INTERPELLATIONSBEANTWORTUNG

DER REGIERUNG

AN DEN

LANDTAG DES FÜRSTENTUMS

BETREFFEND

ANBINDUNG UND WEITERFÜHRUNG EINER ALLFÄLLIGEN S-BAHN

FL-A-CH

Behandlung im Landtag

Datum

Kenntnisnahme am: Nr. 35/2020

3

INHALTSVERZEICHNIS

Seite

Zusammenfassung ...... 5

Zuständiges Ministerium ...... 7

Betroffene Amtsstelle ...... 7

I. BERICHT DER REGIERUNG ...... 8

1. Anlass ...... 8

2. Das Projekt S-Bahn Liechtenstein ...... 13

3. Verkehrsplanung in Liechtenstein ...... 17 3.1 Liechtenstein-Takt ...... 19 3.2 Interpellationsbeantwortungen betreffend die allgemeine Verkehrspolitik und zum Gesamtverkehrskonzept 2002 ...... 21 3.2.1 Interpellationsbeantwortung der Regierung betreffend die allgemeine Verkehrspolitik ...... 21 3.2.2 Interpellationsbeantwortung der Regierung zum Gesamtverkehrskonzept ...... 22 3.3 Verkehrsbericht der Regierung 2004 ...... 23 3.4 Mobilitätkonzept „Mobiles Liechtenstein 2015“ vom September 2008 ...... 28 3.5 Interpellationsbeantwortung betreffend die Verkehrspolitik 2010 .. 30 3.6 Information über das S-Bahn Projekt 2011 ...... 33 3.7 Postulatsbeantwortung Ausbau der Mobilität 2012 ...... 36 3.8 Mobilitätskonzept „Statusbericht mit Ausblick 2020“ vom August 2016 ...... 37 3.9 Verkehrsdienstebericht 2019-2021 ...... 39 3.10 Verkehrsinfrastrukturbericht 2020 ...... 42 3.11 Weitere Arbeiten ...... 44 3.11.1 Regionalbahn Oberland -Vaduz-Triesen-Balzers- Sargans ...... 45 3.11.2 Masterarbeit «MIND» Mobilität in neuer Dimension ...... 47 3.11.3 Umfrage zu Mobilitätsaspekten in Liechtenstein ...... 49 3.11.4 Mobilitätskonzept 2030 ...... 52 4

4. Beantwortung der Fragen...... 53

II. ANTRAG DER REGIERUNG ...... 70 5

ZUSAMMENFASSUNG Die Interpellanten erkundigen sich mit der am 15. März 2019 eingereichten Inter- pellation „Anbindung und Weiterführung einer allfälligen S-Bahn FL-A-CH“ über den Stand des Projekts der S-Bahn Liechtenstein und die Gedanken der Regierung zur Weiterführung und damit zur Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs im Liechtensteiner Oberland und auf den Querverbindungen im Liechtensteiner Un- terland. Bereits in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde der Hohe Landtag mit den in dieser Interpellationsbeantwortung aufgeführten Berichten und Anträgen, Informationsberichten sowie Interpellations- und Postulatsbeant- wortungen über die Verkehrspolitik der Regierung sowie die Strategie und die Weiterentwicklung im Bereich des öffentlichen Verkehrs in Liechtenstein infor- miert. Dabei wurde stets dargelegt, dass die Regierung eine langfristig ausgerich- tete Strategie verfolgt, welche in verschiedenen zeitlichen Horizonten angelegt ist.

Aus Sicht der Regierung wird es in einem kurz- und mittelfristigen Horizont nicht möglich sein, gänzlich neue Verkehrssysteme passend für Liechtenstein zu entwi- ckeln und in unserem dispersen Raum zu realisieren. Aus diesem Grund setzt die Regierung auf den bestandsnahen Ausbau der Eisenbahninfrastruktur und auf ein darauf abgestimmtes Bussystem, welches die Arbeitsplatzzentren direkt mit den Haltepunkten des öffentlichen Verkehrs (ÖV) verbindet. Zur Entflechtung des Bus- systems und des motorisierten Individualverkehrs sollen, wo immer möglich, Bus- spuren realisiert werden. Die Busspuren stellen im Sinne der Raumsicherung zu- dem eine Vorleistung für Trassen für ein allfälliges künftiges alternatives Ver- kehrsmittel dar.

In einem ersten Schritt soll dazu zeitnah das S-Bahn-Projekt von Feldkirch nach Buchs realisiert werden. Dieses beinhaltet einen Doppelspurausbau auf der be- stehenden Strecke von der Staatsgrenze bis zum Bahnhof Nendeln mit den Halten , Nendeln, Schaan Forst und Bahnhof Schaan auf dem Staatsgebiet des Fürstentums Liechtenstein. Abgestimmt darauf soll ein im Rahmen des Ag- glomerationsprogramms Werdenberg-Liechtenstein der 3. Generation entwickel- tes und auf die Bahn-Halte abgestimmtes neues Busangebot eingeführt werden. Damit sollen insbesondere die nicht direkt an der Bahnlinie gelegenen Gemeinden im Liechtensteiner Unterland an das neue Bahn-Angebot angeschlossen werden. 6

Die Gemeinde Ruggell kann zudem über eine Buslinie, welche die Bahnhöfe Salez/Sennwald und Feldkirch verbindet, direkt an die S-Bahn St. Gallen ange- schlossen werden. Gleichzeitig wird auch das bestehende Busliniennetz im Liech- tensteiner Oberland geprüft, optimiert und, wo sinnvoll, durch zusätzliche Eilbus- linien ergänzt.

In einem zweiten Schritt soll das S-Bahn-Angebot auf schweizerischem Staatsge- biet von Buchs bis nach Sargans erweitert werden. Die dafür notwendigen Infra- strukturausbauten sind teilweise bereits umgesetzt oder befinden sich in der Pla- nung. Durch direkte Buslinien vom Bahnhof Sevelen (heute Haltestelle der S-Bahn St. Gallen) und vom Bahnhof Trübbach (künftige zusätzliche Haltestelle der S- Bahn St. Gallen) können die Gemeinden Vaduz, Triesen und Balzers im Liechten- steiner Oberland direkt mit dem Bahnangebot verbunden werden und profitieren damit ebenfalls vom Nahverkehrsausbau zwischen Feldkirch, Buchs und Sargans. Die Angebotsqualität des öffentlichen Verkehrs im Oberland wird ergänzend dazu durch die Einführung weiterer Direktverbindungen verbessert. Dies sollte mit der Realisierung weiterer Busspuren einhergehen, um dem strassengebundenen ÖV eine eigene Trasse zu geben und damit die Verkehrssysteme MIV1 und ÖV auf der Strasse zu entflechten.

In einem langfristigen Horizont ist es von grösster Bedeutung, die Korridore für einen möglichen Ausbau eines künftigen neuen öffentlichen Verkehrsmittels raumplanerisch auf Stufe Landesrichtplan und in den Gemeinderichtplänen zu sichern. Damit können mit Blick auf mögliche technische Entwicklungen und eine weitere Verdichtung des Siedlungsraums alternative, neue Verkehrssysteme wei- ter untersucht und vertieft betrachtet werden. Solche Systeme können, je nach Ausgestaltung und technischer Lösung, potenziell hohe Investitions- und Be- triebskosten aufweisen und das Orts- und Landschaftsbild erheblich beinträchti- gen. Es wird daher auch bei der künftigen Betrachtung immer um eine Abwägung zwischen den Kosten bzw. Lasten und dem Nutzen eines Verkehrssystems gehen. Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor stellt die Akzeptanz in der Bevölkerung für ein solches System dar, sei es hinsichtlich der Landschaftsverträglichkeit, des Ortsbildes oder auch der damit verbundenen Investitions- und Betriebskosten.

1 MIV = motorisierter Individualverkehr. 7

ZUSTÄNDIGES MINISTERIUM Ministerium für Infrastruktur, Wirtschaft und Sport

BETROFFENE AMTSSTELLE Amt für Bau und Infrastruktur 8

Vaduz, 7. April 2020 LNR 2020-450

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete

Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Interpellations- beantwortung zu unterbreiten.

I. BERICHT DER REGIERUNG

1. ANLASS

Am 15. März 2019 reichten die Interpellanten Susanne Eberle-Strub, Albert Frick, Elfried Hasler, Johannes Hasler, Wendelin Lampert, Eugen Nägele, Daniel Oehry und Daniel Seger die Interpellation „Anbindung und Weiterführung einer allfälli- gen S-Bahn FL-A-CH“ mit folgendem Wortlaut ein:

Gestützt auf Art. 45 der Geschäftsordnung für den liechtensteinischen Landtag reichen die unterzeichnenden Abgeordneten eine Interpellation in Bezug auf eine etwaige Anbindung und Weiterführung der S-Bahn FL-A-CH ein.

Beim Projekt S-Bahn FL-A-CH scheint der Stillstand der Vergangenheit anzugehö- ren. Am 15. Dezember 2018 schrieb das Liechtensteiner Vaterland, dass wieder Bewegung in die Sache gekommen sei und „die S-Bahn doch von allen Seiten als Schlüsselprojekt gesehen wird, das bei der Lösung der Verkehrsproblematik einen 9

zentralen Stellenwert einnimmt.“ Am 5. Februar 2019 war auf Volksblatt online zu lesen, dass aktuell an einer detaillierten und aktualisierten Kostenaufstellung gearbeitet werde. Darüber hinaus wird in der Übersicht der Regierung zu den Regierungsvorlagen für das Jahr 2019 für das 2. Halbjahr 2019 ein Bericht und Antrag über die Genehmigung eines Verpflichtungskredites zum Ausbau der Ei- senbahnstrecke Feldkirch - Buchs SG für eine S-Bahn Liechtenstein angekündigt.

Mit der geplanten S-Bahn FL-A-CH soll auf Liechtensteiner Hoheitsgebiet unter anderem die bisherige Schieneninfrastruktur zwischen Schaanwald und Schaan modernisiert und teilweise auf eine Doppelspur ausgebaut werden. Zudem soll die Bahnhofinfrastruktur punktuell erneuert werden. Als Ziel der S-Bahn FL-A-CH definierte die Regierung unter anderem die Entlastung des Strassenverkehrs durch zunehmende Nutzung des Öffentlichen Verkehrs (ÖV). Das Potenzial hierfür sei anfangs insbesondere bei den Pendlern aus Vorarlberg und der Schweiz zu sehen. Auch die Verbesserung der regionalen und internationalen Vernetzung mit den Metropolen Zürich, Wien und München bilde ein wichtiges Merkmal der S- Bahn. Hierbei sei der Ausbau zwischen Feldkirch und Buchs SG ein wichtiger Be- standteil zu den bereits ausgebauten Strecken in Vorarlberg und dem St. Galler- Rheintal.

In früheren Diskussionen kam klar zum Vorschein, dass die zentrale Funktion des Bahnhofs Sargans gefährdet sei, wenn die Verbindung zwischen Feldkirch und Buchs nicht erneuert bzw. ausgebaut werde. Dabei gab es immer wieder Hinwei- se darauf, dass die ÖBB den Personenverkehr künftig anstatt über Buchs SG/Sargans über St. Margrethen/St. Gallen nach Zürich führen könnte. Gleichzei- tig würde aber der Güterverkehr wohl auch in Zukunft über die Trasse zwischen Feldkirch und Buchs/SG geführt werden.

Gänzlich unberücksichtigt bleiben gemäss aktuellem Kenntnisstand eine etwaige Weiterführung der S-Bahn bzw. der Ausbau des strassenunabhängigen Öffentli- 10

chen Verkehrs (ÖV) von Schaan durch die Oberländer Talgemeinden bis nach Bal- zers. Hierzu hat sich in der Vergangenheit der Verkehrsclub Liechtenstein (VCL) Gedanken gemacht, der eine Studie zu einer Regionalbahn von Schaan via Vaduz, Triesen, Balzers, Trübbach nach Sargans erstellen liess.

Ebenfalls unberücksichtigt gemäss heutigem Kenntnisstand bleibt die Anbindung der stark anwachsenden Industriegebiete in Ruggell und Gamprin- an die S-Bahn.

Die Interpellanten sind der Ansicht, dass eine allfällige S-Bahn FL-A-CH nicht los- gelöst von einer Weiterführung durch das Liechtensteiner Oberland sowie von einer Anbindung der Industriegebiete Ruggell und Gamprin-Bendern betrachtet werden sollte. Im Hinblick auf den von der Regierung angekündigten Finanzbe- schluss zum Ausbau der Eisenbahnstrecke Feldkirch - Buchs SG im 2. Halbjahr 2019 erachten es die Interpellanten deshalb als zwingend, dass Konzepte zur Wei- terführung der S-Bahn erarbeitet werden. Mit diesen soll aufgezeigt werden, wie a) der strassenunabhängige ÖV im Liechtensteiner Oberland ausgebaut und so- mit ein direkter Anschluss vom Bahnhof Schaan durch die Oberländer Talge- meinden gewährleistet werden könnte, und b) die Industriegebiete Ruggell und Gamprin-Bendern mittels strassenunabhän- gigen ÖV an die S-Bahn angeschlossen werden könnten.

Die Interpellanten bitten die Regierung nicht nur den Bahnverkehr - also eine Fortführung der S-Bahn FL-A-CH -sondern auch andere, innovative strassenunab- hängige ÖV-Möglichkeiten zu evaluieren.

Deshalb laden die Interpellanten die Regierung ein, nachfolgende Fragen zu be- antworten. 11

1.) Welche strassenunabhängigen ÖV-Verkehrsmittel erachtet die Regierung nach einer allfälligen Umsetzung der S-Bahn FL-A-CH von Schaanwald nach Schaan als geeignet an, um die S-Bahn durch die Oberländer Talgemeinden weiterzu- führen?

a) Welches dieser strassenunabhängigen ÖV-Verkehrsmittel könnte hierbei ei- ne realistische Möglichkeit zur Umsetzung darstellen und welche Vor- und Nachteile hätten die einzelnen dargestellten strassenunabhängigen Ver- kehrsmittel?

b) Mit welcher Routenführung könnten die dargestellten strassenunabhängi- gen ÖV-Verkehrsmittel die beste Wirkung hinsichtlich einer zunehmenden Nutzung des ÖV’s erreichen?

c) Mit welchen Investitions- und Betriebskosten müsste bei den einzelnen dar- gestellten strassenunabhängigen Verkehrsmitteln gerechnet werden?

d) Wie beurteilt die Regierung die vom Verkehrsclub Liechtenstein (VCL) aus- gearbeitete Studie zu einer Regionalbahn von Schaan via Vaduz, Triesen, Balzers, Trübbach nach Sargans in Bezug auf Umsetzbarkeit, Routenfüh- rung und Investitions- sowie Betriebskosten?

2.) Wie gedenkt die Regierung die beiden stark wachsenden Industriegebiete Ruggell und Gamprin-Bendern nach einer allfälligen Umsetzung der S-Bahn FL- A-CH von Schaanwald nach Schaan an das S-Bahn-Netz anzuschliessen?

a) Welches strassenunabhängige ÖV-Verkehrssystem erachtet die Regierung am geeignetsten, um die Industriegebiete in Bendern und Ruggell an eine etwaige S-Bahn anzuschliessen? 12

b) Mit welcher Routenführung könnte hierbei die beste Wirkung hinsichtlich einer zunehmenden Nutzung des ÖV’s erreicht werden und welche Bedeu- tung kommt hierbei dem Bahnhof Haag zu?

c) Mit welchen Investitions- und Betriebskosten müsste diesbezüglich gerech- net werden?

3.) Wie sieht die Regierung die künftige Rolle der Bahnhöfe Sargans, Buchs SG und Haag? Besteht nach Ansicht der Regierung die Gefahr, dass die für die liech- tensteinische Wirtschaft sehr wichtigen regionalen Eisenbahnknoten an Be- deutung verlieren, wenn die S-Bahn gar nicht oder nur zwischen Schaanwald und Schaan erstellt wird? Welche Auswirkungen hätte ein Verzicht oder eine ausschliesslich von Schaanwald bis Schaan erstellte S-Bahn für die regionale und internationale Vernetzung ?

4.) Verkehrsminister Daniel Risch hat sich am 29. März 2017 gegenüber Radio Liechtenstein skeptisch zur S-Bahn FL-A-CH geäussert. Hierzu schrieb das Liech- tensteiner Vaterland am 30. März 2017: «So äusserte er sich skeptisch zum S- Bahn Projekt, auch wenn er sich damit ergebnisoffen auseinandersetzen wer- de. Die Zukunft des Verkehrs sieht er allerdings an anderer Stelle: Nämlich auf dem bestehenden Strassennetz. […] Risch weiss natürlich, dass dem Land ein Verkehrsinfarkt droht, sollte sich künftig nichts ändern. Doch er ist überzeugt, dass der Kampf gegen diesen „Infarkt“ auf der Strasse selbst ausgetragen werden muss. Dabei dürfe das bestehende Strassennetz nicht mit dem motori- sierten Individualverkehr gleichgesetzt werden. Es sei künftig weit mehr denk- bar. So finde im Bereich der Mobilität eine stetige Entwicklung statt, die man im Auge behalten müsse, so Risch. Elektrofahrzeuge, selbstgesteuerte Autos und selbstgesteuerte Busse sind seines Erachtens eher Modelle für die Zukunft als etwa eine U-Bahn oder eine S-Bahn, die nur punktuell Probleme löse.» 13

a) Welche Fakten und Argumente brachten beim zuständigen Minister Daniel Risch den Erkenntnisumschwung, um auf das 2. Halbjahr 2019 einen Bericht und Antrag zu einem Verpflichtungskredit zum Ausbau der Eisenbahnstre- cke Feldkirch - Buchs SG für eine S-Bahn Liechtenstein dem Landtag vorle- gen zu wollen, obwohl er der S-Bahn ablehnend gegenübersteht?

b) Welche Massnahmen wurden während dieser Legislaturperiode vom zu- ständigen Ministerium in Bezug auf Elektrofahrzeuge, selbstgesteuerte Au- tos und selbstgesteuerte Busse in die Wege geleitet?

c) Aus welchen Überlegungen geht der Verkehrsminister davon aus, dass sich an der Situation auf den Strassen etwas ändert, nur weil künftige Strassen- fahrzeuge selbstfahrend oder elektrifiziert sind?

2. DAS PROJEKT S-BAHN LIECHTENSTEIN

Die Fragen der gegenständlichen Interpellation drehen sich um eine Weiterfüh- rung einer allfälligen S-Bahn FL.A.CH, weshalb es angezeigt ist, einleitend auf das erwähnte S-Bahn Projekt einzugehen.

Das Projekt einer halbstündlich verkehrenden S-Bahn Liechtenstein zwischen Feldkirch und Buchs hat eine lange Geschichte. Ausgehend vom im Jahr 2001 vorgestellten „Konzept Bodan-Rail 2020“2 wurde in den Folgejahren die techni- sche Machbarkeit sowie das zu erwartende Marktpotential untersucht. Auf der Grundlage der Regierungsvereinbarung vom 14. September 2007 mit dem Bun- desministerium für Verkehr, Innovation und Technologie der Republik Österreich und dem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit bei der weiteren

2 https://www.bodenseekonferenz.org/bodan-rail. 14

Entwicklung des Eisenbahnwesens wurde im Jahr 2008 mit Bericht und Antrag Nr. 127/20083 dem Landtag ein Verpflichtungskredit für die Planung zum Ausbau der Bahnstrecke für die Einrichtung einer S-Bahn zur Beschlussfassung vorgelegt. Die Planungsarbeiten begannen im Jahr 2009 und konnten Ende 2014 mit der Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baubewilligung4 und dem Feststellen der Umweltverträglichkeit5 durch die Regierung abgeschlossen werden. Parallel dazu wurde auf Beamtenebene ein Finanzierungsschlüssel für das Projekt ausgehan- delt.

Im März 2015 wurde das Projekt durch die Regierung sistiert, da Österreich den ausverhandelten Finanzierungsschlüssel sowie das Projekt an sich und den Aus- baustandard in Frage gestellt hatte.

Danach war es lange ruhig um das Projekt S-Bahn Liechtenstein. Erst im Jahr 2018, anlässlich des Ministertreffens zwischen dem österreichischen und dem liechtensteinischen Verkehrsminister in Wien am 9. Mai 2018, wurde vereinbart, das ursprüngliche Projekt bis Ende des Jahres 2018 hinsichtlich der technischen Ausführung bzw. des Ausbaustandards der Infrastruktur kritisch zu hinterfragen, allfällige Einsparpotentiale zu eruieren und die Kosten auf Basis des Jahres 2018 neu zu berechnen. Die Ergebnisse dieser Prüfung sollten als Grundlage für neue Verhandlungen über einen möglichen Schlüssel zur Kostenteilung für den Ausbau der Bahnstrecke Feldkirch - Buchs unter der Prämisse der S-Bahn Liechtenstein und unter Beachtung der jeweiligen Interessen und Nutzen, wie insbesondere dem vertakteten Personennahverkehr sowie dem Fernverkehr, dienen.

3 Bericht und Antrag Nr. 127/2008 betreffend Mitfinanzierung von Planungsleistungen zum Ausbau der Eisenbahnstrecke Feldkirch-Buchs SG für eine S-Bahn FL.A.CH. 4 Entscheidung der Regierung vom 16.12.2014 (LNR 2014-1676 BNR 2014/1674) über die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baubewilligung für die ÖBB-Strecke Feldkirch – Buchs, Abschnitt Staatsgrenze bei Feldkirch – Staatsgrenze bei Buchs, km 8.375 – 17.338. 5 Entscheidung der Regierung vom 16.12.2014 (LNR 2014-1489 BNR 2014/1696) über die Umweltverträg- lichkeit des Projekts „S-Bahn FLACH“. 15

Wesentliches Ziel des Nahverkehrsausbaus auf der Strecke Feldkirch - Buchs ist die Realisierung von Massnahmen, die eine Verbesserung des Nahverkehrsange- bots zwischen Feldkirch und Buchs, insbesondere die Einführung eines Taktver- kehrs mit optimalen Anschlüssen an die S-Bahnen resp. die REX-Züge6 in Feld- kirch und Buchs, unter Aufrechterhaltung der bestehenden Fernverkehrsverbin- dungen, ermöglichen.

Das Projekt S-Bahn Liechtenstein zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass auf dieser Strecke bereits eine Trasse vorhanden ist und dass das Projekt in ei- nem absehbaren Zeitraum und mit einem vertretbaren Mitteleinsatz realisierbar und als regionales Projekt mit dem Kanton St. Gallen und dem Land Vorarlberg abgestimmt ist. Weiter ergänzt es die laufenden Planungen und Bauvorhaben der Nachbarregionen.

Das Vorhaben verfolgt im Detail folgende Ziele:

 Verbesserung des Nahverkehrsangebotes zwischen Feldkirch und Buchs (Einführung eines S-Bahn Verkehres im Halbstundentakt);

 Ausbau bzw. Verlegung der bestehenden Haltestellen in Liechtenstein ent- sprechend zeitgemässer Anforderungen;

 Errichtung einer zusätzlichen Haltestelle Feldkirch-Tosters;

 Optimierung der Betriebsführung;

 Verbesserung der Kreuzungssituation;

 Vereinheitlichung des Geschwindigkeitsbandes.

Der Nahverkehrsausbau in Liechtenstein beinhaltet den Ausbau einer Doppel- spur von der Staatsgrenze bis nach dem Bahnhof Nendeln inkl. aller nötigen

6 REX = Regional Express. 16

Kunstbauten sowie den Neu- und Ausbau der Haltestellen Schaanwald, Nendeln, Schaan-Forst und Schaan-Vaduz. Strassenseitig wird im Rahmen des Projekts in Nendeln die Rheinstrasse niveaufrei gemacht und die Haltestellen Schaanwald und Nendeln mit neuen Zufahrten, P&R-Anlagen und Busvorfahrten ausgestat- tet. Im Rahmen des Ausbaus wird die Eisenbahnanlage zudem an die gesetzli- chen Vorgaben Liechtensteins im Bereich Lärmschutz7, Schutz vor nichtionisie- render Strahlung (NIS)8 und Barrierefreiheit9 angepasst.

Abb. 1: Abwicklung der gesamten Strecke Feldkirch-Buchs (Quelle: ABI).

Anlässlich der Sitzung vom 18. Juni 2019 hat die Regierung die auf Expertenebe- ne (Österreichische Bundesbahnen ÖBB und Amt für Bau und Infrastruktur ABI) einvernehmlich aktualisierte und an die Ministerien übermittelte „Zusammen- stellung der Kosten für eine S-Bahn Liechtenstein, auf Basis des adaptierten Pro- jekts des Ausbaus der Strecke im Hinblick auf die Realisierung einer S-Bahn Liech- tenstein sowie eines fahrplanmässigen Railjet-Halts in Nendeln“, zur Kenntnis genommen. Zudem genehmigte sie das Verhandlungsmandat für die Aushand-

7 Lärmschutzverordnung (LSV) vom 14. Oktober 2008, LGBl. 2008 Nr. 253. 8 Verordnung vom 9. Dezember 2008 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV), LGBl. 2008 Nr. 325. 9 Gesetz vom 25. Oktober 2006 über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behinderten- gleichstellungsgesetz; BGIG), LGBl. 2006 Nr. 243. 17

lung des Kostenverteilschlüssels mit dem Ziel, eine verursachergerechte und faire Kostenaufteilung zu erreichen, welche die Nutzen aber auch die Lasten für Liech- tenstein durch den Bahnbetrieb über sein Staatsgebiet in angemessener Weise berücksichtigt sowie den ÖBB Planungssicherheit für die kommenden Jahrzehnte bietet. Für diese Gespräche mit Österreich und den ÖBB bestellte die Regierung ausserdem eine Verhandlungsdelegation, bestehend aus Vertretern des zustän- digen Ministeriums für Infrastruktur, Wirtschaft und Sport, des Amtes für Bau und Infrastruktur sowie einem externen Berater.

Die Verhandlungsdelegationen von Liechtenstein und Österreich (samt Vertre- tern der ÖBB) trafen sich in der Zeitperiode von Juli bis Dezember 2019 zu einem vorbereitenden informellen Austausch und zu insgesamt fünf offiziellen Finanzie- rungsverhandlungen. Anfang 2020 wurden die Gespräche für die Verhandlung weiterer Themen in Zusammenhang mit der Umsetzung des Projekts weiterge- führt. Die weiteren Themen umfassen insbesondere die Aushandlung einer Ab- sichtserklärung auf Regierungsebene sowie einer Realisierungsvereinbarung. Des Weiteren bildet auch eine mögliche Neuerteilung der Konzession an die ÖBB Thema der Gespräche. Sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird die Regierung die Ergebnisse prüfen und den Landtag darüber informieren.

3. VERKEHRSPLANUNG IN LIECHTENSTEIN

Bevor auf die konkreten Fragen der Interpellanten eingegangen wird, soll ein übergeordnetes Bild der bisherigen Verkehrsplanungen in Liechtenstein gegeben werden. Nur so ist es sinnvoll möglich, die gestellten Fragen und die entspre- chenden Antworten in den richtigen Kontext zu stellen.

Der Verkehr und die Möglichkeiten, um diesen in Zukunft noch verträglich abwi- ckeln zu können, werden in der Bevölkerung Liechtensteins seit Jahrzehnten als 18

wichtiges Thema wahrgenommen.10 Die Themenkreise Erreichbarkeit, Erschlies- sung und Zuverlässigkeit des Verkehrssystems nehmen in der Verkehrsplanung eine herausragende Rolle ein. Die Verkehrspolitik und die daraus abgeleiteten Entscheidungen über die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur und der Ver- kehrsdienste (Fahrleistungen) sind eng in die räumliche, wirtschaftliche und ge- sellschaftliche Situation in Liechtenstein und deren Perspektiven eingebunden. Dabei spielen technologische und soziokulturelle Entwicklungen eine massge- bende Rolle.

Die liechtensteinische Politik, Planer, Experten und auch die Bevölkerung befass- ten sich in den vergangenen Jahrzehnten laufend und intensiv mit der Weiter- entwicklung der Mobilität und auch der Möglichkeit resp. dem Nutzen allfälliger alternativer Verkehrsmittel. Die Frage, wie sich das Verkehrssystem Liechten- steins weiter entwickeln soll, wurde immer wieder neu gestellt.

Waren die Prioritäten in den 1950er und 1960er-Jahren klar auf das für den mo- torisierten Individualverkehr abgestellte Landstrassennetz fokussiert, wurden die politischen Prioritäten später zu Gunsten der Förderung des öffentlichen Ver- kehrs verschoben. Der „Ideenwettbewerb Verkehr“11, welcher im Jahr 1993 ju- riert und 1995 mit der Broschüre „Liechtensteiner Mobilität“ dokumentiert wur- de, generierte diverse Lösungsansätze und Visionen. Mit den umfassenden Stu- dien zu einem „Neuen strassenunabhängigen Verkehrsmittel“12 konnte bereits im Jahr 2003 aufgezeigt werden, welchen Beitrag der öffentliche Verkehr insge- samt unter Aufwendung hoher finanzieller Mittel leisten könnte. Der dabei resul- tierende Modal-Split Anteil von 23 % - 34 % zu Gunsten des öffentlichen Ver-

10 Zwischen Übersicht und Begrenzung – Politik im Spannungsfeld zwischen Moderne und Konservatismus Schlussbericht zum Zukunftsbarometer des Fürstentums Liechtenstein, gfs.bern, 2007. 11 Liechtensteiner Mobilität, öffentlicher Ideenwettbewerb Verkehr, 1995. 12 Information der Regierung betreffend eine Machbarkeitsanalyse zu einem neuen strassenunabhängigen Verkehrsmittel sowie eine Entwicklungsstudie zu Tunnelumfahrungen (Verkehrsbericht) (Nr. 51/2004). 19

kehrs zeigte jedoch, dass der motorisierte Individualverkehr, wie in der Vergan- genheit, auch in Zukunft Hauptverkehrsmittel bleiben wird. Die Gründe hierfür sind massgeblich in der dispersen und flächenintensiven Siedlungsstruktur mit starker Funktionsteilung zu suchen.13

Die Ausführungen und die Fragen der Interpellanten sind dementsprechend nach wie vor aktuell und wurden in den vergangenen Jahren mehrfach untersucht. Die Regierung war stets bestrebt, den Landtag zu informieren und in die Diskussio- nen über die Weiterentwicklung und zukünftige Gestaltung der Mobilität in Liechtenstein zu involvieren. In den folgenden Kapiteln werden die wesentlichen Informationen und Ergebnisse im Sinne einer Gesamtschau nochmals kurz zu- sammenfassend dargestellt.

3.1 Liechtenstein-Takt

Bereits im Jahr 200014 hat der Landtag einen Landesbeitrag an den Betrieb des heute noch bestehenden Personennahverkehrsangebots auf der Schiene zwi- schen Feldkirch und Buchs über das Staatsgebiet des Fürstentums Liechtenstein, des so genannten „Liechtenstein-Taktes“ genehmigt. Mit der Einführung des Liechtenstein-Taktes wurde vorrangig das Arbeitspendlerpotential zwischen Vor- arlberg und Liechtenstein angesprochen und das Angebot auf die jeweiligen Hauptarbeitszeiten der Arbeitspendler ausgelegt. Der Liechtenstein-Takt ermög- licht kürzere Fahrzeiten gegenüber dem ÖV in der Form von Bussen. Ziel war es bereits damals, grenzüberschreitend eine Reduktion des individuellen Arbeits- pendlerverkehrs (Personenwagenfahrten) zugunsten des öffentlichen Verkehrs zu erreichen. Dabei wurde erstmalig in der Geschichte der ÖBB mit einem aus-

13 Vgl. Landesrichtplan Fürstentum Liechtenstein vom 30. März 2011. 14 Bericht und Antrag Nr. 139/1999 betreffend die Gewährung eines Landesbeitrags an den Betrieb des „Liechtenstein-Taktes“ und Bericht und Antrag Nr. 41/2000 betreffend die Gewährung eines Landesbei- trags für die Jahre 2001, 2002 und 2003 an den Betrieb des ‘’ Liechtenstein-Taktes’’ bei den ÖBB. 20

ländischen Partner ein Taktverkehr eingerichtet. Leider beschränkt sich der Liechtenstein-Takt aufgrund der lediglich eingleisigen Strecke auf einige wenige Zugskompositionen, welche zu den Pendlerzeiten in Lastrichtung geführt wer- den. Die Einrichtung eines durchgängigen Takts mit Anschlüssen an die Züge in Feldkirch und Buchs war aufgrund der fehlenden Infrastruktur nicht möglich.

Der Betrieb des Nahverkehrs auf der Schiene wurde im Rahmen der Möglichkei- ten, welche die vorhandene Infrastruktur aufweist, laufend optimiert und durch den Landtag mit der Gewährung von Landesbeiträgen in den Jahren 200315, 200516, 200717 jeweils verlängert. Seit 2010 werden die für den Betrieb dieses Nahverkehrs notwendigen Aufwendungen jeweils im Rahmen des Verkehrs- diensteberichts der Regierung beim Landtag beantragt. Dies geschah letztmals im Jahr 2018.18 Diese Verkehrsleistung wurde bisher gemeinsam mit dem Land Vorarlberg bei der ÖBB Personenverkehr AG bestellt. Der Verkehrsbetrieb LIECH- TENSTEINmobil (LIEmobil) beteiligte sich im Jahr 2018 an den Kosten des Regio- nalzugangebots mit rund CHF 271‘000. Um die künftige Abwicklung der Bestel- lung eines Bahnangebotes auf der Strecke Feldkirch - Buchs im Rahmen des Ver- kehrsdienstevertrags Vorarlbergs mit dem Bund sicher zu stellen wird neu ein Vertrag zwischen der LIEmobil und dem Verkehrsverbund Vorarlberg (VVG) ab- geschlossen. Darin wird u.a. geregelt werden, dass die LIEmobil bei der weiteren Planung der Verkehre auf der Strecke Feldkirch - Buchs (SG) in den Prozess der Fahrplananpassung eingebunden wird, sowie dass Fahrgastzähldaten, die den Schienenpersonennahverkehr auf der Strecke Feldkirch - Buchs (SG) betreffen,

15 Bericht und Antrag Nr. 18/2003 betreffend die Gewährung eines Landesbeitrags für die Jahre 2003 bis 2005 an den Betrieb des „Liechtenstein-Taktes“ bei den ÖBB. 16 Bericht und Antrag Nr. 97/2005 betreffend die Gewährung eines Landesbeitrags für die Jahre 2006 und 2007 an den Betrieb des „Liechtenstein-Taktes“ bei den ÖBB. 17 Bericht und Antrag Nr. 6/2007 betreffend die Gewährung eines Landesbeitrags für die Jahre 2008 bis 2010 an den Betrieb des „Liechtenstein-Taktes“ bei den ÖBB. 18 Bericht und Antrag Nr. 46/2018 betreffend den Verkehrsdienstebericht 2019-2021. 21

der LIEmobil zugänglich gemacht werden. Die Abgeltung der Verkehre erfolgt nach dem Territorialprinzip (Anteil VVG an der Strecke 45.2 %, Anteil LIEmobil an der Strecke 54.8 %).

3.2 Interpellationsbeantwortungen betreffend die allgemeine Verkehrspolitik und zum Gesamtverkehrskonzept 2002

3.2.1 Interpellationsbeantwortung der Regierung betreffend die allgemeine Ver- kehrspolitik19

Im Rahmen der Interpellationsbeantwortung betreffend die allgemeine Ver- kehrspolitik führte die Regierung im Jahr 2002 aus, dass sie sich im Bereich des öffentlichen Verkehrs nicht auf die Wahrung des vorhandenen Angebotsniveaus beschränken, sondern neue Angebote, welche effiziente Anreize zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr versprechen, vorantreiben werde. Es wurde in die- sem Zusammenhang explizit auf die laufende Evaluation eines möglichen alter- nativen Verkehrsmittels hingewiesen. Es sollte geprüft werden, ob es Möglichkei- ten gibt, ein effizientes Angebot, welches komplementär zum bestehenden Bus- System funktioniert, zu schaffen. Die Regierung hatte dazu eine Studie betref- fend die Evaluierung eines alternativen Verkehrsmittels in Auftrag gegeben. Die Studie sollte den Weg zur Schaffung eines derartigen alternativen Verkehrsmit- tels ebnen und dazu klare Systemvorstellungen und Lösungen aufzeigen. Ange- strebt wurde eine liechtensteinische Lösung, die in der Bevölkerung Akzeptanz findet und auch der Wirtschaft sowie den Pendlerströmen gerecht wird.

19 Interpellationsbeantwortung der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die allgemeine Verkehrspolitik (Nr. 66/2002). 22

3.2.2 Interpellationsbeantwortung der Regierung zum Gesamtverkehrskonzept20

In der Interpellationsbeantwortung zum Gesamtverkehrskonzept aus dem Jahr 2002 betonte die Regierung wie komplex sich die Suche nach Lösungen darstelle. Im Zusammenhang mit der Evaluation eines alternativen Verkehrsmittels würden neue Lösungen zur Sicherstellung der Mobilitätsbedürfnisse im öffentlichen Ver- kehr verfolgt. Die Regierung erläuterte, dass eine Arbeitsgruppe und ein Begleit- team unter Beizug von in- und ausländischen Experten intensiv an einer Syste- mevaluation für ein alternatives Verkehrsmittel arbeiten würden. Konkrete Re- sultate aus der Arbeitsgruppe betreffend die Machbarkeit und eine Systememp- fehlung würden voraussichtlich im Jahr 2003 vorliegen.

Die Regierung führte aus, dass noch nicht abschliessend beantwortet werden könne, ob eine Erschliessung des Landes durch neue öffentliche Verkehrsmittel umsetzbar sei. Die Arbeiten der Evaluation müssten aufzeigen, ob die Machbar- keit eines zukünftigen öffentlichen Verkehrsmittels in Liechtenstein gegeben sei. Sofern die Machbarkeit erfüllt sei, könnte ein solches Projekt weiterverfolgt wer- den. Sollte eine Machbarkeit ausgeschlossen werden, so müsste das Projekt ad acta gelegt werden.

Ein neues Verkehrsmittel sollte gemäss Bedürfnisanalyse möglichst überall und jederzeit verfügbar sein. Die Haltestellen sollten räumlich eng zusammenliegen und innert kürzester Zeit erreichbar sein. Zudem orientiere sich die Evaluation am Ziel, dass ein neues Verkehrsmittel nach wie vor im Zentrum der Siedlungs- gebiete verkehre und diese bediene.

20 Interpellationsbeantwortung der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend das Gesamtverkehrskonzept (Nr. 124/2002). 23

Es werde ausserdem angestrebt, dass ein allfälliges neues Verkehrsmittel grenz- überschreitend und somit auch regional funktioniere und akzeptiert werde. Zent- rumsorte wie Sargans, Feldkirch und Buchs sollten auch durch das mögliche al- ternative Verkehrsmittel verbunden werden.

3.3 Verkehrsbericht der Regierung 2004

Die Regierung befasste sich in den nachfolgenden Jahren sehr intensiv mit dem Thema möglicher neuer Verkehrsmittel. In der Information zuhanden des Land- tags betreffen die Machbarkeitsanalyse zu einem neuen strassenunabhängigen Verkehrsmittel21 wurden die verschiedenen Lösungsansätze und Varianten be- leuchtet. Im ersten Teil dieses Berichts wurden Lösungen untersucht, die den öffentlichen Verkehr auf einem niveau- (Ebenerdige Lage, Hoch- und Tieflage) und lageflexiblen Eigentrasse führen. Dabei wurden verschiedene Linienführun- gen und Systeme betrachtet sowie einander gegenübergestellt.

Für die Lage eines strassenunabhängigen Verkehrsmittels wurden drei Normal- profile zu Grunde gelegt: a) Ebenerdige Lage:

Abb. 2: Ebenerdige Lage (Quelle: Verkehrsbericht 2004).

21 Information der Regierung betreffend eine Machbarkeitsanalyse zu einem neuen strassenunabhängigen Verkehrsmittel sowie eine Entwicklungsstudie zu Tunnelumfahrungen (Verkehrsbericht) (Nr. 51/2004). 24

Die ebenerdige Lage kann überall dort eingesetzt werden, wo die örtlichen Ge- gebenheiten das Kreuzen der Bahn mit anderen Verkehrsmitteln (motorisiert und nicht motorisiert) nicht erfordern oder allenfalls ein Kreuzen mit geringem Aufwand umgangen werden kann. Die Vorteile der ebenerdigen Lage liegen bei den geringen Aufwendungen für den Bau der Anlage, der einfachen Gestaltung der Haltestellen und der guten Integration ins Landschaftsbild. b) Hochlage:

Abb. 3: Hochlage (Quelle: Verkehrsbericht 2004).

In den bestehenden Siedlungsräumen ist aus Gründen des Platzbedarfs überwie- gend die Hochlage notwendig. Ebenso kann in der Landwirtschaftszone mit die- ser Lösung Platz gespart und der Verlust von Nutz- und Grünflächen gering gehal- ten werden. Das Kreuzen mit der Bahn oder mit Strassen und Wegen ist so jeder- zeit und an jedem Ort problemlos möglich. Im freien Gelände sind die Baukosten für eine Hochlage aber höher als für eine einfache ebenerdige Lösung. So müssen beispielsweise durchgehend Fluchtmöglichkeiten zur Evakuierung der Fahrgäste gewährleistet werden und die Zugänge zu den Haltestellen mit behindertenge- rechten Aufstiegen und Personenliften ausgestattet werden. Die Integration in 25

der Landschaft sowie die Bewilligungsfähigkeit im Siedlungsgebiet sind entschei- dende Kriterien, da eine Akzeptanz durch die Bevölkerung sehr entscheidend ist. c) Tieflage (Tunnel):

Abb. 4: Tieflage (Quelle: Verkehrsbericht 2004).

Die Tieflage kann in die zwei Kategorien Tunnelbau (bergmännisch) und Tagbau- tunnel eingeteilt werden. Reiner Tunnelbau soll möglichst nur dort zum Einsatz kommen, wo tatsächlich keine andere Möglichkeit besteht, das heisst, wenn das vorhandene Platzangebot, die bestehenden öffentlichen Flächen oder die beste- hende Bebauung eine andere Variante nicht zulassen. Tunnels sind mit Abstand die kostenintensivsten Lösungen (Bau und Unterhalt). So kostet der Ausbau als Tunnel im Vergleich zur ebenerdigen Lage ein Vielfaches. Auch die Realisierung von Haltestellen in Tieflage ist sehr aufwändig und teuer.

Die möglichen Linienführungen der einzelnen Varianten für ein alternatives Ver- kehrsmittel in Liechtenstein waren primär auf die Siedlungsgebiete (Arbeits- und Wohnzentren) ausgerichtet. Die Hauptlinie ersteckte sich auf der Achse Feld- kirch--Schaan-Vaduz-Triesen-Balzers-Sargans. Zur Anbindung der nicht direkt an dieser Hauptlinie liegenden Ziele und Quellen in Liechtenstein waren Buslinien im Unterland von Eschen nach Bendern und Ruggell sowie nach Mau- 26

ren und Schellenberg und im Oberland nach und Triesenberg vorgese- hen.

Auch der grenzüberschreitende Verkehr nach Nofels, Sennwald, Grabs/Gams, Buchs, Sevelen und Trübbach sollte mittels Bussen durchgeführt werden.

Die Lage (ebenerdige Lage, Hoch-/Tieflage) eines künftigen Verkehrsmittels schlägt sich direkt auf die Kosten nieder. Setzt man für die Kosten auf dem Boden im freien Gelände den Faktor 1 ein, so ist im bebauten Gebiet mit dem Faktor 3- 6, in Hochlage mit dem Faktor 2-4 und in Tieflage (Tunnel) mit dem Faktor 8-15 zu rechnen.22

Parallel zu diesen grundsätzlichen Abklärungen wurden für die einzelnen Syste- me auch mögliche Fahrzeuge und Hersteller evaluiert. Die Bandbreite ging dabei von konventionellen schienengebundenen Nahverkehrsfahrzeugen über Track- less Tramsysteme (PneuTrams), welche ohne Schienen auskommen, bis hin zu Monorail-Systemen und City-Coastern.

Abb. 6: Konventionelles schienengebundenes Nahverkehrsfahrzeug – Trambahn Mulhouse.

22 Information der Regierung betreffend eine Machbarkeitsanalyse zu einem neuen strassenunabhängigen Verkehrsmittel sowie eine Entwicklungsstudie zu Tunnelumfahrungen (Verkehrsbericht) (Nr. 51/2004), S.66. 27

Abb. 7: Trackless Tram System (Quelle: Journal of Transportation Technologies 2019, Ausgabe 9).

Abb. 8: Beispiel Monorail, Intamin Transportation, Schaan.

Wesentliche Erkenntnisse des Verkehrsberichts der Regierung waren, dass die Schaffung eines Eigentrasses für den ÖV – zumindest in den Strassenabschnitten mit hoher Verkehrsbelastung – für alle Varianten, selbst für das Bussystem, zwingend erforderlich ist und dass von allen untersuchten Varianten letztlich die Etablierung eines vertakteten Bussystems mit teilweisem Eigentrasse einem zeit- nah realisierbaren, etappierbaren und sinnvollen ÖV-Konzept entspricht.

Dies auch darum, weil eine zweite Ebene (Hoch- oder Tieflage) im ÖV im besie- delten Gebiet kaum durchsetzbar ist und es sowohl beim Bau als auch beim Be- trieb aufgrund der nötigen Interventionen von der Fahrbahn aus zu Problemen und zu Behinderungen des MIV sowie des strassengebundenen ÖV käme. Zudem würde die Hoch- oder Tieflage zu sehr hohen Kosten führen. Eine weitere Er- 28

kenntnis war, dass parallel zum Ausbau des ÖV die Realisierung von am Sied- lungsrand liegenden Ersatzstrassen zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems zwingend erforderlich wäre.

Die Machbarkeitsstudie kam schliesslich zum Schluss, dass die notwendigen In- vestitionen für die Errichtung eines neuen strassenunabhängigen Verkehrsmit- tels sowohl absolut als auch pro Kopf sehr hoch wären. Es wurde bereits im Jahr 2004 für die Einführung eines solchen neuen Systems von Feldkirch bis nach Sargans von Investitionskosten von CHF 1 Mrd. bis CHF 1.5 Mrd. (je nach System und Tunnelanteil) ausgegangen. Hinzu kämen gemäss der Studie jährliche Be- triebskosten von CHF 40 Mio. bis CHF 100 Mio.

Eines der Hauptprobleme ist gemäss Studie zudem, dass eine sinnvolle Etappie- rung des Baus und eine phasenweise Inbetriebnahme eines neuen strassenun- abhängigen Verkehrsmittels kaum möglich sind.

3.4 Mobilitätkonzept „Mobiles Liechtenstein 2015“ vom September 200823

Im Jahr 2008 beschloss die Regierung das Mobilitätskonzept „Mobiles Liechten- stein 2015“ und brachte es mit Bericht und Antrag Nr. 128/2008 dem Landtag zur Kenntnis. Das Mobilitätskonzept war in einem umfassenden Mitwirkungsprozess in den Jahren 2007 und 2008 unter Beteiligung der Regierung, der Gemeinde, Interessenvertretern, Raumplanern und Verkehrsplanern erarbeitet worden.

Aufbauend auf den Grundlagen von 1995 bis 2008 formulierte die Regierung eine Gesamtverkehrspolitik und eine Mobilitätsstrategie für einen mittelfristigen Zeithorizont bis ins Jahr 2015. Das Mobilitätskonzept zeigte die zur Umsetzung

23 Mobilitätskonzept „Mobiles Liechtenstein 2015“ vom 30. September 2008, Bericht und Antrag Nr. 128/2008. 29

notwendigen Strukturen, Verfahren und Instrumente auf. Die Analyse der Aus- gangslage und der Entwicklungsperspektiven ergab folgenden Handlungsbedarf:

- Die Nutzung des öffentlichen Verkehres ist zu fördern und das Angebot durch gezielte Fahrplanverbesserungen sowie bauliche und betriebliche Massnahmen attraktiver zu gestalten.

- Regelmässige Überlastungen des Strassennetzes sind durch organisatori- sche und bauliche Massnahmen auszuschliessen.

- Die Konfliktpunkte zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln sind durch or- ganisatorische und bauliche Massnahmen zu beheben.

- Im Rahmen der Siedlungsentwicklung muss der räumlichen Zuordnung der Nutzungen zueinander (unter der Prämisse kurzer Wege) und dem Faktor Erschliessung für alle Verkehrsarten besonderes Augenmerk geschenkt werden.

- Die Bewusstseinsbildung für ein „umweltverträglicheres Mobilitätsverhal- ten“ ist in der Gesellschaft zu fördern.

- Die verkehrsbedingten Umweltbelastungen sind zu vermindern.

Das Mobilitätskonzept zeigte auf Basis von Teilstrategien konkrete und in einem mittelfristigen Horizont bis ins Jahr 2015 umsetzbare Lösungsansätze auf, welche in den Folgejahren schrittweise angegangen wurden.

Im Bereich des öffentlichen Verkehrs waren dies vor allem die Planungen zum Projekt einer S-Bahn Liechtenstein (vertakteter Nahverkehr auf der Schiene zwi- schen Feldkirch und Buchs), die Verbesserung des Linienbusangebots und die Ausrichtung des Angebots auf die künftigen S-Bahn-Halte, die Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs durch die Priorisierung an Lichtsignalanlagen und die Pla- nung und Realisierung von Busspuren. 30

In einem langfristigen Horizont sollte gemäss den Ausführungen im Mobilitäts- konzept 2015 ein alternatives öffentliches Verkehrsmittel evaluiert werden, wo- bei nicht darauf eingegangen wurde, um welches Verkehrsmittel es sich dabei handeln sollte.

Weiter wurde ausgeführt, dass ergänzend zum vorhandenen öffentlichen Ver- kehrssystem punktuelle Lückenschlüsse durch den Einsatz alternativer Ver- kehrsmittel geprüft werden könnten. Um die Optionen für die langfristige Ent- wicklung öffentlicher Verkehrssysteme offen zu halten, sollten im Landesricht- plan und den Gemeinderichtplänen geeignete Korridore definiert und für eine spätere Nutzung freigehalten werden.

3.5 Interpellationsbeantwortung betreffend die Verkehrspolitik 201024

In der Interpellationsbeantwortung betreffend die Verkehrspolitik führte die Re- gierung aus, dass sie die langfristige Strategie im ÖV vor allem im bestandsnahen Ausbau der Eisenbahninfrastruktur in Verbindung mit einem darauf abgestimm- ten Linienbusnetz zur Feinverteilung sehe.

Das Mobilitätskonzept „Mobiles Liechtenstein 2015“ wie auch das Agglomerati- onsprogramm Werdenberg‐Liechtenstein25 sähen dazu ein halbstündliches Regi- onalzugangebot (S‐Bahn) vor, welches mit schlanken Anschlüssen oder Direkt- verbindungen in Feldkirch, Buchs SG und Sargans eingebunden sei. Dieses Ange- bot sei zwischen den Fürstentum Liechtenstein, dem Land Vorarlberg und dem

Kanton St. Gallen abgestimmt und bilde die Grundlage der Planungen für den Infrastrukturausbau der Eisenbahn zwischen Feldkirch und Buchs.

24 Interpellationsbeantwortung betreffend die Verkehrspolitik der Regierung (Nr. 103/2010). 25 https://www.llv.li/files/abi/pdf-llv-abi-synthesebericht-2g.pdf und https://www.llv.li/files/abi/pdf-llv- abi-synthesebericht-3g.pdf. 31

Für die Bedienung der S‐Bahn zwischen Feldkirch und Buchs sei dazu ein Zwei- gleisabschnitt zwischen Tisis und Nendeln notwendig, damit die entgegenkom- menden Züge kreuzen könnten. Mit dem Ausbau der Eisenbahnstrecke würden auch alle Haltestellen in der Lage überprüft und bezüglich der Erschliessung für den Fuss- und Fahrradverkehr wie auch den Linienbusverkehr optimiert. Es wür- den die entsprechenden Planungsarbeiten für den Ausbau der Eisenbahnstrecke Feldkirch - Buchs SG für eine S-Bahn FL.A.CH laufen, für welche der Hohe Landtag im Jahr 2008 einen entsprechenden Verpflichtungskredit26 bewilligt habe.

Um die S‐Bahnzüge von Buchs SG in Richtung Sargans und Chur weiterführen zu können, sei ein weiterer Doppelspurabschnitt zwischen Buchs SG und Sevelen erforderlich. Mit dieser Weiterführung könnten auch die Haltestellen in Sevelen und Trübbach bedient werden. In Kombination mit einem auf die S-Bahn Halte abgestimmten Bussystem könnte somit auch das Liechtensteiner Oberland über Linien von Sevelen nach Vaduz und Triesen sowie von Trübbach nach Balzers an die S-Bahn angeschlossen werden und damit von einem Bahnausbau ebenfalls direkt profitieren.

Für die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs in Liechtenstein und der

Region stelle die S‐Bahn FL.A.CH die Schlüsselinfrastruktur dar. Aus Sicht der Ag- glomeration Werdenberg‐Liechtenstein solle die S‐Bahn FL.A.CH von Buchs nach Sargans und Chur weitergeführt werden.

Parallel zum Bahnausbau sollte gemäss den Ausführungen der Regierung in der Interpellationsbeantwortung auch das Busangebot in verschiedenen zeitlichen Planungshorizonten ausgebaut und auf das Bahnsystem abgestimmt werden. Im Planungshorizont 2013 lag der Schwerpunkt der Gestaltung des Linienbusnetzes

26 Bericht und Antrag Nr. 127/2008 betreffend die Mitfinanzierung von Planungsleistungen zum Ausbau der Eisenbahnstrecke Feldkirch-Buchs SG für eine S-Bahn FL.A.CH. 32

im Anschluss an das Bedienkonzept in Buchs SG (halbstündlicher Halt REX und S‐Bahn) sowie in der Gewährleistung der Angebotsqualität des „Liechtenstein Bus“ im Binnenverkehr. Im Planungshorizont 2015 war die Ausrichtung des Lini- enbusnetzes auf die neuen S‐Bahn‐Anschlüsse in Schaan, Nendeln und Schaan- wald geplant, was einen signifikanten Qualitätssprung im Bahn‐Bus‐Angebot zur Folge haben würde.

Im Planungshorizont 2025 sah die Regierung die konsequente Auslegung des Linienbusnetzes auf das S‐Bahn‐Angebot zwischen Sargans und Feldkirch und dessen grenzüberschreitende Neugestaltung anhand der funktionalen Raumglie- derung vor.

Die Regierung vertritt in der Interpellationsbeantwortung die Ansicht, dass ein kombiniertes Bus‐Bahn‐Konzept für die mittel- und langfristige Entwicklung des öffentlichen Verkehrs zielführend wäre. Mit der Bahn als Mittelverteiler könnten die Regionalzentren Sargans, Buchs, Schaan und Feldkirch verbunden und der Anschluss an das übergeordnete Netz gewährleistet werden. Der Linienbus er- schliesse als Feinverteiler in Ergänzung zur Bahn, ausgehend von den Hauptkno- ten, die weiteren Siedlungsgebiete.

Sowohl das Mobilitätskonzept „Mobiles Liechtenstein 2015“ als auch das Agglo- merationsprogramm Werdenberg-Liechtenstein richten sich nach diesem Kon- zept, welches durch die Kombination der vorhandenen (bzw. auszubauenden) Verkehrsinfrastrukturen die Forderung nach einer grössenverträglichen und fi- nanzierbaren Erschliessung mit öffentlichem Verkehr nach Ansicht der Regierung am ehesten erfüllt.

Zum Thema alternative Verkehrssysteme wurde durch die Regierung ausgeführt, dass diese bereits im Rahmen der „Machbarkeitsanalyse neues strassenunab- hängigen Verkehrsmittel“ eingehend untersucht worden seien. Vor allem aus 33

Sicht der Verträglichkeit mit dem Ortsbild, der problematischen Bauphase, der Finanzierbarkeit und Inkompatibilität zu bestehenden Verkehrsträgern seien die- se Überlegungen schliesslich zu Gunsten eines Bus‐Bahn‐Konzepts verworfen worden. Es habe in diesen Studien jedoch klar aufgezeigt werden können, dass sämtliche Systeme (zumindest in kritischen Abschnitten, bei denen nur die be- stehende Landstrasse als sinnvolle Achse in Frage kommt) ein Eigentrasse benö- tigen, um einerseits die Fahrplanstabilität zu gewährleisten und andererseits die erforderliche Geschwindigkeit und Verkehrssicherheit zu erreichen. Vorleistun- gen hierzu würden die Errichtung von Busspuren darstellen, welche in Zukunft ebenfalls für alternative Verkehrsmittel genutzt werden könnten.

3.6 Information über das S-Bahn Projekt 2011

Im Jahr 2011 informierte die Regierung den Landtag im Rahmen eines umfassen- den Berichts über das Projekt einer S-Bahn FL.ACH.27 Zur Zielsetzung des Projekts wurde ausgeführt, dass mit dem Projekt S‐Bahn FL.A.CH die vorhandene Eisen- bahninfrastruktur soweit ausgebaut werden soll, dass ein leistungsfähiges und attraktives S‐Bahn‐Angebot für Liechtenstein mit Einbindung in das regionale Eisenbahnsystem im St. Galler und Vorarlberger Rheintal geschaffen werden könne. Damit werde nach Überzeugung der Regierung der Lebens‐ und Wirt- schaftsraum Liechtenstein langfristig gestärkt und eine nachhaltige Siedlungs- und Verkehrsentwicklung gefördert. Das Projekt zeichne sich insbesondere dadurch aus, dass es in einem absehbaren Zeitraum und mit einem vertretbaren Mitteleinsatz realisierbar wäre. Als breit abgestütztes regionales Projekt ergänze sich das S-Bahn Projekt mit den laufenden Planungen und Bauvorhaben der Nachbarregionen und gewährleiste den internationalen Anschluss Liechtensteins an das europäische Bahnnetz. Des Weiteren stärke das Projekt S-Bahn FL.A.CH

27 Bericht und Antrag Nr. 101/2011 betreffend Information über das Projekt „S-Bahn FL.A.CH“. 34

den Verkehrsknoten Sargans und sei Voraussetzung für Zukunftslösungen im Liechtensteiner Oberland.

Abb. 9: Zielkonzept öffentlicher Verkehr; Quelle: Agglomerationsprogramm Werdenberg - Liech- tenstein (Stand 18.8.2010).

Die Regierung führte in diesem Bericht erneut aus, dass in den vergangenen Jah- ren und Jahrzehnten verschiedene Initiativen entwickelt, Studien in Auftrag ge- 35

geben und Konzepte erarbeitet worden seien. Insbesondere mit den umfassen- den Studien zu einem „Neuen strassenunabhängigen Verkehrsmittel“ habe auf- gezeigt werden können, welchen Beitrag der öffentliche Verkehr insgesamt unter Aufwendung hoher finanzieller Mittel (je nach System mehr als CHF 1 Mrd.) leis- ten könnte. Eine Umsetzung dieses Konzepts sei jedoch aufgrund der sehr hohen Kosten, der mangelnden Siedlungsverträglichkeit, der Inkompatibilität mit vor- handenen Verkehrsmitteln, der fehlenden regionalen Unterstützung sowie der gravierenden Eingriffe, vor allem während der Bauzeit, für Liechtenstein weder kurz- noch mittelfristig realistisch.

In der Folge sei seitens der Regierung bis 2006 in einem Expertenbericht unter dem Titel „PUTGAP28“ ein möglicher mittel- bis langfristiger Lösungsweg für die Wahl eines ÖV‐Systems entwickelt worden, welches die zunehmende Verkehrs- nachfrage übernehmen könnte und sowohl wirtschaftlich tragbar als auch poli- tisch umsetzbar wäre.

Mit dem Projekt S‐Bahn FL.A.CH verfolge die Regierung die im Expertenbericht vorgeschlagene Variante des bestandsnahen Bahnausbaus in Verbindung mit einen darauf abgestimmten Buskonzept zur Erschliessung der nicht direkt im Bereich der Bahnhaltestellen gelegenen Gebiete im Liechtensteiner Unterland.

Die Regierung erachte den geplanten bestandsnahen Bahnausbau im Unterland als zwingende Voraussetzung für eine mögliche künftige Fortsetzung im Liech- tensteiner Oberland. Die Erschliessung des Raums Vaduz – Triesen – Balzers er- folge im Angebotskonzept S‐Bahn FL.A.CH vorerst durch eine Busanbindung an die nächst gelegenen Bahnhaltestellen in Schaan, Sevelen oder Trüb- bach/Sargans. Mit einer Fahrzeit von acht Minuten zwischen Schaan Bahnhof

28 PUTGAP – Systementwicklung öffentlicher Verkehr in Liechtenstein, Gesamtbericht Dez. 2006, ETH Zürich, Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme, Prof. Ulrich Weidmann, Jost Wichser, Bern- hard Alt, Milane Scherer, René Zeller, Prof. Markus Hecht, Marin Besch, Herwig Bobleter, Peter Guha. 36

und Vaduz Post, sechs Minuten zwischen Vaduz Post und Sevelen Bahnhof res- pektive sechs Minuten zwischen Trübbach Bahnhof und Balzers Rietstrasse seien diese Gemeinden mit relativ kurzen Fahrzeiten ebenfalls optimal an das Bahn- netz angeschossen. Bis Triesen Post seien die Fahrzeiten entsprechend um acht bis neun Minuten länger. Damit würden auch die Talgemeinden im Liechtenstei- ner Oberland direkt von einer besseren und schnelleren Erschliessung profitie- ren, vergleichbar mit einer Stadt, in der ausgehend von S‐Bahn‐Stationen die weiteren Stadtgebiete mit U‐Bahn, Tram oder Bus erschlossen würden.

Schon damals wurde seitens des Verkehrsclubs Liechtenstein (VCL) die Weiter- führung einer Bahnstrecke nach Vaduz und Triesen mit Einbindung in das schweizerische Eisenbahnnetz vorgeschlagen. Voraussetzung für diese Idee war nach Überzeugung der Regierung aber die Realisierung des Projekts S-Bahn FL.A.CH. Erst mit Umsetzung der geplanten Infrastrukturmassnahmen auf der Strecke Feldkirch - Buchs (Doppelspurabschnitt, Haltestellen) könne die Idee der Fortführung der S‐Bahn oder eines anderen strassenunabhängigen Verkehrsmit- tels im Liechtensteiner Oberland eingehender hinsichtlich Zweckmässigkeit, technischer Machbarkeit und Kosten untersucht werden.

3.7 Postulatsbeantwortung Ausbau der Mobilität 2012

In der Postulatsbeantwortung betreffend den Ausbau der Mobilität29 bekräftigte die Regierung erneut ihre Stossrichtung in Bezug auf die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs in Liechtenstein. Zentrales Element des Mobilitätskonzepts der Regierung sowie auch des Agglomerationsprogramms Werdenberg- Liechtenstein bilde die S‐Bahn FL.A.CH zwischen Feldkirch, Buchs und Sargans. Die erste Etappe zwischen Feldkirch und Buchs werde gemeinsam von den ÖBB,

29 Postulatsbeantwortung betreffend den Ausbau der Mobilität (Nr. 51/2012). 37

dem Fürstentum Liechtenstein und dem Land Vorarlberg finanziert. Die zweite Etappe setze den vorgesehenen Doppelspurausbau zwischen Buchs und Sevelen voraus, welcher für die Weiterentwicklung der Agglomeration von hoher Bedeu- tung sei. Mit dem zweistufigen Ausbau der S‐Bahn FL.A.CH zwischen Feldkirch und Sargans werde das attraktive regionale ÖV‐Rückgrat geschaffen, entlang dem die Agglomeration ihre Siedlungsentwicklung konzentrieren könne und wol- le. Entsprechende Massnahmen sehe die Teilstrategie Siedlung und Verkehr vor. In dieser sei auch die Aufwertung des tripolaren Regionalzentrums Buchs‐Schaan‐Vaduz vorgesehen, wobei neben Aufzonungen vor allem die Are- alentwicklung und die Vernetzung über die Bahngeleise im Vordergrund stünden. Mit der Ausrichtung des regionalen Busangebotes auf die S‐Bahn könne in der gesamten Region ein Quantensprung bei den Reisezeiten und bei der Erschlies- sungsgüte des ÖV erreicht werden.

3.8 Mobilitätskonzept „Statusbericht mit Ausblick 2020“30 vom August 2016

Mit dem Mobilitätskonzept „Mobiles Liechtenstein 2015“ formulierte die Regie- rung im Jahr 2008 eine Gesamtverkehrspolitik und eine Mobilitätsstrategie für einen mittelfristigen Zeithorizont. Die darin enthaltene Mobilitätsstrategie war auf das Jahr 2015 ausgelegt. Im Jahr 2016 wurde das Mobilitätskonzept mit dem „Statusberichts mit Ausblick 2020“ aktualisiert, da sich der gesamte Mobilitäts- bereich in einer fundamentalen Umbruchphase befand und um mehr Gewissheit in Bezug auf die sich anbahnenden Entwicklungen und Chancen zu erhalten. Der Statusbericht beinhaltete eine Zwischenbilanz zum Mobilitätskonzept 2015 und

30 Mobilitätskonzept „Statusbericht mit Ausblick 2020“ vom 29. August 2016. 38

sollte nach Ansicht der Regierung als Grundlage für die Entwicklung eines lang- fristigen Mobilitätskonzepts mit Horizont 2020 bis 2040 dienen.31

Zum Projekt S-Bahn FL.A.CH wurde im Statusbericht ausgeführt, dass im Jahr 2009 zwischen Liechtenstein, Österreich und den ÖBB eine Vereinbarung über die gemeinsame Planung der für eine S-Bahn in Liechtenstein nötigen Infrastruk- tur abgeschlossen und vom Landtag im Jahr 2008 die entsprechenden Finanzmit- tel für die Planung zur Verfügung gestellt worden seien. Da Österreich in der Fol- ge die gemeinsam ausverhandelte Finanzierungsvereinbarung in Frage gestellt habe, seien im April 2015 alle Arbeiten um das Projekt vorläufig sistiert worden. Die Regierung bekräftigte aber, dass sie nach wie vor hinter dem Projekt und der gemeinsam mit Österreich ausverhandelten Finanzierungsvereinbarung stehe.

Hinsichtlich der Verbesserung des Busangebots wurde im Statusbericht ausge- führt, dass das Land Liechtenstein in den vergangenen Jahren ein Konzept „Bus- bevorzugungsmassnahmen im FL“ geschaffen habe, das mit einem längerfristi- gen Zeithorizont von ein bis zwei Generationen die Planungssicherheit bei der öffentlichen Hand aber auch beim ÖV-Betreiber sicherstellen solle. Weiters ent- halte das Konzept auch kurzfristige Massnahmen zur Fahrplanstabilität. Ziel sei es, dieses Konzept aufgrund der Vernehmlassung in den Gemeinden zu bereini- gen. Bereits abgeschlossen sei der Prozess in der Gemeinde Vaduz mit dem Pro- jekt „Sicherung Strassenraum Landstrassen“. Weitere Gemeinden wie Eschen seien in Erarbeitung.

Weiter erläuterte die Regierung im Statusbericht, dass im Agglomerationspro- gramm Werdenberg - Liechtenstein der 3. Generation neben der Optimierung der beiden Rheinübergänge Haag-Bendern und Sevelen-Vaduz, das grenzüber-

31 Das Mobilitätskonzept 2030 soll vom Landtag in der Sitzung vom Mai 2020 zur Kenntnis genommen und die Regierung mit konkreten Aufträgen versehen werden. 39

schreitende Projekt S-Bahn FL.A.CH eine Schlüsselmassnahme darstelle. Im Hin- blick auf die S-Bahn FL.A.CH sei zudem ein Buskonzept entwickelt worden, das die wesentlich bessere Erreichbarkeit des Landes durch das neue Bahnangebot in die Fläche tragen und optimale Transportketten ermöglichen solle. Aufgrund der Sistierung des S-Bahn Projekts sei das Buskonzept aber derzeit in dieser Form nicht umzusetzen. Es werde geprüft, welche Verbesserungen im Busnetz auch ohne S-Bahn sinnvoll seien und umgesetzt werden könnten. Hohe Priorität habe die verbesserte Anbindung der Arbeitsplatzgebiete in den Räumen Vaduz-Triesen und im Liechtensteiner Unterland, insbesondere bezüglich grenzquerender Ver- bindungen.

3.9 Verkehrsdienstebericht 2019-2021

Ein wesentliches Führungsinstrument bei der Umsetzung der von der Regierung eingeschlagenen Strategie im öffentlichen Verkehr stellt der Verkehrsdienstebe- richt dar. Das bis ins Jahr 2015 praktizierte System des jährlich gewährten Lan- desbeitrages an die Aufwendungen des Verkehrsbetriebs LIECHTENSTEINmobil erschwerte die Planung des Fahrplanes erheblich. In der Landtagssitzung vom November 2014 nahm der Landtag die Postulatsbeantwortung der Regierung betreffend nachhaltige und gesicherte Finanzierung der LIEmobil32 zur Kenntnis. Darin führte die Regierung aus, dass sie es als zielführend erachte, sowohl den Leistungsauftrag als auch den Kredit für die LIEmobil neu für eine Zeitspanne von drei Jahren festzusetzen. Mit dieser Massnahme könnten eine nachhaltige und gesicherte Finanzierung der LIEmobil sichergestellt und zukunftsgerichtete Ent- wicklungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs ermöglicht werden.

32 Postulatsbeantwortung betreffend nachhaltige und gesicherte Finanzierung der LIEmobil (Nr. 95/2014). 40

Der Verkehrsdienstebericht 2019 - 202133 war nach dem Verkehrsdienstebericht 2016 – 201834 der zweite, welcher eine Zeitspanne von drei Jahren abdeckte. Darin wurden dem Landtag das im öffentlichen Verkehr bereitgestellte Angebot und die dafür durch den Staat zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel erläu- tert.

Ziel des Mobilitätskonzepts der Regierung im Bereich des öffentlichen Verkehrs sei es, diesen durch Qualitäts‐ und Kapazitätsverbesserungen gegenüber dem motorisierten Individualverkehr als attraktive Alternative zu gestalten, das Ange- bot des öffentlichen Verkehrs gezielt auf die Bedürfnisse der Nutzergruppen aus- zubauen, auch Randgebiete mit einem angemessenen Angebot an den öffentli- chen Verkehr anzuschliessen sowie attraktive Verbindungen zu regionalen Ver- kehrsknoten anzubieten.

Zur Zielerreichung würden Lösungsansätze wie die Bevorzugung des öffentlichen Linienbusverkehrs, die Gewährleistung der Fahrplanstabilität durch bauliche und betriebliche Massnahmen, die bessere Abstimmung der Fahrpläne aller Ver- kehrsbetriebe der Region, die Förderung intermodaler Transportketten, die Schaffung eines S‐Bahn‐Angebots mit der erforderlichen Schieneninfrastruktur sowie die Ausrichtung der Haltepunkte auf die bestehenden Aufkommensgebiete und Entwicklungsschwerpunkte verfolgt.

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs bedinge eine konsequente Abstimmung und Integration der öffentlichen Verkehre in der Region. Dies erfolge durch die Verknüpfung der Angebote Bahn‐Bahn, Bahn‐Bus sowie Bus‐Bus. Die Angebote würden an den regionalen Knotenpunkten, durch durchgehende Tarife, grenz-

33 Bericht und Antrag Nr. 46/2018 betreffend den Verkehrsdienstebericht 2019 - 2021. 34 Bericht und Antrag Nr. 61/2015 betreffend den Verkehrsdienstebericht 2016 - 2018. 41

überschreitende Angebote sowie regionale Fahrpläne und Mobilitätszentren abgestimmt.

Die Regierung betonte im Verkehrsdienstebericht 2019 - 2021, dass die Förde- rung des öffentlichen Verkehrs ihrer Ansicht nach ein wichtiger Teil einer zu- kunftsorientierten Verkehrsplanung sei. Ziel sei es, den öffentlichen Personen- nahverkehr als wirkliche Alternative zum motorisierten Individualverkehr auszu- gestalten. Dies könne auf Seiten der Anbieter zum einen durch attraktive Tarife, einschliesslich Tarifverbunden und kundenfreundlichem Ticketing (via App / In- ternet / Automaten), sowie einem interessanten und ansprechenden Fahrplana- ngebot ermöglicht werden. Auf Seiten der zur Verfügung stehenden Infrastruktur könne dies mittels statischer oder elektronischer Busspuren sowie der Busbevor- zugung an den Lichtsignalanlagen, Pförtneranlagen oder Abbiegespuren im Be- reich von Kreuzungen/Kreisel erreicht werden.

Mit Blick auf die nächsten Schritte zur Sicherung eines Eigentrasses des öffentli- chen Verkehrs werde es insbesondere wichtig sein, frühzeitig und mit geeigneten planerischen Mitteln den Bedarf an Fremdgrund zu sichern. Als mögliches Bei- spiel dafür erwähnt die Regierung den in der Gemeinde Vaduz behördenverbind- lichen Plan „Sicherung Strassenraum Landstrassen“. Realistisch betrachtet müsse allerdings davon ausgegangen werden, dass der notwendige Raum für den gröss- ten Teil der angedachten Busspuren erst mittel‐ bis langfristig grundeigentümer- verbindlich gesichert werden könne.

Weiter wurde im Verkehrsdienstebericht ausgeführt, dass gemäss Beurteilung der LIEmobil das örtliche und zeitliche Fahrplanangebot bereits heute sehr gut und im Vergleich zu anderen regionalen Verkehren, beispielsweise im benach- barten Kanton St. Gallen, überdurchschnittlich vorhanden sei. Ein weiterer Aus- bau des Angebots zu Randzeiten und in Randgebieten werde daher nach Ansicht der LIEmobil kaum mehr Fahrgäste bringen. Hingegen könnten schnellere Direkt- 42

verbindungen zu Hauptverkehrszeiten und auch während des Tages mehr Fahr- gäste ansprechen.

3.10 Verkehrsinfrastrukturbericht 2020

Ein weiteres wichtiges Führungsinstrument der Regierung ist der Verkehrsinfra- strukturbericht, welcher jährlich aktualisiert und dem Landtag zur Kenntnis ge- bracht wird. Im Verkehrsinfrastrukturbericht wird einerseits die Entwicklung des Verkehrsauskommens dokumentiert, andererseits gibt die Regierung einen Überblick über laufende Infrastruktur- und Verkehrsprojekte. Schliesslich werden die für das Folgejahr geplanten Investitions- und Unterhaltsprojekte im Detail dargelegt. Im Verkehrsinfrastrukturbericht 202035, welcher in der Landtagssessi- on vom November 2019 behandelt wurde, führte die Regierung aus, dass in den vergangenen Jahren die Grundlagen für die Weiterentwicklung der Verkehrsinf- rastrukturanlagen sowie für die Lösung von Verkehrsproblemen erarbeitet wor- den seien.

Weiter wurde ausgeführt, dass die Regierung an einer Mobilitätsstrategie arbei- te, welche auf dem neuen Mobilitätskonzept 2030 (als Nachfolge des Mobilitäts- konzepts „Statusbericht mit Ausblick 2020“) basiere. Hinsichtlich der Förderung alternativer Verkehrsmittel führte die Regierung aus, dass Liechtenstein im Be- reich des öffentlichen Verkehrs auf den Linienbus sowie die S-Bahn inklusive Be- gleitmassnahmen, auf den Langsamverkehr und auf die Änderung des Mobili- tätsverhaltens durch die Einführung des betrieblichen Mobilitätsmanagements in den Verwaltungen und der Privatwirtschaft setze.

35 Bericht und Antrag Nr. 122/2019 betreffend den Bau und die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur in Liechtenstein (Verkehrsinfrastrukturbericht 2020). 43

Zur Förderung und Bevorzugung des Linienbusses wurde auf den Bericht „Busbe- vorzugungsmassnahmen im Fürstentum Liechtenstein“ verwiesen. Dieser zeige in einer ersten Phase mögliche, unbestrittene Projekte auf und priorisiere diese bezüglich Umsetzung. Die Projekte zur Busbevorzugung könnten in den Planun- gen mitberücksichtigt und nach Möglichkeit umgesetzt werden.

Zum Projekt S‐Bahn wurde im Verkehrsinfrastrukturbericht 2020 erläutert, dass dieses als ein grenzüberschreitendes Eisenbahnkonzept der drei Länder Liech- tenstein, Österreich und der Schweiz von der liechtensteinischen Regierung initi- ierte worden sei. Das Projekt sehe einen S‐Bahn‐Betrieb auf der Bahnstrecke Feldkirch ‐ Buchs vor und könne damit ein zentrales Bindeglied zwischen der S‐Bahn St. Gallen sowie der S‐Bahn Vorarlberg bilden. Die Realisierung einer S‐Bahn Liechtenstein sei nach Ansicht der Regierung ein wichtiges Projekt, wel- ches sowohl für die Bevölkerung als auch für die Zu‐ und Wegpendler auf mittle- ren Distanzen ein attraktives regional und international integriertes Verkehrsmit- tel darstelle und den öffentlichen Verkehr mit einem leistungsfähigen Verkehrs- mittel auf der Schiene ergänze.

Ende Juni 2019 habe die Regierung die Sistierung des Projekts aufgehoben sowie ein Verhandlungsmandat betreffend die Mitfinanzierung des Ausbaus der Eisen- bahninfrastruktur auf liechtensteinischem Hoheitsgebiet im Hinblick auf die Rea- lisierung einer S‐Bahn Liechtenstein erteilt. Verschiedenste Massnahmen im Ag- glomerationsprogramm Werdenberg ‐ Liechtenstein36 seien auf die S‐Bahn- Verbindung Buchs ‐ Liechtensteiner Unterland ‐ Feldkirch abgestimmt oder wür- den teilweise mit dieser zusammenhängen. Diese hätten aufgrund der Tatsache, dass keine Klarheit über die Realisierung der S‐Bahn bestehe, vorerst zurückge-

36 Agglomerationsprogramm Werdenberg ‐ Liechtenstein, 3. Generation: Anhang A Massnahmenblätter; https://www.llv.li/files/abi/pdf‐llv‐abi‐synthesebericht‐3g.pdf.

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stellt werden müssen. Es handle sich dabei um Massnahmen wie die Entwicklung verdichteter Wohngebiete in der Nähe von S‐Bahn‐Haltestellen, die Entwicklung von Arbeitsplatzschwerpunkten im Einzugsgebiet der S‐Bahn, die Entwicklung des Bahnhofgebietes Schaan sowie diverse Einzelmassnahmen für Fussgänger und Fahrradfahrende und den Strassenverkehr. Auch habe dadurch die Verknüp- fung Bahn-Bus nicht verbessert und das ÖV-Konzept noch nicht optimiert und auf die Bahn ausgerichtet werden können.

Ferner wurde im Verkehrsinfrastrukturbericht 2020 dargelegt, dass die Förde- rung des Langsamverkehrs und der Ausbau des Hauptradroutennetzes einen weiteren Schwerpunkt darstellen würden. Das Hauptradroutenkonzept für das Fürstentum Liechtenstein sei von der Regierung im Juli 2014 genehmigt worden. Das Routennetz sei in Zusammenarbeit mit den Gemeinden erarbeitet und mit den Radroutenkonzepten des Kantons St. Gallen und des Landes Vorarlberg ab- gestimmt worden. Im Endausbau habe das Hauptradroutennetz eine Länge von insgesamt 79.23 km. Die Hauptradrouten würden weitgehend über bestehende Strassen und Wege führen, weshalb bei der Einführung im Jahr 2014 bereits 70.09 km zur Verfügung gestanden hätten. Seitdem habe man die Netzlücken von 9.14 km auf 7.49 km reduzieren können.

3.11 Weitere Arbeiten

Neben den oben aufgeführten Berichten zu Handen des Landtags wurden im Auftrag oder mit Unterstützung der Regierung eine Reihe weiterer Untersuchun- gen und Studien bearbeitet. Speziell zu erwähnen sind hierzu einerseits die Mas- terarbeit zum Thema «MIND» Mobilität in neuer Dimension aus dem Jahr 201837, sowie die Ende 2019 durchgeführte Bevölkerungsumfrage zu Mobilitätsaspekten

37 Masterarbeit ‘’Seilbahnen – Engineering & Management, M.Sc.’’; FH Vorarlberg / Schloss Hofen, Daniel Fröwis, Daniel Hüppi, Johannes Thissen, Mai 2018. 45

in Liechtenstein,38 welche repräsentative Erkenntnisse lieferte, die in die Mobili- tätsstrategie der Regierung eingeflossen sind.

Daneben befassten sich auch private Institutionen wie der VCL mit dem Thema der zukünftigen Mobilität in Liechtenstein. Der VCL präsentierte dazu seine Idee der Oberlandbahn von Schaan nach Sargans.

3.11.1 Regionalbahn Oberland Schaan-Vaduz-Triesen-Balzers-Sargans

Ausgehend der Prämisse, dass Liechtenstein die S-Bahn Feldkirch - Buchs mit einem durchgehenden Halbstundentakt realisiert und das Busangebot auf die S- Bahn abstimmt, erarbeitete der VCL eine Studie für die Fortführung des Bahnan- gebots in Form einer Trambahn als Rückgrat des öffentlichen Verkehrs für das Liechtensteiner Oberland.39 Diese soll von Schaan via Vaduz, Triesen, Balzers, Trübbach nach Sargans führen. Die Fortführung des Bahnangebots in Form einer Tram-Bahn wurde gewählt, da sich diese mit einem Mindestkurvenradius von nur 22 m und einer Breite von 2,65 m leichter in den überbauten Raum integrieren liesse als die Weiterführung einer S-Bahn. Die Normalspur-Trambahn bzw. Stras- senbahn soll teilweise auf einer eigenen Trasse verkehren, könnte aber auch die Geleise der SBB oder ÖBB befahren sowie auf einem Strassenkörper im Misch- verkehr mit den restlichen Strassennutzern (wie vielfach in Städten anzutreffen) fahren. Sie soll im 15-Minuten-Takt verkehren und könnte etwa 1’200 Fahrgäste pro Stunde befördern.

Voraussetzung für die Regionalbahn Oberland ist die Realisierung der S-Bahn zwischen Feldkirch und Buchs, welche zusammen mit der Regionalbahn eine Mit-

38 Mobilität und Verkehr – Ergebnisse einer mehrstufigen Umfrage, Wilfried Marxer, 2020, abrufbar unter: https://www.regierung.li/media/attachments/Mobilitaet-Verkehr--1-.pdf?t=637204937798468144. 39 http://www.vcl.li/bilder/1302.pdf. 46

telverteiler-Funktion mit dem Bus als Zubringer und Feinverteiler übernehmen würde.

Abb. 10: Linienführung der Oberlandbahn, Quelle VCL.

Der VCL geht in seiner Studie von zu erwartenden Realisierungskosten von ca. EUR 300 Mio. aus. Diese dürften aber nach Einschätzung der Regierung aufgrund der langen Tunnelstrecke, welche bei einer Realisierung ein hohes Risiko dar- stellt, und der Notwendigkeit der Realisierung einer neuen Rheinbrücke im Be- reich Balzers-Trübbach, vermutlich wesentlich höher ausfallen.

Abb. 11: Fotomontage Oberlandbahn, Quelle VCL.

Eine solche Oberlandbahn, welche mit der bestehenden Infrastruktur kompatibel ist, hätte als Mittelverteiler für das Liechtensteiner Oberland langfristig grund- sätzlich Potential. Die Idee deckt sich mit den Grundgedanken des Raum- und Mobilitätskonzepts und würde zu einer Attraktivitätssteigerung des ÖV führen. Derzeit scheint aber das Nachfragepotential noch nicht gegeben. Ausserdem stellen die hohen Investitions- und Betriebskosten sowie die Tatsache, dass die 47

bestehende, bereits hoch ausgelastete Bahninfrastruktur zwischen Trübbach und Sargans mitgenutzt werden müsste, ein Risiko für eine mögliche Realisierung dar. Ebenfalls als sehr problematisch werden der für die Realisierung eines solchen Projekts notwendige Landerwerb und die Verträglichkeit mit dem Orts- und Landschaftsbild erachtet. Letzteres wäre allerdings für die Akzeptanz in der Be- völkerung eine wesentliche Voraussetzung.

3.11.2 Masterarbeit «MIND» Mobilität in neuer Dimension

Im Rahmen ihrer Masterarbeit befassten sich Studenten der Fachhochschule Vorarlberg mit Unterstützung der Regierung und des Amtes für Bau und Infra- struktur mit den Möglichkeiten und Lösungsansätzen, welche moderne Seilbahn- systeme zur Bewältigung des Verkehrsaufkommens leisten können. Ausgehend von einer Analyse der aktuellen Verkehrsentwicklungen und des Pendlerpotenti- als wurden unter der Prämisse der Umsetzung des S-Bahn Projekts auf der Stre- cke Feldkirch - Buchs SG, verschiedene mögliche Linienführungen für Seilbahn- systeme im Liechtensteiner Unter- und Oberland untersucht.

Seilbahnsysteme ermöglichen eine vertikale Entflechtung der Verkehrsströme, sind als Mittelverteiler grundsätzlich geeignet und weisen auch entsprechende Kapazitäten auf. 48

Abb. 12: Seilbahnsysteme im besiedelten Gebiet; Quelle: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/nahverkehrs-ideen-mit-der-gondel-mal- schnell-nach-muenchen-1.4104143.

Seilbahnsysteme weisen aber auch erhebliche Nachteile auf, wie etwa die Beein- trächtigung des Landschafts- und Ortsbildes, hohe Kosten, die schwierige Einbet- tung der Stationen an den Start- und Zielorten und die Anfälligkeit auf Wind (Föhn in Liechtenstein). Zudem sind sie für mobilitätseingeschränkte Personen aufgrund der Notwendigkeit zur Überwindung von Höhenunterschieden, um zu den Stationen zu gelangen, weniger attraktiv.

Exemplarisch ist untenstehend eine mögliche Linienführung zur Verbindung der Achse Haag - Bendern - Eschen dargestellt, welche bis zum Bahnhof Nendeln verlängert werden könnte. 49

Abb. 13: Seilbahnsysteme im besiedelten Gebiet; Quelle: Masterarbeit «MIND».

Auch wenn es sich hierbei um ein sehr innovatives System handelt, würde sich die Umsetzung mit Blick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung, den zu erwarten- den Baukosten von über CHF 100 Mio. allein für die dargestellte Linienführung von Haag nach Eschen, den hohen Betriebskosten sowie den zahlreichen rechtli- chen Fragestellungen als höchst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, erwei- sen.

3.11.3 Umfrage zu Mobilitätsaspekten in Liechtenstein

Im Zeitraum von August bis November 2019 führte das Liechtenstein-Institut in Zusammenarbeit mit dem schweizerischen Meinungsforschungsinstitut Demo SCOPE AG im Auftrag der Regierung eine mehrstufige Umfrage zum Thema Ver- kehr und Mobilität durch.40

40 Mobilität und Verkehr – Ergebnisse einer mehrstufigen Umfrage, Wilfried Marxer, 2020, abrufbar unter: https://www.regierung.li/media/attachments/Mobilitaet-Verkehr--1-.pdf?t=637204937798468144. 50

Die Ergebnisse der Umfrage zeigen die grosse Bedeutung des Autos für den Weg zur Arbeit, aber auch für das Einkaufen und in der Freizeit. Dabei stören Stau und Zeitverlust vor allem zu Stosszeiten. Sowohl die Einheimischen als auch die Grenzgänger/-innen sehen in der Verkehrssituation ein Problem. Entsprechend erkennen rund zwei Drittel der Befragten Handlungsbedarf im Verkehrsbereich, rund ein Viertel erachtet diesen sogar als sehr dringend.

Abb. 14: Handlungsbedarf im Bereich Verkehr; Quelle: Liechtenstein-Institut.

Zum öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn wurden kritische Aussagen betref- fend ungenügender Verbindungen, aber auch Verspätungen und Anschlussprob- lemen sowie als zu hoch empfundener Tarife des öffentlichen Verkehrs gemacht. Mehr als 60 Prozent der Befragten glauben, dass sie bei einer Verbesserung des ÖV diesen künftig häufiger benutzen würden.

Im Bereich des motorisierten Individualverkehrs werden mehr Busbuchten und ein Ausbau des Strassennetzes am stärksten befürwortet. Auch separate Busspu- ren werden begrüsst, nicht nur als Massnahmen zur Förderung des öffentlichen 51

Verkehrs, sondern auch als Mittel gegen Bushaltestellen auf der Fahrbahn, die von vielen als Hindernis für den Autoverkehr erachtet und grossmehrheitlich abgelehnt werden. Viele weitere Massnahmen für den ÖV werden positiv beur- teilt, neben separaten Trassen insbesondere auch ein Ausbau des ÖV-Netzes, günstigere Tarife bis hin zum Gratis-ÖV, die Verbesserung der Pünktlichkeit und anderes.

Insbesondere auch der Schienenausbau wird mehrheitlich unterstützt, d.h. von 66 % der Einheimischen und sogar von 78 % der Grenzgänger/-innen. Aus Sicht der Befragten sollte bei einem Verkehrskonzept der Zukunft jedenfalls auf den ÖV, in einer Kombination von Bahn und Bus, gesetzt werden.

Abb. 15: Beurteilung Verkehrsträger für Zukunft als „eher wichtig“; Quelle: Liechtenstein-Institut.

52

3.11.4 Mobilitätskonzept 203041

Die Regierung hat in der laufenden Legislaturperiode das Mobilitätskonzept 2030 erarbeitet und im März 2020 verabschiedet. Ausgehend von den bisherigen Er- fahrungen der liechtensteinischen Verkehrspolitik, dass die verschiedenen Ein- zelmassnahmen im Mobilitätsbereich in einen übergeordneten Zusammenhang gestellt werden müssen, wenn sie Wirkung zeigen sollen, war es das Ziel der Re- gierung, die Verkehrsprobleme nicht isoliert, sondern als Teil einer Gesamtstra- tegie aus Siedlungs-, Verkehrs- und Umweltmassnahmen zu betrachten.

Je nach Entwicklungsszenario wird der Verkehr in Liechtenstein zwischen 2025 und 2040 um 60 % zugenommen haben. Die Herausforderung, den prognostizier- ten Mehrverkehr zu bewältigen, muss das Land nachhaltig angehen. Es ist eine Verpflichtung von Staat und Gemeinden, für den Erhalt und die Weiterentwick- lung des Lebensraums Liechtenstein sowie für den Wirtschaftsstandort ein funk- tionstüchtiges und auch in Zukunft gesichertes Verkehrssystem im Sinne einer Gesamtverkehrskonzeption zu entwickeln.

Das Mobilitätskonzept 2030 verfolgt aus diesem Grund einen auf konkrete Mas- snahmen ausgerichteten Ansatz. Zur Bewältigung der vorhandenen Mobilitäts- bedürfnisse und zur Gewährleistung einer zukunftsorientierten, nachhaltigen und sicheren Mobilität in Liechtenstein beinhaltet das Konzepte fünf Teilstrate- gien für die Bereiche Siedlung und Verkehr, öffentlicher Verkehr, motorisierter Individualverkehr, Fuss- und Radverkehr sowie Güterverkehr. Die Teilstrategien bauen auf der verkehrspolitischen Leitidee, den verkehrspolitischen Grundsätzen sowie den Vorarbeiten aus den Jahren 2008 und 2016 auf. Zur Erreichung der Ziele dieser Teilstrategien sieht das Mobilitätskonzept die Umsetzung der vier

41 Mobilitätskonzept 2030, März 2020. 53

Massnahmenpaketen „Öffentlicher Verkehr und Langsamverkehr“, „Effizientere Nutzung bestehender Kapazitäten“, „Erweiterung der bestehenden Infrastruktur und Sicherheit“ und „Erhöhung der Sicherheit im Verkehr“ sowie zehn Leitpro- jekten mit einem Horizont bis 2030 vor. Die darin enthaltenen Massnahmen und Projekte setzen an allen Orten des Handlungsbedarfs an, sind aufeinander abge- stimmt und sind mit unterschiedlich langen Realisierungszeiträumen hinterlegt. So soll Schritt für Schritt ein attraktiveres und leistungsfähigeres Mobilitätsange- bot in Liechtenstein und der Region entstehen.

4. BEANTWORTUNG DER FRAGEN

1.) Welche strassenunabhängigen ÖV-Verkehrsmittel erachtet die Regierung nach einer allfälligen Umsetzung der S-Bahn FL-A-CH von Schaanwald nach Schaan als geeignet an, um die S-Bahn durch die Oberländer Talgemeinden weiterzuführen?

Die Regierung ist überzeugt, dass es kurz- und mittelfristig nicht möglich sein wird, ein vollständig strassenunabhängiges Verkehrssystem einzuführen und zu betreiben. Aufbauend auf dem bisherigen Bahn-Bus-Ansatz wird sich ein neues System (z.B. Bus-/Tramsystem) grossmehrheitlich auf dem heutigen Hauptach- sennetz bewegen müssen, um die Hauptziele und -quellen zu erreichen. Dazu ist es erforderlich, entlang dem bestehenden Strassennetz die Korridore für eine Eigentrasse zu sichern. In Zentren und im Bereich von Knoten, wo der Lander- werb aufgrund der dichten Bebauung bereits heute nicht mehr möglich ist, muss das öffentliche Verkehrsmittel durch geeignete Massnahmen priorisiert werden.

Die Prüfung, Planung und Umsetzung der im Mobilitätskonzept 2030 enthaltenen Massnahmen und Leitprojekte werden in den nächsten zehn Jahren im Bereich Verkehr die Schwerpunktaktivitäten bilden. Daneben wird es viele Projekte, 54

Ideen und Initiativen geben, die zur Erreichung des übergeordneten Ziels einer hohen Standort- und Lebensqualität beitragen können. Angesichts der Entwick- lungsmöglichkeiten und zukünftigen Chancen in der Mobilitätswelt ist es wichtig, über das Jahr 2030 hinaus in die etwas weiter entfernte Zukunft zu blicken. Bei kontinuierlich steigender Mobilitätsnachfrage stellt sich nicht zuletzt die Frage, ob in Liechtenstein mit einem weiteren Ausbau der heutigen Verkehrssysteme die Nachfrage gestillt werden kann, oder ob neue Verkehrssysteme zum Einsatz gelangen müssen. Der Einsatz solcher neuen Verkehrssysteme sollte an die im Mobilitätskonzept vorgesehenen Leitprojekte anknüpfen und insbesondere die Chancen der Digitalisierung nutzen.

Neue Verkehrssysteme können sehr langfristig eine grosse Chance für die ver- kehrliche Entwicklung Liechtensteins darstellen. Auf der anderen Seite bringen sie aber auch Herausforderungen mit sich, insbesondere in Bezug auf ihre Einbet- tung in die politische und (verkehrs-)planerische Landschaft.

Jede dereinst zu realisierende Massnahme muss ein vernünftiges Kosten-Nutzen- Verhältnis aufweisen und die spezifischen Gegebenheiten des Landes Liechten- stein berücksichtigen. Dabei kann der Fächer vom Trackless Tram (Pneutram), über eine Hochbahn bis hin zu automatisierten Fahrzeugen gespannt werden. Entsprechende Ausführungen zu möglichen zukünftigen Verkehrssystemen fin- den sich im Mobilitätskonzept 2030 im Kapitel „Das Jahr 2030 und die Zeit da- nach“. Dort ist zudem ausgeführt, dass die verschiedenen Varianten in den kommenden Jahren vertieft geprüft werden sollen. a) Welches dieser strassenunabhängigen ÖV-Verkehrsmittel könnte hierbei eine realistische Möglichkeit zur Umsetzung darstellen und welche Vor- und Nachteile hätten die einzelnen dargestellten strassenunabhängigen Ver- kehrsmittel? 55

Ein strassenunabhängiges ÖV-Verkehrsmittel zur Erschliessung der Talgemeinden im Oberland stellt allenfalls eine Lösung mit einem langfristigen Horizont dar. In verschiedenen Studien und Projekten sowie auch im Mobilitätskonzept 2030 wurden alle derzeit bekannten Systeme (ein optimiertes Bussystem, ein neues Bahn-/Bussystem, ein Pneutram, eine Trambahn sowie Hoch- und Seilbahnen) hinsichtlich ihrer Machbarkeit geprüft und bewertet. Im Mobilitätskonzept 2030 sind auch die jeweiligen Chancen und Risiken für jedes dieser Verkehrssysteme im Detail dargestellt. Die Vor- und Nachteile von strassenunabhängigen Ver- kehrsmitteln hängen stark vom gewählten System ab. Vorteile einer Trambahn sind zum Beispiel, dass diese kompatibel mit der bestehenden Infrastruktur ist und dass sie eine hohe Kapazität und ein grosses Potential aufweist, um den Pendlerverkehr auf die Bahn zu bringen. Problematisch ist dieses System auf- grund des nicht ausreichend vorhandenen Nachfragepotentials und aufgrund der Tatsache, dass die Infrastruktur der ÖBB und SBB, auf welche kein direkter Ein- fluss genommen werden kann, mitgenutzt werden müsste. Ein Vorteil einer Hochbahn wäre, dass ein solches ÖV-System eine vertikale Entflechtung des Ver- kehrs mit sich bringen und somit die MIV-Kapazität erhöhen würde. Zudem wür- de sie, wie die Trambahn, über eine hohe Kapazität verfügen. Nachteile dieses Systems sind primär die Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes, die fehlenden Rechtsgrundlagen sowie die hohen Kosten. Vorteile von Seilbahnsys- temen sind ebenfalls die vertikale Entflechtung des Verkehrs und ihre hohe Ka- pazität. Nachteile sind die schwierige Einbettung ins Landschafts- und Ortsbild, die im Rheintal herrschenden unsteten Windverhältnisse und die hohen Kosten.

Auf der Grundlage des heutigen Kenntnisstands erscheint es daher nicht sinnvoll, sich auf ein bestimmtes strassenunabhängiges ÖV-System für die Zukunft festzu- legen. 56

Allen Systemen gemein ist jedoch, dass diese einen entsprechenden Mobilitäts- korridor benötigen. Die Flächen und Grundstücke für diesen müssen eigentü- merverbindlich gesichert werden. Aus diesem Grund ist die Sicherung der Mobili- tätskorridore im Mobilitätskonzept 2030 als eines der zehn Leitprojekte enthal- ten. Mit diesem Leitprojekt wird die Strategie verfolgt, den öffentlichen Verkehr, wie bereits heute, auf den Hauptachsen entlang den Siedlungsschwerpunkten zu führen. Um regelmässig auftretende Verkehrsüberlastungen und die damit ver- bundenen negativen Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr (Verlust der Fahrplanstabilität, Verpassen von Anschlüssen) zu vermeiden, sollen in Zusam- menarbeit mit den betroffenen Gemeinden auch Entlastungsachsen evaluiert und untersucht werden.

Die Sicherung der Korridore entlang der Hauptachsen sowie für die Entlastungs- achsen muss langfristig über den Landes- und die Gemeinderichtpläne erfolgen. Wesentlich schwieriger wird sich erfahrungsgemäss der für eine Realisierung nötige Erwerb des Grundes gestalten. Jeder Mobilitätskorridor wird in unserem bereits engen Siedlungsraum etliche private Liegenschaften tangieren. Je nach System wird auch das Orts- und Landschaftsbild stark beeinflusst, weshalb der Einbindung eines möglichen Korridors in die Gemeinden und die Landschaft grösstes Augenmerk zu schenken ist. b) Mit welcher Routenführung könnten die dargestellten strassenunabhängi- gen ÖV-Verkehrsmittel die beste Wirkung hinsichtlich einer zunehmenden Nutzung des ÖV’s erreichen?

Die Routenführung und damit der zu sichernde Korridor für ein allfälliges stras- senunabhängiges ÖV-Verkehrsmittel müsste in einem gemeinsamen Prozess zwi- schen dem Land und den betroffenen Gemeinden erarbeitet und festgelegt wer- den. 57

Die Routenführung hätte viele Anforderungen zu erfüllen: Die bestehenden Sied- lungsschwerpunkte und Zentren, aber auch die Arbeitsplatzschwerpunkte, müss- ten möglichst direkt erschlossen werden. Das neue Verkehrsmittel müsste zu- dem den Anschluss an die bestehenden Bahnknoten im benachbarten Ausland sicherstellen. Schliesslich müsste es auch den künftigen Siedlungsentwicklungen, dem Lärmschutz und dem Landschaftsschutz Rechnung tragen.

In diesem Zusammenhang muss auch festgehalten werden, dass ein neues Ver- kehrsmittel vermutlich ausschliesslich die Funktion eines Mittelverteilers (mit einem grösseren Haltestellenabstand) erfüllen könnte. Im Mobilitätskonzept 2030 wird dazu ausgeführt, dass der Nord-Süd-Korridor mit einem neuen hoch- wertigen ÖV-System auszugestalten ist, welches auch optimal mit der S-Bahn Liechtenstein verknüpft ist. Dabei geht es um verschiedene Ausgestaltungsele- mente, wie die Trassierung (Mischverkehr, Eigentrassierung), die Verkehrsträger (Strasse, Schiene, etc.), den Antrieb (alternative Antriebssysteme) und die Ver- kehrslage (ebenerdig, hoch, tief). Das System sollte aufwärtskompatibel sein und die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung stellen können. Dazu bedarf es einer verbesserten Verkehrssteuerung und der Abstimmung mit den Bedürfnissen des MIV.

Zur Feinverteilung in die Quartiere und die Hanglagen in Schaan, Planken, Vaduz, Triesen, Triesenberg und Balzers wäre zusätzlich ein weiteres System notwendig. Denkbar wären verschiedene Systeme und Kombinationen (z.B. automatisierte Kleinfahrzeuge, kombinierte Wegeketten, Ortsbusse) , welche die entsprechende Flexibilität aufweisen würden. c) Mit welchen Investitions- und Betriebskosten müsste bei den einzelnen dar- gestellten strassenunabhängigen Verkehrsmitteln gerechnet werden? 58

Gemäss den Abschätzungen in den vorliegenden Studien würden sich die Investi- tionskosten, je nach Wahl des Verkehrsmittels (Bus / Trambahn / S-Bahn / Hoch- bahn / Seilbahn) und der Länge der unterirdischen Tunnelabschnitte, in der Grös- senordnung zwischen CHF 300 Mio. bis CHF 600 Mio. bewegen. Bei den Betriebs- kosten kann von jährlich wiederkehrenden Aufwendungen in der Höhe von CHF 25 Mio. bis CHF 35 Mio. ausgegangen werden. d) Wie beurteilt die Regierung die vom Verkehrsclub Liechtenstein (VCL) aus- gearbeitete Studie zu einer Regionalbahn von Schaan via Vaduz, Triesen, Balzers, Trübbach nach Sargans in Bezug auf Umsetzbarkeit, Routenführung und Investitions- sowie Betriebskosten?

Die vom VCL ausgearbeitete Studie einer Regionalbahn Oberland, welche mit der bestehenden Infrastruktur kompatibel ist, hätte als Mittelverteiler für das Liech- tensteiner Oberland langfristig grundsätzlich Potential. Die Idee deckt sich mit den Grundgedanken des Raum- und Mobilitätskonzepts und würde zu einer At- traktivitätssteigerung des ÖV führen. Derzeit dürfte aber noch keine genügende Nachfrage für diese Art von Mittelverteiler vorhanden sein, da sich die Arbeits- platzzentren im Oberland vor allem auf die Gemeinden Vaduz und Triesen Nord beschränken. Rund drei Viertel der Pendler aus Österreich haben ihre Arbeits- plätze derzeit im Unterland42 und in Schaan und profitieren somit direkt vom Bau der S-Bahn zwischen Buchs und Feldkirch. Nur ein kleinerer Teil muss derzeit weiter in Richtung Vaduz, Triesen und Balzers zur Arbeit pendeln. Die Arbeits- pendler in diesen Gemeinden kommen mehrheitlich aus dem Schweizer Rheintal oder von weiter her. Ausserdem stellen die hohen Investitions43- und Betriebs- kosten, sowie die Tatsache, dass die bestehende, bereits hoch ausgelastete,

42 Beschäftigungsstatistik 2018, Tabelle 5.1, S. 73, Amt für Statistik Fürstentum Liechtenstein, 16. Septem- ber 2019. 43 ca. EUR 300 Mio. 59

Bahninfrastruktur zwischen Trübbach und Sargans mitgenutzt werden müsste, ein Risiko für die mögliche Realisierung dar. Ebenfalls als sehr problematisch wird der für die Realisierung eines solchen Projekts notwendige Landerwerb und die Verträglichkeit mit dem Orts- und Landschaftsbild erachtet. Letzteres wäre aller- dings für die Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend.

Voraussetzung für die Regionalbahn Oberland wäre die Realisierung der S-Bahn zwischen Feldkirch und Buchs, welche zusammen mit der Regionalbahn eine Mit- telverteiler-Funktion, mit dem Bus als Zubringer und Feinverteiler, übernehmen würde. Das Projekt der S-Bahn zwischen Feldkirch und Buchs verläuft entlang eines bereits bestehenden Verkehrskorridors, bei welchem die benötigten Grundstücke sich mehrheitlich im Eigentum der ÖBB oder des Landes und der Gemeinden befinden und ist daher in einem kürzeren Zeitraum und mit einem vertretbaren Mitteleinsatz realisierbar.

Für eine Umsetzung einer Regionalbahn Oberland müssten zuerst in Abstimmung zwischen Land und Gemeinden ein geeigneter Korridor gefunden und die nötigen Grundstücke gesichert werden. Ein solches Projekt könnte daher erst in einem langfristigen Horizont umgesetzt werden.

2.) Wie gedenkt die Regierung die beiden stark wachsenden Industriegebiete Ruggell und Gamprin-Bendern nach einer allfälligen Umsetzung der S-Bahn FL-A-CH von Schaanwald nach Schaan an das S-Bahn-Netz anzuschliessen?

Im Rahmen der Agglomerationsprogramme Werdenberg-Liechtenstein der 2. und 3. Generation stellt der Bahnausbau in einem ersten Schritt auf der Achse Feldkirch - Buchs und in einem zweiten Schritt bis nach Sargans das regionale Rückgrat im öffentlichen Verkehr dar. Bei der Erarbeitung des Programms der 3. Generation wurde zudem ein Schwerpunkt auf die Weiterentwicklung des Ange- bots im öffentlichen Busverkehr als Zubringer zu den Bahnhaltestellen gelegt. 60

Dazu wurde ein auf das Bahnangebot abgestimmtes neue Busangebot entwi- ckelt, welches die Wohngebiete, vor allem aber auch die nicht direkt an der Bahnstrecke liegenden Arbeitsplatzzentren in Eschen, Gamprin-Bendern und Ruggell möglichst direkt an das neue Angebot anbindet. Die Anbindung an die Bahn wird dabei einerseits über den Bahnhof Nendeln und Buslinien nach Eschen und Bendern in Liechtenstein und andererseits über die Haltestellen Salez/Sennwald in der Schweiz und eine entsprechende Buslinie von Salez nach Feldkirch sichergestellt. Es wurden in Studien selbstverständlich auch für diese Beziehungen alternative, strassenunabhängige Verkehrsmittel, wie z.B. eine Seil- bahn,44 geprüft. a) Welches strassenunabhängige ÖV-Verkehrssystem erachtet die Regierung am geeignetsten, um die Industriegebiete in Bendern und Ruggell an eine etwaige S-Bahn anzuschliessen?

Wie auf der Achse im Oberland erachtet die Regierung kurz- und mittelfristig auch im Unterland den Ausbau des Bahnangebots auf der Strecke von Feldkirch bis nach Sargans und ein darauf abgestimmtes Bussystem, welches, wo möglich, auf separaten Busspuren die Gemeinden im Liechtensteiner Unterland an die Bahnhaltestellen in Nendeln und Salez/Sennwald anbindet, als einzig zielführen- de Option. Ergänzend dazu sollen auf den Hauptverbindungen weitere Schnell- buslinien, welche Direktverbindungen von den ÖV-Haltepunkten zu den wichtigs- ten Arbeitsplatzzentren und den Ortszentren schaffen, eingerichtet werden. b) Mit welcher Routenführung könnte hierbei die beste Wirkung hinsichtlich einer zunehmenden Nutzung des ÖV’s erreicht werden und welche Bedeu- tung kommt hierbei dem Bahnhof Haag zu?

44 Siehe dazu Kapitel 3.11.2. 61

Die Routenführung auf den Achsen Nendeln, Eschen, Bendern und Ruggell müss- te gemeinsam zwischen dem Land und den Gemeinden erarbeitet und festgelegt werden. Aufgrund der Topografie rund um den Eschnerberg und der Lage der Arbeitsplatzgebiete wird sich eine Linienführung auf den Achsen Nendeln - Eschen - Bendern - Ruggell aber vermutlich auf die Talebene konzentrieren.

Der Bahnhof Haag hat in den langfristigen Planungen der S-Bahn St. Gallen keine Bedeutung. Der Anschluss der Gemeinden Ruggell und Gamprin-Bendern an die S-Bahn St. Gallen muss daher über die Haltestellen Nendeln und Salez/Sennwald sichergestellt werden.

Abb. 16: Netzplan S-Bahn St. Gallen (Stand 2019); Quelle: www.ostwind.ch. 62

c) Mit welchen Investitions- und Betriebskosten müsste diesbezüglich gerech- net werden?

Gemäss den Abschätzungen in den vorliegenden Studien würden sich die Investi- tionskosten für ein strassenunabhängiges Verkehrsmittel, je nach gewähltem Verkehrsmittel und der dazu nötigen Infrastruktur, auch auf der Achse Nendeln - Eschen - Bendern - Ruggell in der Grössenordnung von CHF 300 Mio. bis CHF 600 Mio. und die jährlichen Betriebskosten in der Höhe von CHF 25 Mio. bis CHF 35 Mio. bewegen.

3) Wie sieht die Regierung die künftige Rolle der Bahnhöfe Sargans, Buchs SG und Haag? Besteht nach Ansicht der Regierung die Gefahr, dass die für die liechtensteinische Wirtschaft sehr wichtigen regionalen Eisenbahnknoten an Bedeutung verlieren, wenn die S-Bahn gar nicht oder nur zwischen Schaan- wald und Schaan erstellt wird? Welche Auswirkungen hätte ein Verzicht o- der eine ausschliesslich von Schaanwald bis Schaan erstellte S-Bahn für die regionale und internationale Vernetzung Liechtensteins?

Der Ausbau der Eisenbahnstrecke Feldkirch - Buchs für den vertakteten S-Bahn- Nahverkehr darf aus Sicht der Regierung keinesfalls nur isoliert gesehen werden. Das Projekt ist eingebettet in das Konzept Bodan Rail45 und regional mit den Ver- kehrskonzepten in Vorarlberg und St. Gallen abgestimmt. Mit den beiden sich bereits in Betrieb befindlichen S-Bahnen in Vorarlberg und St. Gallen sowie der künftigen S-Bahn Liechtenstein liegt ein in Bezug auf Angebot und Infrastruktur abgestimmtes Gesamtkonzept für den Personennahverkehr auf der Schiene in der Region vor. Daher stellt das Projekt S-Bahn Liechtenstein auch im Agglomera- tionsprogramm Werdenberg – Liechtenstein eine sehr wichtige Schlüsselinfra- struktur für die zukünftige Entwicklung der Region dar.

45 https://www.bodenseekonferenz.org/bodan-rail. 63

Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich werden grosse Anstrengungen un- ternommen und viel Geld eingesetzt, um die Bahninfrastrukturen auszubauen. Österreich investiert gemäss dem Rahmenplan 2018-2023 mit Blick auf das Ziel- netz 2025+ im Zeitraum von 2018 bis 2023 insgesamt EUR 13.9 Mrd. in den Bahnausbau. In der Schweiz wurden mit dem Programm „Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur“ (ZEB) sowie den Projekten zum Anschluss der Ost- und Westschweiz an den europäischen Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsverkehr Pro- jekte von über CHF 5.4 Mrd. freigegeben. Im Rahmen des Ausbauschritts 2025 (STEP AS 2025) werden weitere Projekte im Umfang von CHF 6.4 Mrd. reali- siert.46 Im Kanton St. Gallen wurden die Knoten St. Gallen und Sargans ausgebaut und mit Inbetriebnahme der S-Bahn St. Gallen beim Fahrplanwechsel im Dezem- ber 2013 der Halbstundentakt im ganzen Kantonsgebiet eingeführt. Die Gesamt- kosten für die Infrastrukturausbauten betrugen rund CHF 200 Mio. Seit dem Jahr 2013 bedient neben dem schnellen Regionalverkehr (REX) stündlich auch die S- Bahn S4 die Strecke St. Gallen - Sargans. Der auch für Liechtenstein wichtige Kno- ten Buchs SG bietet damit nun ein halbstündliches Angebot auf der Schiene. Für diese Angebotsverbesserung wird die S- Bahn St. Gallen zudem, basierend auf der künftigen Fahrplanstruktur, weiter ausgebaut. Im Rahmen des Aus- bauschritts im Rheintal wird die Strecke zwischen Sevelen und Buchs sowie im Bereich Oberriet zu einer Doppelspur ausgebaut. Zudem wird unter anderem der Bahnhof Rüthi ausgebaut, sodass dort künftig S-Bahn-Züge kreuzen können. Beim Bahnhof Sevelen wird der Perron verlängert, damit längere Züge mit mehr Sitzplätzen halten können und in Trübbach wird eine neue Haltestelle realisiert.47 Für die Region Rheintal/Werdenberg ist ab dem Fahrplan 2025 eine zweite Schnellverbindung St. Gallen - Sargans (Halbstundentakt REX nach Infrastruktur-

46 https://company.sbb.ch/de/ueber-die-sbb/projekte/nationale-programme/step-as-2025.html. 47 https://company.sbb.ch/de/ueber-die-sbb/projekte/projekte-zuerich-ostschweiz/doppelspurausbau-im- rheintal.html. 64

ausbau) und die Anpassung der S-Bahn Altstätten - Sargans mit neuem Halt in Trübbach und Intercity-Anschluss in Sargans vorgesehen.48

Vor dem Hintergrund aller bereits umgesetzten und noch geplanten Ausbauten der Bahninfrastruktur in der Region ist die Realisierung der S-Bahn Liechtenstein zwischen Feldkirch und Buchs aus Sicht der Regierung für das Land und die ge- samte Region ein wichtiges Projekt. Die S-Bahn Liechtenstein sichert dem Land den regionalen Bahnanschluss nach Vorarlberg und an das St. Galler Rheintal sowie darüber hinaus auch die Verbindung an die internationalen Bahnknoten Sargans in Richtung Zürich und Feldkirch in Richtung Salzburg/Wien.

Das Projekt ist eingebettet in ein regionales und überregionales Gesamtkonzept und stellt damit auch ein wichtiges Element des Bahnnetzwerks in der gesamten Region dar. Ein Verzicht auf die Realisierung der S-Bahn zwischen Feldkirch und Schaan würde die Nutzung der Schieneninfrastruktur zum Vorteil für die liech- tensteinische Wirtschaft und die Bewohner des Landes verunmöglichen. Liech- tenstein könnte damit den Anschluss an die Bahninfrastrukturen der Nachbar- länder verlieren, was langfristig als Wettbewerbsnachteil zu sehen ist. Ein Ver- zicht auf die Weiterführung der Bahn über Schaan hinaus in Richtung Oberland hätte keine negativen Auswirkungen, da der Anschluss des Oberlands über Schnellbusverbindungen von Schaan aus und über Zubringer zu den Bahnhöfen der S-Bahn St. Gallen sichergestellt werden kann.

4.) Verkehrsminister Daniel Risch hat sich am 29. März 2017 gegenüber Radio Liechtenstein skeptisch zur S-Bahn FL-A-CH geäussert. Hierzu schrieb das Liechtensteiner Vaterland am 30. März 2017: «So äusserte er sich skeptisch zum S-Bahn Projekt, auch wenn er sich damit ergebnisoffen auseinanderset-

48 https://www.sg.ch/verkehr/oeffentlicher-verkehr/planung-oev-angebote/aktuelle-bahnplanung/s- bahn-kanton-st-gallen.html. 65

zen werde. Die Zukunft des Verkehrs sieht er allerdings an anderer Stelle: Nämlich auf dem bestehenden Strassennetz. […] Risch weiss natürlich, dass dem Land ein Verkehrsinfarkt droht, sollte sich künftig nichts ändern. Doch er ist überzeugt, dass der Kampf gegen diesen „Infarkt“ auf der Strasse selbst ausgetragen werden muss. Dabei dürfe das bestehende Strassennetz nicht mit dem motorisierten Individualverkehr gleichgesetzt werden. Es sei künftig weit mehr denkbar. So finde im Bereich der Mobilität eine stetige Entwicklung statt, die man im Auge behalten müsse, so Risch. Elektrofahr- zeuge, selbstgesteuerte Autos und selbstgesteuerte Busse sind seines Erach- tens eher Modelle für die Zukunft als etwa eine U-Bahn oder eine S-Bahn, die nur punktuell Probleme löse.» a) Welche Fakten und Argumente brachten beim zuständigen Minister Daniel Risch den Erkenntnisumschwung, um auf das 2. Halbjahr 2019 einen Bericht und Antrag zu einem Verpflichtungskredit zum Ausbau der Eisenbahnstrecke Feldkirch - Buchs SG für eine S-Bahn Liechtenstein dem Landtag vorlegen zu wollen, obwohl er der S-Bahn ablehnend gegenübersteht?

Die von den Interpellanten zitierte Aussage des Verkehrsministers war Teil eines längeren Interviews. Als alleinstehende Information kann diese aber missver- ständlich sein. Der Verkehrsminister hat sich gegenüber dem S-Bahn Projekt, wie im zitierten Interview ausgeführt, immer offen geäussert, dieses aber nicht als alleinstehende Lösung, sondern vielmehr als Teil einer Gesamtlösung des Ver- kehrsproblems, für welche es Massnahmen auf der Strasse und der Schiene be- darf, gesehen. Zudem äusserte er sich im Jahr 2017 skeptisch zur Akzeptanz einer isolierten S-Bahn ohne umfassendes Konzept. Einem künftigen „Verkehrsinfarkt“ kann nicht nur mit dem Ausbau eines einzigen Verkehrsträgers begegnet wer- den. Wichtig und richtig ist vielmehr die Berücksichtigung aller Verkehrsträger und aller Verkehrsmittel (inklusive Fuss- und Radverkehr). Zudem steht ausser 66

Frage, dass die Feinverteilung in den Dörfern und Quartieren auch zukünftig über die Strasse erfolgen wird.

Vor dem Hintergrund des Einbezugs aller Verkehrsträger und -systeme wurde in der laufenden Legislaturperiode das Mobilitätskonzept 2030 erarbeitet, welches sich diesen Themen annimmt. b) Welche Massnahmen wurden während dieser Legislaturperiode vom zu- ständigen Ministerium in Bezug auf Elektrofahrzeuge, selbstgesteuerte Au- tos und selbstgesteuerte Busse in die Wege geleitet?

Das Ministerium beobachtet die laufenden Entwicklungen im Bereich der Mobili- tät (inklusive der elektrischen Mobilität) sehr aktiv und mit grossem Interesse. Aufgabe des Staates ist es dabei in erster Linie, die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und auf gesetzgeberischer Seite die Grundlagen für die Wei- terentwicklung der digitalen Mobilität zu schaffen.

In Liechtenstein sind zum Beispiel Elektrofahrzeuge schon lange steuerbefreit. Dies und die Tatsache, dass die Anschaffung von Elektrofahrzeugen durch die LIFE Klimastiftung Liechtenstein und die Liechtensteinischen Kraftwerke geför- dert wurde, hat zu einem Anstieg der Elektrofahrzeuge auf Liechtensteins Stras- sen geführt. In der Fahrzeugstatistik 201949 sind 308 Elektroautos aufgeführt, was etwa einem Prozent von Liechtensteins Personenwagenbestand entspricht. Im Rahmen der Beschaffung von Fahrzeugen für die Flotte der Liechtensteini- schen Landesverwaltung wurden in den vergangenen Jahren sowohl im Bereich des betrieblichen Mobilitätsmanagements (Poolfahrzeuge) als auch bei den Fahr- zeugen der internen Dienste und weiterer Amtsstellen etliche rein elektrisch be- triebene Fahrzeuge und auch einige Hybridfahrzeuge angeschafft.

49 Fahrzeugstatistik, Bestand 30. Juni 2019, Amt für Statistik Fürstentum Liechtenstein, 3. September 2019. 67

Im öffentlichen Verkehr werden in Liechtenstein seit 2011 im Rahmen eines Pi- lotversuchs zwei Hybridbusse im Auftrag der LIEmobil betrieben. Die Busse wur- den im Jahr 2018 durch zwei Hybridbusse der neusten Generation ersetzt. Diese Busse fahren primär auf der LIEmobil-Linie 12 (Schaan - Buchs). Angetrieben werden die Busse durch einen Dieselmotor der neusten Norm Euro 6c. Der An- trieb wird ergänzt durch leistungsstarke Batterien, welche es ermöglichen, dass die Busse teilweise rein elektrisch fahren.

Abb. 17: LIEmobil Hybrid-Busse der neusten Generation (Quelle: LIEmobil).

Anlässlich der LIHGA 2018 wurde in Liechtenstein erstmals ein SmartShuttle ein- gesetzt. Das SmartShuttle ist ein selbstfahrender Bus, der rein elektrisch betrie- ben wird. Das Fahrzeug verkehrte an der LIHGA als Shuttle zwischen den Park- plätzen und dem Messeeingang. Der Bus fuhr dabei auf einem Rundkurs im In- dustriegelände von Schaan Besucher von den Aussenparkplätzen kostenlos zum Eingang der Messe. Das mit zahlreichen Kameras und Sensoren ausgestattete Shuttle fuhr grundsätzlich vollautomatisch. Zur Sicherheit war während des Be- triebs jedoch immer eine Begleitperson anwesend, welche, falls nötig, manuell hätte eingreifen können. Durch diesen Versuchsbetrieb konnten der Hersteller, die Busbetreiber, die LIEmobil und involvierten Ämter (Amt für Bau und Infra- 68

struktur, Amt für Strassenverkehr) wertvolle Erfahrungen sammeln und die Be- sucher der LIHGA konnten diese zukunftsträchtige Form der Mobilität hautnah miterleben.

Abb. 18: SmartShuttle (Quelle: LIEmobil / LIHGA 2018 / Foto: Michael Zanghellini). c) Aus welchen Überlegungen geht der Verkehrsminister davon aus, dass sich an der Situation auf den Strassen etwas ändert, nur weil künftige Strassen- fahrzeuge selbstfahrend oder elektrifiziert sind?

Der Regierung ist bewusst, dass sich allein durch den Einsatz elektrischer oder selbstfahrender Fahrzeuge die Situation auf den Strassen nicht nachhaltig ver- bessern wird. Allerdings haben elektrische Fahrzeuge hinsichtlich der lokalen CO2-Emission wie auch bezüglich der Lärmbelastung klare Vorteil im Vergleich zu Fahrzeugen mit herkömmlichen Antriebssystemen. In der bekannten Kaskade „Vermeiden, Verlagern, verträglich gestalten“ sind Elektrofahrzeuge demnach im Bereich „verträglich gestalten“ anzusiedeln. Selbstfahrende SmartShuttles, wie diese 2018 an der LIHGA getestet wurden, könnten in Zukunft zur strassenge- 69

bundenen Erschliessung von Quartieren genutzt werden und so als Zubringer zu den Buslinien und Eilbuslinien die Attraktivität des Öffentlichen Verkehrs ge- samthaft steigern.

Zudem ist es der Regierung wichtig, dass die Politik die Chancen der Digitalisie- rung erkennt und nutzt und die Grundlagen sowie die nötigen Rahmenbedingun- gen kennt. Neben SmartShuttles beschäftigen sich die entsprechenden Stellen auch mit so genannten „Smart Roads“ um im Rahmen von Verkehrsmanage- mentkonzepten die bestehende Infrastruktur noch besser nutzbar macht.

Die Digitalisierung, welche auch Grundlage für selbstfahrende Fahrzeuge bildet, stellt eine der bedeutendsten Veränderungen der letzten Jahrzehnte dar und wird unser Zusammenleben grundlegend verändern. Diese Veränderungen brin- gen neue Herausforderungen, bieten aber auch immense Chancen. Aus diesem Grund hat die Regierung im Regierungsprogramm 2017-2021 beschlossen, eine Digitale Agenda Liechtenstein50 auszuarbeiten. Die Digitale Agenda Liechtenstein, welche im März 2019 veröffentlicht wurde, liefert eine strategische Vorgabe, um angesichts der aktuellen Veränderungen eine optimale Weiterentwicklung Liech- tensteins zu gewährleisten und sich im Wandel der technologischen Möglichkei- ten als Staat entsprechend zu positionieren.

Die Digitalisierung ermöglicht es, die bestehende Verkehrsinfrastruktur optimal und bedarfsgerecht zu nutzen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden da- bei für die Bedarfs- und Kapazitätsplanung sowie auch für die Unterstützung der Nutzer eingesetzt. Die zunehmende An- und Verbindung unterschiedlicher Ver- kehrs- und Dienstleistungsangebote verlangt nach Lösungen, welche die ver- schiedenen Angebote miteinander vernetzen und auf Basis der Nutzungsdaten

50 Digitale Agenda Liechtenstein, Regierung des Fürstentums Liechtenstein, März 2019; abrufbar unter: https://www.regierung.li/media/attachments/ikr-DigitaleAgendaFL-A4-Einzelseiten- 200dpi.pdf?t=637166648869465370. 70

eine bedarfsgerechte Planung sowie eine übergreifende Abrechnung aufgrund der effektiv bezogenen Mobilitätsleistung ermöglichen.

II. ANTRAG DER REGIERUNG

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen unterbreitet die Regierung dem Land- tag den

A n t r a g , der Hohe Landtag wolle diese Interpellationsbeantwortung zur Kenntnis neh- men.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete, den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung.

REGIERUNG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN

gez. Adrian Hasler