geschützten Arten. bzw. Artengrup- pen. Die Steckbriefe enthalten die wesentlichen ökologi- Es gibt keine einfachen Regeln oder Konzepte für den schen Merkmale, Lebensraum- und Standortansprüche Umgang mit Artenschutzbelangen. Wichtig ist, dass der Arten und geben konkrete Hinweise zur Umsetzung sich der Unterhaltungspflichtige auf Grundlage der vor- einer möglichst natur- und artenschonenden Unterhal- handenen Daten aktiv mit der Thematik auseinander- tung. Die Liste und die zugehörigen Steckbriefe sind setzt, sich mit der Naturschutzbehörde abstimmt und nicht abschließend, sie werden fortlaufend ergänzt und die gegebenenfalls erforderlichen (Ausnahme)Geneh- aktualisiert. Die Steckbriefe enthalten konkrete Hinweise migungen einholt. Der Leitfaden Artenschutz – Ge- dazu, wie eine artenschonende Unterhaltung für die je- wässerunterhaltung bietet dafür die entscheidende weilige Art aussehen sollte. Die Steckbriefe sind in den Grundlage. Seine Anwendung setzt eine vertrauens- jeweils aktuellen/gültigen Fassungen auf den Internetsei- volle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen den ten des NLWKN zu finden. Naturschutzbehörden und den Unterhaltungspflichti- Der Leitfaden dient bei entsprechender Anwendung gen voraus. dazu, die artenschutzrechtlichen Anforderungen bei der Gewässerunterhaltung einzuhalten. Grundlage sind die Neben dem besonderen Artenschutz sind die Regeln des vom NLWKN freigegebenen und auf seiner Internetseite allgemeinen Schutzes wild lebender Tiere und Pflanzen veröffentlichten Arbeitskarten zu Vorkommen und Ver- (§ 39 BNatSchG) zu beachten. Es besteht nach § 39 breitung der im o. a. Verzeichnis genannten besonders Abs. 1 BNatSchG ein grundsätzliches Verbot, Tiere und

19 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu töten oder zu zer- 4.2 Zeitkorridore für abflusssichernde stören. Dieses Verbot greift im Fall ordnungsgemäßer Maßnahmen Gewässerunterhaltung nicht, da diese gesetzlich ange- ordnet ist und daher immer einen vernünftigen Grund Bei der Gewässerunterhaltung sind die Habitatansprüche zum Eingreifen darstellt. und Lebenszyklen der Gewässerbiozönosen zu berück- Relevant für die Gewässerunterhaltung sind dagegen sichtigen. Deshalb gibt es für die Gewässerunterhaltung vor allem das Verbot des Rückschnitts vom Bäumen oder nur enge Zeitkorridore, in denen die spezifischen Tier- Röhricht in der Zeit vom 1.3. bis 30.9. (§ 39 Abs. 5 Satz 1 und Pflanzengemeinschaften durch abflusssichernde Nr. 2 und 3 BNatSchG) und das Gebot, außerhalb der Maßnahmen nicht oder kaum beeinträchtigt werden. An- genannten Zeit Röhricht nur abschnittsweise zu schnei- gaben hierzu sind auch im NLWKN-Leitfaden Arten- den (§ 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG). Diese Regeln schutz und Gewässerunterhaltung enthalten. können mit dem gesetzlichen Auftrag, einen Wasserab- In den Gewässern leben immer nur wenige gewässer- fluss zu erhalten, der Flächen nicht schädigt, kollidieren. spezifische Arten. Das ganze Artenspektrum kommt Sofern der Unterhaltungspflichtige selbst Behörde ist praktisch nie vor, so dass der Zeitpunkt und -raum der (Kommune, Unterhaltungsverband, Wasser- und Boden- abflusssichernden Maßnahmen so gewählt werden kann, verband), kann er nach § 39 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 a) dass die Beeinträchtigungen für die relevanten Arten mi- BNatSchG auch entgegen der Verbote des § 39 Abs. 5 nimiert werden können. Der Unterhaltungspflichtige muss Satz 1 Bäume oder Röhricht zurückschneiden, wenn er sich deshalb mit den Ansprüchen der Arten auseinander- die Unterhaltung nicht auf andere Weise oder zu anderen setzen, die typischerweise naturraum- und gewässertyp- Zeiten durchführen kann; die Entscheidung trifft er als bedingt vorkommen, um geeignete Zeitfenster für seine Behörde selbst. Ob die Abweichung von den Verboten Arbeiten festzulegen. Beeinträchtigungen lassen sich gerechtfertigt ist, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. nicht vollständig vermeiden, sie sind aber auf ein nicht Die Entscheidungen sind jeweils zu begründen und zu vermeidbares Minimum zu begrenzen. dokumentieren. Unterhaltungspflichtige, die keine Behör- An den Gewässern mit bekanntem Vorkommen von, den sind, dürfen von den festgelegten Fristen nicht selb- besonders oder streng geschützten Arten sind die in den ständig abweichen, sie müssen sich an die zuständigen Artensteckbriefen des Leitfadens Artenschutz – Gewäs- unteren Naturschutzbehörden wenden und eine behördli- serunterhaltung (s. o.) näher beschriebenen artenbezoge- che Zulassung beantragen. nen Zeitkorridore zu beachten. Dabei kann es auch vor- kommen, dass bei Betrachtung und Abwägung aller Biber Randbedingungen von diesen eher allgemeinen Korrido- Von besonderer artenschutzrechtlicher Relevanz ist ren vollständig abgewichen werden muss. der Biber, der streng geschützt ist, und mit seinen In Tabelle 1 sind die Zeiträume farbig unterlegt, in de- wasserbaulichen Maßnahmen Gewässer umgestaltet nen möglichst nicht in die Gewässer eingegriffen werden und die Abflussverhältnisse verändert. Durch die Ver- sollte. Zusätzlich werden die Zeiträume gekennzeichnet, änderung der Abflussverhältnisse kann es zum Rück- in denen die verschiedenen Arbeiten vorrangig ausge- stau, zur Vernässung von Flächen und auch zu Hoch- führt werden sollten. Dabei ist zwischen dem Bereich der wassergefahren kommen. Der Unterhaltungspflichtige Böschungen bis zum Übergang zur Aue (Pflege von Ge- sollte vorausschauend agieren und, wo erforderlich, hölzen und Röhricht) und dem aquatischen Bereich zu mit den zuständigen Behörden ein Konzept zur Regu- unterscheiden. Bei der Unterhaltung im fließenden Was- lierung der Entwässerung entwickeln und umsetzen. ser spielt es auch eine Rolle, ob und in welchen Umfang Entscheidend für die Eingriffsmöglichkeiten durch die durch die Arbeiten Material aufgewirbelt und eine Trü- Unterhaltungspflichtigen wird hier sein, ob es sich le- bung und Sauerstoffzehrung ausgelöst wird. diglich um temporäre Staue und „Übungsdämme“ han- Vom Zeitpunkt des Pflanzenschnittes hängt auch ab, delt, oder ob es sich um Habitat- oder Reproduktions- ob Pflanzenbestände gezielt entwickelt oder zurückge- gewässer des Bibers handelt. Die Maßnahmen sollten drängt werden können (siehe Kapitel 4.4). durch Fachpersonal der Unterhaltungspflichtigen in en- ger Abstimmung mit den Unteren Naturschutzbehör- den ausgeführt werden. Was im Einzelnen sinnvoll und erforderlich ist kann nur vor Ort entschieden werden.

20 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Tabelle 1: Zeitkorridore Unterhaltung im und am Gewässer, Gehölz- und Röhrichtpflege Zeitkorridore Gehöz- und Röhrichtpflege Monat 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Gehölze und X X Vegetationszeit X X X Röhricht 1 Vögel 2 Setz- und Brutzeit 1 generell ist eine differenzierte Mahd/Gehölzpflege anzustreben (abschnittsweise; zeitversetzt, um die Flugphasen wichtiger Tierordnungen zu schützen; halbseitig, um Winterlager und Wiederbesiedlungsareale zu gewährleisten). 2 01. April bis 15. Juli (TSCHÖPE 2006, verändert) Zeitkorridore Fauna Monat 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Fische 3 Laichzeit Laichzeit Amphibien Laichzeit Ruhezeit Unterhaltung im X X X Gewässer 4 Unterhaltung im X X X X X Gewässer 5 Laich- und Generell nicht antasten, sind von sich aus stabil Kiesbetten 3 Details zur Gefährdung und zu den Laichzeiten siehe Kapitel 4.3 4 Empfehlung bei schonender Räumung (Mittelrinnenkrautung, punktuelle Pflanzenentnahme) 5 Empfehlung bei Eingriffen in die Sohle (Sedimentation führt zur Reaktivierung von Nährstoffen, Trübung, Sauerstoffzehrung, Übersandung/-schlam- mung nachfolgender Grobsedimente und des Sedimentlücken-Systems; je wärmer das Wasser, desto gravierender wirken sich diese Phänomene aus; Aufwirbelung führt zur Katastrophendrift der Wirbellosen) (TSCHÖPE 2006, verändert)

4.3 Laich- und Schonzeiten der Fischfauna Tabelle 2: Laich- und Larvalzeiten Monat Artname In der nachfolgenden Tabelle 2 sind die für die Gewäs- X XI XII I II III IV V VI VII VIII IX Lachs serunterhaltung kleiner Fließgewässer besonders rele- Meerforelle vanten Fischarten, Neunaugen und Krebse mit ihren Bachforelle Laich- und Larvalzeiten dargestellt. Groppe Wie schon im Kapitel 4.2 beschrieben, gibt es für ab- Bachneunauge* flusssichernde Maßnahmen nur enge Zeitkorridore, in de- Flussneunauge* nen die verschiedenen Arten nicht oder kaum beeinträch- Meerneunauge* tigt werden. Da in den verschiedenen fischökologischen Elritze Regionen meist nur einzelne Artengruppen und praktisch Schmerle nie das gesamte Artenspektrum vorkommen, kann der Quappe Äsche Zeitpunkt der Arbeiten auf die weniger kritischen Zeiten Barbe gelegt werden. Hecht Eine detaillierte Tabelle findet sich in Anhang 1. Dort Steinbeißer* sind auch: Bitterling  Gefährdungsgrad, Moderlieschen  Schutzstatus, Schleie  Lebensräume und Karausche  Laichhabitate Schlammpeitzger* für die verschiedenen Arten aufgeführt. Die für die ver- Edelkrebs 1) 2) 3) Artnamen: * = Larven (Querder) oder Fische ganzjährig eingegraben in schiedenen Fischarten dargestellten Zeitkorridore wer- Feinsedimenten lebend. den für die die ggf. betroffenen besonders oder streng Monatsspalten: = Hauptlaichzeit, = Laichperiode, = sensible Larvalphasen in Sediment oder Pflanzen, = ganzjähriger Aufenthalt geschützten Arten in den Artensteckbriefen des Leitfa- im Sediment. dens Artenschutz – Gewässerunterhaltung (NLWKN Edelkrebs: 1) = Begattung, 2) = Schlupf, 3) Trennung von Mutterkrebs. (Meyer, LAVES, Dezernat Binnenfischerei, 2010, verändert) 2017) näher differenziert und erläutert.

21 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

4.4 Wasser- und Uferpflanzen Die Entwicklung der Pflanzen hängt neben den natürli- chen Voraussetzungen (Nährstoffe, Temperatur, Der Bewuchs im Gewässer, auf den Böschungen (sub- Licht/Beschattung usw.) entscheidend von der geeigne- aquatisch und submerse Wasserpflanzen) und im Über- ten Wahl der Methode und des Zeitpunktes der abflusssi- gang zur Aue ist von großer Bedeutung für die Gewäs- chernden Maßnahmen ab. Zu beachten ist die Reaktion serökologie und auch für den Wasserabfluss. Deshalb der Pflanzen auf den Zeitpunkt des Schnitts, weil sich gehört die Entwicklung naturraumtypischer beständiger darüber die Entwicklung der Pflanzenbestände, zumin- Pflanzengesellschaften im Gewässerprofil zu den wichti- dest in Grenzen, steuern lässt. gen Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen am Gewäs- Grundlegende Empfehlungen für den Umgang mit ser. Wasserpflanzen wurden bereits im Leitfaden Gewäs- Bei einem Teil der flutenden Unterwasserpflanzen serunterhaltung in Niedersachsen Teil A gegeben. Die (z. B. Wasserstern) ist eine Krautung oft nicht erforder- nachfolgende Tabelle hat auf der Grundlage neuerer Ver- lich, weil sie sich in der kalten Jahreszeit zurückbilden. öffentlichungen (WVT 2013, FHH 2013) einen erweiter- Nur wenn es in den Sommermonaten zu Rückstau ten Umfang. Die wichtigsten Pflanzen der Gewässer sind kommt, sollte mit gezielten Unterhaltungsmaßnahmen mit ihrer Reaktion auf die Mahd in Tabelle 3 dargestellt. (z. B. Mittelrinnenmahd, wechselseitige Sohl-/Böschungs- Zusätzliche Angaben zur Bedeutung der Pflanzen für die mahd, abschnittsweise Mahd, kleinteilige Handräumung) Gewässerökologie können Anhang 2 entnommen wer- regulierend eingegriffen werden. den.

Tabelle 3: Gewässervegetation und Krautung/Mahd Pflanzenart Reaktion auf Krautung/Mahd Wasserpest (Neophyt) schnell nachwachsend, „Stecklingsvermehrung“, daher Kraut entnehmen Einfacher Igelkolben sehr konkurrenzstark, Mahd fördert seine Verbreitung Ästiger Igelkolben starke Förderung durch Mahd, sehr dominant, Gefahr von „Monokulturen“ Schwimmendes Laichkraut zur Blüte oder danach geschnitten wächst es kaum noch nach Krauses Laichkraut intensive Mahd lässt es weitgehend verschwinden Kammförmiges Laichkraut Wachstumszonen an der Pflanzenspitze, daher schnittempfindlich Wasserhahnenfuß Krautung vor der Blüte fördert, Krautung nach der Blüte reduziert Pflanzenmasse Wasserstern bildet Polster, die die Strömung gut lenken, reagiert sehr empfindlich auf Krautung Schmalblättriger Merk reagiert empfindlich auf frühe Krautung (bis Frühsommer), zum Sommer Wuchs stark nachlassend Flutender Schwaden Förderung durch Krautung vor der Blüte Großer Schwaden toleriert Mahd, sein hoher Wuchs hilft bei der Beschattung Rohrglanzgras toleriert Mahd Schilfrohr leidet unter der Mahd, solange es noch grün ist sowie bei Unterwasserschnitt Gewöhnliches Pfeilkraut Regeneriert sich vergleichsweise schnell nach früher Krautung, daher möglichst spät krauten Krebsschere leidet unter der Mahd, unsachgemäße Krautung kann zum Erlöschen der Bestände führen Gelbe Teichrose Reagiert vergleichsweise empfindlich auf die Krautung, möglichst erst nach der Blüte (ab September) krauten Tausendblatt (versch. Arten) Sehr empfindlich, verschwindet bei Krautung, unbedingt schonen Brunnenkresse verschwindet zum Winter weitgehend, Sommerschnitt fördert das Pflanzenwachstum

22 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

4.5 Gehölze besondere Bedeutung zu. Die Neubegründung von ge- wässerbegleitenden Gehölzen sollte, soweit möglich, Gehölze sind als Lebensräume im Übergangsbereich über die natürliche Sukzession erfolgen. Wenn dies nicht zwischen Wasser und Land entscheidende Bestandteile möglich ist, muss autochthones Pflanzenmaterial aus des Gewässers und wichtige Elemente in der Landschaft. dem jeweiligen Naturraum verwendet werden. Standortheimische Ufergehölze strukturieren und stabili- Gehölze im Gewässerprofil zwischen den Böschungs- sieren nicht nur Ufer und Böschungen, sondern haben oberkanten unterliegen auch dem Interesse der Gewäs- auch vielfältige positive ökologische sowie klimatische serunterhaltung (vgl. § 41 Abs. 1 und § 77 NWG in Ver- und optische Wirkungen. Gehölze und ihre Wurzeln bie- bindung mit § 38 Abs. 4 WHG), sowohl hinsichtlich des ten im Wasserwechselbereich Lebensraum, Nahrungsha- ordnungsgemäßen Abflusses als auch hinsichtlich der bitat und Unterschlupf für viele Gewässerbewohner. Sie Gewässerstrukturgüte. Im Rahmen der Verkehrssiche- können darüber hinaus eine Extensivierung regelmäßiger rungspflicht kann eine zweimalige Kontrolle der Bäume abflusssichernder Maßnahmen im/am Gewässerbett er- (belaubter und nicht belaubter Zustand) im Jahr erforder- möglichen. lich werden. Der tatsächliche Umfang der Kontrollpflich- ten ist von vielen Gesichtspunkten (Alter, Lage und Zu- gänglichkeit usw.) abhängig. Hierzu gibt es bereits eine Vielzahl von Urteilen und Veröffentlichungen in der ein- schlägigen Fachliteratur. Die Pflege der Bäume und Sträucher im Gewässer, also zwischen den Böschungsoberkanten als Bestandteil des Gewässers, liegt in der Zuständigkeit des Unterhal- tungspflichtigen. Dies gilt auch für Bäume und Sträucher im Gewässerrandstreifen, wenn der Randstreifen dem Unterhaltungspflichtigen gehört oder er die Nutzungs- rechte daran hat. Gehölze im Gewässerrandstreifen un- terliegen den Bestimmungen des § 38 Abs. 4 WHG. Die unteren Wasserbehörden können gegebenenfalls Anord- nungen treffen, um die Bepflanzung der Gewässerufer

Abbildung 8: Erlensaum an der Hase in Melle-Wellingholzhau- und -randstreifen sowie die Pflege der Bestände zu re- sen (2016) geln. Die Eigentümer der Grundstücke am Gewässer, auf Der Aufbau von Ufergehölzen bietet gerade bei ausrei- denen die Bäume stehen, sind für deren Pflege und Ver- chender Flächenverfügbarkeit in vielen Fällen gute Chan- kehrssicherheit verantwortlich. Dies kann in Einzelfällen cen, Konflikte zwischen hydraulischen und ökologischen auch auf die Gewässerparzelle selbst zutreffen. Dann Anforderungen bei der Gewässerunterhaltung zu mini- liegt die Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht, mieren. Standortfremde Gehölze sollten beseitigt wer- soweit es nicht unmittelbar um die Abflusssicherung geht, den. Das Totholz erhöht die Strukturvielfalt im Gewässer beim Eigentümer und ist ggf. zwischen dem Unterhal- und ist eine wichtige Lebens- und Nahrungsgrundlage für tungspflichtigen und dem Grundeigentümer zu regeln. viele Gewässerbewohner. Wenn ein Gewässer durch Waldflächen verläuft oder Der Gehölzschnitt umfasst das Zurückschneiden der an Wald einseitig angrenzt, gelten die Bestimmungen Gehölze vom Astschnitt über das Auf-den-Stock-Setzen des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die bis zur vollständigen Rodung. Landschaftsordnung vom 21. März 2002, zuletzt geän- Ufergehölze, insbesondere die Schwarzerle, die dert am 08.06.2016 (NWaldLG). Den Eigentümern des Esche und diverse Weidenarten, erfüllen in/an Fließge- Gewässerrandes steht es dann frei, vorhandene Bäume wässern vielfältige wasserwirtschaftliche (z. B. Ufersiche- – auch in der Gewässerböschung – forstwirtschaftlich zu rung, Wind- und Immissionsschutz) und ökologische nutzen. Der Einschlag vorhandener bzw. tolerierbarer (z. B. Beschattung, Gewässerstruktur, Lebensraum, Nah- Gehölze sollte auf der Breite des Gewässerrandstreifens rungsgrundlage) Funktionen. Der Entwicklung von stand- unterbleiben oder mit dem Unterhaltungspflichtigen abge- ortheimischen Gehölzen und der Pflege der vorhandenen stimmt werden, um die Ziele der Gewässerentwicklung Bestände an den Fließgewässern kommt deshalb eine zu unterstützen.

23 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Standortfremde Gehölze sollten, wo immer möglich, be- erhalten. Für Gehölze, die im Abflussquerschnitt ge- seitigt und durch Erle oder Esche ersetzt werden. Wei- pflanzt werden, kann eine Aufweitung des Querschnittes den sollten nur dort gepflanzt werden, wo sie zur natur- (Niedrigwasserprofil und Mindestfließgeschwindigkeiten räumlichen Ausstattung gehören und keine hydraulischen beachten) erforderlich werden, um auch langfristig einen Probleme verursachen können. Die Gehölze werden bei ausreichenden Abflussquerschnitt zu gewährleisten. Bedarf, meist in unregelmäßigen Abständen, gepflegt. Die Häufigkeit der erforderlichen Maßnahmen hängt ne- 4.6 Erlensterben ben dem Zustand der Gehölze auch von deren Einfluss auf die Abflussleistung und die dafür regelmäßig erfor- Seit einigen Jahren wird in vielen Ländern Europas ein derlichen abflusssichernden Maßnahmen ab. neuartiges Erlensterben beobachtet. In Niedersachsen tritt das Erlen(triebs)sterben im gesamten Land mit unter- schiedlicher Intensität auf. Als Verursacher gelten pilzähnliche Mikroorganismen der Gattung Phytophthora, die ausschließlich Erlen befal- len und daher als Phytophthora alni bezeichnet werden. Obwohl auch andere Erlenarten befallen werden, sind überwiegend Schwarzerlen betroffen. Der Erreger breitet sich in Fließgewässern aus. Während Überschwemmun- gen werden am Ufer stehende Erlen über den Wurzel- hals oder nicht verholzte Wurzeln infiziert. Das Befallsri- siko ist bei Sommerüberflutungen am höchsten. Dagegen sind Winterhochwasser für das Infektionsrisiko bedeu- tungslos, da Phytophthora nicht in der Lage ist, starken Frost zu überstehen. Im Bereich des Wurzelhalses infi-

Abbildung 9: Standortfremde Weiden im Gewässerprofil an ei- zierter Erlen entstehen sichtbare, dunkle Bereiche („Teer- nem Hügellandgewässer, Aue bei Bernshausen (2017) flecken“, s. Abb. 10). Das Rindengewebe ist rotbraun ver- färbt und von gesundem Gewebe deutlich abgrenzbar Durch den Laubfall im Herbst/Winter wird organisches (Hennig, J. et al. 2013). Material in die Gewässer eingetragen. Soweit der Be- wuchs am Gewässer der natürlichen gewässerbegleiten- den Vegetation (im Wesentlichen: Erle-Esche-Weide, je nach Gewässertyp) entspricht, wird das Falllaub im na- türlichen Prozess durch die Lebewesen im Gewässer als Nahrungsgrundlage verwertet. Werden die Gewässer jedoch von Gehölzen begleitet deren Laub/Streu nur schlecht verwertet wird (z. B.: Ei- che, Hybridpappel oder Nadelgehölze), oder wenn die Gewässer sehr geringe Fließgeschwindigkeiten aufwei- sen, kann es zu unerwünschten sauerstoffzehrenden Prozessen mit toter Biomasse und Faulschlammbildung auf der Gewässersohle kommen. Für die Gewässer- und Landschaftsentwicklung ist es sinnvoll, Gehölze am Gewässer und auch im Abfluss- querschnitt zu pflanzen. Die vorherige Berechnung oder Abschätzung der Auswirkungen der Gehölze auf die Ab- flussleistung ist besonders wichtig, um später gegebe- nenfalls erforderliche radikale Rückschnitte möglichst auszuschließen. Dabei kommt es besonders darauf an, die Gehölzentwicklung für einen ausreichend langen Zeit- raum (>10 Jahre) zu prognostizieren, um eine sichere Basis für die hydraulische Berechnung/Abschätzung zu Abbildung 10: Erle mit Phytophthora Symtomen

24 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Die Beeinträchtigung durch Phytophthora und sich dar- phthorafreie Ware an. Dabei wird es sich jedoch regel- aus ergebende Folgeerkrankungen führen zu einer Be- mäßig nicht um autochthones Material handeln, für das einträchtigung der Vitalität und letztlich zum Absterben es auch keine längerfristigen Erfahrungen gibt. der Erlen. Nach Hennig, J. et al. (2013) gibt es verschie- Eine abschließende und einheitliche Lösung der be- dene Möglichkeiten zur Bekämpfung von Phytophthora schriebenen Problematik ist noch nicht absehbar. Es be- bzw. Strategien zur Vermeidung der Infizierung. steht noch Forschungsbedarf zur Verbreitung der Krank- Maßnahmen sind: Auf den Stock Setzen, Entfernung heit und zum nachhaltigen Umgang mit befallenen Bäu- infizierter Erlen, Entfernung des gesamten Erlenbestan- men. des sowie die chemische Behandlung der Gehölze. Beim „Auf den Stock Setzen“ werden erkrankte Erlen 4.7 Totholz etwa auf Kniehöhe abgeschnitten. Durch die Fähigkeit zum Stockausschlag können Erlen gesunde Neutriebe Totholz im Gewässer entsteht vor allem durch Zweige, bilden. Einen aufwendigeren Eingriff stellt die Entfernung Äste und auch ganze Bäume, die in die Gewässer gelan- einzelner infizierter Gehölze (inkl. Wurzelstock) dar. gen. Sie bleiben im Querschnitt liegen, werden mit dem Durch die Entfernung sollen gesunde Individuen ge- Wasser transportiert und setzten sich an Engstellen und schützt werden. in Außenkurven fest. Im Extremfall wird der ganze Ge- Eine andere Möglichkeit, benachbarte Bestände vor wässerquerschnitt verlegt (Verklausung). einer Infizierung zu schützen, ist die Entfernung des ge- samten erkrankten Erlenbestandes. Diese Maßnahme stellt einen starken Eingriff dar, der mit hohem Aufwand verbunden ist. Eine direkte Bekämpfung von Phytoph- thora wäre beispielsweise der Einsatz von Fungiziden. Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen ist dies an Fließge- wässern jedoch nicht zulässig. Das befallene Schnittgut bzw. die entnommenen Bäume müssten als Hackschnitzel über eine Verbren- nung verwertet werden, um die Ausbreitung der Krank- heitserreger einzudämmen. Weil es viele Verbreitungs- wege für den Krankheitserreger gibt, ist aber unklar in- wieweit die Verbrennung des Holzes zielführend sein kann.

Vermeidungsstrategien sind: Pflanzung von gebiets- Abbildung 11: Teilverklausung an einer Brücke, Rhume bei heimischem Pflanzenmaterial, Pflanzung von nachweis- Bernshausen (2019) lich nicht befallenem Pflanzenmaterial aus Baumschulen sowie der Verzicht auf Neupflanzung von Schwarzerlen Im Rahmen der Abflusssicherung wird das Totholz viel- beziehungsweise die Verwendung anderer einheimischer fach nahezu vollständig aus dem Gewässer entfernt, um Gehölzarten (Hennig, J. et al. 2013). Verklausungen und Böschungsschäden vorzubeugen. Eigene Erfahrungen der Unterhaltungspflichtigen zei- Damit werden wichtige Strukturelemente, die auch als gen, dass alle vorgenannten Möglichkeiten zur Eindäm- Lebensraum und Nahrungshabitat dienen, beseitigt. Zur mung des Erlensterbens durch Phytophthora letztlich am Verbesserung der Gewässerstruktur ist es sinnvoll, Tot- großen Aufwand scheitern. Stattdessen kann auf Maß- holz so weit wie möglich im Gewässer zu belassen. In nahmen häufig ganz verzichtet werden, weil sich nach ei- vielen Fällen wird dies ohne Aufwand für den Unterhal- niger Zeit Erlen durchsetzen, die offenbar genetisch vom tungspflichtigen möglich sein. Das Gewässer muss aber Gesamtbestand abweichen oder aus anderen Vorkom- häufiger hinsichtlich der Auswirkungen des Totholzes auf men stammen. den Wasserabfluss kontrolliert werden. Um Toleranz- Wo zur Beschattung oder Ufersicherung Gehölze er- grenzen festzulegen, ab denen der Totholzanteil reguliert forderlich sind müssen ggf. andere Baumarten verwendet oder Totholzansammlungen beseitigt werden müssen, ist werden. Dazu bieten sich vor allem Eschen als Ersatz die vorherige Berechnung/Abschätzung der Auswirkun- an, die die Erle jedoch nicht vollständig ersetzen können. gen von Einengungen des Querschnitts auf die Abfluss- Einige Baumschulen bieten bereits resistente bzw. phyto- leistung wichtig. Engstellen und Bauwerke, an denen sich Verklausungen bilden können, sind dabei besonders zu

25 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

berücksichtigen, um Gefahren, insbesondere in Sied- lungsbereichen, auszuschließen. Es kann sinnvoll sein, dem Gewässer in Kurvenbereichen die Möglichkeit zu geben, bei Hochwasser mitgeführtes Totholz aus dem Profil in das Überschwemmungsgebiet zu verlagern (aus- zuwerfen). Das bedeutet aber, dass diese Bereiche häu- figer kontrolliert und gegebenenfalls auch unterhalten werden müssen. In Gebieten, in denen es keine gewässerbegleitenden Gehölze gibt, kann zur Verbesserung der Struktur Tot- holz eingebracht werden. In solchen Fällen können Äste, Baumstämme oder ganze Bäume eingebaut werden. Bei- spiele dafür finden sich in der Fachliteratur (z. B. DWA 2010a). Die hydraulischen Auswirkungen sind vorher Abbildung 12: Naturnahes Gewässer mit Totholz (hier nicht Ab- nachzuweisen bzw. abzuschätzen. Wenn der Einbau von flussrelevant), Alverscher Bach im östl. Stadtgebiet von Celle Totholz mit Veränderungen des Gewässerquerschnitts (2009) verbunden ist, ist zu prüfen, ob es sich um einen geneh- migungspflichtigen Ausbau handelt. 4.9 Wasserqualität

4.8 Gewässerstruktur Die Unterhaltungspflichtigen haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Wasserqualität der Gewässer. Es gibt je- Für die prioritären Fließgewässer/Wasserkörper zur Um- doch auch geogen oder anthropogen bedingte Belastun- setzung der WRRL liegen Gewässerstrukturkartierungen gen wie Eisenausfällung (Verockerung), Salzintrusion in des NLWKN bzw. von beauftragten Planungsbüros vor. Marschgebieten (Gezeiten) oder Huminstoffe (Moore), Sie ermöglichen einen Überblick über die entscheiden- die Einflüsse auf den Bewuchs und die aquatische Fauna den hydromorphologischen Defizite im Gewässer. Soweit in den Gewässern haben. In diesen Fällen ist für das je- keine Strukturkartierungen vorliegen, kann nur eine weilige Gewässer bzw. sein Einzugsgebiet zu prüfen, ob grobe Einschätzung durch den Unterhaltungspflichtigen, Maßnahmen ergriffen werden können, um diesen Pro- in Abstimmung mit den Fachbehörden, erfolgen. zessen entgegenzuwirken. Die für die Gewässerunterhal- Über die Gewässerunterhaltung kann die Struktur ne- tung Zuständigen werden dabei in der Regel aber nur gativ oder positiv beeinflusst werden. Insbesondere in eine sekundäre Rolle spielen können. den Heidegewässern wurde die natürliche Kiessohle oft beim Gewässerausbau entfernt, so dass häufig eine 4.10 Invasive Arten (Neobiota) strukturarme Sandsohle negativen Einfluss auf die aqua- tische Lebensgemeinschaft hat. Die Art der Gewässerun- Als Neobiota werden gebietsfremde Arten bezeichnet, terhaltung ist einer der entscheidenden Punkte für die die nach 1492 bei uns eingeführt, angesiedelt oder ein- Gewässerentwicklung. Durch die gezielte Veränderung geschleppt wurden und ursprünglich nicht in Deutsch- der Gewässerunterhaltung lassen sich z. B. durch aktives land/Europa heimisch waren. Dabei wird unterschieden Lenken der Strömung wieder vielfältige Strukturen schaf- zwischen Pflanzen (Neophyten), Tieren (Neozoen) und fen (vergleiche Kapitel 3.3). Der hydraulisch vertretbare Pilzen. Als invasiv gelten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 9 Einbau von Störsteinen ist insbesondere im Berg- und BNatSchG die in der sogenannten Unionsliste aufgeführ- Hügelland gut geeignet, um schnell und wirkungsvoll eine ten Pflanzenarten. Invasive Arten sind direkt oder indirekt Strömungsvarianz zu erzeugen die sich positiv auf die durch die Wirkung des Menschen in andere Gebiete ein- Gewässerstrukturen auswirkt. geführt worden und haben sich dort fest etabliert. Das Eine Ausnahme bilden die Marschgewässer, in denen Land Niedersachsen führt eine Liste der invasiven Arten, sich wegen der fehlenden Strömung oder der wechseln- die auch die gewässerrelevanten Arten enthält, sie wird den Strömungsrichtung (Gezeiten) praktisch eine Ent- laufend fortgeschrieben. wicklung durch dynamische Prozesse nicht initiieren lässt.

26 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

4.10.1 Invasive Pflanzenarten (Neophyten) Zur Bekämpfung auf Ufer- und Böschungsstreifen mit Pflanzenschutzmitteln ist eine Genehmigung bei der Die Kanadische Wasserpest, die Herkulesstaude (Rie- Landwirtschaftskammer (LWK) einzuholen und der An- senbärenklau), das Drüsige Springkraut und der Japani- wender muss über einen Pflanzenschutz-Sachkunde- sche Staudenknöterich haben sich rasant ausgebreitet nachweis verfügen, der ebenfalls von der LWK ausge- (DWA 2019). Sie finden im und entlang der Gewässer stellt wird. optimale Ausbreitungskorridore und haben eine hervorra- gende Anpassungsfähigkeit an viele Uferstandorte. Ihre erhebliche Zunahme wird auch durch die klimatischen Veränderungen, mit wärmeren und kürzeren Wintern, be- günstigt. Aufgrund ihrer invasiven Eigenschaften und der schnellen Ausbildung von dichten Beständen verdrängen sie viele heimische Arten. Durch ihre massiven Vorkom- men können sie den Wasserabfluss behindern und wir- ken sich vor allem dann problematisch auf die Hydraulik aus, wenn größere Mengen von abgerissenen Pflanzen oder nach Schnittmaßnahmen liegengelassene Pflanzen- teile als Treibgut zu einem Aufstau führen oder an kleine- ren Gewässern, insbesondere innerhalb von Ortslagen, erhebliche Abflusshindernisse bilden. Der Sauerstoff- Abbildung 13: Staudenknöterich (japanisches Springkraut) und Temperaturhaushalt der Gewässer kann sich negativ im/am Mittelgebirgsbach (2019) verändern, so dass sich auch die Zusammensetzung der Arten- und Individuen gegenüber dem natürlichen Zu- 4.10.2 Invasive Tierarten (Neozoen) stand verschiebt. Dies gilt besonders für die kanadische Wasserpest (elodea canadensis) die in langsam fließen- Als gebietsfremde Tiere, die im Zusammenhang mit den den Gewässerabschnitten zur erheblichem Krautstau, mit Gewässern stehen, sind insbesondere Bisam, Nutria, Auswirkungen auf Abfluss, Temperatur, Sedimentation Waschbär, Wollhandkrabbe und Signalkrebs zu nennen. usw., führen kann. Die beiden Erstgenannten haben zumindest mittelbar Die Bestände der meisten Neophytenarten sollten bei Einfluss auf die Pflege der Gewässer, weil es durch ihre der regulären Mahd/Krautung ausgenommen und mög- Baue und Gänge im Uferbereich zu Ufer- und Bö- lichst gezielt bekämpft werden, da eine unsachgemäße schungsschäden mit Ausspülungen und Sandeintrag Behandlung die weitere Verbreitung erheblich begünsti- kommt. gen kann. Zusätzlich kann es durch Absackungen und Uferab- Im Winter sterben die Neophyten der Ufer oberirdisch brüche zu erheblichen Gefahren bei den Unterhaltungs- ab mit der Folge, dass dadurch der für die Ufer erforderli- arbeiten insbesondere mit handgeführten Mähgeräten che Erosionsschutz erheblich beeinträchtigt wird. und selbstfahrenden Böschungsmähern (Dreirad) sowie Die Ausbildung großflächiger Vorkommen entlang der bei Mähkorbarbeiten mit kleinen Baggern kommen. Gewässer wirkt sich auf die Gewässerunterhaltung in der Die Bekämpfung des Bisam darf in Niedersachsen nur Vegetationszeit erschwerend aus: die Herkulesstaude im Rahmen der Gewässer-/Deichunterhaltung durchge- verursacht mit ihrem Pflanzensaft schwere verbren- führt werden. Sie erfolgt durch die Unterhaltungsver- nungsähnliche Schädigungen der Haut; der Zugang zu bände, die in ihren Verbandsgebieten ein Netzwerk von den Ufern ist schwierig und mühsam. privaten, ehrenamtlichen Bisamfängern aufgebaut haben. Die Erhaltung der natürlichen Ufervegetation hat als Diese werden von hauptamtlichen Bisamjägern, die bei Pflegemaßnahme besondere Bedeutung, deshalb kann der Landwirtschaftskammer Niedersachsen angestellt die gezielte Bekämpfung der nichtheimischen Pflanzen- sind, sachkundig ausgebildet und betreut. Deshalb ist es arten angezeigt sein. Für die Bekämpfung fremder Arten besonders bei starkem Befall und großen Populationen ist die Untere Naturschutzbehörde zuständig. Die im wichtig, eng mit den Bisamjägern zusammenzuarbeiten Rahmen der Gewässerunterhaltung erforderlichen Maß- und eigene Beobachtungen an die zuständigen Stellen nahmen sollten deshalb nur in enger Abstimmung mit den zuständigen Naturschutzbehörden erfolgen.

27 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

weiter zu geben. Reusenfallen dürfen nur mit einer Aus- dritter Ordnung in Niedersachsen. Gewässerrandstreifen nahmegenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde dienen einer Vielzahl von Zwecken: sie sollen u. a. die gestellt werden. ökologischen Funktionen des Gewässers erhalten und Die Nutria fällt in Niedersachsen unter das Jagdrecht, verbessern und Einträge aus diffusen Quellen mindern, deshalb kann sie nur von den jeweiligen Jagdausübungs- aber auch zur Sicherung des Abflusses beitragen. Die berechtigten bejagt werden. Da die Tiere überwiegend gesetzlichen Beschränkungen für Eigentümer und Nutzer nachtaktiv sind, ist die Bekämpfung schwierig, auch weil im Randstreifen sind allerdings begrenzt, es gilt vor allem die erlegten Tiere kaum verwertet werden können. Wich- ein Verbot der Umwandlung von Grünland in Ackerland, tig ist deshalb über einen engen Austausch mit den Jä- der Entfernung standortgerechter Bäume und Sträucher gern und der Jägerschaft für eine Bestandsregulierung und des Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen. Wei- durch die Jagdausübungsberechtigten zu werben. tergehende aktive Maßnahmen oder Verbote, z. B. zur An natürlichen und naturnahen Gewässern können Bi- ökologischen Verbesserung, muss die Wasserbehörde sam und Nutria durch ihre Baue in den Böschungen er- besonders anordnen, was aber in der Regel Entschädi- hebliche Schäden anrichten. Neben den Böschungsab- gungspflichten gegenüber den Eigentümern auslöst, so sackungen zählen dazu insbesondere erhebliche Sand- dass diese Möglichkeit bisher kaum angewendet wurde. einträge, die den Geschiebehaushalt stören können. Die Gewässerrandstreifen verbessern die Anbindung der Besiedlung der Gewässer durch Nutria und Bisam kann Gewässer an die Aue und sind ein wichtiges Vernet- sich durch eine schonende Unterhaltung auch bei ausge- zungselement in der Landschaft. Deshalb ist die Pflege bauten Gewässern ergeben, wenn zum Beispiel bei der und Entwicklung vorhandener Gewässerrandstreifen Unterhaltung die Ufersäume geschont werden, so dass wichtig für den Gewässerlebensraum. die Tiere bessere Deckung finden. Hier muss die langfris- Statt auf die oben genannten Zwangsmaßnahmen der tige Entwicklung besonders beobachtet und eine inten- Wasserbehörde zu warten, kann es sinnvoll sein, ausrei- sive Bekämpfung der Nutria vorangetrieben werden. chend breite Streifen an den Gewässern durch Kauf, Pacht oder Entschädigung dauerhaft in die Obhut der Unterhaltungspflichtigen zu nehmen und sie gezielt für die Gewässerunterhaltung zu nutzen (Pflege, Entwick- lung, Beschattung usw.). Die ausgewiesenen Gewässer- randstreifen können durch gezielte Abgrabung auch dazu genutzt werden, den Gewässerquerschnitt oberhalb der Mittelwasserlinie zu vergrößern und so hydraulische Spielräume für eine Gestaltung und Entwicklung im Nied- rig- und Mittelwasserprofil zu schaffen. Der Bewuchs der Gewässerrandstreifen bzw. der Uferrehne spielt für die Gewässerökologie eine wichtige Rolle. Die Entwicklung natürlicher, zumindest naturnaher Hochstaudenfluren und Ufergehölze, ist deshalb ein

Abbildung 14: Nutriaspuren und -schäden, Molkereigraben bei wichtiger Teil der Gewässerentwicklung. Das gilt auch für Neuhaus-Veldhausen (2018) die Verdrängung der vielfach an den Gewässern vorhan- denen Brennesselbestände (Stickstoffzeiger). Dazu muss Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat, im das Räumgut unter Umständen über mehrere Jahre aus Einvernehmen mit dem MU, am 19.07.2018 einen Erlass dem Gewässerrandstreifen entfernt werden (aushagern). (RdErl. d. ML - 406-64524-85, VORIS 79200) zur Rege- Bei der Entwicklung der Gewässerrandstreifen darf lung der Bejagung der Nutria herausgeben, in dem die unabhängig von ihrem rechtlichen Status nicht außer Regulierung der Nutriapopulation beschrieben wird. Acht gelassen werden, dass das Gewässer auch zukünf- tig noch im erforderlichen Umfang mit Unterhaltungsgerä- 4.11 Randstreifen und Uferzonen ten erreicht werden kann. Eine Möglichkeit den Umfang naturnaher Uferzonen Nach § 38 WHG gibt es an allen Gewässern im Außen- zu vergrößern ist, gezielt Agrarumweltmaßnahmen bereich Gewässerrandstreifen in einer Breite von beider- (AUM, NAU, Greening, Blühstreifenprogramm) der Land- seitig jeweils 5 Metern. Nach § 58 NWG (2010) gelten wirte in diese Bereiche zu lenken. In der Förderperiode diese Bestimmungen derzeit jedoch nicht für Gewässer

28 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

2015 – 2020 haben Landwirte 5 % ihrer Flächen als öko- 4.12 Räumgut logische Vorrangflächen anzulegen. Dieses sogenannte Greening beinhaltet auch Maßnahmen zur Schaffung Das Räumgut (Mähgut) wird in der Regel auf den anlie- ökologischer Vorrangflächen. Hierzu zählen auch die Ge- genden Flächen bzw. im Uferbereich abgelegt und, so- wässerrandstreifen. Für Gewässerunterhaltung gibt es weit erforderlich, durch die Anlieger eingearbeitet. Dieses hier eine Chance, gemeinsam mit Landwirten Gewässer- Verfahren entspricht den gesetzlichen Regelungen und randstreifen zu entwickeln, wenn diese Entwicklung sich den ggf. vorhandenen satzungsrechtlichen Regelungen auf die Unterhaltungstätigkeiten abstimmen lässt. Dabei der Verbände oder den Schau- und Unterhaltungsverord- ist zu berücksichtigen, dass die nach dem WHG öffent- nungen der Unteren Wasserbehörden, die eine Einarbei- lich-rechtlich geregelte Gewässerunterhaltung Vorrang tung/Verwertung durch die Eigentümer der Anlieger- vor möglichen zivil- und förderrechtlichen Anforderungen grundstücke vorgeben. und Ansprüchen hat. Da sich diese Bedingung nur sehr Eine Abfuhr des Räumgutes erfolgt nur in Ausnahme- schwer auf die derzeitigen Anforderungen der Förder- fällen, wenn dies für die Entwicklung der Böschungs- und richtlinie abstimmen lässt, muss seitens des Unterhal- Ufervegetation unabdingbar ist und eine Ablagerung/Ein- tungspflichtigen genau überprüft werden, ob das Zulas- arbeitung auf den Anliegergrundstücken nicht möglich ist. sen solcher Agrarumweltmaßnahmen im Sinne der Ge- In diesen Fällen ist das Abfallrecht zu beachten. wässerunterhaltung insgesamt überhaupt vertretbar ist. Mit dem Räumgut werden je nach Art und Einsatz der Das Greening am Gewässer soll im Wesentlichen den di- gewählten Räumtechnik auch Organismen aus dem Ge- rekten Eintrag von Nähr- und Schadstoffen vermindern. wässer entnommen, denen die Rückkehr in das Gewäs- Zur Entwicklung naturraumtypischer Gewässer trägt es in ser nicht unnötig erschwert werden darf. Das Räumgut seiner derzeitigen Form nur begrenzt bei. sollte zunächst gewässernah abgelegt/zwischengelagert werden, damit Tiere ins Gewässer zurück wandern kön- nen. Dabei kann es erforderlich werden, immobile Tiere (Fische, Muscheln usw.) die mit dem Räumgut aus den Gewässern entnommen wurden von Hand in die Gewäs- ser zurückzusetzen. Zu beachten ist aber, dass das Mäh- /Räumgut nicht dauerhaft am Gewässer oder auf der Bö- schung abgelegt wird, um zum Beispiel einem Eintrag ins Gewässer durch den nächsten Starkregen vorzubeugen. Um den Eintrag von Sickersaft ins Gewässer und die un- erwünschte Veränderung der Böschungsvegetation zu vermeiden, ist es komplett aus dem Abflussprofil zu ent- fernen, damit sich beispielsweise die Brennnessel nicht massiv ausbreitet und die Stabilität der Böschung nicht

Abbildung 15: Entwicklung von Gewässerrandstreifen an der gefährdet wird. Das abgelegte Räumgut sollte auf den Esterau bei Emern (2010) Anliegerflächen möglichst zeitnah eingearbeitet werden. Der Verbleib des Räumgutes ist immer in den Abwä- In einigen Teilen Niedersachsens sind in der Vergangen- gungsvorgang zur Art und Umfang der Unterhaltung ein- heit Randstreifen am Gewässer im Rahmen von Flurbe- zubeziehen. reinigungsverfahren aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen worden, um die Gewässerbewirtschaf- 4.13 Unterhaltungsmethoden und tung/Unterhaltung zu vereinfachen und die Belastung der Unterhaltungstechnik Anlieger durch die Gewässerunterhaltung zu verringern. Diese sogenannten Räumstreifen befinden sich zumeist Von der Anwendung und der Intensität der verschiede- im Eigentum der Unterhaltungspflichtigen, sie ermögli- nen Verfahren der Gewässerunterhaltung hängt es ab chen ihnen zunächst primär den Zugang zum Gewässer wie stark die Auswirkungen auf die Gewässer und ihren und erleichtern die Durchführung von Maßnahmen am ökologischen Zustand sind. Neben der Sicherung des Gewässer. Auch für diese Räumstreifen gilt, dass sie Ge- Abflusses sind im Einzelfall die Anforderungen des be- wässerrandstreifen nach dem WHG/NWG sind, die so- sonderen Artenschutzes zu erfüllen. Dazu sind die Unter- weit möglich als Entwicklungskorridore genutzt werden sollen.

29 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

haltungsmethoden ggf. anzupassen. Hinweise dazu er- Die besseren technischen Voraussetzungen können vor geben sich auch aus dem Leitfaden Artenschutz und Ge- allem dazu genutzt werden, auf die natürliche Ausstat- wässerunterhaltung (NLWKN 2017, Kapitel 6.1). tung der Gewässer Rücksicht zu nehmen und die Ziele Die verschiedenen Techniken und Geräte für die Ge- der Gewässerunterhaltung mit geringeren Eingriffen in wässerunterhaltung haben eine lange Entwicklung hinter das Ökosystem Gewässer zu erreichen. sich. Bis in die 1950 Jahre hinein erfolgte die Unterhal- Das Gerätespektrum reicht von der Hand-Sense bis tung im Wesentlichen von Hand. In den folgenden Jahr- zum hochkomplexen Böschungsmäher, der mehrere zehnten wurde die Mechanisierung, vor allem aus ar- Funktionen vereint. beitswirtschaftlichen Gründen, vorangetrieben. Damit hat Beim Einsatz der Geräte kommt es vor allem auf die sich ab den 1980 Jahren ein Maschinenspektrum etab- Auswahl der richtigen Geräte und der richtigen Technik liert, das sich in seinen Grundzügen kaum noch verän- für das einzelne Gewässer an. Dabei ist es wichtig, für dert. Entscheidend ist, dass die Maschinen und Geräte den Einsatz den besten Kompromiss zwischen den öko- für die oft sehr schwierigen Einsatzbereiche ausreichend logischen Anforderungen und den ökonomischen Zwän- widerstandsfähig und stabil sind. gen zu finden. Einzelne Gerätetypen, wie z. B. die Grabenfräsen, Auf die Darstellung der verschiedenen Gerätetypen sind letztlich aus ökologischen Gründen auch wieder aus und ihrer Einsatzbedingungen wird hier verzichtet, weil der Gewässerunterhaltung verschwunden. es für die Technik- und Geräteauswahl sehr viele Anfor- Heute liegen die Veränderungen vor allem in Bereich derungen und Bedingungen gibt, die hier nicht beleuchtet der Verbesserung der Geräte in Hinblick auf die Steue- werden können. Letztlich ergeben sich die richtige Unter- rungsmöglichkeiten, damit der Einsatz noch gezielter er- haltungsmethode und damit das erforderliche Gerät aus folgen kann. Assistenzsysteme, die die Arbeit mit den der Abwägung des Unterhaltungspflichtigen über Art und Maschinen erleichtern und die Möglichkeit schaffen, öko- Umfang der Gewässerunterhaltung. logische Anforderungen leichter einzuhalten (z. B.: auto- matische Höhensteuerung für Mähkörbe), befinden sich noch in der Entwicklung.

30 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

5 Rahmenbedingungen der Gewässerunterhaltung

An einzelnen Gewässern oder Gewässerabschnitten natürlich entstandene Gewässer (NWB, HMWB) oder um kann es notwendig und sinnvoll sein, die bisherige Praxis künstliche Gewässer (AWB) handelt. abflusssichernder Maßnahmen zu modifizieren, um die Gewässer im Rahmen der Unterhaltung zu entwickeln. In den nachfolgenden Kapiteln werden die wichtigen Um für die geplanten Zustandsveränderungen eine quali- Parameter für die Planung der abflusssichernden Maß- fizierte Grundlage für die Beurteilung und Entscheidungs- nahmen genannt und beschrieben. Sie sind Inhalt der findung zu schaffen, sind alle relevanten Grundlagen und Checklisten (Anhang 4). Je nach Relevanz sind die für Randbedingungen zu erfassen und abzuarbeiten. Dazu den Entscheidungsprozess notwendigen Grundlagen dienen die Checklisten „Grundlagenermittlung zur Ge- zu erheben und in die Bewertung einzubeziehen. So- wässerunterhaltung“ (Anhang 4), die auch als Word-Da- weit bestimmte Daten nicht zur Verfügung stehen, tei zum Download beim WVT erhältlich sind. Sie dienen nicht abgeschätzt werden können oder für die Abwä- der qualifizierten Bearbeitung der verschiedenen Belange gung und Entscheidung über die Gewässerunterhal- und führen zusammen mit den Ablaufdiagrammen (Kap. tung nicht erforderlich sind, bleiben die entsprechen- 6.8.1 bis 6.8.3) zu einer ausgewogenen Entscheidung. den Zeilen der Checklisten frei, oder es erfolgt eine Die Checklisten stellen die verschiedenen Parameter dar, verbal-argumentative Abarbeitung.In den meisten Fäl- die erfasst und bewertet werden müssen. In Abhängigkeit len wird es nicht notwendig sein, alle Parameter zu er- vom Ergebnis der Abwägung können dann einzelne oder fassen oder zu bearbeiten. mehrere Maßnahmen zur Entwicklung im Rahmen der Gewässerunterhaltung ausgewählt werden. Diese Maß- nahmen sind in Anhang 5 (Belastungs- und Auswahl- 5.1 Bestand und Nutzungen matrix) zusammengestellt. Darin werden auch die Wir- kungen der verschiedenen Maßnahmen auf die Gewäs- Die Daten für die Parameter der Kategorie „Bestand und serökologie qualitativ dargestellt. Nutzungen“ liegen in der Regel vor oder können mit ein- fachen Mitteln erhoben oder auch abgeschätzt werden. Die Bestandsdaten B 1 – B 5 – Gewässername – Gewässersystem/Bearbeitungsgebiet – Wasserkörper-Nr./Abschnitt – Gewässertyp nach WRRL und – Einstufung nach WRRL (HMWB/AWB/NWB) bedürfen keiner weiteren Erklärung und können den ent- sprechenden Unterlagen entnommen werden. Der Para- meter B 7 enthält eine Aussage über den Ausbau bzw. den Ausbauzustand des Gewässers bzw. des Gewässer- abschnitts. Details dazu werden in der Kategorie Wasser- abfluss ermittelt. Um die Möglichkeiten der Gewässerent- wicklung einschätzen zu können, ist es auch wichtig, vor- handene Gewässerrandstreifen zu erfassen. Abbildung 16: Totholz-/Kieseinbau zur eigendynamischen Ent- Bei den Nutzungen, die Einfluss auf das Gewässer wicklung bei hydraulischen Reserven, mit Anpassung der ab- flusssichernden Maßnahmen, Hase bei Bramsche (2017) bzw. die Art und den Umfang der Sicherung des ord- nungsgemäßen Abflusses haben, ist ggf. auch zu prüfen, Die Checklisten enthalten 3 Kategorien. In den Katego- worauf die Ansprüche beruhen und ob sie grundsätzlich rien Bestand und Nutzungen sowie Wasserabfluss wird gerechtfertigt sind. der gegenwärtige Zustand erfasst. Anschließend sind die in ökologischer Hinsicht relevanten Parameter zu bear- Priorität des Gewässers (B 6) beiten. Der NLWKN hat auf der Grundlage des Leitfadens „Maß- Welche Tragweite die einzelnen Parameter in der Pra- nahmenplanung Oberflächengewässer – Teil A“ (NLWKN xis haben, hängt in vielen Fällen davon ab, ob es sich um

31 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

2008) die Fließgewässer des reduzierten Gewässernet- gen. Dazu sind Kenntnisse über die Eigentums- und Be- zes in Niedersachsen untersucht und Prioritäten für die wirtschaftungsverhältnisse der anliegenden Nutzflächen Umsetzung von Maßnahmen zur Erreichung des guten erforderlich und einzuholen. Zustands bzw. des guten ökologischen Potenzials festge- Wenn es nicht möglich ist, Streifen an den Gewässern legt. Die Ergebnisse der Priorisierung sind auf dem Um- aus der Nutzung zu nehmen und als Gewässerrandstrei- weltkartenserver des niedersächsischen Ministeriums für fen zu entwickeln, kann es sinnvoll sein, dass Bewirt- Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz unter WRRL schafter angrenzender Flächen Agrar-Umwelt-Maßnah- Maßnahmen und in den Wasserkörperdatenblättern unter men (Greening, Blühstreifenprogramm usw.) an die Ge- www.nlwkn.niedersachsen.de im Bereich „Wasserwirt- wässer legen (siehe Kapitel 4.11). schaft-Wasserrahmenrichtlinie“ zu finden. In den dort vor- handenen Wasserkörperdatenblättern gibt es auch Hand- Verwallungen, Dämme und Uferrehnen (B 9) lungsempfehlungen und Hinweise für (Ausbau) Maßnah- An vielen Gewässern sind Verwallungen bzw. Dämme men und Entwicklungsziele. vorhanden, die das Ausufern von Wasser aus dem Ge- Die Priorisierung der Wasserkörper geht vor allem von wässerprofil auf die anliegenden Flächen verhindern sol- den noch erhaltenen Wiederbesiedlungspotenzialen und len (z. B.: sogenannte Sommerdeiche). Auch wenn diese vom Ausbreitungsvermögen der fließgewässertypischen formell nicht als Deich gewidmet sind, haben sie trotz- Arten aus. Sie wurde auch für die gezielte Lenkung von dem eine vergleichbare, wenn auch nicht so weitrei- Ausbaumaßnahmen und deren finanzielle Förderung vor- chende Funktion. Durch diese Verwallungen können sich genommen. Im Einzelfall können Maßnahmen auch un- zusätzliche Restriktionen für die Gewässerentwicklung abhängig von dieser Einstufung durchgeführt werden. ergeben, weil eine Anbindung der Aue nicht möglich ist, Dies gilt insbesondere für die Entwicklung im Rahmen ohne die Hochwasserschutzfunktion aufzuheben oder zu der Gewässerunterhaltung. beeinträchtigen. Andererseits sollten Uferrehnen, die aus Sediment- Ausbau/Ausbauzustand (B 7) und Räumgutablagerungen entstanden sind und keine Unabhängig von der Einstufung der Gewässer/-ab- Funktion haben, möglichst beseitigt werden, um eine schnitte als AWB, HMWB oder NWB ist der Ausbau bzw. bessere Anbindung zwischen Gewässer und Aue zu er- der Ausbauzustand für die Wirkung von Entwicklungs- möglichen. maßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung von Bedeutung. Ufermauern (B 10) Vielfach haben sich ausgebaute Gewässer wieder in Die Regelungen des § 75 Abs. 1 NWG beziehen sich auf einen naturnahen Zustand zurückentwickelt. Bei kleinen Ufermauern und überbaute Verrohrungen. Gewässern, die primär der Entwässerung dienen, ist da- Ufermauern kommen an vielen Gewässern in engen gegen oft der Ausbauzustand nahezu unverändert auch Ortslagen vor. Besonders häufig wurden/werden sie im heute noch vorhanden. Das Spektrum der Möglichkeiten Berg- und Hügelland errichtet, um den Platz in den Tä- für die Gewässerentwicklung ist sehr groß, deshalb dient lern für die Bebauung und Infrastruktur besser nutzen zu die Erfassung des aktuellen Ausbauzustands durch den können. Unterhaltungspflichtigen zusammen mit der Ermittlung der Ausbaureserven (W 7) auch der Festlegung von Maßnahmen.

Randstreifen und Uferzonen (B 8) Aus der Nutzung genommene Randstreifen und Uferzo- nen stellen eine gute Möglichkeit dar, um die Gewässer- entwicklung auch über das vorhandene Profil hinaus zu initiieren/zuzulassen. Deshalb sollte neben den vorhan- denen Gewässerrandstreifen auch erfasst werden, für welche weiteren Bereiche die Ausweisung von Gewäs- serrandstreifen über den reinen Status nach § 38 WHG hinaus sinnvoll und möglich ist. Die Sicherung der Flä- chen kann durch Kauf oder Gestattungsverträge erfol- Abbildung 17: Naturnahe Bauweise – Ufermauer im Mittelge- birge (2019)

32 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Die Mauern gehören regelmäßig zu den Ufergrundstü- Kulturhistorische Anlagen (B 15) cken und lassen sich wegen der angrenzenden Nutzun- Denkmalgeschütze und kulturhistorische Anlagen sind für gen meist nicht verändern, so dass viele Randbedingun- Planungen der Gewässerentwicklung grundsätzlich zu gen zu klären sind, wenn Veränderungen für eine Ge- erfassen. Die Erfassung sollte unabhängig vom offiziellen wässerentwicklung vorgenommen werden sollen. Denkmalcharakter erfolgen. Dabei geht es insbesondere darum, festzustellen, inwieweit eine Abhängigkeit von be- Flächenverfügbarkeit in der Aue (B 11) stimmten Wasserständen (z. B. bei einer Pfahlgründung) Die Flächenverfügbarkeit in der Aue ist eine wesentliche gegeben ist. Um festzustellen zu können, ob es tatsäch- Voraussetzung für Maßnahmen, die zu einer Erhöhung lich zu Beeinträchtigungen kommen kann, sind auch die der Wasserstände führen können. Wenn Flächen bereits in der Vergangenheit aufgetretenen Schwankungen des aus der Nutzung genommen wurden, bzw. durch ent- Wasserstandes zu berücksichtigen. sprechende Ablösungsverfahren aus der Nutzung ge- Zu den historischen Anlagen zählen auch kulturhistori- nommen werden können, bieten sich vielfältige Gewäs- sche Grabenlandschaften (z. B. Suderburger Rücken, serentwicklungsmöglichkeiten. Deshalb hat dieser Punkt Rimpausche Gräben im Drömling usw.), die zu erhalten oft den größten Einfluss auf die bestehenden Entwick- und zu fördern sind. lungsmöglichkeiten. 5.2 Wasserabfluss Landnutzung in der Aue (B 12) Die Form und Intensität der Landnutzung der Gewäs- Die qualifizierte Bewertung des Abflussverhaltens von seraue spielt eine Rolle für die Festlegung von zulässi- Gewässern bzw. Gewässerabschnitten stellt eine we- gen Hochwasserabflüssen. Dabei ist zu unterscheiden, sentliche Grundlage für die Ermittlung von Spielräumen ob es sich bei der Nutzung um eine Acker- oder Grün- für die Gewässerentwicklung im Rahmen der Gewäs- landnutzung handelt. Ggf. spielt auch eine Rolle, ob es serunterhaltung dar. Deshalb sind die einzelnen Parame- sich um einen Grünlandstandort handelt, der zeitweise ter dieser Kategorie möglichst eindeutig zu bestimmen. als Acker genutzt wird. Hierzu wird auch auf den Leitfaden Gewässerunterhal- tung in Niedersachsen Teil A verwiesen (WVT 2011). Die Siedlungen, Verkehrsinfrastruktur (B 13) Datenerhebung für die Parameter W6 und W 7 sollte Die Entwässerungssicherheit für Siedlungen und Ver- möglichst genau sein, da die Abflüsse und Ausbaureser- kehrsinfrastruktur hat eine besondere Bedeutung. Dies ven entscheidend für die Gewässerentwicklung im beste- drückt sich auch in den zugrunde zulegenden Wieder- henden Profil sind. Das gilt auch für die Anforderungen kehrintervallen für die Bemessung von Gewässern bzw. an das Gewässer in Bezug auf die Vorflut für anliegende Überschwemmungsgebieten aus. Neben den Grundsät- - und oberhalb liegende Flächen, Siedlungen und Infra- zen für die Festlegung von Bemessungsereignissen ist struktureinrichtungen (Parameter W 2 und W 3). auch zu prüfen, inwieweit Veränderungen im eigentlichen Gewässer tatsächlich Einfluss auf die Sicherheit von Entwässerungstiefe (W 1) Siedlungen und Verkehrsbauwerken haben. Für die Ermittlung der erforderlichen Entwässerungstiefe (Flurabstand) sind primär die anliegenden Nutzungen Eigentumsverhältnisse (B 14) maßgeblich. Bei der Ermittlung ist auch zu unterschei- Die Ermittlung der Eigentümer der Gewässergrundstücke den, ob jahreszeitliche Unterschiede gegeben sind oder und der anliegenden Flächen wird insbesondere dann er- gemacht werden müssen. forderlich, wenn die Gewässerunterhaltung so umgestellt werden soll, dass im Rahmen der Entwicklung erhöhte Wasserspiegel einmündender Gewässer (W 2) Wasserstände zu erwarten sind, die sich auch auf Anlie- Die erforderliche Wasserspiegellage der einmündenden gerflächen auswirken, oder wenn durch eine seitliche Gewässer hat unmittelbaren Einfluss auf die zulässigen Laufverlagerung angrenzendes Eigentum beeinflusst Wasserspiegellagen im betrachteten Gewässerabschnitt, werden kann. Um Konflikte zu vermeiden ist es sinnvoll, also die erforderliche Entwässerungstiefe. Das Umfeld rechtzeitig vor den ersten Veränderungen Kontakt mit der einmündenden Gewässer ist deshalb in die Untersu- den jeweiligen Grundstückseigentümern aufzunehmen, chungen einzubeziehen. um diesen die rechtlichen Rand- und Rahmenbedingun- gen sowie die hydraulischen Anforderungen nahezubrin- gen.

33 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Entwässerungsbedarf der An- und Hinterliegergrund- Ausbaureserven (W 7) stücke (W 3) Kleine in der Vergangenheit ausgebaute Gewässer wei- In diese Kategorie geht es um die Nutzungen, die von sen oft große Reserven hinsichtlich ihrer hydraulischen den Wasserspiegellagen oder der Entwässerungswir- Leistungsfähigkeit auf. Häufig sind im Laufe der Zeit auch kung beeinflusst werden. Dabei sind ggf. auch Flächen vergrößerte Querschnitte (überbreit, stark eingetieft) ent- zu berücksichtigen, die nur mittelbar über andere Vorflu- standen, die vom Ausbauprofil abweichen und deutlich ter in den betrachteten Gewässerabschnitt entwässern. größere Abflüsse als den Ausbauabfluss bordvoll abfüh- ren können. Teilweise hat der erhöhte Abfluss durch die Mittlerer Wasserstand (W 4) größere kinetische Energie übermäßige Seiten- und/oder Der Wasserstand bei Mittelwasserabfluss (MQ) bildet die Tiefenerosion zur Folge. Die vorhandenen Ausbaureser- entscheidende Grundlage für die Abflussverhältnisse im ven sind zu ermitteln, damit die davon abhängigen und Sommerhalbjahr. Seine Ermittlung ist die Basis für die dann bekannten Spielräume für eine Gewässerentwick- Entscheidung darüber, inwieweit das Gewässerprofil lung genutzt werden können. Spielräume für den Abfluss aufweist. Es ist zwischen den Wasserständen der mittleren Sommer- und Winterab- Einfluss von Bauwerken im/am Gewässer (W 8) flüsse (MQSommer, MQWinter) zu unterscheiden. Anlagen am Gewässer (Brücken, Durchlässe, Sohl- schwellen, Verbauungen usw.) können erheblichen Ein- Hochwasserabfluss (W 5) fluss auf die Gewässerentwicklung, die ökologische Die Hochwasserabflüsse (Sommer- und Winterabflüsse) Durchgängigkeit und den Wasserabfluss haben. Deshalb sind für die Unterhaltung des Gewässerprofils in den sind diese Störstellen zu erfassen und bei der Definition meisten Fällen nicht relevant (Ausuferung), sondern die von Entwicklungszielen und bei hydraulischen Nachwei- tatsächlich vorhandene/mögliche Abflussleistung ist zu sen zu berücksichtigen. Ein Informationsaustausch mit berücksichtigen (siehe W 6). dem jeweiligen Eigentümer/Baulastträger dieser Anlagen ist sehr wichtig, um ggf. neue Anforderungen an das Ausbau-/Bemessungsabfluss (W 6) Bauwerk zu bewerten oder im Zuge zukünftiger Grundin- Bei planmäßig ausgebauten Gewässern ist der Ausbau- standsetzungen aktuelle Ziele der Gewässerentwicklung abfluss in der Regel festgelegt. Der Ausbauabfluss (HQx) zu verwirklichen. ist meist ein bordvoller Abfluss (größer als der Mittelwas- Grundsätzlich ist zu beachten, dass der Eigentümer serabfluss MQ), der bei definierten Wiederkehrintervallen dieser Anlagen die Unterhaltungspflicht gemäß § 71 abgeführt werden kann/soll. Er ist aus den vorhandenen NWG hat. Diese Pflicht schließt auch die Verkehrssiche- Unterlagen zu entnehmen. Bei nicht planmäßig ausge- rungspflicht ein. bauten Gewässern müssen hilfsweise die örtlichen Rand- bedingungen für die Berechnung des erforderlichen Ab- Einfluss des Wasserstandes im Gewässer auf das flusses, bzw. zur Bestimmung der anzusetzenden Wie- Grundwasser (W 9) derkehrinterwalle für Hochwässer zugrunde gelegt wer- Der Wasserstand im Gewässer beeinflusst die Grund- den. Dabei kann es auch sinnvoll und erforderlich sein, wasserstände im unmittelbaren Gewässerumfeld und -in die Gewässerhydraulik nach heutigen Gesichtspunkten Abhängigkeit der jeweiligen topografischen Verhältnisse - neu zu erstellen. Dafür sind neue qualifizierte Abschät- damit auch mit unterschiedlicher Reichweite die Entwäs- zungen für das anzusetzende Wiederkehrintervall (vgl. serung der anliegenden Flächen. Entscheidend ist das Kapitel 9.1.2) vorzunehmen und mit aktuellen Methoden Gefälle des Grundwasserspiegels zum Gewässer, das die Abflussspenden zu ermitteln. durch den Wasserstand im Gewässer beeinflusst wird. Bei der Untersuchung der maßgebenden Abflüsse Hohe Wasserstände können auch zur Infiltration von können sich unterschiedliche Spielräume für die vorhan- Wasser aus den Gewässern in die anliegenden Grund- denen Gewässerprofile ergeben. Für die Ermittlung der wasserkörper führen und so ebenfalls eine Vernässung Abflüsse ist zunächst eine überschlägige Einschätzung hervorrufen. Übermäßig eingetiefte Gewässer können ausreichend. Weitergehende Nachweisverfahren sind in hingegen den Grundwasserhaushalt quantitativ beein- Kapitel 9 beschrieben. trächtigen und Trockenschäden verursachen.

34 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Unterhaltungsintensität (W 10) Guter ökologischer Zustand und gutes ökologisches Die Intensität der Gewässerunterhaltung ist primär davon Potenzial (Ö 1) abhängig, wie groß der Aufwand ist, um einen ausrei- Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist für Oberflächenge- chenden Abfluss (Vorflut) im Gewässer aufrecht zu erhal- wässer der Erhalt oder das Erreichen eines guten ökolo- ten. Ihre Erfassung ist geeignet und wichtig um Verände- gischen Zustandes für natürliche Gewässer bzw. ein gu- rungen der Unterhaltung darzustellen und zu dokumen- tes ökologisches Potential für künstliche oder erheblich tieren (siehe Kapitel 7.2). veränderte Gewässer. Die Analyse und Festsetzung er- folgt über biologische Qualitätskomponenten in einem 5 5.3 Gewässerökologie stufigen System von sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend oder schlecht). In den Bewirtschaftungsplänen werden Die Gewässerökologie umfasst verschiedene Parameter, die Ergebnisse dokumentiert und fortgeschrieben. die ineinandergreifen und den Zustand eines Gewässers Die Ergebnisse sind Wasserkörperbezogen für die bi- bestimmen. Deshalb ist die Erfassung aller relevanten ologischen Komponenten Fische, Makrozoobenthos, Parameter besonders wichtig und in die Abwägung ein- Makrophyten und soweit relevant für Phytoplankton, dem zubeziehen. Große Bedeutung haben die besonders und gültigen Bewirtschaftungsplan zu entnehmen oder beim streng geschützten Arten und Biotope (NLWKN 2008b, NLWKN im Detail zu erfragen. 2008c, 2010), die unbedingt zu berücksichtigen sind, um die Ziele der WRRL zu erreichen. Außerdem können Ver- Geschiebeführung, Sediment- und Nährstoffeinträge stöße gegen die Schutzbestimmungen für diese Arten er- (Ö 2) hebliche rechtliche Folgen für den Verursacher haben. Die Geschiebeführung steht in direkter Wechselwirkung Das gilt auch für die Gebiete, die als Naturdenkmale, mit der Gewässerstruktur und der Qualität der Lebens- Landschafts-, Naturschutzgebiete und Natura 2000-Ge- räume der Gewässerlebewesen. Dieses gilt insbeson- biete und gesetzlich geschützte Biotope (§§ 28 ff, dere für die Geest- und Tieflandbäche (Altmüller 1999), BNatSchG) einen besonderen Schutzstatus haben. Da- aber auch für die Fließgewässer des Berg- und Hügellan- neben kann das Vorkommen besonders geschützter und des. Hier werden teilweise sehr große Feinsediment- und streng geschützter Arten auch auf eine besondere Nährstoffmengen aus dem Einzugsgebiet eingetragen Pflege- und Entwicklungsbedürftigkeit der Gewässer oder aus dem Gewässer selbst kommend, vom Wasser bzw. der Gewässerabschnitte hinweisen. transportiert. Das führt dazu, dass das Interstitial über- Der Unterhaltungspflichtige muss sich alle verfügba- deckt oder sogar verstopft wird. Diese Belastungen stel- ren Informationen über die vorhandenen Arten bei den len besonders für die sohl- und hartsubstratgebundene zuständigen Behörden beschaffen, eigene Untersuchun- Fauna der Gewässer ein großes Problem dar. Ein erster gen und Kartierungen muss er jedoch nicht vornehmen. Anhaltspunkt zur Abschätzung der Sedimentbelastung Die zuständigen Naturschutzbehörden und der ergibt sich aus der Ermittlung der Sandbelastung der NLWKN müssen den Unterhaltungspflichtigen auf An- Fließgewässer in Niedersachsen (Scheer & Panckow frage die bekannten tatsächlich vorhandenen relevanten 2011). Da die vorliegenden Ermittlungen sehr großmaß- Arten mitteilen und die Daten zur Verfügung stellen. Viel- stäblich sind und auch die Quellen der Feinsedimente fach sind diese Daten jedoch bisher nicht erhoben wor- nicht immer abschließend erfasst wurden, ist für die Ent- den. Wenn entsprechende Erkenntnisse vorliegen, muss scheidungsfindung eine Überprüfung vor Ort erforderlich. die Gewässerunterhaltung grundsätzlich auf die Ansprü- Teilweise wird es so sein, dass ohne durchgreifende che der vorhandenen Arten ausgerichtet werden. Hin- Maßnahmen zur Reduzierung des Feinsediment- und sichtlich der natur- und artenschutzrechtlichen Anforde- Nährstoffeintrags in den Einzugsgebieten eine Gewäs- rungen wird generell eine enge Abstimmung mit den zu- serentwicklung nicht sinnvoll ist. Weitergehende Informa- ständigen Naturschutzbehörden empfohlen. Grundlage tionen sind den Hinweisen des NLWKN (2008a) zu ent- dafür ist neben den Anforderungen des allgemeinen Ar- nehmen. tenschutzes der Leitfaden Artenschutz – Gewässerunter- haltung für die besonders und streng geschützten Arten Gewässerstruktur (Ö 3) (NLWKN 2017). Dieser Leitfaden soll laufend, voraus- Die für viele Wasserkörper vorliegenden Gewässerstruk- sichtlich jährlich, aktualisiert werden. Der aktuelle Stand turkartierungen des NLWKN bzw. von beauftragten Pla- ist der Homepage des NLWKN zu entnehmen. nungsbüros ermöglichen einen ersten Überblick über die hydromorphologischen Defizite der Gewässer. Die Er- gebnisse der Kartierungen zur Gewässerstruktur sind auf

35 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

dem Umweltkartenserver des Nds. Ministeriums für Um- Abflussdynamik (Ö 5) welt, Energie, Bauen und Klimaschutz unter Hydrologie, Naturnahe Gewässer sollten ein vielfältiges Strömungs- Gewässerstruktur abzurufen. Soweit keine Strukturkartie- mosaik aufweisen. Bei ausgebauten Gewässern ist die- rungen vorliegen, kann nur eine grobe Einschätzung ses aufgrund der vorhandenen Geometrie vielfach nicht durch den Unterhaltungspflichtigen beziehungsweise der Fall. Dieser Parameter lässt sich nur vor Ort einschät- sein Fachpersonal, in Abstimmung mit den Fachbehör- zen. Durch zielgerichtete Entwicklungsmaßnahmen lässt den, erfolgen. Art, Umfang und Zeitpunkt/-raum der Ge- sich bei entsprechenden Voraussetzungen ein differen- wässerunterhaltung haben entscheidenden Einfluss auf ziertes Strömungsverhalten im Gewässer erzeugen. die Struktur der Gewässer. Nährstoffhaushalt (Ö 6) Lineare Durchgängigkeit (Ö 4) Der Nährstoffhaushalt der Gewässer wird hauptsächlich Die ökologische Durchgängigkeit der Fließgewässer in durch punktuelle (Kläranlagen) und diffuse Einträge aus Längsrichtung wird für aquatische Kleinlebewesen und landwirtschaftlich genutzten Flächen und Siedlungen ge- insbesondere für Fische durch ganz oder teilweise nicht prägt. passierbare Sohlbauwerke wie Sohlabstürze, Kultur- Auf die verschiedenen Eintragspfade haben die Unter- staue, Wehre, Siele, Schöpfwerke und Wasserkraftanla- haltungspflichtigen keinen Einfluss. Über die Anlage von gen, aber auch durch ungeeignet gestaltete/dimensio- Gewässerrandstreifen können teilweise in erheblichen nierte Kreuzungsbauwerke (Brücken und Durchlässe) be- Umfang Einträge aus Oberflächenabflüssen bzw. Ab- einträchtigt oder ganz unterbunden. Viele der Gewässer- schwemmungen zurückgehalten werden. Hinweise auf lebewesen sind außerdem darauf angewiesen, dass mi- den Nährstoffhaushalt liefern die Gewässergüteberichte neralische Hartsubstrate in der Gewässersohle möglichst des NLWKN (NLWKN 2014). ununterbrochen vorkommen. Diese Störstellen werden sich in der Regel nicht durch eine Gewässerentwicklung Beschattung (Ö 7) im Rahmen der Gewässerunterhaltung beseitigen lassen. Die Beschattung durch standortheimische Ufergehölze Für diesen Parameter ist neben der grundsätzlichen stellt neben dem Nährstoffhaushalt den entscheidenden Feststellung, ob die Durchgängigkeit beeinträchtigt ist, Punkt für das Pflanzenwachstum (Makrophyten) im Ge- auch zu erfassen, für welche Tierartengruppen dieses wässer und auf den Uferböschungen dar. Ufergehölze der Fall ist. haben eine große Bedeutung für die dynamische Stabili- Im Rückstaubereich von Stauanlagen akkumulieren tät des Gewässerprofils bzw. die Begrenzung der Erosion Feinsedimente. Sie dürfen, insbesondere bei steuerbaren im Gerinne, sie sind ein zentrales Strukturelement für die Sohlbauwerken (Wehre) nicht ins Unterwasser abgege- Limnofauna. Auch für die Regulation der Wassertempe- ben werden. Dies gilt besonders bei einer dort vorhande- raturen spielen Ufergehölze in kleineren Gewässern eine nen hochwertigen Artenausstattung, die sensibel auf er- Rolle. Deshalb ist der bestehende Zustand zu erfassen höhte Feinsedimentfrachten reagiert (vgl. Ö 2). und zu untersuchen, inwieweit die Entwicklung zusätzli- Für die Herstellung der Passierbarkeit von Stauanla- cher Gehölzbestände möglich (Gewässerverlauf, Him- gen sind die Eigentümer/Betreiber zuständig. melsrichtung und Auswirkungen auf abflusssichernde Maßnahmen beachten) und sinnvoll ist. Die Sukzession durch Selbstansamung aus benachbarten Beständen auf abschnittsweise „bloßgestellten“ Böschungsabschnitten ist dabei die erfolgversprechendste Methode. Bepflan- zungen (genetisch unbekanntes/fremdes Material) sind möglichst zu vermeiden. In Flussläufen und Kanälen großer Breite und Tiefe nimmt der Einfluss der Beschattung auf die Makrophyten ab. Bei schmaleren Bächen und Gräben hingegen wirkt bei zunehmendem Gehölzalter die Beschattung (und Durchwurzelung) auf den ganzen Gewässerquerschnitt. Ein einseitiger Gehölzsaum wird erfahrungsgemäß lang- fristig eine übermäßige Breitenerosion am gegenüberlie- genden Ufer auslösen und eine intensivere Gehölzbewirt- schaftung erfordern. Abbildung 18: Kulturstau in der Aue-Mehde (2006)

36 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Bewuchs der Sohle und Lichtverhältnisse im Gewäs- besonders zu erfassen und in die Planung von Entwick- ser (Ö 8) lungsmaßnahmen einzubeziehen. Zielführend kann es Der Bewuchs der Sohle mit Wasserpflanzen im und unter hier sein, diese Bereiche unmittelbar am Gewässer aus- Wasser ist abhängig von der Tiefe des Gewässers und zuhagern oder bloßzulegen, um standortheimische Hoch- damit den Lichtverhältnissen. Da der Sohlbewuchs ein staudenfluren zu etablieren und zu entwickeln. wesentlicher Faktor für den Umfang abflusssichernder Maßnahmen ist, hat seine Regulierung eine besondere Größe und Anbindung der Aue (Ö 12) Bedeutung für die Entwicklungsmöglichkeiten. Neben Die Förderung der Auendynamik kann Bestandteil der dem Umfang des Bewuchses durch Wasserpflanzen ist Gewässerentwicklung sein, auch wenn die Unterhal- auch seine zeitliche Entwicklung zu erfassen. Parallel tungspflichtigen in der Regel nicht für die Aue zuständig dazu ist es sinnvoll auch die Unterhaltungsintensität zu sind und dort auch keine unmittelbaren Zugriffsmöglich- erfassen. keiten haben. Die Auenbereiche, ihre Breite und die An- bindung an das Gewässer spielen ebenso wie das Ge- Bewuchs der Böschungen (Ö 9) fälle zum Gewässer eine erhebliche Rolle für die Mög- Der Bewuchs der Gewässerböschungen (Röhricht, Kraut, lichkeiten der Gewässerentwicklung. Durch die Anbin- Stauden, Gehölze) kann bei kleinen, schmalen Fließge- dung des Gewässers an die Aue, verbunden mit mög- wässern einen erheblichen Einfluss auf den Wasserab- lichst natürlichen Ausuferungsintervallen, werden Hoch- fluss und die Wechselwirkungen zwischen den aquati- wässer früher aus dem Gerinne entlastet und fließen ver- schen, amphibischen und terrestrischen Lebensräumen zögert ab (Hochwasserretention). Die Ausuferung redu- haben. Neben dem Umfang des Bewuchses ist auch ziert die Energie im Gerinne und mindert somit die Brei- seine zeitliche Entwicklung zu erfassen. ten- und Tiefenerosion. Bei hydraulischen Spielräumen kann (möglichst beid- seitiger) Böschungsbewuchs mit Ufergehölzen durch Be- Auendynamik (Ö 13) schattung den Krautwuchs im Abflussprofil vermindern. Die Überflutungshäufigkeit der Gewässeraue hat einen Der Aufwand abflusssichernder Maßnahmen verringert positiven Einfluss auf die Artenzusammensetzung und sich und die Vorflut wird über das Sommerhalbjahr dau- die etablierten Feucht- und Trockenhabitate. Die Entwick- erhaft verbessert. lung der Gewässeraue ist somit entscheidend davon ab- hängig, wie häufig Überflutungen stattfinden. Die Gewäs- Erlensterben (Ö 10) serentwicklung im Rahmen der Gewässerunterhaltung Die Schwarzerle ist der wichtigste und typische Begleit- hat darauf aber nur einen geringen Einfluss. baum der Fließgewässer an den Ober- und Mittelläufen. Das Erlensterben, ausgelöst durch pilzähnliche Mikroor- Altgewässer (Ö 14) ganismen der Gattung Phytophthora, ist seit einigen Jah- Altgewässer (Altwässer, Altarme, Totarme) von Fließge- ren, insbesondere in den südlichen und östlichen Teilen wässern haben eine besondere ökologische Funktion: sie Niedersachsens zu beobachten. Wenn die Bäume ab- sind Rückzugs- und Reproduktionsräume für verschie- sterben wird die Strukturgüte (Wurzeln, Totholz, Falllaub dene Fischarten und stellen einen letzten Abschnitt in der usw.) beeinträchtigt und durch die fehlende Beschattung Fließgewässerentwicklung dar. Ihr Zustand, die Form der kann sich die Wassertemperatur verändern. Deshalb Anbindung an das Fließgewässer, sowie ggf. vorhandene sollte die Ausbreitung bekämpft und Maßnahmen ergrif- Verlandungstendenzen, sind zu erfassen und bei den fen werden, um die Gehölzausfälle zu kompensieren Planungen zur Gewässerentwicklung zu berücksichtigen. (siehe Kapitel 4.6). Durch Gewässerausbau abgeschnittene Altverläufe die- nen als Referenz für die Entwicklung und können unter Auenbezug (Ö 11) geeigneten Rahmenbedingungen wieder an das Fließge- Die Böschungsschulter und der Gewässerrandstreifen wässer angeschlossen werden, soweit nicht ein weiterer stellen den Übergang vom eigentlichen Gewässerprofil Verlandungsprozess toleriert werden kann oder aus na- zur Gewässeraue dar. Dieses Bindeglied zwischen den turschutzfachlichen Gründen sinnvoll ist. aquatischen, amphibischen und terrestrischen Bereichen kann insbesondere durch Uferrehnen und das großflä- Staugeregelte Gewässer (Ö 15) chige Vorkommen nährstoffliebender Pflanzen (z. B. In Niederungsbereichen werden Wasserstände häufig Brennnessel) gestört sein. Diese gestörten Bereiche sind über steuerbare Stauanlagen geregelt. Der Betrieb der Stauanlagen und damit die Wasserstände begrenzen die

37 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Möglichkeiten der Gewässerentwicklung und die ökologi- Gesetzlich geschützte Biotope (Ö 19) sche Durchgängigkeit. Die relevanten Querschnitte und Nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz sind bestimmte Bio- die Rückstaubereiche sind ebenso wie die Rückstauwei- toptypen gesetzlich geschützt, ohne dass es einer for- ten zu erfassen. Durch eine Umgestaltung der Rückstau- mellen Ausweisung durch die Naturschutzbehörden be- bereiche können vorhandene Abflussquerschnitte so ge- darf. Für die Feststellung des Schutzstatus genügen ent- gliedert werden (z. B. Mittelwasser- und Niedrigwasser- sprechende Kartierungen/Erhebungen, deren Ergebnisse bermen), dass größere Fließgeschwindigkeiten bei Mittel- dem jeweiligen Grundstückseigentümer mitgeteilt wer- und Niedrigwasserabfluss entstehen, ohne dass bei den. Die Daten für die ausgewiesenen Biotope können Hochwasserabflüssen höhere Wasserstände auftreten. von den Naturschutzbehörden zur Verfügung gestellt werden. Wasserkraftnutzungen (Ö 16) Wasserkraftanlagen, die die potenzielle Energie ange- Besonders geschützte und streng geschützte Arten stauter Fließgewässer nutzen, stellen eine besondere (Ö 20) Zäsur im Gewässerkontinuum dar. Neben den Auswir- Tier- und Pflanzenarten, die einen besonderen Schutz- kungen des zugehörigen Sohlbauwerkes und des Rück- status haben, sind im Rahmen der Gewässerunterhal- staus werden nennenswerte Abflussanteile durch die An- tung bei der Planung abflusssichernder Maßnahmen und lage geführt mit entsprechenden Auswirkungen auf die der Gewässerentwicklung immer zu berücksichtigen. Der Lockströmungen und den Auf- und Abstieg der Fließge- Leitfaden Artenschutz – Gewässerunterhaltung (NLWKN wässerfauna. 2017) stellt dazu ein Regelwerk dar, dessen Anwendung die rechtssichere Berücksichtigung der artenschutzrecht- FFH-Gebiete, Vogelschutzgebiete (Ö 17) lichen Bestimmungen gewährleistet. Dem Unterhaltungs- Die FFH-Gebiete, die auf Basis der europäischen Flora- pflichtigen werden für die sachgerechte Abarbeitung des Fauna-Habitat-Richtlinie festgesetzt wurden, sind hin- Artenschutzes die erforderlichen Untersuchungen und sichtlich ihrer Anforderungen (Erhaltungsziele) für die je- Kartierungen von den zuständigen Naturschutzbehörden weils geschützten Arten sowie Biotop- und Lebensraum- zur Verfügung gestellt. Er muss keine eigenen Erhebun- typen zu berücksichtigen. Gleiches gilt für Vogelschutz- gen des Arteninventars durchführen. Die Ausführungen gebiete. In Niedersachsen werden die Gebiete beider Ka- in den Kapiteln 4.1.2 und 6.2 sind zu beachten. tegorien nach § 25 NAGBNatSchG besonders bekannt gemacht. Geschützte Landschaftsbestandteile und Bäume (Ö 21) Naturdenkmale, Landschafts- und Naturschutzge- Nach den §§ 22 und 29 BNatSchG können die zuständi- biete (Ö 18) gen Behörden (Landkreise, Kommunen) Verordnungen Naturdenkmale, Landschafts- und Naturschutzgebiete oder Satzungen zum Schutz von Landschaftsbestandtei- sind nach nationalem Recht festgesetzte Schutzgebiete, len oder Bäumen erlassen. Sie regeln, dass in einem für die jeweils detailliert ausformulierte Schutzziele, Ge- festgelegten Gebiet (z. B. der Gemeinde) besondere Be- und Verbote, aber auch Ausnahmeregelungen für be- standteile der Landschaft nicht beeinträchtigt, beseitigt stimmte Nutzungen und Tätigkeiten, gelten. oder verändert werden dürfen. Gehölze ab einen vorge- In Landschaftsschutzgebieten ist die Gewässerunter- gebenen Umfang/Durchmesser dürfen nicht oder nur mit haltung in der Regel freigestellt, so dass die abflusssi- Zustimmung der zuständigen Behörde beseitigt werden. chernden Maßnahmen hier ohne weitere Einschränkun- Das Gleiche gilt sinngemäß auch für Naturdenkmale (§ gen durch die Schutzgebietsverordnungen durchgeführt 28 BNatSchG). werden können. Dies kann auch für Naturschutzgebiete zutreffen. Hier sind jedoch häufig Regelungen vorhan- Fischfauna und Makrozoobenthos (Ö 22) den, die den Umfang und den Zeitpunkt der abflusssi- Für die in den Gewässern vorkommenden Fische gibt es chernden Maßnahmen einschränken oder bestimmen. Untersuchungen des Landesamtes für Verbraucher- Bei Naturschutzgebieten sind in der Regel Abstimmun- schutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) und des MU gen mit der zuständigen Naturschutzbehörde erforder- bzw. NLWKN (FFH-Monitoring), die auf Anforderung zur lich. Aus den Schutzgebietsbestimmungen können sich Verfügung gestellt werden. Das gilt auch für Untersu- Restriktionen, ebenso aber auch Ziele für die Gewässer- chungen in Bezug auf die Gewässerfauna, insbesondere entwicklung ergeben. des Makrozoobenthos und die Wasserpflanzen durch

38 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

den NLWKN. Diese Untersuchungen sind für die Festle- Invasive Tierarten (Neozoen) (Ö 25) gung von Entwicklungszielen zu berücksichtigen. Problematisch sind insbesondere die eingewanderten Tierarten Bisam und Nutria, die erhebliche Schäden ver- Makrophyten (Ö 23) ursachen können. Deshalb ist die Bekämpfung, beson- Die Verbreitung und Dichte von Wasserpflanzen im Ge- ders bei großen Populationen, wichtig für die Gewäs- wässerquerschnitt sind entscheidende Einflussfaktoren serunterhaltung und entsprechend zu berücksichtigen für den Wasserabfluss. Ihre Lage, Ausdehnung, Artenzu- (siehe auch Kapitel 4.10.2). sammensetzung und Entwicklung über den Jahresverlauf sind entscheidend für ein zeitlich und räumlich abge- Räumgut (Ö 26) stimmtes Unterhaltungsmanagement. Die bei abflusssichernden Maßnahmen anfallenden Dies gilt nicht nur für die Gewässerentwicklung, son- Pflanzenreste und ihre Einarbeitung, Ablagerung oder dern auch für die Krautung des Querschnitts zur Abfluss- Beseitigung können die Vegetation der Böschungen und sicherung. Ufer stark beeinflussen. Deshalb kann sich ein fach- und sachgerechter Umgang mit dem Räumgut positiv auf die Invasive Pflanzen (Neophyten) (Ö 24) Gewässerentwicklung auswirken. Durch die Entfernung Neophyten können in den Fließgewässern und entlang des Räumgutes aus dem Gewässerprofil wird die Über- ihrer Ufer große Probleme für den Wasserabfluss und für deckung wertvoller Pflanzenbestände vermieden (ökolo- die Gewässerentwicklung verursachen. gische Aspekte), Beeinträchtigungen durch Verrottungs- Invasive Pflanzenarten entwickeln schnell dichte Be- prozesse unterbleiben (Wasserqualität, Eutrophierung) stände und verdrängen viele heimische Arten. Durch ihre und die Böschungsstabilität wird nicht negativ beein- massiven Vorkommen behindern sie den Wasserabfluss. flusst. Bei der Planung der Unterhaltung ist zu entschei- Diese nichtheimischen Arten sollten in enger Abstim- den, ob das Räumgut auf anliegenden Flächen eingear- mung mit den Naturschutzbehörden, die nach dem Bun- beitet werden kann (gesetzlicher und satzungsrechtlicher desartenschutzrecht zuständig sind, bekämpft werden Regelfall), auf dem Randstreifen verbleibt oder abgefah- (siehe auch Kapitel 4.10.1). ren werden muss (siehe auch Kapitel 4.12).

39 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

6 Entscheidungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

6.1 Grundsätze matrix lassen sich die erforderlichen und sinnvollen Maß- nahmentypen ablesen, die planerisch gewässerspezi- Die Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Ent- fisch entwickelt und umgesetzt werden können. scheidung über Umfang und Form der Gewässerunter- Die Matrix kann auf Maßnahmen zur Pflege und die haltung in Bezug auf alle Maßnahmen der Gewässerun- Entwicklung der Gewässer angewendet und für die ab- terhaltung sind in den Kapiteln 4 und 5 dargestellt. Die flusssichernden Maßnahmen genutzt werden. Entscheidungsprozesse für die abflusssichernden Maß- nahmen und die Gewässerentwicklung sind klar struktu- Auf der Grundlage der nachstehenden Kapitel werden riert zu eindeutigen Ergebnissen hinsichtlich des Um- der Bestand, die vorliegenden Belastungen und die fangs der Unterhaltung und der möglichen Entwicklungs- hydraulischen und ökologischen Parameter (Kapitel 5) maßnahmen zu führen. Dabei werden auf der Grundlage für ein Gewässer oder einen Gewässerabschnitt zu- der erhobenen Daten, die in Kapitel 5 als Rahmenbedin- sammengefasst. Für die Bearbeitung sind in der Regel gungen der Gewässerunterhaltung dargestellt sind, die nicht alle Parameter relevant. Es genügt, die für den Möglichkeiten und Ziele für die Entwicklung des Gewäs- Entscheidungsprozess notwendigen Grundlagen zu er- sers bzw. eines Gewässerabschnitts festgelegt. Die Ent- heben und in die Bewertung einzubeziehen. Dies gilt scheidungsprozesse sind in Ablaufdiagrammen für die besonders für kleinere Gewässer (3. Ordnung).

Regelunterhaltung (Kap. 6.8.1), Entwicklungsziele (Kap. 6.8.2) und die hydraulischen Anforderungen (Kap. 6.8.3) dargestellt. 6.2 Gewässerökologie Die zu beachtenden Parameter und Rahmenbedin- gungen können über die Checklisten zur Gewässerunter- Der Zustand eines Gewässers lässt sich aus der Erfas- haltung (Anhang 4) abgearbeitet werden. Die Checklisten sung der Parameter Ö 1 bis Ö 26 des Kapitels 5.3 ablei- für die Bestands- und Abflussdaten sowie die ökologi- ten. Besondere Bedeutung haben die Kartierungen und schen Komponenten dienen dazu, die Datenerfassung zu Zustandsbeschreibungen des NLWKN mit der Auswer- systematisieren. Entscheidend für die Möglichkeiten der tung der nach WRRL einstufungsrelevanten Parameter. Gewässerentwicklung sind die Abflussverhältnisse im Dies sind die Biologischen Qualitätskomponenten nach Gewässer und/oder die Verfügbarkeit nutzungsfreier Flä- WRRL: chen entlang der Gewässer/-abschnitte. Die Verfahren 1. Fische, zur hydraulischen Berechnung sind in Kapitel 9 darge- 2. Makrozoobenthos, stellt. 3. Makrophyten, Die Gewässerunterhaltung ist von verschiedenen Fak- 4. Phytobenthos (Kieselalgen), toren abhängig, die in die Ermessensentscheidung des 5. Nährstoffe und Unterhaltungspflichtigen einzubeziehen sind. Dies gilt für 6. Ggf. weitere gewässerspezifische Faktoren. alle Aspekte der Gewässerunterhaltung, insbesondere bei der Durchführung von abflusssichernden Maßnah- Verbindlich sind die Daten des NLWKN. Soweit weitere men und bei der Gewässerentwicklung. Nachfolgend Kartierungen/Untersuchungen (UNB, Naturschutzver- werden Arbeits- und Entscheidungshilfen und die ent- bände usw.) zur Verfügung stehen, können diese nach sprechenden Abläufe vorgestellt. entsprechendem Abgleich mit dem NLWKN und soweit Der Anhang 5 (siehe auch Kapitel 6.7) enthält eine sie relevant sind, berücksichtigt werden. Belastungs- und Auswahlmatrix, aus der sich Entwick- Über die Gewässerunterhaltung ist es grundsätzlich lungsmaßnahmen für verschiedene Belastungen ablesen möglich und sinnvoll über die Entwicklung von Gewäs- lassen. serstrukturen auch positiv auf die vorgenannten Parame- Aus der Erfassung der Rahmenbedingungen lassen ter einzuwirken. sich die wasserwirtschaftliche Situation und der ökologi- Oft wird es so sein, dass nur einer/einige der Parame- sche Zustand eines Gewässers ableiten. Die Defizite und ter einen schlechten Zustand aufweisen, so dass die Ge- Entwicklungsmöglichkeiten können zusammenfassend wässerentwicklung gezielt darauf ausgerichtet werden dargestellt werden. Aus der Belastungs- und Auswahl- kann.

40 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Der Nährstoffhaushalt (Punkt 5) kann durch die Gewäs- gebildet. Für die Entscheidung, wie eine Unterhaltungs- serunterhaltung nicht beeinflusst werden, so dass für die maßnahme artenschutzgerecht umgesetzt werden kann, Verbesserung der Gewässerqualität hinsichtlich der wurde ein einfaches Ablaufschema entwickelt. Es er- Nährstoffparameter zunächst durch die zuständigen Insti- möglicht die notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen den tutionen Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden im jeweiligen Gewässer vorhandenen besonders und müssen. Die Gewässerunterhaltung kann gegebenenfalls streng geschützten Arten anzupassen. Der Leitfaden ent- ergänzend die positiven Entwicklungen der in der Regel hält dazu eine spezielle, nach „Habitatkategorien“ diffe- technischen Maßnahmen stützen und die Umsetzung der renzierte Zusammenstellung grundsätzlich geeigneter, Maßnahmen unterstützen. arten- und naturschonender Unterhaltungsmaßnahmen, die dem Unterhaltungspflichtigen als Orientierungshilfe 6.2.1 Natur- und Artenschutz allgemein für die Abwägung zur Verfügung steht. Sollte im Einzelfall eine artenschutzkonforme Unterhaltung nicht möglich Die Arten- und Naturschutzfachlichen Randbedingungen sein, ist bei der zuständigen Naturschutzbehörde eine ar- ergeben sich aus den gesetzlichen Grundlagen des tenschutzrechtliche Ausnahme zu beantragen. BNatSchG und den ergänzenden Bestimmungen des Diese Bearbeitungsschritte sind in die in Kapitel 6.8 NAGBNatSchG. Zu den rechtlichen Grundlagen, insbe- dargestellten Entscheidungsabläufe einzubinden. Die sondere zum allgemeinen Arten und Naturschutz (§ 39 dort abgebildeten Ablaufdiagramme enthalten deshalb BNatSchG) siehe Kapitel 4.1.1 und WVT 2011, Kapitel Verknüpfungspunkte zum „Arbeitsschritt artenschutz- 3.3. Weitere Einzelheiten zu den fachlichen Randbedin- rechtliche/-fachliche Anforderungen“. gungen sind in den Kapiteln 4.2 und 4.3 beschrieben. Es wird empfohlen, diesen Arbeitsschritt unter Berück- Die artenschutzrechtlichen Vorgaben sollten für die sichtigung der im Leitfaden Artenschutz – Gewässerun- Abarbeitung in den Unterhaltungsplan einbezogen wer- terhaltung näher beschrieben Anforderungen und Hin- den, der dann die jährliche Gewässerunterhaltung insge- weise zu bearbeiten und zu dokumentieren, um zu einer samt abbildet und das zentrale Instrument zur Abstim- rechtssicheren Entscheidung zu kommen. mung mit den relevanten Behörden wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Ge- wässerunterhaltung nicht um einmalige Vorgänge han- 6.2.2 Besonderer Artenschutz delt, sondern um einen regelmäßig wiederkehrenden Prozess, der oft einer kontinuierlichen Veränderung und Die rechtlichen Anforderungen an den Artenschutz sind Anpassung unterliegt. Deshalb kann zunächst davon in Kapitel 4.1.2 dargestellt. Neben den grundlegenden ausgegangen werden, dass die regelmäßige Gewäs- Bestimmungen des allgemeinen Artenschutzes sind ins- serunterhaltung nicht zwangsläufig zu einer Beeinträchti- besondere die Anforderungen für die besonders und gung oder Schädigung der in/an dem betroffenen Ge- streng geschützten Arten zu berücksichtigen, fachlich ab- wässer vorkommenden besonders oder streng geschütz- zuarbeiten und in den Entscheidungsprozess zur Gewäs- ten Arten oder ihrer Lebensstätten führen muss. Dies ins- serunterhaltung einzubinden. besondere vor dem Hintergrund einer laufenden Anpas- Dazu ist es erforderlich, sich zunächst anhand der sung der Gewässerunterhaltung an die sich verändern- vom NLWKN zur Verfügung gestellten Arbeitskarten ei- den ökologischen Anforderungen. nen Überblick über die in den Gewässern vorkommen- Wichtig ist, mittelfristig mit den zuständigen Natur- den besonders und streng geschützten Arten zu ver- schutzbehörden ein effizientes Abstimmungsverfahren zu schaffen. Wurden entsprechende Arten nachgewiesen, etablieren, das sich auf das Wesentliche konzentriert und oder sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwar- die Arbeit aller Beteiligten erleichtert. ten, sind deren Belange entsprechend der im Leitfaden Bei Vorkommen der geschützten Arten sind die Anfor- Artenschutz – Gewässerunterhaltung (NLWKN 2017, derungen des besonderen Artenschutzes durch die An- NLWKN 2019) vorgeschlagenen Abarbeitung zu berück- passung der Unterhaltungsmethoden sicherzustellen und sichtigen. in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Der Ablauf Die fachliche Abarbeitung erfolgt entsprechend dem ist in Kapitel 4.1.2 bzw. NLWKN 2017, Kapitel 6.1, und Leitfaden schematisch in 4 Arbeitsschritten. Das Ablauf- NLWKN 2019, Kapitel 5, beschrieben. schema ist nachstehend in Abbildung 19 „Arbeitsschritt artenschutzrechtliche/-fachliche Anforderungen“ verein- facht wiedergegeben. Es ist in Anhang 3 vollständig ab-

41 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Der Zugang zu den Karten (als Shape- und PDF-Da- Im Leitfaden Artenschutz – Gewässerunterhaltung teien) mit der Darstellung der Verbreitung der verschie- (NLWKN 2017) wird in Kapitel 5.3 angeregt die Belange denen Arten ist über die Homepage des NLWKN im Be- des besonderen Artenschutzes in einem Formblatt „Ab- reich des Kartenportals möglich. Für den Zugang zu den wägung der Belange des besonderen Artenschutzes“ ab- Karten sind ein Benutzername und ein Passwort erfor- zuarbeiten und in die Entscheidung zur Unterhaltung ein- derlich, die vom NLWKN vergeben werden. zubeziehen. In der Überarbeitung des Leitfadens Die Artensteckbriefe der betroffenen Arten und Arten- (NLWKN 2019) ist dieser Prozess in Kapitel 5 noch deut- gruppen enthalten Angaben zu deren wesentlichen öko- licher dargestellt worden. Für die Veröffentlichung einer logischen Merkmalen, Lebensraum- und Standortansprü- entsprechenden Vorlage ist es noch zu früh, weil sich die chen dienen dem Unterhaltungspflichtigen und den zu- Unterhaltungspflichtigen gemeinsam mit den zuständigen ständigen Genehmigungsbehörden als Informations- Unteren Naturschutzbehörden noch in einem Abstim- quelle und Arbeitsgrundlage. Sie sollen anhand einer ein- mungs- und Entwicklungsprozess befinden, der durch fachen Kategorisierung nach Habitatpräferenzen dabei praktische Anwendung des Leitfadens Artenschutz – Ge- helfen, die vorgesehene Unterhaltung über Vermeidungs- wässerunterhaltung erst mittelfristig zu einer abgestimm- und Minimierungsmaßnahmen artenschutzkonform zu ten und formalisierten Herangehensweise führen wird. planen und umzusetzen. Die Artensteckbriefe sind auf der Homepage des 6.3 Wasserwirtschaftliche NLWKN im Bereich „Naturschutz – Tier und Pflanzenar- Randbedingungen tenschutz“ zugänglich (siehe auch Kapitel 4.1.2). Neben den Zielen der Gewässerunterhaltung sind auch Grenzen und Bedingungen zu definieren, die bei der suk- zessiven Veränderung von Gewässer nicht überschritten werden dürfen bzw. eingehalten werden müssen. Das Gleiche gilt für die ggf. erforderlichen lenkenden Maß- nahmen oder die Umkehr von Prozessen, falls die zuläs- sigen Grenzen einer Entwicklung überschritten werden (Vorflutbedarf, Hochwasserrisiko, Beeinträchtigung von Infrastruktur, Siedlungen u. a.). Der Umfang der Maßnahmen zur Abflusssicherung nimmt an den dafür geeigneten Gewässerstrecken ab, dafür steigt der Aufwand für die laufende Beobachtung und qualifizierte Bewertung des Gewässers und seines Abflussverhaltens durch Fachpersonal. Zu unterscheiden ist, ob die hydraulischen Spielräume durch eine Überdimensionierung des Gewässerprofils ganzjährig vorhanden sind, oder ob es nur temporäre Spielräume, z. B. in den Sommermonaten gibt, die für Abbildung 19: Arbeitsschritt artenschutzrechtliche/-fachliche An- forderungen, vereinfachte Darstellung nach NLWKN 2019 (voll- eine Änderung des Unterhaltungsumfangs genutzt wer- ständige Darstellung siehe Anhang 3) den können. Aus der Bestandsaufnahme ergibt sich, ob hydrauli- Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Un- sche Spielräume immer, zeitweise oder nicht vorhanden terhaltungsklassen geringer Intensität (Kap. 7.2) dazu ge- sind. Vorhandene Spielräume können genutzt werden, eignet sind, die besonderen artenschutzrechtlichen An- um: forderungen einzuhalten. Damit kann sich über die quali- – dauerhaft Struktur- und Habitatverbesserungen zu er- fizierte Erfassung der Unterhaltungsintensität eine verein- reichen oder fachte Anwendung der Vorgaben des Leitfadens Arten- – temporär, insbesondere in den Sommermonaten, ge- schutz in der Gewässerunterhaltung ergeben (NLWKN zielt Lebensräume zu schonen und zu entwickeln. 2017, Kapitel 5.3). Die dafür möglichen und sinnvollen Maßnahmen ergeben sich aus den nachfolgenden Kapiteln.

42 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

6.4 Entwicklungsmaßnahmen im Rahmen 12. gezielte Nutzung von Gewässerrandstreifen zur Ver- der Gewässerunterhaltung ringerung der Sediment- und Nährstoffeinträge, 13. eigendynamische (Ufer)Entwicklung zulassen, Aus- Maßnahmen zur Gewässerentwicklung im Rahmen der wirkungen beobachten. Unterhaltung hängen davon ab, ob und welche hydrauli- schen Spielräume im Gewässer/-abschnitt vorhanden Die hydraulische Wirkung der Maßnahmen ist vor der sind. Deshalb sind nachfolgend für die verschiedenen Umsetzung zu untersuchen und es sind ggf. Grenzen für hydraulischen Zustände der Gewässer (Auslastung des die Entwicklung festzulegen. Querschnitts oder vorhandene Reserven) die Verände- rungsmöglichkeiten dargestellt. 6.4.2 Maßnahmen bei hydraulischen Reserven im Querschnitt – 6.4.1 Maßnahmen bei hydraulischer Maßnahmengruppe 2 Auslastung des Querschnitts – Maßnahmengruppe 1 Die vorhandenen hydraulischen Spielräume können nach entsprechender Abwägung für verschiedene Maßnah- Für Gewässer/-abschnitte, in denen für die höchsten zu men zur Verbesserung der Strukturgüte im Gewässerbett erwartenden Abflüsse keine hydraulischen Spielräume genutzt werden. vorhanden sind, ergibt sich lediglich die Möglichkeit, im Geeignet sind die Maßnahmen der Gruppe 1 (Kap. Rahmen der Gewässerunterhaltung lenkend einzugreifen 6.4.1), die durch Maßnahmen mit dauerhaftem Einfluss und temporäre hydraulische Spielräume, insbesondere in auf das Abflussverhalten ergänzt werden können. Insbe- den Frühjahrs- und Sommermonaten, zu nutzen, um eine sondere die folgenden Maßnahmen der Maßnahmen- zumindest temporäre strukturelle Verbesserung des Ge- gruppe 2 (Anhang 5: Belastungs- und Auswahlmatrix) wässers zu erreichen. Die Maßnahmen wirken sich dabei sind in der Regel auf Dauer angelegt: insbesondere auf Teile der Gewässerböschungen und 1. Abschnittsspezifische Verringerung/Veränderung der Gewässersohle aus. Die Maßnahmen und ihre Wirkun- Abflusssichernden Maßnahmen, gen auf die Gewässer sind in der Belastungs- und Aus- 2. Verzicht auf Sohl- und Böschungsinstandsetzungen wahlmatrix (Anhang 5) zusammengefasst. um die Eigendynamik zu fördern, 3. Ufer nur sichern, wenn es hydraulisch erforderlich ist, Geeignete abflusssichernde Maßnahmen bzw. Unterhal- 4. Entfernen von örtlichen Ufer- und Sohlsicherungen tungsverfahren können sein: 5. Totholz im Profil belassen, Entnahme nur in begrün- 1. Abschnittsweise einseitige Mahd von Sohle un Bö- deten Fällen, schungen, 6. Einbau von Strömungslenkern / Lenkbuhnen 2. Krautungsintensität und -umfang am jahreszeit- (Totholz / Kies) zur Strukturverbesserung an geeigne- lich/hydraulisch erforderlichen Profil ausrichten, ten Stellen, 3. Mahd- und Krautungszeiten anpassen, um beste- 7. Gehölzaufbau bzw. Bepflanzung, ggf. auch im Profil, hende Pflanzengesellschaften zu fördern oder zu- 8. Totholzeinbau, rückzudrängen (pflanzensoziologische Effekte), 9. Einbau von standorttypischem, mineralischem Harts- 4. Ufersäume (vor allem Röhricht) im Übergang zwi- ubstrat (z. B. Kies) zur Verbesserung der Sohlstruktu- schen Sohle und Böschungen schonen, ren, Kiesbänke als Substratquelle einbauen, 5. Krautungsschneisen (Stromstrich) einrichten, 10. örtlich gewünschte Auflandungen und Sohlenbil- 6. Beschattung durch Hochstaudenfluren auf Bö- dungsprozesse unterstützen/zulassen, eigendynami- schungs- und Ufersäumen insbesondere bei kleinen sche Ufer- und Sohlentwicklung zulassen, Gewässern fördern, 11. Rückbau von Uferbefestigungen, sofern ausreichend 7. Beschattung durch Gehölzentwicklung fördern, breite Gewässerrandstreifen zur Verfügung stehen, 8. Gehölze als natürliche Ufersicherung nutzen, 12. örtlich gewünschte Entwicklung von Wasserpflanzen 9. Schonung von steinigen und kiesigen Substraten: fördern und grundsätzlich keine, allenfalls punktuelle Entnahmen, 13. Feinsediment durch Raubäume festlegen. 10. gezielte Entnahme von Sandbänken (Feinsediment), 11. ggf. Feinsedimenteintrag/-transport aus Nebenge- wässern regulieren/beeinflussen (Sandfänge/Sedi- mentbecken),

43 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Besondere Bedeutung hat das Totholz im Gewässer, spielen der Ausbaugrad des Gewässers, sein Abflussver- deshalb haben die folgenden Maßnahmen großen Ein- halten, die anthropogenen Belastungen und Ansprüche fluss auf die Gewässerentwicklung, sie weisen aber auch sowie die natürlichen Randbedingungen. Entscheidend besondere Gefahren auf: für die Gewässerentwicklung, insbesondere bei künstli- 1. Totholz im Profil belassen und/oder nur in begründe- chen Gewässern (AWB) und bei ausgebauten Fließge- ten Fällen entnehmen und wässern (HMWB), ist in den meisten Fällen die hydrauli- 2. Totholz an geeigneten Stellen einbauen, befestigen sche Leistungsfähigkeit des Gewässerprofils. und zur Strömungslenkung und Strukturverbesse- Die ökologischen und wasserwirtschaftlichen Defizite, rung nutzen. Mängel und Möglichkeiten eines Gewässers sind festzu- stellen und als Grundlagen für die Definition der Entwick- Zu beachten ist, dass besonders in schnell fließenden lungsziele konkret zusammenzufassen. Die in Kapitel 5 Gewässern bei Hochwasser die Gefahr von erheblichen genannten Parameter mit den zugehörigen Checklisten Schäden durch abgeschwemmtes Totholz besteht. Ne- zur Grundlagenermittlung münden so in eine Zusammen- ben der unmittelbaren Gefährdung von wasserwirtschaft- fassung aus der sich die weiteren Planungsschritte erge- lichen Anlagen und Brücken durch Anprall können auch ben. Die summarische Betrachtung der wasserwirtschaft- Schäden an Gebäuden, Infrastruktureinrichtungen, Flä- lichen Randbedingungen und ökologische Defizite ergibt chen und Wirtschaftsgütern durch Sekundärüber- mit den verschiedenen Teilaspekten die dabei eine Rolle schwemmungen entstehen. Diese Risiken sind bei der spielen das Spektrum der möglichen Veränderungen. Planung und Umsetzung der Maßnahmen unbedingt zu berücksichtigen und erfordern eine qualifizierte Abwä- Die Entwicklungsziele werden ganzheitlich oder auch ge- gung. Können Risiken nicht ausgeschlossen werden, trennt für die Bereiche: sind Gegen-/Sicherungsmaßnahmen vorzusehen (siehe  Ökologische Entwicklung, auch Kapitel 4.7).  Abfluss/Vorflut und Bei der Umsetzung der Maßnahmen darf die Grenze  Nutzungsansprüche zum Gewässerausbau nicht überschritten werden. Die definiert bzw. festgelegt. hydraulische Wirkung der Maßnahmen ist vor der Umset- zung qualifiziert abzuschätzen oder zu berechnen und Aus den erhobenen gewässerökologischen Parametern, die Grenze für die Entwicklung zum Ausbau ist festzule- dem daraus abgeleiteten Zustand und so erkennbaren gen. ökologischen Defiziten (Kap. 6.2) lassen sich, unter Be- rücksichtigung der Bestandsdaten und der Anforderun- 6.5 Ableitung von Anforderungen und gen an den ordnungsgemäßen Abfluss, Schutz- und Ent- Entwicklungszielen wicklungsziele für die Gewässer/-abschnitte ableiten. Die aus den Zielen abgeleiteten Anforderungen haben Der ökologische Zustand der meisten Gewässer in Nie- insbesondere die Verbesserung der Rahmenbedingun- dersachsen ist nicht optimal. Derzeit erreichen nur rund gen für folgende Qualitätsparameter zum Inhalt: 2 % der Gewässer in Niedersachen den guten ökologi-  Fischfauna, schen Zustand oder das gute ökologische Potential nach  Makrozoobenthos, WRRL. Deshalb sind entsprechend der EG-Wasserrah-  Makrophyten/Phytobenthos, menrichtlinie und den nationalen Anforderungen Maß-  Phytoplankton, nahmen zur Verbesserung des Zustandes erforderlich.  Feststoffhaushalt, Neben wesentlichen Umgestaltungsmaßnahmen am Ge-  Abflussdynamik, wässer, die nur über einen Gewässerausbau erfolgen  Gewässerstruktur können, ist auch durch Entwicklung im Sinne und als Teil  Lineare Durchgängigkeit und des Rechtsbegriffes der Unterhaltung ein Beitrag zur Zie-  Auendynamik. lerreichung der EG-WRRL möglich. Die vorhandenen ökologischen Defizite der Gewässer Die in den Kapiteln 6.4.1 und 6.4.2 und bereits im Leitfa- können durch eine Gewässerentwicklung im Rahmen der den Gewässerunterhaltung in Niedersachsen Teil A Gewässerunterhaltung vermindert oder in einigen Fällen (WVT 2011) angesprochenen Maßnahmen haben unter- eventuell auch ganz aufgehoben werden. Die Art der da- schiedliche Wirkungen auf die Qualitätskomponenten der für erforderlichen Maßnahmen ist unter anderem vom je- Gewässer. Deshalb ist die Kombination verschiedener weiligen Gewässertyp abhängig. Eine besondere Rolle Maßnahmen oft sinnvoll, um ein optimales Ergebnis zu

44 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

erzielen. Liegen die Ziele für das Gewässer/den Gewäs- nen Maßnahmen abzuleiten. Die bereits erreichten Er- serabschnitt fest, lassen sich die dafür sinnvollen Maß- folge oder Veränderungen sind fortlaufend zu dokumen- nahmen ableiten. tieren und in die Planungen einzubeziehen. Zur Vereinfachung der Auswahl der verschiedenen Wenn ganzjährig keine hydraulischen Reserven im Maßnahmen wurde eine Belastungs- und Auswahlmatrix Gewässerprofil vorhanden sind, ist eine Gewässerent- zusammengestellt (Kap. 6.7). wicklung nur über einen Gewässerausbau möglich.

6.6 Festlegung von Indikatoren 6.8 Entscheidungsprozess und Entscheidungsablauf in der Aus den im Kapitel 6.5 entwickelten Anforderungen und Gewässerunterhaltung Zielen lassen sich unmittelbar Indikatoren für die Kon- trolle des Erfolgs der umgesetzten Maßnahmen zur Ge- Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt im Rahmen der wässerentwicklung ableiten. Grundlage dafür ist auch die Gewässerunterhaltung durch die Veränderung der Unter- Belastungs- und Auswahlmatrix (vgl. Kap. 6.7). Die Indi- haltung: katoren für die Zielerreichung sollten im entsprechenden – Verändern des Zeitpunktes und der zeitlichen Abfolge Abschnitt der Checklisten (Anhang 4, Kapitel 5) beschrie- der Arbeiten, ben werden, damit später eine einfache Überprüfung – Bilden von Abschnitten in Längs- und Querschnitt möglich ist. – Ändern von Art und Umfang der Gewässerunterhal- tung und 6.7 Belastungs- und Auswahlmatrix – Ändern von Häufigkeit und Intensität der abflusssi- chernden Maßnahmen, In der Belastungs- und Auswahlmatrix sind verschiedene oder durch gezielte Entwicklungsmaßnahmen, wie zum ökologische Komponenten den für die Zielerreichung re- Beispiel: levanten Maßnahmen gegenübergestellt. – Belassen von Totholz im Gewässer, Für die Eingangsvoraussetzungen: – Zulassen oder aber ggf. Sichern von Uferabbrüchen – es bestehen keine oder nur zeitweise (saisonal) hyd- und raulische Reserven (Maßnahmengruppe 1 nach Kapi- – Einbau von Kies und Totholz. tel 6.4.1) oder/und – es bestehen ganzjährig/dauerhaft hydraulische Reser- Was im Einzelnen im Rahmen der Veränderung der Ge- ven (Maßnahmengruppe 2 nach Kapitel 6.4.2) wässerunterhaltung selbst und durch gezielte Maßnah- wurden zwei Matrizen erstellt. men der Entwicklung umgesetzt werden kann ergibt sich aus den dargestellten Grundlagen und Entscheidungs- Aus der jeweiligen Matrix lassen sich einzelne Maßnah- prozessen. Die Veränderungen und initiierten Entwicklun- men bzw. Maßnahmenpakete ablesen, welche sich hin- gen stehen unter dem Vorbehalt, dass sie sowohl tat- sichtlich der relevanten Qualitätsparameter am Leitfaden sächlich als auch rechtlich reversibel sein müssen. Dies Maßnahmenplanung Oberflächengewässer Teil A muss für die Fälle gewährleistet sein, in denen Verände- (NLWKN 2008a) orientieren. rungen in der laufenden Gewässerunterhaltung für die Wie bereits dargestellt, ist die Entwicklung der Ge- Entwicklung zu Beeinträchtigungen des ordnungsgemä- wässer von vielen unterschiedlichen Randbedingungen, ßen Wasserabflusses und/oder der Nutzungen der umlie- Restriktionen und Parametern abhängig. Dabei gibt es genden Flächen führen. Die Entscheidung darüber, ob viele theoretische Möglichkeiten, die einzelfallbezogene dies der Fall ist bleibt den Unterhaltungspflichtigen vorbe- Umsetzung in die Praxis ist jedoch oftmals einge- halten. schränkt. Zu unterscheiden sind davon Änderungen für die Ge- Auf die Darstellung von Beispielen für die Verände- wässerunterhaltung (Art, Umfang, Zeitpunkt usw.), die im rung der abflusssichernden Maßnahmen (ASM) im Rah- Rahmen eines förmlichen Verfahrens festgelegt wurden. men der Gewässerentwicklung wird hier verzichtet, weil Später erforderliche Veränderungen der Gewässerunter- sie sich in der Regel nicht 1:1 umsetzen lassen. haltung, die nicht nur unwesentlich sind, dürfen in diesen In jedem Einzelfall sind die gewässerspezifischen Fällen nur nach einem erneuten förmlichen Verfahren er- Charakteristika zu berücksichtigen und daraus die eige- folgen.

45 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Entscheidend für eine wirksame Gewässerentwicklung Die Ergebnisse der Abwägung zur Entscheidung über Art sind die fachgerechte Planung, die zielführende Organi- und Umfang von Maßnahmen zur Abflusssicherung bzw. sation und die praktische Umsetzung einer zeitgemäßen zur Gewässerentwicklung sind nachvollziehbar zu doku- Gewässerunterhaltung. Dafür wird es vielfach erforderlich mentieren. Diese Dokumentation ergibt sich, wenn nach sein, Leitungsaufgaben durch ausgebildetes Fachperso- den in diesem Leitfaden dargestellten Schemata vorge- nal auszuführen und den Arbeiter- und Maschineneinsatz gangen und dieses Vorgehen schriftlich festgehalten anders als bisher zu steuern und ggf. auch andere oder wird. zusätzliche Gerätetypen/-ausstattungen, Techniken und In der Praxis wird es häufig so sein, dass für viele Ge- Methoden qualifiziert einzusetzen. wässer/-abschnitte eine stringente Abarbeitung der Ab- Die maschinelle Ausführung abflusssichernder Maß- läufe und Checklisten nicht notwendig ist, weil die Ent- nahmen stellt den Regelfall dar, sie wird im Einzelfall scheidungen durch qualifiziertes Fachpersonal mit den durch manuelle Arbeiten mit Sense, Forke und Rechen erforderlichen ökologischen und hydraulischen Kenntnis- ergänzt. sen sowie ausreichendem Erfahrungswissen getroffen Die körperlich fordernde Handarbeit kann einen ma- werden können. Auch in diesen Fällen ist es wichtig, die schinellen Einsatz bei großer Unterhaltungsintensität/gro- Entscheidung in einer ggf. vereinfachten Form zu doku- ßen Krautmassen sowie großen Gewässerquerschnitten mentieren. nicht ersetzen. Die Handarbeit ist daher für kurze oder Der Unterhaltungspflichtige ist für den gesamten Ent- schlecht erreichbare Teilstrecken bzw. Strecken mit ge- scheidungsvorgang eigenverantwortlich zuständig. Er un- ringem Einfluss auf die Vorflut geeignet und sollte gezielt terliegt dabei keiner Vorabkontrolle durch die Wasser- so durchgeführt werden, dass sich auch tatsächlich Vor- und Naturschutzbehörden. Eine Anzeige- oder Genehmi- teile für die ökologische Entwicklung der Fließgewässer gungspflicht gibt es, außer in Bezug auf den Artenschutz ergeben. Im Idealfall kann bei ausreichendem Platz an (Kapitel 4.1.2 und 6.2, WVT 2011), nicht. den Gewässerrändern durch standortheimische beschat- Dennoch wird es in vielen Fällen sinnvoll und auch er- tende Ufergehölze die Verkrautung im Profil auf ein na- forderlich sein, die Maßnahmen und Veränderungen in turnahes Maß begrenzt werden, so dass "lediglich" ein- der Gewässerunterhaltung mit den zuständigen Behör- zelne Abflusshindernisse per Hand punktuell und soweit den, insbesondere der Wasserbehörde, abzustimmen, erforderlich entfernt werden. In diesen Fällen muss dau- um auch eine rechtliche Absicherung der Entscheidung erhaft und nicht erst nach einer Krautung eine Grundvor- zu erreichen. flut zur Verfügung stehen, so dass auch zu einem un- In welcher Form die Abstimmung und Zusammenar- günstigen Zeitpunkt eintretende Niederschlagsereignisse beit erfolgt, hängt vom Einzelfall und den in den jeweili- bzw. die sich daraus ergebenden Abflüsse sicher abge- gen Regionen üblichen Vorgehensweisen ab. führt werden können. Ausgangspunkt für die möglichen Veränderungen ist Neben der differenzierten Umsetzung abflusssichern- zunächst die Regelunterhaltung die unabhängig von ei- der Maßnahmen können weitere Maßnahmen, wie der ner Gewässerentwicklung durchgeführt wird. Einbau strukturbildender Materialien (mineralische Harts- In den Kapitel 6.8.1 bis 6.8.3 sind die Entscheidungs- ubstrate, Totholz u. ä.), notwendige und mögliche abläufen anhand von Flussdiagrammen dargestellt. Da- Schritte darstellen. Diese in NLWKN (2008a) beschriebe- mit soll auch gezeigt werden, wie komplex die Entschei- nen Maßnahmen bedürfen einer sorgfältigen Planung dungen sind. Das erfahrene Fachpersonal der Verbände und Anleitung bei der Umsetzung durch das leitende Per- und Kommunen wird die Entscheidungen für die wieder- sonal. kehrenden Fälle auf Grundlage seines Erfahrungswis- sens treffen können.

46 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

6.8.1 Regelunterhaltung Verbindung mit § 39 Abs. 2 WHG sind u. a. die Bewirt- schaftungsziele und Vorgaben im Maßnahmenprogramm Die Unterhaltung der Gewässer wird regelmäßig ohne (EG-WRRL) zu beachten, außerdem ist immer Rücksicht weitere Entscheidungen zur Gewässerentwicklung wie- auf den Naturhaushalt zu nehmen. Die Anforderungen derkehrend und teilweise schematisch durchgeführt. Be- des allgemeinen und besonderen Artenschutzes sind zu- sonderer Entscheidungsprozesse bedarf es dabei vorder- sätzlich in den Entscheidungsablauf einzubeziehen. gründig nicht. Dennoch ist es auch in diesen Fällen erfor- Der Prozess ist in Schaubild 1 dargestellt. Dabei sind derlich, die verschiedenen Randbedingungen und Anfor- auch die Belange des besonderen Artenschutzes fachlich derungen einzuhalten bzw. zu beachten, um eine recht- fundiert an der richtigen Stelle einzubinden. konforme Entscheidung über Art und Umfang der Ge- wässerunterhaltung sicherzustellen. Nach § 61 NWG in

Schaubild 1: Entscheidungsablauf Regelunterhaltung

47 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

6.8.2 Gewässerentwicklung durch maßnahmen oder auch um die Kombination verschiede- gezielte Anpassung der ner Maßnahmen handeln. In Einzelfällen, zum Beispiel Gewässerunterhaltung bei vorhersehbaren Veränderungen der Wasserspiegella- gen, wird es sinnvoll sein, zunächst Veränderungen hin- Die Ziele, die über eine zeitgemäße und fachgerechte sichtlich der Nutzung der Gewässeraue und/oder des Gewässerunterhaltung erreicht werden sollen, können Talraumes vorzunehmen oder zu initiieren, um darauf ab- auf Basis der Grundlagenermittlung nach Kapitel 5 defi- gestimmt weiterreichende Änderungen in Art und Umfang niert werden. Grundlage ist die Belastungs- und Aus- abflusssichernder Maßnahmen vornehmen zu können. wahlmatrix (Kap. 6.7 und Anhang 5). Aus der Belas- Der Entscheidungsprozess ergibt sich aus Schaubild 2. tungs- und Auswahlmatrix können die für die Zielerrei- Die Einbindung der artenschutzrechtlichen Anforderun- chung relevanten Veränderungen der Gewässerunterhal- gen ist in Schaubild 1 dargestellt. Die detaillierte Abarbei- tung abgeleitet werden. Dabei kann es sich um Einzel- tung ergibt sich aus NLWKN 2017 bzw. NLWKN 2019.

Schaubild 2: Entscheidungsablauf Gewässerentwicklung – Anpassung der abflusssichernden Maßnahmen

48 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

6.8.3 Hydraulische Bedingungen sind, muss entsprechend Kapitel 6.4 zwischen verschie- als Leitparameter für die denen Maßnahmengruppen unterschieden werden. Aus Gewässerentwicklung dem Ablaufdiagramm ergibt sich im Ergebnis, welche Maßnahmentypen unter den gegebenen hydraulischen Die grundlegenden Randbedingungen für die Entschei- Randbedingungen möglich sind. Hier erfolgt am Ende dung, ob und in welchem Umfang Entwicklungsmaßnah- des Entscheidungsweges eine Verknüpfung mit der Be- men unter Ausnutzung hydraulischer Reserven im Ge- lastungs- und Auswahlmatrix (Kap. 6.7 und Anhang 5), wässerprofil möglich sind, werden in Schaubild 3 darge- so dass konkrete Maßnahmen abgeleitet werden, bzw. stellt. die auf Grundlage der definierten Entwicklungsziele iden- Die verschiedenen Eingangsgrößen sind entspre- tifizierten Maßnahmen bestätigt werden können. Die Ein- chend den vorstehenden Kapiteln zu ermitteln oder quali- bindung der artenschutzrechtlichen Anforderungen ist in fiziert abzuschätzen. In Abhängigkeit davon, ob hydrauli- Schaubild 1 dargestellt. Die detaillierte Abarbeitung ergibt sche Reserven ständig, zeitweise oder nie vorhanden sich aus NLWKN 2017 bzw. NLWKN 2019.

Schaubild 3: Entscheidungsablauf Gewässerentwicklung durch Unterhaltung.

49 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

7 Umsetzung der Gewässerunterhaltung im Unterhaltungsplan

In Kapitel 6.1 des Leitfadens Gewässerunterhaltung in der Unterhaltung ist. Er soll außerdem die Auswertung Niedersachsen Teil A (WVT 2011) sind die grundlegen- verschiedener Daten ermöglichen. Als Grundlage sollte den Anforderungen an Unterhaltungspläne dargestellt ein GIS-gestütztes Gewässerkataster dienen, so dass ein worden. Die Unterhaltungspläne sind ein wichtiges In- örtlicher Bezug jederzeit hergestellt werden kann. Für die strument für die Umsetzung für Maßnahmen der Gewäs- Erfassung der Grundlagen sollen zunächst vorhandene serunterhaltung. Daher werden die Anforderungen hier Daten/Unterlagen ausgewertet werden. Eigene Erhebun- noch einmal unter Bezug auf die vorstehenden Kapitel gen/Untersuchungen können im Einzelfall aber erforder- dargestellt. lich sein. Entscheidend für den Unterhaltungsplan sind die Grundlagen und Rahmenbedingungen der Unterhaltung (Kapitel 4 und 5) und die Checklisten zur Gewässerunter- haltung (Anhang 4) zu den einzelnen Gewässern/-ab- schnitten. In die Planung der Unterhaltung gehen die grundle- genden und gewässerbezogenen Ergebnisse der Ent- scheidungsprozesse (Kapitel 6) ein, aus denen auch die Entwicklungsziele und die Parameter für das Monitoring abgeleitet werden. Bestandteil des Unterhaltungsplans ist auch die Abar- beitung der Anforderungen des allgemeinen und beson- Abbildung 20: Gewässerunterhaltung – Mittelrinnenmahd, deren Artenschutzes. Er dient somit auch dem Nachweis Kleine Aller bei Weyhausen (2017) der Berücksichtigung des besonderen Artenschutzes in der Gewässerunterhaltung. Der Unterhaltungsplan kann auf den Umfang beschränkt In den Fällen, in denen artenschonende Vermei- werden, der für das einzelne Gewässer/-system erforder- dungs- oder Minimierungsmaßnahmen bei der Gewäs- lich ist. Es ist jedoch sicherzustellen, dass sich die Ent- serunterhaltung nicht oder nicht in ausreichendem Um- scheidungen über Art und Umfang der Unterhaltung fang möglich sind, dient der Unterhaltungsplan auch als nachvollziehen lassen und dass alle abwägungsrelevan- Grundlage für die erforderlichen artenschutzrechtlichen ten Parameter erfasst werden. Ausnahmegenehmigungen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG. Konkrete Vorgaben zum Umfang und Detaillierungs- Der Unterhaltungsplan ist damit das entscheidende grad des Unterhaltungsplans werden an dieser Stelle Planungsinstrument des Unterhaltungspflichtigen, der re- nicht gemacht, weil die Anforderungen landschafts- und gelmäßig fortgeschrieben und aktualisiert jährlich dar- gewässernetzbezogen sehr unterschiedlich sind. Viele stellt, wie die Unterhaltung mit einzelnen Gewässern und Unterhaltungspflichtige haben deshalb bereits gebiets- Wasserkörpern umgeht. Hier werden der Umfang der ab- spezifisch ausgerichtete Unterhaltungspläne entwickelt. flusssichernden Maßnahmen sowie die Inhalte der Pflege Die Erstellung und der Inhalt der Unterhaltungspläne, und Entwicklung detailliert und ortsbezogen geplant, do- liegen in der Verantwortung und Entscheidung der einzel- kumentiert und für die Zukunft festgelegt. nen Unterhaltungspflichtigen. Ausschlaggebend ist die Für die Gewässer 3. Ordnung werden Unterhaltungs- gewässer- und situationsbezogene qualifizierte Darstel- pläne nur zu einem sehr geringen Teil (Wasser- und Bo- lung der Gewässerunterhaltung. Sie sollen neben den denverbände und Kommunen) aufgestellt, weil die Unter- abflusssichernden Maßnahmen und der Gewässerpflege haltung nicht durchgehend institutionalisiert ist, sondern (z. B.: Berücksichtigung der Anforderungen, die sich für für den überwiegenden Teil dieser Gewässer durch die die Schutzgebiete (FFH, NSG, LSG) ergeben) insbeson- jeweiligen privaten Eigentümer/Anlieger erfolgt. dere die Maßnahmen zur Gewässerentwicklung beinhal- Der Unterhaltungsplan soll alle relevanten Daten ent- ten. Für die Planung ist dabei die Verortung der Entwick- halten und damit die Grundlage für die Gewässerunter- lungsmaßnahmen sowie die differenzierte Definition der haltung bilden. Der Unterhaltungsplan ist ein fortschrei- Ziele und der entscheidenden Parameter für die Erfolgs- bungsfähiges System, das Grundlage für die transpa- kontrolle unerlässlich. In einem weiteren Schritt ist die rente Abwägung und Entscheidung über Art und Umfang Umsetzung der Maßnahmen über die Unterhaltung und

50 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

ihr Erfolg zu dokumentieren. In die Fortschreibung des oder deutliche breitere Gewässer und Gewässer mit gro- Plans sind die ggf. erforderlichen Anpassungs- und ßen Wassertiefen (>2 m) sind sie nicht oder nur einge- Nachsorgemaßnahmen aufzunehmen. schränkt geeignet. Soweit relevant, bietet es sich dabei auch an, im Un- Viele Unterhaltungspflichtige haben bereits vergleich- terhaltungsplan den gem. Artenschutz-Leitfaden empfoh- bare eigene Einstufungen vorgenommen, primär um ihr lenen Abwägungsprozess zwischen den erforderlichen eigenes Handeln abzubilden und zu dokumentieren. Die Unterhaltungsarbeiten und der Beachtung der Zugriffs- vorhandenen Kategorien sollten wo möglich auch weiter- verbote ggf. betroffener artenschutzrechtlich relevanter verwendet und soweit möglich und sinnvoll weiterentwi- Arten für das jeweilige Gewässer zu dokumentieren. ckelt werden, um auch zukünftig die Vergleichbarkeit mit vorhandenen älteren Aufnahmen der Unterhaltungsinten- Der Unterhaltungsplan sollte grundsätzlich aus den nach- sität sicherzustellen. folgend beschriebenen Teilen bestehen. Die Kategorien für die Unterhaltungsintensität wurden im Rahmen der Gewässerallianz Niedersachsen überar- 7.1 Bestandserfassung beitet (Pinz 2017, siehe Abbildung 21) und seit 2015 für die Gewässer in den Projektgebieten in Niedersachen Die Bestandserfassung für den Unterhaltungsplan um- und an den landeseigenen Gewässern erprobt bzw. an- fasst die im Kapitel 5 beschriebenen Daten und Parame- gewandt. Die bisherigen Klassifizierungen haben unter- ter, insbesondere: schiedliche Ziele. – Daten zu Gewässerprofilen, Längsgefälle und Abflüs- In WVT 2011 ging es zunächst darum in einem einfa- sen (soweit vorhanden), chen System erstmals exemplarisch festzuhalten, wie – Darstellung von hydraulischen Besonderheiten bzw. sich die Intensität der Gewässerunterhaltung grundsätz- Rahmenbedingungen, lich darstellt, eine Momentaufnahme. Mit dieser farbli- – Darstellung von technischen Besonderheiten und chen Visualisierung sollte analog anderer Karten (Güte- Bauwerken, karten, Gewässerstrukturkarten etc.) die Unterhaltungs- – Daten zur Gewässerökologie und Darstellung biologi- praxis wertneutral in Klassen abgebildet werden. Dieses scher Komponenten, einfache System ist auch weitgehend auf alle Gewässer – Darstellung von naturschutzrechtlichen und -fachli- in Niedersachsen anwendbar. Für kleinteilige Verände- chen Bestimmungen und Grundlagen nach NAGB- rungen ist dieses Raster jedoch zu grob. Damit die Ver- NatSchG und BNatSchG (FFH-Gebiete, Natur- und änderungen dargestellt werden können, die sich im An- Landschaftsschutzgebiete, artenschutzrechtliche schluss an Entwicklungsmaßnahmen oder durch eine Bestimmungen, gesetzliche geschützte Biotope, Veränderung der Unterhaltung ergeben, ist eine stärkere usw.), Differenzierung erforderlich. Das 5-stufige System weist – Darstellung der Anforderungen die sich aus dem be- auch Darstellungsschwächen in stark unterhaltungsbe- sonderen Artenschutz und dessen Einbeziehung in dürftigen Niederungsgewässern mit wenig Gefälle und die Unterhaltungsplanung ergeben, Extensivierungspotential auf. Die Darstellung aus WVT – Darstellung der bisherigen Unterhaltung nach Art und 2011 beruht auf dem einfachen und grundsätzlich gege- Umfang, benen Zusammenhang zwischen hydraulischer Leitungs- – Darstellung der Entwicklung/Veränderung der Unter- fähigkeit und dem Unterhaltungsaufwand und lässt sich haltung (laufender Prozess) und entsprechend Tabelle 4 darstellen. – Ggf. weitere gewässerspezifische Parameter. Anstelle des in der Tabelle aufgeführten Ausgangspa- rameters „Hydraulische Leistungsfähigkeit“ kann auch 7.2 Unterhaltungsklassen/-intensität der vorhandene „hydraulische Spielraum“ als primärer Parameter für die daraus folgende Unterhaltungsintensi- Im Teil A dieses Leitfadens (WVT 2011) wurde eine Klas- tät angeführt werden. sifizierung der Unterhaltungsintensität eingeführt und die Die außerdem bei verschiedenen Verbänden in Nie- Ergebnisse exemplarisch für einige Gewässer in Nieder- dersachen vorhandenen Darstellungen dienen in der Re- sachsen dargestellt. Die dort dargestellte Einstufung in 5 gel dem Ziel den Unterhaltungsumfang bzw. die Unter- Klassen ermöglicht eine qualitative Darstellung im Über- haltungsintensität gebietsspezifisch zu dokumentieren. blick. Die gewählten Unterhaltungsklassen/-intensitäten Dadurch lässt sich über längere Zeiträume darstellen, beziehen sich auf Bäche und kleinere Flüsse mit Sohl- wie sich die Unterhaltung und deren Intensität verändern. breiten zwischen rd. 1,5 m und rd. 20 m. Für kleinere

51 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Dafür bestehen vielfach detaillierte Einteilungen der ver- die Kategorien 4 und 5 eine weitere Differenzierung der schiedenen Tätigkeiten bezogen auf die abgrenzbaren Unterhaltungsklassen/-intensität sinnvoll. Teile der Gewässer (Sohle, Böschungen, Ufer usw.).

Tabelle 4: Hydraulische Leistungsfähigkeit und Unterhaltungs- sehr geringe Unterhaltung Klasse 1 beobachtende Klasse 1a Lediglich Entfernung nicht Unterhaltung klasse/-intensität nach WVT 2011 tolerierbarer Abflusshin- dernisse Keine Unterhal- Hydraulische Erforderliche Tätigkeiten Unterhal- geringe Klasse 1b tung bis max. Unterhaltung Mahd der Leistungs- (angegeben für den Geest- und tungs- Böschungs- fähigkeit Übergangsbereich) klasse geringe Unterhaltung Klasse 2 mäßige Klasse 2a schulter/ max. Gehölzpflege bzw. Unterhaltung Stromstrich- Sehr gut Beseitigen von Abflusshindernis- 1 B ö s c h u n g s m a h d ( 1 s / w s ) mahd sen, nur bei Bedarf keine Sohlunterhaltung deutliche Klasse 2b Gut Gehölzpflege, Böschungsmahd 2 Unterhaltung einseitig/wechselseitig Bedarfsunterhaltung Klasse 3 starke Klasse 3a Ausreichend Teilw. Stromstrichmahd, bedarfs- 3 oder teilweiser Mahd Unterhaltung Eingriffe in (mittel) weise Sohlkrautung (z.B. Stromstrich) oder Wasser- Bedarfssohlmahd wechselzone sehr starke Klasse 3b gering Regelmäßige, vollständige Sohl- 4 Unterhaltung und Böschungsmahd, bzw. Grundräumung, <1/a regelmäßige/vollständige Klasse 4 vollständige Klasse 4 Sohl-/Böschungsmahd Unterhaltung Sehr gering Regelmäßige, vollständige Sohl- 5 Eingriffe in Wasser- vollständige Klasse 5 (schwach) und Böschungsmahd, bzw. wechselzone/ Unterhaltung Grundräumung, >1/a regelmäßige/vollständige Klasse 5 Böschungsfuß Sohl-/Böschungsmahd und Sohle Oder (Grund)räumung Schraffur Mehrmals pro Jahr Im Rahmen der Gewässerallianz Niedersachsen ist die in WVT 2011 veröffentlichte Klassifizierung der Unterhal- Abbildung 21: Unterhaltungsintensität nach NLWKN 2016 tungsintensität erweitert worden (Bardowicks 2017). Die Darstellung (Abbildung 21) aus NLWKN 2016 stellt prinzi- Unabhängig von den niedersachenweit angewandten piell eine, gegenüber WVT 2011, in den Stufen geringer Klassifizierungen (WVT 2011, Bardowicks 2017) erfolgt Intensität verfeinerte/erweiterte Variante dar. Die Darstel- in vielen Verbänden im Bereich der Stufen 4 und 5 der lung mit den erweiterten Kategorien ist insbesondere vor Abstufung nach WVT 2011 eine weitere Differenzierung. dem Hintergrund einer möglichen Gewässerentwicklung Dabei wird auch festgehalten, ob die Unterhaltungsarbei- von Schwerpunktgewässern durch Veränderung der Ge- ten einmal oder mehrmals jährlich mit unterschiedlicher wässerunterhaltung entstanden. Intensität durchgeführt werden. In den Geestgewässern Die Angaben in Tabelle 4 und Abbildung 21 beziehen gibt es häufig Kombinationen aus einer Sommerräumung sich prinzipiell auf die Geestgewässer und den Über- als Stromstrichmahd, auf die im Herbst/Winter eine Sohl- gangsbereich zu den Gewässern des Hügellandes. krautung mit wechselseitiger Böschungsmahd folgt. Die Unterhaltungsformen und die sich damit ergeben- Diese Form der Unterhaltung passt in keine der bisheri- den Intensitäten im Berg-/Hügelland sowie in der Marsch gen Kategorien, wird aber im niedersächsischen Tiefland unterscheiden sich erheblich von den Geestgewässern, und Teilen der Geest häufig angewandt. in denen im Wesentlichen unterschiedliche Mahdregime Die in den Klassen nach NLWKN 2016 eingeführte eine Rolle spielen. Stufe „Schraffur“ als „Sonderfall für z. B. Mehrfachmahd“ Die bisher nicht ausreichende Differenzierung in den kann in diesen Fällen differenziert dargestellt werden, so Unterhaltungsklassen 4 und 5 führt dazu, dass unter lan- dass deutlich wird, aus welcher Kombination der ver- desweiten Aspekten Gewässer, die aufgrund der vorhan- schiedenen Klassen sich die Mehrfachunterhaltung zu- denen Randbedingungen (z. B.: geringes Gefälle) stärker sammensetzt. unterhalten werden müssen, insgesamt zu undifferenziert In der nachfolgenden Tabelle 5 ist diese erweiterte dargestellt werden, bzw. dass Veränderungen nicht/kaum Differenzierung für Geestgewässer dargestellt. Die Kenn- abgebildet werden können. zeichnung „1b-3b“ bedeutet, dass im Frühjahr/Sommer Bei vielen Gewässern in Niedersachsen ist aufgrund ih- (1.) lediglich Abflusshindernisse beseitigt werden und auf res Abflussverhaltens und der Hochwasseraspekte nur Teilstrecken gemäht/gekrautet wird (Klasse 1b). Zusätz- eine Unterhaltung nach den Kategorien 4 und 5 (WVT lich erfolgt im Herbst/Winter (2.) eine weitgehende 2011) und Kategorie 3b (Pinz 2017) möglich. Um die (>50 %) Sohlkrautung und fast vollständige (>75 %) Bö- Spanne der Unterhaltungsintensität, bzw. ihre Verände- schungsmahd (Klasse 3b). rung, besser darstellen zu können, ist zukünftig auch für

52 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Tabelle 5: Unterhaltungsklassen für Geestgewässer 10-stufig WVT 2020

Unterhaltungsklasse Beschreibung

1a Beobachtende Unterhaltung, Gehölzpflege-/pflanzung, Holz- und Treibgutentnahme Keine Unterhaltung nur bei Hochwassergefahr

1b Stromstrich- oder einseitige Böschungsmahd auf kurzen Strecken (unter 1/3 Gesamt- Sehr geringe Unterhaltung länge), Schonung der Böschungsfüße, Abflusshindernisbeseitigung wenn nicht tole- rierbar, 2a Stromstrich- oder einseitige Böschungsmahd (1/3 bis 2/3 Gesamtlänge), Schonung Geringe Unterhaltung der Böschungsfüße, Abflusshindernisbeseitigung

2b Stromstrichmahd auf Teilstrecken und wechsel- oder einseitige Böschungsmahd, Mäßige Unterhaltung Schonung der Böschungsfüße,

3a Sohlkrautung auf Teilstrecken (<50 %), wechsel- oder einseitige Böschungsmahd, auf Normale-/Regelunterhaltung Teilstrecken (~50) beidseitige Böschungsmahd, weitgehende Schonung der Bö- schungsfüße 3b Sohlkrautung auf Teilstrecken (>50 %), beidseitige (>75 %) Böschungsmahd, teil- Deutliche Unterhaltung weise Schonung der Böschungsfüße

4a Sohlkrautung (>50 % des Abschnitts), beidseitige (>90 %) Böschungsmahd, selten Erhebliche Unterhaltung, Schonung der Böschungsfüße und einzelner Sohlstrukturen, teilweise (<10 %) <= 1/a Grundräumung 4b Sohlkrautung (>75 % des Abschnitts), beidseitige vollst. Böschungsmahd, selten Vollständige Unterhaltung, Schonung der Böschungsfüße, teilweise (<20 %) Grundräumung*) 1/a 5a Nahezu vollst. Sohlkrautung und beidseitige vollst. Böschungsmahd, Vollständige Unterhaltung, 1-2 mal jährlich, teilweise (<50 %) Grundräumung*) i. M. 1,5/a 5b Vollständige Sohlkrautung und/oder Grundräumung*) (>50 % des Abschnitts) und vollständige Unterhaltung, beidseitige vollst. Böschungsmahd >2 mal jährlich, >2/a X Mehrfachunterhaltung mit jahreszeitlicher Differenzierung: 1. Frühjahr/Sommer; 2. Herbst/Winter (Beispiel: 1b-3b: Es erfolgt im Frühjahr/Sommer (1.) lediglich ein Unter- haltung nach Klasse 1b, auf die dann im Herbst/Winter (2.) eine Unterhaltung nach Klasse 3b folg, um für einen ausreichenden Abfluss in den Wintermonaten zu sorgen. *) Grundräumungen erfolgen unregelmäßig zeitlich und räumlich differenziert. Die an- gegebenen prozentualen Angaben beziehen sich auf eine jährliche Grundräumung.

53 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Die Unterhaltungsintensität ist auch in Relation zum tatsächlichen Verhältnissen nur annähern. Sie dient (le- Landschaftsraum, wie: Berg- und Hügelland, Geest, diglich) der stark vereinfachten Darstellung der aktuellen Marsch und Moor, zu setzen. Dieser Aspekt ist als Über- Unterhaltungsklassen/-intensitäten und deren zukünftiger sicht in Tabelle 6 dargestellt. Daraus könnte zukünftig ein Entwicklung. erweitertes Klassifizierungssystem entwickelt werden. Für die Gewässer des Berg- und Hügellandes und der Marsch müssten die Unterhaltungsklassen bei Bedarf analog zur Klassifizierung für die Geestgewässer defi- niert werden. Hier sind die jeweiligen Verbände gefordert, entsprechende Klassifizierungen vorzunehmen. Neben den unterschiedlichen Landschaftsräumen spielt der Witterungsverlauf innerhalb eines Jahres eine erhebliche Rolle. Er kann unter Umständen einen größe- ren Einfluss auf die Intensität der Unterhaltung haben als die Parameter Gefälle, Beschattung, Nährstoffe usw. Schon aus der einfachen Darstellung der Tabelle 6 mit einem 5-stufigen System wird deutlich, wie komplex das Thema Intensität der Gewässerunterhaltung ist. Eine anschauliche Darstellung der Unterhaltung kann sich den Abbildung 22: Berglandgewässer ohne Regelunterhaltung, Große Lonau bei Herzberg (2019).

Tabelle 6: Unterhaltungsklassen/-intensitäten in den Naturräume Niedersachsens Unter- Hauptparameter Naturraum hal- tungs- Gefälle hydraulischer Bergland Hügelland Geest Marsch klasse Spielraum 1 Sehr groß Sohl- und Bö- Ufer- und Bö- Beseitigen von Ab- Stromstrichmahd, groß schungssicherung, schungssicherung, flusshindernissen bei tlw. mehrfach z. B.: Steinschüttun- z. B.: Bepflanzung Bedarf gen, Bepflanzungen 2 Groß mittel–groß Beseitigung von Ab- Beseitigen von Ab- Gehölzpflege, Bö- Vollständige Sohl- flusshindernissen flusshindernissen, schungsmahd einsei- und Böschungsmahd (soweit notwendig) Ufer- und Bö- tig/wechselseitig (1/a) und punktuelle schungsinstandset- Grundräumung zungen (<1/a) 3 Ausrei- mittel–gering Punktuelle Böschungsmahd ein- Teilw. Stromstrich- Vollständige Sohl- chend Böschungs-/ seitig/wechselseitig mahd, bedarfsweise und Böschungsmahd Stromstrichmahd, Sohlkrautung und Grundräumung Umlagerung von Ge- (~1/a) schiebe 4 Gering Gering Böschungs-/ Stromstrichmahd Regelmäßige voll- Vollständige Sohl- Stromstrichmahd, und Böschungsmahd ständige Sohl- und und Böschungsmahd einseitig oder wech- einseitig/wechselsei- Böschungsmahd, und Grundräumung selseitig tig bzw. Grundräumung (~1,5/a) (<1/a) 5 Sehr Sehr gering– Böschungs-/ Sohlkrautung und Regelmäßige voll- Vollständige Sohl- gering nicht vorhanden Stromstrichmahd Böschungsmahd ständige Sohl- und und Böschungsmahd durchgehend (<1/a) Böschungsmahd, und Grundräumung bzw. Grundräumung (>2/a) (>1/a)

54 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

wäre es wichtig, die ganze Bandbreite der Unterhaltungs- klassen in einem qualifizierten System abzubilden um sich damit auch den Anforderungen an ein differenziertes Monitoring der Unterhaltung anzunähern. Das Thema Darstellung der Intensität der Gewäs- serunterhaltung ist komplex. Die vorgeschlagene erwei- terte Darstellung der Unterhaltungsklassen bedarf noch einer erweiterten fachlichen Diskussion und Bewertung. Bei der Unterhaltungsintensität geht es nicht um rich- tig oder falsch, sondern um das wie. Wenn intensive Un- terhaltung notwendig ist, dann ist dieses meist durch das Gewässer selbst oder die Anforderungen an die Entwäs- serung begründet. Die Gewässerunterhaltung und ihre Intensität stellt eine Kombination aus den Aspekten Unterhaltungszeit- punkt, -art, -methode, - umfang usw. dar. Es handelt sich also um Unterhaltungsklassen.

Hinweis: Die Darstellung der Unterhaltungsklassen/-intensität ist ein graphisch aufbereitetes Abbild der Unterhaltung, das in geeigneter Weise in Hinblick auf die vorhande- nen biotischen und abiotischen Faktoren reflektiert werden muss. Die Unterhaltungsintensität ist kein Maßstab mit dem Art und Umfang der Gewässerunter- haltung verschiedener Unterhaltungspflichtiger gemes- sen werden können. Sie ist deshalb auch nicht primär als Zieldefinition für die Entwicklung bestimmter Zu- stände oder als alleiniger Maßstab für die Einhaltung natur-/artenschutzrechtlicher Bestimmungen geeignet. Sie kann aber ein einfacher Maßstab dafür sein, wie

Abbildung 23: Tieflandgewässer mit Mehrfachunterhaltung, umfangreich und erheblich Beeinträchtigungen durch Bottendorfer Bach bei Wierstorf (2017) die Gewässerunterhaltung sind und wie diese sich ggf. auf den besonderen Artenschutz auswirken. In Tabelle 6 ist vereinfacht dargestellt, wie die Unterhal- tungsintensitäten in den verschiedenen Regionen Nieder- sachsen differenziert werden können. Die Bezeichnun- gen der jeweiligen Unterhaltungstätigkeiten sind nur exemplarisch, weil in jedem Einzelfall vielfältige Formen der Unterhaltung angewandt werden. In einer erweiterten Darstellung könnte auch die zeitlich differenzierte Unter- haltung im Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter berück- sichtigt werden. Es ist sinnvoll, die Darstellung der Unterhaltungsinten- sität mittel- und langfristig weiterzuentwickeln und dabei die Darstellung der Unterhaltungsintensität aus WVT 2011 und NLWKN 2016 einzubeziehen. Insbesondere sind die bisherigen Klassen 4 und 5 stärker zu differen- zieren und die einzelnen Stufen so zu definieren, dass sie den heute/zukünftig gültigen Anforderungen und Ab- Abbildung 24: Gewässerentwicklung im Profil, wechselseitige läufen der Gewässerunterhaltung gerecht werden. Dabei Unterhaltung, Otter bei Malstedt (2019)

55 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

7.3 Planung der Gewässerunterhaltung des Lohnunternehmers ein Zwischenglied in der Ent- scheidungs-/Hierarchiekette. Der Unternehmer muss si- Zur Planung der Gewässerunterhaltung gehören: cherstellen, dass seine und die vor-Ort-Entscheidungen 1. Räumliche und qualitative Darstellung der erforderli- seiner Mitarbeiter auf den Grundsätzen und Entscheidun- chen abflusssichernden Maßnahmen (Mähen, Krau- gen des Unterhaltungspflichtigen aufbauen (Kap. 8.3). ten, Räumen usw.) für einzelne Gewässer/-ab- Im Leitfaden Artenschutz – Gewässerunterhaltung schnitte, (NLWKN 2017) wird in Kapitel 5.3 angeregt die Belange 2. Erfassung und Darstellung der Unterhaltungsintensi- des besonderen Artenschutzes in einem Formblatt „Ab- tät und ggf. deren Veränderung, wägung der Belange des besonderen Artenschutzes“ ab- 3. Darstellung der Restriktionen und Folgen, die sich zuarbeiten und abzuwägen. Eine entsprechende Vorlage aus den naturschutzrechtlichen und -fachlichen An- muss mittelfristig entwickelt werden (siehe auch Kapitel forderungen an Art und Umfang der Unterhaltung er- 6.2). geben, 4. Berücksichtigung bzw. Einbindung von Umgestal- 7.4 Einsatzsteuerung, Monitoring und tungsmaßnahmen am Gewässer, Dokumentation 5. Darstellung von Pflegemaßnahmen, 6. Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten, Mit der Einsatzsteuerung, also der Arbeitsvorbereitung, 7. Planung und Darstellung von Gewässerentwicklungs- für Maschinen und Personal wird die Umsetzung der Ge- maßnahmen (Ortsbezogen und ggf. zeitbezogen), wässerunterhaltung im jährlich aktualisierten Unterhal- 8. Darstellung der natur- und artenschutzrechtlichen tungsplan mit der Darstellung folgender Punkte eingelei- und fachlichen Anforderungen und Randbedingun- tet: gen – Einsatzsteuerung von Personal, Geräten und Firmen, 9. Durchführung und Dokumentation der erforderlichen – Dokumentation der Arbeiten zur Gewässerunterhal- Abstimmungsprozesse zu Punkt 8, tung 10. Berücksichtigung der Monitoringergebnisse der Vor- – Abrechnung, Auswertung ökonomischer Daten, jahre und – Erfassung der Wirkung abflusssichernder Maßnah- 11. Ggf. weitere gewässerspezifische Besonderheiten. men, – Darstellung der Ergebnisse von Pflegemaßnahmen, Die Gewässerunterhaltung ist ein Prozess, in dem zwei – Darstellung des Erfolgs von Entwicklungsmaßnahmen Elemente ineinandergreifen müssen: – Ggf. weitere gewässerspezifische Besonderheiten. 1. Leitungsebene und 2. Arbeits-/Ausführungsebene. Die Monitoringergebnisse werden für die Planung der nächsten Unterhaltungsperiode benötigt und gehen so di- In der Arbeitsebene kann es auch noch die Ebene der rekt und laufend in die Unterhaltungs-, Pflege- und Ent- Vorarbeiter geben, so dass es hier ggf. eine weitere Un- wicklungsmaßnahmen ein, so dass eine ständige Rück- terteilung gibt. Die Entscheidungsprozesse sind von oben kopplung erfolgt. nach unten (hierarchisch) zu organisieren und damit Daraus ergibt sich auch wie und an welchen Stellen auch die Verantwortlichkeiten entsprechend zu strukturie- örtlich nachgesteuert werden muss, um die gesetzten ren. Die Mitarbeiter müssen zu einem im Rahmen ihrer Ziele zu erreichen. Möglichkeiten eigenverantwortlichen Handeln motiviert Die Dokumentation der Gewässerunterhaltung stellt werden. Damit die Mitarbeiter ihre Verantwortung auch heute einen wichtigen Punkt des Unterhaltungsplanes wahrnehmen und qualifizierte Entscheidungen treffen dar. Sie dient nicht nur der Sicherung von Daten zur Un- können, ist eine entsprechende Aus- und Fortbildung terhaltung für zukünftige Planungen, sondern auch dazu (Kap. 8.1), die auch die ökologischen und hydraulischen einen Nachweis über die Entscheidungen zur Gewäs- Vorgänge umfasst, erforderlich. Das gilt auch für die Ar- serunterhaltung und ihre Umsetzung zu führen, um so beitsebene. eine größere Rechtssicherheit für den Unterhaltungs- Wenn die Arbeiten ausgeschrieben und durch Lohn- pflichtigen zu erreichen. unternehmer ausgeführt werden, ist die Leitungsebene

56 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

8 Begleitende Maßnahmen

Zur erfolgreichen Umsetzung der Gewässerunterhaltung Bei der Gewässerunterhaltung handelt es sich um einen gehört neben der Aus- und Fortbildung von Personal und Entscheidungsprozess, der über verschiedene Ebenen der Qualifizierung von Firmen auch die Information der von oben nach unten gerichtet ist. Die gemeinsam mit Öffentlichkeit. verschiedenen Institutionen erarbeiteten Fortbildungs- Die unterhaltungspflichtigen Eigentümer und Anlieger maßnahmen zur Vermittlung der Grundlagen werden seit der Gewässer 3. Ordnung, die nicht über Körperschaften 2011 angeboten und weiterentwickelt. Nach der Konsoli- organisiert sind, haben in eigener Verantwortung sicher- dierung werden in einer zweiten Phase seit 2015 die Wis- zustellen, dass die Gewässerunterhaltung unter Berück- sensbasis verbreitert und die Entscheidungskompeten- sichtigung aktueller fachlicher und rechtlicher Vorgaben zen auf allen Ebenen verbessert. erfolgt. Der Einsatz entsprechend qualifizierter Unterneh- Eine Arbeitsgruppe des WVT hat unter Beteiligung ex- men ist deshalb unabdingbar. terner Fachleute ein Schulungskonzept für das ausfüh- rende Personal entwickelt, das auf einem zweitägigen 8.1 Aus- und Fortbildung Lehrgang aufbaut. Diese Schulungen finden unter Feder- führung des WVT primär durch externe Biologen, Lan- Eine gezielte Aus- und Fortbildung der Personen und Fir- despfleger und Wasserbauingenieure statt. Für das Lei- men, die die abflusssichernden Maßnahmen und damit tungspersonal hat sich die Durchführung von Workshops auch die Maßnahmen zur Pflege und Entwicklung aus- bewährt, in denen durch Impulsvorträge von Fachleuten führen, ist unabdingbar. Zur Umsetzung der Gewässer- aus Hochschule und Wissenschaft die Diskussion und entwicklung gehört auch eine Mindestqualifikation der Entwicklung neuer Lösungsansätze für die Gewässerun- Personen, die die Gewässerunterhaltung planen, steu- terhaltung angestoßen wird. ern, anleiten und die Gewässer und ihre Veränderungen Bei der Fortbildung geht es insbesondere darum, das beobachten und beurteilen. Wissen der am Gewässer tätigen Personen zu erweitern Der Leitfaden Gewässerunterhaltung in Niedersach- und miteinander aus Erfahrungen zu lernen. Neben dem sen Teil A (WVT 2011) enthält grundlegende Aussagen grundlegenden Verständnis für die Dynamik von Fließge- zur Aus- und Fortbildung des Leitungspersonals und der wässern soll auch die Fähigkeit vermittelt werden, die unmittelbar am Gewässer Tätigen. Neben den verschie- verschiedenen technischen Möglichkeiten zielgerichtet, denen Fortbildungseinrichtungen hat auch der Wasser- effizient und gleichzeitig naturschonend zu nutzen. Die verbandstag Bremen - Niedersachsen - Sachsen-Anhalt Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren in Hin- die Fortbildung auf der Leitungs- und Arbeitsebene inten- blick auf die Ziele Abflusssicherung und Gewässerent- siviert. wicklung werden gegenübergestellt und mit dem Fach- personal der Verbände erörtert und diskutiert. Dabei geht es auch darum, die kurz- und mittelfristigen Kosten in die Entscheidungen zu Art und Umfang der Gewässerunter- haltung einzubeziehen. Neben den grundlegenden Entscheidungen des Lei- tungspersonals für einzelne Gewässerabschnitte bis zu ganzen Gewässersystemen müssen die vor Ort tätigen Personen in die Lage versetzt werden, auch für kleinere Abschnitte von Gewässern, abgewogene Entscheidun- gen zu treffen, die in das System der Entwicklung ganzer Gewässer passen. Für die unmittelbar am Gewässer Tätigen gibt es ein Kompendium mit den wichtigsten an den Fließgewässern vorkommenden Tier- und Pflanzenarten, das als Einzel- blattsammlung ergänzt und weiterentwickelt werden kann

Abbildung 25: Fortbildungsveranstaltung (Gewässertag) für Lei- (WVT 2013). Daneben ist der deutlich umfangreichere tungsebene und Fachbehörden, Suderburg 2017 Leitfaden Artenschutz und Gewässerunterhaltung (NLWKN 2017, NLWKN 2019) zu beachten. Dargestellt

57 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

sind für die verschiedenen, relevanten Arten gewässer- 8.3 Vergabe der Unterhaltungsarbeiten spezifischer Fauna und Flora, ihr Anspruch an den Le- bensraum, ihr Schutzstatus und ihre Bedeutung für die Der Unterhaltungspflichtige muss bei der Ausschreibung Gewässer. Die Zusammenstellung dient auch dazu, die und Vergabe der Unterhaltungsarbeiten an Firmen si- in der Gewässerunterhaltung Tätigen für die Habitate und cherstellen, dass die Ziele der EG-WRRL bei der Ausfüh- Tiere im Gewässer zu sensibilisieren. rung der Arbeiten berücksichtigt werden und entspre- chend ausgebildetes Personal eingesetzt wird. Die Anfor- derungen, die sich aus den mit der Gewässerunterhal- tung (einschließlich der Gewässerentwicklung) verfolgten Zielen ergeben, müssen sich deshalb auch in den Aus- schreibungsunterlagen für die Unterhaltungsarbeiten nie- derschlagen. Dazu müssen die Anteile der „Regelunter- haltung“ bedarfsgerecht an geeigneten Gewässerstre- cken entsprechend der ermittelten bzw. sich ergebenden Möglichkeiten verringert werden und zusätzliche Positio- nen eingeführt werden, die eine Gewässerunterhaltung mit besonderem Umfang oder Randbedingungen, ebenso wie Unterhaltungsmaßnahmen auf Weisung des Unterhaltungspflichtigen, umfassen. Neben der detaillierten Darstellung der auszuführen-

den Arbeiten, Randbedingungen und Restriktionen im Abbildung 26: Fortbildungsveranstaltung für die Ausführungs- ebene, Bestimmung von Wasserpflanzen, beim Unterhaltungs- Ausschreibungstext gehört dazu auch eine entspre- verband Wüsting (2013) chende Überwachung der vergebenen Arbeiten durch ei- genes qualifiziertes Personal. Die Fortbildungsangebote des WVT werden kontinuier- Eine pauschale Ausschreibung der Unternehmerleis- lich weiterentwickelt, zukünftig soll ein modulares Ange- tungen soll nicht mehr erfolgen, weil damit die Randbe- bot den Aufbau von Fachwissen und Kompetenz in den dingungen für eine differenzierte Umsetzung der Gewäs- Verbänden und Institutionen gewährleisten. serunterhaltung nicht sicher eingehalten werden können. Damit steigt auch der Aufwand für den Unterhaltungs- 8.2 Zertifizierung pflichtigen für die Ausschreibung, die Kontrolle des Un- ternehmers und die Abrechnung der Leistungen. Durch Die Fortbildung des Personals (Arbeiter, Ingenieure und die Umstellung der Unterhaltungsarbeiten können Ein- Leitungsebene) von Unterhaltungspflichtigen, die über ei- sparungen bei der Ausführung der Arbeiten erreicht wer- gene Betriebshöfe verfügen, erfolgt schon aus Eigeninte- den. Demgegenüber muss jedoch mit zusätzlichen Kos- resse der Verbände und Institutionen. ten im Leitungsbereich des Unterhaltungspflichtigen ge- Die Unterhaltungspflichtigen, die nicht in dieser Form rechnet werden. organisiert sind, sollten qualifiziertes Personal und qualifi- zierte Unternehmen einsetzen und ihr eigenes Personal 8.4 Information der Öffentlichkeit qualifizieren. Die Qualifikation der Unternehmen und ihrer Mitarbei- Die Information der Gewässernutzer, der Anlieger, der in ter ist eine Anforderung in der Ausschreibung und Vo- der Landwirtschaft tätigen Verbandsmitglieder, Bürger raussetzung für die Vergabe der Unterhaltungsarbeiten. und Naturschützer über die Ziele und Planungen zur Un- Die Vergabe der Unterhaltungsarbeiten ist an den Nach- terhaltung der einzelnen Gewässer ist ein wichtiger Fak- weis einer entsprechenden Firmen-/Mitarbeiter-Qualifika- tor für die erfolgreiche Umsetzung von Maßnahmen. Die tion zu binden. Mittelfristig sollte eine Zertifizierung aller für den Austausch erforderliche Kommunikation sollte in der Gewässerunterhaltung tätigen Unternehmen erfol- von den Unterhaltungspflichtigen initiiert bzw. intensiviert gen. Der Unternehmer muss durch die innere Struktur werden. Gewässerschauen, Ortstermine und auch ein ei- seines Unternehmens sicherstellen, dass die Anforderun- gener Internetauftritt können Instrumente dafür sein. gen und Entscheidungen des Unterhaltungspflichtigen Es gilt, die gesellschaftliche Akzeptanz für die ver- eingehalten bzw. berücksichtigt werden. schiedenen Facetten der Gewässerunterhaltung zu ver-

58 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

bessern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die verschie- denen gesellschaftlichen Gruppen gerade auch in Bezug auf die Gewässer völlig unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen haben. Die unterhaltungspflichtigen Institutionen müssen ver- mitteln, wie der ordnungsgemäße Wasserabfluss unter Berücksichtigung der ökologischen Anforderungen ge- währleistet werden kann. Gleichzeitig ist darzustellen, wie die erforderliche Pflege und Entwicklung der Gewäs- ser im Sinne der Ökologie umgesetzt werden. Von Bedeutung ist dabei, dass die Unterhaltungs- pflichtigen bzw. die Verbände sich diesem Spannungs- feld stellen, die teilweise konträren Anforderungen aus- gleichen, diese zu einem ausgewogenen Kompromiss führen und dies vor allem auch öffentlich kommunizieren und dokumentieren.

59 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

9 Wasserabfluss und hydraulische Nachweise

Die hydraulischen Rahmenbedingungen für die Gewäs- Bewuchses usw.) benötigt, die oft nicht vorhanden sind serunterhaltung sind im Leitfaden Gewässerunterhaltung und deshalb zunächst aufwendig vor Ort ermittelt oder in Niedersachsen Teil A (WVT 2011) genannt worden. aber anhand von qualifizierten Annahmen festgelegt wer- Schon in den dortigen Ausführungen wird deutlich, dass den müssen. für die Vielzahl der Gewässerstrecken hydraulische Be- Neben der Gerinnegeometrie wirken als weitere we- rechnungen praktisch nicht durchführbar sind. sentliche Größen die Nutzungen im Überschwemmungs- Die hydraulische Bemessung von Fließgewässern ist gebiet sowie der veränderliche Einfluss der Vegetation ein komplexes Thema. In der Regel werden die Unterhal- auf die Leistungsfähigkeit eines Abflussquerschnittes. tungspflichtigen die hydraulischen Anforderungen bei Unter Verkrautung werden der Pflanzenbewuchs der Ge- entsprechender Qualifikation auf Grundlage eigener Er- wässersohle und der Gewässerböschung verstanden. fahrungen und der vorliegenden Randbedingungen im Die Einflüsse der Verkrautung auf den Wasserabfluss Gewässer bewerten, um daraus die erforderlichen Unter- und den Wasserstand sind komplex. Trotz der vielen haltungsmaßnahmen ableiten zu können. dazu in der Vergangenheit durchgeführten Untersuchun- Bei naturnahen Gewässern mit extensiv genutzten gen, gibt es wegen der komplexen Zusammenhänge bis Talräumen wird ein hydraulischer Nachweis meistens heute keine einfach handhabbaren Berechnungsverfah- nicht erforderlich sein. Sofern anthropogene Nutzungen ren mit sicheren Ergebnissen. beeinträchtigt werden können, wird es erforderlich, die Die auf der örtlichen und aufwendigen Eingangsda- Auswirkungen verschiedener Abflusszustände rechne- tenermittlung aufbauenden Berechnungsmethoden sind risch zu betrachten. Exakte Aussagen über die hydrauli- komplex und setzen den Einsatz von Computerprogram- sche Leistungsfähigkeit eines Fließgewässers, insbeson- men für die Lösung voraus. dere in Abhängigkeit von der Verkrautung, sind nur nach Welche Berechnungsverfahren zur Anwendung kom- der Durchführung genauer Abflussmessungen möglich. men, hängt auch von der verfügbaren Datengrundlage Da Abflussmessungen sehr aufwendig sind, können sie ab. Digitale 2- oder 3-dimensionale Modelle erreichen nur nur an ausgewählten Gewässerabschnitten durchgeführt dann bessere Ergebnisse, wenn dafür hinreichend ge- werden. naue Geometriedaten vorliegen und die variablen Ein- Der NLWKN betreibt im Rahmen seiner hoheitlichen gangsgrößen von qualifiziertem Fachpersonal ermittelt Aufgabe als Gewässerkundlicher Landesdienst ein Pe- und in den Programmen angewendet werden. gelnetz in Niedersachsen. Für ausgewählte Pegel kön- In der nachfolgend beispielhaft genannten Literatur nen stündlich aktualisierte Wasserstände unter: sind verschiedene Verfahren zur hydraulischen Berech- www.pegelonline.nlwkn.niedersachsen.de eingesehen nung dargestellt: werden. Die dabei gewonnenen Ergebnisse sind Grund- – BWK Merkblätter Teile 1 und 2 „Hydraulische Bemes- lage für die Lösung wasserwirtschaftlicher Fragestellun- sung von naturnahen Fließgewässern“, gen in größeren Einzugsgebieten. Sie sind für lokale Ent- – DVWK – Merkblatt 220, wässerungsfragestellungen jedoch in der Regel nicht de- – „Hydraulik naturnaher Fließgewässer Teile 1 bis 4“, tailscharf genug. Sie können aber durch Extrapolation LUBW (Baden – Württemberg). und Übertragungsfunktionen zur Lösung hydraulischer Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichun- Fragestellungen herangezogen werden. gen zur Gewässerhydraulik. Auf den besonderen Effekt Sind keine Abflusswerte verfügbar, so kann auf ver- der Veränderungen des Fließwiderstandes durch den Be- schiedene Lösungsansätze, unter anderem aus der Lite- wuchs der Gewässer mit Wasserpflanzen wird dabei ratur, zurückgegriffen werden. Dabei ist zu unterschei- aber nicht, oder nur am Rande, eingegangen. Eine von den, ob es sich um Gewässer mit naturnahen, also inho- der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg mogenen Strukturen handelt, oder um ausgebaute Ge- (LUBW 1993) durchgeführte Literaturstudie zeigt die wässer, welche im Längsverlauf eine weitgehend gleich- Probleme und die Vielfalt der Lösungsansätze. An der bleibende Geometrie aufweisen. Problematik der unzureichenden technisch-wissenschaft- Für die Berechnungsschritte wird eine Vielzahl an Pa- lichen Bearbeitung der Grundlagen für eine Übertragung rametern (Längsgefälle, Geometrie der Querschnitte, in die Praxis der Gewässerunterhaltung hat sich in den Einzugsgebietsgröße und -charakteristik, Oberflächen- letzten zwei Jahrzehnten nicht viel geändert, letztlich wassereinleitungen aus urbanen Bereichen, Umfang des auch weil die Unterhaltungspflichtigen durch den Einsatz

60 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

entsprechender Geräte den Wasserabfluss sichern konn- In erster Näherung ist es auch möglich, das Gefälle auf ten. Für die hydraulische Bewertung naturnah entwickel- Grundlage der Höhenlinien in den topographischen Kar- ter Gewässer oder eine veränderte Gewässerunterhal- ten abzugreifen. tung ist viel Erfahrungs- und Fachwissen zur Anwendung der Berechnungsverfahren erforderlich. 9.1.1.3 Gewässerquerschnitt Erst in den letzten Jahren ist die Wissenschaft wieder Für genaue hydraulische Berechnungen ist es erforder- stärker in die Untersuchung der hydraulischen Vorgänge lich, den Gewässerquerschnitt an jeder Stelle, an dem er im Zusammenhang mit dem Bewuchs in den Gewässern sich gegenüber den Nachbarquerschnitten verändert, eingestiegen, weil es für die naturnahe Entwicklung von aufzunehmen und zu berücksichtigen. Dies gilt neben Gewässern unerlässlich ist die Wirkung von Maßnahmen den eigentlichen Gewässerprofilen insbesondere für Bau- nachzuweisen. Dies betrifft sowohl die Nachweise in Zu- werke im und am Gewässer, wie z. B. für Brücken, sammenhang mit Genehmigungsverfahren, als auch Durchlässe und Wehre. Bei bauwerksarmen, überwie- Prognoseberechnungen für Zustände, die sich über gend gleichförmigen Gewässern bzw. Gewässerab- Jahre/Jahrzehnte einstellen. schnitten reicht es in vielen Fällen aus, mehrere reprä- In den folgenden Kapiteln werden zunächst die sentative Gewässerquerschnitte aufzunehmen und diese Grundlagen für die Eingangs- und Rechengrößen darge- für die Berechnung zu Mitteln, um so eine Berechnungs- stellt und zwei einfache Verfahren methodisch vorge- grundlage für einen einheitlich zu betrachtenden Gewäs- stellt. Das Kapitel 9.4 enthält Hinweise zur Anwendung serabschnitt zu erhalten. komplexer hydraulischer Nachweisverfahren. In der Regel werden, wenn nicht bereits Erfahrungs- 9.1.2 Wiederkehrintervalle werte ausreichen, Berechnungen mit einfachen Verfah- ren (Kapitel 9.2 oder 9.3) genügen und in vielen Fällen Für die hydraulische Bemessung von Fließgewässern ist für einen vereinfachten Nachweis des mindestens erfor- die korrekte Festlegung der Bemessungsabflüsse von derlichen Umfangs der abflusssichernden Maßnahmen entscheidender Bedeutung. Dazu sind zunächst die zu- ausreichen. grunde zu legenden Wiederkehrintervalle festzulegen und zu überprüfen. 9.1 Grundlagen und Eingangsgrößen Je geringwertiger die Wirtschaftsgüter und damit das Schadenpotenzial im Überschwemmungsgebiet sind, 9.1.1 Geometrische Daten desto häufiger wird man ein Ausufern des Gewässers zu- lassen können. Dies gilt besonders für den Bereich der 9.1.1.1 Geländemorphologie Landnutzung. Die Situationsgebundenheit der Grundstü- Für große Teile Niedersachsens liegen bereits digitale cke, insbesondere in der Gewässeraue, ist zu berück- Geländemodelle vor, die theoretisch der Berechnung der sichtigen. Hinsichtlich ihrer Anforderungen an die Flä- Abflüsse in den Gewässern zugrunde gelegt werden kön- chenentwässerung muss sich die Landnutzung an die nen. Meistens wird es auf dieser Grundlage, insbeson- vorhandene Wasserstands- und Abflusssituation der Vor- dere bei den kleineren Gewässern, wegen des unzu- fluter anpassen. Eine Intensivierung der Flächennutzung reichenden Detaillierungsgrades der digitalen Gelände- darf nicht dazu führen, dass größere Entwässerungstie- modelle im Bereich der eigentlichen Gewässer (Profil, fen oder eine größere Sicherheit vor Hochwasser durch Wassertiefe) jedoch nicht möglich sein, eine qualifizierte eine Intensivierung der abflusssichernden Maßnahmen Berechnung für das Gewässerprofil durchzuführen. Des- („Ausbau“ im Rahmen der Unterhaltung) gewährleistet halb sind trotz vorliegender digitaler Daten detaillierte werden sollen. Die erhöhten Risiken, die sich auf Grund Geländeaufnahmen mit Längs- und Querschnitten durch- einer Umstellung der Flächennutzung in der Aue (z. B. zuführen. Grünland zu Acker) ergeben, gehen allein zu Lasten der Flächennutzer. 9.1.1.2 Gefälle Insgesamt gilt es, unter Berücksichtigung der Eigen- Für die meisten hydraulischen Berechnungen wird man schaften des Gewässers und der berechtigten Nutzungs- davon ausgehen, dass das Wasserspiegelliniengefälle ansprüche, eine angemessene Ausuferungs-/Über- bei Mittelwasser dem mittleren Sohlgefälle entspricht. schwemmungssicherheit zu gewährleisten. Die Nutzun- Diese Eingangsgröße ist durch entsprechende Höhen- gen im Umfeld des Gewässers und in seiner Aue spielen aufnahmen relativ leicht, aber zeitaufwändig, zu ermit- somit bei der Wahl der Wiederkehrintervalle eine ent- teln. scheidende Rolle.

61 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Heute sind für die Festlegung der Bemessungsabflüsse Wenn höherwertige Nutzungen in der Aue oder in Über- der Gewässer und ihrer Überschwemmungsgebiete fol- schwemmungsgebieten etabliert werden sollen, muss in gende Wiederkehrintervalle üblich: der Bauleitplanung oder in den zugehörigen Genehmi- gungsverfahren eine Anpassung der Leistungsfähigkeit – Wald, Forst, extensives Grünland des Gewässers erfolgen. Dabei ist das Verschlechte- n = 1 bis 0,5 (1–2 Jahre), rungsverbot der EG-WRRL zu beachten. - Landwirtschaft, Intensivgrünland Die Unterhaltungspflichtigen sind grundsätzlich nur für n = 0,5 bis 0,2 (2–5 Jahre), die Erhaltung des Status quo der Vorflutsicherheit in Hin- - Landwirtschaft, Ackerbau blick auf den ordnungsgemäßen Abfluss zuständig, sie n = 0,2 bis 0,1 (5–10 Jahre), müssen ihre abflusssichernden Maßnahmen nicht an - Einzelgebäude, nicht dauernd genutzte Anlagen Nutzungsintensivierungen anpassen. n = 0,1 bis 0,02 (10-50 Jahre), Dabei müssen sie die Unterhaltung auch an die mete- - Siedlungsgebiete orologisch/hydrologischen Bedingungen und Änderungen n = 0,1 bis 0,01 (10–100 Jahre), anpassen, wenn sich zukünftig die Niedrigwasser- und - Industrieflächen Hochwasserabflüsse in den Gewässern witterungs-/kli- n = 0,1 bis 0,01 (10–100 Jahre), mabedingt verändern. - Straßen und Eisenbahnen Vor der Durchführung von hydraulischen Berechnun- n = 0,2 bis 0,005 (5–200 Jahre). gen ist es im Einzelfall sinnvoll, auf Grundlage der ggf. bestehenden Ausbaudaten auch eine Überprüfung der Die Spannweiten geben jeweils das mögliche/übliche angemessenen Überflutungssicherheit ebenso wie der Spektrum an. Bei der Festlegung der zugrunde zu legen- Ausuferungshäufigkeit vorzunehmen, um den hydrauli- den Wiederkehrintervalle sind die Risiken für die Gewäs- schen Berechnungen aktuelle Abflussdaten zugrunde le- ser/-abschnitte nach dem Wert und der Bedeutung der gen zu können. ggf. betroffenen Gebäude, Anlagen und Güter einzu- schätzen und festzulegen. Grundsätzlich gelten für ländli- 9.1.3 Abflüsse che Gebiete die unteren Werte, weil häufigere Über- schwemmungen/Ausuferungen zugelassen werden kön- Für den Unterhaltungspflichtigen sind die Abflüsse und nen. Für urban geprägte Bereiche sollten die Wieder- die Wasserspiegellagen bei Mittel- und Hochwasserab- kehrintervalle eher im oberen Bereich der angegebenen fluss maßgebend, oder aber der bordvolle Abfluss. Abzu- Spannen gewählt werden. Wenn ein noch höheres oder stellen ist dabei jeweils auf den konkreten Zuständig- geringeres Schutzerfordernis vorliegt oder die Randbe- keitsbereich des Unterhaltungspflichtigen. dingungen dies erfordern, kann von den genannten Wer- Die Randbedingungen und Anforderungen für den ten abgewichen werden. Weitere Hinweise zur Wahl der Hochwasserabfluss bzw. den bordvollen Abfluss sind be- Wiederkehrintervalle enthalten DIN EN 752 oder Muth reits im Leitfaden Gewässerunterhaltung in Niedersach- (1992). sen Teil A, Kapitel 4.3 (WVT 2011) dargestellt. Konkrete Teilweise wird das Schutzniveau in der Literatur auch Bemessungsabflüsse auf der Grundlage von langjährigen geringer, also mit größeren Überschwemmungshäufigkei- Pegelaufzeichnungen gibt es in der Regel nur für große ten, definiert. So weist die Broschüre Hochwasserschutz Fließgewässer. Für viele der kleineren Gewässer, die bei in Sachsen (SMUL 2007) als Richtwert für landwirtschaft- der Entwicklung im Rahmen der Gewässerunterhaltung liche Nutzflächen ein Wiederkehrintervall von 5 Jahren eine Rolle spielen, liegen meistens keine Abflussdaten aus, ohne nach Grünland- und Ackerflächen zu differen- aufgrund von Pegelbeobachtungen vor. zieren. Die niedersächsische Wasserwirtschaftsverwaltung In der Vergangenheit sind auch bei geringwertigen betreibt jedoch häufig temporäre Messstellen an kleine- Nutzungen teilweise selten vorkommende Ereignisse für ren Gewässern. Die Daten stehen auf Anfrage zur Verfü- die Ermittlung der zulässigen Ausuferung der Bemes- gung und können entsprechend ausgewertet werden. sungshochwässer herangezogen worden (z. B. n = 0,05 Durch geeignete Übertragungsfunktionen mit Pegeln, de- bei Ackernutzung). Bei Neubemessungen sollten eine ren Daten in der Vergangenheit über mehrere Jahrzehnte Überprüfung dieser Festlegungen erfolgen und realisti- erfasst worden sind, lässt sich über entsprechende Kor- sche Werte für die Wiederkehrinterwalle festgelegt wer- relationen eine Datengrundlage für die hydraulischen Be- den. rechnungen herstellen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Mittelwasserabflüsse.

62 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Die Unterhaltungspflichtigen sind jeweils nur für die Ab- 9.1.3.2 Bemessungsabfluss führung der gewöhnlichen Abflüsse zuständig. Für die Die Wasserspiegellagen beim Bemessungsabfluss sind Festlegung dieser Abflüsse gilt: entscheidend für dessen Auswirkungen auf das Gewäs- – Grundlage für in Planverfahren ausgebaute Gewässer ser und seine Aue, auf einmündende Gewässer und die sind die dem Ausbau zugrundeliegenden Abflüsse Wasserspiegellagen oberhalb des betrachteten Ab-

(HQX) oder der bordvolle Abfluss (Regelfall). schnitts. Welcher Abfluss maßgebend ist, muss aus den – Lagen dem Ausbau Bemessungsabflüsse zugrunde, örtlichen Verhältnissen und den ggf. bestehenden rechtli- die nach heutigen Maßstäben nicht (mehr) zutreffen, chen Festlegungen abgeleitet werden. kann eine Neuberechnung mit neuen Abflussdaten Wenn für die zu beherrschenden Abflüsse keine aus- unter Beachtung neu festgelegter, angemessener reichende Datengrundlage zur hydraulischen Bemessung Wiederkehrintervalle erfolgen. vorhanden ist, bieten sich hilfsweise verschiedene Ver- – Sofern sich die hydraulische Leistungsfähigkeit bei fahren zur Ermittlung wasserwirtschaftlicher Daten für bordvollem Abfluss zwischenzeitlich deutlich gegen- Abflüsse an. Dies sind zum Beispiel die Abflussspenden- über dem ursprünglich zugrunde gelegten Bemes- längsschnitte, die im Zusammenhang mit der wasserwirt- sungsabfluss erhöht hat, kann die Abflussleistung in schaftlichen Rahmenplanung in Niedersachsen in den geeigneter Weise auf das festgelegte Soll-Maß zu- 1980er Jahren erstellt wurden (z. B.: Wasserwirtschaftli- rückgeführt werden. cher Rahmenplan Obere Elbe MU 1983). Daneben gibt – Für nicht ausgebaute oder ohne förmliches Verfahren es in der Literatur verschiedene Verfahren zur Ermittlung ausgebaute Gewässer sind die Bemessungsabflüsse gebietsspezifischer Abflussspenden, z. B. nach Wundt nach den aktuell verfügbaren Abflussdaten für heute (1953). übliche Wiederkehrintervalle maßgebend. Geeignete Daten für Niedersachsen liefert auch die Die Unterhaltungspflicht bezieht sich nur auf die gewöhn- Veröffentlichung „Hochwasserbemessungswerte für die lichen Abflüsse und nicht auf die Freihaltung von Quer- Fließgewässer in Niedersachsen“ (NLÖ 2003). Sie gelten schnitten für außergewöhnliche Ereignisse und Hoch- zunächst für die statistisch zu erwartenden höchsten wässer. Die gewöhnlichen Abflüsse können sich aber Hochwässer, unabhängig von der Jahreszeit, die jedoch durch Abweichungen, die sich witterungs-/klimabedingt in der Regel im Winter und im Frühjahr auftreten. Die Da- ergeben, ändern. ten aus dieser Untersuchung sind an den konkreten An- Für eine Gewässerunterhaltung, die auch auf die jah- wendungsfall (Lage des betrachteten Gewässers im Ein- reszeitlich differierenden Abflüsse eingestellt ist, muss zugsgebiet, Topographie des Geländes, Veränderungen zwischen den maßgebenden Winter- und Sommerabflüs- im Einzugsgebiet in den letzten Jahrzehnten usw.) ggf. sen unterscheiden werden. mit Sicherheitsfaktoren anzupassen und für die erwarte- ten Hochwässer, getrennt für das Sommer- und Winter- 9.1.3.1 Mittelwasserabfluss halbjahr, zu bestimmen. Konkretere Werte lassen sich oft Der Wasserstand bei Mittelwasserabfluss (MW) ist ent- auch aus den Auswertungen benachbarter Pegel ablei- scheidend für die Entwässerung anliegender Nutzflächen ten. und für die Vorflut der einmündenden Gewässer (Leitfa- Bei der Festlegung von Bemessungsabflüssen wird den Gewässerunterhaltung in Niedersachsen Teil A, Ka- eine Abstimmung mit den örtlich zuständigen Stellen pitel 4.3 (WVT 2011)). empfohlen. Dies gilt auch für die im Zusammenhang mit Für die Entwässerungstiefe eines Gewässers/oder ei- der Ermittlung der Bemessungsabflüsse erforderliche nes Gewässerabschnitts bei Mittelwasser gilt der Status Festlegung der zugrunde liegenden Wiederkehrintervalle. quo, solange diese für angrenzende- und oberhalb lie- In den Unteren Wasserbehörden und den Dienststel- gende Nutzungen erforderlich ist. len der niedersächsischen Wasserwirtschaftsverwaltung Hinweise auf die langjährig vorhandene Wasserspie- können die dort tätigen Fachleute oft weitere Aussagen gellage ergeben sich aus den Uferstrukturen und dem zu den Abflussspenden der Gewässer in ihrem Zustän- meistens vorhandenen Bewuchs an der Mittelwasserlinie. digkeitsbereich machen. Weitere Anhaltspunkte können einmündende Gewässer Zusätzlich zur genannten Datengrundlage (NLÖ 2003) und Rohrleitungen sowie die Tiefenlage von Dränaus- gibt es teilweise auch regionalspezifische Untersuchun- mündungen sein. gen und Festlegungen, die bei den örtlich zuständigen Stellen (Untere Wasserbehörden, NLWKN) vorliegen. Diese Bemessungswerte sollten mit den Erkenntnissen der Unterhaltungspflichtigen abgeglichen werden.

63 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Die statistischen Auswertungen der Hochwässer der Ver- Bereits in den 1960er Jahren hat es umfassende Unter- gangenheit können die Auswirkungen der klimatischen suchungen zum Einfluss der Verkrautung in den Gewäs- Veränderungen der letzten Jahrzehnte nicht abbilden. sern auf die Abflussleistung gegeben (Kap. 9.2.2). Leider Dies gilt insbesondere für die Bestimmung der Abfluss- sind die wissenschaftlichen Untersuchungen nicht konse- werte von Sommerhochwasser, bei deren Nachweis we- quent fortgeführt und in empirisch-mathemalisch Modelle gen des Einflusses der Wasserpflanzen ggf. auch eine überführt worden. Erst im letzten Jahrzehnt wird wieder andere Rauheit anzusetzen ist. intensiver zum Einfluss des Bewuchses auf den Abfluss an verschiedenen Hochschulen geforscht, um Bemes- 9.1.4 Fließwiderstand sungsansätze/-verfahren zu entwickeln.

In Abhängigkeit von den verschiedenen Berechnungsver- 9.2 Diagramme zur Abflussermittlung fahren (Allgemeine Fließgleichung, Manning-Strickler usw.) gibt es verschiedene Ansätze für die Bestimmung Bearbeitung: Matthias Stöver der Rauheit eines Gewässerprofils. Es gibt Verfahren, in Grafiken stellen die einfachste Möglichkeit dar, um die die Rauheit als absolute Größe mit entsprechenden schnell zu qualitativen Aussagen über die Leistungsfähig- Einheiten (z. B. mm) eingeht. Dies gilt unter anderem für keit von Gewässerquerschnitten zu kommen. Darüber die allgemeine Fließformel. Bei Berechnungsverfahren, hinaus ermöglichen komplexere Diagramme auch die die auf empirischen Ansätzen beruhen, ist dies in der Re- quantitative Ermittlung von Abflüssen mit ausreichender gel nicht der Fall. Die teilweise mitgeführten Einheiten Genauigkeit. dienen dabei lediglich der mathematisch korrekten Abbil- dung der Formeln (z. B. Manning-Strickler). Für die unter- 9.2.1 Einfache Diagramme und Grafiken schiedlichen Berechnungsverfahren gibt es Tabellen- werke, in denen verschiedenen Gewässerstrukturen In Abbildung 27 sind die qualitativen Zusammenhänge (z. B. Sohl-/Böschungsstrukturen, Sand, Steine, Be- zwischen dem Wasserpflanzenanteil und der hydrauli- wuchs) entsprechende Beiwerte als tatsächliche Rauheit schen Leistungsfähigkeit exemplarisch für zwei Gewäs- oder empirisch ermittelte Beiwerte zugeordnet sind. ser dargestellt. In vielen Veröffentlichungen gibt es ver- Der hydraulische Fließwiderstand von Wasserpflan- gleichbare Beispiele, die aber meistens nicht für den zen und den Pflanzen auf den Gewässerböschungen ist quantitativen Einzelnachweis geeignet sind. Die Größen- nicht immer gleich, sondern von verschiedenen Randbe- ordnungen der Abflussveränderungen werden jedoch dingungen abhängig. Eine Rolle spielen insbesondere deutlich und lassen eine erste Einschätzung und die die Pflanzenart, der Umfang ihres Vorkommens im be- Übertragung auf Fließgewässer vergleichbarer Größen- trachteten Gewässer und ihr Verhalten bei unterschiedli- ordnung zu. chen Abflüssen/Fließgeschwindigkeiten. Qualitative Hinweise, die ein besseres Abschätzen der Einflussgrößen für die Rauheit und damit den Fließ- wiederstand ermöglichen können der einschlägigen Fachliteratur entnommen werden. Das Abschätzen der Rauheit für die jeweiligen Quer- schnitte und Fließzustände ist im Vergleich zum Ermitteln oder Abschätzen der anderen in die Berechnung einge- henden Faktoren mit den größten Unsicherheiten verbun- den. Entscheidend ist, dass die mit der Bemessung be- fassten Ingenieure bzw. Wissenschaftler die in der Natur gegebenen Größen qualifiziert ansprechen, um daraus Abbildung 27: Einfluss von Bewuchs auf den Abfluss im Gewäs- dann die entsprechende Rauheit bzw. Rauheitsbeiwerte ser ableiten zu können. Für die bei den Berechnungen relevanten Gerin- Aus der vorstehenden Grafik wird deutlich, dass der Ein- nerauhheiten können der Fachliteratur und den dort ab- fluss von Bewuchs, insbesondere von emersen und sub- gedruckten Tabellen die Beiwerte für die verschiedenen mersen Makrophyten, mit zunehmendem Querschnitt Bewuchsformen entnommen werden. (Breite und Tiefe) des Gewässers geringer wird. Die Ab-

64 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

flussleistung kleiner, nicht beschatteter Fließgewässer re- werden, inwieweit der tatsächliche Verkrautungszustand agiert bekanntlich besonders empfindlich auf Verkrau- des Gewässers mit dem definierten Verkrautungszustand tung. aus den Diagrammen übereinstimmt. Für die Einschät- zung dieses Zustandes sind die Erfahrungen des Gewäs- 9.2.2 Bemessung verkrauteter Gräben serunterhaltungspflichtigen unerlässlich. geringer Dimension nach Baitsch Zeigt sich bei der Auswertung, dass die Reduzierung und Rademacher der Abflussleistung im jeweiligen Gewässer nicht mehr tolerierbar ist, werden abflusssichernde Maßnahmen Bereits in den 1960er Jahren wurden umfassende Unter- (Mähen/Krauten) erforderlich. Aus einem weiteren Dia- suchungen zum Einfluss von Bewuchs im Gewässer auf gramm (Abbildung 29) kann in diesem Fall der Umfang das Abflussverhalten durchgeführt und ausgewertet. der abflusssichernden Maßnahmen und die damit einher- Im Hinblick auf die Ermittlung der hydraulischen Leis- gehende Erhöhung der Abflussleistung ermittelt werden. tungsfähigkeit von Fließgewässern kleinerer Dimension Die nachfolgend dargestellten Bemessungsdiagramme mit homogener Geometrie für die Landentwässerung sollten nur von qualifiziertem und erfahrenem Personal, werden nachfolgend die Ergebnisse und Verfahren nach das die Eingangsparameter korrekt einschätzen und die Baitsch (1972) zur „Hydraulische Bemessung von ver- Ergebnisse interpretieren kann, verwendet werden. krauteten Gräben geringer Dimensionen im landwirt- Die Darstellung in Abbildung 28 beruht auf Baitsch schaftlichen Bereich“ dargestellt. und Rademacher (1972). Auch wenn die Veröffentlichung Anhand umfangreicher Versuche wurden Diagramme dieser Arbeit schon sehr lange zurückliegt und die daraus (siehe Abbildung 28) zur einfachen Ermittlung der hyd- abgeleiteten Diagramme nicht den heute üblichen Com- raulischen Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit vom zeitlich putermodellen entsprechen, sind sie in der Praxis an- veränderlichen Verkrautungszustand von Fließgewäs- wendbar und führen zu realistischen Ergebnissen. Die sern entwickelt. Die Diagramme haben Gültigkeit für eine Erfahrungen und Einschätzungen der professionell täti- einheitliche Geometrie (z. B. Trapezprofil). Es stehen Dia- gen Unterhaltungspflichtigen bestätigen die Ergebnisse gramme für Profile mit einer Sohlbreite von 0,60 m bis der Veröffentlichung. 2,00 m und Böschungsneigungen von m = 1:1 bis 1:2 zur Die grundlegende Berechnungsmethode und alle Be- Verfügung. messungsdiagramme von Baitsch und Rademacher (1972) sind auch heute noch geeignet, hydraulische Fra- gestellungen im Zusammenhang mit der Verkrautung von

0,8 Spielraum S = 0,6 m 2,0 Gewässern zu bearbeiten. Dazu wird insbesondere auf 0,7 M = 1,5 0 L = 3,0 /00 die in Kapitel 3 (ab Seite 20) der Veröffentlichung von 0,6 1,5 Baitsch dargestellten „Versuche in offenen Entwässe- 0,5 Höchstverkrautet

0,4 rungsgräben geringer Dimension“ verwiesen. 1,0 Böschung gemäht 0,3 Sohle verkrautet Die längst vergriffene Veröffentlichung von Berthold Wassertiefe [m] Wassertiefe [m] 0,2 Sohle gekrautet 0,5 Baitsch und Hans Rademacher: „Hydraulische Bemes- Spielraum Sohlbreite (S) = 0,6 m Böschung nicht gemäht 0,1 Böschungsneigung (M) = 1:1,5 0 Unverkrautet sung von verkrauteten Gräben geringer Dimensionen im Gefälle (L) = 3,0 /00 Unverkrautet Höchstverkrautet Sohle gekrautet Böschung gemäht 0 600 0 100 200 300 400 500 700 02040 60 80 100 landwirtschaftlichen Bereich“ in Gewässerunterhaltung Abfluss [l/s] Abfluss [%] Teil IV des Kuratorium für Kulturbau, Verlag Wasser und

Abbildung 28: Zusammenhang zwischen Verkrautung und Ab- Boden (1972), wird auch heute noch bei vielen Verbän- flussminderung (Baitsch 1972, Verändert: U. A.N. 2015) den vorliegen. In ihr wird anschaulich gemacht, wie kom- plex die Zusammenhänge zwischen Bewuchs und Gerin- Die Diagramme stellen dabei nicht nur die qualitativen nehydraulik sind. Zusammenhänge dar, sondern die quantitative Auswir- kung des Bewuchses und sind eindeutig als Wert ables- 9.2.2.1 Bemessungsbeispiel bar. Zur Verdeutlichung der Berechnungsmethode und der Mit Hilfe dieser Diagramme kann für die oben genann- praktischen Anwendung wird auf der nächsten Seite ein ten einfachen Gewässerquerschnitte der Zeitpunkt und Beispiel aus Baitsch und Rademacher (1972) dargestellt. Umfang der Gewässermahd/-krautung bestimmt werden. Die für die Ergebnisfindung in den einzelnen Diagram- Im Umkehrschluss kann ermittelt werden bis zu welchen men notwendigen Hilfslinien und die daraus resultieren- Verkrautungsgrad eine sichere Abführung der Bemes- den Zwischenwerte sind zur Verdeutlichung in roter sungsabflüsse möglich ist. Dabei muss vor Ort geprüft Farbe gekennzeichnet.

65 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Abbildung 29: Bemessung nach Baitsch et al

66 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

9.2.2.2 Berechnungs-/Bemessungsablauf Die hydraulische Leistungsfähigkeit des Gewässers vor Ein nach Meliorationsplänen ausgebautes Gewässer mit Beginn der Pflanzenwachstumsperiode beträgt bei einer Trapezquerschnitt hat ein oberirdisches Einzugsgebiet Wassertiefe von 1,0 m also 1.014 l/s. Im Hinblick auf das von Aeo = 500 ha. Das Gewässer ist für eine maximale Bemessungshochwasser von HQmax= 750 l/s ist die hyd- Abflussspende im Hochwasserfall von 1,5 l/s x ha be- raulische Leistungsfähigkeit für das nicht verkrautete Ge- messen worden. Insofern beträgt die hydraulische Ab- wässer folglich gegeben. flussleistung des Gewässers BHQ = 1,5 [l/s x ha] x 500 Maßgebend für dieses Bemessungsbeispiel ist aber [ha] = 750 [l/s]. Im Rahmen der seinerzeit vorgenomme- der Abfluss für den verkrauteten Gewässerzustand, der nen hydraulischen Bemessung des Gewässers ist von ei- sich nach einer Frühjahrswachstumsperiode von z = 8 nem nicht verkrauteten Zustand der Gewässersohle und Wochen eingestellt hat. Insofern ist in den nächsten einem nur geringen Grasbewuchs der Böschungen aus- Schritten die Anwendung von zwei weiteren Diagrammen gegangen worden. notwendig, um weitere Zwischenwerte (φi;0;60 sowie Ψs

Im Rahmen einer Gewässerkontrolle wurde vom Un- und Ψm) zu bestimmen, aus denen letztendlich der limi- terhaltungspflichtigen festgestellt, dass mit Beginn der tierende „Verkrautungsfaktor (φ s;m)“ berechnet wird. Pflanzenwachstumsperiode im Frühjahr das Gewässer- 1 profil aufgrund nicht zu beeinflussender Randbedingun- 1 ;,ψ ; ψ gen bereits nach einem Zeitraum von 8 Wochen sehr stark bewachsen ist. Es stellt sich für den Unterhaltungs- Mit den Eingangsparametern tw= 1,00 m; z = 8 Wochen pflichtigen die Frage, ob dieser Zustand im Hinblick auf und J = 1,5 ‰ der Verkrautungsperiode „F“ folgt aus Dia- den ordnungsgemäßen Wasserabfluss noch toleriert wer- gramm F: den kann oder ob eine Mahd/Krautung des Gewässers notwendig ist. φi;0,60 = 0,53 (Zwischenwert für die Sohlenbreite bezogen

Es wird folglich die Abflussleistung (Q8) eines nach auf die Referenzsohlbreite von 0,60 m) Meliorationsplänen ausgebauten Gewässers mit Trapez- querschnitt nach einer Pflanzenwachstumsperiode im und mit den Eingangsparametern Sohlbreite S = 1,0 m;

Frühjahr von z = 8 Wochen gesucht. Die Böschungen m = 1,0 und tw= 1,00 m folgen aus Diagramm N: des Gewässers haben eine Neigung von m = 1,0 und die

Sohlbreite beträgt s = 1,0 m. Das Sohlgefälle beträgt J = Ψs = 1,102 (Zwischenwert „Verkrautungskoeffizient“ in

1,5 ‰. Der Wasserstand im Graben soll t w = 1,0 m nicht Abhängigkeit von der Sohlenbreite)

übersteigen, da es ansonsten zu Ausuferungen kommt Ψm = 0,98 (Zwischenwert „Verkrautungskoeffizient in Ab- und die Vorflut für die anliegenden Flächen und einmün- hängigkeit von der Böschungsneigung) dende Gräben/Gewässer nicht mehr gegeben ist.

somit folgt für φ s;m = (1 - ((1 - 0,53)/1,102)) x 0,98 = Die Werte für die folgenden mathematischen Bezie- 0,562  limitierender Verkrautungsfaktor. hungen werden in den folgenden Arbeitsschritten er- mittelt: Die reduzierte Abflussleistung beträgt bei einem Wasser-

Zunächst soll die Abflussleistung (Q0) des Gewässers vor stand im Gewässer von tw= 1,00 m folglich:

Beginn der Pflanzenwachstumsperiode ermittelt werden. Q8 = 1.014 l/s x 0,562 = 563,7 l/s

Q . ; / Mit der Abflussleistung Q8 = 563,7 l/s steht der erforderli- che Bemessungsabfluss von 750 l/s nicht mehr zur Ver- Mit den bekannten Eingangsparametern Sohlbreite S = fügung. Die Berechnung zeigt also in der Folge die Not- 1,0 m; max. Wassertiefe t w = 1,0 m, Böschungsneigung wendigkeit einer zumindest teilweisen Mahd (z. B. einsei- m = 1,0 und 0 – Verkrautung der Verkrautungsperiode F tige Böschungsmahd) des Gewässers zur Sicherstellung (F=Frühjahr) folgt aus dem Diagramm B: des ordnungsgemäßen Wasserabflusses auf.

(Q0/√J) - Zwischenwert: 26.000 [l/s x √J] Die Übertragung dieses Ergebnisses auf die praktische Ausführung der erforderlichen Unterhaltung sollte im mit J = 1,5 ‰ folgt √0,0015 = 0,039 Rahmen einer beobachtenden Unterhaltung in Teilschrit- Q0 = 26.000 x 0,039 = 1.014 l/s ten erfolgen, um die Gewässerbiozönose in den Som- mermonaten möglichst wenig zu beeinträchtigen.

67 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

9.3 Einfache Berechnungsverfahren zur Die GMS-Formel lautet: Abflussermittlung 0,5 2/3 Q = v * A = kst * IE * rhy * A (1) Für die Berechnung der Abflüsse bzw. Wasserstände in überschaubaren Gewässerabschnitten mit stationär- v : mittlere Fließgeschwindigkeit gleichförmigem Abfluss, die nur geringfüge Variationen kst : Strickler-Beiwert von Querschnitt, Verlauf, Bewuchs und Gefälle aufwei- IE : Energieliniengefälle sen, bieten sich die allgemeine Fließformel bzw. daraus rhy : hydraulischer Radius abgeleitete Verfahren an. Q : Abfluss im m³/s Komplexe Gewässerabschnitte mit großer Diversität A : Abflussquerschnitt im Gewässerquer-/Längsschnitt und ungleichförmigen Abfluss lassen sich jedoch mit diesen Verfahren nicht be- Eingangsparameter für die Berechnungsverfahren sind rechnen. die Geometriedaten des Gerinnes, das Gefälle der Was- serspiegellinie des Gewässers (entspricht Näherungs- 9.3.1 Verfahren nach Gaukler-Manning- weise dem Energieliniengefälle). Hinweise dazu finden Strickler sich in Kapitel 9.1.1. Die Rauheit des Gerinnes/Abflussprofils ist auf Basis Das Verfahren von Gaukler-Manning-Strickler (GMS-For- der örtlichen Aufnahme nach Erfahrungswerten unter Zu- mel) basiert auf der allgemeinen Fließformel. Sie stellt hilfenahme einschlägiger Tabellenwerke abzuschätzen eine relativ einfache Möglichkeit für die hydraulische Be- (Kap. 9.1.4). In der Fachliteratur ist die Rauheit nach rechnung von Gewässern dar. Dieses Verfahren ist in Strickler für unterschiedlich beschaffene Gerinne und un- Fachkreisen allgemein bekannt und in vielen Veröffentli- terschiedlichen Pflanzenbewuchs aufgeführt. Die Werte chungen dargestellt. für den Pflanzenbewuchs beziehen sich aber nicht auf Das GMS-Verfahren weist nur wenige Eingangspara- die typische Verkrautung von Gewässern, deshalb sind meter auf, so dass es sich auch für die Einzelfallberech- oft ergänzende hydraulische Abschätzungen und Unter- nung „von Hand“ eignet. Um den Einfluss der Wasser- suchungen sinnvoll. pflanzen im Gewässer zu berücksichtigen, muss der Be- Verschiedene Anwendungsbeispiele sind in „Hydraulik arbeiter aber ausreichende Erfahrungen in der Anwen- naturnaher Fließgewässer Teil 1“ (LUBW 2002) darge- dung und im Abschätzen der Eingangsparameter haben. stellt. Diese Beispiele bieten eine gute Orientierung für Die zugehörigen Daten lassen sich, wie im Kapitel 9.1 eigene Berechnungen. beschrieben, ermitteln bzw. den Tabellen der einschlägi- gen Fachliteratur entnehmen. 9.3.2 Verfahren nach Rau Der Verkrautungsanteil bzw. die sich daraus erge- bende Rauheit ist abzuschätzen. Dies ist der schwie- Das Verfahren nach Rau (2013) zur Berechnung des Ein- rigste und mit dem größten Fehlerrisiko behaftete Teil der flusses der Verkrautung auf den Wasserabfluss basiert Berechnungsverfahren. Deshalb kann es sinnvoll sein, auf der GSM-Formel, die um eine 2. Berechnungsschritt mehrere Berechnungen durchzuführen und dabei die ver- erweitert wurde. Dafür wird der Einfluss der Verkrautung schiedenen Parameter, die gewählt oder geschätzt wer- über deren Anteil an der Wasserfläche berücksichtigt. den müssen, sinnvoll zu variieren um abzuschätzen, wie Zunächst wird mit der GMS-Formel (1) für das Profil das hydraulische System reagiert. ohne Verkrautung Fließgeschwindigkeit und Abfluss be- Jede Berechnung mit Hilfe des abgeschätzten Krau- rechnet. Dabei ist der Strickler-Beiwert für das Profil ohne tanteils ist naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet. Die Verkrautung, also mit der „Grundrauheit“ des Gewässers, Fehlerquote kann deshalb leicht die Größenordnung von anzusetzen. 10 % erreichen oder überschreiten. Die hydraulischen In den weiteren Schritten wird dann die Froude-Zahl Nachweise sollten deshalb nur von erfahrenem und ent- (2) des Gerinnes und über einen modifizierten Manning- sprechend ausgebildetem Personal, das die Ergebnisse Koeffizienten (3) ein abgeminderter Strickler-Beiwert (4) interpretieren kann, ausgeführt werden. berechnet.

68 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

0,5 Fr = v / (g * A / b sp) (2) Damit ergibt sich dann über die GMS-Gleichung:

0,5 2/3 nc = n + 0,02 * K / Fr, mit n = 1 / k st (3) vneu = ksta* IE * rhy (5)

ksta = 1 / n c (4) Qneu = vneu* A (6)

Der Anteil der Verkrautung ist, bezogen auf die Wasser- Der damit nach Rau „Einführung in die Gerinnehydraulik“ oberfläche, vor Ort abzuschätzen/zu ermitteln. (2013) berechnete Zusammenhang zwischen dem Ver- krautungsanteil in Prozent der Wasseroberfläche und der Fr : Froude-Zahl Fließgeschwindigkeit bzw. dem Abfluss ist in der nach-

bsp : Wasserspiegelbreite (m) stehenden Grafik (Abbildung 30) exemplarisch für einen n : Manning-Koeffizient Trapezquerschnitt mit 1 m Sohlbreite, Böschungsneigun-

nc : Manning-Koeffizient, modifiziert gen von 1:2 und einer Tiefe von 1,0 m dargestellt (I = 1/3 K : Krautanteil (%) 1 %0, Kst = 30 m /s).

ksta : Strickler-Beiwert, abgemindert

0,90

Fließgeschwindigkeit (m/s) 0,80 Abfluss (m³/s) 0,70

0,60

0,50

0,40

Fließgeschwindigkeit/Abfluss 0,30

0,20

0,10

0,00

Krautanteil (bezogen auf Wasseroberfläche)

Abbildung 30: Fließgeschwindigkeit und Abfluss in Abhängigkeit von der Verkrautung (in % der Wasseroberfläche) nach Rau

69 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

9.4 Anwenderprogramme und 9.5 Smartphone App Modellgestützte Berechnungsverfahren Für Smartphone gibt es verschiedene Apps, mit denen Für die hydraulische Bemessung von Gewässern mit sich auf einfache Weise der Abfluss im Gewässer ermit- vielfältigen, kleinräumig differenzierten naturnahen bzw. teln lässt. Für erste qualitative Bewertungen und quanti- natürlichen Strukturen wird es oft erforderlich sein, Be- tative Abschätzungen können diese Apps hilfreich sein. rechnungen mit professionellen Programmen bzw. mit di- Ebenso wie bei der Verwendung der empirischen For- gitalen Modellen durchzuführen. Das Gleiche gilt für ge- meln in den einfachen Berechnungsverfahren (Kap. 9.3) gliederte Profile ebenso wie für den Nachweis von Hoch- ohne EDV ist auch hier Voraussetzung für die erfolgrei- wasserabflüssen, die ausufern und die gesamte Aue (das che und sinnvolle Anwendung, dass die Ergebnisse von Überschwemmungsgebiet) durchströmen. Derart auf- qualifiziertem und erfahrenem Personal interpretiert wer- wendige Verfahren sind für die ggf. erforderlichen Nach- den. Die Anwendung dieser Programme für quantitative weise, die im Zusammenhang mit der Gewässerunterhal- Aussagen bedürfen großer Erfahrung des Anwenders, tung und -entwicklung stehen, nur in seltenen Fällen er- weil nur sehr wenige Parameter eingegeben/gewählt/be- forderlich. rücksichtigt werden. Mit der Rauheit lässt sich, wie bei Die Anforderungen für diese Berechnungsverfahren den anderen Verfahren auch, der Anteil der Verkrautung werden in der Regel die Möglichkeiten (Vermessungsauf- theoretisch abbilden, die Berechnungsergebnisse bedür- wand, EDV-Programme) der Unterhaltungspflichtigen fen aber der Interpretation durch einen qualifizierten Nut- überschreiten, so dass qualifizierte Ingenieurbüros mit zer. den hydraulischen Berechnungen beauftragt werden Die Nutzer müssen ggf. testen, welche App für sie tat- müssen. sächlich in Betracht kommt. Für ANDROID-Smartphone Dafür ist es erforderlich, eindeutige Vorgaben zu ma- gibt es verschiedene Apps für die Berechnung offener chen, eine kontinuierliche Abstimmung des Modellauf- Gerinne. Besonders zu nennen ist die App FREDDY, sie baus zu gewährleisten, sowie die interpretationsbedürfti- wurde von Lukas Leis von der Fakultät für Bauingenieur- gen Parameter und Randbedingungen gemeinsam mit wesen der Hochschule für angewandte Wissenschaften dem beauftragten Ingenieurbüro und den Fachbehörden München für Smartphones mit Android-Betriebssystemen festzulegen. entwickelt und speziell für Tablets optimiert. Vergleichbar Es sollte vertraglich festgelegt werden, dass das Inge- ist die App Flow Calculator für offene Gerinne. Die App nieurbüro die verwendeten Eingangsdaten, Berech- unterstützt rechteckige, trapezförmige, dreieckige und nungsparameter, Berechnungsverfahren (eingesetzte runde Gerinneformen. Neben diesen beiden Apps gibt es Programme) und Zwischenergebnisse offenlegt und eine Vielzahl weiterer vergleichbarer Anwendungen für diese Daten auch digital übergibt. Damit stehen die Da- Android-Betriebssysteme. ten auch für spätere Anwendungsfälle zur Verfügung, so Die für das Betriebssystem IOS wurde von Reinhold dass die Daten ggf. auch von anderen Nutzern verwen- Meyer die App RiverFlow entwickelt. Diese sehr leicht det werden können. handhabbare App wird derzeit leider nicht mehr aktuali- Einen guten Einstieg in die Theorie und die praktische siert. Vorgehensweise bei diesen Berechnungsverfahren stellt die „Hydraulik naturnaher Fließgewässer“ (LUBW 2002) dar.

70 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

10 Zusammenfassung

eine veränderte Unterhaltung die Entwicklung im vor- 10.1 Theorie und Praxis handenen Profil anzustoßen. Gerade in unkritischen Bereichen kann nach dem Grundsatz von „Versuch In den vorstehenden Kapiteln, insbesondere den Kapi- und Irrtum“ gearbeitet werden. So können eigene Er- teln 6 und 7, wird deutlich, dass die Entscheidungs- fahrungen gesammelt oder vertieft und der Unterhal- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhal- tungsumfang maßvoll nachgesteuert werden, wenn tat- tung und damit auch bei der Entwicklung von Gewäs- sächlich Abflussprobleme auftreten. sern im Rahmen der Unterhaltung komplex sind. Dies Für die Bewältigung der Anforderungen, die sich zu- gilt sowohl für die rechtlichen und fachlichen Grundla- künftig durch die Auswirkungen des Klimawandels gen, als auch für die Entscheidung, die den eigentli- auch für die Gewässerunterhaltung ergeben können, chen Maßnahmen vorausgehen. ist vor allem das Erfahrungswissen der Unterhaltungs- Um die Grundlagen für die Entscheidungen zu pflichtigen gefragt. Deshalb müssen sich die Verbände schaffen, sind umfangreiche Untersuchungen und Vor- auch aktiv in die Diskussion um die bereits absehbaren ermittlungen durchzuführen und zu einem abgewoge- Anpassungsprozesse einbringen. nen Ergebnis zusammenzuführen. Um die Größe der Die im Leitfaden dargestellten Zusammenhänge möglicherweise vorhandenen hydraulischen Spiel- und Methoden lassen sich grundsätzlich auch auf die räume zu ermitteln, können komplizierte Berechnungen absehbaren Auswirkungen des Klimawandels auf das erforderlich werden. Abflussgeschehen in den Gewässern anwenden. Die Ziele und Entscheidungen, deren Umsetzung und Abläufe sollten in Unterhaltungsplänen dargestellt 10.2 Fazit werden, die Ergebnisse und Effekte der Unterhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen sind zu dokumentieren. Für die Gewässerentwicklung im Rahmen der Unter- In vielen Fällen wird dieser Aufwand jedoch nicht in haltung ist ein interdisziplinärer Ansatz erforderlich. Die vollem Umfang erforderlich sein, weil die Kenntnisse Herausforderung für die Fachleute in der Gewässerun- über die Gewässer, ihre hydraulischen Anforderungen terhaltung liegt in der Zusammenführung aller relevan- und Spielräume als Erfahrungswerte bei den Unterhal- ten Aspekte. tungspflichtigen bereits vorliegen, so dass dieses Wis- Die Unterhaltungspflichtigen sind verantwortlich für sen eine qualifizierte Entscheidung ermöglicht. In die- den Wasserabfluss und damit in letzter Instanz zustän- sen Fällen stellt dieser Leitfaden einen Rahmen dar, dig für die Entscheidungen, die im Zusammenhang mit um die vorliegenden Erfahrungswerte zu strukturieren. der Gewässerunterhaltung zu treffen sind. Das Handeln aus Erfahrung wird bei einer Vielzahl Bei Verbänden und Institutionen, die bereits Pra- von Gewässern, insbesondere der 3. Ordnung, deren xiserfahrungen mit der Gewässerentwicklung durch Querschnitte als reine Entwässerungsgräben oft aus Gewässerunterhaltung haben, wird der in diesem Leit- bautechnischen Gründen überdimensioniert sind, mög- faden dargestellte komplexe Ablauf der Entscheidungs- lich sein. Hier kann auf die oftmals aufwendige Abar- findung nicht immer in vollem Umfang angewandt wer- beitung der im Leitfaden dargelegten Vorgehensweise den müssen. verzichtet werden. Wo diese Kenntnisse in der Theorie und durch Er- Die weiteren umweltfachlichen Belange, insbeson- fahrung in der Praxis nicht vorliegen, ist der Leitfaden dere die des Natur- und Artenschutzes sind von ent- eine Handlungsanleitung für die Arbeit der Unterhal- scheidender Bedeutung für eine qualifizierte Gewäs- tungspflichtigen. Er dient dazu, den Wasserabfluss serunterhaltung. Sie sind zu berücksichtigen und in die rechtlich abgesichert zu gewährleisten und gleichzeitig Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Für die Be- die geforderte Pflege und Entwicklung der Gewässer rücksichtigung des Artenschutzes bildet der Leitfaden sicherzustellen. Artenschutz – Gewässerunterhaltung (NLWKN 2017, NLWKN 2019) eine gute Grundlage. Die dem Leitfaden auf den Seiten I – VIII beigefügte Für den Unterhaltungspflichtigen offenkundig vor- Kurzdarstellung soll allen Lesern eine grundlegende handene Spielräume sollten genutzt werden, um durch Orientierung ermöglichen.

71 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

11 Begriffsbestimmungen

abflusssichernde Maßnahmen: abflusssichernde Maß- Entwässerungsgraben: in Niedersachsen künstliches nahmen (ASM) umfassen alle Tätigkeiten am Ge- Gewässer 2. oder 3. Ordnung, das zum Zweck der wässer, die dazu dienen, die Funktion eines Ge- Flächenentwässerung hergestellt wurde (AWB) wässers für die Entwässerung sicherzustellen. Dazu gehören insbesondere Grundräumung, Krau- Entwicklung: siehe Kapitel 5.2 Leitfaden Gewässerun- tung, Entschlammung und Mahd terhaltung in Niedersachsen Teil A (WVT 2011) allochthon: nicht an Ort und Stelle entstanden, also von Erosion: Erosion ist die Umlagerung und der Abtransport außen in den Lebensraum eingetragen, biotopf- und damit der Kornverlust fast aller Fraktionen ei- remd, fremdbürtig nes Erdstoffes infolge der Einwirkung von Poren- wasserströmungen oder Oberflächenwasser; da anthropogen: (anthropos = griechisch: Mensch, genese die Erosion das tragende Korngerüst zerstört, führt = griechisch: Erzeugung/Erschaffung); vom Men- sie bei Verursachung durch Oberflächenwasser zu schen beeinflusst oder verursacht. Damit ist ein örtlichen Vertiefungen (z. B. Erosionsrinnen, Umwelteinfluss gemeint, der ohne den Menschen Kolke), bei Verursachung durch Porenwasserströ- in dieser Form nicht bewirkt worden wäre mung zu Erosionsrinnen oder zu Hohlräumen (meist röhrenförmig) im Bodeninnern und zu örtli- autochthon: im selben Lebensraum entstanden, boden- chen Verformungen des Untergrundes ständig, biotopeigen Fluss: Wasserlauf natürlicher Entstehung, Daumenwert: Anlandung: abflussbedingte Sedimentablagerung WSP >5 m Breite bzw. MQ >5 m³/s (vgl. Bach)

AWB: englisches Kürzel für Artificial Water Body – Be- Freibord: vertikale Entfernung zwischen einem Wasser- deutung: künstlicher Wasserkörper (sinngemäß ein spiegel und den Uferkronen/Böschungsoberkanten durch den Menschen hergestellter Graben oder eines Gerinnes Kanal) Geschiebe: Sand, Kiesel u. Gestein, die von einem Bach: kleiner, seichter Wasserlauf natürlicher Entste- Fließgewässer an der Sohle – nicht im Schwebe- hung (NWB/naturnah oder HMWB/ausgebaut ge- zustand – mitgeführt werden mäß EG-WRRL) mit allgemein beständigem, leicht turbulentem Durchfluss (selten sommertrocken), Gewässerräumung: die Reinigung, Räumung und Frei- Daumenwert: Wasserspiegel (WSP) bis 5 m Breite haltung des Gewässerbetts einschließlich seiner bzw. MQ bis 5 m³/s (vgl. Fluss) Ufer beinhaltet alle Arbeiten, die, zur Herstellung und Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Buhne: Bauwerk, vom Ufer eines Flusses aus quer zur Abflusses Material aus dem Gewässerprofil ent- Strömung errichtet zur Strömungslenkung und nehmen (Mahd, Krautung, etc.); dazu gehört auch Fahrwasservertiefung die Beseitigung von Auflandungen und punktuellen Abflusshindernissen; je nach Art und Umfang ist Berme: über das Mittelwasser ragende, gewässerparal- die Räumtätigkeit der Pflege oder der Entwicklung lele horizontale Ebene, oft unter Kreuzungsbau- zuzuordnen (vgl. Kapitel 4); gemäß § 77 Abs. 1 werken NWG haben Anlieger und Hinterlieger das Eineb- nen des Räumgutes auf ihren Grundstücken zu Detritus: Zerfallsprodukte pflanzlichen und tierischen Ur- dulden sprungs, abgestorbene organische Substanz als Grundlage der Nahrungskette im Fließgewässer emers: aus dem Wasser ragend (bezogen auf Gewäs- serflora)

72 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Grundräumung: die Grundräumung beinhaltet die Ent- Kolmation: Verstopfen des Porenraumes des Bodens fernung der auf der festen Gewässersohle aufge- (Filters) bzw. hier des Interstitials der Gewässer- landeten organischen und mineralischen Feinsedi- sohle durch Ein- bzw. Anlagerung von Feststoffen, mente und Schlamm mit dem Ziel der Wiederher- die durch eine Sickerströmung transportiert wer- stellung des ursprünglichen Gewässerprofils und den der Verbesserung des Abflusses; dabei Eingriff in die Wurzelhorizonte von Wasserpflanzen und Röh- Krautung: das Krauten umfasst den Schnitt der in der richt; soll nicht einhergehen mit einer wesentlichen Sohle und den Böschungsfüßen verwurzelten Ge- Vertiefung des Gewässerprofils (dann wäre es wässer- und Röhrichtvegetation (Mahd der emer- eine Ausbaumaßnahme); Grundräumungen wer- sen und submersen Pflanzen unter der Wasserli- den in der Regel nur auf Teilabschnitten durchge- nie) mit dem Ziel einer Verbesserung des Wasser- führt abflusses; dabei mäßiger Eingriff in die Wurzelhori- zonte durch Herausreißen von Pflanzen Graben (auch Entwässerungsgraben): kleiner, offener Wasserlauf künstlicher Entstehung (AWB gemäß Kulturstau: Wehranlage zur Regulierung der Wasser- EG-WRRL) in Boden oder Gestein für den Trans- stände im Gewässer und Wasserzufuhr für Nutz- port von Wasser bzw. für Flächenentwässerung flächen am Gewässer; heute meist nicht mehr ge- (oft sommertrocken), Daumenwert: WSP ≤ 5 m nutzt und verfallen; Wanderhindernis für Fische Breite (vgl. Kanal) und Kleinlebewesen im Gewässer

Gewässerordnung: nach dem Niedersächsischen Was- Limnofauna: Binnengewässer bewohnende mehrzellige sergesetz (NWG §§ 37 ff.) sind die Gewässer in 3 Tierarten Ordnungen eingeteilt; ein Gewässer 1., 2. oder 3. Ordnung liegt vor, lithophil: die Eiablage der Fische erfolgt auf kiesigen bis wenn Wasser ständig oder zeitweilig in einem Bett steinigen Substraten (Kieslaicher) fließt oder steht, es sei denn, es handelt sich dabei um einen Graben, der nicht dazu dient, die Grund- Mahd: die Mahd umfasst den Schnitt der Vegetation über stücke mehrerer Eigentümer zu entwässern (z. B. der Wasserlinie (Uferböschungen und Randstrei- Straßenseitengraben) fen) mit dem Ziel der Verhinderung des Aufkom- mens von Gehölzen und einer Entnahme des den Häcksler (auch Holzhacker): Scheibenrad- oder Trom- Abfluss behindernden Aufwuchses; bei fachge- mel-Messerwerk zum Zerkleinern von Astwerk rechter Durchführung ohne Eingriff in den Boden oder Holz und die Wurzelbereiche

HMWB: englisches Kürzel für Heavily Modified Water Mähkorb: an Auslegerarm montiertes Doppelmesser- Body – Bedeutung: erheblich veränderter Wasser- mähwerk, kombiniert mit einem Stahlfangkorb für körper (sinngemäß ein ausgebauter Bach oder das Kraut Fluss) Makrophyten: mehrzellige Wasserpflanzen (mit Interstitial: Sedimentlückensystem in der Gewässer- Sprossachse, Blatt und Wurzel), die mit dem blo- sohle, Porenraum im Kiesgefüge als Lebensraum ßen Auge erkennbar sind schwimmschwacher Fließgewässerfauna, wie Laich, Insektenlarven etc. Makrozoobenthos: in der bzw. auf der Gewässersohle lebende tierische Organismen, die mit dem bloßen Kanal: künstlich errichteter und gespeister Wasserlauf Auge erkennbar sind (z. B. Insektenlarven) oder Verkehrsweg (AWB gemäß EG-WRRL) z. B. für Schifffahrt, Be- oder Entwässerung; Daumen- wert: WSP ≥5 m Breite

Kolk: durch das Fließen des Wassers verursachte Ver- tiefung der Gewässersohle

73 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Naturnahe Gewässerunterhaltung: ist eine abwä- Reduziertes Gewässernetz: die Verordnung zum was- gende, die Natur schonende und an den Bedarf serrechtlichen Ordnungsrahmen (MU 2004) grenzt angepasste Gewässerunterhaltung (Vorflutsiche- anhand einer Mindestflächengröße des Einzugsge- rung, Pflege und Entwicklung); hier kann die Ge- bietes (AEo ≥10 km²) die Gruppe der Wasserkör- wässerunterhaltung entweder aus sich selbst her- per ein, für die eine Meldepflicht an die EU be- aus oder im Zusammenhang mit der Umsetzung steht; diese Gruppe der meldepflichtigen Wasser- von hydromorphologischen Maßnahmen, die Ver- körper wird als reduziertes Gewässernetz bezeich- besserung des ökologischen Zustandes eines Ge- net; die Gesamtheit der Wasserkörper einschließ- wässers positiv unterstützen und somit einen nicht lich derer mit einem Einzugsgebiet AEo<10 km² unerheblichen Beitrag für eine nachhaltige Ent- wird als erweitertes Gewässernetz bezeichnet; für wicklung der Gewässer liefern alle Wasserkörper, von den Gewässern 1. Ord- nung bis zu den Gewässern 3. Ordnung gilt das Neobiota (wasserwirtschaftlich bedeutsam): solche NWG mit den Inhalten der EG-WRRL vollumfäng- Arten, die ihren Verweilschwerpunkt im Wasser lich, auch wenn nur das reduzierte Gewässernetz und/oder Uferbereich haben, einen invasiven Cha- meldepflichtig ist; der teilweise verwendete Begriff rakter aufweisen und negative Auswirkungen auf „EU-relevantes Gewässernetz“, ist unzutreffend, menschliche Nutzungen, ökologische Funktionen wenn nur das reduzierte Gewässernetz beschrie- von Gewässern und/oder die menschliche Ge- ben werden soll; im reduzierten Gewässernetz sundheit entfalten sind auch die Oberläufe bzw. die Quellbereiche der Gewässer 3. Ordnung einbezogen, so dass Neophyten: invasive Pflanzenarten, die direkt oder indi- insbesondere hier die Tätigkeiten der jeweiligen rekt durch die Wirkung des Menschen in andere Unterhaltungspflichtigen unmittelbaren Einfluss auf Gebiete eingeführt worden sind und sich dort fest den zu meldenden Gewässerstatus haben etabliert haben (z. B. spätblühende Traubenkir- sche, Indisches Springkraut, Riesenbärenklau, Ja- Rehne (auch Uferrehne): im Laufe von Hochwässern panischer Staudenknöterich) (oder durch Räumgut) durch Ablagerung von Sedi- menten/Feststoffen entstandene Erhöhung der Neozoen: invasive Tierarten, die direkt oder indirekt Ufer am Gewässerrand durch die Wirkung des Menschen in andere Ge- biete eingeführt wurden und sich dort fest etabliert rheophil: (rheo = griechisch: fließen, phil = griechisch: haben (z. B. Bisam, Nutria, Waschbär, Wollhand- liebend); strömungsliebend; vorzugsweise in strö- krabbe) mendem Wasser lebend

NWB: englisches Kürzel für Natural Water Body – Be- Röhricht: emerse Pflanzenbestände unterschiedlicher deutung: natürlicher Wasserkörper (sinngemäß ein Artenzusammensetzung, die sich im Gegensatz zu naturnaher Bach oder Fluss) flutenden Wasserpflanzen (submers) mit ihrer Hauptmasse deutlich über den Wasserspiegel hin- Pflege: siehe Kapitel 5.1 Leitfaden Gewässerunterhal- ausheben; oft mit röhrigen Stängeln oder Luftkam- tung in Niedersachsen Teil A (WVT 2011) mern. oder auch: Phytobenthos: Bewuchs der Gewässersohle (Benthal), hochwüchsige, vorwiegend rohr- und krautartige hauptsächlich bestehend aus Algen flächenhafte Pflanzenbestände in/an Gewässern und auf nassen Böden; kennzeichnende und meist phytophil: die Eiablage der Fische erfolgt auf Pflanzen- dominierende Arten sind Schilf, Rohrglanzgras, material wie Makrophyten, Baumwurzeln, Äste Teichbinse, Rohrkolben, Igelkolben, Wasser- usw. (Krautlaicher) schwaden und Sumpfbinse

Räumung: s. Gewässerräumung Schlegelmäher: rotierende Welle mit pendelnden Mes- ser- oder Hammergliedern, Schnitthöhe mindes- tens 0,5 cm

74 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Schlegelmulcher (auch Schlegelhäcksler): wie Schle- submers: untergetaucht, unter Wasser lebend (bezogen gelmäher, jedoch Schnitthöhe mindestens 5 cm, auf Gewässerflora; vgl. emers und Röhricht); ei- stärkere Zerkleinerung und Verteilung des Schle- nige submerse Pflanzenarten der Fließgewässer gelguts haben eine große Bedeutung als Strukturelement und Habitat für die Fließgewässerfauna Schöpfwerk: Bauwerk zur Entwässerung von Flächen, die tide- oder wasserstandsbedingt keine dauer- Suffosion: als Suffosion wird das Umlagern bzw. Aus- hafte oder zeitweise Vorflut haben, durch Pumpen spülen von Feinanteilen eines Bodens durch Po- renwasserströmungen bezeichnet; das tragende Siel: Bauwerk zur Entwässerung von Flächen, die tide- Korngerüst wird dabei in seiner Struktur nicht ver- bedingt oder wasserstandsabhängig zeitweise ändert, jedoch erhöhen sich durch Suffosion die keine Vorflut haben Porenzahl [n] und der Durchlässigkeitsbeiwert [k] des Bodens Sinuosität: Längenentwicklung (L/λ), die das Verhältnis der tatsächlichen Gewässerlänge [L] zur Luftlinien- Ufer: ansteigende Böschung entlang eines Fließgewäs- länge [λ] zwischen zwei Stationen beschreibt (eine sers, linkes u. rechtes Ufer werden orografisch in Gerade hat ein L/λ=1, eine schlängelnde Linienfüh- Fließrichtung blickend definiert rung L/λ>1) Gewässerunterhaltung: die Gewässerunterhaltung um- Sohlschwelle: mit der Sohle bündige Schwelle quer zur fasst nach dem NWG neben der Sicherung des Fließrichtung ordnungsgemäßen Abflusses auch die Pflege und Entwicklung der Gewässer; der Oberbegriff Ge- Sohlabsturz: kurze Gewässerstrecke mit geneigter und wässerunterhaltung wird aber an vielen Stellen befestigter Sohle mit einem Gefälle steiler als 1:3 auch als Synonym für die verschiedensten Tätig- keiten am Gewässer verwendet; um in diesem Sohlrampe: kurze Gewässerstrecke mit geneigter und Leitfaden im Text klar zu unterscheiden, wird für befestigter Sohle mit einem Gefälle zwischen 1:3 die Tätigkeiten der Abflusssicherung der Terminus: und 1:10 „abflusssichernde Maßnahmen (ASM)“ eingeführt (siehe oben) Sohlgleite: kurze Gewässerstrecke mit geneigter und befestigter Sohle mit einem Gefälle zwischen 1:20 Wehr: Überlaufbauwerk zur Regelung des Wasserstan- und 1:30, gegebenenfalls auch flacher des gewässeraufwärts, lt. DIN 19700 Stauanlagen

Stationierung: Längeneinteilung der Fließgewässer- achse in Metern bzw. Kilometern, am besten ge- eignet ist ein Beginn an der Mündung (Station 0+000) mit aufsteigender Zählung gegen die Fließ- richtung; seltener erfolgt die Zählung in Fließrich- tung, z. B. bei Wasserstraßen

75 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

12 Literaturverzeichnis

ALTMÜLLER, R. (1999): Gewässerunterhaltung – eine LUBW (1993): Verkrautung von Fließgewässern – Eine Ursache für unnatürliche Sandfrachten in Tiefland- Literaturstudie. bächen. – In: DVWK & Gewässerdirektion Südl. Oberrhein/Hochrhein (Hrsg.): Unterhaltung und LUBW (2002): Hydraulik naturnaher Fließgewässer Teile Entwicklung von Flachlandgewässern. Tagungs- 1 und 2. band zum Workshop am 8. und 9. Juni 1999 in A- chern/Ortenaukreis: III/1 – III/19; Offenburg. [un- LUBW (2003): Hydraulik naturnaher Fließgewässer Teile veröffentlicht]. 3 und 4.

BAITSCH, Berthold und RADEMACHER, Hans (1972): MU – Niedersächsisches Umweltministerium (1983): „Gewässerunterhaltung Teil IV – Hydraulische Be- Wasserwirtschaftlicher Rahmenplan Obere Elbe; messung von verkrauteten Gräben geringer Di- Hannover. mensionen im landwirtschaftlichen Bereich“. Kura- torium für Kulturbau, Verlag Wasser und Boden“. MUTH, W. (1992): Hochwasserrückhaltebecken, Pla- nung, Bau und Betrieb. BARDOWICKS, N., NICKEL, S., PINZ, K., GADE R. (2017): Konzentrieren und Kümmern – die Gewäs- NLÖ (2003): Hochwasserbemessungswerte für die Fließ- serallianz Niedersachsen, Wasser und Abfall gewässer in Niedersachsen; Niedersächsisches 5/2017, S. 36-40. Landesamt für Ökologie (jetzt NLWKN), Hildes- heim April 2003. BWK - Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfall- wirtschaft und Kulturbau e.V.: BWK-Merkblätter M1 NLWKN – Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasser- Teil 1 (2009) „Hydraulische Bemessung von natur- wirtschaft, Küsten und Naturschutz (2001): Fließ- nahen Fließgewässern“. gewässerlandschaften (s. Kapitel 3.3).

DVWK – Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und NLWKN (2008a): Wasserrahmenrichtlinie Band 2 – Leit- Kulturbau e.V. (1984): Ökologische Aspekte bei faden Maßnahmenplanung Oberflächengewässer Ausbau und Unterhaltung von Fließgewässern. – Teil A: Fließgewässer-Hydromorphologie; 160 S. + Anlage; Norden. DVWK (Hrsg.) (1991): Hydraulische Berechnung von Fließgewässern, Merkblätter, Heft 220/1991; Ham- NLWKN (2008b): Verzeichnis der in Niedersachsen be- burg und Berlin. sonders oder streng geschützten Arten – Teil A: Wirbeltiere, Pflanzen und Pilze. – Informations- DWA (2010a): Merkblatt DWA-M 610: Neue Wege der dienst Naturschutz Niedersachsen 28 (3); Hanno- Gewässerunterhaltung: Pflege und Entwicklung ver. von Fließgewässern; Hennef. NLWKN (2008c): Verzeichnis der in Niedersachsen be- DWA (2019) - Deutsche Vereinigung für Wasserwirt- sonders oder streng geschützten Arten – Teil B: schaft, Abwasser und Abfall e.V.: Merkblatter M Wirbellose Tiere. – Informationsdienst Naturschutz 626-1 und M 626-2 Neobiota – Auswirkungen und Niedersachsen 28 (4); Hannover. Umgang mit wasserwirtschaftlich bedeutsamen ge- bietsfremden Tier- und Pflanzenarten Teil 1 Grund- NLWKN (2010): Gesetzlich geschützte Biotope und lagen und Teil 2 Artensteckbriefe; Hennef. Landschaftsbestandteile in Niedersachsen. – Infor- mationsdienst Naturschutz Niedersachsen 30 (3); HENNING, J. et al (2013): Masterprojekt: Die Verbreitung Hannover. des Erlensterbens an niedersächsischen Fließge- wässern und mögliche Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Phytophthora alni.

76 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

NLWKN (2014): Gewässerüberwachungssystem Nieder- STILLER, Gabriele et al (2016): Biologische Erfolgskon- sachsen (GÜN), Nährstoffe in niedersächsischen trolle Gewässerunterhaltung, Wasser und Abfall Oberflächengewässern – Stickstoff und Phosphor 3/2016, S. 48-54. – NLWKN, Oberirdische Gewässer Band 35. RAU, Christoph (2013): Einführung in die Gerinnehydrau- NLWKN (2016): Gewässerallianz Niedersachsen – Infor- lik, Vortrag am 28.01.2013, Hrsg.: WVT Wasser- mationsdienst Naturschutz Niedersachsen 30 (3); verbandstag e.V. Bremen | Niedersachen | Sach- Hannover. sen-Anhalt.

NLWKN (2017): Leitfaden Artenschutz – Gewässerunter- U. A.N. (Kommunale Umweltaktion Niedersachsen) & haltung, Niedersächsisches Ministerialblatt Nr. WVT (Wasserverbandstag) (2015): Fachplaner 27/2017; Hannover. 2015 – Gewässerunterhaltung 3. Ordnung; Hanno- ver. NLWKN (2019): Leitfaden Artenschutz – Gewässerunter- haltung, 2. aktualisierte Fassung; Hannover (Ent- WVT – Wasserverbandstag e.V. Bremen, Niedersachen, wurf). Sachsen-Anhalt (Hrsg.) (2011): Gewässerunterhal- tung in Niedersachsen Teil: A; Hannover. SCHEER, Carsten und PANCKOW, Nikolai (2011): Stu- die zur Sandbelastung der Fließgewässer in Nie- WVT (Hrsg.) (2013): Handreichung Gewässerunterhal- dersachsen, Hrsg. NLWKN Betriebsstelle Lüne- tung; Hannover. burg. WUNDT, W. (1953): Gewässerkunde, Berlin/Göttin- SMUL - Sächsisches Ministerium für Umwelt und Land- gen/Heidelberg. wirtschaft (2007): Hochwasserschutz in Sachsen – Die sächsische Hochwasserschutzstrategie; Dres- den.

STILLER, Gabriele (2014): Untersuchungen zur Wirkung einer schonenden Gewässerunterhaltung auf die Zusammensetzung und Vielfalt der Fließgewässer- vegetation und der Wirbellosenfauna, für den Lan- desverband der Wasser- und Bodenverbände Schleswig-Holstein; Hamburg.

77 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

13 Weiterführende Literatur

ATV-DVWK – Deutsche Vereinigung für Wasserwirt- EG-WRRL – EG-Wasserrahmenrichtlinie, Richtlinie schaft, Abwasser und Abfall e.V. (2001): Aktuelle 86/280 EWG (2000/60/EG) des Europäischen Par- Hinweise zur Unterhaltung von Fließgewässern im lamentes und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Flachland. – 31 S.; Hennef. Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnah- men der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpoli- BARDOWICKS et al (2017): Konzentrieren und Küm- tik. mern – die Gewässerallianz Niedersachsen. Was- ser und Abfall 5/2017, S. 36-40. EU-HWRM-RL – Hochwasserrisikomanagementrichtlinie, Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parla- BAYR. LANDESAMT F. WASSERWIRTSCHAFT U. mentes und des Rates vom 23. Oktober 2007 über LANDESFISCHEREIVERBAND BAYERN e. V. die Bewertung und das Management von Hoch- (2005): Totholz bringt Leben in Flüsse und Bäche. wasserrisiken.

BWK - Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfall- FELKEL, K. (1960): Gemessene Abflüsse in Gerinnen wirtschaft und Kulturbau e.V. (2009): Merkblatt M1, mit Weidenbewuchs, Bundesanstalt für Wasserbau Hydraulische Berechnung von naturnahen Fließge- (BAW) Mitteilungen Nr. 15, Kap. 4, S. 34 – 54. wässern, Teil 1: Stationäre Berechnung der Was- serspiegellinie unter besonderer Berücksichtigung FHH - FREIE UND HANSESTADT HAMBURG (2013): von Bewuchs- und Bauwerkseinflüssen', 3. Auf- Wasserpflanzensteckbriefe, Wasserpflanzen in lage. Hamburg erkennen und bewerten, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Hamburg. BWK - (2000): Berichte 1/2000: Hydraulische Berech- nung von naturnahen Fließgewässern, Düsseldorf. GEBLER, R.-J. (2005): Entwicklung naturnaher Bäche und Flüsse – Maßnahmen zur Strukturverbesse- DVWK - Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und rung; Verlag Wasser und Umwelt; 79. S.; Walz- Kulturbau e.V. (xxx): DVWK-Merkblatt 204, Fach- bachtal; ISBN 978-3-939137-01-6. ausschuss: ”Unterhaltung und Ausbau von Gewäs- sern”; 187 S.; Bonn. GILS, H. (1962): Die wechselnde Abflusshemmung in verkrauteten Gewässern, Deutsche Gewässer- DWA (2010b): Merkblatt DWA-M 1001: Anforderungen kundliche Mitteilungen, Jg. 6, H. 5, Koblenz. an die Qualifikation und Organisation von Gewäs- serunterhaltungspflichtigen, Hennef. KERN, K. (1994): Grundlagen naturnaher Gewässerge- staltung – geomorphologische Entwicklung von DWA (2012): Merkblatt DWA-M 552: Ermittlung von Fließgewässern. – Springer Verlag. Hochwasserwahrscheinlichkeiten, Hennef. HAUPT, REFFKEN, RHODE: Kommentar zum Nieder- DWA (2014): Merkblatt „Wasserwirtschaftlich bedeut- sächsischen Wassergesetz (laufend fortgeführte same Neobiota“ (Arbeitstitel, Gelbdruck voraus- Sammlung), Kommunal- und Schulbuch-Verlag; sichtlich 2014), Hennef. Wiesbaden.

EDMUND-SIEMERS-STIFTUNG (Hrsg.) (2001): Pflanzen JÜRGING, P., PATT, H. (2004): Fließgewässer- und Au- und ihre Bedeutung für Fließgewässer – Pra- enentwicklung – Grundlagen und Erfahrungen. xistipps; Broschüre; 53 S.; Hamburg. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg.

LANU – Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.) (1999): Neunaugen und Fische der schleswig-holsteinischen Fließgewäs- ser, Broschüre; 38 S.; Flintbek.

78 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

LAWA – Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (Hrsg.) RICKERT, K. (1986): Der Einfluss von Gehölz auf die (2003): Fragen der Gewässerunterhaltung bei der Lichtverhältnisse und das Abflussverhalten in Umsetzung der WRRL. Fließgewässern. Dissertation. Mitteilungen des In- stituts für Wasserwirtschaft, Hydrologie und land- LAWA (Hrsg.) (2008): Standardisierter Maßnahmenkata- wirtschaftlichen Wasserbau. Universität Hannover log der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser 1986, Heft 61. (LAWA) zu den WRRL-Maßnahmenprogrammen. SÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR UMWELT UND LAWA (Hrsg.) (2009): Gewässerentwicklung – Ziele und LANDWIRTSCHAFT (SMUL): Hochwasserschutz Strategien – Kulturbuch-Verlag, Berlin. in Sachsen, Dresden März 2007

LFW RP - Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland- TENT, LUDWIG (2002): Bessere Bäche – Praxistipps – Pfalz (Hrsg.) (2003): Erreichbare Ziele in der Ge- Bereits geringer Aufwand bringt große Erfolge für wässerentwicklung - Ein Beispielkatalog für die ge- den Lebensraum. –In: Edmund Siemers-Stiftung & wässerunterhaltungspflichtigen Kreise, Städte und Hanseatische Natur- und Umweltinitiative Ham- Verbandsgemeinden (Aktion Blau); 114 S.; Mainz. burg (Hrsg.) – Ad fontes Verlag, (Hrsg.). – 68 S.; Hamburg, ISBN 3-932681-3. LFW/LFV BAYERN– Bayerisches Landesamt für Was- serwirtschaft (Hrsg.) und Landesfischereiverband TSCHÖPE, Manfred (Hrsg.) (2006): Infofibel zur nachhal- Bayern e. V. (2005): Totholz bringt Leben in Flüsse tigen Gewässerentwicklung – Gewässerunterhal- und Bäche. – 48 S.; München. tung als Querschnittsaufgabe für Ökologie/Lebens- raum, Ökonomie/Vorflutsicherung, Soziales/Erho- MADSEN, B. L., TENT, L. (2000): Lebendige Bäche und lungsraum/Standortqualität/Kulturraum, Broschüre; Flüsse – Praxistipps zur Gewässerunterhaltung 38 S.; Hamburg. und Revitalisierung von Tieflandgewässern. – 156 S.; Hamburg.

MU – Niedersächsisches Umweltministerium (2004): Nds. Verordnung zum wasserrechtlichen Ord- nungsrahmen. – Nds. Gesetz- und Verordnungs- blatt Nr. 21 vom 03. August 2004; Hannover.

NLWKN - Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasser- wirtschaft, Küsten und Naturschutz (2007): Was- serrahmenrichtlinie Band 1 – Wichtige Wasserbe- wirtschaftungsfragen in Niedersachsen und Bre- men für die Einzugsgebiete von Elbe, Weser, Ems und Vechte/Rhein; 34 S.; Norden.

NLWKN (2011): Wasserrahmenrichtlinie Band 7 – Leitfa- den Maßnahmenplanung Oberflächengewässer – Teil D: Strategien und Vorgehensweisen zum Er- reichen der Bewirtschaftungsziele an Fließgewäs- sern in Niedersachsen; 108 S.; Norden.

PILOTPROJEKT MARSCHGEWÄSSER (2005-2008), www.marschgewaesser.de

79 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

80 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Anhänge

81 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

82

Gewässerunterhaltung in Niedersachsen Niedersachsen in Gewässerunterhaltung Anhang 1: Gefährdungsgrad, Schutzstatus sowie Laich- und Larvalzeiten von im Zusammenhang mit der Gewässerunterhaltung kleiner Fließgewässer besonders relevanten Fischarten, Neunaugen und Krebsen

wissenschaftlicher FFH-RL Rote Liste Rote Liste Artenschutz Artname BArtSchV Lebensraum Laichsubstrat X XI XII I II III IV V VI VII VIII IX Name Anhang Niedersachsen Deutschland Niedersachsen v. Aussterben v. Aussterben Lachs Salmo salar II, V höchstprioritär Fluss, Bach Kies, Steine bedroht bedroht stark Meerforelle Salmo trutta (anadrom) höchstprioritär Fluss, Bach Kies, Steine gefährdet Bachforelle Salmo trutta Vorwarnliste zu beobachten Fluss, Bach Kies, Steine

Groppe Cottus gobio II Vorwarnliste prioritär Fluss, Bach Höhlenlaicher* besonders Bachneunauge* Lampetra planeri II Vorwarnliste prioritär Fluss, Bach Kies geschützt

besonders – Flussneunauge* Lampetra fluviatilis II, V gefährdet gefährdet höchstprioritär Fluss, Bach Kies geschützt TeilB: besonders stark Meerneunauge* Petromyzon marinus II Vorwarnliste höchstprioritär Fluss, Bach Kies, Steine geschützt gefährdet

stark Gewässerunterhaltung inder Umsetzungsprozesse und Entscheidungs- Elritze Phoxinus phoxinus prioritär Fluss, Bach Kies gefährdet Schmerle Barbatula barbatula ungefährdet zu beobachten Fluss, Bach Sand

Quappe Lota lota gefährdet Vorwarnliste prioritär Fluss, Bach Freiwasser stark stark Äsche Thymallus thymallus V höchstprioritär Fluss Kies gefährdet gefährdet Barbe Barbus barbus V gefährdet prioritär Fluss Kies

Hecht Esox lucius Vorwarnliste zu beobachten Fluss, Graben Pflanzen

Steinbeißer* Cobitis taenia II Vorwarnliste prioritär Fluss, Graben Pflanzen

Bitterling Rhodeus amarus II gefährdet höchstprioritär Fluss, Graben Großmuscheln

Moderlieschen Leucaspius delineatus Vorwarnliste Vorwarnliste zu beobachten Graben Pflanzenstengel

Schleie Tinca tinca gefährdet zu beobachten Graben Pflanzen v. Aussterben stark Karausche Carassius carassius höchstprioritär Graben Pflanzen bedroht gefährdet stark stark Schlammpeitzger* Misgurnus fossilis II höchstprioritär Graben Pflanzen gefährdet gefährdet streng v. Aussterben v. Aussterben Edelkrebs Astacus astacus V prioritär Fluss, Bach 1) 2) 3) geschützt bedroht bedroht

Artnamen: * = Larven (Querder) oder Fische ganzjährig eingegraben in Feinsedimenten lebend. FFH-RL: Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. BArtSchV: Anlage 1 zu § 1 Bundesartenschutzverordnung vom 16. Februar 2005 (BGBl. I S. 258, 896). Rote Liste Niedersachsen: LAVES, Dezernat Binnenfischerei, Stand Juli 2018 (in Bearbeitung). Rote Liste Deutschland: Freyhof, J. (2009): Rote Liste der im Süßwasser reproduzierenden Neunaugen und Fische (Cyclostomata & Pisces) - Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 291-316 (Bundesamt für Naturschutz). Artenschutz Niedersachsen: Vollzugshinweise für Arten und Lebensraumtypen - Teile 1 bis 3 im Zusammenhang mit der niedersächsischen Strategie zum Arten- und Biotopschutz.

Lebensraum: = sommerkühle Flüsse und Bäche, = temperaturindifferent, = sommerwarme Niederungsgewässer und Entwässerungsgräben. Laichsubstrat: * = unter Steinen oder Holz.

83 Monatsspalten: = Hauptlaichzeit, = Laichperiode, = sensible Larvalphasen in Sediment oder Pflanzen, = ganzjähriger Aufenthalt im Sediment. Edelkrebs: 1) = Begattung, 2) = Schlupf, 3) Trennung von Mutterkrebs. (Bearbeitung: Lutz Meyer, LAVES, Dezernat Binnenfischerei, Tel.: 0511/28897-906; [email protected], Sachstand 18.07.2018)

Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Anhang 2: Empfehlungen für den Umgang mit Wasser- und Uferpflanzen

Pflanzenart Reaktion auf Krautung/Mahd Bedeutung für die Fließgewässerökologie

Indisches Springkraut zur Blüte oder kurz danach geschnitten bildet dominante Bestände, die zum Jahresende (Neophyt) wächst es kaum noch nach absterben und keine durchwurzelte Bodenober- fläche hinterlassen

Japanischer Knöterich Mahd möglichst im Frühjahr, Schnittreste sehr negative Auswirkungen auf die einheimi- (Neophyt) unbedingt entsorgen, da Pflanzenteile Aus- sche Ufervegetation aufgrund der invasiven Ei- triebe bilden genschaften (Bildung von dominanten Bestän- den)

Herkulesstaude trotz intensiver Mahd nur geringe Erfolge sehr negative Auswirkungen auf die einheimi- (Neophyt) bei der Reduzierung; besser ist Ausgraben sche Ufervegetation aufgrund der invasiven Ei- oder Herbizideinsatz genschaften (Bildung von dominanten Bestän- den)

Wasserpest schnell nachwachsend, „Stecklingsvermeh- durch Schattendruck und turbulente Strömung (Neophyt) rung“, daher Kraut entnehmen beherrschbar, nicht heimisch, ökologisch ge- ringe Bedeutung

Einfacher Igelkolben sehr konkurrenzstark, Mahd fördert seine bedeutsam als Lebensraum, Mahd auf Mittel- Verbreitung rinne beschränken, um es nicht unnötig zu för- dern; Schatten- und Strömungsdruck erzeugen

Ästiger Igelkolben starke Förderung durch Mahd, sehr domi- bedeutsam als Lebensraum, Mahd auf Mittel- nant (Gefahr von „Monokulturen“) rinne beschränken, um es nicht unnötig zu för- dern; Schatten- und Strömungsdruck erzeugen

Schwimmendes Laich- zur Blüte oder danach geschnitten wächst kann helfen, Fadenalgen zu unterdrücken kraut es kaum noch nach

Krauses Laichkraut intensive Mahd lässt es weitgehend ver- kann helfen, Fadenalgen zu unterdrücken, wird schwinden aber bei Mahddruck durch Igelkolben ersetzt, daher schonen.

Kammförmiges Laich- Wachstumszonen an der Pflanzenspitze, aufgrund seiner Bedeutung als Lebensraum nur kraut daher schnittempfindlich Mittelrinne freischneiden

Wasserhahnenfuß Krautung vor der Blüte fördert, Krautung hohe Bedeutung als vielfältiger Fließgewässer- nach der Blüte reduziert Pflanzenmasse lebensraum, Strömungslenker

Wasserstern bildet Polster, die die Strömung gut lenken, sehr hohe Bedeutung als vielfältiger Fließge- reagiert sehr empfindlich auf Krautung wässerlebensraum, Strömungslenker, nur Krauten, wenn unbedingt erforderlich

Schmalblättriger Merk reagiert empfindlich auf frühe Krautung (bis hohe Bedeutung, Laichplatz, Lebensraum für Frühsommer), zum Sommer Wuchs stark Wirbellose, Strömungslenker, nachlassend wegen der ökol. Bedeutung möglichst spät krau- ten

Flutender Schwaden Förderung durch Krautung vor der Blüte Mahd erst nach der Blüte

Großer Schwaden toleriert Mahd, sein hoher Wuchs hilft bei Mahd nur bei starker Einengung erforderlich der Beschattung

84 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Pflanzenart Reaktion auf Krautung/Mahd Bedeutung für die Fließgewässerökologie

Indisches Springkraut zur Blüte oder kurz danach geschnitten bildet dominante Bestände, die zum Jahresende (Neophyt) wächst es kaum noch nach absterben und keine durchwurzelte Bodenober- fläche hinterlassen

Japanischer Knöterich Mahd möglichst im Frühjahr, Schnittreste sehr negative Auswirkungen auf die einheimi- (Neophyt) unbedingt entsorgen, da Pflanzenteile Aus- sche Ufervegetation aufgrund der invasiven Ei- triebe bilden genschaften (Bildung von dominanten Bestän- den)

Herkulesstaude trotz intensiver Mahd nur geringe Erfolge sehr negative Auswirkungen auf die einheimi- (Neophyt) bei der Reduzierung; besser ist Ausgraben sche Ufervegetation aufgrund der invasiven Ei- oder Herbizideinsatz genschaften (Bildung von dominanten Bestän- den)

Rohrglanzgras toleriert Mahd Uferschutz und Schattendruck machen Mahd meist unnötig

Schilfrohr leidet unter der Mahd, solange es noch hohe Bedeutung als Uferschutz, bei dominanten grün ist sowie bei Unterwasserschnitt Beständen in kleineren Gewässern löst es eine höhere Intensität der Gewässerunterhaltung aus

Gewöhnliches regeneriert sich vergleichsweise schnell Laichplatz, Lebensraum für Wirbellose, Strö- Pfeilkraut nach früher Krautung, daher möglichst spät mungslenker krauten

Krebsschere leidet unter der Mahd, unsachgemäße Lebensraum für Wirbellose, die seltene grüne Krautung kann zum Erlöschen der Be- Mosaikjungfer lebt ausschließlich an der Krebs- stände führen schere

Gelbe Teichrose Reagiert vergleichsweise empfindlich auf In der Regel keine Massenentwicklung, Lebens- die Krautung, möglichst erst nach der Blüte raum für Wirbellose, Sitzwarte für Frösche (ab September) krauten

Tausendblatt Sehr empfindlich, verschwindet bei Krau- Flutende Unterwasserpflanze in nährstoffarmen (verschiedene Arten) tung, unbedingt schonen Fließgewässern, hohe Bedeutung, Laichplatz, Lebensraum für Wirbellose

Brunnenkresse verschwindet zum Winter weitgehend, hohe Bedeutung, meist nur randlicher Bewuchs Sommerschnitt fördert es

(EDMUND-SIEMERS-STIFTUNG (2001) verändert nach TSCHÖPE (2006), ergänzt (WVT 2017))

85 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Anhang 3: Prüfschema besonderer Artenschutz

Der Leitfaden Artenschutz – Gewässerunterhaltung (NLWKN 2017) umfasst 43 Seiten. Er wurde im niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 27/2017 ab Seite 844 am 12.07.2017 bekanntgemacht. Er enthält eine nicht abschließende Liste mit insgesamt 87 besonders oder streng geschützten Arten. Der grundlegende Umgang damit ist in Kapitel 4 beschrieben und seine Anwendung in Bezug auf die Entscheidungsprozesse in der Gewässerunterhaltung in den Kapitel 6.2.2 und 6.8 beschrieben. Der Leitfadens Artenschutz – Gewässerunterhaltung soll laufend ergänzt werden, eine Überarbeitung liegt seit August 2019 im Entwurf vor. Die jeweils gültigen Fassungen finden sich auf den Internetseiten des NLWKN.

Schritt 1: Sind aktuelle Vorkommen einer oder mehrerer geschützter Art(en) bekannt? (s. Kap. 4.1, 4.3)

ja nein / nicht bekannt

Schritt 2: Schritt 1a: Habitatkategorien ja Sind ältere oder benachbarte Wo im/am Gewässer ist/sind die Art(en) ggf. von den Vorkommen bekannt? Unterhaltungsmaßnahmen betroffen? (s. Kap. 4.3) (s. Kap. 4.2)

1 2 3 Sohle/ Böschungsfuß/ Randstreifen nein Wasserkörper Ufer

Schritt 1b: Schritt 3: ja Ist ein Schutzgebiet betroffen? Artenschutzbezogener Abwägungsprozess (s. Kap. 3.2) Können unter Berücksichtigung der hydraulischen Anforderungen und Ansprüche der vorkommenden Art(en) artenschonende Unterhaltungsmethoden bzw. beson- nein dere Vermeidungs-und/oder Minimierungsmaßnahmen ermittelt und umgesetzt werden? (s. Kap. 6) Schritt 1c: Sonstiges Gewässer betroffen (s. Ergänzungsbände / Kap. 6.1) nein ja

Ggf. gemäß Gewässer- bzw. Schutzgebietsverordnung einzelfallbezogen

Artenschonende Allgemeine Unterhaltungsmethoden Ausnahme- naturschonende Konventionelle bzw. besondere genehmigung! gewässerspezifische Unterhaltung Vermeidungs- und/oder (s. Kap. 5.5) Unterhaltungsmaßnahmen Minimierungsmaßnahmen

Schritt 4: Dokumentation / Nachweis der Maßnahmen in Unterhaltungsplan (in Abstimmung mit UNB und UWB) (s. Kap. 5.3) Ablaufschema: Vorgehen und Arbeitsschritte zur Berücksichtigung der artenschutzrechtlichen Anforderungen bei der Gewässerun- terhaltung aus NLWKN 2019 (Stand 07.08.2019), die Hinweise auf die Kapitel und Arbeitsschritte beziehen sich auf den Leitfaden Artenschutz – Gewässerunterhaltung

86 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Anhang 4: Grundlagenermittlung zum Unterhaltungsplan

Grundlagenermittlung zum Unterhaltungsplan Blatt 1 – Bestand und Nutzungen (Kapitel 5.1)

Ver- Kate- Beschreibung / Ausprägung / Bewertung / Nr. Parameter knüp- gorie Charakterisierung Ergebnis fung

B 1 Gewässername

Gewässersystem / B 2 Bearbeitungsgebiet Wasserkörper-Nr. / B 3 Abschnitt

B 4 Gewässertyp nach WRRL

Einstufung B 5 (HMWB / AWB / NWB) Priorität des Gewässers B 6 (nach Leitfaden Maßnahmen)

B 7 Ausbau / Ausbauzustand

B 8 Randstreifen und Uferzonen

Verwallungen, Dämme und B 9 Uferrehnen

B 10 Ufermauern Bestand und Nutzungen B 11 Flächenverfügbarkeit in der Aue

B 12 Landnutzung in der Aue

Siedlungen, B 13 Verkehrsinfrastruktur Eigentumsverhältnisse B 14 (Gewässer, Gewässerrandstrei- fen, Aue)

B 15 Kulturhistorische Anlagen

87 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Grundlagenermittlung zum Unterhaltungsplan Blatt 2 – Wasserabfluss (Kapitel 5.2)

Ver- Kate- Beschreibung / Ausprägung / Bewertung / Nr. Parameter knüp- gorie Charakterisierung Ergebnis fung

W 1 Entwässerungstiefe

Wasserspiegel einmündender W 2 Gewässer Entwässerungsbedarf An- und W 3 Hinterliegergrundstücke

W 4 Mittlerer Wasserstand

Hochwasserabfluss W 5 (Winter/Sommer) Ausbau-/Bemessungsabfluss W 6 (HQX)

Wasserabfluss W 7 Ausbaureserven

Einfluss von Bauwerken im/am W 8 Gewässer Einfluss des Wasserstandes im W 9 Gewässer auf das Grundwasser

W 10 Unterhaltungsintensität

88 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Grundlagenermittlung zum Unterhaltungsplan Blatt 3 – Gewässerökologie (Kapitel 5.3)

Ver- Kate- Beschreibung / Ausprägung / Bewertung / Nr. Parameter knüp- gorie Charakterisierung Ergebnis fung Guter Zustand / Ö 1 Gutes ökologisches Potenzial Geschiebeführung, Sediment Ö 2 und Nährstoffeinträge

Ö 3 Gewässerstruktur(güte)

Ö 4 Lineare Durchgängigkeit

Ö 5 Abflussdynamik

Ö 6 Nährstoffhaushalt

Ö 7 Beschattung Bewuchs Sohle und Lichtver- Ö 8 hältnisse im Gewässer

Ö 9 Bewuchs der Böschungen

Ö 10 Erlensterben

Ö 11 Auenbezug

Ö 12 Größe und Anbindung der Aue

Ö 13 Auendynamik

Ö 14 Altgewässer

Ö 15 Staugeregelte Gewässer Gewässerökologie Ö 16 Wasserkraftnutzungen FFH-Gebiete, Ö 17 Vogelschutzgebiete

Ö 18 Naturdenkmale, LSG, NSG

Ö 19 Gesetzlich geschützte Biotope Besonders geschützte und Ö 20 streng geschützte Arten Geschützte Landschaftsbe- Ö 21 standteile und Bäume Fischfauna und Ö 22 Makrozoobenthos

Ö 23 Makrophyten

Ö 24 Invasive Pflanzen (Neophyten)

Ö 25 Invasive Tierarten (Neozoen) Räumgut (ablagern, einarbeiten Ö 26 abfahren)

89 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Anhang 5: Belastungs- und Auswahlmatrix

Gewässerentwicklung durch Gewässerunterhaltung: Beispiele ausgewählter Unterhaltungs- maßnahmen und Möglichkeiten der Strukturverbesserung (im Profil) bei unterschiedlichen hydraulischen Spielräumen

Bewertung Eignung, Verbesserungspotenzial 1 Besonders positiv / sehr hoch / sehr groß / sehr gut geeignet Natur- und erwartete Auswirkungen auf: räumliche 2 Positiv / hoch / groß / gut geeignet

Relevanz

3 Gering positiv / niedrig / wenig geeignet 4 Keine Relevanz / keine relevanten Auswirkungen / ohne Bedeutung / nicht betroffen 1: Geest

5 Negative / gegenteilige / nachteilige / schädigende Wirkung 2: Marsch 3: Berg u. Hügelland Maßnahmen (Auswahl) einschl. mit Steckbrief-Nr. Börden

Fischfauna Makrozoobenthos Makrophyten, Phytobenthos Feststoff-Haushalt Abflussdynamik Gewässerstruktur

Maßnahmengruppe 2 – Maßnahmen bei ganzjährigen hydraulischen Spielräumen

Abschnittsspezifische Verringerung/Veränderung der Abfluss- 2.1 1, 2, 3 sichernden Maßnahmen

Verzicht auf Sohl- und Böschungsinstandsetzungen, um die 2.2 1, 3 Eigendynamik zu fördern 1, 3 2.3 Ufer nur sichern, wenn es hydraulisch erforderlich ist

1, 2 2.4 Entfernen von örtichen Ufer- und Sohlbefestigungen

Totholz im Profil belassen, Entnahme nur in begründeten Fäl- 1, 3 2.5 len

Einbau von Strömungslenkern / Lenkbuhnen (Totholz / Kies) 1, 3 2.6 zur Strukturverbesserung an geeigneten Stellen

2.7 Gehölzaufbau bzw. Bepflanzung, ggf. auch im Profil 1, 2, 3

2.8 Totholzeinbau 1, 3

Einbau von standorttypischem, mineralischem Hartsubstrat 2.9 (z.B. Kies) zur Verbesserung der Sohlstrukturen, Kiesbänke 1 als Substratquelle einbauen örtlich gewünschte Auflandungen und Sohlenbildungsprozesse 2.10 unterstützen/zulassen, eigendynamische Ufer- und Sohlent- 1, 3 wicklung zulassen Rückbau von Uferbefestigungen, sofern ausreichend breite 2.11 Gewässerrandstreifen zur Verfügung stehen

2.12 örtlich gewünschte Entwicklung von Wasserpflanzen fördern 1, 2, 3

2.13 Feinsediment durch Raubäume festlegen 1, 3

90 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

Bewertung Eignung, Verbesserungspotenzial 1 Besonders positiv / sehr hoch / sehr groß / sehr gut geeignet Natur- und erwartete Auswirkungen auf: räumliche 2 Positiv / hoch / groß / gut geeignet

Relevanz

3 Gering positiv / niedrig / wenig geeignet 4 Keine Relevanz / keine relevanten Auswirkungen / ohne Bedeutung / nicht betroffen 1: Geest

5 Negative / gegenteilige / nachteilige / schädigende Wirkung 2: Marsch 3: Berg u. Hügelland Maßnahmen (Auswahl) einschl. mit Steckbrief-Nr. Börden

Fischfauna Makrozoobenthos Makrophyten, Phytobenthos Feststoff-Haushalt Abflussdynamik Gewässerstruktur

Maßnahmengruppe 1 – Maßnahmen bei zeitweisen (saisonalen) hydraulischen Spielräumen

Abschnittsweise einseitige bzw. wechselseitige Mahd von 1.1 1, 2, 3 Sohle und Böschungen

Krautungsintensität und -umfang am jahreszeitlich/hydraulisch 1.2 1, 3 erforderlichen Profil ausrichten Mahd- und Krautungszeiten anpassen, um bestehende Pflan- 1.3 zengesellschaften zu fördern oder zurückzudrängen (pflanzen- 1, 3 soziologische Effekte) Ufersäume und v.a. Böschungsfüße schonen (Bei Röhricht- 1.4 1, 2, 3 mahd §39 BNatSchG beachten)

1.5 Stromstrichmahd bevorzugen, Mahdschneisen einrichten 1

Beschattung durch Hochstaudenfluren auf Böschungs- und 1.6 1, 2, 3 Ufersäumen insbesondere bei kleinen Gewässern fördern

1.7 Beschattung durch gruppenweise Gehölzentwicklung fördern 1, 2, 3

1.8 Gehölze als natürliche Ufersicherung nutzen 1, 3

Schonung von steinigen und kiesigen Substraten: grundsätz- 1.9 1 lich keine, allenfalls punktuelle Entnahmen

1.10 Gezielte Entnahme von Sandbänken (Feinsedimenten) 1, 2

Ggf. Feinsedimenteintrag/-transport aus Nebengewässern re- 1.11 1, 2, 3 gulieren/beeinflussen (Sandfänge/ Sedimentbecken)

Gezielte Nutzung von Gewässerrandstreifen zur Verringerung 1.12 1, 3 der Sediment- und Nährstoffeinträge

eigendynamische Uferentwicklung zulassen, Auswirkungen 1.13 1, 3 beobachten

91 Gewässerunterhaltung in Niedersachsen – Teil B: Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse in der Gewässerunterhaltung

92