Auf Den Spuren Iüdischer Geschichte in Kirn Von Nikolaus Furch Und Hans-Werner Ziemer
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Heft Nr. 17 - 1199 SACHOR - Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-pfalz Auf den Spuren iüdischer Geschichte in Kirn von Nikolaus Furch und Hans-Werner Ziemer Noch lange Zeit nach der Welt- ihr befreundete Kirner Mitbürger jüdi- Dabei vermieden die Gruppenmitglie- kriegskatastrophe schien sie wie aus- schen Glaubens einen breiten Raum der, sich ihrerseits Schuldzuweisun- geblendet: die Geschichte der ehema- einnehmen. lhre anschaulichen Schil- gen anzumaßen, weil jüdischen sie es etwa Ilgen Mitbürger in Kirn. derungen des weitgehend unbelaste- nicht als ihre Deren Aufgabe ansahen, Ver- letzter, Benjamin Sender ten Verhältnisses zwischen sogenann- strickungen und Zwangsläufigkeiten (gest.1986), Rückkehrer in die ange- ten,,arischen" und,,nichtarischen,, willentlichen oder unwillentlichen Mit- stammte Heimat nach harten Emigra- Familien erwiesen sich auch im nach- läufertums nachzuspüren, vielmehr tionsjahren, setzte den Schlußstein hinein von unschätzbarem Wert, denn aber die vielschichtige menschliche einer Entwicklung, der in einstiger sie stimmten immer wieder überein mit Tragik in den Blick zynischer zu bekommen. ,,Sprachregelung', als etlichen später eingeholten Bekundun- Schwerpunktmäßig natürtich bei den bezeichnet ,,judenfrei" worden wäre. gen anderer Gewährsleute. Und das Opfern, die, ohne ihrem altehrwürdi- Nur wenige Zeugen und Zeugnisse gerade in verblüffenden Einzelheiten. gen Glauben untreu zu werden, nichts berichteten bis hin zur SO. Wiederkehr Zum anderen fand sich, auf Vor- anderes als das gemeinsame Vater- des schaurigen Auftakts der ,,Endlö- schlag und mit großer Unterstützung land Deutschland bekennen wollten, sung", bekannt unter dem geschönten durch den langjährigen Leiter des Kir- sich zum Dank aber plötzlicher Verfol- Namen,,Reichskrlstallnacht,,, paulhelmut vom ner Gymnasiums, Dr. gung und erbarmungslosester Ver- Schicksal dieser Mitbürger. Zum 40. Saxler, eine Lehrer-Schüler-projekt- nichtung ausgesetzt sahen. Bei den Jahrestag der Pogromnacht g. vom gruppe zusammen. Unter der verant- Gesprächen wurde klar, daß manche November 1938 - in Kirn wurde sie am wortlichen Leitung der pädagogen christliche Mitbürger trotz versteckter 1 0. November tagsüber,,nachgeholt,, - Kurt Boch (gest. 1992) und Nikotaus oder offener Solidaritätsbekundung war ein knapper, in seiner Aussage Furch, später auch Manfred Frenger, dem gegenüber hilflos blieben. umso eindringlicher Zeitungsartikel suchte das Team einschlägige Fakten Die Arbeit der Projektgruppe mün- von Fritz Stephan (gest. 19g7) über Personen und Ereignisse festzu- erschienen. dete in der Ausrichtung einiger Aus- Dem damaligen halten, besonders aber bereits vom stellungen: im Jahr 1987, im Rahmen geschäftsleitenden Beamten der Kir- Vergessen bedrohte Spuren im mit- eines Projekttages des Gymnasiums, ner Stadtverwaltung kommt das Ver- bürgerlichen Umfeld zu entdecken. dann zur 50. Wiederkehr der pogrom- dienst zu, auch presse- in sonstigen Mit beispielhaftem Engagement nacht im evangelischen Gemelnde- veröffentlichungen (A.2. und Kirner bewährte sich hier ein Kollektiv von zentrum und auch im Rathaus anläß- Zeitung) die ehemalige jüdische Mit- Schülern, u.a. Marc Schmitt, Michael Iich des Handwerkertages. Auf vielfäl- bürgerschaft in Kirn zu benennen. Mlt Schuf und Sonja Bamberger. Letztere tigen Wunsch wurde die Arbeit von Blick auf den Kirner,,Pogromtag', und stellte in einem Beitrag einen für sich den Verfassern in den letzten Jahren den vor Ort vorgetäuschten "Volks- selbst sprechenden,,Aktenvorgang,, wieder aufgegriffen und ergab, auf- zorn" erinnerte Stephan an traurige dar, der zahlreiche behördliche und grund etlicher, oft nur schwer zu reali- Beispiele der vom bestellten Mob aus- eskalierende antijüdische Maßnah- sierender Erhebungen und Nachfor- geführten menschenverachtenden men zusammenfaßte. Der Beitrag schungen, wesentliche Korrekturen Ausschreitungen. Wie anders als aus beleuchtet das Schicksal eines wegen und Ergänzungen im biographischen Schamhaftigkeit schienen sie jahre- seiner sozialen Grundhaltung hochge- und sachlichen lang Teil. verdrängt? Ahntich betroffen achteten jüdischen Mitbürgers, des Der hiermit als erster machende überblick erste Einblicke zum Unternehmers Julius Greve. Greve vorgelegte Beitrag kann nur aus- Pogromablauf in Kirn hatte eine 19g0 war EK 1-Träger im Ersten Weltkrieg. schnittweise Daten und Streiflichter von Peter Dietz, damals Schüler am Seine eindeutig patriotische Gesin- beinhalten und soll in einer in näch- Göttenbach-Gymnasium in Idar-Ober- nung half weder ihm noch seiner Frau ster Zeit vorgesehenen umfangreiche- stein, verfaßte Jahresarbeit geliefert. Hertha. Das Ehepaar wurde erst im ren Veröffentlichung abgerundet wer- lm Jahre '1987 gab es dann zwei Kirner,,Judenhaus" konzentriert und den. Die Verfasser danken schon jetzt weitere lnitiativen: zum einen die Ver- dann, nach erfolglosem Unterlauchen für die zugesagte Unterstützung des öffentlichung eines wieder betroffen in Berlin, mit bekanntem Ziel und Aus- Vorhabens durch den Bürgermeister machenden lnterviews seitens der gang in den Osten deportiert. der Stadt Kirn Fritz Wagner. Sie damaligen Redakteurin der,,Kirner Die Projektgruppe machte die möchten aber auch den nicht wenigen Zeitung", Gudrun Lahm, mit einer alt- Erfahrung, daß ihr bei manchen ver- Gesprächspartnern, die bereitwillig in eingesessenen Kirnerin, jetzt der weit suchten Gesprächsansätzen eine der Sache weitergeholfen haben, an über 90-jährigen Anni Hartmann, die Wand des Schweigens entgegen- dieser Stelle herzlich danken. Leider als Zeitzeugin Tagebuch geführt hatte, stand, die sogar bei Leuten von ,,Rang können sie in diesem ersten gedrängt in dem zahlreiche Erinnerungen an und Namen" ausgesprochener Ge- zusammenfassenden Beitrag na- geachtete und seinerzeit zum Teil mit sprächsverweigerung gleichkam. mentlich nicht alle aufgezählt werden. I Heft Nr. 17 -1199 SACHOR - Beiträge zurJüdischen Geschichte und zurGedenkstättenarbeit in Rheinland-pfalz 1. Erste jüdische Einwohner Schon für das 13. und 14. Jahr- hundert ist die Anwesenheit von SefnnntmilüürB. Ourü Eerfüguns Dorn g. Juden in Kirn bezeugt: das ,,Martyro- 80. ltpril b. (I 2 Dr. 2809) gnt ber Serr Se, glerung6,$röfibcnt ($ene[lnrigung logium" des Nürnberger Memorbuchs 3u 6oblen3. felne 3ur Soniiltulrurrg etner ble jübif@en hält die Ermordung von angeblich Ginruobner bet 6tobt sirn umfcffenben Ggncgogengemelnbe strn cribeltt. bk Sritung ber gonbrot! sechs Kirner Juden am 11. Tischri i!ür Etr[nnblungcn ift ber $err 3u SreuSno{ o16 §?omrniffor ilit ber Grmöötlgung ernonnt, ben 5048 (Sonntag, 12. September1287) fi6 llnter3eiülneien 3u fubftitulren. $emgeuröft lft lrir burg 2teuiiigung be6 Oerrn gonbrotbB oom g. b. !]t. (!]r. - vemutlich im Zusammenhang mit der 2919 A) bie Seitung ber Err!onbrunsen übertrogen. DIuf @runb biefrr Grmö6, haltosen Oberweseler Ritualmordbe- tigtttt0 tulrb bofier 3ur Es[[ uon 9 Slepröferrtonten unb B Eorfltanb8rnitgliebern, schuldigung (Werner ytiptölertdflten, von Oberwesel) lotoie uon 3 OtrUuertretern fiir bos unb I Ctelhertreter für - fest. Ein halbes Jahrhunderl später, bo6 Eorftonb0,ßolfugturn ternrin oui um das Jahr 1330, soll dann die Nie- derlassung von etwa 15 jüdischen lJlontag ben 30. ![]oi b. S., Familien in Kirn erfolgt sein, die aber lDornrittogl t0 p,{gr. 1349 auch von Verfolgung und Mär- im 6lobloerorbneten,6isung6ioote Ilier[elb[t mit bem gingufügen tyterschicksal eingeholt wurden. onberoumt, bafi bie Sifte ber {}ofilbrredltlgren mölrenb I Eogen in bem Eürgermeifterel,gofole Anlaß dazu gab eine aus ltalien und bafiier offen liegt uub bofi Dlettnuroriorrl geg€n bie lBobtiättigfett bu 2ßö6ler Südfrankreich eingeschleppte Peste- naö bem 2Babltermin ni{t mellr berüdfidtigt oerben. Bc[lberegtlgt linb nog pedemie, die von 1348 bis 1350 in § 41 be6 6eJebc6 bom 23. Suti IB47 fcirnmtti6e männltüe, uoüiöbrige, un6e, gubengemeinbe, deutschen Landen grassierte. Zur fd)oitene.mitglleber ber !ieiiserr met$e iidt |el6ftönbig ernö!ren, fiitrr' bert 19' uloi 1892' gleichen Zeit wurden auch Juden in ser Eür6errnerfter, Sobernheim, Odernheim, Obermo- IIlcu. schel, Rockenhausen und Kaiserslau- tern verfolgt. ln den Archiven nach- weisbar ist dann ein Kirner Jude erst Einladung zur Versammlung am 30. Mai 1892 wieder im Jahre 1693. lm 18. Jahr- hundert sollen - wie Michael Ohlmann einen selbstständigen Handel aus und Juden zur ,,Konstituierung einer die angibt - keine Juden in Kirn gewohnt einer ging einer gewerblichen nicht- jüdischen Einwohner der Stadt Kirn haben. selbstständigen Tätigkeit nach. umfassenden Synagogengemeinde Bei der am 1. Januar 1810 von 1866 zählte man bereits 45 jüdi- Kirn" ein. Die Einladung erfolgte durch den Franzosen durchgeführten Volks- sche Einwohner. ln diesem Jahr kam persönliche Anschreiben an die zählung hatte es in Kirn ebenfalls es auch zu einer Wahl des Vorstan- betreffenden Juden und durch keine Juden gegeben. ln Hennweiler des und der Repräsentanten der jüdi- Bekanntmachung in der ,,Kirner Zei- wohnten damals bereits 41 Juden. schen Gemeinde. Wahlberechtigt tung". Eine Synagogengemeinde im Auch in einer von Bürgermeister waren alle volljährigen, unbescholte- Sinne des Gesetzes vom 23. Juni Cadenbach am 23. Juni 1818 erstell- nen männlichen Gemeindemitglieder. 1847 (,,Gesetz über die Verhältnisse ten ,,Nachweißung der jüdischen ln einem am 10. November für diese der Juden") wurde jedoch nicht gebil- Bevölkerung in der Bürgermeisterey Wahl erstellten ,,Verzeichnis der vor- det. Die Kirner Juden waren in einer zuKirn aus den Jahren 1812 bis