WILLI BLEICHER PREIS 2012

Journalismuspreis

der i G m etall

Baden-WürttemB erG

übersicht über die eingereichten Beiträge und deren autorinnen und autoren impressum: Herausgeber: IG Metall-Bezirksleitung Baden-Württemberg Stuttgarter Straße 23 · 70469 Tel.: (0711) 16581-0 · Fax: (0711) 16581-30 www.igm.de V. i. S. d. P.: Jörg Hofmann, Bezirksleiter Redaktion: Kai Bliesener, IG Metall Die Rechte der eingereichten Beiträge liegen bei den Autoren bzw. dem jeweiligen Verlag bzw. Sender. Fotos: Graffiti, pixelio, fotolia, Portraitfotos – wenn nicht anders gekennzeichnet – von den jeweiligen Autoren Gestaltung: InFo & IDee GmbH, Ludwigsburg Druck: Wachter GmbH & Co. KG, Bönnigheim Auflage: 600 Stück · Juli 2012 1 WILLI BLEICHER PREIS 2012

Die Beiträge im ÜBerBlick

Arnsperger, Malte 4-5 Risiko Schlecker Paul, Jürgen 28-29 Videoüberwachung in Bäckereien Zeitenspiegel, hier für „stern“ Heilbronner Stimme eberding, Thomas 6 GLS-Paketzusteller Preuß, Susanne 30-31 ein Leben mit dem Stern SWR Frankfurter Allgemeine Zeitung

Graefe, nils 7-9 Die Dunkelziffer der Angst bei Bosch Pribyl, Katrin 32-36 Gesichter des Handwerks Waiblinger Kreiszeitung Südkurier

Hübert, Henning 10 Portugiesen bauen auf Schwäbisch Reichart, Daniela 37 So fühlt sich der Mitarbeiter wohl Hall Freie Journalistin, Deutschlandfunk hier für Südwest Presse Jekosch, Matthias 11 Halber Lohn während der Motorrad- tour Rosenkranz, Sina 38 Falsch vermittelt – Arbeitsagenturen schicken Job- dapd suchende in die Leiharbeit Karger, Klaus Peter 12 TTe – 5 Jahre nach der Insolvenz SWR 39 Wo mein Laptop steht, ist mein Arbeitsplatz Kolnik, Sandra 13 Junge Ingenieure werden gesucht, SWR aber nicht verwöhnt SWR Roth, Franziska 40 Arbeitslose – Viel zu häufig nur Leih- arbeit statt Dauerjob Krause, Annett 14 Berufung ohne Beruf – Requiem auf SWR Hilke, Matthias einen Traum SWR Schneider, Tatjana 41-42 Ich bin immer irgendwie auf der Hut Mannheimer Morgen

Kunold, Heiner 15 Leiharbeiter – Portraits Im Weinberg der Macht Stiefel, Susanne 43-44 SWR Freie Journalistin, hier für Kontext: Wochenzeitung Leesen, Gesa von 16-17 Putzmeister in Kommunistenhand 18-19 China kauft Strautmann, Uschi 45 Stark reduziert – Ausverkauf bei Freie Journalistin, Schlecker hier für Kontext: Wochenzeitung SWR Messner, Wolfgang Herrn Biedermanns goldener 20-21 Tiyavorabun, Stefan 46 Märklin – Modell einer Pleite Abschied SWR Stuttgarter Zeitung Veitinger, Thomas Kochen auf kleiner Flamme otte, Petra 22-23 Der Geldregen trifft längst nicht alle 47-49 Südwest Presse 24-25 Die verkappten Leiharbeiter 26-27 ein schwarzer Tag für Konstanz Wisdorff, Flora 50-51 Zeitarbeit für immer Stuttgarter Nachrichten Welt 2

Vorwort

durch eigene arbeit die arbeitswelt in Baden-Württemberg für leser, Hörer und Zuschauer beschreiben und erlebbar machen: mit dem Willi- Bleicher-Journalistenpreis wollen wir Journalistinnen und Journalisten auszeichnen, die dieses Ziel verfolgen.

Als Preis wird er insgesamt zum vierten Mal verliehen, als Journalistenpreis der IG Metall Baden- Württemberg erstmalig in diesem Jahr. Die Resonanz auf den Anfang des Jahres ausgeschrie- benen Preis hat uns positiv überrascht und sie hat gleichzeitig bestätigt, dass es sich gelohnt hat, die Ausschreibung vorzunehmen. Journalistenpreise gibt es zwar inzwischen wie Sand am Meer, doch nur wenige gelten als ernsthaftes Qualitätssiegel. Wir wollen den Willi-Bleicher-Preis als Auszeichnung für qualitativ hochwertige Berichterstat- tung aus der baden-württembergischen Arbeitswelt etablieren. Im Mittelpunkt steht dabei für uns das tägliche Leben und erleben in den Fabriken und Büros des Landes, die Dokumentation des Wandels von Arbeit, die Gefahren durch veränderte Rahmenbedingungen und Strukturen, die Belastungen, aber auch die erfolge und Glücksmomente, die das Berufsleben bereithalten kann. Der Spagat, den immer mehr Menschen zwischen Arbeit und Leben – insbesondere Ar- beit und Familienleben – bewältigen müssen, wird immer schwieriger. Die allgegenwärtige er- reichbarkeit, der zunehmende Stress und eine immer weiter um sich greifende Unsicherheit der Arbeitsplätze haben immer größeren Einfluss auf Arbeitsbeziehungen und die vorhandene Arbeitswirklichkeit. Die Beiträge über diese entwicklungen, Trends und Momentaufnahmen machen die tägliche Ar- beit greifbar; machen sie erlebbar. Und Journalistinnen und Journalisten geben den Menschen Stimmen und Gesichter, holen sie und ihre Geschichten aus der Anonymität, wirbeln Staub auf, stoßen Themen an und werfen Fragen auf. Das ist ihre Aufgabe und dafür gebührt ihnen Res- pekt und Anerkennung. Denn sie haben es ebenfalls mit einem Umfeld zu tun, das sich extrem wandelt. Redaktionen werden verkleinert, Stellen gestrichen, Budgets gekürzt. Traf man Journalistinnen und Journa- listen früher häufiger auf Veranstaltungen, Pressekonferenzen oder bei einer Recherche vor Ort, ist dies heute leider zu oft die Ausnahme. Mehr und mehr wird das Internet zum Recherche- platz nummer eins, e-Mails auch für Journalistinnen und Journalisten zum bevorzugten Kom- munikationsmedium und das Telefon immer häufiger der direkteste Draht zu den Menschen. Gleichzeitig ist die Welt der Medien und der nachrichten rasant und schnelllebig geworden. Hieß es früher noch, nichts sei so alt wie die nachrichten von gestern, ist heute schon am Abend veraltet, was noch vor wenigen Stunden brandaktuell war. Dadurch verlieren nachrichten oft an Tiefgang, werden unscharf und oft sogar oberflächlich. Mit dem Willi-Bleicher-Preis will die IG Metall ganz bewusst einen Kontrapunkt hierzu setzen. Qualitative Berichterstattung, unbequeme Fragen und keine alltäglichen Themen stehen oft im Vordergrund, wenn sich Journalistinnen und Journalisten mit der Lebenswirklichkeit der Menschen beschäftigten, die als kleinste Rädchen im täglichen Leben der Ökonomie ihren Tä- tigkeiten nachgehen. Sie wollen wir auszeichnen für ihren Mut, ihr engagement und für guten Journalismus. Unabhängig von ihren Redaktionen für ihre persönliche Arbeit und ihre Beiträge über die Arbeitswelt und die Arbeitswirklichkeit hier bei uns in Baden-Württemberg. 3

Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Institut für Kommunikations- wissenschaft

Peter Heilbrunner, Abteilungsleiter Wirtschaft und Umwelt, SWR Hörfunk

Dr. Wolfgang Storz, Freier Publizist und ehemaliger Chef redakteur der Frankfurter Rundschau sowie der Metallzeitung Foto: Stephan Stephan Moll Foto:

Ich möchte mich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bedanken, die in diesem Jahr ihre Beiträge eingereicht haben. Sie sind allesamt in dieser Broschüre dokumentiert. Ich hoffe, dass all diejenigen, die in diesem Jahr nicht ausgezeichnet werden konnten, nicht aufgeben und auch im kommenden Jahr wieder mit dabei sind, wenn der nächste Willi-Bleicher-Preis ausgeschrie- ben wird.

Mein Dank gilt weiterhin der sehr engagierten und hochkompetenten Jury: Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Institut für Kommunikationswissen- schaft; Dr. Wolfgang Storz, Publizist und ehemaliger Chefredakteur der Frankfurter Rundschau und Peter Heilbrunner, Abteilungsleiter Wirtschaft und Umwelt, SWR Hörfunk. Sie hatten es nicht leicht, denn die Qualität der eingereichten Beiträge war insgesamt sehr hoch. Und sie hat- ten es sich auch nicht leicht gemacht, sondern leidenschaftlich diskutiert, das Für und Wider jedes einzelnen Beitrags mehrmals gegeneinander abgewogen und so den Kreis der Aspiranten Runde um Runde verkleinert, bis am ende die Preisträger feststanden.

Und natürlich gehört ein herzlicher Glückwunsch den diesjährigen Preisträgern:

1. PReIS sina rosenkranz und Franziska roth, SWR Hörfunk, für „Falsch vermittelt – arbeitsagenturen schicken Jobsuchende in die leiharbeit“ 2. PReIS thomas eberding, SWR Fernsehen, für „Gls-paketzusteller“

Mit dem dritten Preis hat die Jury in diesem Jahr zwei Beiträge ausgezeichnet: 3. PReIS petra otte, Stuttgarter Nachrichten, für „der Geldregen trifft längst nicht alle“ und Flora Wisdorff, Welt, für „Zeitarbeit für immer“ nACHWUCHSPReIS: Katrin pribyl, Südkurier, für die Artikelserie „Gesichter des Handwerks“

Machen Sie weiter so, lassen Sie sich nicht beirren.

Jörg Hofmann IG Metall-Bezirksleiter Baden-Württemberg 4 malte arnsperger „stern“. schreibt vor allem für „stern.de“ und Seit August 2008bei Zeitenspiegel, als „Journalist des Jahres“ ausgezeichnet. deckung des Lidl-Bespitzelungsskandals 2009 vom „Medium Magazin“ für die Auf- „stern.de“ inHamburg. Von 2006bis 2008Redakteur bei der „Schwäbischen Zeitung“ inLeutkirch. Nordamerika ander Uni BonnVolontär bei Nach Studium der Regionalwissenschaften Geboren 1978 erschienen im„stern“, 34/2011,am18.08.2011 am besten verhält, bekam sie aber nie. che Unterweisung, wiemansich imernstfall alen häufi ger überfallen werden; eine gründli- war sie immer öfter allein. Siehörte, dass Fili- mer weiter Morgens reduziert hat. und abends Discounter imLaufJahre der dasPersonal im- unbefristeten Vertrag. Siehaterlebt,wieder deutschenGroßstadt. Die43-Jährige hateinen arbeitet seit1990beiSchlecker ineinernord- Burkart Stefanie häufi g allein. sind ferinnen übersichtlich, und –vor allem–dieVerkäu- liegenLäden siesindun- oftinSeitenstraßen, 9000 rund off ensichtlich: Die ist Grund Der Handelskette sooftüberfallenwieSchlecker. ken.Aber immernoch wird wohl keineandere auch derTaten dieZahl zuletztetwas gesun- vonZiel Räubern. Wieist derLäden dieZahl nen Jahr rund380Filialen desDiscounters Unternehmenskreisen waren im vergange- Überfällen wurden. nach Informationaus riekette, dieimvergangenen Jahr opfer von eine von etwa 430Verkäuferinnen derDroge- Stefanie Burkart arbeitet bei Schlecker. Sieist wieimmer.nichts So mehrgehört. fähig. Von ihrem Arbeitgeber hatsietrotzdem wochenlang inKur, istimmernoch arbeitsun- len worden, zuletztvor acht Monaten. Siewar in denvergangenen Jahren dreimal überfal- Frau wirktverschreckt. Stefanie Burkartist zählt ihre Geschichte stockend. Diezierliche der Freund hatihrSchreien Sieer- gehört. nachthemd hatsieimSchlaffast zerrissen, Sie wacht dannschweißgebadet auf, ihr Kohle haben.“ Akzent an:„Mach dieKasse auf, wirwollen nase herumundbrüllt sieinsüdländischem ballkappe, fuchtelt mitderPistole vor ihrer SieträgtweißeLaden. Turnschuhe undBase- DieseGestalt stürmtinden lichen Gestalt. karts* Träumen zueinereinzigen bedroh- Die Männerverschmelzen inStefanie Bur- gelassen. ter umeinbesseres image. doch seine Verkäuferinnen fühlen sich allein so oft überfallen wie schlecker. Zwar bemüht sich derdrogerie-discoun- an derKasse steht immerauch dieangst. Wohl keine Handelskette wird riSiko ScHlecker Risiko Schlecker ein besseres Image. Doch seine Verkäuferinnen fühlen sich allein gelassen oft überfallen wie Schlecker. Zwar bemüht sich der DROGERIE-DIS An der Kasse steht immer auch die Angst. Wohl keine Handelskette wird so ■

Ursula Müller*, einmal überfallen: „Wenn ich allein in der Filiale stehe, habe ich die Bilder immer vor Augen“ 2 Wirtschaft stefanie stefanie s Burkart*, dreimal überfallen: „Für s COUNTER um tefanie tefanie Burkart*, dreimal überfallen: „Für

s chlecker sind wir doch nur eine chlecker sind wir doch nur eine n ummer“ Rita Weimer*, dreimal überfallen: „Ich habe nicht das Gefühl, dass man das Problem ernst nimmt“ wir wollen Kohle haben.“ Akzent an: „Mach die Kasse auf, und brüllt sie in südlän dischem der Pistole vor ihrer Nase herum mit fuchtelt Baseballkappe, und den. Sie trägt weiße Turnschuhe Diese Gestalt stürmt in den La- käuferinnen sind häufig allein. lich, und – vor allem – die Ver- tenstraßen, sie sind unübersicht- rund 9000 Läden liegen oft Der in Grund ist Sei- offensichtlich: Die überfallen. oft so Handelskette mer noch wird wohl keine zuletzt etwas andere gesunken. Aber im- Läden ist auch die Zahl der Taten counter im Lauf der Jahre das Jahre der Lauf im counter trag. Sie hat erlebt, wie der Dis- rige hat einen unbefristeten Ver deutschen Großstadt. Die 43-Jäh- 1990 bei Schlecker in einer nord- Personal immer weiter reduziert von Räubern. Wie die Zahl der Zahl vonWieRäubern.die 380 Filialen des Discounters Ziel rund 2010 waren menskreisen Nach Information aus Unterneh- wurden. Überfällen von Opfer Jahr vergangenen im die kette, 430 Verkäuferinnen der Drogerie- Schlecker. Sie ist eine von etwa * Namen von der Redaktion geändert tag 2005 um kurz nach acht Uhr besten verhält, bekam sie sung, aber wie nie. man sich - Unterwei gründliche eine den; im Ernstfall am Filialen häufiger überfallen wer immer öfter allein. Sie hörte, hat. dass Morgens und abends war sie neu Von nichts mehr gehört. So wie ihrem immer. Arbeitgeber hat sie im trotzdem Kur,wochenlangin war Sie ist worden, zuletzt vor acht Monaten. lich ihre Geschichte stockend. Die hat zier ihr Schreien gehört. Schlaf fast Sie zerrissen, der Freund erzählt im sie hat Nachthemd ihr auf, D genen Jahren dreimal überfallen fanie Burkart ist in den vergan- Stefanie Burkart arbeitet seit arbeitet Burkart Stefanie An einem kalten, nassen Januar bei arbeitet Burkart Stefanie Sie wacht dann schweißgebadet mer noch arbeitsunfähig. Von e Frau wirkt verschreckt. Ste- Malte arnsperger Mann + r gen bedrohlichen Gestalt. ie Männer verschmelzen Träumen zu einer einzi- in Stefanie Burkarts* Burkarts* Stefanie in odt Chefi dem dritten Überfallvermochte ihr dieneue mitVerhaltensregeln.Merkblatt Auch nach che Situationengab nurein esbisheute nicht, dritten Mal.einegründliche Schulung fürsol- Glück. eszum ImDezember2010passiert wieder willsiesich wehren, wiederhatsie 2009 wird siezumzweiten Malüberfallen, aus rennen dem Laden wollte.“ eine solche Angst,dassich manchmal einfach Dabeidas wiedergeändert. hatte ich alleine zu zweit waren. „Aber hat meinBezirksleiter Dienstpläne so, dasssiemorgens undabends bis siewiederarbeiten konnte. Sieschrieb die zum Psychologen. Siebrauchte fünfMonate, aus empfahlihrspäter: demBetriebsrat Geh überfordert mitderSituation.“eineKollegin jungen Bezirksleiter. „Derwar wieich völlig rief siediePolizei an,dannihren Chef,einen zählt nach Stefanie einigen Burkart. Minuten „Ich habe amganzen Körper gezittert“, er- wollte undließsiegehen. nurdasGeld schwarz vor Augen. Siehatte Glück, derMann der Angreifer indenSchwitzkasten, ihrwurde woher sollte siedaswissen? nahmsie Sofort bleiben undzu tun, was derRäuber Doch sagt. schrie, obwohl experten empfehlen,ruhig zu Pistole amKopf hatte. Siereagierte falsch: Sie Burkart anderKasse, als sieplötzlich eine kurz nach acht Uhrmorgens standStefanie An einemkalten, nassenJanuartag 2005um gelnde Vorbereitung auf mögliche Überfälle TeilenDeutschlands. Sieklagen überman- cker-Mitarbeiterinnen aus unterschiedlichen Von ähnlichen erfahrungen berichten Schle- senschaft fürdeneinzelhandelHilfean.“ bieten ihnengemeinsam mitderBerufsgenos- Sie nach diesemerlebnis nicht alleine.Wir mitdemHinweis:Zentrale „natürlich stehen einen unpersönlichenStandardbrief aus der 34/2011 Mann (Fotos) stern (Text) und 93 ➔ - - - -

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hat Patriarch Anton Schlecker sei und Rossmann verloren. Deshalb an Konkurrenten wie Müller, DM Jahren hat die Kette viele bringen Kunden soll. Denn in den letzten men auf den Erfolgsweg zurück der das angeschlagene Unterneh Restrukturierungsplans, senden orientieren können“, sagt er. wohlfühlen wie schnell und gut ner Firma das Pro hat Patriarch Anton Schlecker sei- und Rossmann verloren. Deshalb an Konkurrenten wie Müller, DM Jahren hat die Kette viele bringen Kunden soll. Denn in den letzten men auf den Erfolgsweg zurück- der das angeschlagene Unterneh- Restrukturierungsplans, senden orientieren können“, sagt er. wohlfühlen wie schnell und gut Future“ verordnet, sagt nun Sätze wie diese: „Wir wur Läden derKonkurrenz so hellundaufgeräumtso hellundaufgeräumt aus aus wie diewie die Die neueMusterfilialeDie neueMusterfiliale siehtjetzt siehtjetzt Ladenkette verkörpern SchleckerSchlecker sollendenNeuanfang sollendenNeuanfang der der Die GründerkinderLars undMeike schaftern des Wandels gemacht. er hat seine beiden Kinder zu zu Dumpinglöhnen Bot- gestoppt. Und Beschäftigung von Leih arbeitern neuert, auch die ima geschädliche de Manager geholt, das Logo er- schaftern des Wandels gemacht. er hat seine beiden Kinder zu zu Dumpinglöhnen Bot gestoppt. Und Beschäftigung von Leih de Manager geholt, das Logo er Der Umbau ist Teil eines umfas Der Umbau ist Teil eines umfas- Die 37-jährige Meike Schlecker Pis- -

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- denn das Management steht klappt, „Es machen. kenbesuch nach sechs Wochen einen Kran- Langzeitkranken allen bei wie ei müssten die Chefs Überfällen Mitarbeiter Nach geschult. auf Jahr jedes würden Mitarbeiter Alle Rewe-Betriebsrat Uwe Schreiner. ganzen Konzern umgesetzt, sagt gezeichnet hat. Jetzt werde es im mit einem Präventionspreis aus- sogar Berufsgenossenschaft die Vor- und Nachsorgekonzept, das ein deshalb entwickelten Nord Rewe-Region der aus triebsräte Be- wurden. überfallen häufig ebenfalls Filialen deren Supermarktkette Rewe, der Beispiel Überfälle, Thema beim kets lobt, sieht zwar Fortschritte für den Abschluss eines Tarifpa- schaft Verdi, der die neue Achim Leitung Neumann von der tut.“wenig sehr Schlecker Und Gewerk- ben den Eindruck, dass sich bei sation Weißer Ring sagt: „Wir ha- Schiemann von der Opferorgani- matisierten Verkäuferinnen? Veit hätten – die durch Überfälle trau- gen, die ihre Hilfe am nötigsten leisten die Schleckers für diejeni- aufeinander.“ U „Da prallen Wollen und Können liche Schlecker-Strategie sagt er: mitarbeiter neue die auf freund- die Discounter-Branche. Mit Blick Aldi gearbeitet und ist Experte Rhein-Sieg hat selbst für einmal bei Roeb von der Hochschule - Thomas Professor werden. men und ob sie vor Ort ernst genom- neuen Tönen auch Taten folgen sich bei uns sehr wohlfühlen.“ viele langjährige Mitarbeiter, die Tolles machen. Denn wir haben zustellen und zu erklären, was gangen, um Sachverhalte wir richtig- verstärkt an die Öffentlichkeit ge- geprügelt. Deshalb sind wir jetzt lich oft für branchenübliche Dinge den in der Vergangenheit öffent- „einen riesigen Problemdruck“. den, aber es gebe nach wie vor wor- eingerichtet arbeitsgruppe nigen Tagen sei eine Sicherheits- sein. Meike Schlecker sagt: „Die dahinter“, so Schreiner. nen Psychologen hinweisen und Was man tun kann, zeigt das Doch es gibt Zweifel, ob den So soll es auch bei Schlecker nd vor allem: Was vor we- vor voll Risiko für Überfälle.“ „Damit erhöht sich das potenzielle setzt werden. setzt besten mit zwei Angestellten be- sol am stunden Filialen die lten Wert von 100 Euro – einzulösen im Guthaben ein Überfall: ten einmal erhalten, nach dem zwei- Drogerie-Discounters hat sie nur schaftlich nicht betriebswirt- rechnet.“ Doppelbesetzung es sein, dass sich eine konstante niedrigerem Umsatz. „Hier kann mit Filialen kleinere auch eben sagt Lars Schlecker. Aber es gebe sei eine Zweierbesetzung üblich, Zudem wurde. reduziert Markt streiten, dass die Stundenzahl pro werden geöffnet allein nicht ferinnen liert werden, die von den Verkäu-doppelt gesicherte Tresore instal- müssten Filialen allen In heit: tere Investitionen in die Sicher- Das funktioniere häufig nicht. wortlichen vor Ort ankommen.“ ihre Anweisungen bei den Veranttrale - muss auch sichtig zu betreuen. „Aber um Mitarbeiter betroffene und die Zen- Umgang mit Räubern zu schulen im Personaljährlich ihr einmal zirks in den Filialen. Zwar seien für die Be- die Verbesserung der giert sich bei Schlecker seit Jahren kundigen.“ dem Befinden der Mitarbeiter er einem Überfall regelmäßig nach sich auch in den Monaten nach gische Betreuung empfehlen und arbeitern sprechen, eine psycholo- natürlich bei Schlecker. folge für sie gesucht. nach dem dritten Raub eine auch Nach - schon vorgesorgt und am ist Tagzu groß.“ Ihr Arbeitgeber habe der Kasse zu jemals wieder bei Schlecker kaumvorstellen, hinter sich kann und einige Wochen arbeitsunfähig noch sein wird Sie gerechnet. nicht zu Personalstunden nehmenszentrale die Vor gabe, die seit Anfang 2011 von der Unter- Vorgesetzten sollen mit den Mit- Das übliche Trostpflaster des Trostpflaster übliche Das Für Stefanie Burkart hat es sich Die Schlecker-Geschwister be- wei- fordert Betriebsrätin Die enga- Just Jutta Betriebsrätin leiter tatsächlich angewiesen, Wirtschaft können. In den Abend- den In können.

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FOTOS: Michael Trippel 5 und eine chaotische, teilweise zynische Be- heit öffentlich oft für branchenübliche Dinge Anfang 2011 von der Unternehmenszentrale treuung danach. Weil sie noch bei dem Dis- geprügelt. Deshalb sind wir jetzt verstärkt an die Vorgabe, die Personalstunden zu verrin- counter beschäftigt sind und den Rausschmiss die Öffentlichkeit gegangen, um Sachverhalte gern. „Damit erhöht sich das potenzielle Risi- fürchten, wollen sie alle ihre richtigen namen richtigzustellen und zu erklären, was wir Tol- ko für Überfälle.“ nicht nennen. les machen. Denn wir haben viele langjährige Die Schlecker-Geschwister bestreiten, dass Mitarbeiter, die sich bei uns sehr wohlfühlen.“ Auch Rita Weimer* wurde in ihrer Filiale drei- die Stundenzahl pro Markt reduziert wurde. mal ausgeraubt. nach einem der Überfälle Doch es gibt Zweifel, ob den neuen Tönen Zudem sei eine Zweierbesetzung üblich, sagt habe ihr Bezirksleiter sie sogar gerüffelt: „Wer auch Taten folgen und ob sie vor ort ernst ge- Lars Schlecker. Aber es gebe eben auch klei- mit Geld zu tun hat, muss mit Überfällen rech- nommen werden. Professor Thomas Roeb von nere Filialen mit niedrigerem Umsatz. „Hier nen.“ Ihre Bilanz: „Wir opfer interessieren der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat selbst kann es sein, dass sich eine konstante Doppel- bei Schlecker niemanden.“ Ulrike Fuchs*, einmal bei Aldi gearbeitet und ist experte für besetzung betriebswirtschaftlich nicht rech- im vergangenen Jahr betroffen, appelliert an die Discounter-Branche. Mit Blick auf die neue net.“ den Konzern: „es wäre so wichtig, dass das mitarbeiterfreundliche Schlecker-Strategie Für Stefanie Burkart hat es sich nicht gerech- Unternehmen sich mehr um dieses Problem sagt er: „Da prallen Wollen und Können auf- net. Sie wird noch einige Wochen arbeitsun- kümmert.“ einander.“ fähig sein und kann sich kaum vorstellen, Lars und Meike Schlecker sitzen im kargen Und vor allem: Was leisten die Schleckers für jemals wieder bei Schlecker hinter der Kasse Pausenraum einer jüngst umgebauten Vorzei- diejenigen, die ihre Hilfe am nötigsten hätten zu stehen. „Die Angst ist zu groß.“ Ihr Arbeit- gefiliale im schwäbischen Örtchen Allmendin- – die durch Überfälle traumatisierten Verkäu- geber habe auch schon vorgesorgt und am Tag gen, unweit der ehinger Firmenzentrale. Die ferinnen? Veit Schiemann von der opferor- nach dem dritten Raub eine nachfolge für sie beiden Kinder des Unternehmensgründers ganisation Weißer Ring sagt: „Wir haben den gesucht. Anton Schlecker beteuern, dass für ihre Füh- eindruck, dass sich bei Schlecker sehr wenig Das übliche Trostpflaster des Drogerie-Dis- rungskräfte verbindliche Leitlinien zum The- tut.“ Und Achim neumann von der Gewerk- counters hat sie nur einmal erhalten, nach ma Sicherheit gälten; „mindestens“ seit 2006 schaft Verdi, der die neue Leitung für den dem zweiten Überfall: ein Guthaben im Wert gebe es verpflichtende Überfall-Schulungen Abschluss eines Tarifpakets lobt, sieht zwar von 100 euro – einzulösen natürlich bei für alle Mitarbeiter. Beide wirken ehrlich be- Fortschritte beim Thema Überfälle, vor weni- Schlecker. troffen von den Berichten ihrer Angestellten, gen Tagen sei eine Sicherheits-Arbeitsgruppe die anderes schildern. Die Stimme von Meike eingerichtet worden, aber es gebe nach wie Schlecker überschlägt sich: „Das ist nicht Fir- vor „einen riesigen Problemdruck“. *Die namen sämtlicher Mitarbeiter wurden menpolitik. Wir legen höchsten Wert und Pri- verändert. Was man tun kann, zeigt das Beispiel der Su- orität auf die Sicherheit unserer Mitarbeiter.“ permarktkette Rewe, deren Filialen ebenfalls Die Geschwister schildern ein erlebnis, über häufig überfallen wurden. Betriebsräte aus der das sie so gut wie nie reden: ihre eigene ent- Rewe-Region nord entwickelten deshalb ein führung 1987. Meike Schlecker sagt: „Sie Vor- und nachsorgekonzept, das die Berufs- können uns glauben, keiner weiß es besser genossenschaft sogar mit einem Präventions- als meine eltern, mein Bruder und ich, wie preis ausgezeichnet hat. Jetzt werde es im gan- so eine Situation ist.“ Lars Schlecker ergänzt: zen Konzern umgesetzt, sagt Rewe-Betriebsrat „Uns ist sehr bewusst, dass so etwas im einzel- Uwe Schreiner. Alle Mitarbeiter würden jedes fall auf die Psyche schlimme Einflüsse haben Jahr geschult. nach Überfällen müssten die kann. Daher nehmen wir das Thema bei unse- Chefs Mitarbeiter auf einen Psychologen hin- ren Mitarbeitern sehr ernst.“ weisen und wie bei allen Langzeitkranken nach sechs Wochen einen Krankenbesuch ma- Nichts an ihm scheint in den Muff der alten chen. „es klappt, denn das Management steht Schlecker-Welt zu passen. Der 39-Jährige trägt voll dahinter“, so Schreiner. mehrere Ringe an der Hand, aus dem offenen Hemdkragen schimmert eine Silberkette her- So soll es auch bei Schlecker sein. Meike vor, die lockigen Haare sind nach hinten ge- Schlecker sagt: „Die Vorgesetzten sollen mit gelt. Am liebsten spricht er über die Verände- den Mitarbeitern sprechen, eine psychologi- rungen bei Schlecker, etwa die neuen Läden. sche Betreuung empfehlen und sich auch in Sie sehen so aus, wie man es von der Konkur- den Monaten nach einem Überfall regelmäßig renz schon länger gewohnt ist: breite Gänge, nach dem Befinden der Mitarbeiter erkundi- niedrige Warenregale, helles Licht. „Der Kun- gen.“ de soll sich bei uns ebenso wohlfühlen wie Betriebsrätin Jutta Just engagiert sich bei schnell und gut orientieren können“, sagt er. Schlecker seit Jahren für die Verbesserung Der Umbau ist Teil eines umfassenden Re- der Sicherheit in den Filialen. Zwar seien die strukturierungsplans, der das angeschlagene Bezirksleiter tatsächlich angewiesen, ihr Per- Unternehmen auf den erfolgsweg zurückbrin- sonal einmal jährlich im Umgang mit Räubern gen soll. Denn in den vergangenen Jahren hat zu schulen und betroffene Mitarbeiter umsich- die Kette viele Kunden an Konkurrenten wie tig zu betreuen. „Aber die Zentrale muss auch Müller, DM und Rossmann verloren. Deshalb dafür sorgen, dass ihre Anweisungen bei allen hat Patriarch Anton Schlecker seiner Firma Verantwortlichen vor ort ankommen.“ Das das Programm „Fit for Future“ verordnet, funktioniere häufig nicht. familienfremde Manager geholt, das Logo Die Betriebsrätin fordert weitere Investitionen erneuert, auch die imageschädliche Beschäf- in die Sicherheit: In allen Filialen müssten tigung von Leiharbeitern zu Dumpinglöhnen doppelt gesicherte Tresore installiert werden, gestoppt. Und er hat seine beiden Kinder zu die von den Verkäuferinnen nicht allein ge- Botschaftern des Wandels gemacht. öffnet werden können. In den Abendstunden Die 37-jährige Meike Schlecker sagt nun Sät- sollten die Filialen am besten mit zwei Ange- ze wie diese: „Wir wurden in der Vergangen- stellten besetzt werden. 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WILLI BLEICHER PREIS

2. Preis

thomas eberding Gesendet in: „SWR Fernsehen BW – Zur Sache Baden-Württemberg“, am 04.08.2011 Geboren 1964 Studium der Geschichte, Volkswirtschaft glS-PaketZUSteller und Germanistik in mit Ab- schluss 1992. Bereits während des Studi- ums freier Mitarbeiter, zunächst für Tages- zeitungen und eine Nachrichtenagentur, Sie fi nden den Fernsehbeitrag auf der beiliegenden DVD dann für die Sendung „3sat-Börse“. oder unter www.willi-bleicher-preis.de Wechsel zum MDR nach Magdeburg („Sachsen-Anhalt Heute“) und zum ZDF- Morgenmagazin nach . 1997 Wechsel in die Wirtschaftsredaktion des damaligen SWF nach Baden-Baden. Im Zuge der Fusion mit dem SDR wurde die Abteilung nach Stuttgart verlegt. Mehrere Jahre Tätigkeit als CvD für die Verbrau- chersendung „Infomarkt“, die Vorläufer- Sendung von „Marktcheck“. Fester freier Mitarbeiter in der Wirtschafts- redaktion Fernsehen des Südwestrund- funks, vor allem als Autor für die Magazin- sendungen „Plusminus“ und „Marktcheck“ sowie für die Nachrichtensendung „Lan- desschau Aktuell Baden-Württemberg“. Gelegentliche Produktion von Beiträgen für das Politik-Magazin „Zur Sache Baden- Württemberg“ und für die „Landesschau Baden-Württemberg“, hin und wieder auch für das längere Format „Landesschau Unterwegs“. 7

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nils graefe erschienen in der „Waiblinger Kreiszeitung“, am 25.02.2012

Die DUnkelZiFFer Der angSt Bei BoScH Geboren 1971 Studium der Sinologie, Japanologie und ständig befristete arbeitsverträge „das ist kein leben“: deshalb solidarisiert sich die Beleg- Religionsgeschichte an der Uni Würzburg schaft der Kunststoff technik und der Sichuan Union University in Chengdu, VR China; Abschluss Magister im WaiBlinGen „diese unsicherheit, diese ungerechtigkeit: es ist nicht Jahr 2002 . mehr zu ertragen.“ ein dutzend befristet Beschäftigte kann nicht anders, März 1999 - März 2003: Nach einem Prak- als ihr leid zu off enbaren. doch sie wissen: „Halt die Gosch, i schaff tikum bei der Redaktion Würzburg-Land der Main-Post langjähriger Freier Mitarbei- beim Bosch, hätt’sch dei Gosch g’halte, hätt di dr Bosch b’halte.“ des- ter mehrerer Redaktionen der Main-Post halb wollen sie anonym bleiben. aber zwei Vertrauensleute stehen mit und des Volksblatts in Würzburg sowohl als Reporter als auch als Layouter (z.B. für ihren namen ein für eine solidarität mit den Befristeten, die auch unter Lokalsportseiten und für Mantelseiten von den Festangestellten um sich greift. Partnerzeitungen). April 2003-März 2005: Volontariat bei der Main-Post und Boulevard Würzburg. Die IG-Metall-Vertrauensleute Dieter Böttcher Bosch beim Landratsamt auch schon für das April 2005-September 2006: Freier und Stefano Mazzei zeigen sich beim Redak- gesamte Jahr 2012 Wochenendarbeit bean- Redakteur und Producer am Newsdesk tionsgespräch mit T-Shirts der Aufschrift „Be- tragt hat“, sagt Böttcher. Und die meisten Main-Spessart der Main-Post in Markthei- fristet bis 31.03.2012“. „Bei der Waiblinger Wochenendschichten würden gerade in den denfeld. Bosch-Kunststoff technik laufen Solidaritäts- Fertigungsbereichen anfallen, in denen die Seit Oktober 2006: Blattmacher der Kreis- bekundungen der Festangestellten mit den Befristeten arbeiten. Zudem hätten die Befris- redaktion (Rems-Murr-Rundschau) des Befristeten“, sagt Böttcher, der auch Betriebs- teten auch die größten Freischichtguthaben: Zeitungsverlags Waiblingen. rat ist. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wol- in der Produktion pro Werkstatt und Monat len dazu an bestimmten Aktionstagen diese weit über 120 Stunden. „Das kann gar nicht T-Shirts tragen und auch sonst (etwa mit Flug- abgebaut werden, ohne die Produktion weiter blättern) auf das Leid der Befristeten aufmerk- ungestört zu gewährleisten.“ Die Befristeten sam machen. Das Leid? sind es also, die durch ständige Überstunden den Betrieb am Laufen halten. Derzeit hätten 118 der rund 1300 Bosch-Be- schäftigten in Waiblingen befristete Verträge, „All dies, obwohl die Konjunktur brummt, es die sehr bald auslaufen. Bei 26 ende die Be- Bosch sehr gut geht und die Firmenleitung mit fristung ende März, bei 23 ende April und bei einem Wachstum von drei bis fünf Prozent im 41 ende Mai/Juni. Bei all diesen Menschen Jahr 2012 rechnet“, sagt Böttcher. Auch die sei eine Weiterbefristung nicht mehr zuläs- Auftragsbücher der Waiblinger Kunststoff - sig. (Befristete Anstellungen bei demselben technik seien voll. Der anhaltende Boom müs- Arbeitgeber sind dreimal hintereinander er- se bei der Bosch-Kunststoff technik zudem mit laubt.) Sie wissen dennoch noch nicht, ob es 40 Mitarbeitern weniger als zuvor am Laufen für sie bei Bosch weitergeht. Die Firmenlei- gehalten werden (Vergleich Dezember 2011 tung schweige dazu konsequent, sagt Bött- und Januar 2012). cher. In ständiger Unsicherheit lebten weitere Das Landratsamt als Gewerbeaufsichtsbehör- 28 ebenso befristete Mitarbeiterinnen und de bestätigt die Aussage Böttchers über die Mitarbeiter, deren Verträge jedoch theoretisch Beantragung von Wochenendarbeit mit ein- noch einmal weiterbefristet werden könnten. schränkungen im Detail: „Ausschlaggebend ist hier nicht das Kalenderjahr. Firmen wie ausnahmen? zum Beispiel Bosch beantragen für verschie- schichtbetrieb und überstunden dene Fertigungsbereiche Ausnahmegenehmi- „All dies, obwohl seit 2010 permanent Über- gungen, die auch mal auf sechs, neun oder zeit gefahren wird in 18 bis 21 Schichten und vielleicht auch zwölf Monate angelegt sein 8 können“, sagt Dr. Harald Knitter, Pressespre- nach der Arbeit ist man eh ständig.“ ein sozi- Das menschenbild: cher des Landratsamtes. Solche Ausnahmege- ales ehrenamt oder ein engagement im Verein ideal und realität nehmigungen seien Bosch in Waiblingen auch sei zeitlich unmöglich. Sie lebten nur noch für schon in den Vorjahren erteilt worden, 2012 die Arbeit, doch die Arbeit gewährleiste ih- Alle, die hier auspacken, fürchten negati- markiere keinen Sonderfall. nen kein menschenwürdiges Leben, ergänzt ve Folgen und wollen ihre Identität deshalb eine Befristete. Wie ausgequetschte Zitronen nicht offenbaren. In der Wirtschaft werde Der entsprechende Passus im Arbeitszeit- fühlen sie sich. eine solche wird auf dem Foto heutzutage leider immer noch viel zu häufig schutzgesetz, auf dem die Ausnahmegeneh- eines Flugblattes der Vertrauenskörperleitung der Überbringer schlechter nachrichten „ge- migungen beruhen, ist Paragraf 13, Absatz 5: gezeigt. Und als eine solche zu enden sei alles köpft“, anstatt selbstkritisch die Verursacher „Die Aufsichtsbehörde hat (...) die Beschäfti- andere als eine Zukunftsperspektive – „des- von Missständen zur Rechenschaft zu ziehen; gung von Arbeitnehmern an Sonn- und Fei- halb alle entfristen!“, so die Forderung auf oder anstatt die Ursachen von Missständen zu ertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitge- dem Flugblatt. beheben, heißt es aus ihren Reihen. „In einem henden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen anderen Zusammenhang finde ich sogar das wöchentlichen Betriebszeiten und bei län- Wenn die Kolleginnen und Kollegen doch Befristungsunwesen als Eingriff in die gewerk- geren Betriebszeiten im Ausland die Konkur- einmal die totale erschöpfung oder eine schaftspolitische Ausübung“, sagte Dieter renzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist Krankheit übermannt, gehen sie trotzdem ar- Böttcher von der IG-Metall-Vertrauenskörper- und durch die Genehmigung von Sonn- und beiten. Sie wollen zeigen, dass sie’s können, leitung bereits auf einer Betriebsversammlung Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert engagiert sind, leistungsfähig. Gewürdigt im Dezember 2011. Bei Vertrauensleute-Wah- werden kann.“ werde dieser aufopferungsvolle einsatz vom len dürfe zwar vom Gesetz her jeder kandidie- Arbeitgeber nicht im Geringsten. Stattdessen Sicherer scheint die Beschäftigung bei Bosch ren, aber die Befristeten machten sich dann würden Festangestellte und Befristete gegen- in Waiblingen jedoch trotz ständiger Wo- schon ihre Gedanken, weil sie eben befristet einander ausgespielt. In ihrer Verzweiflung chenendarbeit nicht. Die 118 Befristeten sind. „Ich glaube nicht, dass ein Manager, bringen die Befristeten super Akkordsätze zu- haben viele Gefühle, doch nicht das Gefühl wenn er als Beispiel für die CDU oder ander- stande. Die werden dann den Festangestellten der Sicherheit. Sie empfinden Enttäuschung, weitig kandidiert, sich Sorgen machen muss vorgehalten, nach dem Motto: „Ihr müsst alle Traurigkeit, Wut, Erschöpfung, Verzweiflung, um seine Karriere.“ so schnell und viel leisten“, sagt ein Fünfter. Desillusionierung und Angst. Sie fühlen sich Die gefühlt unendlichen Befristungen quälen geschunden, verraten und verkauft. Wieder ein anderer sagt: „es wird jeden Tag und zermürben nicht nur Bosch-Beschäftigte schlimmer. Die Unsicherheit ist kaum zu ertra- in Waiblingen. „Das ist auch der Fall in vielen gen. Man wird einfach allein gelassen, kriegt anderen Betrieben“, sagt Böttcher. Das sei auf „Psychoterror“: von niemandem eine konkrete Antwort.“ er einer Vertrauensleute-Konferenz der IG Metall stimmen von Betroffenen kenne Leute, die bei anderen namhaften Fir- am 15. Februar in Ludwigsburg offensichtlich men arbeiten, die bekämen zum Teil zwar geworden. „Und wenn du die Firma wechselst, auch erst einen Jahresvertrag oder so, aber weil du’s nicht mehr aushältst, wirst du wie- „Leider ist unser Arbeitgeber nicht imstande, dann wenigstens frühzeitig gesagt, ob sie der nur befristet. Befristungen und Ketten-Be- uns rechtzeitig mitzuteilen, ob oder wie viele übernommen werden. Bei Bosch hingegen fristungen haben ganz offenbar System.“ Mitarbeiter auf einen unbefristeten Arbeits- scheine das niemanden im Management zu Die IG-Metall-Vertrauensleute und die Befris- vertrag hoffen können“, sagt einer der Befris- interessieren. Zum Teil bekämen Befriste- teten bei der Waiblinger Bosch-Kunststofftech- teten. Mit rund einem Dutzend hat die Redak- te erst in den letzten Tagen vor Ablauf ihres nik hoffen auf ein Umdenken der Entscheider tion gesprochen. Aus Angst vor Repressalien Zeitvertrags gesagt, ob sie weiter befristet in den Management-etagen. „Bosch sagt im- wollen sie alle anonym bleiben. Der Mann hat übernommen werden oder nicht. Jemand, mer, der Mensch steht im Mittelpunkt. Doch Frau und ein kleines Kind, und er sagt: “Wie der so vollkommen allein gelassen und plötz- wie die befristeten Mitarbeiter hier behandelt sollen wir für die Zukunft planen? Ich stehe lich ohne Anstellung dasteht, dem entgehen werden, da steht der Mensch ganz unten“, jeden Morgen auf mit der Angst, gekündigt zu Arbeitslosengeld-Ansprüche. „Das ist denen sagt Böttcher. werden. Und das, obwohl genügend Arbeit da vom Management aber anscheinend egal. Die ist und obwohl wir Befristeten alle 120 Pro- verfahren nach dem Motto, aus den Augen aus zent oder mehr geben und ständig Überstun- dem Sinn“, sagt ein weiterer Befristeter. Wie den schieben. Schaffen, schaffen, schaffen.“ die Waiblinger Agentur für Arbeit bestätigt, müssen sich Arbeitnehmer spätestens drei Das sei wie „Psychoterror“ und obendrein zu- Monate vor dem ende des Arbeitsverhältnis- tiefst ungerecht, wenn man sich den Fleiß, das ses arbeitssuchend melden. Wer erst später „wir sind im gespräch mit Können und die Arbeitsleistung der Befriste- von seiner Kündigung erfährt, muss spätes- ten anschaue, beschreibt ein Zweiter seine Ge- tens drei Tage nach Zugang der Kündigung dem Betriebsrat“ fühlswelt. „Man kriegt fast den eindruck, dass informieren. Andernfalls muss mit Kürzun- die das extra machen, uns im Ungefähren zu gen beim Arbeitslosengeld gerechnet werden. stellungnahme des Waiblinger lassen, damit wir alles geben, in der Hoffnung, Kündigungen müssen jedoch bei befristeten Bosch-Werkleiters ralph richter übernommen zu werden.“ Verträgen nicht ausgesprochen werden. Die Zu den Vorwürfen und Meinungsäußerungen Familie und Kinder hätte ein dritter Befristeter laufen von selbst aus. Befristete hängen also rund eines Dutzends befristet Beschäftigter gerne: „Meine Frau und ich können nichts pla- vollkommen in der Luft. Sollen sie sich jedes und der IG-Metall-Vertrauensleute nimmt der nen, keine Anschaffungen tätigen. Wir wissen Mal der Form halber arbeitssuchend melden? Werkleiter der Waiblinger Bosch-Kunststoff- ja noch nicht einmal, ob wir die Wohnung hal- „Wie erniedrigend.“ technik, Dr. Ralph Richter, wie folgt Stellung: ten können. Wie soll man da Kinder ernähren ein inakzeptabler Zustand, der krank mache, und großziehen?“ er arbeitet seit Jahren für sagen sie: „Kein Wunder, dass viele von uns „Die momentan noch sehr gute Auslastung Bosch, doch seit Jahren müssen er und seine chronische Sachen haben. Der eine ständig des Werkes Waiblingen und die damit verbun- Frau in einem Provisorium ausharren, weil nacken- und Rückenschmerzen, der andere dene hohe Zahl befristet beschäftigter Mitar- sie nicht wissen, wann das Damoklesschwert Dünnpfiff. Und weil man nicht krankmacht, beiter und Mitarbeiterinnen ist auch für uns fällt, ob Bosch ihn weiter will. verschleppt man vieles auch, kann sich nicht ein besonderes Thema. Wir sind daher konti- nuierlich mit dem Betriebsrat in Gesprächen, „Sozialleben hat man keines. Ständig Schicht- auskurieren und bleibt erst recht krank.“ um angemessene Lösungen zu erreichen.“ und Wochenendarbeit. Freunde rufen längst nicht mehr an, weil man immer sagen musste, „Zurzeit sind im Werk Waiblingen in verschie- man hat keine Zeit, muss arbeiten. Völlig fertig denen Fertigungsbereichen 112 befristet Be- 9 schäftigte tätig. Davon enden zum 31.03.2012 In der Metallbranche arbeiten rund 95 Pro- „Unsere Werte bringen zum Ausdruck, mit und 15.04.2012 insgesamt 44. Deren befriste- zent aller Stammarbeitskräfte in Vollzeit. Der welcher Haltung wir unser Geschäft betrei- te Weiterverlängerung über diese Zeitpunkte Anteil der Zeitarbeiter liegt bei rund fünf Pro- ben: Unser ethos im Umgang mit Geschäfts- hinaus ist leider nicht möglich. Weitere Be- zent. Gerade in der Krise hat sich etwa - partnern, Kapitalgebern, Mitarbeitern und der fristungen laufen zum 30.06.2012 aus. Davon arbeit bewährt, da mit ihrer Hilfe der Abbau Gesellschaft.“ wäre ein Großteil im Rahmen einer weiteren von Stammarbeitskräften verhindert werden oder: „Wir betrachten gegenseitige Fairness in zeitlichen Befristung verlängerbar.“ konnte. Wir dürfen hier Regel und Ausnahme der Zusammenarbeit untereinander und mit nicht verwechseln. Gerade in der Metallbran- „Die befristet beschäftigten Mitarbeiter sind Geschäftspartnern als Voraussetzung für un- che werden bei uns mit die höchsten entgelte bemerkenswert leistungsstark. Wir können seren erfolg.“ gezahlt, weshalb eine sichere Lebensplanung mit ihrer Hilfe einen Teil der noch bis etwa zur für die Beschäftigten auch möglich ist und die oder: „Wir informieren unsere Mitarbeiter, Jahresmitte währenden hohen Auslastung am Binnennachfrage gestützt wird. Geschäftspartner und Kapitalgeber rechtzei- Standort Waiblingen abdecken. Dazu arbeiten tig und offen über wichtige Entwicklungen im wir in Teilbereichen in bis zu 21 Schichten. Unternehmen und schaffen dadurch die Basis Die jeweilige Wochenendarbeit an Sonn- und für vertrauensvolle Zusammenarbeit.“ Feiertagen ist über unseren Betriebsrat bean- tragt und von ihm genehmigt worden.“ oder: „Wir versprechen nur, was wir halten können, sehen Zusagen als eine Verpflichtung „Insgesamt sehen wir für dieses Jahr am und beachten Recht und Gesetz.“ Standort Waiblingen jedoch einen Volumen- Befristungen sind legal und rückgang von drei bis fünf Prozent gegenüber nehmen zu Quelle: www.bosch.com dem Vorjahr. Mit dem Waiblinger Betriebsrat wurde bereits ende des vergangenen Jahres Unternehmen dürfen befristete Verträge ihrer vereinbart, dass wir ende Februar 2012 eine Mitarbeiter mehrmals hintereinander verlän- entscheidung hinsichtlich der befristet be- gern. Der europäische Gerichtshof (euGH) hat schäftigten Mitarbeiter treffen werden.“ am 26. Januar 2012 entschieden, dass solche Kettenbefristungen mit dem eU-Recht verein- bar sind, jedoch müsse ein triftiger Grund da- für im einzelfall nachgewiesen werden. Fast jede zweite neueinstellung in Deutsch- land ist derzeit befristet. Das hat die Bundes- Südwestmetall zu agentur für Arbeit ermitteln lassen. Vor zehn Jahren war weniger als jede dritte neueinstel- Befristungen lung befristet. Auch insgesamt hat die Zahl der befristet Beschäftigten zugenommen: 1996 Fragen an den arbeitgeberverband gab es 1,3 Millionen befristete Arbeitsverhält- nisse 2010 waren es mehr als 2,5 Millionen. Herr Kempter, auch in der Metallbranche neh- Befristete Verträge und Leiharbeit haben auch men die befristeten Beschäftigungen stetig zu. in Baden-Württemberg deutlich zugenommen, Warum? sind aber weniger stark verbreitet als im Bun- Unternehmen brauchen ein Mindestmaß an desdurchschnitt. Dies geht aus einer Studie Flexibilität in der Personalplanung, um auf des Tübinger Instituts für angewandte Wirt- Schwankungen der Märkte und immer kürzere schaftsforschung (IAW) hervor. Im Jahr 2010 Konjunkturzyklen reagieren zu können. Auch waren laut IAW 41 Prozent aller einstellungen die Projektarbeit nimmt immer mehr zu, damit befristet, im Jahr 2001 nur 27 Prozent. Diese wächst der Bedarf an entsprechenden, zeitlich „atypischen“ Arbeitsformen seien in Betrie- angepassten Beschäftigungsverhältnissen. ben mit Betriebsrat nicht seltener anzutreffen eine Tendenz, dass die Befristungen der Me- als dort, wo keine Betriebsräte vorhanden tallbranche permanent zunehmen, kann ich sind. Betriebe mit Betriebsrat weisen sogar nicht bestätigen. Von 2009 auf 2010 ist der mehr Leiharbeit auf als Betriebe ohne Be- Anteil sogar gesunken. Befristungen sind alles triebsrat, so das IAW. andere als der normalfall in der Metall- und elektroindustrie.

Viele empfinden Kettenbefristungen als unge- recht und menschenunwürdig. Was halten Sie jenen entgegen? „Unsere werte für wandel Auch ein befristeter Arbeitsvertrag ist ein ganz normales sozialversicherungspflichtiges und kontinuität“ Beschäftigungsverhältnis. Der Gesetzgeber Der Bosch-Konzern verkündet auf seiner Inter- erkennt diese Art von Beschäftigung ohne netseite unter der Überschrift „Unsere Werte für Wenn und Aber an. Missbrauchsfälle sind lei- Wandel und Kontinuität“ zum Beispiel: der nicht auszuschließen, hier aber greift die „Bosch war schon immer ein werteorientiertes Rechtsprechung korrigierend ein. Unternehmen. Viele unserer Werte gehen auf Robert Bosch den Älteren zurück. Andere Wer- Wenn immer mehr Leute nur befristet be- te haben sich gewandelt oder sind im Lauf der schäftigt werden oder über Zeitarbeitsfirmen, Jahrzehnte hinzugekommen. nunmehr haben wie sollen die Menschen planen, Familien wir die Werte, die uns heute leiten, schriftlich gründen und ernähren, den Binnenkonsum formuliert.“ ankurbeln? 10

Henning Hübert Gesendet in: „Das Wochenendjournal“, Deutschlandfunk, am 21.04.2012 Geboren 1973 Hat nach seinem Germanistik- und Geschichtsstudium in Tübingen und PortUgieSen BaUen aUF ScHwäBiScH Hall Heidelberg beim Deutschlandradio volontiert. Dort war er Redakteur und Korrespondent. Sie fi nden den Hörfunkbeitrag auf der beiliegenden DVD Seit 2005 ist er als freier Journalist für den oder unter www.willi-bleicher-preis.de WDR, den Deutschlandfunk und DRadio Wissen tätig. Das Wochenendjournal im Deutschland- funk moderiert er seit elf Jahren.

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matthias Jekosch erschienen für dapd, u.a. Yahoo.de, am 19.08.2011

HalBer loHn wäHrenD Der motorraDtoUr Geboren 1980 Studium der Germanistischen Linguistik, unternehmen setzen auf flexible arbeitszeiten gegen den Fachkräftemangel - Von der leyen: ein muss Medienwissenschaften und Kulturwissen- STUTTGART (dapd-bwb). Da ist der Angestell- Zwischen 2003 und 2009 habe sich das Ange- schaften an der Universität Paderborn und te, der eine monatelange Motorradreise plant. bot an Telearbeit etwa fast verdreifacht. Auch an der Humboldt-Universität Berlin. Den Fahrtwind um die nase wehen lassen, tolle Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen Währenddessen Freier Mitarbeiter bei der Gegenden sehen, Freiheit genießen. Doch die- (CDU) sieht die Wirtschaft hier auf einem guten Wochenzeitung „Die Zeit“, der „Neuen se Art von Freiheit lässt ein Berufsleben nicht Weg. „eine der guten Wirkungen des Fachkräf- Westfälischen“, dem Lokalsender „Radio so einfach zu. Der Laser-Spezialist Trumpf aus temangels ist, dass sich Unternehmen stärker dem schwäbischen Ditzingen will genau das auf die Wünsche und Bedürfnisse der Beschäf- Hochstift“ und dem Sportinformations- aber möglich machen. Das Unternehmen kün- tigten ausrichten“, sagt sie. Flexible Arbeitszei- dienst. digte bereits im Mai an, die Arbeitszeiten seiner ten, Zeiten für Kindererziehung, Pflege und Wei- Ab 2006 Pauschalist für den Berliner Mitarbeiter weitgehend zu flexibilisieren. Auch terbildung und Karriere in Teilzeit seien heute „Tagesspiegel“. für andere Unternehmen werden arbeitnehmer- ein Muss. freundliche Arbeitszeiten immer wichtiger im 2008 und 2009 dort für das Wirtschafts- Die bereits länger eingeführte Gleitzeit allein magazin „Berlin Maximal“ mit zuständig. Werben um Fachkräfte. reicht den Beschäftigten offenbar nicht mehr. „Wir wollen damit wesentlich attraktiver für Be- eine Sprecherin von Daimler betont, dass Teil- Zudem seit 2005 aktiv für Babel Deutsch- werber werden“, sagt die Leiterin des Personal- zeitarbeit, Tele-Arbeitsplätze oder Sabbaticals land e.V., das wiederum Teil des europäi- wesens bei Trumpf, Astrid oellerer. Seit der Be- im Unternehmen schon längst dazu gehörten. schen Onlinemagazins Café Babel ist, seit kanntgabe des Modells der flexiblen Arbeitszeit Allerdings sei dies sehr viel einfacher in der Ver- 2008 Vizepräsident des Vereins. sei die Zahl der Bewerbungen stark gestiegen. waltung umzusetzen als in der Produktion. Das 2009 Wechsel zur Nachrichtenagentur Presswerk beispielsweise müsse rund um die Konkret sieht das Trumpf-Modell drei Bausteine dapd, seit Juni 2011 für die Agentur als Uhr laufen, und die Schichten müssten durch- vor. So können die Mitarbeiter alle zwei Jahre Wirtschaftskorrespondent für Baden-Würt- entscheiden, ob sie ihre Wochenarbeitszeit er- gehend besetzt werden. temberg tätig. höhen oder senken wollen. Zudem können sie bis zu 1.000 Stunden auf ein Konto einbringen Flexible arbeitszeiten verursachen auch Kosten und für Freizeitblöcke wieder nutzen. Als dritte Wer Flexibilität will, muss also vorausschauend Möglichkeit können die Mitarbeiter bis zu zwei handeln. Und investieren. „Die einführung und Jahre für den halben Lohn arbeiten und danach Verwaltung von Arbeitszeitkonten verursacht eine Auszeit nehmen, in der sie ebenfalls den natürlich auch Kosten“, sagt die Arbeitsmark- halben Lohn beziehen. texpertin Ines Zapf vom Institut für Arbeits- ein Trumpf-Mitarbeiter habe den Wunsch mit markt- und Berufsforschung der Bundesagentur der Motorradreise geäußert, berichtet oellerer. für Arbeit. Die Unternehmen müssen beispiels- ein anderer wolle ein Haus bauen. Und zwei weise Software anschaffen oder das Personal- Mitarbeiter in der Personalabteilung wollten wesen verstärken. Bei Trumpf kümmert sich laut Zeit ansammeln, um sich um ihre eltern küm- oellerer inzwischen eine zusätzliche Person um mern zu können, falls sie pflegebedürftig wer- die Arbeitszeitberatung. den. Arbeitszeitkonten beispielsweise brächten auch gewisse Risiken mit sich, warnt Zapf. Grund sei, iG metall: Beschäftigte wollen mehr Freiheit dass im Falle positiver nachfrageschwankungen Die IG Metall findet das Streben nach mehr Frei- die Arbeitszeiten nach oben angepasst würden, heit zeitgemäß. „Die Beschäftigten wollen mehr um die Auftragslage zu bewältigen. „Daraus Freiheit, als sich mit einem klassischen 35- oder kann eine größere zeitliche Abhängigkeit für Ar- 40-Stunden-Vertrag abbilden lässt“, sagt der beitnehmer entstehen.“ erste Bevollmächtigte der IG Metall Stuttgart, Nach Auffassung der IG Metall bedeutet Arbeits- Hans Baur. zeitflexibilisierung noch zu oft, eine Flexibilisie- Laut Bundesvereinigung der Deutschen Arbeit- rung zugunsten der Arbeitgeber. „Die Menschen geberverbände sieht das auch die Wirtschaft so. wollten mehr Zeitsouveränität, Selbstbestim- Mehr als 95 Prozent der Unternehmen böten mung und Lebensqualität“, sagt Kay ohl, Ab- bereits Maßnahmen zu einer familienfreundli- teilungsleiter Tarifpolitik bei der Gewerkschaft. chen Arbeitszeitgestaltung an. „Das ist für sie Voraussetzung hierfür sei aber „eine Balance ein entscheidender Wettbewerbsvorteil bei der von Arbeit und Leben, die planbar ist und nicht Suche nach Fachkräften“, sagt ein Sprecher. unter dem Diktat der Marktorientierung steht“. 12 Foto: Luitgard Singer Foto: Luitgard

klaus Peter karger Gesendet in: „SWR1 Arbeitsplatz“, am 23.04.2011

Geboren 1955 tte – FÜnF JaHre nacH Der inSolVenZ 1974 Volontariat bei der Badischen Zeitung, Freiburg. Bis 1989 tätig in der BZ-Redaktion Villingen-Schwenningen. 1989 Wechsel zum SWF/SWR. Sie fi nden den Hörfunkbeitrag auf der beiliegenden DVD Leiter des SWR-Regionalbüros Villingen- oder unter www.willi-bleicher-preis.de Schwenningen. Nebenberufl ich auch als Filmemacher, Produzent und Verleiher seiner eigenen Dokumentarfi lme tätig. 13

Sandra kolnik Gesendet in: „SWR2 Geld, Markt, Meinung“, am 31.03.2012

JUnge ingenieUre werDen geSUcHt, Geboren 1972 Hat Publizistik, Germanistik und Öff ent- aBer nicHt VerwÖHnt liches Recht in Essen und Mainz studiert. Journalismus war eigentlich kein Thema für sie - bis zu einem Praktikum beim Hörfunk kurz vor Ende des Studiums. Sie fi nden den Hörfunkbeitrag auf der beiliegenden DVD oder unter www.willi-bleicher-preis.de Seitdem ist sie mit Leidenschaft dabei - und am allerliebsten als Reporterin unter- wegs. Die Geschichten der Menschen inter- essieren sie, das, was das große Ganze mit den Kleinen macht. Nach einem Volontariat beim Hessischen Rundfunk in arbeitet sie seit 2002 beim SWR in Stuttgart. 14

annett krause matthias Hilke Gesendet in: „SWR2 Feature“, am 29.02.2012 BerUFUng oHne BerUF – Annett Krause, 1974 geboren, studierte Kunstgeschichte und Geschichte in Jena reQUiem aUF einen traUm und Journalismus in Berlin. Matthias Hilke, 1973 geboren, studierte Politik und Deutsch als Fremdsprache Sie fi nden den Hörfunkbeitrag auf der beiliegenden DVD an der Uni Bremen, lebt und arbeitet seit oder unter www.willi-bleicher-preis.de zehn Jahren in Berlin freischaff end als autodidaktischer Musiker, Tontechniker, Produzent und Autor. Seit 2009 arbeiten sie als Autorenteam. Sie gewannen den ersten Preis des SWR2 dokublog-Wettbewerbs mit dem Kurzfea- ture „Gemischte Gefühle“ zum 9. Novem- ber 1989. „Berufung ohne Beruf“ ist ihr erstes einstündiges Feature. 15

Gesendet in: „SWR1/SWR4 zum Tag gegen Leiharbeit“, Heiner kunold am 24.02.2011

leiHarBeiter – PortraitS Geboren 1965 Ausbildung: 1986 bis 1988 Volontariat im pressebüro heidelberg (pbh) mit Praktika außer Haus, freie Korrespondenz für Ta- Sie fi nden den Hörfunkbeitrag auf der beiliegenden DVD geszeitungen in Baden Württemberg. oder unter www.willi-bleicher-preis.de 1988 bis 1989 freier Reporter für private Rundfunkstationen in Rheinland Pfalz und Baden Württemberg: RPR, Welle Fidelitas, Antenne 1, Radio 7, Schwarzwaldradio. 1989 bis 1991 Studium der Geschichte und Politikwissenschaften in Tübingen. Freier Reporter für Antenne 1. 1991 bis 1992 Redakteur im Amt für Öff entlichkeitsarbeit der Stadt Heidelberg, zuständig für den wöchentlich erscheinen- den Amtsanzeiger. 1992 bis 1997 Redakteur bei Radio Regen- bogen, Mannheim. Schwerpunkt Nachrich- ten, Aktuell, Regional. 1995 Hörfunkpreis der Landesanstalt für Kommunikation, Kategorie Specials für eine zweistündige Sondersendung: „Rech- te Gewalt in Baden“. 1997 bis 2000 Redaktionsleiter Radio Regenbogen, Studio Karlsruhe, Organisa- tion, Verwaltung und Koordination mit der Zentralredaktion. 2000 bis 2001 Pressereferent der Neuen Messe Karlsruhe, Aufbau der Pressearbeit, redaktionelle Betreuung von Publikums- messen, Internetauftritt, Archiv. 2001 bis 2008 Reporter bei SWR 4 Franken Radio Heilbronn mit Nachrichten, Moderation und als Chef vom Dienst. 2005 Deutscher Journalistenpreis Forst& Holz, 1. Preis in der Kategorie Hörfunk, für einen Beitrag „Käfer, Stürme, Dürre- Not- fallpatient Wald“ in „SWR 1 Thema Heute Baden Württemberg“. Seit September 2008 Reporter, Redakteur, Moderator bei SWR 4 Baden Radio in Karlsruhe. 16 Kontext:Wochenzeitung: Putzmeister in Kommunistenhand Kontext:Wochenzeitung: Putzmeister in Kommunistenhand Kontext:Wochenzeitung: Putzmeister in Kommunistenhand

Pulsschlag - Wie eine Region tickt Bender spielt auf die gemeinnützige Karl-Schlecht-Stiftung und die nicht handeln", unterstreicht Putzmeister-Betriebsrat Schamber. "Damit es später kein gemeinnützige Karl-Schlecht-Familienstiftung an. Erstere fördert unter anderem zwei böses Erwachen gibt." Lehrstühle sowie die Weltethos-Stiftung des katholischen Theologen Hans Küng in Gewerkschaft will Teil vom Verkaufserlös Tübingen. Die Familienstiftung verfügte über 90 Prozent der Stimmrechte der Holding Putzmeister in und nahm so Einfluss auf den unternehmerischen Kurs. Stiftungszweck ist dabei laut In der Belegschaft glaubt nicht jeder der Geschäftsführung, wenn die versichert, die Satzung "die Unterstützung des Stifters" und dessen Angehöriger. Die nun erlösten Marke und die weltweit 3000 Arbeitsplätze bei Putzmeister blieben langfristig erhalten. Kommunistenhand mehrere hundert Millionen Euro fließen laut Pressemitteilung komplett in die beiden Viele erinnern sich noch an die Krisenjahre 2008 und 2009. Damals rutschte Stiftungen. Putzmeister tief in die roten Zahlen und wollte 580 Arbeitsplätze in Aichtal streichen. Durch Kurzarbeit und Verzicht aufs Weihnachtsgeld konnten die Entlassungen auf 70 von Gesa von Leesen "Management by Love" gedrückt werden. Im vorigen Jahr machte das Unternehmen wieder Gewinn. Auch Ein Zweck von Unternehmen im Stiftungsgewand ist häufig, die Gefahr auszuschalten, deswegen will Gewerkschafter Bender die Beschäftigungssicherung und einen Anteil Der Deal erregt bundesweites Aufsehen. Der chinesische Sany-Konzern hat dass die Firma durch Nachkommen zerschlagen wird. Die Nachfolgefrage dürfte auch vom Verkaufserlös: "Die Belegschaft hat den Betrieb gerettet. Karl Schlecht hat den Baumaschinenhersteller Putzmeister in Aichtal für etwa 360 Millionen beim Putzmeister-Verkauf eine Rolle gespielt haben. Zwar hat Karl Schlecht mehrere damals kein Privatgeld in die Firma gegeben – im Gegensatz zu vielen anderen Euro erworben. Der Kauf eines gesunden Technologieführers in dieser Kinder, doch die waren offenbar entweder nicht interessiert, oder sie haben das Familien, deren Unternehmen durch die Weltwirtschaftskrise gebeutelt waren." Größenordnung in Deutschland durch chinesische Investoren ist neu. Das Unternehmen nach einigen Jahren Mitarbeit wieder verlassen. Dabei mag eine Rolle Über die Tarifverträge zur Sicherung der Beschäftigung und der Standorte will Familienunternehmen Putzmeister gehört nun dem reichsten Mann Chinas, gespielt haben, dass der Firmengründer Karl Schlecht nicht nur unbestreitbar Putzmeister-Geschäftsführer Scheuch nach anfänglichem Zögern inzwischen Liang Wengen, der nach Zeitungsberichten im Herbst ins Zentralkomitee der erfolgreich war, sondern zunehmend als "unberechenbar" galt, wie Betriebsrat verhandeln. Bis 2020 ist ihm allerdings zu lang. "Da müssen wir eine Lösung finden, Kommunistischen Partei Chinas aufrücken soll. Während Käufer und Schamber es formuliert. So belehrte Schlecht seine Mitarbeiter gerne in die der Firma noch genug Luft zum Atmen lässt." Exeigentümer Karl Schlecht hält die Verkäufer ihr Geschäft feiern, fürchten die Arbeiter in Aichtal um ihre Jobs. "Personalmitteilungen" über die zehn biblischen Gebote, Gandhi-Lehren, "Management Forderungen der IG Metall für "reine Dummheit". Arbeitsplatzgarantien gebe es nicht, by Love" und Rotary-Grundsätze. "In der Zeitung zu lesen, dass man verkauft worden ist – das ist demütigend." Die erklärt der 79-Jährige, der dieser Tage aus China zurückgekehrt ist. Einen Anteil vom Wut steht der Putzmeister-Mitarbeiterin ins Gesicht geschrieben. Eigentlich ist die Angesichts der Nachfolgefrage sei Verkaufserlös abzugeben, lehnt er ab. Schlecht: "Die Firma gehörte nicht mir, sondern 900-köpfige Belegschaft stolz auf ihre Produkte. Bekannt sind vor allem die riesigen der Verkauf "ein kluger Schritt" von der Stiftung." Er betont, der Verkauf sei "ein Sieg des Vertrauens" gewesen. Sany Putzmeister-Betonpumpen, die nicht nur für Wolkenkratzerbauten, sondern vor einem Karl Schlecht gewesen, meint habe sogar auf eine Due Diligence verzichtet, also auf die gründliche Prüfung und knappen Jahr auch zur Kühlung der Atomruine in Fukushima eingesetzt wurden. Doch Geschäftsführer Scheuch. Dass der Analyse von Putzmeister. "Trotzdem haben wir von Sany das Doppelte bekommen, nun herrscht in Aichtal Enttäuschung vor. Denn bis der Verkauf in der Zeitung stand, rechtzeitig diese Lösung gefunden was wohl ein normaler westlicher Interessent bezahlt hätte", berichtet Schlecht. wusste niemand etwas von den Plänen. Weder Betriebsrat noch die habe, nötige ihm Respekt ab: "Hut Einfluss auf Putzmeister werde er möglichst nicht nehmen, auch wenn Sany-Chef Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat noch die IG Metall Esslingen, die daraufhin die ab!" Strategisch passten die beiden Liang Wengen ihn "zum lebenslangen Oberberater von Sany" ernannt habe, so Belegschaft kurzfristig zu einer Versammlung vor dem Betriebstor Firmen gut zueinander, sagt Schlecht, und er unterstreicht: "Eine Vergütung dafür habe ich abgelehnt." Mit Liang zusammentrommelte. Scheuch. Die Deutschen bekommen Wengen verbinde ihn Freundschaft, sagt der Maschinenbau-Ingenieur, denn man teile einen starken Partner und können die gleichen Werte. "Dieser Stil ist eine Frechheit", Produkte "made in " auch erklärte Gerhard Schamber, in China an den Mann bringen. Die Der reichste Mann Chinas Vorsitzender des Chinesen erhalten Zutritt zum Gesamtbetriebsrats. "Das lassen europäischen, amerikanischen, Mag sein oder auch nicht. Auf jeden Fall ist Sany-Chef Liang Wengen ein interessanter wir uns nicht gefallen." Für IG- indischen, arabischen Markt. Im Mann. Er hat als Anbieter von Schweißdraht begonnen, heute zählt Sany 70 000 Metall-Chef Sieghard Bender zeugt Bereich Betonpumpen ist Sany nun Mitarbeiter in 150 Ländern, der Umsatz lag zuletzt bei fünf Milliarden Euro. Laut "Forbes" und dem chinesischen "Hurun"-Report ist der 55-Jährige mit sieben der überraschende Verkauf "von nach eigenen Angaben der weltweit führende Anbieter geworden. "Putzmeister hat das Milliarden Euro Privatvermögen der reichste Mann Chinas. Zeitungen haben gemeldet, mangelndem Anstand im Umgang beste Vertriebs- und Servicesystem", weiß Gewerkschafter Bender. "Und die Kunden dass Liang als Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Parteitag im mit der Belegschaft". Schützenhilfe legen Wert auf die hohe Qualität der Putzmeister-Produkte, die nicht wie viele Herbst ins Zentralkomitee aufrücken wird. Erstmals wäre damit ein Privatunternehmer bekommt er vom chinesische Produkte nur eine Baustelle lang durchhalten." in der Schaltzentrale der Macht angelangt. Liang steht symbolisch für das heutige Unternehmensrechtler Sebastian Strategisch hält auch er den Verkauf für eine "logische und eventuell gute China: kapitalistisches Wirtschaften unter Anerkennung der führenden Macht der Sick der gewerkschaftsnahen Hans- Entscheidung". Industriepolitisch allerdings sieht er Probleme für andere einheimische Partei. Die will das 1,3 Milliarden Einwohner zählende Land zu einer wirtschaftlichen Böckler-Stiftung. "Laut mittelständische Baumaschinenfirmen: "Ob die sich gegen einen solchen mächtigen Weltmacht aufbauen. Langfristige Entwicklungen im Auge, kauft China Grund und Betriebsverfassungsgesetz muss Konzern am Markt halten können?" Und er hofft, "dass der Sany-Aufkauf kein Boden für Nahrungsmittelanbau, sichert sich gezielt Rohstoffe und weiß, welche der Betriebsrat von einer solchen Dammbruch bedeutet für die eigenständigen, familiengeführten Industriebetriebe in Hochtechnologien es benötigt. In puncto Maschinenbau ist Deutschland da Veränderung vorab informiert werden", erklärt er. "So etwas aus der Zeitung zu unserer Region". Nicht nur wegen der anstehenden Nachfolgefrage, sondern auch hochinteressant für China. erfahren ist nicht gesetzeskonform." "wegen der oft auftretenden Finanzierungsprobleme der Mittelständler".

Vielleicht hilft das beim Kampf von Betriebsrat und Gewerkschaft für einen Tarifvertrag Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart, Walter Rogg, zur Beschäftigungs- und Standortsicherung. "Kann ja sein, dass erst mal alles beim findet es ebenfalls generell besser, "wenn schwäbische Mittelständler schwäbische Alten bleibt, so wie die Geschäftsleitung es ankündigt", meint Sieghard Bender. "Kann Mittelständler bleiben. Denn diese verfügen in der Regel über eine höhere aber auch nicht sein. Wir wollen uns wappnen." Norbert Scheuch versteht die Sorge Identifikation mit dem Standort und über eine höhere Standorttreue. Damit sind wir um die Arbeitsplätze, sagt er. "Aber sie ist nicht berechtigt." Der Geschäftsführer von als Wirtschaftsraum auf der sicheren Seite." Den Putzmeister-Verkauf will er damit Putzmeister rückt nun in den Vorstand des Sany-Konzerns auf und wird künftig für das allerdings nicht bewerten. Wenn ausländische Investoren Interesse an hiesigen Firmen gesamte Betongeschäft außerhalb Chinas verantwortlich sein. haben, sei das auch "ein Zeichen für ihre Qualität und für die Qualität des Wirtschaftstandorts", meint Rogg. Viel Erfahrung mit chinesischen Investoren habe die 50 Millionen für eine Arbeitnehmerstiftung? Wirtschaftsförderung nicht, denn die seien "in der Region noch kein Den Forderungskatalog der Gewerkschaft hat Scheuch inzwischen erhalten. Die will Massenphänomen".

Tarifverträge zur Standort- und Beschäftigungssicherung bis 2020, Erweiterung der Es gibt gute und schlechte Erfahrungen mit chinesischen Investoren. So hat 2004 das betrieblichen Mitbestimmung und 50 Millionen Euro vom Verkaufserlös für eine chinesische Unternehmen Bejing Number One den Werkzeugmaschinenhersteller Arbeitnehmerstiftung. Metaller Bender grinst. Er weiß, dass die letzte Forderung Waldrich Coburg gekauft. Bis heute läuft der Betrieb gut und wächst. Bei AEG Electric ungewöhnlich ist. "Aber warum soll nur der alte Eigentümer und nicht auch die Tools in Winnenden, das seit 2004 dem chinesischen Unternehmen Techtronic Belegschaft vom Verkauf profitieren?", fragt er. Zumal Altbesitzer Karl Schlecht von Industries gehört, wurde im vorigen Jahr verkündet, etwa 300 Stellen aus Montage, Stiftungen so viel halte. Produktion und Forschung würden ins Ausland verlagert. "Also müssen wir jetzt

https://www.kontextwochenzeitung.de/no_cache/newsartikel/2012/02/putzmeister-in-kommunistenhand/?sword_list%5B0%5D=putzmeister[23.05.2012 12:12:20] https://www.kontextwochenzeitung.de/no_cache/newsartikel/2012/02/putzmeister-in-kommunistenhand/?sword_list%5B0%5D=putzmeister[23.05.2012 12:12:20] https://www.kontextwochenzeitung.de/no_cache/newsartikel/2012/02/putzmeister-in-kommunistenhand/?sword_list%5B0%5D=putzmeister[23.05.2012 12:12:20] gesa von leesen erschienen in „Kontext: Wochenzeitung“, am 08.02.2012 sowie am 11.02.2012 als „taz“-Beilage Geboren 1966 Magister-Studium Geschichte, Politik und Nordistik in Kiel und Kopenhagen, PUtZmeiSter in kommUniStenHanD anschließend Pressereferentin im säch- sischen Landtag, Pressesprecherin am der deal erregt bundesweites aufsehen. der chinesische sany-Konzern Theater Chemnitz, Redaktionsleiterin von hat den Baumaschinenhersteller putzmeister in aichtal für etwa 360 Radio Energy Chemnitz, Redakteurin bei millionen euro erworben. der Kauf eines gesunden technologieführers der Morgenpost Chemnitz. in dieser Größenordnung in deutschland durch chinesische investoren Seit 2006 freie Journalistin in Esslingen am Neckar. Schwerpunkte: Lokales, Landespo- ist neu. das Familienunternehmen putzmeister gehört nun dem reichs- litik, Wirtschaft und Soziales. ten mann Chinas, liang Wengen, der nach Zeitungsberichten im Herbst ins Zentralkomitee der Kommunistischen partei Chinas aufrücken soll. Während Käufer und Verkäufer ihr Geschäft feiern, fürchten die arbeiter in aichtal um ihre Jobs.

„In der Zeitung zu lesen, dass man verkauft zur Beschäftigungs- und Standortsicherung. worden ist – das ist demütigend.“ Die Wut „Kann ja sein, dass erst mal alles beim Alten steht der Putzmeister-Mitarbeiterin ins Gesicht bleibt, so wie die Geschäftsleitung es ankün- geschrieben. Eigentlich ist die 900-köpfi ge digt“, meint Sieghard Bender. „Kann aber Belegschaft stolz auf ihre Produkte. Bekannt auch nicht sein. Wir wollen uns wappnen.“ sind vor allem die riesigen Putzmeister-Beton- norbert Scheuch versteht die Sorge um die Ar- pumpen, die nicht nur für Wolkenkratzerbau- beitsplätze, sagt er. „Aber sie ist nicht berech- ten, sondern vor einem knappen Jahr auch zur tigt.“ Der Geschäftsführer von Putzmeister Kühlung der Atomruine in Fukushima einge- rückt nun in den Vorstand des Sany-Konzerns setzt wurden. Doch nun herrscht in Aichtal auf und wird künftig für das gesamte Betonge- enttäuschung vor. Denn bis der Verkauf in schäft außerhalb Chinas verantwortlich sein. der Zeitung stand, wusste niemand etwas von

den Plänen. Weder Betriebsrat noch die Ar- beitnehmervertreter im Aufsichtsrat noch die 50 millionen für eine IG Metall esslingen, die daraufhin die Beleg- arbeitnehmerstiftung? schaft kurzfristig zu einer Versammlung vor Den Forderungskatalog der Gewerkschaft hat dem Betriebstor zusammentrommelte. Scheuch inzwischen erhalten. Die will Tarif- „Dieser Stil ist eine Frechheit“, erklärte Ger- verträge zur Standort- und Beschäftigungssi- hard Schamber, Vorsitzender des Gesamtbe- cherung bis 2020, erweiterung der betriebli- triebsrats. „Das lassen wir uns nicht gefallen.“ chen Mitbestimmung und 50 Millionen euro Für IG-Metall-Chef Sieghard Bender zeugt der vom Verkaufserlös für eine Arbeitnehmerstif- überraschende Verkauf „von mangelndem An- tung. Metaller Bender grinst. er weiß, dass stand im Umgang mit der Belegschaft“. Schüt- die letzte Forderung ungewöhnlich ist. „Aber zenhilfe bekommt er vom Unternehmensrecht- warum soll nur der alte eigentümer und nicht ler Sebastian Sick der gewerkschaftsnahen auch die Belegschaft vom Verkauf profi tie- Hans-Böckler-Stiftung. „Laut Betriebsverfas- ren?“, fragt er. Zumal Altbesitzer Karl Schlecht sungsgesetz muss der Betriebsrat von einer von Stiftungen so viel halte. solchen Veränderung vorab informiert wer- Bender spielt auf die gemeinnützige Karl- den“, erklärt er. „So etwas aus der Zeitung zu Schlecht-Stiftung und die nicht gemeinnützi- erfahren ist nicht gesetzeskonform.“ ge Karl-Schlecht-Familienstiftung an. erstere Vielleicht hilft das beim Kampf von Betriebs- fördert unter anderem zwei Lehrstühle sowie rat und Gewerkschaft für einen Tarifvertrag die Weltethos-Stiftung des katholischen Theo- 17 logen Hans Küng in Tübingen. Die Familien- eine höhere Identifikation mit dem Standort Einfluss auf Putzmeister werde er möglichst stiftung verfügte über 90 Prozent der Stimm- und über eine höhere Standorttreue. Damit nicht nehmen, auch wenn Sany-Chef Liang rechte der Holding und nahm so Einfluss auf sind wir als Wirtschaftsraum auf der sicheren Wengen ihn „zum lebenslangen oberberater den unternehmerischen Kurs. Stiftungszweck Seite.“ Den Putzmeister-Verkauf will er damit von Sany“ ernannt habe, so Schlecht, und er ist dabei laut Satzung „die Unterstützung des allerdings nicht bewerten. Wenn ausländische unterstreicht: „eine Vergütung dafür habe ich Stifters“ und dessen Angehöriger. Die nun er- Investoren Interesse an hiesigen Firmen ha- abgelehnt.“ Mit Liang Wengen verbinde ihn lösten mehrere hundert Millionen Euro fließen ben, sei das auch „ein Zeichen für ihre Qualität Freundschaft, sagt der Maschinenbau-Ingeni- laut Pressemitteilung komplett in die beiden und für die Qualität des Wirtschaftstandorts“, eur, denn man teile die gleichen Werte. Stiftungen. meint Rogg. Viel erfahrung mit chinesischen Investoren habe die Wirtschaftsförderung nicht, denn die seien „in der Region noch kein der reichste mann Chinas Massenphänomen“. „management by love“ Mag sein oder auch nicht. Auf jeden Fall ist ein Zweck von Unternehmen im Stiftungsge- es gibt gute und schlechte erfahrungen mit Sany-Chef Liang Wengen ein interessanter wand ist häufig, die Gefahr auszuschalten, chinesischen Investoren. So hat 2004 das chi- Mann. er hat als Anbieter von Schweißdraht dass die Firma durch nachkommen zerschla- nesische Unternehmen Bejing number one begonnen, heute zählt Sany 70 000 Mitarbei- gen wird. Die nachfolgefrage dürfte auch beim den Werkzeugmaschinenhersteller Waldrich ter in 150 Ländern, der Umsatz lag zuletzt bei Putzmeister-Verkauf eine Rolle gespielt haben. Coburg gekauft. Bis heute läuft der Betrieb gut fünf Milliarden euro. Laut „Forbes“ und dem Zwar hat Karl Schlecht mehrere Kinder, doch und wächst. Bei AeG electric Tools in Winnen- chinesischen „Hurun“-Report ist der 55-Jähri- die waren offenbar entweder nicht interes- den, das seit 2004 dem chinesischen Unter- ge mit sieben Milliarden euro Privatvermögen siert, oder sie haben das Unternehmen nach nehmen Techtronic Industries gehört, wurde der reichste Mann Chinas. Zeitungen haben einigen Jahren Mitarbeit wieder verlassen. im vorigen Jahr verkündet, etwa 300 Stellen gemeldet, dass Liang als Mitglied der Kom- Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass der aus Montage, Produktion und Forschung munistischen Partei Chinas auf dem Parteitag Firmengründer Karl Schlecht nicht nur unbe- würden ins Ausland verlagert. „Also müssen im Herbst ins Zentralkomitee aufrücken wird. streitbar erfolgreich war, sondern zunehmend wir jetzt handeln“, unterstreicht Putzmeister- erstmals wäre damit ein Privatunternehmer in als „unberechenbar“ galt, wie Betriebsrat Betriebsrat Schamber. „Damit es später kein der Schaltzentrale der Macht angelangt. Liang Schamber es formuliert. So belehrte Schlecht böses erwachen gibt.“ steht symbolisch für das heutige China: kapi- seine Mitarbeiter gerne in „Personalmitteilun- talistisches Wirtschaften unter Anerkennung gen“ über die zehn biblischen Gebote, Gandhi- der führenden Macht der Partei. Die will das Lehren, „Management by Love“ und Rotary- Gewerkschaft will teil vom Verkaufserlös 1,3 Milliarden einwohner zählende Land zu Grundsätze. einer wirtschaftlichen Weltmacht aufbauen. In der Belegschaft glaubt nicht jeder der Ge- Langfristige entwicklungen im Auge, kauft „Angesichts der nachfolgefrage sei der Ver- schäftsführung, wenn die versichert, die Mar- China Grund und Boden für nahrungsmit- kauf ‚ein kluger Schritt‘ von Karl Schlecht ge- ke und die weltweit 3000 Arbeitsplätze bei telanbau, sichert sich gezielt Rohstoffe und wesen“, meint Geschäftsführer Scheuch. Dass Putzmeister blieben langfristig erhalten. Viele weiß, welche Hochtechnologien es benötigt. der rechtzeitig diese Lösung gefunden habe, erinnern sich noch an die Krisenjahre 2008 In puncto Maschinenbau ist Deutschland da nötige ihm Respekt ab: „Hut ab!“ Strategisch und 2009. Damals rutschte Putzmeister tief hochinteressant für China. passten die beiden Firmen gut zueinander, in die roten Zahlen und wollte 580 Arbeits- sagt Scheuch. Die Deutschen bekommen ei- plätze in Aichtal streichen. Durch Kurzarbeit nen starken Partner und können Produkte und Verzicht aufs Weihnachtsgeld konnten „made in Germany“ auch in China an den die entlassungen auf 70 gedrückt werden. Im Mann bringen. Die Chinesen erhalten Zutritt vorigen Jahr machte das Unternehmen wieder zum europäischen, amerikanischen, indi- Gewinn. Auch deswegen will Gewerkschaf- schen, arabischen Markt. Im Bereich Beton- ter Bender die Beschäftigungssicherung und pumpen ist Sany nun nach eigenen Angaben einen Anteil vom Verkaufserlös: „Die Beleg- der weltweit führende Anbieter geworden. schaft hat den Betrieb gerettet. Karl Schlecht „Putzmeister hat das beste Vertriebs- und hat damals kein Privatgeld in die Firma gege- Servicesystem“, weiß Gewerkschafter Bender. ben – im Gegensatz zu vielen anderen Fami- „Und die Kunden legen Wert auf die hohe Qua- lien, deren Unternehmen durch die Weltwirt- lität der Putzmeister-Produkte, die nicht wie schaftskrise gebeutelt waren.“ viele chinesische Produkte nur eine Baustelle Über die Tarifverträge zur Sicherung der Be- lang durchhalten.“ schäftigung und der Standorte will Putzmeis- Strategisch hält auch er den Verkauf für eine ter-Geschäftsführer Scheuch nach anfäng- „logische und eventuell gute entscheidung“. lichem Zögern inzwischen verhandeln. Bis Industriepolitisch allerdings sieht er Proble- 2020 ist ihm allerdings zu lang. „Da müssen me für andere einheimische mittelständische wir eine Lösung finden, die der Firma noch ge- Baumaschinenfirmen: „Ob die sich gegen nug Luft zum Atmen lässt.“ exeigentümer Karl einen solchen mächtigen Konzern am Markt Schlecht hält die Forderungen der IG Metall halten können?“ Und er hofft, „dass der Sany- für „reine Dummheit“. Arbeitsplatzgarantien Aufkauf kein Dammbruch bedeutet für die ei- gebe es nicht, erklärt der 79-Jährige, der die- genständigen, familiengeführten Industriebe- ser Tage aus China zurückgekehrt ist. einen triebe in unserer Region“. nicht nur wegen der Anteil vom Verkaufserlös abzugeben, lehnt anstehenden nachfolgefrage, sondern auch er ab. Schlecht: „Die Firma gehörte nicht mir, „wegen der oft auftretenden Finanzierungs- sondern der Stiftung.“ er betont, der Verkauf probleme der Mittelständler“. sei „ein Sieg des Vertrauens“ gewesen. Sany habe sogar auf eine Due Diligence verzichtet, Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung also auf die gründliche Prüfung und Analyse der Region Stuttgart, Walter Rogg, findet es von Putzmeister. „Trotzdem haben wir von ebenfalls generell besser, „wenn schwäbische Sany das Doppelte bekommen, was wohl ein Mittelständler schwäbische Mittelständler normaler westlicher Interessent bezahlt hät- bleiben. Denn diese verfügen in der Regel über te“, berichtet Schlecht. 18 Kontext:Wochenzeitung: China kauft Kontext:Wochenzeitung: China kauft Kontext:Wochenzeitung: China kauft

Macht & Markt hatte sich auch seine Gedanken gemacht: "Wir konnten uns Liebherr oder Schwing die natürlich Geld verdienen wollen, aber auch von Erfinderehrgeiz getrieben sind und gut vorstellen", sagt er, zumal man mit Liebherr bereits kooperierte. Doch daraus häufig Verantwortung für Belegschaften und Region empfinden. wurde nichts. Auch, weil das Unternehmen kaum – wie Sany – 520 Millionen Euro an Im Jahr 2006 haben sich sechs chinesische Investoren in deutsche Betriebe Karl Schlecht gezahlt hätte, den nunmehr früheren Eigentümer von Putzmeister. eingekauft, 2011 waren es schon 15. Wer seine Industrie aufwerten will, braucht dafür China kauft Die Kooperation mit Liebherr werde beendet, erklärt Schamber. Liebherr hatte bisher deren Kern, den Maschinenbau, der gerade in Baden-Württemberg stark ist. Ob in der die Ausrüstung zum Mischen von Beton gestellt. Künftig soll Putzmeister die nächsten Finanzkrise ein chinesischer Eigentümer daran interessiert sein wird, seine von Gesa von Leesen Maschinen selber bauen, heißt es auf der Pressekonferenz. Und in der Sany- deutschen Mitarbeiter mit Kurzarbeit zu halten oder ob er sie einfach rauswirft? Der Niederlassung in Bedburg bei Köln (200 Mitarbeiter) werden keine Betonpumpen mehr deutschen Politik scheint das egal zu sein. In der Landesregierung herrscht dazu Wenn Chinesen in Deutschland Firmen kaufen, wird besonders kritisch gebaut, sondern, wie Liang Wengen andeutet, eines der vielen anderen Produkte von Hilflosigkeit. hingeschaut. Weil das Land und die Kultur so fern sind. Und weil China – Sany wie Drehmaschinen, Windanlagen und Tunnelbohrmaschinen. doch vorgeblich kommunistisch – offensichtlich auf dem Weg zur Vielleicht bringt das nun anstehende Treffen mit dem Präsidenten der Sany Heavy Früher wurde kopiert, jetzt wird gekauft wirtschaftlichen Weltmacht ist. Auch deswegen hat der Verkauf des Industry, Wenbo Xiang, den baden-württembergischen Wirtschaftsminister Nils kerngesunden Baumaschinenherstellers Putzmeister in Aichtal an den Die Zeiten, in denen chinesische Unternehmen in Europa Werke kauften, ab- und zu Schmid von der SPD ja auf neue Ideen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) chinesischen Sany-Konzern im Februar für Aufsehen gesorgt. Die erste Hause wieder aufbauten, sind vorbei. Auch die Zeiten des Kopierens scheinen sich jedenfalls begrüßt chinesische Investoren ausdrücklich. Offenbar setzt die schwarz- Aufregung ist nun aber vorüber. dem Ende zuzuneigen. Der aktuelle chinesische Fünfjahresplan, der bis 2015 gilt, gibt gelbe Koalition auf die "unsichtbare Hand der Märkte". Die Zukunft wird zeigen, wer die Richtung vor: Der Ausbau der Schwerindustrie ist abgeschlossen, und mit der diese Hand tatsächlich lenkt. Die 1200-köpfige Belegschaft von Putzmeister in Aichtal und im hessischen Gründau Produktion von Billigware lässt sich nicht mehr das notwendige Wachstum kann inzwischen beruhigt sein: Die IG Metall hat mit der Aichtaler Geschäftsführung erwirtschaften, um den Wohlstand der 1,3 Milliarden Einwohner Chinas zu erhöhen. ausgehandelt, dass auch nach dem Verkauf an die Chinesen der Standort und die Arbeitsplätze bis 2020 sicher sind. Bis hin zum Vorstand des neuen Besitzers, der Die Führung will vom "made in China" hin zum "developed in China", erklärte im Sany-Gruppe aus China, sind alle zufrieden. Ist dies also der Beginn einer vorigen Jahr der Botschafter Wu Hongbo in Berlin. Innovationsstark wolle man werden wunderbaren Freundschaft? und nicht mehr die verlängerte Werkbank der Welt sein. Innovationen holt man sich mit Aufkäufen guter Unternehmen und ihrer Marken einfacher ins Haus als mit Die Geschäftsführung hat nach Aichtal zur Pressekonferenz eingeladen. China-Fahnen schlechtem Abkupfern. Nach und nach erreicht auch auf diesem Weg das Know-how wehen am Eingang, ein China-Wimpel ziert den Tisch des Pförtners, der Hof des zum Beispiel der Putzmeister-Ingenieure die chinesischen Kollegen. riesigen Putzmeister-Geländes ist blitzblank. Die Ehre gilt dem neuen Eigentümer. Längere Zeiträume im Blick Sany-Chef Liang Wengen, Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas (KPC), ist gekommen, im Tross sind viele Mitglieder des Sany-Vorstands. In China wird nicht in Wahlzyklen gedacht, man gibt sich Zeit. 1985 erklärte der damalige KPC-Generalsekretär Hu Yaobang vor Absolventen der Zentralen Pekinger Sie sind alle bei der Pressekonferenz dabei, und die Putzmeister-Mitarbeiter haben von Parteihochschule, man hoffe, bis zum 100. Geburtstag der Gründung der ihren chinesischen Kollegen bereits gelernt: Jedes Vorstandsmitglied wird bei der Volksrepublik, also 2049, die höchstentwickelten kapitalistischen Länder in Vorstellungsrunde brav beklatscht. Den Statements des Geschäftsführers von ökonomischer Hinsicht eingeholt zu haben. Derzeit liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Putzmeister, Norbert Scheuch, und von Sany-Chef Liang ist jedoch nicht viel Neues zu Kopf in China laut Internationalem Währungsfonds bei 5000 Dollar, womit China den entnehmen. Beide Seiten versichern einander, dass der Deal für alle super sein wird. 80. Platz von 181 Ländern einnimmt. Zum Vergleich: Deutschland belegt mit mehr als "Der Zusammenschluss von Sany und Putzmeister wird auch ein Vorbild der 44 000 Dollar pro Kopf den 19. Platz. Das Datum 2049 ist in der Satzung der Zusammenarbeit zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen sein", prophezeit Kommunistischen Partei Chinas festgeschrieben. Liang. Harro von Senger, ein emeritierter Sinologie-Professor der Universität Freiburg, nennt Der Kauf von Putzmeister durch den langen Zeithorizont "Supraplanung". Eine solch langfristige Strategie bringe Sany zeigt exemplarisch, wie China westlichen Geschäftsleuten zwar hohe Sicherheit, so von Senger. Es könne aber auch strategische Industriepolitik passieren, dass sie damit am Ende von ihren chinesischen Geschäftspartnern betreibt. Der gesamte abgehängt würden. Baumaschinenmarkt befindet sich seit Jahren in einem Deutschland soll sich an China orientieren Konzentrationsprozess. Zu den Der Esslinger IG-Metall-Gewerkschafter Bender fordert von der deutschen Politik großen und bedeutenden endlich eine gezielte Industriepolitik. "In der Krise 2008 wurde ein Abwrackprogramm Unternehmen gehören Caterpillar aufgelegt, um die Autoindustrie zu stabilisieren. In Brasilien hat man in der Zeit (USA), Liebherr (Deutschland) und Maschinenbauer mit billigen Krediten unterstützt, um zu investieren. Nach der Krise Komatsu (Japan). Putzmeister war stand die Branche glänzend da", verdeutlicht er. In Japan macht sich im ein sogenannter Hidden Champion Wirtschaftsministerium eine eigene Abteilung Gedanken über die industrielle Zukunft: (verborgener Meister) im hochwertigen Maschinenbereich. China hat zwar große Welche Branchen will man erhalten und wie? Die wichtigen Branchen bekommen dann Baumaschinenfirmen, aber außerhalb des eigenen und des zentralafrikanischen Kredite für einen Prozent Zins. Marktes fällt es den Unternehmen des Landes schwer, Fuß zu fassen. Das Image der Bender ärgert sich über die deutsche Politik: "Bei uns bekommen den die Banken, die Billigproduktion haftet ihnen an, also wird gekauft. 2008 erwarb das chinesische das Geld dann für sieben oder acht Prozent an die Unternehmen weitergeben." Der Staatsunternehmen Zoomlion den italienischen Baumaschinenhersteller CIFA. Der Textilmaschinenbau sei in Deutschland fast komplett verschwunden, chinesische deutsche Betonpumpenhersteller Schwing steht laut Zeitungsmeldungen derzeit vor Investoren klopften derzeit überall im Maschinenbau an. Bender: "2008 standen sofort der Übernahme durch den chinesischen Baumaschinenhersteller XCMG, und Chinesen auf der Matte, um den Drehmaschinenhersteller Traub in Reichenbach zu Putzmeister ist nun in Sany-Hand. Damit könne Sany sich gegen die drei großen kaufen. Gleiches gilt für Metabo in Nürtingen." Baumaschinenfirmen behaupten, sagt der Esslinger IG-Metall-Chef Sieghard Bender. "Sany ist jetzt in der Lage, weltweit mit einem Komplettprogramm aufzutreten." Thatcher hat mit ihrer Industriepolitik England schwer geschadet

Die Chinesen haben gut gezahlt Die britische Premierministerin Maggie Thatcher entschied in den 1980er-Jahren, Großbritannien zu einem Finanzplatz zu machen. Die englische Industrie ist inzwischen Dass Putzmeister mittelfristig einen Partner benötigen würde, war im Unternehmen nahezu vernichtet. Was die Finanzwirtschaft der weltweiten Ökonomie antut, ist seit geraumer Zeit klar. Der Betriebsrat und die IG Metall Esslingen hätten gerne bekannt. Dass Deutschland bislang die Finanzkrise relativ gut überstanden hat, dürfte jemand Einheimisches gehabt. Gerhard Schamber, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende, der industriellen Basis zu verdanken sein. Und den mittelständischen Unternehmern,

https://www.kontextwochenzeitung.de/no_cache/newsartikel/2012/04/china-kauft/?sword_list%5B0%5D=putzmeister[23.05.2012 12:13:36] https://www.kontextwochenzeitung.de/no_cache/newsartikel/2012/04/china-kauft/?sword_list%5B0%5D=putzmeister[23.05.2012 12:13:36]

https://www.kontextwochenzeitung.de/no_cache/newsartikel/2012/04/china-kauft/?sword_list%5B0%5D=putzmeister[23.05.2012 12:13:36] gesa von leesen erschienen in „Kontext: Wochenzeitung“, am 18.04.2012 sowie am 21.04.2012 als „taz“-Beilage cHina kaUFt Wenn Chinesen in deutschland Firmen kaufen, wird besonders kritisch hingeschaut. Weil das land und die Kultur so fern sind. und weil Chi- na – doch vorgeblich kommunistisch – off ensichtlich auf dem Weg zur wirtschaftlichen Weltmacht ist. auch deswegen hat der Verkauf des kerngesunden Baumaschinenherstellers putzmeister in aichtal an den chinesischen sany-Konzern im Februar für aufsehen gesorgt. die erste aufregung ist nun aber vorüber.

Die 1200-köpfi ge Belegschaft von Putzmeister Der Kauf von Putzmeister durch Sany zeigt in Aichtal und im hessischen Gründau kann exemplarisch, wie China strategische Indus- inzwischen beruhigt sein: Die IG Metall hat triepolitik betreibt. Der gesamte Baumaschi- mit der Aichtaler Geschäftsführung ausgehan- nenmarkt befi ndet sich seit Jahren in einem delt, dass auch nach dem Verkauf an die Chi- Konzentrationsprozess. Zu den großen und nesen der Standort und die Arbeitsplätze bis bedeutenden Unternehmen gehören Caterpil- 2020 sicher sind. Bis hin zum Vorstand des lar (USA), Liebherr (Deutschland) und Komat- neuen Besitzers, der Sany-Gruppe aus China, su (Japan). Putzmeister war ein sogenannter sind alle zufrieden. Ist dies also der Beginn ei- Hidden Champion (verborgener Meister) im ner wunderbaren Freundschaft? hochwertigen Maschinenbereich. China hat zwar große Baumaschinenfi rmen, aber au- ßerhalb des eigenen und des zentralafrikani- Die Geschäftsführung hat nach Aichtal zur schen Marktes fällt es den Unternehmen des Pressekonferenz eingeladen. China-Fahnen Landes schwer, Fuß zu fassen. Das Image der wehen am eingang, ein China-Wimpel ziert Billigproduktion haftet ihnen an, also wird den Tisch des Pförtners, der Hof des riesigen gekauft. 2008 erwarb das chinesische Staats- Putzmeister-Geländes ist blitzblank. Die ehre unternehmen Zoomlion den italienischen gilt dem neuen eigentümer. Sany-Chef Liang Baumaschinenhersteller CIFA. Der deutsche Wengen, Mitglied der Kommunistischen Par- Betonpumpenhersteller Schwing steht laut tei Chinas (KPC), ist gekommen, im Tross sind Zeitungsmeldungen derzeit vor der Übernah- viele Mitglieder des Sany-Vorstands. me durch den chinesischen Baumaschinen- hersteller XCMG, und Putzmeister ist nun in Sie sind alle bei der Pressekonferenz dabei, Sany-Hand. Damit könne Sany sich gegen die und die Putzmeister-Mitarbeiter haben von drei großen Baumaschinenfi rmen behaupten, ihren chinesischen Kollegen bereits gelernt: sagt der esslinger IG-Metall-Chef Sieghard Jedes Vorstandsmitglied wird bei der Vorstel- Bender. „Sany ist jetzt in der Lage, weltweit lungsrunde brav beklatscht. Den Statements mit einem Komplettprogramm aufzutreten.“ des Geschäftsführers von Putzmeister, nor- bert Scheuch, und von Sany-Chef Liang ist jedoch nicht viel neues zu entnehmen. Beide die Chinesen haben gut gezahlt Seiten versichern einander, dass der Deal für Dass Putzmeister mittelfristig einen Partner alle super sein wird. „Der Zusammenschluss benötigen würde, war im Unternehmen seit von Sany und Putzmeister wird auch ein Vor- geraumer Zeit klar. Der Betriebsrat und die IG bild der Zusammenarbeit zwischen chinesi- Metall esslingen hätten gerne jemand einhei- schen und deutschen Unternehmen sein“, misches gehabt. Gerhard Schamber, der Ge- prophezeit Liang. samtbetriebsratsvorsitzende, hatte sich auch 19 seine Gedanken gemacht: „Wir konnten uns sie damit am ende von ihren chinesischen Ge- Liebherr oder Schwing gut vorstellen“, sagt er, schäftspartnern abgehängt würden. zumal man mit Liebherr bereits kooperierte. Doch daraus wurde nichts. Auch, weil das Un- ternehmen kaum – wie Sany – 520 Millionen deutschland soll sich an China orientieren euro an Karl Schlecht gezahlt hätte, den nun- Der esslinger IG-Metall-Gewerkschafter Ben- mehr früheren eigentümer von Putzmeister. der fordert von der deutschen Politik endlich Die Kooperation mit Liebherr werde beendet, eine gezielte Industriepolitik. „In der Krise erklärt Schamber. Liebherr hatte bisher die 2008 wurde ein Abwrackprogramm aufgelegt, Ausrüstung zum Mischen von Beton gestellt. um die Autoindustrie zu stabilisieren. In Bra- Künftig soll Putzmeister die Maschinen selber silien hat man in der Zeit Maschinenbauer mit bauen, heißt es auf der Pressekonferenz. Und billigen Krediten unterstützt, um zu investie- in der Sany-niederlassung in Bedburg bei Köln ren. nach der Krise stand die Branche glän- (200 Mitarbeiter) werden keine Betonpumpen zend da“, verdeutlicht er. In Japan macht sich mehr gebaut, sondern, wie Liang Wengen an- im Wirtschaftsministerium eine eigene Abtei- deutet, eines der vielen anderen Produkte von lung Gedanken über die industrielle Zukunft: Sany wie Drehmaschinen, Windanlagen und Welche Branchen will man erhalten und wie? Tunnelbohrmaschinen. Die wichtigen Branchen bekommen dann Kre- dite für einen Prozent Zins.

Früher wurde kopiert, jetzt wird gekauft Bender ärgert sich über die deutsche Politik: „Bei uns bekommen den die Banken, die das Die Zeiten, in denen chinesische Unterneh- Geld dann für sieben oder acht Prozent an men in europa Werke kauften, ab- und zu die Unternehmen weitergeben.“ Der Textil- Hause wieder aufbauten, sind vorbei. Auch maschinenbau sei in Deutschland fast kom- die Zeiten des Kopierens scheinen sich dem plett verschwunden, chinesische Investoren ende zuzuneigen. Der aktuelle chinesische klopften derzeit überall im Maschinenbau an. Fünfjahresplan, der bis 2015 gilt, gibt die Bender: „2008 standen sofort Chinesen auf Richtung vor: Der Ausbau der Schwerindustrie der Matte, um den Drehmaschinenhersteller ist abgeschlossen, und mit der Produktion von Traub in Reichenbach zu kaufen. Gleiches gilt Billigware lässt sich nicht mehr das notwen- für Metabo in nürtingen.“ dige Wachstum erwirtschaften, um den Wohl- stand der 1,3 Milliarden einwohner Chinas zu erhöhen. thatcher hat mit ihrer industriepolitik england schwer geschadet Die Führung will vom „made in China“ hin zum „developed in China“, erklärte im vorigen Die britische Premierministerin Maggie That- Jahr der Botschafter Wu Hongbo in Berlin. In- cher entschied in den 1980er-Jahren, Groß- novationsstark wolle man werden und nicht britannien zu einem Finanzplatz zu machen. mehr die verlängerte Werkbank der Welt sein. Die englische Industrie ist inzwischen nahe- Innovationen holt man sich mit Aufkäufen zu vernichtet. Was die Finanzwirtschaft der guter Unternehmen und ihrer Marken einfa- weltweiten Ökonomie antut, ist bekannt. Dass cher ins Haus als mit schlechtem Abkupfern. Deutschland bislang die Finanzkrise relativ nach und nach erreicht auch auf diesem Weg gut überstanden hat, dürfte der industriellen das Know-how zum Beispiel der Putzmeister- Basis zu verdanken sein. Und den mittelstän- Ingenieure die chinesischen Kollegen. dischen Unternehmern, die natürlich Geld verdienen wollen, aber auch von Erfinderehr- geiz getrieben sind und häufig Verantwortung längere Zeiträume im Blick für Belegschaften und Region empfinden. In China wird nicht in Wahlzyklen gedacht, Im Jahr 2006 haben sich sechs chinesische man gibt sich Zeit. 1985 erklärte der damalige Investoren in deutsche Betriebe eingekauft, KPC-Generalsekretär Hu Yaobang vor Absol- 2011 waren es schon 15. Wer seine Industrie venten der Zentralen Pekinger Parteihoch- aufwerten will, braucht dafür deren Kern, den schule, man hoffe, bis zum 100. Geburtstag Maschinenbau, der gerade in Baden-Württem- der Gründung der Volksrepublik, also 2049, berg stark ist. ob in der nächsten Finanzkrise die höchstentwickelten kapitalistischen Län- ein chinesischer eigentümer daran interes- der in ökonomischer Hinsicht eingeholt zu siert sein wird, seine deutschen Mitarbeiter haben. Derzeit liegt das Bruttoinlandsprodukt mit Kurzarbeit zu halten oder ob er sie einfach pro Kopf in China laut Internationalem Wäh- rauswirft? Der deutschen Politik scheint das rungsfonds bei 5000 Dollar, womit China den egal zu sein. In der Landesregierung herrscht 80. Platz von 181 Ländern einnimmt. Zum dazu Hilflosigkeit. Vergleich: Deutschland belegt mit mehr als Vielleicht bringt das nun anstehende Treffen 44 000 Dollar pro Kopf den 19. Platz. Das Da- mit dem Präsidenten der Sany Heavy Industry, tum 2049 ist in der Satzung der Kommunisti- Wenbo Xiang, den baden-württembergischen schen Partei Chinas festgeschrieben. Wirtschaftsminister nils Schmid von der SPD Harro von Senger, ein emeritierter Sinologie- ja auf neue Ideen. Bundeskanzlerin Angela Professor der Universität Freiburg, nennt den Merkel (CDU) jedenfalls begrüßt chinesische langen Zeithorizont „Supraplanung“. eine Investoren ausdrücklich. Offenbar setzt die solch langfristige Strategie bringe westlichen schwarz-gelbe Koalition auf die „unsichtbare Geschäftsleuten zwar hohe Sicherheit, so von Hand der Märkte“. Die Zukunft wird zeigen, Senger. es könne aber auch passieren, dass wer diese Hand tatsächlich lenkt. 20

wolfgang messner erschienen in der „Stuttgarter Zeitung“, am 01.10.2011

Geboren 1963 Herrn BieDermannS golDener aBScHieD 1986-1993 Studium der Geschichte, Poli- tik und Germanistik an der Albert-Ludwigs- motorenBau der tognum-Vorstandschef Volker Heuer geht um 79 milli- Universität Freiburg und an der Universität Wien. onen euro reicher in den ruhestand. 1981-1984 freie Mitarbeit beim Schwarz- Gestern war sein letzter Arbeitstag. Ab heu- spannend wie eine Anleitung für einen Die- wälder Boten in Villingen-Schwenningen. te ist Volker Heuer ein freier Mann. Doch selmotor. In Spanien hatte er die Vito- und 1984 bis 1986 Volontariat beim Badi- ist der Manager mehr noch ein Privatier als Viano-Baureihe verantwortet. Davor war er schen Tagblatt in Baden-Baden. ein Pensionär. Für den Ruhestand wirkt er für Daimler in Argentinien in der entwick- Danach freier Mitarbeiter und Redak- mit seinen 58 Jahren zu vital. Zudem hat lung und in Brasilien für die Konstruktion teursvertreter bei Südwestpresse/Die der Chef der Tognum AG in Friedrichsha- von Karosserien verantwortlich gewesen. Neckarquelle und Badische Zeitung sowie fen schon frühzeitig dafür gesorgt, dass er Kaum jemand hätte geglaubt, dass die MTU 1987/88 freier Reporter für den Südwest- im Alter gut versorgt ist. Mit 79 Millionen Friedrichshafen und der danach um das funk Baden-Baden (Landes- und Abend- euro im Portfolio geht der Maschinenbau- Kernunternehmen herum gebaute Tognum- schau). Ingenieur nun in Rente. Das viele Geld hat Konzern ausgerechnet unter diesem eher 1993/94 Praktikum bei der Süddeutschen der Frühpensionär dem einstieg des schwe- durchschnittlich erscheinenden Unterneh- Zeitung in München. dischen Finanzinvestors eQT bei der damali- mensführer die erfolgreichste epoche ihrer gen Daimler-Chrysler-Tochter zu verdanken. Ab September 1994 Regionalreporter beim Geschichte erleben würde. Doch obwohl Die Chance, reich zu werden, erhielt Heuer Badischen Tagblatt; nebenbei Mitarbeit eQT nach der Übernahme rund 700 Milli- kurz vor dem Börsengang von Tognum am 1. u.a. für Welt, taz und Stuttgarter Zeitung. onen neue Schulden auf die Tognum über- Juli 2007. Das Angebot des damaligen Mehr- Seit Februar 2002 Korrespondent der Stutt- trug, ging es stetig bergauf mit dem Konzern. heitsaktionärs sei „eine interessante Alters- garter Zeitung für die Region Oberschwa- Der Börsengang brachte weiteres Geld in die vorsorge“, ließ er die Öffentlichkeit wissen. ben/Bodensee. Kassen. Relativ problemlos überwand der Auf jeden Fall dürfte ihm nun ein finanziel- Dieselmotorenbauer die Wirtschaftskrise ler Spielraum bleiben, der manches möglich 2008/2009. Der Umsatz kletterte von zwei macht. So will Heuer nun selbst als Investor auf 2,5 dann auf fast drei Milliarden euro. auftreten – etwa beim neuen Gewerbepark Bei der neuerlichen Übernahme durch von Salem (Bodenseekreis). Den Traum, ein- Daimler und Rolls-Royce diesen Sommer mal mit seiner Frau die Welt zu umsegeln, war die Tognum AG rund 3,4 Milliarden wird der passionierte Wassersportler auch euro wert. Beiden Konzernen gehört je eine ins Auge fassen können. Mehr aber erfährt Hälfte von Tognum. Inzwischen haben sie man nicht über die Zukunftspläne des Vol- 98 Prozent aller Aktien aufgekauft und stre- ker Heuer. Sämtliche Medienanfragen hat er ben den hundertprozentigen Besitz an. Bis abschlägig beschieden. PR war noch nie die 10. november haben die letzten verbliebe- Sache des großen Schweigers aus Westfalen nen Aktionäre noch Zeit, ihre Aktien zum gewesen. Kauf anzubieten.

Der große Auftritt auch nicht. So verabschie- Mit Tognum ist auch Heuer reich geworden. dete sich Heuer gestern von seinen Mitarbei- Am Jahresende 2005 hatte der damals vier- tern nur mit einer internen Bürofeier. einen köpfige Vorstand quasi als Entree 7,6 Pro- öffentlichen Festakt lehnte er ab. Auch das zent der Aktien bekommen. Bezahlt haben passt zu dem eher biederen Mann aus Pa- die Vorstände angeblich nur 20 Millionen euro, wie es jetzt in Medienberichten heißt. derborn. Offiziell bekannt geworden ist die Summe Der 1953 geborene Manager ging so, wie er nie. Heuer bekam mit 3,036 Millionen Ak- 2004 von einer spanischen Daimler-Tochter tien oder 2,3 Prozent am Unternehmen den zur damaligen Tochter MTU Friedrichshafen größten Batzen zugeschanzt. Sein nachfol- GmbH kam: unaufgeregt, ruhig, unspekta- ger, der damalige Finanzvorstand Joachim kulär. Seine Daimler-Vita liest sich etwa so Coers, erhielt immerhin noch 1,7 Prozent 21 der Anteile. Im Sommer wurde groß Kasse gemacht. Coers erlöste 58 Millionen euro. So muss sich der neue starke Mann an der Kon- zernspitze nur noch wenig Sorgen um seine Zukunft machen. Heuer und Coers verwalten ihr Vermögen inzwischen in einer eigenen Gesellschaft.

Der bereits ausgeschiedene frühere Ver- triebsvorstand Rainer Breitenbach versüß- te sich nachträglich seinen Abschied mit rund 43,7 Millionen euro. Die neu hinzuge- kommenen Vorstände Peter Kneipp, Ulrich Dohle und der inzwischen ebenfalls ausge- schiedene Christof von Branconi kamen auf erlöse unterhalb der Millionengrenze. Au- ßerdem verfügten neun der zwölf Aufsichts- räte ebenfalls über eine gewisse Anzahl an Aktien, die sie ebenfalls verkauft haben.

Dies behagt nicht allen. Heuer habe zwar insgesamt einen „guten Job“ gemacht, doch sein Ausscheiden stehe doch „sehr unter dem eindruck der letzten Monate“, kritisiert Lilo Rademacher, erste Bevollmächtigte der IG Metall in Friedrichshafen. Sein Wirken als Konzernleiter trete dabei in den Hinter- grund. Heuer habe „sehr, sehr viel Geld“ bekommen. Rademacher fragt sich, wie dies bei den Beschäftigten ankomme. es gehe dabei nicht um eine neiddebatte. „Aber die Beschäftigten selbst haben tolle Arbeit geleistet und keinen Bonus bekommen.“ es stelle sich die Frage, ob dies gerecht sei. Heuer und sein nachfolger Coers hätten „gut daran getan“, so Rademacher, „eine ordent- liche einmalzahlung an die Beschäftigten“ zu leisten. 22

WILLI BLEICHER PREIS

3. Preis

Petra otte erschienen in den „Stuttgarter nachrichten“, am 03.04.2012

Geboren1973 Der gelDregen triFFt längSt nicHt alle 1993 Abitur die deutschen autobauer zahlen ihren Beschäftigten rekordprämien – und bringen damit 1994 Studium Anglistik/Biologie an der Zeitarbeiter und Zulieferer gegen sich auf Uni Stuttgart 1998 Volontariat bei der Filder-Zeitung der erfolg der autohersteller hat auch eine Kehrseite: Während die 2000 Wirtschafts-Redakteurin bei den stammbeschäftigten über tausende euro Boni jubeln, fühlen sich ihre Stuttgarter Nachrichten Kollegen bei Zulieferern zunehmend ausgenutzt. die spaltung der Beleg- Seit Februar 2012 stellvertretende Res- sortleiterin Wirtschaft bei den Stuttgarter schaften birgt Konfl iktstoff , warnen arbeitsforscher. Nachrichten STUTTGART. Peter Fuchs (name geändert) wicklungsmöglichkeiten. Die IG Metall läuft mag seine Arbeit. Der 40-Jährige ist Sachbear- seit Jahren Sturm gegen diese Zwei-Klassen- beiter im Weissacher Porsche-entwicklungs- Gesellschaft in der Arbeitswelt, seit die Auto- zentrum, täglich hantiert er mit Daten künf- bauer Rekordboni ausschütten, ist das gefühl- tiger Sport- und Geländewagen. „Ich bin gut te Ungleichgewicht aber eher gewachsen. in dem, was ich tue“, sagt Fuchs, über zehn Viele Beschäftigte, die für die Autohersteller Jahre macht er seinen Job schon. Angestellt direkt oder indirekt tätig sind und keine oder ist er indes nicht bei Porsche, sondern beim nur eine geringere Prämie bekommen, emp- Ingenieurdienstleister Bertrandt – was ihn zu- fi nden das als Spitze der Ungerechtigkeit. „Wir sehends unzufriedener werden lässt: „Meinen externen sind für die Autounternehmen voll- Arbeitgeber kenne ich eigentlich gar nicht“, wertige und voll integrierte Mitarbeiter, ohne sagt Fuchs, „ich fühle mich wie ein Mitarbei- die die entwicklung von neufahrzeugen nicht ter von Porsche.“ Allerdings wie einer zweiter möglich wäre“, sagt Fuchs. Von Bertrandt hat Klasse: Denn als von Bertrandt entsandter er für 2011 zwar eine Sonderzahlung über Zeitarbeiter verdient Fuchs gut 20 Prozent 1500 euro bekommen – Porsche bezahlt aber weniger als Kollegen, die bei dem Autobauer fünfmal so viel, nämlich 7600 euro. Unzu- unter Vertrag stehen. er hat eingeschränkten frieden sind auch die Beschäftigten bei der Zugriff auf die Firmendaten und keine Mög- Daimler-entwickIungstochter MB-Tech: Sie lichkeit wie viele Porscheaner, vergünstigt ein wurden per e-Mail über die Daimler-Rekord- Auto zu leasen. einlernen darf der langjährige prämie von 4100 euro informiert, bekommen Zeitarbeiter neue Porsche-Kollegen aber sehr selbst aber nur 1840 euro Bonus im Schnitt. wohl: „Ich erkläre, wie es geht, und die haben Mitarbeiter bei evobus gehen für 2011 sogar den ertrag.“ leer aus. Wenn die Konzernmutter Daimler kränkle, müssten „alle Töchter zur Genesung beitragen. Dann sind wir wieder eine große „Unzufriedenheit Familie“, schimpfte ein evobus-Mitarbeiter bei Zeitarbeitern schwappt auf die in einem Daimler-Blog. Tatsächlich erhalten Stammbelegschaft über“ 125 000 der bundesweit knapp 168 000 Be- Matthias Knuth, Arbeitsmarktforscher schäftigten im Daimler-Konzern 4100 euro an der Uni Duisburg Bonus, die meisten Töchter haben wie MB- Tech und evobus eigene Vergütungsregeln. Versuche des Betriebsrats, die ergebnisbeteili- Fuchs geht es wie Zehntausenden Beschäftig- gung zumindest teilweise konzernweit zu ver- tenbundesweit, die im Auftrag der Autobauer einheitlichen, blieben bisher erfolglos. an den Montagebändern aushelfen oder in den Forschungslaboren Zukunftstechnik ent- Auch Mitarbeitern bei Zulieferern, die die wickeln – sie machen die gleiche Arbeit wie Autobauer mit Getriebe, einspritzpumpen die Stammbelegschaften der Hersteller, haben oder Logistiklösungen versorgen, stoßen aber bei Weitem nicht deren Gehalt und ent- die Rekordprämien der Hersteller bitter auf. 23 „obwohl ohne uns kein einziger Porsche vom tät Duisburg, schwappt die Unzufriedenheit info Band rollen kann, erhalten wir voraussichtlich bei Zeitarbeitern oder befristeten Beschäftig- keinen Cent“, kritisierte Guido Machowski, ten längst auf die Stammbelegschaften über: Betriebsratschef des Leipziger Logistikanbie- Weil auch unbefristet Beschäftigte erkennen, ergebnisbeteiligungen 2011, ters Schnellecke, kürzlich gegenüber Medien. dass der einstieg in ein Unternehmen haupt- ausgewählte Beispiele Dafür hätten die Kollegen bei dem Porsche- sächlich über einen befristeten Vertrag oder Zulieferer „kein Verständnis“. Beim Stuttgar- Leiharbeit gelingt, halten sie umso mehr an ter Kolbenhersteller Mahle lösten die Boni der ihrem Arbeitsplatz fest. „Beschäftigte schei- unternehmen prämie Berechtigte Hersteller ebenfalls enttäuschung aus – Mah- nen zunehmend die Risiken einer Reise über le zahlt Mitarbeitern im Schnitt 300 euro. Dass den Arbeitsmarkt zu scheuen“, sagt Knuth. dies prozentual einen größeren Teil am ergeb- „Stattdessen sind sie für die Aufrechthaltung 8 251 44 800 nis ausmacht als die Beträge, die Daimler oder ihres Beschäftigungsverhältnisses verstärkt Porsche 7 600 8 500 Porsche zahlen, kann die Beschäftigten nicht zu Zugeständnissen bereit“. Das führt dazu, aufheitern. dass auch bei Stammbeschäftigten die Ar- VW 7 500 90 000 beitszufriedenheit und Motivation nachlassen BMW 7 650* 70 000 – zugleich nehmen Fluktuation und damit Der Porsche-Betriebsrat will errei- Aufstiegschancen für Zeitarbeiter ab. Knuth: Mercedes-AMG 5 300** 960 chen, dass externe Mitarbeiter in der „Atypische Beschäftigungsformen erweisen Daimler 4 100 125 000 sich eher als Sackgasse denn als Sprungbret- Entwicklung mehr verdienen MB-Tech 1 840 2 500 ter, das gilt auch für Qualifizierte.“ Dürr 1 500 3 000 Zwar stellen die 900 000 Leiharbeiter bundes- Tatsächlich sind Mitarbeiter bei Zulieferern weit weniger als drei Prozent aller erwerbstä- Elring-Klinger 1 150 2 900 sogar doppelt benachteiligt: Sie leiden un- tigen, höchstens jeder Vierte gilt laut Bonin Continental 659 50 000 ter dem Preisdiktat der Hersteller, die mittels als hoch qualifiziert. Ausgerechnet in der niedriger einkaufspreise die eigenen Gewinne Forschung gibt es bisher aber kaum Begren- Mahle 300 8 200 und somit auch die Bonuszahlungen für ihre zungen bei der Leiharbeit: In der Sindelfinger Mitarbeiter immer weiter in die Höhe schrau- Pkw-entwicklung von Mercedes sind nach Be- ben. Das wiederum schließt eine mit den triebsratsangaben 700 der 8000 Beschäftigten * Facharbeiter in der era-Gruppe 5 Herstellern vergleichbare Profitabilität und Zeitarbeiter, bei Porsche in Weissach 860 von ** Bei 40-Stunden-Woche, 35 Stunden anteilig damit hohe Prämien bei den Zulieferern aus knapp 4000. Porsche-Betriebsratschef Uwe – obwohl diese 75 Prozent zur Wertschöpfung Hück nennt eine solche Quote von über 20 eines Automobils beitragen. Diese Diskrepanz Prozent „ungesund“, mit dem Arbeitgeber will lasse sich „immer schwieriger rechtfertigen“, er deshalb vereinbaren, dass Leiharbeiter in räumte der baden-württembergische IG Me- der entwicklung nicht nur gleich viel verdie- tall-Chef Jörg Hofmann kürzlich ein. Laut ei- nen wie ihre fest angestellten Kollegen, son- ner Umfrage der IG Metall unter Mitgliedern dern auch nach spätestens zwei Jahren einen zahlen im Südwesten mindestens 56 Prozent unbefristeten Vertrag bei Porsche bekommen. der Metallbetriebe keinerlei ergebnisbeteili- 2011 hat Porsche 200 Leiharbeiter und be- gung für 2011. fristet Beschäftigte übernommen, dieses Jahr, Unmut gibt es auch unter Arbeitgebern: ei- will sich der Betriebsrat dafür einsetzen, dass gentlich müssten die Beschäftigten in der es mindestens noch einmal so viele werden. Branche flächendeckend am Erfolg der Her- Audi will 2012 bundesweit 700 Leiharbeiter steller beteiligt werden, heißt es hinter vorge- übernehmen, zudem soll der Übernahme- haltener Hand. Stattdessen beschenke man prozess in eine feste Audi-Stelle beschleunigt die eigenen Leute vorab – und als Gehaltser- werden. Bei Daimler sind seit 2005 rund höhung für alle Beschäftigten bleibe ein Zu- 2700 Zeitarbeiter in der Produktion übernom- brot übrig, lautet eine Befürchtung. Für Zulie- men worden. Für langjährige Zeitarbeiter wie ferer werde es somit immer schwieriger, ihre Fuchs sind das hoffnungsvolle Signale, recht Mitarbeiter für Überstunden und Wochenend- daran glauben kann er aber nicht. eine frü- schichten zu motivieren. obwohl genug zu tun here Bewerbung bei Porsche blieb erfolglos, ist, bleibt auch Fuchs samstags immer öfter zu einen weiteren Versuch hat er aus Angst, als Hause – his zur 100. Stunde kann er Mehrar- Unzufriedener zu gelten und seinen aktuellen beit nur mit Freizeit ausgleichen, Zuschläge Job zu gefährden, nicht unternommen. Fazit: gibt es – wie bei Porsche – nicht. Laut dem „Wir externe büßen an jeder ecke.“ Mannheimer Arbeitsforscher Holger Bonin sollten Arbeitgeber die Folgen der Spreizung am Arbeitsmarkt nicht unterschätzen: egal, ob ein Gehaltsunterschied zwischen Zeitarbei- tern und Festangestellten begründet sei oder nicht – bei der Gruppe mit dem geringeren Verdienst „führt das zu subjektivem Unwohl- sein, Unzufriedenheit und zu nichteffektivem Arbeiten“, sagt Bonin. Auf lange Sicht könnten ein übertriebener einsatz von Zeitarbeit sowie massiver Druck auf die Zulieferer somit für die Hersteller von nachteil sein – nämlich dann, wenn alle nur noch bei Daimler, Porsche und Co. arbeiten wollen „und es zu wenig Beschäf- tigung bei den Zulieferern gibt“. Laut Matthias Knuth, Arbeitsmarktforscher an der Universi- 24

Petra otte erschienen in den „Stuttgarter nachrichten“, am 24.02.2011

Die VerkaPPten leiHarBeiter

unternehmen kaufen verstärkt entwicklerleistung auswärts ein Betriebsräte in baden-württembergischen industriekonzemen sind alarmiert: über Werkverträge kaufen arbeitgeber in immer größerem umfang entwicklertätigkeit ein. das spart den Firmen Geld und unter- nehmerisches risiko – auf Kosten der Beschäftigten.

STUTTGART. Jan Runge (name geändert) ist Daimler-Zentrale. „Tatsächlich werden Werk- eine jener Fachkräfte, die Unternehmen hän- verträge geschlossen.“ Arbeitnehmervertreter deringend suchen, aber angeblich nirgends bei Bosch kritisieren, die Zahl der Verträge in fi nden: Der Stuttgarter hat Maschinenbau stu- der entwicklung nehme inzwischen „über- diert, für seine Abschlussarbeit über alterna- hand“; der Porsche-Betriebsratschefs Uwe tive Fahrzeugantriebe bekam er die note 1,3. Hück hat die Strategie ausgegeben, „Werkver- Zudem hat Runge vor dem Studium fünf Jahre träge zu reduzieren und stattdessen unbefris- in der Industrie gearbeitet. Seit zwei Monaten tete Arbeitsplätze zu schaff en“. sucht der 40-Jährige eine Stelle und hat sich Laut einer Umfrage der IG Metall setzen vier mehrfach vorgestellt – allerdings nicht bei sei- von zehn Metall- und elektrobetrieben in nen Wunscharbeitgebern Daimler, Bosch oder Deutschland Werkverträge ein, in Baden- Porsche, sondern bei Firmen mit namen wie Württemberg sogar sieben von zehn. In jedem Plusdrei engineering, RLe international, Al- zweiten Betrieb hat diese Form der Beschäfti- ten- und orange engineering. gung aus Sicht des Betriebsrats ein gesundes Diese und viele weitere Ingenieurdienstleister Maß überschritten. Das bedeutet nicht, dass suchen im Auftrag von Unternehmen Personal die Arbeitnehmervertreter Werkverträge gene- und schließen sogenannte Werkverträge: Da- rell ablehnen. „Der einsatz muss aber auf ein- mit kaufen sich Unternehmen eine betriebli- zelfälle beschränkt sein und darf nicht zum che Leistung auswärts ein. Um die erledigung Dauerzustand werden“, betont Hück. Für die kümmert sich der Dienstleister, der auch das IG Metall ist der Werkvertrag das längst: „ne- Personal stellt. ben der Leiharbeit infi ziert eine neue Krank- heit den Arbeitsmarkt“, schimpft der zweite „Luxusform der Leiharbeit für Projektarbeiter“ Bundesvorsitzende Detlef Wetzel. nennt der Duisburger Arbeitsmarktexperte Matthias Knuth das Phänomen Werkvertrag. Gewerkschafter und Betriebsräte bezeichnen „Der Arbeitgeber kann die Leute es schlicht als „Skandal“. Für den einsatz von Leiharbeit haben Betriebsräte mancher Fir- leicht fortschicken und erhält men immerhin eine Begrenzung und eine hö- Leistungen zu geringeren Kosten“ here Bezahlung erstritten. Bei Werkverträgen Matthias Knuth, Arbeitsmarktforscher haben sie dagegen nicht einmal ein Informa- tions-, geschweige denn ein Mitspracherecht. Die Folge: In den entwicklungsabteilungen Dem Ingenieur Runge hätte der Umweg Werk- von Bosch, Daimler und Porsche arbeiten vertrag tatsächlich eine Tätigkeit für Daimler heute Hunderte Menschen mit fremden Fir- oder Bosch ermöglicht – nur nicht zu Wunsch- menausweisen. Wie viele es genau sind, weiß bedingungen. Maximal bot ihm ein Ingenieur- keiner. nur eines: es sind zu viele. „eigentlich dienstleister 44 000 euro Jahresgehalt, kein müssten in den Zukunftstechnologien Leute einziges Mal Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, eingestellt werden“, sagt Jörg Spies, der Be- Leistungsboni oder Zuschüsse zur Altersver- triebsratsvorsitzende der Untertürkheimer sorgung. „Die versuchen eindeutig beim Ge- 25 halt zu drücken“, ärgert sich der Ingenieur. Fragt man die Geschäftsführungen nach dem Sobald er seinen Wunschverdienst von 48 000 Umfang der Beschäftigung über Werkverträge, euro erwähnt hatte, war jedes Gespräch vor- bleiben sie die Antwort schuldig. „Dies werde bei. Kein Wunder: Schließlich sollten an sei- nicht quantifiziert“, heißt es bei Bosch, die ner einstellung in einem Fall gleich zwei Fir- Zahl der Köpfe dahinter „nicht von uns bezif- men mitverdienen. ein Dienstleister wollte ihn fert“, heißt es bei Daimler. In beiden Unterneh- an die Daimler-Tochter MBtech ausleihen, die men ist die eigene Belegschaft 2010 gewach- wiederum entwickelt im Auftrag des Mutter- sen, im Daimler-Konzern stieg die Zahl der konzerns. Dort verdient ein fest angestellter Beschäftigten bundesweit um 1400 auf 164 Ingenieur nach dem Studium zunächst zwar 000 Menschen. Anders sieht es in der Daim- auch nur rund 45 000 euro im Jahr, fünf Jahre ler AG aus: Dort nahm die Mitarbeiterzahl um später sind aber 70 000 euro einkommen drin. rund 1000 auf 146 000 Beschäftigte ab. Das eine solche Perspektive haben Mitarbeiter bei nährt den Verdacht, dass die Anteilseigner of- den Dienstleistern selten. Sonderleistungen fenbar auf niedrige Personal-Fixkosten drän- gibt es kaum, dafür wie bei Leiharbeitern alle gen – der einkauf von externer Leistung senkt paar Monate Wechsel beim einsatzort. Die ver- die ausgewiesenen Personalaufwendungen kappten Leiharbeiter in der entwicklung ver- und kommt diesem Anliegen entgegen. Weil dienen zwar mehr als ihre Kollegen am Band. der einsatz von Werkverträgen, aber auch Wie diese können sie ihre Zukunft aber kaum Leiharbeit weiter zunimmt, macht die IG Me- planen. tall heute bei einem bundesweiten Aktionstag auf die Probleme aufmerksam. In Stuttgart Anders die Konzerne, die das Instrument sind Kundgebungen unter anderem vor den Werkvertrag nutzen: Wer zu leistende Arbeit Werktoren von Bosch, Daimler und Porsche als „Werk“ einkauft, muss dafür weder die geplant. Schnell wird das Phänomen Werkver- Zahl der Beschäftigten noch die ausgewiese- trag wohl trotzdem nicht verschwinden, wie nen Personalaufwendungen erhöhen. Da es ein Blick nach Sindelfingen vermuten lässt: In selbst nicht einstellt, übernimmt das Unter- der dortigen Kolumbusstraße sitzen allein vier nehmen für diese Beschäftigten auch keine Ingenieurdienstleister. Bei zweien hat sich der Verantwortung. Arbeitsforscher Knuth: „Bei Stuttgarter Runge bereits vorgestellt - seinen nachlassender Konjunktur kann der Arbeitge- Wunscharbeitgeber Daimler hat man ihm dort ber die Leute leicht fortschicken, davor erhält durchs Fenster gezeigt. er Leistungen von Fachkräften zu geringeren Kosten.“

In der Untertürkheimer Daimler-Zentrale sollen derzeit über 500 Firmen über Werk- verträge im Einsatz sein, in der Sindelfinger info Pkw-entwicklung mehr als 900. Je nach Ab- teilung stellen deren Beschäftigte 30 und Was sind Werkverträge? mehr Prozent der Belegschaft. Die rund 730 Mitarbeiter in der Untertürkheimer Van-ent- Bei Werkverträgen kaufen Firmen betriebliche wicklung zum Beispiel werden von knapp 250 Aufgaben ein. Das können Wartungsarbei- externen Fachkräften verstärkt, am Möhringer ten sein, die einführung einer Software oder IT-Außenposten soll der Anteil an Fremdper- die entwicklung von Antriebstechnologien. sonal noch größer sein. Zum Vergleich: In der Für die erstellung des Werks vereinbart der Produktion darf Daimler nach einer Verein- Auftraggeber mit dem Dienstleister eine feste barung mit dem Gesamtbetriebsrat maximal Vergütung, die erledigung übernimmt letzte- acht Prozent Zeitarbeiter je Standort beschäf- rer mit eigenen Beschäftigten im Betrieb des tigen. Ähnlich lautet ein Kompromiss in der Auftraggebers. Zum ende des Werkvertrags Produktion von Porsche. Bis zu 400 der 2600 muss ein erfolg stehen. Wie viel der Dienst- entwickler sind hingegen laut Betriebsrat kei- leister den Beschäftigten bezahlt, bleibt ihm ne Porscheeigenen Beschäftigten. überlassen. Immer wieder klagen Betriebsräte, dass über Die Betriebsräte überwachen die Anwendung Werkverträge in Wahrheit Arbeitnehmerüber- von Werkverträgen inzwischen genau – man- lassung betrieben wird. Dies ist dann der Fall, ches Arbeitsverhältnis ähnelt dem der Leih- wenn die Werkvertrag-Beschäftigten ihre An- arbeit, worüber der Betriebsrat wiederum weisungen nicht vom Dienstleister, sondern ein Mitspracherecht hat. Vielerorts herrscht vom Auftragsunternehmen erhalten und eng zudem die Befürchtung, mit Auslaufen man- mit den dort angestellten Mitarbeitern zusam- chen Vertrags Know-how zu verlieren. Zwar menarbeiten. betonen Daimler und Bosch, nur für Standard- aufgaben und keineswegs für hauseigenes Bei der Arbeitnehmerüberlassung, also dem Spezialwissen Ingenieurleistung einzukau- einsatz von Zeitarbeitern, haben Betriebsräte fen. Was zu diesem Spezialwissen zählt und ein Mitspracherecht, bei Werkverträgen exis- was nicht, werde je nach Kassenlage aber mal tiert nicht einmal ein Informationsrecht. Bei mehr, mal weniger streng gesehen, heißt es in illegaler Arbeitnehmerüberlassung droht dem Bosch-Betriebsratskreisen. Laut dem Daimler- Auftraggeber ein Bußgeld bis zu 25.000 euro. Betriebsrat Spies sind die externen entwickler Zudem kann der vermeintliche Zeitarbeiter „integriert in unsere Teams und arbeiten an auf eine Festanstellung an seinem einsatzort zukunftsweisenden Technologien mit“. klagen. 26

Petra otte erschienen in den „Stuttgarter nachrichten“, am 11.02.2012

ein ScHwarZer tag FÜr konStanZ

die japanische takeda-Gruppe hat den pharmakonzern nycomed übernommen – und kann 700 Forscher nicht gebrauchen Byk Gulden, altana, nycomed, takedader pharmakonzern hatte schon viele namen. der jüngste Besitzer kommt aus Japan, für den standort in Konstanz hat er kaum noch Verwendung. Bürger und mitarbeiter können das nicht begreifen.

KonSTAnZ. Um das Leben von Menschen wie gen war der Erfolg des Wirkstoff s Pantoprazol Ivo Vidovic umzuwerfen, genügten dem japa- bei Magenleiden, der in Konstanz entwickelt nischen Pharmariesen Takeda wenige Sätze. wurde. „Pantoprazol war für die Firma und für „nach strategischer Überprüfung will Takeda Konstanz ein Glücksfall“, sagt Schaal. die Forschungsaktivitäten am Standort Kons- Die Bande zwischen Stadt und Firma wur- tanz nicht weiter fortführen“, teilte der Kon- den immer enger: Zu ehren von Byk-Gulden zern mit, die dortige nycomed GmbH verliere heißt die Straße am heutigen nycomed-Areal durch Schließung der Forschung und Verlage- nach dem Konzern, gemeinsam mit Altana rung des Vertriebs „rund 700 Arbeitsplätze“. gründete Konstanz eine Internationale Schu- Dies hat der nycomed-Beschäftigte Vidovic le für Mitarbeiterkinder, nycomed betreibt am 18. Januar erfahren. Seither spricht Wirt- Sportsponsoring und eine Professur an der schaftsförderer Friedhelm Schaal von „einem Universität. schwarzen Tag“ für die Mitarbeiter, Konstanz und die gesamte Region. Takeda hat die Bande zur Stadt zerschnitten, seit der Übernahme geht es nur bergab. ei- Selbst Betriebsratschef Rolf Benz glaubt nicht nen Besuch des Konstanzer oberbürgermeis- mehr, dass der Kahlschlag noch verhindert ters Horst Frank am Takeda-Sitz in osaka hat werden kann. nur 150 Verwaltungs-Mitarbei- Konzernchef Yasuchika Hasegawa abgelehnt. ter bleiben. Doch kampfl os akzeptiert Kons- Stattdessen ließ er Takeda-Manager vor ort tanz die einschnitte nicht. Allgemeinplätze über die kritischen Marktbe- dingungen für Pharmafi rmen in Deutschland verkünden. Das off ensichtliche Desinteresse der Wirtschaftsförderer der Japaner an den Konstanzer Beschäftigten „Willkommen am Gratis-Fitnessgerät Treppe“. empört den Wirtschaftsförderer. „Dem Kon- Friedhelm Schaal hat sein Büro im vierten zern kommt es auf die Menschen nicht an“, Stock, eine Wendeltreppe schraubt sich bis klagt Schaal, „das ist mehr als grenzwertig.“ unters Dach. Der 57-Jährige mit den grauen In einer Resolution vom 19. Januar hat der Ge- Locken wirkt, als ob er der ans Geländer ge- meinderat seine Wut festgehalten, darin heißt pinnten Auff orderung zum Sporttreiben häufi g es: „nycomed und Takeda müssen sich den folgt. ein erfolgsmensch. Auch mit Konstanz Vorwurf gefallen lassen, dass sie einen traditi- ging es dank nycomed und seinen Vorgänger- onellen und erfolgreichen Pharmastandort al- fi rmen lange Zeit aufwärts. Mit knapp 1200 lein fi nanziellen Interessen geopfert haben.“ Mitarbeitern im Innen- und Außendienst ist Takeda hat für nycomed 9,6 Milliarden euro nycomed der größte private Arbeitgeber und bezahlt – damit haben die Finanzinvestoren, ein wichtiger Gewerbesteuerzahler. Zu bes- denen der Pharmahersteller gehört hat, ih- ten Zeiten nahm Konstanz mit 60 Millionen ren einsatz binnen fünf Jahren verdoppelt. euro doppelt soviel Gewerbesteuer ein wie Schaal: „Die Globalisierung ist in Konstanz vergleichbare Städte. Grund für den Geldse- jetzt mit allen Härten angekommen.“ 27 der mitarbeiter In 30 Jahren als Betriebsrat hat Benz die meis- Hintergrund ten seiner Haare verloren, der Schnauzer ist Ivo Vidovic arbeitet seit 16 Jahren für die heu- grau geworden. Und die „sicherlich härteste tige Takeda/nycomed. In dieser Zelt ging es Auseinandersetzung“ mit der Geschäftsfüh- Von Byk Gulden zu takeda dem „Forschungs-Mitarbeiter nicht darum, rung steht erst noch bevor: Denn dieses Mal AUFSTIeG: 1873 hat Heinrich Byk die che- die Karriereleiter hochzusteigen – vielmehr kämpft Benz nicht nur für eine bessere Zu- mische Fabrik Byk Gulden gegründet. 1941 hat er an seinem Arbeitgeber die menschli- kunft der Belegschaft, sondern auch gegen übernahm die Familie Quandt die Mehrheit che Seite geschätzt. Zum Beispiel, dass die ihr Vergessen – je mehr sich der japanische und siedelte die Firma 1946 nach Konstanz frühere Altana ihm und seiner ebenfalls dort Takeda-Chef vom Schicksal der Menschen in um. Von 1977 an gehörte Byk Gulden zu Al- beschäftigten Frau eine sehr flexible Betreu- Konstanz abwendet, umso lauter trommelt tana und expandierte rasch. 2002 gliederte ung ihrer Drillinge ermöglicht hat. oder dass der Betriebsrat für ihre Interessen. Yasuchika Altana die Pharmasparte aus, das Magenmit- dem Konzern Weiterbildung wichtig war und Hasegawa kennen die Beschäftigten nur aus tel Pantozol (Wirkstoff. Pantoprazol) brachte er den Mitarbeitern englischkurse spendiert dem lnternet, Rolf Benz hat nach der Hiobs- Milliardenumsätze. hat. „Die Personalabteilung ist uns immer ent- botschaft jüngst einen Protestzug durch die FALL: 2006 kaufte die dänische nycomed die gegengekommen, wir haben uns nie nach et- Stadt angeführt. was anderem umgesehen“ , sagt der 49-Jähri- Altana Pharma AG. Damit kamen fast 2000 ge. Auch nicht, als Takeda 2011 den Zuschlag Mehr als 2000 Menschen sind mitmarschiert Stellen in Konstanz unter den Einfluss von für nycomed bekommen hat. nach Jahren im und haben die Firmenwerte von Takeda in Finanzinvestoren. 2007 wurden 800 Jobs ge- Besitz eines Finanzinvestors empfand die Be- japanischen Schriftzeichen anklagend vor strichen, der Firmensitz nach Zürich verlegt. legschaft den Aufkauf durch ein Pharmaun- Kameras gehalten. „ehrlichkeit“ gehört dazu, Branchenkenner sehen den Fall des Konzerns ternehmen als Glücksfall. „Damals dachte ich, „Fairness“ auch. „Ich kann es nicht mehr hö- darin begründet, dass sich Altana zu stark etwas Besseres kann uns nicht passieren“, ren“, sagt Benz. Genauso wenig wie aus seiner auf Pantozol fokussiert hat. 2009 ist der Pa- sagt der vierfache Familienvater. Sicht halbwahre Begründungen zur notwen- tentschutz ausgelaufen, ein vergleichbares digkeit des Jobabbaus. Zwar gebe es für for- nachfolge-Medikament fehlt. 2010 setzte ny- Inzwischen schreibt das ehepaar jeden Abend schende Pharmafirmen sicher bessere Bedin- comed weltweit 3,2 Milliarden euro um und Bewerbungen, bis heute begreift Vidovic gungen als in Deutschland – Takeda indes sei erwirtschaftete 850 Millionen. nicht, „dass alle Arbeitsplätze plötzlich wert- es von Anfang an nur um den Zugang von ny- los sein sollen. In der Forschungsausstattung BRAnCHe: Seit 2011 gehört nycomed zur comed zu den aufstrebenden Märkten wie Chi- ist der Standort Konstanz doch top.“ Der japanischen Takeda. Insgesamt sollen welt- na, Südamerika oder Russland gegangen. Dort 49-Jährige trägt einen Dreitagebart über sei- weit 2800 Beschäftigte gehen, davon 1200 in setzt der Pharmahersteller fast jeden zweiten nem Karohemd, er spricht leise und gehört Deutschland und allein 700 in Konstanz. Die euro um. Benz: „Takeda hat im Beipackzettel nicht zu den Menschen, die andere für ihr Pharmabranche in Deutschland leidet unter auch eine Forschungslandschaft vorgefun- Schicksal verantwortlich machen. Viel mehr dem Auslaufen von Patenten, internationa- den, uns wollen die aber gar nicht haben.“ als die eigene interessiert ihn die Zukunft sei- ler Konkurrenz und Gewinnbeschränkungen ner Kinder: „Wenn schon die Arbeitsplätze in Die erinnerung an eine solche Missachtung durch die Gesundheitsreform. der Forschung wegfallen – wo sollen sie dann von jahrzehntelanger Leistung trägt der einmal arbeiten?“ es heiße doch immer, der 54-Jährige wie ein Mal auf seiner Brust - „Ta- Vorsprung Deutschlands bestehe im Wissen keda braucht Deutschland“, steht auf einem seiner qualifizierten Arbeitskräfte. Für Vidovic Button. Das nycomed-Logo wird von einem sind die mit einem Mal zu Konkurrenten ge- Takeda-Schriftzug zur Hälfte verdeckt. „Ich worden. „Ich weiß, dass sich drei Kollegen mit fürchte, wir müssen bald einen neuen Button mir auf die gleiche Stelle bewerben“, sagt er, machen“, sagt Benz. ohne nycomed. das sei kein gutes Gefühl. Vidovic weiß auch, dass es in der nähe keine vergleichbare Arbeit die region gibt, „um so viele Menschen aufzufangen“. Der Jobabbau ist Gesprächsstoff an Ver- kaufstresen und Stammtischen. „Dass ein der Betriebsrat lange Zeit so erfolgreiches Unternehmen Rolf Benz schläft wenig zurzeit. oft sitzt er zum Spekulationsobjekt wird, ist wirklich schon kurz nach 6 Uhr früh im Büro, auch um unschön“, sagt eine Mitarbeiterin in der 20 Uhr hat er noch Termine. Dazwischen be- Tiergarten-Apotheke. „Jeder kennt jemanden, antwortet der nycomed-Betriebsratschef Dut- der dort schon einmal gearbeitet hat.“ Wirt- zende e-Mails von Beschäftigten, telefoniert schaftsförderer Schaal glaubt, dass einzel- mit der Arbeitsagentur, berät im Betriebsrat handel und Gastronomie den Schwund an Be- die weitere Verhandlungstaktik und gibt der schäftigten bald an nachlassenden Umsätzen Presse Interviews. Die mehr als zwölfstündi- spüren werden. Zudem fürchtet er, dass mit gen Arbeitstage nimmt der 54-Jährige klaglos den Menschen wichtiges Wissen in der Phar- hin, sein Ziel heißt, der Geschäftsführung ei- ma-Industrie abwandert. Zum Beispiel mit nen möglichst würdevollen Abschied für die Mitarbeitern wie Ivo Vidovic. In seinem Wohn- Beschäftigten abzuringen. ort, einer 3500-Seelen-Gemeinde nahe Kons- tanz, bieten sich die nachbarn inzwischen als Zwar gilt für die Konstanzer Belegschaft noch Kinderbetreuer an, damit das ehepaar Zeit für ein früherer Sozialplan – doch den will Benz Vorstellungsgespräche hat. Die Musikschule „an möglichst vielen Stellen verbessern“. Das hat sich erkundigt, ob es Schwierigkeiten mit heißt: eine höhere Abfindung und die Möglich- den Kursgebühren für die Kinder gibt, und keit zum Wechsel in eine Transfergesellschaft, Hilfe angeboten. „Das ist ein Paradies hier“, zudem eine fünfjährige Jobsicherung für ver- sagt Vidovic. nur der Arbeitsplatz gehört nicht bleibende Beschäftigte. Dem Betriebsrat ist mehr dazu. klar: nachdem schon 2007 beim Übergang von Altana zu nycomed 800 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben, wird die Jobsu- che dieses Mal für viele deutlich schwieriger. 28

Jürgen Paul erschienen in der „Heilbronner Stimme“, am 09.03.2012

Geboren 1970 ViDeoÜBerwacHUng in Bäckereien 1992-1998 Studium der Politikwissen- schaften (Hauptfach), Soziologie und Rechtswissenschaft an der Beschäftigte und Gewerkschafter kritisieren Kontrollen am arbeitsplatz Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Bäckereien setzen zunehmend auf Videoka- gestimmt habe. Zudem sei die Arbeitsbelas- meras, um ihre Angestellten zu überwachen. tung extrem gewesen. „13, 14 Stunden am 1998 Abschluss Magister Artium in Hei- obwohl diesem Mittel enge rechtliche Gren- Tag ohne Pause kam oft vor.“ Und Quilitzsch delberg. zen gesetzt sind, trauen sich die Betroff enen ergänzt: „Wir haben oft drei Wochen am 1989-1998 regelmäßige Tätigkeit als freier meist nicht, dagegen vorzugehen. „es häu- Stück gearbeitet – inklusive Sonntag.“ Mitarbeiter sowie diverse Praktika bei den fen sich die Fälle ungerechtfertigter Video- Tageszeitungen „Die Rheinpfalz” (Lud- überwachung in der Region“, hat Burkhard Gerhard Kern bestätigt die Videoüberwa- wigshafen) und „Rhein-Neckar-Zeitung” Siebert von der Gewerkschaft nahrung-Ge- chung in „vielleicht vier“ seiner 14 Filialen (Heidelberg). nuss-Gaststätten (nGG) in Heilbronn festge- im Stadt- und Landkreis Heilbronn, Hohen- September 1998-März 2000: Volontariat stellt. lohe und Schwäbisch Hall. „Wir haben Hin- bei der „Heilbronner Stimme”. weisschilder angebracht und das Personal Drei ehemalige Angestellte der Bäckerei informiert.“ Überwacht werde aber nur der April 2000-September 2001: Redakteur im Kern aus Wüstenrot erheben schwere Vor- Thekenbereich, sagt er. Schließlich müsse er Ressort Stadtkreis/Wirtschaft Regional mit würfe gegen ihren früheren Arbeitgeber. Sie ja sehen, ob das Personal ordentlich arbeite Schwerpunkt Wirtschaft Regional bei der seien permanent überwacht worden. „es und die Auslagen gefüllt seien: „Die können „Heilbronner Stimme”. war schrecklich, man musste sich ständig Sie nicht einfach schaff en lassen.“ Proble- Seit Oktober 2001: Wirtschaftsredakteur rechtfertigen, wurde immer zum Deppen ge- me, etwa mit Diebstahl von Mitarbeitern, bei der „Heilbronner Stimme” mit den macht“, sagt nicole Quilitzsch. Die 25-jähri- gebe es aber nicht. Die häufi gen Anrufe in Themenschwerpunkten Finanzen, Börse, ge Massenbachhausenerin hatte in drei der den Filialen bezeichnet er als „ganz normale Banken, Geldanlage, Konjunktur. 14 Kern-Filialen gearbeitet, ehe sie ende Kommunikation mit den Mitarbeitern“, die Oktober 2001-Dezember 2010: Redak- 2011 kündigte. „Häufi g rief die Chefi n an sein müsse. Zu Arbeitszeiten und Lohnstrei- tioneller Koordinator des vierteljährlich und meckerte rum“, sagt Quilitzsch. Wenn tigkeiten möchte sich der gelernte Koch und erscheinenden Wirtschaftsmagazins „Wirt- sie sich beschwert habe, seien ihr die Stun- Konditor nicht äußern. Probleme gebe es schaftsStimme”. den gekürzt worden, auch Strafversetzungen aber nicht, beteuert er. Seit Januar 2011: Redakteur im Ressort seien üblich gewesen. „So muss man sich Bernhard Kuhn, obermeister der Bäcker-In- Stadtkreis/Wirtschaft Regional mit Schwer- damals bei der Stasi gefühlt haben“, sagt sie. nung Heilbronn, bestätigt, dass das Thema punkt regionale Wirtschaft. eine 48-Jährige aus Schwäbisch Hall bestä- Videoüberwachung diskutiert werde. „Wenn tigt das. Der Druck durch die ständige Über- es zum Schutz der Mitarbeiter vor Überfäl- wachung sei unerträglich gewesen, sagt die len eingesetzt wird, ist es in ordnung“, sagt Verkäuferin, die nach wenigen Monaten bei Kuhn, der selbst keine Videokamera instal- Kern kündigte. „nach dem Toilettengang liert hat. Der neckarsulmer Großbäcker Rolf wurde ich von der Chefi n angerufen und ge- Härdtner lehnt eine dauerhafte Videoüber- fragt, wo ich denn so lange gewesen sei“, er- wachung seines Personals strikt ab. „Ich set- innert sich die Frau, die ihren namen nicht ze lieber auf Vertrauen.“ nur bei konkretem in der Zeitung lesen will. „Da hat’s mir ge- Diebstahlsverdacht gegen einen Mitarbeiter reicht.“ Wie bei nicole Quilitzsch ist für sie setze er zeitlich begrenzt Kameras ein, um das Thema Kern noch nicht abgeschlossen. Beweise zu bekommen. Die Willsbacher Bä- Beide Frauen fordern von ihrem früheren Ar- ckerei Trunk mit zehn Filialen setzt auf off e- beitgeber nachzahlungen. ne Videoüberwachung. Seither sei die Zahl der Diebstähle aus Kassen zurückgegangen, Die ehemalige Kern-Angestellte Melanie sagt Alexander Trunk. Coenning berichtet, sie und ihre Kollegin- nen hätten Fehlbeträge aus eigener Tasche nGG-Geschäftsführer Siebert unterstützt die ausgleichen müssen, wenn die Kasse nicht Betroff enen, weist aber zugleich auf die be- 29 schränkten Möglichkeiten der Gewerkschaft Hintergrund hin. Letztlich müssten sich die Beschäftigten selbst gegen die Videoüberwachung weh- rechtslage ren. Da sich das jedoch kaum einer traut, rät er zur Gründung von Betriebsräten. „Dazu Die Videoüberwachung öffentlich zugängli- braucht es auch Zivilcourage, aber es ist ein cher Räume ist zulässig „zur Wahrnehmung erfolgversprechender Weg“, betont Siebert. berechtigter Interessen für konkret festgelegte In der Region gibt es keine einzige Mitarbei- Zwecke“, sofern nicht „schutzwürdige Interes- tervertretung in einem Bäckerbetrieb. sen der Betroffenen überwiegen“, heißt es im Bundesdatenschutzgesetz. „es müssen also Die drei früheren Kern-Verkäuferinnen ha- konkrete Verdachtsmomente bestehen, etwa, ben inzwischen übrigens neue Stellen in wenn ein Mitarbeiter verdächtigt wird, in die Bäckereien gefunden – ohne Videoüberwa- Kasse zu greifen“, sagt nGG-Geschäftsführer chung. Burkhard Siebert mit Verweis auf diverse Ur- teile. Selbst dann sei die Installation einer Kamera nur als allerletztes Mittel erlaubt. Denn die grundgesetzlich verbrieften Persön- lichkeitsrechte der Mitarbeiter und Kunden stünden üblicherweise höher als das Interesse Kommentar des Arbeitgebers an der Überwachung seiner Räume. die dauerhafte überwachung von mitarbeitern ist nicht zu rechtfer- tigen. nichts gelernt es ist gerade mal vier Jahre her, da sorgte die Videoüberwachung von Mitarbeitern bei Lidl und anderen Handelsunternehmen für eine Welle der empörung. Doch während der ne- ckarsulmer Discounter den Kameraeinsatz auf ein aus Sicherheitsgründen akzeptables Mindestmaß reduziert hat, scheinen andere Branchen nichts aus dem Skandal gelernt zu haben. Bäckereien aus der Region rüsten ihre Filialen zunehmend mit Videokameras aus, ein Trend, bei dem es langfristig nur Verlierer geben kann. Die dauerhafte Videoüberwachung des Per- sonals steht juristisch auf tönernen Füßen, wie etliche einschlägige Urteile belegen. Das Hausrecht des Firmeninhabers reicht hier ebenso wenig als Begründung aus wie das Argument, man müsse kontrollieren, wie die Mitarbeiter arbeiteten. Unregelmäßigkeiten in der Kasse rechtfertigen die Überwachung al- lenfalls bei einem konkreten Verdacht – denn dass die Kasse stimme, sei die Ausnahme in einer Branche mit täglich unzähligen Kun- denkontakten und kleinen Beträgen, sagt ein erfahrener Bäcker aus der Region. Und der Sicherheit des Personals ist gewiss nicht ge- dient, wenn nur die Theke videoüberwacht wird. Wer sein Personal dem Druck aussetzt, ständig überwacht zu werden, kann keine motivierten Mitarbeiter erwarten, die Kunden freundlich und mit persönlicher Ansprache bedienen. Vielmehr dürften sich die Betroffenen nach ei- nem Arbeitgeber umschauen, der ihnen mehr Vertrauen entgegenbringt. In Zeiten, in denen viele Betriebe Probleme haben, Mitarbeiter zu finden, stehen die Wechselchancen gut. 30

Susanne Preuß erschienen in der „FAZ“/„FAS“, am 31.12.2010 / 02.01.2011

Geboren 1964 ein leBen mit Dem Stern 1983-84 freie Mitarbeit beim Südkurier in Singen mehr als 50 Jahre den selben arbeitgeber: die Karriere von daimler-mit- 1985-89 Studium der Betriebswirtschaft arbeiter Herbert striebl klingt wie ein relikt aus einer anderen Zeit. doch in Pforzheim das modell könnte Zukunft haben. 1989-90 Ausbilderin für Bürokaufl eute bei IB (Internat. Bund für Sozialarbeit) in Womit anfangen? Vielleicht mit dem ersten beteiligt ist. „es sind genug Junge da“, sagt er Stuttgart Gehaltszettel. Herbert Striebl beweist ord- zwar. Aber für alle Fälle hat er seinen Führer- 1990-91 Volontariat bei der Stuttgarter nungsliebe und Zuverlässigkeit bei dem The- schein Klasse 2 noch einmal erneuert – falls Zeitung ma. er hat die Abrechnungen seiner Lehrzeit Daimler ruft. 1991-96 Wirtschaftsredakteurin bei der im Kuvert: „Streifen sorgfältig aufbewahren“ Als Daimler das erste Mal rief, war das ein Stuttgarter Zeitung steht schließlich auf dem rot bedruckten Pa- Freudentag für den Jungen, der schon von pier. Unten rechts der auszuzahlende Betrag: 1996-99 freie Mitarbeit bei verschiede- klein auf alles zerlegte und wieder zusam- 48,41 – D-Mark wohlgemerkt. Der erste Sold nen überregionalen Medien menschraubte, was ihm in die Finger kam, für den Lehrling Herbert Striebl, der im April Seit 2000 Korrespondentin der FAZ in den Roller zuerst und später das Fahrrad. Auf 1960 seine Lehre als Feinblechner bei Daim- Stuttgart „vormittags um 7 Uhr“ am 11. April 1960 setzt ler in Sindelfi ngen angefangen hatte. Fünf Daimler den Beginn seiner Lehre fest, den Jahrzehnte später arbeitet Striebl immer noch Start in die Welt derer, die Geld verdienen – bei Daimler. Die fetten Jahre hat er miterlebt, ein hohes Gut in den Augen des Jungen, des- als die Autos mit dem Stern noch Luxus pur sen eltern aus dem Sudetenland ins Schwäbi- waren, die Ära Reuter, als aus dem Autoher- sche kamen. steller ein integrierter Technologiekonzern werden sollte, und die Ära Schrempp, in der Striebl, gerade 14 Jahre alt, war 1,40 Meter Chrysler plötzlich zum namensbestandteil groß und 44 Kilo leicht. er war stolz darauf, wurde. Und demnächst darf Striebl den 125. dass er keinen Schemel brauchte bei der Ar- Geburtstag von Daimler mitfeiern, nachdem beit. Und er klotzte ran, weil man ihn so er- er „als Stift“ schon den 75. erlebt hatte. zogen hatte, dass man seine Arbeit ordentlich machen muss. Die Berufsschule gefi el ihm, Mehr als 50 Jahre für eine Firma arbeiten, weil Werkstoff kunde und Geometrie eine will- das klingt wie ein Relikt aus einer anderen kommene Abwechslung waren. Abwechslung Arbeitswelt. obwohl, wenn künftige Genera- hatte er immer gesucht. Sindelfi ngen, die tionen länger arbeiten müssen, könnte das Stadt, in der er arbeitet, wurde vom Dröhnen Modell vielleicht Zukunft haben. Striebl ist der Werkssirene beherrscht, und der Alltag nicht so skeptisch: „Man sollte für alles neue der stolzen Daimler-Arbeiter auch. „Um 7 Uhr off en sein, dann kann man auch heute noch ging der Schlagbaum auf, man ging rein und 50 Jahre beim Daimler arbeiten.“ es ist sein um 16 Uhr wieder raus“, beschreibt Striebl eigenes erfolgsrezept. eine geballte Porti- den Alltag von Zehntausenden. Für ihn war on neugier gepaart mit Freude am Arbeiten das nichts. er wollte rauskommen. hat ihn durch die Jahrzehnte getragen. Für Daimler war Striebl in 117 Ländern der erde, Heute hat Striebl Anekdoten im Gepäck, die meistens, um in Fabriken oder Werkstätten für viele lange Winterabende reichen. Schon nach dem Rechten zu sehen, das Personal zu die Sache mit dem essen: Als Gesandter des schulen und auf deutsche Qualitätsstandards noblen Daimler-Konzerns hat er natürlich in einzuschwören. Wenn er gebeten würde, fl öge aller Welt die besten Köche kennengelernt, Striebl wohl morgen schon wieder ans ande- aber eben auch die Märkte, auf denen alles re ende der Welt für seinen Arbeitgeber, auch feilgeboten wird, was kreucht und fl eucht und wenn er inzwischen meistens am Schreibtisch gegessen werden kann. „In Taiwan ist mir mal im Werk Sindelfi ngen anzutreff en ist, wo er schlecht geworden, da gab es Krokodile und an der Planung für die Fertigung im Ausland Schlangen. Aber wenn es gut zubereitet ist, 31 kann man fast alles essen“, sagt Striebl. nur laysia, Thailand und Indonesien gibt es sol- Zur person Heuschrecken habe er abgelehnt. Im Übrigen che Montagewerke. Für Striebl war eine solche war er gut vorbereitet: „einen Underberg hat Aufgabe eine so verlockende Vorstellung, dass man immer dabei.“ er noch einmal die Schulbank drückte, 1973 Herbert Striebl wird am 6. März 1946 in Karls- die Meisterprüfung als Karosseriebauer ableg- Manche Geschichten lassen einen erschauern, bad geboren. Seine Familie zieht nach Schwa- te und im gleichen Jahr seine erste Stelle als selbst wenn Striebl sie im Stenogramm-Stil er- ben, wo er mit 14 Jahren beim Autohersteller Montageberater in Venezuela antrat, „eines zählt. Aus Kolumbien zum Beispiel, wo in der Daimler in Sindelfingen eine Ausbildung zum der schönsten Montagewerke, das wir jemals nähe des Mercedes-Werks eine Bank überfal- Feinblechner macht. Zuerst arbeitet er in der hatten“, wie er ein bisschen wehmütig sagt. len wurde und die Bankräuber von der Polizei Versuchsabteilung. Mit 27 Jahren macht er die Die Zeit der Wehmut ist ohnehin gekommen, gleich an ort und Stelle erschossen wurden. Meisterprüfung zum Karosseriebauer. Später denn es gibt jetzt immer häufiger Anlässe zu- oder die erinnerung an die Philippinen, wo geht er auf Auslandsreisen und ist in 117 Län- rückzublicken: der eigene 50. Jahrestag bei der Regen so unaufhörlich lange auf das Well- dern der erde für Daimler unterwegs. Heute Daimler im April, die Jubilarfeier im Sommer, blechdach trommelte, dass man glaubte, das hat er als Fertigungsplaner die Auslandswer- zu der sich eigens Daimler-Personalvorstand ganze Mercedes-Werk werde weggeschwemmt. ke noch im Blick. Wenn Striebl im September Wilfried Porth in Sindelfingen einfand, im Andere Bemerkungen lassen erahnen, dass 2011 in Rente geht, wird er 51,5 Jahre für neuen Jahr die Jubiläumsfeierlichkeiten des auch der Mercedes-Stern daheim verblasst, Daimler tätig gewesen sein. Autokonzerns, im März dann der 65. Geburts- wenn das Leben nur bunt genug ist: „In Tahiti tag. Für Striebl ist dann immer noch nicht am Strand die Hulahula-Mädchen ...“ Die ehe- Schluss: bis zum 5. September 2011 bleibt er frau hat all die Jahre die beiden Kinder (heute dem Konzern treu erhalten, wenn die Gesund- 36 und 39 Jahre alt) großgezogen, während es heit mitmacht. Dann gibt es wahrscheinlich den Vater immer wieder in die Fremde zog. Die ein neues Auto – einen Mercedes natürlich – Rolle von „Tinchen“ ist so wichtig, dass Striebl und ein neues Akkordeon. Vielleicht schließt ich über mich eigens ein paar vorbereitete Sätze auf Papier er sich der Rentner-Band aus dem nachbarort gebracht hat: „Sie hat mich ziehen lassen und an: „Mal sehen, das muss sich alles erst ein- konnte sich immer darauf verlassen, dass ich eIn GUTeR ARBeITSTAG BeGInnT MIT ... spielen.“ wieder gerne nach Hause komme. Vertrauen einem guten Frühstück. hat hier eine sehr große Rolle gespielt. Aber Herbert Striebl hat niemals ernsthaft darüber DIe ZeIT VeRGeSSe ICH, Wenn ... ich einen meine Familie wusste auch immer sicher, dass nachgedacht, früher aufzuhören: „nein, mir guten Film sehe oder ein gutes Buch lese. meine Wurzeln hier in Sindelfingen liegen. Bei gefällt‘s Arbeiten.“ ein glühender Verfechter aller Liebe zu fernen Ländern, ich wollte nie der Rente mit 67 ist er gleichwohl nicht. „Wir WeR eS In MeIneM GeSCHÄFT ZU eTWAS anderswo leben.“ sind in einer anderen Zeit aufgewachsen“, BRInGen WILL, DeR ... darf nicht auf der fau- gibt er zu bedenken: „Der Stress hat zuge- len Haut liegen. Das Foto von einem orangefarbenen Flügeltü- nommen.“ Als er englisch und Spanisch ler- rer markiert einen entscheidenden Punkt auf eRFoLGe FeIeRe ICH, ... wie sie kommen. nen musste, hatte er Intensivkurse bei netten Striebls Weg. Das Versuchsfahrzeug C 111, Lehrerinnen, heute gibt‘s im Zweifel einen eS BRInGT MICH AUF DIe PALMe, ... wenn ich um das sich heute im Mercedes-Museum wis- online-Kurs. Und auch der Fabrikalltag war höre, wie jemand Kaugummi kaut. send die Sportwagenfans scharen, muss die anders: „Freitags setzte man sich gemütlich Wucht gewesen sein, damals 1969, mit Klapp- MIT 18 JAHRen WoLLTe ICH ... in die weite zusammen, um alles zu besprechen, auch mal scheinwerfern, Klimaanlage und Ledersitzen, Welt hinaus. mit einem Bier“, erinnert sich Striebl: „Heute mit einer Karosserie aus Fiberglas und einem gibt es Shopfloor-Meetings, das ist effizienter.“ IM RÜCKBLICK WÜRDe ICH nICHT noCH eIn- dreirotorigen einspritz-Wankelmotor als Mit- Die schnelle Kommunikation quer durch die MAL ... mit dem Rauchen anfangen. telmotor, 290 Stundenkilometer schnell. Weil Welt habe zwar alles schneller gemacht, vie- Striebl bei der Bundeswehr den Führerschein GeLD MACHT MICH ... nicht glücklich, aber es les aber auch unpersönlicher. Für Striebl wohl Klasse 2 gemacht und seither einige Übung beruhigt sehr. unvorstellbar: Sein Berufsweg ist geprägt von im Fahren von Schneepflügen und Straßen- persönlichen Freundschaften. „Fördert die Zu- RAT SUCHe ICH BeI ... bei meiner Frau. Sie hat kehrmaschinen erlangt hatte, wurde er aus- sammenarbeit mit den Kollegen und kämpft immer die besten Ideen. erkoren, jenen Unimog zu lenken, mit dem nicht alleine oder schlimmstenfalls gegen- der C 111 zur Messe Frankfurt transportiert FAMILIe UnD BeRUF SInD ... das Wichtigste. einander. Packt auch mal mit an, obwohl ihr wurde. er war nur Fahrer, aber für Striebl nicht dafür bezahlt werdet“, rät er jungen Be- Den KInDeRn RATe ICH ... sie sollen lernen, war der Sportwagen die eintrittskarte in eine rufseinsteigern. Und, fügt er hinzu: „Vergesst lernen, lernen und dann ihren Weg gehen. neue Welt. „Da warst du dann jemand, denn den Spaß bei der Arbeit nicht.“ jeder wollte das Auto sehen“, erinnert sich MeIn WeG FÜHRT MICH ... ins Rentnerdasein. Striebl. Vielsagend bemerkt er, dass damals noch niemand von Compliance gesprochen hat, sprich: Während heute für jedes Schnitt- chen ein schriftlicher Verwendungsnachweis erbracht werden muss, hat damals niemand so genau darauf geachtet, wofür bei einem großartigen event wie der Präsentation eines Supersportwagens auf der IAA Frankfurt Geld ausgegeben wurde. erst recht nicht bei Auto- schauen weitab von der Zentrale. noch mehr Freiheit, noch mehr Abwechslung verhieß allenfalls ein Job in der CKD-Abtei- lung. CKD heißt „completely knocked down“ und bedeutet, dass fertige Autos ausein- andergebaut und in den Zielmärkten wieder zusammenmontiert werden, damit hohe ein- fuhrzölle auf fertige Autos vermieden werden. In Argentinien und ecuador, in Singapur, Ma- 32

WILLI BLEICHER PREIS

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katrin Pribyl erschienen im „Südkurier“, am 10.08./17.08./22.08/01.09./06.09./13.09./28.09.2011 Geboren 1983 Machte nach dem Abitur eine einjährige Weltreise, danach Studium der Germanis- Serie „geSicHter DeS HanDwerkS“ tik, Ethnologie und Journalistik in Leipzig. Zum start der neuen südKurier-serie geben Georg Beetz und Christof Nachdem sie aus Liebe zum Nahen Osten einige Monate in Damaskus, Syrien, Binzler von der Kreishandwerkerschaft einen überblick. verbrachte, zog es sie 2010 für ein Volon- tariat zur Tageszeitung Südkurier an den Können Sie uns die Situation im Handwerk im Bo- Bäckern vernehme ich eher verhaltene Stimmen. Bodensee. denseekreis schildern? Die Discounter sind mit ihren Backwaren ernst zu Und ihre baden-württembergischen Binzler: Im Moment boomt die Konjunktur, die nehmende Konkurrenten. Auftragslage ist gut, Leute werden gesucht. Wir Wurzeln lassen sie nicht los: Seit Juli Hat das altehrwürdige Handwerk ausgedient? arbeitet sie in der Wirtschaftsredaktion des leben an einem wirtschaftlich starken Standort, Beetz: nein, denn ohne Handwerker wäre man Südkurier. der gut verdienende Menschen anzieht, deren An- sprüche wir befriedigen können. oft aufgeschmissen. Aber weil es das Alltägliche betriff t, sehen es viele nicht. Das ist das Problem. Beetz: Doch es werden Fachkräfte gesucht, denn Zudem hat Handwerk immer auch mit regionaler es ist schwer, gegen die starke Industrie, die einen Wertschöpfung zu tun. Das Geld bleibt hier in der großen Mitarbeiterbedarf hat, anzukämpfen. Region, die Handwerker sind im ort vernetzt. Ich Also geht es den Handwerkern im Kreis im Ver- hoff e, dass das Bewusstsein dafür wieder wächst. gleich zu anderen Regionen gut? Binzler: Viele Innovationen kommen aus dem Binzler: es gibt eine nachfrage nach Produkten, Handwerk, denn dessen Tüftler setzen ihre Ideen die es in strukturschwachen Regionen eher nicht auch selbst um. gibt. Stichwort Ausbildung, sind Lehrstellen nicht be- Spüren Sie allgemein einen Rückgang der Aufträ- setzt? ge im Handwerk? Beetz: es gibt freie Lehrstellen. Die Bauberufe su- Binzler: nicht jeder kann es sich leisten, es ist chen dringend Auszubildende. Viele Jugendliche eben Handarbeit und deshalb teuer. Aber für verkennen, dass sie im Handwerk eine doppelte mich hat eher ein gesellschaftlicher Wandel statt- Bildung erwerben: eine schulische und prakti- gefunden. Früher hat man sich Dinge fürs Leben sche. Damit stehen ihnen alle Wege off en. Von de- angeschaff t, für Generationen. Heute hat ein Mö- nen, die sich für ein Handwerk entscheiden, gibt bel einen Lebenszyklus von 15 Jahren. Zwar war es viele, die eine Nische fi nden und eine klasse die industrielle Fertigung schon immer wichtig Karriere machen. Doch wir brauchen mehr Leute, für die Grundversorgung, nur klaff t die Schere denn wer soll zukünftig der oma die Heizung re- weiter auseinander. es gibt nur noch ganz billig parieren? oder ganz teuer, das mittlere Segment ist wegge- Woran liegt der Mangel an Auszubildenden? brochen. Beetz: Wir haben ein Imageproblem. Häufi g sagen Woran liegt das? eltern: ‚Mein Bua soll‘s mal besser haben.’ Aber Binzler: es geht mehr um die optik. Doch für we- was ist besser? Aus meiner Sicht muss ein Um- nig Geld bekommt man eben ein Produkt, das denken stattfi nden, denn nicht immer sind Abi- wenig wert ist. Ich will die industrielle Fertigung tur plus Studium besser. Wenn jemand ein Hand- nicht verdammen: Jede Form hat seine Berechti- werk lernt, legt er eine hervorragende Grundlage gung, nur darf man im Handwerk nicht meinen, für seinen Lebensweg. für alle Käuferschichten da zu sein. Binzler: Anders als die akademische Bildung, muss die berufl iche Bildung der Betrieb, die Meis- In welchen Branchen läuft es denn gut und wel- terschule der Schüler bezahlen. Das ist eine Un- che haben es schwer? gleichbehandlung vonseiten des Staates. Doch Beetz: Im Bereich Energie-Einsparung profi tieren die Lobby des Handwerks ist nicht groß genug. die Betriebe davon, dass die Menschen ihr Haus dämmen, weil die energiepreise explodieren. Der Wie gehen Sie gegen den nachwuchsmangel vor? Aufschwung in diesem Bereich ist auch eine Re- Beetz: Wir machen bei bundesweiten Imagekam- aktion auf die staatlichen Förderprogramme. Bei pagnen mit, organisieren Veranstaltungen und 33 unsere Betriebe gehen in Schulen, um aufzuklä- Littmann unterrichtet zwei Tage pro Woche an ren. Wir analysieren die Ausbildungssituation ge- einer Waldorfschule ihr kreatives Handwerk. HeimlicHe ScHÖPFer nau. Bisher tritt jedes Handwerk separat auf, das Dort will sie bei den jungen Menschen ein Be- Der tÖne wollen wir ändern und Kräfte bündeln. wusstsein für die Buchbinderei schaff en. Nicht Schreckt viele das Lohnniveau ab? einfach zu einer Zeit, in der die Handwerks- Gesichter des Handwerks: udo branche generell nicht den besten Zulauf hat. Binzler: Zwar sind die Tarife teilweise nicht ganz Doch die gebürtige Bielefelderin wehrt sich schäfer und markus Blaschko so hoch wie in der Industrie, aber sie sind auch nicht so schlecht wie oft gedacht. Außerdem ver- gegen die stereotypen Vorurteile. „Man wird reparieren, entwickeln und bauen suchen wir, die Mitarbeiter zu halten, auch wenn auf lange Sicht zwar nicht reich, aber man lebt instrumente die Zeiten einmal konjunkturell schlechter sind. gut davon“, sagt sie. Zudem sei es Handwerk Denn man kennt sich, da ist nichts Unpersönli- immer eine „gute Grundlage für alles“. Den- BoDenSeeKReIS – Jedes Instrument besitzt ches. noch: „Man muss sich erst durchbeißen, denn einen Charakter. Und bevor je ein Ton erklun- man fängt unten an“, sagt Littmann. Ihrer Was ist das Besondere am Handwerk? gen ist, hat das Instrument bereits seine in- Meinung nach fehle es einigen Jugendlichen dividuelle Form, seinen ganz eigenen Klang Binzler: Die Arbeit ist abwechslungsreich, jeden an Verbindlichkeit. Zu spät kommen, krank erhalten. Von Instrumentenmachern wie Udo Tag kommt eine andere Herausforderung. Das sein, keine Verantwortung übernehmen wol- Handwerk ist breit angelegt und das individuelle Schäfer und Markus Blaschko. len. „eigentlich geht es bei vielen jungen Leu- Können ist viel stärker gefragt. ten nicht mehr um eine fachliche Ausbildung, Der 51-Jährige Udo Schäfer trägt den etwas Dennoch sterben immer mehr Handwerksberufe sondern um eine Menschenausbildung“, weiß sperrig klingenden Berufstitel Metallblas- aus. Littmann aus erfahrung. und Schlaginstrumentenmachermeister und auch die Bezeichnung des 43-jährigen Markus Binzler: Berufe wie Schneider, Töpfer oder Korb- Sie führt die abnehmende Bedeutung des tra- fl echter haben es schwer. Hier hat die Industrie Blaschko ist unwesentlich kürzer: Holzblasin- ditionsreichen Handwerks, dessen Geschich- vieles abgenommen, aber das reguliert eben der strumentenmachermeister. Vor Kurzem haben te bis ins Mittelalter reicht, aber auch auf die Markt. sich beide im „Musikhaus Schäfer“ in Fried- Buchbinder selbst zurück, die „leider zu kon- richshafen zusammengetan, um in der ge- Fragen: Katrin Pribyl servativ“ seien: „Sie sitzen in ihrer Werkstatt meinsamen Werkstatt Instrumente zu reparie- und machen nur ihr altes Zeug“, kritisiert sie. ren, zu entwickeln und zu bauen. Sie wollen Dabei sollte man als Buchbinder mehr mit demnächst ihre eigene Marke aufbauen. Die dem Material spielen und sich für Modernes Voraussetzungen dafür sind geschaff en, die öff nen. Maschinen zum Fräsen, Drehen, Bohren oder Auf Sabine Littmann warten 32 Stapel Papier, Polieren in der großen Werkstatt installiert. die gebunden werden müssen. Sie arbeitet Zurzeit baut Blaschko eine Klarinette. Min- sich von einer ecke in die andere, vom Gerät, destens einen Monat nimmt das in Anspruch, wenn Der einBanD das ihr beim Klebebinden hilft, zur Maschine, denn von der entwicklungsarbeit bis zur Vom inHalt SPricHt die mit einem großen Säbel die Kanten gerade letzten Klappe ist alles fi ligrane Handarbeit. schneidet. Maschinen eben, die der Buchbin- Zudem repariert er sämtliche Holzblasinst- Gesichter des Handwerks: derin helfen, ihre Arbeit zu erledigen. Gleich- rumente wie oboen, Flöten oder Saxofone. zeitig erfordert die Tätigkeit an Büchern und die Buchbinderin sabine littmann „Bei der einteilung in Holz- oder Blechblas- vor allem alten Bänden viel Fingerfertigkeit. instrumente geht es nicht um das äußere er- ist eine der letzten ihrer traditi- ein in abgenutztes Leder gebundenes Famili- scheinungsbild“, sagt Blaschko. Die Trennung onsreichen Zunft. en-Gästebuch liegt auf dem Tisch von Sabine erfolge durch die Art, wie das Instrument Littmann. es ist gefüllt mit Geschichten, die angeblasen werde. „Alle Instrumente, bei de- BoDenSeeKReIS – Manchmal steht Sabi- erste wurde vor fast 100 Jahre festgehalten. nen man noch etwas braucht, um Luft zum ne Littmann in der Werkstatt im Keller ihres Heute platzt das Buch fast vor hinein gekleb- Schwingen zu bringen, sind Holzblasinstru- Hauses in Immenstaad, in der Hand hält sie ten Fotos und Broschüren, der Buchdeckel mente“, erklärt Blaschko. er selbst spielt Kla- ein Buch, das aussieht, als sei es hundertfach lässt sich nur noch schwerlich zuklappen. rinette und Saxofon, das helfe enorm, „man gelesen. ein abgewetzter einband, Seiten, die Die Buchbinderin soll es für die zukünftige hat selbst ein Gespür dafür, was die Klarinette es wagen, aus der Reihe zu tanzen. Dann legt Generation restaurieren. Und Platz schaff en später kann“. eigentlich wollte er Musik stu- sie den Wälzer vor sich. Die Gebrauchsspuren für neue Geschichten. Denn wo sonst bewahrt dieren, dann kam ihm in den Sinn, dass die erzählen ihr von einem langen Leben, von ei- man sie besser als in einem Buch? Instrumente ja auch gebaut werden müssen. ner Zeit, in der Bücher noch dazu da waren, Und so machte er die dreijährige Ausbildung die Welt zu beschreiben oder den Leser in an- zum Holzblasinstrumentenmechaniker. dere Welten zu führen. „na, da bist du ja, es Udo Schäfer, der Posaune und euphonium wir auch Zeit, dass du kommst“, entgegnete spielt, kam durch die Musik zum Beruf. er sie dem in die Jahre gekommenen Buch dann. ist noch immer im Musikverein. Bevor mit Und beginnt, ihm neues Leben einzuhauchen. dem Bau eines Instruments begonnen wird, Sabine Littmann ist Buchbinderin, sie res- werden mit dem Musiker die erwartungen tauriert alte Bücher, stellt aber auch in Hand- besprochen. Wie lange soll es halten? Wird arbeit selbst welche in einzel- und Sonder- es professionell genutzt? Welches Instrument fertigungen her. Die 44-Jährige ist eine der hat der Musiker bisher gespielt? Schäfer ist Letzten ihrer Zunft, denn die Welt des Buch- mit Leidenschaft bei der Sache, das ist nicht bindereigewerbes ist durch die industrielle Se- nur durch die schwärmerischen erklärungen rienfertigung klein geworden. „Bücher haben seinen Wunschberufs erkennbar: „Man hat heutzutage nicht mehr den Stellenwert wie ein Stück Blech, daraus formt man ein wun- früher“, sagt Littman, die vor 15 Jahren ihre derschönes Instrument, aus dem tolle Töne Meisterprüfung abgelegt hat. Zwar läsen die kommen.“ Zudem stehe man jeden Tag vor Leute viel, „aber sie verbinden damit nicht einer neuen Herausforderung. Das Schönste eine schöne einbandgestaltung“, sagt sie. „In aber sei, wenn er später das Instrument, das unserer Kultur ist es nicht so verankert, für Bü- er gebaut hat, höre. „nicht nur der Musiker cher Geld auszugeben.“ hat Lampenfi eber, auch der Instrumenten- 34 macher.“ Voraussetzung für den Beruf sei en zu tun“, sagt die Modistin, die selbst ger- ein gutes Gehör und eine musische Veranla- kUnSt am HUt Verliert ne Hüte trägt. Leidenschaft ist wichtig, denn: gung. Wichtig sei es auch, sich mit verschie- an Stellenwert „Mit dem Verdienst kann man keine großen denen Musikinstrumenten auszukennen, den Sprünge machen.“ Trotzdem mangelt es im musikalischen Horizont in jede Richtung zu Gesichter des Handwerks: Gegensatz zu Käufern nicht an nachwuchs. erweitern. er selbst hört den ganzen Tag Mu- der Beruf des modisten ist selten nur bleibe kaum ein Lehrling nach seinem Ab- sik: Jazz, Klassik, Blasmusik. Dann lauscht er schluss im Beruf. „es wird zu wenig gekauft, immer ganz genau: Welche Instrumente kom- geworden: sonja oess-perrone aus man kann nicht existieren,“, beschreibt Son- men zum einsatz, welches Mundstück wird Friedrichshafen betreibt einen der ja oess-Perrone das wirtschaftliche Problem. benutzt? Vor rund 100 Jahren sagte der Komiker Karl letzten Hutläden in der region. Valentin am ende des Stücks „Im Hutladen“ „Heute sind die Instrumente entweder sehr zu der Verkäuferin: „So, keinen Hut tragen ist billig oder sie haben richtig Qualität. Die Mit- Friedrichshafen – Die behüteten Zeiten sind das Modernste? Dann kaufe ich mir auch kei- telklasse ist eher rausgefallen“, sagt Blschko. vorbei, Sonja oess-Perrone weiß das. Die Mo- nen.“ Was damals noch komisch anmutete, Immer sind es die kleinen Dinge, die den fei- distenmeisterin arbeitet bereits 45 Jahre in ih- stellt heute allzu häufi g den Alltag dar. Wenn nen Unterschied ausmachen. Die Industrie rem Beruf, hat von ihrer Mutter das seit 65 Jah- Hut, dann ziehen die meisten Menschen bil- könne das gar nicht leisten. „Wenn ich die ren existierende Geschäft in der Karlstraße in lig im Ausland produzierte Hüte den hand- einzelnen Bestandteile von überall herhole der Häfl er Innenstadt übernommen. Damals gearbeiteten vor. Falls der Kopfschmuck keine und nur noch zusammenbaue, dann hat das gab es noch sechs Hutläden in Friedrichsha- Renaissance erlebt, wird das traditionsreiche nichts mehr Instrumentenbau zu tun“, sagt fen, heute nur noch den von oess-Perrone. Handwerk des Modisten wohl aussterben. Schäfer mit Blick auf industrielle Massenferti- „Man ist früher nicht ohne Hut gegangen, sein gung. Doch die einstellung der Kunden habe Stellenwert war höher“, sagt die gebürtige sich verändert, viele wollen das Geld dafür Häfl erin. Jetzt gäben die Leute ihr Geld für an- nicht mehr ausgeben. Schäfer kann diese deres aus. Der kreative Beruf, den die 59-jähri- Meinung nicht nachvollziehen, bei ihm und ge ausübt, ist mit den Trägerinnen in die Jahre seinem Partner würde das Instrument auf die gekommen. einmal bezeichnete ein Kollege individuellen Bedürfnisse des Musikers abge- ihren Laden als „schrulliges Geschäft“, doch stimmt. „ein Instrument muss doch leben.“ das stört die Inhaberin nicht. Im Gegenteil: „es soll verstaubt aussehen. Mit dem Holz ist das Geschäft bewusst auf alt getrimmt.“ Und passt so zu den guten Zeiten, die der Laden bereits erlebt hat. Anders als die Hutgewohnheiten der Damen hat sich die Tätigkeit von Sonja oess-Perrone nicht verändert, „noch immer ist alles Hand- arbeit“. Aus Stroh, Pelz, Leder, Filz oder Stoff , groß, klein schlicht, auff ällig, bunt, wie aus vergangenen Tagen, für den Alltag oder zu ei- nem besonderen Anlass: Jeder Wunsch ist bei Sonja oess-Perrone willkommen, ihre Ideen für die Kreationen, die nicht selten zu Kunst- werken aufblühen, schöpft sie aus einem nicht enden wollenden Reichtum an Fanta- sie. Derzeit steht ein Filzhut auf dem kleinen Tisch in ihrer Werkstatt. Mit der Kundin be- HolZwUrm aUS spricht sie vorab, zu welchem Anlass der Kopf- leiDenScHaFt schmuck getragen werden will, welche Farbe, welches Material er haben soll. Dann beginnt Gesichter des Handwerks: ihre fi ligrane Arbeit. Mit heißem Wasserdampf Heiner Kemmer kann etwas, das wird der Hut „stückweise geformt, wie bei ei- nem Töpfer“, so die Modistin. Dass das auch heute nur noch wenige Bootsbauer bezahlt werden muss, verstehen viele Kunden lernen: ein komplettes Boot aus nicht. Der Preis eines eigens angefertigten Da- menhutes beginnt bei rund 150 euro. Doch Holz bauen. das soll sich lohnen: „ein Hut ist Schmuck BoDenSeeKReIS – eigentlich wollte er zur und unterstreicht die Persönlichkeit“, so oess- See fahren, das war in der Jugend sein größ- Perrone. Für viele Frauen ein Wagnis. nach ter Wunsch, denn die Liebe zum Wasser hat der Häfl er Expertin müsse sich die Trägerin an ihn ein Leben lang begleitet. Doch es kam den Kopfschmuck gewöhnen, dann sehe sie anders. Heiner Kemmer aus Meersburg wurde ihren Hut auch nicht mehr als Fremdkörper. Bootsbauer, ein Beruf mit einer jahrhunderte- Sonja oess-Perrone bemerkt jedoch, dass jun- alten Tradition. Und seitdem wollte der heute ge Menschen wieder eher Hut tragen. Damit er 61-Jährige auch nie mehr etwas anderes tun. auch die entsprechende Wirkung entfaltet, sei Dennoch haben neue Wünsche seinen Weg immer eine fachmännische Beratung wichtig. begleitet. „95 Prozent der Freuen nehmen den ersten Hut, den ich ihnen aufsetzte“, sagt sie. Ide- Irgendwann strebte der Meersburger nämlich en ausleben, akkurat arbeiten, mit Menschen an, große Schiff e zu bauen, eine eigene Werft zu tun haben – Sonja oess-Perrone liebt ihre zu haben. So übernahm er 1990 die Michel- Arbeit. „Ich kann mich selbst verwirklichen sen-Werft in Friedrichshafen. Zehn Jahre lang und habe mit vielen verschiedenen Materiali- leitete er damit eine der ältesten Yacht- und 35 Bootswerften am Bodensee. Dann spürte er, Detail und zur Feinheit“ müsse man als Segel- dass die Büroarbeit nicht das Richtige für macher haben. ihn war. „Ich wollte zurück zu den Wurzeln Die kreative Arbeit beschränkt sich – anders und mich wieder verkleinern“, sagt Heiner als der Berufstitel es vermuten ließe – nicht Kemmer. Seit mehr als fünf Jahren besitzt er nur auf das entwerfen und Produzieren von nun eine Werksatt in Meersburg. Der große, Segel. Von Schlauchbooten über Lkw-Planen hohe Raum duftet nach Holz, wirkt in seiner bis hin zur Markise: „Die Tätigkeit sei vielsei- überschaubaren Größe familiär und heimelig. tig“, so Pfeiff er. Gleichzeitig weiß er, dass es „Jetzt hab’ ich es kleiner und bin zufriedener immerhin „Raritäten-Beruf“ bleiben wird, denn je.“ schon alleine deshalb, weil Segeln ein Hobby Derzeit baut er ein traditionelles Boot, bereits sei, das nie die Masse ausüben werde. ein halbes Jahr arbeitet er daran. nicht unge- ein Grund ist der Preis. ein Segel, das indivi- wöhnlich, dauert es doch etwa eineinhalb Jah- duell auf die eigenheiten von Boot und Segler re, bis individuelle Konstruktionen, in einer angepasst ist, kostet. Die industrielle Ferti- Größe passend für zwei Personen, fertig sind. gung bietet Tücher günstiger an. Doch auf „Holzboote sind immer einzelanfertigungen“, Diskussionen lässt sich Pfeiff er schon lange sagt Kemmer. Dabei berechnet ein Konstruk- nicht mehr ein, denn nicht selten suchen ihn teur vorab die Maße des Schiff es – heutzutage Kunden auf, die unzufrieden mit ihrer Mas- mit dem Computer – und übergibt den soge- senware sind. Der experte versucht dann, die nannten Linienriss dem Bootsbaumeister. Probleme zu lösen. „Über gute Reparaturen Anhand von diesem baut Kemmer dann das kommen Neusegel“, weiß Pfeiff er. Boot. Stück für Stück, Planke für Planke, im- mer mit einem hohen Qualitätsanspruch, sagt Zu seinem Beruf kam er als Teenager, als er er. „Ich baue die Teile so, wie ich sie für mich leidenschaftlich segelte. „Für mich war es im- bauen würde.“ er habe damals noch gelernt, mer faszinierend, die Kraft des Windes einset- wie man Boote konstruiere und zeichne. Heu- zen und umsetzen zu können.“ Doch der Weg te würden das nicht mehr viele können. Meis- zu seinem Traumberuf war nicht einfach. Die tens gebe es nun Boote „von der Stange“, die eigentlich dreijährige Ausbildung wurde Alf durch die industrielle Massenanfertigung bil- Pfeiff er verwehrt, da er keine Azubistelle be- liger geworden seien. Diejenigen, die bereits Der „motor“ DeS kommen hatte. „Damals haben sich die Segel- ein Boot haben, wüssten zwar um die Vorzü- SegelScHiFFS machereien keine Konkurrenz rangezogen“, ge von Holzbooten. Doch „Sehleute mit h“, erzählt er. Trotzdem, sein Ziel hat er nicht aus den Augen verloren. Über längere Zeit arbei- so nennt er jene, die nur das Oberfl ächliche Gesichter des Handwerks: betrachten, hätten eine falsche Vorstellung. tete er bei Segelmachern, meldete sich direkt „Sie wissen nicht, welcher Aufwand dahinter alf pfeiff er aus meersburg arbei- zur Prüfung an und machte dann seinen Meis- steckt“, sagt Heiner Kemmer. Die Anfragen für tet in einem seltenen Beruf, er ist ter. es sei eben „eine spezielle Liebe gewesen“. neubauten werden weniger, doch auch die Re- Und sie ist es immer noch. paraturen seien „sehr anspruchsvoll“, erzählt segelmachermeister. Wenn Alf Pfeiff er in seiner Freizeit auf dem Kemmer: „Man muss sich mit der alten Bau- BoDenSeeKReIS – Alf Pfeiff er liebt es, auf Boot über den Bodensee gleitet, dann mache weise auseinandersetzen.“ dem See dem Krachen des Segels im Wind zu es ihn stolz, wenn er immer wieder vom Wind Die Ausbildung zum Bootsbauer dauert drei- lauschen und zu spüren, wie die Kraft der Böe gespannte Segel erkennt, die er in seiner Werk- einhalb Jahre, dann aber habe man einen auf das Schiff übergeht. Dann erst merkt der statt in Meersburg entworfen und kreiert hat. Beruf, der „einer der umfassendsten und viel- 49-Jährige, ob er gut Arbeit geleistet hat. Alf seitigsten überhaupt ist“, sagt Heiner Kem- Pfeiff er ist Segelmachermeister. mer. Jeden Tag sei die Arbeit anders: Holzbe- natürlich segelt er: “Das ist fast schon ein arbeitung, elektroinstallation, Kabelschächte Muss“. Er baut den „Motor“ des Schiff s und legen, nur einige der Tätigkeiten eines Boots- um ein gutes Segel zu produzieren, brauche bauers. Aber für ihn am Wichtigsten: „Man man das Wissen eines Seglers. Jedes Tuch, muss die Liebe zum Beruf mitbringen“, so Hei- das Pfeiff er für seine Kunden anfertigt, ist in- ner Kemmer. Sein Spitzname ist „Holzwurm“, dividuell auf die jeweiligen Bedürfnisse aus- weil er in all den Jahren seine Leidenschaft für gerichtet. Dafür besucht er die Boote, nimmt klassische Schiff e nie verloren hat. Sie zieht die Maße auf, fragt nach eigenheiten, ermit- sich durch seine Arbeit. Das Holzboot, das in telt die Segelvorlieben der Besitzer, lernt das seiner Werkstatt auf die Zeit im Wasser war- Schiff kennen. Früher wurde dann das Segel tet, wird Stück um Stück erweitert. Immer in per Hand angefertigt, Pfeiff er kann das auch Handarbeit, immer mit viel Liebe zum Detail, jetzt noch. Trotzdem: Heute werden in einen nur so würden die Übergänge harmonisch, Computer die Maße eingegeben und dann das Boot später zu einem besonderen Blick- wird mithilfe eines Lasercutters das Segel au- fang im Hafen. Erst wollte Kemmer das Schiff tomatisch geschnitten. für sich bauen, nun habe es bereits jemand ge- kauft. Jemand, der die Vorzüge von Holzboo- ten kennt. Im Frühjahr 2014 soll das traditio- millimeter entscheiden nelle Schiff fertig sein. Damit ist es jedoch nicht getan, es folgen zahl- reiche Kleinarbeiten: Die einzelnen Bahnen müssen zusammengeführt werden. Je nach- dem, welches Material verwendet wurde, ist eine unterschiedliche Technik gefordert. „Mil- limeter sind nachher entscheidend“, sagt Alf Pfeiff er. Doch das gefällt ihm. „Viel Liebe zum 36 bringt Freud und Leid zugleich. einerseits will ScHmieDen iSt Die das Handwerk durch Individualität, einmalig- VollenDUng keit überzeugen und manchmal rette es laut Hafen Antiquitäten oder lieb gewonnene Din- Gesichter des Handwerks: ge vor dem Verfall. es ist die handwerkliche Leistung, die rational nicht begründbar ist. seit 43 Jahren führt oskar Hafen Und die Produkte hervorbringt, die die indus- aus meckenbeuren seine Kunst- trielle Fertigung auf diese Weise nicht herstel- schmiede und ist noch immer fas- len kann. Hier jedoch beginnt das Leid. „Die Industrie bringt täglich neue Artikel auf den ziniert vom Handwerk der metall- Markt, die immer besser und günstiger wer- gestaltung. mit dieser Folge endet den“, sagt oskar Hafen über die entwicklung. die siebenteilige serie. Billige Massenware gegenüber handgefer- tigtem einzelstück, das bezahlt werden will. „Zwischen dieser Maßstabskonkurrenz steht BoDenSeeKReIS – Schmieden sei ehrlich, das die individuelle Fertigung des Handwerks“, sagt oskar Hafen immer wieder. Lediglich aus sagt Hafen. Deshalb kämpft er dafür, Kunden einem Stück Metall werde etwas modelliert, wieder die Qualität ins Bewusstsein zu rufen, das später nicht selten zu einem Kunstwerk die sie mit einem eigenes entwickelten und wird. Warum ehrlich? Die Schmiedetechnik handwerklich umgesetzten Produkt erwerben. habe immer auch viel mit Materialgerechtig- „Wir müssten das Verhältnis der Wertigkeit keit zu tun. „Und folgt deshalb einer ehrlichen der handwerklichen Leistung ganz anders Vorgehensweise“, sagt der 68-Jährige. einschätzen.“ oskar Hafen ist Kunstschmied. Den Beruf hat Kunst? Handwerk? oder Kunsthandwerk? os- er gelernt, als er 17 Jahre alt war. Damals bei kar Hafen will die Defi nition off en lassen. Es einem Huf- und Wagenschmied in der Lehre, geht um das Produkt, die Arbeit, nicht um äußerte er immer die klare Ansage: „Ich will Bezeichnungen. nach all den Jahrzehnten Kunstschmied werden.“ Zu dem Wunsch kam fasziniert ihn die Metallgestaltung mit Hilfe er über seinen Vater, ebenfalls Schmied. Und der Schmiedetechnik noch immer am meis- durch seine Kreativität, die ihn in der Szene ten. Hier muss er mit ganz wenigen Mitteln bekannt hat werden lassen. auskommen, deshalb sei der entwurf bereits oskar Hafen machte als 23-Jähriger seine der entscheidende Punkt. Wenn alles wie ge- Meisterprüfung und fortan arbeitete er als wünscht läuft, dann, ja dann sei Schmieden Kunstschmied. Wie ein Staubsauger sog er nicht nur ehrlich, sondern die Vollendung. alle auf, was er auf dem Weg durch das Leben aufspürte: Ideen zu neuen Formen schöpfte er aus der natur, aus dem Alltag übernahm er Strukturen oder zufällige Rhythmen, die er ge- plant umsetzte und in seine Arbeit integrierte. nachdem 1989 die Berufsbezeichnung eine andere wurde, nennen sich die Absolventen der dreieinhalbjährigen Ausbildung nun Me- tallbauer im Fachbereich Metallgestaltung. Dann spezialisieren sich die meisten entweder auf die Schmiede- oder die Schlossertechnik. Diese beiden Richtungen wurden in der Lehre zusammengefasst. oskar Hafen, der seit 43 Jahren seine Werkstatt in Meckenbeuren führt, ist Vollblutschmied. Grabkreuze, Gitter, Geländer oder Feuerkörbe: Jedes Mal steht er vor einer Herausforderung. Denn er verwendet zwar eine Technik, „die 3000 Jahre alt ist, aber ich erzeuge Arbeiten, die dem Zeitgeist entsprechen“, erklärt er. Das jedoch mache den Berufszukunftsfähig. „ent- scheidend ist, dass die Arbeit einen erkenn- baren Gestaltungswillen hat, einen zeitgemä- ßen Ausdruck“, sagt er. Das beinhaltet den Respekt vor alten Arbeiten, Plagiate aber sind für oskar Hafen tabu. Vielmehr versucht er, eine neue Formensprache zu schaff en, immer mit dem möglichst selben Qualitätsanspruch wie alte Produkte ihn als Maßstab vorgeben. Aus einer großen Werkstatt in Meckenbeuren dringen rhythmisch gellende Schläge, wenn die Metallgestalter ihr warmes Material zu Recht hämmern. Der funkensprühende Lärm zeigt, worum es in der Kunstschmiede geht: Alles wird von Hand geschaff en. Dieser Aspekt 37

erschienen in der „Südwest Presse“, am 28.04.2012 Daniela reichart

So FÜHlt SicH Der mitarBeiter woHl Geboren 1986 Kleine Gesten und persönliche atmosphäre binden Fachkräfte an das Studium (B.A. Germanistik und Politikwis- unternehmen senschaft) 2010 abgeschlossen. Seit 2008 freie Journalistin und Praktika im Kampf um Fachkräfte lassen sich mittelständler einiges kret bedeutet das: Zahlt ein Mitarbeiter etwa 180 bei der Südwest Presse und den Stuttgar- einfallen, um ihr personal an sich zu binden. mit dickem euro pro Monat in die betriebliche Altersvorsorge ter Nachrichten. ein, hat er 90 euro netto weniger auf dem Gehalts- Gehaltsscheck können sie selten trumpfen. also setzen Freie Mitarbeiterin der ‚Produktion‘ und streifen. Hartmann-exact legt noch 40 euro oben sie auf kleinen Gesten und Wertschätzung. regelmäßige Arbeit für ‚Industriebedarf‘, drauf. Das kostet die Firma keinen Cent: „Denn die Das kennen viele kleine und mittelständische Be- ‚Automobil-Produktion‘, ‚Industrieanzei- einzahlungen auf einen Vertrag zur betrieblichen triebe: Headhunter jagen ihnen im Auftrag großer ger‘, ‚Werkstatt + Betrieb‘ und Online- Altersvorsorge sind von Sozialabgaben befreit“, er- fi nanzstarker Konzernen hochqualifi ziertes Personal Magazine wie ‚Energie & Technik‘. ab. Doch die Kleinen entdecken ihre Stärken neu. klärt Chef Jürgen HofeIe: „Wir geben unseren Leuten Denn sie sind fl exibel genug, um auf die Anliegen diese einsparung zurück.“ Insbesondere bei neu- Schreibt für die ‚Financial Times Deutsch- ihrer Mitarbeiter einzugehen: Wie sie mehr Zeit mit einsteIlungen zahlt der Mittelständler übertarifl ich, land‘ sowie ‚Die Welt‘ und hat sich auf ihrer Familie verbringen können, sich motiviert im denn er orientiert sich am Markt, auf dem sich heute Wirtschaftsthemen und technische Produk- Job ausleben können oder sich im Kollegenteam nicht mehr allzu viele hochqualifi zierte Ingenieure tionsthemen spezialisiert. einfach aufgehoben fühlen. tummeln, wie die Firma sie sucht. Firmen wie die eTG in Holzheim unweit von Göp- „neben der guten, angemessenen Bezahlung ist mir pingen, die unter der Marke „DU: willkommen in vor allem wichtig, dass die Atmosphäre im Unter- der Umwelt“ 90 Mitarbeiter beschäftigt, haben ei- nehmen stimmt und sich gute Teams bilden“, sagt gene Wege der Mitarbeiterbindung gefunden. „Bei HofeIe. Dazu trägt auch die Laufgruppe bei, die mitt- uns holt auch einmal der Kollege den Sohn vom lerweile zweimal pro Woche für den anstehenden Kindergarten ab. Und ein Mitarbeiter, der sich um Schorndorfer Stadtlauf trainiert: Zehn Mitarbeiter seine Kinder kümmern will, nimmt seine elternzeit unterschiedlichster Abteilungen treff en sich frei- in betrieblich ruhigen Phasen wie um Weihnach- tagmittags und einmal abends unter der Woche ten, ostern und in den Sommerferien“, berichtet im eigens angefertigten Hartmann-exact-Trikot, Geschäftsführerin Beate Schwarz. Zudem gibt der um gemeinsam fi t zu bleiben. Betrieb Frauen die Möglichkeit, sich nach dem Mut- Dass Mittelständler mit diesen Modellen im Trend terschutz fl exibel wieder in den Betrieb einfi nden liegen, zeigt der aktuelle HR-Report des Mannheimer zu können. Personaldienstleisters Hays. So schätzen zwei Drittel Bisher habe sich immer eine individuelle Lösung der Angestellten gesundheitsfördernde Maßnahmen gefunden. Das tut auch der Atmosphäre gut. „Mit- wie Fitness-Kurse oder Massagestunden, wenn sie arbeiter, die Familie und Beruf unter einen Hut vom Chef bezahlt werden. Für mehr als 90 Prozent bekommen, sind leistungsfähiger und motivier- ist zudem eine fl exible Gestaltung der Arbeitszeit ter“, erklärt die 45-Jährige. Die Gesellschafterin ein wichtiges Argument für die Wahl des Arbeitge- bezahlt ihre Mitarbeiter auf Tarifhöhe und hat in bers. Für die Menschen nehme die Bedeutung der den neun Jahren ihrer Geschäftsleitung beobachtet, Work-Life-Balance zu – denn sie wüssten, dass sie dass die Betriebe der DU-Gruppe mit insgesamt 180 ein langes Arbeitsleben vor sich haben, heißt es im Beschäftigten mehr erfolg haben, wenn nicht nur Report. Auch Spediteur Rüdinger aus Hohenlohe tut alle Abteilungen zusammenarbeiten, sondern wenn viel, um gute Mitarbeiter langfristig zu halten. Vom die Firma als einheit agiert. „Das ist nur möglich, Wurstwecken bei der abendlichen Rückkehr bis zur wenn jeder einzelne sich voll auf die Arbeit konzen- Betriebsrente, die jeder bekommt, der länger als fünf trieren kann und sich nicht zwischen Familie und Jahre dabei ist. Und dass junge Väter auf Wunsch nur Beruf zerreißen muss“, sagt die zweifache Mutter. im nahverkehr fahren, damit sie abends bei ihren Ähnlich kümmert sich der Schorndorfer Automobil- Familien sein können. Das Unternehmen bezahlt zulieferer Hartmann-exact darum, dass seine Leute den Lkw-Führerschein, dessen Verlängerung und Job und Familie besser vereinbaren können: Die Qualifi kationen; das kann bis zu 3500 Euro kosten Kernarbeitszeit wurde abgeschaff t; zudem stockt die – und rechtlich gesehen müssen Unternehmen die- Firma alle Verträge mit betrieblicher Altersvorsorge se Kosten nicht übernehmen. Schätzungen zufolge um den Betrag auf, den das Unternehmen einspart, müssen die Fahrer in vier Fünftel der Speditionen wenn entgeltumwandlung angewendet wird. Kon- die Kosten selbst tragen. 38

WILLI BLEICHER PREIS

1. Preis gemeinsam mit Franziska Roth

Sina rosenkranz Gesendet u.a. in: „SWR3“, am 18.11.2011

Geboren 1979 FalScH Vermittelt – arBeitSagentUren Arbeitet seit 2008 als Redakteurin, Reporterin und Moderatorin in der SWR- ScHicken JoBSUcHenDe in Die leiHarBeit Hörfunkredaktion Wirtschaft und Soziales, zuvor journalistisches Volontariat beim Südwestrundfunk sowie Studium der Ge- Sie fi nden den Hörfunkbeitrag auf der beiliegenden DVD schichte und des Journalismus an der Uni oder unter www.willi-bleicher-preis.de Karlsruhe. 39

Sina rosenkranz Gesendet u.a. in: „SWR2 Impuls“, am 23.05.2011

wo mein laPtoP SteHt, iSt mein arBeitSPlatZ

Sie fi nden den Hörfunkbeitrag auf der beiliegenden DVD oder unter www.willi-bleicher-preis.de 40

WILLI BLEICHER PREIS

1. Preis gemeinsam mit Sina Rosenkranz

Franziska roth Gesendet in: „Plusminus (ARD)“, am 25.01.2012 und „Marktcheck“ (SWR), am 02.02.2012 Geboren 1983 Studium der Journalistik mit den Neben- fächern Geschichte und Politikwissen- arBeitSloSe – Viel ZU HäUFig nUr leiHarBeit schaften an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Abschluss 2008 mit Statt DaUerJoB dem Titel „Diplom-Journalistin“. Während des Studiums Freie Mitarbeit für das SWR-Fernsehen – vor allem für Sie fi nden den Fernsehbeitrag auf der beiliegenden DVD die Sendung „Zur Sache Baden-Württem- oder unter www.willi-bleicher-preis.de berg!“. 2008-2010 Volontariat beim Südwest- rundfunk. Seit April 2010 für die Wirtschaftsredakti- on des SWR-Fernsehens tätig, vorwiegend für die Magazine Marktcheck (SWR-Fernse- hen) und Plusminus (Das Erste). Dort Produktion von Beiträgen zu verschie- densten Themen der Bereiche Wirtschaft und Verbraucher als Reporterin vor und hinter der Kamera. 41

Samstag MANNHEIMER 26. MAI 2012 WIRTSCHAFT MORGEN 9

ARBEITSWELT: Immer mehr Menschen arbeiten als Leiharbeiter – die Beschäftigungsform ist seit Jahren umstritten

Berufsleben: In der Metallbranche der Region sind Leiharbeiter zu ganz unterschiedlichen Bedingungen beschäftigt – und oft mit der Sorge, wie es weitergeht Gehalt: Zuschläge bringen teils deutliches Plus „Ich bin immer irgendwie auf der Hut“ Bald mehr Geld für viele Gleiches Geld für gleiche Arbeit? Davon sind viele Leiharbeiter noch deutlich entfernt. Leiharbeiter BILD: DPA MANNHEIM. Anfang der Woche ha- ben sich Leiharbeitsbranche und IG Metall auf Zuschläge für Leiharbei- ter in der Metall- und Elektroindus- trie geeinigt. Davon profitieren nach Angaben von Reinhold Götz, Chef der IG Metall Mannheim, auch zahl- reiche Beschäftigte in der Region. Al- lein in seinem Bezirk seien derzeit 1500 bis 2000 Leiharbeiter in der Branche tätig. Etwa ein Drittel davon arbeitet laut Götz bereits in Betrieben, die Leiharbeiter zumindest in Teilen ähnlich bezahlen wie die Stammbe- legschaft. Für sie ändere sich durch die Zuschläge deshalb eigentlich nichts. „Für die restlichen zwei Drit- tel bedeutet das aber potenziell ein deutliches Plus.“ Der Vereinbarung zufolge be- kommen Leiharbeiter ab dem 1. No- vember 2012 einen Zuschlag, wenn sie länger als sechs Wochen in einem Metall- und Elektrobetrieb einge- setzt sind. Das Plus beginnt bei 15 Prozent des jeweiligen Leiharbeit- Tariflohns und klettert stufenweise Von unserem Redaktionsmitglied Zahlen und Fakten rund um das Thema Leiharbeit auf bis zu 50 Prozent (bei einem Ein- Tatjana Schneider satz von neun Monaten und länger). ࡯ Laut Arbeitsagentur gibt es in als zehn Prozent, innerhalb von zwei vereinbarte niedrigste Stundenlohn MANNHEIM. Dazugehören, ein „ech- Deutschland über900 000 Leiharbei- Jahren einen regulären Job zu liegt bei 7,89 Euro. Der höchste liegt Firmen warnen vor Folgen ter John Deereler“ sein, das ist ein ter, das sind 2,9 Prozent der sozial- bekommen. bei 17,76 Euro (Akademiker). Festangestellte. Sie be- Konkret heißt das: Ein Leiharbeiter Traum, den Markus H. (Name geän- versicherungspflichtig Beschäftigten. kommen weder deren Ur- mit einem Stundenlohn von dert) immer noch hat. Der Enddrei- ࡯ Der Deutsche Gewerkschaftsbund ࡯ Als Urlaubsgeld sind 150 bis 300 laubsgeld noch die Mercedes-Prä- 8,19 Euro bekommt 9,42 Euro, wenn ßiger ist seit über fünf Jahren als ࡯ Beim Beschäftigungsaufbau spielt (DGB) hat mit Branchenverbänden Euro brutto vorgesehen. Zum Ver- mien. Letztere lag 2011 bei 4100 Euro er länger als sechs Wochen in einem Leiharbeiter im Produktionsbereich Leiharbeit aber eine immer wichtigere der Leiharbeit Tarifverträge gleich: Ein Tarif-Metaller in der ver- je Mitarbeiter. Schichtzulagen gibt Metallbetrieb eingesetzt ist. Bleibt er des Traktorenbauers in Mannheim Rolle: Jede dritte offene Stelle war geschlossen. Der zwischen dem frü- breiteten Entgeltgruppe 7 erhält laut es nur, wenn die 8-Prozent-Marke länger als neun Monate beschäftigt, beschäftigt. Obwohl er dort den glei- Ende 2011 bei einer Verleihfirma. heren Branchenverband BZA und DGB Beispielrechnung 2384 Euro. an Leiharbeitern überschritten wird. steigt sein Stundenlohn auf 12,29 chen Job macht wie ein Festange- Viele Leiharbeiter in der Metall- Euro. „Damit müsste die Zahl der stellter, das gleiche Geld bekommt, ࡯ Rund 65 Prozentder Menschen, die Teils jede zweite offene Stelle in der Region Leiharbeit und Elektrobranche der Region, ge- Leiharbeiter deutlich sinken, die die gleiche grüne Arbeitshose trägt, einen Job als Leiharbeiter annahmen, rade bei kleineren Betrieben, sind al- trotz Vollzeitjob noch auf staatliche bleibt das Gefühl, nicht den gleichen hatten vorher keine Arbeit. Wirt- Bezirke gemeldete davon bei Anteil lerdings noch schlechter dran: Unterstützung angewiesen sind“, Stellenwert zu haben wie die Kolle- schaft und Verleihfirmen sehen Leih- Agentur für Arbeit offene Stellen Leiharbeitsfirmen in Prozent „Manche verdienen 60 Prozent von sagt Götz. Der Gewerkschaft zufolge gen. Und dieses Gefühl schmerzt. arbeit deshalb als „Brücke in die Mannheim 2881 1206 41,9 dem, was ein Stammarbeiter mit waren das bundesweit zuletzt rund Dabei arbeitet Markus H. zu Be- Beschäftigung“. nach Hause nimmt, andere nur 40 elf Prozent aller Leiharbeiter. dingungen, von denen die meisten Ludwigshafen 3488 1675 48,0 Prozent“, sagt Reinhold Götz, Chef Die Leiharbeitsbranche warnt Leiharbeiter nur träumen können: ࡯ Laut einer Untersuchung des Insti- Südhessen 4875 1901 39,0 der IG Metall in Mannheim. hingegen vor den negativen Folgen John Deere in Mannheim gehört zu tuts für Arbeitsmarktforschung (IAB) Was es heißt, so zu arbeiten, hat der Vereinbarung. „Die Mehrkosten Heidelberg 2419 622 25,7 den wenigen Firmen, die das Prinzip schafften es von zuvor länger arbeits- Kevin A. (Name geändert) erlebt. Der für die Kundenunternehmen wer- „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ zu- losen Leiharbeitern aber nur weniger MM-Grafik, Stand: April 2012 Elektroinstallateur wurde nach sei- den erheblich sein. Leider wird dies mindest für die Leasingkräfte im ge- ner Ausbildung von der Arbeitsagen- negative Auswirkungen auf den Ar- werblichen Bereich – derzeit rund tur „nur an Leasingfirmen verwie- beitsmarkt haben, vor allem für Ge- 145 Beschäftigte – nahezu vollstän- bald weg vom Fenster“, empfindet triebsratsreferent des Unterneh- Branche zu reagieren. So würden sen“ – obwohl er nach eigener Aus- ringqualifizierte“, so Thomas Bäu- dig umgesetzt haben. er. Fälle wie den von Markus H. soll mens in Mannheim, sieht das Argu- Jobs gesichert. Im gesamten Daim- sage einen ordentlichen Abschluss mer, Verhandlungsführer für die Sie erhalten das gleiche Grundge- es nach dem jüngsten Abschluss bei ment, Leiharbeiter als „strategische ler-Konzern ist der Einsatz von Lea- vorweisen konnte. Irgendwann heu- Leiharbeitsbranche. tat halt wie die Stammbelegschaft plus den Metallern in tarifgebundenen Abbaureserve“ vorzuhalten, skep- singkräften auf acht Prozent der erte er bei einer Verleihfirma in der alle Sonderzahlungen und Zulagen. Firmen bald nicht mehr geben. Sie tisch: „Die letzte Krise haben wir ge- Stammbelegschaft begrenzt. Wird Region an. Es folgen 10- bis 12-Stun- Verdient ein „John Deereler“ mit müssen künftig jedem Leiharbeiter meistert, ohne Leiharbeiter zu ent- das überschritten, muss mit dem Be- den-Tage in wechselnden Betrie- Schichtdienst also zum Beispiel 3400 nach zwei Jahren ein Übernahme- lassen. Für welche Art Krise will man triebsrat über Übernahmen verhan- ben. Bezahlt bekommt Kevin nur 7 Beschäftigung: Gewerkschaft Euro brutto, bekommt ein vergleich- angebot machen. die Reserve also?“ delt werden. Seit 2005 habe Daimler Stunden – der Rest wandert auf ein sieht „neue Art der Ausbeutung“ barer Leiharbeiter im Werk genauso Doch warum beschäftigen Kon- über 2500 Leiharbeiter unbefristet Zeitkonto, als Puffer für Phasen, in viel. Nur bei der Betriebsrente blei- zerne wie John Deere über Jahre Am Ende bleibt spürbar weniger übernommen. Wie viele Leasing- denen es keine Jobs gibt. ben sie außen vor. Menschen als Leiharbeiter, wenn Auch Joachim Horner, Betriebsrats- kräfte im gleichen Zeitraum dort ins- Am Ende bleiben ihm rund 1200 Für Markus H. bleibt trotzdem ein deren Arbeitskraft dauerhaft ge- chef im Mercedes-Benz-Werk gesamt eingesetzt waren, sagt man Euro netto im Monat – trotz 50- bis Umstrittene Gefühl der Ungerechtigkeit. „Ich braucht wird? Zeitarbeit bringt Flexi- Mannheim, würde auf Leiharbeit nicht. Ende des ersten Quartals 2012 60-Stunden-Woche. „Eine Familie verstehe nicht, warum ich keine fes- bilität, argumentiert der Traktoren- am liebsten ganz verzichten. „Frü- waren es deutschlandweit 4400. hätte ich damit kaum ernähren kön- Werkverträge te Stelle bekomme, obwohl man bauer. Man könne auf das zyklische her hat man Auftragsspitzen anders Daimler stockt den Stundenlohn nen“, sagt er. Seit einigen Monaten scheinbar mit meiner Arbeit zufrie- Geschäft reagieren und Spitzen ab- abgefangen, zum Beispiel mit befris- seiner Leiharbeiter auf das Ein- hat Kevin nun eine reguläre Stelle bei MANNHEIM. Arbeitnehmervertreter den ist.“ Dazu komme die Unsicher- decken. Zudem lasse man „gewisse teten Verträgen“, sagt er. Im Werk stiegsniveau der Stammbelegschaft einer Firma in der Region: rund 16 beobachten seit einiger Zeit, dass heit, der Eindruck, „immer auf der Tätigkeiten“ einfach nicht mehr Mannheim gebe es derzeit rund 280 auf: bislang 17,05 Euro pro Stunde. Euro die Stunde, geregelte Arbeits- Firmen verstärkt Werkverträge ein- Hut zu sein.“ „Wenn man als John durch eigene Mitarbeiter erledigen, gewerbliche Leiharbeiter. Auch in Würde rein nach Zeitarbeitstarif be- zeiten, feste Kollegen. „Zu wissen, setzen, also Arbeiten an externe Fir- Deereler mit etwas unzufrieden ist, sondern arbeite mit Verleihfirmen der Konzernzentrale in Stuttgart zahlt, bekämen sie laut Horner nur dass man sich ab und zu etwas leis- men vergeben. Laut einer Umfrage kann man sich wehren. Als Leihar- zusammen. Je nach Bedarf würden wird mit Flexibilität argumentiert, rund zehn Euro. Trotzdem haben ten kann und nicht ständig um die der Gewerkschaft Nahrung-Genuss- beiter denkt man, wenn ich den aber auch immer wieder Leiharbei- die es ermögliche, auf die stark ge- Daimler-Leiharbeiter übers Jahr Zukunft bangen muss, ist ein ganz Gaststätten unter Betriebsräten er- Mund aufmache, bin ich vielleicht ter übernommen. Torsten Jann, Be- stiegenen Schwankungen in der spürbar weniger im Geldbeutel als anderes Lebensgefühl“, sagt er. setzen Werkverträge in der Ernäh- rungsbranche zunehmend Leihar- beit. Problematisch sei daran, dass Beschäftigte, die über Werkverträge Stellenmarkt: Laut Jobcentern und Agenturen bietet die Branche vor allem Geringqualifizierten die Möglichkeit, beruflich Fuß zu fassen – auch durch Weiterbildung arbeiteten, oft schlechter bezahlt würden als Leiharbeiter. Im Ver- gleich zur Stammbelegschaft erhiel- ten sie im Schnitt sechs Euro weniger Arbeitsvermittler sehen Zeitarbeit als Chance pro Stunde, Leiharbeiter „nur“ fünf Euro weniger. „Seit der Missbrauch Von unserem Redaktionsmitglied schen, die wir aktuell vermitteln berg Menschen mit verschiedensten pflichtige Jobs. „Wir sind die einzige von Leiharbeit begrenzt werden Isabell Boger müssen, sind Ungelernte. Für sie ist Hintergründen eine Chance bieten. Branche, in der jede geleistete Ar- konnte, haben die Arbeitgeber mit Zeitarbeit eine gute Möglichkeit.“ Die Arbeitsvermittler würdigen beitsstunde bezahlt wird“, bestätigt den Werkverträgen ein neues Mo- MANNHEIM. Leiharbeit – oder wie es Max Büchler vom Jobcenter Vor- das. „Vielen Menschen wird durch Nermina Kuric von Randstad Rhein- dell der Ausbeutung gefunden“, so die Verleihfirmen nennen – Zeitar- derpfalz-Ludwigshafen pflichtet Zeitarbeit ein Einstieg geboten“, sagt Neckar. Überstunden, die auf Zeit- Claus-Harald Güster von der NGG. beit, muss nicht unmenschlich und ihm bei: „Bei schlechterer Wirt- Gabriele Tischendorf von der kom- konten flössen, sicherten das Gehalt, Auch die IG Metall in der Region nur eine Übergangslösung sein. Sie schaftslage würden wir manche, die munalen Arbeitsvermittlung Wies- auch wenn der Arbeitnehmer gerade beobachtet das mit Sorge. So sei es in kann auch Menschen in Arbeit brin- wir jetzt vermitteln, gar nicht be- baden. Von einem „Sprungbrett“ in nicht eingesetzt wird. Ordnung, wenn ein Betrieb ein Ge- gen und festen Lohn garantieren. schäftigen.“ Viele Arbeitssuchende den Arbeitsmarkt spricht Barbara Klar sei, dass Zeitarbeit Flexibili- bäude auf seinem Gelände von einer Das behauptet die Zeitarbeitsfirma bräuchten intensive Förderung. Amann, die beim Beruflichen Trai- tät erfordere. „Die Menschen müs- Fremdfirma errichten lasse. Würden Randstad. Wenig verwunderlich? Und die bietet Zeitarbeit laut Rands- ningszentrum Rhein-Neckar ehe- sen umdenken“, so Kuric. Allerdings aber Tätigkeiten aus dem Kernge- Mag sein. Was aber überraschen tad. „Für uns ist Weiterbildung ein mals psychisch kranke Menschen handele es sich meist um Menschen, schäft über Werkverträge abgewi- dürfte, ist, dass Arbeitsagenturen großes Thema“, sagt Christoph Kah- betreut. Mit diesen Begriffen ist Kah- die sonst keinen Job gefunden ha- ckelt, sei das ein Problem. „Die Mit- und Bildungsträger zustimmen. lenberg von der Randstad Akademie. lenberg aber nicht ganz einverstan- ben. Manchen mache Zeitarbeit so- bestimmungsrechte des Betriebs- Das wurde bei einem Arbeits- Sprach- und Computerkurse, E- den. „Wir wollen kein Durchlaufer- gar Spaß: „Wir haben eine Dame be- rats sind hier gleich null. Sie können marktgespräch bei Randstad Rhein- Learning, „Lernen im Job“ mit Zerti- hitzer für den sogenannten ersten treut, die mittlerweile über drei Jah- nicht kontrollieren, zu welchen Be- Neckar deutlich. Den Grund erklärte fikaten für Leute ohne Ausbildung, Arbeitsmarkt sein“, sagt er. Schließ- ren bei Randstad ist“, erzählt dingungen diese Menschen be- Markus Holzmann vom Jobcenter Schulungen an Maschinen – mit all Zeitarbeit kann ein Sprungbrett aus der lich böten Zeitarbeitsfirmen auch Amann. „Ihr gefallen die wechseln- schäftigt werden“, so Reinhold Götz, Worms: „Ein Großteil der Men- diesen Mitteln will man laut Kahlen- Arbeitslosigkeit sein – oder mehr. BILD: DPA unbefristete, sozialversicherungs- den Herausforderungen.“ Chef der IG Metall Mannheim. tat

tatjana Schneider erschienen im „Mannheimer Morgen“, am 26.05.2012

„icH Bin immer irgenDwie aUF Der HUt“ Geboren 1977 Studium an der Albert-Ludwigs-Universität Berufsleben: in der metallbranche der region sind leiharbeiter zu ganz Freiburg i. Br. (Politik/Ethnologie) und am unterschiedlichen Bedingungen beschäftigt – und oft mit der sorge, wie Institut d’Etudes Politiques Paris (Journa- es weitergeht lismus und Medienmanagement). 2004 bis 2006: Volontariat bei der Tages- MAnnHeIM. Dazugehören, ein „echter John wie John Deere über Jahre Menschen als Leih- zeitung Mannheimer Morgen. Deereler“ sein, das ist ein Traum, den Mar- arbeiter, wenn deren Arbeitskraft dauerhaft Seit 2006 Wirtschaftsredakteurin beim kus H. (name geändert) immer noch hat. Der gebraucht wird? Zeitarbeit bringt Flexibilität, Mannheimer Morgen. enddreißiger ist seit über fünf Jahren als Leih- argumentiert der Traktorenbauer. Man kön- arbeiter im Produktionsbereich des Traktoren- ne auf das zyklische Geschäft reagieren und bauers in Mannheim beschäftigt. obwohl er Spitzen abdecken. Zudem lasse man „gewis- dort den gleichen Job macht wie ein Festange- se Tätigkeiten“ einfach nicht mehr durch ei- stellter, das gleiche Geld bekommt, die gleiche gene Mitarbeiter erledigen, sondern arbeite grüne Arbeitshose trägt, bleibt das Gefühl, mit Verleihfi rmen zusammen. Je nach Bedarf nicht den gleichen Stellenwert zu haben wie würden aber auch immer wieder Leiharbeiter die Kollegen. Und dieses Gefühl schmerzt. übernommen. Torsten Jann, Betriebsratsrefe- Dabei arbeitet Markus H. zu Bedingungen, rent des Unternehmens in Mannheim, sieht von denen die meisten Leiharbeiter nur träu- das Argument, Leiharbeiter als „strategische men können: John Deere in Mannheim ge- Abbaureserve“ vorzuhalten, skeptisch: „Die hört zu den wenigen Firmen, die das Prinzip letzte Krise haben wir gemeistert, ohne Leih- „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ zumindest arbeiter zu entlassen. Für welche Art Krise will für die Leasingkräfte im gewerblichen Bereich man die Reserve also?“ – derzeit rund 145 Beschäftigte – nahezu voll- ständig umgesetzt haben. am ende bleibt spürbar weniger Sie erhalten das gleiche Grundgehalt wie die Auch Joachim Horner, Betriebsratschef im Stammbelegschaft plus alle Sonderzahlungen Mercedes-Benz-Werk Mannheim, würde auf und Zulagen. Verdient ein „John Deereler“ mit Leiharbeit am liebsten ganz verzichten. „Frü- Schichtdienst also zum Beispiel 3400 euro her hat man Auftragsspitzen anders abgefan- brutto, bekommt ein vergleichbarer Leiharbei- gen, zum Beispiel mit befristeten Verträgen“, ter im Werk genauso viel. nur bei der Betriebs- sagt er. Im Werk Mannheim gebe es derzeit rente bleiben sie außen vor. rund 280 gewerbliche Leiharbeiter. Auch in der Konzernzentrale in Stuttgart wird mit Fle- Für Markus H. bleibt trotzdem ein Gefühl der xibilität argumentiert, die es ermögliche, auf Ungerechtigkeit. „Ich verstehe nicht, warum die stark gestiegenen Schwankungen in der ich keine feste Stelle bekomme, obwohl man Branche zu reagieren. So würden Jobs gesi- scheinbar mit meiner Arbeit zufrieden ist.“ chert. Dazu komme die Unsicherheit, der eindruck, „immer auf der Hut zu sein.“ „Wenn man als Im gesamten Daimler-Konzern ist der ein- John Deereler mit etwas unzufrieden ist, kann satz von Leasingkräften auf acht Prozent der man sich wehren. Als Leiharbeiter denkt Stammbelegschaft begrenzt. Wird das über- man, wenn ich den Mund aufmache, bin ich schritten, muss mit dem Betriebsrat über vielleicht bald weg vom Fenster“, empfi ndet Übernahmen verhandelt werden. Seit 2005 er. Fälle wie den von Markus H. soll es nach habe Daimler über 2500 Leiharbeiter unbe- dem jüngsten Abschluss bei den Metallern fristet übernommen. Wie viele Leasingkräfte in tarifgebundenen Firmen bald nicht mehr im gleichen Zeitraum dort insgesamt einge- geben. Sie müssen künftig jedem Leiharbei- setzt waren, sagt man nicht. ende des ersten ter nach zwei Jahren ein Übernahmeangebot Quartals 2012 waren es deutschlandweit machen. Doch warum beschäftigen Konzerne 4400. 42 Daimler stockt den Stundenlohn seiner Leih- tenziell ein deutliches Plus.“ Der Vereinba- arbeiter auf das einstiegsniveau der Stamm- rung zufolge bekommen Leiharbeiter ab dem belegschaft auf: bislang 17,05 euro pro Stun- 1. november 2012 einen Zuschlag, wenn sie de. Würde rein nach Zeitarbeitstarif bezahlt, länger als sechs Wochen in einem Metall- und bekämen sie laut Horner nur rund zehn euro. elektrobetrieb eingesetzt sind. Das Plus be- Trotzdem haben Daimler-Leiharbeiter übers ginnt bei 15 Prozent des jeweiligen Leiharbeit- Jahr spürbar weniger im Geldbeutel als Festan- Tariflohns und klettert stufenweise auf bis zu gestellte. Sie bekommen weder deren Urlaubs- 50 Prozent (bei einem einsatz von neun Mona- geld noch die Mercedes-Prämien. Letztere lag ten und länger). 2011 bei 4100 euro je Mitarbeiter. Schichtzu- lagen gibt es nur, wenn die 8-Prozent-Marke an Leiharbeitern überschritten wird. Firmen warnen vor Folgen Konkret heißt das: ein Leiharbeiter mit ei- Viele Leiharbeiter in der Metall- und elektro- nem Stundenlohn von 8,19 euro bekommt branche der Region, gerade bei kleineren Be- 9,42 euro, wenn er länger als sechs Wochen trieben, sind allerdings noch schlechter dran: in einem Metallbetrieb eingesetzt ist. Bleibt er „Manche verdienen 60 Prozent von dem, was länger als neun Monate beschäftigt, steigt sein ein Stammarbeiter mit nach Hause nimmt, an- Stundenlohn auf 12,29 euro. „Damit müss- dere nur 40 Prozent“, sagt Reinhold Götz, Chef te die Zahl der Leiharbeiter deutlich sinken, der IG Metall in Mannheim. die trotz Vollzeitjob noch auf staatliche Un- Was es heißt, so zu arbeiten, hat Kevin A. terstützung angewiesen sind“, sagt Götz. Der (name geändert) erlebt. Der elektroinstalla- Gewerkschaft zufolge waren das bundesweit teur wurde nach seiner Ausbildung von der zuletzt rund elf Prozent aller Leiharbeiter. Arbeitsagentur „nur an Leasingfirmen verwie- Die Leiharbeitsbranche warnt hingegen vor sen“ – obwohl er nach eigener Aussage einen den negativen Folgen der Vereinbarung. „Die ordentlichen Abschluss vorweisen konnte. Ir- Mehrkosten für die Kundenunternehmen wer- gendwann heuerte er bei einer Verleihfirma in den erheblich sein. Leider wird dies negative der Region an. es folgen 10- bis 12-Stunden- Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, Tage in wechselnden Betrieben. Bezahlt be- vor allem für Geringqualifizierte“, so Thomas kommt Kevin nur 7 Stunden – der Rest wan- Bäumer, Verhandlungsführer für die Leihar- dert auf ein Zeitkonto, als Puffer für Phasen, beitsbranche. in denen es keine Jobs gibt. Am ende bleiben ihm rund 1200 euro netto im Monat – trotz 50- bis 60-Stunden-Woche. „eine Familie hätte ich damit kaum ernähren können“, sagt er. Seit einigen Monaten hat Ke- vin nun eine reguläre Stelle bei einer Firma in Beschäftigung: Gewerkschaft sieht der Region: rund 16 euro die Stunde, geregelte Arbeitszeiten, feste Kollegen. „Zu wissen, dass „neue art der ausbeutung“ man sich ab und zu etwas leisten kann und nicht ständig um die Zukunft bangen muss, ist Umstrittene werkverträge ein ganz anderes Lebensgefühl“, sagt er. MAnnHeIM. Arbeitnehmervertreter beobach- ten seit einiger Zeit, dass Firmen verstärkt Werkverträge einsetzen, also Arbeiten an ex- terne Firmen vergeben. Laut einer Umfrage der Gewerkschaft nahrung-Genuss-Gaststät- Gehalt: Zuschläge bringen teils ten unter Betriebsräten ersetzen Werkverträ- ge in der ernährungsbranche zunehmend deutliches plus Leiharbeit. Problematisch sei daran, dass Be- schäftigte, die über Werkverträge arbeiteten, Bald mehr geld für viele oft schlechter bezahlt würden als Leiharbeiter. Im Vergleich zur Stammbelegschaft erhielten leiharbeiter sie im Schnitt sechs euro weniger pro Stunde, Leiharbeiter „nur“ fünf euro weniger. „Seit MAnnHeIM. Anfang der Woche haben sich der Missbrauch von Leiharbeit begrenzt wer- Leiharbeitsbranche und IG Metall auf Zuschlä- den konnte, haben die Arbeitgeber mit den ge für Leiharbeiter in der Metall- und elektro- Werkverträgen ein neues Modell der Ausbeu- industrie geeinigt. Davon profitieren nach An- tung gefunden“, so Claus-Harald Güster von gaben von Reinhold Götz, Chef der IG Metall der nGG. Auch die IG Metall in der Region be- Mannheim, auch zahlreiche Beschäftigte in obachtet das mit Sorge. So sei es in ordnung, der Region. Allein in seinem Bezirk seien der- wenn ein Betrieb ein Gebäude auf seinem zeit 1500 bis 2000 Leiharbeiter in der Branche Gelände von einer Fremdfirma errichten -las tätig. se. Würden aber Tätigkeiten aus dem Kernge- etwa ein Drittel davon arbeitet laut Götz be- schäft über Werkverträge abgewickelt, sei das reits in Betrieben, die Leiharbeiter zumindest ein Problem. „Die Mitbestimmungsrechte des in Teilen ähnlich bezahlen wie die Stamm- Betriebsrats sind hier gleich null. Sie können belegschaft. Für sie ändere sich durch die nicht kontrollieren, zu welchen Bedingungen Zuschläge deshalb eigentlich nichts. „Für die diese Menschen beschäftigt werden“, so Rein- restlichen zwei Drittel bedeutet das aber po- hold Götz, Chef der IG Metall Mannheim. 43

Susanne Stiefel erschienen in „Kontext: Wochenzeitung“, am 13.04.2011 im weinBerg Der macHt Geboren 1957 Chefreporterin von „Sonntag Aktuell“ bis es gibt orte, die die Fantasie anregen. magische orte. die trauminsel 2010, Buchautorin („Lebenskünstlerinnen sansibar etwa, die die deutschen angeblich gegen Helgoland einge- unter sich“, Rowohlt-Verlag), Dozentin am tauscht haben, was aber längst als moderne legende entlarvt ist. IfP München und der Reportageschule Günter Dahl in Reutlingen, freie Autorin das tadsch mahal, dieses imposante mausoleum für eine indische prin- u.a. für „Brand eins“ und „Chrismon“, zessin. oder eben das Weinberghäuschen der iHK in stuttgart, das hier Mitglied der Reportageagentur „Zeiten- nur Weinberghäusle heißt. spiegel“.

Hier auf halber Höhe des Stuttgarter Kessels tatort für das Bahnhofsprojekt gibt man sich äußerlich schwäbischbeschei- den. Doch drinnen soll es – hui! – so richtig „natürlich waren auch schon Frauen da“, be- zur Sache gehen. Sagen manche, die schon kräftigt Andreas Richter, „zum Beispiel Tanja drin gewesen sind. Und viele, die nie rein- Gönner, die Umweltministerin.“ Doch, und kommen werden. Über die wichtigen Projekte darauf legt der IHK-Hauptgeschäftsführer des Landes werde dort beraten. Ein off enes Wert, das sei erst im november vergangenen Gespräch zwischen den entscheidungsträ- Jahres gewesen. nach, „ich betone: nach“, der gern aus Wirtschaft, Politik und Medien soll Schlichtung zu S 21 unter der Regie von Hei- es dort geben, streng geheim natürlich, unbe- ner Geißler. So viel Klarstellung muss sein im einträchtigt von aller lästigen politischen Kor- Jahr der engagierten Bürgerproteste. rektheit. es braucht nicht allzu viel Fantasie, Beim Aufruhr um die Tieferlegung des Stutt- um sich solche Runden in einem Bundesland garter Bahnhofs werden auch IHK-Verantwort- vorzustellen, das fast 58 Jahre lang von der liche zurückhaltend, allerdings nur in der For- gleichen Partei regiert wurde. Man kennt sich. mulierung. Die Position der Kammer hingegen ist klar: pro Stuttgart 21. Das schrieb sie sich Da ist etwa Hans Peter Stihl, Sägenfabrikant sogar auf die Fahnen („S 21 – mehr Jobs, mehr und langjähriger IHK-Präsident, Dieter Hundt, Tempo, mehr Stadt“), die vor dem Geschäfts- Unternehmer und Arbeitgeberfunktionär, Jür- gebäude wehten. Die muss sie jetzt allerdings gen Off enbach, langjähriger Chefredakteur ganz schnell auf richterlichen Beschluss hin der „Stuttgarter nachrichten“, der heute unter einholen. Der neuen grün-roten Regierung hat dem Namen „ok“ (Off enbach Kommunikati- die Kammer übrigens schon einen Tag nach on) ein Büro betreibt, dessen Zielsetzung im der Wahl ihre Unterstützung angeboten. Man online-Auftritt so formuliert ist: „Damit es gut will ja weiter dabei sein. läuft, braucht es einen Lotsen im magischen Bekannt wurde das IHK-Häusle durch den Dreieck zwischen Wirtschaft, Politik und Streit über Stuttgart 21, der längst eine ganze Medien.“ ein Schelm, wem hier die Fantasie Stadt spaltet. es war auch schon Kulisse für durchgeht. den „Tatort“ und für Theaterstücke, doch vor allem steht es symbolisch als Tatort für das Über Inhalte wird nur in Andeutungen gespro- Bahnhofsprojekt. Hier oben, mit ausgeruhtem chen. Man fühlt sich geehrt, wenn man zu den Blick auf den Talkessel und den Kopfbahn- geladenen Auserwählten gehört, wenn die In- hof, soll der entschluss vorbereitet worden dustrie- und Handelskammer 14 Jünger zum sein, den Bahnhof samt Gleisen im Stuttgar- Abendmahl über den Dächern von Stuttgart ter Untergrund zu versenken. Hier sollen sich lädt. In diesen Kreisen weiß Mann: Der Gen- die Herren aus den Redaktionen, von der IHK, tleman schweigt und genießt. Übrigens: es Bahn und Politik zwei, drei Gedanken darü- sollen auch schon Frauen dort gewesen sein. ber gemacht haben, wie man dieses Vorhaben 44 voranbringen kann, das sie für einen großen unangenehm gewesen. Inzwischen finden die Fortschritt halten, weil es Stuttgart endlich Bedienungen Unterschlupf in einer angebau- mit dem Rest der Welt verbindet. Dass hier ten kleinen Küche, wenn drinnen in Geheim- im rustikalen Gewölbekeller bei Wein und in nissen gekramt wird. harmonischem Dreiklang von Wirtschaft, Po- litik und Medien etwa zwei-, dreimal im Jahr auch der master of Disaster ein „Gedankenaustausch“ stattfindet, gibt Andreas Richter gerne zu Protokoll. Doch dass war schon drin hier Mitte der 90er-Jahre auf das umstrittene Uli Maurer war auch schon drin. Zu Zeiten Projekt S 21 eingeschworen worden sei, weist der Großen Koalition durften Maurer als SPD- der Mann, der seit 1998 die IHK-Geschäfte Fraktionschef und Dieter Spöri als SPD-Wirt- führt, vehement zurück. „Das ist doch alles an schaftsminister auch mal mitspielen. Das war den Haaren herbeigezogen“, wettert Andreas Mitte der 90er-Jahre und lange bevor der bul- Richter, der früher Wirtschaftsressortleiter der lige Mann, den seine Mitarbeiter nur „Master „Stuttgarter Zeitung“ war. Dass man mal drü- of Disaster“ nennen, bei den Linken und im ber gesprochen habe, kann und will er jedoch Bundestag gelandet ist. Uli Maurer war neu- nicht ausschließen. gierig, und womöglich fühlte er sich auch ein bisschen geschmeichelt. Im Gewölbekeller im „es soll halt niemand wissen, Weinberghäusle hoch über Stuttgart stellte er dass die da gewesen sind“ fest, dass da alle munter mitmischten. Da wur- den Projekte eingetütet, von der Wirtschaft in- nicht gesprochen wird darüber, wer denn nun itiiert, von der Politik auf den Weg gebracht, zu dem starken Dutzend gehört, das die IHK von den Medien begleitet. „Mir blieb die Spu- zwei-, dreimal im Jahr zum erlauchten Treffen cke weg“, sagt Maurer heute. „So macht man lädt. „nur so“, meint der Hauptgeschäftsfüh- also Politik, hab ich gedacht.“ rer, „könne man sich schließlich unbeküm- Die einen sehen „Keinen Filz weit und breit“ mert austauschen“. Geheime Treffen also, bei hier im Weinberg, so schrieb es der Politikres- denen keine namen genannt und nicht foto- sortleiter der „Stuttgarter nachrichten“, für grafiert werden darf? „Geheim, geheim, was den das Weinberghäusle von 100 Gründen, heißt schon geheim?“, fragt Richter zurück. Stuttgart zu lieben, der 92ste ist. Andere mut- „es soll halt niemand wissen, dass die da ge- maßen, dass dort oben viel effektiver Politik wesen sind.“ Kein Wunder, dass die Fantasie gemacht wird als im Landtag, wie der „Stern“- das Häuschen umrankt wie die Reben. Vor Journalist Hans Peter Schütz in seinem Artikel allem in der hitzigen Diskussion über S 21, „Fahrt auf schwäbischem Filz“, der hier oben in der sich die Gegner nicht nur einmal von den Grund dafür gefunden haben will, warum ihrer Regierung und den örtlichen Zeitun- die Stuttgarter Medien das Projekt S 21 so lan- gen verschaukelt fühlten. Hier soll also alles ge so freundlich begleitet haben: weil sie hier angefangen haben? „Wenn Sie das hier oben im Weinberghäusle Mitte der 90er-Jahre mit gesehen haben, dann kühlt Ihre Fantasie ab“, den Chefs von CDU und SPD und einflussrei- sagt Andreas Richter. Zum Abkühlen also hin- chen Wirtschaftsbossen zusammengesessen aufgestiegen auf den Kriegsberg. seien, als der Zug auf die Schiene gesetzt wur- Das Gewölbe ist rustikal, roter Sandstein, de, wenn das Bild noch erlaubt ist. „Wir muss- einfache Stühle, Holztisch. eine intime Atmo- ten nicht eingenordet werden“, sagt ein leiten- sphäre ist schon allein durch die Größe sicher- der Redakteur, der mit dabei war, „wir waren gestellt, alles leer heute, nur der IHK-Haus- doch voll begeistert.“ es war die Zeit des Mau- meister Michael Fritz ist da und schließt auf. erfalls, die Achsen hatten sich verschoben, Kaum zu glauben, dass hier in diesem klei- und viele Lokalpatrioten fürchten, von der nen Raum 14 Menschen Platz finden sollen. Mitte europas an den Rand gedrängt zu wer- Hier kann man sich nahekommen. Vor dem den. es war die Geburtsstunde der legendären Häusle liegen wie mit dem Lineal gezogen die Magistrale Paris-Stuttgart-Bratislava. IHK-eigenen Reben. 70 Ar stadtnahe Reben, Und es war vor Andreas Richters Zeit als erklärt Hausmeister Fritz, aus denen jährlich Hauptgeschäftsführer. nun ist sein Häusle etwa 7000 Flaschen IHK-Riesling und IHK- also durch S 21 berühmt-berüchtigt geworden. Trollinger gepresst werden. Hübsch gelegen nervt Sie das, Herr Richter? „Für die IHK ist zwischen Chinesischem Garten, einem Relikt das super“, sagt Richter, „wenn im ‚Stern‘ und der Internationalen Gartenschau, und dem anderswo geschrieben wird, wie viel Macht Züblin-Weinberg, „die haben ein größeres die Kammer hat. Was mich stört, ist höchs- Häusle“, sagt der Hausmeister. Da schwingt tens, dass das alles frei erfunden ist.“ nicht ein bisschen neid mit. Der alte Bahnhof, der erfunden jedenfalls ist die abschließende An- Bonatzbau, liegt in seiner ganzen Pracht zu sage des IHK-Geschäftsführers: „2012 werden Füßen des Weinbergs. wir hier oben sicher darüber nachdenken, wie Michael Fritz weiß, dass „genau unter uns ein guter oB für Stuttgart aussehen kann.“ es durch“ der Tunnel gegraben werden soll, ist ja nicht so, als ob man nicht mitmischen durch den die tiefergelegte Bahn dann rau- wollte. Womöglich werden demnächst auch schen soll. er weiß auch, dass die Bedie- die Herren Kretschmann und Schmid hier nungen früher noch vors Häusle geschickt oben sitzen. Aber, pardon, das ist jetzt wirk- wurden, nachdem sie den Herren tüchtig ein- lich pure Fantasie. geschenkt hatten, damit die drinnen ungehört Zur Seite unseres Fotografen Andreas Langen: tagen konnten. Bei Regen sei das besonders www.dieargelola.de 45

Uschi Strautmann Gesendet im: „SWR Fernsehen BW“, am 21.03.2012

Stark reDUZiert – Geboren 1961 1981 Abitur aUSVerkaUF Bei ScHlecker 1982 – 1988 Studium Politik- und Musik- wissenschaften in Kiel und in Freiburg i.Br. 1988 Abschluss Magister Artium an der Sie fi nden den Fernsehbeitrag auf der beiliegenden DVD Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. oder unter www.willi-bleicher-preis.de (Note 1,5) 1990 – 1992 Feuilleton-Redakteurin bei der Neuen Osnabrücker Zeitung 1992 – 1994 Volontärin bzw. dann Redak- teurin in Ausbildung beim SDR-Fernsehen in Stuttgart 1994 – 1995 Reporterin/Redakteurin FS- Nachrichtenredaktion SDR-Fernsehen 1996 – 1998 Reporterin/Redakteurin FS-Nachrichtenredaktion mit Schwerpunkt Landespolitik/SDR/SWR-Fernsehen Seit 2000 landespolitische Korresponden- tin 2002 Wechsel in die Redaktion ARD aktu- ell/SWR-Fernsehen 2003 ARD-Korrespondenten-Vertretung in Südamerika (Buenos Aires/Rio de Janeiro)/ SWR-Fernsehen 2005 ARD-Korrespondenten-Vertretung im ARD Hauptstadtstudio Berlin 2006 ARD-Korrespondenten-Vertretungen in Kairo seit 2006 regelmäßige Abwesenheits- vertretung des Redaktionsleiter bei ARD aktuell/SWR seit Okt. 2007 Abteilungsleiterin Baden- Württemberg Information, verantwortlich für die Bereiche: ARD aktuell, Landespo- litik/Zur Sache Baden-Württemberg und Landesschau aktuell seit Aug. 2010 stellvertretende Chefredak- teurin Fernsehen beim SWR 46

Stefan tiyavorabun Gesendet im: „SWR Fernsehen BW“, am 04.08.2011

märklin – moDell einer Pleite

Sie fi nden den Fernsehbeitrag auf der beiliegenden DVD oder unter www.willi-bleicher-preis.de 47

thomas Veitinger erschienen in der „Südwest Presse“, am 22.06.2011

GeSToPPTeR AUSVeRKAUF 1964 geboren Der Jobabbau beim Küchenhersteller Alno ist zum Stillstand gekommen, der Firmensitz kehrte 1983 Abitur nach Pfullendorf zurück. nach langem Bangen herrscht Zuversicht. 1984-90 Studium Politikwissenschaft und Soziologie Tübingen und Harare, Simbabwe kocHen aUF kleiner Flamme 1990-93 Volontariat und Redakteur Eßlin- pfullendorf und alno schöpfen wieder Hoff nung ger Zeitung 1993-99 Freier Journalist u.a. dpa, alles soll besser werden – wieder einmal. seit mehr als zehn Jahren Eßlinger Zeitung, Wirtschaft Regional, versucht Küchenhersteller alno, ein rezept gegen den niedergang zu Stuttgarter Zeitung seit 1999 Wirtschaftsredakteur Südwest fi nden. mitarbeiter und standort pfullendorf litten. nun ist ein neuer Presse Chef da.

Pfullendorf. Der Ficus Benjamini am eingang nothdurft. Da geht es los mit den Verlusten. ist längst vertrocknet und hat seine grauen Der Trend zu Billig- oder individuellen De- verkrümmten Blätter auf dem Boden ver- signer-Küchen macht dem Unternehmen zu streut. Ins Großraumbüro fällt gedämpftes schaff en. Alno hinkt hinterher. Der Küchen- Sonnenlicht durch braungetönte Scheiben. bauer hat sich verzettelt. Kapital fehlt. Die Stempel, Stifte, Anrufbeantworter und Büro- Mitarbeiter bekommen immer weniger Auf- klammern liegen voneinander getrennt auf träge. Vertriebswege sind nicht optimiert, das zusammengeschobenen Tischen. nur das Produktprogramm nicht straff genug und die Summen eines elektrogeräts ist zu hören. Das Werbung unzureichend. Von den 1200 herge- Verwaltungsgebäude von Alno ist verlassen. stellten Artikeln steuern 300 nur 1 Prozent des es erzählt von einer besseren Zeit, als in Pful- Umsatzes bei. „Vor allem die ersten entlassun- lendorf noch 2400 Mitarbeiter Küchen zusam- gen in den 90er-Jahren waren verheerend“, menbauten und in dem nun verlassenen Bau heißt es in einem Laden, in dem gerade nur den Vertrieb kontrollierten. Von einer Zeit, als eine Kundin zu sehen ist. „Das Weihnachtsge- das Unternehmen an die Börse ging und einen schäft brach total ein und zwar nicht nur bei emissionskurs von 59 DM aufs Parkett legte, den Kunden, die mit Alno zu tun haben. Die sich Weltmarktführer bei Küchen nannte und schlechte Stimmung steckt an.“ Im Rathaus ist es der von Alno gesponserte örtliche Fußball- es still. sämtliche Stühle vor dem Bürgerzen- verein fast bis in die 2. Bundesliga schaff te. trum sind unbesetzt. Alno gelangt schließlich im Jahr 2003 an eine Schwelle. Das Symbol In der Innenstadt mit seinen schmucken des deutschen Wirtschaftswunders beschäf- Fachwerkhäusern stehen heute viele Ge- tigt in Pfullendorf nur noch 1000 Mitarbei- schäfte leer. Gegenüber dem Rathaus ist in ter. einen weiteren Stellenabbau soll es nicht einem Schaufenster „Zu vermieten“ zu lesen. geben, verspricht die damalige Geschäftslei- Büroräume werden off eriert. an einem Mo- tung. Indien, China und die Türkei werden ins degeschäft sind Scheiben abgeklebt. eine Visier genommen. Doch die Talfahrt geht wei- Hand- und Fußnägelkosmetik lockt mit „Lust ter. nachdem Alno 2006 zehn Jahre Verluste auf Schönheit“, nicht weit davon entfernt ist in Folge geschrieben hat, kontrolliert der Fi- eine Pizzeria ausgezogen, die Fenster sind nanzinvestor German Capital rund 75 Prozent schwarz. es gibt ein-euro-Geschäfte und ein des Kapitals. Der Marktanteil sinkt beständig. Spielcasino. Kaum jemand ist in den Gassen im Jahr 2008 gibt es nur noch 600 Mitarbeiter unterwegs. ein Wegweiser zeigt „Berlin 750 in Pfullendorf. Zwei Jahre später werden 13 km“ und Stuttgart 160 km“. Mio. € Verluste geschrieben. eine Kapitalerhö- Die Krise bei Alno bahnt sich 1997 an, nach hung ist nötig. An einem Mangel von Konzep- dem Tod des Unternehmensgründer Albert ten und Austausch von Führungskräften kann 48 die nachhaltige erfolglosigkeit nicht liegen. und der Schweiz gebe es riesige Märkte. Auch Der Pfarrer Die Chefs wechseln schnell: Raimund Denk, der Manager des Sportclubs Pfullendorf, Her- Frank Gebert, Georg Kellinghausen. Jörg Dei- mann Stengele, ist optimistisch. „Als ich 1995 evangelischer Pfarrer Hermann Billmann: sel. Die Sanierungsprogramme tragen namen eingestiegen bin, kamen 90 Prozent der Spon- „Früher war eine gewisse Kaltschnäuzigkeit wie „Futura“ ,,Alno Fit“ und schließlich „Alno sorengelder von Alno. Das war ungesund.“ da. Argumente für den Standort Pfullendorf 2013“. Letzteres überspannt den Bogen für Die Partnerschaft reicht bis ins Jahr 1973 zu- wurden einfach vom Tisch gewischt. Wir ha- viele Mitarbeiter, Bürger und Kunden völlig: rück, das Stadion trug sogar den namen Alno- ben schon mit der Liquidation gerechnet. Die Der Firmensitz wird nach Düsseldorf verlegt, Arena. Menschen hier haben furchtbar unter dem die Musterküchen-Ausstellung verschwindet, Druck gelitten. Die Familie, das Haus, ja, die Der Anteil am Sponsoring wurde gesenkt. das Fußball-Sponsoring wird eingestellt. Die existenz stand auf dem Spiel. Mitarbeiter wur- „Glücklicherweise“, wie Stengele heute sagt. Mitarbeiterzahl soll in Pfullendorf auf 250 bis den danach ausgesiebt, wie viel sie leisten. „Sonst hätten wir ein Riesenproblem gehabt.“ 300 sinken. „Das wäre wohl das ende für den Alle dachten deshalb, sie müssten ihr Soll 2009 verabschiedet sich Alno vom örtlichen Standort gewesen“, sagt Betriebsrat Hermann übererfüllen. Ich habe mit vielen Mitarbeitern Fußballverein - um Hauptsponsor der deut- Zweifel heute. Die beiden Kirchen in Pfullen- gesprochen und kam oft sehr bekümmert nach schen Frauenfußball-nationalmannschaft zu dorf schreiben einen offenen Brief an Alno- Hause. Wir haben einen Arbeitskreis gegrün- werden. Aber auch dieses engagement wird Chef Deisel, erklären sich solidarisch mit den det. Da freut man sich jetzt über eine andere pünktlich vor der Frauenfußball-WM aufge- Mitarbeitern. Sichtweise und eine komplett andere Sprache. kündigt. „Jetzt, nach dem Chefwechsel bei Die Stimmung ist total anders.“ Alno würden wir uns natürlich einen Wieder- „man muss ihm eine Chance geben“ einstieg als Sponsor wünschen“, sagt der Ma- ein „Gemeindebrief“ der evangelischen Kir- nager. „Ich glaube an die Zukunft von Alno.“ chengemeinde zu Weihnachten 2010 zeigt das Heilige Paar; Schreiner Josef arbeitet an Küchen. es gibt eine Demonstration mit etwa 2000 Menschen auf dem Marktplatz. Der Förderer ein Mädchen trägt dabei ein Schild um den Pfullendorfs Wirtschaftsförderer Tobias Wedi: Hals: „Mein Papa braucht Arbeit.“ Doch al- „Alno ist gleich Pfullendorf. Das Werk hat hier les scheint umsonst: Im Sommer des Jahres Der Produktionsleiter einen hohen Stellenwert. Wir haben 13 000 2010 fallen weitere 150 Arbeitsplätze weg. einwohner und 6000 Arbeitsplätze, da sind Aber dann geschieht etwas, was für viele Produktionsleiter Manfred Schwellinger: „Un- knapp 700 Arbeitsplätze von Alno schon eine Pfullendorfer wie ein kleines Wunder ist: ser neuer Chef Max Müller hat sich anfangs Hausnummer. Die Tendenzen zum Kahlschlag Der neue – aktuelle – Chef Max Müller kippt viel Zeit genommen. Herr Müller hat sich nicht waren in der Vergangenheit da. Anfragen und die Abbaupläne, holt den Firmensitz ins nur eine Führung geben lassen und danach Vorstöße von uns wurden geblockt. Die Stim- oberschwäbische zurück und fasst entschei- die wirtschaftlichen Zahlen angeschaut, son- mung in der Stadt ist mittlerweile etwas lufti- dungen seines Vorgängers in einem Wort zu- dern er wollte alles ganz genau wissen. Auch ger geworden. Aber es ist noch zu früh zu sa- sammen: „idiotisch“. „es muss aufhören mit die Zusammenhänge. Warum Hallen leer ste- gen: „es wird grundsätzlich alles anders. Wir Restrukturierung. nach fünf Jahren ist es ge- hen etwa. Außerdem hat er sein Konzept allen haben viele leer stehende Geschäfte. Das liegt nug. Wir müssen endlich unsere Arbeit richtig sehr schnell auf einer Betriebsversammlung aber auch an ansteigenden Wegen und klei- machen“, erklärt Müller. „Man muss ihm eine erläutert. er hat das Know-how dazu. Herr nen Läden. Die Lage von Pfullendorf ist nicht Chance geben“, sagt Manfred Graf, der in der Müller honoriert unsere Arbeit auch, das ist grundsätzlich schlecht, das beweist auch, Alno-Produktion arbeitet, heute. „Wenn er nur gut. Wenn ich heute durch den Betrieb gehe, dass der Sanitärtechniker Geberit hier sitzt.“ einen Teil davon wahr macht, wäre es schon werde ich nicht gesteinigt. es wird derzeit gut“, lächelt er vieldeutig. „Wir wurden immer auch besser, wir arbeiten sehr flexibel. Es gibt wieder belogen“, fügt ein anderer Mitarbeiter mehr Auftragseingänge, wir können die ersten hinzu. „Unserer Zukunft ist sicherer, solange Früchte schon ernten. Wir sind in einem Ver- jemand da ist und Geld reinbringt und nicht änderungsprozess.“ nur rauszieht.“ geschichte des Unternehmens Seit 1993 ist Müller Verwaltungspräsident bei zwei Schweizer Investoren. Durch Starlet In- Alno gibt es schon seit mehr als 80 Jahren. Der vestment flossen über eine Kapitalerhöhung namen kam von einem Gründer Albert noth- 15 Mio. € ins Unternehmen. er wolle Alno erst durft, der in Wangen bei Göppingen 1927 eine dann wieder verlassen, wenn es gut laufe, be- Schreinerwerkstatt gründete. nach dem Um- tont Müller. ein Passant vor einem einkaufs- zug nach Pfullendorf konnte er in den 60er- zentrum macht sich dennoch Sorgen: „Die Der Betriebsrat Jahren Umsatz und Mitarbeiterzahl sprunghaft Stadt ist überaltert. Die Jungen ziehen weg. steigern. In den 70er- und 80er-Jahren kamen Man merkt Pfullendorf an, dass es ausblutet“, Betriebsrat Hermann Zweifel: „Bei Verhand- Gesellschaften im europäischen Ausland und erklärt der arbeitslose Ingenieur, der – wie lungen zum jüngsten Stellenabbau war unser die Gründung weiterer Marken hinzu. 1995 andere auch – seinen namen nicht nennen alter Vorstandschef Herr Deisel nur einmal da- ging Alno an die Börse. will. „Ich kenne viele Arbeitslose. die einmal bei. Dabei ging es doch um hunderte von Ar- bei Alno beschäftigt waren. Sie hängen rum, beitsplätzen. Die Schicksale waren ihm völlig Heute gibt es vier Produktionsstandorte in bewerben sich. Was man halt so macht.“ Die egal. Aber Wertschöpfung ist eben nicht alles. Deutschland (Brilon, enger, Klieken, Pfullen- 15 Mio. € neues Kapital von Max Müller reich- In zwei Jahren stelle ich mich nicht mehr zur dorf) und acht Tochtergesellschaften im Aus- ten nur aus, Löhne für drei Monate zu zah- Wahl. Wirklich gute Zahlen habe ich nur in den land. Mit 1900 Mitarbeitern und 493 Mio. euro len. Alnos Personalleiter Stefan Seide wider- ersten Monaten meiner Amtszeit erlebt. Danach Umsatz ist Alno der zweitgrößte Hersteller von spricht. „Ich bin verhalten zufrieden mit dem gab es immer wieder Abbau, auch bei den Lehr- einbauküchen in Deutschland. Die Marken Geschäftsverlauf“. Die Perspektive des Unter- lingen. Aber trotzdem habe ich mich zusätzlich sind: Alno, Wellmann, Impuls und Pino. nehmens sei „ganz gut“. Im Inland herrsche auch im Stadtrat engagiert. Man darf den opti- ein Verdrängungswettbewerb. „Ich kämpfe mismus im Leben nicht verlieren, sonst ist man jeden Tag mit Zulieferern.“ Im Ausland aber, verloren. Kraft für meine Arbeit sammle ich bei in der Türkei, Russland, Frankreich, Spanien Spaziergängen mit meiner Frau.“ 49 küchenhersteller haben es heute nicht leicht

Küchen zu bauen ist in der heutigen Zeit nicht ganz einfach, weiß der Geschäftsführer der Deutschen Küchenmöbelindustrie, Lucas Heumann. „Die Zahl der Küchenhersteller hat sich im Laufe der Jahre auf nur noch 50 halbiert.“ Der Branche machen Sättigung, Überkapazitäten, eine harte Verdrängung zu schaffen, bis zum Jahr 2012 sinkt auch die Zahl der fertiggestellten Wohnungen. Auch die Bevölkerung nimmt ab. „Zudem schließen sich in den vor- und nachgelagerten Stufen Unternehmen zusammen und bilden ein- kaufsverbände etwas bei Spanplatten oder beim Verkauf und nehmen so Einfluss auf die Preise“, erklärt Heumann. Die Küchenherstel- ler dagegen dürften sich nicht zusammentun, dann entstehe schnell ein verbotenes Kartell. Dazu kommt eine exportschwäche. „ende der 80er-Jahre gab es bei den europäischen Möbelbauern Wirtschaftskrisen. nur nicht bei den deutschen, die von der Wiedervereini- gung profitierten.“ Viele Familien in den neu- en Bundesländern kauften deutsche Küchen ein. Während sich etwa die Italiener auf den export konzentrierten, lag dieser hierzulande bei 12, 13 Prozent. „Wir haben den export ver- schlafen und müssen jetzt aufholen.“ Heute betrage die exportquote schon knapp 40 Pro- zent. Zu einzelnen Unternehmen äußert sich Heu- mann nicht. nur so viel sagt er zu Alno: „Wer weiß schon, wie es bei den anderen Unter- nehmen hinter der Fassade aussieht? Alno ist durch die Börsennotierung publizitätspflich- tig, hier ist alles sehr transparent.“ 50

44 WIRTSCHAFT WELT AM SONNTAG NR. 50 11. DEZEMBER 2011 Zeitarbeit WILLI für immer Sie sollen den Unternehmen Flexibilität bringen. Doch der Automobil- Zulieferer Marquardt setzt Zeitarbeiter vor allem ein, weil sie billig sind. Der Firmenchef steht dazu: Denn sonst würden5 die Jobs verschwinden

T 14 Prozent der Beschäftigten und eine Haube tragen, erledigen Ar- Marquardt, könne er die Produktion und beitsschritte, für die Maschinen entwe- die Arbeitsplätze in der Region halten. sind Zeitarbeiter, sie verdienen der nicht geschickt genug oder zu teuer 350 Zeitarbeiter beschäftigt er, das sind 40 Prozent weniger als die sind. Es sind einfache Handgriffe, die 14 Prozent seiner Belegschaft. Bei Mar- regulär Angestellten man schnell lernen kann. quardt ist die billigere Zeitarbeit und da- Das weiß auch Harald Marquardt,11. ge- DEZEMBERmit das Abweichen 2011 vom TarifWELT Teil desAM SONNTAG NR. 50 T Die IG Metall spricht von schäftsführender Gesellschafter des Un- Geschäftsmodells geworden. Damit WIRTSCHAFT 45 ternehmens, das hier im schwäbischen macht er sich nicht beliebt: „Sklavenhal- „Sklavenhaltung“. Marquardt Rietheim-Weilheim seinen Hauptsitz tung“ sei das und ein Skandal, schimpft sagt, er könne ungelernten hat. „Es wäre wirklich ein Leichtes, diese Walter Wadehn, Erster Bevollmächtigter Arbeitern nicht mehr zahlen ganze Halle über Nacht an unseren der IG Metall Albstadt. Marquardt miss- Standort in Rumänien zu verlagern“, brauche die Zeitarbeit: Er wolle keine sagt er. „Mit Mann und Maus!“ Das Auftragsspitzen abfedern, sondern „be- „Es wäre wirklich eingesetzten Leichtes, diesesie schlechtganze Halle behandelt. über Nacht Bei an unseren Standort in Rumänien zu verlagern“, sagt„Das Harald bringt so viel Unruhe ins Unter- Die Marquardt GmbH konkurriert heute meint er nur bildlich, denn Wioletta wusst eine Niedriglohnlinie einziehen“. FLORA WISDORFF Marquardt sei das anders. ZYKLISCH nehmen, das können Sie sich gar nicht weltweit und ist an neun Standorten in- RIETHEIM-WEILHEIM Dwernicka würde natürlich nicht mit- Die Zeitarbeit hatte in Deutschland Jemand ohne Qualifikation wie Fa- vorstellen.“ Piovanos Meinung ist ge- ternational vertreten. Harald Marquardt BLEICHER kommen. Eine Rumänin würde dann ih- schon immer ein Schmuddel-Image – gibt es heute, das sind etwa zwei bienneProzent Mehl Ankommt dieser an Glaubensfrageder Zeitarbeit entzündetAls Versicherunggar nicht gegen mehr Krisenkommen.“ hat Schonspalten, zu die- was die Präsenz der vielen Zeit- muss viel reisen. So stark wie sein Vater irekt neben dem ren Job machen, für weniger Lohn. und auch ihre Liberalisierung und Aus- der Erwerbstätigen. kaum noch sichvorbei die – auchhitzige in Debatteeiner Zeit, über in die Zeitar-sich diesem Zeitarbeit Zeitpunkt bewährt hat er ein Druckmittel,arbeiter angeht. Einerseits findet er es kann er sich nicht am Stammsitz enga- Prüfgerät arbeitet Dabei gehört Dwernicka ohnehin weitung im Zuge der Hartz-Reformen Marquardt ist zwar ein extremesder quasiBei- Vollbeschäftigungbeit: Ist sie, gerade herrscht. weil über In sie niedrige das die Ankündigung glaubhaftungerecht. macht: Doch er sagt auch: „Wir brau- gieren. Wioletta Dwernicka. schon zur untersten Lohngruppe: Ob- hat das bisher kaum verändert. Im Ge- spiel. In der gesamten Metall- undder Elek- hügeligenLöhne Region möglich bei sind, Tuttlingen, ein Einstiegstor in 2005 wurde das Werk in Rumänienchen Flexibilität.“er- Er hat den Einzug der Er will sein Erbe aber nicht verspielen. Im grellen Licht des wohl die Frau die gleiche Arbeit genteil: Die Debatte um den Miss- troindustrie, einem der Hauptarbeitge-dem Zentrumdie der Beschäftigung Medizintechnik, für inschlecht der qualifi-Ihr Boom öffnet.kam mit Dortden Hartz-Refor- arbeiten angelernteZeitarbeit Kräfte in den vergangenen Jahren Gerade hat die Marquardt GmbH zum „A-Werks“, des verrichtet wie fest angestellte brauch, von den Gewerkschaften ber von Zeitarbeitern, machen ansie jedemfünf Ortseingangzierte Arbeitnehmer, gleich mehreredie sonst arbeitslosmen: Die neuenfür ein Arbeitsmarktgesetze Achtel des deutschen Tariflohns.mitgetragen, auch weil die Zeitarbeiter dritten Mal eine Auszeichnung dafür be- Werks für Automo- Mitarbeiter, bekommt sie we- als Kampagne erfolgreich insze- Prozent der Beschäftigten aus. DochFabrikhallen die wären? stehen, Oder liegt nutzendie Arbeitslo- Unternehmermachten wie inSeine Deutschland Drohung möglich, wirkt: was Die meistendie Stammbelegschaft Be- schützen. Doch kommen, besonders viele Behinderte zu bilsysteme, bauen Ar- niger Geld. Dwernicka ist niert, hat seit dem Ende der Fi- Gewerkschaften haben Angst, dasssenquote das beiMarquardt nur 2,7 Prozent,sie als Möglichkeit,doch die umin denihre meistenschäftigten EU-Ländern werden längst zu Zeitarbeitern.nun wird es ihm zu viel. Neulich wollte beschäftigen. Auch der Bürgermeister beiterinnen wie sie leise Schalter und Zeitarbeiterin. Statt der 1900 nanzkrise wieder an Fahrt aufge- Beispiel Schule macht: Marquardtmeisten ist offenenPersonalkosten Jobs sind zu für drücken? Qualifi- Praxis war – diePikant unbürokratische dabei ist vorund allem, Marquardtdass die die Sechs-Tage-Woche ein- pries Harald Marquardt bei der Preisver- SchlüsselD zusammen. In Dwernickas Euro brutto, die der Tarifver- nommen. Die Zeitarbeiter, die Vorstandsmitglied im Arbeitgeberver-zierte. 80 ProzentIn Rietheim-Weilheim der meist ungelernten hält die Zeitar-zeitlich unbegrenzteMitarbeiter Nutzung sich von der MarquardtsZeit- führen ehema- und brauchte grünes Licht von leihung für seine soziale Verantwortung. Montagezelle werden Fensterhebe- trag der Metall- und Elektro- während der Rezession gehen band. „Dort geht er mit seinemLangzeitarbeitslosen Ge- beit im Jahr gelangen 2007 Einzug. in der Re-Das Unterneh-arbeit. Die ligemZahl der Personalchef Beschäftigten, anstellen die lassenihm. Piovanosol- sagte: „Nur wenn es eine Auch für seine hohe Ausbildungsquote Schalter für die Mercedes S-Klasse gefer- industrie ohne Schichtzu- mussten, sind wieder eingestellt schäftsmodell hausieren“, sagt gionIG-Me- nur übermen diesteht Zeitarbeit unter immer an einengrößerem Druck,von ihrem len,eigentlichen der dasArbeitgeber Zeitarbeitsunternehmen an Quote bei den Zeitarbeitern gibt.“ Die wird das Unternehmen immer wieder öf- tigt. Ihre Aufgabe ist es, die maschinelle schläge vorschreibt, be- worden, die Zahlen sind wie- tall-Vertreter Walter Wadehn, einJob, erns- sagt Sibylledie Preise Liechti, angesichts die Chefin der internationalender andere FirmenPerfact ausgeliehen im Nachbarort werden, gegründetVerhandlungen hat. scheiterten. fentlich gelobt. Der Manager sieht die Funktionsprüfung zu ergänzen: Sie zieht kommt sie gerade mal der auf dem Vorkrisenniveau ter Mann, der am Jackett einenArbeitsagentur roten Konkurrenz Rottweil. zuDie senken.Flexibilität Da hatstieg Mar- stetigDamit an, bis aufist 800Marquardt 000 kurz ein VorläuferUnbeliebt des ist Marquardt trotz seiner Zeitarbeit deshalb keineswegs als Bruch an dem kleinen, schwarzen Plastikhebel 1100 Euro pro Monat. angelangt: Rund 900 000 Button mit dem Slogan „Gleichersieht Lohn sie alsquardt Chance: eine „Die Idee: werdenEr stellt nur seine rundvor 100BeginnSchlecker-Modells, der ersten Finanzkrise. das Jahre späterVorliebe bun- für die Zeitarbeit nicht. Er ist mit der sozialen Tradition seines Unter- und beurteilt, ob sich das angenehm an- Ganze 42 Prozent für gleiche Arbeit“ trägt. Daran, eingestellt,dass die befristetwenn man beschäftigten sie auch leichtMitarbeiter, de- desweit Schlagzeilen machen wird.ein netter, zugänglicher und offener nehmens. Im Gegenteil. Sein Vater habe fühlt. Ist ihr Urteil positiv, klebt sie ei- weniger, für die glei- Wioletta Dwernicka Arbeitsplätze nach Rumänien verschwin-wieder loswird.“ren Verträge Die schlechte demnächst Bezah- auslaufen,Dann vor musstenSchondie meisten2007 läuft Zeit- die IG MetallMensch, Sturm, der keine Chefallüren hat. Nur lange Zeit flexible Heimarbeiterinnen nen Aufkleber drauf. Die Arbeiterinnen, chen 35 Stunden pro verdient 1100 Euro im den würden, wenn die Zeitarbeiterlung bes- kann aberdie auchWahl: sie „Entweder nicht gutheißen. ihr unterschreibt arbeiter gehen.es kommt Das sicherte zu Protesten vor allem und Demonstra-die goldenen Manschettenknöpfe deuten beschäftigt, die ebenfalls niedrigere Löh- die alle den gleichen weißen Schutzkittel Woche. Nur so, sagt Monat – brutto ser bezahlt würden, glaubt er nicht.Dabei führteinen dieZeitarbeitsvertrag, Zweiklassengesell- oder ihrin dürft der Metall-tionen und Elektroindustrieund viel Kritik die aus derdarauf Presse. hin, dass der 50-Jährige mit den ne bekommen hätten. „Das war der Vor- schaft im Betrieb nicht nur wegen der Stammbelegschaften ab, die trotz grauen, lockigen Haaren wohl nicht nur läufer der Zeitarbeit“, erklärt er. Er tue unterschiedlichen Bezahlung zu Unruhe. Auftragseinbrüchen blieben. Im jüngs- ein Abteilungsleiter ist. Wenn er über sich den Ärger mit der Zeitarbeit doch ANZEIGE Wenn es eine Samstagsschicht zu beset- ten Aufschwung stieg die Zahl der das Betriebsgelände läuft, grüßt er jeden nur an, um die Arbeitsplätze für Unqua- zen gibt, sagen die Festangestellten: Sol- Zeitarbeiter bis Oktober auf 900 000. mit einem „Mahlzeit“. „Marquardt ist lifizierte in der Heimatregion zu halten. PREIS len doch die Leiharbeiter schaffen. Dazu Sie stellen rund zwei Prozent der Er- kein Ausbeuter, er ist auch kein schlech- Im Herbst 2010 bekamen alle Mitarbei- kommt, dass sich viele Zeitarbeiter be- werbstätigen – weniger als in anderen ter Mensch“, sagt selbst sein größter Kri- ter eine Einmalzahlung von 1000 Euro, sonders anstrengen, und auch das führt EU-Ländern. In Großbritannien und tiker, IG-Metall-Mann Walter Foto: Marion Hunger Marion Foto: weil es der Firma damals so gut ging – zu Streit. Das Arbeitsverhältnis auf Zeit Frankreich machen Zeitarbeiter zwi- Wadehn. auch die Zeitarbeiter. setze sie unter Druck, besonders viel schen drei und fünf Prozent aus. Dort Marquardt führt das 2500- Für Marquardt gehören Fabienne

MARQUARDT AG ; FLORA WISDORFF (2) ; FLORA AG MARQUARDT Leistung zu bringen und möglichst nie gelten, anders als hierzulande, „Equal Mitarbeiter-Unternehmen in Mehl und ihre Kolleginnen also längst Marquardt, der Chef des mittelständischen 2500-Mitarbeiter-Unternehmens zu fehlen, sagt Fabienne Mehl. „Wir le- Pay“-Regeln: Zeitarbeiter und Kern- dritter Generation. Sein zum Unternehmen. Er hat sie auf eine ben jeden Tag mit der Angst vor der belegschaften werden gleich entlohnt. Vater Jakob war im Ort gewisse Art und Weise lieb gewonnen. Kündigung und tun alles, um vielleicht als wohltätiger Patriarch „Die Zeitarbeit ist eben sein Stecken- Der Firmenchef aber hält an seinem Vor- beiter sind wieder da. Fabienne Mehl, 22, übernommen zu werden.“ Darunter lei- bekannt, der viel Wert pferd“, sagt IG-Metall-Mann Wadehn haben fest. „Ich habe mich damals im ist eine von ihnen. Die kleine, zierliche, det das Betriebsklima: Viele Zeitarbeiter auf gute Beziehungen kopfschüttelnd. Und Betriebsrat Piova- Ton vergriffen, das war zu brachial“, gibt aber resolute Frau hat keine Ausbildung. sind bei den Führungskräften beliebter ZEITARBEIT BOOMT mit den Beschäftigten no spricht sogar von Marquardts „Baby“. er heute zu. In der Konsequenz sei der Insgesamt dreieinhalb Jahre ist sie schon als die Stammarbeiter. Sie sind, wie Mar- in Mio. in Mio. legte. In einem beschei- „Man kann über vieles mit ihm reden, Umbau aber genau der richtige Schritt über Perfact bei Marquardt eingesetzt. quardt sagt, „besonders gut zu führen“. 1,0 45,0 denen Häuschen auf darüber aber nicht“, sagt er. gewesen. „Ich habe so drei Millionen Eu- Sie findet es ungerecht, dass sie noch Aber auch unter den Zeitarbeitern dem Hügel direkt hinter Im kommenden Jahr wird der Chef ro im Jahr gespart.“ Das sei nötig gewe- immer weniger Geld als die Festange- kommt es regelmäßig zum Wettkampf: 0,9 44,0 den Werkshallen hat er hart um sein Steckenpferd kämpfen sen. „Wir können nicht teurer produzie- stellten verdient und jederzeit die Kün- Zwei Mal im Jahr wird ausgewählt, wer 0,8 43,0 gelebt. Harald Mar- müssen. Dann will die IG Metall in der ren, als wir verkaufen.“ digung bekommen kann. „Ich bin doch von ihnen befristet übernommen wird. quardt wohnt lieber in Tarifrunde 2012 ein Vetorecht für den Auf 450 steigt die Zahl der Zeitarbeiter dauerhaft hier und arbeite gut“, sagt sie. 30 Mitarbeiter sind es jährlich. Evdoxia 0,7 42,0 der Kreisstadt Tuttlingen. 41,55* Betriebsrat durchsetzen, und die Politik bis Ende 2008 – 15 Prozent der gesamten „Und trotzdem kann ich mir keine siche- Theocharidou gehörte im vergangenen Er übernahm die Geschäfts- droht mit einem Equal-Pay-Gesetz. Soll- Belegschaft. Dann kommt die Krise. Fast re Zukunft aufbauen.“ Dennoch gefällt Jahr zu den glücklichen Auserwählten. 0,6 41,0 führung 1996, als die Zeit der te die Wirtschaft in eine neue Rezession alle werden entlassen, und die Flexibili- es ihr bei Marquardt. Sie hat sich Mühe „Viele waren sauer, weil sie denken, sie Patriarchen sich ihrem Ende rutschen, will die Gewerkschaft Mar- 0,5 40,0 tät hilft dem Unternehmen, die Rezessi- gegeben und durfte aus der Fertigung in hätten meine Stelle verdient“, sagt sie. Zeitarbeit zuneigte und die Globalisie- quardt flexiblere Arbeitszeiten nur zuge- Erwerbstätige 3. Preis on zu überleben. Auch 100 Stammarbei- einen Bürojob wechseln. Bei Burger Betriebsrat Antonio Piovano, ein meist 0,4 39,0 rung längst den Takt vorgab. stehen, wenn er die Zeitarbeit reduziert. ter müssen gehen, doch ohne die Zeitar- King, wo sie vor ihrer Zeit bei Marquardt lachender Mann, wirkt genervt, wenn er *Stand Oktober 2011 Das alles beeindruckt den Unternehmer beiter, so Marquardt, wären es noch und während der Krise „schaffte“, ver- vom Auswahlverfahren spricht: „Ständig 0,3 38,0 „Zeitarbeiter sind besonders gut aber kaum. Sollte er nächstes Jahr neue 2007 2008 2009 2010 2011 mehr gewesen. Heute wächst der Um- diente sie mit 4,60 Euro rund drei Euro kommen Zeitarbeiter und fragen, warum zu führen“, sagt Firmenchef Mitarbeiter einstellen, ist für ihn schon QUELLE: IW CONSULT, BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT satz wieder zweistellig, und die Zeitar- weniger pro Stunde. Dort hätten die Vor- sie nicht übernommen werden“, sagt er. Harald Marquardt klar: die Hälfte fest, die Hälfte auf Zeit.

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Flora wisdorff erschienen in der „Welt am Sonntag“, am 11.12.2011

+ Geboren 1973 ZeitarBeit FÜr immer Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: 1992 - 1998 Studium - Politikwissen- schaft, Wirtschaft und Geschichte in Groß- sie sollen den unternehmen Flexibilität bringen. doch der automobil- britannien und Frankreich.

Zulieferer marquardt setzt Zeitarbeiter vor allem ein, weil+ sie billig Volontariat bei Gruner + Jahr Wirtschafts- Abgezeichnet von: Abgezeichnet von: presse sind. der Firmenchef steht dazu: denn sonst würden die Jobs ver- Erste Redakteursstelle beim Tagesspiegel schwinden Berlin Seit 2006 berichtet sie für die WELT-Grup- rietHeim-WeilHeim direkt neben dem prüfgerät arbeitet Wioletta dwernicka. im grellen licht pe aus Berlin über Gewerkschaften, Tarif- des „a-Werks“, des Werks für automobilsysteme, bauen arbeiterinnen wie sie leise schalter und Arbeitsmarktpolitik und schlüssel zusammen. in dwernickas montagezelle werden Fensterhebe-schalter für die Im Beruf wollte sie immer wieder Neues mercedes s-Klasse gefertigt. ihre aufgabe ist es, die maschinelle Funktionsprüfung zu ergän- kennen- und verstehen lernen. Deshalb zen: sie zieht an dem kleinen, schwarzen plastikhebel und beurteilt, ob sich das angenehm wurde sie Journalistin. anfühlt. ist ihr urteil positiv, klebt sie einen aufkleber drauf. die arbeiterinnen, die alle den gleichen weißen schutzkittel und eine Haube tragen, erledigen arbeitsschritte, für die ma-

schinen entweder nicht geschickt genug oder zu teuer sind. es sind einfache Handgriff e, die man schnell lernen kann.

Das weiß auch Harald Marquardt, ge- dehn, erster Bevollmächtigter der IG Metall schäftsführender Gesellschafter des Un- Albstadt. Marquardt missbrauche die Zeit- ternehmens, das hier im schwäbischen arbeit: er wolle keine Auftragsspitzen abfe- Rietheim-Weilheim seinen Hauptsitz hat. dern, sondern „bewusst eine niedriglohnli- „es wäre wirklich ein Leichtes, diese ganze nie einziehen“. Halle über nacht an unseren Standort in Rumänien zu verlagern“, sagt er. „Mit Mann Die Zeitarbeit hatte in Deutschland schon und Maus!“ Das meint er nur bildlich, denn immer ein Schmuddel-Image – und auch Wioletta Dwernicka würde natürlich nicht ihre Liberalisierung und Ausweitung im mitkommen. eine Rumänin würde dann ih- Zuge der Hartz-Reformen hat das bisher ren Job machen, für weniger Lohn. kaum verändert. Im Gegenteil: Die Debatte um den Missbrauch, von den Gewerkschaf- Dabei gehört Dwernicka ohnehin schon zur ten als Kampagne erfolgreich inszeniert, untersten Lohngruppe: obwohl die Frau die hat seit dem ende der Finanzkrise wieder gleiche Arbeit verrichtet wie fest angestell- an Fahrt aufgenommen. Die Zeitarbeiter, te Mitarbeiter, bekommt sie weniger Geld. die während der Rezession gehen mussten, Dwernicka ist Zeitarbeiterin. Statt der 1900 sind wieder eingestellt worden, die Zahlen euro brutto, die der Tarifvertrag der Metall- sind wieder auf dem Vorkrisenniveau ange- und elektroindustrie ohne Schichtzuschlä- langt: Rund 900 000 gibt es heute, das sind ge vorschreibt, bekommt sie gerade mal etwa zwei Prozent der erwerbstätigen. 1100 euro pro Monat. Ganze 42 Prozent weniger, für die gleichen 35 Stunden pro Marquardt ist zwar ein extremes Beispiel. In Woche. „nur so“, sagt Marquardt, „könne er der gesamten Metall- und elektroindustrie, die Produktion und die Arbeitsplätze in der einem der Hauptarbeitgeber von Zeitarbei- Region halten“. 350 Zeitarbeiter beschäftigt tern, machen sie fünf Prozent der Beschäf- er, das sind 14 Prozent seiner Belegschaft. tigten aus. Doch die Gewerkschaften haben Bei Marquardt ist die billigere Zeitarbeit Angst, dass das Beispiel Schule macht: und damit das Abweichen vom Tarif Teil des Marquardt ist Vorstandsmitglied im Arbeit- Geschäftsmodells geworden. Damit macht geberverband. „Dort geht er mit seinem Ge- er sich nicht beliebt: „Sklavenhaltung“ sei schäftsmodell hausieren“, sagt IG-Metall- das und ein Skandal, schimpft Walter Wa- Vertreter Walter Wadehn, ein ernster Mann, 51 der am Jackett einen roten Button mit dem kommen kann. „Ich bin doch dauerhaft hier mitgetragen, auch weil die Zeitarbeiter die Slogan „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und arbeite gut“, sagt sie. „Und trotzdem Stammbelegschaft schützen. Doch nun wird trägt. Daran, dass die Arbeitsplätze nach kann ich mir keine sichere Zukunft aufbau- es ihm zu viel. neulich wollte Marquardt die Rumänien verschwinden würden, wenn die en.“ Dennoch gefällt es ihr bei Marquardt. Sechs-Tage-Woche einführen und brauchte Zeitarbeiter besser bezahlt würden, glaubt Sie hat sich Mühe gegeben und durfte aus grünes Licht von ihm. Piovano sagte: „nur er nicht. der Fertigung in einen Bürojob wechseln. wenn es eine Quote bei den Zeitarbeitern Bei Burger King, wo sie vor ihrer Zeit bei gibt.“ Die Verhandlungen scheiterten. An dieser Glaubensfrage entzündet sich die Marquardt und während der Krise „schaff- hitzige Debatte über die Zeitarbeit: Ist sie, te“, verdiente sie mit 4,60 euro rund drei Unbeliebt ist Marquardt trotz seiner Vorlie- gerade weil über sie niedrige Löhne möglich euro weniger pro Stunde. Dort hätten die be für die Zeitarbeit nicht. er ist ein netter, sind, ein einstiegstor in die Beschäftigung Vorgesetzten sie schlecht behandelt. Bei zugänglicher und offener Mensch, der kei- für schlecht qualifizierte Arbeitnehmer, die Marquardt sei das anders. ne Chefallüren hat. nur die goldenen Man- sonst arbeitslos wären? oder nutzen Unter- schettenknöpfe deuten darauf hin, dass nehmer wie Marquardt sie als Möglichkeit, Jemand ohne Qualifikation wie Fabienne der 50-Jährige mit den grauen, lockigen um ihre Personalkosten zu drücken? Mehl kommt an der Zeitarbeit kaum noch Haaren wohl nicht nur ein Abteilungsleiter vorbei – auch in einer Zeit, in der quasi In Rietheim-Weilheim hält die Zeitarbeit im ist. Wenn er über das Betriebsgelände läuft, Vollbeschäftigung herrscht. In der hüge- Jahr 2007 einzug. Das Unternehmen steht grüßt er jeden mit einem „Mahlzeit“. „Mar- ligen Region bei Tuttlingen, dem Zentrum unter immer größerem Druck, die Preise quardt ist kein Ausbeuter, er ist auch kein der Medizintechnik, in der an jedem orts- angesichts der internationalen Konkurrenz schlechter Mensch“, sagt selbst sein größter eingang gleich mehrere Fabrikhallen ste- zu senken. Da hat Marquardt eine Idee: er Kritiker, IG-Metall-Mann Walter Wadehn. hen, liegt die Arbeitslosenquote bei nur 2,7 stellt seine rund 100 befristet beschäftigten Prozent, doch die meisten offenen Jobs sind Mitarbeiter, deren Verträge demnächst aus- Marquardt führt das 2500-Mitarbeiter- für Qualifizierte. 80 Prozent der meist un- laufen, vor die Wahl: „entweder ihr unter- Unternehmen in dritter Generation. Sein gelernten Langzeitarbeitslosen gelangen in schreibt einen Zeitarbeitsvertrag, oder ihr Vater Jakob war im ort als wohltätiger Pa- der Region nur über die Zeitarbeit an einen dürft gar nicht mehr kommen.“ Schon zu triarch bekannt, der viel Wert auf gute Be- Job, sagt Sibylle Liechti, die Chefin der Ar- diesem Zeitpunkt hat er ein Druckmittel, ziehungen mit den Beschäftigten legte. In beitsagentur Rottweil. Die Flexibilität sieht das die Ankündigung glaubhaft macht: einem bescheidenen Häuschen auf dem sie als Chance: „Die werden nur eingestellt, 2005 wurde das Werk in Rumänien eröff- Hügel direkt hinter den Werkshallen hat er wenn man sie auch leicht wieder loswird.“ net. Dort arbeiten angelernte Kräfte für ein gelebt. Harald Marquardt wohnt lieber in Die schlechte Bezahlung kann aber auch sie Achtel des deutschen Tariflohns. Seine Dro- der Kreisstadt Tuttlingen. er übernahm die nicht gutheißen. hung wirkt: Die meisten Beschäftig ten wer- Geschäftsführung 1996, als die Zeit der Pa- den zu Zeitarbeitern. Dabei führt die Zweiklassengesellschaft im triarchen sich ihrem ende zuneigte und die Betrieb nicht nur wegen der unterschiedli- Globalisierung längst den Takt vorgab. Die Pikant dabei ist vor allem, dass die Mitar- chen Bezahlung zu Unruhe. Wenn es eine Marquardt GmbH konkurriert heute welt- beiter sich von Marquardts ehemaligem Per- Samstagsschicht zu besetzen gibt, sagen die weit und ist an neun Standorten internati- sonalchef anstellen lassen sollen, der das Festangestellten: Sollen doch die Leiharbei- onal vertreten. Harald Marquardt muss viel Zeitarbeitsunternehmen Perfact im nach- ter schaffen. Dazu kommt, dass sich viele reisen. So stark wie sein Vater kann er sich barort gegründet hat. Damit ist Marquardt Zeitarbeiter besonders anstrengen, und nicht am Stammsitz engagieren. ein Vorläufer des Schlecker-Modells, das auch das führt zu Streit. Das Arbeitsverhält- Jahre später bundesweit Schlagzeilen ma- nis auf Zeit setze sie unter Druck, besonders er will sein erbe aber nicht verspielen. Ge- chen wird. viel Leistung zu bringen und möglichst nie rade hat die Marquardt GmbH zum dritten Mal eine Auszeichnung dafür bekommen, Schon 2007 läuft die IG Metall Sturm, es zu fehlen, sagt Fabienne Mehl. „Wir leben besonders viele Behinderte zu beschäfti- kommt zu Protesten und Demonstrationen jeden Tag mit der Angst vor der Kündigung gen. Auch der Bürgermeister pries Harald und viel Kritik aus der Presse. Der Firmen- und tun alles, um vielleicht übernommen zu Marquardt bei der Preisverleihung für seine chef aber hält an seinem Vorhaben fest. werden.“ Darunter leidet das Betriebsklima: soziale Verantwortung. Auch für seine hohe „Ich habe mich damals im Ton vergriffen, Viele Zeitarbeiter sind bei den Führungs- Ausbildungsquote wird das Unternehmen das war zu brachial“, gibt er heute zu. In kräften beliebter als die Stammarbeiter. Sie immer wieder öffentlich gelobt. Der Mana- der Konsequenz sei der Umbau aber genau sind, wie Marquardt sagt, „besonders gut zu ger sieht die Zeitarbeit deshalb keineswegs der richtige Schritt gewesen. „Ich habe so führen“. als Bruch mit der sozialen Tradition seines drei Millionen euro im Jahr gespart.“ Das Aber auch unter den Zeitarbeitern kommt Unternehmens. Im Gegenteil. Sein Vater sei nötig gewesen. „Wir können nicht teurer es regelmäßig zum Wettkampf: Zwei Mal im habe lange Zeit flexible Heimarbeiterinnen produzieren, als wir verkaufen.“ Jahr wird ausgewählt, wer von ihnen befris- beschäftigt, die ebenfalls niedrigere Löhne Auf 450 steigt die Zahl der Zeitarbeiter bis tet übernom men wird. 30 Mitarbeiter sind bekommen hätten. „Das war der Vorläufer ende 2008 – 15 Prozent der gesamten Be- es jährlich. evdoxia Theocharidou gehörte der Zeitarbeit“, erklärt er. er tue sich den legschaft. Dann kommt die Krise. Fast alle im vergangenen Jahr zu den glücklichen Ärger mit der Zeitarbeit doch nur an, um werden entlassen, und die Flexibilität hilft Auserwählten. „Viele waren sauer, weil sie die Arbeitsplätze für Unqualifizierte in der dem Unternehmen, die Rezession zu über- denken, sie hätten meine Stelle verdient“, Heimatregion zu halten. Im Herbst 2010 be- leben. Auch 100 Stammarbeiter müssen sagt sie. Betriebsrat Antonio Piovano, ein kamen alle Mitarbeiter eine einmalzahlung gehen, doch ohne die Zeitarbeiter, so Mar- meist lachender Mann, wirkt genervt, wenn von 1000 euro, weil es der Firma damals so quardt, wären es noch mehr gewesen. Heute er vom Auswahlverfahren spricht: „Ständig gut ging – auch die Zeitarbeiter. wächst der Umsatz wieder zweistellig, und kommen Zeitarbeiter und fragen, warum sie die Zeitarbeiter sind wieder da. Fabienne nicht übernommen werden“, sagt er. „Das Für Marquardt gehören Fabienne Mehl Mehl, 22, ist eine von ihnen. Die kleine, bringt so viel Unruhe ins Unternehmen, das und ihre Kolleginnen also längst zum Un- zierliche, aber resolute Frau hat keine Aus- können Sie sich gar nicht vorstellen.“ Piova- ternehmen. er hat sie auf eine gewisse Art bildung. Insgesamt dreieinhalb Jahre ist sie nos Meinung ist gespalten, was die Präsenz und Weise lieb gewonnen. „Die Zeitarbeit schon über Perfact bei Marquardt einge- der vielen Zeitarbeiter angeht. Einerseits fin- ist eben sein Steckenpferd“, sagt IG-Me- setzt. Sie findet es ungerecht, dass sie noch det er es ungerecht. Doch er sagt auch: „Wir tall-Mann Wadehn kopfschüttelnd. Und immer weniger Geld als die Festangestellten brauchen Flexibilität.“ er hat den einzug Betriebsrat Piovano spricht sogar von Mar- verdient und jederzeit die Kündigung be- der Zeitarbeit in den vergangenen Jahren quardts „Baby“. „Man kann über vieles mit 52 ihm reden, darüber aber nicht“, sagt er. Im Zyklisch kommenden Jahr wird der Chef hart um sein Stecken pferd kämpfen müssen. Dann Ihr Boom kam mit den Hartz-Reformen: will die IG Metall in der Tarifrunde 2012 ein Die neuen Arbeitsmarktgesetze machten in Vetorecht für den Betriebsrat durchsetzen, Deutschland möglich, was in den meisten und die Politik droht mit einem equal-Pay- eU-Ländern längt Praxis war - die unbüro- Gesetz. Sollte die Wirtschaft in eine neue kratische und zeitlich unbegrenzte nutzung Rezession rutschen, will die Gewerkschaft der Zeitarbeit. Die Zahl der Beschäftigten, die Marquardt flexiblere Arbeitszeiten nur zu- von ihrem eigentlichen Arbeitgeber an ande- gestehen, wenn er die Zeitarbeit reduziert. re Firmen ausgeliehen werden, stieg stetig Das alles beeindruckt den Unternehmer an, bis auf 800 000 kurz vor Beginn der ers- aber kaum. Sollte er nächstes Jahr neue Mit- ten Finanzkrise. arbeiter einstellen, ist für ihn schon klar: die Hälfte fest, die Hälfte auf Zeit. Dann mussten die meisten Zeitarbeiter ge- hen. Das sicherte vor allem in der Metall- und elektroindustrie die Stammbelegschaften ab, die trotz Auftragseinbrüchen blieben. Im jüngsten Aufschwung stieg die Zahl der Zeit- arbeiter bis oktober auf 900 000. Sie stellen rund zwei Prozent der erwerbstätigen - weni- ger als in anderen eU-Ländern. In Großbri- tannien und Frankreich machen Zeitarbeiter zwischen drei und fünf Prozent aus. Dort gelten, anders als hierzulande, „equal Pay“- Regeln: Zeitarbeiter und Kernbelegschaften werden gleich entlohnt. Rundfunkbeiträge auf DVD:

Fernsehbeiträge auf DVD: WILLI BLEICHER PREIS 2012

Willi Bleicher: Sein Name steht für soziale Gerechtigkeit und Mensch- lichkeit. Er war und ist eine Symbolfigur.

Anfang des 20. Jahrhunderts im Deutschen Kaiserreich in Armut geboren, erlebte er Aufstieg und Fall der Weimarer Republik. Während seiner Haft unter den Nazis waren Leid, Hoffnung, Gewalt und Tod allgegenwärtig. Die Jahre bis zur Niederschlagung des Faschismus haben ihn gleichermaßen desillusioniert und gestärkt. Sie haben aus Bleicher einen Menschen mit Haltung, Statur und Charisma gemacht. Sie prägten den großen Antifaschisten und Arbeiterführer, der Willi Bleicher bis zu seinem Tod war.

Was liegt also näher, als einen Preis nach einem Menschen zu benen- nen, der immer einstand für Menschlichkeit und Gerechtigkeit.

Die IG Metall verleiht den Willi-Bleicher-Preis an Journalistinnen und Journalisten, die mit ihrer Arbeit die Arbeitswelt in Baden-Württem- berg für Leser, Hörer und Betrachter erlebbar machen.