MIS / IMAGO MICHAEL / DDP ROBERT Bundestrainer Schuster, Skispringer Schmitt: „Wir bewegen uns noch auf dünnem Eis“

SKISPRINGEN tes wichtiges Springen gewann er im März Turnen geschickt, hat ihm Flickflack bei- 2002, danach segelte er nicht mehr wie eine gebracht, Salti und Schrauben. Feder von der Schanze, sondern fiel meist Schuster war selbst Springer, als Teen- Seelenstriptease runter wie ein Stein. Er ruinierte fast sei- ager trainierte ihn Alois Lipburger am Ski- nen Namen, vergangenen Winter startete Gymnasium in Stams. Er ist überzeugt, er- er sogar im Continental Cup, in der zwei- folglose Athleten sind später die besseren auf Befehl ten Liga des Skispringens. In dieser Saison Lehrer, „weil sie ihren Erfolgshunger noch sprang er schon dreimal aufs Podest, Rang stillen müssen“. Schusters bestes Resultat Martin Schmitt kann wieder drei in Innsbruck und , mit dem als Springer im Weltcup war ein zweiter fliegen. Zu verdanken hat Team schaffte er es in Kuusamo. Platz, als Trainer hat er seinen Landsmann Schuster hat auch aus geformt, Doppel- er das seinem neuen Trainer der Krise geholfen. Vor sieben Jahren, mit Olympiasieger 2006, letzten Winter Welt- Werner Schuster, 18, holte er olympisches Gold, dann stürz- cup-Gesamtsieger. einem Psychologen aus Tirol. te er ab. Schuster feilte an Hockes Flug- Der neue Bundestrainer hat wenig ge- symmetrie, wieder und wieder, die Leis- mein mit seinen Vorgängern. Wolfgang erner Schuster ist Cheftrainer der tungen werden besser. Steiert geriet jede Geste, jeder Satz zu deutschen Skispringer, er sitzt im Schuster sagt, er sei froh, dass seine Ar- groß, sein Ego stand in keinem Verhältnis WAuto und erklärt, wie er Martin beit bereits Früchte trage, doch sein Opti- zu seiner Bilanz. Und Peter Rohwein war Schmitt wieder in Form gebracht hat: „Ich mismus ist zurückhaltend: „Wir bewegen still, zu still, ihm mangelte es an Kommuni- habe ihn zunächst mal nackt ausgezogen.“ uns noch auf dünnem Eis.“ Erst die Welt- kationsfähigkeit. Erfolglos waren beide. Schuster ist unterwegs von Mieming, meisterschaft, die Mittwoch in Liberec, in Schuster hat den deutschen Skisprung einer Gemeinde in Tirol, wo er wohnt, Tschechien, beginnt, werde zeigen, ob es reformiert, das Ausbildungssystem neu zum Weltcup nach Willingen. Er hat gera- sich „um eine kurze Hochphase handelt strukturiert. In den Leistungszentren in de erst die Grenze passiert, es dauert noch oder um einen stabilen Aufschwung“. Mit Oberhof, Hinterzarten und ar- Stunden bis ins Sauerland, viel Zeit also, der Mannschaft sei eine Medaille möglich, beiten die Springer mit ihren Heimtrainern um zu erzählen. sagt er, sein Ziel aber sei ein Platz unter nach seinen Vorgaben, die Übergänge zwi- „Ich habe Martin zu einem Seelenstrip- den ersten drei in der Nationenwertung. schen Jugend und Senioren, zwischen A- tease gezwungen“, sagt Werner Schuster. Schuster, 39, hat Sport und Psychologie Kader und B-Team sind nun fließend. Der Österreicher ist seit vorigem April studiert, „Skispringen ist Kopfsache“, sagt Die Erwartungen in Deutschland sind Bundestrainer, zu Beginn seiner Amtszeit er, und als er Bundestrainer wurde, musste hoch, Schuster braucht guten Nachwuchs, verordnete er den deutschen Springern er zuerst das Selbstbewusstsein der Sprin- Schmitt läuft die Zeit davon. „Er hat die eine Tour mit dem Mountainbike, es ging ger aufbauen. Musste ihnen Spaß und Chance, bis zu den Olympischen Spielen von Garmisch nach Oberstdorf, über hun- Lockerheit vermitteln. „Die Athleten hat- nächstes Jahr in Vancouver zur erweiterten dert Kilometer durch die Berge. ten den Glauben an sich verloren, sie wa- Weltspitze zu zählen. Vielleicht noch 2011 „Diese Belastung sind die Athleten nicht ren sehr in sich zurückgezogen.“ bei der WM in Oslo. Aber die Leistungs- gewohnt, Ausdauer ist im Skispringen ja Die größte Herausforderung war Martin stärke, die er mal hatte, wird er nie mehr nicht so wichtig. Ich wollte sehen, wie groß Schmitt. „Er ist ein introvertierter Mensch, erreichen. Das weiß Martin auch selbst.“ ihr Kampfgeist ist, ihre Bereitschaft, sich zu in der Vergangenheit musste er immer sein Wie gut kann Schmitt wieder werden? quälen. Ich wollte ihr Innerstes bloßlegen.“ Gesicht herhalten, selbst wenn er es nicht „Wenn Martin es aufs Podest schafft, ist Und? Was hat er gesehen? wollte. Er begann, eine Mauer um sich zu das schon ein Riesenerfolg. Es kann auch „Keiner hat gejammert. Auch Martin hat bauen, sie wurde immer höher. Und jetzt gelingen, ein Springen zu gewinnen. Aber nie aufgesteckt. Ich weiß seitdem, er will reißt er sie langsam wieder ein.“ wann das passieren wird und wie oft, das seinen Helm nicht nur spazieren tragen, Man könne einen Sportler nicht stark- vermag ich nicht zu prognostizieren. Das er würde auch ohne ihn von der Schanze reden, sagt Schuster, zumindest nicht lang- hängt auch von den Gegnern ab.“ springen, wenn’s ihm nützt.“ fristig, was ein Sportler brauche, um seinen Das Auto hält auf dem Weg nach Wil- Martin Schmitt ist Olympiasieger, er war Fertigkeiten wieder zu trauen, sei Erfolg. lingen, ein Springer steigt zu. Schuster hört viermal Weltmeister, zweimal Weltcup-Ge- „Dabei spielt es erst mal keine Rolle, wor- auf zu erzählen. Seine Reise mit dem Team samtsieger, aber das ist lange her. Sein letz- in der Erfolg besteht.“ Er hat Schmitt zum geht weiter. Maik Großekathöfer

der spiegel 8/2009 125