Materialienband Regionalprofile

Inhalt

REGIONALPROFIL OBERÖSTERREICHISCHER ZENTRALRAUM MIT SCHWERPUNKT STEYR

1. EINLEITUNG...... 11

2. REGIONALE ABGRENZUNG...... 12

3. BEVÖLKERUNGSDICHTE ...... 15

4. BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG UND DEMOGRAPHIE...... 18

4.1 Wohnbevölkerung Gesamt und nach Geschlecht 2001...... 18

4.2 Entwicklung der Gesamtbevölkerung, sowie Geburten- und Wanderungsbilanzen ...... 20

4.3 Altersdemographie...... 25

5. AUSBILDUNG...... 27

6. WIRTSCHAFTSSTRUKTUR...... 30

6.1 Arbeitsstätten ...... 30

6.2 Beschäftigung ...... 33 Darstellung einzelner Leitbetriebe in Steyr ...... 39 BMW Motoren GmbH ...... 39 SKF Österreich AG ...... 39 MAN Nutzfahrzeuge Gruppe in Österreich...... 40

7. ARBEITSLOSIGKEIT...... 40

8. PENDLER ...... 46

9. DIE STADT STEYR...... 49

9.1 Verkehrsentwicklung Steyr...... 49

9.2. Tourismus ...... 51

9.3 Die soziale Situation...... 53

9.4 Politik, Finanzen und Partizipation...... 55

9.5 Umwelt und Natur ...... 57

2 9.6. Stadtentwicklung Steyr...... 59

9.7. Institutionen in Technologie, Forschung und Entwicklung...... 60

10. ZUSAMMENFASSUNG ...... 63

LITERATUR ...... 66

DOKUMENTE ...... 66

INTERNETQUELLEN: ...... 67

Regionalprofil Gars am Kamp

1. GESCHICHTE ...... 69

2. REGIONALE ABGRENZUNG...... 70

3. SIEDLUNGSSTRUKTUR...... 74

4. BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG & DEMOGRAPHIE...... 78

4.1 Geburten- und Wanderungsbilanz...... 78

4.2 Altersdemographie...... 81

5. AUSBILDUNG...... 84

6. WIRTSCHAFTSSTRUKTUR...... 85

7. ARBEITSLOSIGKEIT...... 92

8. PENDLERSITUATION ...... 94

9. ÖFFENTLICHE INFRASTRUKTUR...... 96

9.1 Bildungseinrichtungen...... 96

9.2 Sozialdienste ...... 97

10. VERKEHRSSITUATION / ERREICHBARKEIT ...... 98

11. TOURISMUS ...... 101

12. LANDWIRTSCHAFT...... 106

3 13. POLITIK ...... 112

14. ENTWICKLUNGSPROGRAMME & -STRATEGIEN...... 113

14.1 Regionale Entwicklungsprogramme ...... 113

14.2 Lokale Entwicklungsprogramme...... 123

15. ZUSAMMENFASSUNG ...... 125

QUELLENVERZEICHNIS ...... 127

Literaturquellenverzeichnis ...... 127

Internetquellenverzeichnis ...... 127

Interviewquellenverzeichnis...... 130

Emailanfragebeantwortungen ...... 130

ANHANG...... 131

Regionalprofil

1. EINLEITUNG...... 135

2. LEADER+ ...... 135

3. DIE REGION MONTAFON...... 136

3.1 Klimatische und morphologische Besonderheiten des Montafon ...... 138

4. DIE SOZIOÖKONOMISCHE DIMENSION DES MONTAFON AUS HISTORISCHER PERSPEKTIVE ...... 139

4.1 Autarkiewirtschaft...... 140

4.2 Die Saisonale Auswanderung...... 144

4.3 Das Alpvolk ...... 147

4.4 Forstwirtschaft ...... 147

4.5 Die Entstehung und Weiterentwicklung des Tourismus...... 148

4.6 Gewerbe und Industrie...... 155

5. DER STAND MONTAFON ...... 159

4 6. SOZIOÖKONOMISCHE ANALYSE DES MONTAFON...... 162

6.1 Regionale Abgrenzung...... 162

6.2 Die Siedlungsstruktur des Montafon...... 162

6.2. Bevölkerungsentwicklung und Demographie...... 164 6.2.1 Entwicklung der Gesamtbevölkerung, sowie Geburten- und Wanderungsbilanzen...... 164 6.2.2 Altersdemographie ...... 169

6.3. Die Ausbildungssituation...... 172

6.4 Die Wirtschaftsstruktur...... 174 6.4.1 Arbeitsstätten...... 174 6.4.2 Beschäftigung...... 176

6.5 Arbeitslosigkeit...... 182

6.6 Pendlersituation...... 187

6.7 Öffentliche Infrastruktur ...... 191 6.7.1 Bildungseinrichtungen...... 191 6.7.2 Sozialdienste...... 192

6.8 Erreichbarkeit und Mobilität ...... 193

6.9 Tourismus ...... 195

6.10 Landwirtschaft ...... 201

6.11 Politik...... 205

7. ZUSAMMENFASSUNG ...... 207

LITERATURVERZEICHNIS ...... 209

WEBSITES...... 210

ANHANG...... 211

5 Abbildungen Oberösterreichischer Zentralraum Abbildung 1: Der Untersuchungsraum (Quelle: eigener Entwurf) ...... 13 Abbildung 2: Lorenzkurve ...... 17 Abbildung 3: Anteil der Wohnbevölkerung nach Männern und Frauen 2001...... 20 Abbildung 4: Bevölkerung 1971 und 2001...... 21 Abbildung 5: Gesamtveränderung der Bevölkerung zum Basisjahr 1971...... 22 Abbildung 6: Veränderung der Wanderungsbilanz zum Basisjahr 1971...... 23 Abbildung 7: Veränderung der Geburtenbilanz zum Basisjahr 1971 ...... 24 Abbildung 8: Alterskoeffizient (>64/<15) ...... 26 Abbildung 9: Bevölkerung in Steyr nach Altersgruppen...... 27 Abbildung 10: Bildung 1971...... 28 Abbildung 11: Bildung 2001...... 29 Abbildung 12: Bildung 2001 Österreich und Steyr im Vergleich...... 30 Abbildung 13: Arbeitsstätten (absolut) im oberösterreichischen Zentralraum ...... 31 Abbildung 14: Arbeitsstätten nach ÖNACE (ausgewählt) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 ...... 32 Abbildung 15: Arbeitsstätten nach ÖNACE (ausgewählt) im oberösterreichischen Zentralraum 2001 ...... 32 Abbildung 16: Relative Beschäftigung nach ÖNACE (ausgewählt) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 ...... 33 Abbildung 17: Relative Beschäftigung nach ÖNACE (ausgewählt) im oberösterreichischen Zentralraum 2001 ...... 34 Abbildung 18: Anteil der männlichen Beschäftigten in der Sachgütererzeugung (D, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001...... 35 Abbildung 19: Anteil der männlichen Beschäftigten in Unternehmensdienstleistungen (K, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001...... 36 Abbildung 20: Anteil der weiblichen Beschäftigten in der Sachgütererzeugung (D, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001...... 37 Abbildung 21: Anteil der weiblichen Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen (N, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001...... 37 Abbildung 22: Anteil der weiblichen Beschäftigten im Handel (G, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001...... 38 Abbildung 23: Anteil der weiblichen Beschäftigten im Unterrichtswesen (M, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001...... 38 Abbildung 24: Relative Veränderung der Arbeitslosigkeit im oberösterreichischen Zentralraum 2001 – 2005 ...... 41 Abbildung 25: Arbeitslose in der Stadt Steyr im Zeitverlauf 1989 -2005 ...... 42 Abbildung 26: Arbeitslose in Oberösterreich im Zeitverlauf 1989 -2005 ...... 42 Abbildung 27: Arbeitslosenquoten in Steyr und Oberösterreich 2000-2005...... 44 Abbildung 28: Anteil der Jugendarbeitslosigkeit in Steyr und Oberösterreich 2000-2005 45 Abbildung 29: Anteil der Altersarbeitslosigkeit in Steyr und Oberösterreich 2000-2005.. 46 Abbildung 30: Pendlerstatistik des oberösterreichischen Zentralraumes VZ 2001 ...... 47 Abbildung 31: Erwerbstätige am Wohnort, Auspendler, Einpendler im oberösterreichischen Zentralraum VZ 2001 absolut ...... 48

Abbildungen Gars am Kamp

Abbildung 1: Wappen von Gars am Kamp ...... 69 Abbildung 2: Lage von Gars am Kamp ...... 71

6 Abbildung 3: Gemeinden des politischen Bezirks Horn...... 72 Abbildung 4: EU-Regionalförderung in NÖ...... 73 Abbildung 5: Lorenz-Kurve der Bevölkerungsverteilung: Bezirk Horn ...... 74 Abbildung 6: Siedlungsdichten der Umgebungsbezirke in EW/km2 ...... 75 Abbildung 7: EinwohnerInnen pro Wohngebäude...... 77 Abbildung 8: Gesamtveränderung der Wohnbevölkerung zum Basisjahr 1981...... 78 Abbildung 9: Veränderungen der Wanderungsbilanzen zum Basisjahr 1981 ...... 80 Abbildung 10: Veränderungen der Geburtenbilanzen zum Basisjahr 1981...... 80 Abbildung 11: Durchschnittalter im Zeitverlauf...... 82 Abbildung 12: Alterskoeffizient (>64 / <15) im Zeitverlauf ...... 83 Abbildung 13: Bildungsgrad nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung 2001...... 84 Abbildung 14: Arbeitsstätten in Gars / im Bez. Horn im Zeitverlauf...... 85 Abbildung 15: Relative Beschäftigung 1991 ...... 87 Abbildung 16: Relative Beschäftigung 2001 ...... 87 Abbildung 17: Arbeitslosenquote der Männer des Bezirks Horn ...... 93 Abbildung 18: Arbeitslosenquote der Frauen des Bezirks Horn...... 93 Abbildung 19: Arbeitslose Bezirk Horn, BIP-Wachstum real...... 94 Abbildung 20: Entwicklung der Nächtigungszahlen im regionalen Vergleich...... 105 Abbildung 21: Absolute Nächtigungsentwicklung nach ausgewählten Bezirken ...... 106 Abbildung 22: Entwicklung der Garser landwirtschaftlichen Betriebe ...... 107 Abbildung 23: Teilnehmende Gemeinden an Leader+ Kamptal ...... 119

Abbildungen Montafon

Abbildung 1: Lage des Montafons...... 137 Abbildung 2: Das Montafon...... 138 Abbildung 3: Ansicht der steilen Hänge im Anschluss an die Talsohle ...... 139 Abbildung 4: Montafoner Kinder als Saisonarbeiter ...... 146 Abbildung 5: Bergführer im Montafon um 1900...... 151 Abbildung 6: Die Winterverhältnisse im Montafon...... 153 Abbildung 7: Die Lodenfabrik Mayer...... 157 Abbildung 8: Die Errichtung des Vermuntwerks Ende der 1920er Jahre...... 158 Abbildung 9: Anteil der Katasterflächen nach Nutzungsarten 2001...... 164 Abbildung 10: Bevölkerung Montafon 1869-2002...... 165 Abbildung 11: Gesamtveränderung der Wohnbevölkerung zum Basisjahr 1981...... 165 Abbildung 12: Veränderungen der Wanderungsbilanzen zum Basisjahr 1981 ...... 167 Abbildung 13: Veränderungen der Geburtenbilanzen zum Basisjahr 1981...... 168 Abbildung 14: Alterskoeffizient (>=65/<15) im Zeitverlauf...... 170 Abbildung 15: Bevölkerung des Montafon in Altersgruppen...... 171 Abbildung 16: Bildungsgrad nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung 1991-2001 auf Gemeindeebene...... 173 Abbildung 17: Bildungsgrad nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung 1991-2001 im Vergleich Bez. /Montafon ...... 173 Abbildung 18: Arbeitsstätten (absolut) im Montafon 1981 – 2001 ...... 174 Abbildung 19: Arbeitsstätten nach ÖNACE im Montafon und Bezirk Bludenz1981 - 2001 in Prozent...... 175 Abbildung 20: Arbeitsstätten nach ÖNACE im Montafon und Bezirk Bludenz 1981 - 2001 ...... 176

7 Abbildung 21: Relative Beschäftigung nach ÖNACE im Montafon 1991 und 2001 in Prozent...... 177 Abbildung 22: Relative Beschäftigung nach ÖNACE im Bezirk Bludenz1991...... 178 Abbildung 23: Kraftwerksstandorte der Vorarlberger Illwerke AG ...... 180 Abbildung 24: Arbeitslosenquoten Bez. Bludenz und Vorarlberg 2003 – 2005 ...... 183 Abbildung 25: Arbeitslosigkeit gesamt im Montafon 2001 – 2005...... 184 Abbildung 26: Arbeitslose Frauen im Montafon 2001 – 2005 ...... 185 Abbildung 27: Arbeitslose Männer im Montafon 2001 – 2005...... 185 Abbildung 28: Arbeitslose Männer in den Vorarlberger Bezirken 1989 – 2005...... 186 Abbildung 29: Arbeitslose Frauen in den Vorarlberger Bezirken 1989 – 2005 ...... 186 Abbildung 30: Pendlerstatistik der Montafoner Gemeinden VZ 2001 ...... 188 Abbildung 31: Erwerbstätige am Wohnort, Auspendler und Einpendler in den Montafoner ...... 189 Abbildung 32: Anzahl der Auspendler nach ausgesuchten Zielen in den Montafoner Gemeinden ...... 190 Abbildung 33: Liniennetz Ortsbus -...... 194 Abbildung 34: Liniennetz mbs Bus...... 194 Abbildung 35: Übernachtungen in allen Beherbergungsbetrieben in den wichtigsten Tourismusgemeinden des Montafons 1971 -2005 ...... 197 Abbildung 36: Vergleich Winter- und Sommertourismus von 1971 bis 2001 ...... 197 Abbildung 37: Vergleich Ankünfte im Winter 2001/02 - 2004/05 und Sommer 2001 – 2005 (Quelle: Statistik )...... 198 Abbildung 38: Ankünfte im Winter 2004/05 und Sommer 2005...... 199 Abbildung 39: Nächtigungen im Winter 2004/05 und Sommer 2005 ...... 199 Abbildung 40: Nächtigungen in Privatunterkünften 2001 – 2005 ...... 200 Abbildung 41: Anzahl der männlichen Inhaber in Haupterwerbsbetrieben...... 202 Abbildung 42: Anzahl der weiblichen Inhaberinnen in Haupterwerbsbetrieben...... 203 Abbildung 43: Anzahl der männlichen Inhaber in Zuerwerbsbetrieben...... 203 Abbildung 44: Anzahl der männlichen Inhaber in Nebenerwerbsbetrieben...... 204 Abbildung 45: Anzahl der weiblichen Inhaberinnen in Nebenerwerbsbetrieben ...... 204

8 Tabellen oberösterreichischer Zentralraum Tabelle 1: Auflistung der Gemeinden im Untersuchungsraum...... 14 Tabelle 2: Bevölkerungsdichte 2001...... 15 Tabelle 3: Wohnbevölkerung 2001...... 19

Tabellen Gars am Kamp

Tabelle 1: Gemeinden des Bezirks Horn...... 76 Tabelle 2: Erreichbarkeit von Gars am Kamp...... 99 Tabelle 3: Park & Ride Anlagen im Bezirk Horn ...... 100 Tabelle 4: Gemeinderatswahlergebnis der Marktgemeinde Gars am Kamp 2005...... 112 Tabelle 5: Zielgruppenorientierung der Initiative Kulturpark Kamptal...... 114 Tabelle 6: Aufteilung des Projektvolumens...... 116 Tabelle 7: Teilnehmende Gemeinden an Leader+ Kamptal nach Bezirken...... 118 Tabelle 8: Mitglieder der lokalen Aktionsgruppe von Leader+ Kamptal ...... 121

Tabellen Montafon

Tabelle 1: Bevölkerungsdichte im Montafon...... 163 Tabelle 2: Auswahl großer Produktions- und Dienstleistungsbetriebe im Bezirk Bludenz ...... 179 Tabelle 3: Liste aller sozialen Einrichtungen im Montafon und Stadt Bludenz ...... 192 Tabelle 4: Durchschnittliche Fahrtdauer...... 195

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Regionalprofil oberösterreichischer Zentralraum mit Schwerpunkt Steyr

Sabine Sedlacek Unter der Mitarbeit von Gerald Franz

[email protected]

10 1. Einleitung Das vorliegende Regionalprofil gibt einen Überblick über die sozioökonomische Situation des oberösterreichischen Zentralraumes mit einem Schwerpunkt auf die Stadt Steyr. Im Wesentlichen soll einer der dynamischsten Wirtschaftsräume Österreichs in seiner sozioökonomischen Vielfalt skizziert werden. Die Eckpfeiler dieses Zentralraumes – die drei Städte Linz, Wels und Steyr - weisen unterschiedliche Schwerpunkte auf, die größtenteils auch historisch bedingt sind. So ist Linz jene der drei Städte, die vor etwa 20 Jahren von der Verstaatlichtenkrise direkt betroffen war und unter den Folgeeffekten lange Zeit gelitten hat. Wels zählt als Messestadt zu einem der bedeutendsten Dienstleistungszentren. Steyr als historisch bedeutsames Zentrum mit einem noch heute gut erhaltenen historischen Stadtkern (mehr als 1000 Jahre alt) wurde vor allem durch die Eisenstraße geprägt. Im 19. Jahrhundert wandelte sich Steyr zu einer modernen Industriestadt, nicht zuletzt durch die Bedeutung der Waffenfabriks AG (vormals Josef und Franz Werndl & Comp. – siehe Steyr online), die mit der Umstellung auf den Automobilbereich nach dem 1. Weltkrieg (Steyr-Werke AG und danach Steyr-Daimler-Puch-Werke AG – siehe Steyr online) und der dadurch bedingten Spezialisierung sehr bald durch die Weltwirtschaftskrise und die einhergehende Arbeitslosigkeit besonders betroffen war. Parallel zu den drei Zentren entwickelte sich die dazwischen liegende Region aufgrund der zunehmenden Suburbanisierung in den drei Städten ebenfalls dynamisch. Die Stadt- Umland Entwicklungsschübe veränderten das sozioökonomische Gefüge. Diese und weitere entwicklungsbedingte Veränderungen werden in der nachfolgenden Analyse näher betrachtet. Diese regionalstatistische Analyse wird für die Bereiche Siedlungsstruktur, Bevölkerungsentwicklung, Demographie, Ausbildung, Wirtschaftsstruktur, Arbeitslosigkeit und Pendlersituation für den gesamten oberösterreichischen Zentralraum durchgeführt. Für die Stadt Steyr werden im Anschluss die Spezialbereiche Verkehr, Tourismus, Soziales, Politik, Finanzen, Partizipation, Umwelt & Natur und Stadtentwicklung auf Basis einer Dokumentenanalyse skizziert, um die Rahmenbedingungen für die sozioökonomische Entwicklung in der Stadt Steyr abzustecken.

11 2. Regionale Abgrenzung

Im Rahmen des Regionalprofils Steyr liegt der Schwerpunkt der deskriptiven Datenanalyse im oberösterreichischen Zentralraum. Da es keine einheitliche Definition und somit auch keine definitive Abgrenzung dieses Raumes gibt, wurde eine funktionale Abgrenzung entsprechend der vorgegebenen Analyseziele vorgenommen. Dabei soll vor allem die Verflechtung bzw. Konkurrenz mit den Städten Linz und Wels zum Ausdruck kommen bzw. die Rolle der dazwischen liegenden Umlandgemeinden der drei Städte berücksichtigt werden. In die Auswahl wurden folgende Teilgebiete aufgenommen: Die drei Städte Linz, Steyr und Wels als wichtigste Entwicklungspole Oberösterreichs, die den oberösterreichischen Zentralraum begrenzen. Der gesamte Bezirk Linz Land, der exakt zwischen den drei Städten angesiedelt ist. Weiters betrachtet werden Teile des Bezirks Wels Land, im Konkreten ausgewählte Gemeinden östlich der Stadt Wels, die an die Gemeinden des Bezirkes Linz Land direkt angrenzen. Teile des Bezirkes Steyr Land, das sind im Wesentlichen alle an Steyr angrenzenden Gemeinden, die in Oberösterreich liegen, sowie einige relevante Gemeinden, die im Norden an den Bezirk Linz Land angrenzen (siehe Abbildung 1). Es wurden bewusst jene Gemeinden des Bundeslandes Niederösterreich ausgenommen, die im Bereich des Alpenvorlandes liegen, da diese nicht zum funktional abgegrenzten oberösterreichischen Zentralraum zu zählen sind.

Der abgegrenzte Untersuchungsraum umfasst eine Katasterfläche von ca. 950 km². Die Wohnbevölkerung beträgt 455.958 Menschen (Volkszählung 2001, Statistik Austria) in den ausgewählten Gemeinden. Die Summe der an den Arbeitsstätten beschäftigten Menschen beträgt 288.397 (Volkszählung 2001, Statistik Austria). In dieser Zahl, sind die in Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten nicht inkludiert. Die zahlreichen Dienstleistungs- und Produktionsbetriebe sind ein Indikator für einen dynamischen Wirtschaftsraum mit guten Verkehrsanbindungen, hauptsächlich entlang der Achse Linz – Wels.

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Abbildung 1: Der Untersuchungsraum (Quelle: eigener Entwurf)

Abbildung 1 zeigt die Gemeinden des Untersuchungsgebietes. Die dargestellten Gemeinden bilden den oberösterreichischen Zentralraum. Auf der folgenden Seite findet sich eine genaue Aufstellung der betrachteten Gemeinden, eingefärbt nach den einzelnen Bezirken. Neben den drei (Bezirks-) Städten Linz, Steyr und Wels repräsentiert hellgrau den Bezirk Linz Land, türkis Teile des Bezirkes Wels Land und violett Teile des Bezirkes Steyr Land (siehe Tabelle 1).

In der folgenden Datenanalyse werden Charakteristika für den ausgewählten Untersuchungsraum nach den Grobkriterien Siedlungsstruktur, Bevölkerungsentwicklung und -struktur, Bildung, Arbeitsmarkt sowie Pendelverflechtungen deskriptiv und analytisch dargestellt.

13 Linz Steyr Wels Allhaming Ansfelden Asten Eggendorf im Traunkreis Enns Hargelsberg Hofkirchen im Traunkreis Hörsching Kematen an der Krems Kirchberg-Thening Kronstorf Leonding Markt Sankt Florian Neuhofen an der Krems Niederneukirchen Ofterin Pasching Piberbach Pucking Sankt Marien Traun Wilhering Holzhausen Marchtrenk Schleißheim Sipbachzell Weißkirchen an der Traun Bad Hall Dietach Garsten Rohr im Kremstal Sankt Ulrich bei Steyr Schiedlberg Sierning Wolfern Tabelle 1: Auflistung der Gemeinden im Untersuchungsraum (Quelle: Statistik Austria)

14 3. Bevölkerungsdichte Im Folgenden wird die Bevölkerungsdichte für den Untersuchungsraum näher betrachtet. Katasterfläche in Bevölkerungsdichte Gemeinden km2 (Ew. / km2) Linz 95,98 1912 Steyr 26,56 1481 Wels 45,92 1230 Allhaming 14,24 72 Ansfelden 31,41 471 Asten 8,49 410 Eggendorf im Traunkreis 9,25 75 Enns 33,29 319 Hargelsberg 17,89 60 Hofkirchen im Traunkreis 13,93 100 Hörsching 19,82 264 Kematen an der Krems 21,4 104 Kirchberg-Thening 15,9 134 Kronstorf 21,34 141 Leonding 24,04 924 Markt Sankt Florian 44,17 125 Neuhofen an der Krems 18,01 300 Niederneukirchen 20,83 85 Ofterin 13,5 135 Pasching 12,48 491 Piberbach 17,36 98 Pucking 19,83 175 Sankt Marien 37,64 110 Traun 15,45 1519 Wilhering 29,97 173 Holzhausen 7,76 82 Marchtrenk 23,08 488 Schleißheim 7,59 124 Sipbachzell 24,76 69 Weißkirchen an der Traun 21,72 122 Bad Hall 13,38 355 Dietach 20,64 118 Garsten 53,21 121 Rohr im Kremstal 13,61 83 Sankt Ulrich bei Steyr 39,03 76 Schiedlberg 30,06 42 Sierning 38,18 223 Wolfern 32,58 87 Gesamt 954,3 Tabelle 2: Bevölkerungsdichte 2001 (Quelle: Statistik Austria)

15 Die drei Städte Linz, Wels und Steyr können aufgrund ihres urbanen Charakters in Bezug auf die Bevölkerungsdichte nicht direkt mit den eher ländlich strukturierten Umland- bzw. Hinterlandgemeinden (mit einigen Ausnahmen wie z.B. Enns) verglichen werden. In Tabelle 2 lässt sich erkennen, dass die Stadt Steyr eine relativ hohe Bevölkerungsdichte aufweist. Die Bevölkerungsdichte ist nach Linz Stadt und Traun mit 1.481 Einwohnern pro Quadratkilometer die dritthöchste in der Untersuchungsregion.

Auch verglichen mit den Umlandgemeinden hat die Stadt Steyr eine sehr hohe Bevölkerungsdichte. Während vor allem die direkt an Steyr angrenzenden Gemeinden über eine teils recht große Gemeindefläche verfügen, bleibt ihre Einwohnerzahl relativ gesehen auf einem niedrigen Niveau, was auf eine starke landwirtschaftliche Prägung und höhere Zersiedelungserscheinungen hindeutet und auf eine schwache Suburbanisierung schließen lässt.

Im restlichen oberösterreichischen Zentralraum ist die Situation sehr unterschiedlich. Während klassische Suburbanisierungsgemeinden im Nahbereich der Städte Linz und Wels, z.B. Ansfelden, Asten, Pasching, Leonding über mittlere bis hohe Bevölkerungsdichten verfügen, liegen im übrigen oberösterreichischen Zentralraum etliche Gemeinden mit sehr niedriger (weniger als 100 Einwohner pro Quadratkilometer) Bevölkerungsdichte.

Zusammenfassend kann der Untersuchungsraum hinsichtlich der Bevölkerungsdichte keinesfalls als homogene Einheit betrachtet werden. Hervorzuheben ist, dass die Achse Linz-Wels über höhere Bevölkerungsdichten verfügt als das Steyrer Umland (im Osten des O.Ö. Zentralraumes gelegen). Dies liegt daran, dass der Raum Linz – Wels nach dem Wiener Becken eine der am dichtest besiedelten Regionen Österreichs darstellt (neben dem Vorarlberger Rheintal, dem Inntal, dem Grazer Becken, dem Salzburger Flachgau, dem Klagenfurter Becken und der Mur-Mürzfurche, vgl. Statistik Austria).

Mit Hilfe der Lorenzkurve (siehe Abb. 2) werden die kumulierte Bevölkerung und die kumulierte Fläche der Gemeinden in der Untersuchungsregion in Relation gesetzt. Während die rosa Line, also die Reihe 2, eine Normalverteilung von Bevölkerung und Fläche aufzeigt, stellt die blaue Linie, also die Reihe 1, die tatsächliche Verteilung der

16 Bevölkerung auf die Fläche dar. Im Fall der Reihe 2 wäre die Bevölkerungsdichte in jeder der Gemeinden der Region gleich. Alle Gemeinden wären gleich groß und hätten die gleiche Bevölkerungszahl. In der realen Situation lässt sich gut erkennen, dass dies natürlich nicht der Fall ist. Auf etwa die Hälfte der Fläche der Untersuchungsregion entfallen nur knapp 20% der Bevölkerung. Auf etwa drei Viertel der Gesamtfläche der Region lebt annähernd nur ein Viertel der Bevölkerung. Dies deutet auf eine große Anzahl von Gemeinden mit geringer Bevölkerung hin. Auf in etwa ein restliches Viertel der Gesamtfläche kommen drei Viertel der Bevölkerung in der Region. Bei genauerer Betrachtung kann man erkennen, dass nur wenige Datenpunkte ein Viertel der Fläche bzw. drei Viertel der Bevölkerung abdecken. Im konkreten sind dies die drei Städte Linz, Wels und Steyr. Dabei fällt die Stadt Linz besonders ins Gewicht, da sie etwa 10% der Fläche der Region ausmacht, in der jedoch ca. 40% der Gesamtbevölkerung leben. Steyr (siehe Pfeil) weist einen hohen Anstieg der Kurve auf, was auf eine sehr hohe Bevölkerungsdichte hinweist. Die unter Steyr liegenden Punkte repräsentieren Gemeinden entlang der Achse Linz – Wels (Traun, Leonding etc.) und bekräftigen die dicht besiedelte Achse Linz – Wels.

Lorenzkurve

120,00%

100,00%

80,00%

Reihe1 60,00% Reihe2

40,00% Bevölkerung kumuliert(%) 20,00%

0,00% 0,00% 20,00% 40,00% 60,00% 80,00% 100,00% 120,00% Fläche kumuliert (%)

Abbildung 2: Lorenzkurve

17 4. Bevölkerungsentwicklung und Demographie

4.1 Wohnbevölkerung Gesamt und nach Geschlecht 2001

In Tabelle 3 sind zum einen die Gesamtbevölkerung aller Gemeinden des Untersuchungsraumes, sowie der Split derselben nach Männern und Frauen dargestellt. Es lässt sich erkennen, dass Steyr mit knapp 40.000 Einwohnern die drittgrößte (bevölkerungsreichste) Gemeinde des Untersuchungsraumes sowie Gesamt- Oberösterreichs darstellt. Allerdings auch mit großem Abstand hinter den Städten Linz (ca. 183.000 Einwohner) und Wels (ca. 56.000 Einwohner), gefolgt von Traun, Leonding usw. Es lässt sich zudem erkennen, dass die Gemeinden im Umland Steyrs relativ niedrige Bevölkerungszahlen (z.B. Rohr im Kremstal, Sankt Ulrich bei Steyr, Schiedlberg und Wolfern) aufweisen. Dies betrifft im Wesentlichen die meisten der im Osten des oberösterreichischen Zentralraumes gelegenen Gemeinden. Nur wenige der Gemeinden weisen mehr als 10.000 Einwohner auf – ein Großteil dieser größeren Gemeinden befindet sich im Nahbereich der Stadt Linz. Als drittgrößte Stadt Österreichs und Landeshauptstadt verfügt Linz naturgemäß über ein dichter besiedeltes Umland (siehe Tabelle 2 und Abbildung 2). Das heißt, der oberösterreichische Zentralraum weist ein West-Ost Gefälle auf, vorwiegend bedingt durch die starke Achse Linz – Wels.

Der suburbane Raum zwischen Linz und Wels scheint attraktiver zu sein und löst eine stärkere Stadt-Umland-Siedlungstätigkeit aus. Dies hat sicherlich mit dem besseren infrastrukturellen Ausbau, einer höheren Arbeitsplatzdichte und dem Dienstleistungsschwerpunkt entlang der Achse zu tun. So gibt es vergleichsweise in Linz fünf Mal so viele Arbeitsstätten im Dienstleistungsbereich wie in Steyr (Linz: ~4.000; Steyr: ~800, Quelle: Statistik Austria, Arbeitsstättenzählung 2001) und etwa acht Mal so viele Beschäftigte in diesem Sektor (Linz: ~48.000; Steyr: ~6.000, Quelle: Statistik Austria, Arbeitsstättenzählung 2001).

18

Gemeinden Gesamt Männlich Weiblich Linz 183504 86686 96818 Steyr 39340 18751 20589 Wels 56478 26864 29614 Allhaming 1027 501 526 Ansfelden 14789 7299 7450 Asten 6025 3029 2996 Eggendorf im Traunkreis 698 351 347 Enns 10611 5124 5487 Hargelsberg 1082 545 537 Hofkirchen im Traunkreis 1394 680 714 Hörsching 5233 2571 2662 Kematen an der Krems 2225 1140 1085 Kirchberg-Thening 2130 1062 1068 Kronstorf 3002 1483 1519 Leonding 22203 10642 11561 Markt Sankt Florian 5530 2714 2816 Neuhofen an der Krems 5403 2616 2787 Niederneukirchen 1780 893 887 Ofterin 1824 888 936 Pasching 6123 3013 3110 Piberbach 1705 833 872 Pucking 3474 1753 1721 Sankt Marien 4140 2069 2071 Traun 23470 11676 11794 Wilhering 5191 2584 2607 Holzhausen 639 321 318 Marchtrenk 11274 5609 5665 Schleißheim 938 456 482 Sipbachzell 1709 872 837 Weißkirchen an der Traun 2652 1348 1304 Bad Hall 4752 2213 2539 Dietach 2432 1229 1203 Garsten 6456 3238 3218 Rohr im Kremstal 1128 584 544 Sankt Ulrich bei Steyr 2963 1465 1498 Schiedlberg 1274 646 628 Sierning 8516 4052 4464 Wolfern 2844 1403 1441 OÖ ZR exkl. 176636 86902 89694 OÖ ZR gesamt 455958 219203 236715 Tabelle 3: Wohnbevölkerung 2001 (Quelle: Statistik Austria)

Eine geschlechtsspezifische Betrachtung (siehe Abbildung 3 bzw. Tabelle 3) zeigt, dass die Anzahl der Frauen gemessen an der Wohnbevölkerung vor allem in den drei Städten

19 überwiegt, in den restlichen Gemeinden ist der Anteil eher ausgeglichen bzw. ein höherer Anteil an Männern erkennbar.

54,00% 53,00% 52,00% 51,00% 50,00% Männer 49,00% Frauen 48,00% 47,00% 46,00% 45,00% 44,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ Linz, Wels, Zentralraum Steyr gesamt

Abbildung 3: Anteil der Wohnbevölkerung nach Männern und Frauen 2001 (Quelle: Statistik Austria)

4.2 Entwicklung der Gesamtbevölkerung, sowie Geburten- und Wanderungsbilanzen

Die Bevölkerungsentwicklung von 1971 bis 2001 verlief außerhalb der drei Ballungsräume durchwegs positiv, wobei die Stadtumlandgemeinden, der so genannte Speckgürtel der Städte, vornehmlich Bevölkerung aus den Stadtzentren dazu gewannen. Linz ist jene der drei Städte, die die größten Bevölkerungsverluste (-21.385 Einwohner) hinnehmen musste. Steyr verlor nur geringfügig Einwohner (-1.482 Einwohner), diese Verluste sind in der Graphik (siehe Abbildung 4) nicht erkennbar. Wels ist eindeutig die dynamischste der drei Agglomerationen, so wohnten im Jahr 2001 um rund 9.000 Einwohner mehr in Wels (siehe Abbildung 4) als im Ausgangsjahr 1971.

20 500000

450000

400000

350000

300000 Bev. gesamt 1971 250000 Bev. gesamt 2001 200000

150000 Bevölkerung absolut

100000

50000

0 Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt

Abbildung 4: Bevölkerung 1971 und 2001 (Quelle: Statistik Austria)

Um jedoch die Bevölkerungsentwicklung im Detail analysieren zu können, müssen die einzelnen Komponenten der Bevölkerungsentwicklung (Wanderungs- und Geburtenbilanz) im oberösterreichischen Zentralraum näher betrachtet werden. Die folgenden Graphiken (Abbildung 5 – 7) beziehen sich jeweils auf das Basisjahr 1971 und geben die relativen Veränderungen in Prozent wieder.1

Abbildung 5 zeigt die relative Veränderung der Gesamtbevölkerung zum Basisjahr 1971. Es sind die beiden Städte Linz und Steyr, die zwischen 1971 und 2001 relativ gesehen Bevölkerung verloren haben, wobei Steyr über die gesamte Periode nur geringe Verluste (maximal -4,6%) hinnehmen musste und vor allem zwischen1981 und 2001 die Verluste stabilisieren konnte. Linz hat zwischen 1971 und 2001mehr als 10% an Bevölkerung verloren, während Wels fast 19% dazu gewonnen hat. Wels hat in etwa die gleiche Dynamik wie die nicht-urbanen Gemeinden des oberösterreichischen Zentralraumes und

1 Berechnungsmethode: Die Veränderungen aus den Bevölkerungsbewegungen werden mit der absoluten Bevölkerungszahl der einzelnen Gemeinden im Jahr 1971 (Volkszählung) in Relation gesetzt (siehe Abb. 5- 7).

21 kann somit mit den Suburbanisierungsgemeinden in der Bevölkerungsentwicklung mithalten (siehe Abbildung 5).

35,00%

30,00%

25,00%

20,00%

15,00% 1981 10,00% 1991 2001 5,00%

0,00%

-5,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt -10,00%

-15,00%

Abbildung 5: Gesamtveränderung der Bevölkerung zum Basisjahr 1971 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Ein Blick in die einzelnen Gemeinden des oberösterreichischen Zentralraumes zeigt, dass die Gemeinde Asten, eine direkte Umlandgemeinde der Landeshauptstadt Linz, die entlang der Achse Linz – Enns liegt, heraussticht. Dies liegt daran, dass Asten im Ausgangsjahr 1971 nur 1.970 Einwohner hatte und im Jahr 2001 mit mehr als 6.000 Einwohnern (ein Plus von mehr als 4.000 Personen) zu einer höchst dynamischen Stadt-Umland Gemeinde herangewachsen ist. Die Marktgemeinde Asten hat sich als Wirtschaftsstandort mit exzellenter betrieblicher Infrastruktur und günstiger Verkehrsanbindung (A1 Westautobahn, B1-Wiener Bundesstraße und ÖBB-Westbahn – siehe auch Asten online) etabliert. Insgesamt weisen die Gemeinden im Bezirk Linz Land eine durchwegs positive Bevölkerungsdynamik auf. Die Gemeinden im Osten der Stadt Wels, im Bezirk Wels Land, waren allerdings vergleichsweise von noch stärkerem Wachstum geprägt. Nurdie Gemeinden rund um Steyr weisen, bis auf wenige Ausnahmen, eine sehr geringe, teilweise sogar negative, Bevölkerungsdynamik auf, ein weiteres Indiz dafür, dass die

22 Hauptdynamik des oberösterreichischen Zentralraumes entlang der Achse Linz – Wels stattfindet.

20,00%

15,00%

10,00%

5,00% 1981 0,00% 1991 2001 -5,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt -10,00%

-15,00%

-20,00%

Abbildung 6: Veränderung der Wanderungsbilanz zum Basisjahr 1971 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Die Wanderungsbilanz zeigt für alle Untersuchungsteilräume eine ähnliche Entwicklung wie die Gesamtveränderung, mit Ausnahme von Linz (siehe Abbildung 6). Die Landeshauptstadt zeigt ein etwas differenzierteres Bild – die durchwegs negative Bevölkerungsentwicklung (siehe Abbildung 5) wird durch eine Periode der Zuwanderung durchbrochen (Veränderung der Wanderungsbilanz von 1971 bis 1991 um +2,3%). Allerdings folgt in der darauf folgenden Periode bis 2001 eine Phase der Abwanderung wodurch sich eine negative Wanderungsbilanz von 1971 bis 2001 von mehr als -6% ergibt. Steyr verzeichnete in den vergangenen Jahren sowohl Wanderungsverluste als auch Wanderungsgewinne, insgesamt ergibt sich jedoch zwischen 1971 und 2001 ein leicht negativer Wanderungssaldo. Die Wanderungsbilanz von Linz bildet die oben beschriebene Suburbanisierungstendenz deutlich ab, während die Stadt Wels deutliche Wanderungsgewinne verzeichnet. Wels weist einen deutlich höheren Anteil an zugewanderten Familien aus dem Ausland auf, die auch die deutlich positive

23 Geburtenbilanz erklären. Im Vergleich dazu entwickelte sich die Geburtenbilanz in Linz kontinuierlich negativ (siehe Abbildung 7), wodurch Linz zwischen 1971 und 2001 keinerlei Bruttoeinwohnerzuwächse erzielte. Alle anderen Teilräume zeigen ähnliche Entwicklungen im Bereich der Wanderungs- und Geburtenbilanz (siehe Abbildung 6 und 7). Für Steyr kann definitiv gesagt werden, dass die negative Bevölkerungsbilanz hauptsächlich durch die negative Geburtenbilanz ausgelöst wird, die kontinuierlich zwischen 2,5 und mehr als 3% liegt. Dies stützt auch die Aussagen im Bereich der Analyse der Bevölkerungsdichte und der Entwicklung der Absolutzahlen in jener Hinsicht, dass die Umlandgemeinden von Steyr kaum Bevölkerungszuwächse aufgrund von Suburbanisierungseffekten ausgehend von der Stadt Steyr erfahren.

15,00%

10,00%

5,00% 1981 1991 2001 0,00%

Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt -5,00%

-10,00%

Abbildung 7: Veränderung der Geburtenbilanz zum Basisjahr 1971 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Insgesamt ist Steyr eine von nur sehr wenigen Gemeinden (gemeinsam mit Linz, Bad Hall, Sierning), die einen negativen Geburtensaldo aufweist. Die meisten Gemeinden der Region weisen eine signifikant positive Geburtenrate auf. Signifikanter Ausreißer nach oben ist die Gemeinde Asten, die von 1971 auf 2001 einen Geburtengewinn von über 60% erzielen konnte. Dieser vollzog sich vor allem zwischen 1991 und 2001 und ist möglicherweise

24 durch voran gegangene starke Wanderungen zwischen 1971 und 1991 - bedingt durch die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Asten - zu erklären. Interessant erscheint auch, dass viele der Gemeinden in der Untersuchungsregion einen Anstieg der Geburten zwischen 1971 und 2001 von mehr als 20% erzielen konnten. Bei der allgemein geringen positiven Bevölkerungsdynamik Gesamtösterreichs, die in vielen Regionen sehr gering ist, verwundert dies. Allerdings kann die wirtschaftliche Dynamik des oberösterreichischen Zentralraums ein Indikator für diese positive Entwicklung sein. Viele junge Familien siedeln sich im Hinterland der drei Städte Linz, Wels und Steyr an und arbeiten in den Zentren.

4.3 Altersdemographie

Um das Verhältnis zwischen jungen und älteren Einwohnern sichtbar zu machen, wurde ein Alterskoeffizient für die drei Städte, und den Zentralraum erstellt (siehe Abbildung 8). Der berechnete Koeffizient spiegelt für die verschiedenen Betrachtungsjahre das Verhältnis der über 64-jährigen zu den jünger als 15-jährigen in den Untersuchungsgemeinden wider. Anhand dieses Diagramms lässt sich die Überalterung der Wohnbevölkerung in den betrachteten Gemeinden gut herauslesen. Das heißt, der Koeffizient ist ein Indikator für Überalterung, da man jene Altersgruppen herausnimmt und in Relation setzt, die außerhalb der erwerbsfähigen Bevölkerung liegen.

Es ist unschwer zu erkennen, dass vor allem Linz von der Überalterung besonders betroffen ist. Festzuhalten ist, dass in allen drei Städten vor allem von 1971 bis 1991 extreme Anstiege des Koeffizienten zu verzeichnen sind, Wels und Steyr ab 1991 allerdings eine klare Trendumkehr zeigen. Wels kann durchaus als "junge" Stadt bezeichnet werden, die vor allem durch den Zuzug junger Familien profitierte und daher einen höheren Kinderanteil aufweist. So zeigt die Entwicklung der Altersgruppen bis 4 Jahre und 5-9 Jahre einen klaren positiven Verlauf von 1981 bis 2001 und auch die 10 bis 14-jährigen nahmen von 1991 bis 2001 zu. Steyr zeigt vor allem bei den 5 bis 9-jährigen ein ähnliches Bild, musste hingegen bei der jüngsten Altersgruppe zwischen 1991 bis 2001 Verluste hinnehmen. Insgesamt verbessert sich aber auch in Steyr der Anteil zwischen "junger" und "alter" Bevölkerung zumindest kurzfristig. Ein Trend, der im übrigen oberösterreichischen Zentralraum nicht erkennbar ist. So sind in etwa gleichem Ausmaß

25 die Gemeinden Pasching und Bad Hall (beide weisen einen Koeffizienten von mehr als 1,24 auf) betroffen wie Linz. Pasching war besonders in der letzten Dekade von der Überalterung betroffen, Bad Hall schon seit 1981. Bei genauerer Betrachtung lässt sich zudem erkennen, dass die Gemeinden St. Ulrich (0,8), Garsten (0,8) und Sierning (1,0) im Südosten des Untersuchungsraumes (im Umland von Steyr) eher stärker von der Überalterung betroffen sind, als die restlichen Gemeinden (nimmt man einige Ausreißer heraus). Dies könnte auf die eher periphere Lage der Gemeinden in Bezug auf Infrastruktur und Arbeitsplätze zurückzuführen sein.

1,4

1,2

1

0,8 1971 1981 1991 0,6 2001

0,4

0,2

0 Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt

Abbildung 8: Alterskoeffizient (>64/<15) (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Die erwerbsfähige Bevölkerung (also die 15 bis 64-jährigen) hat sich von 1971 bis 2001 zumindest in der Stadt Steyr im Wesentlichen nicht verändert (siehe Abbildung 9). Sie betrug im Jahr 1971 26.180 Personen, im Jahr 2001 26.209 Personen. In den dazwischen liegenden Zeitpunkten 1981 und 1991 kam es nur zu geringfügigen Schwankungen. Die noch nicht erwerbsfähige Bevölkerung nahm vor allem zwischen 1971 und 1991 stärker ab und stabilisierte sich bis 2001. Die Gruppe der über 65-jährigen nahm hingegen von 1971

26 bis 2001 kontinuierlich zu und lag bereits 1991 über den unter 15-jährigen (siehe Abbildung 9).

30000

25000

20000

unter 15 Jahre 15000 15 bis 64 Jahre über 65 Jahre

10000

Anzahl der Personen (absolut) Personen der Anzahl 5000

0 1971 1981 1991 2001

Abbildung 9: Bevölkerung in Steyr nach Altersgruppen (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

5. Ausbildung Um eine übersichtliche Darstellung der Entwicklung des Ausbildungsstandes der Bevölkerung im oberösterreichischen Zentralraum zu erhalten, werden die beiden Zeitpunkte 1971 und 2001 miteinander verglichen, wenngleich in der Nomenklatur über die Zeit eine Änderung bzw. Anpassung vorgenommen wurde (siehe weiter unten). Die dazwischen liegenden Zeitpunkte werden zwecks Übersicht nur im Text interpretiert. Ein Blick auf die Ausbildungssituation des Jahres 1971 zeigt deutlich (siehe Abbildung 10), dass Linz bei den Hochschulabschlüssen aufgrund seiner Stellung als Universitätsstandort und Landeshauptstadt dominiert. Auch bei den AHS-Abschlüssen gibt es einen deutlichen Vorsprung in Linz. Steyr hingegen weist die höchsten Werte bei Lehrabschlüssen sowie Fachschulabschlüssen auf, ein deutliches Indiz für eine gut ausgebildete Facharbeiterkohorte. Das Jahr 1971 zeigt aufgrund der höchsten Anteile bei

27 den Pflichtschulabschlüssen in der Gesamtregion noch eine klare ländliche Ausprägung. Die später einsetzende Suburbanisierungswelle macht sich in den folgenden Dekaden bemerkbar. Dies erklärt auch das Ausbildungsgefälle zwischen den drei Städten und der in der Graphik zusammengefassten Kategorie „oberösterreichischer Zentralraum exkl.“, die im Wesentlichen aus ländlichen Gemeinden besteht.

70,00% 65,00% 60,00% 55,00% 50,00% 45,00% 40,00% 35,00% 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00%

le e ng BHS AHS ul du chu Lehre h hs sbil ac Hochschule Au F lichtsc Linz Pf Steyr .bild. Wels Allg OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt Hochschulverwandte

Abbildung 10: Bildung 1971 (Quelle: Statistik Austria)

Im Jahr 2001 wurde eine Änderung der Bildungsstatistik vorgenommen, die eine genauere Erfassung der hochschulverwandten Ausbildung zum Ziel hatte, so wurden Berufs- Lehrerbildende Akademien und Kollegs extra erfasst. Für die vorliegende Analyse wurden diese beiden Kategorien jedoch aus Gründen der Vergleichbarkeit mit den Vorjahresdaten wieder zu einer Kategorie „hochschulverwandt zusammengefasst (siehe Abbildung 11).

Im Jahr 2001 sieht man deutlich, dass die ländlichen Regionen im Bereich der Ausbildung gegenüber den drei Städten deutlich aufgeholt haben (siehe Abbildung 11). Bei der Lehrlingsausbildung liegen diese Gemeinden deutlich über den Städten, so haben beinahe 40% der über 15-jährigen in dieser Region eine Lehrlingsausbildung – im Jahr 1971 lag

28 dies noch unter der 25% - Marke. Entsprechend aufgeholt haben diese Gemeinden auch im Bereich der Fachschulen. Die Stadt Steyr hat vor allem im Bereich der Fachschulen und der Lehrlingsausbildung ihren Ausbildungsschwerpunkt weiter festigen können. Steyr liegt in diesen Ausbildungsbereichen auch über dem österreichischen Durchschnitt (bei der Lehrlingsausbildung mehr als 36% in Steyr und nur etwa 33% im Österreich Durchschnitt – siehe Abbildung 12). Steyr verfügt somit über eine exzellente Facharbeiterschaft, die in den dort angesiedelten Unternehmen entsprechende Positionen einnehmen können. Insgesamt ist dies eine Stärke des Wirtschaftsstandorts Steyr, die künftighin in ihrer Quantität und Qualität erhalten und ausgebaut werden sollte. So ist die Stadt Steyr beispielsweise für ihre „Fachschule für Kunsthandwerk – Metalldesign“ weit über die oberösterreichische Grenze hinweg bekannt und bildet in diesem Bereich umfassend aus.

70,00% 65,00% 60,00% 55,00% 50,00% 45,00% 40,00% 35,00% 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00%

le ität u s BHS AHS h er sc iv n Lehrling ht U ic Pfl Linz = Fachschule Steyr S Hochschulverwandt Wels BM OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt

Abbildung 11: Bildung 2001 (Quelle: Statistik Austria)

29 40% 35% 30% 25% Steyr 01 20% Ö 15% 10% 5% 0%

e le g u n le u BHS AHS ehr chule L bild s s Hochsch Au te Pflichtschu d n ld. BMS= Fach .b i rwa lg lve Al chu chs Ho

Abbildung 12: Bildung 2001 Österreich und Steyr im Vergleich (Quelle:Statistik Austria)

6. Wirtschaftsstruktur

6.1 Arbeitsstätten

Die Arbeitsstättenentwicklung von 1981 bis 2001 (absolut) zeigt im gesamten oberösterreichischen Zentralraum eine durchwegs positive Entwicklung (siehe Abbildung 13). Die Entwicklung in den drei Städten ist über den gesamten Zeitraum konstant leicht positiv. In den ländlich strukturierten Gebieten, also dem Zentralraum ohne die drei Städte, zeigt sich insbesondere zwischen 1991 und 2001 ein etwas größerer Zuwachs an Arbeitsstätten (1981/91: +1.215 und 1991/2001: +1.934).

30 25000

20000

15000 1981 1991 2001 10000 Arbeitsstätten (absolut)

5000

0 Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt

Abbildung 13: Arbeitsstätten (absolut) im oberösterreichischen Zentralraum (Quelle: Statistik Austria)

Ein detaillierterer Blick auf die wichtigsten Wirtschaftklassen (ÖNACE 1995) zeigt jedoch Wachstum ausschließlich in wenigen Bereichen, wie zum Beispiel im Realitätenwesen und bei den Unternehmensdienstleistungen (K) oder im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (N) (siehe Abbildung 14 und 15). Im anteilsmäßig stärksten Bereich - Handel, Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgüter - sind durchwegs Arbeitsstätten verloren gegangen, Linz verzeichnete hierbei die größten Rückgänge (1991: ~34%, 2001: ~26%). Die Sachgütererzeugung zeigt ebenfalls eine negative Entwicklung, wobei hier Linz vergleichsweise geringe Rückgänge verkraften musste. Die Sachgütererzeugung ist zu beiden Zeitpunkten in den ländlichen Gebieten (OÖ ZR exkl.) stärker vertreten als in den urbanen Räumen. In Steyr gab es im Bereich des Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesens (N) die am deutlichsten positiven Entwicklungen. Im Jahr 2001 lag der relative Anteil dieser Arbeitsstätten bereits über jenen der beiden anderen Städte.

31 40,00%

35,00%

30,00%

25,00%

Linz Steyr 20,00% Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt 15,00%

10,00%

5,00%

0,00% Sachgütererzeugung Handel; Reparatur v.Kfz Realitätenw esen, Gesundheits-, Veterinär- und Erbring.v.sonst. öffentl.u.pers. u.Gebrauchsgütern Unternehmensdienstl. Sozialw esen Dienstl.

Abbildung 14: Arbeitsstätten nach ÖNACE (ausgewählt) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 (Quelle: Statistik Austria)

40,00%

35,00%

30,00%

25,00%

20,00%

15,00%

10,00%

Linz

5,00% Steyr

Wels

0,00% OÖ ZR exkl. Sachgütererzeugung Handel; Reparatur v.Kfz Realitätenw esen, Gesundheits-, Veterinär- Erbring.v.sonst. u.Gebrauchsgütern Unternehmensdienstl. und Sozialw esen öffentl.u.pers. Dienstl. OÖ ZR gesamt

Abbildung 15: Arbeitsstätten nach ÖNACE (ausgewählt) im oberösterreichischen Zentralraum 2001 (Quelle: Statistik Austria)

32 6.2 Beschäftigung

Ausgehend von den Entwicklungen der Arbeitsstätten soll ein Überblick der Beschäftigten nach ausgewählten Wirtschaftsklassen Aufschluss über die Gesamtentwicklung (Abbildung 16 und 17) aber auch über geschlechtsspezifische Entwicklungen (siehe Abbildung 17 bis 22) geben. Steyr zeigt innerhalb der Untersuchungsregion den mit Abstand höchsten Beschäftigtenanteil in der Sachgütererzeugung. Allerdings ist dieser Wert zwischen 1991 und 2001 um ca. 10% gesunken. Wie bereits bei der Entwicklung der Arbeitsstätten (siehe Abbildung 14 und 15) ersichtlich, konnte Wels seine Position als Messe- und Einkaufsstadt im Vergleich zu den anderen Städten halten (siehe Bereich Beschäftigung im Handel).

50,00% Linz Steyr 45,00% Wels OÖ ZR exkl. 40,00% OÖ ZR gesamt

35,00%

30,00%

25,00%

20,00% relative Beschäftigungrelative 1991 15,00%

10,00%

5,00%

0,00% Sachgütererzeugung Handel; Reparatur v.Kfz Realitätenw esen, Gesundheits-, Veterinär- Erbring.v.sonst. u.Gebrauchsgütern Unternehmensdienstl. und Sozialw esen öffentl.u.pers. Dienstl.

Abbildung 16: Relative Beschäftigung nach ÖNACE (ausgewählt) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

33 50,00% Linz 45,00% Steyr Wels 40,00% OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt 35,00%

30,00%

25,00%

20,00%

15,00% relative Beschäftigung 2001 Beschäftigung relative

10,00%

5,00%

0,00% Sachgütererzeugung Handel; Reparatur v.Kfz Realitätenw esen, Gesundheits-, Veterinär- Erbring.v.sonst. u.Gebrauchsgütern Unternehmensdienstl. und Sozialw esen öffentl.u.pers. Dienstl.

Abbildung 17: Relative Beschäftigung nach ÖNACE (ausgewählt) im oberösterreichischen Zentralraum 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Gerade im Handel gab es in Linz zwischen 1991 (~18%) und 2001 (~14%) Verluste in der Beschäftigung von etwa 4%. Steyr konnte im Vergleichszeitraum seine Beschäftigungsanteile im Handel konstant halten und lag im Jahr 2001 bereits knapp vor Linz. Der entwicklungsstärkste Bereich war zwischen 1991 und 2001 in allen dargestellten Regionen jener der Unternehmensdienstleistungen, der in Linz aufgrund seiner Position als Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum Oberösterreichs stärker ausgeprägt ist als in den beiden anderen Städten. Mit Beschäftigungsanteilen von 15% liegt dieser Bereich im Jahr 2001 in Linz bereits vor jenem des Handels (etwa 14%). Auch Steyr hat in diesem Bereich Beschäftigungsanteile von etwa +5% zulegen können und lag im Jahr 2001 mit 10% bereits deutlich vor Wels (etwa 8%). Im Gesundheits- und Sozialwesen konnten die drei Städte wie auch die nicht-urbanen Räume Beschäftigungszuwächse verzeichnen.

Die Entwicklung der Beschäftigten an der Arbeitsstätte 1991 bis 2001 getrennt nach Männern und Frauen zeigt unterschiedliche Schwerpunkte. Das deutlichste Ergebnis ist, dass Steyr den weitaus stärksten Anteil bei den Männern in der Sachgüterproduktion hält. Insgesamt zeigt die Beschäftigung in diesem Bereich jedoch einen durchgängig negativen Trend, so ging die männliche Beschäftigung auch in Steyr um etwa 10% (1991: 60%;

34 2001: etwa 50%) zurück (siehe Abbildung 18). Steyr (etwa 50%) verfügt allerdings im Vergleich zu Linz (etwa 26%) und Wels (etwa 21%) über deutlich höhere männliche Beschäftigungsanteile im Sachgüterbereich.

70,00%

60,00%

50,00%

40,00%

30,00%

20,00% relative Beschäftigungrelative Männer

10,00%

0,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt

Sachgütererzeugung 1991 Sachgütererzeugung 2001

Abbildung 18: Anteil der männlichen Beschäftigten in der Sachgütererzeugung (D, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Jener Bereich mit den größten relativen Zuwächsen der männlichen Beschäftigung sind die Unternehmensdienstleistungen (siehe Abbildung 19). In Steyr haben sich die Beschäftigungsanteile der Männer in dieser Wirtschaftsklasse um mehr als das Doppelte erhöht (1991: etwa 4%; 2001: 10%), auch Linz weist eine ähnliche Entwicklung auf (1991: 7%; 2001: 13%).

35 16,00%

14,00%

12,00%

10,00%

8,00%

6,00%

4,00% relative Beschäftigung Männer Beschäftigung relative

2,00%

0,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt

Realitätenw esen, Unternehmensdienstl. 1991 Realitätenw esen, Unternehmensdienstl. 2001

Abbildung 19: Anteil der männlichen Beschäftigten in Unternehmensdienstleistungen (K, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Bei den Frauen sieht das Bild anders aus. Auch wenn Steyr den Bereich Sachgüterproduktion anführt, so sind viele der in Steyr beschäftigten Frauen im Bereich, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen sowie im Handel beschäftigt (siehe Abbildung 20 bis 22). Die weiblichen Beschäftigten in Steyr halten auch den größten Anteil im Unterrichtswesen (siehe Abbildung 23). In diesem Bereich konnte Steyr bei den weiblichen Beschäftigungsanteilen zwischen 1991 und 2001 am deutlichsten zulegen und liegt mit etwa 12% Beschäftigungsanteilen weit vor Linz (7,5%) und Wels (8%). Der Schwerpunkt im Bereich der berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) schlägt sich hier unter anderem in höheren Beschäftigungsanteilen bei den Frauen nieder (vergleiche Kapitel 5). Die Stadt Wels dominiert den Handel, bei den Frauen noch signifikanter als bei den Männern (siehe Abbildung 22). In Linz gingen zwischen 1991 und 2001 Arbeitsplätze im Handel sowohl bei den Männern (-3%) als auch bei den Frauen (fast -5%) verloren.

36 35,00%

30,00%

25,00%

20,00%

15,00%

10,00% relative Beschäftigungrelative Frauen 5,00%

0,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR ohne OÖ ZR gesamt

Sachgütererzeugung 1991 Sachgütererzeugung 2001

Abbildung 20: Anteil der weiblichen Beschäftigten in der Sachgütererzeugung (D, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

20,00%

18,00%

16,00%

14,00%

12,00%

10,00%

8,00%

6,00%

4,00% relative Beschäftigung Frauen Beschäftigung relative

2,00%

0,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR ohne OÖ ZR gesamt

Gesundheits-, Veterinär- und Sozialw esen 1991 Gesundheits-, Veterinär- und Sozialw esen 2001

Abbildung 21: Anteil der weiblichen Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen (N, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

37

40,00%

35,00%

30,00%

25,00%

20,00%

15,00%

10,00% relative Beschäftigungrelative Frauen 5,00%

0,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR ohne OÖ ZR gesamt

Handel; Reparatur v.Kfz u.Gebrauchsgütern 1991 Handel; Reparatur v.Kfz u.Gebrauchsgütern 2001

Abbildung 22: Anteil der weiblichen Beschäftigten im Handel (G, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

14,00%

12,00%

10,00%

8,00%

6,00%

4,00% relative Beschäftigung Frauen Beschäftigung relative 2,00%

0,00% Linz Steyr Wels OÖ ZR ohne OÖ ZR gesamt Unterrichtsw esen 1991 Unterrichtsw esen 2001

Abbildung 23: Anteil der weiblichen Beschäftigten im Unterrichtswesen (M, ÖNACE) im oberösterreichischen Zentralraum 1991 und 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

38 Darstellung einzelner Leitbetriebe in Steyr

Laut Wirtschaftskammer (WKO online 2006) gab es in Steyr im Jahr 2005 insgesamt 2.160 aktive Unternehmen, wobei einige davon eine überregionale Bedeutung als international tätige Konzerne inne haben (BMW Motoren GmbH., SKF Österreich AG, MAN Nutzfahrzeuge AG). So zählen die BMW Motoren GmbH. und die MAN Nutzfahrzeuge AG zu den zwölf führenden Industrieunternehmen in Oberösterreich (siehe Austria Innovativ 4/2006).

BMW Motoren GmbH2

BMW Motoren GmbH ist der größte Arbeitgeber Steyrs und zählt damit zu den wichtigsten Impulsgeber der Stadt. Das Werk wurde 1980 zur Zeit der Krise der Steyr- Daimler-Puch Werke angesiedelt. Der Vertrag zwischen Steyr-Daimler-Puch und BMW wurde im Jahr 1978 unterzeichnet. Seit der Gründung kam es immer wieder zu Vergrößerungen des Werkes, das mittlerweile ein Areal von 308.000 m2 umfasst und zahlreiche Zulieferer in der Region hat. Das Unternehmen hat seit der Gründung ca. 3,2 Mrd. Euro in den Standort investiert und ist von 8 auf 2.871 Beschäftigte (2005) angewachsen. Der Umsatz betrug im Jahr 2005 2,65 Mrd. Euro. Damit ist BMW eines der größten Industrieunternehmen Österreichs. Bisher wurden in Steyr 7,8 Mio. Motoren gefertigt. Steyr ist ein Forschungs- und Entwicklungsstandort für Dieselmotoren der gesamten BMW Gruppe.

SKF Österreich AG3

Die SKF Gruppe Österreich ist Teil eines international agierenden schwedischen Unternehmens mit Sitz in Göteborg (Schweden). Das gesamte Unternehmen beschäftigt weltweit etwa 40.000 Mitarbeiter. Die SKF Gruppe Österreich mit Sitz in Steyr beschäftigte im Jahr 2005 703 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von etwa 204,5 Mio. Euro. Der Standort Steyr ist vorwiegend auf folgende Bereiche spezialisiert: Entwicklung, Marketing und Produktion von Wälzlagern Marketing, Verkauf und Service

2 BMW Motoren GmbH online 3 SKF Österreich AG online

39 Kundenspezifische Adaptierung von Wälzlagern und Gehäusen Entwicklung, Produktion und weltweiter Verkauf von Messgeräten

MAN Nutzfahrzeuge Gruppe in Österreich4

Die MAN Gruppe ist ein europäisches Nutzfahrzeug-, Motoren- und Maschinenbauunternehmen mit weltweit rund 50.000 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von etwa 13 Mrd. Euro. Die MAN Nutzfahrzeuge Gruppe in Österreich hat zwei LKW Produktionswerke – Steyr und Wien-Liesing - und eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft. Gemeinsam erzielen diese beiden Werke einen Umsatz von etwa 1,5 Mio. Euro (2005) und beschäftigen insgesamt 4.028 Mitarbeiter (2005). Der Produktionsstandort Steyr ist ein Kompetenzzentrum für die Entwicklung und Produktion leichter und mittelschwerer LKW.

7. Arbeitslosigkeit Um einen direkten Vergleich der Arbeitslosigkeit in den urbanen und nicht-urbanen Gemeinden im oberösterreichischen Zentralraum zu erhalten, wurde die relative Veränderung von 2001 auf 2005 für alle Gemeinden graphisch dargestellt (siehe Abbildung 24). Das Gesamtbild zeigt, dass die Arbeitslosigkeit mit Ausnahme von drei Gemeinden (Niederneukirchen, Weißkirchen an der Traun und Schiedlberg) in diesem Zeitraum kontinuierlich gestiegen ist. In Summe sind die Gemeinden außerhalb der drei Städte (OÖ ZR exkl.) zwischen 2001 und 2005 erheblich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als die drei Städte (Veränderung im OÖ ZR exkl.: +34%; Veränderung im OÖ ZR gesamt: +25%). Einige Gemeinden erfuhren sehr hohe Anstiege der Arbeitslosigkeit, allen voran die Gemeinde Allhaming mit mehr als 160%. Weiters interessant erscheint, dass die westlichen Umlandgemeinden von Wels weniger von Anstiegen geprägt waren als die Umlandgemeinden Steyrs. In der Umgebung von Linz zeigt sich ein differenzierteres Bild - neben einigen sehr hohen Anstiegen, waren einige Gemeinden kaum von Arbeitslosigkeit betroffen. Die drei Städte im Vergleich zeigen ebenfalls unterschiedliche Entwicklungen, so liegt die Veränderung der Arbeitslosigkeit in Wels nur bei etwa +8%,

4 MAN Nutzfahrzeuge AG Österreich online

40 während Linz (+25%) und Steyr (+28%) mit deutlich höheren Steigerungen der Arbeitslosenzahlen zu kämpfen haben.

180,0%

160,0%

140,0%

120,0%

100,0%

80,0%

60,0%

40,0%

20,0%

0,0%

-20,0%

-40,0% relative Veränderung derArbeitslosigkeit 2001-2005 Asten Enns Linz Traun Wels Wels Steyr Steyr Wolfern Oftering Oftering Garsten Pucking Sierning Kronstorf Leonding Bad Hall Bad Wilhering Pasching Dietach Allhaming Ansfelden Piberbach Hörsching Marchtrenk Sipbachzell Sipbachzell Holzhausen Schiedlberg Hargelsberg Sankt Marien Schleißheim Niederneukirchen Rohr imRohr Kremstal Kirchberg-Thening Markt Sankt Florian Sankt Ulrich beiSteyr Kematen Krems an der Neuhofen Krems an der Eggendorf im Traunkreis Hofkirchen im Traunkreis Weißkirchen Traun der an

Abbildung 24: Relative Veränderung der Arbeitslosigkeit im oberösterreichischen Zentralraum 2001 – 2005 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Eine detaillierte Analyse der Arbeitslosigkeit (absolut) im Arbeitsmarktbezirk Steyr über einen längeren Zeitraum (1989 bis 2005) getrennt nach Frauen und Männern zeigt einen kontinuierlichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen von 1993 bis ins Jahr 2000 (siehe Abbildung 25). Die männlichen Arbeitslosen sind danach zwischen 2000 und 2002 rapide angestiegen und haben sich nach einer Phase des Rückganges im Jahr 2004 etwa auf dem Niveau des Jahres 1999 eingependelt. Zwischen 2004 und 2005 kam es jedoch erneut zu einem rapiden Anstieg der männlichen Arbeitslosen in Steyr. Der Verlauf der weiblichen Arbeitslosen zeigt fast im gesamten Zeitraum 1989 bis 2005 einen ähnlichen Verlauf auf niedrigerem Niveau. Vergleicht man die Werte der männlichen und weiblichen Arbeitslosen in Steyr mit jenen im Bundesland Oberösterreich, so erkennt man deutliche Parallelitäten (siehe Abbildung 26). Der in beiden Graphiken (Abbildung 26 und 27) deutlich erkennbare Peak im Jahr 1993 ist durch einen Einbruch des Bruttoinlandsproduktes erklärbar und entspricht damit der allgemeinen Konjunkturlage. Interessant scheint die Tatsache, dass die Frauenarbeitslosenzahl in Steyr teilweise jene der Männer überschreitet. Hier zeigt sich ein völlig anderes Bild in Oberösterreich gesamt, wo die Zahl der arbeitslosen Männer

41 durchwegs über der der Frauen liegt. Die Frauenarbeitslosigkeit ist somit in Steyr ein immanentes Problem, deren Struktur noch näher erörtert werden sollte.

2500

2250

2000

1750

1500 Männer 1250 Frauen 1000

750

500

250

Anzahl der Arbeitslosen in Steyr (absolut) in Steyr Arbeitslosen der Anzahl 0

9 2 3 4 5 8 9 0 4 5 8 91 9 9 9 9 97 9 9 0 03 0 0 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0 19 1990 1 1 1 1 19 1996 1 1 1 20 2001 2002 2 2 2

Abbildung 25: Arbeitslose in der Stadt Steyr im Zeitverlauf 1989 -2005 (Quelle: Statistik Austria)

20.000

18.000

16.000

14.000

12.000

10.000

8.000

6.000

4.000

2.000

0 Anzahl der Arbeitslosen in Oberösterreich (absolut) Oberösterreich in Arbeitslosen der Anzahl 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Männer Frauen

Abbildung 26: Arbeitslose in Oberösterreich im Zeitverlauf 1989 -2005 (Quelle: Statistik Austria)

42

Der Blick auf die Arbeitslosenquoten (Abbildung 27) schließt im Gegensatz zu den oben dargestellten Absolutzahlen (Abbildung 25 und 26) die Kopplung an die Erwerbstätigen mit ein. Der Vergleich der Arbeitslosenquoten getrennt nach Männern und Frauen über den Zeitraum 2000 bis 2005 zeigt einerseits sehr deutliche Unterschiede zwischen Oberösterreich und Steyr und andererseits unterstreicht dieser Vergleich das durchwegs hohe Niveau der Frauenarbeitslosigkeit in Steyr (siehe Abbildung 27). Die Frauenarbeitslosenquote in Steyr liegt mit Werten zwischen 6 und 7% weit über dem Oberösterreichdurchschnitt (zwischen 4 und 5%). Dies unterstreicht die Problematik der überdurchschnittlich hohen Frauenarbeitslosigkeit in Steyr, die durch den Rückgang der weiblichen Beschäftigten in der Sachgütererzeugung zwischen 1991 und 2001 (um fast 10%) teilweise erklärt werden kann (vergleiche Abbildung 20). Die Qualifikation der Frauen in der Sachgütererzeugung ist österreichweit niedriger als jene der Männer, wodurch tendenziell Frauen in Hilfsarbeiterpositionen von Rationalisierungen in Folge von Automatisierungswellen in der Produktion betroffen sind. Dies liegt vorwiegend an dem traditionell niedrigeren Frauenanteil in der technischen Ausbildung, der sich nur langsam an jenen der Männer annähert (vgl. Industriellenvereinigung online). Auch die männliche Arbeitslosenquote liegt durchwegs über dem Oberösterreichdurchschnitt, wenngleich nicht so deutlich wie die der Frauen. Interessant scheint der rapide Anstieg zwischen 2001 und 2002 bei den Männern in Steyr, danach entwickelt sich die Männerarbeitslosenquote parallel zu der der Frauen, allerdings um etwa einen Prozentpunkt niedriger.

43 8,00%

7,00%

6,00%

5,00%

4,00%

3,00%

Arbeitslosenquoten 2,00%

1,00%

0,00% 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Steyr Frauen Steyr Männer OÖ Frauen OÖ Männer

Abbildung 27: Arbeitslosenquoten in Steyr und Oberösterreich 2000-2005 (Quelle: AMS OÖ)

Neben der Entwicklung der geschlechtsspezifischen Arbeitslosenentwicklung scheinen die Bereiche Jugend- und Altersarbeitslosigkeit von übergeordneter Bedeutung. Insgesamt ist das Niveau der Jugendarbeitslosigkeit (Abbildung 28) deutlich niedriger als jenes der Altersarbeitslosen (Abbildung 29). Die Jugendarbeitslosigkeit ist bei Frauen sowohl im Arbeitsmarktbezirk Steyr als auch in Oberösterreich gesamt deutlich höher als bei den Männern. Steyr liegt bei der Jugendarbeitslosigkeit im Betrachtungszeitraum 2000 bis 2005 zumeist unter dem oberösterreichischen Durchschnitt. Dennoch scheint die Jugendarbeitslosigkeit, als wichtiger sozialer Indikator, in Steyr trotz der dynamischen Wirtschaftslage ein durchaus ernst zunehmendes Problem, vor allem im Bereich der Frauenarbeitslosigkeit.

44 8,00%

7,00%

6,00%

5,00%

4,00%

3,00%

2,00%

1,00%

0,00% 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Anteil der unter 20-Jährigen an den gemeldeten Arbeitslosen Frauen Steyr Männer Steyr Frauen OÖ Männer OÖ

Abbildung 28: Anteil der Jugendarbeitslosigkeit in Steyr und Oberösterreich 2000-2005 (Quelle: AMS OÖ)

Im Vergleich dazu zeigt die Altersarbeitslosigkeit, also jene Personen die über 50 Jahre alt und arbeitslos gemeldet sind, ein völlig konträres Bild (siehe Abbildung 29). Es überwiegen die Männer bei der Altersarbeitslosigkeit, d.h. es sind wesentlich mehr ältere Männer von Arbeitslosigkeit betroffen als Frauen, sowohl in Steyr als auch in Oberösterreich. Die Altersarbeitslosigkeit ist insgesamt in Steyr stärker ausgeprägt als in Oberösterreich. Der Anteil der über 50-jährigen Männer an den gemeldeten Arbeitslosen in Steyr lag im Jahr 2000 über 23%. Dieser hohe Anteil konnte zwar in den Folgejahren ein wenig eingedämmt werden, betrug aber im Jahr 2005 immer noch über 16%. Vor allem im Bereich der über 50-jährigen bedarf es offensichtlich gezielter Maßnahmen.

45 25,00%

20,00%

15,00%

10,00%

5,00%

0,00% 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Frauen Steyr Männer Steyr Anteil der über 50-Jährigen an den gemeldeten Arbeitslosen Frauen OÖ Männer OÖ

Abbildung 29: Anteil der Altersarbeitslosigkeit in Steyr und Oberösterreich 2000-2005 (Quelle: AMS OÖ)

8. Pendler Die Pendlersituation scheint insbesondere in einem wirtschaftsdynamischen Raum wie dem oberösterreichischen Zentralraum mit den drei unterschiedlich spezialisierten Zentren Linz, Wels und Steyr interessant. Die klassischen Suburbanisierungswellen verschärfen die Pendlersituation und stellen insbesondere vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Regionalentwicklung eine Herausforderung für die technische wie soziale Infrastruktur dar. Der allgemeine gesellschaftliche Trend zum Haus im Grünen stellt die Stadtzentren wie auch die Suburbanisierungsgewinner im Umland vor neue und ungeahnte Probleme. Die Städte erfahren Abwanderungsprozesse, müssen Strategien zur Erhaltung der Attraktivität der sozialen Infrastruktur entwickeln und sind durch einen hohen Anteil an Einpendlern gekennzeichnet (Schuh und Sedlacek 2001). Gleichzeitig entwickeln sich die Umlandgemeinden zu reinen "Trabanten" der Zentren, mit primärer Wohnfunktion und starken Auspendleranteilen (vgl. Boustedt 1975). In der Folge kommt es zu erhöhtem Verkehrsaufkommen in Richtung der urbanen Agglomerationen. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Technischen Universität Wien (Bökemann und Kramar 2004) über die Erreichbarkeitsverschlechterungen im oberösterreichischen Zentralraum, die vor

46 allem regionale Erreichbarkeitsverluste und regionale Wertschöpfungsverluste (vor allem in Linz, Wels und Steyr im sekundären und tertiären Sektor) durch Staus konstatiert. Die Pendlerstatistik gibt über den Prozess der Suburbanisierung und deren Folgen innerhalb einer Region Aufschluss. Dazu benötigt man Aussagen über die Erwerbstätigen am Wohnort, also jener Anzahl der Wohnbevölkerung, die Voll-, Teilzeit oder geringfügig erwerbstätig sind und in der Wohngemeinde ihren Wohnsitz haben (siehe VZ 2001 – Statistik Austria online). Ausgehend von den Erwerbstätigen am Wohnort werden die Auspendler ermittelt, also jene, die ihre Arbeitsstätte außerhalb der Wohngemeinde haben. Um die Erwerbstätigen am Arbeitsort zu ermitteln, muss die Differenz zwischen Erwerbstätigen am Wohnort und den Auspendlern gebildet werden und die Einpendler hinzugezählt werden. Aus dieser Formel lassen sich die Pendlerströme zwischen den einzelnen Gemeinden messen.

100%

90%

80%

70%

60% Erwerbstätige am Arbeitsort Einpendler 50% Auspendler 40% Erwerbstätige am Wohnort

30%

20%

10%

0% Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt

Abbildung 30: Pendlerstatistik des oberösterreichischen Zentralraumes VZ 2001 (Quelle: Statistik Austria)

In Abbildung 30 werden die vier wichtigsten eben beschriebenen Hauptvariablen der Pendlerstatistik abgebildet und zueinander in Relation gesetzt. Die Abbildung zeigt auf einem Blick den Unterschied zwischen den drei Kernstädten (Linz, Steyr, Wels) und dem ländlich geprägten Umland (OÖ ZR exkl.). Das ländliche Umland zeigt deutlich höhere

47 Anteile an Auspendlern und Erwerbstätigen am Wohnort, also die soeben beschriebenen Indikatoren für klassische "Auspendler-Gemeinden". Dennoch erstaunlich ist der doch relativ hohe Anteil an Einpendlern in diesen Gemeinden. Die Hypothese zur Erklärung dieses relativ hohen Einpendleranteils liegt in der gleichzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung jener Gemeinden, die eine sehr gute Anbindung an die Verkehrsinfrastruktur im oberösterreichischen Zentralraum nützen konnten – also klassische Umlandgemeinden mit hoher Wohnattraktivität und dynamischen Betriebsansiedlungen, wie zum Beispiel Enns mit mehr Einpendlern (4.038) als Auspendlern (2.837) oder Leonding mit annähernd so vielen Einpendlern (7.825) wie Auspendlern (8.466) im Linzer Umland oder aber Marchtrenk (Auspendler: 3.487; Einpendler: 3.036) im Welser Umland. Auch aufstrebende Umlandgemeinden wie das zuvor beschriebene (siehe Bevölkerungsentwicklung) Asten sind durch beachtliche Einpendlerzahlen (1.331) gekennzeichnet. Interessant scheint in diesem Zusammenhang auch der relative Anteil der Auspendler gemessen an der Wohnbevölkerung zu sein. Während aus den drei Städten durchschnittlich weniger als 15% auspendeln, so sind es bei den restlichen Gemeinden im Durchschnitt mehr als 30%. Manche Gemeinden erreichen sogar Werte von mehr als 40%. Den geringsten Wert stellt Linz mit ca. 10% dar, gefolgt von Steyr mit einem Wert von weniger als 15%, was auf die hohe Arbeitsplatzdichte Steyrs hinweist.

250000

200000

150000

absolut 100000

50000

0 Linz Steyr Wels OÖ ZR exkl. OÖ ZR gesamt

Erwerbstätige am Wohnort Auspendler Einpendler

Abbildung 31: Erwerbstätige am Wohnort, Auspendler, Einpendler im oberösterreichischen Zentralraum VZ 2001 absolut (Quelle: Statistik Austria)

48

Die in Abbildung 31 dargestellten Absolutwerte zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen dem oberösterreichischen Zentralraum mit und ohne den drei Städten. Betrachtet man den ländlichen Zentralraum so zeigt sich eine deutlich niedrigere Differenz zwischen den Erwerbstätigen am Wohnort und den Auspendlern, ein Hinweis dafür, dass viele Erwerbstätige ihre Arbeitsstätte außerhalb ihrer Wohngemeinde haben, wie zum Beispiel die Gemeinde Garsten (Erwerbstätige am Wohnort: 2.883; Auspendler: 2.240) im Umland von Steyr.

9. Die Stadt Steyr

Das vorliegende sozioökonomische Profil des oberösterreichischen Zentralraumes wurde mit einem Schwerpunkt auf die Stadt Steyr erstellt, d.h. es wurde jeweils die Stellung Steyrs innerhalb des Zentralraumes gesondert hervorgehoben. Die analysierten sozioökonomischen Entwicklungsbereiche unterliegen jedoch besonderen Rahmenbedingungen, die auf Basis einer deskriptiven Datenanalyse nicht zur Gänze abgebildet werden können. In den folgenden Unterkapiteln werden daher jene Entwicklungsbereiche der Stadt Steyr anhand einer Dokumentenanalyse skizziert, die in Form von Rahmenbedingungen entscheidend wirken. Dabei wird auch auf besondere institutionelle Akteure hingewiesen.

9.1 Verkehrsentwicklung Steyr

Die allgemeine Verkehrssituation (Reiner und Schremmer 2002) Steyr kämpft wie alle Städte mit innerstädtischen Verkehrskonflikten. Hier sind es vor allem die Konkurrenten Individual- (IV) und öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), die den Verkehrsplanern Probleme bereiten. Zusätzlich hat die Stadt Steyr auch nach außen, also im regionalen Kontext, mit Verkehrsproblemen zu kämpfen. Die Hauptproblematik liegt in Erreichbarkeitsnachteilen der Stadt Steyr gegenüber den beiden anderen Städten Linz und Wels im Zentralraum. Zum einen besteht eine mangelhafte Verkehrsanbindung an den oberösterreichischen Zentralraum, die vor allem von den großen Betrieben in Steyr (allen voran BMW) als Standortnachteil empfunden wird. Zum anderen sind sowohl der südliche Raum von Steyr (die Region Steyr-Kirchdorf) als auch der Westen, d.h. die Region um Waidhofen an der Ybbs, mangelhaft erreichbar. Dies verwundert umso mehr,

49 als seitens der ländlichen Räume große Abhängigkeiten zu und Pendelverflechtungen mit Steyr vorherrschen. Sowohl die Straßen- als auch die Zuganbindung kann als mangelhaft bezeichnet werden.

Geplante Verkehrsprojekte Vor dem Hintergrund der eben diskutierten Verkehrsprobleme, plant Steyr den Anschluss an wichtige Verkehrsknotenpunkte im ÖPNV und IV. Die wichtigsten Punkte hierbei sind eine Busverbindung nach Linz und zur Westbahn, die Nordumfahrung Steyr, die schnellere Erreichbarkeit der Autobahn A1 sowie die Anbindung an die Pyhrnautobahn (A9). Mit der B309 und deren 4-spurigen Ausbau als Anbindung zum Zentralraum und an die Westautobahn soll 2007 begonnen werden. Allerdings bestehen Finanzierungsprobleme, da das Land eine Beteiligung an den veranschlagten Kosten von 6,2 Mio. Euro ausschließt (vgl. Amtsblatt der Stadt Steyr). Auch beim Projekt Westspange, also der Entlastung der Verkehrssituation in der Innenstadt durch eine Umfahrung gibt es Errichtungskonflikte (vgl. Amtsblatt der Stadt Steyr). Die Westspange kostet 11 Mio. Euro und soll den Bereich Tabor (Stadtteil am Rande der Innenstadt) vom Verkehrschaos befreien. Davon würden vor allem auch die Pendler aus dem Enns- und Steyrtal massiv profitieren (vgl. Amtsblatt der Stadt Steyr).

Gesamtverkehrskonzept Da das Gesamtverkehrskonzept aus dem Jahr 1993 aufgrund mangelnder Aktualität die aktuellen Verkehrsprobleme nicht berücksichtigen bzw. beseitigen konnte, wurde im Jahr 2003 ein neues Verkehrskonzept in Auftrag gegeben. Mit der Bearbeitung wurde die Technische Universität Graz betraut. Das Gesamtverkehrskonzept wurde Ende 2005 fertig gestellt und der Stadt übergeben. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Aktualisierung des Verkehrskonzeptes 1993. In diesem Konzept wurde versucht, die komplexe Verkehrssituation Steyrs anhand spezifischer Strategien für alle Verkehrsträger aufzulösen. Beachtet werden zum einen die gestiegene PKW-Mobilität und die latenten Nutzungskonflikte zwischen Verkehrsteilnehmern im innerstädtischen Bereich, sowie Konflikte um Parkraum und Wirkungen des Verkehrs. Für den neuralgischen Verkehrsknotenpunkt Wehrgraben wurde ein spezielles kleinräumiges Strategiepaket entwickelt (vgl. Amtsblatt der Stadt Steyr).

50 9.2. Tourismus

Allgemeines zum Tourismus in Steyr Steyr ist im oberösterreichischen Zentralraum nach Bad Hall die zweitwichtigste Tourismus Region (vgl. Reiner und Schremmer 2002). Die Stadt Steyr gilt vor allem als Tagestourismusdestination, wenngleich auch der Aufenthaltstourismus eine gewisse Bedeutung hat. Laut Jahresbericht des Steyrer Tourismusverbandes 2004 (vgl. Tourismusverband Steyr online) konnte erstmals die Marke von 80.000 Nächtigungen durchbrochen werden. Langfristiges Ziel wäre es 200.000 Nächtigungen bis 2010 zu erreichen – dabei müssten vorhandene, noch wenig genutzte Potentiale ausgeschöpft werden (vgl. Tourismusverband Steyr online). Ziel des Tourismusverbandes Steyr und der Wirtschaftskammer ist es, dem Tourismus eine noch bedeutendere Rolle in der Steyrer Wirtschaft zu geben. Die WKO (2006) schlägt dazu unter anderem die Zusammenarbeit mit Leistungsträgern und Betrieben, die Erstellung eines einheitlichen Leitsystems für Steyrer Betriebe, die Erschließung neuer Zielmärkte (z.B. Slowakei und Tschechien) vor. Bisher konnte die Stadt Steyr aufgrund ihrer industriellen Schwerpunktsetzung im Geschäftstourismus punkten. Der Seminar- und Kongresstourismus gilt damit als wichtiges Zukunftsfeld. Ein zweites wichtiges Standbein war bisher der Adventtourismus (Christkindlmärkte, der Stadtteil Christkindl). Eine weitere Spezialisierung ist im Bereich der Innenstadt geplant, die mit einem der „schönsten Hauptplätze Europas“ im Städtetourismus beste Voraussetzungen dafür hätte. Der Tourismusverband bietet spezielle Innenstadtführungen an, wie zum Beispiel die Nachtwächter-Führungen und sogenannte „Nachtwächter-Dine-Arounds“ (vgl. Tourismusverband Steyr online). Ein weiterer Aspekt auf den der Tourismus setzen möchte, ist die regionale Einbettung Steyrs in die Tradition der „Eisenstraße“, den Nationalpark Kalkalpen etc. Es gibt seit einigen Jahren Bestrebungen die Region „Eisenstraße“ mit dem Erzberg und der Stadt Steyr bzw. Steyr alleine als Weltkulturerberegion klassifizieren zu lassen, um eine Aufwertung des Images der Region zu erreichen.

Touristisches Leitbild Obwohl es kein ausgewiesenes touristisches Leitbild der Stadt Steyr gibt, setzt der Tourismusverband Steyr einige Initiativen. Nicht nur die Austragung der erfolgreichen Landesaustellung „Land der Hämmer“ und die Angebotskooperation „kleine historische

51 Städte“ (Zusammenschluss mehrerer Städte im Tourismus) sind hier zu nennen, sondern auch Ideenwerkstätten und Workshops zu touristischen Zukunftspotentialen der Stadt Steyr. In einem gemeinsamen Protokoll mit ETB Edinger Tourismusberatung GmbH wurde im Jahr 2003 eine freizeittouristische Angebotsinventur erstellt (vgl. Etb Edinger Tourismusberatung, 2003): • „Die Marktanteile im aufenthaltstouristischen Segment teilen sich auf in Business-Tourismus (ca. 60% der Nächtigungen), Anlass-Tourismus (ca. 20% der Nächtigungen) und Freizeittourismus (weitere 20% der Nächtigungen). • Das Hochwasser 2002 führte zu einem Einbruch der Nächtigungszahlen (-11%) und der Ankünfte (-8%). • Elementare Stärken der Stadt Steyr sind unter anderem der Wirtschaftsstandort, der historische Stadtkern, die Naturlandschaft, Einkaufsmöglichkeiten und der Bildungsstandort. • Elementare Schwächen sind unter anderem die geringe Vernetzung der Wirtschaftskompetenz mit der Tourismuswirtschaft, der historische Stadtplatz wird wenig als Anziehungspunkt genutzt, das Tourismusleit- und Informationssystem ist mangelhaft, die Handelsstruktur zieht sich teilweise aus der Innenstadt zurück, Tourismus-Infrastrukturen sind unterdurchschnittlich. • Für die genannten Probleme wurden Lösungsansätze gesucht, z.B. die Attraktivierung des Kern-Angebotes in der Stadt in Form von Schaffung attraktiver Einkaufsmöglichkeiten, einheitlicher Öffnungszeiten, attraktiver Stadtplatzgestaltung / Nutzung für Events etc.“

Kultur und kulturelles Leitbild Aufgrund der kulturhistorischen Bedeutung Steyrs sind in der Stadt Kultur und Tourismus eng miteinander verwoben. Ein wichtiger Akteur ist dabei das Museum Arbeitswelt, das auf die industrielle Vergangenheit Steyrs aufmerksam macht. Es wurde beim letzten Hochwasser zerstört und wieder aufgebaut. Es ist das erste österreichische Arbeitsweltmuseum (vgl. Museum Arbeitswelt online), das sich aus einer Landesausstellung heraus entwickelte. Das Museum ist im historisch wichtigen unter Denkmalschutz stehenden Stadtteil Wehrgraben angesiedelt und sieht sich als Kultur- und Bildungseinrichtung. Ein weiterer wichtiger Akteur im Steyrer Kulturleben ist der Kulturverein „Röda“.

52 Auch der Tourismusverband fordert eine stärkere Vernetzung zwischen Tourismus und Kultur (Festlegung auf Schwerpunktthemen, gemeinsame Planung, gemeinsame Vermarktung) (vgl. Tourismusverband Steyr online). Ein erstes gutes Beispiel dafür ist das alljährliche renommierte und gut besuchte Steyrer Schubert-Festival im Schloss Lamberg. In Steyr gibt es kein ausgewiesenes kulturelles Leitbild. Allerdings wurde im Jahr 2005 eine Linzer Firma mit der Erstellung eines Kulturentwicklungsplanes beauftragt (vgl. Tourismusverband Steyr online).

9.3 Die soziale Situation (Quellen: Sozialplanung in Steyr 2004; Soziales Leitbild für die Stadt Steyr 2005) Die Problematik der Arbeitslosigkeit und deren strukturellen Unterschiede wurden bereits in der soziökonomischen Datenanalyse näher erläutert. Daraus resultiert auch ein überdurchschnittlich hoher Wert an Sozialhilfeempfängern (2001: 0,31% in Steyr vs. 0,14% Oberösterreich). Eine sozialräumliche Analyse ergab, dass vor allem in bestimmten Stadtteilen Steyrs die Dichte an Alleinerziehern, Ausländern und Sozialhilfeempfängern besonders hoch ist.

Soziales Leitbild der Stadt Steyr Steyr ist sich der Problematik seiner sozialen Situation bewusst und will mit einem eigenen sozialen Leitbild einen Schritt in Richtung eines Ausgleiches der sozialen Disparitäten gehen. Das soziale Leitbild wurde bereits Mitte 2005 präsentiert. Der zentrale Kern des Leitbildes ist in fünf Handlungsfelder eingeteilt: Altenpflege und -betreuung, Menschen mit Beeinträchtigungen, Kinder und Jugend, Bildung und Arbeit sowie allgemeine Sozialdienste. Im Dokument wurden sowohl Stärken und Schwächen als auch konkrete Maßnahmen für die einzelnen Bereiche herausgearbeitet (vgl. Soziales Leitbild für die Stadt Steyr, 2005). Die Stärke des Konzeptes liegt in der Kooperation zwischen Experten des Steyrer Sozialwesens und wissenschaftlichen Experten der Linzer Kepler Universität und des Instituts für qualitative Analysen. Eine moderne kommunale Sozialpolitik wird in Steyr als Querschnittsaufgabe verstanden. Vor dem Hintergrund der „Verstaatlichtenkrise“ 1989, die auch die Region Steyr aufgrund der Folgen für die Steyr-Daimler-Puch-AG in ein wirtschaftliches und soziales Desaster schlittern ließ, ist sich die Stadt der Dringlichkeit sozialer Probleme und deren Lösung bewusst. Obwohl neue Leitbetriebe an die Stelle der

53 ehemaligen Steyr-Werke traten, sind die sozialen Probleme (wie in anderen Städten auch) nicht weniger geworden. Man versucht eine vorausschauend planende soziale Kommunalpolitik unter Bedachtnahme auf eine überregionale Sozialplanung zu betreiben (vgl. Sozialplanung in Steyr 2004).

Soziale Infrastruktur und Sozialbudget Die sozialen Dienste und Einrichtungen bestehen zu 51,7% aus Vereinen, 25,9% werden von der öffentlichen Hand getragen, der Rest gehört einer anderen Rechtsform an (vgl. Sozialplanung in Steyr 2004). In sozialen Diensten wurden im Jahr 2003 zwischen 960 und 1.040 Personen in Steyr beschäftigt, davon waren 46% teilzeitbeschäftigt. Ein Großteil der Institutionen bietet verschiedenste Leistungen, wie zum Beispiel Dienste für Ältere, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Handicap etc. an (vgl. Sozialplanung in Steyr 2004). Der Gesamtrahmen des ordentlichen Haushaltes in Steyr betrug 2002 ca. 84 Mio. Euro – davon wurden 26 Mio. Euro für soziale Zwecke ausgegeben. Die Sozialquote liegt somit bei 31,2%. Die größten Ausgaben erfolgten in den Bereichen allgemeiner Sozialhilfe, gefolgt von Behindertenhilfe. Die Entwicklung des Sozialbudgets von 1992 bis 2002 ist von 20,7 Mio. Euro auf 26,2 Mio. Euro gestiegen. In anderen Worten heißt das, dass sich gegenüber dem ordentlichen Haushalt die Sozialausgaben kontinuierlich entwickelt haben (vgl. Sozialplanung in Steyr 2004).

Genderaspekt (Quelle: Frauenstiftung Steyr online) Aufgrund massiver Frauenarbeitslosigkeit in Steyr, geringer formaler Qualifikation der arbeitssuchenden (jüngeren und älteren) Frauen und Mangel an zukunftsweisenden Berufsperspektiven für die Frauen in Steyr, wurde die Frauenstiftung gegründet. Schon rund 600 Frauen wurden dort ausgebildet oder umgeschult. Es gibt bereits Nachfolgeprojekte in Kärnten, Wien und der Steiermark. 1.500 Frauen werden für einen Wiedereinstieg und bei beruflicher Neuorientierung in den Arbeitsplatz beraten. Ziel der Frauenstiftung Steyr ist es, den lokalen Arbeitsmarkt sowie die Anforderungen der Betriebe optimal mit den Wünschen und Fähigkeiten der Frauen in Einklang zu bringen.

54 9.4 Politik, Finanzen und Partizipation

Stadtpolitik (Quellen: Steyr online; Die Grünen (2003)) Die politische Landschaft der Stadt Steyr wird seit längerem von der SPÖ dominiert. Der amtierende Bürgermeister der SPÖ ist Ing. David Forstenlechner. Der Gemeinderat besteht aus 36 Mitgliedern, die sich lt. Gemeinderatswahl 2003 wie folgt verteilen: Im Gemeinderat ist die SPÖ mit 23 Sitzen vertreten, die FPÖ mit 3, die ÖVP mit 6, die Grünen mit 3 und die Bürgerliste mit 1 Sitz. Im zweiten Gremium dem Stadtsenat der Stadt Steyr sind 8 Mitglieder vertreten, davon 7 SPÖ und 1 ÖVP (vgl. Steyr online). Der Stadtsenat besteht aus Bürgermeister, 3 Vizebürgermeistern (alle SPÖ) und 4 Stadträten. Sie alle werden aus der Mitte des Gemeinderates gewählt. Die Stärke der politischen Parteien im Stadtsenat richtet sich nach der Zahl der Sitzverteilung im Gemeinderat. Die Sitzungen des Stadtsenates finden in der Regel vierzehntägig statt und sind nicht öffentlich. Den Vorsitz hat der Bürgermeister inne. Andere Gremien sind diverse Fachausschüsse (für Finanzen, Recht, Wirtschaft, Kultur, Wohnungswesen, Verkehr, Umwelt etc.) (vgl. Steyr online). Während die SPÖ in Steyr einen großen Teil der Entscheidungsmacht innehält, wird sie von der Opposition immer wieder hart kritisiert (unter anderem wegen der Stadtfinanzen). Allerdings wirken vor allem die ÖVP und die FPÖ im politischen Leben Steyrs relativ passiv. Die Grünen hingegen nehmen eine aktive, lebendige Rolle in der Stadtpolitik ein. Mit dem Wahlprogramm der Grünen aus 2003 „Steyr 2010 – Das innovative Zukunftsprogramm“ wurden viele Strategien für die Zukunft der Stadt erarbeitet, wovon bis dato bereits einige Vorschläge umgesetzt werden konnten. Die Grünen fordern unter anderem Maßnahmen im Bereich Verkehr (konkret die Umsetzung des Verkehrskonzeptes 2005), im Sozialbereich, in der Stadtplanung (vor allem die Belebung der Innenstadt durch einen Maßnahmen-Mix und mit Bürgerbeteiligung als Pflicht), in der Wirtschaft (den ECO-Park Steyr der bereits umgesetzt wurde und ein neues Marktständekonzept in der Innenstadt), im Kulturbereich (konkret einen Kulturentwicklungsplan, der ebenfalls bereits in Auftrag gegeben wurde), Maßnahmen für Kinder und Jugendliche sowie im Bereich Mitbestimmung (vgl. Die Grünen 2003).

55 Stadtfinanzen (Quellen Rechnungshofbericht 2004, Amtsblatt der Stadt Steyr) Laut Rechnungshofbericht (2004) stieg der ordentliche Haushalt zwischen 1997 und 2001 um 25,8% von 68,27 Mio. Euro auf 85,89 Mio. Euro an. Im Jahr 2002 kam es kurzfristig zu einer Verringerung auf 84,01 Mio. Euro. Die Einnahmen und Ausgaben des außerordentlichen Haushalts beliefen sich im Jahresschnitt auf 13,39 Mio. Euro wobei Schwerpunkte in den Bereichen Straßenbau, Kanalbau, Ankauf von Liegenschaften, Wirtschaftsförderung und Kindergärten lagen. Der Verschuldungsgrad konnte von 61,5% (1997) auf 40% (2001) reduziert werden. Seit 1999 kam es zu einer tendenziellen Reduktion des Schuldenabbaus, 2002 stieg die Verschuldung wieder auf 46,4% an. Der Schuldendienst (Tilgung der Schulden beim Land) war bis 1999 rückläufig, dann bis 2000 leicht ansteigend, dann wieder rückläufig (vgl. Rechnungshofbericht 2004). Der Rechnungshof beurteilt die finanzielle Lage der Stadt als stabil (Rechnungshofbericht 2004). 2005 bescheinigte der Rechnungsabschluss statt einem budgetierten Minus von 3,58 Mio. Euro ein Plus von 990.000. Das Ergebnis des ordentlichen Haushalts wurde um 4,57 Mio. Euro verbessert – gespart wurde bei Personal und Schuldendienst. Generell ist weiters ein Auseinanderklaffen von Landestransfers (Abgaben an das Land Oberösterreich) und Förderungen des Landes zu beobachten. Während Steyr 2005 14,88 Mio. Euro an das Land zahlte, bekam die Stadt nur 4,61 Mio. Euro an Förderungen zurück (vgl. Amtsblatt der Stadt Steyr).

Partizipation und Bürgerbeteiligung Im Sinne einer nachhaltigen städtischen Entwicklung (siehe auch Agenda-21 Prozesse) spielt ein verstärktes „Empowerment“ eine zentrale Rolle. Das soziale Klima einer Stadt wird laut Steyrer Grünen (vgl. Die Grünen in Steyr online) vom Ausmaß der Bürgereinbindung in Prozesse kommunaler Entwicklung und Gestaltung bestimmt. Hierbei wird ein neues Statut für Statutarstädte gefordert, wobei bereits seit mehreren Jahren ein Konzept zur Demokratisierung der Stadtverwaltung vorliegt. Gefordert werden uneingeschränkte Akteneinsicht, Maßnahmen für Ausländer sowie eine verstärkte Bürgerbeteiligung (nicht nur als Schlagwort, sondern integrativ in der professionellen Planung).

56 Es gibt erste Ansätze zur Befragung der Bürger zu stadtplanerischen Prozessen (unter anderem im Rahmen der Aktion „Stadtplatz im Aufbruch“ oder bei der Erstellung des Gesamtverkehrskonzeptes 2005).

9.5 Umwelt und Natur

Allgemeine und naturräumliche Gegebenheiten Die Region Steyr ist aufgrund ihrer alpennahen Lage im Nahbereich des Nationalparks Kalkalpen von besonderen naturräumlichen Gegebenheiten geprägt. Aber auch die Stadt Steyr selbst ist durch naturnahe Besonderheiten gekennzeichnet, beispielsweise der Zusammenfluss der beiden Flüsse Enns und Steyr. Die Lage am Fluss bot für die Stadt Vorteile in vielerlei Hinsicht, so zum Beispiel die Nutzung als Verkehrsweg, für den effizienten Eisenhandel oder als Grundlage für die Erzeugung elektrische Energie (Steyr war die erste Stadt Europas mit elektrischer Straßenbeleuchtung). Die direkte Lage am Wasser birgt für Städte aber auch immanente Gefahren und Risken, wie zum Beispiel eine ständige Hochwassergefahr. Zudem befinden sich zwei ausgewiesene Naturschutzgebiete in Steyr, die bis ins Stadtgebiet verlaufen – die „Staninger Leiten“ und das Naturschutzgebiet „Untere Steyr“ im Bereich der „Unterhimmler Au“. Der Wirtschaftspark „Stadtgut Steyr“ wirbt mit dem Slogan „Wir arbeiten dort, wo andere Urlaub machen“ (vgl. TIC Steyr online).

Allgemeine Probleme Steyr kämpft mit ähnlichen Problemen wie andere Städte, vor allem im oberösterreichischen Zentralraum. Laut Steinnocher, Knötig und Köstl (2004) hat die Wohnfläche in den letzten Jahren um 64,4% zugenommen während die Bevölkerung um nur 18,7% stieg (1965 – 2001). Die Stadt Steyr selbst erfährt einen leichten Bevölkerungsrückgang während die Siedlungsfläche sich entlang der Randzone weiter ausdehnt (vgl. Steinnocher, Knötig, Köstl, 2004). Ein hausgemachtes Umweltproblem der Stadt Steyr ist der Verkehr – obwohl auch andere Städte im oberösterreichischen Zentralraum mit dem Verkehr zu kämpfen haben, schafft die Straßenführung durch naturnahe Landschaft inklusive Flussverläufe seit jeher Probleme. Zudem herrschen in Steyr aufgrund des Bezuges zur automotiven Industrie seit vielen Jahren ein hoher

57 Motorisierungsgrad sowie ein Mangel an Verkehr- und Parkflächen (vgl. Amtsblatt der Stadt Steyr).

Hochwasserproblematik – Hochwasserprojekte Wie bereits angedeutet, muss die Stadt Steyr mit einer permanenten Hochwassergefahr rechnen und entsprechend Vorsorge tragen. Durch das Hochwasser 2002 in Steyr wurde die 100-jährige Hochwassermarke deutlich überschritten und es kam zu weiträumigen Überflutungen (vgl. Hochwasser 2002 online). In Oberösterreich war Steyr neben den Bezirken Perg und Linz-Land am schwersten betroffen. Es kam zu 177 Schäden in Betrieben mit einem Ausmaß von ca. 16 Mio. Euro bzw. land- und fortwirtschaftlichen Schäden von 35.000 Euro. Die in Steyr gemeldeten Schäden beliefen sich auf insgesamt knapp 27 Mio. Euro, diese Summe entspricht ca. 5,8% des oberösterreichischen Gesamtschadens. Die gesamte Wehranlage wurde vom Hochwasser schwer beschädigt (vgl. Hochwasser 2002 online). In der Folge wurde für Steyr im Jahr 2006 eines der wichtigsten Bauvorhaben projektiert und fixiert - der Hochwasserschutz. Dieses als Leitprojekt des Jahres 2006 bezeichnete Vorhaben verläuft zeitlich nach Plan und besteht unter anderem aus folgenden Maßnahmen (vgl. Amtsblatt der Stadt Steyr): Neubau der Wehranlage (544.000 Euro), Schotterentnahmen, Absenken des Flussbettes, Schutzdämme, Entlastungsgerinne, Rückhaltebecken. Zudem wurde eine Machbarkeitsstudie für ein Hochwasserfrühwarnsystem erstellt und Vorbeugungsmaßnahmen für die Bürger getroffen (Broschüren, Sandsäcke als Eigenvorsorge). Parallel dazu gab es eine Diskussion um eine neue Bauordnung, die für Hochwasserzonen gelten sollte. Die aktuelle Novellierung der Bauordnung bedeutet zwar kein Bauverbot, allerdings sind bestimmte Vorgaben für Bürger damit verbunden. So sollen für bestehende Häuser Öltanks, Haustechnik etc. über die Gefährdungslinie verlegt werden (vgl. Amtsblatt der Stadt Steyr).

Sonstige Umweltschutzmaßnahmen Die Stadt Steyr verfügt über kein eigens ausgewiesenes Umweltleitbild, allerdings entwickelt Steyr als Klimabündnisgemeinde einige Maßnahmen im Umweltschutzbereich. Es wird in Steyr seit 1998 ein Umweltschutzpreis verliehen. Weiters gab es die Baumpflanzaktion „Jedem Steyrer einen Baum“ – 40.000 Bäume wurden gepflanzt. Zudem engagiert sich die Stadt mittels diverser Aktionen in der Förderung des

58 Fahrradverkehrs (vgl. Steyr online). Im Stadtentwicklungsbereich wurde bisher wenig in Richtung Umweltschutz umgesetzt – tendenziell sieht man die Flächenwidmung eher als Mittel zur Attraktivierung der betrieblichen Ansiedlung. Auf die Problematik im Verkehrsbereich wurde bereits hingewiesen (siehe 9.1). Im Energiebereich wird ein großes Biomassekraftwerk errichtet. Zudem wurde der „ECO-Park“ Steyr geschaffen. Allerdings gibt es keinerlei Informationen über eine detaillierte Energiebilanz, die für klimaschützende Maßnahmen einer Klimabündnisgemeinde unerlässlich ist.

9.6. Stadtentwicklung Steyr

Stadtentwicklungsplan / Flächenwidmung Jede Gemeinde muss laut Gesetz ein örtliches Entwicklungskonzept (Stadtentwicklungskonzept) ausarbeiten. Laut Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2003 konnte Steyr das gesetzliche Ziel, ein Stadtentwicklungskonzept in Abstimmung mit dem Flächenwidmungsplan zu erstellen, nach 10 Jahren nicht erreichen. Handlungsbedarf wurde des Weiteren bei der Bereinigung von Konfliktzonen der Flächenwidmung geortet sowie beim Aufbau einer aktiven Bodenpolitik. Dennoch wurden, obwohl noch kein rechtsgültiges Stadtentwicklungskonzept vorlag, mit der Umsetzung von diversen in Konzeptentwürfen (des Stadtentwicklungskonzeptes) enthaltenen Maßnahmen im Bereich Infrastruktur und Wirtschaftsförderung, etc. begonnen (vgl. Steyr online).

„Steyr Plan“ / Projekt „Stadtplatz im Aufbruch“ 2003 wurde eine städtebauliche Studie in der Innenstadt von Steyr durchgeführt, zu der auch Stararchitekten Vorschläge einbrachten. Im Jahr 2005 wurden in einem Bürgerbeteiligungsverfahren mit dem Titel „Stadtplatz im Aufbruch“ Stärken und Schwächen der Steyrer Innenstadt analysiert. Weiters wurde der Architekt DI Beneder beauftragt ein städtebauliches Leitbild zu erstellen. Dabei wurden auch die übergeordneten stadträumlichen Bezüge geprüft. In seinem „Steyr Plan“ (siehe Beneder 2005) stellte er fest, dass in Steyr die Durchdringung von Stadt- und Naturraum sowie Arbeitswelt eine selten anzutreffende Qualität hätten (siehe Leeb 2005). Er fokussierte also seinen Plan auf den Stadtplatz – der Platz solle als Mitte der Stadt auch als solche erlebt werden. Er schlägt vor, Verbindungswege zwischen Alt- und Neustadt als Qualitätskorridore zu etablieren sowie die Enden und Nadelöhre des Platzes von starkem Verkehr zu befreien (Shuttlebusse statt Linienbusse). Der Individualverkehr solle gänzlich vom Stadtplatz verbannt und der

59 Platz somit nicht mehr als Parkplatz genutzt werden. Ein weiteres Potential läge in der Überbauung des Bahnhofsareals und der Errichtung von Wohnungen, um die Altstadt zu beleben. Bisher wurde von den Vorschlägen noch nichts beschlossen oder umgesetzt. Probleme sehen in diesem Plan vor allem die ansässigen Geschäftsleute, die Frequenzverluste befürchten (siehe Beneder, 2005).

Sonstige Planungen Eine geplante Verbauung des historischen Stadtteiles Wehrgraben sorgte 2004 für Unruhe. Es handelt sich um ein höchst sensibles Areal mit Potential für zukünftige Nutzungsmöglichkeiten. Da intransparente Vorgänge bei der Planung vermutet wurden, wurde der Ruf nach Bürgerbeteiligung lauter. Es entstand die Bürgerinitiative Wehrgraben, aus der sich die Steyrer Grünen (2003) entwickelte. Zurzeit ist es still geworden um die Verplanung dieses Stadtteiles – in Planung ist eine Drittellösung mit FH-Areal, Parkplätzen und „Röda“-Kulturwerkstatt (vgl. Die Grünen online).

Ein weiteres Problem stellt die prekäre Verkehrs- und Parkplatzsituation der Steyrer Innenstadt dar: zum einen wurde der Ruf nach einem autofreien Hauptplatz lauter (siehe „Steyr Plan“) – diese Idee konnte sich nicht durchsetzen da ein weiterer Verlust von Gewerbetreibenden befürchtet wurde. Lange in Diskussion war auch die Errichtung einer Parkgarage bzw. eines Parkhauses. Nach einem Beinahe-Beschluss und der Suche nach geeigneten Standorten (Innenstadt, Werndlpark, etc.) ist von diesem Plan momentan wieder abgewichen worden. Probleme bereiten die Grundwasserströme, die schwierige Beseitigung des Erdaushubes aus der Innenstadt sowie die Finanzierung. Obwohl die Stadt einen Beitrag zur Errichtung geleistet hätte, ließ sich bisher kein Betreiber finden, der die enormen Kosten einer neuen Parkraumbewirtschaftung in Steyr übernommen hätte.

9.7. Institutionen in Technologie, Forschung und Entwicklung

Die Stadt Steyr erwarb sich in den letzten Jahren die Rolle eines oberösterreichischen Pioniers im Bereich der Technologieentwicklung bzw. außeruniversitärer Forschung und Entwicklung. Das Bindeglied für Know-How-Transfer zwischen Großbetrieben, Klein- und Mittelbetrieben sowie Bildungseinrichtungen stellen dabei folgende Institutionen dar:

60 TIC Steyr GmbH. (fusioniert aus TIC und FAZAT) FAZAT (vgl. TIC Steyr GmbH. Online) Bereits 1986 entstand die Idee eines Forschungs- und Ausbildungszentrums für Arbeit und Technik (FAZAT). Vorerst wurde ein gemeinnütziger Verein, die Agentur für regionale Innovationen gegründet. Die FAZAT Steyr GmbH. wurde 1992 gegründet. Die vier Leistungsbereiche des FAZAT umfassen Zentrumsmanagement, Regionalentwicklung, Technologie- und Wissenstransfer sowie Standortmarketing. Weiters ist die FAZAT für die Standortentwicklung in Steyr zuständig, dies bedeutet zentrale Anlaufstelle zu sein, ein Standortinformationssystem zu bieten und Dienstleistungs- und Wirtschaftsparks zu betreuen. Dem FAZAT stand 2002 eine vermietbare Fläche von 4500 Quadratmeter für anwendungsbezogene Forschung, praxisnahe Ausbildung und innovative Unternehmen zur Verfügung – es beschäftigte 110 Mitarbeiter und tätigte Investitionen von 10 Mio. Euro. Nach der Fusion mit dem TIC wurde die TIC Steyr GmbH. gegründet.

TIC (vgl. TIC Steyr GmbH. Online): Das TIC Steyr (Technology and Innovation Centre) bildet die Leitinstitution im Technologiesektor. Auch architektonisch stellt es eine Vorreiterrolle in Steyr dar. Es bietet flexibel gestaltbare Büros, Service und Beratung, ein Veranstaltungszentrum, Unterstützung bei Kooperationen und ein Gründerbüro. Zielgruppen sind produktionsnahe Dienstleistungen / Engineering, innovative Gründungs- und Jungunternehmen sowie außeruniversitäre Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Das TIC umfasste 2001 eine vermietbare Fläche von 3000 Quadratmeter und tätigte Investitionen von 6,1 Mio. Euro. 10 Unternehmen beschäftigten 40 Personen. Seit 2001 wurden im TIC mehr als 100 Arbeitsplätze geschaffen.

Im Juni 2004 wurde die Regionalentwicklungsagentur FAZAT Steyr GmbH und die TIC (Technology & Innovation Center) Steyr GmbH. fusioniert. Seither belebt das TIC die Innovationskultur der Region und sorgt für Auf- und Ausbau der Infrastruktur. Laufende Projekte am TIC Steyr sind das ADC Steyr Plus – die Etablierung eines Unternehmensnetzwerkes eines Automotiven Dienstleistungscenters, sowie das Projekt GDI Steyr: die Gründer- und Diversifikationsinitiative Steyr 2010 mit den Schwerpunkten automotiver Sektor und Gesundheit (Organisation, Prozesse, Informations- und Kommunikationstechnologie). Weitere Projekte umfassen das „Netzwerk Gesunde

61 Unternehmen II“, die Plattform Frau und Arbeit, „Together“ ein gemeinsames Projekt der oberösterreichischen Technologie- und Impulszentren, sowie RWB – dem regionalen Wissens- und Bildungsnetzwerk Steyr.

STADTGUT STEYR (vgl. Stadtgut Steyr online) Das Stadtgut Steyr ist ein Wirtschaftspark, dessen Strategie es ist, Leitprojekte für die Standortentwicklung zu schaffen. Es sollen sowohl Produktions- als auch Dienstleistungsunternehmen bzw. Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen angesiedelt werden. Die zwei strategischen Ausrichtungsschwerpunkte sind Beiträge zur Weiterentwicklung des automotiven Bereiches und Diversifikationspotentiale zu nutzen und auszubauen. Das Stadtgut Steyr ist verkehrsgünstig gelegen, bietet professionelle Unterstützung bei Ansiedelungsfragen sowie ein klar strukturiertes Zonenkonzept mitten in einem Naherholungsraum auf einer Fläche von 21,5ha. Zielgruppen sind Produktionsunternehmen in den Bereichen Fahrzeugkomponenten und –technologien, Maschinenbau, Medizin- und Gerätetechnik, Umwelt- und Energietechnik sowie produktionsnahe Dienstleistungen und Forschungseinrichtungen. Das Projekt ECO Park im Stadtgut beschäftigt sich mit Forschungsprojekten und Standortmarketing. 2006 wurde das Stadtgut aufgrund reger Frage nach Gewerbegründen um 7 ha erweitert. Diese Institution wird aus Ziel-2-Mitteln mitfinanziert.

PROFACTOR GMBH. (vgl. Profactor GmbH. Online) Die außeruniversitäre Einrichtung Profactor wurde 1998 gegründet und umfasst gemeinsam mit „MathConsult“ 51 Mitarbeiter. Hinter dieser Institution steht der Verein zur Förderung und Modernisierung der Produktionstechnologien in Österreich und stellt dessen Forschungsgesellschaft dar. Die Profactor GmbH. mit dem Motto „Wissen schafft Erfolg“ beschäftigt sich unter anderem mit Forschung und Entwicklung, Produktentwicklung, Prozessentwicklung, Technologieentwicklung. Profactor ist „Technologieführer“ und führt Machbarkeitsstudien, Marktanalysen, Nachhaltigkeitsanalysen, Prozessoptimierung etc. durch.

62 10. Zusammenfassung

Das sozioökonomische Profil des oberösterreichischen Zentralraumes zeigt einige interessante Entwicklungen, die vor allem vor dem Hintergrund des globalen Wandels schlagend werden: Es handelt sich bei dieser Region um ein äußerst wirtschaftsdynamisches Gebiet mit drei jeweils speziell positionierten Städten und im Wesentlichen deren gemeinsames Umland. Der Umstand, dass drei Städte in unmittelbarer Nähe Suburbanisierungswellen auf ihr Umland abgeben, zieht vor dem Hintergrund einer nachhaltigen regionalen Entwicklung neue und nicht ausschließlich positive Effekte nach sich. Betrachtet man den oberösterreichischen Zentralraum dann lässt sich ein deutliches West- Ost Gefälle erkennen, welches einerseits naturräumlich bedingt und andererseits aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtungen erklärbar ist. Ausschlaggebend ist auch die föderale Ausrichtung Österreichs, wodurch die Verflechtungen innerhalb einzelner Bundesländer deutlich gegenüber jenen zwischen zwei Bundesländern im regionalen Kontext dominieren. Weiters ist die Bedeutung der Landeshauptstadt und deren Sogwirkung nicht zu unterschätzen. Es gibt zahlreiche zentrale Funktionen, die in der Landeshauptstadt gebündelt sind und somit einen Standortvorteil ergeben. Für Steyr bedeutet das vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Regionalentwicklung einerseits, dass künftig die wirtschaftlichen Verflechtungen entlang der Achse Steyr-Kirchdorf intensiviert werden sollten und andererseits auch die naturräumliche Anbindung an das Alpenvorland als touristische und in Hinblick auf die Lebensqualität als positiv einzustufende Attraktivität genutzt werden sollte. Hierzu zählen vor allem direkte Kooperationen mit dem Nationalpark Kalkalpen, wie das kürzlich von 18 Gemeinden unterzeichnete Leitbild für die Nationalparkregion (Oberösterreichische Nachrichten online vom 8.2.2007) und die Vermarktung der historisch bedeutsamen „Eisenstraße“.

Das Regionalprofil wurde unter besonderer Berücksichtigung der Statutarstadt Steyr erstellt. Die deskriptive Datenanalyse hat insbesondere die Stärken und Schwächen der Stadt Steyr jenen der beiden anderen Städte Linz und Wels, aber auch jenen des nicht- urbanen Raumes gegenübergestellt. Diese Besonderheiten werden im Folgenden kurz skizziert:

63 Die Bevölkerungsbilanz der Stadt Steyr zeigt ein negatives Bild, das hauptsächlich durch die stark negative Geburtenbilanz verursacht wird, d.h. Steyr zeigt eindeutig Defizite im Bereich junger Familien. Im gesamten oberösterreichischen Zentralraum gibt es nur wenige Gemeinden mit vergleichbarem negativen Geburtensaldo, dazu zählen Linz, Bad Hall und Sierning. Die Stadt Steyr sollte ihre Stärke als Ausbildungsstandort strategisch nützen und weiter ausbauen. Ein Pool an qualifiziert ausgebildeten Arbeitskräften (Stichwort Humankapital) wird in Zukunft einer der wichtigsten Standortfaktoren werden. Eine Spezialisierung im Ausbildungsbereich, die sich in Steyr auch in einem überdurchschnittlichen Wachstum vor allem der Beschäftigung von Frauen im Unterrichtswesen bereits zwischen 1991 und 2001 niedergeschlagen hat, leistet einen Beitrag zur Attraktivitätssteigerung als Wohnstandort für junge Menschen. Dazu wären noch flankierende Maßnahmen in der Stadt notwendig, um die jungen Menschen auch außerhalb der Schulzeiten aktiv in das Stadtleben einzubinden. Hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur lässt sich im Bereich des Gesundheitswesens ein neuer Schwerpunkt erkennen, der künftig in Hinblick auf die generelle Überalterung unserer Gesellschaft zu einer immer wichtigeren Sparte werden wird. Im Bereich der Unternehmensdienstleistungen konnte Steyr zwischen 1991 und 2001 gegenüber Linz und Wels deutlich aufholen. Steyr sollte diesen Trend fortsetzen, um qualifizierte Arbeitsplätze außerhalb der Sachgütererzeugung sichern zu können. Die Analyse der Arbeitslosigkeit hat ergeben, dass Steyr vor allem im Bereich der Altersarbeitslosigkeit der Männer mit substantiellen Problemen zu kämpfen hat. Frauen- und Männerarbeitslosigkeit im Vergleich zeigt eine überdurchschnittlich hohe Frauenarbeitslosigkeit. Die Frauenarbeitslosigkeit in Steyr liegt auch über jener des gesamten Bundeslandes Oberösterreich. Auch die Jugendarbeitslosigkeit der Frauen in Steyr ist überdurchschnittlich hoch. Maßnahmen in Richtung Qualifizierung vor allem im Bereich der Industrie könnten bessere Voraussetzungen für Frauen schaffen. Spezielle Ausbildungsprogramme, die auch von der Industriellenvereinigung (siehe IV online) vorgeschlagen werden, könnten dem Problem der Frauenarbeitslosigkeit entgegenwirken. Hier könnten gezielte Kooperationen mit den in Steyr angesiedelten Unternehmen ausgearbeitet werden, wie zum Beispiel die Schaffung von Jugendausbildungsplätzen für Frauen oder die direkte Kooperation mit den Fachhochschulen. Um Frauen mit Familie

64 auch die Möglichkeit zu geben, in Managementfunktionen zu gelangen, bieten viele Industrieunternehmen auch individuelle Arbeitszeitmodelle an.

65 Literatur

Beneder, E. (2005): Steyrplan. Entwurf vom Jänner 2005. Bökemann, D. und Kramar, H. (2004): Ermittlung der Standortauswirkungen von Erreichbarkeitsverschlechterungen im oberösterreichischen Zentralraum durch regelmäßig auftretenden Stau. Studie im Auftrag des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung und des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, Wien. Boustedt, O. (1975): Die Stadtregion. Ein Beitrag zur Abgrenzung städtischer Agglomerationen. In: Allgem. Statist. Archiv 37 (1953), S. 13-26. Leeb, F. (2006): Warten worauf? In: Die Presse. Spectrum Architektur&Design, 13.5.2006, S. XI. Reiner, K. und Schremmer, Ch. (2002): Potenzialanalyse Linz – Amstetten. Studie im Auftrag vom Land Niederösterreich und dem Land Oberösterreich bearbeitet von ÖAR Regionalberatung GmbH und dem Österreichischen Institut für Raumplanung (ÖIR) Wien. Schuh, B. und Sedlacek, S. (2001): Gemeindeanalysen. Die Region Wien-Umland an Hand von Fallbeispielen. Forschungsbericht im Auftrag des BMBWK. Steinnocher, K., Knötig, G. und Köstl, M. (2004): Untersuchung der Siedlungsentwicklung in Relation zu Flächenverbrauch und Haushaltsentwicklung im Oberösterreichischen Zentralraum. In: Schrenk, M. (Hrsg.): Beiträge zum 9. Symposium zur Rolle der Informationstechnologie in der und für die Raumplanung, S. 695-700.

Dokumente Amtsblatt der Stadt Steyr 2004-2006 Austria Innovativ (2006): Innovatives Oberösterreich. 4/2006, S. 34-35. Etb Edinger Tourismusberatung 2/2003: Protokoll zum Workshop freizeittouristischer Angebotsinventur und Zukunftspotentiale von Steyr Soziales Leitbild für die Stadt Steyr, Langfassung 2005 Sozialplanung in Steyr 02/2004 im Auftrag des Gesundheits- und Sozialservice Steyr Die Grünen (2003): Steyr 2010 – Das innovative Zukunftsprogramm für Steyr. Wahlprogramm der Grünen.

66 Rechnungshofbericht (2004): Tätigkeitsbericht des Rechnungshofes Steyr – Verwaltungsjahr 2003 (Reihe Oberösterreich 2004/3). WKO (2006): Die Wirtschaftsregion Steyr

Internetquellen: • Asten online: http://www.riskommunal.net/asten/ (22.1.2007) • BMW Motoren GmbH online: http://www.bmw-werk-steyr.at (22.1.2007) • Die Grünen in Steyr online: http://www.steyr.gruene.at/ (15.6.2006) • Frauenstiftung Steyr online: www.frauenstiftung.at (15.6.2006) • Hochwasser 2002 online: Datenbasis der Schadensbilanz 2002 http://www.boku.ac.at/austroclim/startclim/bericht2003/StCl09.pdf (15.6.2006) • Industrieellenvereinigung online: http://www.iv-mitgliederservice.at/iv- all/publikationen/file_157.pdf (22.1.2007) • MAN Nutzfahrzeuge AG online: http://www.man-mn.at (22.1.2007) • Museum Arbeitswelt online: www.arbeitswelt-steyr.at (15.6.2006) • Oberösterreichische Nachrichten online: http://www.nachrichten.at/ (8.2.2007) • Profactor Steyr http://www.profactor.at/ (15.6.2006) • SKF Österreich AG online: http://www.skf.com (22.1.2007) • Stadtgut Steyr online: www.stadtgut-steyr.at • Steyr Online: www.steyr.at (22.1.2007) • TIC Steyr online: http://www.tic-steyr.at/ (15.6.2006) • Tourismusverband Steyr online: www.tourism-steyr.at (15.6.2006) • WKO online: http://portal.wko.at/dst_SZ_Details.asp?SNID=506820 (15.6.2006)

67

Regionalprofil

von Gars am Kamp

Axel Sonntag

Institut für Regional- und Umweltwirtschaft, WU-Wien [email protected]

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1. Geschichte Das Kamptal ist bereits seit über 30.000 Jahren Siedlungsgebiet für Menschen. Selbst Wissenschaftlern der Antike, wie dem in Alexandria wirkenden Claudius Ptolemäus war der Fluss bekannt. Von ihm stammt auch die Bezeichnung der hier ansässigen Bevölkerung als „Adrabai und Parmai Kampoi“, was soviel bedeutet wie obere und untere Kamptaler. Der Name Kamp allerdings stammt aus dem Keltischen und bedeutet „Der Krumme“. Die ab ca. 800 n.Ch. in der Region beheimateten Slawen wurden in der Raffelstetter Zollordnung aus den Jahren 904 bis 906, die den Handel in den „bayrischen Ostlanden“ regelte, als „Rugier“ erwähnt. Dieser Name leitet sich vom Heiligen Severin Rugier ab, dessen in Passau erhalten gebliebene Beschreibung des Lebens der im Kamptal ansässigen Menschen. Letztlich wurde also der Name des Autors zur Bezeichnung der Bevölkerung des Kamptals. Das von den Rugiern bewohnte kleine slawische Fürstentum bildete aufgrund seiner geographischen Lage einen Pufferstaat zwischen dem fränkischen Reich im Westen und dem Mährenreich im Osten. Dass diese Herausforderung auch als Chance genutzt wurde, um mit beiden Reichen gute Beziehungen zu pflegen, lässt sich auch durch die unzähligen darauf hindeutenden Funde bei Ausgrabungen im Raum Gars belegen.5

Abbildung 32: Wappen von Gars am Kamp Quelle: Gars online

Gars selbst (wahrscheinlich aus dem Slawischen „Gorze“ vom Vornamen „Gorek“ oder von „Gorica“, was kleiner Berg bedeutet) gilt ebenfalls als uralter Siedlungsraum. Anstelle der prähistorischen Siedlungsstätten aus der Jungsteinzeit wurde mit dem Zuzug der Slawen auf der heutigen Holzwiese (in der Garser Katastralgemeinde Thunau) erstmals ein Burgwallzentrum mit stadtähnlicher Siedlung errichtet. Im 9. und 10. Jahrhundert wurde diese

5 Dieser Absatz bezieht sich auf Waldviertel online. 69 Gebäudeansammlung zu einer mächtigen Befestigungsanlage erweitert, jedoch vermutlich im Zuge der Ungarneinfälle bereits im 10. Jahrhundert wieder zerstört. 1041 wurde das Gebiet babenbergisch. Anstelle der alten slawischen Anlage errichtete Leopold II (der Schöne) auf dem Schlossberg die Burg Gars und verlegte auch seine Residenz dorthin. Nach dessen Tod übernahm sein in Gars geborener Sohn, Leopold III, die Herrschaft über die Marktgrafschaft, verlegte seine Residenz allerdings nach Klosterneuburg.6 Die Burg Gars fiel letztendlich einer „Gebäude- und Dachsteuer“ zum Opfer, da die im 17. Jahrhundert bereits privaten Besitzer der Steuer durch Abdecken des gesamten Gebäudes zu entgehen versuchten. Aus diesem Grund existiert die Burg Gars, durch die rauen Wetterbedingungen mitgenommen, heute nur noch als Ruine. Bereits seit 1279 finden in Gars regelmäßig Märkte, vor allem Vieh-, Holz- und Körnerfruchtmärkte statt, wodurch es die Position als wirtschaftlich bedeutender Ort in der Region stärkte. 1403 erhielt Gars dieses Marktrecht auch erstmals urkundlich bestätigt. Im 15. und 16. Jahrhundert erlebte die Marktgemeinde eine wirtschaftliche Blütezeit, auf die einige noch heute bestehende Gebäude, vor allem Bürger- und Handwerkshäuser erinnern.

2. Regionale Abgrenzung Die vorliegende Analyse befasst sich mit der Marktgemeinde Gars am Kamp. Diese liegt ca. 80km von Wien entfernt, inmitten des Kamptals, im süd-östlichen Waldviertel. Dem politischen Bezirk Horn zugehörig, stellt dieser zugleich den wichtigsten geographischen Vergleichsraum dar, da die durchschnittlich nur 1.620 Einwohner großen Gemeinden7 aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten von einander abhängig und zum Teil entsprechend untereinander vernetzt sind.

6 vgl. Wikipedia online – Gars am Kamp 7 Statistik Austria online, eigene Berechnung aus den Gemeindedaten 70

Abbildung 33: Lage von Gars am Kamp Quelle: Viamichelin online

Da Gars am Kamp den eigentlichen Untersuchungsgegenstand darstellt und am südlichen Rand des Bezirks Horn liegt, ergeben sich dadurch auch funktionale Vernetzungen mit einigen Gemeinden des im Süden angrenzenden Bezirks Krems Land, die aber im Projektdesign nicht berücksichtigt wurden. Aus diesem Grund wird die Gemeinde Gars ausschließlich vor dem statistischen Hintergrund des Bezirks Horn und darüber liegender Gebietseinheiten (Waldviertel, NÖ) analysiert. Entsprechende Daten einzelner Gemeinden aus dem Bezirk Krems Land wurden damit nicht berücksichtigt. Von 1965 bis 1973 fanden umfangreiche Kommunalstrukturbereinigungen statt, im Zuge derer viele Gemeinden aufgrund ihrer Einwohnerzahlen zusammengelegt wurden. Vor der Strukturreform hatten 61% der niederösterreichischen Gemeinden weniger als 500 EinwohnerInnen und 22% der Gemeinden verfügten über 500 bis 1.000 Personen Wohnbevölkerung. Aufgrund dieser im Allgemeinen als sinnvoll empfundenen Strukturbereinigungen reduzierte sich die Anzahl der Gemeinden von ursprünglich 1.652 auf 573.8 Dabei wurden seinerzeit 12 Gemeinden zur Marktgemeinde Gars am Kamp zusammengeschlossen. Heute zählt Gars 14 Katastralgemeinden, was dadurch erklärbar ist, dass 2 der 12 ursprünglichen Gemeinden vor der Strukturbereinigung jeweils schon 1 Katastralgemeinde untergeordnet hatten, die heute allerdings wieder separat gezählt werden (12+2).9 Aus diesem Grund bilden nun Buchberg, Burgholz, Etzmannsdorf, Gars am Kamp, Kamegg, Kotzendorf, Loibersdorf, Maiersch, Nonndorf, Tautendorf, Thunau am Kamp, Wanzenau, Wolfshof und Zitternberg die 14 Katastralgemeinden von Gars am Kamp.

8 vgl. WAWRA, H.: Seite 6 9 Telefoninterview Marktgemeinde Gars 71 Der Bezirk Horn wird im Norden durch die Staatsgrenze zur Tschechischen Republik, die zur Zeit des eisernen Vorhangs das Ende der westlich orientierten Welt bedeutete, begrenzt. Zwar ist jener Teil der Staatsgrenze, der dem Bezirk Horn zuzurechnen ist, verglichen mit anderen nördlichen niederösterreichischen Bezirken mit nur ca. 15km relativ kurz, doch wurde vor allem der nördliche Teil des Bezirks über Jahrzehnte dadurch geprägt.10 Im Osten grenzt der Bezirk Horn an den Bezirk Hollabrunn, im Süd-Westen an den Bezirk Zwettl und im Nord- Westen an den Bezirk Waidhofen an der Thaya, wie aus Abbildung 34 zu erkennen ist.

Waidhofen / Thaya

Hollabrunn

Zwettl

Krems Land

Abbildung 34: Gemeinden des politischen Bezirks Horn Quelle: Noegis online

Wie aus Abbildung 35 hervorgeht, ist der komplette Bezirk Horn als EU-Ziel 2-Gebiet eingestuft. Ziel 2 Gebiete sind „Regionen mit bedeutendem wirtschaftlichem und sozialem Umstellungsbedarf“ 11, die mit Problemen stark rückläufiger wirtschaftlicher Entwicklung oder ausgestorbenen Stadtvierteln zu kämpfen haben.

10 map24.at 11 Inforegio online 72

Abbildung 35: EU-Regionalförderung in NÖ Quelle: http://www.noel.gv.at/service/ru/ru2/bilder/ziel2.jpg

In Abbildung 35 ist neben den förderungswürdigen Gebieten an den Rändern Niederösterreichs auch klar das wirtschaftlich besser entwickelte Umland von Wien (als weißer Gürtel um die Bundeshauptstadt) ersichtlich. Teile des Bezirkes Horn, insbesondere auch Gars am Kamp waren in der Leader II – Region Kulturpark Kamptal integriert, die sich über insgesamt 17 Gemeinden des Kamptals erstreckte. Näheres hierzu und zur aktuellen Leader+ Region Kamptal befindet sich in Kapitel 0 dieser Arbeit.

73 3. Siedlungsstruktur Der politische Bezirk Horn umfasst 20 Gemeinden mit einer Gesamteinwohnerzahl von 32.400.12 Der Knick im rechten Teil der zugehörigen Lorenzkurve der Bevölkerungsverteilung (siehe Abbildung 36) deutet auf eine Ungleichverteilung der Bevölkerung zu Gunsten dreier Orte hin. Tatsächlich handelt es sich um die Bezirkshauptstadt Horn mit 6.411, die Stadtgemeinde Eggenburg mit 3.645 und die Marktgemeinde Gars am Kamp mit 3.534 EinwohnerInnen. Die übrigen 17 Gemeinden haben im Durchschnitt nur noch 1.106 EinwohnerInnen und stellen damit lediglich 58% der Bezirksbevölkerung, während sie gleichzeitig über 85% der Gesamtfläche verfügen.

100% tatsächliche Verteilung 90% Gleichverteilung 80% 70% 60% 50% 40% 30%

20% [%] kumuliert Bevölerung 10% 0% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Fläche kumuliert [%]

Abbildung 36: Lorenz-Kurve der Bevölkerungsverteilung: Bezirk Horn Quelle: Statistik Austria; eigene Berechnung

Gemeindegrößen & Bevölkerungsdichten Nachfolgende Tabelle 4 soll Aufschluss über die Gemeindegrößen, sowie die damit verbundenen jeweiligen Bevölkerungsdichten geben. Jene verstehen sich als EinwohnerInnen pro km2 Katasterfläche und beziehen sich nicht auf den Dauersiedlungsraum. Der Durchschnittswert für den politischen Bezirk Horn liegt mit 41 EW/km2 bei ca. der Hälfte des niederösterreichischen Durchschnitts (81EW/km2)13 und nur bei rund 43% der durchschnittlichen bundesweiten Siedlungsdichte (95,8 EW/km2)14. Damit gehört er eindeutig zu den weniger dicht besiedelten Gebieten Österreichs.

12 jeweils Daten der Statistik Austria aus der Volkszählung 2001 13 vgl. AEIOU online 14 vgl. WKO - Wirtschaftsprofil Tirol online 74 Waidhofen/T. 42 Gmünd Horn 51 41 Hollabrunn Zwettl 50 33 Krems-Land 59

Abbildung 37: Siedlungsdichten der Umgebungsbezirke in EW/km2 Quelle: Wikipedia online – Bezirk Horn, eigene Bearbeitung

Im Vergleich zu den Umgebungsbezirken können die innerhalb des Bezirks wahrgenommenen Auswirkungen des Eisernen Vorhangs auf die Randregionen im Bereich der Siedlungsdichte nicht bestätigt werden. Vielmehr zeichnet sich eine andere Tendenz ab. Grundsätzlich lässt sich eine Beziehung zwischen Bevölkerungsdichte (und damit im Mittel auch der Einwohnerzahl) und der Nähe zu überregionalen Zentren wie Krems oder Wien herstellen. Je weiter von einem solchen Zentrum entfernt, desto geringer die Bevölkerungsdichte (siehe dazu Abbildung 37). Während Waidhofen / Thaya und Horn eher weitere Distanzen zu Wien, Krems und St. Pölten aufweisen (Siedlungsdichte 42 bzw. 41 EW/km2), liegen Hollabrunn (50EW/km2) und Krems-Land (59EW/km2) geographisch deutlich näher, was sich auch in den Bevölkerungsdichten niederzuschlagen scheint. Zwettl hat aufgrund seiner relativen, flächenmäßigen Größe eine besondere Rolle und kann daher auf Basis der durchschnittlichen Bevölkerungsdichte nicht direkt mit den anderen betrachteten Bezirken verglichen werden. Obwohl der Bezirk Gmünd nicht mehr direkt an den Bezirk Horn angrenzt, scheint eine Betrachtung dennoch interessant. Obwohl der von nordöstlicher in südwestliche Richtung erstreckte Bezirk eine verhältnismäßig lange Grenze zu Tschechien hat und mit allen Herausforderungen des eisernen Vorhangs besonders konfrontiert war, scheint der Bezirk selbst diese lange politische und wirtschaftliche „Dürreperiode“ zumindest auf Basis dieses Indikators gut bewältigt zu haben. So wies der Bezirk Gmünd im Jahr 2001 eine Bevölkerungsdichte von 51 EW/km2 auf. 15

15 Die Bevölkerungsdichten der Bezirke Gmünd, Waidhofen/T., Hollabrunn, Zwettl und Krems Land entstammen der Onlinedatenbank Wikipedia. 75 Innerhalb des Bezirks Horn ist festzustellen, dass 5 der 20 Orte über der durchschnittlichen Siedlungsdichte von 42,33 EW/km2 liegen. Darunter befinden sich neben den drei bereits bei der Betrachtung der Bevölkerungsverteilung auffällig in Erscheinung getretenen Gemeinden Horn, Eggenburg (mit jeweils deutlich über 150 EW/km2) und Gars am Kamp (70 EW/km2). Ebenfalls über dem Bezirksdurchschnitt liegen die Gemeinden Röschitz (50 EW/km2) und Sigmundsherberg (61 EW/km2), ein Faktum, das aber vor dem Hintergrund der geringen Katasterfläche der beiden letztgenannten Gemeinden relativiert wird (Bei gleicher EW-Zahl führt eine geringere Fläche zu höherer Dichte). Neben der Bezirkshauptstadt Horn stellen aus Sicht der Einwohnerzahlen und der Bevölkerungsdichte auch die Gemeinden Eggenburg sowie Gars am Kamp kleinregionale Zentren dar, wie später auch im wirtschaftlichen Bereich dargelegt wird.

Gemeinde Wohnbevölkerung Katasterfläche Bevölkerungsdichte [EW] [km2] [EW/km2] Altenburg 814 28,13 28,94 Brunn an der Wild 866 32,02 27,05 Burgschleinitz-Kühnring 1.419 41,85 33,91 Drosendorf-Zissersdorf 1.309 53,46 24,49 Eggenburg 3.645 23,53 154,91 Gars am Kamp 3.534 50,47 70,02 Geras 1.433 67,69 21,17 Horn 6.411 39,24 163,38 Irnfritz-Messern 1.412 55,96 25,23 Japons 798 29,38 27,16 Langau 763 22,22 34,34 Meiseldorf 962 35,43 27,15 Pernegg 744 36,56 20,35 Röhrenbach 582 25,12 23,17 Röschitz 1.063 21,17 50,21 Rosenburg-Mold 1.010 30,66 32,94 Sankt Bernhard- 1.289 47,96 26,88 Sigmundsherberg 1.802 29,48 61,13 Straning-Grafenberg 791 26,47 29,88 Weitersfeld 1.753 87,19 20,11 Bezirk Horn 32.400 783,99 41,33 Tabelle 4: Gemeinden des Bezirks Horn Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

76 Garser Siedlungsstruktur16 Die Marktgemeinde Gars selbst zeichnet sich durch die am Kamp ausgerichtete Lage aus. So erstreckt sich der aus 14 Katastralgemeinden bestehende Ort von Kamegg im Norden bis zum etwa 5,5km weiter südlich gelegenen Buchberg am Kamp. Als historisches Zentrum der weiterstreckten Marktgemeinde Gars am Kamp können die Ortsteile Thunau, Gars selbst sowie Zitternberg genannt werden. Aufgrund der genannten, flächenmäßigen Ausdehnung kommt es auch zwischen einzelnen Katastralgemeinden zu zum Teil relativ großen Entfernungen von bis zu 1,5 km (z.B. Zitternberg zu Buchberg), die nicht besiedelt und mittels Bundesstraße verbunden sind. Aufgrund der eigenständigen Lage wirken diese Ortsteile eher eigenständig und sind nicht unmittelbar mit der Gemeinde Gars in Verbindung zu bringen. Etwa ein Drittel der Garser Wohngebäude befindet sich im historischen Zentrum der Gemeinde und rund 2 Drittel wohnen in den nicht unmittelbar in Kampnähe befindlichen zum Teil neuen Siedlungen. Die große Mehrheit von rund 80% der Garser BürgerInnen wohnt in Einfamilienhäusern und nur rund 20% in Wohnhausanlagen mit mehreren Parteien. Während der allgemeine Trend in Richtung Reduzierung der Zahl der EinwohnerInnen pro Wohngebäude geht, ist in Gars seit 1991 eine andere Entwicklung feststellbar (siehe Abbildung 38).

6

5

4 Gars am Kamp 3 Horn Stadt Bezirk Horn 2

1

0 1981 1991 2001

Abbildung 38: EinwohnerInnen pro Wohngebäude Quelle: Statistik Austria, eigene Darstellung

16 Dieser Abschnitt stützt sich hauptsächlich auf ein Telefoninterview mit dem Bauamt der Marktgemeinde Gars. Quelle siehe: Telefoninterview Marktgemeinde Gars 77 Die Zahl der EinwohnerInnen je Wohngebäude stieg in Gars von 1991 bis 2001 von durchschnittlich 3 auf 3,4. Diese Veränderung ist vor allem auf die Besiedelung neu errichteter Mehrparteien-Wohnhausanlagen zurück zu führen.

4. Bevölkerungsentwicklung & Demographie

4.1 Geburten- und Wanderungsbilanz

Zur Analyse der Bevölkerungsveränderung wurden die Geburten- und Wanderungsbilanzen der Jahre 1981-1991 und 1991-2001 herangezogen, wodurch sich folgendes Bild ergab: Jeweils verglichen mit dem Basisjahr 1981 ging die Bevölkerung im gesamten Bezirk Horn bis 1991 um 6,36 % zurück und blieb danach von 1991 bis 2001 mit -0,2% relativ stabil. (siehe Abbildung 39) Während die Geburtenbilanz des Gesamtbezirks von 1981 bis 1991 um 2,26% zurückging, reduzierte sich der natürliche Bevölkerungsabgang in der Dekade bis 2001 geringfügig auf -1,95%. Die Wanderungsbilanz des Bezirks Horn hingegen zeigt andere Tendenzen: Zogen zwischen 1981 und 1991 noch 3,91% der Bevölkerung aus dem Bezirk weg, kommt es in den Jahren 1991 bis 2001 zu einer klaren Trendwende und einem Zuzug von 1,75%.

20% f 15%

10% Drosendorf-Zissersdor Straning-Grafenberg Sigmundsherberg Rosenburg-Mold Röhrenbach Weitersfeld

5% Irnfritz-Messern Brunn Wild der an Pernegg Röschitz Röschitz Japons Langau Gars am Kamp Geras 0% 1991

-5% Horn

Meiseldorf Meiseldorf 2001 Altenburg -10% Eggenburg Bez. Horn Bez.

-15% Burgschleinitz-Kühnring

-20% Sankt Bernhard-Frauenhofen

-25%

-30%

Abbildung 39: Gesamtveränderung der Wohnbevölkerung zum Basisjahr 1981 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

78 Es fällt auf, dass nur 5 Gemeinden, darunter auch die Bezirkshauptstadt Horn, für den Zeitraum 1991 bis 2001 und nur 2 Gemeinden (Altenburg, St. Bernhard-Frauenhofen) für den gesamten betrachteten Zeitraum von 1981 bis 2001 eine Bevölkerungszunahme zu verzeichnen haben. Es handelt sich dabei um die direkt an die Bezirkshauptstadt Horn angrenzenden Gemeinden, die offensichtlich von dieser geographischen Nähe profitiert haben. Alle übrigen Gemeinden liegen im selben Zeitraum mit durchschnittlich 11% im Minus. Besonders die am nördlichen Rand des Bezirks an der Staatsgrenze gelegenen Gemeinden Drosendorf-Zissersdorf und Langau haben im Vergleichszeitraum besonders stark (über 22%) an Bevölkerung verloren. Auch Japons (siehe Abbildung 34) musste über 20% Bevölkerungsrückgang verkraften. Über die Übrigen Gemeinden kann kein wesentlicher Zusammenhang zwischen geographischer Lage und Bevölkerungsentwicklung nachvollzogen werden.

Teilt man die Bruttoeffekte der Bevölkerungsstandsveränderungen in Geburten- und Wanderungsbilanzen so ergibt sich Folgendes: In 14 von 20 Gemeinden ist über den gesamten Betrachtungszeitraum von 1981 bis 2001 sowohl die Geburten- als auch die Wanderungsbilanz negativ (siehe dazu Abbildung 40 und Abbildung 41). In diesem Zusammenhang kann es zu einer Spirale von negativen Phänomenen kommen: Alte Bevölkerungsgruppen brauchen spezielle Infrastruktur im Bereich Gesundheit und Altenversorgung, aber keine Schulen. Daraus folgend werden die Schulen geschlossen, da sie vordergründig nicht mehr gebraucht werden. Wenn in einer Gemeinde/Region keine Schulen mehr vorhanden sind, so wirkt sich dies kontraproduktiv auf die Anziehungskraft von jungen Familien etc. aus, d.h. der Zuzug von jüngeren Bevölkerungsgruppen wird unterbunden, was die Gesellschaft in der entsprechenden Region weiter ältern lässt. Die Entwicklung und in weiterer Folge auch der Fortbestand dieser Gemeinden sind dadurch langfristig besonders gefährdet.

Jene Gemeinden andererseits, die von 1981 bis 2001 eine positive Geburtenbilanz aufweisen, verzeichnen auch positive Wanderungsströme im selben Zeitraum. Es handelt sich hierbei um Burgschleinitz-Kühnring, Meiseldorf und St. Bernhard-Frauenhofen.

79 20%

15%

10% Weitersfeld Weitersfeld Brunn an der Wild an der Wild Brunn Röschitz Sigmundsherberg Bez. Horn Geras Geras Irnfritz-Messern Japons Langau Pernegg Röhrenbach Straning-Grafenberg Drosendorf-Zissersdorf 5% Gars am Kamp Rosenburg-Mold 1991 0% 2001

-5% Horn

-10% Altenburg Meiseldorf Meiseldorf Eggenburg Eggenburg -15%

-20% Burgschleinitz-Kühnring Sankt Bernhard-Frauenhofen Sankt

Abbildung 40: Veränderungen der Wanderungsbilanzen zum Basisjahr 1981 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

6%

4%

2% Pernegg Pernegg Bez. Horn Japons Japons Irnfritz-Messern Röschitz Rosenburg-Mold Rosenburg-Mold Sigmundsherberg Sigmundsherberg Horn Weitersfeld Weitersfeld Gars am Kamp Röhrenbach Röhrenbach Geras Langau Langau Brunn an der Wild Brunn an der Wild Altenburg Altenburg Straning-Grafenberg Drosendorf-Zissersdorf Drosendorf-Zissersdorf Eggenburg 0%

-2% 1991

Meiseldorf 2001 -4% Burgschleinitz-Kühnring Burgschleinitz-Kühnring -6% Sankt Bernhard-Frauenhofen Bernhard-Frauenhofen Sankt

-8%

-10%

-12%

Abbildung 41: Veränderungen der Geburtenbilanzen zum Basisjahr 1981 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

Gars am Kamp kommt in der Gesamtübersicht der Bevölkerungsveränderungen eine durchschnittliche Bewertung zu. Diese erklärt sich durch die stetig negativen Geburtenbilanzen. Zwar ging die natürliche Bevölkerungsveränderung von -3,24% (1981 bis 1991) auf -1,10% (1991 bis 2001) zurück, blieb aber dennoch negativ. Auch in der

80 Wanderungsbilanz von Gars ist ein ähnlicher Trend zu erkennen: Fallen in der Periode 1981 bis 1991 noch Bevölkerungsverluste i.H.v. 4,10% an, so schafft Gars auch hier eine Umkehrung der negativen Entwicklung und verzeichnet sogar 3,30% Zuwanderer von 1991 bis 2001. Daraus ergibt sich für Gars über den Zeitraum von 1981 bis 2001 eine relative Geburtenbilanz von -4,26% und eine relative Wanderungsbilanz von -1,05%, also eine Totalveränderung von -5,31% seit 1981. Durch die letztlich positiven Tendenzen der Bevölkerungsentwicklung kann von einer Warnung vor nicht-nachhaltiger Bevölkerungsentwicklung vorerst abgesehen werden. Es bleibt jedoch zu beobachten, ob dieser zuletzt beobachtbare Trend anhält, oder ob es sich dabei um eine kurzfristige Erscheinung handelte.

4.2 Altersdemographie Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene wird, meist im Zusammenhang mit der Finanzierung des staatlichen Sozialsystems, des Öfteren von der Überalterung der Gesellschaft und den damit verbundenen Herausforderungen gesprochen. Nicht nur auf dieser Ebene ist die Altersstruktur der Bevölkerung von Bedeutung, sondern auch im (Klein-)regionalen Bereich.

Durchschnittsalter Das Durchschnittsalter liegt im Bezirk Horn bei 40,03 Jahren und ist somit geringfügig höher als der niederösterreichische (39,65a) und der österreichische (39,23a) Altersdurchschnitt. Innerhalb des Bezirks gibt es aber zum Teil deutliche Abweichungen vom statistischen Mittelwert. So haben beispielsweise die Gemeinden Burgschleinitz-Kühnring und Sankt Bernhard-Frauenhofen sogar Werte unter 37 Jahren. Das geringe Durchschnittsalter korreliert auch mit der stark positiv ausgeprägten Geburtenbilanz dieser Orte. (siehe Abbildung 41) Auf der anderen Seite überschreiten die ebenfalls schon durch ihre negativen Bevölkerungsentwicklungen aufgefallenen Gemeinden Drosendorf-Zisserdorf und Langau sogar die 43 -Jahr-Marke deutlich und lassen im Sinne einer Nachhaltigkeitsanalyse zusammen mit den erwähnten Tendenzen der Bevölkerungsentwicklung keine positive Bewertung zu.

81 46

44

42

40 1981 38 1991 2001 36

34

32

30 Horn Geras Geras Japons Langau Langau Bez. Horn Pernegg Röschitz Röschitz Altenburg Altenburg Meiseldorf Eggenburg Weitersfeld Röhrenbach Gars am Kamp Irnfritz-Messern Irnfritz-Messern Rosenburg-Mold Sigmundsherberg Brunn an der Wild Brunn an der Wild Straning-Grafenberg Burgschleinitz-Kühnring Drosendorf-Zissersdorf Sankt Bernhard-Frauenhofen

Abbildung 42: Durchschnittalter im Zeitverlauf Quelle: Statistik Austria, eigene Berechung17

Gars am Kamp liegt mit 40,86 Jahren etwa 1,2 Jahre über dem niederösterreichischen und ca. 1,6 Jahre über dem österreichischen Durchschnitt. Im Vergleich zu anderen Gemeinden des Bezirks und im Österreichvergleich fällt die Steigerung von 2,02 Jahren von 1981 bis 2001 relativ mäßig aus. (Österreich 1981 bis 2001: +2,56a)

Aus wirtschaftlicher, wie aus sozialer Sicht wird eine Durchmischung der verschiedenen Altersschichten im Allgemeinen als wünschenswert angesehen. Aus diesem Grund wurde zur Erfassung der Durchmischung alter und junger Bevölkerungsteile ein Alterskoeffizient eingeführt. Dieser berechnet sich aus der Summe der über 64-Jährigen geteilt durch die Summe der unter 15-Jährigen der jeweiligen Gebietseinheit. Es werden hierdurch die für Aussagen zur Nachhaltigkeit wichtigen, jeweiligen Anteile über 64-Jähriger und unter 15-Jähriger in einem Koeffizienten zusammengeführt. Durch die gewählte Altersabgrenzung stellt dieser Koeffizient ein Maß für das Altersverhältnis jener Personen dar, die sich im nicht-erwerbsfähigen Alter befinden und somit im Allgemeinen auch kein eigens erwirtschaftetes Einkommen beziehen.

17 Details siehe Anhang 82

1,8

1,6

1,4

1,2

1,0 1981 1991 0,8 2001 0,6

0,4

0,2

0,0 Horn Horn Geras Geras Japons Langau Bez. Horn Österreich Pernegg Röschitz Röschitz Altenburg Altenburg Meiseldorf Eggenburg Weitersfeld Röhrenbach Gars am Kamp Irnfritz-Messern Irnfritz-Messern Rosenburg-Mold Sigmundsherberg Brunn an der Wild Brunn der an Wild Straning-Grafenberg Burgschleinitz-Kühnring Drosendorf-Zissersdorf Sankt Bernhard-Frauenhofen

Abbildung 43: Alterskoeffizient (>64 / <15) im Zeitverlauf Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

Wie der Abbildung 43 zu entnehmen ist, liegt der Bezirksdurchschnitt mit 1,12 relativ deutlich über dem bundesweiten (0,92) und ebenso über dem niederösterreichischen (0,94) Durchschnittswert. 1,12 bedeutet, dass pro Jugendlichem/r unter 15 Jahren 1,12 Erwachsene mit über 64 Jahren im Bezirk wohnhaft sind. Während die Werte des Bezirks Horn und Österreichs18 eine Parallelentwicklung aufweisen, stagniert der Alterskoeffizient der Gemeinde Gars auf hohem Niveau (1,2). Auch in diesem Punkt scheint die Garser Tendenz zu mehr Kindern und steigendem Zuzug die Überalterung zu bremsen. Stieg der Koeffizient von 1981 bis 1991 um 4,17% an, so wuchs er im Zeitraum 1991 bis 2001 nur noch 1,9%. Der entsprechende Österreich-weite Alterskoeffizient stieg in der Dekade bis 2001 um 6,67% an, dies aber auf niedrigerem Niveau, wodurch sich ein Wert von 0,92 einstellt.

18 Es waren leider keine Zeitreihen für Niederösterreich auf NUTS 2 Ebene verfügbar. 83 5. Ausbildung Gemessen an der höchsten abgeschlossenen Ausbildung ergibt sich folgendes Bild: Bei den Universitäts- und FachhochschulabsolventInnen zeigt sich, dass Gars etwa gleichauf mit dem Bezirk Horn bei 3,5% liegt, während in Niederösterreich immerhin 4,5% und Österreich-weit gar 5,8% über einen Hochschulabschluss verfügen. Der relativ höhere Anteil an AbsolventInnen von Berufs- und LehrerInnenbildenden Akademien (hier PädAk genannt) in der Stadt Horn lässt sich durch die Eigenschaft der Schulstadt (höhere Konzentration an Personen mit Ausbildung zur Lehrperson) erklären. Beim Bildungsbereich der Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) liegt der Bezirk Horn klar an letzter Stelle der hier durchgeführten Gegenüberstellung (siehe Abbildung 44). Dies ist mit der außerhalb der kleinregionalen Zentren wie Horn, Gars oder Eggenburg wohnhaften Bevölkerung zu erklären, die vermehrt in Berufsbildenden Mittleren Schulen (oder Fachschulen) anstelle von AHS ausgebildet wurde. Im Bezirk Horn gibt es deutlich mehr Abschlüsse dieser Art, als landes- oder bundesweit.

45%

40%

35%

30% Gars am Kamp 25% Bezirk Horn Horn Stadt 20% NÖ Ö 15%

10%

5%

0% Uni PädAk Kolleg BHS AHS BMS Lehre Pflichtschule

Abbildung 44: Bildungsgrad nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung 2001 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

Auffällig hoch sind, vor allem verglichen mit dem Bezirk und der Bezirkshauptstadt Horn, die Lehrabschlüsse in Gars am Kamp. Dies dürfte durch die bis 2004 existierende Firma Buhl (Bauunternehmen) und damit einhergehende Gewerbe erklärbar sein. Tatsächlich ist auch

84 heute noch eine starke Ausrichtung auf Baunebengewerbe feststellbar (Nähere dazu siehe Kapitel 0). Ausgleichenderweise sind dafür die reinen PflichtschulabgängerInnen in Gars deutlich in der Unterzahl gegenüber den Lehrabschlüssen. Sowohl die Bauindustrie mit allen Zuliefer- und Nebengewerben aber auch der seit 1986 in Gars angesiedelte Gesundheits- und Wellnesstourismus verlangt nach höher qualifizierten Arbeitskräften als PflichtschulsabsolventInnen.

6. Wirtschaftsstruktur Die Arbeitsstättenzählungen der Jahre 1981, 1991 und 2001 ergaben sowohl in Gars, als auch im gesamten Bezirk Horn einen deutlichen Zuwachs. Die Marktgemeinde Gars lag in beiden Perioden jeweils vor dem Gesamtbezirk und konnte von 1991 bis 2001 sogar ein Plus von 25,98% auf 160 Arbeitsstätten verzeichnen. Im selben Zeitraum vermochte der Bezirk mit 19,24% Arbeitsstättenzuwachs auch deutlich zuzulegen, blieb jedoch klar hinter den Garser Wachstumsraten bei den Arbeitsstätten zurück.19

30%

25%

20% Gars 1991 Gars 2001 15% Bez. Horn 1991 Bez. Horn 2001 10%

5%

0% Dienstl. Fischerei und öffentl.u.pers. Land- und Gesundheits-, Erbring.v.sonst. Bauwesen und Veterinär- Fischzucht Exterritoriale Kredit- und Sozialwesen u.Erden Verkehr und Energie- und Bergbau und Realitätenwesen, Organisationen Forstwirtschaft Sachgütererzeugung Unternehmensdienstl. Beherbergungs- und Private Haushalte

Öffentl. Verwaltung, Versicherungswesen Unterrichtswesen u.Gebrauchsgütern Gaststättenwesen Handel; Reparatur v.Kfz Reparatur Handel; Gewinnung von Steinen Sozialversicherung Sozialversicherung Wasserversorgung Nachrichtenübermittlung

Abbildung 45: Arbeitsstätten in Gars / im Bez. Horn im Zeitverlauf Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

Teilt man die Arbeitsstättenzählungen in 17 verschiedenen Sektoren (17-teilige ÖNACE 1995 Abgrenzung) auf, so erkennt man einen relativen Rückgang in der Sachgütererzeugung von 1991 bis 2001, und dies sowohl in Gars, als auch im gesamten Bezirk, wo der Rückgang

19 Vgl. Statistik Austria, eigene Berechnung 85 insgesamt noch etwas stärker ausfällt und auch eine absolute Verminderung der Arbeitsstätten bedeutet (siehe Abbildung 45). Auffällig tritt die Dezimierung im Bauwesen zutage, deren dominante Position im Jahr 2001 von der Sachgütererzeugung übernommen werden konnte: Während 1991 noch 16 Garser Firmen in der Baubranche tätig waren, gehörten 2001 nur noch 10 Firmen dieser Kategorie an. Der relative Anteil des Bauwesens an der Gesamtzahl der Garser Arbeitsstätten halbierte sich damit von 1991 bis 2001 von 12,6% auf rund 6,25%. Im Gesamtbezirk war indes nur ein relativ leichter Rückgang von 6,55% auf ca. 6% relativen Anteil festzustellen. Von dieser Entwicklung sind erwartungsgemäß vor allem Männer betroffen, deren relativer Beschäftigungsanteil in der Baubranche im Vergleichszeitraum von 43,7% auf 22,6% sank. Interessant ist die Veränderung im Bereich der Sachgütererzeugung: Arbeiteten in diesem Bereich 1991 30% der Männer und rund 32% der Frauen, so stiegen die relativen Beschäftigungszahlen der Männer auf 47%, der Anteil der Frauen allerdings reduzierte sich drastisch auf rund 19% in Gars und auf 10% im Bezirk Horn. (Bez. Horn 1991: 24%). Der rasante Anstieg bei den Männern in diesem Segment dürfte durch die gute Entwicklung der Garser Firma Häusermann (Leiterplattenproduktion) erklärbar sein. Der Bereich „Handel, Reparatur v. Kfz u. Gebrauchsgütern“ nimmt mit 26,88% in Gars und 25,97% im Bezirk Horn auf annähernd konstantem Niveau den bei weitem größten relativen Anteil an Arbeitsstätten ein. Verglichen mit der relativen Beschäftigung in diesem Bereich, dürfte es sich um relativ kleine Betriebe handeln, denn es kommen auf ca. 26% der Arbeitsstätten nur Beschäftigte im relativen Ausmaß von 23,84% bei den Frauen und gar nur 13,26% bei den Männern. Der starke Anstieg des relativen Anteils des Realitätenwesens bzw. der Unternehmensdienstleistungen von 6 Männern und 1 Frau im Jahr 1991 auf 18 Männer und 17 Frauen 2001 könnte seine Begründung in der positiven Trendwende der Bevölkerungsentwicklung (siehe Kapitel 0) und der damit einhergehenden gesteigerten Nachfrage nach Wohnraum finden.

86 50% 45% 40% Bez. Horn M 35% Gars M 30% Bez. Horn W Gars W 25% 20% 15% 10% 5% 0% Dienstl. Fischerei und öffentl.u.pers. Land- und Erbring.v.sonst. Gesundheits-, Bauwesen Veterinär- und Veterinär- Fischzucht Exterritoriale Kredit- und Sozialwesen u.Erden Verkehr und Bergbau und Bergbau Energie- und Realitätenwesen, Organisationen Forstwirtschaft Sachgütererzeugung Beherbergungs- und Unternehmensdienstl. Öffentl. Verwaltung, Öffentl. Private Haushalte

Versicherungswesen Unterrichtswesen u.Gebrauchsgütern Gaststättenwesen Handel; ReparaturHandel; v.Kfz Gewinnung von Steinen Sozialversicherung Sozialversicherung Wasserversorgung Nachrichtenübermittlung

Abbildung 46: Relative Beschäftigung 1991 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

50% 45% 40% 35% Bez. Horn M 30% Gars M Bez. Horn W 25% Gars W 20% 15% 10% 5% 0% Dienstl. Fischerei und öffentl.u.pers. Land- und Gesundheits-, Erbring.v.sonst. Bauwesen und Veterinär- Fischzucht Fischzucht Exterritoriale Kredit- und Sozialwesen u.Erden Bergbau und Energie- und Verkehr und Realitätenwesen, Organisationen Forstwirtschaft Sachgütererzeugung Beherbergungs- und Unternehmensdienstl. Öffentl. Verwaltung, Private Haushalte

Versicherungswesen Unterrichtswesen u.Gebrauchsgütern Gaststättenwesen Gewinnung vonSteinen Handel; ReparaturHandel; v.Kfz Sozialversicherung Wasserversorgung Wasserversorgung Nachrichtenübermittlung

Abbildung 47: Relative Beschäftigung 2001 Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung

Das traditionellerweise stark von Frauen geprägte Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen (Krankenschwestern etc.) steigerte den relativen Anteil an der Gesamtbeschäftigung bei den Frauen von 16,6% auf 21,88% im Bezirk Horn. In Gars stieg der Anteil von 14 auf 23 Frauen.

87 Exemplarisch werden im Folgenden Unternehmen angeführt, die Gars besonders stark prägten bzw. prägen:

Buhl GmbH Einer der größten Arbeitgeber der Region war das Garser Bauunternehmen Buhl, das auf eine fast 100-jährige Firmengeschichte zurückblicken konnte. Nach der Firmengründung im Jahr 1908 beschäftigte das Unternehmen zur Spitzenzeit 800 Mitarbeiter. (vgl. Gemeindegröße von Gars 2001: 3.534 EW) Damit lässt sich auch der 1991 extrem hohe Anteil der männlichen Bevölkerung im Baugewerbe erklären. (siehe Abbildung 46). Die Baubranche aktivierte auch zahlreiche Firmen des Baunebengewerbes und trug zu vielen Firmengründungen bei, die vor allem der Sachgütererzeugung zuzurechnen sind. Seit den 1990er Jahren geriet das Unternehmen allerdings in Zahlungsschwierigkeiten, was zunächst durch Ausgliederungen einzelner Firmenbereiche (z.B. Tischlerei etc.) und Gründung eigener 100%er Tochterunternehmungen führte. Im Jahr 2000 fand schließlich ein Wechsel des Haupteigentümers und Geschäftsführers von DI Julius Buhl auf Mag. Christoph Gruber statt; doch selbst dieser Rettungsversuch scheiterte, worauf Buhl im März 2004 einen 40%-Verlustausgleich beantragte. Dieser musste jedoch bereits wenige Wochen später in einen Anschlusskonkurs umgewandelt werden. Das Unternehmen wurde per 19.4.2004 geschlossen und über 100 Baustellen still gelegt.20 Obwohl die Buhl AG das zentrale Unternehmen in Gars war, konnten die Beschäftigungseffekte durch die Unternehmensschließung vor allem durch vier Umstände abgefedert werden: Erstens reduzierte sich die Anzahl der Beschäftigten seit 2001 wegen schlechter Auftragslage sowohl durch arbeitnehmerseitige Kündigungen, als auch durch Personalabbau seitens der Unternehmensführung von ca. 600 bis zum Konkurs 2004 auf ca. 250, sodass der Arbeitsmarkt über einen längeren Zeitraum die Möglichkeit hatte, die frei gewordenen Arbeitskräfte aufzunehmen. Zweitens war Buhl aufgrund seiner Größe weit über den Raum Gars hinaus tätig und betreute viele Großbaustellen in anderen Regionen. Diese auf Überregionalität basierenden Streueffekte führten in weiterer Folge auch zu schwächeren Auswirkungen auf innerregionale Zuliefererbetriebe, als ursprünglich seitens der Wirtschaftskammer und dem AMS Horn erwartet worden waren.

20 vgl KSV 1870 88 Drittens besteht in der personalpolitisch sehr flexibel agierenden Baubranche immer Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, wodurch der Großteil der ehemaligen Buhl- Mitarbeiter gerne in anderen Bauunternehmen aufgenommen wurde. Viertens nutzten vor allem Meister und Mitarbeiter aus dem mittleren Management ihr über Jahre gewonnenes Wissen aus, um eigene Firmen, sog. Spin Offs zu gründen.21 Darunter fallen u.a. die Holzbau Unfried GmbH, der Malermeisterbetrieb von Christian Zauner oder die Schlosserei Manfred Schachinger, die alle auf dem ehemaligen Buhl-Gelände angesiedelt sind. Insgesamt wurde das AMS nur mit wenigen 10 ehemaligen MitarbeiterInnen von Buhl, die nicht direkt danach Arbeit fanden oder schon vorher den Arbeitgeber wechselten, befasst. Dadurch kam es auch zu keiner abrupten Steigerung der Arbeitslosenquote in der Region.22 Das ehemalige Firmengelände inmitten von Gars am Kamp wurde nach der Liquidation der Buhl AG einer Nachfolgebetriebsgesellschaft zugeführt und konnte seither erfolgreich als Firmenareal entwickelt werden. Mittlerweile siedelten sich bereits 15 Firmen sehr unterschiedlicher Branchen an, jedoch wird in der Gemeindepolitik über die Nutzung des riesigen, bisher noch ungenutzten Areals diskutiert. (siehe Kapitel 0)

Willi Dungl Gesundheitszentren Betriebs GmbH Bereits um die Jahrhundertwende des 19. auf das 20.Jh war Gars eine beliebte Sommerfrischedestination und erlebte dadurch seine Blüte. Unter anderem wurde das eisenhaltige Wasser des Kamps für Therapiezwecke geschätzt. Aufgrund der damals starken Nachfrage kam es 1912 zum Bau des Hotels „Kamptalhof“, das anfangs sehr gut ausgelastet war. Der Ort Gars verlor aber wieder an Bedeutung als Urlaubsregion, was auch das Hotel zu spüren bekam. So wechselte es im Laufe seiner Existenz 4 Mal den Besitzer ehe es im Jahr 1984 von Prof. Willi Dungl entdeckt wird, der die Initiative zur Revitalisierung federführend vorantreibt. Bereits 1986 wurde, unter Aufwendung von insgesamt € 11 Mio, in den umgestalteten Räumlichkeiten des ehem. Kamptalhofs das „Biotrainingshotel Dungl Zentrum Gars“ eröffnet. Die fachlich hoch-qualitativen Regenerations- und Rehabilitationsmöglichkeiten, die weit über die Region hinaus Bekanntheit erlangten, führten schließlich im Jahr 2000 aufgrund der gesteigerten Nachfrage zur Eröffnung eines zweiten Hauses, dem „Dungl Aktiv Hotel“. Im Jahr 2002 wird das auf drei Säulen aufgebaute Angebot mit einem Schwerpunktzentrum für traditionelle chinesische Medizin abgerundet.

21 Telefoninterview Gars Innovativ 22 Telefoninterview WK-Horn 89 Im Jahr 2005 kommt es zu einer strategischen Partnerschaft zwischen der Willi Dungl GmbH und der VAMED AG. Es wird die „Willi Dungl Gesundheitszentren BetriebsgmbH“ gegründet, wobei die Willi Dungl GmbH 51% und die VAMED 49% der Anteile halten. Durch diesen Schritt erhielt das Unternehmen Liquidität in Höhe von rund € 9 Mio, die bereits zum Teil in das „Bio Vital Hotel“ investiert wurden. Damit erhöht sich die Zahl der Zimmer von 79 auf 102 und es entsteht ein neuer Trakt, der nun dem gesamten Therapiebereich Platz bietet. Die Geschäftsführung verspricht sich dadurch mehr Komfort für die Kunden, die nun nicht mehr zwischen mehreren Gebäuden pendeln müssen.23 Da die Dungl Hotels zum Teil direkt am Kamp liegen, blieben sie auch beim Jahrtausendhochwasser im Sommer 2002 nicht verschont. Zum Schutz vor neuerlichen Überschwemmungen wurde für das China-Zentrum, das sich direkt neben dem Fluss befindet ein mobiler Hochwasserschutz angeschafft, der sich binnen kurzer Zeit (30min) aufbauen lässt und gegen Hochwässer mittlerer Stärke Schutz bieten soll. Die 3 Häuser, wurden Anfang 2006 durch ein neues Marketing-Konzept in das „Bio-Vital Hotel“ (das ehemalige Stammhaus), das „Aktiv-Vital Hotel“ und das „China-Vital Zentrum“ umbenannt und bilden nun zusammen das „Dungl Medical-Vital Resort“. Seiten der Hotelleitung versucht man nun vermehrt neben den bereits existierenden Geschäftsfeldern des klassischen Gesundheitstourismus und der Vorbeugung, auch den Bereich der Rehabilitation auszubauen und zu bewerben. Die meisten Gäste kommen derzeit aus Österreich und dem näheren Ausland (z.B. Bayern), jedoch ist auch geplant, die Dungl- Philosophie „Richtige Bewegung, mentale Fitness und gesunde Ernährung“ in den russischen bzw. US-amerikanischen Markt zu tragen und dort für Gars am Kamp Werbung zu machen. Für Gars entwickelten sich die Dungl Hotels zu den wichtigsten Leitbetrieben der Gemeinde, aber auch der Region. Momentan zählt das Unternehmen 113 Mitarbeiter, wobei 80 Personen im klassischen Hotelleriebereich und 33 Personen in der Therapie arbeiten. Durch diese Struktur der Arbeitskräftenachfrage kann davon ausgegangen werden, dass die Dungl-Zentren auch langfristig zum regionalen Wirtschaftswachstum beitragen, da vor allem hochqualifiziertes Personal gebraucht wird, und damit auch die Hoffnung besteht, Wissen und höhere Bildungsschichten langfristig in der Region halten zu können. Neben dem in gesundheitstouristischer Sicht qualitativ hochwertigen Angebot an die Gäste, wird nach Auskunft der Geschäftsführung auch darauf geachtet besonders Bio-Produkte aus der Region im Betrieb zu verwenden und damit die Wertschöpfung in der Region zu halten. Laut

23 Quelle: Telefoninterview Dungl 90 Aussagen der Willi Dungl Gesundheitszentren Betriebs GmbH gab es in diesem Punkt seit der neuen Eigentümerstruktur keine Änderung der Geschäftpolitik.

Häusermann GmbH Obwohl sich Gars als Luftkurort vor allem für den Gesundheitstourismus günstig positioniert hat, existieren auch große Arbeitgeber in anderen Bereichen. So produziert die bereits 1907 als Metallätzerei gegründete Häusermann GmbH, die 1966 mit der Herstellung von Leiterplatten begann, heute Multilayerleiterplatten für den heimischen und den internationalen Markt.24 Das in der IT-Branche sehr erfolgreiche Unternehmen konnte in der Vergangenheit schon mehrmals erfolgreich expandieren und sein Geschäftsfeld durch die Übernahme entsprechender Bereiche seiner Konkurrenten strategisch in Richtung Folientastaturen erweitern. Obwohl 1992 eine Produktionsniederlassung für Folientastaturen in Tschechien errichtet wurde und die Herstellung damit teilweise ins Ausland verlagert wurde, blieben die Arbeitsplätze in der Region langfristig gesichert und konnten sogar gesteigert werden. Durch die geographische Lage des Firmengeländes in der Garser Katastralgemeinde Zitternberg, wurden die Gebäude der Häusermann GmbH beim Jahrtausend-Hochwasser im August 2002 schwer in Mitleidenschaft gezogen. Laut Auskunft des AMS Horn25 kam es trotz der zwangsläufigen Einstellung der Produktion für einige Monate (Die Betriebsgebäude standen unter Wasser, was das Aus für die sensiblen Produktionsanlagen zur Folge hatte.) zu keinen Freisetzungen der Arbeiter und Angestellten. Diese konnten kurzfristig aus Mitteln des Katastrophenfonds bezahlt werden. Eine Entlassung hätte für das Unternehmen katastrophale Auswirkungen gehabt: Von den insgesamt 176 Mitarbeitern, die sich aus 75 Angestellten und 101 Arbeitern zusammensetzen, die als hochspezialisierte und hochqualifizierte Arbeitskräfte gelten, wären sicherlich viele von Konkurrenten abgeworben worden und die Firma Häusermann hätte zum neuen Produktionsbeginn ihren Arbeitskräftebedarf nicht mehr decken können. Bereits im November 2002 konnte mit einer Teil-Produktion begonnen werden. Im Jahr 2003 war die volle Produktionskapazität wieder erreicht und es wurden auch neue Bürogebäude, sowie ein Hochwasserschutz errichtet.

24 vgl. Häusermann Online 25 Telefoninterview AMS Horn 91 Durch die Firma Häusermann können, wie auch durch die Willi Dungl Gesundheitszentren Betriebs GmbH aus Sicht der regionalen Standortsicherung wertvolle, weil hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Region gehalten werden.

7. Arbeitslosigkeit Zunächst wurden Monatsdaten jeweils nach Geschlechtern getrennt für den Zeitraum Jänner 1995 bis März 2004 für den Arbeitsmarktbezirk Horn untersucht, was einige interessante Fakten hervor brachte. Betrachtet man Abbildung 48, so fällt auf, dass es eine sehr stark ausgeprägte saisonale Komponente zu geben scheint. Die Unterschiede zwischen der niedrigen Sommerarbeitslosigkeit und der sehr hohen Winterarbeitslosigkeit beträgt rund 8%. Die Monate Dezember bis März zeigen erhöhte Arbeitslosigkeit, während Jänner und Februar mit vereinzelt über 12,5% eindeutig die Spitze bilden. Diese Beobachtungen lassen sich mit dem hohen Anteil der Beschäftigten im Baugewerbe erklären, in dem es traditionell im Herbst zu vielen „vorübergehenden“ Kündigungen kommt, da zumindest früher im Winter nicht gebaut werden konnte. Diese branchenübliche Vorgangsweise hat auch ein entsprechendes Absinken der Arbeitslosigkeit im März, mit Erreichung des niedrigen Sommerniveaus im April zur Folge. In Gars dürfte sich ob der Einsaisonalität des Tourismus jedoch die Möglichkeit, im Winter, wie beispielsweise in den Alpenregionen Österreichs üblich, als Skilehrer oder bei der lokalen Liftgesellschaft Anstellung zu finden, nicht ergeben, sodass ein Ausweichen auf andere Betriebe nicht möglich ist. Zu erkennen ist weiters die Anhebung des Niveaus der Arbeitslosenquote mit Ende des Jahres 2001. Dies deckt sich zeitlich mit den, aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage des Bauunternehmens Buhl stattfindenden, ersten Kündigungen und Entlassungen.

92 14%

12%

10%

8%

6%

4%

2%

0% Ende: Juli 1995 Juli Ende: Ende Juni 2001 Ende Juni 2002 Ende Juni 2003 Ende Ende: Juni 2000 Ende: Juni 1999 Ende: Juni 1998 Ende: Juni 1997 Ende MärzEnde 2002 MärzEnde 2003 MärzEnde 2004 Ende: April 1995 April Ende: 1996 April Ende: Ende: MärzEnde: 2001 Ende: MärzEnde: 2000 Ende: MärzEnde: 1999 Ende: MärzEnde: 1998 Ende: MärzEnde: 1997 Ende: JännerEnde: 1995 JännerEnde: 1996 Ende: August 1996 Ende: Ende: Oktober 1995 Ende: Ende Dezember 2001 Ende Dezember 2002 Ende Dezember 2003 Ende: Dezember 2000 2001 September Ende 2002 September Ende 2003 September Ende Ende: Dezember 1999 Ende: Dezember 1998 Ende: Dezember 1997 Ende: Dezember 1996 Ende: September 2000 September Ende: Ende: September 1999 September Ende: Ende: September 1998 September Ende: Ende: September 1997 September Ende:

Abbildung 48: Arbeitslosenquote der Männer des Bezirks Horn Quelle: AMS NÖ

Bei den Frauen zeigt sich ein differenzierteres Bild. (siehe Abbildung 49) Bis Ende 1998 ist kein klarer saisonaler Trend bemerkbar, während sich von Anfang 1999 bis Anfang 2004 bei steigendem Niveau eine gewisse jährliche Regelmäßigkeit andeutet. Durchschnittlich ist die Arbeitslosenquote der Frauen im Jahr 2004 um rund 1% höher als noch 1999.

8%

7%

6%

5%

4%

3%

2%

1%

0% Ende: Juli 1995 Juli Ende: Ende: Juni 1997 Ende: Juni 1998 Ende: Juni 1999 Ende: Juni 2000 Ende: Juni 2001 Ende: Juni 2002 Ende: Juni 2003 Ende: Ende: April 1995 April Ende: Ende: April 1996 April Ende: Ende: MärzEnde: 1997 MärzEnde: 1998 MärzEnde: 1999 MärzEnde: 2000 MärzEnde: 2001 MärzEnde: 2002 MärzEnde: 2003 MärzEnde: 2004 Ende: JännerEnde: 1995 Ende: JännerEnde: 1996 Ende: AugustEnde: 1996 Ende: OktoberEnde: 1995 Ende: DezemberEnde: 1996 DezemberEnde: 1997 DezemberEnde: 1998 DezemberEnde: 1999 DezemberEnde: 2000 DezemberEnde: 2001 DezemberEnde: 2002 DezemberEnde: 2003 Ende: September 1997 September Ende: 1998 September Ende: 1999 September Ende: 2000 September Ende: 2001 September Ende: 2002 September Ende: 2003 September Ende:

Abbildung 49: Arbeitslosenquote der Frauen des Bezirks Horn Quelle: AMS NÖ

Im langjährigen Vergleich (siehe Abbildung 50) zeigt sich von 1989 bis 1996 weitgehend eine Gleichentwicklung der männlichen und der weiblichen Arbeitslosen (AL). 1997 erfolgt der Bruch: Während sich die Menge der weiblichen AL bis 2000 relativ stark reduziert, sinkt die

93 Anzahl der männlichen AL bis zu diesem Zeitpunkt nur moderat, um aber im Jahr 2001 wieder stark anzusteigen und erfährt bis 2005 jedes Jahr weitere leichte Erhöhungen.

450 5,0%

400 Männer 4,5% Frauen BIP-Wachstum real 4,0% 350 3,5% 300 3,0% 250 2,5% 200 2,0% 150 1,5% BIP-Wachstum real [%] 100 Arbeitslose Bezirk Horn absolut Horn Bezirk Arbeitslose 1,0%

50 0,5%

0 0,0% 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Abbildung 50: Arbeitslose Bezirk Horn, BIP-Wachstum real Quelle: Statistik Austria, eigene Darstellung

Nach Auskunft der zuständigen Bezirksstelle des AMS (Horn) sind die beschriebenen Entwicklungen nicht auf regionale Besonderheiten, sondern vielmehr auf die allgemeine Wirtschaftslage zurückzuführen. Vergleicht man die Zunahme, bzw. den Rückgang der Zahl der Arbeitslosen, so verhält sich diese Veränderung genau entgegengesetzt dem realen BIP- Wachstum. Besonders deutlich tritt diese Beziehung von 1998 bis 2001 zu Tage.

8. Pendlersituation

Gars am Kamp weist zur Volkszählung 2001 insgesamt 1.474 Erwerbstätige am Wohnort, darunter 864 Männer auf. 716 Personen wohnen und arbeiten in Gars. Dies bedeutet, dass sie entweder auf demselben Grundstück arbeiten, auf dem sie auch wohnen (Nichtpendler) oder, dass sie innerhalb der Marktgemeinde zur Arbeit pendeln (Binnenpendler).

Aufgrund der 989 einpendelnden Personen und gleichzeitig nur 758 Auspendlern gilt Gars als Nettopendlerziel, d.h. es arbeiten mehr Menschen in Gars, als dort wohnhaft sind.

94 Auspendler: Die Majorität (356 Personen) der nicht in Gars arbeitenden Garser ist im politischen Bezirk Horn beschäftigt. Die Bezirkshauptstadt Horn zieht dabei mit 267 Personen die meisten Pendler an. 198 Personen arbeiten in einem anderen politischen Bezirk, wobei die Bezirke Krems (Stadt & Land) mit insgesamt 93 Personen fast die Hälfte der Menschen dieser Kategorie aufnehmen. Die überwiegende Mehrheit derer, die in ein anderes Bundesland pendeln (194), ist in Wien beschäftigt (181).

95 Einpendler: Wie bei den Auspendlern überwiegt auch hier mit 471 Personen der Anteil derer, die im politischen Bezirk Horn, diesmal nach Gars pendeln. Erwartungsgemäß stammen die meisten in Gars arbeitenden Einpendler aus den Garser Umlandgemeinden, wobei die geographische Entfernung eine entscheidende Rolle spielt, aber auch aus der Bezirkshauptstadt Horn (145 Personen). Auch die Einpendler aus anderen Bezirken des Bundeslandes (insgesamt 463) kommen überwiegend aus dem näheren Umfeld, d.h. vor allem aus dem Bezirk Krems Land. Gerade mit diesem Bezirk herrscht nicht nur im Bereich der Pendler eine sehr starke Verflechtung, da sowohl der Bezirk Horn, als auch Krems Land Teile des Kamptales beheimaten und sich dadurch ähnlichen Herausforderungen zu stellen haben. Besonders die Umlandgemeinden von Gars sind der Ursprungsort vieler Einpendler (z.B.: St. Leonhard am Hornerwald 109, Schönberg am Kamp 55). Wenig überraschend arbeiten mehr Garser in Wien, als umgekehrt. Aber immerhin sind 37 Wiener in Gars beschäftigt.

Aufgrund oberhalb beschriebener Pendlersituation ergeben sich folgende Kennzahlen: Der Index der Pendlersaldos26 von 115,7 deutet wie schon eingangs erwähnt an, dass Gars mehr Einpendler als Auspendler hat. Der für Männer etwas höhere Pendlersaldo von 128,4 bedeutet, dass mehr Männer als Frauen nach Gars einpendeln, bzw. dass mehr Frauen aus Gars auspendeln als Männer. Ebenso deutet der für Männer ebenfalls höhere Index der Pendlermobilität von 135,5 im Vergleich zum Gesamtindex aller Erwerbstätigen von 118,5, darauf hin, das mehr Männer vom Pendeln betroffen sind als Frauen.

9. Öffentliche Infrastruktur

9.1 Bildungseinrichtungen Im Bezirk Horn existieren insgesamt 39 öffentliche Schulen. Davon decken mehr als die Hälfte (19) den Volksschulbereich ab und gewährleisten damit eine nahezu flächendeckende Versorgung aller Gemeinden des politischen Bezirks Horn. Die starken Unterschiede bei den Bevölkerungszahlen der einzelnen Gemeinden lassen auf stark variierende Schülerzahlen in den einzelnen Volksschulen schließen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass einzelne

26 Erwerbstätige/Schüler am Arbeitsort/Schulort dividiert durch die Erwerbstätigen/Schüler am Wohnort in Prozent. (Quelle: Statistik Austria)

96 Standorte aufgrund von Rationalisierungsbestrebungen zusammengelegt und somit aufgelassen werden. Sechs Hauptschulen (in Drosendorf, Gars, Irnfritz, Weitersfeld, Eggenburg und Horn), bzw. ein Bundesgymnasium in der Langform (Horn) stehen den Schülern für die 5. bis 8. Schulstufe zur Verfügung und stellen, geographisch gut im Bezirk verteilt, ein zufrieden stellendes Angebot dar. Zwei berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BHAK, HLW) sowie ein Bundesgymnasium in der Bezirkshauptstadt Horn runden das Angebot nach der Pflichtschule ab. Des Weiteren bestehen zur Erwachsenenbildung im Bezirk Horn 3 Volkshochschulen, die neben einer Vielzahl an Sprachkursen auch Seminare zur beruflichen Weiterbildung (von Rhetorik bis EDV-Kenntnissen) und diverse Sportarten anbieten. Auch das Qualifizierungsprogramm von Leader+ Kamptal (siehe Kapitel 0) findet Eingang in die Kursprogramme.

9.2 Sozialdienste Spitäler Im Bezirk Horn sind zur ambulanten medizinischen Versorgung 2 Krankenhäuser vorhanden, die beide seit 1.1.2000 dem Waldviertel Klinikum angehören. Als drittes Spital wurde auch das im Bezirk Zwettl gelegene Krankenhaus Allentsteig diesem Verbund eingegliedert, welches aufgrund der geographischen Einschränkung der Regionalanalyse auf den Bezirk Horn, hier nicht näher beschrieben wird. Durch die spitalsübergreifende Kooperation ist es möglich, bei annähernd gleich guter Erreichbarkeit, deutlich Kosten zu sparen. Während in Horn alle Abteilungen erhalten blieben und das Krankenhaus somit weiterhin umfassende medizinische Versorgung garantiert, wurden in Eggenburg die Abteilungen Gynäkologie und Geburtenhilfe, Chirurgie und Innere Medizin geschlossen und dadurch redundante Kapazität abgebaut. Anstelle dessen wurde durch die Bereitstellung von 100 Betten zur Behandlung psychosomatischer Erkrankungen ein neuer Schwerpunkt errichtet und somit das gesamte Angebot an medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Bezirk Horn erhöht.

Altenbetreuung und Altenpflege Als Wohn- und Pflegemöglichkeit für ältere Menschen sind im Bezirk Horn 2 Altenheime vorhanden. In der Bezirkshauptstadt selbst befindet sich das Stephansheim der Stiftung Bürgerspital zu Horn und in der Stadt Eggenburg gibt es ein NÖ Landes-Pensionisten- und

97 Pflegeheim. Im Eggenburger Altenheim stehen insgesamt 76 und im Horner Stephansheim 94 Pflegebetten zur Verfügung.

Kinderbetreuung Auch für die ganz Jungen ist in Gars am Kamp gesorgt. In Gars selbst gibt es 2 Kindergärten; einen 2- und einen 3-Gruppigen. Neben den klassischen Kindergartenplätzen existiert auch eine Betreuungsmöglichkeit für unter 3-Jährige. Kinder ab dem Alter von 6 Monaten können in der Kindertagesgruppe „Sonnenschein“, die als Verein geführt wird und im selben Gebäude, wie auch der 3-gruppige Kindergarten untergebracht ist, versorgt werden.27 Falls trotz dieser Angebote die Plätze in Gars knapp werden sollten, besteht die Möglichkeit auf eine der Nachbargemeinden, wie z.B. Burgschleinitz-Kühnring oder auf dem Weg Richtung Krems gelegen Schönberg am Kamp, auszuweichen. Insgesamt gibt es im Bezirk Horn 26 Kindergärten mit insgesamt 48 Gruppen.

10. Verkehrssituation / Erreichbarkeit Gars ist öffentlich über die Kamptalbahn, den Wieselbus Linie E oder die lokale Autobuslinie „1310“ erreichbar. Die Züge verkehren stündlich sowohl Richtung Horn, als auch Richtung Krems an der Donau. Der Wieselbus fährt in der Früh aus Waidhofen a.d. Thaya kommend von Mo bis Fr jeweils um 5:54, 6:24, 6:54 und 7:39 Richtung St. Pölten und bietet somit die Möglichkeit in etwas mehr als einer Stunde in die Landeshauptstadt zu gelangen. Am Abend besteht wieder die Möglichkeit zu vier (am Freitag zu fünf) Zeitpunkten die Rückreise anzutreten. Die Bundeshauptstadt Wien ist von Gars aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln über die Franz Josephs Bahn erreichbar. Diese verkehrt wochentags in beiden Richtungen im 1h-Intervall und an Sonntagen im 2h-Intervall, und stellt somit für Wien-PendlerInnen eine vertretbare Alternative dar. Mit dem privaten Kfz ist Gars über die B34, die Kamptal-Bundesstraße, die ihrerseits wiederum bei Horn (B2, B4), bzw. Krems (S5, S33) an das höherangige Straßennetz angebunden ist, erreichbar. Nachfolgend in Tabelle 5 dargestellte Zeiten wurden ohne die besondere Berücksichtigung des Wieselbusangebots durchgeführt. Es handelt sich um eine im Tagesdurchschnitt gebildete Fahrtzeit, da die Verbindungsgeschwindigkeiten zum Teil erheblich variieren. Daher wird ein Überblick geboten, welche wichtigen Zielorte in welcher durchschnittlichen Zeit erreichbar

27 Telefoninterview Marktgemeinde Gars 98 sind. Um zu überprüfen, in wie gut Gars am Kamp mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen ist, wurde darüber hinaus ein Zeitfaktor eingeführt. Dieser berechnet sich aus der Zeit, die erforderlich ist, um mit einem öffentlichen Verkehrsmittel an ein bestimmtes Ziel zu kommen, dividiert durch die Zeit, die beansprucht wird, sollte ein privates Kfz zum Einsatz kommen um an das selbe Ziel zu gelangen.

Öffentlich (Bus, Bahn) Privates Kfz. Zeitfaktor öff./privat28

Horn 15min 12min 1,25 Eggenburg 1h 21min 2,86 Krems 1h 2min 29min 2,14 St. Pölten 2h 2min 50min 2,44 Wien 1h 11min 1h 31min 1,28

Tabelle 5: Erreichbarkeit von Gars am Kamp Quelle: Viamichelin online, ÖBB online, eigene Berechnung

Der so erhaltene Quotient stellt damit auch ein gewisses Maß an Konkurrenzfähigkeit der öffentlichen Verkehrsmittel dar. Es zeigt sich, dass sowohl die Bezirkshauptstadt Horn als auch Wien mit einem Zeitfaktor von unter 1,3 im Vergleich zum privaten Kfz relativ schnell zu erreichen sind. Andere, für die Region sehr bedeutsame Gemeinden wie Eggenburg (22km) oder Krems (31km) sind mit einem Zeitfaktor von über 2 unverhältnismäßig schlecht angebunden, sodass öffentliche Verkehrsmittel zur Erreichung dieser Orte nur ernsthaft in Frage kommen werden, sollte keine Möglichkeit bestehen, ein privates Kfz in Anspruch zu nehmen. Um den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel in der Region zu attraktivieren wurden einige Park and Ride Anlagen geschaffen, die eine Kombination von privaten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtern sollen. In Niederösterreich sind alle Park & Ride Anlagen für Kunden des öffentlichen Verkehrs kostenlos29, wobei derzeit folgende im Bezirk Horn existieren: (siehe Tabelle 6)

28 Berechnung siehe Anhang 29 NÖLR - Abt. Gesamtverkehrsangelegenheiten (RU7) 99 PKW- Zweirad- Bahnhofsname Stellplätze Stellplätze

Eggenburg 193 61 Gars-Thunau 30 39 Hötzelsdorf - Geras 67 8 Horn 70 42 Irnfritz 95 12 Sigmundsherberg 240 48

Tabelle 6: Park & Ride Anlagen im Bezirk Horn Quelle: NÖLR – Park & Ride online

Die Tatsache, dass in der Bezirkshauptstadt Horn nur 70 PKW-Stellplätze für Park & Ride Zwecke zur Verfügung stehen, ist symptomatisch für die relativ schlechte öffentliche Anbindung der Region. Mit dem Zug benötigt man im Tagesdurchschnitt 1h 20min um von Horn nach Krems zu gelangen. Dieselbe Strecke ist mit dem PKW in nur 40min, der Hälfte der Zeit, zu bewältigen. Hier bedarf es dringend einer verbesserten Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, da die Bevölkerung sonst gar keine (zeit-)ökonomisch vergleichbare Wahl hat, ob sie mit dem privaten Kfz fahren möchte oder nicht.

Garser Einkaufsbus Da sich die Marktgemeinde Gars aufgrund ihrer 14 Katastralgemeinden über mehr als 50km2 erstreckt, bestand Bedarf an einem öffentlichen Verkehrsmittel, das innerhalb der Gemeinde für Mobilität sorgt. Aufgrund dessen wurde vom ehemaligen Wirtschaftsverein „Gars 2000“ (jetzt „Gars innovativ“) die Idee eines „Garser Einkaufsbusses“ entwickelt, der seit 1995 auch tatsächlich in Gars verkehrt. Ziel war und ist es mithilfe dieses Busses alle, auch die etwas abseits gelegenen Ortsteile öffentlich an das Ortszentrum anzubinden. Dieses Angebot richtet sich speziell an Menschen, die entweder über kein eigenes Kfz verfügen, oder keines (mehr) benutzen wollen. Der Bus hat 9 Sitzplätze, ist somit mit einer PKW-Lenkerberechtigung zu fahren, und wird über ein innovatives Konzept finanziert: Die Gemeinde Gars finanzierte den Ankauf und den laufenden Betrieb des Busses mit € 4.360,37 pro Jahr. Außen sind zahlreiche Werbeflächen von zumeist Garser Betrieben angebracht, die dadurch auch zur Finanzierung beitragen. Darüber hinaus wird kein fixer Fahrpreis eingehoben, sondern die Fahrgäste um eine freiwillige Spende gebeten. Durch die Möglichkeit in das Ortzentrum einkaufen zu gehen,

100 bietet man einerseits jenen Menschen, die sonst nicht in den Ort kommen könnten, die Möglichkeit ihre sozialen Kontakte zu wahren und andererseits ihre Kaufkraft im Ort zu halten, wovon die Garser Wirtschaft massiv profitiert. Der Bus wird nicht als Linienbus betrieben, sondern verbindet jeden Ortsteil zweimal pro Woche mit dem Zentrum. An jedem Dienstag und Freitag werden insgesamt 3 Routen abgefahren um alle Fahrgäste in den Ort zu bringen und nach ca. 2-3 Stunden Aufenthalt (Einkaufen, Arzt, Friseur, etc.) wieder zurück zu führen. Die Linien decken nicht nur alle Garser Katastralgemeinden ab, sondern auch die Orte Buttendorf (Burgschleinitz-Kühnring), Freischling und Raan (Schönberg/Kamp, Bez. Krems-Land).30 Da der Bus nicht immer als „Garser Einkaufsbus“ im Einsatz ist, steht er in den übrigen Zeiten dem lokalen Fußballclub für Fahrten zu Auswärtsmatches zur Verfügung, um eine möglichst hohe Auslastung zu erzielen.31

11. Tourismus Durch den Bau der Kamptalbahn in den 1880er Jahren wurde das Kamptal vollständig in Nord-Süd-Richtung erschlossen und löste damit großteils die alten, unwegsamen und über die Hügel führenden Pfade ab. Damit war der Grundstein gelegt, um vielen Prominenten BesucherInnen und Sommerfrischegästen eine komfortable An- und Abreise zu ermöglichen – eine Chance, die auch ergriffen wurde. In der Anfangszeit der Sommererholungsregion war es, mangels Kapital und der damit verbundenen Möglichkeiten, gleich von Beginn an mit Hotelanlagen auf zu warten, üblich dass die einheimische Bevölkerung über die Sommermonate in die Dachkammern des eigenen Hauses zog und den zum Teil sehr wohlhabenden Gästen die eigentlichen Wohnräumlichkeiten überließ. Mit der zunehmenden Beliebtheit des Kamptales und der anziehenden Wirkung einiger schon damals bekannter Persönlichkeiten, wie dem Operettenkomponisten Franz von Suppé, wurde es allerdings zunehmend interessant, eigene Hotelanlagen zu errichten. Schließlich eröffnete 1894 mit dem Hotel Rosenburg einer der ersten Beherbergungsbetriebe in größerem Maßstab mit 17 Zimmern und 30 Betten.32 Aus dieser Zeit stammen die zum Teil heute noch existierenden Villen am Kamp, das Strandbad, der Kurpark, Tennisanlagen und weitere kulturelle Einrichtungen. Als Top- Destination aus touristischer Sicht konnte Gars im Jahre 1912 insgesamt 77.200

30 vgl. Garser Einkaufsbus 31 vgl. Klimabündnis NÖ 32 vgl. Hawlik 1995, S. 17ff 101 Nächtigungen verbuchen und lag damit im niederösterreichischen Vergleich hinter Baden auf dem hervorragenden 2. Platz. 33 Diese Blütezeit des Garser Sommerfrische Tourismus erlitt durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs einen kurzen Dämpfer. Die Attraktivität konnte jedoch aufrechterhalten werden, sodass bereits unmittelbar nach dem Krieg wieder reger Zustrom zu verzeichnen war. Erst mit dem näher rückenden zweiten Weltkrieg verschlechterte sich die Garser Tourismussituation: Es gab vermehrt Übergriffe auf jüdische Gäste, die zu dieser Zeit sehr gerne zum Urlaub nach Gars kamen und schließlich wurde Gars 1938 verboten überhaupt noch jüdische Gäste aufzunehmen. Nach dem Krieg schafft es Gars, abgesehen von einer kurzen Zeit unmittelbar danach, nicht mehr an die großen Erfolge im Tourismus anzuschließen und verlor an Attraktivität. Wer genug Geld hatte, um auf Urlaub zu fahren, wollte auch einmal etwas Anderes ausprobieren und plante Besuche in den Alpen oder manche sogar ans Meer. Erst in den 1980er Jahren wurde das Kamptal als Urlaubsdestination, vor allem aufgrund seiner Naturschönheit aus seinem touristischen Dornröschenschlaf geweckt.

Für die zu betrachtende Region rund um Gars ist vor allem das Kursbuch Tourismus Waldviertel, das dem Kursbuch Tourismus Niederösterreich untergeordnet ist, von Bedeutung. In diesem werden die Stärken und Schwächen der Region beschrieben und darauf aufbauend, eine regionale Positionierung in Angriff genommen.

Dazu wörtlich aus dem Kursbuch Tourismus Waldviertel34:

33 vgl. Winglhofer online 34 A.d.NÖLR - Tourismus 102 Stärken Schwächen • Mystische und waldreiche • Einsaisonalität Naturlandschaft mit Teichen und • In vielen Fällen zu wenig Seen Professionalität • Image als ökologische, gesunde • Mangelnde Qualität der Leistungen Region von touristischen Betrieben • Positive Aufbruchstimmung, • Geringes Schlechtwetter-Angebot Bereitschaft zur Professionalisierung • Wochenendlastigkeit des Angebots • Natürliche Heilmittel (Moor) • Schwache Finanzkraft • Wein- und Bierkultur • Kein einheitlicher Auftritt der Marke • Traditionelle, bodenständige Küche „Waldviertel“ • Reitwege / Reitangebot • Golfplätze • Kultur – Events • Gutes Destinations-Management

Aus den angeführten Stärken und Schwächen wurden zwei „regionale Speerspitzen“ ausgearbeitet: So soll in Zukunft vermehrt auf Golf- und Gesundheitstourismus gesetzt werden. Da man sich in der Region der Tatsache bewusst ist, dass es vermehrt schwieriger wird, Touristen auch zu Nächtigungen in der Region zu bewegen, wird neben dem Erhalt und der Absicherung vorhandener Ressourcen in diesem Bereich auch verstärkt auf den Ausbau des freizeit-touristischen Angebots Wert gelegt, um vor allem auch Tagestouristen in die Region zu locken. Es wird versucht mit klassischen, ländlichen Klischees, kombiniert mit einem Wohlfühlerlebnis rund um natürliche Landschaften und biologisch hergestellte, kulinarische Köstlichkeiten Werbung zu machen. Dies wird vor allem mit der Positionierung „Leben auf dem Lande“ transportiert, das die Bereiche „Wein, Regions-Gastronomie, Gesundes Land- Leben & Land-Kultur“ abdeckt.

Eines der größten Probleme des Waldviertels stellt die Einsaisonalität des Tourismus dar. Während die Vorzüge der Region in der warmen Jahreszeit bestens zur Geltung kommen und auch gerne von den Gästen wahrgenommen werden, so wirken die rauen klimatischen Verhältnisse im Winter nicht gerade als Publikumsmagneten. Aufgrund seiner topographischen Gegebenheiten nicht für die intensive Nutzung als Wintersportregion geeignet, bleibt nur der Versuch touristische Nischenmärkte zu etablieren. Tatsächlich wird auch versucht, das Seminarangebot und die dazugehörigen Beherbergungskapazitäten zu vergrößern, um vermehrt Wirtschaftstourismus anzulocken.

103 Garser Freizeitangebot In Gars existiert ein den landschaftlichen Möglichkeiten angepasstes, umfangreiches Freizeitangebot. So können sich die Gäste über folgende Attraktionen und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten freuen:

• Asphalt- /Eisstockbahn • Badegewässer • Beach-Volleyballplatz • Eislaufplatz • Fischwasser • Fitnessparcours • Freibad • Hallenbad • Reitstall • Tennisplatz • Wildwasser- /Raftingbasis

Wie zu erkennen ist, sind viele der Freizeitangebote eng mit der Lage am Kamp verknüpft und machen sich dessen natürliche Möglichkeiten z.B. das Fischen oder das Baden zu Nutze. Andere, wie zum Beispiel der Tennisplatz wurden bereits vor über 100 Jahren, in der Garser Blütezeit als Sommerfrischeort des Adels errichtet und gehören so schon seit langem zum Ortsbild von Gars.

Neben dem Geschäftstourismus, stellt auch der Kulturtourismus einen der Hoffnungsmärkte des Waldviertels dar. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, verschiedene kulturelle Veranstaltungen durch zu führen, deren guter Ruf mittlerweile weit über die Region hinaus bekannt ist und durchaus kaufkräftiges Publikum anzuziehen im Stande ist. Als Beispiel sei hierzu das Freiluft – Opernfestival in Gars am Kamp erwähnt:

Opern Air Gars35 Auf Initiative des tschechischen Opernregisseurs und Direktors der Prager Staatsoper Karel Drgac, gelang es erstmals im Jahr 1990 auf der Burgruine Gars eine Oper (Don Giovanni) zu inszenieren. Diese ersten Versuche, die idyllische Atmosphäre der Burgruine für die Aufführung einer Oper zu nutzen waren durchwegs nicht von übermäßigem finanziellem Erfolg geprägt. Es gelang aber aufgrund des Engagements der Marktgemeinde Gars und des Landes Niederösterreich, trotzdem auch in den Folgejahren Aufführungen stattfinden zu lassen. Damit wird seit dem Jahr der ersten Opernaufführung ununterbrochen, heuer, im Jahr 2006, bereits zum 17. Mal gespielt. Die von Bogg angestellten Berechnungen legen klar, dass

35 Dieser Absatz basiert auf Bogg, Petra 1998. 104 die Garser Opernfestspiele verglichen mit den Salzburger oder Bregenzer Festspielen natürlich nur einen Bruchteil der Wertschöpfung mit sich bringen. Dennoch ist die Bedeutung für die Region um Gars nicht zu unterschätzen, da Opern Air Gars zusätzliche Gäste aus anderen Regionen anzieht, die sonst nicht gekommen wären. Außerdem dürfte auch das nicht konkret messbare Image der Region um Gars positiv beeinflusst werden und dadurch insgesamt attraktiver erscheinen lassen.

Hinsichtlich der Nächtigungszahlen, aufgeschlüsselt nach politischen Bezirken, lässt im Vergleich zwischen den Bezirken, für den Bezirk Horn kein eindeutiger Trend feststellen. Abbildung 51 stellt die relativen Veränderungen der Nächtigungszahlen gegenüber dem Vorjahr für die Regionen Bezirk Horn, Waldviertel und Niederösterreich dar. Nicht erklärbar sind dabei die besonders starken Schwankungen in den Nächtigungszahlen Niederösterreichs in den Jahren 1981 bis 1984, in denen von einem Jahr zum nächsten absolute Rückgänge bzw. Zuwächse von je ca. 1 Million Nächtigungen zu verzeichnen waren. Danach fielen die relativen Veränderungen für Niederösterreich geringer aus, als für die Einzelbezirke, da es aufgrund seiner Größe auch inner-niederösterreichische Verschiebungen gegeben hat, und diese hierin natürlich nicht aufscheinen.

25%

20%

15%

10%

5% Horn 0% Waldviertel NÖ -5%

-10%

-15%

-20%

-25%

1981 1982 1983 1984 1985 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Abbildung 51: Entwicklung der Nächtigungszahlen im regionalen Vergleich Quelle: WKNÖ – Tourismusstatistik online

Es lässt sich jedoch feststellen, dass der Bezirk Horn im Durchschnitt hinter der Entwicklung des gesamten Waldviertels zurück liegt. So konnten die Nächtigungszahlen von 1975 bis 2005 im Waldviertel um 72,9% gesteigert werden, im Bezirk Horn jedoch nur um 23,2%, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 0,7% entspricht.

105

1.200

1.000

800 Krems Stadt Gmünd 600 Horn Krems Land 400 Melk Waidhofen/T. 200 Zwettl

0

-200 1975 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Abbildung 52: Absolute Nächtigungsentwicklung nach ausgewählten Bezirken [in Tausenden] Quelle: WKNÖ - Tourismusstatistik

In Abbildung 52 sind die absoluten Entwicklungen der Nächtigungszahlen von 1975 bis 2005 für ausgewählte Bezirke Niederösterreichs ersichtlich. Es fällt auf, dass der Bezirk Horn nur in den Jahren 1987 bis 1991 ein Hoch erlebte, dessen Niveau allerdings nicht gehalten werden konnte. In den folgenden Jahren stellt sich lediglich eine geringe Entwicklung ein, was ein Erstarren der Nächtigungszahlen auf einem Niveau von etwa 100.000 zur Folge hat. Andere Bezirke, wie beispielsweise Gmünd, konnten ihre Nächtigungszahlen im selben Zeitraum um 259% steigern und sich mit über 440.000 Nächtigungen sogar von Platz 12 an die Spitze Niederösterreichs setzen.

12. Landwirtschaft In Gars geht, wie generell in industriell bzw. Dienstleistungs-orientierten, Gesellschaften, also auch in Österreich, der Anteil der Landwirtschaft zurück. Diese Entwicklung bedingt auch folgende, in Abbildung 53 dargestellten Zusammenhänge. Dargestellt sind jeweils die Anzahl der weiblich bzw. männlich geführten Haupt-, Zu-, und Nebenerwerbsbetriebe in der Marktgemeinde Gars.

106 weiblich männlich 20 140

18 120 16

14 100 Haupterwerb W Zuerwerb W 12 80 Nebenerwerb W 10 Haupterwerb M 60 8 Zuerwerb M Nebenerwerb M 6 40 4 20 2

0 0 1970 1980 1990

Abbildung 53: Entwicklung der Garser landwirtschaftlichen Betriebe Quelle: Statistik Austria, eigene Darstellung

Vorab zeigt sich, dass es in Gars etwa siebenmal mehr männlich geführte (solide Linien), landwirtschaftliche Betriebe, als weiblich geführte (strichliert) gibt. Die Entwicklungen in den einzelnen Kategorien treffen aber beide Geschlechter in einigermaßen gleichem Ausmaß. Ist 1970, die bei weitem an der Spitze liegende Form der Bewirtschaftung eines Hofes, die eines Haupterwerbsbetriebes (mehr als 90% des Einkommens stammt aus der LW; bis 1990 Vollerwerbsbetrieb), so erkennt man den deutlichen Rückgang dieser Kategorie in den abgebildeten 20 Jahren sehr deutlich. In der Kategorie der Zuerwerbsbetriebe (50 – 90% des Einkommens stammen aus der LW) erkennt man eine lineare und positive Entwicklung bei den Frauen, während die männlich geführten Zuerwerbsbetriebe zunächst bis 1980 leicht zurückgehen und danach wieder leicht ansteigen. Aufgrund dieser Entwicklung gab es in Gars im Jahr 1990 bereits mehr weiblich geführte Zuerwerbs-, als Haupterwerbsbetriebe. Bei den Nebenerwerbsbetrieben (weniger als 50% des Einkommens stammen aus der LW) zeigt sich ein schwacher Trend zur Reduktion dieser. Bei Personen, die ihren Nebenerwerbsbetrieb nicht fortführen, kann entsprechend dem allgemein feststellbaren Trend, davon ausgegangen werden, dass sie die Branche gewechselt haben. Theoretisch wäre auch ein Wechsel zu einer einkommensintensiveren Form der Nutzung des Betriebes denkbar, jedoch scheint dies nicht der Realität zu entsprechen.

Zwei Workshops, die im Rahmen unsere Projekts36 im März 2006 in der Bildungswerkstatt Mold, zusammen mit einheimischen Bäuerinnen und Bauern abgehalten wurden, liefern

36agri.scapes – betreut von Ika Darnhofer 107 interessante Ergebnisse der (Selbst-)Einschätzung der Garser LandwirtInnen wie verschiedener Dimensionen ihre Landwirtschaft beeinflussen könnten. Erarbeitet wurde dabei in nach Geschlechtern getrennten Gruppen, welche Auswirkungen allgemeine Rahmenbedingungen, Klimawandel, Klimaextreme, Treibhausgase und Geschlecht auf die Zukunft der Landwirtschaft in Gars haben könnten und welche Problemfelder sich dabei im Detail ergeben, die bewältigt werden müssen. Im Zuge der Erarbeitung dieser Dimensionen kristallisierten sich einige Einschätzungen heraus, die hier kurz wiedergegeben werden sollen:37

Gefahren für die Landwirtschaft wurden in folgenden Bereichen geortet: • Anerkennung des Bauernstandes in der Gesamtbevölkerung Durch zum Teil einseitige mediale Berichterstattung leidet das Image der Bäuerinnen und Bauern bei den übrigen, nicht unmittelbar mit der Landwirtschaft in Kontakt stehenden Bevölkerungsgruppen. • Krankheiten, Seuchen und Schädlinge Durch Seuchen wie BSE oder die Vogelgrippe wird die Landwirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen. Einerseits durch direkte Effekte, wie das ertragslose Notschlachten der Tiere betroffener Betriebe, andererseits aber auch durch indirekte Effekte, wie der starke Preisrückgang bei den relevanten Fleischsorten etc., die alle Landwirte treffen. • Wetter / Klimawandel Als mögliche Folge des klimatischen Wandels wurden u.a. Spätfrostschäden genannt. D.h. ein bereits nach dem Austreiben der Pflanzen auftretender Frost, bringt die jungen Triebe zum Absterben, worauf noch einmal angebaut werden muss. Abgesehen vom finanziellen Mehraufwand, kommt es dabei auch zu zeitlichen Problemen, da viele Pflanzen lange brauchen um heran zu reifen und deshalb z.T. nicht mehr ihren vollen Reifegrad erreichen können. Um Hagelschäden zu vermeiden, werden sog. Hagelflieger eingesetzt, die ein vorzeitiges Abregnen der Wolken durch das Versprühen von Silberjodid verursachen. Damit einher geht jedoch auch das Problem, dass insgesamt weniger Niederschlag in die Region kommt, der aber sehr wichtig wäre um optimale Verhältnisse für viele Feldfrüchte gewährleisten zu können.

37 Projektinterner Bericht agri.scapes Workshops 5.,6. und 16.,17. März 2006

108 Einhellig wurde jedoch festgestellt, dass konventioneller und biologischer Landbau in annähernd gleicher Weise von äußeren Witterungseinflüssen betroffen sind.

Die versammelten LandwirtInnen beklagten, dass es ihnen nur schwer möglich sei, bei der Marktmacht einiger, weniger Händler und dem zusätzlich durch Importe verstärkten Preisdruck, noch Preise zu erzielen, die ein Leben von der Landwirtschaft ermöglichen. Als mögliche Auswege wurden die Schaffung von Nischenmärkten und dem Forcieren der Direktvermarktungsmöglichkeiten diskutiert. Die größten Chancen sehen die Garser Bäuerinnen und Bauern im Biolandbau. Der Richtungswechsel zu Bio, der sich als Langsamer und Mühsamer darstellte, da er zu Beginn in bäuerlichen Kreise, wie auch der Landwirtschaftskammer keine Unterstützung fand und eher belächelt, den anerkannt wurde. Gerade auch wegen der ebenso diskutierten Treibhausgasproblematik und den ständig steigenden Preisen einer gut organisierten Saatgut und Düngemittelindustrie, gab man sich zuversichtlich, durch den verstärkten Einsatz natürlicher Dünger wie Stallmist, sowohl Geld zu sparen, als auch einen Beitrag zu weniger Energieverbrauch (in der Kunstdüngemittelherstellung) geleistet zu haben. Durch den Umstieg auf Bio treten aber auch Probleme mit diversem Unkraut und verschiedenen Schädlingen auf. Die Garser Bauern sind deshalb darum bemüht durch natürliche Mittel, wie dem Anpflanzen einiger „Abwehrpflanzen“ zwischen die eigentlichen Früchte. Dieser Vorgang senkt zwar den Flächenertrag, gewährleistet aber eine absolut biologische Produktionsweise. Der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen wurde von allen TeilnehmerInnen der Workshops strikt abgelehnt, da vor allem die Auswirkungen dieser GMOs auf das übrige Ökosystem nicht bekannt sind. Hinzu kommt, dass gentechnisch verändertes Saatgut, sofern einmal ausgebracht, im Problemfall nicht mehr rückstandslos zu entfernen ist.

Horror- & Wunschszenarien Die anwesenden LandwirtInnen wurde auch danach befragt, wie ihr Horror- bzw. wie ihr Wunschszenario für Gars im Jahr 2020 aussehen könnte, und welche Entwicklung sie realistischer Weise erwarten.

Die Horrorszenarios waren vor allem geprägt durch Angst vor: • steigender Arbeitslosigkeit • der Einstellung des Betriebes der Kamptalbahn

109 • durch Klimawandel bedingte Missernten und damit zusammenhängende Existenzsorgen • dem Konkurs von Großbetrieben (in diesem Punkt scheint vor allem die Angst vor einem zweiten „Buhl“ sehr groß zu sein) • der Abwanderung der Jungend • Konflikten mit der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung

110 Die Wunschszenarios zeichneten sich aus durch: • die Steigerung der regionalen Wertschöpfung (heimische Betriebe z.B. Dungl sollen die Produkte von Biobauern aus der Region kaufen) • Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region; auch im Sinne einer Reduktion des durch

Pendeln verursachten CO2-Ausstoßes • 100% Biobauern – 100% Gentechnikfreiheit • den Erhalt bzw. den Ausbau von sozialer Infrastruktur wie Ärzte, Pflege- und Hospizeinrichtungen • Steigerung der Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte • den Ruf nach fairen Preisen anstelle von Förderungen • den Willen zur energetischen Unabhängigkeit von großen Öl-Multis (Biogas etc.)

Die Garser Bäuerinnen und Bauern erwarten realistischer Weise bis zum Jahr 2020 folgende Entwicklungen: Die Anzahl der Gewerbebetriebe und der Arbeitsplätze in Gars werden ebenso wie die Einkaufsmöglichkeiten zurückgehen. Dadurch wird Gars als Lebensmittelpunkt zunehmende uninteressant und es kommt verstärkt zur Bildung einer zunehmend größer werdenden Gruppe von „Wochenend-Garsern“. Darunter sind jene Leute zu verstehen, die ihren Hauptwohnsitz (u.a. aufgrund der unvorteilhaften lokalen, ökonomischen Bedingungen) in einen anderen Ort verlegen, aber ihren Garser Zweitwohnsitz (möglicherweise aufgrund der schönen Landschaft und den Erholungsmöglichkeiten) nicht aufgeben. Auf der anderen Seite glauben sie an eine Steigerung des Anteils an Alternativenergie und einem starken Zuwachs bei den biologisch produzierenden Betrieben.

Vor allem letztgenannte Erwartung wird auch von der lokalen Aktionsgruppe von Leader+ Kamptal als Ziel für die Landwirtschaft der Region genannt.

¾ Landentwicklung Gars Im Jahr 1993 gegründet, setzt der Verein „Landentwicklung Gars“ verschiedene Initiativen und Aktionen und versucht, den Beruf des Vollerwerbsbauern zukunftsfähig zu machen. Das Projekt wurde von Anfang an von der landwirtschaftlichen Fachschule Edelhof (bei Zwettl) inhaltlich unterstützt. Es wurden und werden strategische Überlegungen angestellt, in welchen Bereichen die lokale Landwirtschaft besondere Stärken bzw. komparative Vorteile gegenüber anderen Regionen aufweist, bzw. in welchen Nischen man auch in Zukunft als Bauer

111 überleben kann. Aufgrund dessen entschied man sich für eine Forcierung der biologischen Landwirtschaft, was mittlerweile dazu führte, dass bereits 35 Betriebe darauf umgestellt haben und mehr als 1.000 ha Land, das ist ein Drittel der gesamten landwirtschaftlich genützten Fläche in Gars, bereits biologisch genützt werden. Damit zählt Gars zu den Regionen mit der höchsten Dichte mit biologischem Landbau. Neben der „Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Landschaft“38 durch schonendes Wirtschaften mit Rücksicht auf die Natur, werden aber auch weitere Verdienstmöglichkeiten für die Bauern entwickelt. So haben 11 Betriebe eine Gemeinschaftsdestillerie errichtet in der sie „Garser Edelbrände“ von höchster Qualität herstellen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, sich einen „Garser Bauernkorb“ zusammenstellen zu lassen, der mit allerlei Spezialitäten aus der Region befüllt wird. Durch diese Erfolgsstrategien konnten auch weit über die Region hinaus bereits Kunden gewonnen werden. So bestehen bereits Handelskontakte bis nach Groß Britannien, die in Zukunft noch intensiviert werden sollen.

13. Politik In Gars am Kamp hält die ÖVP, typisch für eine ländlich geprägte Gemeinde, auch nach der Gemeinderatswahl 2005 die absolute Stimmen- und Mandatsmehrheit. (siehe nachfolgende Tabelle 7)

Wahlberechtigt Abgegeb Ungüli Gülti ÖVP SPÖ FPÖ BLG e . g g

Absolut 3.773 2.629 41 2.588 1.410 634 105 439 Prozent 100% 69,68% 100% 54,48 24,50 4,06 16,96 % % % % Mandat 23 13 6 0 4 e

Tabelle 7: Gemeinderatswahlergebnis der Marktgemeinde Gars am Kamp 2005 Quelle: Gars online

Bürgermeister ist Ing. Martin Falk von der ÖVP, ebenso wie sein Stellvertreter Rudolf Winglhofer.

38 siehe www.landentwicklung-gars.at 112 Die regierende ÖVP nützt die mit der Stadtverwaltung einhergehenden Ressourcen geschickt aus. So wird beispielsweise in den „Garser Gemeindenachrichten“, der offiziellen Zeitung und dem Amtsblatt der Marktgemeinde ein „ÖVP-Heuriger“ angekündigt, während die SPÖ Gars eine eigene Homepage und Zeitung herausbringen muss. Inhaltlich gibt es wenige Punkte, bei der von den verschiedenen Fraktionen versucht wird, politisches Kleingeld zu wechseln. Lediglich bei der Diskussion um die Errichtung eines Biomasseheizwerks (siehe Abschnitt 0 – Integriertes Energiekonzept Gars am Kamp) auf dem Gelände der ehemaligen Buhl AG war von einigen parteipolitischen Aussagen geprägt.

14. Entwicklungsprogramme & -strategien

14.1 Regionale Entwicklungsprogramme ¾ Leader II: „Kulturpark Kamptal“ Der Kulturpark Kamptal fand seinen Ursprung in den 1980er Jahren in der Idee, eine Landesausstellung im Kamptal zu veranstalten. Dieses Ansinnen wurde jedoch abgelehnt, da zuvor schon mehrmals Landesausstellungen in der Region stattgefunden hatten. Aus der Initiative zur Vorbereitung der Bewerbung entstand ein Verein, der sich zum Ziel setzte einen „Kulturpark Kamptal“ als Erlebnispark entstehen zu lassen. Es wurde auch eine Zielgruppenanalyse für das Kamptal erstellt und in folgende in Tabelle 8 ersichtlichen Kategorien unterteilt.

113 Aktiver Tagesgast Passiver Tagesgast Spezialisten: Kultur/Wissenschaft

Wandern Ruhe Museen Einkaufen regions- Erholung Ausstellungen spezifischer Produkte Radfahren Weinregion Schlösser, Stifte Wassersport Sommerfrische Kunsthandwerkliche Veranstaltungen Golf Flusslandschaft Tennis usw. Landschaftserlebnis Themen: Archäologie, Paläontologie, Geologie, Botanik, Soziologie, Architektur Naturerlebnis

= sportlich aktive = = wissenschaftlich interessierte Touristen erholungssuchende Touristen Touristen

Tabelle 8: Zielgruppenorientierung der Initiative Kulturpark Kamptal Quelle: Regionalmarketing im Vergleich online

Tatsächlich dürfte der durchschnittliche Gast in Gars eine Mischung aus den 3 Zielgruppen darstellen. Der Ausbau der regionalen Radwege wurde als vorrangiges Ziel angesehen, um die aufgrund der geringen Höhenunterschiede des Kamptals per Fahrrad gut zu erreichenden Sehenswürdigkeiten auf diesem Wege miteinander zu verbinden. Neben der Konzentration auf, durch Genussradfahrer geprägten, sanften Tourismus, wurden auch kulturelle Schwerpunkte gesetzt: So entstanden in Eggenburg („Das Werden der Landwirtschaft“), Horn („30.000 Jahre Zeitgeist und Gestaltungsfreude“) und Langenlois („30.000 Jahre leben am Kamp“) jeweils eines von drei „Toren“, die auf unterschiedliche Weise in die Region (ein- )führten. Wichtig erscheint die Erwähnung der dezentralen Gestaltung des Kulturparks. Anstatt ein oder zwei zentrale Sehenswürdigkeiten massiv zu bewerben, wurde vielmehr versucht die Region zu vernetzen, um den geneigten Besuchern ein möglichst breites Bild bieten zu können. Selbstverständlich teilt sich so der Tourismus auch gleichmäßiger auf die gesamte Region auf, was auch den weniger attraktiven Standorten zu gute kommt. Zu besseren regionsinternen Kommunikation und Planung wurde ein Verein namens „Tourismusverband Kulturpark Kamptal“ gegründet, der im Jahr 2001 (Ende der Leader II -

114 Periode) bereits 17 Gemeinden als Mitglieder umfasste. Als operative Einheit wurde eine „Kulturpark Kamptal GmbH“ gegründet, die im Auftrag des Vereinsvorstandes mit 4 Angestellten das Tagesgeschäft erledigte. Ein wesentlicher Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Kommunikation der Tätigkeiten des Vereines in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist es wichtig eine leistungsfähige Kommunikation nach außen zu gewährleisten um zuvor angeführte Zielgruppen auch tatsächlich zu erreichen. Zum anderen ist auch die Kommunikation nach innen von fundamentaler Bedeutung für den Erfolg der Initiative. Da möglichst breite Bevölkerungsteile informiert werden sollten, wurde eine vierteljährlich erscheinende Zeitung aufgelegt, die über aktuelle Ereignisse und Aktionen des Vereins berichtete.

Zur Finanzierung der vielfältigen Projekte (siehe Tabelle 9 ) wurden von 1995 bis 2001 insgesamt € 330.000,- an Eigenmitteln und € 980.000,- an EU-Fördermitteln verwendet, was ein Gesamtvolumen von rund € 1,3 Millionen ergibt.39

39 vgl. Regionalmarketing im Vergleich online 115 Projektbezeichnung Projektbeschreibung Projektvolumen

Entwicklungsachse Kultur Vernetzung der Museen ~ 95.000 € Begleitprogramme zu den Erlebnispunkten Erstellen einer grundlegenden Angebotsbank über die Kulturvielfalt im Kamptal Entwicklungsachse Tourismus Innerregionale Vernetzung durch Radwege ~ 262.000 € Qualitätssicherung für Infrastruktur Routenplanung Tourismuswerbung Folder ~ 160.000 € Kalender Karten Regionales Marketing Informationsaufbereitung und -vernetzung ~ 218.000 € Aufbau zentraler Marketing-Instrumente „Informationsstammtisch“ Kräuterland Gars Anlage eines Kräuterparks ~ 153.000 € Schaugarten Arche Noah Anlage von Genbanken seltener Pflanzen ~ 95.000 € Schaugarten Entwicklungsachse Zur Sensibilisierung der Konsumenten für die Landwirtschaft Anliegen ~ 109.000 € und Bedeutung der Landwirtschaft wurden Lehrpfade eingerichtet Offene Tage auf Bauernhöfen Touristische Aufarbeitung der Weinstraßen „Erlebnis“ Wein soll vermittelt werden ~ 58.000 € Kurse für Marketing, Gästebetreuung, Entwicklungsachse Persönlichkeitsbildung, EDV und Qualifizierung Kommunikation ~ 182.000 €

~ 1,3 Mio. €

Tabelle 9: Aufteilung des Projektvolumens Quelle: Regionalmarketing im Vergleich Online

116 Nachdem die Leader II Periode 2001 auslief, bewarb man sich rechtzeitig um die Teilnahme am Nachfolgeprogramm Leader+.

117 ¾ Leader +: „Kamptal“ Die Region des „Kulturparks Kamptal“ wurde auf insgesamt 23 Gemeinden aus vier politischen Bezirken erweitert (siehe Tabelle 10). Das nun teilnehmende Gebiet weist eine Gesamtbevölkerung von 50.259 Personen und eine Fläche von 979 km2 aus, woraus sich die durchschnittliche Bevölkerungsdichte von 51,3 EW/km2 errechnet.

Gemeinde Politischer Bezirk

Altenburg Horn Burgschleinitz-Kühnring Horn Eggenburg Horn Gars am Kamp Horn Gföhl Krems Grafenegg Krems Hadersdorf-Kammern Krems Hohenwarth- Mühlbach Hollabrunn Horn Horn Jaidhof Krems Krumau Krems Langenlois Krems Lengenfeld Krems Lichtenau Krems Maissau Hollabrunn Pölla Zwettl Rastenfeld Krems Röhrenbach Horn Rosenburg-Mold Horn St-Leonhard a. Hw. Krems Schönberg Krems Sigmundsherberg Horn Straß Krems

Tabelle 10: Teilnehmende Gemeinden an Leader+ Kamptal nach Bezirken Quelle: Leader+ Kamptal Online

118 Die Karte der Leader+ Region (siehe Abbildung 54) macht deutlich, dass die in dieser Arbeit zu untersuchende Gemeinde Gars am Kamp auch in der Leader+ Region zentral liegt und daher davon auszugehen ist, dass Gars sehr stark von den Aktivitäten der LAG tangiert wird.

Abbildung 54: Teilnehmende Gemeinden an Leader+ Kamptal Quelle: Leader+ Kamptal Online

Die Ziele der Leader+ Region Kamptal sind: • Positionierung als Ausflugs- und Erholungsregion • Schaffung einer Gesundheitsregion Kamptal • Kooperation innerhalb und mit der Landwirtschaft • Weiterbildung als Investition in die Zukunft

Interessant stellen sich die Ziele der Leader+ Region Kamptal vor dem Hintergrund der Mitglieder der lokalen Aktionsgruppe (siehe Tabelle 11: Mitglieder der lokalen Aktionsgruppe von Leader+ Kamptal) dar: Nachdem maximal die Hälfte, der in der LAG befindlichen Mitglieder aus dem politischen Bereich stammen darf, bilden die Landtagsabgeordneten und Bürgermeister erwartungsgemäß die Minderheit. Bei den mitwirkenden Akteuren handelt es sich Personen, die auch persönliches Interesse daran haben, dass sich die Region wirtschaftlich gut entwickelt. Während das Ziel der

119 Positionierung des Kamptales als Ausflugs- und Erholungsregion noch relativ unkonkret vor allem dem Tourismus generell gelegen kommt, findet Ziel Numero 2 deutlichere Worte und spielt mit der Schaffung einer Gesundheitsregion Kamptal vor allem der Geschäftsführerin Dungl-Zauner in die Hände. Auch die Kooperation innerhalb und mit der Landwirtschaft dürfte von Nicht-politischer Seite vor allem durch die Winzer bzw. Forstdirektor Hackl hineinreklamiert worden sein. Diese durchaus erkennbare Handschrift der beteiligten Akteure soll nicht angeprangert werden, jedoch wird auf den Umstand hingewiesen, dass es nicht gleichgültig ist, welche Personen mit welchem persönlichen Hintergrund in der lokalen Aktionsgruppe sitzen.

120 Regions-RepräsentantInnen Politisch gewählte VertreterInnen

¾ ÖR Erich Kroneder, Langenlois ¾ Vorsitzender Obmann Verein Weinstraße Kamptal Labg. Bgm. DI Bernd Toms, Hadersdorf Unternehmer und Landtagsabgeordneter ¾ Ing. Gerhard Albert, Lichtenau ¾ Vorsitzender StV. Unternehmer, Baumeister Bgm. Ing. Johann Müllner, Pölla Beamter/Nachrichtentechniker ¾ Dr. Andrea Dungl-Zauner, Gars ¾ Vorsitzender StV. Geschäftsführerin des Dungl Bgm. Alexander Klik, Horn Gesundheitszentrums Unternehmer Univ.Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter, ¾ Labg. Marianne Lembacher, Maissau Eggenburg, Ordinarius für Strafrecht Landwirtin und Landtagsabgeordnete am Juridicum Wien, Obmann Tourismusverband Kulturpark Kamptal ¾ Gabriele Gaukel, Tiefenbach ¾ Bgm. KR Kurt Renner, Langenlois Geschäftsführerin der Werbeargentur Unternehmer „Medienpoint“ DI Richard Hackl, Schloss Waldreichs, Franzen, Wirtschaftsdirektor Stift Altenburg und Forstdirektor Windhag Stipendienstiftung für NÖ ¾ Maria Forstner, Engabrunn Winzerin und Obfrau des Landesverbandes der NÖ Dorf & Stadterneuerung

Tabelle 11: Mitglieder der lokalen Aktionsgruppe von Leader+ Kamptal Quelle: Leader+ Kamptal Online

Mit dem Ziel der Weiterbildung als Investition in die Zukunft wird vor allem versucht, dem Entwicklungsprozess durch Ausbildung lokaler „Mitarbeiter und Betreiber der wichtigsten

121 Aktionsbereiche der regionalen Entwicklung“ ständig neuen Schwung zuzuführen, damit laufend weitere Projekte und Aktionen aus und für die Region erwachsen können. Zusätzlich dazu werden seitens der LAG auch Seminare und Workshops angeboten, die von Kommunikation- über Organisations- bis hin zu Planungsinhalten vermitteln. Diese stehen der Bevölkerung für ein mit Marktpreisen verglichen außerordentlich geringes Entgelt zur Verfügung und sollen das Interesse wecken, sich fort zu bilden. Diese Maßnahmen tragen zu einer höheren Qualifikation Personen und damit letztendlich auch einer höheren Jobsicherheit in der Region bei. Aber auch das Regionalbewusstsein soll verstärkt werden. Als Beispiel dazu sei die Kräuterakademie erwähnt, die den KursteilnehmerInnen in einem sich über mehrere Module erstreckendem System die einheimischen Kräuter der Region näher bringen soll. Neben historisch-etymologischem wird auch über die Alltagstauglichkeit und die Verwendungszwecke informiert. Die BesucherInnen der Seminarmodule werden nicht nur in Schulungsräumen mit neuem Wissen konfrontiert, sondern lernen die Kräuter auch bei Exkursionen durch die Region kennen. Auf diese Art wird auch versucht die Achtung vor natürlichen Ressourcen einerseits und der vielfältigen Schönheit der Heimat andererseits zu vermitteln.

¾ Breitbandinitiative des Landes NÖ Im Jahr 2003 wurde seitens der NÖ Landesregierung der Entschluss gefasst, für eine flächendeckende Breitbandverfügbarkeit im gesamten Landesgebiet Sorge zu tragen. In einer zweieinhalb-jährigen Umsetzungsphase ist es gelungen 565 von den 573 Gemeinden Niederösterreichs an das Breitbandnetz anzuschließen und somit rasche Datenübertragungen zu ermöglichen. Neben den Vorteilen für die Wirtschaftstreibenden und die privaten Haushalte, die auch von dieser neuen Qualität des Kommunizierens profitieren, war die rasche Verbreitung höherer Bandbreiten vor allem für öffentliche Einrichtungen wie z.B. für Gemeindeämter von essentieller Bedeutung. Um verschiedenste hoheitlich relevante Dienste direkt und online ausführen zu können (z.B. ZMR-Abfragen) war die Herstellung von Breitbandanschlüssen absolut erforderlich, um die Arbeitsabläufe in den Ämtern nicht zu sehr zu verzögern. Ende 2006 werden, dem Ausbauplan folgend, alle Gemeindeämter, 92% der Wohnbevölkerung und 95% der Wirtschaftstreibenden per Breitbandanschluss erreichbar sein.

122 14.2 Lokale Entwicklungsprogramme ¾ Integriertes Energiekonzept Gars am Kamp Das integrierte Energiekonzept für Gars am Kamp wurde im Zuge einer umfassenden Bewertung seitens der Energieagentur Waldviertel erstellt. Es umfasst die Ziele der Energieeinsparung als auch den Umstieg auf erneuerbare Energieträger. Beides sollte über eine Erfassung des gesamten Energieverbrauchs (Energiebuchhaltung) der Marktgemeinde realisiert werden. Tatsächlich wurde die projektierte Energiebuchhaltung umgesetzt und die Errichtung einer Biogasanlage, bzw. einer Fernwärmeversorgung mit erneuerbaren Energieträgern angeregt. Hiezu wurde bereits die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Biomassekraftwerks erteilt. Die Leistung des Kraftwerks wurde mit 1,6MW elektrisch und rund 5MW thermisch veranschlagt, was der Gemeinde die Möglichkeit gibt, Strom in das EVN Netz einzuspeisen und die thermische Energie über ein noch zu errichtendes Fernwärmenetz im Ort selbst zu verteilen. Im Zuge der Entwicklung des integrierten Energiekonzeptes, wurde auch eine Vielzahl öffentlicher Gebäude einer intensiven energetischen Analyse unterzogen um den Status quo fest zu stellen. Doch auch private Haushalte wurden in einer weiteren Serviceaktion der Energieagentur überprüft und mit Gebäudeenergieausweisen ausgestattet. Von Seiten der Gemeinde hofft man, mit einem intensiven Energiecontracting, weitere Einsparungen erzielen zu können und somit nicht nur (Heiz-)kosten zu senken und dadurch das Budget zu entlasten, sondern auch einen kleinen, aber wertvollen Beitrag in Richtung nachhaltiger Entwicklung geleistet zu haben.

123 ¾ Gars innovativ und das Beratungszentrum Gars Der aus dem ehemaligen Wirtschaftsverein „Gars 2000“ entstandene Verein zur Förderung der Garser Wirtschaft bildet eine Plattform für alle Interessierten GarserInnen aus den Bereichen Wirtschaft, Landwirtschaft, sowie aus dem öffentlichen Leben. Sie hat den Zweck, die Garser Gewerbetreibenden besser zu vernetzen und so eventuell noch brach liegende Potentiale zu entdecken und Nischenmärkte zu erschließen. Gars innovativ ist auch darum bemüht, bei der Profilbildung in Richtung der Schwerpunktthemen Gesundheits- und Wellnesstourismus mit zu helfen. Zur Steigerung der Lebensqualität in der und der Bekanntheit außerhalb der Region wurden bisher bereits folgende Projekte verwirklicht:40

• Viktualien Markt • Chriskindlmarkt • Garser Einkaufsbus41 • Parkfest • Töpfermarkt • Silvesterpfad (unterstützend) • Betreibung der Wirtschaftsseiten der Garser Homepage

Das Beratungszentrum Gars wurde von Ing. Mag. Werner Groiß und seiner Gattin Frau DI Andrea Linsbauer-Groiß ins Leben gerufen.42 Das grundlegende Konzept des Beratungszentrums, welches in einem umgebauten Mehrfamilienhaus in Gars untergebracht ist, besteht darin, Garser Wirtschafttreibende, aber auch öffentliche Stellen zum Informations- und Interessensaustausch unter einem Dach zusammen zu führen. Neben der durch räumliche Nähe leichter zu bewältigenden branchenübergreifenden Kommunikation, bietet das Beratungszentrum noch einen weiteren, entscheidenden Vorteil für junge Unternehmen. Teure, da monetär unproduktive, Räumlichkeiten wie Sanitäranlagen, Kfz-Abstellplätze und Gemeinschaftsräume etc. müssen nicht für jedes Unternehmen separat errichtet, sondern können gemeinschaftlich genutzt werden. Diese Einsparungseffekte sollten gerade jungen UnternehmerInnen, bzw. solchen, die darüber nachdenken, sich selbstständig zu machen die Angst vor nicht zu bewältigenden Anfangsinvestitionen nehmen.

40 Gars online 41 siehe Kapitel 0 – Garser Einkaufsbus 42 Beratungszentrum Gars online 124 15. Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit liefert ein Regionalprofil der Marktgemeinde Gars am Kamp. Diese wurde vor dem räumlichen Hintergrund des Kamptals und im Speziellen vor dem politischen Bezirk Horn analysiert, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Gars und anderen Gemeinden der Region darstellen zu können. Zu Zeiten des eisernen Vorhangs, als Grenzregion zwischen Ost und West geprägt, wurde das nördliche Waldviertel mit völlig anderen Herausforderungen konfrontiert, als ein zentralösterreichisch gelegenes Gebiet. Obwohl Gars nur etwas mehr als eine Autostunde und ca. 1,5 Bahnstunden von der Bundeshauptstadt Wien entfernt liegt, entwickelte es sich aufgrund der über Jahrzehnte andauernden Randlage wirtschaftlich etwas zurückhaltender. Es scheint gerade für jüngere Leute wenig attraktiv zu sein, in das landschaftlich sehr schöne, doch wirtschaftlich noch viel aufzuholende Waldviertel zu ziehen. Dies geht aus den, für den Bezirk Horn, über 20 Jahre durchgängig negativen Geburten- und Wanderungsbilanzen hervor. Auch das Durchschnittsalter stieg im selben Vergleichszeitraum kontinuierlich auf ein österreichweit überdurchschnittliches Niveau an. Hierbei wird deutlich, dass es unbedingt erforderlich ist, dieser Entwicklung entgegen zu wirken, da ein fortgesetztes Altern, einer ohnehin schon überalterten Region, unweigerlich zum Aussterben derselben führen würde. Da die ökonomische Situation ein entscheidendes Kriterium für eine Region darstellt, und auch bei Überlegungen hinsichtlich der zukünftigen Positionierung eine zentrale Rolle einnimmt, wurden die Wirtschaftsstruktur, bzw. die lokale Arbeitsmarktsituation ausführlich in die Analyse integriert. Hier zeigt sich, dass es eine relativ starke Abhängigkeit von der allgemeinen Konjunktur, beruhend auf den Wirtschafts- bzw. Arbeitslosendaten der beobachteten Zeiträume, zu geben scheint. Durch den Leitbetrieb Buhl GmbH entstand im Laufe der Jahre eine Vielzahl an Betrieben des Baunebengewerbes, die mittlerweile über wirtschaftliche Kontakte bis weit über die Region hinaus verfügen. Durch entsprechende Vernetzungsinitiativen der lokalen Wirtschaft, war es trotz des Konkurses, des für die Gemeinde und die Region sehr wichtigen Bauunternehmens möglich, über viele neu gegründete Spin Offs, die Arbeitsplätze in der Region zu erhalten. Neben der traditionellen Stärke des Bauwesens und der Sachgütererzeugung wurde versucht, auch mittels marketingträchtiger Proponenten, wie Willi Dungl, eine weitere Säule für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Region zu etablieren. Gars soll als Gesundheits- und Tourismusregion positioniert werden und Gäste aus dem In- und Ausland gleichermaßen ansprechen. Tatsächlich bietet sich das landschaftlich schöne Kamptal als potentieller

125 Standort für Gesundheitstourismus an, zumal Gars bereits im späten 19. Jahrhundert als Sommerfrischeort für obere Gesellschaftsschichten reüssieren konnte, bevor es in einen touristischen Dornröschenschlaf fiel. Erst mit dem Biotrainingshotel von Willi Dungl und geschicktem Marketing erlangte Gars wieder zunehmend an Bekanntheit. Zahlreiche zum Teil durch Regionalentwicklungsprogramme wie Leader+ oder durch das Bundesland Niederösterreich unterstützte Initiativen und Projekte konnten bereits zur Markenentwicklung der Region Gars am Kamp beitragen. Zusätzlich zur Positionierung als gesundheitstouristischer Geheimtipp für jedes Budget und den dazu passenden Kulturinitiativen, wie beispielsweise das Angebot des Freiluftopernfestivals „Opern Air Gars“, wird auch versucht die regionale Identität zu stärken um alte bäuerliche Strukturen zukunftsfähig zu machen. Neben Weiterbildungsinitiativen bedeutet dies vor allem auch Direktvertrieb selbst produzierter Waren ab Hof bzw. hofübergreifende Kooperationen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und besseren Vermarktung der Produkte. Gleichzeitig wird der vermehrte Umstieg von konventioneller auf biologische Landwirtschaft massiv unterstützt, da es möglich erscheint, mit dieser Produktionsweise auch längerfristig von der Landwirtschaft leben zu können und dem wirtschaftlich bedingten „BäuerInnensterben“ entgegen zu wirken. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Gars am Kamp, als kleinregionales Zentrum im Bezirk Horn, die Weichen für die nächsten Jahre gestellt hat. Gelingt es, die landschaftlichen Potentiale umweltschonend touristisch zu nutzen und damit Kaufkraft in die Region zu holen, die innerregional produzierte Waren nachfragt, so wäre dies der Region auch längerfristig zuträglich. Ob der gesundheitstouristische Weg mit ergänzenden Angeboten der zukunftsfähig machende ist, wird insbesondere davon abhängen, in wie weit es gelingt, lokale Produzenten zu unterstützen und die Kaufkraft und somit auf längere Sicht Arbeitsplätze in der Region zu halten.

126 Quellenverzeichnis

Literaturquellenverzeichnis

• BOGG, Petra (1998): „Die wirtschaftliche Bedeutung der Festspiele Opern Air Gars“, Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien, Signatur der Universitätsbibliothek: 128697-C • HAWLIK, Susanne (1995): „Sommerfrische im Kamptal – Der Zauber einer Flusslandschaft“, Wien, Köln, Weimar; Böhlau Verlag. ISBN: 3-205-98315-7 • A.d.NÖLR - Tourismus Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Tourismus: „Kursbuch Tourismus Waldviertel“ in Zusammenarbeit mit der Tourismusregion Waldviertel und der ETB Edinger Tourismusberatung • WAWRA, H. (1985): „Regionalanalyse des Waldviertels“, Dissertation an der Universität Wien, Signatur der Universitätsbibliothek der Universität Wien: D- 25010/Hauptband

Internetquellenverzeichnis

• AEIOU online Online Enzyklopädie http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.n/n670068.htm am 14.08.2006 • AMS NÖ Arbeitsmarktservice Niederösterreich http://www.ams.or.at/neu/noe/start.html am 18.10.2006 • Beratungszentrum Gars online http://www.bzg.at/ am 19.10.2006

127 • Gars online http://www.gars.at am 18.10.2006 • Garser Einkaufsbus http://www.noe.gv.at/SERVICE/RU/Ru2/download/401_Lin.pdf am 18.10.2006 • Häusermann Online http://www.haeusermann.co.at/ am 10.08.2006 • Inforegio online Informationsseite zur Regionalentwicklung der Europäischen Union http://ec.europa.eu/regional_policy/ns_en.htm am 18.10.2006 • Klimabündnis NÖ http://www.klimabuendnis.at/niederoesterreich/ am 18.10.2006 • KSV 1870 Kreditschutzverband 1870 http://www.myksv.at/ksv_edit/KSV/de/03_news/01_pressecorner/ITF_pressemeldung en/ITF1/XML/Garser_Buhl-Bau_wird_liquidiert.html am 08.08.2006 • Leader+ Kamptal Online Homepage der Leader+ Region Kamptal http://www.telestube.poella.at/leader-kamptal/ am 14.08.2006 • map24.at Online Routenplaner mit Kartenfunktion http://map24.at/ am 18.10.2006 • Noegis online Geodatenportal der NÖ Landesregierung http://www.noe.gv.at/service/bd/bd5/noegis/service/download/bezirke_einzeln/horn.p df am 14.08.2006

128 • NÖLR – Park & Ride online http://www.noe.gv.at/SERVICE/RU/Ru7/ParkundRide.htm am 07.08.2006 • ÖBB online Online Fahrplanauskunft der Österreichische Bundesbahnen http://www.oebb.at am 18.10.2006 • Regionalmarketing im Vergleich online Ergebnisbericht zur Interdisziplinären Projektlehrveranstaltung am Institut für Agrarökonomik, Universität für Bodenkultur Wien http://www.boku.ac.at/mi/fp/texte/wald-weinviertel_final.pdf am 14.08.2006 • Statistik Austria online http://www.statistik.at • Viamichelin online Online Routenplaner mit Kartenfunktion http://www.viamichelin.com • Waldviertel online Online Informationsseite über das Waldviertel http://www.waldviertel.at/rare/Deutsch/Regionen/Kamptal/Allgemei/eroeffCo.htm am 18.10.2006 • Wikipedia online o Bezirk Horn http://de.wikipedia.org/wiki/Bezirk_Horn am 18.10.2006 o Gars am Kamp http://de.wikipedia.org/wiki/Gars_am_Kamp am 18.10.2006 • Winglhofer online http://www.winglhofer.at/kultur/rundgang/geschichte.htm am 18.10.2006 • WK NÖ – Tourismusstatistik online Wirtschaftskammer Niederösterreich – Tourismusstatistik

129 http://wko.at/wknoe/stat/tourismus%201998/FV1999.XLS am 18.10.2006 • WKO - Wirtschaftsprofil Tirol online Vergleich der Wirtschaftsprofile: Tirol, Österreich http://wko.at/tirol/statistik/A_01.pdf am 03.08.2006

Interviewquellenverzeichnis

• Telefoninterview Dungl Telfoninterview mit Fr. Petra Wagner, Mitarbeiterin der Personalabteilung der Willi Dungl Gesundheitszentren Betriebs GmbH am 09.08.06 • Telefoninterview Gars Innovativ Telefoninterview mit Fr. Andrea Walzer, Mitarbeiterin im Beratungszentrum von Gars Innovativ am 18.09.06 • Telefoninterview WK-Horn Telefoninterview mit Hrn. Dkfm. Franz Müller, Bezirksstellenleiter der Wirtschaftskammer Horn am 09.08.06 • Telefoninterview AMS Horn Telefoninterview mit Fr. Pfeiffer, der Stv. Bezirksstellenleiterin am 10.08.06 • Telefoninterview Marktgemeinde Gars Telefoninterview mit Simon Schneider, dem Leiter des Garser Bauamtes am 18.09.06 und am 27.10.06

Emailanfragebeantwortungen • NÖLR - Abt. Gesamtverkehrsangelegenheiten (RU7) Emailanfragebeantwortung von DI Thomas Aichinger am 23.10.06

130 Anhang

Berechnung des gesamtgesellschaftlichen Durchschnittsalters Das österreichische Durchschnittsalter wurde auf Basis der Volkszählungsdaten von 1981, 1991 und 2001 errechnet (siehe Abbildung 42). Zugrunde gelegt wurden dabei die Daten der verfügbaren 5-Jahres Altersklassenunterteilungen (0-4, 5-9,…,90-94 & 95+), wobei jeweils innerhalb einer Altersklasse das Durchschnittsalter berechnet wurde.

(klOG − klUG ) (1) klDA = kl kl kl 2 mit

klDAkl Durchschnittsalter der Altersklasse kl

klOGkl Altersobergrenze der Altersklasse kl

lkUGkl Altersuntergrenze der Altersklasse kl

Rechenbeispiel für die Klasse 50-54: Durchschnittsalter = (50+54)/2 = 52a

Die derart errechneten Durchschnittsalter ( klDAkl ) werden mit der Anzahl, der in der entsprechenden Altersklasse kl befindlichen Personen ( klPerskl ) multipliziert, über die alle Altersklassen kl summiert und durch die Gesamtbevölkerung ( gesPers ) dividiert.

∑ klDAkl ⋅ klPerskl (2) gesDA = kl gesPers

mit

gesDA gesamtgesellschaftliches Durchschnittsalter gesPers Bevölkerungszahl der gesamten Gesellschaft klPers Personenzahl der Altersklasse kl

131

132 Berechnung des Zeitfaktors hinsichtlich der Fahrtdauer mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln:

Der in Tabelle 5 angeführte Zeitfaktor berechnet sich wie folgt:

Zöff ZF = Zpriv mit

ZF zu errechnender Zeitfaktor Zöff schnellste Verbindung unter Einbeziehung aller verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel43 Zpriv per Routenplaner44 errechnete, durchschnittliche Reisedauer mit dem privaten Kfz

Der Zeitfaktor ZF gibt also an, wie schnell, bzw. wie langsam ausgewählte Zielorte von Gars aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Vergleich zu privaten Kraftfahrzeugen erreichbar sind. Nimmt ZF den Wert 1 an, so nehmen beide Verbindungen dieselbe Zeitspanne in Anspruch. Werte größer als 1 deuten auf einen Zeitvorteil des Individualverkehrs hin.

43 ÖBB online 44 Viamichelin online 133

Regionalprofil Montafon

Ronald Kauper Sabine Sedlacek

SILBERTAL IM MONTAFON

Institut für Regional- und Umweltwirtschaft, WU-Wien [email protected] 134

1. Einleitung

Das vorliegende Regionalprofil skizziert die sozioökonomische Situation des Montafon auf Basis eines historischen Befundes, der viele aktuelle Entwicklungen in der Talschaft erklärt und deren Besonderheit untermauert. Da die Region im Rahmen der partizipativen Untersuchung „Zukunft Montafon“ (Universität St. Gallen) aktuell beforscht wird und gemeinsame Stärken/Schwächen Profile mit den regionalen Stakeholdern erarbeitet wurden, liegt ein Schwerpunkt der vorliegenden sozioökonomischen Untersuchung auf den historischen Hintergründen. Diese historische Hintergrundanalyse gibt Aufschluss über aktuelle Entwicklungen, die dann im Rahmen einer regionalstatistischen Analyse für die Bereiche Siedlungsstruktur, Bevölkerungsentwicklung und Demographie, Ausbildung, Wirtschaftsstruktur, Arbeitslosigkeit, Pendlersituation, öffentliche Infrastruktur, Erreichbarkeit und Mobilität, Tourismus, Landwirtschaft und Politik analysiert werden.

2. Leader+ Vorarlberg

Bevor hier die sozioökonomischen Rahmenbedingungen aus historischer und aktueller Perspektive betrachtet werden, sollte im Vorhinein noch kurz das wichtigste Regionalentwicklungsprogramm für das Montafon explizit betrachtet werden: die LEADER+ Region Vorarlberg. LEADER+ ist eine Initiative der EU-Regionalpolitik zur Förderung des ländlichen Raums. In ganz Österreich gibt es insgesamt 56 LEADER+ Regionen. Das Einzigartige an dieser Region ist aber, dass fast ein gesamtes Bundesland (Vorarlberg) als LEADER+ Region fungiert. Dadurch diese Besonderheit ergeben sich einerseits Vorteile, da das Programm in einer einzigen Verantwortung steht und damit ein koordiniertes Vorgehen erleichtert wird. Andererseits sind aber auch Nachteile gegeben, da vor allem durch die Größe des Raums unterschiedliche heterogene Zielvorstellungen vorhanden sind, die im Zuge der Verantwortungszentralisierung weniger Beachtung geschenkt wird und dadurch das generelle „Bottom-Up“ Prinzip seine Wirkung verlieren könnte. Zum Beispiel wird die LEADER+ Region in vier unterschiedliche Sub-Regionen unterteile, die aller ihrerseits wieder eigene räumliche Charakteristiken aufweisen: Das Montafon, das Klostertal, das große Walsertal und der Bregenzerwald.

135 Um aufgrund der räumlichen Heterogenität angemessen reagieren zu können, wurde im regionalen Entwicklungsplan der LAG45 zwar eine gemeinsame Regionsbeschreibung und Zielentwicklung verfasst, aber regionsunterschiedliche Entwicklungsstrategien und Schlüsselprojekte ermittelt. Da in unseren Kontext das Montafon ausschlaggebend ist, wir in Folge kurz auf die geforderte Entwicklungsstrategie des Montafons eingegangen. Die beiden wichtigsten Charakteristiken aus sozioökonomischer Sicht wurden im regionalen Entwicklungsplan mit den beiden Bereichen Tourismus (vor allem Wintertourismus) und Wasser (Stromerzeugung) bezeichnet. Der Trend soll dahin gehen, dass sich einerseits der Tourismus im Einklang mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit entwickelt und andererseits das Image des Themas „Wasser“ als wichtige natürliche Ressource sensibilisiert und zugleich verstärkt werden soll. Das Schlüsselprojekt im Montafon befasst sich daher mit dem Leitthema „ Lebensquelle Wasser“, wo die touristische Umsetzung in der Praxis vollzogen werden sollen. 46

Diese Entwicklungsstruktur, aus der Verbindung von Tourismus und Wasser, wird auch hier im Regionalprofil einige Male angeschnitten und deren Bedeutung hervorgehoben. Die Analyse der sozioökonomischen Rahmenbedingungen wird sich aber nicht nur auf einige Aspekte beziehen, sondern es wird ein genereller Schwerpunkt gesetzt, wo versucht wird, dass alle möglichen Einflussfaktoren, die für das Projekt wichtig sein könnten, hier einfließen.

3. Die Region Montafon

Das Montafon ist ein hochalpines Tal, das sich über 39 km erstreckt. Das Tal wird von der Ill durchflossen und prägt dadurch die Tallandschaft, sowie die Lage der einzelnen Ortschaften. Vom Norden her wird das Montafon von der Verwallgruppe gegen das Klostertal abgegrenzt, dessen Gipfeln bis zu 2700 m.ü.M. hoch sind. Im Südosten sind Rätikon und Silvretta die herausragenden Gebirgszüge und zugleich bilden diese die Grenze zur Schweiz, bspw. im Osten zu Tirol. Der höchste Berg Vorarlbergs, der Piz Buin, befindet sich im Silvrettamassiv.47 Neben dem Montafon als Haupttal gibt es noch zwei wichtige Seitentäler: Das (über Schruns erreichbar) und das Gargellental, welches als Tourismusort einen hohen Bekanntheitsgrad aufweist. Durch die Silvretta-Hochalpenstrasse ist das Montafon neben dem Taleingang bei Bludenz von zwei Seiten zu erreichen, wenngleich diese

45 vgl. Regionaler Entwicklungsplan der LAG „Entwicklungsverein Natur- und Kulturerbe Vorarlberg“ 2001 46 vgl. Regionaler Entwicklungsplan der LAG „Entwicklungsverein Natur- und Kulturerbe Vorarlberg“ 2001, S.17, S.21f 47 vgl. Kudernatsch 1985, S.106 136 Mautstrecke im Winter gesperrt ist. Der Transitverkehr ist aufgrund der Mautpflicht und Wintersperre gering.

Insgesamt liegen zehn Gemeinden mit 17.334 EinwohnerInnen (VZ 2001) innerhalb dieses Tales – Bartholomäberg, Gaschurn-Partenen, Lorüns, St. Anton im Montafon, St. Gallenkirch, Schruns, Silbertal, , Tschagguns und (siehe Abb. 1 und 2). Die Einheimischen unterscheiden zwischen Inner- und Außerfratte, sowie inneres und äußeres Montafon. Als Fratte bezeichnet man die Talenge bei den Weiler Mauren südöstlich von Schruns. Die geographische Entfernung zum Talausgang dient als Definitionsmaß für die Bezeichnung des inneren (ca. ab St. Gallenkirch) und des äußeren Montafons (bis Schruns). Das wirtschaftliche, touristische und soziale Zentrum im Montafon ist Schruns, der größte Ort des Tals und Endstation der Montafoner Bahn.

Abbildung 55: Lage des Montafons

(Quelle: www.viamichelin.com)

137

Abbildung 56: Das Montafon

(Quelle: Stand Montafon)

3.1 Klimatische und morphologische Besonderheiten des Montafon Das Montafon ist im Vergleich zum übrigen Vorarlberg niederschlagsärmer, ein Umstand, der die natürliche Vegetation und jene vom Menschen bewirtschaftete landwirtschaftliche hochalpine Flächen durch Besonderheiten auszeichnet. In der Landwirtschaft können im Montafon trotz der Höhenlage Getreidesorten von je her angepflanzt werden – aus dem Montafon kennt man Getreide - Ursorten, die beispielsweise aktuell im Waldviertel kultiviert werden. Morphologisch hervorzuheben sind die steilen Hänge, die direkt an die Talsohle anschließen. Plateaus finden sich daher erst in höheren Lagen, wodurch die Alpbewirtschaftung im Montafon in höheren Lagen zu finden ist.

138

Abbildung 57: Ansicht der steilen Hänge im Anschluss an die Talsohle (Quelle: Kiermayr-Egger 1992, S. 16)

„Besonders im Montafon prägt noch Laubwald die unteren Talflanken. Aufgrund des vorherrschenden Silikats sind es Sauerbodenbuchenwälder, stellenweise aber auch Lindenwälder und Ahornwälder. Auffällig ist im Montafon der abrupte Übergang vom Laubwald zum hochmontan subalpinen Fichtenwald mit eingestreuten Tannenvorkommen. Lärchen-Zirbenwälder fehlen fast vollständig, müssen aber aufgrund der vielen Fragmente und "Restlingen" weit verbreitet gewesen sein. Der Holzbedarf des ehemaligen Bergbaues, besonders aber die intensive und möglicherweise schon prähistorische Alpnutzung hat sie fast vollständig verschwinden lassen. In einigen Gebieten wie dem Inneren Silbertal bedecken dichte Silikatlatschenfelder die Talhänge, teilweise nachgewiesenermaßen als Folge ehemaliger Brandrodungen.“48

4. Die sozioökonomische Dimension des Montafon aus historischer Perspektive49 „Gerade das Unerschlossene, das Überkommene, das Noch-gut-Erhaltene, die Idylle faszinierte die Touristen…..Ein solches, damals noch beinahe ‚unentdecktes’ Tal war das Montafon am Ende des 19. Jahrhunderts, als es von den Touristen ‚entdeckt’ wurde. Zu

48 Albrecht http://www.vorarlberg.at/vorarlberg/umwelt_zukunft/ umwelt/natur-undumweltschutz/daten_fakten/naturraumvorarlberg.htm 49 Dieser Abschnitt basiert vorwiegend auf Kiermayr-Egger 1992. 139 diesem Zeitpunkt war aber das Montafon längst nicht mehr autark, sondern schon seit Jahrhunderten in überregionale Strukturen eingebunden.“50 Ausgehend von diesem trefflichen Zitat muss festgehalten werden, dass das Montafon historisch gesehen große Bedeutung im Bereich des Bergbaus hatte. Während des Mittelalters wurde Eisen, Kupfer und Silber abgebaut. Die Erzgewinnung ermöglichte auch die Gründung von dauerbesiedelten Orten – der erste war Bartholomäberg. Der expandierende Bergbau zog Siedler aus weiter entfernten Regionen an. Die wirtschaftliche Bedeutung des Bergbaus wurde dann im 15. Jahrhundert von den Habsburgern genutzt. Mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne zu Beginn des 19. Jahrhunderts (1804-1814 unter bayrischer Herrschaft) war das Montafon von da an immer zu Österreich gehörig. Nach der Blüte des Bergbaus war vornehmlich die Land- und Forstwirtschaft dominant und viele Bewohner des Montafon gezwungen als Saisonarbeiter das Tal über weite Strecken des Jahres zu verlassen. Die Land- und Forstwirtschaft hatte bereits in römische rund vorrömischer Zeit enorme Bedeutung, da das Tal zu dieser Zeit wesentlich stärker bewaldet war. Die Dauerbesiedlung setzte hingegen erst im Hochmittelalter ein und war durch eine geringe Kontrolle der Landes- und Grundherren bestimmt, ein Umstand, der den Einwohnern des Montafon Rechte einräumte, die es beispielsweise im Bregenzerwald nicht gab. Die spätere Besiedelung erfolgte hauptsächlich durch die Walser, die über den Rätikon und die Silvretta in das Montafon einzogen und auf die dort ansässigen aus unterschiedlichen Regionen stammenden Siedler trafen. Aus der gemischten germanischen, romanischen und Walser Besiedelung entwickelte sich ein ganz besonderer Charakter des Montafons, der bis ins 18 Jahrhundert vorherrschend war.

4.1 Autarkiewirtschaft Charakteristisch für das Montafon war eine ganz spezifische Autarkiewirtschaft, die einer nachhaltigen Entwicklung im heutigen Sinn sehr ähnlich erscheint. Die Einwohner des Montafon versorgten sich über eigenen Ackerbau (insbesondere Getreideanbau) und Tierhaltung – beides wurde ausschließlich für den Eigenbedarf angebaut bzw. gezüchtet. Die Tierhaltung war durch die topographischen Ausprägungen immer bedeutender als der Ackerbau, der klimatisch weniger begünstigt war. Die Bergbauern des Montafons entwickelten im 13./14. Jahrhundert ein optimales Bewirtschaftungssystem, welches auf einem dreistufigen jahreszeitlichen Siedlungswechsel beruhte und bis ungefähr 1800 erhalten blieb. Die Dauersiedlung (‚Hemat’), die teilweise für den Aufenthalt im Winter und den

50 Kiermayr-Egger 1992, S. 15 140 Ackerbau im Sommer diente. Die ‚Maisäß’51, die im Frühling und im Herbst für die Viehweide diente und im Sommer das Heu gewonnen wurde. Die Alpen52 beheimateten das Vieh während des Frühsommers. Auf diese Weise entwickelte sich eine halbnomadische Siedlungsweise, die den Familienverband zu einer zwei- bis dreistufigen Pendelwanderung zwang. Die Bewirtschaftung der Alpen wurde erst später mit der Ausweitung der Rinderzucht zu einem eigenen Beruf – vorwiegend für Männer.

Die Nutzung der Alpen hatte lange Zeit positive Auswirkungen auf den Boden, der durch die stetige Nutzung gefestigt wurde. Im Laufe der Zeit wurden neue Alpen durch umfangreiche Rodungen geschaffen, wodurch sich der ursprünglich stark bewaldete Charakter des Montafon weitestgehend verändert hat. Dennoch hat sich aufgrund der Topographie eine kleinräumige Kulturlandschaft gebildet, die durch kulturelle Traditionen geprägt war. Die Autarkiewirtschaft zog den Zwang der stetigen Bewirtschaftung nach sich, der jedoch die Grenzen der Übernutzung nicht überschreiten durfte – ein dem nachhaltigen Wirtschaften entsprechendes Credo. Interessant ist die Entwicklung eigener Beschränkungsmechanismen, die die Bauern aufgrund ihrer Erfahrungen bei der Bewirtschaftung des Bodens entwickelten – so zum Beispiel die Alpbriefe. Die Alpbriefe entsprechen den Grundsätzen der Allmende, d.h. es wurde festgelegt wie viele Tiere auf der betreffenden Alpe weiden durften. Gleichzeitig wurde auch die Zahl der Arbeitsstunden in Relation zum aufgetriebenen Vieh festgelegt (‚Gmewerch’ = Gemeindetagewerk53). Die entspricht festgelegten gemeinsamen Verpflichtungen zum Erhalt der Alpe und zur Verhinderung der Übernutzung.54

Wie bereits erwähnt war Bedeutung des Ackerbaus im Vergleich zur Viehwirtschaft geringer, dennoch war gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Anteil der Ackerfläche (11,8% der Ackerflächen Vorarlbergs lagen 1887 laut Vorarlberger Landwirtschaftsverein im Montafon) verglichen mit dem weitaus leichter zu bewirtschaftenden Bregenzerwald (0,8%) bedeutend höher. Für die Eigenversorgung wurde lange Zeit Getreide, Flachs und Tabak angebaut. Insbesondere der autarke Getreideanbau hat für den Erhalt traditioneller Getreidesorten

51 Maisäße sind dorfartige Siedlungen auf etwas höher gelegenen Plateaus zwischen Heimgut und Alpe. Sie diente als Weide und zur Heugewinnung im Frühjahr und im Herbst. Man unterscheidet zwischen ‚offenen’ mit ungeteilter Allmendenutzung und ‚geschlossenen’ .Maisäßen mit nach Besitzern aufgeteilter Heufläche, aber gemeinsamer Weide (Kiermayr-Egger 1992, Seite 65). 52 Die Alpen haben eine alte Rechtsform, die ursprünglich die gemeinsame Bewirtschaftung ungeteilter Anteile regelt, wobei nur Benutzungsrechte vergeben werden, keine Eigentumsrechte (entspricht einer ungeteilten Allmende). Heute sind die meisten Allmenden geteilt, die Alpen und Maisäße im Montafon unterliegen nach wie vor der gleichen Rechtsform. Im Wesentlichen handelt es sich hier um eine bäuerliche Selbstverwaltung. (Kiermayr-Egger 1992, Seite 53). 53 Kiermayr-Egger 1992, S. 20 54 siehe auch Tragedy of the commons - die Allmendetragödie nach Hardin 1969 141 (Mengfrucht in verschiedenen Zusammensetzungen – in Tschagguns (1853) Gerste und Hafer vermischt; in Bartholomäberg (1853) Roggen mit Hafer vermischt, St. Gallenkirch (1853) Roggen und Gerste vermischt) gesorgt, welche nun in anderen Regionen Österreichs aufgrund ihrer Robustheit vorwiegend im biologischen Landbau rekultiviert werden, so zum Beispiel Binkelweizen (älteste Weizensorte der Alpentäler, die in Silbertal angebaut wurde) im Waldviertel (z.B. Waldland). Auf diese Weise wird ein wertvoller Beitrag in Richtung nachhaltige Regionalentwicklung auf Basis lang erhaltener Traditionen geleistet. Im Montafon wurden aufgrund des autarken Getreideanbaus bis nach dem Zweiten Weltkrieg Mühlen betrieben, so zum Beispiel in Innerberg. Die Spezialisierung auf Mischfruchtanbau kommt ursprünglich aus Graubünden, die Mischsorten sind widerstandsfähiger und lagerfähiger als reine Sorten.

Gegen Ende des Mittelalters trat eine zunehmende Verstädterung ein, die eine Bevölkerungszunahme nach sich zog. Dies hatte eine erhöhte Nachfrage an Getreide zur Folge, wodurch weitere Regionen für den Getreideanbau genutzt wurden. Aus diesem Grund wurde der Getreideanbau in den Alpen zunehmend unrentabel, da aufgrund neuer Handelsverbindungen Getreide in die bisher autarken Alpentäler importiert werden konnte. Ab diesem Zeitpunkt dehnte sich in den Alpen die Viehwirtschaft aus, deren Produkte in die Städte und Märkte verkauft werden konnten. Dies brachte eine vorübergehende wirtschaftliche Stabilität in die alpinen Regionen Vorarlbergs und damit auch in das Montafon. Diese wirtschaftliche Stabilität wird in der Literatur als wesentliches Element der ländlichen sozialen und kulturellen Identitätsbildung unter den Bewohnern gesehen.55 Das 15. und 16 Jahrhundert brachten Einbußen im Ackerbau aufgrund von klimatischen Veränderungen mit sich – ein Umstand der die Viehwirtschaft weiter stärkte, aber zugleich die Abhängigkeit vom Vieh-, Käse-, Fleisch- und Schmalzhandel nach sich zog, der in den Städten konzentriert war. Langsam vollzog sich am Beginn des 17. Jahrhunderts der Wandel von der Autarkiewirtschaft hin zur Marktwirtschaft. Dieser Wandel war vor allem durch die erhöhte Bedeutung des Viehhandels und die Abhängigkeit zu den Städten manifestiert. Daraus entwickelten sich neue Problemfelder, so waren viele Bauern zu dieser Zeit hoch verschuldet, eine Bürde, die über Generationen oftmals übertragen wurde. In weiterer Folge verstärkte dieser Umstand der Verschuldung die Abhängigkeit zu den umliegenden Städten Bludenz und Feldkirch. Immer wieder wurde im 17. und 18. Jahrhundert versucht eine

55 u.a. Chernie 2001, Collier and Thomas 1988, Giddens 1997, Keating, Loughlin and Deschouwer 2003 142 Erlaubnis für einen Viehmarkt im Montafon zu bekommen. Erst unter Maria Theresia erhielt das Montafon im Jahr 1752 das Privileg zweimal jährlich einen Viehmarkt abzuhalten. Die im übrigen Vorarlberg wirtschaftlich bedeutende Fettsennerei56 konnte sich im Montafon kaum durchsetzen, da die Alpwirtschaft bis ins frühe 19. Jahrhundert von Frauen durchgeführt wurde, ein Umstand der von der Kirche durch zahlreiche Beschwerden angekämpft wurde. Durch die Verhinderung der moderneren Talsennereien (‚Käsefabrikation’) blieb die Butter- und Milchherstellung auf den Alpen fest in weiblicher Hand und bewahrte sich dadurch den autarken Charakter. Auch in der Viehzucht hatte das Montafon gegenüber den Ballungsräumen das Nachsehen. Ein eindringliches Beispiel hierfür ist das Montafoner Braunvieh, eine aus dem Montafon stammende preisgekrönte qualitative Rinderrassenzüchtung, die sich zu Beginn als lukrative Nische für die Bauern herauskristallisierte, jedoch nach einiger Zeit vom Allgäu und dem Rheintal übernommen wurde. Die Gründe lagen vorwiegend in der effizienteren Züchtung und einer explosiven Steigerung der Milchleistungen und letztlich der professionelleren Vermarktung von Milchprodukten in den Ballungsräumen. Bereits im 17. und 18. Jahrhundert war das Montafon in überregionale Strukturen eingebunden. Diese überregionale Verflechtung führte zu einer sukzessiven Zunahme der Bevölkerung (z.B. die Parzelle ‚Buchen’ der Gemeinde Silbertal hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts 120 Bewohner und eine Schule mit 31 Schülern, bereits 1930 lebten nur noch 19 Personen dort und es gab nur noch 3 Schüler). Die Zunahme der Bevölkerung zog Teilungen der landwirtschaftlichen Betriebe nach sich, wodurch die Betriebsgrößen rapide reduziert wurden. Als Folge konnten die landwirtschaftlichen Betriebe ihre eigenen Familien nicht mehr ernähren. Dies war das Ende einer gut funktionierenden Autarkiewirtschaft und der Beginn der heute intensiven Pendlerverflechtungen, die zu Beginn als saisonale Auswanderung Einzug fand. Ein wichtiger Grund für die lange erhalten gebliebene Autarkiewirtschaft war die schlechte Erreichbarkeit des Montafon. Die Landwege waren schlecht ausgebaut, aber auch die durch den Schmuggel überregional bedeutenden Saumpfade über die Alpenpässe waren nur schwer zugänglich. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden Straßen, die mit Fuhrwerken und Kutschen gut befahrbar waren. Der Bahnbau gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachte erste Verbesserungen der Transportverhältnisse. Im Jahr 1898 fand die Gründungsversammlung der Montafonerbahn-Aktiengesellschaft statt, im Rahmen dessen der Bau der ersten elektrisch betriebenen Schmalspurbahn in der Monarchie beschlossen wurde,

56 In Vorarlberg befindet sich heute rund ein Drittel der österreichischen Molkereien (Stand 2004: 32 Molkereien in Vorarlberg; 99 in Gesamtösterreich – Quelle: Amt der Vorarlberger Landesregierung 2005). 143 die im Jahr 1905 in Betrieb genommen wurde. Bereits 1910 und 1912 musste der Betrieb wegen erheblicher Hochwasserschäden vorübergehend eingestellt werden.

4.2 Die Saisonale Auswanderung Die saisonale Auswanderung lässt sich im Montafon in drei Gruppen gliedern: 1. Landwirtschaft oder Nebengewerbe der Landwirtschaft bis 1900: Hier steht die Tätigkeit in einem engen Verhältnis zur Landwirtschaft. Ein Beispiel hierfür sind die Wildheuer (Heuarbeiter), die bei Prätigauer Bauern zum Heuen der hochgelegenen Grashänge aushalfen. Diese Saisonarbeiter waren einem großen Risiko ausgesetzt, es kam immer wieder zu tödlichen Unfällen. Weitere Beispiele sind Erntehelferinnen, Ährenleserinnen und Hopfenpflückerinnen. Diese Saisonwanderer zogen immer in größeren Gruppen aus und verbrachten die Arbeitszeit gemeinsam und kehrten auch gemeinsam ins Montafon zurück. 2. Sensenhändler, Maurer und Krauthobler (handwerklich-zünftische Phase): Die Erzeugnisse dieser Arbeiter stammten ursprünglich aus dem bäuerlichen Nebengewerbe und wurden auch im Montafon erzeugt. Dies gilt für die Sensenhändler, die dann in einer späteren Phase industriell gefertigte Sensen kauften. Die Sensenhändler wanderten auch gemeinsam aus. Die Maurer und Krautschneider sind die ältesten Saisonwanderer, es waren meist hoch verschuldete Bauern, die zur Saisonwanderung gezwungen wurden. Die Krauthobler gab es ausschließlich im Montafon. 3. Maurer, Verputzer und Gipser (Handwerksphase): Diese Gruppe der Saisonwanderer geht auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück und definierte sich erstmals nicht mehr als Bauern, die eine Nebentätigkeit ausüben müssen, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, sondern als Handwerker. Die übrigen Familienangehörigen führten die landwirtschaftlichen Betriebe selbständig weiter. Dies war auch notwendig, da die Handwerker während der sogenannten Hauptarbeitszeit der Bauern in der Ferne waren und nur im Winter im Montafon weilten. Auch die Dauer des Aufenthaltes war dementsprechend länger als bei den beiden anderen Gruppen, so blieben viele dieser Handwerker oftmals länger als ein halbes Jahr. Viele dieser Saisonarbeiter blieben auch mehrere Jahre und holten ihre Familien zu sich. Der Kontakt zum Montafon blieb jedoch auch während dieser Zeit aufrecht – ein klares Zeichen für eine hohe regionale Identität.

144 Exakte Zahlen über die Saisonwanderung gibt es leider keine – aus dem Jahr 1835 ist bekannt, dass jährlich 1.200 Männer, 900 Frauen und 400 Kinder das Tal verließen (insgesamt gab es 8.650 Personen im Montafon). Die wirtschaftliche Notwendigkeit der saisonalen Wanderung wurde bereits erörtert. Festzuhalten ist, dass die saisonale Wanderung mit Sicherheit eine größere Welle der Abwanderung abgehalten hat.

Die wichtigsten sozioökonomischen Auswirkungen der saisonalen Wanderung sind die zeitliche Verzögerung des Rückgangs der Landwirtschaft im Montafon und die Tatsache, dass die landwirtschaftlichen Betriebe hauptsächlich von Frauen und Kindern geführt wurden. Die Belastung durch die Arbeit in der Landwirtschaft war enorm hoch, da dieselbe Arbeit ohne männliche Hilfe geleistet werden musste, wie vor der saisonalen Wanderung.

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Abbildung 58: Montafoner Kinder als Saisonarbeiter (Quelle: Kiermayr-Egger 1992, S. 35)

146 4.3 Das Alpvolk Zum sogenannten Alpvolk zählen die Hirten, die später zu Sennen wurden. Das Image der Hirten ist ambivalent, einerseits galten sie von jeher als unehrlich und damit sozial niedrig stehend, andererseits hielt man große Stücke auf deren Fähigkeiten wie zum Beispiel dem Heilen von Tieren. Die Hirten haben sich aufgrund ihrer gesellschaftlichen Ausgrenzung untereinander in Zünften gut organisiert. Die Entlohnung erfolgte nach Angebot und Nachfrage am bäuerlichen Arbeitsmarkt, außerdem wurde ein Viehverlust mit Lohneinbußen bestraft, wodurch oftmals kaum ein Lohn übrig blieb. Im Winter wurden die Hirten nicht gebraucht, dieser saisonale Lohnverlust führte zu einer weiteren sozialen Schwächung dieser Berufsgruppe. Die Alternativen waren Taglöhnerei oder einfach nur Betteln. Im 19. Jahrhundert zählten ungefähr 6% der Bevölkerung im Montafon zum Alpvolk, dazu zählten auch Frauen, Burschen und Mädchen. Die Hirten arbeiteten meistens Jahre bis zu Jahrzehnten auf derselben Alpe, zumeist gab es verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Kleinhirten und Sennen oder Großhirten, wodurch das Hirtenamt für eine bestimmte Alpe in einer Familie blieb. Die Bedeutung der Hirten blieb bis ins frühe 20. Jahrhundert erhalten, so waren im Jahr 1928 immer noch 4,3% der Bevölkerung dem Alpvolk zugehörig. Heute wird es zunehmend schwieriger überhaupt jemanden zu finden, der bereit ist die schwere Arbeit eines Hirten oder Senners auf sich zu nehmen.

4.4 Forstwirtschaft Im Montafon liegt der Wald in Besitz einzelner Gemeinden, die über den Forstfonds des Standes Montafon (siehe Kapitel 5) gemeinsam den Wald verwalten. Im Jahr 1832 erwarb der Montafoner Landstand die „Standeswaldungen“, womit er zum größten Wald- und Gutsbesitzer Vorarlbergs mit 8.461ha wurde.57 Dies ist auch der Grund, warum der Montafoner Stand als einziger von 24 Vorarlberger Landständen bis heute erhalten blieb. Aufgrund der ständischen Besitzstruktur gibt es im Montafon kaum Gemeindewald. Eine Erhebung des Waldes im Jahr 1920 ergab einen starken Rückgang des Waldes besonders an der oberen Waldgrenze, der durch die Servitutsrechte der Alpen auf Waldflächen begründet werden konnte. Die Nutzung des Waldes erfolgte aufgrund alter Berechtigungen vor allem durch Private, die Brennholz schlägerten. Heute liegen die Waldflächen fast ausschließlich über 1.100 Meter Seehöhe, woraus eine schwierige Bewirtschaftung resultiert. Der Wald besteht zu 84% aus Schutzwald mit Ertrag

57 vgl. Stemer 1996, Kiermayr-Egger 1992 147 und 8% ohne Ertrag, aus 6% Wirtschaftswald und 2% Wirtschaftswald mit Schutzfunktion.58 Die hohe Schutzfunktion des Waldes ist dadurch begründbar, dass im Bezirk Bludenz ungefähr 70% der Gesamtfläche wildbach- und lawinengefährdet sind. Der Wald ist durchschnittlich 150 Jahre alt, wodurch eine ständige Verjüngung notwendig ist.

4.5 Die Entstehung und Weiterentwicklung des Tourismus Der Beginn des Tourismus im Montafon setzte wie überall im hochalpinen Gebiet relativ spät etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Die damaligen Reisenden kamen aus den städtischen Ballungsgebieten und suchten Erholung in einer für sie unbekannten und unberührten Naturlandschaft. Der verklärte Blick auf die Landschaft wurde durch die Bezeichnung „Alpenpark“ manifestiert.59 Diesen romantischen Zugang zur Landschaft hatten die Touristen auch gegenüber der ansässigen Bevölkerung. Die Touristen der damaligen Zeit waren vorwiegend zu Fuß unterwegs, um die Landschaft entsprechend erleben zu können. Das Bergsteigen als eine frühe Form des alpinen Tourismus entwickelte sich zu Beginn ausschließlich als elitäre sportliche Herausforderung. Die ersten Alpinisten waren Engländer, die sehr früh aus deren industriell dominierter Landschaft in eine unberührte Naturlandschaft entflohen. Zur gleichen Zeit vollzog sich in der Schweiz, vornehmlich im Wallis und in Graubünden, eine Welle von Erstbesteigungen durch Schweizer Bergsteiger. Bald darauf wurde der Schweizer Alpenclub gegründet, deren Mitglieder viele Erstbesteigungen dokumentierten. Das Wesen des frühen Bergsteigens war somit direkt an sportliche Höchstleistungen mit Pioniercharakter geknüpft. Die Bergsteiger waren auf ortskundige Einheimische angewiesen, die als Bergführer angeheuert wurden – ähnlich wie heute im Himalaja Gebiet. Erst gegen 1870 gibt es Aufzeichnungen über führerlose Besteigungen. Die Bergführer waren zu Beginn hauptsächlich Hirten oder Jäger, die über eine ausgezeichnete Ortskenntnis verfügten. Erst nach und nach wurden Führerpatente entwickelt, die den Bergführer als eigenen Berufsstand auszeichneten. Die Ausbildung wurde vor allem durch den DÖAV (Deutsch-Österreichischer Alpenverein) kontrolliert und geregelt. Die alpinen Vereine waren ursprünglich elitäre Sportvereine, wie beispielsweise der britische Alpine Club, der nur Mitglieder aufnahm, die bereits alpinistische Leistungen vorzeigen konnten. Der Österreichische Alpenverein wurde im Jahr 1862 in Wien gegründet und war auf bürgerliche Kreise ausgerichtet, die Bergsteigen zu ihrem Hobby machten. Dennoch verstand sich der Österreichische Alpenverein zu Beginn als wissenschaftlicher Verein, der

58 vgl. Stemer 1996 59 vgl. Bätzing 1991, 136ff 148 nur Einzelmitglieder aufnahm. Die Bildung von Sektionen im Sinne von Teilorganisationen war dadurch nicht vorgesehen. Daher traten viele Vorarlberger Bergsteiger dem DAV (Deutscher Alpenverein) bei, der auch die Sektion Vorarlberg im Jahr 1869 gründete. Im Jahr 1873 wurden der DAV und der ÖAV zum DÖAV (Deutsch-Österreichischer Alpenverein) vereint. Die einzelnen Sektionen gründeten nach und nach Schutzhütten, die ihren Sektionen angegliedert waren. Die meisten Schutzhütten in Vorarlberg gehörten nicht der Vorarlberger Sektion. So blieben die deutschen Namen bis heute erhalten, z.B. Wiesbadner-, Saarbrückner, Tübingerhütte in der Silvretta. Die Sektionen teilten sich die interessanten alpinen Gebiete untereinander auf. Insgesamt wurde durch die Erschließung der Schutzhütten auch die alpine Infrastruktur (alpine Steige, etc.) verbessert, wodurch auch breitere Massen die Alpen erkundeten. Allerdings ist festzuhalten, dass die Gasthäuser und Hotels in den Tälern relativ wenig in diese erste Tourismuswelle eingebunden waren, wodurch sich auch keine relevante touristische Infrastruktur zu dieser Zeit entwickelte. Die eigentliche touristische Erschließung des Montafons erfolgte über die Sommerfrische, die weder auf bestimmte Altersgruppen noch ausschließlich nur auf Männer fokussiert war. Breite Gesellschaftsschichten kamen zur Sommerfrische ins Montafon, wodurch die Sommersaison (Juli bis September) lange Zeit traditionell stärker frequentiert war als die Wintersaison. Diese Form des Tourismus bedingte auch den Ausbau einer touristischen Infrastruktur. Mit der Sommerfrische wurden auch die Bewohner und Bewohnerinnen des Montafon erstmals in ihrer Lebensweise beeinflusst. Nach und nach wurden auch Reisehandbücher über das Montafon verfasst, wodurch die Bekanntheit dieses Tales rasant zunahm.

Die positive Entwicklung des Sommertourismus im Montafon hat in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg auch der Abwanderung Einhalt geboten, da der Tourismus eine lukrative Einnahmequelle für die hauptsächlich in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung darstellte. Der Tourismus trieb auch die Verbesserung der allgemeinen technischen Infrastruktur voran, so ging zum Beispiel die Elektrifizierung von den Gastwirten in Gaschurn im Jahr 1904 aus. Der Ausbau der Spazierwege für die Sommerfrischetouristen wurde durch den Verschönerungsverein organisiert, der bereits im Jahr 1885 in Gaschurn gegründet wurde. Über eine adäquate Infrastrukturausstattung für Touristen (Gasthäuser, Gästebetten unterschiedlicher Kategorien, Arzt, Postverbindung, Spazierwege, etc.) verfügte nur Schruns vor dem Ersten Weltkrieg. Die Saison dauerte zu dieser Zeit nur von Juli bis Ende September.

149 Der Beginn des Wintertourismus geht auf die Jahrhundertwende zurück, in dieser Zeit wurden einige Alpenvereinshütten auch wintertauglich. Die Ausbildung der Bergführer als Schiläufer und die militärische Anwendung des Schilaufes ebneten den Weg zur Verbreiterung dieses Sports. Da es bis in die Dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts keine Aufstiegshilfen gab, war das Schilaufen wie das Bergsteigen jenen vorbehalten, die die entsprechende körperliche Konstitution und Kondition aufwiesen. Erst mit den ersten Aufstiegshilfen entwickelte sich die schirelevante Infrastruktur, so gab es beispielsweise in Gargellen die ersten Schikurse (1925) und es wurde dort eine der ersten Schischulen (1930) gegründet. Insgesamt blieb der Schisport allerdings bis nach den Zweiten Weltkrieg im Montafon durch fehlende Aufstiegshilfen eher bedeutungslos. Die Wintersportclubs, so zum Beispiel jener in Schruns widmeten sich vorwiegend dem Rodeln.

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Abbildung 59: Bergführer im Montafon um 1900 (Quelle: Kiermayr-Egger 1992, S. 89)

151 Mit dem Ersten Weltkrieg erfuhr der Alpentourismus im Montafon wie in allen anderen Regionen einen erheblichen Einbruch. Diese Krise des mitteleuropäischen „Belle-Epoque“ - Tourismus war im Wesentlichen durch die gesellschaftlichen Veränderungen im Bereich der sozialen Eliten bedingt und wirkte sich auf die Struktur des Tourismus nach dem Weltkrieg aus. Von den direkten Auswirkungen in der gehobenen Hotellerie waren vorwiegend die Nobelorte in der Schweiz betroffen. Das Montafon blieb von diesen Auswirkungen verschont und konnte nach dem Ersten Weltkrieg den Tourismus in derselben Form wieder aufnehmen. Diese erste Phase des alpinen Tourismus war somit handwerklich geprägt und es handelte sich um nachfragegesteuerte Individualpakete, die keine Übernutzung der Landschaft und keine vehementen Eingriffe in die Natur nach sich zogen. Eine eher industriell geprägte Entwicklung vollzog sich somit erst in der Zwischenkriegszeit mit der Produktion von Sportgeräten, wie Schi, Bindungen etc. in Vorarlberg. So entstanden eigene Industriebetriebe wie z.B. die Wagnerei Kästle in . Die Zwischenkriegszeit war eine erste Hochblüte des Tourismus in Vorarlberg, da der Fremdenverkehr erstmals zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor heranwuchs. Allerdings lassen sich zwei Strukturmerkmale identifizieren, die sich später zur einer strukturellen Schwäche im Tourismus entwickelten. Einerseits wurden hauptsächlich Privatzimmer60 angeboten, die von der Wirtschaftskrise in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts stärker betroffen waren, als die gewerblichen Betriebe. Andererseits entwickelte sich eine einseitige Ausrichtung auf deutsche Gäste, die ungefähr zwei Drittel aller Gäste ausmachten. So musste man große Anstrengungen investieren, um Gäste aus anderen Ländern zu akquirieren. In den späten Dreißigerjahren nahm der Anteil des Wintertourismus in Vorarlberg sukzessive zu und erreichte etwa 50%, womit eine Ausdehnung auf zwei Saisonen erreicht wurde.61 Das Montafon profitierte von dieser Entwicklung. Der Tourismus konnte einerseits die Saisonwanderung vollkommen ersetzen und den Rückgang der Landwirtschaft kompensieren62. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf das sozioökonomische Gefüge im Tal, welches vor allem über veränderte Werthaltungen und damit einhergehend mit äußerlichen Erscheinungsformen, wie einer städtisch angepassten Kleidung zum Vorschein

60 Ende der 1970er Jahre waren 60% aller Fremdenverkehrsquartiere in privater Hand (ÖIR 1979a, S. 32) 61 vgl. Kiermayr-Egger 1992, S. 113 62 Es veränderte sich dadurch die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe langfristig, so waren in den 1970er Jahren bereits etwa 78% Nebenerwerbsbetriebe, etwa 45% aller Bergbauernbetriebe des Montafon vermieteten Privatzimmer (Kiermayr-Egger 1992). Dies brachte erhebliche Einkommenssteigerungen, allerdings zu Lasten der Frauen. 152 trat.63 Insgesamt begann in dieser Zeit eine Veränderung der regionalen Identität, die sich bis heute in der Einstellung gegenüber dem Tourismus niederschlägt.

Abbildung 60: Die Winterverhältnisse im Montafon (Quelle: Kiermayr-Egger 1992, S. 114)

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Phase der infrastrukturellen Erschließung des hochalpinen Gebietes, einerseits der Ausbau der Schiliftinfrastruktur und andererseits der Ausbau der Straßeninfrastruktur. Damit gingen zwei wesentliche Impulse im Montafon einher, die schlagartige Zunahme der Touristen und der einheimischen Bevölkerung, die zwischen 1951 und 2001 um etwa 48% zunahm.64 Der Sommertourismus war bis 1981 immer dominanter als der Wintertourismus (Winter 1996/70: 10.714 Betten, Sommer 1970: 11.757; Winter 1977/78: 15.832, Sommer 1978: 16.70065), wobei allerdings Nächtigungszunahmen ausschließlich im Winterhalbjahr zu verzeichnen waren66, gab es eine Verdoppelung der Nächtigungen im Zeitraum 1969/70-1977/78). Bereits Ende der 1970er Jahre gab es „mit 17.000 Gästebetten erheblich mehr Schlafplätze für Touristen als dauernd im Tal ansässige Einwohner“67. Bis Anfang der 1980er Jahre nahm der Tourismus insgesamt kontinuierlich zu,

63 vgl. Schöttler 1991 64 vgl. Statistik Austria 65 vgl. ÖIR 1979a, S. 31 66 laut ÖIR 1979a, S. 40 67 Bernt 1996, S. 10 153 danach stagnierte aufgrund der Rückgänge im Sommertourismus trotz gleichzeitiger Steigerung des Wintertourismus der Tourismus anhaltend. Diese Trendwende, die vor allem neben der vom Land in Auftrag gegebenen Studie des ÖIR68 auch durch bereits in den 1970er Jahren aufkommende kritische Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Tourismus unterstützt wurde, führte zu einem umfassenden Umdenkprozess im Montafon. Es wurden nach dieser Studie viele projektierte Neuerschließungen von Schigebieten nicht durchgeführt69. Trotz dieses anfänglichen Ausbaurückganges stieg der Wintertourismus mit Ausnahme zweier Zeitpunkte (1992 und 1996) kontinuierlich an, so dass im Montafon heute die Winternächtigungen etwa dreimal so hoch liegen wie die Sommernächtigungen, wodurch man heute durchaus von einer dominierten Wintertourismusregion sprechen kann70 (siehe Kap. 6.9). Festzuhalten ist, dass das Montafoner Schiangebot seit 1980 an Attraktivität zugelegt hat, einerseits über modernere Anlagen und andererseits über Kapazitätserweiterungen. In der Summe konnte das Montafon damit gegenüber anderen österreichischen Wintersportdestinationen wettbewerbsfähig bleiben.

Nach Bernt71 gab es in den 1970er Jahren bereits erhebliche strukturelle Probleme im Montafon, die sich aus regionalökonomischer und sozioökonomischer Sicht negativ auswirkten: • Die hohe landschaftliche Attraktivität als wichtigste Grundlage des Tourismus erschien vor allem durch fortschreitende Siedlungsausweitung, Verkehrs- und Tourismuserschließung sowie Rückgang der landwirtschaftlichen Flächenbewirtschaftung ernstlich gefährdet. • Eine intensive energiewirtschaftliche Nutzung der Wasserkraft brachte eine erhebliche Landschaftsbelastung mit sich. • Die Verkehrsbelastung war bereits gravierend, besonders an Spitzenwochenenden des Schiausflugsverkehrs sowie an schönen Sommertagen mit starkem Verkehr zur und von der Silvretta-Hochalpenstraße.

68 siehe ÖIR 1979a+b 69 „Im Zeitraum 1975/76 – 1979/80 entstanden nur 6 neue Seilbahnanlagen und die Transportkapazität erhöhte sich weniger als halb so stark wie in Österreich insgesamt. In den frühen 1980er Jahren trat dann ein Nachziehschub ein, der im zweiten Teil des Jahrzehnts in eine starke Entwicklungsabflachung überging. Im Zeitvergleich 1975/76 – 1994/95 hat die Zahl der Seilbahnanlagen um 29 zugenommen (+52%), viel stärker als in Österreich insgesamt (+13%), wo die Zahl der Anlagen seit längerer Zeit sogar rückläufig ist.“ (Bernt 1996, S. 11). 70 „Das Winter-Sommer-Verhältnis der Nächtigungen hat sich im Montafon von einem leicht sommerdominanten (41:59) in ein ausgesprochen winterdominantes (63:37) gewandelt.“ (Bernt 1996, S. 12). 71 Bernt 1996, S. 11 154 • Aus dem regionalen Arbeitsmarkt kam es zu einem wachsenden Überangebot an Arbeitsplätzen in der Tourismuswirtschaft. • Der geringe Anteil der gewerblichen Beherbergungsbetriebe an den gesamten Gästebetten und die unbefriedigende Qualität vieler Unterkünfte wurden als wesentliche Schwachstelle erkannt.72 • Trotz hoher Seilbahntransportkapazität von 740 PersHm/h je Winterbett gab es eine Reihe von Schwachstellen, wie zu geringe Förderleistung der Zubringerbahnen und in der Außerfratte auch ein Defizit an erschlossenem Schigelände. • Nach 1972 war eine ungünstige Entwicklung der Nächtigungen im Sommer eingetreten73.

Das Montafon wird somit durch ähnliche Probleme konfrontiert, wie vergleichbare andere alpine Seitentäler in Österreich:74 • „Insgesamt fortgesetzte Ressourceninanspruchnahme. • Spürbares Ansteigen der Nutzungsintensität bzw. Landschaftsbelastung. • In den äußeren Talabschnitten (relativ) günstige Lage zu den Haupttälern und Verkehrsachsen bzw. Ballungsräumen, wodurch sich eine vielfältige Nutzung und Bedeutungsabnahme des Tourismus abzeichnet. • In den peripheren Talteilen Spezialisierung auf Tourismuswirtschaft mit zunehmender Ausrichtung auf den Winterbetrieb.“

4.6 Gewerbe und Industrie75 Historisch gesehen hat sich das Montafon durch das „Mühlenprivileg“76 die Nutzbarmachung der Wasserkraft frühzeitig gesichert. Im gesamten Tal gab es Mühlen, Schmieden und Sägewerke. Der Eisenbergbau77 ermöglichte die frühe gewerbliche Struktur, so wurden wie bereits erwähnt die erzeugten Sensen über die sogenannten Sensenhändler exportiert, bzw. von den Saisonwanderern in die jeweiligen Einsatzorte gebracht (siehe Kapitel 4.2). Die Textilverarbeitung entwickelte sich im Vergleich hierzu relativ spät und hatte im späten 19. Jahrhundert kaum über den häuslichen Bedarf hinausgehende Bedeutung. Insgesamt war das

72 vgl. auch ÖIR 1979a, S. 32: 1978/79 waren 60% Privatquartiere 73 siehe auch ÖIR 1979a, S. 40 74 vgl. Bernt 1996, S. 13 75 Dieser Abschnitt basiert hauptsächlich auf Kiermayr-Egger 1992, S. 132ff. 76 Kiermayr-Egger 1992, S. 132 77 Das Montafon zählte im 13. und 14. Jahrhundert zu den wichtigsten Bergbauorten Österreichs. Es wurden Silber, Kupfer und Eisen abgebaut. Die wichtigsten Standorte waren Bartholomäberg, der Kristberg und Silbertal. Nach etwa 200 Jahren waren die Lagerstätten erschöpft. (Bitschnau 1986, S. 15f.) 155 Montafon kein Absatzmarkt für gewerbliche Produkte, die landwirtschaftlich geprägte Bevölkerung erzeugte ausschließlich für den Eigenbedarf, wodurch der Export zusätzlich durch die schlechte Verkehrserschließung durch keine bedeutende Entwicklung gekennzeichnet war. Erst die Industrialisierung brachte neue Entwicklungen ins Montafoner Gewerbe, wobei hier die Lodenfabriken allen voran die Lodenfabrik Mayer-Borger in Schruns hervorzuheben ist. Die Lodenfabriken kooperierten mit den Landwirten, die den entscheidenden Rohstoff für die Lodenherstellung lieferten, die Schafwolle. Diese regionale Kooperation zwischen Landwirtschaft und Gewerbe funktionierte bis nach den Zweiten Weltkrieg mit Ausnahme einer Komplettzerstörung der Lodenfabrik Mayer-Borger durch Hochwasser im Jahr 1910 und der Beeinträchtigung durch die Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren ausgezeichnet und etablierte sich zu einem stabilen regionalen Wirtschaftsfaktor. Zu dieser Zeit lag der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten Montafoner bei 57%, jener in der Industrie und dem Gewerbe Beschäftigten bei nur etwa 30%.78 Nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Lodenfabrik schließen und parallel dazu kam es zu weiteren Rückgängen in der Landwirtschaft, insbesondere der Schafzucht.79

78 vgl. Bitschnau 1986, S. 15 79 vgl. Kiermayr-Egger 1992, S. 135 ff 156

Abbildung 61: Die Lodenfabrik Mayer (Quelle: Kiermayr-Egger 1992, S. 137)

Die Elektrizitätswirtschaft hat im Montafon durch die große Bedeutung der Wasserkraft eine enorme Bedeutung. Die natürlichen Voraussetzungen sind nahezu optimal, so zeigt das Talprofil im Längsschnitt ein für die Wasserkraft wesentliches starkes Gefälle. Insgesamt liegen 55,6% der Flusslänge, 43,7% des Einzugsgebietes und 91,9% der Gesamtfallhöhe der Ill im Montafon.80 Die Ill führt im Vergleich zu anderen Flüssen wesentlich mehr Wasser, wodurch es zu größeren Gefällestufen aufgrund kräftiger Tiefenschurfe kommt.81 Bereits im Jahr 1898 gab es in Vorarlberg13 Elektrizitätswerke, das erste Lieferwerk Vorarlbergs wurde in Schruns an der Litz mit einer Leistung von 400 Killowatt betrieben.82 Die Nachfrage ging anfangs von der Hotellerie aus, so versorgten die ersten Montafoner Kleinkraftwerke Hotels mit elektrischem Licht, die Versorgung privater Haushalte war bis in die 1920er Jahre sekundär.

80 vgl. Rotschnik 1975, S. 15 81 vgl. Bitschnau 1986, S. 24 82 vgl. Kiermayr-Egger 1992, S. 138 ff. 157

Abbildung 62: Die Errichtung des Vermuntwerks Ende der 1920er Jahre (Quelle: Kiermayr-Egger 1992, S. 144) Im Jahr 1924 wurden die Vorarlberger Illwerke gegründet und erhielten Wasserbezugsrechte an der Ill. Die erste große Anlage war das Vermuntwerk, welches im Jahr 1931 fertig gestellt

158 wurde und damals das größte Kraftwerk in Österreich war. Diese und spätere technische Großanlagen, wie zum Beispiel das Lünerseewerk veränderten die soziale Landschaft des hinteren Montafon.83 Durch die Errichtung dieser Anlagen wurden enorm viele Arbeitskräfte benötigt, wodurch die Bevölkerungszahlen zu dieser Zeit drastisch anstiegen. Es waren vor allem jene Gemeinden betroffen, in deren Gemeindegebiet die Anlagen gebaut wurden. So wies Gaschurn beispielsweise zwischen 1923 (807 Einwohner) und 1934 (1229 Einwohner) ein Bevölkerungswachstum von etwa 52% auf.84 Als im Juli 1925 mit dem Bau des Vermuntwerks begonnen wurde, verfügte der damals kleine Ort Partenen über keinen Strom, Telefon oder moderne Wasserversorgung. Bei der Zuwanderung muss zwischen vorübergehender Zunahme und permanenter Zunahme unterschieden werden, da die für den Bau benötigten zumeist aus den östlichen Bundesländern stammenden Bauarbeiter nach Beendigung der einzelnen Bauetappen wieder wegzogen. Während der Bautätigkeit mussten diese Arbeiter in notdürftigen Baracken wohnen und wurden zum Teil nur für je eine Saison eingestellt. Andere darunter auch Ingenieure und Techniker blieben für immer in Partenen.

In den 1930er Jahren kam es bedingt durch die Weltwirtschaftskrise zu Bauverzögerungen bzw. teilweise zu einer vollkommenen Einstellung der Bauvorhaben. Während des Zweiten Weltkriegs war die Elektrizitätswirtschaft vor allem wegen der Bedeutung der Wasserkraft auf deutsche Bedürfnisse ausgerichtet, so wurden die Hochspannungsleitungen ausschließlich in Deutschland forciert (Österreich bekam erst 1952 eine österreichweite 110 kV- Hochspannungsleitung)85. Die Illwerke waren zu dieser Zeit dem Rheinland zugeordnet und waren bedeutend für die Produktion der Rüstungsindustrie. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im „Illwerke-Vertrag“ (1952) die vertraglichen Beziehungen mit den deutschen Stromabnehmern geregelt.86 Auch heute noch ist die Vorarlberger Illwerke AG ein wichtiger Arbeitgeber in der Region.87

5. Der Stand Montafon Ursprünglich kommt der Begriff Stand aus dem Spätmittelalter und geht auf die damaligen Vorarlberger Landstände (insgesamt 24 Stände) zurück. Im Wesentlichen handelte es sich um gemeinschaftliche Volksvertretungen, die ihre Interessen gegenüber dem Volksherrn

83 vgl. Kiermayr-Egger 1992, S. 142 84 vgl. Bitschnau 1986, S. 33f. 85 vgl. Kiermayr-Egger 1992 86 vgl. ebd. 1992, S. 150 87 näheres zur aktuellen Entwicklung der Vorarlberger Illwerke AG siehe Kap. 6.4.1 159 vertraten.88 Die Besonderheit in Vorarlberg ist, dass Bürger und Bauern diese Vertretungen übernahmen, die auch als gewählte Repräsentanten das Tal auf den Landtagen vertraten. Nur während der bayrischen Herrschaft im frühen 19. Jahrhundert trat die ständische Verfassung außer Kraft. Danach wurden allerdings wieder Angelegenheiten des Forstwesens, des Straßen- und Brückenbaus, des Weg- und Wehrbaus und der Feuerassekuranz durch Montafoner Repräsentanten vertreten. Die Besonderheit im Montafon ist die erstaunliche Kontinuität des Standes Montafon. Der ausschlaggebende Grund dafür war der gemeinsame Erwerb der Standeswaldungen im Jahr 1832 (siehe 4.4), der den Forstfonds begründete. Nur die Gemeinden Lorüns und Stallehr hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ein gemeinsames Nutzungsrecht mit Bludenz und waren daher am gemeinsamen Kauf nicht beteiligt. Rein rechtlich wurde nach einem langjährigen Rechtsstreit in den frühen 1990er Jahren der Forstfonds als „Gemeindegut höherer Ordnung“ erklärt.89 Der Stand Montafon hat einen eigenen Standort, das sogenannte Standeshaus, welches den „Politischen Stand“ (Gemeindeverband aller Montafoner Gemeinden), den Forstfonds und den Abwasserverbund Montafon unter einem Dach vereint. Um die wichtigsten Talschaftsorganisationen an einer Stelle entsprechend kostengünstig zu organisieren, wurden auch der „Montafon-Tourismus“ und der „Skipool der Montafoner Bergbahnen“ im Standeshaus untergebracht. Der „Politische Stand“ übernimmt überregionale Aufgaben und vielfältige Koordinationsfunktionen und wird durch den Standesrepräsentanten (derzeit Bgm. Dr. Erwin Bahl, Schruns), der dem Standesauschuß (10 Bürgermeister) vorsteht nach außen vertreten. Nach eigener Definition übernimmt der Stand Montafon heute wichtige Aufgaben in den Bereichen Regionalentwicklung, Verkehr, Soziales, Umwelt, Kultur, Bildung und Wirtschaft. Der Stand sieht sich auch als Dienstleister für die Bürger und Bürgerinnen.90 Die Standesbürger sind jene Montafoner Bürger, die an den Standeswaldungen nutzungsberechtigt sind, wobei es sich um Holznutzungsrechte handelt, die auf den früheren Haus- und Gutsbedarf zurückgehen. Der Bedarf war zu dieser Zeit sehr groß, da vorwiegend mit Holz gebaut und geheizt wurde. Heute gibt es die Holzbezugsstatuten, die die Nutzungsrechte regeln, wobei zwischen dem Realrecht und dem Personalrecht unterschieden wird.

88 vgl. Stemer 1996, S. 17 89 vgl. Stemer 1996, S. 18 90 siehe http://www.stand-montafon.at/stand-montafon/ 160 Neben der Regelung der Nutzungsrechte ist vor allem der Naturschutz eine der wichtigsten Aufgaben des Forstfonds. Unter anderem gibt es im Montafon wichtige Naturwaldreservate Bomatschis und Dürrwald, welche auch in das österreichische Netz von Naturwaldreservaten aufgenommen wurden. Drei der in Vorarlberg zwanzig gemeldeten Natura 2000 Gebiete liegen im Montafon, auch hier ist der Forstfonds ein wichtiger Akteur. Hervorzuheben ist auch die Projekttätigkeit des Forstfonds, der derzeit fünf wichtige Projekte vorantreibt91: EMMFOR – Einsatz moderner Messmethoden in der Forstinventur; Multifunktionale Waldinventur; Bergwaldprojekt; NatGef - Satellitendaten und Gefahrenzonen; CARTESIAN – Skigebiete mit Fernerkundungsdaten kostengünstig planen. Ein im Rahmen der Leader+ Gemeinschaftsinitiative finanziertes und umgesetztes Projekt ist die Silbertaler Waldschule. Im Rahmen dieses Projektes werden von ausgebildeten Natur- und WaldpädagogInnen Waldführungen durchgeführt, wobei es um das Erleben des Waldes mit allen Sinnen geht. Die Zielgruppe sind Kindergärten und Schulen.

91 siehe http://www.stand-montafon.at/forstfonds/projekte 161

6. Sozioökonomische Analyse des Montafon

6.1 Regionale Abgrenzung Für die sozioökonomische Analyse wurden jene 11 Gemeinden ausgewählt, die dem Montafon zugehörig sind. Bei manchen Themengebieten wurden einzelne Gemeinden zusammengefasst oder überhaupt statistisch nicht eigenständig erfasst. Es wurde aber darauf Wert gelegt, dass bei den einzelnen Punkten ein vollständiges Bild aller Gemeinden vorhanden ist. Aus Datenschutzgründen sind einige Angaben nicht erfassbar, wobei in den einzelnen Fällen darauf hingewiesen wird. Vergleichdaten beziehen sich zumeist auf den Bezirk Bludenz, das Land Vorarlberg oder in seltenen Fällen auch auf das gesamte Bundesgebiet. Wenn vom „generellen oder allgemeinen“ Trend gesprochen wird, so bezieht sich dies zumeist auf das gesamte Bundesgebiet. Details zur regionalen Abgrenzung, sowie zur Topographie des Montafon, wurden bereits in den Kapitel 3 und 4 gründlich untersucht!

6.2 Die Siedlungsstruktur des Montafon Aufgrund der Lage als hochalpines Tal besitzt die Siedlungsstruktur des Montafons naturgemäß eine andere Charakteristik als Gemeinden und Bezirke im Flachland. Die nachfolgende Tabelle aller 11 Gemeinden zeigt, dass sich die Daten zur Wohnbevölkerung und Siedlungsdichte in den unterschiedlichen Gemeinden sehr heterogen gestalten (siehe Tab. 1). Ausgehend von der Wohnbevölkerung nimmt Schruns den ersten Platz ein. Dahinter folgen die Ortschaften Bartholomäberg, St. Gallenkirch, Tschagguns und Vandans. Aufgrund der unterschiedlichen Katasterflächen ist auch die Siedlungsdichte stark schwankend und daher nicht aussagekräftig genug. Die Gemeinde Stallehr hat zum Beispiel eine hohe Siedlungsdichte, da diese nur eine Katasterfläche von 1,66 km2 aufweist. Das andere Extrembeispiel ist Gaschurn, wo aufgrund der hohen Katasterfläche92, nur eine (statistisch) geringe Siedlungsdichte von neun Einwohnern pro km2 berechnet werden kann. Das Montafon, als Summe der 11 Gemeinden, weist eine Siedlungsdichte von 30 Einwohnern pro km2 auf, etwas kleiner als die Siedlungsdichte im Bezirk Bludenz. Zum Vergleich: Der Bezirk Horn, NÖ, hat im Gegensatz dazu eine Siedlungsdichte von ca. 41 Einwohnern pro km2.93

92 Die Gemeinde Gaschurn ist flächenmäßig größer als das Fürstentum Liechtenstein! (vgl. Kudernatsch 1985, S.106) 93 siehe Statistik Austria; www.statistik.at 162

Gemeinde Wohnbevölkerung Katasterfläche Dichte [EW] [km²] [EW/ km²] Bartholomäberg 2.233 27,28 82 Gaschurn 1.651 176,78 9 Lorüns 265 8,34 32 699 3,42 204 Sankt Gallenkirch 2.268 127,83 18 Schruns 3.715 18,04 206 Silbertal 873 88,61 10 Stallehr 272 1,66 164 Tschagguns 2.335 57,67 40 Vandans 2.638 53,55 49 Montafon 17.334 575,76 30 Bezirk Bludenz 60.471 1287,52 47 Tabelle 12: Bevölkerungsdichte im Montafon (Quelle: Statistik Austria)

Die folgende Abbildung (Abb. 9) veranschaulicht die strukturelle Charakteristik des Montafons besser als die Siedlungsdichte. Die verschiedenen Nutzungsarten, wiederum aufgeteilt auf die 11 Gemeinden, zeigen, dass die Nutzungsarten „Unproduktiv“, Wald“ und „Alpen“ den Hauptbestandteil der Nutzungsfläche ausmachen. Die zum Teil geringen landwirtschaftlichen Flächen sind eine Folge der besonderen hochalpinen Tallandschaft. Dies gilt ebenfalls für die geringe Baufläche, die in allen Gemeinden gerade ein paar Prozent der gesamten Katasterfläche ausmacht.

Doch auch hier muss die prozentuale Darstellung innerhalb der Nutzungsarten berücksichtigt werden, wo die absolute Katasterfläche nicht in Relation zu den anderen Gemeindeflächen gesetzt wird. Dadurch entsteht auch der falsche Eindruck, dass die Gemeinden Lorüns und Stallehr zwar relativ gesehen die größten Waldflächen aufweisen, dies absolut gesehen aber nicht zutrifft (Lorüns/Stallehr: 748 km2; St. Gallenkirch (größte anteilsmäßige Waldfläche): 3592 km2).

163 100%

80%

60% Unproduktiv Wald 40% Alpen Gärten, Weingärten 20% Landw. Grundflächen Bauflächen

0% Silbertal Schruns Vandans Gaschurn Tschagguns St. Anton i.M. Anton St. St. Gallenkirch Bartholomäberg Lorüns, Stallehr

Abbildung 63: Anteil der Katasterflächen nach Nutzungsarten 2001 (Quelle: Vorarlberger Landesregierung)

6.2. Bevölkerungsentwicklung und Demographie

6.2.1 Entwicklung der Gesamtbevölkerung, sowie Geburten- und Wanderungsbilanzen Die Grafik zur Bevölkerungsentwicklung im Montafon zeigt deutlich, dass die Einwohnerzahl im Wachstum begriffen ist. Bis in den 1920er Jahren war die Einwohnerzahl relativ stabil bei 7000 bis 8000 EinwohnerInnen. Erst ab den 1930er Jahren begann ein nachhaltiges Bevölkerungswachstum einzusetzen, welches heute zwar nicht mehr jene Wachstumsraten wie nach dem zweiten Weltkrieg aufweist, aber dennoch nicht stagniert (siehe Abb. 10).

164 20000

18000

16000

14000

12000

10000

8000

6000

4000

2000

0 1869 1880 1890 1900 1910 1923 1934 1939 1951 1961 1971 1981 1991 2001

Abbildung 64: Bevölkerung Montafon 1869-2002 (Quelle: Statistik Austria)

Um die Bevölkerungsveränderungen in den letzten Jahrzehnten genauer analysieren zu können, werden nun die Geburten- und Wanderungsbilanzen herangezogen. Die folgenden Graphiken (Abb. 11–13) beziehen sich jeweils auf das Basisjahr 1981 und geben die relativen Veränderungen in Prozent wieder. 94

50,00%

40,00%

30,00%

20,00%

10,00% 1991 2001 0,00%

-10,00% Lorüns Stallehr Sankt Silbertal Schruns Vandans -20,00% Gaschurn Gallenkirch Montafon Tschagguns Sankt Anton im Anton Sankt Bartholomäberg -30,00%

-40,00%

Abbildung 65: Gesamtveränderung der Wohnbevölkerung zum Basisjahr 1981 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

94 Berechnungsmethode: Die Veränderungen aus den Bevölkerungsbewegungen werden mit der absoluten Bevölkerungszahl der einzelnen Gemeinden im Jahr 1981 (Volkszählung) in Relation gesetzt (siehe Abb. 11-13) 165 Abbildung 11 veranschaulicht noch einmal die Gesamtbevölkerung des Montafons auf der Ebene der einzelnen Gemeinden. Die Darstellung in relativen Veränderungen zum Basisjahr 1981 zeigt deutlich, dass nicht alle Gemeinden gleichsam ein Wachstum in der Einwohnerzahl aufweisen. Den größten Zuwachs vollzog sich demgemäß in den Gemeinden Lorüns mit 32%, Stallehr mit 36% und Vandans mit 29% (Daten gerundet). Es gibt aber innerhalb der Montafoner „Wachstumsdynamik“ auch einige Gemeinden, die stagnieren oder keine so hohen Wachstumsraten aufzeigen. Gaschurn ist hier die das Schlusslicht und muss mit einem Bevölkerungsschwund von -2% im Verhältnis zu 1981 kämpfen. Jene Gemeinden mit niedrigen Wachstumsraten sind Silbertal mit 4% und Tschagguns mit 7% (Daten gerundet). Es sei hier aber zu erwähnen, dass solche Wachstumsraten von klassischen „declining regions“ oder Entleerungsräumen sogar als wünschenswert angesehen werden. Zum Beispiel weisen im Bezirk Horn, NÖ, von den 20 untersuchten Gemeinden nur 2 Gemeinden ein stabiles Bevölkerungswachstum seit 1981 aus (Altenburg, St. Bernhard- Frauenhofen). 3 weitere Gemeinden haben von 1991 bis 2001 ein Bevölkerungswachstum von unter 5% zu verzeichnen. Der durchschnittliche Gesamttrend im Bezirk Horn liegt bei – 11% Bevölkerungsrückgang zum Bezugsjahr 1981.95

Als Ausnahmefall kann hier der Ort Schruns genannt werden. Die größte Gemeinde im Montafon macht interessanterweise neben Gaschurn ebenfalls ein Bevölkerungsrückgang zu schaffen. Der Rückgang ist zwar rein statistisch (-0,24%), aber doch für das Zentrum von Montafon ein bemerkenswertes Charakteristikum. Schruns konnte zwar im Jahr 1991 in Relation zu 1981 noch ein Bevölkerungswachstum generieren (3%), aber hier kann man erkennen, dass schon seit einem längeren Zeitraum eine Stagnation vorherrscht.

Ein genereller Trend lässt sich hier nicht im Detail ableiten, doch ist anzumerken, dass jene Gemeinden aus dem „äußeren“ Montafon ein größeres Bevölkerungswachstum aufweisen als jene im „inneren“ Montafon. Am Beispiel der Gemeinde Gaschurn kann dies bestätigt werden; St. Gallenkirch wiederum weist das Gegenteil auf. Ein weiteres erwähnenswertes Phänomen ist die Tatsache, dass größere an der Einwohnerzahl gemessene Gemeinden keine hohen Wachstumsraten aufweisen, wie zum Beispiel Schruns oder Tschagguns, was vielleicht als Folge von nicht vorhandenen Baulandreserven erklärt werden könnte.

95 siehe Sonntag 2006, S. 12f. Zu den Daten siehe Statistik Austria. 166 Die Wanderungsbilanz folgt dem Trend aus der vorhergegangenen Abbildung (siehe Abb. 12). Jene Gemeinden mit keinem oder nur geringem Bevölkerungswachstum sind auch von einer hohen Abwanderung betroffen. Dies bedeutet, dass die Wanderungsbilanz negativ ist. Hier sind vor allem die Gemeinden Gaschurn (insb. im Bezugsjahr 1991), Schruns, Silbertal und Tschagguns zu benennen. Die höchste Abwanderung hat auch jene Gemeinde, die Rückgänge in der relativen Bevölkerungsbilanz zum Basisjahr 1981 aufzuweisen hat: Gaschurn mit einer negativen Wanderungsbilanz von -16%. Diesem Trend stehen wiederum Gemeinden gegenüber, die als klassische „Einwanderungsgemeinden“ gehandelt werden können. Dazu zählen insbesondere Lorüns, Stallehr und Vandans.

20,00%

15,00%

10,00%

5,00% Tschagguns Silbertal Silbertal Gaschurn 1991 0,00% 2001

-5,00%

-10,00%

-15,00% Stallehr Stallehr Bartholomäberg Lorüns Schruns Sankt Antonim Montafon Sankt Gallenkirch Vandans -20,00%

Abbildung 66: Veränderungen der Wanderungsbilanzen zum Basisjahr 1981 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

167 20,00% 18,00% 16,00% 14,00% 12,00% 10,00% 1991 8,00% 2001 6,00% 4,00% 2,00% 0,00%

g h r s fon s hr s e n a irc n rtal e b rü t k ru ll o n n h a mä L e c t aschurn Mo ll S Silbe S G Vandan olo m Ga rth t Tschagguns a n i k B to n Sa t An k n Sa

Abbildung 67: Veränderungen der Geburtenbilanzen zum Basisjahr 1981 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Im Gegensatz dazu sind die Geburtenbilanzen in allen Gemeinden positiv. Dies bedeutet, dass die Differenz zwischen Geburten und Sterbefälle zugunsten der Geburten ausfällt und daher eine natürliche Bevölkerungsentwicklung96 gegeben ist. Es gibt interessanterweise keine einzige Gemeinde, die eine negative Geburtenbilanz aufweist. Die Veränderungen der Geburtenbilanzen zum Basisjahr 1981 (siehe Abb. 13) zeigen einen sehr harmonischen Verlauf. Die höchste Veränderungen in der Geburtenbilanz weisen die Gemeinden St. Anton und Stallehr auf. Die restlichen Gemeinden schwanken zwischen rund 18% (St. Anton i.M. und Stallehr) und rund 6% in Schruns, das wiederum im Verhältnis zu den anderen Gemeinden einen Negativrekord darstellt.

Aus der Synthese von Wanderungs- und Geburtenbilanz lassen sich folgende Rückschlüsse zur Bevölkerungsentwicklung interpretieren: • Im Gegensatz zu den klassischen österreichischen „Pendlergemeinden“, wo die Wanderungsbilanz mehrheitlich positiv und die Geburtenbilanz negativ ausfallen, ist im Montafon die Geburtenbilanz der „Wachstumsmotor“ der Bevölkerungsentwicklung. Gemeinden mit hoher Abwanderung, wie Gaschurn oder Silbertal, kompensieren diese durch eine hohe Geburtenrate. Nur Gaschurn hat insgesamt in der Bevölkerungsbilanz einen negativen Saldo (siehe Abb. 12).

96 Natürliche Bevölkerungsentwicklung bedeutet, dass auch ohne Zuwanderung die Einwohnerzahl stabil bleibt oder wächst. 168 • Große Ortschaften wie Schruns oder Tschagguns, die Zentren des äußeren Montafons, haben gegenüber den anderen Gemeinden das Nachsehen in der Bevölkerungsentwicklung. Auch hier wurde festgestellt, dass die hohen Abwanderungen dafür ausschlaggebend sind. • Aus den drei Grafiken zur Bevölkerungsentwicklung kann noch ein weiterer wichtiger Aspekt herausgelesen werden: Die Differenz zwischen der Veränderung von den Jahren 1991 zu 1981 und 2001 zu 1981 sagt aus, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. Bei der Wanderungsbilanz gibt es einige Gemeinden (St. Anton i.M., Lorüns, Tschagguns), in denen diese Differenz sehr gering ist. Das bedeutet, dass sich die Ab- oder Zuwanderung zum größten Teil schon in den Jahren 1981 bis 1991 vollzogen hat. Als Beispiel bei der Geburtenbilanz kann Schruns erwähnt werden, dessen Geburtenbilanz von 1991 bis 2001 nur um 1,6% wuchs, während das Gesamtwachstum seit 1981 5,7% betrug.97

6.2.2 Altersdemographie Um das Verhältnis zwischen jungen und älteren EinwohnerInnen des Montafons sichtbar zu machen, wurde ein Alterskoeffizient erstellt, der das Verhältnis zwischen unter 15-jährigen und über 64-jährigen EinwohnerInnen sichtbar machen soll. Ein Wert unter 1 bedeutet, dass die Anzahl der älteren MitbürgerInnen geringer ist als die der jugendlichen Bevölkerung. Umgekehrt, ein Wert über 1, bedeutet, dass die Anzahl der Jugendlichen im Verhältnis zu den älteren MitbewohnerInnen kleiner ist.

Ausgehend vom österreichischen Trend war der Alterskoeffizient früher großteils unter 1, da die hohe Geburtenrate und die damit verbundene hohe Anzahl an Kindern und Jugendlichen die Sterberate substituieren konnte. Doch geht der Trend dahingehend, dass die Geburtenrate alleine nicht mehr die Sterberate ersetzen kann und somit keine natürliche Bevölkerungsentwicklung entsteht, was wiederum aus der Sicht des Alterskoeffizienten ein Wert über 1 bedeutet. Wie man aber schon im vorigen Kapitel gesehen hat, ist die Geburtenbilanz im Montafon, aber auch im übrigen Bezirk Bludenz, erstaunlicherweise sehr hoch. Die nachfolgende Abbildung (Abb. 14) über den Alterskoeffizient im Zeitablauf zeigt hier diesen Umstand sehr deutlich. Auch im Jahr 2001 ist die Zahl der unter 15-jährigen noch immer höher als die Zahl der über 64-jährigen. Schruns ist die einzige Gemeinde, wo das Verhältnis fast ausgeglichen ist. Der Trend verläuft aber im gleichen Schema wie der

97 Diese Aussage kann aufgrund der Berechnungsmethode abgeleitet werden, wo die Bilanzen von 2001 zum Bezugsjahr 1981 eine Addition darstellen aus den Bilanzen von 1991 und 2001. Die optische Differenz bei den Balkendiagrammen ist somit immer der Anteil für den Zeitraum 1991 bis 2001. 169 allgemeine österreichische Trend. Auch hier ist eine klare Tendenz zu erkennen, dass sich das Verhältnis in den nächsten Jahrzehnten umkehrt und die über 64-jährigen die Mehrheit gegenüber den unter 15-jährigen bilden. Dennoch kann vom heutigen Standpunkt aus gesagt werden, dass die Ausgangslage in der Montafoner Altersdemographie im Gegensatz zu anderen österreichischen Regionen sehr gut ist.98

1,20

1,00

0,80 1981 0,60 1991 2001 0,40

0,20

0,00

g r n ns ur rch rtal uns e g da nki lb Lorüns e chruns i Stallehr an omäbe l S S V l Gasch Montafon al ho schag rt im G T a n nkt B o a nt S t A ank S

Abbildung 68: Alterskoeffizient (>=65/<15) im Zeitverlauf (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

98 Vgl. hier insb. Sonntag 2006, S.17: Der Bezirk Horn hat einen durchgehenden Alterskoeffizienten über 1. 170 14000

12000

10000

8000 unter 15 Jahre 15 bis unter 65 Jahre 6000 65 und mehr Jahre

4000 Anzahl der Personen der Anzahl 2000

0 1981 1991 2001

Abbildung 69: Bevölkerung des Montafon in Altersgruppen (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Abbildung 15 soll das gleiche Bild, welches der Alterskoeffizient als Verhältniszahl, in absoluten Zahlen darstellen. Hier ist der vorhin angesprochene Trend klar ersichtlich. Die Bevölkerungsgruppe der über 64-jährigen nimmt kontinuierlich zu. Das gleiche gilt für die große Bevölkerungsgruppe der 15- bis 64-jährigen, wobei die Steigerungsrate aufgrund der immer geringeren Geburtenrate nicht die gleiche Dynamik aufweist. Von 1991 bis 2001 ist nur eine sehr geringe Steigerung in der Personenanzahl der 15- bis 64-jährigen erkennbar. Die Jugend der bis 15-jährigen ist abnehmend, aber bildet immer noch eine Mehrheit gegenüber den über 64-jährigen, womit auch der berechnete Alterskoeffizient in dieser Grafik auf seine Richtigkeit überprüft werden kann.

Diese Angaben zur Altersdemographie stehen teilweise im argumentativen Widerspruch zu den Angaben aus der Bevölkerungsentwicklung, wo die positive Geburtenbilanz den Rückhalt für das Bevölkerungswachstum bildet. Diese Unterschiede ergeben sich daher aus den verschiedenen Berechnungsmethoden. Die Geburtenbilanz berechnet die Differenz aus Geburten und Sterbefällen, während der Alterskoeffizient die Anzahl der lebenden Personen in einer Altersgruppe vergleicht. Die unterschiedliche Betrachtungsweise kann damit interpretiert werden, dass die Lebenserwartung in den letzten Jahren stark gestiegen und dadurch gleichzeitig die Anzahl der Sterbefälle stark zurückgegangen ist. Die Veränderung muss sich daher auf dieser Seite der Geburtenbilanz vollziehen, da die im Zeitablauf abnehmende Altersgruppe von 0 bis 15 Jahren auch auf eine niedrige Geburtenrate schließen lässt.

171

6.3. Die Ausbildungssituation Die Analyse des höchsten abgeschlossenen Bildungsgrads ergibt folgendes Bild für das Montafon: Für das Jahr 2001 hat der Lehrabschluss und der allgemeine Pflichtschulabschluss eine überwiegende Mehrheit in der Bevölkerung von ca. 80%. Im Verhältnis zu 1991 sind die Lehrabschlüsse gestiegen, während die Pflichtschulabschlüsse gesunken sind. Bei der Analyse der einzelnen Gemeinden konnte keine Ausnahme festgestellt werden, die stark vom Gesamtergebnis abweicht. Schruns hatte 2001 die meisten Lehrabschlüsse zu verzeichnen. Die Differenz zu den anderen Gemeinden ist aber sehr gering und daher nicht als besonderes Phänomen zu betrachten. Bei höherwertigen Ausbildungsabschlüssen ist der Trend bei den Universitätsabschlüssen erwähnenswert, der in allen Gemeinden eine verhältnismäßige Steigerung verzeichnet. Nur die Gemeinde Silbertal hat den Anteil an AkademikerInnen mit 0,44% nicht sonderlich steigern können. Die weiteren Möglichkeiten des Bildungsweges, wie AHS, BHS und BMS, sind ebenfalls prozentual gestiegen, wobei aber bei der BMS große Unterschiede auf Gemeindeebene festgestellt werden können (siehe Abb. 16).

Grundsätzlich unterscheidet sich die Verteilung im Bildungsgrad nicht vom allgemeinen Bundestrend. Abbildung 17 zeigt auch, dass sich das Montafon nicht vom Bezirk Bludenz in der Verteilung der Ausbildungsabschlüsse unterscheidet. Der allgemeine Trend kann demnach so zusammengefasst werden, dass die Pflichtschulabschlüsse stark im Sinken begriffen sind und sich dieser Anteil relativ gleichmäßig auf alle anderen Formen von Ausbildungsabschlüssen verteilt.

172 70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0% 2001 1991 2001 1991 2001 1991 2001 1991 2001 1991 2001 1991 2001 1991

Universität Hochschulverw . BHS AHS BMS Lehre Pflichtschule Ausbildung

Bartholomäberg Gaschurn Lorüns Sankt Anton im Montafon Sankt Gallenkirch Schruns Silbertal Stallehr Tschagguns Vandans

Abbildung 70: Bildungsgrad nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung 1991-2001 auf Gemeindeebene (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

50% 45% 40% Bludenz 1991 35% Montafon 1991 Bludenz 2001 30% Montafon 2001 25% 20% 15% 10% 5% 0% Lehre Fachschule Hochschule Höhere Schule Berufsbildende Pflichtschule Ausbildung Höhere Schule Allgemeinbildende Allgemeinbildende Hochschulverwandte

Abbildung 71: Bildungsgrad nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung 1991-2001 im Vergleich Bez. Bludenz/Montafon (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

173 6.4 Die Wirtschaftsstruktur 6.4.1 Arbeitsstätten Im Montafon befinden sich in etwa 30% der Arbeitsstätten des Bezirkes Bludenz. Die Entwicklung von 1981 bis 2001 zeigt eine leicht fallende Tendenz (1981: 31,2%, 1991: 30,4%, 2001: 28,8%). Trotz dieser Tendenz im Bezug zum Bezirk Bludenz, nimmt die absolute Anzahl der Arbeitsstätten im Montafon zu. Die Verteilung der Arbeitsstätten ist aber auf Gemeindeebene sehr heterogen. Im Montafon selbst ist Schruns mit Abstand der größte Arbeitgeber. Dahinter folgen die Gemeinden Gaschurn, Sankt Gallenkirch, Tschagguns und Vandans (siehe Abb. 18).

350

300

250

200 1981 1991 150 2001

Arbeitsstätten absolut 100

50

0 Lorüns Stallehr Sankt Silbertal Schruns Vandans Gaschurn Gallenkirch Montafon Tschagguns Sanktim Anton Bartholomäberg

Abbildung 72: Arbeitsstätten (absolut) im Montafon 1981 – 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Wenn man die Arbeitsstätten sektoral aufteilt (17-teilige ÖNACE 1995 Auflistung), so bekommt ein gänzlich anderes Bild von der Wirtschaftsstruktur des Montafons, nämlich die sichtbare einseitige Ausrichtung auf den Tourismus. Der Sektor des Beherbergungs- und Gaststättenwesens ist in der relativen und absoluten Statistik die Nummer Eins in der Anzahl der Arbeitsstätten. Danach folgen die traditionell starken Sektoren, wie der Handel mit einem relativen Anteil von rund 17%, die Sachgütererzeugung mit 10% und Realitätenwesen und Unternehmensdienstleistungen folgen an dritter Stelle mit 8%, die im Verhältnis zu 1991 die größte Steigerung aufzuweisen haben, welche im generellen österreichischen Trend nicht ungewöhnlich ist (siehe Abb. 19-20).

174 Für den Tourismussektor, den mit Abstand größten Arbeitgeber in der Region, können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: Die absolute Anzahl der Arbeitsstätten im Beherbergungs- und Gaststättenwesen konnte im Vergleich zum Jahr 1991 leicht gesteigert werden. Der relative Anteil wurde aber geringer, was bedeutet, dass sich die Steigerung des Gaststätten- und Beherbergungssektors unterdurchschnittlich gegenüber der allgemeinen Steigerung an Arbeitsstätten entwickelt hat. Der Bezirkstrend geht sogar in die negative Richtung. Im Bezirk Bludenz sinkt der Anteil des Tourismussektors relativ und absolut. Diese Zahlen können somit als Zeichen gedeutet werden, dass sich die Tourismusbranche im Montafon als auch im Bezirk Bludenz in einer Stagnationsphase befindet, sowie ein sektoraler Wandel stattfindet, von der einseitigen Ausrichtung im Tourismus hin zu einer stärkeren Diversifizierung in Richtung der Dienstleistungsbranchen.99

Bezirk Bludenz 1991 35,00% Montafon gesamt 1991 30,00% Bezirk Bludenz 2001 25,00% Montafon gesamt 2001 20,00%

15,00%

10,00%

5,00%

0,00% öffentl.u.pers. Land- und Erbring.v.sonst. Bauwesen Kredit- und Exterritoriale Energie- und Verkehr und Realitätenwesen, Forstwirtschaft Forstwirtschaft Organisationen Sachgütererzeugung Versicherungswesen Öffentl. Verwaltung, Beherbergungs- und Unternehmensdienstl. Unterrichtswesen Unterrichtswesen und Sozialwesen Private Haushalte

Gaststättenwesen u.Gebrauchsgütern Handel; Reparatur v.Kfz Sozialversicherung Wasserversorgung Gesundheits-, Veterinär- von Steinen u.Erden Bergbau und Gewinnung Fischerei und Fischzucht und Fischerei Nachrichtenübermittlung

Abbildung 73: Arbeitsstätten nach ÖNACE im Montafon und Bezirk Bludenz1981 - 2001 in Prozent (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

99 Der Sektor Landwirtschaft wurde hier nicht berücksichtigt und wird im Kapitel 6.10 gesondert betrachtet. 175 900 Bezirk Bludenz 1991 800 Montafon gesamt 1991 700 Bezirk Bludenz 2001

600 Montafon gesamt 2001

500

400

300 Arbeitsstätten absolut 200

100

0 Gesundheits-, Veterinär- und Veterinär- Fischerei und Fischerei öffentl.u.pers. Land- und Erbring.v.sonst. Bauwesen Fischzucht Exterritoriale Kredit- und Energie- und und Verkehr Bergbau und Realitätenwesen, Organisationen Forstwirtschaft Sachgütererzeugung Unternehmensdienstl. Beherbergungs- und Öffentl. Verwaltung, Private Haushalte

Versicherungswesen Unterrichtswesen u.Gebrauchsgütern Gaststättenwesen Gewinnung von Steinen Handel; Reparatur v.Kfz Sozialversicherung Wasserversorgung Nachrichtenübermittlung

Abbildung 74: Arbeitsstätten nach ÖNACE im Montafon und Bezirk Bludenz 1981 - 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

6.4.2 Beschäftigung Die sektorale Aufteilung in der Beschäftigung zeigt ein ähnliches Bild wie zuvor in den Arbeitsstätten. Im Montafon ist der Sektor Gaststätten- und Beherbergungswesen der größte Arbeitgeber mit einer relativen weiblichen Beschäftigung von 28%. Hingegen arbeiten nur 15% aller männlichen Beschäftigten im Gastgewerbe. Die Veränderung zum Jahr 1991 zeigt, dass der weibliche Anteil im Zeitablauf sinkt, während der Anteil der männlichen Beschäftigten gestiegen ist (siehe Abb. 21). Im Bezirk Bludenz bietet der Sektor der Sachgütererzeugung die relativ höchste Beschäftigungsanzahl, sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Die Tourismusbranche ist aber auch auf Bezirksebene von Frauen dominiert, wo mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer beschäftigt sind.

Es lässt sich generell eine starke geschlechterspezifische Diversifizierung in der sektoralen Beschäftigung feststellen. Es gibt nur wenige Sektoren, wo nicht ein Geschlecht anteilsmäßig dominiert. In der Sachgütererzeugung, Energie- und Wasserversorgung und im Bauwesen dominieren die männlichen Beschäftigten. Neben der schon angesprochenen Tourismusbranche sind die Frauen auch im Handel, Unterrichts- und Sozialwesen an

176 vorderster Front angesiedelt. Beachtlich ist auch die Tatsache, dass sich diese stark geschlechtsspezifische Diversifizierung im Zeitverlauf fast nicht geändert hat. Es gibt zwar Sektoren, wo der prozentuale Gesamtanteil gesunken oder gestiegen ist, aber die Differenz zwischen den Geschlechtern ist weitgehend überall vorhanden. Dieses Phänomen ist zwar auf Bezirksebene auch vorhanden, aber im Sektor der Sachgütererzeugung etwas abgeschwächt.

Der hohe weibliche Anteil in der Tourismusbranche ist ein bemerkenswerter Punkt in der Beschäftigungsstatistik, wobei damit nicht genau erhoben werden kann, wie das Verhältnis zwischen einheimischen und Saisonarbeitskräften aussieht. Im Kapitel Tourismus wird dieser Bereich noch näher analysiert.

35% männlich 1991 30% weiblich 1991 25% männlich 2001 20% weiblich 2001

15%

10%

5%

0%

> > > > > G> P < l. t t g n g n l. n e n lte e r tlu se ese ns a n zuc .E it e tschaf u w w tio hsgüternnwes rm s cherun Die ush a c e i a s twir Bauwesenu b nsdiensts H inen rerzeugu a ü e er d Fisch e tätte v e te br ts .pers. at rgani Fors un S e s ten u d i icherung riv n e hgüt ich rs rnehm Unterrichtswesen- und Sozialntl. P e O u von c Ga e te r al er a z u.G d hr ffe ri - S f n V nä ö d Un ri ito ung - u , Fisch n Nac ltung, Sozial te st. rr Land gs d e n te tur v.K n it- un o x win un u d esen , V .s E e ra g r w r n its- G Energie- und Wasserversorgung Kre e d keh ring.v erbe ität h Ver ndhe rb el; Repae u E d B Real Öffentl. Verwa an Ges H Bergbau un

Abbildung 75: Relative Beschäftigung nach ÖNACE im Montafon 1991 und 2001 in Prozent (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

177 40,00% männlich 35,00% weiblich 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% v.Kfz Veterinär- und Veterinär- Gesundheits-, öffentl.u.pers. Fischerei und Fischerei Land- und Land- Fischzucht Fischzucht Kredit- und Kredit- Erbring.v.sonst. Bauwesen Bauwesen Exterritoriale Bergbau und Bergbau Energie- und Energie- Verkehr und Verkehr Handel; Reparatur Handel; Forstwirtschaft Forstwirtschaft Realitätenwesen, Organisationen Organisationen Versicherungswesen Versicherungswesen Unternehmensdienstl. Unternehmensdienstl. Öffentl. Verwaltung, Öffentl. Beherbergungs- und Beherbergungs- Sachgütererzeugung Sachgütererzeugung Gaststättenwesen Gaststättenwesen Gewinnung von Steinen Gewinnung Sozialversicherung Sozialversicherung Wasserversorgung Wasserversorgung Private Haushalte

Haushalte Private Unterrichtswesen Unterrichtswesen Nachrichtenübermittlung Nachrichtenübermittlung

Abbildung 76: Relative Beschäftigung nach ÖNACE im Bezirk Bludenz1991 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Darstellung einzelner Leitbetriebe in der Region: Um die statistischen Kennzahlen untermauern zu können, werden in Folge exemplarisch einige Unternehmen angeführt und einer Kurzdarstellung unterzogen. Wie aus der unteren Tabelle (siehe Tab. 2) hervorgeht, sind viele große Produktions- und Dienstleistungsbetriebe im Montafon angesiedelt. Neben dem regionalen Arbeitsmarkt kann davon ausgegangen werden, dass eine regionale Wirtschaftsstruktur im Montafon vorhanden ist. Es soll hier auch gezeigt werden, inwieweit eine sektorale Diversifizierung im Arbeitsangebot gegeben ist.

Demzufolge sollen nun stellvertretend für einzelne Sektoren die größten Unternehmen herausgenommen werden und ein kurzes Profil erstellt werden. Aufgrund der unten angeführten Liste und den Daten aus der Arbeitsstättenzählung, sowie den Beschäftigten in den einzelnen Sektoren wurden folgende Betriebe ausgewählt:

• Vorarlberger Illwerke AG (Energie- und Wasserversorgung) • Jäger Bau GmbH (Bauwesen) • ELB-FORM GmbH (Sachgütererzeugung) • Silvretta Nova Gruppe (Tourismus) • Montafoner Bahn - MBS (Verkehrsdienstleistung)

178 GROSSE PRODUKTIONSBETRIEBE - gerundete Anzahl der Beschäftigten 2005

Liebherr-Werk GmbH. (Schiffs- und Werftkranbau), Nenzing 990 Getzner Textil AG, Bludenz 741 Suchard Schokolade GmbH., Bludenz 432 Hilti AG (Befestigungstechnik), Thüringen 393 Hydro-Aluminium, Nenzing 277 Jäger GmbH. Bau, Schruns 262 Elb-Form GmbH, Metallverarbeitung, Vandans 220 Markus Stolz GmbH & Co Kg, Installationen, Bludenz 187 Bertsch GmbH. (Kessel- und Maschinenfabrik), Bludenz 187 Getzner Werkstoff GmbH, Kunststoffverarbeitung, Bürs 132

GROSSE DIENSTLEISTUNGSBETRIEBE - gerundete Anzahl der Beschäftigten 2005

Vögel GmbH, Transporte, 192 Josef Schmidt´s Erben Gmbh & Co Kg, Eisenhandlung, Bürs 140 Silvretta Nova, Gastronomie St. Gallenkirch 118 Lucian Burghotel, Oberlech 92 Löwen Hotel, Schruns 58 Tabelle 13: Auswahl großer Produktions- und Dienstleistungsbetriebe im Bezirk Bludenz (Quelle: AMS – Bezirksprofil 2005)

Vorarlberger Illwerke AG: 100 Der größte Arbeitgeber im Bereich Energieversorgung stellt das Unternehmen der Vorarlberger Illwerke dar. Ihr Firmensitz liegt in . Daher ist in der oberen Tabelle dieser wichtige Arbeitgeber nicht vertreten. Seit 2001 haben sich die Vorarlberger Kraftwerke AG und die Illwerke AG zusammengeschlossen, um für die anstehende Liberalisierung des Strommarkts gerüstet zu sein. Trotz der gesellschaftsrechtlichen Stellung als Aktiengesellschaft ist die Illwerke AG ein ausgegliedertes öffentliches Unternehmen, wo das Land Vorarlberg mit 95,5% als Hauptaktionär auftritt. Das Hauptaufgabengebiet der Illwerke AG liegt in der hochwertigen Erzeugung von elektrischer Energie mittels alpinen Speicherkraftwerken. Die Hauptressource für diese Kraftwerke ist hauptsächlich die Ill, die wiederum durch das Montafon fließt.

Die Statistik zur relativen Beschäftigung im Montafon hat gezeigt, dass fast 15% aller männlichen Montafoner in der Energie- und Wasserversorgung beschäftigt sind. Da sich viele Standorte für Speicherkraftwerke im Montafon befinden, wie aus der oberen Grafik

100 siehe www.illwerke.at ; zur historischen Entwicklung siehe Kap. 4.6! 179 ersichtlich ist, kann der logische Schluss gezogen werden, dass die meisten Beschäftigten von den genannten 15% den Illwerken anzurechnen sind.

Abbildung 77: Kraftwerksstandorte der Vorarlberger Illwerke AG (Quelle: www.illwerke.at)

Das heutige Aushängeschild des Montafons, der Tourismus, würde heute nicht in der Form existieren, wenn nicht schon so früh begonnen wurde, die Wasserressourcen der Region zu nutzen und damit die wirtschaftliche Entwicklung eingeleitet zu haben. Zum Beispiel wäre die Silvretta-Hochalpenstrasse nie errichtet worden, wenn nicht die nötige Infrastruktur für den Bau der hochalpinen Speicherkraftwerke benötigen worden wäre. Auch viel weitere Verkehrseinrichtungen in Form von Straßen, Schrägaufzügen und Seilbahnen wurden in Folge der Kraftwerks- und Stauseebauten errichtet. Vor allem die Gemeinde Gaschurn im inneren Montafon ist bis heute geprägt durch die wirtschaftliche Entwicklung in Folge der Energieerzeugung.101 Das Vermuntwerk ist das erste Speicherkraftwerk, dessen Bau von der Illwerke AG im Jahre 1931 abgeschlossen wurde. Danach folgten weitere Kraftwerke, sowie der Bau an den 4 Speicherseen, Lünersee, Vermuntsee, Kopssee und Silvrettasee. Dieses Netz aus Speicherkraftwerken, Überleitungen, die zum großen Teil unterirdisch verlaufen, und den Speicherseen bildet die Grundlage für die Stromerzeugung der Illwerke AG bis heute. Die Speicherseen sind nicht nur eine wirtschaftliche Ressource, sondern werden auch touristisch genutzt. Am Silvrettasee werden Bootsrundfahrten angeboten und bildet damit Europas einziger Motorbootverkehr auf über 2000 m.ü.M. Die Illwerke AG versuchen auch selbst, das

101 vgl. insb. Kudernatsch 1985, S.106ff. In dieser Arbeit wird das Zusammenwirken von Speicherkraftwerken und dessen Effekte auf den Tourismus am Fallbeispiel Kaprun und Montafon untersucht. Hier wird klar festgestellt, dass der infrastrukturelle Ausbau und die landschaftliche Veränderung durch die Errichtung von Speicherseen erst den touristischen Aufschwung einleiteten. 180 von ihr geprägte Landschaftsbild touristisch zu nutzen. Der „Naturerlebnispfad Kristakopf“ in den Gemeinden Tschagguns und Vagans kann hier als Beispiel genannt werden.

Jäger Bau GmbH: 102 Die Jäger Bau GmbH ist ein Bauunternehmen, welches als Familienbetrieb geleitet wird. Der Firmensitz liegt in Schruns. Jäger Bau ist der größte Arbeitgeber im Montafon und beschäftigt rund 262 MitarbeiterInnen. (siehe Tab.2) Die Geschäftsfelder sind sehr breit gefächert und reichen vom klassischen Hoch- und Tiefbau, dem Wohnungsbau, bis zum Untertagebau. Zum Untertagebau gehört vornehmlich der Bereich des Tunnelbaus, vor allem bei Infrastrukturprojekten aber auch bei Kraftwerksprojekten. Somit kann auch von einer starken regionalen Verflechtung zwischen dem Bauwesen und dem Energiesektor ausgegangen werden.

ELB-Form GmbH: 103 Die ELB-Form GmbH ist der zweitgrößte Arbeitgeber in der Region mit rund 220 MitarbeiterInnen. Das Unternehmen wurde 1997 in Form eines Jointventure von der Illwerke Beteiligungsgesellschaft m.b.H. und der Erne Fittings GmbH gegründet. Der Firmensitz ist die Gemeinde Vandans. ELB-Form GmbH erzeugt Produkte im Hochdruck- Kaltformgebungsverfahren (ELB-Verfahren), hier vor allem als Zulieferer für die Autoindustrie. Dieses Unternehmen kann als klassisches High-Tech Unternehmen eingestuft werden, dessen wichtigster Wachstumsmotor die technische Innovation darstellt, die wiederum hochwertige Arbeitsplätze in der Region benötigt und damit einen positiven Beitrag zur Nachfrage nach höherer Bildung leistet.

Silvretta Nova Gruppe: 104 Das Gebiet der Silvretta Nova ist das größte zusammenhängende Skigebiet im Montafon. Die Silvretta Nova Gruppe ist daher auch das wichtigste und größte Tourismusunternehmen in der Region. Die Gruppe besteht einerseits aus den Silvretta Nova Bergbahnen, wo neben den Bergbahnen des Silvretta Nova Gebiets auch Bergbahnen in Südtirol und anderen Teilen Vorarlbergs dazugehören. Die Silvretta Nova Gastronomie bildet den zweiten Teil der Gruppe und ist mit rund 118 MitarbeiterInnen auch der größte Arbeitgeber im Dienstleistungsgewerbe.105 Man sieht somit, dass der Tourismussektor nicht nur auf kleine Ein-Personenbetriebe begrenzt ist, sondern auch mittelgroße Unternehmungen, vor allem im

102 siehe www.jaegerbau.com 103 siehe www.elb-form.at 104 siehe www.silvrettanova.com 105 Es gibt auch noch ein drittes Geschäftsfelder: Die Silvretta Nova Bodenseeschifffahrt 181 Wintertourismus, eine wichtige wenn nicht essentielle Rolle übernehmen, da diese durch die Bergbahnen die Infrastruktur für den Wintertourismus bereitstellen.

Montafoner Bahn - MBS: 106 Zum Schluss sollte noch ein weiterer Leitbetrieb in der Region dargestellt werden, der nicht nur für österreichische Verhältnisse einzigartig ist, sondern den gesamten öffentlichen Verkehr im Montafon organisieren: Die Montafoner Bahn. Diese Privatgesellschaft, welche zu 54,5% dem Stand Montafon gehört und somit im „regionalen Eigentum“ steht, stellt ein Novum in Österreich dar, da grundsätzlich Schienenverkehrsunternehmen neben der ÖBB, die nicht hauptsächlich dem Tourismus dienen, selten sind. Da die Montafoner Bahn aber mehrheitlich der Region gehört, kann auch nicht von einem gänzlich privat geführten Unternehmen gesprochen werden. Die „Regionalisierung“ des öffentlichen Verkehrs, die im Montafon vorgezeigt wird, kann aber als Paradebeispiel für die zukünftige Organisation des Regionalverkehrs in Österreich angesehen werden.

Neben den Personenverkehr (genaueres siehe Kap. 6.8) spielt auch der Güterverkehr eine wichtige Rolle. Ein Zementwerk in Lorüns ist der größte Kunde im Güterverkehr für die Montafoner Bahn. Abseits der Schiene wird auch der komplette Busbetrieb über die Montafoner Bahn abgewickelt und mit der Bahn abgestimmt. Auch der „Skibusbetrieb“ im Winter wird von der MBS betrieben. Seit einigen Jahren wird unter der Dachmarke „Montafoner Bahn“ aber nicht nur Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt, sondern auch andere regional wichtige Geschäftsfelder eingeschlossen. Erst heuer (2006) ist man in die Energieerzeugung mit erneuerbarer Energie eingestiegen und plant mittels eines Heizkraftwerks, bestückt mit Holz und Holzabfällen, Energie für die Region zu erzeugen. Daneben ist man Anbieter von Kabelfernsehen, Internet & Datenleitungen, EDV-Technik und betreibt in Schruns einen Fachmarkt für Elektronikartikel.

6.5 Arbeitslosigkeit Der regionale Arbeitsmarkt zeigt keine außergewöhnlichen Abweichungen vom generellen Landes- oder Bundestrend. Vorarlberg im Allgemeinen und der Bezirk Bludenz im Besonderen weisen eine verhältnismäßig zum Bundesschnitt geringe Arbeitslosenquote auf. Abbildung 24 zeigt, dass die Arbeitslosenquote in Vorarlberg im Jahr 2005 6,7% und im Bezirk Bludenz 6,1% betrug. Die Frauenarbeitslosigkeit ist tendenziell immer höher als die

106 siehe www.montafonerbahn.at 182 Arbeitslosigkeit bei den Männern. Die Jugendarbeitslosigkeit, als wichtiger sozialer Indikator (hier dargestellt als Anteil an der Gesamtarbeitslosigkeit) ist in Bludenz mit über 20% sehr hoch. Dieser Wert ist doch bedenklich, wenn man zum Vergleich den bundesweiten Wert heranzieht, der mit 16,4% erheblich geringer ist. Das Land Vorarlberg hat selbst auch eine überdurchschnittlich hohe Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen.

25

20

15 Bludenz Vorarlberg 10

5

0 Frauen 15 - 25 Frauen 15 - 25 Frauen Jugend Jugend Männer Männer Männer Gesamt Gesamt Gesamt 2005 2004 2003

Abbildung 78: Arbeitslosenquoten Bez. Bludenz und Vorarlberg 2003 – 2005 (Quelle: AMS)

Wenn wir nun die Gemeinden des Montafons genauer betrachten, so fällt auf, dass in allen Gemeinden die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Festzuhalten ist, dass dies ein generelles Phänomen ist ohne wirkliche Ausnahme. Da Abbildungen 25-27 nur in absoluten Zahlen vorhanden und daher nicht an der Zahl der Erwerbstätigen gekoppelt sind, müssen diese Werte und dessen Vergleichsannahmen aus dem Gesamtkontext heraus relativiert werden. Schruns weist in der allgemeinen Arbeitslosigkeitsstatistik des Montafons die meisten Arbeitslosen aus. Es sei aber auch hinzuweisen, dass Schruns der größte Ort im Montafon ist und daher auch die meisten Erwerbstätigen beheimatet sind. Wenn man diese Werte nun mit der Tabelle 1 (Bevölkerungsdichte im Montafon) vergleicht, so erkennt man, dass die bevölkerungsstärksten Gemeinden auch die höchste Arbeitslosigkeit aufweisen.

Die Aufsplittung in regionale geschlechtsspezifische Arbeitslosigkeit zeigt keine Abweichungen vom generellen Trend in Österreich. Dies bedeutet, dass sich die allgemeine

183 Erhöhung der Arbeitslosigkeit relativ gleichmäßig auf Frauen und Männer aufgeteilt hat. Schruns bildet hierbei eine kleine Ausnahme, wo doch erheblich mehr Frauen als Männer arbeitslos wurden.107

140 120 100 80

Anzahl 60 40 20 0

. rn .M rtal hu üns i hen or lbe L on kirc Stallehr omäberg Schruns Si Vandans l Gasc Ant en ho t. all Tschagguns rt S G t. Ba S

2001 2005

Abbildung 79: Arbeitslosigkeit gesamt im Montafon 2001 – 2005 (Quelle: Statistik Austria)

Die Zeitreihe zur Arbeitslosigkeit in den Vorarlberger Bezirken zeigt auch den langfristigen Verlauf der geschlechtsspezifischen Arbeitslosigkeit. Auch hier sind die Zahlen wieder absolut angegeben, wodurch eine Vergleichbarkeit mit den anderen Bezirken aufgrund der unterschiedlichen Größe (Arbeitsstätten, Beschäftigte, etc.) nur bedingt tauglich ist. Daher ist auch Bludenz jener Bezirk mit der geringsten absoluten Arbeitslosigkeit bei Frauen und Männern. Man muss aber bedenken, dass Bludenz auch der bevölkerungsärmste Bezirk Vorarlbergs ist und daher auch weniger Beschäftigte im Vergleich vorweisen kann.

107 Hier muss auch berücksichtigt werden, dass die prekären Arbeitsverhältnisse nicht untersucht werden und man daher ausgehend vom Bundestrend annehmen muss, dass möglicherweise auch im Montafon der Anteil der Personen in prekären Arbeitsverhältnissen gestiegen ist. 184 80

70 60

50

40

Anzahl 30

20

10

0

s al r ns rt rü churn be ndans s Lo on i.M. a nt Schrun Sil Stalleh Ga V Tschagguns St. A Bartholomäberg St. Gallenkirchen

2001 2005

Abbildung 80: Arbeitslose Frauen im Montafon 2001 – 2005 (Quelle: Statistik Austria)

60

50

40

30 Anzahl 20

10

0

rg rn s hr s e n ns be hu rün ll a ä o n i.M. gu sc L o g nd Schruns Silbertal Sta a Ga V Tscha artholom St. Ant B St. Gallenkirchen 2001 2005

Abbildung 81: Arbeitslose Männer im Montafon 2001 – 2005 (Quelle: Statistik Austria)

Im Zeitablauf kann neben den konjunkturell bedingten Verlauf der Arbeitslosigkeit auch die Gleichverteilung der geschlechtsspezifischen Arbeitslosigkeit festgestellt werden. Es gibt praktisch in keinem Jahr der untersuchten Periode von 1989 bis 2005 eine entscheidende

185 Differenz zwischen Männer und Frauen. Kleine Abweichungen können im Bezirk und Feldkirch festgestellt werden, die aber aus der Sicht des Montafons nicht relevant sind.

1800

1600

1400

1200

1000

800 Anzahl

600

400

200

0

9 0 1 5 6 7 8 2 3 4 9 00 198 199 199 1992 1993 1994 19 199 199 199 1999 2000 2001 2 200 200 2005 Jahre

Bludenz Bregenz Dornbirn Feldkirch

Abbildung 82: Arbeitslose Männer in den Vorarlberger Bezirken 1989 – 2005 (Quelle: Statistik Austria)

1800

1600

1400

1200

1000

800 Anzahl

600

400

200

0

9 0 1 5 6 7 8 2 3 4 9 00 198 199 199 1992 1993 1994 19 199 199 199 1999 2000 2001 2 200 200 2005 Jahre

Bludenz Bregenz Dornbirn Feldkirch

Abbildung 83: Arbeitslose Frauen in den Vorarlberger Bezirken 1989 – 2005 (Quelle: Statistik Austria)

186

6.6 Pendlersituation Die Pendlerdaten sind auf Gemeindeebene über die Volkszählung 2001 zu bekommen. Die Pendlerstatistik wird aufgrund folgendem Schema ermittelt: Die Ausgangslage bilden die so genannten Erwerbstätigen am Wohnort. Dies ist jene Anzahl der Wohnbevölkerung, die Voll- , Teilzeit oder geringfügig erwerbstätig sind und in der Wohngemeinde ihren Hauptwohnsitz haben.108 Von den Erwerbstätigen am Wohnort werden die Auspendler ermittelt, die ihre Arbeitsstätte außerhalb der Wohngemeinde haben und daher täglich (Tagespendler) oder unregelmäßig (Nicht-Tagespendler) pendeln. Die Einpendler bilden das Gegenteil zu den Auspendlern, also jene Anzahl, die in die Gemeinde berufsmäßig einpendeln, aber ihren Wohnort in einer anderen Gemeinde haben. Die Differenz aus Erwerbstätigen am Wohnort und den Auspendlern, sowie zuzüglich der Einpendler ergibt die Anzahl der Erwerbstätigen am Arbeitsort. Diese Variable sagt aus, wie viel Personen die Bezugsgemeinde als Arbeitsort definieren. Aus dieser einfachen Formel werden somit die Pendlerströme zwischen den einzelnen Gemeinden gemessen. Die Abbildung 30 zeigt die vier Hauptvariablen der Pendlerstatistik und deren Relation zueinander. Die linke Seite soll die Erwerbstätigen am Wohnort abbilden, sowie der Anteil davon, die auspendeln (blau gestrichelter Balken). Die rechte Seite soll die Erwerbstätigen am Arbeitsort darstellen. Der integrierte Balken bildet wiederum die Einpendler ab. Die linke und die rechte Seite kann durch diese Veranschaulichung sehr einfach in Relation gesetzt und damit das Verhältnis zwischen Ein- und Auspendlern, sowie das Verhältnis zwischen den Beschäftigten und Wohnhaften verdeutlicht werden. Das Montafon besteht zum Großteil aus „Auspendler-Gemeinden“ mit einem hohen Anteil an Erwerbstätigen am Wohnort, einer hohen Auspendlerrate und einer vergleichbar geringen Einpendlerrate. Schruns, das Zentrum des Montafons, ist die einzige „Einpendlergemeinde“, wo die Erwerbstätigen am Arbeitsort die Mehrheit darstellen. Das heißt, es arbeiten mehr Personen in Schruns als wohnhaft sind. Das Pendlersaldo, das Verhältnis aus Erwerbstätige am Arbeitsort durch Erwerbstätige am Wohnort, beträgt in Schruns 150%.

108 siehe Anhang (Erläuterungen) zur Volkszählung 2001; www.statistik.at 187 Vandans

Tschagguns

Stallehr Silbertal Schruns St. Gallenkirch

Sankt Anton

Lorüns

Gaschurn

Bartholomäberg

-2000 -1500 -1000 -500 0 500 1000 1500 2000 2500

Erwerbstätige am Wohnort Erwerbstätige am Arbeitsort Auspendler Einpendler

Abbildung 84: Pendlerstatistik der Montafoner Gemeinden VZ 2001 (Quelle: Statistik Austria, eigene Berechnung)

Die folgende Abbildung (Abb. 31) zeigt nun ebenfalls sehr deutlich, dass die Differenz zwischen den Erwerbstätigen am Wohnort und den Auspendlern in manchen Gemeinden sehr gering ist. Dies bedeutet, dass fast alle Erwerbstätigen ihre Arbeitsstätte außerhalb ihrer Wohngemeinde haben. Ein solches Phänomen kann vor allem in den Gemeinden Bartholomäberg, Lorüns, Sankt Anton i.M., Silbertal und Stallehr beobachtet werden. Wenn man zusätzlich annimmt, dass jene, die in der gleichen Gemeinde arbeiten und wohnen, in der Landwirtschaft tätig sind, so würde dies noch mehr den Charakter einer typischen „Auspendlergemeinde“ verstärken. Schruns hat nicht nur absolut die meisten Einpendler, sondern auch ungefähr gleich viel Einpendler wie Erwerbstätige am Wohnort. Die höchsten Auspendlerzahlen befinden sich neben Schruns (wobei dieser Wert relativ gesehen klein ist) in Bartholomäberg, Tschagguns und Vandans. Auffallend ist, dass die Gemeinden aus dem inneren Montafon, wie Gaschurn oder St. Gallenkirch eine verhältnismäßig geringe Anzahl an Auspendlern aufweisen, wobei diese immer noch als „Auspendlergemeinde“ charakterisiert werden können.

188 1800 1600 1400 1200 Erwerbstätige am 1000 Wohnort 800 600 Auspendler 400 200 0 Einpendler

g n s h s r n n rtal rü ans chur o nd s L agguns llenkirc Schru Silbe Stallehr h lomäbe Ga a Va tho Tsc Bar Sankt G

Sankt Anton im Montafon Abbildung 85: Erwerbstätige am Wohnort, Auspendler und Einpendler in den Montafoner Gemeinden VZ 2001 absolut (Quelle: Statistik Austria)

Im Rahmen des Projekts „Zukunft Montafon“109 wird als ein wichtiges Problem im Rahmen der fünf „Thesen“ zur aktuellen Situation die hausgemachte Verkehrsbelastung angesehen, wobei hier gemeint ist, dass der tägliche Berufspendel- und Einkaufsverkehr den größten Anteil am Verkehrsproblem darstellt und der Tourismusverkehr diesen hohen Grundanteil am Verkehr saisonal steigert. Diese Interpretation erscheint vom Ansatz her plausibel und beschreibt auch sehr schön die Charakteristik von „Auspendlergemeinden“, doch muss auch berücksichtigt werden, dass der saisonal starke Tourismusverkehr eine Erhöhung von bis zu 25% nach sich zieht. Eine solche Steigerung darf unabhängig von der hohen Grundfrequenz nicht unterbewertet werden. Des Weiteren wird oft vergessen, dass die Tourismuswirtschaft nicht nur Erholungssuchende anzieht, sondern auch Saisonarbeitskräfte nachfragt, die selbst auch Verkehr verursachen.110

Aufgrund dieser divergierenden Annahmen gehen wir davon aus, dass die Analyse zwischen Berufspendelverkehr und saisonal bedingten Tourismusverkehr statistisch nicht getrennt betrachtet, bspw. nicht objektiv genug unterschieden werden kann. Von den vorhandenen Daten kann nur mit Sicherheit interpretiert werden, in welche Richtung und Häufigkeit sich

109 vgl. Scherer/Strauf 2006, S.16f 110 vgl. Scherer/Strauf 2006, S.16, hier insb. die Abbildung zur Verkehrbelastung im Montafon (über Verkehrszählungen) 189 die Berufspendelziele111 verteilen. Die untere Abbildung (Abb. 32) zeigt die wichtigsten Pendelziele und deren Relation zu den gesamten Auspendlern in den Montafoner Gemeinden. Dabei zeigt sich in vielen Gemeinden, dass Schruns das Pendlerziel Nummer Eins ist, obwohl in manchen Gemeinden aus Datenschutzgründen solche spezifischen Daten nicht zur Verfügung gestellt werden. Bludenz als Bezirkshauptstadt ist in den meisten Gemeinden das zweitgrößte Ziel. In Vandans ist diese Rangfolge umgekehrt. Hier hat Bludenz die meisten Auspendler für sich. Vor allem in Tschagguns und Vandans pendelt eine hohe Anzahl der EinwohnerInnen in den Bezirk Feldkirch und Bregenz. Zwar nicht in der Grafik vertreten aber dennoch erwähnenswert ist der Umstand, dass ein beachtlich hoher Pendleranteil ins Ausland pendelt. Aufgrund der Nähe zur Schweiz kann angenommen werden, dass diese „Auslandspendler“ die Schweiz als Pendelziel haben. Bei den Einpendlern zeigt sich vor allem in den Touristenhochburgen, dass viele Nicht-Tagespendler (z.B. Wochenendpendler) aus anderen Bundesländern das Montafon als Arbeitsstätte nutzen.

1000 900 Auspendler 800 insgesamt 700 600 nach Schruns 500 400 300 200 nach Bludenz 100 0

s l a ns fon rch un a ki r llehr in andere pol. lbert ta schurn Lorüns en i S aggu a l Sch S Vandans Bezirke des G Mont Gal sch rtholomäberg m T Bundeslands a nkt B a VB S

Sankt Anton i Abbildung 86: Anzahl der Auspendler nach ausgesuchten Zielen in den Montafoner Gemeinden (Quelle: Statistik Austria)

Für den Tourismusverkehr lassen sich aus der Pendlerstatistik keine relevanten Daten ableiten. In Kapitel 6.9 wird der Tourismus eigenständig dargestellt, wobei auch hier mehr auf die quantitative Betrachtung der Nächtigungs- und Ankunftszahlen wert gelegt wird. Zwei wichtige Erkenntnisse sollten aber kurz festgehalten werden:

111 Es gibt auch eine Schülerpendlerstatistik, die aber für die Problematik des individuellen Verkehrs weniger relevant ist. 190 • Das Montafon besteht mehrheitlich aus „Auspendlergemeinden“, wodurch auch der Berufspendelverkehr ein erhebliches Problem darstellt. Die Statistik zeigt aber, dass die Pendlerziele vorrangig im Montafon angesiedelt sind, vor allem in Schruns. Dies bedeutet, dass dem öffentlichen Verkehr im Montafon selbst, und hier insbesondere der Montafonerbahn, zur Problemlösung ein wichtiger Stellenwert eingeräumt werden muss. (siehe auch Kap. 6.8) • Der Berufspendel- und Tourismusverkehr sollten gleichermaßen behandelt werden, ohne eines der Beiden von Vornherein hierarchisch höher zu stellen. Die „hausgemachte“ Verkehrsbelastung durch den Berufspendelverkehr kann nicht mit Sicherheit angenommen werden. Vielmehr sollte ein integratives Lösungskonzept vorgelegt werden, wo beide Problemverursacher eingebunden werden sollen. Der Montafoner Bahn kann hierbei wieder eine wesentliche Lösungspriorität eingeräumt werden, indem nicht nur die Berufspendler zum Umstieg motiviert, sondern Maßnahmen erstellt werden sollen, die zur Verlagerung des Tourismusverkehrs auf die Bahn führen. Nicht jedes hochalpine Tal hat eine eigene Bahnstrecke zu bieten und diese Tatsache sollte auch besser ausgenützt werden.112

6.7 Öffentliche Infrastruktur 6.7.1 Bildungseinrichtungen Im Bezirk Bludenz existieren insgesamt 71 Schulen. Davon sind 48 Volksschulen, was einen Anteil von rund 68% an der Gesamtschulanzahl bedeutet. Dieser Wert ist höher als der durchschnittliche Wert für das Land Vorarlberg. Daneben gibt es noch 12 Hauptschulen im Bezirk Bludenz, was ebenfalls einer hohen Wertigkeit entspricht. In der Anzahl der höheren Schulen ist der Bezirk Bludenz aber weit abgeschlagen. Es gibt nur eine allgemeinbildende höhere Schule (AHS) in Bludenz selbst, sowie eine HAK und HBLA. Universitäten oder hochschulverwandte Bildungseinrichtungen sind im Bezirk Bludenz nicht vorhanden.

Für das Montafon ist die Anzahl der Bildungseinrichtungen ebenfalls zwiespältig. Einerseits gibt es in fast jeder Gemeinde außer Stallehr eine oder mehrere Volksschulen113, andererseits existieren im Montafon nur zwei Hauptschulen. Um Zugang zum Gymnasium oder anderen berufsorientierten höheren Schulen zu gelangen, muss nach Bludenz gependelt werden. Die hohe Anzahl der Volksschulen steigert mit Sicherheit die Lebensqualität der Montafoner

112 Die ÖBB bietet ein „Wedelweiss-Ticket“ an, wo Skipass, Bahnfahrt und Transfer ins Montafon inkludiert sind. Dieses Tickets gibt aber es nur bis Bludenz. 113 Die Volksschulen sind zumeist sehr klein mit nur ein paar wenigen Schulklassen. 191 Familien, da für die Kinder kurze Wege zur Volksschule vorhanden sind. Die beiden Hauptschulen, eine befindet sich in Schruns, eine weitere in Garthipol (HS Innermontafon), sind mit Sicherheit zu wenig, wenn man bedenkt, dass in Niederösterreich größere Gemeinden schon eine Hauptschule vorweisen können. Für das Montafon mit seinen rund 17000 Einwohnern ist diese geringe Anzahl an Hauptschulen kein positiver Aspekt bei der Beurteilung der öffentlichen Infrastruktur.114

6.7.2 Sozialdienste Das nächstgelegene Krankenhaus befindet sich in Bludenz (Landeskrankenhaus Bludenz). Im Montafon gibt es kein Krankenhaus.

Zur Altenbetreuung und Altenpflege gibt es einige Einrichtungen in Montafon, als auch in Bludenz. In St. Gallenkirch befindet sich ein gemeindeeigenes Pflegeheim. St. Anna-Hilfe GmbH besitzt in Schruns ein weiteres Sozial- und Gesundheitszentrum, wo 46 Menschen Platz finden. In Vandans gibt es des Weiteren noch ein privates Seniorenheim. Das Angebot an Altenbetreuung und Altenpflege ist im Montafon sehr gut. In Bludenz gibt es zusätzlich noch ein Alten- und Pflegeheim, welches der Stadt Bludenz gehört.

Landeskrankenhaus Spitalgasse 13 6700 Bludenz Bludenz Altenheim der Stadt Spitalgasse 12 6700 Bludenz Bludenz Pflegeheim der Stadt Spitalgasse 13 6700 Bludenz Bludenz St. Anna-Hilfe gGmbH Silvrettastr. 11 - 13 6780 Schruns Alten- und Pflegeheim Schruns Privates Seniorenheim Planggaweg 6 6773 Vandans Schmidt GmbH Pflegeheim der St. Gallenkirch 26 6791 St. Gallenkirch Gemeinden St. Gallenkirch und Gaschurn Tabelle 14: Liste aller sozialen Einrichtungen im Montafon und Stadt Bludenz (Quelle: www.50plus.at)

114 siehe www.schule.at 192 6.8 Erreichbarkeit und Mobilität Neben der individuellen Erreichbarkeit und Mobilität durch das Auto gibt es zwischen Bludenz und Schruns die hier schon öfters erwähnte und dargestellte Montafoner Bahn (MBS). Diese 13 km lange Bahnstrecke ist von der Charakteristik her eine klassische Zubringerstrecke mit hohen Regionalzuganteil und wenig bis gar keine beschleunigende Eilzüge. Eine zusätzliche Unterstützung des öffentlichen Verkehrs bilden die Buslinien der Montafoner Bahn.

Um hier nicht zu sehr ins Detail zu gehen, werden in weiterer Folge der Fahrplan und die Charakteristik der einzelnen öffentlichen Verbindungen kurz dargestellt und danach ein zeitlicher Vergleich zwischen der Bahnstrecke und des Individualverkehrs (mittels Routenplaner) auf ausgewählten Verbindungen angestellt.

Die Montafoner Bahn nach Schruns entspricht mehr einer Nebenbahn als einer Hauptbahn. Der Vorteil dieser Bahnstrecke ist aber die Elektrifizierung, wodurch durchgängige Züge mit Elektrolokomotiven der Westbahn möglich sind. Es gibt grundsätzlich keine Eilzüge. Das heißt, es werden immer alle sieben Haltestellen und Bahnhöfe zwischen Bludenz und Schruns angefahren. Der Fahrplan zeigt, dass in den Stoßzeiten morgens, mittags und abends halbstündliche Zugverbindungen vorhanden sind. An den Tagesrandlagen herrscht ein Stundentakt, wobei dies nur am Vormittag und in den Abendstunden der Fall ist. Die Fahrzeit beträgt immer 20 Minuten. Die Züge verkehren zum Großteil zwischen Schruns und Bludenz mit Anschlussmöglichkeit Richtung Feldkirch und Bregenz. Vereinzelt gibt es auch durchgängige Verbindungen nach Bregenz und Lindau (D). In die Schweiz oder Liechtenstein gibt es keine durchgängigen Züge, jedoch ist die MBS zuständig für den Regionalverkehr zwischen Feldkirch und Buchs (CH).115 Offensichtliche Defizite in der Erreichbarkeit mit der Montafoner Bahn können nicht festgestellt werden, jedoch ist das Fehlen von Eilzügen, die zwischen Bludenz und Schruns als wichtige Zentrumsverbindung fungieren, ein möglicher Attraktivitätsverlust.

Der Busbetrieb beschränkt sich einerseits auf Regionalverbindungen ins innere Montafon, sowie in die Seitentäler, wo die Bahnstrecke nicht hinführt und der Bus eine Anschlussfunktion zum Zug besitzt. Andererseits besteht in der Region Schruns-Tschagguns ein „innerstädtischer“ Busbetrieb, der neben der regionalen Erreichbarkeit, eine wichtige

115 Diese Dienstleistung wurde von den ÖBB übernommen und hat mit der Stammstrecke wenig zu tun. Die meisten Haltestellen zwischen Feldkirch und Buchs sind im Fürstentum Liechtenstein anzufinden. 193 Verbindung für Skitouristen von den Hotels zu den Skipisten darstellt. Die regionalen Buslinien verkehren, abgestimmt mit der Bahn, in einem vergleichbaren Stundentakt, wobei es aber in den meisten Fällen keine Verdichtung gibt und der Fahrplan insgesamt eher ausgedünnt ist. Dies liegt vermutlich daran, dass „Busfahren“ nicht die gleiche Attraktivität besitzt wie die Bahn. Der weiter unten angeführte Vergleich in der durchschnittlichen Fahrtdauer lässt erkennen, dass der Bus im Gegensatz zum Auto nicht exorbitant langsamer ist.

Abbildung 87: Liniennetz Ortsbus Schruns-Tschagguns (Quelle: www.montafonerbahn.at)

Abbildung 88: Liniennetz mbs Bus (Quelle: www.montafonerbahn.at)

194 Durchschnittliche Fahrtdauer öffentlicher und individueller Verkehrsmittel:

Öffentlich (Bahn, von Schruns nach Bus) Individuell Zeitfaktor Bludenz 20 min 15 min 1,33 36 min 1,33 Feldkirch 27 min 50 min 1,85 69 min 1,50 Bregenz 46 min 99 min 2,15 Innsbruck ~ 2h 20 min 1h 44 min 1,35 Gaschurn (mit Bus) 28 min 22 min 1,27 Tabelle 15: Durchschnittliche Fahrtdauer (Quelle: eigene Erstellung) Der Zeitfaktor setzt sich zusammen aus der Fahrtdauer bei öffentlichen Verkehrsmitteln dividiert durch die Fahrtdauer im Individualverkehr, die mittels Routenplaner recherchiert wurde.116 Die Grafik zeigt, je weiter das Ziel vom Ausgangspunkt Schruns entfernt ist, desto höher ist die Zeitdifferenz zwischen öffentlichen und individuellen Verkehrmitteln zu Gunsten des Individualverkehrs. Der höchste Zeitfaktor befindet sich auf der Strecke nach Bregenz, wenn man einen besonders langsamen Zug benutzt. Das gleiche gilt für Feldkirch. Bei der Fahrt nach Innsbruck scheint es laut Zeitfaktor, dass die Zeitdifferenz gar nicht so hoch erscheint, aber durch die lange Zeitdauer relativiert sich der Zeitfaktor. Mit dem Auto ist man aber dennoch über eine halbe Stunde schneller, was doch ein erhebliches Argument für das Auto auf dieser Strecke darstellt. Die größte Konkurrenzfähigkeit zwischen Bahn und Auto herrscht zwischen Schruns und Bludenz, wo nur 5 min Unterschied herrscht und die Bahn fast gleich schnell wie das Auto ist. Aufgrund der Möglichkeit eines Staus oder Verspätungen im Zugfahrplan darf die 5minütige Zeitdifferenz innerhalb einer „Toleranzgrenze“ betrachtet werden. Die geforderte Eilzugverbindung könnte diese kleine Differenz noch mehr verringern und die Attraktivität für Pendler steigern. Zum Schluss wurde noch eine Busverbindung näher untersucht (Linie 85) und festgestellt, dass sich die Differenz im „positiven Rahmen“ befindet und das Auto nicht konkurrenzlos schneller ist als der Bus.

6.9 Tourismus Schon in der Analyse der Wirtschaftsdaten wurde darauf hingewiesen, dass das Beherbergungs- und Gaststättenwesen den wichtigsten Wirtschaftssektor im Montafon repräsentiert. Das Montafon ist überregional bekannt als Wintersportort mit einer Vielzahl an Liftanlagen und Hotels. Der größte Wintersportort im Montafon sind die Orte Sankt

116 siehe www.viamichelin.at; www.herold.at 195 Gallenkirch und Gaschurn mit dem bekannten Skigebiet Silvretta Nova. In der Tourismusstatistik scheint St. Gallenkirch am 43. Platz auf und ist mit über 500.000 Übernachtungen im oberen Durchschnitt zu betrachten. Zum Vergleich: Sölden, das Skigebiet mit den meisten Nächtigungen, hat über 2,000.000 Nächtigungen. Der Sommertourismus kann im Gegensatz zum Wintertourismus nicht diese Dynamik aufweisen, wodurch auch saisonal bedingt der Arbeitsmarkt darunter leidet, da für die restliche Zeit das Angebot nicht in dem Maße vorhanden ist.

Die nachfolgende Abbildung (Abb. 35) zeigt die Anzahl der Nächtigungen im zeitlichen Verlauf in den vier größten Tourismusorten. Man erkennt zugleich einen generellen Trend in allen vier untersuchten Gebieten, dass von 2001 bis 2005 der Tourismus etwas stagniert oder sogar sinkt. Die Zeitreihe von 1971 an zeigt aber auch, dass von keinem homogenen Wachstum im Tourismus ausgegangen werden kann. St. Gallenkirch hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immens steigern können; in Gaschurn lässt sich ebenfalls ein Trend nach oben nachweisen, hat in den letzten Jahren aber stagniert; Schruns war 1971 noch die Nummer 1 in den Nächtigungen, hat dann kontinuierlich Einbußen hinnehmen müssen und konnte erst wieder in den letzten Jahren leicht wachsen; in Tschagguns herrscht seit 1981 eine generelle Stagnation ohne erkenntlichem Wachstum. Abbildung 36 zeigt dieselbe Zeitreihe, doch wird hier unterschieden zwischen Sommer- und Wintertourismus. Hier erkennt man sehr deutlich, wie sich das Verhältnis Sommer/Winter in den letzten Jahrzehnten umgedreht hat. Vor allem die Steigerungsraten im Wintertourismus sind enorm. Der Sommertourismus stagniert im Gegensatz dazu in der langfristigen Perspektive. Im Prinzip kann man davon ausgehen, dass mit der Ausnahme von Schruns in allen anderen untersuchten Gemeinden das gleiche Niveau im Sommertourismus vorherrscht wie 1971.

196 550000

500000

450000 Gaschurn 400000 Schruns St. Gallenkirch 350000 Tschagguns 300000

250000

200000 1971 1981 1991 2001 2005

Abbildung 89: Übernachtungen in allen Beherbergungsbetrieben in den wichtigsten Tourismusgemeinden des Montafons 1971 -2005 (Quelle: Statistik Austria)

400000

350000

300000

250000 Gaschurn 200000 St. Gallenkirch Schruns 150000 Tschagguns

100000

50000

0 ÜbernSo73 ÜbernSo82 ÜbernSo92 ÜbernSo02

ÜbernWi71/72 ÜbernWi81/82 ÜbernWi91/92 ÜbernWi01/02 Abbildung 90: Vergleich Winter- und Sommertourismus von 1971 bis 2001 (Quelle: Statistik Austria)

In Abbildung 37 ist eine genaue Analyse des kurzfristigen zeitlichen Verlaufs ersichtlich. Da es sich in dieser Grafik aber um Ankünfte und nicht Nächtigungen handelt, kann ein direkter Vergleich nicht vollzogen werden. Dafür wurde ein anderes Phänomen sichtbar, dass nämlich die Ankünfte seit 2001 stabil geblieben sind. Zum Beispiel sind die Ankünfte in St. Gallenkirch fast gleich geblieben; es gab nur minimale Änderungen im 3stelligen Bereich. Diese stabilen Ankunftszahlen und die in manchen Gemeinden (St. Gallenkirch) relativ sinkenden Nächtigungen in den letzten Jahren ab 2000 können nur damit interpretieren 197 werden, dass die durchschnittliche Verweildauer der Erholungssuchenden gesunken ist. Eine kurzfristig rückläufige Entwicklung des Sommertourismus kann aufgrund der Abbildung 37 nicht bestätigt werden. Die Ankünfte sind seit 2001 relativ stabil, auch wenn der Sommertourismus nur ein etwa Drittel des Wintertourismus ausmacht.117

70.000

60.000 Ankünfte im Winterhalbjahr 2001/02 50.000 Ankünfte im Winterhalbjahr 40.000 2004/05 30.000 Ankünfte im Sommerhalbjahr 2001 20.000 Ankünfte im Sommerhalbjahr 10.000 2005 0

rg n . M rch e i uns chur lenk nton i. Schr Silbertal Gas A al chagguns Vandans . G s tholomäb . T St St Bar

Abbildung 91: Vergleich Ankünfte im Winter 2001/02 - 2004/05 und Sommer 2001 – 2005 (Quelle: Statistik Austria)

Die beiden nachstehenden Grafiken (Abb. 38-39) zeigen einerseits das Verhältnis zwischen dem Winter- und Sommertourismus und andererseits das Verhältnis zwischen inländischen und ausländischen Touristen. Erholungssuchende aus dem Ausland sind nicht nur die Mehrheit, sondern die herausragende Größe im Gegensatz zu den Inländern. Auch im Sommertourismus spiegeln sich diese Zahlen wieder. Des Weiteren ist ersichtlich, dass die vier großen Touristengemeinden Gaschurn, St. Gallenkirch, Schruns und Tschagguns die Hauptlast des Tourismus tragen. Die restlichen Gemeinden, außer Vandans, sind zahlenmäßig stark abgeschlagen. St. Anton i.M. ist die Gemeinde mit dem wenigsten touristischen Potential aus der Sicht der Statistik.

117 vgl. Scherer/Strauf 2006, S.10f 198 70.000 60.000 Bartholomäberg Gaschurn 50.000 St. Anton i.M. 40.000 St. Gallenkirch 30.000 Schruns Silbertal 20.000 Tschagguns 10.000 Vandans 0 Inländer Ausländer Gesamt Inländer Ausländer Gesamt Ankünfte Winterhalbjahr Ankünfte Sommerhalbjahr 2005 2004/2005

Abbildung 92: Ankünfte im Winter 2004/05 und Sommer 2005 (Quelle: Statistik Austria)

400.000 350.000 Bartholomäberg 300.000 Gaschurn 250.000 St. Anton i.M. St. Gallenkirch 200.000 Schruns 150.000 Silbertal 100.000 Tschagguns 50.000 Vandans 0 Inländer Ausländer Gesamt Inländer Ausländer Gesamt

Nächtigungen Winterhalbjahr Nächtigungen Sommerhalbjahr 2004/2005 2005

Abbildung 93: Nächtigungen im Winter 2004/05 und Sommer 2005 (Quelle: Statistik Austria)

Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Beurteilung der touristischen Entwicklung ist die Anzahl der Privatunterkünfte im Gegensatz zu den gewerblichen Unterkünften. In der historischen Analyse von den Anfängen des Tourismus im Montafon (siehe Kap. 4.5) wurde bereits dargestellt, dass die privaten Unterkünfte bereits in den Anfängen einen wichtigen Stellenwert einnahmen, sowie noch 1970 60% aller Fremdenverkehrsquartiere in privater Hand waren.118 Scherer/Strauf119 haben darauf hingewiesen, dass die Anzahl der privaten Quartiere aufgrund von Akzeptanzproblemen im Tourismus und dem für das

118 vgl. ÖIR 1979a, S.32 119 vgl. Scherer/Strauf 2006, S.10ff 199 Familieneinkommen nicht mehr notwendigen Einkommensfaktor abnimmt und an Bedeutung gegenüber den gewerblichen Betrieben verlieren. Ein Ziel sollte daher sein, die gewerblichen Betten auszubauen und die regionale Bevölkerung an der touristischen Wertschöpfung teilhaben zu lassen.

Aus Abbildung 40 ist ersichtlich, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Nächtigungen in Privatunterkünften in den größten Tourismusgemeinden im Montafon nicht merklich gesunken ist. Vielmehr ist eine Stabilität zu erkennen. Nur in St. Gallenkirch und Tschagguns ist ein kleiner Verlust an Nächtigungen zu verzeichnen, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass die Jahre zwischen 2001 und 2005 nicht untersucht wurden. In Gaschurn und Schruns ist die Zahl der Privat-Nächtigungen sogar leicht gestiegen. Die Anzahl der Nächtigungen lässt zwar keine genaue Analyse über die Anzahl der Privatunterkünfte zu, doch ist es beachtenswert, dass im Durchschnitt in allen vier wichtigen Tourismusgemeinden immer noch rund 48% der Gäste in privaten Unterkünften übernachten.

70,0 60,0 50,0 Nächt. in Privatunterk. in 40,0 % - 2001 30,0 Nächt. in Privatunterk. in Prozent % - 2005 20,0 10,0 0,0

s ch ns n u hurn ru kir c n gg ch a as S G alle G t. Tsch S

Abbildung 94: Nächtigungen in Privatunterkünften 2001 – 2005 (Quelle: Statistik Austria)

Zukünftige Entwicklungen im Tourismus: Da der Tourismus in der Montafoner Wirtschaftsstruktur einen bedeutenden Stellenwert einnimmt und aufgrund der Externalitäten, wie steigende Verkehrbelastung, polarisiert, sollte kurz ein Wort zu den möglichen Zukunftsszenarien gefunden werden: • Der Regionalentwicklungsplan der LAG geht in der Entwicklungsstrategie von einem hohen Potential im Wintertourismus aus, welches auch genützt werden. Der

200 Sommertourismus hat im Gegensatz dazu ein ungenütztes Potential und soll mit dem Leitthema „Wasser“ verstärkt propagiert werden.120 • Scherer/Strauf121 sehen diese Situation etwas „pessimistischer“ und fordern ein gesamte Neuorientierung und Koordinierung des Tourismus zur Beseitigung der Schwächen. Der grundlegende Unterschied zu vorhin besteht darin, dass das Montafon nicht als Top-Destination charakterisiert wird, vor allem aufgrund der Verkehrsproblematik, der mangelnden professionellen Einstellung zum Tourismus und der fehlenden Akzeptanz innerhalb der einheimischen Bevölkerung. • Aus den hier analysierten Grafiken zum Tourismus lassen sich folgende Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen: Der Tourismus ist klar winter- und ausländerdominiert, was bedeutet, dass vor allem ausländische Gäste das Montafon im Winter als Urlaubsort auswählen. In den letzten Jahren (kurzfristige Perspektive) konnten keine großen Veränderungen in der Dynamik festgestellt werden. Der Tourismus ist immer noch der wichtigste Wirtschaftsfaktor in der Region. Auch der Sommertourismus bleibt auf geringem Level stabil. Die Entwicklung bei den Privatquartieren zeigt auch, dass kein großer struktureller Wandel von den Privat- zu Gewerbebetrieben im Tourismus stattfindet. • Als zusätzlicher Indikator für die zukünftige Entwicklung können noch die allgemeinen Strukturprobleme aus regionalökonomischer und sozioökonomischer Sicht von Bernt122 genannt werden, die er seit den 1970er Jahren ortet und bei steigender touristischer Nutzung immer vakanter werden. Diese sind zum Beispiel die steigende Ressourceninanspruchnahme, steigende Landschaftsbelastung oder die schon erwähnte Verkehrsbelastung (siehe hier im Detail Kap. 4.5).

6.10 Landwirtschaft Die Landwirtschaft ist seit jeher das wichtigste Standbein, mit der die autarke Wirtschaft des Montafons aufrechterhalten wurde. Im geschichtlichen Teil des Regionalprofils wurde bereits ausführlich die Entwicklung der Landwirtschaft dargestellt. (siehe Kap. 4) Mit dem generellen Übergang im Industriezeitalter vom primären zum sekundären und tertiären Sektor, hat sich auch im Montafon ein Strukturwandel vollzogen, der in den folgenden Grafiken deutlich zu sehen ist. Neben dem allgemeinen Rückgang der Landwirtschaft ist auch der Trend zur

120 vgl. Entwicklungsverein […] 2001 121 vgl. Scherer/Strauf 2006 122 vgl. Bernt 1996, S.11ff 201 Nebenerwerbslandwirtschaft ersichtlich. Bei der geschlechtsspezifischen Analyse fällt auf, dass die männlichen Inhaber in der Mehrzahl sind, sowohl beim Vollerwerb als auch beim Zu- und Nebenerwerb.123 Die Rolle der weiblichen Inhaberinnen ist im Gegensatz dazu eher gering. Beim Zuerwerb gibt und gab es nur ein paar wenige weibliche Inhaberinnen, sodass eine grafische Darstellung gar nicht mehr möglich war, bspw. aus Datenschutzgründen nicht zulässig wäre.

Die Grafiken (siehe Abb. 41-44) zeigen den Trend, dass von 1970 bis 1990 die Landwirtschaft im Vollerwerb und Zuerwerb massiv abnahm und im Nebenerwerb im Gegensatz zu 1980 stabil blieb oder sogar in einigen Gemeinden gestiegen ist, speziell die Zahl der weiblichen Inhaberinnen. Vor allem in den Tourismusgemeinden, wie Gaschurn oder St. Gallenkirch, ist die Anzahl der Vollerwerbslandwirtschaften bei weiblichen Inhaberinnen dramatisch gesunken. Bei den männlichen Inhabern hat Schruns und Tschagguns die größten Abnahmen im Vollerwerb zu verzeichnen. Tschagguns hatte 1970 noch 65 und 1980 nur mehr 6 Vollerwerbslandwirte. Bei den Zuerwerbsbetrieben sieht die Lage nicht besser aus. Im Jahr 1990 hat es nur mehr in der Gemeinde Bartholomäberg, eine generell stark bäuerlich geprägte Gemeinde, eine namhafte Anzahl an männlichen Zuerwerbslandwirten gegeben. In den restlichen Gemeinden ist die Anzahl dieser Gruppe auf unter 5 Personen geschrumpft.

70

60

50 1970 40 1980 30 1990

20

10

0

g n l r s ns n ch n er ir uns b rü tafo k r erta lleh guns ä o n h g m L o c ilb o S S Sta l Gaschur M allen Vanda o G im t k Tscha Barth ton an n A S t k San

Abbildung 95: Anzahl der männlichen Inhaber in Haupterwerbsbetrieben (Quelle: Statistik Austria)

123 Die Gliederung in der Landwirtschaft nach Erwerbsarten erfolgt aufgrund der Beschäftigungsdauer des Inhabers im eigenen Betrieb. Beim Vollerwerb sind dies mindestens 90% der gesamten Arbeitszeit, beim Zuerwerb 50 bis 90% und beim Nebenerwerb 10 bis 50%. 202

25

20

15 1970 1980 10 1990

5

0

l r n s a h n fon rch rt rü a i le uns o t k be g n n chruns l tal g aschur L o lle S S a lomäberg G Si h M sc Vandans im T ton Bartho n A Sankt Ga kt n a S

Abbildung 96: Anzahl der weiblichen Inhaberinnen in Haupterwerbsbetrieben (Quelle: Statistik Austria)

45 40 35 30 1970 25 1980 20 1990 15 10 5 0

n s l r o n erg irch leh b k erta dans n hru b tal n ontaf e il S a omä Lorüns l S V l M al Sc chagguns Gaschurn G s im kt T n n a Bartho S

kt Anto n a S

Abbildung 97: Anzahl der männlichen Inhaber in Zuerwerbsbetrieben (Quelle: Statistik Austria)

203 120

100

80 1970 60 1980 1990 40

20

0

s g n tal hr ns er urn rü e uns b o g sch L g nda mä a a lo Schruns Silber Stall ch V o Ga Ts nkt Gallenkirch Barth ton im Montafona n A S

Sankt Abbildung 98: Anzahl der männlichen Inhaber in Nebenerwerbsbetrieben (Quelle: Statistik Austria)

16 14 12 10 1970 8 1980 1990 6 4 2 0

s rn h ns hr ns erg u irc rtal e uns b k ru e g nda mä sch Lorün ch a o a llen S Silb Stall V l G a o G kt Tschag Barth San

Sankt Anton im Montafon

Abbildung 99: Anzahl der weiblichen Inhaberinnen in Nebenerwerbsbetrieben (Quelle: Statistik Austria)

Der Trend zum Nebenerwerb zeigt sich in den folgenden Abbildungen (Abb. 44-45). Die Zahl der Nebenerwerbslandwirte ist im Vergleich zu 1970 großteils gestiegen. Von 1980 bis 1990 konnten keine derartigen Steigerungsraten mehr festgestellt werden. Das weibliche Pendant ist hingegen von 1970 bis 1990 stark gestiegen. In Schruns gab es 1970 nur eine Nebenerwerbslandwirtin, während 1990 die Zahl auf 15 gestiegen ist. Auch in Bartholomäberg konnte ein ähnlich hoher Anstieg festgestellt werden. Augrund der Objektivität sollte aber noch festgehalten werden, dass die generelle Anzahl der

204 Nebenerwerbslandwirtinnen nicht so hoch ist, wie bei den Nebenerwerbslandwirten. Absolut gesehen gab es 1990 in allen Gemeinden mehr männliche als weibliche Inhaber einer Landwirtschaft.

6.11 Politik Die politischen Verhältnisse im Montafon sind stabil und nicht in dem Maße diversifiziert, wie es oft in urbanen Räumen anzutreffen ist. Aufgrund der regionalspezifischen Sichtweise, die in dem Regionalprofil angestrebt wird, wurde die letzte Gemeinderatwahl im Montafon genauer untersucht, im Gegensatz zu den Landes- oder Bundeswahlen, wo den Wahlen eine überregionale Bedeutung zukommt.

Die letzte Gemeinderatswahl war im Jahr 2005. Bei Gemeinderatswahlen herrscht ein Direktwahlrecht. Dadurch sind neben der Volkspartei auch sehr viele unabhängige Namenslisten angetreten. Die Wahlbeteiligung war in den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedlich: Die höchste Wahlbeteiligung hatte Gaschurn mit 85%, die geringste Tschagguns mit nur 63%. Die geringe Wahlbeteiligung war aber oft eine Auswirkung der geringen Parteien- oder Bürgerlistenvielfalt. In Tschagguns trat nur die Volkspartei an, wodurch Entscheidungsalternativen gefehlt haben und dies bei vielen Bürgerinnen und Bürgern demotivierend für den Wahlgang wirkte. Weiters ist hier anzumerken, dass die unabhängigen Bürgerlisten oft mit der regionalen Volkspartei kooperieren und ein Wahlbündnis eingehen. Neben diesen Gruppierungen ist vor allem die FPÖ und SPÖ bei den Gemeinderatswahlen angetreten, aber zumeist nur oppositionelle Chancen hatten. Nur in St. Gallenkirch wird der Bürgermeister von der SPÖ gestellt. Überraschend ist auch, dass in keiner einzigen Gemeinde eine grüne Partei oder ökologisch-motivierte, sowie sonstige alternative Bürgerlisten angetreten sind. In Gaschurn gibt es eine einzige „alternativ anmutende“ Bürgerliste mit dem Namen „Frauen für Gaschurn u. Partenen“, welche sich dem Namen nach mit geschlechtsspezifischen Themen befasst und 2005 sogar die SPÖ überholt hat.

Die einzelnen Gemeindeergebnisse aus 2005 lassen sich nun wie folgt auflisten:124 • Bartholomäberg: Bürgermeister Martin Vallaster (unab.) 92,6%; FPÖ 7,4% • Gaschurn: Volkspartei – Bürgerliste Gaschurn-Partenen 50,7%; Unabhängige und Freiheitliche 32,7%; Frauen für Gaschurn u. Partenen 8,9%; SPÖ 7,8%

124 Siehe www.vorarlberg.at 205 • Lorüns: Lorünser Volkspartei und Unabhängige 100% • St. Anton i.M.: St. Antoner Volkspartei und freie Kandidaten 91,1%; Parteifreie und FPÖ 8,9% • St. Gallenkirch: SPÖ und Parteifreie Bürger 49,5%; ÖVP und Unabhängige 42,7%; FPÖ und lebenswerte Heimat 7,9% • Schruns: Schrunser Volkspartei und Parteifreie Liste 55,9%; Gemeinschaftsliste Freiheitliche 31,0%; SPÖ und Parteifreie Liste 13,1% • Silbertal: Silbertaler Volkspartei 85,4%; Freiheitliche und Parteifreie Silbertal 14,6% • Stallehr: Liste für Stallehr 100% • Tschagguns: Offene Liste VP Tschagguns 100% • Vandans: Gemeinsam für Vandans 100%

206 7. Zusammenfassung

Das Montafon bietet als Fallbeispiel für „Future Scapes“ einige Besonderheiten, die in anderen hochalpinen Tälern nicht vorkommen. Neben der besonderen historischen Perspektive, die sehr detailliert in den ersten Kapiteln beschrieben wird, konnten auch in der sozioökonomischen Analyse aus heutiger Sicht viele Indikatoren entdeckt werden, die nicht dem generellen Landes- oder Bundestrend folgen. Der spezielle Mix aus Tourismusgemeinde, einen hohen Anteil an landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch einen ebenso hohen Anteil an Industriebetrieben und der landschaftlichen Vielfalt mit der wertvollen Ressource Wasser im Mittelpunkt ist großteils dafür verantwortlich, dass das Montafon in vielen Bereichen einen eigenen Weg eingeschlagen hat.

Die wichtigsten Ergebnisse dieses Regionalprofils lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen: • Der historische Verlauf repräsentiert eine Pfadabhängigkeit von der landwirtschaftlichen Autarkiewirtschaft, zur Einbettung in regionale Handelsstrukturen über den Abbau von wichtigen Rohstoffen, bis hin zu den Anfängen des Tourismus, der gekoppelt ist mit der industriellen und energetischen Nutzung der Ressource Wasser. Diese Faktoren legen den Grundstein für die heutige Wirtschafts- und Sozialstruktur im Montafon. • Die Siedlungsstruktur im Montafon ist geprägt durch ein beständiges Bevölkerungswachstum. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden wird dies aber nicht durch Zuwanderung erreicht, sondern vor allem über ein natürliches Bevölkerungswachstum. • Die Wirtschaft und die Beschäftigungsstruktur wird vom Tourismus dominiert. Die Darstellung einzelner Leitbetriebe hat aber gezeigt, dass neben dem Tourismus auch andere Wirtschaftssektoren vorhanden sind und Arbeitsplätze in der Region schaffen. • Die hohe Wirtschaftsdynamik führt zu externen Effekten in Form von erhöhtem Pendlerverkehr. Das Ziel in der Zukunft sollte daher sein, ein nachhaltiges Verkehrskonzept für die Region zu erstellen, um Einbußen in der Lebensqualität zu verringern. Das Vorhandensein der Montafoner Bahn, eine infrastrukturelle Seltenheit für ein hochalpines Tal, sollte in diesem Sinne besser genutzt werden. • Der Tourismus befindet sich auf einem stabilen hohen Level. Die Winterdominanz wird weiterhin vorhanden bleiben. Im Sinne der externen Effekte und

207 Umwelteinwirkungen sollte in Zukunft versucht werden, die touristische Entwicklung (ökologisch und sozial) nachhaltig zu gestalten.

In Summe kann gesagt werden, dass für einige Problembereiche schon Lösungskomponenten vorhanden sind und in diesem Sinne verantwortungsvoll genutzt werden sollten. Die Ausgangslage dafür sieht dementsprechend gut aus.

208 Literaturverzeichnis

Amt der Vorarlberger Landesregierung (2005): Bericht über die Vorarlberger Land- und Forstwirtschaft ‚’05. Bregenz. Bätzing, W. (1991): Die Alpen. Entstehung und Gefährdung einer europäischen Kulturlandschaft. München. Bernt, D. (1996): Berg und Tal – Strukturprobleme im Tourismus. In: Raum 22/96, S. 10-13. Bitschnau, Ch. (1986): Die regionalpolitischen Effekte der Wasserkraftwerke in der Großregion Montafon. Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien. Chernie, J. (2001): Social –Local Identities. In: O'Riordan, T. (eds.) (2001): Globalism, Localism & Identity. Fresh Perspectives on the Transition to Sustainability. Earthscan Publications Ltd, London. Collier, M.J. and Thomas, M. (1988): Cultural identity: an interpretative perspective. In: Kim, Y. and Gudykunst, W.B. (eds.): Theories in intercultural communication. Sage, Newbury Park, CA. Entwicklungsverein Natur- und Kulturerbe Vorarlberg (2001): Regionaler Entwicklungsplan der LAG. LEADER+ Vorarlberg. Giddens, A. (1997): Modernity and Self-identity: Self and Society in the Late Modern Age., Polity Press, Cambrigde. Hardin, G. (1969): The tragedy of the commons. In: Science, 162, pp. 1243-1248. Keating, M., Loughlin, J. and Deschouwer, K. (2003): Culture, Institutions and Economic Development. A Study of eigth European Regions. Edward Elgar, Cheltenham. Kiermayr-Egger, G. (1992): Zwischen Kommen und Gehen. Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Montafons. Raiffeisenbank Montafon, Schruns. Kudernatsch, Karin (1985): Die Bedeutung von Speicherkraftwerken für die Entwicklung alpiner Regionen unter besonderer Berücksichtigung des Fremdenverkehrs dargestellt an den Beispielen Kaprun und Montafon. Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien. ÖIR (Österreichisches Institut für Raumplanung) (1979a): Untersuchung raumbezogener Probleme der Fremdenverkehrsentwicklung im Montafon. Schlussbericht. Wien. ÖIR (Österreichisches Institut für Raumplanung) (1979b): Untersuchung raumbezogener Probleme der Fremdenverkehrsentwicklung im Montafon. Anhang. Wien.

209 Rotschnik, A. (1975): 50 Jahre Vorarlberger Illwerke - eine historisch-betriebswirtschaftliche Darstellung und Analyse eines Energieerzeugungsbetriebes. Dissertation an der Wirtschaftsuniversität Wien. Scherer, R. und Strauf, S. (2006): Zukunft Montafon – Dokumentation der Focusgruppen. Institut für öffentliche Dienstleistungen und Tourismus. Universität St. Gallen. Schöttler, P. (Hrsg.) (1991): Lucie Varga. Zeitwende. Mentalitätshistorische Studien 1936- 1939. Frankfurt 1991. Sonntag, Axel (2006): Regionalprofil von Gars am Kamp. Unveröff. Arbeit im Forschungsprojekt Future Scapes. Stemer, S. (1996): Stand Montafon: ein einzigartiges Gebilde! In: Raum 22/96, ÖIR, Wien.

Websites • Stand Montafon: http://www.stand-montafon.at (abgefragt am 20. Juli 2006) • Vorarlberger Landesregierung Natur und Umweltschutz: http://www.vorarlberg.at/vorarlberg/umwelt_zukunft/umwelt/natur- undumweltschutz/daten_fakten/naturraumvorarlberg.htm (abgefragt am 17. Juli 2006) • Vorarlberger Illwerke: http://www.illwerke.at (abgefragt am 20. Juli 2006) • Jäger Bau GmbH: www.jägerbau.com • ELB-Form GmbH: www.elb-form.at • Montafoner Bahn MBS: www.montafonerbahn.at • Statistik Austria: www.statistik.at • AMS: www.ams.or.at • ÖBB: www.oebb.at • Routenplaner: www.viamichelin.at; www.herold.at • Österreichs Schulportal: www.schule.at • Infoportal 50plus: www.50plus.at • Vorarlberger Landesregierung – Gemeinderatswahlen 2005: www.vorarlberg.at/wahlen

210

Anhang125

Berechnung des Zeitfaktors hinsichtlich der Fahrtdauer mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln:

Der in Tabelle 4 angeführte Zeitfaktor berechnet sich wie folgt:

Zöff ZF = Zpriv mit

ZF zu errechnender Zeitfaktor Zöff schnellste Verbindung unter Einbeziehung aller verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel126 Zpriv per Routenplaner127 errechnete, durchschnittliche Reisedauer mit dem privaten Kfz

Der Zeitfaktor ZF gibt also an, wie schnell, bzw. wie langsam ausgewählte Zielorte von Gars aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Vergleich zu privaten Kraftfahrzeugen erreichbar sind. Nimmt ZF den Wert 1 an, so nehmen beide Verbindungen dieselbe Zeitspanne in Anspruch. Werte größer als 1 deuten auf einen Zeitvorteil des Individualverkehrs hin.

125 Übernommen von Sonntag 2006. 126 www.oebb.at 127 www.viamichelin.at; www.herold.at 211