windstark

windstark 15 Jahre Vestas Blades Lauchhammer

Inhalt

4 Geleitwort 6 Vestas – globale Lösungen 14 15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer 26 Wandel – neue Energie für die Lausitz 36 Hightech – effiziente Rotorblätter 44 Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 62 Logistik – aus Lauchhammer in die Welt 70 Qualität – gemeinsam für die Energiewende 80 Impressum

3 Geleitwort

2017 sind es 15 Jahre, in denen Vestas in Lauchham- Dass wir hochwertige Rotorblätter fertigen können, hat mer Rotorblätter für Windenergieanlagen produziert. sich inzwischen herumgesprochen. Dass wir auch im Ein Zeitraum, der in Anbetracht der sich sehr dynamisch globalen Wettbewerb durch unsere besonderen Qualitäten entwickelnden Windindustrie wie eine Ewigkeit anmutet. wie Flexibilität, Geschicklichkeit und Neugier bestehen Von Anfang an hat mich diese Rotorblattfabrik in der können, werden wir auch in Zukunft unter Beweis stellen. Lausitz fasziniert: die Ruhe und die Präzision in der Wir sind aufgrund unserer Erfahrung und Kultur gut auf- Produktion, gepaart mit dem unbändigen Willen und der gestellt. Freude am Erfolg. Dies sind inzwischen Markenzeichen für diesen Standort. Es liegt uns sehr am Herzen, die Rotorblattfabrik in Lauch- hammer stets weiterzuentwickeln. Große Teile des Firmen- Das Werk in Lauchhammer ist ein Paradebeispiel für die geländes sind im Jahr 2017 eine Baustelle. Wir schaffen Möglichkeiten der Energiewende. Menschen aus der Kohle Platz für die Fertigung der nächsten Generation von Rotor- bekamen eine neue berufliche Zukunft. Die Entwicklung blättern. Ich persönlich freue mich sehr, mit dem gesamten der Mitarbeiterkompetenzen durch die guten Ausbildungs- Team diese Umstellung zu begleiten. Dabei ist die äußer- und Qualifizierungsmöglichkeiten für Facharbeiter in der liche Veränderung der kleinere, sichtbare Teil. Wir arbeiten Lausitz taten das Übrige, um ihnen neue Perspektiven intern kontinuierlich an der Verbesserung unserer Zusam- zu eröffnen. Aus der Zusammenarbeit von Region und menarbeit, an unserem Zusammenhalt und unserer Industrie entstanden innovative Arbeitsplätze und Erfolgs- Unternehmenskultur. geschichten wie wir sie in diesem kleinen Band exempla- risch erzählen wollen. Wir können stolz sein auf das Erreichte und freuen uns auf das Kommende. Denn wir wollen auch in den nächsten Wir arbeiten bereits am nächsten Kapitel, um weiterhin 15 Jahren unsere Kunden mit Qualitätsprodukten begeis- erfolgreich zu sein. Die Windindustrie ist gereift. Nach der tern. Pionierstimmung der Anfangsjahre stehen wir heute vor Anforderungen, wie sie für etablierte Industrien Standard Hanne Dinkel sind. Diesen Ansprüchen an Professionalität und Wirt- Geschäftsführerin Vestas Blades Deutschland GmbH schaftlichkeit stellen wir uns in Lauchhammer. Mai 2017

4 Vestas Blades Lauchhammer 5 Vestas – globale Lösungen

Der kalifornische Windenergieboom in den 1980er Jahren war das Initial, dass aus dem kleinen jütländischen Familien- unternehmen Vestas ein global agierender Konzern mit heute rund 22.000 Beschäftigten auf sechs Kontinenten wurde. Im High Wind Project im Solano County zwischen San Francisco und Sacramento betreibt der Energieversorger FPL 90 Windenergieanlagen vom Typ Vestas V80-1.8 MW.

6 Vestas Blades Lauchhammer 83,3 Gigawatt installierte Leistung haben die 60.530 Windenergie- anlagen, die Vestas bis Ende März 2017 weltweit errichtet hat. 7 Vestas – globale Lösungen

Vestas gehört seit Jahrzehnten zu den weltweit führenden Rotorblätter wollte man in Zukunft selbst kontrollieren und Deutschland GmbH. Die wichtigste Aufgabe für den Inge- Unternehmen im Bereich Windenergie. Die 1945 in Lem verantworten. Da die starren Rotorblätter der Stallmaschinen nieur bestand zunächst darin, für die dänischen Anlagen in vom Schmied und Stahlbauer Peder Hansen als VEstjysk zu hohe Lasten auf die Anlage übertragen, entwickelte Deutschland Typenprüfungen zu bekommen. Damit hatte STaalteknik A/S gegründete Firma entwickelte sich unter Vestas 1985 ein in der Längsachse drehbares, pitchgere- Vestas als erste dänische Windenergiefirma eine Depen- dem gängigeren Namen Vestas bis heute zu einem der geltes Rotorblatt. Diese OptiTip-Technologie verstellt das dance in Deutschland. größten Unternehmen Dänemarks. Aus kleinsten An- Rotorblatt stets so, dass eine maximale Energieausbeute fängen entstand durch unternehmerische Weitsicht und erzielt wird bei geringerer Belastung der Maschine. Mit den Technologisch setzte Vestas weiter auf Kostensenkung zukunftsfähige Produkte ein global operierender Konzern. beiden Prototypen V23-180 kW und der V25-200 kW durch Gewichtsreduzierung. Mit der Umstellung von Nass- erlangte Vestas einen Technologievorsprung. Als die Firma laminat auf vorimprägnierte Fasern, sogenannte Prepregs, Zunächst stellte Vestas Haushaltsgeräte und Landmaschi- im Oktober 1986 wegen ausbleibender Zahlungen aus revolutionierte Vestas 1990 das Design der Rotorblätter. nen her, später Kühler für Turbolader und Hydraulikkräne den USA Insolvenz anmelden musste, war diese Technolo- So wurde das Gewicht des damals standardmäßig einge- für Lastkraftwagen. Als sich 1970 abzeichnete, dass gie das ideelle Startkapital für den Neuanfang. setzten Rotorblattes um mehr als zwei Drittel gesenkt und der Preis des Erdöls deutlich steigen würde, wandte sich die Basis für die heute noch gängige Technologie bei der Unternehmensgründer Peder Hansen der Windenergie Als Vestas Wind Systems A/S konzentrierte sich das zu. Nach wenig befriedigenden Experimenten mit einem Unternehmen ab 1987 ausschließlich auf die Herstellung Darrieus-Rotor testete er 1979 eine dreiflüglige Wind- von Windenergieanlagen. Mit weiteren Großaufträgen energieanlage mit horizontaler Achse nach dem klassi- aus den USA sowie Bestellungen aus weiteren Ländern schen Dänischen Konzept. Diese von Karl Erik Jørgensen rund um den Globus erholte sich Vestas schnell. Die Firma und Henrik Stiesdal entwickelte 30-kW-Maschine war wuchs zu einem Global Player der Windenergie, der auch ein stallgeregelter Luv-Läufer mit 10 Metern Rotordurch- auf dem sich Ende der 1980er Jahre entwickelnden deut- messer. Ein Jahr später begann die Serienproduktion. schen Markt eine führende Rolle spielen sollte. Die erste Vestas-Anlage in Deutschland hatte der nordfriesische Damit hatte Vestas das richtige Produkt zur richtigen Zeit, Landwirt Karl-Heinz Hansen bereits 1983 im Cecilienkoog als in Kalifornien der Windenergieboom einsetzte. Groß- aufgestellt. Die V15 mit einer Leistung von 55 Kilowatt aufträge aus den USA sorgten für ein kräftiges Wachstum ist bis heute in Betrieb. Zwei Jahre später begann Vestas der Firma. Ein schwerer Schaden an einem Rotorblatt in Husum mit einem Einmannbüro den Vertrieb in Deutsch- veranlasste das Unternehmen 1981 zum Aufbau einer land aufzubauen. Am 1. Juli 1986 wurde Klaus Burmeister eigenen Rotorblattfertigung. Design und Qualität der der erste Mitarbeiter in der neu gegründeten Vestas

8 Vestas Blades Lauchhammer Vestas war früh auf den wichtigsten Märkten aktiv: Onshore in den USA und Offshore in Großbritannien. Die erste von heute über 7.600 Vestas-Anlagen in Deutschland läuft seit 1983 im Cecilienkoog.

Herstellung von Rotorblättern im Unternehmen eingeführt. Auch der Prototyp der 3-MW-Anlage V90 mit 44 Meter Um Rotorblätter und Triebstrang weiter zu entlasten, langen Rotorblättern wurde 2002 wieder in Schleswig- führte Vestas nach den verstellbaren Rotorblättern nun Holstein getestet. In jenem Jahr leistete Vestas mit die variable Rotordrehzahl ein. Diese OptiSlip-Technologie der Errichtung des Offshore-Windparks Horns Rev kam erstmals bei der V44 zum Einsatz, einer 600-kW- mit 160 Megawatt Leistung auch Pionierarbeit für die Anlage, die 1994 auf den Markt kam. Entwicklung der Offshore-Windenergie. Der erste große Windpark in der Nordsee stellte für das Unternehmen Im Jahr darauf realisierte Vestas mit dem Windpark Tunø eine extreme technische und finanzielle Herausforde- Knob sein erstes Offshore-Projekt. Die zehn Windenergie- rung dar. Die Probleme sollten mit dem zum Jahresende anlagen mit jeweils 500 Kilowatt Leistung produzieren im 2003 annoncierten Zusammenschluss mit NEG Micon Kattegat seit 22 Jahren zuverlässig Strom. Im selben Jahr zunächst nicht kleiner werden. Doch langfristig zahlte errichtete Vestas die damals weltgrößte Serien-Windener- sich die Fusion aus, stabilisierte der so entstandene gieanlage, die V66. Mit 32 Meter langen Rotorblättern Großkonzern doch damit seine führende Position auf erreichte sie eine Leistung von 1,65 Megawatt. dem Weltmarkt.

Im Jahr 1998 war Vestas erstmals der weltgrößte Her- Zwei Jahre später formulierte Vestas den Anspruch, die Windstandorte ausgelegt ist, in die Serienproduktion steller von Windenergieanlagen. Nunmehr waren es die Windenergie zur wettbewerbsfähigen Stromquelle gehen. Das innovative 67-Meter-Rotorblatt wird dann in Märkte in Deutschland und in Spanien, die das Größen- weiterzuentwickeln. Strom aus Windenergie soll in Lauchhammer produziert. wachstum der Anlagen forcierten. So errichtete Vestas den wenigen Jahren nicht teurer sein als Strom aus fossilen Prototyp der 2-MW-Maschine im schleswig-holsteinischen Energien. Dazu soll vor allem die nächste Neuentwicklung Der Vorstand lenkt das Unternehmen seit 2009 von Aarhus Sörup. Diese 1999 zunächst mit einem Rotor von 66 beitragen. Die V112 kam 2009 als Windenergieanlage aus. Im Jahr 2016 erwirtschaftete Vestas mit knapp Metern Durchmesser ausgestattete Anlage erhielt im mit 55 Meter langen Rotorblättern und drei Megawatt 22.000 Mitarbeitern in 33 Ländern auf sechs Kontinenten August 2000 die neuen, 39 Meter langen Rotorblätter. Als Leistung auf den Markt. Sie kann sowohl an Land als einen Umsatz in Höhe von etwas mehr als zehn Milliarden die V80 in Serie gehen sollte, entschied das Management, auch auf See Strom erzeugen. Die 3 MW Plattform wurde Euro. Mit dem Motto »Wind. It means the world to us.« für die Produktion dieser Blätter ein Werk in Deutschland seitdem kontinuierlich weiterentwickelt und seit Dezember unterstreicht Vestas seine Position als führender Wind- zu errichten, größer und zentraler in Europa gelegen als die 2016 wird der Prototyp der V136-3.45 MW im dänischen energieanlagenhersteller und betont zugleich die Über- dänischen Rotorblattwerke in Lem und Nakskov. Die Wahl Østerild erprobt. Noch 2017 soll diese Anlage, die mit zeugung, dass die Windenergie eine der nachhaltigsten fiel auf Lauchhammer in . 136 Metern Rotordurchmesser für schwache und mittlere Energiequellen für unseren Planeten ist.

Vestas – globale Lösungen 9 10 Vestas-Rotorblätter weltweit

Länder, in denen Blätter aus Lauchhammer im Einsatz sind

Produktionsstandorte für Vestas-Rotorblätter

Forschungszentrum für Rotorblattentwicklung: Newport, Isle of Wight (UK)

Vestas Headquarters Aarhus (Dänemark)

Alternative zu Atomkraft, Öl oder Kohle: Vestas-Wind- energieanlagen in Frankreich, im Iran und in Polen

Vestas – globale Lösungen 11 In den USA unterhält der Vestas-Konzern zwei Rotor- blattfabriken. Die Kollegen wurden auch in Lauchham- mer geschult.

Nick Trobisch und David Hönisch stellvertretende Teamleiter Rootspar, seit 2003 bei Vestas

Die Skulptur »Die Woge« auf der Dresdner Albertbrücke mahnt die globale Dimension des Klimawandels an. Dass dem nur durch weltumspannende Lösungsansätze begeg- net werden kann, ist bei Vestas fest in der Unternehmens- philosophie verankert.

Nick Trobisch und David Hönisch gehörten 2003 zu den ersten drei Auszubildenden, die im Werk Lauchhammer eine Lehre zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik aufnahmen.

Die globale Ausrichtung des Unternehmens eröffnete den beiden Jungfacharbeitern nach ihrer Übernahme in den Betrieb die Perspektive, auch im Ausland beruflich tätig zu sein. Sie reisten zu Schulungen nach Dänemark und später als Prozessinstruktoren nach Spanien und in die USA, wo sie ihrerseits Mitarbeiter trainierten.

Beide sind nunmehr seit 14 Jahren im Unternehmen und arbeiten als stellvertretende Teamleiter in der Abteilung Rootspar. Nick Trobisch ist außerdem im Launch Team für das neue 67-Meter-Rotorblatt der V136.

12 »Elbehochwasser 2002 – Spiegel der Fluten andernorts« – die Inschrift an der Skulptur »Die Woge« auf der Dresdner Augustusbrücke mahnt zur globalen Verantwortung für das Klima.

13 15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer

Im Mai 2002 startete in Lauchhammer die Produktion von Rotorblättern für Vestas-Windenergieanlagen. Auf einer ehemaligen Industriebrache war eines der modernsten Rotorblattwerke der Welt entstanden. Mit jedem neuen Anlagentyp wurde das Werk erweitert und der Produktionsprozess optimiert. Im 15. Jahr des Bestehens macht die Belegschaft das Rotorblattwerk fit für die vierte Generation von Windenergieanlagen in Lauchhammer. Mitte 2017 startet die Fertigung der 67-Meter-Blätter für die Vestas V136.

14 15.709 Rotorblätter wurden seit dem Produktionsstart im Jahr 2002 bis Ende des Jahres 2016 im Werk Lauchhammer produziert.

15 15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer

26. Juli 2001: Erster Spatenstich durch Bundesumweltminister Jürgen Trittin. März 2002: Die Halle 1 steht im Rohbau (Bild unten).

Prozessleiter für den Bereich Schale. Stolz blickt der heute Lem und Nakskov waren jedoch zur Jahrtausendwende 63-Jährige auf die Fertigung des ersten Rotorblattes in an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Daher entschied das Lauchhammer vor nunmehr 15 Jahren zurück. Seit dem Management von Vestas, die Rotorblätter für die 2-MW- 31. März 2017 ist er im Vorruhestand. Die Führungsriege Maschine, deren Prototyp seit September 1999 getestet der ersten Generation hat den Staffelstab nunmehr an wurde, in Deutschland zu fertigen. Es ist bis heute der jüngere Kollegen übergeben. wichtigste Markt in Europa und zentral gelegen. Die kon- krete Standortfindung oblag der Dependance in Husum. Für Bernd Winkler und die meisten seiner damaligen Kol- legen war die Produktion von Rotorblättern absolutes Neu- Mehrere Faktoren sprachen für Lauchhammer. Seit der Er- land, als sie bei Vestas begannen. Für das Unternehmen richtung des Windparks Klettwitz gab es gute Kontakte zu selbst jedoch nicht, denn bereits seit 1981 fertigt es eigene Entscheidungsträgern in der Region. Die Landesregierung Rotorblätter. Die beiden dänischen Rotorblattwerke in Brandenburg bemühte sich intensiv um neue Industrie-

Am 6. Mai 2002 bringt Bernd Winkler das erste Mal den Gelcoat-Auftrag in die 39-Meter-Form ein. Diese äußerste Kunststoffschicht bildet nach dem Aushärten die Ober- fläche des Rotorblattes. »Da haben mehr Personen zuge- schaut als mitgearbeitet«, erinnert sich der damalige

16 Vestas Blades Lauchhammer 22. Mai 2002: Offizieller Produktionsstart mit Bundes- kanzler Gerhard Schröder, Ministerpräsi- dent Manfred Stolpe und Klaus Burmeister, der das Bau- vorhaben für Vestas leitete.

20. August 2002: Frank Weise, der erste Geschäfts- führer des Werkes, erhält zur feierlichen Einweihung den symbolischen Schlüssel. Er leitete die Rotorblattfabrik bis 2015. arbeitsplätze im ehemaligen Kohlerevier. »Der damalige Beisein von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bran- Ministerpräsident Manfred Stolpe hat sich persönlich um denburgs Ministerpräsidenten Manfred Stolpe vollzogen. die Ansiedlung der neuen Fabrik auf einer der von der Treu- Jürgen Trittin kam am 20. August ein zweites Mal nach hand verwalteten Flächen im Land Brandenburg bemüht«, Lauchhammer zur feierlichen Einweihung des Werkes. erinnert sich Klaus Burmeister, der damalige Technische Vestas hatte 65 Millionen Euro in den Standort investiert. Direktor von Vestas in Deutschland. Die Standortentschei- Nach nur 13 Monaten war die Baumaßnahme für Klaus dung fiel dann relativ zügig, da auch die Stadt Lauchham- Burmeister beendet. Er übergab den Schlüssel für das mer sehr schnell reagierte. »Bei der Wirtschaftsförderung Werk an Frank Weise, der es von nun an bis 2015 leitete. der Stadt rannten wir offene Türen ein«, weiß Burmeister, der von Vestas‘ Seite für das Bauvorhaben verantwortlich war. Bis Jahresende verließen die ersten 221 Rotorblätter die Produktion und 377 Mitarbeiter waren fest eingestellt. Im Der Bau des Werkes auf dem Gelände der ehemaligen Jahr 2003 nahmen die ersten 15 Auszubildenden eine Brikettfabrik 69 startete am 26. Juli 2001 mit dem ersten Spatenstich durch Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Als am 7. März 2002 die erste Form für das 39-Meter- Rotorblatt auf der Baustelle angeliefert wird, weilen Bernd Facharbeiterlehre bei Vestas auf. Zunächst stellte Vestas Winkler und die anderen Kollegen der ersten Stunde die 39 Meter langen Rotorblätter für die V80 her. Parallel schon in Dänemark. Acht Wochen lang werden sie in dazu startete 2004 der Umbau auf vier Fertigungslinien Theorie und Praxis der Rotorblattfertigung unterwiesen. für die 44 Meter langen Rotorblätter der V90. Dabei Anfang Mai kehren sie zum Produktionsstart nach Lauch- wurde erstmals Carbon verarbeitet und für die Fertigung hammer zurück. der Carbonflanken die Abteilung Shimoda eingerichtet. Die vollautomatische Lackierhalle ging 2008 in Betrieb. »Das Interesse von Medien und Politik war in der ersten Zeit riesig«, erinnert sich Bernd Winkler. Die Politiker Im Jahr 2010 begann die Umstellung der Produktion für gaben sich die Klinke in die Hand, denn die Ansiedlung des die Anlagen der neuen 3 MW Plattform. Um die nunmehr Werkes bedeutete zukunftsfähige Industriearbeitsplätze 55 Meter langen Blätter für die V112 herstellen zu in einer von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Region. können, war ein kompletter Umbau des gesamten Werkes Der offizielle Produktionsstart wurde am 22. Mai 2002 im notwendig. Die Produktionshalle 1 wurde vollständig

15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer 17 28. August 2008: Besuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Werk

2010/2011: Komplettumbau des Werkes für die Produktion der V112

der Grobschleifkabine drastisch gesenkt werden. Diese temporären Halle für den Zuschnitt und die Carbon- Umbaumaßnahmen optimierten nicht nur den Produk- Pultrusion. Anfang April wurde ein erstes 67-Meter- tionsprozess, sondern verbesserten auch die Arbeits- Rotorblatt aus Dänemark nach Lauchhammer gebracht, bedingungen für die Mitarbeiter enorm. um die Schleif- und Lackierroboter einzurichten sowie die logistischen Prozesse zu testen. Am 7. April wurde die Als 2011 die Produktion für die 55-Meter-Blätter anlief, erste V136-Form geliefert. Bis Mitte des Jahres soll die war Lauchhammer die modernste Rotorblattfabrik im Produktion des neuen Blattes starten. Vestas-Konzern. Mehr als zehn Prozent der Mitarbeiter besuchen regelmäßig die Schwesterwerke in Dänemark, Für die Einführung der neuen Fertigungstechnologie wur- Spanien, Italien, Indien, China und den USA, um Produkt- de extra ein V136 Launch Team von erfahrenen Kollegen umstellungen zu begleiten und Prozessverbesserungen gebildet. Bernd Winkler ist dann nicht mehr dabei. Nach- zu unterstützen. Dabei findet ein intensiver Informations- dem er zwölf Jahre den Bereich Schale leitete und zuletzt und Erfahrungsaustausch sowie Technologietransfer statt. drei Jahre als Assistent der Produktionsleitung fungierte, Das interkulturelle Arbeitsumfeld und der Kontakt mit den verabschiedete er sich Ende März in den Vorruhestand. Kollegen in aller Welt wirken auch inspirierend auf den In diesen 15 Jahren trug er seinen Teil dazu bei, dass sich Standort Lauchhammer. das Werk zu einem der wichtigsten Industriebetriebe der Lausitz und zu einer tragenden Säule im Vestas-Konzern Seit 2015 werden hier auch die Blätter für die V117 her- entwickelte. Nun beginnt mit der V136 ein neuer Zeit- gestellt. Die dafür nötigen Prozessänderungen waren je- abschnitt in Lauchhammer. entkernt und die unterirdischen Leitungen für Heizung doch lange nicht so gravierend wie bei der Umstellung auf und Prozessluft erneuert. Entlang der Formschalen wurde die V112. Die 57-Meter-Blätter erhalten einen größeren ein Gantry-System errichtet, das die Gelcoat-Apparatur, und zwei Meter längeren Blattanschluss, werden ansons- die Werkzeuge zum Auslegen der Prepregs und die ten in der gleichen Form im selben Verfahren hergestellt. Leimmaschine aufnehmen kann. »Das war eine enorme Arbeitserleichterung«, findet Bernd Winkler. »Bis zu den Einschneidender wird hingegen der Wechsel zur neuen V90-Blättern war in der Schale vieles Handarbeit und sehr Technologie bei den 67-Meter-Blättern der V136 sein. anstrengend.« Der Bereich Rootspar bekam eine eigene Die Umbauarbeiten begannen im März 2017 mit der Halle. Im Finish konnte die Staubbelastung durch den Bau Demontage von zwei V112-Formen und dem Bau einer

18 Vestas Blades Lauchhammer Das Werk wurde mit jeder Umstellung auf einen neuen Anlagentyp erweitert. Zuletzt wurde die temporäre Halle für Zuschnitt und Carbon-Pultru- sion für die V136 errichtet.

15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer 19 7. März 2002: Die erste 39-Meter-Form für die Blätter der V80 wird in Lauchhammer angeliefert.

Bernd Winkler Assistent der Produktionsleitung bis März 2017

»Mein Bewerbungsgespräch im Februar 2002 dauerte nur zehn Minuten. Danach ging es Schlag auf Schlag: zwei Monate Schulung und Training in Dänemark, anschließend Fertigung der ersten Rotorblätter in Lauchhammer. Es war eine intensive Zeit und die Arbeitstage waren lang.

Als ich voller Stolz den allerersten Coat-Auftrag in der 39-Meter-Form durchführte, haben mehr Personen zugeschaut als mitgearbeitet. Als ich erstmals die Form schließen ließ, war mir die große Verantwortung eigentlich gar nicht bewusst. Vielleicht ist es mir deshalb leichter gefallen, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. 6. Mai 2002: Das erste Dank der Unterstützung der dänischen Kollegen wuchsen Rotorblatt in Lauchhammer wir in unsere neuen Aufgaben hinein und wurden immer wird gefertigt. Als ersten besser. Unser Selbstvertrauen wuchs mit jedem fertig- Arbeitsschritt zur Fertigung gestellten Rotorblatt. der Schale bringt das Team um Bernd Winkler den Gel- Noch nie zuvor hatte ich einen Arbeitgeber, der eine so coat-Auftrag in die Form ein. große Vielfalt von Lehrgängen und Qualifizierungsmaß- nahmen anbot. Dazu passt, dass schon im Sommer 2004 die eigenverantwortliche Qualitätsüberwachung einge- führt wurde. Es war ein großer Vertrauensbeweis.«

20 Vestas Blades Lauchhammer »Es ist uns immer wieder gelungen, auch im Moment aussichtslos erscheinende Anforderungen an die Fertigung zu bewältigen.«

Bernd Winkler

21 7. April 2017: Die erste Form für das 67-Meter-Rotorblatt der V136 wird in vier Teilen angeliefert und erst in der Halle zusammengesetzt.

22 März 2017: Neben Halle 1 beginnt der Bau einer tempo- rären Halle für Zuschnitt und Carbon-Pultrusion für die Blätter der V136.

28. März 2017: Ein Proto- typenblatt für die V136 wird aus Dänemark geliefert, um die Roboter einzurichten und die logistischen Abläufe im Werk zu erproben.

15 Jahre – Rotorblätter aus Lauchhammer 23 Steffi Berger und Lars Klausch mit Tochter Lucy Produktionsmitarbeiter seit 2008

»Wir haben beide im Jahr 2008 bei Vestas angefangen, Lars im Bereich Schale und ich im Bereich Finish. Ich bediente dort den Blade Grinder, mattierte die Blätter und montierte die Vortexgeneratoren.

Im Mai 2011, als die Umbauphase von der V90 auf die Die Zahl der Mitarbeiter hat V112 begann, bewarben wir uns beide unabhängig von- sich in den 15 Jahren fast ver- einander für die ausgeschriebenen Tätigkeiten. Lars arbei- doppelt. Der stellvertretende tete bei der Errichtung des neuen Gantry-Systems und ich Prozessleiter René Funke weist war für die Ein- und Ausgangskontrollen verantwortlich. das Team Schale der D-Schicht So sahen wir uns täglich und wechselten die ersten Worte. in die Aufgaben des Tages ein. Irgendwie hat alles gepasst und nach 14 Tagen tauschten wir unsere Telefonnummern aus. Kurz danach waren wir ein Paar. Am 24. November 2012 wurde unsere Tochter Lucy geboren. Wir fühlen uns sehr wohl bei Vestas. Lars war zwischenzeitlich für Vestas schon in Dänemark, in den USA und in Italien, um dort Kollegen anzulernen.

Als die V136 eingeführt wurde und die nächste Umbau- phase begann, haben wir uns beide wieder auf aus- geschriebene Stellen beworben und neue Aufgaben übernommen. Ich weise jetzt Fremdfirmen in unsere Sicherheitsstrategie ein und Lars hilft bei der Errichtung der Formen.«

24 Vestas Blades Lauchhammer »Wir freuen uns schon auf die nächsten 15 Jahre.«

Steffi Berger

25 Wandel – neue Energie für die Lausitz

2,1 Hektar groß ist die Fläche, auf deren Abbaggerung verzichtet werden kann, wenn der Strom statt in einem Kohlekraftwerk an einem durchschnittlichen Standort in der Lausitz von einer

26 Vestas V112 erzeugt wird. Das 20. Jahrhundert war in der Lausitz das Jahrhundert der Braunkohle. Um die Jahrtausendwende fand in der Energieregion Lauchhammer ein Paradigmenwechsel statt. Auf der rekultivierten Hochkippe des Tagebaus Klettwitz-Nord entstand 1999 der Windpark Klettwitz. Die 38 Vestas V66 waren damals der größte Windpark Europas und für Vestas das Initial für die Ansiedlung der Rotorblattfabrik in Lauchhammer. In der Wiege des Lausitzer Braunkohlenreviers entstand zwei Jahre später auf dem Gelände einer abgerissenen Brikettfabrik ein Leuchtturmprojekt für die erneuerbaren Energien.

27 Wandel – neue Energie für die Lausitz

»Dem Energiethema bin ich mein ganzes Berufsleben treu Braunkohlenbergbau und -veredlung, sowie die Strom- er für die Elektroinstandhaltung der Tagebaugroßgeräte geblieben – erst im Braunkohlenbergbau, dann bei der erzeugung in den Kraftwerken waren die tragenden und die Stromversorgung des Tagebaus Klettwitz-Nord Sanierung der Gruben und zuletzt bei Vestas in der Rotor- Industriezweige in der Lausitz und die Basis der Energie- verantwortlich. Er arbeitete zu dieser Zeit zwar schon mehr blattproduktion.« Der berufliche Werdegang von Gerd versorgung des Landes. Der wachsende Energiebedarf als 15 Jahre in der Braunkohle, die F60 war jedoch auch für Meffert, dem langjährigen Produktionsleiter bei Vestas, der DDR-Wirtschaft wurde durch den Aufschluss neuer ihn eine völlig neue Dimension. Die Förderbrücken dieses ist eng verknüpft mit dem Wandel, der sich in den letzten Tagebaue gestillt. Typs sind die größten beweglichen Maschinen, die jemals drei Jahrzehnten in der Bergbau- und Industrieregion um hergestellt wurden. Die F60 im Tagebau Klettwitz-Nord Lauchhammer vollzog. Die exzessive Braunkohlenförderung in der Lausitz fand war die letzte Abraumförderbrücke, die gebaut wurde. mit dem Neuaufschluss des Tagebaus Klettwitz-Nord Doch bereits 14 Monate nach ihrer Inbetriebnahme wurde Die Gegend nördlich der Schwarzen Elster zwischen ihren Höhepunkt. Im September 1988 begann die Kohle- am 30. Juni 1992 die Kohleförderung eingestellt. Lauchhammer und ist geprägt durch den förderung, kurz darauf der Bau der Abraumförderbrücke extensiven Abbau und die Veredlung der Braunkohle im F60. Nach zwei Jahren Bauzeit begann dieser 502 Meter Für den Industriestandort Lauchhammer bedeuteten die 20. Jahrhundert. Es gibt hier kaum einen Fleck, der in den lange Stahlkoloss am 11. März 1991 mit der Förderung Schließung der Kokerei, der Brikettfabriken und das daraus letzten 150 Jahren auf der Suche nach Kohle nicht umge- von Abraum. Die Stromversorgung der Förderbrücke ge- resultierende Ende der Kohleförderung in der Nachwende- graben wurde. In der Stadt gab es acht Brikettfabriken und hörte damals schon mit in Gerd Mefferts Aufgabengebiet. dekade den Verlust von mehr als 15.000 Industriearbeits- eine Kokerei, die mit Kohle aus den umliegenden Tagebauen Seit der Umstrukturierung der Braunkohlenkombinate war plätzen. Gerd Meffert gehörte zu den wenigen, die von versorgt wurden. Ruß, Gasgeruch und die Sandstürme – den Nachfolgefirmen der Braunkohlenkombinate über- »wenn die Kippen wandern« – machten Lauchhammer zu nommen wurden. Fortan arbeitete er für die Rekultivie- einer der am meisten durch Luftverschmutzung belasteten rung der Gruben. Ab Mitte der 1990er Jahre war er in Städte in der DDR. Andere Altlasten des Bergbaus, wie der Hauptverwaltung der Bergbau- und Landschafts- ungesicherte Altgruben oder verseuchte Böden, sind bis sanierung (BUL) Brandenburg für technische Fragen bei heute präsent. der Sanierung der Tagebaue Meuro, Klettwitz und Klett- witz-Nord zuständig. Gerd Meffert verschlug es 1975 nach Lauchhammer. Nach Beendigung des Studiums der Elektrotechnik wies ihm die Wie die Kohleförderung zu DDR-Zeiten war auch die Sanie- Absolventenvermittlung eine Stelle als Betriebsingenieur rung der Tagebaugebiete ein Mammutprojekt. Die Lausitz im Braunkohlenkombinat (BKK) Lauchhammer zu. Anfang entwickelte sich zur größten Landschaftsbaustelle Europas. der 1980er Jahren wechselte er in das BKK Senftenberg. Im Vorfeld der Internationalen Bauausstellung Fürst-

28 Vestas Blades Lauchhammer Der Abriss der Brikettfabri- ken steht sinnbildhaft für den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft nach 1989, der die Stadt Lauchhammer besonders hart traf. Bild linke Seite: Auf dem Gelände der Brikettfabrik »Emanuel«, deren ältester Betriebsteil im Jahr 1901 errichtet wurde, entstand 100 Jahre später das Rotor- blattwerk von Vestas.

denken, sagte er zu, hatte er doch zuvor ein Kollektiv von 120 Leuten geleitet. Und doch sollte vieles neu und ganz anders sein, als er es bisher kannte.

Am 6. Januar 2002 war Gerd Mefferts erster Arbeitstag bei Vestas. Einen Tag später war er schon auf dem Weg nach Dänemark. In den Rotorblattwerken Lem und Pückler-Land, in der zwischen 2000 und 2010 Modell- Initial für die Ansiedlung einer Rotorblattfertigung für Nakskov durchlief er als »Lehrling« verschiedene Stationen. projekte für neue Perspektiven der Bergbauregion ent- die nächste Anlagengeneration V80 auf dem Gelände Zurück in Lauchhammer, bestand seine wichtigste Aufgabe wickelt wurden, gab es auch eine Initiative zum Erhalt der der ehemaligen Brikettfabrik 69 in Lauchhammer-Süd. im Aufbau der Abteilung Produktion, die er dann 14 Jahre Förderbrücke F60. »Die haben wir mit viel bergmänni- lang leitete. schem und technischem Aufwand aus der Grube heraus- Seit dem Baustart des Werkes im Sommer 2001 war gefahren«, erinnert sich Gerd Meffert an die spektakuläre Klaus Burmeister, der damalige Technische Direktor der Schulungen gehörten dabei zum festen Bestandteil der Aktion. Es mussten Rampen geschüttet und deren Vestas Deutschland GmbH, nicht nur mit der Koordination Mitarbeiterqualifikation. Gerd Meffert wählte neue Füh- Standsicherheit sichergestellt werden. Auch die Antriebe der Baustelle betraut, sondern musste sich auch um die rungskräfte bevorzugt aus dem Kreis der Kollegen aus. wurden aufgerüstet, um den 13.500 Tonnen schweren Einstellung von Mitarbeitern kümmern. Nach einer öffent- Durch spezifische Lehrgänge qualifizierte er sie für ihre Giganten an seine Endposition bei Lichterfeld zu fahren. lichen Firmenpräsentation und Anzeigen in der Presse neuen Aufgaben. Als er sich im Februar 2016 in den Ruhe- Der »liegende Eiffelturm der Lausitz« wurde zum stähler- hatte er die Qual der Wahl, unter 3.600 Bewerbern rund stand verabschiedete, konnte er so die Produktionsleitung nen Industriedenkmal für die zu Ende gegangene Ära des 200 geeignete Fachkräfte für das Werk auszusuchen. ruhigen Gewissens seinem Stellvertreter André Broschwitz Braunkohlenbergbaus im Raum Lauchhammer. übertragen, mit dem er sich die Aufgaben bereits in den Gerd Meffert erfuhr aus der Zeitung von dieser Stellenaus- letzten fünf Jahren geteilt hatte. In Sichtweite zur stillgelegten Förderbrücke brach im Jahr schreibung. Er fand das Konzept der Windenergiewand- 1999 ein neues Zeitalter für die Energieregion an. Auf lung interessant und technisch anspruchsvoll. Da seine Unter Gerd Mefferts Leitung produzierten seine Kollegen der Hochkippe des Tagebaus Klettwitz-Nord entstand Zukunft in der Bergbausanierung ungewiss war, suchte in den Rotorblatt-Fertigungslinien V80, V90, V112 und ein Windpark mit 38 Maschinen vom Typ Vestas V66. der damals 49-Jährige eine neue berufliche Perspektive V117 insgesamt über 14.500 Rotorblätter. So hat er nach Es war der erste große Windpark in der Lausitz und mit und bewarb sich bei Vestas als Elektroingenieur. Im Vor- dem Braunkohlenbergbau und der Sanierung der Tage- einer Gesamtleistung von 62,7 Megawatt seinerzeit der stellungsgespräch fragte ihn Klaus Burmeister, ob er sich baue an einem dritten Großprojekt in der Region mitge- größte Windpark Europas. Für Vestas war er zugleich das die Leitung der Produktion zutraue. Ohne lange nachzu- wirkt – der Energiewende in der Lausitz.

Wandel – neue Energie für die Lausitz 29 Die in Lauchhammer gefertig- ten Abraumförderbrücken vom Typ F60 stellen die Spitze der Entwicklung der Bergbautech- nik in der Lausitz dar. Mit bis zu 600 Metern Länge sind sie die weltweit größten beweglichen Maschinen, die jemals herge- stellt wurden.

Viele Brikettfabriken in der Lausitz entstanden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts und waren fast 100 Jahre in Betrieb. Die Brikettfabrik Meurostolln in Hörlitz produ- zierte von 1889 bis 1995.

30 Vestas Blades Lauchhammer Mit der Stilllegung des Tage- baus Klettwitz-Nord im Juni 1992 endete die Ära des Braunkohlenbergbaus im Raum Lauchhammer. Die F60 wurde aus der Grube heraus- gefahren und als »liegender Eiffelturm der Lausitz« zum technischen Denkmal für die- ses Zeitalter.

31 »Dem Energiethema bin ich mein gan- zes Berufsleben treu geblieben – erst im Braunkohlenbergbau, dann bei der Sanierung der Gruben und zuletzt bei Vestas in der Rotorblattproduktion.«

Gerd Meffert

32 Vestas Blades Lauchhammer Nach der Stilllegung des Tage- baus Klettwitz-Nord wurden die Tagebaugroßgeräte in die noch aktiven Tagebaue Wel- zow, Nochten und Reichwalde gefahren. Ein Eimerketten- bagger passiert die Autobahn A13 bei Freienhufen.

Neue Perspektive am Hori- Gerd Meffert zont: Bis die Rekultivierung Produktionsleiter von 2002 bis 2016 der Tagebauflächen im Raum Lauchhammer abgeschlos- »Die ersten 26 Jahre meines Berufslebens arbeitete ich als sen sein wird, weht noch viel Wind über die Kippen. Elektroingenieur im Braunkohlenbergbau, zunächst in der Im Windpark Kostebrau nut- Projektierung, später als Betriebsingenieur im Netzbetrieb. zen ihn seit dem Jahr 2000 Nach dem Ende der Kohleförderung war ich für die Elektro- sechs Vestas V66. instandhaltung und Stromversorgung bei der Rekultivie- rung der Tagebaue zuständig.

Als Vestas 2001 Mitarbeiter für die neue Rotorblattfabrik in Lauchhammer suchte, sah ich darin eine interessante berufliche Perspektive und bewarb mich als Elektroinge- nieur. Aufgrund meiner Berufserfahrung wurden mir Auf- bau und Leitung der Produktion anvertraut.

Das war eine reizvolle Aufgabe, denn die Herstellung von Rotorblättern war ein völlig neues Feld für mich. Ich sah mich auch mit ungleich strengeren Qualitäts- und Umweltstandards konfrontiert, als ich es aus der Kohle gewohnt war. Auch die Leitungshierarchien funktionierten bei Vestas anders als in den Braunkohlenbetrieben. Die betrieblichen Verbindlichkeiten waren strenger gere- gelt, die Vorgaben wurden mit mehr Nachdruck eingefor- dert. Sich auf dem Erreichten ausruhen, das gab es nicht. Hatte man heute die Lösung für ein Problem, dann gab es am nächsten Tag eine neue Herausforderung.«

33 Auf der Anschnitthalde des Tagebaus Klettwitz-Nord entstand 1999 der Windpark Klettwitz. Es war der erste große Windpark in der Lausitz und mit einer Gesamtleistung von 62,7 Megawatt damals der größte Windpark Europas.

Im Rahmen des IBA-Themen- jahres Energieland Lausitz verwandelte das Kunstprojekt WINDMOVE des Künstlers Christoph Ernst im Oktober 2007 eine Vestas V90 im Windpark Klettwitz in ein leuchtendes Symbol für den Strukturwandel der Region.

2015 wurden im Windpark Klettwitz die Anlagen der ersten Generation durch Vestas V112 ersetzt. Anders als bei Tagebau- flächen dauert die Rekultivie- rung nicht Jahrzehnte, sondern nur ein paar Wochen.

34 Vestas Blades Lauchhammer Es gibt eine Perspektive nach der Kohle. Windenergie ist schon heute ein wesentlicher Bestandteil der regenerativen Energieversorgung. In Lauch- hammer, Klettwitz und Koste- brau hat die Energiezukunft schon begonnen.

35 Hightech – effiziente Rotorblätter

2,89 Millionen Kilometer Carbon- fasern wurden bisher im Werk Lauchhammer verarbeitet. Das entspricht dem 7,5fachen der Entfernung zwischen Erde

36 und Mond. Moderne Rotorblätter sind Hightechbauteile, die im 20-jährigen Betrieb rund 100 Millionen Wechselbelas- tungen unter harten klimatischen Bedingungen ausge- setzt sind. Vestas hat den Anspruch, dass Rotorblätter leicht, flexibel, aerodynamisch und langlebig sein müssen. Der sparsame und intelligente Einsatz hoch- wertiger Materialien und die hohe Fertigungsqualität sichern Leichtigkeit, Flexibilität und Langlebigkeit der Rotorblätter. Enge Fertigungstoleranzen und sauber gearbeitete Oberflächen sorgen für gute aerodynamische Eigenschaften und damit für maximale Erträge.

37 V80 Hightech – effiziente (2002)

Rotorblätter V90 (2004)

V112 (2011)

V136 (2017)

Der Rotor einer Windenergieanlage wandelt die kineti- Die Blattschalen werden überwiegend aus harzgetränkten Um die Beanspruchung der Blattstruktur permanent zu sche Energie der Luftströmung in mechanische Energie. Glasfasermatten hergestellt, den sogenannten Prepregs. überwachen, werden die Rotorblätter mit Lastsensoren Längere Rotorblätter steigern die Leistung. Doch mit Der Vorteil der vorimprägnierten Glasfasermatten ist die ausgestattet, die Einfluss auf die Pitchregelung haben. dem Rotordurchmesser wachsen auch die Lasten, die auf optimale Dosierung des Harzes und die damit verbundene Im Zusammenspiel von sehr flexiblen Rotorblättern mit das Rotorblatt und den Triebstrang einwirken. Die Kunst Minimierung des Blattgewichts. Sie gewährleisten zudem einer schnell reagierenden hydraulischen Pitchregelung des Rotorblattdesigns besteht darin, dem Rotorblatt die eine optimale Fasergeradlinigkeit. Sandwich-Lagen aus sowie der drehzahlvariablen Fahrweise der Maschine optimale Form zu geben, um den maximalen Ertrag aus dem Hartschaum, die in den Glasfaserverbund integriert wer- können Lastspitzen in Windböen deutlich reduziert wer- Luftstrom zu erzielen und dabei durch eine intelligente den, verbessern die Stabilität der Schalen. den. Nicht nur der Rotor, auch die gesamte Anlage kann Struktur und den Einsatz hochwertiger Materialien die dadurch leichter und kostengünstiger hergestellt werden. Belastung der Anlage so weit wie möglich zu reduzieren. Beim Rotorblatttyp V80 mit 39 Metern Länge, mit dem im Jahr 2002 in Lauchhammer die Produktion begann, Im Jahr 2011 erfolgte die Umstellung auf die V112 mit Die Blattentwickler bei Vestas verfolgen dabei die Philoso- wurden die dünnen Rotorblattschalen noch durch einen 55 Meter langen Rotorblättern. Die Erfahrungen, die man phie, dass Rotorblätter leicht, flexibel, aerodynamisch und Tragbalken aus GFK stabilisiert. Das änderte sich aber mit der V90 bis dahin gewonnen hatte, wurden im V112- langlebig sein müssen. Sie haben frühzeitig erkannt, dass schon im Jahr 2004 bei der Umstellung auf die V90 mit Konzept noch einmal deutlich verfeinert und optimiert. man nur mit dem Einsatz von hochwertigen und leichten 44 Metern Rotorblattlänge. Die Blattschalen wurden zwar Materialien erstklassige Rotorblätter herstellen kann. weiterhin aus Glasfasern hergestellt, doch der Tragbalken bestand erstmals überwiegend aus Carbonfasern. Moderne Rotorblätter bestehen vor allem aus glasfaser- verstärktem Kunststoff (GFK) und Carbonfasern. Das Vestas verarbeitet Carbonfasern von der Rolle in einer Grundkonzept der bisher in Lauchhammer gefertigten eigenen Shimoda-Anlage zu Carbonflanken. Die Heraus- Rotorblätter für die Windenergieanlagen V80, V90, V112 forderung besteht darin, das Carbon in eine Epoxyd-Matrix und V117 besteht darin, dass relativ dünne Blattschalen einzubetten, die keine Luft- oder Fremdkörpereinschlüsse dem Blatt die aerodynamische Form geben. Die Kräfte zulässt. Denn diese Einschlüsse stellen Schwachstellen werden vom Tragbalken, der zwischen den Schalen ver- dar, die unter Belastung zu signifikanten Schäden führen klebt ist, aufgenommen und an die Rotornabe abgeleitet. könnten.

38 Vestas Blades Lauchhammer Für einen wirksamen Blitz- schutz sind von der Blattspit- ze beginnend mehrere Blitz- schutzrezeptoren entlang des gesamten Rotorblattes angebracht und über Kabel mit der Nabe verbunden. Bild unten links: Vortexgene- ratoren steigern die Effizienz und reduzieren Strömungs- geräusche.

Im Jahr 2015 wurde durch eine Verlängerung des Tragbal- kens die Rotorblattlänge auf 57 Meter vergrößert. Daraus entstand die V117.

Die steigende Nachfrage nach immer effizienteren Wind- energieanlagen für schwache und mittlere Windstandorte beantwortet Vestas mit der Entwicklung der V136. Für die Fertigung der 67-Meter-Rotorblätter entschloss man sich zu einer grundlegenden Technologieänderung. Vestas verzichtet bei den neuen Blättern auf den Balken als kräfteführendes Element und greift stattdessen auf die Structural Shell Technology (SST) zurück. Das ist ein klassi- scher Blattaufbau, bei dem die Kräfte direkt über tragende Blattschalen an die Nabe abgeleitet werden. Die beiden Schalenhälften werden durch Scherstege, sogenannte Shear Webs, auf Abstand gehalten und stabilisiert. In ein Rotorblatt sind noch zahlreiche Raffinessen einge- optional Hinterkantenkämme, sogenannte Trailing Edge Vestas hat im Konzern schon früher Blätter in dieser Bau- baut, die einen sicheren Betrieb gewährleisten oder die Serrations, an der äußeren Blatthinterkante montiert, weise im Infusionsverfahren hergestellt, bei dem das Harz Leistung der Rotorblätter steigern. Für exponierte Bau- die Luftverwirbelungen und die damit verbundene Schall- über Vakuum in die vorab eingelegten Glasfasermatten werke wie Windenergieanlagen ist ein Blitzschutzsystem emission verringern. gesaugt wird. Diese Technologie ist einfacher zu hand- unentbehrlich. Vorderkantenbeschichtung schützt die haben, das Gewicht der Blätter jedoch höher. Um diesen Blätter vor Erosion. Im Bereich der Blattwurzel erzeugen Diese Features gewährleisten zusammen mit dem Nachteil zu kompensieren, kombiniert Vestas bei der V136 aufgeklebte Vortexgeneratoren kleine Wirbel und ver- innovativen Blattdesign und dem Einsatz hochwertiger die Structural Shell Technologie mit der Hybridbauweise. zögern so den Strömungsabriss. Für Regionen mit einer Materialien, dass die Vestas-Rotorblätter inzwischen Der wichtigste Vorteil der Hybridtechnologie ist die durch erhöhten Gefahr von Eisansatz bietet Vestas seinen den Anforderungen fast aller Standorte weltweit den sparsamen Einsatz von Harz erzielte Gewichtsreduzie- Kunden mit dem Vestas De-Icing System die Option, gewachsen sind. Dank der neuen Technologie macht rung. Das neue 67-Meter-Rotorblatt ist nur unwesentlich die Rotorblätter von innen durch ein Heißluftgebläse Vestas wieder einen wichtigen Schritt zu noch effizien- schwerer als das 57-Meter-Blatt einer V117. zu beheizen. Als schallmindernde Maßnahme werden teren Rotorblättern.

Hightech – effiziente Rotorblätter 39 Die Schalen der Rotorblätter werden aus vorimpregnierten Glasfasermatten gefertigt. Im Bereich Cutting/Stringer werden diese Prepregs für jeden Rotorblatttyp maß- genau zugeschnitten. Janine Falkenberg und Cornelia Schwarzer programmieren die Zuschnittmaschine.

Janine Hinzer Bereich Logistik/V136 Launch Team

»Ich kam gleich nach meinem Abitur im August 2004 zu Vestas und habe dort eine Ausbildung zur Industrie- kauffrau absolviert. Nach meinem berufsbegleitenden Betriebswirtschaftsstudium widmete ich mich der Ver- besserung von Logistik- und Produktionsabläufen.

Jetzt gehöre ich zum V136 Launch Team und kümmere mich um die im Umbau anfallenden logistischen Heraus- forderungen. Zwei unterschiedliche Fertigungstechno- logien ermöglichen uns, zukünftig Rotorblätter in drei verschiedenen Längen und mehr als 25 Blattvariationen auf insgesamt sechs Linien in Serie zu produzieren. Die- ses weit gefächerte Spektrum erfordert gut koordinierte Materialflüsse und deutlich mehr Lagerkapazitäten. Für das neue Rotorblatt müssen über 120 neue Materialien eingelagert und verwaltet werden.

Erste Maßnahme dabei war die Überprüfung der im Warenhaus vorhandenen Artikel, um Überbestände zu reduzieren und Ladenhüter zu eliminieren. Etwa 80 Euro- paletten Stellplätze konnten damit freigesetzt werden. Wir optimieren stetig unsere Abläufe, denn das gehört zum Logistikkonzept, welches wir im Rahmen des Um- baus entwickelt haben.«

40 Vestas Blades Lauchhammer »Wir halten ständig Kontakt zu den Kollegen in Dänemark und China und tauschen Erfahrungen aus, um eine reibungslose Produkteinführung bei laufender Fertigung zu gewährleisten.«

Janine Hinzer

41 »Für Vestas war ich schon weltweit unterwegs. Durch die Zusammen- arbeit mit den Kollegen aus den unter- schiedlichsten Kulturkreisen habe ich für mich und meine Arbeit enorm viele Erfahrungen gesammelt.«

Lutz Fritzsch

42 Lutz Fritzsch Specialist Advanced Product Quality Planning (APQP) Bei der Fertigung der Balken setzt Vestas seit 2004 Car- »Als Tischler habe ich millimetergenaues Arbeiten und bonfasern ein. Ingo Pitschula, das Verstehen von technischen Zeichnungen gelernt. Ines Leisner-Musche und Das half mir bei der Arbeit am Rotorblatt, als ich im März Enrico Künanz fertigen einen 2002 bei Vestas als Operator in der Schale angefangen Midrootspar an der Wickel- maschine. habe, und auch später als Schichtleiter.

Eine Ausbildung in England und Australien machte mich 2006 mit der Infusionstechnik vertraut. Ein Jahr später wurde ich Senior Process Instructor und habe als Trainer und Supervisor die Kollegen in den Rotorblattwerken in China, Spanien und den USA eingearbeitet.

Von 2008 bis 2015 arbeitete ich als Project Coordinator, zunächst für Prozessentwicklung, Test und Einführung neuer Materialien und untersuchte weltweit Rotorblatt- schäden. Als die V112 eingeführt wurde, leitete ich die erforderlichen Produkt- und Prozessänderungen in unserem Werk ein. Seit zwei Jahren unterstütze ich als Spezialist für APQP die Entwicklung für das Blatt der V136. Ich war bei den ersten Tests in England dabei und Nach dem Aushärten scannt auch bei der Fertigung der Prototypen in Dänemark. Kerstin Müller mittels Ultraschall Auch wenn die Hybridbauweise für mich nicht völlig neu den Midrootspar auf Luft- und ist, weil wir schon Prototypenblätter für die V110 nach Fremdkörpereinschlüsse. Die diesem Verfahren gefertigt haben, ist das neue Blatt eine Erfahrung bei der Verarbeitung Herausforderung in Bezug auf Prozess und Qualität.« von Carbon wird auch in die neue Technologie für die V136 einfließen.

Hightech – effiziente Rotorblätter 43 Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze

300 neue Arbeitsplätze entstehen im Werk Lauchhammer mit der Serienproduktion der Blätter für die V136. 44 Die Produktion von Rotorblättern ist ein arbeitskräfte- intensiver Prozess. Mit der Standortentscheidung für Lauchhammer vor 15 Jahren bekam Vestas Zugriff auf gut ausgebildete Fachkräfte in einer Region, deren Industrie sich im Umbruch befand. Sowohl im Werk als auch im Vestas-Konzern gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen zur regelmäßigen Qualifizierung der Mitarbeiter, um die steigenden Qualitätsstandards des Fertigungsprozesses sicherzustellen. Die Vestas Blades Deutschland GmbH in Lauchhammer ist der zweitgrößte Arbeitgeber im Land- kreis Oberspreewald-Lausitz.

45 Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze

Der Produktionsprozess läuft im Wesentlichen für alle Luftblasen aus dem Gelege herausgesaugt, damit sich das Blätter von der V90 bis zur V117 ähnlich ab. Im Bereich Harz flächig und lückenlos ausbreitet. Danach werden die Front End wird der tragende Balken gefertigt, der seit der Schalen unter Temperatureinwirkung ausgehärtet. V90 zum größten Teil aus Carbon besteht. Die Carbon- flanken für den Balken werden im Werk selbst, im Bereich Der nächste Fertigungsschritt vereinigt Balken und Blatt- Shimoda, hergestellt. Um den Balken schneller zu produ- schalen. Mit großer Präzision wird der Balken in der wind- zieren, wird er in fünf Teilen an separaten Maschinen parallel seitigen Schalenhälfte verklebt. Ist dieser Fertigungsschritt gefertigt. Der Rootspar bildet die Blattwurzel, in der die beendet, werden die beiden riesigen, über 55 Meter langen Gewindedorne für die Verbindung zur Nabe eingearbeitet Formen mit einer hydraulischen Vorrichtung zusammenge- sind. Die Faserlagen von Mainspar, Midrootspar, Midtip- klappt und die Halbschalen sowie der Balken miteinander spar und Tipspar werden einzeln im Wickelverfahren auf verklebt. Unter Temperatureinfluss härten die Klebeverbin- Aluminiumdornen aufgebaut und thermisch unter Vakuum dungen in der geschlossenen Form einige Stunden aus. ausgehärtet. Die fertigen Segmente des Balkens werden anschließend auf dem Main-Dorn zusammengefügt. Das Rotorblatt hat nun seine fertige Gestalt und wird nach der Kontrolle der Klebeverbindungen aus Halle 1 in die In Deutschland sind mittlerweile über 140.000 Menschen Während im Bereich Front End in hohem Maß Maschinen Schleifhalle des Bereichs Finish gebracht. Das Schleifen in der Windenergiebranche beschäftigt, davon 2.400 zum Einsatz kommen, ist der Bereich Back End, wie die der Klebekanten erfolgt seit 2010 in der Grobschleifkabi- bei Vestas. Ein Großteil davon ist am Standort Lauch- Fertigung der Schale genannt wird, sehr arbeitskräfte- ne. Bei diesem sehr staubintensiven Arbeitsschritt werden hammer tätig, denn die Herstellung der Rotorblätter ist intensiv. Zunächst werden in den Formen für die wind- die Arbeiter mit Motormasken vor dem Schleifstaub ge- nicht so leicht mechanisierbar und daher nach wie vor seitige und leeseitige Blatthälfte die beiden Halbschalen schützt. Die Luft in der Kammer wird permanent abgesaugt mitarbeiterintensiv. hergestellt, die dem Rotorblatt die äußere Gestalt geben. und gereinigt. Anschließend werden die Maßhaltigkeit der Im ersten Schritt wird die Form mit Gelcoat beschichtet, Blätter geprüft, die Blitzschutzrezeptoren in die Blattfläche Die Produktion in Lauchhammer begann 2002 auf vier einem Kunststoff, der am Ende des Prozesses die äußere eingesetzt und die Anströmkanten mit einem speziellen Fertigungslinien, d. h. an vier Formen für die Blätter der Oberfläche des Blattes bildet. Nach dem Anhärten des Überzug vor Erosion geschützt. V80. Zunächst wurde nur in der Tagschicht gearbeitet, Gelcoats werden die mit Harz getränkten Glasfasermatten nach ein paar Monaten dann im Schichtsystem. Auch Schicht für Schicht in die Form eingelegt und auch das Die Blätter werden über den Hof in die 2008 eingerichtete mit den Umbauten des Werkes auf die V90 und die Sandwich-Material für die Stabilisierung der Schale. An- Lackierhalle gezogen. Zur Vorbereitung der Beschichtung V112/117 blieb es bei vier Fertigungslinien im Werk. schließend werden mit einem Vakuumverfahren die letzten durchfährt das Blatt den Schleifroboter. Die gesamte Ober-

46 Vestas Blades Lauchhammer Zwei von Tausenden Hand- griffen für ein Rotorblatt der V117: Lutz Obermeyer schleift die Blitzplatten am Balken (linke Seite), Sina Krähe und Thomas Rathmann be- festigen das Vestas De-Icing System im Final Assembling.

fläche wird gleichmäßig angeraut, damit die Lackschicht besser haftet. In einer 130 Meter langen Lackierkammer fährt das Rotorblatt danach an den Lackierrobotern ent- lang, die den Lack gleichmäßig auf der Oberfläche versprü- hen. Abschließend verbleibt es bis zum Trocknen der Farbe und Ausdunsten der Gase in der Trockenkabine.

Im Final Assembling werden die Enteisungsanlage, die Load-Sensoren und das Blitzschutzsystem an der Blatt- An ihrer Stelle entstehen bei laufender Produktion vier Die Ausbildung von Facharbeitern ist ebenfalls fester wurzel installiert sowie Sonderfeatures wie Zacken an der neue Linien für die Fertigung der V136-Blätter. Das Bestandteil des Qualifizierungsprogramms in Lauch- Abströmkante und Vortexgeneratoren aufgeklebt. Der bedeutet nicht nur ein neues Fertigungsverfahren, sondern hammer. Seit 2003 wurden 148 Lehrlinge zu Verfahrens- letzte Fertigungsschritt heißt »Pitch & Weight«. Hier wird auch, dass in Zukunft in sechs Linien gearbeitet wird. mechanikern für Kunststoff und Kautschuktechnik, zunächst der Pitchwert angezeichnet, der den Monteuren Mechatronikern, Lagerlogistikern und Industriekaufleuten später beim Aufbau die exakte Ausrichtung der Blätter Um diese Umstellung zu bewältigen, will Vestas in Lauch- ausgebildet. Nahezu alle Auszubildenden wurden von ermöglicht. »Weight« steht für das Wiegen und Ausglei- hammer bis Ende des Jahres rund 300 neue Mitarbeiter Vestas übernommen. chen des Blattgewichts. Die Differenz darf innerhalb eines einstellen. Zudem ist eine Qualifizierung des Mitarbeiter- Blattsatzes fünf Kilogramm nicht überschreiten. Zu große stamms unerlässlich, um das erforderliche Qualitätsniveau Wie die laufende Qualifizierung des Personals, die Arbeits- Gewichtsunterschiede führen zur Unwucht und belasten bei der Hybridtechnologie zu sichern. Für alle Mitarbeiter sicherheit und die hohen Qualitätsstandards hat auch den Triebstrang. wurden Schulungen angeboten, in denen über das neue die Mitarbeiterzufriedenheit einen hohen Stellenwert im Rotorblatt, die Hybridtechnologie und über die neuen Unternehmen. Teambildende Maßnahmen, wie Sommer- Das fertige Blatt wird dem Bereich Logistik übergeben, der Arbeitsplätze informiert wurde. Jeder Mitarbeiter bekam feste, Weihnachtsfeiern und Sportveranstaltungen, es bis zum Abtransport auf die Baustelle auf der Freifläche die Chance, sich innerbetrieblich auf die neuen Jobs zu tragen dazu bei, dass sich die Belegschaft als eine große des Werkes zwischenlagert. bewerben. 50 Trainer wurden im Trainingscenter in Lem, Gemeinschaft begreift. In dem Maß, wie die Mitarbeiter Dänemark, für die neuen Prozesse geschult. Sie bekamen erfahren, dass sie durch hohe Eigenverantwortung und Seit März 2017 wird die Produktion auf die Fertigung der auch spezielle Kurse zu Trainingsmethoden, die sich als aktive Mitbestimmung die Prozesse selbst mitgestalten 67 Meter langen Blätter für die V136 umgestellt. Dafür sehr effektiv erwiesen, um die Mitarbeiter binnen kürzester können, steigt die Motivation jedes Einzelnen. Darin liegt wurden zwei der vier Formen und die entsprechenden Zeit auf das neue Produkt anzulernen, ohne von den hohen der Schlüssel für die Qualität der Produkte und den Erfolg Maschinen für die Fertigung der Balken zurückgebaut. Qualitätsansprüchen abzurücken. des Unternehmens.

Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 47 Thomas Plonczynski Lead Engineer Technical Support Equipment

»Bevor das Werk in Lauchhammer errichtet wurde, arbeitete ich für die Firma IMBAU, die Betonfertigteile wie die Binder und Stützen für unsere Produktionshallen geliefert hat. Auf diese Weise war ich schon am Aufbau des Werkes beteiligt.

Im September 2002 habe ich hier angefangen und nach- einander vier Abteilungen durchlaufen. Anfangs war es die Leitung der Qualitätsabteilung als QSE-Manager. Formwartung: Die Abteilung 2003 wurden wir erfolgreich nach ISO 9001 zertifiziert Technical Support Equipment und in den folgenden Jahren auch nach ISO 14001 und ist für die Wartung und Instand- haltung der Maschinen verant- ISO 18001. Acht Jahre später wechselte ich in die wortlich. Die Oberfläche der Maintenance-Abteilung und beschäftigte mich ab 2013 Form muss nach 80 bis 100 mit dem Projekt Formwartung. Ziel war es, den Zeitauf- Abdrücken überprüft und bei wand für die Wartung zu verkürzen. Damals dauerte die Bedarf verschliffen werden. Formwartung 140 Stunden, später brauchten wir nur noch durchschnittlich 82 Stunden. In diesem Jahr übernahm ich die Abteilung Technical Support Equipment.

Sport spielt für mich eine große Rolle. Ich habe etliche Sportveranstaltungen im Vestas-Firmenverbund orga- nisiert. Am schönsten waren die europaweiten Turniere. Dann kamen Volleyball-Mannschaften aus den Rotor- blattfabriken in Dänemark, Deutschland, England und Italien zusammen.«

48 Vestas Blades Lauchhammer »Man trifft mich selten am Schreibtisch an, sondern eher in der Produktion. Die Kollegen schätzen es, wenn jemand vor Ort ist, der Entscheidungen treffen kann.«

Thomas Plonczynski

49 »Wir sind ein eingeschworenes Maintenance-Team, wenn einer Hilfe braucht, gibt es immer Kollegen, die unterstützen!«

Thomas Wünsche

50 Thomas Wünsche Ingenieurassistent/Techniker Shimoda

»Ich gehöre zu den Mitarbeitern der ersten Stunde. Mein Vorstellungsgespräch führte ich im Dezember 2001 im Container auf der Baustelle und gleich nach Neujahr konnte ich anfangen. Nach einer dreimonatigen Aus- bildung in Dänemark habe ich ab April 2002 zusammen mit fünf Kollegen in Lauchhammer die Maschinen auf- gebaut, die die Prepreg-Zuschnitte herstellen. Danach konnte die Produktion beginnen. Anschließend wurde ich zum Prozessleiter der zentralen Instandsetzung ernannt.

Seit 2012 habe ich die Verantwortung für den Prozess im Bereich Shimoda. Wir fertigen mit Robotern die schwarzen Carbongelege, die in den Balken verbaut werden. Im Bereich Shimoda werden in einem automatisierten Außerdem bin ich als Energy Control Coordinator dafür Prozess die Carbongelege verantwortlich, dass die gespeicherten Energien keinen hergestellt. Die Qualität der Schaden anrichten können, wenn wir nach Abschaltung Carbonverarbeitung in der der Anlagen daran arbeiten müssen. Das bedeutet zum Balkenfertigung kontrolliert Beispiel, dass die Hydraulik entspannt und dass die Jens Schmiele mit einem NDT-Scan, einer zerstörungs- Kondensatoren entladen sind, bevor ich grünes Licht freien Prüfung. gebe. Außerdem bin ich als verantwortliche Elektro- fachkraft hier am Standort für die Ausbildung der Mecha- troniker verantwortlich.«

Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 51 Sebastian Adam Rootspar, Shimoda und Balken

Das Front End umfasst den »Zu Vestas bin ich durch meine Fremdsprachenkenntnisse gesamten Herstellungspro- gekommen. Als ich noch Ingenieurstudent war, suchte zess des Balkens, einschließ- Vestas einen Dolmetscher mit technischem Hintergrund, lich der Bereiche Rootspar da im Werk einige spanische Kollegen trainiert werden und Shimoda. Christian sollten. Das war eine fantastische Gelegenheit, einen Schwabe und Olaf Pohlan tiefen Einblick in die Produktion und den Charakter des ziehen eine Leimkante im Unternehmens zu bekommen und sehr viel über die Rotor- Rootspar zur Vorbereitung blattfertigung zu lernen. des Vakuumprozesses. Später waren meine Englischkenntnisse gefragt, als Kolle- gen aus den USA im Werk trainiert wurden. Dadurch blieb ich mit Vestas in Kontakt, und als bald darauf ein Ingenieur gesucht wurde, hat man mich angesprochen. Weil ich an der Uni Kunststofftechnik mit Schwerpunkt Leichtbau studiert hatte, durfte ich 2010 als der neue Shimoda- Ingenieur durchstarten.

Fünf Jahre später wurde ich gefragt, ob ich mir nicht auch die Produktionsleitung zutrauen würde. Weil ich wusste, dass ich mit André einen erfahrenen Produktionsleiter an meiner Seite haben würde, zögerte ich nicht lange und konnte meine neue Aufgabe im Januar 2016 beginnen.«

52 Vestas Blades Lauchhammer »Als studentischer Dolmetscher für Spanisch und Englisch habe ich im Werk angefangen und ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich ein paar Jahre später hier die Produktions- leitung übernehmen würde.«

Sebastian Adam

53 »Die Tätigkeit in der Schale zusammen mit dem großen Team, geprägt von einer ausgelasteten Produktion, hat mir immer viel Freude gemacht.«

André Broschwitz

54 André Broschwitz Produktionsleiter Back End

»Von Anfang an hat mich der dänische Einfluss des Kon- zerns beeindruckt – die Kollegialität, das selbstverständ- liche »Du« in allen Ebenen und die Aufbruchsstimmung. Als die Produktion ab Juli 2002 hochgefahren wurde, arbeitete ich zunächst im Bereich Schale und bekam einige Monate später die Chance, dort stellvertretender Prozess- leiter zu werden. Es war eine schöne und bereichernde Zeit.

In den Jahren 2004 und 2005 habe ich das Serviceteam begleitet und war häufig mit dem Hubsteiger in Nord- deutschland unterwegs, um Rotorblätter zu reparieren. Die Fertigung der Schalen, das Zwei Jahre später lernte ich ferne Länder kennen, als ich Verkleben mit dem Balken sowie die Begutachtung von Rotorblättern unterstützte. Finish und Final Assembling bilden das Back End des Produk- tionsprozesses. Mitarbeiter Bald darauf kehrte ich in den Produktionsbereich Schale der D-Schicht bringen die erste zurück, zunächst als Assistent des damaligen Produktions- Glasfaserlage in die Schale. leiters Gerd Meffert und später als dessen Stellvertreter. Mein Fernstudium mit Abschluss als Qualitätsmanager und Produktionsmanager war dafür eine gute Vorausset- zung. Im Februar 2016 übernahm ich als Produktionsleiter das Back End des Werks. Die vergangenen 15 Jahre waren Zur Stabilisierung der Schalen eine stetige Bereicherung und eine Erfahrung fürs Leben.« werden PET-Hartschaumplat- ten in Sandwich-Bauweise in die Glasfaserlagen eingebettet.

Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 55 Vor dem Verleimen kontrollieren René Funke, Jörn Katzschke und Hartwig Stach die Pass- genauigkeit des Balkens in der windseitigen Schalenhälfte.

Mit dem Schließen der Form werden die beiden Schalen- hälften und der Balken miteinander verklebt. Unter Temperatureinfluss härten die Klebeverbindungen über mehrere Stunden aus. Für ein Rotorblatt der V112 bringen Lutz Obermeyer, Torsten Janscher und Holger Dörsel den Leim zum Ver- kleben des Balkens im Root- bereich der Schale ein.

56 Vestas Blades Lauchhammer Am Ende jedes Prozessbe- reichs passiert das Rotorblatt ein Quality Gate. Nach dem Abformen im Bereich Schale kontrollieren Roland Baudach und Holger Dörsel die Qualität der Klebeverbindung mittels Thermografie.

57 Maßhaltigkeit: Daniel Bordihn, Nick Steinbach und Paul Opitz vermessen die Blattspitze.

Finish: Das Schleifen der Klebe- kanten erfolgt seit 2010 in der Grobschleifkabine. Bei diesem sehr staubintensiven Arbeits- schritt werden die Mitarbeiter mit Motormasken vor dem Schleifstaub geschützt.

Entlang des Blattes werden mehrere Blitzrezeptoren montiert. Ronny Schneider schleift den Blitzschutzbolzen plan mit der Oberfläche.

58 Vestas Blades Lauchhammer Die Oberfläche des Rotorblattes wird vor dem Lackieren mit den Schleifrobotern zur besseren Haftung des Lacks aufgeraut.

59 »Die stetigen Veränderungen zu bewältigen ist nur möglich, wenn man ständig ein Ohr an der Produktion hat und sich mit den Kollegen täglich austauscht.«

Sven Ulke

60 Sven Ulke Prozessingenieur Final Assembly

»Als ich im September 2007 als frischgebackener Inge- nieur bei Vestas Blades anfing, war ich zunächst für das zerstörungsfreie Prüfen verantwortlich. Ein Jahr später betreute ich die Umstellung der Lackierung auf vollauto- matischen Betrieb. Der nächste große Schritt kam zwei Jahre später, als wir uns auf die Produktion des Blattes der V112 vorbereiteten. Das Finish wurde auf eine Art Fließbandproduktion umgestellt und diesen Prozess habe ich vier Jahre lang ingenieurstechnisch betreut.

Zehn Jahre sind nun vergangen und rückblickend staune ich immer noch darüber, wie viel sich stetig verändert hat Der Lackierroboter fährt und wie lebendig die Produktion ist. Das Gute ist, dass sich 30.000 einzelne Punkte an, alle hier im Werk darauf einlassen und dass man dadurch um das Rotorblatt komplett die beste Unterstützung für Veränderungen bekommt. zu lackieren. Sowohl das Blatt als auch der Roboter bleiben In diesem Sog bekommt man einen Überblick über das dabei ständig in Bewegung, große Ganze. Zurzeit läuft der Umbau für die V136 und damit der Lack gleichmäßig aufgetragen wird. diese Konversion ist für mich persönlich die spannendste Zeit. Es ist faszinierend, wie viele Ideen, auch ungewöhnliche und radikale, auf allen Ebenen entstehen und dass alle mitgerissen werden, um die besten Ideen umzusetzen.«

Produktion – zukunftsfähige Arbeitsplätze 61 Logistik – aus Lauchhammer in die Welt

Rotorblätter gehören zu den längsten Bauteilen, die auf der Straße transportiert werden. Nacht für Nacht verlassen Sondertransporte das Werk in Lauchhammer. So spekta- kulär diese auf Außenstehende wirken, für das Logistik- team in Lauchhammer besteht die Herausforderung darin, effiziente Routinen zu finden, um die Transportkosten zu senken. Am 28. März 2017 wurde der Prototyp des neuen 67-Meter-Blattes für die V136 aus Dänemark nach Lauchhammer geliefert. Vor Beginn der Serienproduktion werden damit die Transportabläufe im Werk trainiert und die Bearbeitungsmaschinen für dieses Blatt eingerichtet.

62 67 Meter misst das neue Rotor- blatt für die Vestas V136. Entsprechend groß wird die logistische Herausforderung. In der Spitze verlassen 15 Schwertransporte am Tag das Werk in Lauchhammer.

63 Logistik – aus Lauchhammer in die Welt

Rotorblätter moderner Windenergieanlagen gehören zu Wachsende Blattlängen haben die Entwicklung der Trans- gebaut und Äste gestutzt. Bei sehr engen Ortsdurch- den längsten Bauteilen, die gegenwärtig auf der Straße portfahrzeuge forciert. Vor zehn Jahren konnten die fahrten in der Nähe des Windparks oder wenn der Weg transportiert werden. Bei Rotorblatttransporten handelt es Rotorblätter noch mit konventionellen Teleskopaufliegern im Gebirge über Serpentinen führt, kann ein schwerer, sich jedoch nicht um einmalige Spezialtransporte, die über transportiert werden. Bei der V90 wurden die Blattspitzen selbstfahrender Rotorblatttransporter erforderlich sein. Jahre vorbereitet werden und gegebenenfalls schwere auf Europaletten gelagert. Diese Lösung war nicht gerade Das Rotorblatt wird daran nur mit der Blattwurzel ange- bauliche Eingriffe in die Route gestatten, sondern um anspruchsvoll, jedoch einfach und kostengünstig. Doch flanscht, sodass es sich während des Transports bei Bedarf allnächtliche Routine auf den Autobahnen. Als Langtrans- Blattlängen über 50 Meter erfordern extra für Rotorblätter bis zu 60° oder 70° nach oben schwenken lässt. Um dem porte verursachen sie eine »übermäßige Straßennutzung« ausgelegte Spezialfahrzeuge, weil die Rotorblätter nicht Wind dabei möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, kann und benötigen daher eine Sondergenehmigung und unter- nur länger, sondern auch breiter werden. Außerdem bieten es auch in der Längsachse gedreht werden. liegen bestimmten Sperrzeiten. die extrem langen Rotorblätter dem Wind mehr Angriffs- fläche. Die für den Rotorblatttransport konstruierten Aus rein technischen Gesichtspunkten ist fast jeder Stand- Auflieger sind deshalb sehr torsionssteif und schwer, ort für Rotorblatttransporte erreichbar. Doch über ihre sodass sie auch bei starkem Seitenwind sicher auf der Realisierbarkeit entscheiden, wie so oft in der Industrie, in Straße rollen. erster Linie die ökonomischen Kriterien, vor allem, wenn sie Alltagsgeschäft sind. Moderne Telesattelpritschen, die sich vierfach auf rund 60 Meter Länge teleskopieren lassen, sind gegenwärtig Der Produktionsprozess verlangt Kontinuität, die Liefe- Stand der Technik. Sie können Rotorblätter bis zu rung auf die Baustellen hingegen soll möglichst just in 70 Metern Länge transportieren. Die Hinterachsen, time erfolgen. Um diese Diskrepanz auszugleichen, auf denen die Spitze des Rotorblattes gelagert ist, sind gibt es auf dem Werksgelände Lagerflächen für einige einzeln lenkbar, um auch enge Kurven zu bewältigen. Hundert Blätter. Von dort aus verlassen täglich drei bis Auch die Bodenfreiheit ist variierbar. Damit lassen sich sechs Transporte das Werk. In der Spitze waren es 15, auch die neuen 67-Meter-Rotorblätter fast auf dem was jedoch die Grenze des Machbaren für das Team der gesamten europäischen Fernstraßennetz transportieren. Abteilung Versand und Transport bedeutet. Das Prozedere ist in Lauchhammer seit Jahren eingespielt. Vormittags Damit die Rotorblätter planmäßig ihr Ziel erreichen, wird fahren zwei Mobilkräne auf den Lagerplatz und heben die vorher die Strecke geprüft. Enge Kurven werden weitest- Rotorblätter auf die Trailer, damit um 14 Uhr die Trans- gehend vermieden, Verkehrsschilder falls notwendig ab- porte fahrbereit sind. Der frühe Termin ist erforderlich,

64 Vestas Blades Lauchhammer Vorbereitung und Organisation der Transporte unterliegen dem Bereich Versand. Dazu gehört neben der Lagerung der Blätter vor allem die Abfertigung der allnächtlichen Straßentransporte. Vestas testete auch den Transport von Rotorblättern mit der Bahn.

weil die Fahrer ihre vorgeschriebenen Ruhezeiten einhalten Auch den Versand auf der Schiene und auf dem Wasser- müssen. Erst acht Stunden später, um 22 Uhr, setzen sich weg hat Vestas mit dem Ziel der Kosteneinsparung die Sattelzüge in Bewegung. Es handelt sich wegen der getestet. In den Jahren 2006 bis 2011 wurden Transporte Länge um Sondertransporte und deshalb dürfen sie nicht von den Häfen in Mühlberg und über die Elbe früher auf die Straße. abgewickelt. Neben dem Unsicherheitsfaktor des oft zu niedrigen Wasserstandes stellte sich heraus, dass das ein- Im Laufe der Nacht können die Fahrzeuge die meisten zelne Rotorblatt auf diesem Weg zu oft umgeladen werden Standorte in Deutschland erreichen. Vestas Blades hat von muss, bevor es seinen Bestimmungsort erreicht. Lauchhammer aus aber auch schon nach Schweden und Finnland geliefert, oder zum Seehafen nach Esbjerg. Dieses Manko zeigte sich auch beim Transport mit der Dafür brauchen die Transporte zwei Nächte. Von Esbjerg Bahn, den Vestas zwischen 2012 und 2013 für zwei aus werden die Rotorblätter in die ganze Welt exportiert. Projekte in Schweden und Finnland erprobte. Insgesamt 162 Rotorblätter für V112 wurden mit Tiefladern zum Der logistische Aufwand ist enorm hoch und birgt noch Gleisanschluss in das nahe gelegene BASF-Werk in gehöriges Einsparpotenzial. Jeder Transport benötigt gefahren und dort auf Waggons verladen. Genehmigungen, Begleitfahrzeuge und bis zur Autobahn Auch diese Transportvariante lohnt sich derzeit nur für auch polizeiliche Begleitung. Die Kosten dafür trägt einzelne ausgewählte Projekte. Das Know-how dafür zunächst einmal der Lieferant. Oft kam es vor, dass die ist vorhanden. Mit einem eigenen Gleisanschluss kann polizeilichen Einsatzkräfte gebunden waren und der Start der Transport auf der Schiene einst wieder ein Thema der Transporte sich verzögerte. Vestas hat daher mit dem werden. Bis dahin jedoch werden die Logistiker aus dem Landesbetrieb Straßenwesen des Landes Brandenburg Versand auch in den folgenden Nächten wieder drei oder ein zunächst einjähriges Pilotprojekt für den polizeifreien sechs und manchmal auch 15 Langtransporte auf die Transport bis zur Autobahn A13 im Test und verspricht Straße schicken. sich davon mehr Flexibilität und Senkung der Transport- kosten. Die Behörden hingegen erwarten davon Entlas- tung für ihre Beamten.

65 »Vestas bringt alle Rotorblätter sicher ans Ziel, auch wenn es mal eng wird.«

Heiko Dorn

66 Die Logistik beginnt im Werk. Um bei kontinuier- licher Produktion jeder- zeit bedarfsgerecht und pünktlich zu liefern, gibt es als Puffer Lagerplätze für einige Hundert Rotorblätter auf dem Werksgelände.

Heiko Dorn Prozessleiter Versand/Transport seit August 2002

»Ich bin von Anfang an dabei. Ende Juli 2002 hatte ich mein Vorstellungsgespräch im gerade erst fertiggestellten Bürogebäude und schon 14 Tage später bekam ich die Zusage. Ich konnte also praktisch gleich anfangen.

Obwohl die Blätter seitdem immer länger und breiter wurden, hat sich am Transport bisher nichts Grundsätz- liches geändert. Die Fahrzeuge wurden den erhöhten Anforderungen angepasst. Manches ist sogar einfacher geworden. Für den Fahrweg bis zur Autobahn brauchten wir früher eine polizeiliche Begleitung. Zurzeit testen wir, ob auch das Begleitfahrzeug eines privaten Unter- nehmens genügt.

Nach wenigen Kilometern erreicht der Transport die Autobahnauffahrt. Sie ist wegen des engen Kurvenradius ein möglicher Engpass. Bisher reicht es noch, die Spitze des Rotorblattes streicht in der Kurve über die Leitplanke hinweg. Für das neue 67 Meter lange Rotorblatt planen wir einige Umbaumaßnahmen.

Auf der Autobahn gibt es keine Probleme, das Rotorblatt passt unter jeder Brücke hindurch. Erst wenn es auf Neben- straßen ins Mittelgebirge geht, wird es wieder kompliziert. Manch einen Trailer manövrierten wir schon kilometerweit rückwärts durch den Wald zur Baustelle.«

Logistik – aus Lauchhammer in die Welt 67 Warten auf die Nacht: Der Konvoi steht bereit für die Abfahrt. Ab 22 Uhr dürfen die Spezialtransporte mit den Rotorblättern auf die Straße. Innerhalb einer Nacht können sie fast alle Ziele in Deutsch- land erreichen.

68 Vestas Blades Lauchhammer Präzisionsarbeit in 119 Metern Höhe: Die 55 Meter langen Rotorblätter werden einzeln an der Nabe einer Vestas V112-3.0 MW im Windpark Ballstädt montiert.

69 Qualität –gemeinsam für die Energiewende

15,1 Terawattstunden Energie haben die 7.600 in Deutschland instal- lierten Vestas-Anlagen im Jahr 2016 in das Stromnetz einge- speist. Das entspricht mehr als drei Viertel des Stromverbrauchs von Brandenburg. 70 Hohe Qualität bei der Fertigung von Windenergieanlagen ist Voraussetzung für ihren effizienten Betrieb. Regionale Wertschöpfung, aktive Bürgerbeteiligung und -mitbestim- mung sowie ihre Nachhaltigkeit sind wesentliche Faktoren für die Akzeptanz der Windenergie. Ihr dezentraler Charakter macht sie zu einer demokratischen Form der Stromerzeugung. All das stellt eine neue Qualität bei der Stromproduktion dar, bei der Hersteller und Betreiber von Windenergieanlagen als Partner ein gemeinsames Ziel verfolgen: das Voranbringen der Energiewende.

71 Qualität – gemeinsam für die Energiewende

Aus diesen Gründen ist das Vertrauen der Kunden in die Qualität des Produktes so wichtig. Vertrauen gewinnt man Harald Wegers nur durch Offenheit und Aufklärung. Das Werk in Lauch- Quality & Engineering hammer steht für alle Kunden offen, die sich ein Bild von der Fertigung, den Arbeitsabläufen und der Qualitätskont- »Ich bin seit 2009 Qualitätsmanager hier im Werk. Vestas rolle machen wollen. definiert diese Aufgabe als Schnittstellenfunktion zu unseren Kunden, denn Kundenzufriedenheit ist immer der Wenn die Kunden das Werk besuchen, sehen sie zuerst Maßstab für Qualität. Weil Qualität durch stabile Prozesse die Ordnung und Sauberkeit im Werk und das ist eine entsteht, wurden 2017 die Abteilungen Quality und Tech- wichtige Voraussetzung für Qualität. Sobald sie genauer nical Support zusammengelegt. hinschauen, können sie die Strukturen des Arbeitsablaufs und die Stabilität der einzelnen Prozessschritte erkennen. Besuche hier im Werk helfen den Kunden, die Qualität Sie können daraus auf die Qualität schließen, die durch die »erleben« zu können. Sie wollen sehen, wie die Rotorblätter stabile Interaktion von Mensch, Maschine, Material und produziert werden, die später in ihren Windparks Strom Umgebungsbedingungen gesichert wird. erzeugen. Kunden nehmen immer dann einen positiven Eindruck von unseren Prozessen mit, wenn diese in einer Außerdem erhalten die Kunden Auskunft über die Maß- sicheren und sauberen Umgebung, kontrolliert und ohne Eine Windenergieanlage soll mindestens 20 Jahre zuver- nahmen, die zur Sicherung der Qualität unternommen Hektik ablaufen. Sie empfinden die Prozesse als stabil, lässig Strom erzeugen. Allen Kunden ist bewusst, wie viel werden. Die Quality Gates am Ende jedes Prozessbereichs wenn die Mitarbeiter einen fokussierten Eindruck machen dabei vom Rotorblatt abhängt. Über die gesamte Lebens- sind wichtige Stationen bei allen Kundenbesuchen. Dort und die Struktur des Arbeitsablaufs erkennbar ist. dauer der Anlage soll das Rotorblatt bei Sturm und Regen, geben die Mitarbeiter Auskunft über die visuellen Kontrol- Schnee und Hagelschlag ausdauernd seine Arbeit leisten. len und die zerstörungsfreien Prüfungen. Von großem Inte- Ursprünglich komme ich aus dem Rheinland und wohne Es ist die exponierteste und deshalb auch empfindlichste resse ist auch stets das Quality Gate der Lackierung. Dort nun mit meiner Frau und unserem Sohn in Dresden. Ich Komponente der Windenergieanlage. Kleine, oberfläch- erfahren die Kunden, wie die Dicke der Lackschicht geprüft schätze vor allem die Zuverlässigkeit, Eigenmotivation und liche Schäden können repariert werden, aber sehr große wird und wie die Leading Edge Protection aufgebaut ist, Loyalität der Mitarbeiter hier in unserem Werk. Sie sind ein Schäden infolge von Materialfehlern oder Mängeln am die Schutzschicht gegen Erosion an der Anströmkante. wesentlicher Erfolgsfaktor für unser Unternehmen.« Blitzschutzsystem können zum Verlust des gesamten Blattes führen.

72 Vestas Blades Lauchhammer »Qualität kann in unsere Blätter nicht reingeprüft, sondern muss reinproduziert werden. Verlässliche Qualität ist immer das Produkt von stabilen Prozessen.«

Harald Wegers

73 Bereit zur Auslieferung: Rotorblätter auf dem Lagerplatz im Werk

Blitzschutz ist ein sehr wichtiges Thema für die Kunden, Wert auf die regionale Wertschöpfung. Sie wollen durch denn die Gefährdung des Rotorblattes bei Gewitter ist lokale Projekte mit Bürgerbeteiligung die Wirtschaft in jedem klar. Also erhalten die Kunden auch umfassend der Region fördern. Auskunft darüber, wie das Blitzschutzsystem funktioniert und wie es eingebaut wird. An dieser Stelle überschneiden sich weitestgehend die Interessen des Werks und seiner Kunden, die in Süd- Die bedeutendste Qualitätssicherungsmaßnahme ist brandenburg und Sachsen Windparks errichten. Wenn das Wissen der Mitarbeiter. Sie kennen die Bedeutung Rotorblätter aus Lauchhammer in dieser Region zum der Prozesse, für die sie verantwortlich sind, und wissen, Einsatz kommen, dann ist es auch leichter, die Brücke zur wie wichtig ihr Beitrag für das Produkt ist. Der wichtigste Bürgerbeteiligung zu schlagen und die Akzeptanz der Garant für hohe Qualität ist also das Commitment der Windparkprojekte zu erhöhen. Die Bürger sind dann nicht Mitarbeiter. Einige Kunden wollen aber nicht nur wissen, nur am Ertrag des Windparks beteiligt, sondern wissen unter welchen Rahmenbedingungen die Rotorblätter in auch, dass sie zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Lauchhammer produziert werden, sondern sie legen auch Region beitragen.

74 Vestas Blades Lauchhammer UKA-Gruppe

Was 1999 mit drei Mitarbeitern begann, hat sich zu Nach Auffassung der UKA kann die Energiewende nur als »Als führender Windparkentwickler und größter Kunde von einer Unternehmensgruppe mit rund 500 Beschäftigten gesellschaftliches Projekt gelingen, das von den Bürgern Vestas in Deutschland entwickeln und betreiben wir seit entwickelt, die zum zweitgrößten Windparkentwickler in den Gemeinden getragen wird. UKA-Bürgerwindmodelle 18 Jahren Windparks. Daher wissen wir: Um langfristig in Deutschland aufgestiegen ist. In den vergangenen sollen die nachhaltige Gemeindeentwicklung unterstützen, erfolgreiche Windparks zu realisieren, braucht es ein gutes 18 Jahren hat die UKA-Gruppe mehr als 40 Windparks indem sie die Menschen vor Ort zu aktiven Gestaltern Produkt und engagierte Mitarbeiter, die an dieser Qualität errichtet. Der Projektentwickler ist zu einem Motor der der Energiewende machen. Das Ziel ist, die lebendige dezentralen Energiewende geworden. Bürgerschaft zu fördern und lokale gesellschaftliche kontinuierlich arbeiten. Das Rotorblattwerk in Lauchham- Initiativen und Organisationen zu unterstützen, darunter mer hat es geschafft, weltweit Maßstäbe hinsichtlich Qua- UKA legt Wert auf den Interessenausgleich aller Beteilig- viele Sportvereine. lität und Fertigungskompetenz zu setzen. Die Geschäfts- ten und die Bindung an die Regionen, in denen die Wind- führung in Lauchhammer hat mit großem Engagement und parks stehen. Deshalb hat die Unternehmensgruppe dort Die UKA-Gruppe ist größter Vestas-Kunde in Deutschland mit Augenmaß seit 2002 den Grundstein zu diesem Erfolg die acht Firmenstandorte angesiedelt: in Meißen, , und wird noch in diesem Jahr in Lieskau, Brandenburg, gelegt. Davon konnten wir uns bei Werksbesichtigungen Rostock, Erfurt, Oldenburg, Bielefeld, Hannover und Loh- die weltweit erste V136-Windenergieanlage in Betrieb men (Mecklenburg). nehmen. und Kundengesprächen überzeugen. Wir gratulieren zum 15-jährigen Bestehen allen Mitarbeitern am Standort in Lauchhammer.«

Dr. Kay Dahlke Geschäftsführer UKA-Gruppe

Windenergiepark -Schadewitz Windfest im Windenergiepark Barkow

Qualität – gemeinsam für die Energiewende 75 NOTUS energy

Als im Deutschen Technikmuseum in Berlin ab 2011 die »Das Vestas-Rotorblattwerk in Lauchhammer habe ich Sonderausstellung »Windstärken« gezeigt wurde, sollte das erste Mal im Frühjahr 2002 besucht, wenige Monate ein Originalrotorblatt vor dem Museum für die Ausstellung vor der Fertigstellung. Seither begleitet es uns bei fast werben. Der Windenergieanlagen-Hersteller Vestas hat allen unseren Projekten. Bereits unser erster Windpark dafür ein in Lauchhammer gefertigtes, 44 Meter langes mit 14 Vestas V80 wurde mit Flügeln aus Lauchhammer Rotorblatt einer Vestas V90 zur Verfügung gestellt. Die Firma NOTUS energy übernahm federführend die Planung ausgestattet. Seither hat uns das Werk regelmäßig in und Realisierung des Vorhabens. Aufgrund der erfolgrei- zahlreichen Windparks beliefert. Von 2010 an haben wir chen Zusammenarbeit mit langjährigen Geschäftspart- auch die V112 neben der Werkhalle geplant und 2012 nern konnte das Projekt als 100-prozentiges Sponsoring die Bauleitung übernommen. Wir von NOTUS beglückwün- realisiert werden. schen Vestas zum 15-jährigen Werksjubiläum und freuen uns auf eine weitere lange Zusammenarbeit.« Weil das Rotorblatt im Winkel von 70 Grad steil in den Himmel ragen sollte, war eine Sondergründung aus Stahl und Stahlbeton notwendig. Die Berechnung des Funda- Heiner Röger ments erforderte die fachübergreifende Zusammen- Geschäftsführer NOTUS energy arbeit zwischen den ausführenden Fachplanern und den Vestas-Entwicklungsingenieuren. Bei praktischen Hebe- versuchen in der Rotorblattfertigung wurde getestet, Mit ihrem Hauptsitz in Potsdam sowie ihren Niederlassun- wie das Rotorblatt in die geplante Montageposition gen in Anklam, Köln, Cottbus, Feldberg und Schönwalde gebracht werden kann. ist NOTUS energy in weiten Teilen Deutschlands vertreten, wobei die Schwerpunkte im Raum Brandenburg und Meck- Am 30. November 2011 wurde das Rotorblatt vor dem lenburg-Vorpommern liegen. Ein Team von spezialisierten Museum montiert und blieb zunächst für drei Jahre dort Mitarbeitern vereint Ingenieure, Geografen, Kartografen, stehen. Auf Wunsch des Museums wurde das Fundament Naturwissenschaftler, Ornithologen und Juristen, um in im Dezember 2015 ertüchtigt, sodass das Rotorblatt nun Eigenregie alle Aufgaben bewältigen zu können, die für dauerhaft mitten in Berlin für die Windenergie wirbt. eine erfolgreiche Projektentwicklung erforderlich sind.

76 Vestas Blades Lauchhammer MLK-Gruppe

Ökologisch nachhaltige Stromerzeugung ist ein wichtiger Schließlich setzen wir uns dafür ein, dass die Stromkosten »Nachhaltigkeit und regionale Wertschöpfung stehen im Baustein der globalen Energiewende. Der Anspruch der der Windparknachbarn kräftig sinken. Wir haben mit der Vordergrund unserer Windparkplanungen. Deshalb legen Nachhaltigkeit muss aber auch für die Region gelten. Naturstrom AG einen Anrainertarif entwickelt, der eine wir großen Wert darauf, dass die Rotorblätter in Branden- Die Windenergie bietet den großen Vorteil, dass wir durch Versorgung mit Ökostrom sicherstellt und außerdem burg hergestellt werden.« lokale Projekte mit Bürgerbeteiligung die regionale Wirt- deutlich günstiger ist als der normale Tarif. Im Rahmen des schaft fördern können. Anrainertarifs erhalten Anrainer einen Zuschuss zu den Stromkosten in Höhe von 120 Euro pro Jahr. Eine weitere Heinrich Lohmann Dazu gehört nicht nur die Einrichtung eines Büros in der soziale Komponente für kinderreiche Familien wird derzeit Gründer und Geschäftsführer der MLK-Gruppe Windparkregion, sondern auch, dass wir möglichst viele vorbereitet. Es werden engagierte Unternehmen wie Windparkplaner seit 1989 Dienstleistungen und Produkte aus der Region beziehen – Vestas gebraucht und Unternehmer, die sich für die Region selbstverständlich auch Rotorblätter aus Lauchhammer. und im Land Brandenburg starkmachen.

Wir haben uns außerdem vorgenommen, in diesen länd- lichen Räumen die Selbstversorgung auszubauen. Dafür setzen wir uns mit unserer Windparkexpertise ein. Wir wollen, dass die direkten Anrainer von unseren Windparks profitieren. Mithilfe unserer Hausbank haben wir das Projekt Grüne Spareinlage aufgelegt. Wer zwischen 500 und 5.000 Euro für mehrere Jahre fest anlegt, erhält eine garantierte Verzinsung von drei Prozent. Die Zinsen tragen die Windparks, die Einlage wird durch die beteiligte Bank vollständig und mündelsicher abgesichert. Darüber hinaus bieten wir für Anrainer auch unternehmerische Beteiligun- gen (als Kommanditeinlage) an, was nunmehr durch die Bundesregierung mit den Regelungen im neuen EEG als Bürgerenergiegesellschaft unterstützt wird.

Windpark Odervorland in Jacobsdorf

Qualität – gemeinsam für die Energiewende 77 BOREAS Energie GmbH

die nächsten Anlagengenerationen deutlich preiswerteren »Die Energiewende wird noch ein hartes Stück Arbeit, Strom als fossile Kraftwerke produzieren und diese aus bei der Hersteller, Planer und Betreiber von Windenergie- dem Markt verdrängen.« anlagen zuverlässig miteinander arbeiten müssen. BOREAS freut sich auf kommende Innovationen und Jörg Kuntzsch hat Anfang der 1990er Jahre gemeinsam leistungsstarke Rotorblätter von Vestas aus Lauchham- mit Partnern mehrere flächendeckende Windmessungen, Windpotenzial- und Machbarkeitsstudien in Sachsen, mer und hält es auch in Zukunft mit dem Spruch von Brandenburg und Thüringen erarbeitet. In der 1995 Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.« veröffentlichten Studie »Windenergienutzung auf Kohle- halden in Brandenburg« wurde die generelle Eignung der Jörg Kuntzsch Lausitzer Braunkohlenhalden als Standorte für Wind- Geschäftsführer BOREAS Energie GmbH energieanlagen nachgewiesen. Neben Windpotenzial, Gründungssicherheit und Wirtschaftlichkeit wurden auch die Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeitsplätzen und von regionaler Wertschöpfung untersucht. Ausgehend von BOREAS greift auf 27 Jahre Windenergieerfahrung zurück. den vor 22 Jahren gängigen 500-kW-Anlagen wurde pro- Gemeinsam mit bayrischen Windpionieren errichtete Jörg gnostiziert: »Der Bau der rund 1.000 Windräder auf den Kuntzsch, heutiger Geschäftsführer von BOREAS, 1992 Kohlehalden über einen Zeitraum von zehn Jahren kann auf dem 890 Meter hohen Hirtstein im Erzgebirge den etwa 1.000 zukunftssichere Arbeitsplätze binden.« ersten Windpark im deutschen Mittelgebirge. Was die Arbeitsplätze betrifft, ist diese Prognose aufge- neuer ästhetischer Energielandschaften und der Kombi- gangen. Daran hat Vestas mit dem 2002 eröffneten Rotor- nation von Wind- und Solarparks mit Biomasse und An diesem Extremstandort produzieren die Anlagen von blattwerk den entscheidenden Anteil. Energiespeichern gewidmet. BOREAS konnte diese Ideen Vestas seit 25 Jahren zuverlässig Windstrom. Das setzt ansatzweise mit dem Bau des Energieparks Elsterheide Maßstäbe und definiert den Anspruch, den BOREAS Mit zunehmendem Windenergieausbau rückten Fragen umsetzen. Die elf im Jahr 2006 errichteten Vestas V90 heute an Windenergieanlagen und Rotorblätter stellt. der Ästhetik von Windparks stärker in den Fokus. Eine wurden 2011 mit einer 20-MW-Photovoltaik-Anlage er- »Das Prinzip der Einfachheit, Zuverlässigkeit und Lang- Arbeitsgemeinschaft unter Mitwirkung des Ingenieur- weitert. So entstand auf der rekultivierten Tagebaufläche lebigkeit der 250-kW-Anlagen muss auf dreißigfach büros Kuntzsch hat sich 2001 im Rahmen der Internatio- »Terra Nova« am Rand der Lausitzer Seenkette eine neue stärkere Windturbinen hochskaliert werden. Damit werden nalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land dem Thema Energielandschaft.

78 Vestas Blades Lauchhammer Neue Energielandschaft: Im Energiepark Elsterheide pro- duzieren elf Vestas V90 und eine Solaranlage zusammen jährlich rund 60 Millionen Kilowattstunden Strom. Das entspricht dem Stromver- brauch von 20.000 Durch- schnittshaushalten – ausrei- chend für die Einwohner der Stadt Hoyerswerda und der angrenzenden Gemeinden.

79 Impressum

Herausgeber Texte Vestas Blades Deutschland GmbH Detlef Koenemann John-Schehr-Straße 7 Frank Drogla 01979 Lauchhammer Jan Oelker www.vestas.de Fotos Das Werk, einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich Jan Oelker, www.janoelker.de geschützt. Jede Verwertung, insbesondere Vervielfälti- alle Fotos außer: gung, Übersetzungen, Einspeicherung und Verarbeitung MLK Archiv S. 77 u. in elektronischen Systemen, ist ohne Zustimmung des MLK/Mario Radoi S. 77 o. Herausgebers unzulässig. Die Rechte liegen beim Heraus- Paul Langrock, www.paul-langrock.de geber und den Fotografen. S. 64, 67, 68 Stadt Lauchhammer S. 28 © 2017 Vestas Blades Deutschland GmbH Steffen Rasche S. 18 r. Lauchhammer UKA/Jan Gutzeit S. 75 o. Vestas Archiv S. 18 l., 20

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Herstellung Druckerei Thieme Meißen GmbH www.druckereithieme.de

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