Stabilität als Zielorientierung in den 1990er Jahren Die Einbeziehung der Intellektuellen in das Herrschaftssystem der Kommunistischen Partei Chinas am Beispiel der „Demokratischen Parteien“

Inauguraldissertation zur Erlangung der Würde einer Doktorin der Philosophie an der Fakultät für Ostasienwissenschaften Ruhr-Universität Bochum

vorgelegt von Chi-Hua Chen

Bochum 2003 Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Tabellen iv Abkürzungsverzeichnis v

I Einleitung 1

1 Forschungsmotiv und Fragestellung 1 2 Ein sozialistisches Parteiensystem chinesischer Prägung 2 3 Begriffliche und konzeptionelle Erklärung 5 3.1 Definition des Begriffs „Stabilität“ 5 3.2 Stabilität und Transformation 8 3.3 Quellen der Stabilisierung 9 4 Forschungsansätze 12 4.1 Modernisierungsansatz 13 4.2 Politische Kulturforschung 17 4.3 Partizipationsansatz 21 4.4 Eigener Forschungsansatz 24 5 Forschungsstand und Strukturaufbau 28

II Ursprung der Krise nach der Kulturrevolution 32

1 Die gespaltene Lage in den 1980er Jahren 32 1.1 Das Idol und seine Gegner 32 1.2 Auseinandersetzungen zwischen Reformern und Reformgegnern in Wirtschaft und Politik 37 1.3 Politische Reformen und politische Stabilität 41

2 Die Krise von 1989 46 2.1 Interne Aspekte – Die Krise der Autorität und Legitimität der KPCh durch die Studentenbewegung von 1989 46 2.2 Externer Aspekt – Die Herausforderung für das chinesische sozialistische System nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Europa 53

III Suche der KPCh nach Unterstützung bei der Stabilisierung ihrer politischen Herrschaft 62

1 Definitionen des Begriffes „Intellektuelle“ in 62 1.1 „Shi“ als Intellektuelle im klassischen Sinne 64 1.2 Intellektuelle nach der Definition Mao Zedongs 66 1.3 „Demokratische Parteien“ als Parteien der Intellektuellen 69

2 Die Beziehungen zwischen den Intellektuellen und dem Herrschafts- system in bezug auf die Stabilisierung der politischen Herrschaft in China 72 2.1 Die Intellektuellen und das Herrschaftssystem im alten China 72 2.1.1 Universalistisches Kaiserreich 72 2.1.2 Staatliche Freiheit und individuelle Freiheit 78 2.2 Die Intellektuellen und das Herrschaftssystem der KPCh 84 2.2.1 Kontinuität politischer Kultur in der VR China 84 2.2.2 Die „Demokratischen Parteien“ und das Scheitern des Liberalismus 88

i

3 Suche nach Stabilität nach 1989 99 3.1 „Politische Stabilität“ in Debatten um die Reformprioritäten 99 3.2 „Politische Stabilität“ im Neoautoritarismus und Neokonservativismus 105

4 Entdeckung des Einflußpotentials der Intellektuellen 113 4.1 Neubeginn für das Verhältnis zwischen der KPCh und den „Demokratischen Parteien“ in der VR China Anfang der 1990er Jahre 114 4.2 „Demokratische Parteien“ als „mitwirkende Parteien“: Beschluß zur „Ansicht der KPCh-Zentrale zur Beibehaltung und Vervollkommnung des Systems der Mehrparteienkooperation und der politischen Konsultation unter Führung der KPCh“ 116

IV Funktionen der „Demokratischen Parteien“ 120

1 Führungsanspruch der KPCh und die Stärkung ihrer Legitimation 120 1.1 Aktive normative Kontrolle: Festigung des Führungsanspruchs der KPCh in der sozialistischen Verfassung 121 1.2 Passive normative Kontrolle: Anerkennung der Führungsrolle der KPCh durch die „Demokratischen Parteien“ 128 1.2.1 „Opposition“ im chinesischen sozialistischen System 129 1.2.2 Programmatische Gleichschaltung der „Demokratischen Parteien“ 132 1.3 Äußere Kontrolle: Parteiorganisatorische Kontrolle durch die KPCh 135 1.4 Innere Kontrolle: Politische Erziehung 140

2 Politische Mobilisierung zur Integration der sozialen Kräfte 143 2.1 Politische Mobilisierung, Nationalismus und „Einheitsfront“ 143 2.1.1 Neuer Typ der politischen Mobilisierung 143 2.1.2 Nationalismus als Ideologie der politischen Mobilisierung 146 2.1.3 Die „Einheitsfront“ als „Wunderwaffe“ der politischen Mobilisierung 152 2.2 Die „Demokratischen Parteien“ und die Aufgaben der politischen Mobilisierung 154 2.2.1 Die Rolle der „Demokratischen Parteien“ in der Wirtschaftsentwicklung 157 2.2.2 Die Rolle der „Demokratischen Parteien“ und der Wunsch nach Wiedervereinigung mit Taiwan 165

3 Die Politische Partizipation der „Demokratischen Parteien“ als Faktor der politischen Stabilität 171 3.1 Organe der politischen Partizipation 172 3.2 Funktionen bei der politischen Partizipation der „mitwirkenden Parteien“ 176 3.2.1 „Politische Konsultation“ 176 3.2.2 „Demokratische Kontrolle“ 180 3.2.3 „Mitwirkung bei Staatsgeschäften“ 184

V Schlußfolgerung: Bewertung der Auswirkungen der „Demokratischen Parteien“ auf die „Stabilität“ des Herrschaftssystems und die Möglichkeit zu politischen Reformen in der VR China 188

1 Die Rolle der „Demokratischen Parteien“: Mittäter, Helfer oder Opfer? 188 2 Das Dilemma der KPCh zwischen der (begrenzten) politischen Partizipation und dem (schnellen) sozialen Wandel 192

ii 3 VR China – der letzte sozialistische Staat? 195

Literaturangaben 201

iii Verzeichnis der Tabellen

Tabelle II 2-1: Die durchschnittliche Wirtschaftswachstumsrate im Ostblock und in der Sowjetunion von 1951 bis 1985 (in %) 54 Tabelle IV 1-1: Die Inhalte der Parteiprogramme der DP von 1949-1997 im Vergleich 134 Tabelle IV 2-1: Die Zahl der im Ausland vom Staat finanzierten Studierenden und die Zahl der zurückgekehrten Studierenden von 1988 bis 1999 162 Tabelle IV 2-2: Bruttoinlandsprodukt und BIP/Kopf der östlichen Küstenregio- nen und westlichen Inlandregionen im Vergleich (1978-1998) 164 Tabelle IV 3-1: Zahl der Abgeordneten und Kreise als Teilnehmer an der PKCV von 1983 bis 2003 (VI. – IX.) 174 Tabelle IV 3-2: Die Politische Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes und der Nationale Volkskongreß im Vergleich 178 Tabelle IV 3-3: Die Anzahl und die Bereiche der von den Abgeordneten gestellten Anträge in der PKCV (1993-2000) 185

iv Abkürzungsverzeichnis

AZE Abteilung der Zentralen Einheitsfront DDR Deutsche Demokratische Republik DLC Demokratische Liga Chinas DP Demokratische Parteien DPBAC Demokratische Partei der Bauern und Arbeiter Chinas DPP Minjindang, Democratic Progressive Party DST Demokratische Selbstbestimmungsliga Taiwans GDNAC Gesellschaft für den Demokratischen Nationalen Aufbau Chinas GFDC Gesellschaft zur Förderung der Demokratie Chinas GMD Guomindang GPC „Gemeinwohl“-Partei Chinas KP Kommunistische Partei KPCh Kommunistische Partei Chinas KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion NVIK Nationale Vereinigung der Industriellen und Kaufleute NVK Nationaler Volkskongreß PKCV Politische Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes RKGC Revolutionäres Komitee der Guomindang Chinas SDS Studiengesellschaft des Dritten September USA United States of America VR China Volksrepublik China ZK Zentralkomitee

v I Einleitung

1 Forschungsmotiv und Fragestellung

Der amerikanische Wissenschaftler Samuel P. Huntington behauptet in seinem Buch „The Third Wave. Democratization in the Late Twentieth Century“ (1991), daß sich die Demokrati- sierung zahlreicher autoritärer Systeme in Europa sowie in der Dritten Welt zwischen den Jahren 1974 und 1990 vollzogen habe. 1989 brachen die sozialistischen Systeme in Osteu- ropa1 zusammen, und im Jahre 1991 löste sich die Sowjetunion auf. Seitdem setzte auch dort ein Demokratisierungsprozeß ein. Von den autoritären sozialistischen Ländern sind neben der Volksrepublik China (VR China) nur noch wenige übriggeblieben. Kann China als die „letzte Bastion des Sozialismus“2 sein autoritäres Herrschaftssystem gegenüber den demokratischen Strömungen im 21. Jahrhundert noch aufrechterhalten? Kann es sich ebenfalls in Richtung Demokratie verändern? Oder wird China weiterhin eine Ausnahme bilden und einen Sonder- weg gehen? 1989 war für die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) ein Jahr der Krisen. Innenpoli- tisch wurde ihre Autorität und Legitimität durch die Studentenbewegung und die Gescheh- nisse auf dem Tiananmen-Platz in Frage gestellt. Auf der internationalen Ebene stellte der Zusammenbruch der meisten sozialistischen Länder eine gravierende Herausforderung für das gesamte chinesische sozialistische System dar. Diese neue Situation birgt für die VR China bzw. für die KPCh bis heute und in Zukunft sowohl Risiken als auch Möglichkeiten. In erster Linie will die KPCh Stabilität und Ordnung erhalten. Die Frage ist nur, ob und auf welche Wiese die VR China selbst vor einem Erosions- und Zersplitterungsprozeß, wie er die Sowjet- union ereilt hat, bewahrt werden kann. In der „Periode des Post-Kommunismus“ wurde der Umbruch der sozialistischen Systeme in Osteuropa und der Sowjetunion als ein Sieg der Demokratie und Marktwirtschaft betrach- tet. Gilt dies auch für die VR China? Geht der Liberalismus wirklich siegreich aus der Geschi- chte hervor?3 Die Situation Chinas der 1990er Jahre paßt in keiner Weise in das Schema die- ser These, denn die KPCh gibt bis heute den Sozialismus offiziell nicht auf. Insbesondere bei der Umstellung der politischen Führung nach dem Tode Deng Xiaopings wurden Unruhen vorhergesagt. Tatsächlich aber kam es in dieser Zeit zu keinen wirklich tiefgreifenden Unru- hen, d.h. die KPCh konnte die politische Stabilität aufrechterhalten. Folglich ist es kompli-

1 Die Satellitenstaaten der Sowjetunion werden hier allgemein als osteuropäische Staaten betrachtet. 2 Edgar Bauer: Die unberechenbare Weltmacht. China nach , Berlin 1997, S.372. 3 Vgl. Francis Fukuyama: The End of History and the Last Man, New York 1992. 1 ziert, die Geschehnisse in der VR China eindeutig darzustellen, weil in den 1990er Jahren zwei wesentliche Tendenzen aufeinander trafen. Einerseits kam es zum Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Osteuropa, andererseits zum wirtschaftlichen Aufstieg in den ost- und südostasiatischen Ländern.4 Der thematische Schwerpunkt dieser Arbeit liegt darin, wie die KPCh nach der inneren und äußeren Krise von 1989 versuchte, die Stabilität ihres Herrschaftssystems in den 1990er Jahren aufrechtzuerhalten. Dabei dominiert die Fragestellung, welche Strategie die KPCh ein- setzte, warum und wie sie die nichtkommunistischen Parteien als Ressourcenpotential zur Aufrechterhaltung ihrer Macht nutzte, ob sich die Ausweitung der politischen Partizipation auf die nichtkommunistischen Parteien verstärkend auswirkte, und ob sich daraus ein demo- kratisches Mehrparteiensystem entwickeln kann, welches zum politischen Forum eines chine- sischen Demokratisierungsprozesses werden könnte.

2 Ein sozialistisches Parteiensystem chinesischer Prägung

In den sozialistischen Staaten, die früher das Konzept einer Volksdemokratie gefördert hatten, sind die volksdemokratischen Merkmale erhalten geblieben (siehe IV 1.1). So wurden die „Nationale Front“, die „Volksfront“ oder die „Einheitsfront“ als Bündnisbasen zwischen der KP, den nichtkommunistischen Parteien und den Massenorganisationen beibehalten. Auf diesem Bündnis beruhte in den sozialistischen Staaten Osteuropas ein Mehrparteiensystem – in der VR China ist es noch heute die Einheitsfront, im Gegensatz zum reinen Einparteiensys- tem des sowjetischen Modells. Ist die Existenz mehrerer Parteien in einem sozialistischen System erlaubt, so sprechen Kommunisten von einem „sozialistischen Mehrparteiensystem“.5 In manchen sozialistischen Staaten wurde das Konzept eines „Mehrparteiensystems“ als Kon- zession an die bürgerlichen Kräfte im Lande beibehalten. Selbst in der sowjetisch-kommunis- tischen Theorie wurde das „sozialistische Mehrparteiensystem“ für das Stadium des soge- nannten „reifen Sozialismus“ durchaus noch als systemkonform betrachtet,6 so daß es sich aufgrund seiner kommunistischen bzw. sozialistischen Natur vom „bürgerlichen“ Mehrpar-

4 Vgl. Nicholas D. Kristof / Sheryl WuDunn: China erwacht, Düsseldorf 1995, S.63. 5 Nach Peter Joachim Lapp hat ein „sozialistisches Mehrparteiensystem“ folgende Merkmale: (1) vorbehaltlose Anerkennung der Führungsrolle der KP durch die nichtkommunistischen Parteien. (2) Abgeordnetenmandate und Positionen in der Staatsverwaltung und in gesellschaftlichen Organisationen sowie in der Wirtschaft wer- den Blockparteien nach einem festen Verteilerschlüssel von der KP zugewiesen. (3) Den Blockparteien werden seitens der KP bestimmte Bevölkerungsschichten bzw. Berufsgruppen mit der Maßgabe zugeordnet, sich im wesentlichen auf diese Zielgruppen zu beschränken; Mitgliederwerbung wird nur sehr eingeschränkt erlaubt und (4) De-facto-Verbot der Neugründung von Parteien. Siehe Peter Joachim Lapp: Die „befreundeten Parteien“ der SED, Köln 1988, Kap.1. 6 Vgl. Klaus von Beyme: Parteien in westlichen Demokratien, München 1982, S.303. 2 teiensystem unterscheidet. Im Westen ist dieses „sozialistische Mehrparteiensystem“ unter der Bezeichnung „Blockparteiensystem“ bekannt geworden. Giovanni Sartori unterscheidet bei seiner Untersuchung der Parteiensysteme zwischen den Kategorien „Einparteiensystem“, „Zweiparteiensystem“ und „Mehrparteiensystem“ nicht nach der Anzahl der beteiligten Parteien, sondern geht vielmehr von inhaltlichen Kriterien, also der zwischenparteilichen Wettbewerbssituation, vom Grad der Fragmentierung und ideo- logischen Polarisierung anhand von Konfliktlinien sowie vom Grad und von der Richtung des Wettbewerbs aus.7 Eine Konkurrenzsituation, die in einem diktatorischen System8 von der be- herrschenden Partei geduldet würde, besteht nicht. Es ist mit der Idee von einer parlamentari- schen Demokratie nicht vereinbar, daß andere Parteien außer der einzig dominierenden Partei nicht existieren dürfen. In diesem Sinne wird das „sozialistische Mehrparteiensystem“ trotz der Existenz der nichtkommunistischen Parteien nicht in das Mehrparteiensystem nach der westlichen Theorie eingeordnet, sondern in das „Einparteiensystem“.9 Solche „sozialistischen Mehrparteiensysteme“ existierten längere Zeit in Bulgarien, in der Tschechoslowakei, in der DDR und in Polen. In der VR China sind insgesamt acht soge- nannte „Demokratische Parteien“ (DP) neben der KPCh als „Parteien“ anerkannt. Die chinesi- schen Kommunisten verwenden die Bezeichnung „Demokratische Parteien“ ausschließlich für die acht nichtkommunistischen Parteien. Als einzige Massenorganisation wird die „Natio- nale Vereinigung der Industriellen und Kaufleute“ („Zhongguo gongshanglian“ bzw. NVIK) gleichzeitig als politische „Partei“ betrachtet.10 Die Theorie des „sozialistischen Mehrparteiensystems“ in der VR China entwickelte sich ziemlich spät. Zuerst hatte sie sich in einer anderen Form herauskristallisiert. Die KPCh nahm

7 Vgl. Giovanni Sartori: Parties and Party Systems, London 1976, Kap. 5 - 10. 8 Unter dem diktatorischen System wird allgemein der Gegensatz zu dem demokratischen System verstanden. Vgl. Giovanni Sartori: „Totalitarismus, Modellmanie und Lernen aus Irrtümern“, in: Eckhard Jesse (Hrsg.): Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung, Bonn 19992, S.578f. 9 Sartori unterteilt Einparteiensysteme in folgende Systeme: (1) das totalitäre, (2) das autoritäre und (3) das he- moniale Einparteiensystem. Er stellt die Charakteristika von Einparteiensystem-Staaten anhand von verschie- denen Systemtypen und Kriterien dar, also unter Berücksichtigung von (1) Ideologie, (2) Zwangs- und Mobili- sierungsmaßnahmen, (3) Politik gegen äußere Gruppen, (4) Unabhängigkeit der Unter-Gruppen und (5) Will- kür. Demnach sind totalitäre Einparteiensysteme stark ideologisch geprägt, und Kriterien wie „Zwang“ und „Mobilisierung“ werden dementsprechend als „stark“ eingestuft. Außerdem zeigen solche Systeme oft die Neigung, (politische) Entwicklungen zu erzwingen. Autoritäre Einparteiensysteme sind stets kontrollierende Systeme mit geringer ideologischer Intensität. Das „Herausziehen von Gegenkräften“ sowie die „Mobilisierung“ werden daher auch als relativ „niedrig“ eingestuft. Diese Systeme neigen zu einer „ausschließenden“ Politik. Bei den hegemonialen Einparteiensystemen sind alle Kriterien gelockert. Die Politik kann als „einschließend“ bzw. „vereinend“ bezeichnet werden, denn sie läßt eine natürliche (politische) Entwicklung zu. 1976, also im Erscheinungsjahr seines Buches, bezeichnete Sartori die Sowjetunion und Albanien als „totalitäre Einparteiensysteme“, wohingegen Franco-Spanien als Beispiel eines „autoritären Einparteiensystems“ galt. Die ehemalige DDR wurde wegen der Existenz von abhängigen Blockparteien als „hegemoniales Einparteiensystem“ angesehen. Siehe Sartori: Parties and Party System, S.221ff. 10 Vgl. Andrew J. Nathan: China’s Crisis. Dilemmas of Reform and Prospects for Democracy, New York 1990, S.180. 3 die Existenz der anderen nichtkommunistischen Parteien zur Kenntnis und bemühte dafür den Begriff der „Mehrparteienkooperation“, die seit der Gründung der VR China von 1949 als ständige „Einrichtung“ betrachtet wird. Doch die „Mehrparteienkooperation“ als politischer Begriff ist erst seit den 1980er Jahren Schritt für Schritt weiterentwickelt worden.11 Das An- fang 1990 offiziell bekannt gegebene „System der Mehrparteienkooperation und der politi- schen Konsultation unter Führung der KPCh“ (fortan: „System der Mehrparteienkoopera- tion“) geht zwar von der Idee der „Mehrparteienkooperation“ aus, tatsächlich hängt aber seine Entstehung eng mit der Krise von 1989 zusammen (siehe III 4). Nach Ansicht der KPCh ist dieses System ein fundamentales politisches System12 und somit ein sozialistisches Parteien- system chinesischer Prägung;13 d.h. es stellt ein Mischprodukt aus marxistischer Fundamen- taltheorie zur „Einheitsfront“ und der konkreten Realität Chinas dar.14 Die „Politische Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes“ (PKCV) wird in der VR China nicht in das staatliche System eingeordnet, denn konzeptionell bildet sie einen wesent- lichen Teil der „Einheitsfront“.15 Die PKCV ist somit nur ein Organ der Einheitsfront, gedacht für alle Aktivitäten der acht „Demokratischen Parteien“ sowie der übrigen Massenorganisatio- nen. Die Abgeordneten der PKCV werden nicht gewählt, sondern nach erfolgten „Konsulta- tionen“ ernannt. Der Nationale Volkskongreß (NVK), gemäß der Verfassung das höchste Or- gan der Staatsmacht, ist nicht aus den Parteien, sondern aus Verwaltungsbezirken hervorge- gangen. Folglich soll der NVK als Volksvertretungsorgan nicht für die Parteien, sondern für das ganze Volk verantwortlich sein.16 Im chinesischen Herrschaftssystem wird nicht der NVK sondern die PKCV als Organ für die Aktivitäten der Parteien bezeichnet (siehe IV 3.1). Aus

11 Im Oktober 1979 wendete Deng Xiaoping öfter den Begriff „Mehrparteienkooperation“ an. Seitdem wurde über die Theorie des „Systems der Mehrparteienkooperation“ diskutiert. Im Juli 1986 beschloß die KPCh- Zentrale, die Entwicklung und Vervollkommnung des „Systems der Mehrparteienkooperation“ und die aus- reichende Entwicklung der Kontrollfunktion der „Demokratischen Parteien“ als wichtigen Inhalt der Reform der politischen Struktur anzusehen. Der Begriff das „System der Mehrparteienkooperation und der politischen Konsultation unter Führung der KPCh“ entwickelte sich auf dem XIII. Parteitag der KPCh im Oktober 1987 zu einem festen Ausdruck. Siehe Luo Guangwu: „Guanyu duodang hezuo he zhengzhi xieshang de jige renshi wenti“ („Einige Erkenntnisfragen über die Mehrparteienkooperation und die politische Konsultation“), in: Zhongguo Zhengzhi, Nr. 8, 1996, S.47f. 12 Der Begriff „politisches System“ wird häufig als Oberbegriff angewendet. Im konkreten Sinn wird unter ei- nem politischen System die Gesamtheit aller politischen Institutionen verstanden. Es unterscheidet sich vom politischen Entscheidungsprozeß und von den Inhalten der politischen Entscheidungen. Das von der KPCh ge- nannte „politische System“ ist inhaltlich jedoch abstrakt. 13 Vgl. : „Tuanjie qilai wei zhenxing zhonghua tongyi zuguo er gongtong fendou“ („Zusammen- schluß im Kampf zur Förderung des Aufschwungs Chinas und zur Vereinigung des Vaterlands“) v. 9. Aug. 1990, in: Renmin Ribao, 10. Aug. 1990, S.4. 14 Vgl. Chen Chunlong: „Jianchi he wanshan duodang hezuo de zhengdang tizhi“ („Die Beibehaltung und Entwicklung des Systems der Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh“), in: Faxue Yanjiu, Nr. 1, 1991, S.1. 15 Vgl. Luo: GYDDHZ, S.49. 16 Vgl. ebd. 4 dieser Perspektive ist das „sozialistische Mehrparteiensystem“ in der VR China nicht mit ei- nem „Mehrparteiensystem“ des westlichen demokratischen Modells zu vergleichen. Das „System der Mehrparteienkooperation“ als „grundlegendes politisches System“ in der VR China ist jedoch nur ein abstrakter Ausdruck, wobei die Stellung der DP im politischen System, die Beziehungen zwischen der KPCh und den DP sowie die Beziehungen der KPCh zum NVK, zur PKCV und zum Staatsrat nicht deutlich definiert sind. Aus dieser „undeutli- chen“ Definition resultieren Fragen. Warum verstärkt die KPCh die politische Partizipation für die nichtkommunistischen Parteien überhaupt und was wollte die KPCh, vor allem nach dem Krisenjahr 1989, damit erreichen?

3 Begriffliche und konzeptionelle Erklärung

In den folgenden Abschnitten werden die für diese Arbeit wichtigen Schlüsselbegriffe wie „System“, „Stabilität“, „Transformation“, „Legitimität“ bzw. „Legitimation“ erklärt. Dabei wird Eberhard Sandschneiders Transformationsmodell als grundlegendes Konzept für die Un- tersuchungstheorie erläutert.

3.1 Definition des Begriffs „Stabilität“

Es gibt weder ausreichende wissenschaftliche Theorien noch Definitionen zum Begriff der „Stabilität“.17 Die Definition in der Sozialwissenschaft von „Systemstabilität“ ist nicht klar genug und kann deshalb auf politische Systeme nicht allgemein angewendet werden.18

Bevor der Begriff „Stabilität“ definiert wird, soll der Begriff „System“ dargelegt werden. Ein „System“ kann sich auf ein Gesamtsystem oder auf ein Sub-System (politisches, gesell- schaftliches oder wirtschaftliches System) beziehen. In der Politikwissenschaft wird das poli- tische System als zentrales System über alle anderen Sub-Systeme hervorgehoben. Es darf da- bei nicht übersehen werden, daß es nachhaltige Wechselwirkungen zwischen einem politi- schen System und den Sub-Systemen gibt.19 Der Begriff „politisches System“ wird deshalb häufig als Oberbegriff angewendet. Hingegen bezieht sich dieser Begriff im deutschen

17 Vgl. Lothar Kramm: „Stabilität als Topos der politischen Philosophie“, in: Gesine Schwan (Hrsg.): Bedin- gungen und Probleme politischer Stabilität, Baden-Baden 1988, S.25. 18 Vgl. Bettina Westle: Politische Legitimität - Theorien, Konzepte, empirische Befunde, Baden-Baden 1989, S.25. 19 Vgl. Eberhard Sandschneider: Stabilität und Transformation politischer Systeme. Stand und Perspektiven po- litikwissenschaftlicher Transformationsforschung, Opladen 1995, S.104ff. 5 Sprachgebrauch auf die Form einer politischen Herrschaft wie z.B. Demokratie oder Autokra- tie. In diesem Sinne wird hier der Begriff „politische Ordnung“ benutzt. Durch diesen Begriff wird auch der Begriff „Herrschaftssystem“ bezeichnet.20

„Stabilität“ ist ein abstrakter Begriff. Bettina Westle versteht darunter den mehr oder we- niger unveränderten Bestand einer politischen Ordnung bzw. politischen Herrschaft.21 Sie stellt weiterhin die Frage, welchem Ausmaß das „Mehr“ bzw. „Weniger“ entspricht, welches Ausmaß von Veränderungen also noch erlaubt ist und wo die Grenze zwischen Stabilität und Instabilität liegt.22 Lothar Kramm sieht Stabilität nicht als eine starre Situation, sondern als eine lineare Be- wegung mit Ordnungs- und Unsicherheitselementen an.23 In einer rhythmischen Bewegung befinden sich Ordnung und Sicherheit, die Synonyme für Stabilität sind. In einer negativen Bewegung ist Chaos der Stabilität entgegengesetzt. Zum Chaos zählen beispielsweise Verän- derungen, ein Gefühl der Bedrohung, gesellschaftliche Unterdrückung, Tod, Krieg und Natur- katastrophen.24 Eberhard Sandschneider stellt die Suche eines Systems nach Stabilität bzw. Stabilisierung noch konkreter dar, also durch Beobachtung der gegenseitigen Einflüsse zwischen dem be- treffenden System und seiner Umwelt. Er interpretiert die Suche des Systems nach Stabilisie- rung als eine fließende Bewegung, d.h. sie läßt sich auf Dauer erreichen. Folglich muß das Gleichgewicht zur Stabilisierung ständig neu geschaffen und wiedererlangt werden.25 In die- sem Prozeß, der von einer Destabilisierung zur Restabilisierung hinführt, ist Stabilität nicht als Zustand vollkommen starrer Gleichgewichte zu verstehen, sondern vielmehr als ein multi- dimensionales Phänomen im Zusammenhang mit politischen, gesellschaftlichen und wirt- schaftlichen Aspekten.26 Stabilität wird deshalb als „Fließgleichgewicht“ begriffen.27 In die- sen drei Auffassungen wird berücksichtigt, wo die Grenze zwischen Stabilität und Instabilität liegt und welche Bedingungen ein System als stabil bezeichnen.

20 Bettina Westle bezeichnet „politische Ordnung“ als „Regime“. Aber im deutschen Sprachgebrauch ist der Begriff „Regime“ nicht ganz objektiv. Deswegen wird hier der Begriff „Herrschaftssystem“ statt „Regime“ angewendet. Vgl. Westle: Politische Legitimität, S.52, Anm. 14. 21 Vgl. ebd., S.25. 22 Vgl. ebd., S.22 u. S.25. 23 Vgl. Kramm: Stabilität als Topos, S.27. 24 Vgl. ebd., S.26f. 25 Vgl. Sandschneider: Stabilität und Transformation, S.111. 26 Vgl. ebd., S.124. 27 Vgl. ebd., S.115ff. 6 David Easton teilt politische Ordnung hierarchisch in drei Elemente auf: Werte, Normen und Herrschaftsstrukturen.28 Sie bestimmen die Bedingungen für die Stabilität der politischen Ordnung. Werte gelten als Zielvorstellung und Orientierungsleitlinien für menschliches Han- deln. Konsens über grundsätzliche, politische Werte sollte – zumindest langfristig und idealer- weise – Voraussetzung für das Funktionieren einer politischen Ordnung sein, da sie den Rah- men für die politische Praxis, die Normen und Strukturen bestimmen.29 Ebenso sollte ein Minimalkonsens politisch relevanter Mitglieder über die Normen zum Einbringen von Forde- rungen, ihrer Umsetzung in Entscheidungen und deren Durchführung Bedingung für die Sta- bilität der politischen Ordnung sein. Sowohl formal (z.B. in Verfassung und Gesetzen) nieder- gelegte Normen als auch informelle Verhaltensnormen und -erwartungen schließen daran an. Dabei ergänzen und begrenzen sich beide gegenseitig.30 Positive Unterstützung für die Struk- tur der politischen Ordnung sollte die weitere Bedingung für die Stabilität der politischen Ordnung sein. Außerdem sollten strukturelle Mittel für Entscheidungsfindung, Befolgung und Durchführung als Voraussetzung möglichst reibungsloser Produktion von Outputs im politi- schen System angeführt werden.31 Wie Easton betrachtet auch Jürgen Habermas die Konsensgrundlage der normativen Struk- turen als einen wichtigen Faktor zur Integration der Gesellschaft, wobei die Mitglieder der Gesellschaft bei Strukturwandlungen ihre soziale Identität nicht als bedroht fühlen.32 Ähnlich stellt Ernesto Garzón Valdés sogenannte Anerkennungsregeln33 als Kriterien für die Gültigkeit von Regeln und ihre Zugehörigkeit zu einem System dar. Sie werden damit als Grundlage für Identität und Einheit eines Systems eingerichtet.34 So gilt die Aufrechterhal- tung der Anerkennungsregeln als höchstes Kriterium für die Identität eines Systems.35 Sie sind jedoch in jedem System anders und werden vor allem von den Akteuren des Systems be- stimmt. Daher ist die politische Kultur der Akteure ein bedeutsamer Faktor (siehe I 4.2). Die Identitätserhaltung eines Systems bedeutet nicht, daß jede Art von Veränderung seiner Identität schadet.36 Veränderung hat hier einen positiven Sinn, da Alternativen von formalen

28 Vgl. David Easton: A Systems Analysis of political Life, New York, 1965, S.193. 29 Vgl. Westle: Politische Legitimität, S.56. 30 Vgl. Easton: A Systems Analysis, S.192. Vgl. auch Westle: Politische Legitimität, S.56. 31 Vgl. Easton: A Systems Analysis, S.205. Vgl. auch Westle: Politische Legitimität, S.56. 32 Vgl. Jürgen Habermas: Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt/M. 1973, S.12f. 33 Ernesto Garzón Valdés bezeichnet die Anerkennungsregeln als ungeschriebene Prinzipien, Maximen und Kriterien für die Anwendung der Regeln des Systems, die in ihrer Gesamtheit die Identifikation eines politisch-juristischen Systems erlauben. Siehe Ernesto Garzón Valdés: „Grundnormen und Stabilität in Lateinamerika“, in: Schwan: Bedingungen und Probleme, S.75. 34 Vgl. ebd. 35 Vgl. ebd., S.78. 36 Vgl. ebd. 7 und inhaltlichen Kriterien erschöpft sind.37 Elemente des zu betrachtenden Systems können verändert werden, ohne einen Identitätsverlust herbeizuführen.38 Solange das System sich an eine veränderte Situation anpaßt, bleibt es stabil. In diesem Fall zeigt das betreffende System seine Fähigkeit, Probleme und Konflikte aktiv zu lösen.

3.2 Stabilität und Transformation

Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Osteuropa vermischten sich die Begriffe „Systemwechsel“, „Systemwandel“, „Regimewandel“, „Revolution“, „Modernisie- rung“, „Transition“, „Transformation“ und „Integration“ in ihren Bedeutungsfeldern, wodurch sie auch ihre ursprüngliche Anwendungsfähigkeit verloren.39 „Transformation“ als Oberbe- griff für „völlige Veränderungen“40 im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich ist fragwürdig geworden, da die Veränderungen in Osteuropa abweichende Aspekte aufweisen. Der Begriff der „Transformation“ sollte daher neu definiert werden, wobei die Beziehungen zwischen Stabilität und Transformation klar dargestellt werden müssen.

Eberhard Sandschneiders zyklisches Transformationsmodell behandelt das Problem, wie ein System auf eine instabile Situation reagiert und wie versucht werden kann, das Stabilitäts- gleichgewicht zurückzugewinnen. Wenn ein System durch zielgerichtete Aktivitäten Stabilität oder Gleichgewicht in seiner inneren und/oder äußeren Umwelt nicht beeinflussen kann, können grundlegende Organisationsprinzipien und Strukturmuster nicht mehr aufrechterhalten werden. In dem Sinne liegt eine Systemtransformation vor. Sandschneider unterteilt eine Transformation in drei verschiedene Formen: (1) Systemwandel, (2) Systemwechsel und (3) Systemzusammenbruch.41 Die drei Formen einer Systemtransformation hängen vom jeweiligen Grad der qualitativen Veränderung ab. Unter „Systemwandel“ versteht Sandschneider eine passive Transformation bei allmählichem Übergang, in welchem Stabilität durch eine zielgerichtete Aktivität des Sys- tems aufrechterhalten werden kann und Probleme gelöst werden. Dieser Vorgang wird auch Reform genannt.42 Im Unterschied zur Revolution, die eine gegenwärtige Situation grund-

37 Vgl. ebd., S.80. 38 Vgl. ebd., S.74. 39 Vgl. Sandschneider: Stabilität und Transformation, S.33. Vgl. auch Dirk Heinrich: Die Transformation Ost- europas. Eine Herausforderung für sozialwissenschaftliche Theorien, Dissertation der Fakultät für Sozialwis- senschaft der Ruhr-Universität Bochum, Bochum 2000, S.7. 40 Vgl. Westle: Politische Legitimität, S.26. Vgl. auch Sandschneider: Stabilität und Transformation, S.33f. 41 Vgl. Sandschneider: Stabilität und Transformation, S.39f. 42 Vgl. ebd., S.39. 8 sätzlich verändert, führen Reformen nur zu Teilveränderungen, die sich an der Stabilität durch Wahrung der Kontinuität der bestehenden Ordnung orientieren. 43 Konkret gesagt: In konservativer Absicht werden Reformen durchgeführt, um die bestehende Ordnung zu bewah- ren, in progressiver Absicht nur, um die bestehende Ordnung allmählich zu überwinden und um eine Umgestaltung der Machtverhältnisse herbeizuführen. Wenn eine Reform die Bedürf- nisse verschiedener Gruppen nicht befriedigen oder deren Hoffnungen nicht erfüllen kann, werden die betreffenden Gruppen sehr schnell nach umfassenden Veränderungen der gesell- schaftlichen wie auch der politischen Ordnung suchen und diese fordern. Folglich geht eine Veränderung evolutionär den Weg des Systemwandels, revolutionär den Weg des System- wechsels oder sie führt im Extremfall zur Ablösung eines „alten“ Systems. Von der Anpassungsfähigkeit des betreffenden Systems aus betrachtet bedeutet System- wandel, daß sich das System an die veränderten Situationen anpaßt und weiter funktioniert. Wenn eine Strukturanpassung nicht (mehr) genügt, um die dysfunktionalen Anreize auszu- gleichen, ist früher oder später ein Systemwechsel unentbehrlich. Das System ist deshalb ge- zwungen, seine wesentlichen Elemente zu ändern, so daß eine neue Systemidentität entsteht. Wenn der neue Systemtypus die Fähigkeit zeigt, die dysfunktionalen Anreize auszugleichen, erreicht er Stabilität.44 Bei einem Systemzusammenbruch verliert das betroffene System nicht nur endgültig seine Identität, sondern auch seine Existenz als geschlossene Einheit wie bei der Auflösung der Sowjetunion und Jugoslawiens.45

3.3 Quellen der Stabilisierung

Eine politische Ordnung bzw. ein Herrschaftssystem benötigt Ressourcen, um sich in einer kritischen Situation zu stabilisieren. Als Ressourcenpotential wird die Summe aller einem System zur Verfügung stehenden (Hilfs-)Mittel, Instrumente und Fähigkeiten verstanden.46 Bei der Untersuchung der Situation in der VR China werden in dieser Arbeit die drei Faktoren Legitimität bzw. Legitimation, Ideologie und Wirtschaft als wichtige Hilfsquellen zur Stabili- sierung analysiert. Dabei werden deren gegenseitige Beziehungen und Grenzen expliziert.

„Legitimität“ bedeutet die Rechtmäßigkeit einer politischen Ordnung bzw. eines Herr- schaftssystems. Mit ihr können sich unterschiedliche Ordnungsvorstellungen historischer,

43 Vgl. Kyu-Young Lee: Zivilgesellschaft als Ansatzpunkt für den Umbruch der sozialistischen Systeme in Ost- europa? Das Beispiel Polen, Frankfurt/M. 1994, S.36f. 44 Vgl. Sandschneider: Stabilität und Transformation, S.39f. 45 Vgl. ebd., S.40f. 46 Vgl. ebd., S.131. 9 kultureller, gesellschaftlicher, gruppenspezifischer und individueller Art verbinden.47 Aber dies sind nicht durch einen Beobachter von außen herangetragene Wertmaßstäbe, sondern immanente Maßstäbe der Angehörigen des betreffenden Systems.48 Jedes System begründet seine eigenen Legitimitätsregeln und -kriterien. In der Frühzeit wurden politische Ordnungen durch Gott, den Auftrag des Himmels (Tianming, im alten China, siehe III 2.1.1) und überge- ordnete Moralprinzipien legitimiert. In der Gegenwart werden die demokratischen Systeme durch freie Wahlen legitimiert.49 Legitimität hat Bedeutung für den Bestand, die Stabilität und die Leistungsfähigkeit eines Herrschaftssystems. Ein Herrschaftssystem kann sich nicht allein durch Zwangsmittel be- haupten und durchsetzen. Es kann nur funktionieren, wenn der Respekt vor der bestehenden Ordnung nicht erzwungen zu werden braucht und die Bevölkerung die Anordnungen frei- willig befolgt. Damit hat ein Herrschaftssystem stabilen Bestand.50 Deshalb bildet Legitimität einen Indikator für die Kosten der Sicherung, die ein System aufbringen muß, um seine Stabi- lität zu erhalten. Je stärker die Legitimität eines Systems ist, desto geringer wird notwendiger- weise die materielle und immaterielle Ressourcenbelastung zur Aufrechterhaltung des jeweili- gen Systems ausfallen.51

Legitimität funktioniert in zwei Richtungen: zum einen durch den Legitimitätsanspruch, den der Herrscher gegenüber den Beherrschten behauptet, und zum anderen durch den Legiti- mitätsglauben, den die Beherrschten dem Herrscher entgegenbringen.52 Die Stabilität einer politischen Ordnung hängt davon ab, ob Legitimitätsanspruch und Legitimitätsglauben be- rücksichtigt werden. Legitimation unterstützt die Vermittlung zwischen Legitimitätsanspruch und Legitimitäts- glauben, die dadurch gefestigt bzw. erzeugt werden. Legitimation schafft dies durch Wieder- holung und Aktualisierung der Legitimitätsgründe, die die vorhandene politische Ordnung konstituieren. Legitimation hat die Aufgabe, Legitimität ständig neu zu reproduzieren. Diese Reproduktion ist notwendig, da der Legitimitätsglaube nicht als statisch angesehen werden kann.53

47 Vgl. Westle: Politische Legitimität, S.22. Vgl. Peter Graf Kielmansegg: „Der wissenschaftliche und der phi- losophische Umgang mit Politik I“, in: Klaus von Beyme (Hrsg.): Funkkolleg Politik, Studienbegleitbrief 1, Weinheim 1985, S.45. 48 Vgl. Kielmansegg: Umgang mit Politik, S.45. 49 Vgl. ebd., S.48. 50 Vgl. ebd., S.45. 51 Vgl. Sandschneider: Stabilität und Transformation, S.66. 52 Vgl. Ulrike Martina Egle: Die Legitimation der Kommunistischen Partei Chinas. Ein Beitrag zur Untersu- chung ihrer Entwicklung und Problematik, München 1985, S.11. 53 Vgl. ebd. 10 Der Begriff der „Legitimität“ unterscheidet sich von dem der „Legitimation“. „Legitimi- tät“ wird empirisch ermittelt, während „Legitimation“ häufiger im normativen Sinn benutzt wird.54 In der vorliegenden Arbeit geht es um „Legitimation“, nämlich um die Frage, wie die Legitimation der KPCh überzeugen kann und welche Wirkung das gesamte Legitimationsver- halten der KPCh auf die chinesische Bevölkerung hat.

Ideologie ist ein System des Glaubens und erzeugt Übereinstimmung in einer Gesell- schaft.55 Der oben genannte Legitimitätsglaube wird als Überzeugung definiert, die eine Über- einstimmung zwischen der politischen Ordnung und den eigenen moralischen Prinzipien dar- stellt.56 In dieser Hinsicht ist Ideologie eine moralische Überzeugung, welche die Recht- mäßigkeit einer politischen Ordnung unterstützt. Ideologie ist ein wirksames Mittel für die Förderung des politischen Zusammengehörig- keitsgefühls. Sie wird häufig bei der Mobilisierung zur Unterstützung der bestehenden politischen Ordnung in Anknüpfung an die eigene Kultur hervorgehoben. Aus gemeinsamer Geschichte und Tradition genauso wie aus gemeinsamen gegenwärtigen Erfahrungen kann ein „Wir-Gefühl“ als politisches Bewußtsein entstehen. Damit wird das politische Zusammenge- hörigkeitsgefühl gestärkt. Der sozialistische Staat wird in erster Linie nicht durch die breite Beteiligung der Bevölke- rung an freien Wahlen, sondern durch den Marxismus-Leninismus bzw. den historischen Ma- terialismus legitimiert (siehe IV 1.1). Der Machtanspruch der kommunistischen Partei geht nicht von der Stimme Gottes aus, sondern von der Stimme der Geschichte, d.h. der Ge- schichte als einer bestimmten Entwicklung und Bewegung.57 Marxismus-Leninismus als Ideologie ist der wichtigste Legitimationsinhalt der KPCh. Aus ihm schöpft die Partei ihren Herrschaftsanspruch und mit ihm müssen auch alle anderen grundlegenden Legitimationsbegründungen in Beziehung gesetzt werden. Die Geschichte der VR China zeigt aber ein abweichendes Bild. Ideologie und Praxis stimmen miteinander nicht immer überein. Die daraus resultierenden Legitimationskrisen haben die Legitimationsinhalte modifiziert sowie die Ideologie und Praxis beeinflußt. Der Marxismus-Leninismus wird zwar immer noch in der VR China als offizielle Ideologie betrachtet, hat aber in der chinesischen Bevölkerung seine Glaubwürdigkeit allmählich verloren. Als Ideologie ist er faktisch aus-

54 Vgl. ebd., S.10. Vgl. auch Kielmansegg: Umgang mit Politik, S.45. - Garzón Valdés: Grundnormen und Sta- bilität, S.70f. 55 Vgl. Talcott Parsons: The social System, New York 1951, S.349. 56 Vgl. Westle: Politische Legitimität, S.68f. 57 Vgl. Dorf Sternberger: Grund und Abgrund der Macht. Kritik der Rechtmäßigkeit heutiger Regierungen, Frankfurt/M. 1962, S.118. 11 gehöhlt. In der Gegenwart wird die Ideologie von nationalistischen Formen bestimmt. Das heißt also: Nationalismus gilt als Ideologieersatz.

Ein legitimes System wird nicht nur an Wertvorstellungen, sondern auch an Nutzenerwar- tung gemessen.58 Hierbei geht es darum, was die Regierung für die Bevölkerung geleistet und was die Bevölkerung von der Regierung erwartet hat. Die Nutzenerwartung bedeutet die Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung und die Garantie der Wohlstandsentwicklung, die häufig von den Fähigkeiten des betreffenden Sys- tems abhängt. „Legitimität“ und „Effizienz“ werden als Bedingung der Stabilität eines Sys- tems betrachtet. Legitimitätsschwäche kann durch Leistung und eine Leistungsschwäche kann durch Legitimität ausglichen werden – aber es gibt gewisse Grenzen.59 Im alten China vertrat der konfuzianische Philosoph Menzius (ca. 372-289 v. Chr.) die Idee der Pflicht eines guten Kaisers zum „Baomin“ („Sorge für die Bevölkerung“) und zum „Yangmin“ („Befriedigung der materiellen Bedürfnisse der Bevölkerung“).60 Von den Herr- schern wurde dies zum Vermeiden von Rebellionen genutzt.61 Der Gedanke der Sorgepflicht des Herrschers für das Volk spielt bis heute in China eine wichtige Rolle. In Anknüpfung an die marxistische Theorie beruht für chinesische Wissenschaftler die po- litische Legitimation auf den von den sozial-ökonomischen Verhältnissen bestimmten Inte- ressenbeziehungen. Die Befriedigung der Interessen aller sozialen Schichten bildet die mate- rielle Basis politischer Legitimation.62 Die Reformpolitik seit 1979 kann nicht nur den großen Wunsch der chinesischen Bevölkerung nach Wirtschaftsinteressen und Wohlstand erfüllen, sondern auch zu einer dynamischen Entwicklung der Gesellschaft führen. Vor allem wird die Macht der KPCh damit nachhaltig legitimiert. In diesem Sinn wird der Ausdruck „Wirtschaft“ als Hilfsquelle der Legitimation behandelt.

4 Forschungsansätze

In den folgenden Abschnitten werden der Modernisierungsansatz, die politische Kulturfor- schung und der Partizipationsansatz sowie der eigene Forschungsansatz behandelt. Es wird

58 Vgl. Kielmansegg: Umgang mit Politik, S.50. 59 Vgl. ebd., S.51. 60 Vgl. Oskar Weggel: „Methodik der China-Forschung, Teil 2, Zur Einstimmung: „Substanz“-Fragen und Ma- kroanalytik (Forts.)“ in: China aktuell, Aug. 1999, S.809. Vgl. auch Ralf Moritz: Die Philosophie im alten China, Berlin 1990, S.138f. - Benjamin I. Schwartz: The World of Thought in Ancient China, Cambridge 1985, S.279ff. 61 Vgl. Moritz: Die Philosophie im alten China, S.138f. 62 Vgl. Xiaoming / Huang Weiping: „Lun xin shiji zhongguo gongchandang de zhizheng jichu“ („Über die regierende Basis der KPCh im neuen Jahrhundert“), in: Xinhua Wenzhai, Nr. 1, 2002, S.6. 12 dargelegt, welche Forschungsmethoden in der vorliegenden Arbeit angewendet und mitein- ander verbunden werden.

4.1 Modernisierungsansatz

In den Diskussionen über die Entwicklungstheorien stand die Modernisierung in den 1950- er bis zu den 1970er Jahren im Vordergrund. In den Modernisierungstheorien wurde die west- liche Gesellschaft als eine Art natürliches Endprodukt der Modernisierung angesehen, d.h. immer mehr Länder – wie z.B. in Südamerika und Asien – durchliefen Modernisierungspro- zesse nach westlichen Vorbildern.63 Die Bemühungen der Entwicklungsländer bestanden da- rin, den Rückstand gegenüber dem Westen aufzuholen.64 In der Praxis kam es bei solchen Versuchen zur Verwestlichung in den meisten Ländern zu Schwierigkeiten, die bei der Umse- tzung westlichen Gedankensgutes aufgrund der kulturellen Unterschiede entstanden. Eine ab- solute „Verwestlichung“ als einziger richtiger Lösungsweg im Modernisierungsvorhaben war daher fragwürdig. In den 1970er Jahren wurde kein einziges Modernisierungskonzept ausrei- chend diskutiert. Aufgrund des geringen Informationsgrads und wegen der hohen Verzer- rungsneigung in bezug auf die Entwicklungsphänomene in der „Dritten Welt“ konnten Modernisierungstheorien auf keine gemeinsame Perspektive verweisen.65 Modernisierung wird seit den späten 1980er Jahren wieder verstärkt als bedeutsamer For- schungsansatz gesehen. Nach dem klassischen Modernisierungsdenken basiert der Schlüssel- punkt für die typologische Einordnung der Entwicklungs- und Industrieländer auf der konzep- tuellen Dichotomie von traditioneller und moderner Gesellschaft. Solches Denken unter- schätzt jedoch die Tatsache, daß die soziale Wirklichkeit häufig aus einer Mischung von tra- ditionellen und modernen Elementen besteht.66 Nach neueren Forschungserkenntnissen kann die Verbindung zwischen Tradition und Moderne sogar eine günstigere Bedingung für die Modernisierung schaffen. Das heißt: Traditionalität und Modernität sind nicht voneinander zu trennen. 67 Der Erfolg der Modernisierung kann aufgrund von bereits vorhandenen

63 Vgl. Hans van der Loo / Willem van Reijen: Modernisierung. Projekt und Paradox, München 19972, S.20. Vgl. auch Samuel N. Eisenstadt: Modernization: Protest and Change, Englewood Cliffs 1966, S.1. 64 Vgl. Chiang Chen-ch’ang: „The Social Aftermaths of Mainland China’s Economic Reform“, in: Issues & Stu- dies, Vol. 25, No. 2, Feb. 1989, S.28. 65 Vgl. Karl H. Hörning: Gesellschaftliche Entwicklung und soziale Schichtung, München 1976, S.11f. Vgl. auch Peter R. Moody, Jr.: „Trends in the Study of Chinese Political Culture“, in: The China Quarterly, No. 139, Sept. 1994, S.731. 66 Vgl. Loo / Reijen: Modernisierung, S.19. 67 Vgl. Lucian W. Pye: „Introduction: Political Culture and political Development“, in: Lucian W. Pye / Sidney Verba (Hrsg.): Political Culture and Political Development, Princeton 1965, S.19-21. Vgl. auch M. Rainer Lepsius: „Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der ‚Moderne‘ und die ‚Modernisierung‘“, in: Reinhart Koselleck (Hrsg.): Studien zum Beginn der modernen Welt, Stuttgart 1977, S.18. 13 traditionellen Elementen erleichtert werden, da ein totaler und radikaler Umbruch mit der eigenen Tradition so vermieden werden kann.68 Moderne Technologie bzw. modernes Ma- nagement und überkommene Traditionen sind auf keinen Fall unvereinbar, sondern im Ge- genteil auf höchst effiziente Weise miteinander kombinierbar, wie das Beispiel Japan gezeigt hat.69 Die wichtigste Veränderung des Modernisierungsdenkens bezieht sich auf die Abkehr von einem statisch-formalen Begriff sowie auf die Anerkennung der vielfältigen Modernisierungs- erscheinungen. Modernisierung sollte auf keinen Fall eine lineare Entwicklung sein. Unter- schiedliche Varianten von Modernisierung hängen von der Zeit und dem Land ab.70 Auf diese Weise dient Modernisierung als Forschungsansatz zur Interpretation und Erklärung funda- mentaler gesellschaftlicher Transformationen, wobei die potentiellen Transformationen in sozialen, kulturellen, politisch-ökonomischen Bereichen dem beschleunigten sozialen Wandel folgen. Modernisierung ist ein Prozeß der Säkularisierung, also der „Entzauberung“ der Welt. Die Rolle von Mythos und Magie wird allmählich zurückgedrängt und die Ratio gewinnt die Oberhand.71 Dabei beherrschen die Menschen die äußere Umwelt durch rationale Technolo- gien und Institutionen.72 Auf der durch die Modernisierung gebildeten industriegesellschaft- lichen Grundlage finden technosoziale Innovationen statt. Diese umfassen sowohl die Er- schließung und Nutzung natürlicher Ressourcen als auch die zweckgerichtete Qualifikation, Zuordnung und Disziplinierung menschlicher Arbeitspotentiale.73 Modernisierung bringt zwar Wirtschaftswachstum und Lebensstandardverbesserung, aber zugleich auch materielle, soziale und psychische Folgekosten mit sich, wie z.B. die Ungleich- heit zwischen Stadt und Land sowie zwischen Reichen und Armen, Umweltverschmutzung und Verschlechterung der Lebensqualität. Während eines Modernisierungsprozesses ergibt sich daraus ein gesellschaftliches Ungleichgewicht. Ob eine Bilanz bei zugleich wachsenden Ressourcen und Belastungen positiv ist, hängt von den Fähigkeiten der betreffenden Gesell- schaften oder Staaten ab. Deswegen gilt der Modernisierungsprozeß auch als ein Vorgang, in dem sich die Anpassungs- und Selbststeuerungskapazitäten einer gesamten Gesellschaft ver-

68 Vgl. Thomas Heberer: „Chinesischer Sozialismus = Sozialistischer Konfuzianismus? Der Widerstreit zwi- schen Tradition und Moderne“, in: Ulrich Menzel (Hrsg.): Nachdenken über China, Frankfurt/M. 1990, S.139. 69 Vgl. Oskar Weggel: Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1989, S.380. 70 Vgl. Loo / Reijen: Modernisierung, S.20. 71 Vgl. ebd., S.17. 72 Vgl. ebd., S.17f u. S.132ff. Vgl. auch Hao Chang: Chinese Intellectuals in Crisis. Search for Order and Mea- ning (1890-1911), Berkeley 1987, S.3. 73 Vgl. Dieter Goetze: „Modernisierung“, in: Dieter Nohlen / Peter Waldmann / Klaus Ziemer (Hrsg.): Die öst- lichen und südlichen Länder, Lexikon der Politik, Bd. 4, hrsg. von Dieter Nohlen, München 1997, S.381. 14 stärken können.74 Aber in der Praxis haben sich nicht alle Gesellschaften durch eine Moder- nisierung positiv entwickelt.

Nach älteren Forschungsergebnissen, z.B. von John K. Fairbank, handelt es sich bei den chinesischen Modernisierungsversuchen um eine bloße Reaktion auf die einwirkenden west- lichen Impulse.75 Der Anstoß zur Modernisierung soll demnach im 18. bzw. 19. Jahrhundert ausschließlich durch imperialistische Einflüsse gegeben worden sein, während Paul A. Cohen in den 1980er Jahren die chinesische Eigeninitiative stärker betonte.76 In der Tat entwickelte sich die Modernisierung Chinas durch fremdbestimmte Dynamik und auch durch selbstbe- stimmte Dynamik. Beide beeinflussen sich auch heute noch gegenseitig. Modernisierung verweist auf einen Komplex miteinander verwobener struktureller, kultu- reller, psychischer und physischer Umwandlungsprozesse.77 Sie kann nicht nur gesellschaft- liche Strukturen, sondern auch (persönliche) Mentalitäten erneuern. Die betreffenden Men- schen müssen ihre Verhaltensmuster und Wahrnehmungsstruktur verändern, um sich an ihre neue Umgebung anzupassen.78 Die kulturellen, psychologischen und subjektiven Faktoren sollten deswegen in der Analyse der chinesischen Modernisierung beachtet werden. Das ver- letzte Würdegefühl, daß China nicht mehr als ein starkes „Reich der Mitte“ angesehen wird, motiviert es zur Modernisierung.79 Vor allem bei den Intellektuellen wurde ein psychologi- sches Ungleichgewicht durch eine langfristige Krise in ihrem Verhältnis zur Obrigkeit, durch starre Institutionen sowie durch den starken kulturellen Kontrast mit dem Westen ausgelöst. Überdies knüpft die Modernisierung einer Gesellschaft normalerweise an die eigene natio- nale Kultur an. Das bedeutet, daß der Modernisierungsansatz nur zusammen mit der politi- schen Kulturforschung betrachtet werden kann (siehe I 4.2). Die Frage ist demnach: Welches Ausmaß umfaßt die „rational choice“ und auf welchen Umfang beschränken sich die politi- schen Entscheidungen der chinesischen politischen Führer in Verbindung mit der eigenen politischen Kultur? Seit 1979 verfolgt die VR China eine Reform- und Öffnungspolitik. Sie unterscheidet sich zwar von Maos radikalem Modernisierungskonzept, dennoch orientiert sie sich nach eigener

74 Vgl. Wolfgang Zapf: „Sozialer Wandel“, in: Ders.: Modernisierung, Wohlfahrtsentwicklung und Transforma- tion. Soziologische Aufsätze 1987 bis 1994, Berlin 1994, S.19. 75 John K. Fairbank war der erste Forscher in den USA, der mit der „Impuls-Reaktion“-These die Entwicklung zur Modernisierung in China seit der Mitte des 19. Jahrhunderts untersucht hat. Joseph R. Levenson entwickelte diese These noch intensiver und konsequenter weiter. Siehe Moody, Jr.: Chinese Political Culture, S.737, Anm. 33. Vgl. auch Paul A. Cohen: Discovering History in China: American Historical Writing on the Recent Chinese Past, New York 1984, Kap.1. 76 Vgl. Cohen: Discovering History in China, „Introduction“, Kap.1 u. 4. 77 Vgl. Loo / Reijen: Modernisierung, S.11. 78 Vgl. ebd., S.68ff. 79 Vgl. Chang: Chinese Intellectuals in Crisis, S.2f. 15 Aussage nicht an einem westlichen Modell, sondern geht einen eigenen, chinesischen Weg des Sozialismus. So betrachtet befindet sich die VR China heute in einer Phase der „nach- holenden Modernisierung“ ähnlich der langjährigen Entwicklungsperiode in Osteuropa vor 1989, also in der Übergangsphase von der Planwirtschaft zur sogenannten sozialistischen Marktwirtschaft. Auf der makrosozialen und -ökonomischen Ebene steht die VR China in einem Moderni- sierungsprozeß seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ihr Modernisierungskonzept seit 1979 geht auf ein älteres Konzept aus der Qing-Zeit zurück, nämlich auf die „Selbststärkungsbewe- gung“ („Ziqiang yundong“)80 bzw. auf das Motto „Chinesische Lehren als Substanz, west- liche Lehren für praktische Zwecke“ („Zhongxue wei ti, Xixue wei yong“). Die Beziehung zwischen „Ti“ („Substanz“) und „Yong“ („praktischer Anwendung“) stellt heute noch ein ernstes Streitthema dar. „Industrialisierung“ bedeutet für China eben nicht eine „Verwest- lichung“. Die sogenannte „Modernisierung mit chinesischer Prägung“ geht in der Tat von einem eigenen Weg Chinas aus. China will nur die „Reinheit der chinesischen Werte“ auf- rechterhalten, dabei aber westliche Technik und Wissenschaft als Mittel zum (eigenen) Zweck nutzen.81 Politische Modernisierung bildet einen Teil der sogenannten weiterführenden Moderni- sierung. Nach Samuel P. Huntington ist politische Modernisierung vor allem durch drei As- pekte gekennzeichnet: (1) die Rationalisierung der Herrschaft, also die Errichtung einer natio- nalen und säkularen politischen Herrschaftsinstanz; (2) die Differenzierung neuer Funktionen und die Entwicklung spezialisierter Strukturen zur Erfüllung dieser Funktionen; (3) die Aus- dehnung der politischen Partizipation auf praktisch alle sozialen Gruppen einer Gesellschaft.82 In der VR China strebt die KPCh nur nach der technologischen und wissenschaftlichen Mo- dernisierung sowie nach Wirtschaftswachstum. Dabei werden politische Innovationen vor allem bezüglich des oben genannten dritten Punktes ausgeschlossen. Hier widersprechen poli- tische Reformen dem Wunsch nach dem alleinigen Führungsanspruch der KPCh. Die jetzige

80 Die Selbststärkungsbewegung wurde zuerst während der Regierungszeit des Kaisers Tongzhi (1862-1874) in der Qing-Dynastie durchgeführt. Sie war ein Konzept der Modernisierung durch Einführung der westlichen Technik, vor allem für die militärische Modernisierung, womit die militärische Industrie aufgebaut wurde. Die Ziele dieser Bewegung waren es, „Reichtum“ („Fu“) und „Stärke“ („Qiang“) aufzubauen. Zudem begann die chinesische Regierung mit dem Aufbau der Institutionen durch fremdsprachliche Ausbildung, die eine Aus- bildung für Dolmetscher anboten. In den 1870er Jahren wurden weitere Modernisierungskonzepte eingesetzt, z.B. im Bergwesen, Eisenbahnbau, Schiffsbau, Textilindustrie, Fernmeldwesen. Siehe Ting-yee Kuo / Kwang- Ching Liu: „Self-Strengthening: The Pursuit of western Technology“, in: The Cambridge History of China, Vol. 10, Late Ch’ing, 1800-1911, Part I, hrsg. von John K. Fairbank, London 1978, S.491-542. Vgl. June Teufel Dreyer. China’s Political System. Modernization and Tradition, London 20003, S.46-50. 81 Vgl. Lucian W. Pye: „China. Erratic State, Frustrated Society“, in: Foreign Affairs, Vol. 69, No. 4, Fall 1990, S.62. 82 Vgl. Samuel P. Huntington: Political Order in Changing Societies, New York 197915, S.34f. 16 Situation in China wird daher oft als „Reformkommunismus“,83 als „Entwicklungsdiktatur“84 oder auch als „reformed Leninism“85 bezeichnet.

4.2 Politische Kulturforschung

Angesichts der Bemühung der KPCh für den Aufbau eines Rechtssystems seit den 1980er Jahren befindet sich die VR China politisch in einer Übergangsphase von einer charismatisch geprägten zu einer institutionalisierten Struktur.86 Die Institutionentheorie87 hat die Entwick- lung von Wettbewerbsdemokratie und Parteienkonkurrenz aus den parlamentarischen Syste- men und den ihnen zugrundliegenden Wahlsystemen verdeutlicht.88 Um in der vorliegenden Arbeit angewendet werden zu können, erweist sie sich insgesamt als äußerst schwierig. Der Grund ist: Politische Ordnung (Normen), Akteure, Institutionen oder politische Entschei- dungsprozesse scheinen immer wieder allzu einseitig von der KPCh dominiert zu sein. Das Herrschaftssystem der KPCh geht nicht nur vom Marxismus-Leninismus aus, sondern hängt eng mit der politischen Kultur zusammen. Die Institutionenforschung wird darum in dieser Arbeit nicht vollkommen vernachlässigt, sondern unter Berücksichtigung der politischen Kul- turforschung verwendet.

Das Konzept der politischen Kultur ist zuerst als „Behavioral Approach“ durch die Beiträ- ge von Gabriel Almond, Sidney Verba und Lucian Pye entstanden.89 Politische Kultur stellt in

83 Helmut Martin: „Die Menschen in China haben gelernt, daß sie sich wehren können: Zu den Ereignissen 1989“, in: Ders.: Chinas Intellektuelle und die Demokratie, Chinabilder VI, Bochum 1996, S.15. 84 Helmut Martin: „Die Debatte über Neoautoritarismus - Wegzeichen einer neuen Entwicklungsdiktatur?“, in: Ders.: Chinas Intellektuelle, S.123ff. Vgl. auch Thomas Heberer: „Traditionale Kultur und Modernisierung. Versuch einer Analyse am Beispiel Chinas“, in: Politische Vierteljahresschrift, Nr.2, 1990, S.230. 85 Robert Scalapino: The Last Leninists: The Uncertain Future of Asia’s Communist States, Washington D.C. 1992, S.xvii. 86 Vgl. Rainer Jung: Die Zentrale Disziplinkontrollkommission der Kommunistischen Partei Chinas in einer Phase des Übergangs von der Personen- zur stärker institutionenbezogenen Herrschaft 1978 bis 1992, Münster 1996, S.20ff. 87 Bei der Theorie über politische Institutionen geht es um eine integrierende Fragestellung, nämlich um das systematische Verständnis politischer Institutionen. Unter politischen Institutionen versteht man folgendes: im engeren Sinn den Staat mit seiner Regierung (Staatsoberhaupt, Kabinett, Ministerien), das Parlament, die Ver- waltung, die Gerichte und die föderativen und kommunalen Einrichtungen; im weiteren Sinn gesellschaftliche Organisationen (Parteien, Verbände, Massenmedien) sowie verbindliche, insbesondere rechtlich normierte ge- sellschaftliche Verhaltensmuster (Verfassung, Gesetz, Wahlen, Mehrheitsprinzip usw.). Siehe Gerhard Göhler: „Institutionenlehre und Institutionentheorie in der deutschen Politikwissenschaft nach 1945“, in: Ders. (Hrsg.): Grundfrage der Theorie politischer Institutionen. Forschungsstand - Probleme - Perspektive, Opladen 1987, S.18. 88 Vgl. Klaus von Beyme: „Auf dem Weg zur Wettbewebsdemokratie? Der Aufbau politischer Konfliktstruktu- ren in Osteuropa“, in: Beate Kohler-Koch (Hrsg.): Staat und Demokratie in Europa. 18. Wissenschaftlicher Kongreß der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Opladen 1992, S.154. 89 Vgl. Gabriel A. Almond / Sidney Verba: The Civic Culture: Political Attitudes and Democracy in Five Na- tions, Princeton 1963.Vgl. auch Gabriel A. Almond / Sidney Verba (Hrsg.): The Civic Culture. Revisited, 17 allgemeiner Form die „subjektive Dimension“ von Politik dar. Sie umfaßt eine Reihe der be- wußten politisch relevanten Einstellungen, Mentalitäten, Charakter-Eigenschaften, Persön- lichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen bestimmter Gruppen oder der ganzen Gesellschaft sowie latente in Einstellungen (attitudes) und Werten (values) verankerte Prädispositionen zum politischen Handeln, auch in ihren symbolhaften Ausprägungen und konkretem politi- schen Verhalten.90 Die Verbindung zwischen politischem Bewußtsein und politischem Handeln ist allerdings bei den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und Schulen umstritten. 91 Max Weber stellt es folgendermaßen dar: „Interessen (materielle und ideelle), nicht: Ideen, be- herrschen unmittelbar das Handeln der Menschen. Aber die ‚Weltbilder‘, welche durch ‚Ideen‘ geschaffen wurden, haben sehr oft als Weichensteller die Bahnen bestimmt, in denen die Dynamik der Interessen das Handeln fortbewegt.“ 92 Das politisch relevante „Weltbild“ von Gruppen kann auch als politische Kultur betrachtet werden. Das Weltbild ist den jeweili-gen sozialen Trägern normalerweise bewußt, weil die in dem Weltbild enthaltenen Grund-annahmen über die Wirklichkeit als selbstverständlich empfunden werden. Politische Kultur ist folglich als ein mit Sinnbezügen gefüllter Rahmen zu erfassen, innerhalb dessen sich das durch Interessen, allerdings nicht allein durch materielle Interessen, geleitete Handeln politi-scher Akteure vollzieht. Es ist wie ein politischer Code, eine politische Programmsprache, die das Denken, Handeln und Fühlen politischer Akteure steuert und konditioniert, aber nicht be-stimmt.93 Von diesem Standpunkt aus gesehen, kann politische Kultur die Motivationen bzw. die inneren Absichten politischen Handelns erklären. Sie wird dabei nicht unbedingt als Ver-längerung individueller Psychologie, sondern eher als rationale Konstruktion bzw. gegenwär-tige Weltanschauung der Gesellschaft betrachtet.94

London 1989. - Gabriel A. Almond / G. Bingham Powell: Comparative Politics: System, Process, Policy, Bosten 1978. - Lucian W. Pye: „Political Culture“, in: David L. Sills (Hrsg.): International Encyclopedia of the Social Sciences, Chicago 1968, S.218-225. 90 Vgl. Dirk Berg-Schlosser / Jakob Schissler: „Politische Kultur in Deutschland - Forschungsgegenstand, Me- thoden und Rahmenbedingungen“, in: Ders. (Hrsg.): Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Perspek- tiven der Forschung, Opladen 1987, S.12. Vgl. auch Dirk Berg-Schlosser: „Politische Kulturforschung“, in: Jürgen Kriz / Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.): Politikwissenschaftliche Methoden, Lexikon der Politik, Bd. 2, hrsg. von Dieter Nohlen, München 1994, S.345. 91 Vgl. Oscar W. Gabriel: Politische Kultur, Postmaterialismus und Materialismus in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1986, S.34ff. Vgl. auch Karl Rohe: „Politische Kultur und ihre Analyse. Probleme und Perspektiven der politischen Kulturforschung“, in: Historische Zeitschrift, Bd. 250, 1990, S.325ff. 92 Max Weber: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus. Schriften 1915-1920, in: Max Weber Gesamtausgabe, hrsg. von Horst Baier / M. Rainer Lepsius / Wolfgang J. Mommsen / Wolfgang Schluchter / Johannes Winckelmann, Tübingen 1989, Bd. 19, Einleitung, S.101. 93 Vgl. Rohe: Politische Kultur und ihre Analyse, S.333. 94 Vgl. Moody, Jr.: Chinese Political Culture, S.732. Vgl. auch Berg-Schlosser / Schissler: Politische Kultur in Deutschland, S.12f. 18 Zu jedem Typ des Herrschaftssystems gibt es eine passende Ausprägung der politischen Kultur.95 Politische Kultur und politische Struktur stehen eigentlich nicht im Gegensatz, son- dern in einer gegenseitigen Beziehung zwischen informaler und formaler Organisation eines Herrschaftssystems oder einer Gesellschaft. Kenneth Jowitt stellt es konkret dar: „[...] politi- cal culture refers to the set of informal, adaptive postures – behavioral and attitudinal – that emerge in response to and interact with the set of formal definitions – ideological, policy, and institutional – that characterize a given level of society.“96 Ein neues politisches System oder ein neues politisches Programm kann auch die vorhandene politische Kultur ändern, wie z.B. in den sozialistischen Systemen, in denen immer eine Interaktion zwischen informalen kultu- rellen und formellen strukturellen Elementen stattfindet. Politische Merkmale des sozialisti- schen Systems können ebenso die politische Kultur bestimmen. Für die politische Kulturforschung wird häufig die quantitative Survey-Forschung zu Hilfe genommen. Die Umfrageforschung erweist sich zwar als nützlich, hat aber ihre Grenzen,97 da man mit ihr die historischen Tiefenschichten nicht erreicht. Erst wenn politische Kultur über einen längeren Zeitraum geprägt wird, können die Meinungen, Einstellungen und Werthaltun- gen erklärt werden. Außerdem ist ein politisches Bewußtsein nicht der einzige Faktor, der po- litisches Handeln beeinflußt. Dies ist stets auch situationsabhängig und unterliegt äußeren Re- striktionen.98 Deswegen ist es notwendig, den Forschungsgegenstand und auch seine äußere Umwelt langfristig zu beobachten; z.B. wie sich die politischen, religiösen und gesellschaft- lichen Grundannahmen einer Gesellschaft oder einer sozialen Gruppe entwickeln, und wie die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen politischen Sinnbezügen und ihren gesell- schaftlichen und wirtschaftlichen Umständen aussehen. Damit wird vermieden, daß politische Kultur nur als Forschungsansatz eines statischen Querschnitts einer Gesellschaft verwendet wird. Sie kann deswegen auch als Analyse der politischen Entwicklung dienen. Politische Kulturforschung ist jedoch kein Universalschlüssel zur Analyse politischer Phänomene. Es ist folglich sinnvoll, daß die politische Kulturforschung mit den anderen For- schungsansätzen zusammen verwendet wird. In der vorliegenden Arbeit wird die politische Kulturforschung vor allem mit dem Partizipationsansatz verbunden (siehe I 4.3 und I 4.4).

95 Die politische Kultur einer Bevölkerung und die politischen Institutionen eines Systems stehen nicht immer im Einklang, sondern können einander durchaus widersprechen, wie z.B. in der Weimarer Republik. Vgl. Gabriel: Politische Kultur, S.12. Vgl. auch Berg-Schlosser / Schissler: Politische Kultur in Deutschland, S.22f. 96 Kenneth Jowitt: „An Organizational Approach to the Study of Political Culture in Marxist-Leninist Systems“, in: The American Political Science Review, Vol. 68, No. 3, Sept. 1974, S.1173. 97 Vgl. Berg-Schlosser / Schissler: Politische Kultur in Deutschland, S.18ff. 98 Vgl. Rohe: Politische Kultur und ihre Analyse, S.326. 19 Tradition ist ein kulturelles Grundphänomen, das mit Sprache und Schrift alle Lebensbe- reiche von Sitte, Brauchtum und Ritual bis hin zu Lebenserfahrung, Gewohnheitsrecht und Lehrüberlieferungen bestimmt. Als zentraler Begriff bezieht sich Tradition fast auf alle Berei- che menschlicher Kultur.99 Tradition hat dabei eine politische Bedeutung. Sie liefert aus der Vergangenheit tradierte Verhaltensformen und Interpretationsmuster politischer Wirklichkeit. Vor allem politische Eliten nutzen häufig Elemente der Tradition, um eine ihren Interessen entsprechende politische Lage, wie z.B. die Erhöhung der Anerkennung und der Solidarität in der Gesellschaft, zu schaffen.100 Tradition wird nicht nur innerhalb der Bevölkerung weiter- gegeben, sondern kann auch neu „erfunden“101 werden. Was politische Eliten von der Tradi- tion übernehmen und wie sie diese weitergeben, geht von ihrer Perspektive aus. Daraus folgt, daß eine sogenannte ständig unveränderte Tradition, die zu einem einheitlichen Verhaltens- modell führen könnte, in Wirklichkeit nicht existiert. Es ist umstritten, ob man eine absolute oder in irgendeiner verallgemeinerten Form existie- rende „konfuzianische Kultur“ als chinesische Tradition betrachten kann. Die Tradition der chinesischen Kultur hat zwar grundlegende Merkmale, aber sie war und ist stets abhängig von Regionen, Klassen, Schichten und Gruppen.102 Die Besonderheit der chinesischen Tradition ist, daß sie sich nur innerhalb eines begrenzten Rahmens verändert und in einem Zustand eines bewegten Gleichgewichts („moving equilibrium“)103 oder einer Veränderung innerhalb der Tradition („change within tradition“) erscheint.104 Daß China allgemein als eine konfuzianische Gesellschaft betrachtet wird, ist problema- tisch. 105 Die konfuzianischen Schulen bildeten zwar die Hauptströmungen chinesischen Geisteslebens, so daß das alte China durchaus als eine konfuzianische Gesellschaft angesehen werden kann, doch nur, wenn man alle anderen (konkurrierenden) Schulen reduziert betrach- tet. Das heutige China wird nicht wie das alte China als konfuzianische Gesellschaft in

99 Vgl. V. Steenblock: „Tradition“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter / Karlfried Gründer, Bd. 10, Basel 1998, S.1315. 100 Lowell Dittmer nennt ein solches Phänomen „cultural intermediation“. Politische Sozialisierung in den sozia- listischen Systemen ist ein gutes Beispiel von „cultural intermediation“. Siehe Lowell Dittmer: „Comparative Communist Political Culture“, in: Studies in Comparative Communism, Vol. XVI, No. 1&2, Spring/Summer 1983, S.20ff. 101 Eric Hobsbawm: „Introduction: Inventing Traditions“, in: Eric Hobsbawm / Terence Ranger (Hrsg.): The Invention of Tradition, London 1983, S.1-14. 102 Vgl. Klaus Mäding: „Das Scheitern der politischen Erzieher“, in: Menzel: Über China, S.148 f. 103 Vgl. Ambrose Y. C. King: „Xiandaihua yu zhongguo xiandai lishi“ („Modernisierung und die chinesische moderne Geschichte“), in: Ders.: Jinyaoji shehui wenxuan (Ausgewählte Werke von Ambrose Y. C. King), Taipei 1985, S.18. 104 Vgl. E. A. Kracke, Jr.: „Sung Society. Change Within Tradition“, in: Far Eastern Quarterly, Vol. 14, No. 4, Aug. 1955, S.479-488. 105 Der Begriff „Konfuzianismus“ wird von vielen Wissenschaftlern als catch-all Begriff angewendet, der ledig- lich mit dem Begriff „Chinesisch“ gleichgesetzt werden kann. Siehe Heberer: Traditionale Kultur und Moder- nisierung, S.217. 20 gleichem Sinne angesehen. Die vom Konfuzianismus latent beeinflußte chinesische Gesell- schaft und der Marxismus-Leninismus formen daher das chinesische sozialistische System als einen Sondertyp von „patriarchalischem Kommunismus“.106 Wie traditionelle politische Kul- tur und das chinesische sozialistische System das politische Handeln der Partei, der Intellek- tuellen und der Bevölkerung beeinflussen und prägen, wird in der vorliegenden Arbeit vor- rangig behandelt.

4.3 Partizipationsansatz

In einer westlichen Definition für politische Partizipation heißt es: „[…] political participa- tion includes all those activities through which the individual consciously becomes involved in attempts to give a particular direction to the conduct of public affairs.“107 Partizipation bei internen Angelegenheiten verschiedener Verbände und Gruppierungen innerhalb einer Ge- meinschaft stellt noch keine politische Partizipation dar.108 Das heißt, daß man von politischer Partizipation nur dann sprechen kann, wenn sie sich auf Aktivitäten der öffentlichen Belange bezieht. Bei Samuel P. Huntington und Joan M. Nelson heißt es: „[...] we define political par- ticipation simply as activity by private citizens designed to influence governmental decision- making“.109 Ferner hat James R. Townsend den Bereich der politischen Partizipation auf die konkrete Ausführung von politischen Entscheidungen ausgedehnt, um sich nicht allein auf die Entscheidungsfindungen oder auf die bloße Wahl von Entscheidungsträgern zu beschrän- ken.110 Die politische Partizipation umfaßt nicht nur Aktivitäten von politischen Akteuren zur Ein- flußnahme auf die Regierungsentscheidungen, sondern schließt auch diejenigen Aktivitäten ein, die nicht von den politischen Akteuren selbst, sondern von anderen zur Einflußnahme auf die Regierungsgeschäfte umgesetzt werden. Erstere nennt man „autonome“ Partizipation, letztere „mobilisierte“ Partizipation.111 Die „mobilisierte“ Partizipation wird von vielen Wissenschaftlern nicht als echte politische Partizipation anerkannt, da sie mit ihrem oft zeremoniellen Charakter – etwa in Form von Paradeaufmärschen – eine aktive Teilnahme der Bevölkerungsmehrheit bloß suggeriert.112

106 Vgl. Scalapino: Last Leninists, S.xiii. 107 James R. Townsend: Political Participation in Communist China, Berkeley, 1967, S.4. 108 Vgl. ebd., S.5. 109 Samuel P. Huntington / Joan M. Nelson: No Easy Choice. Political Participation in Developing Countries, Cambridge 1976, S.4. 110 Vgl. Townsend: Political Participation, S.5. 111 Vgl. Huntington / Nelson: No Easy Choice, S.6f. 112 Vgl. ebd., S.7f. 21 Eine von oben verordnete bzw. erzwungene Partizipation kann aufgrund ihres manipulato- rischen Inhaltes daher kaum als eine politische Partizipation im demokratischen und wett- bewerbsfördernden Sinne angesehen werden.113 Nach Samuel P. Huntington und Joan M. Nelson sind die Grenzen zwischen beiden Formen politischer Partizipation undeutlich und fließend. Sie zählen auf keinen Fall zu den dichotomen Kategorien, sondern sind eher ge- mischt.114 Der Unterschied liegt nur im „Grad“, d.h. die Ebene der politisch autonomen Parti- zipation in demokratischen Systemen ist höher angesiedelt als die in diktatorischen Systemen. Das bedeutet jedoch nicht, daß in autoritären oder totalitären Systemen keine Partizipation be- stünde, sondern nur, daß in solchen Systemen die mobilisierte Partizipation stärker ausgeprägt ist als die autonome Partizipation.115 Im Unterschied zu westlichen Typen der politischen Partizipation zeigt die politische Parti- zipation in der VR China ihre eigene Ausprägung: (1) Die Hauptfunktion der politischen Par- tizipation ist nur die Ausübung der Politik der KPCh; (2) direkte Kontakte zwischen Kadern und Massen werden zum einen als sicherstes Mittel der Lockerung der Massenpartizipation und zum anderen als Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen politischem Führer und Forderung der Massen betont; (3) das politische Handeln der Massen unterstützt das von der Partei definierte höchst eigene Interesse; (4) die Qualität und die Moralität der politischen Führer, nicht aber die legalen und institutionalisierten Kontrollen durch die Bevölkerung werden betont; und (5) es wird anerkannt, daß es keine theoretischen Grenzen zur Erwei- terung der Forderungen nach politischer Aktivität und keine privaten Verpflichtungen gibt, welche die öffentlichen Verpflichtungen übertreffen.116 Solche Merkmale werden zur „Massenpartizipation“, also zur oben genannten mobili- sierten Partizipation gezählt. Nach der Kulturrevolution wird Massenpartizipation zwar nicht mehr vordergründig so betont wie ehedem, aber die Kampagnen zur Massenmobilisierung sind dennoch keineswegs verschwunden. Sie haben sich zur politischen Norm bei der Regu- lierung politischer Entscheidungen, aber auch in institutionalisierte Parteiregeln verwan- delt.117 Trotz der Veränderungen in Form, Inhalt und Intensität der Kampagnen nach der Kulturrevolution bleibt Mobilisierung als Ausdruck der Partizipation in der VR China weiterhin bestehen. Aber sie stellt auf keinen Fall eine institutionelle politische Partizipation dar (sieht IV 2.1.1).

113 Vgl. ebd., S.8. 114 Vgl. ebd. 115 Vgl. ebd., S.9. 116 Vgl. Townsend: Political Participation, S.3f. 117 Vgl. Tyrene White: „Postrevolutionary Mobilization in China. The One-Child policy Reconsidered“, in: World Politics, Vol. 43, No.1, Oct. 1990, S.53. 22 Nach der These von Kenneth Jowitt versuchen die Parteieliten, ihre internen Grenzen im vorhandenen Herrschaftssystem auszudehnen, indem sie sich in die nichtoffiziellen Gruppen der Gesellschaft integrieren, anstatt sich zu isolieren, da die vorrangige Aufgabe jetzt in der Einbeziehung („Inclusion“) besteht.118 Aber im Grunde wird den sozialen Kräften kein großer Spielraum gewährt, damit die fundamentalen Strukturen des Herrschaftssystems nicht in Fra- ge gestellt werden und Dissidenten sich nicht zu Oppositionellen entwickeln. Dabei kann das Herrschaftssystem durchaus mit der Unterstützung verschiedener sozialer Gruppen rechnen, um ohne Gewalt seine Mobilisierungskampagnen durchzusetzen oder den sozialen Gruppen begrenzte Aktivitäten innerhalb des Herrschaftssystems zu erlauben. 119 In dieser Hinsicht wird Mobilisierung sogar zu einer speziellen Form eines Prozesses der Einbeziehung. Die auf dem Ansatz der „Aufgabenbewältigung“120 beruhende Mobilisierung unterscheidet sich von der radikalen Form und ist somit mit der Einbeziehung verknüpft. Der Prozeß der Einbeziehung ist von methodischen Überlegungen und vom „Task-Management“ geprägt.121 Thomas Heberer betrachtet die „Einbeziehung“ selbst nicht als Ausdruck eines direkten poli- tischen Wandels, sondern vielmehr als eine innerhalb des Herrschaftssystems sich bewegende Kategorie. Aber sie bietet eine größere Möglichkeit mitzuwirken, somit auch ein größeres Maß an politischer Partizipation.122

In der VR China geht man in der Politik allgemein nicht von der These einer politischen Partizipation der Bevölkerung aus. Die Wurzeln eines solchen Gedankens liegen in der chine- sischen politischen Kultur. Die politische Partizipation in der VR China ist ausschließlich auf Partizipation der Eliten beschränkt und schließt Partizipation der übrigen Bevölkerung nicht ein. Diese Elitenpartizipation basiert auf dem traditionellen Grundsatz „Weiser Kaiser, gute Beamte“ („Mingjun xianchen“).123 Chinesische politische Führer denken bis heute: „Make

118 Nach Kenneth Jowitt wird die Geschichte der sozialistischen Systeme durch die Entwicklungsnatur und die Hauptaufgaben („tasks“) von drei Stufen gekennzeichnet: (1) durch die Transformation der alten Gesellschaft, (2) durch die Konsolidierung der revolutionären Herrschaftssysteme und (3) durch die Phase der Ein- beziehung bestehender Herrschaftssysteme. Siehe Kenneth Jowitt: „Inclusion and Mobilization in European Leninist Regimes“, in: World Politics, Vol. 28, No.1, Oct. 1975, S.69. 119 Vgl. ebd., S.94. 120 Bei Kenneth Jowitt bedeutet Aufgabebewältigung, daß die politische Führung ihre Probleme nicht mit Ideo- logie, sondern mit technokratischen Methoden löst. Siehe ebd., S.89ff. 121 Vgl. ebd., S.94f. 122 Vgl. Thomas Heberer: „Politische Kategorien und politische Kulturen: Das Beispiel Partizipation in China und Ostasien“, in: Berliner China-Heft. Beiträge zur Gesellschaft und Geschichte Chinas, Nr. 11, Sept. 1996, S.25. 123 Das traditionelle chinesische politische System hängt ganz eng mit der konfuzianischen Ethik zusammen. Die konfuzianische Philosophie war in erster Linie eine Domäne von akademisch herausragenden und tugendhaf- ten Menschen. Die konfuzianische Ethik bietet einen Standard für eine „gute Regierung“, wie auch für die Angehörigen der Bürokratie und für die regierende Elite vom Kaiser bis zum untersten Kreis-Friedensrichter. Siehe Townsend: Political Participation, S.11f. 23 decisions for the people! Do not let the people make their own decisions!“124 Bereits in der Post-Mao-Ära hat sich die politische Partizipation in der VR China wieder in eine Art von Elitenpartizipation zurücktransformiert. Legitime Entscheidungen in der Politik sollten nach dem traditionellen chinesischen Denken jedoch auf der Basis des Volksinteresses (Minben) getroffen werden. Der chinesische Begriff „Minben“ ist weder im Sinne von „of the people“ noch im Sinne von „by the people“, sondern nur im Sinne von „for the people“ gemeint. Dies ist weit entfernt vom Konzept der institutionellen politischen Partizipation durch legale und reguläre Kanäle für die Bevölkerung.

4.4 Eigener Forschungsansatz

Wie kann man die gegenwärtige China-Forschung einordnen? Ist eine Einordnung in das Forschungsgebiet der sozialistischen Systeme hilfreich bzw. sinnvoll? So wie die „Kremlino- logy“ gehört auch das „ xue“ – also sozusagen die „Pekingology“ – zu den Totalitaris- mustheorien. Nach den Totalitarismustheorien125 können sozialistische Systeme nicht durch revolutionäre Aktionen von innen her zum Zusammenbruch geführt werden.126 Gemäß Klaus von Beyme weisen Totalitarismustheoretiker und totalitäre politische Führer eine gewisse Ge- meinsamkeit auf, weil sie keinerlei Zweifel an der Durchführbarkeit von absoluter sozialer Kontrolle hegen.127 Durch diesen Forschungsansatz ist der Umbruch der sozialistischen Sys- teme in Osteuropa allerdings nicht zu erklären. Für die gegenwärtige China-Forschung ist er ebenfalls als unangemessen anzusehen.128 Es war schon umstritten, ob China während der Mao-Zeit als „totalitäres“ System bezeich- net werden kann.129 Es ist noch problematischer, wenn die VR China in der Post-Mao-Periode

124 Benedict Stavis: China’s political Reforms. An Interim Report, New York 1988, S.69. 125 Carl J. Friedrich und Zbigniew Brzezinski stellten in den 1960er Jahren sechs Kriterien auf, nach denen eine Regierung als „totalitär“ eingestuft werden kann: (1) offizielle Ideologie; (2) Einparteienherrschaft; (3) terro- ristische Geheimpolizei; (4) Monopol aller Nachrichtenmittel, (5) Waffenmonopol und (6) Kontrolle der ge- samten Wirtschaftsführung. Siehe Carl J. Friedrich / Zbigniew Brzezinski: Totalitarian Dictatorship and Autocracy, Cambridge 19652, S.21-23. Vgl. Raymond Aron: Demokratie und Totalitarismus, aus dem Fran- zösischen übertragen von Samuel H. Schirmbeck, 1970 Hamburg, Kap. XV. Vgl. auch Hanna Arendt: The Origins of Totalitarism, New York 1955, Kap.12. 126 Vgl. Klaus von Beyme: „Perspektiven der Osteuropaforschung nach dem Zusammenbruch des ‚Realen Sozia- lismus‘“, in: Ostkolleg der Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Wissenschaft und politische Bil- dung. Aspekte der Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen System der osteuropäischen Staaten, der DDR und Chinas, Bonn 1991, S.57. 127 Vgl. ebd., S.58. 128 Vgl. Lucian W. Pye: „An Overview of 50 Years of the People’s Republic of China: Some Progress, but Big Problems Remain“, in: The China Quarterly, No. 159, Sept. 1999, S.570. Vgl. auch Andrew C. Janos: „Social Science, Communism, and the Dynamics of political Change“, in: World Politics, Vol. 44, No. 1, Oct. 1991, S.82. 129 Es ist nach wie vor umstritten, wie man eigentlich ein „totalitäres“ System definieren sollte. Während des Kalten Krieges wurde der Begriff „Totalitarismus“ ideologisch und verallgemeinernd angewendet. Sogar die 24 als „totalitäres“ System verstanden wird. Wie definiert man also das Herrschaftssystem der KPCh in der Gegenwart? Um diese Frage zu beantworten, soll zuerst die Transformations- theorie behandelt werden. Der Transformationsansatz ist noch relativ neu.130 Er wurde vor allem wegen des Um- bruchs der sozialistischen Systeme in Osteuropa ständig mit neuen Herausforderungen kon- frontiert. Zudem sind einige der ehemaligen sozialistischen Staaten eigene Wege gegangen, so daß eine wirklich allgemeingültige Transformationstheorie zur Beschreibung und Erklärung von Demokratisierungsphänomenen weder in der Praxis noch in der Theorie realisierbar er- scheint. Um als neuer Forschungsansatz brauchbar zu sein, benötigen die Transformations- theorien noch zahlreiche fundierte Beiträge. Die Transformation ist in den Ländern Südeuropas, Südamerikas, Ostasiens und nicht zuletzt Osteuropas aufgrund der Ziele, Initiativen und der Entstehung einer „Zivilgesell- schaft“131 jeweils recht unterschiedlich verlaufen.132 Die Transformation der sozialistischen Systeme wird auch als Subkategorie eines Transformationsphänomens autoritärer Ordnung

heute als solche gekennzeichneten „autoritären“ Systeme in Ostasien und in Lateinamerika wurden damals als „totalitäre“ Systeme betrachtet. Im strengsten Wortsinn werden nur die Sowjetunion in der Stalin-Zeit und das Dritte Reich als „totalitär“ betrachtet. Es ist also durchaus umstritten, wie die sozialistischen Systeme eingeordnet werden können, ob in das „totalitäre“ oder in das „autoritäre“ System. Vgl. Eckhard Jesse: „Die Totalitarismusforschung und ihre Repräsentanten. Konzeptionen von Carl J. Friedrich, Hannah Arendt, Eric Voegelin, Ernst Nolte und Karl Dietrich Bracher“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 20, 1998, S.3-18. Vgl. auch Achim Siegel: „Die Konjunkturen des Totalitarismuskonzepts in der Kommunismusforschung. Eine wissenschaftssoziologische Skizze“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 20, 1998, S.19-31. - Jung: ZDKP, S.24-34. 130 Vor 1989 hatten entweder makrotheoretische oder mikrotheoretische Ansätze die Transformationsforschung bestimmt. Transformationsforschung wurde als Demokratisierungsforschung oder als ein Unterkapitel bei der Erforschung des sozialen Wandels behandelt. Ihre bekannten Vertreter in den 1970er Jahren sind Barrington Moore (Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie. Die Rolle der Grundbesitzer und Bauern bei der Entstehung der modernen Welt, 1969), Samuel P. Huntington (Political Order in Changing Societies, 197915) und Talcott Parsons (The Social System, 1951). In den 1980er Jahren ist die bekannte und umfangreichste ver- gleichende Studie Transitions from Authoritarian Rule. Prospects for Democracy unter Guillermo O’Donnell, Philippe C. Schmitter und Laurence Whitehead (1986) entstanden. Siehe Heinrich: Transformation Osteuro- pas, Einleitung. 131 Der Begriff Zivilgesellschaft stellt eine Sphäre des kollektiven Handelns und der öffentlichen Diskurse dar, die zwischen Privatbereich und Staat wirkt. Ihren organisatorischen Kern bildet eine Vielzahl pluraler, auch konkurrierender Assoziationen, die ihre Sachverhalte relativ selbständig arrangieren und ihre materiellen wie immateriellen Interessen artikulieren. Idealtypisch gilt, daß die Zivilgesellschaft in autoritären und totalitären Systemen in einer prinzipiellen Konfrontation und Opposition zum Staat steht. Vgl. Aurel Croissant / Hans- Joachim Lauth / Wolfgang Merkel: „Zivilgesellschaft und Transformation: ein internationaler Vergleich“, in: Wolfgang Merkel (Hrsg.): Systemwechsel 5. Zivilgesellschaft und Transformation, Opladen 2000, S.9-49. Vgl. auch Gudrun Lachenmann: „Zivilgesellschaft und Entwicklung“, in: Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung. Die Perspektive der Entwicklungssoziologie, Opladen 1997, S.187-211. - Hans-Joachim Lauth / Wolfgang Merkel: „Zivilgesellschaft und Transformation“, in: Hans-Joachim Lauth / Wolfgang Merkel: Zivilgesellschaft im Transformationsprozeß. Länderstudien zu Mittelost- und Südeuropa, Asien, Afrika, Lateinamerika und Nahost, Mainz 1997, S.15-49. 132 Russell Bova unterscheidet die Transformation in der Sowjetunion von der in Südeuropa und in der dritten Welt nach folgenden Kategorien: (1) Ziele der Transformation, also „Demokratisierung“ als Ziel mit einer eigenen Definition. (2) Initiative (Akteure) für das Ziel von oben oder von unten und (3) die Entstehung einer Zivilgesellschaft oder nicht. Siehe Russell Bova: „Political Dynamics of the Post-Communist Transition. A Comparative Perspective“, in: World Politics, Vol. 44, No. 1, Oct. 1991, S.115f u. 137. 25 angesehen.133 Das chinesische sozialistische System befindet sich zwar auch im Prozeß der Transformation, aber der Transformationsansatz ist nur begrenzt für die China-Forschung gültig. China und Osteuropa befinden sich eigentlich in verschiedenen Phasen der Transfor- mation: die VR China liegt in einer Frühphase der Transformation, Osteuropa hingegen in einer späteren Phase. Die KPCh will die alte politische Ordnung und ihre dominierende Rolle im Herrschaftssystem bewahren. Wegen des Mangels an Gegenkräften zur Hegemonie der KPCh ist eine Zivilgesellschaft in der VR China nicht entstanden (siehe II 2.1). Insgesamt zeigt sich die Entwicklung in der VR China als Transformation von einer relativ „totalitären“ zu einer autoritären Ordnung und keineswegs als eine, die von einer autoritären Ordnung kommt. Angesichts der Schwäche in den Bereichen Ideologie, organisatorische Kontrolle, Mobilisierungsmaßnahmen und Politik gegen äußere Gruppen, gehört das Herrschaftssystem der KPCh in der Post-Mao-Zeit nicht zum Typ des totalitären Systems. Deswegen nennen viele Wissenschaftler das chinesische Herrschaftssystem ein „post- totalitäres System“ oder ein „post-totalitäres autoritäres System“.134

Nur durch einen Faktor wird man die politischen Phänomene Chinas nicht erklären kön- nen. Deswegen gibt es in dieser Arbeit keinen integrierten, komplexen Forschungsansatz. Es werden vielmehr die drei oben genannten Forschungsansätze angewendet. Mit dem Moderni- sierungsansatz werden sowohl die Natur des sozialistischen Systems Chinas als auch seine Merkmale und Tendenzen sozialer und politischer Veränderungen nach der Einleitung der Wirtschaftsreformen im Jahr 1979 neu beurteilt. In Anknüpfung an die Transformationstheo- rien dient der Modernisierungsansatz als Untersuchung der makrosoziologischen und -wirt- schaftlichen Bedingungen. Die konkrete Analyse der neuen Politik, also der Zulassung politi- scher Partizipation der DP durch die KPCh in einem bestimmten Bereich, basiert auf dem all- gemeinen Partizipationsansatz, der eigentlich mit der politischen Kultur zusammenhängt. Vor allem werden grundlegende Verhaltensweisen zwischen den Intellektuellen und den Herr- schern untersucht. Diese Studie beruht nicht auf einer Analyse von Umfragedaten, da eine sol- che in den sozialistischen Staaten kaum objektiv durchgeführt werden kann.135 Es geht viel- mehr darum, teils mit Hilfe von inhaltsanalytischen, teils mit einer Kombination von inhalts-

133 Vgl. ebd., S.113. 134 Mark R. Thompson nennt das Herrschaftssystem der KPCh ein „post-totalitäres System“, während Zhao Jian- min es als ein „post-totalitäres autoritäres System bezeichnet. Vgl. Mark R. Thompson: „To Shoot or Not to Shoot. Posttotalitarianism in China and Eastern Europe“, in: Comparative Politics, Vol. 34, No. 1, Oct. 2001, S.63-83. Vgl. auch Zhao Jianmin: Dangdai zhonggong zhengzhi fenxi (Die Analyse der gegenwärtigen Politik der KPCh), Taipei 1997, S.108. 135 Vgl. Berg-Schlosser / Schissler: Politische Kultur in Deutschland, S.20. Vgl. auch Gabriel A. Almond: „Po- litische Kultur-Forschung - Rückblick und Ausblick“, in: Berg-Schlosser / Schissler: Bilanz, S.33. 26 analytischen und hermeneutischen Verfahren, kognitive und normative Aspekte politischer Kulturen zu erfassen. Diese Arbeit konzentriert sich in der Hauptsache auf die historischen, politischen, institu- tionellen und kulturellen Aspekte. Die Untersuchungen sollen daher historisch-systematisch erfolgen. In der historischen Untersuchung wird chronologisch vorgegangen; im Hinblick auf die Systematik wird das Prinzip der „Ursache-Wirkung-Analyse“ angewandt, um z.B. die aktuellen Thesen und die damit verbundenen Herausforderungen oder Konsequenzen zu durchleuchten. Sie soll sich dabei nicht nur auf die bloße Beschreibung beschränken, sondern auch eine gründliche Analyse über die Eigenart des chinesischen sozialistischen Systems auf- zeigen. Dabei sollen die zu untersuchenden geschichtlichen Ereignisse in Darstellung und Interpretation nicht um des aktuellen Forschungsinteresses willen aus ihrem jeweiligen histo- rischen Kontext herausgerissen werden.136 Damit soll einer festeren Verbindung von historischer Präzision und analytischer Durch- dringung gedient und ein grundsätzliches Dilemma der Sozialwissenschaften vermieden wer- den: Versuche zur Generalisierung bringen in vielen sozialwissenschaftlichen Studien eine eigentümliche Terminologie und eine fast unvermeidliche Theorielastigkeit hervor, welche die eigentlichen Gegenstände der Analyse verdunkeln.137

Es ist problematisch, die westlichen Begriffe auf den gesamten chinesischen Kontext zu übertragen. Es geht dabei weniger um Terminologie, sondern vielmehr um das richtige Er- fassen der chinesischen Wirklichkeit.138 Dies trifft häufig für die Definition von politischen Begriffen zu, man muß aber verstehen, daß die heutigen in der Wissenschaft dominierenden westlichen Begriffe sich im europäischen Kontext entwickelt haben, vor dem Hintergrund einer mehrhundertjährigen politischen Entwicklung. Es ist also kein Wunder, daß viele west- liche Ansätze die chinesische Wirklichkeit nur schwer oder gar nicht erfassen können. Es wäre daher sehr sinnvoll, entweder andere und neue Begriffe, die besser in den dortigen Kon- text passen, von Anfang an einzuführen und konsequent anzuwenden, oder die westlichen Begriffe mit Hilfe chinesischer Vorstellungen vor ihrem Hintergrund zu hinterfragen und die dabei auftretenden Unterschiede klar und deutlich herauszuarbeiten.139

136 Vgl. Sebastian Heilmann: Sozialer Protest in der VR China. Die Bewegung vom 5. April 1976 und die Gegen- Kulturrevolution der siebziger Jahre, Mitteilungen des Instituts für Asienkunde, Nr. 238, Hamburg 1994, S.7. 137 Vgl. ebd. und Lucian W. Pye: Asian Power and Politics, Cambridge 1985, S.320. 138 Vgl. Oskar Weggel: „Methodik der China-Forschung - Teil 5 (I) - Begriffe und Reizthemen - Ein methoden- bezogener Streifzug durch die Klippen des politischen Vokabulars -“, in: China aktuell, Juli 2000, S.802. Vgl. auch Heberer: Traditionale Kultur und Modernisierung, S.216. 139 Vgl. Weggel: Methodik der China-Forschung - Teil 5 (I), S.802. 27 Oskar Weggel verwendet hierfür zwei methodische Ansätze: Im Modell A kann man eine „Ersatzterminologie“ schaffen, die nach Möglichkeit nicht durch westliche Denkschemata verstellt sein sollte, die also über ausreichende Neutralität verfügt, um den Besonderheiten des chinesischen Umfelds gerecht zu werden. Im Modell B verwendet man dann zwar weiterhin die westlichen Begriffe wortwörtlich, wie sie uns geläufig sind, erläutert aber die spezifischen Eigenschaften chinesischer Vorstellungen genauer, um die westlich geprägten Bedeutungs- felder, welche mit den jeweiligen Begriffen zusammenhängen, deutlicher einzuschränken.140 In dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, je nach vorliegendem Fall eine der beiden hier beschriebenen Methoden in angemessener Weise anzuwenden.

5 Forschungsstand und Strukturaufbau

Die bisher in der VR China veröffentlichten Forschungsmaterialien zu den acht nicht kom- munistischen Parteien oder zu ihrem teilnehmenden Organ PKCV behandeln in großem Maß- stab zwei Bereiche: Zum einen die Geschichte der DP in Hinsicht auf die Kooperationsbe- ziehung mit der KPCh und zum anderen die politische Stellung der PKCV innerhalb des po- litischen Systems. Solche Publikationen dienen nur propagandistischen Zwecken, d.h. die Führungsrolle der KPCh und die Verzögerung politischer Reformen werden als notwendig dargestellt. Deswegen müssen diese Materialien vorsichtig geprüft und verwendet werden. Die neuen Beschlüsse zum „System der Mehrparteienkooperation und der politischen Kon- sultation unter Führung der KPCh“ Anfang der 1990er Jahre stellen zwar wichtige primäre Quellen für die zugelassenen Funktionen der DP dar, aber wegen ihrer inhaltlichen Undeut- lichkeit sind andere ergiebigere Quellen, wie z.B. die Reden der chinesischen politischen Führerpersönlichkeiten oder auch die Parteistatuten der KPCh und der DP, stärker heranzu- ziehen und in der Praxis zu betrachten, um auf dieser Basis die Kontinuität, die innere Logik, die Zusammenhänge und auch die Spannungsfelder zwischen Theorie und Praxis besser und objektiver überprüfen zu können. Nach der Bekanntmachung der oben genannten Beschlüsse über das System der Mehrpar- teienkooperation nahmen in Hongkong und Taiwan Forschungen und Zeitungsartikel über dieses Thema und über die DP und die PKCV nur in geringem Maße zu. Sie ergänzen aber die unzureichenden Quellenmaterialien aus der VR China. In der westlichen Literatur waren die DP kaum Gegenstand von Untersuchungen. James D. Seymours Buch „China’s Satellite Parties“ ist die erste bekannte westsprachliche Literatur

140 Vgl. ebd. 28 über die DP. Aber dieses 1987 veröffentlichte Buch kann die neue Situation in den 1990er Jahren, d.h. warum die KPCh die politischen Funktionen der DP verstärkt hat, nicht ganz er- klären. Außerdem werden darin die Parteistatuten der DP nicht untersucht. Jedoch ist die Be- wertung Seymours zur Rolle der DP, d.h. ob sie als „politische Parteien“ funktionieren, bis heute noch gültig. Das 1992 von Roger B. Jeans herausgegebene Buch „Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century China“ beinhaltet einige Artikel über die Minderheitsparteien. Sie behandeln die Aktivitäten der kleinen Parteien in den Jahren 1920-1940. In ihnen werden die Entwicklung der DP und ihre Beziehungen mit der GMD und der KPCh in der frühen Phase deutlich dargestellt. Eine bisher intensiv analysierende Forschung über die DP stellt das 1995 von Heinrich-M. Umbach veröffentlichte Buch „Die Demokratischen Parteien Chinas im Schatten der Kommunistischen Partei“ dar, in dem Funktionen der DP in den 1990er Jahren ausdrücklich erforscht wurden. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen über politische Kultur, politische Partizipation, Mobilisierung, politische Reformen, Nationalismus, Einheitsfront, Intellektuelle, findet man in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften wie Asian Survey, China aktuell, The China Quarterly, Foreign Affairs und World Politics.

Die vorliegende Arbeit ist in insgesamt fünf Untersuchungsblöcken angeordnet. Nach der Einleitung im Kapitel I folgt im Kapitel II eine Analyse mit Blick auf den Ursprung der Krise nach der Kulturrevolution. Dabei werden die gespaltene Lage in den 1980er Jahren sowie die Krise von 1989 besonders betrachtet. Kapitel III widmet sich der KPCh, d.h. welchen Reformen sie in der kritischen Situation erneut den Vorrang gegeben hat und wie sie das Einflußpotential der Intellektuellen für die Aufrechterhaltung der politischen Stabilität und der eigenen Monopolstellung entdeckt hat. Dazu wird zunächst der Begriff der „Intellektuellen“ erläutert. Aufgrund der unterschied- lichen Charakteristika in den Verhaltensweisen, Zielen und Idealen der „Intellektuellen“ Chinas kann ein westlicher Begriff nicht so einfach auf die chinesische Situation übertragen werden. In der vorliegenden Arbeit werden die „Intellektuellen“ mit Hilfe der These von M. Rainer Lepsius als Personen verstanden, die „Kritik als Beruf“ ansehen. Dabei werden die Untersuchungen auf die Intellektuellen aus dem nichtkommunistischen Umfeld beschränkt, also auf die aus Kreisen der DP. Ihre genaue Definition und ihre soziale und politische Zu-sammensetzung werden im Kapitelabschnitt III 1 behandelt. Zudem werden die Auffassungen zur Aufrechterhaltung der politischen Ordnung zwischen den Machthabern und den Intellek-tuellen sowie die Kontinuität zwischen dem

29 Kaiserreich und dem heutigen Herrschaftssystem intensiv analysiert. Von diesem Ansatzpunkt aus befaßt sich die Arbeit mit der Entstehung der neuen Politik der KPCh, also mit der zunehmenden Bedeutung der nichtkommunistischen Parteien in den neuen Beschlüssen über den Aufbau des „Systems der Mehrparteienkoopera-tion“. Ferner wird begründet, warum die KPCh gerade die Intellektuellen als Ressourcen für die Stabilitätswahrung gewählt hat und wie die neuen Beschlüsse mit ihrer Rolle im „System der Mehrparteienkooperation“ zusammenhängen. Tatsache ist, daß die KPCh über Mittel zur Stabilitätsbewahrung verfügt, wie z.B. das der Ideologie (gleichwohl schwach ausgeprägt) und das der Wirtschaft. Die Mobilisierung der DP durch die KPCh vereinnahmt folglich nutzbare Hilfsquellen. Im Kapitel IV wird näher unter- sucht, welche Funktionen die DP in Hinsicht auf die Legitimation der KPCh, die Integration der sozialen Kräfte und die Stabilisierung des sozialistischen Systems innehaben. Der konkre- te Sachverhalt wird in drei Teilen erforscht. Im ersten Teil basiert die Analyse auf der These von Amitai Etzioni. Sie befaßt sich konkret damit, wie der Führungsanspruch der KPCh (also die „organisatorische Kontrolle“ über physische, materielle und symbolische Elemente) aus- geführt wird. Im zweiten Teil geht es darum, wie die politische Mobilisierung, der Nationalis- mus und die „Einheitsfront“ als neue Antriebskräfte miteinander verbunden sind, und wie in diesem Kontext die Aufgaben der DP (Beiträge für die Wirtschaftsentwicklung und für die geplante Wiedervereinigung mit Taiwan) formuliert und in welchem Rahmen sie begründet werden. Der dritte Teil setzt sich damit auseinander, wie die DP ihre politische Partizipation nach der neuesten Politik in die Praxis umsetzen können und worin die Beschränkungen liegen. Kapitel V faßt alle behandelten Erkenntnisse zusammen. Es beschäftigt sich mit einer Be- wertung der Rolle der DP im Hinblick auf die Zielsetzung der KPCh, also die Aufrechterhal- tung der Stabilität des sozialistischen Systems. Dabei werden die Möglichkeiten der VR China, also der KPCh, eingeschätzt. Ferner geht es um zwei Fragen: (1) Kann der schnelle soziale Wandel die immer wieder vertagten politischen Reformen vorantreiben? (2) Könnte die gegenwärtige Transformation in der VR China gewissermaßen einen ähnlichen Entwick- lungsweg wie den Taiwans (aufgrund der ähnlichen politischen Kultur) oder den der Sowjet- union (aufgrund des ähnlichen politischen Systems) einschlagen?

Zur Vermeidung einer bloßen Beschreibung der Hintergründe, wurde der größte Teil der hierzu vorhandenen Informationen in die Fußnoten verlegt. Für die Transkription chinesisch- sprachiger Wörter wurde die offizielle -Umschrift gewählt. Ausnahmen bilden lediglich

30 einige Personen- und Ortsnamen, die in der Fachliteratur relativ häufig benutzt werden: Sie werden nach allgemeiner Gewohnheit wiedergegeben, wie z.B. „Peking“ statt „Beijing“, „Chiang Kai-Shek“ statt „Jiang Jieshi“. Für die Namen der chinesischen Autoren aus der chi- nesischen Fachliteratur wird nach chinesischer Regel verfahren, d.h. die Nachnamen werden den Vornamen vorangestellt und nicht durch Kommata getrennt; die Namen aus der englisch- oder deutschsprachigen Literatur werden nach westlicher Gepflogenheit wiedergegeben. Die Titel der chinesischsprachigen Publikationen sind zum besseren Verständnis ins Deutsche übersetzt worden. In den Fußnoten werden allerdings nur die Haupttitel oder Titelabkürzun- gen aufgeführt. Die vollständigen bibliographischen Angaben finden sich in den Literaturan- gaben am Ende dieser Arbeit.

31 II Ursprung der Krise nach der Kulturrevolution

Ende der 1970er Jahre begann in der VR China eine neue Epoche, die sich von der revolu- tionären Vergangenheit löste und zugleich an Wirtschaftsreformen orientierte. Diese Epoche brachte zugleich Hoffnungen und Schwierigkeiten mit sich. Viele Probleme in Politik, Gesell- schaft und Wirtschaft, die heute in der VR China existieren, wurden von diesen Wirtschafts- reformen ausgelöst. Die Idee der „Stabilität“, die zur Zeit als höchstes Ziel angesehen wird, entstand ebenfalls in jener Zeit. In den folgenden Kapiteln wird der Ausgangspunkt der Krise nach der Kulturrevolution behandelt, die gespaltene Lage in den 1980er Jahren sowie die Doppelkrise intern und extern im Jahr 1989.

1 Die gespaltene Lage in den 1980er Jahren

In diesem Kapitel wird die zwiespältige Situation in den 1980er Jahren behandelt, das Idol Mao Zedong und seine Gegner, Auseinandersetzungen zwischen Reformern und Reform- gegnern in Wirtschaft und Politik sowie die Suche der KPCh nach einem Gleichgewicht zwischen politischen Reformen und politischer Stabilität.

1.1 Das Idol Mao Zedong und seine Gegner

Legitimität ist schwierig zu identifizieren und noch schwieriger zu messen.1 Im Grunde bedeutet sie, daß die Autorität und die Rechtfertigung der Herrschaft durch die Bevölkerung anerkannt wird. Legitimität ist zu einem dringenden Thema der KPCh nach Maos Tod gewor- den, da Mao Zedong (1893-1976) ein charismatischer politischer Führer war und seine Auto- rität von seinen Nachfolgern nicht übernommen werden konnte. Dennoch war Maos Tod nicht der eigentliche Grund für die Legitimitätskrise.2 Diese Legitimitätskrise der KPCh hatte schon zu Lebzeiten Maos begonnen. Eine wesentliche Ursache war der nachlassende Glaube an die Konzepte Maos aufgrund fehlender Erfolge.3 Daher bot Maos Tod eine Chance, die Politik in China zu verändern.

1 Vgl. David S. G. Goodman: „Democracy, Interest, and Virtue: The Search for Legitimacy in the People’s Re- public of China“, in: Stuart R. Schram (Hrsg.): Foundations and Limits of State Power in China, Hongkong 1987, S.292. 2 Vgl. ebd., S.291. 3 Vgl. Frederick C. Teiwes: Leadership, Legitimacy, and Conflict in China, New York 1984, S.76. 32 Als Maos „würdiger Nachfolger“ und persönlicher Favorit4 wollte Maos Dogma für seinen eigenen Herrschaftsanspruch nutzen. So forderte Hua die konsequente Ein- haltung der maoistischen Parole „Liangge fanshi“: „Alle vom Vorsitzenden Mao getroffenen Entscheidungen unterstützen wir entschlossen, alle Anweisungen des Vorsitzenden Mao be- folgen wir von Anfang bis Ende ohne Abweichung.“5 Schon Mao war es nicht gelungen, sei- ne Ideen von der „Fortsetzung der Revolution“6 (Jiju geming) und dem „Klassenkampf“ in China erfolgreich umzusetzen. Sie verursachten sogar während des „Großen Sprungs nach vorn“ (1958-1960, fortan: „Großer Sprung“) und der „Kulturrevolution“ (1966-1976) ver- heerende Katastrophen.7 Die Legitimitätskrise setzte sich Ende der 1970er Jahre fort, da Huas Politik weder von vielen Parteikadern noch von der Bevölkerung unterstützt wurde.

4 Vgl. ebd., S.79. Vgl. auch Weggel: Geschichte Chinas, S.307. - Goodman: Democracy, Interest, and Virtue, S.291f. 5 „Xue hao wenjian zhuazhu gang“ („Lerne die Dokumente gut und packe das Hauptkettenglied!“), in: Hongqi, Nr.3, 1977, S.18. 6 Mao Zedong verstand die Kulturrevolution im Rahmen der zugrunde liegenden Theorie von der „Fortsetzung der Revolution unter der Diktatur des Proletariats“. Ihr Inhalt lautet wie folgt: „(1) Beim Studium der sozialistischen Gesellschaft muß man das marxistisch-leninistische Gesetz von der Einheit der Gegensätze anwenden. (2) In dieser historischen Periode bestehen immer noch Klassen, Klassenwidersprüche und -kämpfe; der Kampf zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Weg wird fortgesetzt, und die Gefahr einer Restauration des Kapitalismus bleibt bestehen. Um eine kapitalistische Restauration und die ‚friedliche Evolution‘ zu verhüten, muß die sozialistische Revolution an der politischen und der ideologischen Front unbedingt zu Ende geführt werden. (3) Unter der Diktatur des Proletariats ist der Klassenkampf dem Wesen nach immer noch eine Frage der politischen Macht. Das Proletariat muß im Bereich des Überbaus, der die verschiedenen Sektoren der Kultur einschließt, eine allseitige Diktatur über die Bourgeoisie ausüben. (4) Der Kampf der beiden Klassen und der beiden Wege in der Gesellschaft widerspiegelt sich unweigerlich in der Partei. Die Handvoll von Parteimachthabern, die den kapitalistischen Weg gehen, sind die Vertreter der Bourgeoisie innerhalb der Partei. (5) Die große proletarische Kulturrevolution ist von größter Bedeutung für die Fortsetzung der Revolution unter der Diktatur des Proletariats. (6) Das Hauptprogramm der großen proletarischen Kulturrevolution im ideologischen Bereich ist die Bekämpfung des Egoismus und die Widerlegung und Verurteilung des Revisionismus.“ Siehe „Auf dem von der Sozialistischen Oktoberrevolution gebahnten Weg vorwärtsschreiten! Zur Feier des 50. Jahrestags der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“, von den Redaktionen der „Renmin Ribao“, „Hongqi“ und „Jiefangjun Bao“, in: Peking Rundschau, Nr. 46, 14. Nov. 1967, S.15f. 7 Während der Periode des „Großen Sprungs nach vorn“ verringerte sich der Ertrag bei landwirtschaftlichen Pro- dukten stetig. 1958 betrug das Volumen für landwirtschaftliche Produkte etwa 200 Mio. t, 1959 170 Mio. t und 1960 143,5 Mio. t. Erst 1961 begann das Volumen für landwirtschaftliche Produkte wieder zu steigen. 1966 wies das erwirtschaftete Volumen landwirtschaftlicher Produkte in etwa den gleichen Umfang auf wie im Jahr 1958. Aber 1960 war die Zahl der Bevölkerung bereits auf 660 Mio. angewachsen. Angesichts dieser empfindlichen Rückgänge in der landwirtschaftlichen Produktion und des gleichzeitigen Anstiegs der Bevölkerung befand die VR China sich am Ende in einer Zeit hochdramatischer Hungersnöte. Nach offiziellen Angaben der KPCh betrug die Sterblichkeitsziffer in der VR China im Jahre 1958: 11,98%, 1959: 14,59% und 1960: 25,43%. 1961 sank sie dann auf 14,33%. Nach Einschätzung Chen Yongfas betrug die Zahl der Toten während der sogenannten „Drei bitteren Jahre“ (1960-1962) etwa zwischen 35 und 44 Mio. Nach Einschätzung der amerikanischen Wissenschaftler ist die Zahl der Toten auf ca. 30 Mio. zu beziffern. Nach einer Analyse von Chen Yizi, des ehemaligen Chefberaters Zhao Ziyangs, des ehemaligen Generalsekretärs der KPCh, ist die Zahl der Hungertoten noch höher, also auf 43 bis 46 Mio., anzusetzen. Während der Kulturrevolution waren ca. 1 728 000 Menschen auf unnatürliche Weise gestorben, darunter Kader der KPCh mit einem Anteil von 9,4% (das sind ca. 162 000 Menschen) und hochqualifizierte (akademische) Berufstätige mit 15% (also ca. 252 000 Menschen). Außerdem wurden in jener Zeit über 4,2 Mio. Menschen verhaftet, wovon dann 135 000 als sogenannte „Konterrevolutionäre“ zum Tode verurteilt wurden. Aus Sicht der Bauern aber sind die Fehler während des „Großen Sprungs“ in der Auswirkung viel schlimmer als während der gesamten „Kulturrevolution“. Vgl. Judith Banister: China’s Changing Population, Stanford 1987, S.84f. Vgl. 33

Bereits 1978 keimte Kritik an den Ideen Mao Zedongs und an seinem Führungsstil auf. Der „Liange fanshi“-Parole wurde von den Gegnern der Maoisten die Parole „Praxis ist das einzige Kriterium zur Überprüfung der Wahrheit“8 gegenübergestellt. Alle Theorien – ein- schließlich des Marxismus-Leninismus und der Theorien Maos – müßten sich ständig in der Praxis bewähren und der objektiven Wahrheit entsprechen.9 Diese Kritik richtete sich zwar in erster Linie gegen die von (1907-1971) und der „Viererbande“10 während der Kul- turrevolution verbreitete These, daß jedes Wort des Großen Vorsitzenden Mao die Wahrheit beinhalte oder ein Wort des Vorsitzenden Mao dem Wert von zehntausend Worten entspre- che, doch ging es in der Hauptsache um eine Kritik am Personenkult Maos.11

Der Streit um Mao und die Mao-Zedong-Ideen, der nun zwischen dem dogmatischen und dem pragmatischen Flügel innerhalb der KPCh entflammt war, wurde anfangs nicht öffentlich ausgetragen. Auf dem 3. Plenum des XI. ZK der KPCh, das vom 18. bis 22. Dezember 1978 stattfand, wurde der Streit sichtbar, als eine Abweichung vom maoistischen Entwicklungskon- zept auf den Weg gebracht wurde. Im „Kommuniqué“ dieses Plenums erklärte die KPCh die sozialistische Modernisierung bzw. die Entwicklung der Volkswirtschaft und die Durchfüh- rung der „Vier Modernisierungen“12 zum neuen Arbeitsschwerpunkt. Die Priorität bei der Wirtschaftspolitik, so hieß es, sollte im Aufbau der Landwirtschaft liegen, den ökonomischen Gesetzen Rechnung tragen und materielle Anreize als Antriebsmotor für die wirtschaftliche Entwicklung schaffen. In der Tat wurde das Plenum als epochales Ereignis empfunden und als sogenannte „Zweite Befreiung“ sogar über die „Erste Befreiung“ von 1949 gestellt.13 Die Begriffe „Revolution“ und „Klassenkampf“ wurden neu definiert, um sie der neuen Situation anzupassen. Die KPCh legte auf dem 3. Plenum des XI. ZK fest: „Die vier Moder- nisierungen verlangen, daß die Produktivkräfte beträchtlich entwickelt werden. Sie erfordern

auch Jasper Becker: Hungry Ghosts: Mao’s Secret Famine, New York 1996, S.266-273 und Chen Yongfa: Zhongguo gongchan geming qishi nian (70 Jahre chinesische kommunistische Revolution), Taipei 1998, S.719ff u. S.817. 8 Der von geprüfte und zur Veröffentlichung bestimmte Artikel über das Motto „Praxis ist das ein- zige Kriterium zur Überprüfung der Wahrheit“ wurde am 10. Mai 1978 zuerst in der Zeitschrift der Parteischu- le der KP-Zentrale veröffentlicht. Am Tag darauf, am 11. Mai 1978, wurde dann in der Guangming Ribao ein gesonderter Artikel zum selben Thema veröffentlicht. Deng Xiaoping stand voll und ganz hinter diesem Arti- kel. 9 Vgl. „Shijian shi jianyan zhenli de weiyi biaozhun“ („Praxis ist das einzige Kriterium zur Überprüfung der Wahrheit“), in: Guangming Ribao, 11. Mai 1978, S.1-2. 10 Die Mitglieder der sogenannten „Viererbande“ sind Maos Witwe Jiang Qing (1913-1991), , Yao Wenyuan und Wang Hongwen (1935-1992). 11 Vgl. Yu-Hsi Nieh: „Der Streit um Mao. I. Ideologischer Aspekt“, in: China aktuell, Jan. 1981, S.51. 12 Darunter versteht man ein Programm, welches die Modernisierung der Landwirtschaft, der Industrie, der na- tionalen Verteidigung sowie von Wissenschaft und Technik vorantreiben sollte. 13 Vgl. Weggel: Geschichte Chinas, S.310. 34 folglich auch, daß jene Bereiche der Produktionsverhältnisse und des Überbaus, die der Ent- wicklung der Produktivkräfte nicht mehr entsprechen, und alle Verwaltungsmethoden sowie das Denken und Handeln, die mit der Entwicklung nicht länger Schritt halten, umgestaltet werden. Das bedeutet eine umfassende und tiefgreifende Revolution.“ 14 Aber diese noch immer mit den Begriffen Maos zum Ausdruck gebrachte „Revolution“ unterschied sich de facto völlig von der „Revolution“ Maos. Die KPCh-Führung strebte unter Deng Xiaoping (1904-1997) an, den Kern der Mao-Zedong-Ideen bzw. die Idee vom „Klassenkampf als Hauptkettenglied“ nicht mehr zu akzeptieren. Sie gebrauchte zwar den Begriff „Klassen- kampf“ weiterhin, schränkte jedoch seinen Gültigkeitsbereich ein: „Der umfassende, stür- mische Klassenkampf der Massen ist im wesentlichen beendet. An den Klassenkampf in der sozialistischen Gesellschaft muß man gemäß der Richtlinie herangehen, zwei ihrem Wesen nach verschiedene Arten von Widersprüchen15 streng zu unterscheiden und sie richtig zu be- handeln. Man muß nach der Verfassung und entsprechend der gesetzlich festgelegten Proze- dur an ihn herangehen. Auf keinen Fall ist es zulässig, die Grenze zwischen den zwei ihrem Wesen nach verschiedenen Arten von Widersprüchen zu verwischen und die politische Lage der Stabilität und Einheit, die die sozialistische Modernisierung erfordert, zu beeinträchti- gen.“16 Die KPCh wollte dementsprechend die „Vier Modernisierungen“ im Rahmen des sozialistischen Systems unter ihrer Anleitung friedlich, schrittweise und planmäßig durch- führen.17 Dabei bezeichnete die KPCh die sozialistische Modernisierung als einen „neuen lan- gen Marsch“,18 damit die Bevölkerung, mit Hilfe revolutionärer Emotionen, die Modernisie- rung vorantreiben sollte.

Deutlich zeigte sich die von Maos Vorstellung abweichende Haltung in dem Dokument „Resolution über einige Fragen in unserer Parteigeschichte seit Gründung der Volksrepublik

14 „Kommuniqué der 3. Plenartagung des XI. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas“, angenom- men am 22. Dez. 1978, in: Peking Rundschau, Nr. 52, 31. Dez. 1978, S.11. 15 Nach der Definition von Mao gibt es zwei verschiedene Arten von Widersprüchen, nämlich zum einen die Widersprüche zwischen „uns“ und dem „Feind“ und zum anderen die Widersprüche im Volk. Die Ersteren sind antagonistische Widersprüche, während die Letzteren - die unter den Werktätigen - nicht antagonistisch sind. Die Widersprüche beider Arten sind daher auch mit unterschiedlichen Methoden zu lösen. Die Wider- sprüche im Volk sollten durch die Formel „Einheit - Kritik - Einheit“ gelöst werden, oder mit anderen Worten: „Aus früheren Fehlern lernen, um künftige zu vermeiden“. Im Staat der „Diktatur der Volksdemokratie“ sollte nur das „Volk“, also die Werktätigen, konkrete Freiheit und konkrete Demokratie genießen, während sich die Diktatur gegen „Feinde“ richten muß, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Siehe Mao Zedong: „Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk“ v. 27. Feb. 1957, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Ausge- wählte Werke, Bd. 5, Peking 1978, S.434ff. 16 Kommuniqué, S.11. 17 Vgl. „Resolution über einige Fragen in unserer Parteigeschichte seit Gründung der Volksrepublik China“, an- genommen auf der 6. Plenartagung des XI. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas am 27. Juni 1981, in: Beijing Rundschau, Nr. 27, 7. Juli 1981, S.40. Vgl. auch An Zhiguo: „Weiterführung der Revolu- tion“, in: Beijing Rundschau, Nr. 34, 25. Aug. 1981, S.3. 18 Kommuniqué, S.11. 35 China“ des ZK der KPCh vom Juni 1981, in dem Maos Theorie von der „Fortsetzung der Revolution unter der Diktatur des Proletariats“ offiziell kritisiert und in dem die schmerz- lichen Erfahrungen aus der Zeit der Kulturrevolution umfassend behandelt wurden.19 Die von Mao initiierte und geführte Kulturrevolution und ihre Auswirkungen werden seitdem als „schwerwiegendste Rückschläge und Verluste“ seit der Gründung der VR China angesehen.20 Obwohl Mao Zedong die Hauptverantwortung für die Fehler während der „Kulturrevolution“ zukomme, behauptete die KPCh, daß seine Verdienste für die chinesische Revolution zweifel-los von primärer Art und seine Fehler von sekundärer Art seien.21 Im Gegensatz zur Ent-stalinisierung ab 1956 in der Sowjetunion fand keine Entmaoisierung in der VR China statt. Mao war der „Legitimator“ der VR China.22 Eine schonungslose Kritik an Mao in China hätte die Verneinung der Legitimität der KPCh bedeutet. Die Absicht der KPCh war zu diesem Zeitpunkt, eine Aushöhlung der Ideologien, sowohl des Marxismus- Leninismus als auch der Mao-Zedong-Ideen, streng zu vermeiden. Dadurch konnte die KPCh an ihrem Führungsan-spruch weiterhin festhalten.

Die Reformen wurden in den 1980er Jahren als eine unumkehrbare historische Tendenz betrachtet.23 Dadurch wurden die Interessen der KPCh mit denen der Bevölkerung in Ein- klang gebracht. Die KPCh konnte folglich stets die Hingabe aller sozialen Kräfte zur Ver- wirklichung der sozialistischen Modernisierungspläne fordern. Dabei kam die Befreiung von den vorhandenen Dogmen – oder die von Oskar Weggel sogenannte „Modernisierung des Mao-Zedong-Denkens“24 – den Reformen zugute.

19 Vgl. Resolution über einige Fragen, S.8-40. 20 Vgl. ebd., S.19ff. 21 Vgl. ebd., S.23 u. S.29. 22 Vgl. Goodman: Democracy, Interest, and Virtue, S.291. 23 Dies ist von Hu Yaobang geäußert worden. Vgl. Nan Zhenzhong / Jiang Peng: „Gaige yi chengwei buke ni- zhuan de lishi chaoliu“ („Die Reformen sind bereits zur unumkehrbaren historischen Strömung geworden“), in: Renmin Ribao, 1. Sept. 1986, S.1. 24 Nach Oskar Weggel bestand die sogenannte „Modernisierung“ des Mao-Zedong-Denkens in mehreren Maß- nahmen: Im ersten Schritt wurden die Mao-Zedong-Ideen von der Person des späten Mao getrennt; im zwei- ten Schritt wurde ein „fehlerhafter“ Mao verurteilt und der „richtig handelnde“ Mao gelobt. Nach dieser Logik hatte Mao also den eigenen Mao-Zedong-Ideen zuwidergehandelt; in einem dritten Schritt wurde die „Wiederherstellung der Mao-Zedong-Ideen“ durch ihre Gleichsetzung mit dem ideologischen Gedankengut der Reformer gefordert. Siehe Oskar Weggel: „Ideologie im nachmaoistischen China - Versuch einer Syste- matisierung“, in: China aktuell, Jan. 1983, S.23 und auch Weggel: Geschichte Chinas, S.344ff. 36 1.2 Auseinandersetzungen zwischen Reformern und Reformgegnern in Wirtschaft und Politik

Die Geschichte der KPCh ist in ihrer politischen Entwicklung durch Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppen innerhalb der Partei geprägt. In den 1980er Jahren schien eine von den meisten Gruppen innerhalb der Partei anerkannte Autorität nicht mehr zu existieren, was zur Folge hatte, daß Entscheidungen häufig in Frage gestellt wurden.25 Im Kampf um das Überleben des sozialistischen Systems in China stimmten alle Gruppen schließlich den Refor- men zu.26 Zwar redete man in der chinesischen Politik über die geplanten „Reformen“, aber je nach Gruppe (bzw. Gruppeninteresse) bekamen sie unterschiedliche Inhalte. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kräften lagen dabei nicht allein in den ideologisch-politischen Bereichen, sondern auch in den grundsätzlichen Differenzen bezüglich der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungskonzepte für Chinas Zukunft. Sie alle wurden mit den Proble- men konfrontiert, wie umfassend die Reformen (in Wirtschaft und Politik) überhaupt durch- geführt werden sollten und wie weit der Kampf gegen die Begleiterscheinungen bei inten- siven Reformen (also gegen alle Phänomene der sogenannten „bürgerlichen Liberalisie- rung“27) geführt werden durfte. Angesichts der unterschiedlichen Ausgangspunkte entstanden verschiedene Gruppen in der politischen Landschaft der VR China.

Die politische Ausgangssituation der 1980er Jahre in China bewirkte, daß keine einzige der damals mitwirkenden Gruppen übermächtig werden konnte. Folglich wurden häufig Kom- promisse zwischen ihnen geschlossen. Schon Ende der 1970er Jahre entstanden fundamental verschiedene Gruppen in der politischen Landschaft der Volksrepublik – wie beispielsweise die orthodoxen Marxisten-Leninisten, die gemäßigten Maoisten, die Verfechter des Sowjet- Modells, die gemäßigten Reformer und die stark reformorientierte Gruppe. Im Gegensatz zum radikal-maoistischen Entwicklungskonzept, welches die Grundlage während des sogenannten „Großen Sprungs“ und während der Kulturrevolution war, forderten die gemäßigten Maoisten in der Regierungsära unter Hua Guofeng (1977-1982) zwar noch die

25 Vgl. Teiwes: LLC, S.77. Vgl. auch Bruce J. Dickson: „Leninist Adaptability in China and Taiwan“, in: Edwin A. Winckler (Hrsg.): Transition from Communism in China. Institutional and Comparative Analyses, London 1999, S.68. 26 Vgl. Nathan: China’s Crisis, S.36. 27 Die KPCh unterscheidet zwei Arten von „geistiger Zivilisation“, nämlich zum einen die „sozialistische Zivi- lisation“ und zum anderen die „kapitalistische Zivilisation“. Die „bürgerliche Liberalisierung“ wird als ideo- logische Grundlage des Kapitalismus sowie als dessen typische Lebensbetrachtungsweise und auch als dessen Moralvorstellungen angesehen. 37 Beibehaltung des maoistischen Entwicklungskonzeptes, aber eben nicht mehr mit radikalen Mitteln. Die orthodoxen Marxisten-Leninisten lehnten nicht nur kategorisch die demokratisch orientierten Reformen innerhalb der Partei ab, sondern kritisierten auch heftig die bereits in Gang gekommenen Wirtschaftsreformen. Sie betrachteten die Wirtschaftssonderzone als „neokolonialistische Enklave“ und als Konzessionsgebiete neuen Typs. Ihre Vertreter in den 1980er Jahren waren meistens ältere Revolutionäre wie (1909-1992), (1902-1997) und (1910-1993). Die Orientierung an der Planwirtschaft nach dem Modell der Sowjetunion bildete schon immer eine Alternative zum maoistischen Entwicklungskonzept.28 In den 1980er Jahren be- kämpfte daher die Gruppe der Verfechter des Sowjet-Modells rigoros die politischen Refor- men im Sinne einer Demokratisierung des Einparteiensystems. Auf wirtschaftlichem und poli- tischem Gebiet wollte diese Gruppe zur zentral gelenkten Planwirtschaft als Hauptsteuerungs- element der Wirtschaft zurückkehren und forderte daher auch eine Rezentralisierung der bürokratischen Entscheidungsbefugnisse und Verfügungsgewalt über die Mehrzahl der staatli- chen Industriebetriebe, wobei ein relativ freier Markt lediglich als Ergänzung hierzu gescha- ffen werden sollte. Dieses Konzept wurde – wie sein Vertreter (1905-1995) es prä- gend formuliert hatte – als „Vogelkäfig-Doktrin“ bekannt. Die besagt, daß die marktwirt- schaftlichen und privatwirtschaftlichen Elemente sich nur innerhalb dieses „Vogelkäfigs“ der zentralen Wirtschaftsplanung entwickeln dürften.29 Die stark reformorientierte Gruppe befürwortete dagegen sowohl gemäßigt marktorientier- te Wirtschaftsreformen als auch politische Reformen, wie z.B. Hu Yaobang und . Die gemäßigten Reformer, unter der Führung von Deng Xiaoping, in deren Händen schließ- lich die Macht lag, waren zwar auch für Reformen, aber nur im Sinne einer Orientierung des sozialistischen Wirtschaftssystems an der Marktwirtschaft. Die politische Liberalisierung wäre für die gemäßigten Reformer gleichbedeutend mit der Beendigung des Machtmonopols der KPCh. Im Hinblick auf den komplizierten Prozeß der Gruppen- und Koalitionsbildung innerhalb der Partei sowie die unzureichenden Informationen über die politische Führung ist es schwie- rig, die chinesischen Politiker der VR China in die jeweils passende Gruppe einzuordnen. In den politischen Konflikten innerhalb der KPCh ging und geht es meistens nicht um das

28 Nach dem Konzept des sowjetischen Modells sollte die Industrie im wesentlichen verstaatlicht und weiterhin zentral verwaltet werden, sie sollte aber durch ein System von materiellen Anreizen die Arbeiter zu höherer Leistung motivieren. Der Kleinhandel und gewisse Dienstleistungen sollten privatisiert werden. Vgl. Peter Schier: „Intraelitäre Gruppen und Konflikte in der Volksrepublik China“, in: China aktuell, Mai 1991, S.286. 29 Vgl. ebd., S.294. 38 Konzept selbst, sondern vielmehr um die Macht oder um Interessen. So kämpfte z.B. die Reformfraktion – bestehend aus den gemäßigten Reformern und der stark reformorientierten Gruppe – Anfang 1980 gegen die „Anti-Reform-Koalition“, bestehend aus der orthodoxen Fraktion (also die Gruppe der Sowjetmodellverfechter und der orthodoxen Marxisten-Leninis- ten) und der Maoistischen Restfraktion. Ende 1986 und Mitte 1989 kämpfte die „Antidemo- kratische Koalition“, die sich aus den gemäßigten Reformern, der Gruppe der Sowjetmodell- verfechter und den orthodoxen Marxisten-Leninisten gebildet hatte, gegen die stark reform- orientierte Gruppe.

Die Zunahme liberaler Strömungen in den 1980er Jahren war ein Begleitphänomen der Reform- und Öffnungspolitik. Zur Frage, wie die verschiedenen Gruppen innerhalb der Partei mit den liberalen (bzw. „bürgerlichen“) Strömungen umgehen sollten, fand man keinen Kon- sens. Eine Ablehnung der Führungsposition der KPCh erschien vielen Reformern als nicht akzeptabel. Die Idee der Bekämpfung der sogenannten „bürgerlichen Liberalisierung“ stammte noch von Mao selbst. Während des Krieges gegen Japan vertrat er die Meinung, daß nur ein aktiver ideologischer Kampf die Waffe sei, mit der die Einheit herbeigeführt würde, wohingegen der Liberalismus die Einheit nur zerstöre und zur Korruption von Einzelnen und Organisationen in der Politik führe.30 Die Auffassung, die Mao Zedong in seinem Artikel „Gegen den Libera- lismus“ geschrieben hatte, gehört zum Grundbestand der Mao-Zedong-Ideen. 1983 erklärt Deng Xiaoping diesen Artikel zum „Lehrdokument“ für die ganze Partei, um die liberalen Tendenzen innerhalb der Partei endgültig auszumerzen und um gegen jede Form bürgerlicher Liberalisierung anzukämpfen. Dies erweckt jedoch den Eindruck, daß die KPCh die „bürger- liche Liberalisierung“ mit Verwestlichung, Kapitalismus, Demokratie nach westlichem Vor- bild und mit einem Verstoß gegen die chinesische Verfassung gleichsetzt.31 In den 1980er Jahren gab es drei wichtige Ereignisse im Rahmen der Bekämpfung der bür- gerlichen Liberalisierung, und zwar den Fall des Schriftstellers Bai Hua, die „Kampagne ge- gen geistige Verschmutzung“ und die Studentenproteste von 1986/87.

30 Vgl. Mao Zedong: „Gegen den Liberalismus“ v. 7. Sept. 1937, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Ausgewählte Werke, Bd. II, Peking 1968, S.27-30. 31 Angesichts ihrer antiwestlichen kapitalistischen Haltung wurde westliches Gedankengut von der KPCh in ei- nen Topf geworfen. Die folgende Formel erklärt es: „Bürgerliche Liberalisierung = Verwestlichung = Kapita- lismus = Demokratie nach westlichem Vorbild = Verstoß gegen die chinesische Verfassung (= Trivialliteratur = Pornographie = Sartre = Libertinismus)“. Vgl. Weggel: Geschichte Chinas, S.351. 39 Der Fall Bai Hua32 spiegelte die Meinung zahlreicher chinesischer Literaten und Intel- lektuellen wider, die der KPCh eine Öffnung zum Westen zunehmend bedrohlich erscheinen ließ. Angesichts der weitverbreiteten Vertrauenskrise unter der chinesischen Bevölkerung gegenüber dem sozialistischen System und der Partei wurde im Januar 1983 die „ideologisch- politische Arbeit“ betont. Ihre zentrale Aufgabe lag in der Propaganda der kommunistischen Ideale und in der Abgrenzung gegen „bürgerliches Gedankengut und Lebensstil“. Zu diesem Zeitpunkt nahm die Bekämpfung der „bürgerlichen Liberalisierung“ allmählich zu. Die von der orthodoxen Gruppe und den gemäßigten Reformern weiter initiierte Kampagne gegen die geistige Verschmutzung33 verband den Kampf gegen die bürgerliche Liberalisierung vor- nehmlich mit dem ideologischen Kampf. Diese Kampagne sollte eine permanente Aufgabe beim Aufbau einer „geistigen Zivilisation des Sozialismus“ darstellen, die als neue Ideologie in der Zeit der Reformen propagiert wurde und zum Teil den Ideen des Marxismus und denen Mao Zedongs verpflichtet war.34 Die Kampagne gegen die „geistige Verschmutzung“ ebbte aber schon seit Dezember 1983 allmählich wieder ab, da nach Auffassung der Reformer wie Hu Yaobang und Zhao Ziyang auf internationaler Ebene angesichts der Kampagne Zweifel an der Stabilität des Reformkurses in China aufkamen. Die Studentenbewegung von 1986/87 wurde von der KPCh ebenfalls als liberale Strömung verstanden. Sie wurde 1986 zuerst durch die gefälschten Wahlen der NVK-Abgeordneten aus- gelöst. In der Folge richteten die Studenten ihr Hauptaugenmerk auf die Bekämpfung der un- gelösten Probleme seit dem Reformaufbruch, z.B. Korruption, Inflation, Umweltver- schmutzung, den zunehmenden Abstand zwischen Reichen und Armen und zwischen Stadt- und Landentwicklung, wobei sie Pressefreiheit und weitergehende Reformen forderten. Dies bereitete der KPCh große Sorge, da kommunistische Intellektuelle wie z.B. Fang Lizhi, Liu Binyan und Wang Ruowang die Forderungen der Studenten unterstützten. Vor allem wegen

32 Anfang 1979 veröffentlichte der Schriftsteller Bai Hua sein Drehbuch „Bittere Liebe“ („Kulian“), in dem er die Frage stellt: „Sie lieben das Vaterland. [...] Aber liebt das Vaterland Sie?“. Die militärische Zeitung Jie- fangjun Bao übte als erste im April 1981 Kritik, weil das Drehbuch „Bittere Liebe“ von den Vier Grundprin- zipien und dem Sozialismus abwich. Daraus resultierten sich ausweitende Debatten. Aber die KPCh wollte keine neue „Anti-Rechts-Kampagne“ durchführen. Deswegen wurde der Fall Bai Hua im Dezember 1981 abgeschlossen, nachdem der Autor sich selbst kritisiert hatte. Vgl. „Kritik an Bai Huas Drehbuch ‚Unerwi- derte Liebe‘ wieder aufgeflammt“, in: China aktuell, Sept. 1981, Ü9, S.564f. Vgl. auch „Volkszeitung ver- öffentlicht Kritik an dem Drehbuch ‚Bittere Liebe‘“, in: China aktuell, Okt. 1981, Ü18, S.649f. - „ über ‚bürgerliche Liberalisierungstendenzen‘“, in: China aktuell, Dez. 1981, Ü10, S.780-782 - Li Kwoksing: Zhongguo dalu zhengzhi shuyu (Ein Glossar der politischen Terminologie der Volksrepublik China), Hongkong 1992, S.345-348. 33 Unter „geistiger Verschmutzung“ verstand man damals in der Hauptsache die „Infiltration von bürgerlichem Gedankengut“ und von „falschen westlichen Theorien“. Prostitution, Dauerwelle, gefärbte Haare, Anwendung von Kosmetik, modische Kleider u.a. wurden – so unglaublich das auch klingt - als Bestandteil solcher Phäno- mene betrachtet. Vgl. „Kampf gegen ‚geistige Verschmutzung‘“, in: China aktuell, Nov. 1983, Ü5, S.661. 34 Vgl. ebd., S.660f. 40 seiner Sympathie gegenüber den Studentenprotesten wurde der Parteichef Hu Yaobang von seinem Amt abgesetzt.

Als Nachfolger Hus führte Zhao Ziyang den Kampf gegen die bürgerliche Liberalisierung begrenzt auf die Reihen der KPCh fort. Dieser Kampf konzentrierte sich im wesentlichen auf politische Erziehungsmaßnahmen, d.h. die Reformen wurden weiterhin eingeleitet und es gab keine öffentlichen Kampagnen gegen die bürgerliche Liberalisierung mehr.35 Die Absicht Zhaos war, die Intellektuellen nicht mehr zu beunruhigen und die ausländischen Investoren nicht abzuschrecken. Dabei wurde deutlich, daß China aus dem Westen vor allem Kapital, Technologie und Organisationstechnik, nicht aber kulturelle und politische Neuerungen über- nehmen wollte.36

Die Forderung nach Unterdrückung der liberalen Strömung läßt vermuten, daß die ortho- doxe Gruppe in den 1980er Jahren genügend politischen Einfluß besessen hatte. Dennoch war die Unterdrückung moderat. Der Fall Bai Hua war abgeschlossen, nachdem der Schriftsteller öffentlich Selbstkritik geübt hatte. Die Kampagne gegen die „geistige Verschmutzung“ hatte zwar mit lautem Getöse angefangen, wurde aber bald stillschweigend beendet. Nach dem En- de der Studentenproteste von 1986/87 wurden nur einige kommunistische Intellektuelle wie Fang Lizhi, Liu Binyan und Wang Ruowang aus der KPCh ausgeschlossen. Aber in der fol- genden Zeit stieg die Unterdrückung der liberalen Strömungen wieder allmählich an, bis sie schließlich die Studentenbewegung von 1989 auslöste. Es scheint, daß die KPCh zur damali- gen Zeit über keine angemessenen Alternativen verfügte, um die sich ausweitende Strömung der Liberalisierung aufzuhalten, so daß die KPCh schließlich nur noch unter Einsatz von Ge- walt die Studentenbewegung kontrollieren konnte.

1.3 Politische Reformen und politische Stabilität

Schon 1980 hatten die Reformer erkannt, daß ohne Erneuerung des politischen Systems keine grundlegenden wirtschaftlichen Erfolge zu erreichen waren. Die Umwandlung einer zentralisierten Wirtschaft zu einem effektiveren Wirtschaftssystem37 erforderte umfassende institutionelle Änderungen. Dabei sollte die Verwaltung der Unternehmen durch die Regie-

35 Vgl. Zhao Ziyang: „Keine Kampagne gegen die bürgerliche Liberalisierung“, in: Beijing Rundschau, Nr. 5/6, 10. Feb. 1987, S.6. 36 Vgl. Weggel: Geschichte Chinas, S.352. 37 Seit damals orientierte sich die VR China in wirtschaftlicher Hinsicht nicht an der Marktwirtschaft, sondern schuf eine ihr eigene Mischung aus Plan- und Marktwirtschaft. 41 rung begrenzt und staatliches Eigentum privatisiert werden, sollten Preise nicht mehr staatlich reguliert, sondern über Geld- und Marktmechanismen gesteuert und private Unternehmen zu- gelassen sowie begünstigt werden. Das damalige politische System behinderte die Innovation der Wirtschaft. Folgende Mißstände wurden häufig genannt: die übermäßige Machtkonzen- tration, die Vergabe von Führungspositionen auf Lebenszeit, patriarchalisches Denken und Handeln, Bürokratismus und Privilegienwesen.38 Im August 1980 befürwortete Deng Xiao- ping in einer Rede generell politische Reformen. Er sagte damals: „Nur wenn diese Mißstände durch Reformen planmäßig, schrittweise, entschieden und gründlich beseitigt worden sind, wird das Volk unserer Führung, unserer Partei und dem Sozialismus vertrauen, und unserer Sache wird eine lichte Zukunft zuteil.“39

Es fanden viele Diskussionen über politische Reformen schon zu Anfang der 1980er Jahre statt. Grundlegende Vorschläge waren: – striktere Trennung zwischen Partei- und Regierungskompetenzen; – Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen durch Verlagerung von Gestaltungsrech- ten auf die betrieblichen und lokalen Ebenen; – Stärkung der Volkskongresse durch Direktwahl und erweiterte Befugnisse; – Verbesserung der Arbeitsorgane der Regierung bzw. Systemreform und Verwaltungsverein- fachung; – Reform des Kadersystems (Wahl, Absetzung, Überprüfung, Pensionierung usw.); – weiterer Ausbau des sozialistischen Rechtssystems; – Ausweitung der Betriebsautonomie.40

Im Entwurf der Reform der politischen Strukturen vom XIII. Parteitag 1987 wurden die oben genannten Diskussionsbeiträge zwar grundsätzlich aufgenommen,41 aber der veröffent- lichte Reformplan bezog sich nur auf die künftigen Zielsetzungen, jedoch nicht auf die konkreten Durchführungspläne. In der Praxis wurden viele Maßnahmen entweder modifiziert

38 Vgl. Deng Xiaoping: „Über die Reform des Führungssystems der Partei und des Staates“ v. 18. Aug. 1980, in: Beijing Rundschau, Nr. 33, 19. Aug. 1986, S.15. 39 Ebd., S.19. 40 Vgl. Feng Wenbin: „Guanyu shehuizhuyi minzhu wenti“ („Über Probleme der sozialistischen Demokratie“), in: Renmin Ribao, 24./25. Nov. 1980, S.5. Vgl. auch „Guojia de minzhuhua gaige bixu zai anding tuanjie de tiaojian xia zhubu shixian“ („Die Reformen der staatlichen Demokratisierung müssen unter der Bedingung der Stabilität und Einheit schrittweise verwirklicht werden“), in: Renmin Ribao, 8. Feb. 1981, Leitartikel, S.1. 41 Der auf dem XIII. Parteitag der KPCh veröffentliche Reformplan über die politische Struktur fügte noch einen neuen Punkt hinzu, die Institutionalisierung der Konsultation und des Dialogs in der Gesellschaft. Siehe Zhao Ziyang: „Auf dem Weg des Sozialismus chinesischer Prägung vorwärts“ (Bericht auf dem XIII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas) v. 25. Okt. 1987, in: Beijing Rundschau, Nr. 45, 10. Nov. 1987, S.XVIII- XXVI. 42 oder verzögert. Politische Reformen wurden eingeschränkt und schließlich nur im administra- tiven Bereich durchgeführt. Ein anderes Beispiel ist die Ausweitung der Direktwahl durch das Wahlgesetz vom 1. Juli 197942 nur bis zur Kreisebene, nicht dagegen bis zur Provinzebene. Eine allgemeine Direktwahl der Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses wurde voll- ständig ausgeklammert. Dies zeigt, daß die KPCh mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert wurde, die aus der Partei selbst kamen. In den 1980er Jahren hatten die orthodoxen Marxis- ten-Leninisten noch Einfluß auf den ideologischen und politischen Bereich, so daß die Re- formbefürworter mit den Reformgegnern stets Kompromisse schließen mußten. Reformen sollten nur auf die Wirtschaft beschränkt und kaum auf politischer Ebene durchgeführt werden. Aus den programmatischen Aussagen des XIII. Parteitags der KPCh ging nicht hervor, daß politische Reformen aufgegeben werden sollten. Die Entwicklung der „sozialistischen Demo- kratie“43 sollte das langfristige Ziel der politischen Reformen sein, während die Einrichtung eines verbesserten Führungssystems als kurzfristiges Ziel der politischen Reformen angesehen werden konnte. Dabei sollten eine politisch und gesellschaftlich stabile Umwelt die Voraus- setzung für die Verwirklichung der „großen Demokratie“ gewähren.44

Die Idee „Stabilität und Einheit“ entstand schon in der Kulturrevolution. Sie wurde zuerst 1973 von der pragmatischen Gruppe gefördert, um die radikale Strömung zu blockieren. An- fang 1975 propagierte die gesamte Presse den Ausdruck „Stabilität und Einheit“. Offensicht- lich wollte die KPCh unter der Führung von Mao auf einen Wechsel der öffentlichen Ein- stellung hinweisen, um die Planungsziele bei der Modernisierung der Landwirtschaft bis 1980 zu erreichen. 45 Der neue Kurs war in der Tat nicht von Maos Theorie des „Klassenkampfes“ abgewichen. Mao stellte ihn wie folgt dar: „Stabilität und Einheit bedeutet nicht den Klassenkampf abzuschreiben, der Klassenkampf ist das Hauptverbindungsglied um

42 Vgl. „Zhonghua renmin gongheguo quanguo renmin daibiao dahui he difang geji renmin daibiao dahui xuan- jufa“ („Wahlgesetz des Nationalen Volkskongresses und der lokalen Volkskongresse aller Ebenen der Volks- republik China“) v. 1. Juli 1979, in: Zhonghua renmin gongheguo renmin daibiao dahui wenxian ziliao hui- bian 1949-1990 (Material- und Dokumentensammlung des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China 1949-1990), Peking 1990,S.158-160. 43 Die „sozialistische Demokratie“ basiert auf der marxistisch-leninistischen Ideologie. Jede Machtübernahme einer marxistisch-leninistischen Partei verkörpert die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Die Merkmaledes politischen Systems in einer sozialistischen Demokratie sind demokratischer Zentralismus, Machtkonzentration, Führungsanspruch der KP, Einkammersystem, Kontrolle der nichtkommunistischen Parteien und Massenorganisationen. Siehe Gerd Meyer: „Sozialistische Demokratie“, in: Klaus Ziemer (Hrsg.): Sozialistische Systeme. Politik - Wirtschaft - Gesellschaft, Pipers Wörterbuch zur Politik 4, hrsg. von Dieter Nohlen, München 1986, S.409-419. 44 Vgl. Zhao: Auf dem Weg, S.XIX. 45 Vgl. Richard von Schirach: „Mao: Den Klassenkampf über Stabilität, Einheit und Aufbau stellen“, in: China aktuell, Feb. 1976, S.33. 43 das sich alles andere dreht.“46 Ein wirklich „pragmatischer“ Kurs wurde aber erst Ende der 1970er Jahre in Gang gesetzt. Die Demokratiebewegung, die eine politische Modernisierung forderte, erreichte einen Höhepunkt ihrer Bestrebungen mit den Wandzeitungen 1978/79. Als Reaktion darauf stellte die chinesische offizielle Presse das Thema der „Stabilität und Einheit“ als eine Warnung vor unwillkommener und zu weit greifender Kritik in den Vordergrund.47 Die Anhänger der De- mokratiebewegung wurden schließlich Ende März 1979 verhaftet. Das Recht auf politische Meinungsäußerung wurde als Reaktion auf diese Bewegung von der KPCh im September 1980 offiziell abgeschafft.48 Auch Anfang der 1980er Jahre war das Schlagwort „Stabilität und Einheit“ auf den ersten Seiten der Parteiorgane zu lesen. Laut einem Leitartikel der Renmin Ribao vom 8. Februar 1981 erforderte die „weitere Vorantreibung der demokratischen Reform unseres Landes [...] eine notwendige Bedingung: die weitere Konsolidierung und Entwicklung der politischen Lage der Stabilität und Einheit. Unruhe ist der Demokratisierung nicht förderlich, wirkt sich ungünstig aus auf die demokratische Reform des Landes.“49 Aufgrund der gesammelten Er- fahrungen sah die KPCh sowohl die orthodox-radikale Strömung (die Kulturrevolution) als auch die liberale Strömung (die Demokratiebewegung von 1978/79) als Ursprung von Instabi- lität an. Wie die Renmin Ribao ausführte, können politische Reformen nur dann nicht zu Instabili- tät führen, wenn sie mit einer ausreichenden Vorbereitung, einem ausführbaren Plan und durch Probieren schrittweise durchgeführt werden.50 Nach Ansicht der KPCh liegt ein ent- scheidender Grund für die Unvollkommenheit der sozialistischen Demokratie und Rechts- ordnung in den Fehlern und Mängeln der Führungsarbeit der Partei.51 Politische Reformen sollten demnach lediglich zu einer „Verbesserung“ der sozialistischen Demokratie in den Führungs-, Arbeits- und Organisationssystemen sowie der Verwaltungsstruktur der KPCh führen.52 Deswegen sei politische Stabilität und Einheit nur möglich, wenn die alleinige Füh- rung durch die KPCh konsolidiert ist. Je stärker sich ihre Struktur festigen würde, desto mehr

46 Ebd., S.32. 47 Vgl. „Stabilität und Einheit“, in: China aktuell, Jan. 1979, Ü20, S.860. 48 Am 10. September 1980 wurde der Artikel 45 der Verfassung von 1978 revidiert. Die sogenannten „Vier Freiheiten“ (freie Meinungsäußerung, freie Aussprache, große Debatten und das Anschlagen von Wandzei- tungen) wurden abgeschafft. Siehe Oskar Weggel: „Gesetzgebung und Rechtspraxis im nachmaoistischen China. Teil III: Das Öffentliche Recht - Verfassungsrecht (ohne Organisationsrecht)“, in: China aktuell, Dez. 1986, S.782. 49 GDMG, S.1. 50 Vgl. ebd. 51 Vgl. ebd. 52 Vgl. ebd. 44 demokratische Reformen könnte die KPCh durchführen.53 In diesem Zusammenhang wurde das „Festhalten an den Vier Grundprinzipien“54 von der KPCh in den Vordergrund gestellt, damit eine stabile politische und gesellschaftliche Ordnung erreicht werden kann. Eine stabile politische und gesellschaftliche Ordnung wurde ebenfalls als notwendige Be- dingung für die Wirtschaftsentwicklung gesehen. Deng Xiaoping stellte dies folgendermaßen dar: „Ohne politische Stabilität und Einheit wäre es uns unmöglich, uns ernstlich mit dem Aufbau zu befassen. Dies haben unsere Erfahrungen in den über 20 Jahren [...] bestätigt.“55 Die Verwirklichung des Programms der „Vier Modernisierungen“ wurde als höchstes Ziel be- trachtet, vor allem der wirtschaftliche Aufbau. In der Folge kam es zwangsläufig dazu, daß andere Aspekte an den Rand gedrängt wurden. „Stabilität“ wurde eingefordert, um den wirt- schaftlichen Aufbau in China mit großer Geschwindigkeit vorantreiben zu können. Die von der KPCh durchgeführten sogenannten „Reformen“ sollten im Grunde nur den chinesischen Sozialismus vor dem politischen Machtverlust bewahren und die gesellschaft- liche Ordnung neu konsolidieren.56 Unter der Betonung von „Stabilität und Einheit“ blieben politische Reformen in den 1980er Jahren lediglich in den politischen Diskussionsrunden prä- sent, während sie sich in der Realität weiter verzögerten.

53 Vgl. „Gegen wen richtetet sich die Forderung nach ‚Stabilität und Einheit‘?“, in: China aktuell, Feb. 1981, Ü13, S.94. 54 Mit dem „Festhalten an den vier Grundprinzipien“ unter der Führung der KPCh versteht man die Anleitung durch den Marxismus-Leninismus und die Mao-Zedong-Ideen, das Festhalten an der Diktatur der Volksdemo- kratie und die Verfolgung des sozialistischen Weges. Siehe Deng Xiaoping: „An den Vier Grundlegenden Prinzipien Festhalten“ v. 30. März 1979, in: Ders.: Deng Xiaoping Ausgewählte Schriften (1975-1982), übers. v. d. deutschen Abteilung des Verlags für fremdsprachige Literatur, Peking 1985, S.186-216. 55 Chen Junsheng: „Warum China am Sozialismus festhalten muß“, in: Beijing Rundschau, Nr. 4, 27. Jan. 1987, S.19. 56 Vgl. Andrew J. Nathan: „Totalitarianism, Authoritarianism, Democracy: The Case of China“, in: Myron L. Cohen (Hrsg.): Asia: Case Studies in the Social Sciences. A Guide for Teaching, Armonk 1992, S.249. Vgl. auch Chiang: The Social Aftermaths, S.26. 45 2 Die Krise von 1989

1989 befand sich die VR China in einer Doppelkrise, sowohl aus innenpolitischer als auch aus außenpolitischer Sicht. Im Inneren beschädigte die KPCh 1989 ihre Autorität und Legiti- mität durch die Gewaltanwendung gegenüber den friedlichen Demonstranten auf dem Tianan- men-Platz. Während die Führung das sozialistische System mit einer brutalen „chinesischen Lösung“ verteidigte, verlief die Transformation in den meisten osteuropäischen sozialisti- schen Ländern friedlich.1 Im Äußeren bedrohte der Umbruch der sozialistischen Systeme in Europa die VR China, weil dies womöglich ein Vorzeichen für den Zerfall ihres sozialisti- schen Systems hätte sein können.2

2.1 Interne Aspekte – Die Krise der Autorität und Legitimität der KPCh durch die Studentenbewegung von 1989

Die Protestbewegung auf dem Tiananmen-Platz vom 4. Juni 1989 wird recht unterschied- lich interpretiert. Die KPCh betrachtet sie als einen bloßen „Zwischenfall“, während sie im Westen oft als „Massaker“ bezeichnet wird. In dieser Arbeit wird sie als „Studentenbewe- gung“ aufgefaßt, weil sie zuerst von Studenten angeführt wurde und bis zum Ende die meisten Teilnehmer auch Studenten waren.

Die Studentenbewegung von 1989 entstand spontan. Aber sie war eine Konsequenz der wirtschaftlichen und fehlenden politischen Reformen. Die Studenten sammelten sich zuerst auf dem Tiananmen-Platz, um den Tod des bei ihnen beliebten Politikers Hu Yaobang im April 1989 zu betrauern. Sie nutzten die Chance, ihre Meinung zu äußern. Die seit dem Re- formaufbruch zunehmende Korruption und Inflation wurden besonders von ihnen kritisiert.3

1 Die Transformation verlief in den osteuropäischen sozialistischen Ländern in nur wenigen Jahren, wobei jedes Land seine eigene charakteristische Entwicklung durchmachte. Das Jahr 1989 symbolisiert im historischen Gesamtzusammenhang den Zusammenbruch der sozialistischen Systeme zumindest für Europa. 2 Vgl. Edwin A. Winckler: „Describing Leninist Transitions“, in: Ders.: Transition from Communism in China, S.20. 3 Nach einer Umfrage im September 1989 unter der Bevölkerung Pekings waren die Bekämpfung der Korruption (78,15%), sowie die Kontrolle der Inflation (65,49%) die vorrangigen Themen, um die sie sich am meisten sorgten. Beides war auch Kernthemen in der Studentenbewegung von 1989. Vgl. Chen Jinguang: „1989 nian dalu xueyun xingzhi ji chongtu xingcheng zhi yanjiu“ („Die Erforschung des Charakters der Studentenbewe- gung von 1989 auf dem Festland China und die Entstehung des Konflikts“), in: Zhongguodalu Yanjiu, Vol. 34, No. 7, Juli 1991, S.62. Vgl. auch Lawrence R. Sullivan: „The and the Beijing Mas- sacre. The Crisis in Authority“, in: David S. G. Goodman / Gerald Segal (Hrsg.): China in the Nineties. Crisis Management and Beyond, Oxford 1991, S.87. 46 Die Demonstrationen breiteten sich aus und führten schließlich zu einer „pro-demokratischen Bewegung“.4 Hinsichtlich der politischen Kultur zeigten sich in der Haltung der Studenten während der Proteste von 1989 „traditionell“ gefärbte Tendenzen. Ihre Forderung in Form einer „Petition“ war eine typische Vorgehensweise im alten China, durch die die Studenten in der staatlichen Akademie und die Intellektuellen bestimmte Forderungen an den Kaiser zu erreichen suchten. Die Studenten bemühten sich 1989 nicht um eine institutionelle Reform, sondern erwarteten, daß „gute Beamte“ die politischen Reformen leiten würden. Dies resultierte aus dem traditio-nell-konfuzianischen Denken vom „weisen Kaiser und guten Beamten“ (Siehe I 4.3). Hu Yao-bang symbolisierte den „guten Beamten“, der sich der Sorgen und Nöte der Menschen an-nahm. Tatsächlich kritisierten die Studenten eben nicht die Regierung, sie forderten lediglich Reformen, die sich innerhalb des bestehenden Systems durchführen ließen. Die Studenten be-wiesen bei dieser Bewegung moralische Eigenschaften im intellektuellen traditionellen Geist und dem revolutionären Romantizismus der KPCh. Ihre Defizite an festen politischen Ziel-vorgaben kompensierten sie durch die Reinheit ihrer Motive und durch Mut.5

Um die Natur der Studentenbewegung von 1989 und die Reaktion der KPCh auf die Studentenproteste zu begreifen, muß kurz ein historischer Rückblick auf die Beziehungen zwischen der KPCh und den Studentenbewegungen geworfen werden. Die Entwicklung der KPCh war mit Studentenbewegungen eng verbunden. Anders als die lokalen militärischen Machthaber in der Anfangszeit der Republik, die zu schwach geworden waren, um die Studenten einschüchtern und ihre Bewegungen verbieten zu können, oder die GMD-Regierung, die während ihrer Regierungszeit in China die Studentenbewegungen sys- tematisch unterdrückt hatte, hatte die KPCh in ihrer Geschichte vor 1989 niemals Gewalt- maßnahmen gegen die Studentenbewegungen ergriffen.

4 Statt von einer „demokratischen Bewegung“ sprechen manche Wissenschaftler beim Versuch einer genaueren Definition der Studentenbewegung von 1989 eher von einer „pro-demokratischen Bewegung“, da sie nicht di- rekt die „Demokratie“, nämlich die Wahl der politischen Führung durch Mehrheitsbeschluß, sondern eine unabhängige Presse als „watch-dogs“ gegenüber der politischen Führung, ein unabhängiges Justizsystem außerhalb des Parteieinflusses sowie absolute akademische Freiheit forderte. Vgl. Jonathan Unger: „Introduction“, in: Ders. (Hrsg.): The Pro-Democracy Protests in China. Reports from the Provinces, Armonk 1991, S.4. Vgl. auch Sullivan: Chinese Communist Party, S.87. - Suisheng Zhao: „Chinese Nationalism and Beijing’s Taiwan Policy: A China Threat?“, in: Issues & Studies, 36, No. 1, Jan./Feb. 2000, S.82. - William P. Alford: „Double-edged Swords Cut Both Wags: Law and Legitimacy in the People’s Republic of China“, in: Tu Wei-ming (Hrsg.): China in Transformation, Cambridge 1994, S.45. 5 Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Interview mit Professor Lin Yü-Sheng (Lin Yusheng) von der Uni- versität Wisconsin zum Thema „Studentenbewegung in Peking 1989“. Vgl. Tang Guanghua: „Ziyouzhuyizhe de beiguan“ („Der Pessimismus der Liberalisten“), in: Hequ hechong (Wohin geht China?), hrsg. v.: Globaler Verlag, Teaneck 1990, S.63f. 47 Die KPCh bekam bereits in den 1920er und 1930er Jahren Unterstützung durch „ihre“ Studenten. Die GMD unterdrückte rigoros alle Demonstrationen und ebenso auch die Stu-dentenbewegungen, weil sie diese für von der KPCh kontrollierte Aktionen hielt. Im Gegen-satz zur GMD, die zur Unterdrückung der Proteste immer zu Gewaltanwendungen gegriffen hatte, wandte die KPCh in jener Zeit die Indoktrination an. Damit übte sie die Technik der inneren sozialen Kontrolle aus.6 In den von der GMD kontrollierten Gebieten galten die Pro-GMD-Studenten als „running dogs“ („Zougou“, Handlanger) und fühlten sich isoliert, wohin-gegen die Pro-KPCh-Studenten als sich selbst aufopfernde Idealisten angesehen wurden.7 Die KPCh betrachtet die Studentenbewegung von 1919 bzw. die „4. Mai-Bewegung“,8 bis heute als ihren eigenen Ursprung.9 In der marxistischen Geschichtsschreibung wird die Bewe- gung vom 4. Mai 1919 als patriotische Bewegung und auch als erfolgreicher Kampf sowohl gegen die feudalen, imperialen Kräfte als auch gegen das bürokratische Kapital dargestellt.10 Nach Mao Zedong wurde die Periode von der „4. Mai-Bewegung“ bis zu der Gründung der VR China als eine „neue demokratische Revolution“ interpretiert.11 Das heißt, die KPCh

6 Vgl. John Israel: „Reflections on ‚Reflections on the Modern Chinese Student Movement‘“, in: Jeffrey N. Wasserstrom / Elizabeth J. Perry (Hrsg.): Popular Protest and political Culture in modern China. Learning from 1989, Boulder 1992, S.97. 7 Vgl. ebd. 8 Die „4. Mai-Bewegung“ hat bis jetzt eine engere und eine weitere Bedeutung. In der engeren Bedeutung be- zieht sie sich auf eine Reihe von ab dem 4. Mai 1919 beginnenden Protestbewegungen von Studenten, Kauf- leuten und Arbeitern gegen den Versailler Vertrag, worin festgelegt wurde, daß Japan die deutschen Pachtge- biete in der Provinz übernehmen sollte. Sie wird auch als eine „nationalistische“ Bewegung betrach- tet. In der weiteren Bedeutung ist die Bewegung vom 4. Mai nicht nur politisch und sozial, sondern auch kul- turell und ideologisch ausgerichtet. Chow Tse-tsung betont die letztere Ausrichtung der „4. Mai-Bewegung“. Die Periode dieser Bewegung ist demnach zwischen 1917 und 1921 anzusetzen. Die „4. Mai-Bewegung“ ist im Grunde eine „Bewegung der Neuen Kultur“. Sie begann 1917 mit der von Hu Shi (1891-1962) und Chen Duxiu (1879-1942) geförderten „Bewegung der umgangssprachlichen Literatur“ („Baihua yundong“). Die Gründung der KPCh im Jahr 1921 markierte ihr Ende. Diese Bewegung förderte zum einen den westlichen Geist (Demokratie und Wissenschaft), zum anderen eine Anti-Tradition. Vgl. Chow Tse-tsung: The . Intellectual Revolution in Modern China, Cambridge 1964, S.1-6. Vgl. auch Hao Chang: „Wusi yundong de piping yu kending“ („Die Kritik und die Anerkennung der Vierten Mai Bewegung“), in: Zhou Yangshan (Hrsg.): Cong wusi dao xin wusi (Vom Vierten Mai bis zum Neuen Vierten Mai), Taipei 1989, S.65ff. 9 Die KPCh sieht ihren geistigen Ursprung in der „4. Mai-Bewegung“, da sich die marxistische Strömung in China erst seit diesem Ereignis ausweitete. Dazu trug insbesondere Chen Duxiu bei. Er gründete 1918 die Zeitschrift „Weekly Review“ und propagierte aktiv den Marxismus. Auch war er eine wichtige Führungsper- sönlichkeit während der „4. Mai-Bewegung“. Obwohl Chen 1921 bei der Gründung der KPCh abwesend war, wurde er zum Generalsekretär des Zentralkomitees gewählt. Nach 1927 forderte er die Aufgabe des gewalt- samen Kampfes, so daß er auf einer Sondersitzung vom 7. August 1927 seines Amtes enthoben wurde. Die zu- nehmende politische Kraft sowie die Machterringung der KPCh hatte weniger mit Chen zu tun, sondern viel- mehr mit der Person von Mao Zedong. Siehe Sheng Ping (Hrsg.): Zhongguo gongchandang renming da cidian (Lexikon der chinesischen kommunistischen Persönlichkeiten), Peking 1991, S.466. Vgl. auch Howard L. Boorman (Hrsg.): Biographical Dictionary of Republican China, Vol. I, New York 1967, S.240-248. 10 Vgl. Mao Zedong: „Über die neue Demokratie“ v. Jan. 1940, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Ausgewählte Werke, Bd. II, Peking 1968, S.405-413 u. 433-441. 11 In der Geschichtsschreibung der VR China wird die chinesische Geschichte, ausgehend von der marxistischen Theorie, in folgende fünf Phasen unterteilt: (1) Urgesellschaft, (2) Sklavenhaltergesellschaft, (3) feudale Ge- 48 fühlte sich zu dieser Zeit in Anknüpfung an die marxistische Theorie der Gesellschaftsent- wicklung in China legitimiert. Die Studenten sahen 1989 ihre Bewegung ebenfalls als „Fortsetzung des Geistes vom 4. Mai“ an, in der Hoffnung, daß die KPCh sie als patriotische Bewegung anerkennen würde. Im Gegensatz zu den Studentenbewegungen während der gesamten Mao-Zeit war die Bewegung von 1989 aber nicht von der KPCh initiiert worden und entwickelte sich daher außerhalb ihres Kontroll- und Machtbereichs. Folglich kam es zu einer Konfrontation zwischen der KPCh und den Studenten. Schon Mao Zedong hatte die ungeheure Einflußkraft der Studentenbewegung auf die Poli- tik Chinas erkannt. Daher war er stets gegen eine Unterdrückung derselben gewesen. An diese „Regel“ hatte sich die KPCh längere Zeit gehalten. Die Studenten von 1989 wurden von der älteren Revolutionsgeneration als „Wawa“ („Babys“) belächelt. Es war für die alte revolutio- näre Führung einfach undenkbar, die Macht mit „Kindern“ zu teilen.12 Politische Proteste und die Forderung nach Regierungsbeteiligung waren für die chinesische Führung entweder ein Beweis der Illoyalität oder ein Vorbote des Chaos.13 Aus Sicht der KPCh war die Studentenbewegung von 1989 eine Form von „bürgerlicher Liberalisierung“, die eine Konterrevolution gegen „Patriotismus“ und „Sozialismus“ an- strebte.14 In einem Leitartikel vom 26. April 1989 erklärte die Renmin Ribao die Studenten- bewegung zum „aufrührerischen Element“, weil sie die Führung der KPCh sowie das sozia- listische System verneine.15 Das war auch der Grund, warum sich die Lage zu diesem Zeit- punkt auf dem Tiananmen-Platz zuspitzte. Die Studenten kämpften nun um eine Neubewer- tung ihrer Bewegung und um die Anerkennung, daß sie „patriotisch“ motiviert sei. Der Streit um die wahre Natur der Studentenbewegung, ob sie „patriotisch“ war oder nicht, entschied das weitere Schicksal. Nach Ansicht der KPCh wird eine „patriotische“ Bewegung

sellschaft, (4) Semikoloniale und semifeudale Gesellschaft und (5) sozialistische Periode. Die Periode der „neuen demokratischen Revolution“ liegt in der zweiten Hälfte der Periode der Semikolonialen und semifeu- dalen Gesellschaft, also zwischen 1919 und 1949. In den volksrepublikanischen Geschichtsbüchern steht, daß die KPCh bereits in der Zeit der „neuen demokratischen Revolution“ den Kampf sowohl gegen die feudalen, imperialen Kräfte als auch gegen das bürokratische Kapital geführt hätte. Siehe ebd., S.395-449 und Huang Yuanqi (Hrsg.): Zhongguo xiandaishi (Moderne Geschichte Chinas), Bd. 1, He’nan 19832, S.35f. 12 Vgl. Nathan: China’s Crisis, S.205. 13 Vgl. Jonathan D. Spence: The Search for Modern China, New York 1990, S.747. 14 Vgl. Jiang Zemin: „Aiguozhuyi he woguo zhishifenzi de shiming“ („Patriotismus und die Mission der Intel- lektuellen des Landes“), in: Renmin Ribao, 4. Mai 1990, S.3. 15 Vgl. „Bixu qizhi xianming di fandui dongluan“ („Man muß mit einem klaren Standpunkt gegen den Aufruhr kämpfen!“), in: Renmin Ribao, 26. April 1989, S.1. 49 genau dann als legitim betrachtet, wenn der „Patriotismus“ zum Wesen des „Sozialismus“ keinen Widerspruch bzw. keinerlei Abweichungen bildet.16 Nach David Kelly wird ein Staat auch durch die Produktion sogenannter „Selbst-Legiti- mation“ („selbst-images“) aufrechterhalten. Eine wirkliche Stütze des chinesischen sozialis- tischen Systems ist die „Selbst-Legitimation“, in welcher der Marxismus als integraler (Be- stand-)Teil angesehen wird. Die Hegemonie der Partei über die marxistische Ideologie wird als ausreichender Beweis für ihre eigene Rechtmäßigkeit betrachtet.17 Mit anderen Worten, die KPCh behält sich die Definition dessen vor, was „Sozialismus“ ist und was nicht. Die marxistisch-leninistischen Parteien betrachten den ganzen politischen Raum als ihr Monopol. Allein aus der Tatsache heraus, daß sie sich bedroht fühlen, können sie ohne wie- teres und jederzeit „Verdächtige“ verhaften lassen. Nach den neuesten vorliegenden Mate- rialien über die Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz schätzte die Führung der KPCh unter Deng Xiaoping und der alten Revolutionäre die Situation völlig falsch ein. Sie glaubte, die Studentenbewegung wolle die Herrschaft der KPCh stürzen.18 Sie hatte dies allerdings nicht beweisen können. Unter dem Vorwand der Aufrechterhaltung der Stabilität unterdrückte die KPCh am 4. Juni 1989 die Studentenbewegung mit militärischer Gewalt.19 Die KPCh befürchtete, daß sich die Studentenbewegung mit den anderen sozialen Bewe- gungen verbinden würde. Wie die „4. Mai-Bewegung“, die zum Sturz der damaligen Regie- rung geführt hatte, könnte die Studentenbewegung demnach auch den Machtverlust der KPCh herbeiführen. Welche politischen und sozialen Gruppen die Studentenbewegung unter- stützten, soll im folgenden behandelt werden.

Nach einer Analyse von James Tong breitete sich die Studentenbewegung von 1989 landesweit aus, vor allem aber in den größeren Städten.20 Ein großer Teil der urbanen Be- völkerung, nämlich viele Hochschulstudenten, zahlreiche Angehörige von Randgruppen und zum Teil auch Journalisten, war aktiv daran beteiligt.21 Zusätzlich hatten sich etwa zwanzig- tausend Arbeiter der staatlichen Unternehmen die polnische Gewerkschaft „Solidarnosc“ zum

16 Vgl. Jiang: AGZY, S.1 u. S.3. Vgl. auch „Fayang wusi jingshen tuijin gaige he xiandaihua shiye“ („Entfaltung des Geistes vom Vierten Mai, Förderung der Reformen und der modernen Unternehmen“), in: Renmin Ribao, 4. Mai 1989, Leitartikel, S.1. 17 Vgl. David Kelly: „Chinese Marxism since Tiananmen between Evaporation and Dismemberment“, in: Good- man / Segal: China in the Nineties, S.23. 18 Vgl. Andrew J. Nathan: „The Documents and Their Significance“, in: Andrew J. Nathan / Perry Link (Hrsg.): The Tiananmen Papers, London 2001, S.xxxvff. 19 Über die Entscheidung der KPCh-Führung zur Unterdrückung der Studentenbewegung von 1989 vgl. Nathan / Link: TP, S.354ff. 20 Vgl. James Tong: „The 1989 Democracy Movement in China. A Spatial Analysis of City Participation“, in: Asian Survey, Vol. XXXIII, No. 3, March 1998, S.325f. 21 Vgl. ebd., S.327. 50 Vorbild genommen und ebenfalls eine unabhängige Gewerkschaft in Peking gegründet. Staat- liche Gewerkschaften bekundeten die Sympathie für die Studenten, spendeten Geld und anderes nützliches Material für die demonstrierenden Studenten. Aber eine umfassende Ar- beiterbewegung, die sich mit der Studentenbewegung vernetzte, entstand nicht. Im Grunde genommen brachte die Studentenbewegung von 1989 Studenten, Intellektuelle, städtische Arbeiter sowie Kleinhändler nur zu einer potentiellen Solidaritätsbewegung zusammen. Obwohl die KPCh in ihrer Geschichte enge Beziehungen zu den Studentenbewegungen gehabt hatte, bekämpften die meisten politischen Führer die Studentendemonstration von 1989. Zhao Ziyang unterstützte sie zwar nicht aktiv, aber durch seine offen gezeigte Sym- pathie setzte er seine Karriere aufs Spiel und opferte sie schließlich. Zhaos Reaktion auf die Studentenbewegung war in der Geschichte der KPCh ein zu der Zeit einmaliger Vorgang. Nach seinen Vorstellungen sollte die KPCh diesmal nicht die „Bourgeoisie“ unterdrücken, sondern auf den spontanen Druck von unten, der eine politische Partizipation des Volks außerhalb der Partei forderte, gemäßigter und wohlwollender reagieren. Dabei schien es so, als ob die Machtstellung Deng Xiaopings durch Zhao Ziyangs Haltung bedroht würde. Dies zeigten die unterschiedlichen Interessen der gemäßigten Reformgruppe und der stark reform- orientierten Gruppe in dieser Zeit. Es ist heute sehr schwierig nachzuvollziehen, wie die DP auf die Studentenbewegung rea- gierten, weil ihre Stimmen zu leise waren und somit ihre Haltung nicht deutlich genug wurde. Sicher ist nur, daß sie die Studentenbewegung bloß mündlich vor der gewaltsamen Unter- drückung unterstützten. Die Regierung selber verweigerte anfangs den Dialog mit den Stu- denten, wohingegen die DP einen Dialog zwischen beiden Seiten forderten und auch zu för- dern versuchten. Während die Studenten den Unterricht boykottierten, forderten einige Poli- tiker aus den nichtkommunistischen Parteien, daß die Studenten zur akademischen Tagesor- dnung zurückkehren und mit ihrem Hungerstreik aufhören sollten. Ein berühmter Soziologe und langjähriges Mitglied einer der nichtkommunistischen Parteien, , unter- schrieb sogar eine Petition, in der ein Dialog zwischen Regierung und Studenten gefordert wurde. Seine Absicht war, eine gewaltsame Unterdrückung der Studenten durch die KPCh bei den Demonstrationen zu vermeiden.22 Es schien damals so, als ob alles zu einem friedlichen Ende gebracht werden könnte. Nach Ausrufung des Kriegsrechts veränderte sich die Haltung der DP jedoch deutlich. Sie schickten ihre Vertreter in die Krankenhäuser, um ihren Respekt

22 Vgl. James D. Seymour: „A Half Century Later“, in: Roger B. Jeans (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century Chinas, Boulder 1992, S.300. 51 vor den bei den Auseinandersetzungen verwundeten Soldaten zum Ausdruck zu bringen.23 Obwohl manche Mitglieder der DP Sympathie für die Studenten und ihre Belange empfanden, begrüßten die DP Ende Juni 1989 letztendlich öffentlich die Unterdrückung der Studenten- bewegung. Damit wich ihre Haltung von der der Studenten ab. Es schien, daß die DP lieber Reformen innerhalb des Systems fördern und vor allem vollständig die von der KPCh initiier- ten Reformen unterstützen wollten.

Der Begriff „Zivilgesellschaft“ wird seit der Studentenbewegung von 1989 als neues Para- digma für die China-Forschung angewendet.24 Aber es ist umstritten, ob eine „Zivilgesell- schaft“ in China wirklich entstanden ist. Nach June Teufel Dreyer ist die Studentenbewegung von 1989 mehr ein moralisches Drama des Protestes gegen die Herrschenden als ein Beweis für die Entstehung einer „Zivilgesellschaft“.25 Nach Ansicht von Elizabeth J. Perry fehlt auch der traditionellen chinesischen Gesellschaft eine vom Staat unabhängige „Zivilgesellschaft“.26 Aber beide Wissenschaftlerinnen unterschätzen dabei keineswegs, daß die Studentenbewe- gung von 1989 das Potential zu sich selbständig entwickelnden politischen Aktivitäten außer- halb der staatlichen Organisationen besaß.27 Der von Jürgen Habermas definierte Raum der „Öffentlichkeit“,28 der ein Gebiet als Pufferzone zwischen Regierung und Volk für die politi- sche Diskussion bieten soll, bestand aber in der VR China nicht.29 Der Grund, warum gerade eine „Zivilgesellschaft“ China fehlte, lag nicht allein in der Beschränkung durch die KPCh, sondern auch darin, daß traditionell denkende Intellektuelle lieber eine direkte politische Teil- nahme fordern wollten und dabei wenig Geduld bewiesen, um nach einer Grundlage der

23 Vgl. „Ba ge minzhu dangpai quanguo gongshanglian fuzeren dao yiyuan kanwang shoudu jieyan budui shang bingyuan“ („Verantwortliche der acht Demokratischen Parteien und der Nationalen Vereinigung der Indus- triellen und Kaufleute besuchten verletzte Armeeangehörige nach dem Ausnahmezustand in Peking im Kran- kenhaus“), in: Renmin Ribao, 18. Juni 1989, S.1. 24 Vgl. Bauer: Die unberechenbare Weltmacht, S.397f. 25 Vgl. June Teufel Dreyer: China’s Political System. Modernization and Tradition, London 1993, S.436. 26 Vgl. Elizabeth J. Perry: „Casting a chinese ‚Democracy‘ Movement: The Roles of Students, Workers, and Entrepreneurs“, in: Wasserstrom / Perry: Learning from 1989, S.159. 27 Vgl. ebd. und Dreyer: China’s Political System, S.436. 28 Nach Jürgen Habermas stellt die „Öffentlichkeit“ sich selbst als Sphäre für die öffentliche Meinung dar. Die- ser öffentliche Bereich steht dem privaten gegenüber und ist manchmal auch der öffentlichen Gewalt (bzw. dem Staat) gerade entgegengesetzt. Die politische Öffentlichkeit geht aus der literarischen Öffentlichkeit her- vor, die in den „coffeehouses“, den „salons“ und den Tischgesellschaften ihre Institutionen findet. Sie weist eine deutliche Trennungslinie zwischen Staat und Gesellschaft auf. Sie beschränkt sich auf einen Bereich in dem Sinne, daß sie als Öffentlichkeit von Privatleuten auftritt. Aber innerhalb des den Privatleuten vorbehal- tenen Bereichs unterscheidet sich Privatsphäre von Öffentlichkeit. Die Privatsphäre (ähnlich wie die bürger- liche Gesellschaft im engeren Sinn), also der Bereich des Warenverkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit und Familie, gehört nicht zum Bereich der Öffentlichkeit. Die politische Öffentlichkeit vermittelt durch öf- fentliche Meinung dem Staat die Bedürfnisse der Gesellschaft. Siehe Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt/M. 1990, S.54f u. 89f. 29 Vgl. Li Oufan: „Cong xueyun kan zhongguo minzhu zhi lu“ („Die Beobachtung des chinesischen demokrati- schen Wegs durch die Studentenbewegung von 1989“, in: HH, S.77. 52 „Zivilgesellschaft“ – wie beispielsweise die Kirchen und die unabhängigen Gesellschaften im Westen – streben zu können (siehe III 2.1.1).30 Aber die Studentenbewegung von 1989 brach die autoritäre Ordnung der KPCh auf und eroberte einen Raum für die Öffentlichkeit, obwohl dieser nur „vorläufig“, also nur von kurzer Dauer war.31

Die pro-demokratische Bewegung von 1989 entstand nicht aus politischen Entwicklungen der Zeit Mao Zedongs, sondern war in einen Prozeß eingebettet, in dem sich seit 1978/79 bruchstückhaft Visionen für eine freiere politische Zukunft entwickelt hatten. Die Erosion marxistisch-leninistischer Grundeinstellungen, die sich in der pro-demokratischen Bewegung von 1989 klar herausgestellt hatten, beschleunigte sich seitdem fortwährend. Diese Entwick- lung verstärkte sich schließlich mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Ost- europa und mit der allmählichen Auflösung der Sowjetunion.

2.2 Externer Aspekt – Die Herausforderung für das chinesische sozialistische System nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Europa

Die sozialistischen Systeme in Osteuropa zeigten an der Oberfläche eine längerfristige Stabilität.32 Ihr Umsturz im Jahre 1989 und die damit eng zusammenhängende Auflösung der Sowjetunion konnten nicht vorausgesehen werden. Aber beide Ereignisse fielen nicht aus heiterem Himmel. Die Entstehung des Ostblocks war ein Produkt des Kalten Krieges: Mitte der 1950er Jahre ging die Sowjetunion mit den osteuropäischen sozialistischen Staaten ein politisch, wirtschaft- lich und militärisch enges Bündnis ein, um einen starken Block gegen den Westen aufzu- bauen. Kurz gesagt, bildete sich der Ostblock aus einer äußeren Zwangslage heraus. Die poli- tische Legitimation der osteuropäischen sozialistischen Staaten basierte auf den folgenden drei tragenden Säulen, nämlich auf der kommunistischen Ideologie, der Unterstützung durch die Bevölkerung und der sozialökonomischen Maßnahmen. Die Staaten bekamen anfangs große Unterstützung durch die Bevölkerung aufgrund der allgemein hohen Wahlbeteiligung (üblicherweise um die 98%). Aber solche Wahlen wurden nicht als freie Wahlen betrachtet. Die Wirtschaftsleistung, die im Westen häufig als eine logische Konsequenz des Marktes be-

30 Vgl. Tang: ZYZY, S.65. 31 Vgl. Li: CXYKZG, S.82 u. S.85. Vgl. auch Christoph Müller-Hofstede: „Die VR China zwischen Moderni- sierungszwang und Systemwandel“, in: Ostkolleg der Bundeszentrale für politische Bildung: Wissenschaft und politische Bildung, S.193. 32 Vgl. Ernst Kux: „Politische Stabilität in kommunistisch regierten Staaten“, in: Schwan: Bedingungen und Probleme, S.49. 53 trachtet wurde, bildete ebenfalls eine Ressource der Legitimation für die sozialistischen Sys- teme.33 Die sowjetische Zentral-Planwirtschaft konzentrierte sich in ihrer Wirtschaftsentwicklung ausschließlich auf die Industrie, vor allem auf die Schwerindustrie. Deswegen entwickelten sich die Landwirtschaft, die Förderung von Rohstoffen sowie die Herstellung von Konsum- produkten nur wenig. Mit dieser Vorgehensweise konnte die Wirtschaft zwar kurzfristig zu manchen Erfolgen geführt werden, aber langfristig gesehen war es klar, daß Schwierigkeiten auftauchen würden. Bereits Ende der 1970er Jahre wurde deutlich, daß die Sowjetunion das in Chruschtschows Parteiprogramm von 1961 inmitten der damaligen Sputnik-Begeisterung gesetzte ehrgeizige Ziel, Amerika bis spätestens 1980 zu überholen, nicht erreichen konnte. Stattdessen vergrößerte sich der wirtschaftliche Abstand zum Westen unaufhaltsam weiter.34 Die Dynamik der sowjetischen Reformen entsprang einem besonderen Krisenbewußtsein. Der wirtschaftliche Rückgang, das Streben zur Erhaltung der Supermachtposition, das Planungs- system und der Verwaltungsapparat, der mit der Zeit einen gewissen „Bremsmechanismus“ entwickelt hatte, der viele Bereiche negativ beeinflußte und auch die sozialistische Ideologie sowie die moralischen Werte verderben ließ, bestärkten Gorbatschow in seiner Entscheidung zu Reformen.35

Tabelle II 2-1: Die durchschnittliche Wirtschaftswachstumsrate im Ostblock und in der Sowjetunion von 1951 bis 1985 (in %)

Staat 1951-55 1956-60 1961-65 1966-70 1971-75 1976-80 1981-85 Bulgarien 12,2 9,7 6,7 8,8 7,8 6,1 3,7 DDR 13,1 7,1 3,5 5,2 5,4 4,1 4,5 Polen 8,6 6,6 6,2 6,0 9,8 1,2 -0.8 Rumänien 14,1 6,6 9,1 7,7 11,4 7,0 4,4 Sowjetunion 11,4 9,2 6,5 7,8 5,7 4,3 3,2 Tschecho- 8,2 7,0 1,9 7,0 5,5 3,7 1,7 slowakei Ungarn 5,7 5,9 4,1 6,8 6,3 2,8 1,3

Insgesamt 10,8 8,5 6,0 7,4 6,4 4,1 3,0

Quelle: Stephen White: Communism and its Collapse, London 2001, S.43.

Nicht allein in der Sowjetunion, sondern auch in den anderen sozialistischen Ländern tauchten ähnliche Krisenerscheinungen auf. Die Statistik zeigt, daß die Wirtschafts-

33 Vgl. David S. Mason: Revolution in East-Central Europe. The Rise and Fall of Communism and the Cold War, Boulder 1992, S.34f. 34 Vgl. Kux: Politische Stabilität, S.54. 35 Vgl. Michail Gorbatschow: Perestroika. Eine neue Politik für Europa und die Welt, München 1987, S.19. 54 wachstumsrate bei ihnen allen allmählich sank (siehe Tabelle II 2-1). Der Glaube an die Fortschrittlichkeit der sozialistischen Systeme geriet in Zweifel. Es ist schwierig, die gemeinsamen Ursachen für den Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Osteuropa zu analysieren. Im Grunde genommen befanden sie sich alle in den 1980er Jahren in einer instabilen Situation. Komplexe Probleme entstanden im wirtschaft- lichen und politischen Bereich wegen der fehlenden Wirtschaftsleistung und der dysfunk- tionalen diktatorischen Kontrolle.

Insgesamt verlief der Prozeß des Untergangs der sozialistischen Systeme in den sowjeti- schen Satellitenländern zum Großteil friedlich. Zwei wichtige Faktoren waren dabei entschei- dend, nämlich: Moskau als bedeutsamer Faktor von außen und die Dynamik innerhalb der Systeme. Im folgenden soll zuerst die Rolle Moskaus gegenüber den osteuropäischen sozialistischen Staaten beleuchtet werden. Als Michail Gorbatschows Reformen im März 1985 gerade ein- setzten, beschloß Moskau, in die sich wandelnden politischen Entscheidungen in Osteuropa nicht einzugreifen. Angesichts der steigenden Aufwendungen für Investitionen zur Moderni- sierung der Wirtschaft bei gleichzeitiger Senkung des Verteidigungshaushalts 36 wäre ein Krieg oder ein Angriff gegen die Nachbarländer der Sowjetunion zu kostspielig gewesen. Außerdem wären damit eigene Reformvorhaben gestört worden. Gorbatschow fürchtete zu- dem bei einem militärischen Eingriff in Osteuropa eine Intervention des Westens. Vor allem benötigten die anstehenden Reformen in der Sowjetunion dringend ausländische Hilfe.37 Gorbatschows Reformen führten schließlich zur Veränderung der sowjetischen Außen- politik. Dies bedeutete das Ende der „Breschnew-Doktrin“. Durch die „Breschnew- Doktrin“ von 1968 waren die Satellitenstaaten der Sowjetunion in ihrer Souveränität beschränkt wor-den. Der „sozialistische Internationalismus“ überschattete zusätzlich die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und den übrigen osteuropäischen sozialistischen Staaten. 38 Gorbat-schow hingegen vernachlässigte den „sozialistischen Internationalismus“ und betonte wieder-holt das Recht eines jeden Volkes, Wege und

36 Die Militärausgaben in der Sowjetunion reduzierten sich im Zeitraum zwischen Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahren etwa um die Hälfte, also von 5% jährlich auf ca. 2%-3%. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre konnten sich selbst diese bescheidenen Militärausgaben nicht mehr dauerhaft halten. Der Verteidigungs- haushalt von 1986 bis 1988 betrug knapp mehr als 2,5 % des gesamten Staatshaushaltes. Vgl. Coit D. Blacker: „The Collapse of Soviet Power in Europe“, in: Foreign Affairs, Vol. 70, No. 1, 1990/1991, S.95. und auch Johann Butting: Die Stabilisierung des Rubels und die Transformation des russischen Geldwesens, Berlin 2000, S.102. 37 Vgl. Seweryn Bialer: „The Death of Soviet Communism“, in: Foreign Affairs, Vol. 70, No. 5, Winter 1991/92, S.177. 38 Vgl. Mason: Revolution in East-Central Europe, S.51. 55 Gestaltung seiner eigenen Entwicklung selbst zu bestimmen. 39 Das heißt, die kommunistischen Parteien in Osteuropa konnten nun alle Ent-scheidungen selbst treffen und hatten dafür die Verantwortung zu übernehmen.

Innerhalb des Ostblocks vollzogen sich nun in Eigenverantwortung autonome Umwand- lungen. Im Vergleich mit Ländern in Lateinamerika und auch Südeuropa setzten sie sich ohne größere Einwirkungen von außen durch.40 Es hatten schon zuvor Aufstände in vielen osteuro- päischen Ländern stattgefunden, wie z.B. 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn, 1956, 1967, 1976 und 1980 in Polen oder während des „Prager Frühlings“ von 1968 in der Tschechoslo- wakei. Trotz dieser mit aller Härte niedergeschlagenen Aufstände durch das sowjetrussische Militär waren die oppositionellen Kräfte nicht niederzuringen, sondern blieben weiterhin er- halten, bis sie dann 1989 mit explosiver Kraft aus der Versenkung wieder auftauchten. Es ist unklar, ob vor 1989 überhaupt eine Zivilgesellschaft in allen osteuropäischen sozia- listischen Staaten vorhanden war. Streng genommen existierte diese tatsächlich nur in Polen. Die Arbeiteraufstände, die schließlich zur Gründung einer oppositionellen Gewerkschafts- bewegung (Solidarnosc) führten, erreichten bereits 1981 einen unabhängigen Freiraum außer- halb der herrschenden politischen Kräfte. In den anderen sozialistischen Ländern wurden die Dissidenten-Bewegungen von kleineren intellektuellen Gruppen initiiert und fortgeführt. Sol- che Gruppen waren daher meist nicht gut organisiert, boten aber alternative Kanäle. In der ehemaligen DDR bot die evangelische Kirche als Schutzschirm nicht selten Gelegenheit zur Organisation von inoffiziellen demokratischen und ökologischen Bewegungen. Die Existenz von politischen Dissidenten in Osteuropa hatte somit die Bedeutung, daß sie die Angst des Einzelnen vor der staatlichen Autorität minderten, daher die Rolle eines Vorbildes für andere ausübten. Sie brachen das Informationsmonopol des Staates auf und errichteten ein alterna- tives bzw. inoffizielles Kommunikationssystem. Schließlich leiteten sie innerhalb eines Um- feldes ständiger staatlicher Kontrolle eine „graduale Reprivatisierung des sozialen Lebens“ ein, das einen vergrößerten Raum für unabhängige Aktivitäten frei von staatlicher Über-wachung schaffte. 41 All dies bildete einen Teil einer Zivilgesellschaft, der als ein wichtiges Element zur Erosion des Sozialismus der übermächtigen Staatlichkeit entgegensetzt wurde.

39 Rede von Gorbatschow auf dem XXVII. Parteitag der Sowjetischen Kommunistischen Partei im Februar 1986. Vgl. Mason: Revolution in East-Central Europe, S.51. 40 Vgl. Klaus von Beyme: Systemwechsel in Osteuropa, Frankfurt/M. 1994, S.47. 41 Vgl. Mason: Revolution in East-Central Europe, S.37. 56 In den osteuropäischen Ländern erwiesen sich die Dissidenten als wesentlich zäher und ausdauernder als in der gesamten Sowjetunion, weil diese bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Erfahrungen in puncto Demokratie gesammelt hatten und nach Ende des Krieges auch in politisch weniger drakonischen Systemen lebten. 42 Die Unterzeichnung des Helsinki-Ab- kommens43 1975 durch die Sowjetunion führte zur Verstärkung der Dissidenten-Bewegung und zusätzlich zur Formierung von verschiedenen Menschenrechtsgruppen in Osteuropa. Die Lockerung der staatlichen Kontrolle in der Sowjetunion bildete die Voraussetzung dafür, daß die Bürgerinitiativen, die Bürgerrechtsbewegungen sowie die Meinungen der Dissidenten an die Öffentlichkeit dringen konnten. Insgesamt verlief der Wandel in den einzelnen Ländern mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Wie Timothy Garton Ash schreibt, dauerte der Um- bruch in Polen zehn Jahre, in Ungarn zehn Monate, in der DDR zehn Wochen und in der Tschechoslowakei nur zehn Tage.44 Die Industrialisierung in Osteuropa wies schon einige prä-moderne Züge auf. Sie wurden mit Elementen vermischt, welche die Gesellschaften schon während der Modernisierungs- welle in der Zwischenkriegszeit bereits tiefgreifend verändert hatten. Die weitere Modernisie- rung wurde im „realen Sozialismus“ 45 durchgeführt. Dieser war von den ursprünglichen Ideen des Marxismus weit entfernt. Die wichtigste Aufgabe war es, die dringlichsten Proble- me zuerst zu lösen, wie z.B. Fragen der Ernährung, des Wohnungsbaus, der Sozialfürsorge, der Menschenrechte.46 Die von oben kontrollierten und von der Außenwelt isolierten Gesell- schaften in den osteuropäischen sozialistischen Ländern entwickelten sich schrittweise zu sol- chen, die sich dem Ausland öffneten. Die zunehmenden Kontakte mit dem Ausland beschleu- nigten die heimische Modernisierung. Daraus folgten die Veränderungen in Wirtschaft, Ge- sellschaft und Kultur; sie bezogen sich auch auf die Sitten und Gebräuche und sogar auch auf

42 Vgl. ebd., S.36. 43 Das Helsinki-Abkommen war ein Ergebnis eines langen Prozesses der Verhandlung zwischen 35 europäischen Ländern, den USA und Kanada. Sie beinhalten Fragen zur Meinungs-, Gewissens- und Religionsfreiheit. 44 Vgl. Timothy Garton Ash: Ein Jahrhundert wird abgewählt, München 1990, S.401. Vgl. auch László Bruszt / David Stark: „Remaking the Political Field in Hungary: From the Politics of Confrontation to the Politics of Competition“, in: Journal of International Affairs, Vol. 45, No. 1, Summer 1991, S.245. 45 Nach dem ursprünglichen Marxismus sollte der „Sozialismus“ nur als eine bloß kurzfristige Übergangsphase auf dem Wege zur kommunistischen Gesellschaft angesehen werden. In Wirklichkeit aber dauerte die sozialis- tische Geschichtsepoche über einen immer länger werdenden Zeitraum an. Solange der erwartete allmähliche Übergang zum Kommunismus nicht abzusehen war, benötigte man immer neue Rechtfertigungen zur Siche- rung des Fortbestands des Sozialismus. Der Sozialismusbegriff wurde folglich auf diese Weise immer stärker strapaziert, da immer wieder „neue Abschnitte“ im historischen Prozeß der prä-kommunistischen Geschichts- epoche entdeckt wurden. In der Folge entfernte sich der theoretische Inhalt dieses Begriffes immer mehr von der Realität. Es wurde immer schwieriger, die Differenz zwischen dem „real-existierenden Sozialismus“ bzw. „realen Sozialismus“ und dem für den Übergang zum Kommunismus „reifen Sozialismus“ zu rechtfertigen. Der „reale Sozialismus“ hatte mit dem „tatsächlichen Sozialismus“ somit nichts mehr zu tun. Siehe Wolfgang Schieder: „Sozialismus“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.5, hrsg. v. Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck, Stuttgart 1984, S.991f. 46 Vgl. Georgi Arbatow: Das System. Ein Leben im Zentrum der Sowjetpolitik, Bonn 1993, S.386. 57 den Lebensstil.47 Aus Sicht des Politikwissenschaftlers Klaus von Beyme muß der „reale So- zialismus“ als „nachholende Modernisierung“ des Sozialismus in Osteuropa aufgefaßt wer- den.48 Demnach ist er die Variante einer besonders technokratisch verstandenen Moderne. Heute wird er als Übergang zur Marktwirtschaft verstanden.49 Die „nachholende Modernisie- rung“ des Sozialismus hatte zwar nicht direkt zur Demokratisierung geführt, aber dennoch die Ausgangslage für eine Demokratisierung vielfach verbessert.50 Das Konzept der „nachholen- den Modernisierung“ führte weiterhin zu Krisen und Umwälzungen in Osteuropa und wurde gewissermaßen als Rückkehr zu westlichen Formen angesehen. Es gingen in den „realen So- zialismus“ sowohl die Marktmechanismen und die Privatisierung ein, als auch die Einführung des westlichen politischen Pluralismus.51 Dies bedeutete nicht nur eine bloße Abweichung vom ausgedienten sowjetischen Modell, sondern wurde vielmehr als „Rückkehr nach Europa“ verstanden.52 Das Versagen der sozialistischen Einparteiensysteme im Ostblock im Jahre 1989 kenn- zeichnet die Umwandlung der mehr als vier Jahrzehnte planwirtschaftlich strukturierten Sys- teme zu marktwirtschaftlich geführten Systemen. Das bedeutet, die osteuropäischen sozialis- tischen Länder wollten diesmal nicht nur die stalinistische Ideologie, sondern auch die leninis- tische Ideologie ad acta legen. Sie orientierten sich dabei an der Bekämpfung der Diktatur, eines ineffizienten Wirtschaftssystems und der Dominanz einer hegemonialen Fremdmacht, also der Sowjetunion.53

Der Wendepunkt in der Sowjetunion von 1991 ist mit der Wende von 1989 in Osteuropa keineswegs gleichzusetzen. Vor 1988 hatte die sowjetische politische Führung schon Ver- suche unternommen, eine Marktreform ohne politische Reform zu betreiben. Sie war sich be- reits bewußt geworden, daß echte Veränderungen im Wirtschaftssystem ohne begleitende po- litische Reformen kaum durchgeführt werden könnten. Reformen nach chinesischem Vorbild waren in der Sowjetunion nicht möglich. Nach der XIX. Allunionsparteikonferenz von 1988 wurden wirtschaftliche und politische Veränderungen gleichzeitig vorangetrieben. Eine „Re- volution von oben“ wurde in Gang gesetzt. Die sowjetische politische Führung wollte durch das Konzept in Form einer „Schocktherapie“ die zu erwartenden negativen Effekte beim

47 Vgl. Müller-Hofstede: Modernisierungszwang und Systemwandel, S.196. 48 Vgl. Beyme: SIO, S.13. Vgl. auch Ders.: Auf dem Weg, S.151. 49 Vgl. Beyme: SIO, S.13 u. 78. 50 Vgl. ebd., S.45, 61 u. 79. 51 Vgl. Jakob Juchler: Osteuropa im Umbruch. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung 1989-1993. Gesamtüberblick und Fallstudien, Zürich 1994, S.22. 52 Vgl. ebd., S.23. 53 Vgl. Beyme: SIO, S.14. 58 längerfristigen Systemumbau vermeiden und den dringend benötigten wirtschaftsstrukturellen Wandel in einem kürzeren Zeitraum herbeiführen. Tatsächlich kennzeichnete die sowjetischen Reformen eine tiefe Kluft zwischen den er- klärten Absichten der politischen Führung und den Ergebnissen ihres Handelns, nicht zuletzt bei Gorbatschow. Er beabsichtigte, den sowjetischen Sozialismus durch Reformen noch effektiver und auch transparenter zu gestalten. Gorbatschows größtes Hindernis bildeten seine Parteigenossen bzw. der ganze Parteiapparat, da die rasch voranschreitenden Reformen den Interessen der Parteikader schadeten und mit den Verfahren der Parteiapparatstechnik nicht zusammenpaßten.54 Zudem beschränkten und behinderten Gorbatschows Reformen sich selbst. Sein Konzept bestand in einem gründlichen Wiederaufbau des Sowjetsystems von oben nach unten, jedoch ohne eine wesentliche Veränderung seiner Grundprinzipien. Nach Gorbatschows Vorstellungen bedeutete der „sozialistische Pluralismus“ lediglich Pluralismus unter Führung einer Partei.55 Die leninistische Ideologie wurde demnach weiterhin als Kom- paß betrachtet, dem die ganze Bevölkerung zu folgen hat. Die sowjetischen Reformer wollten lediglich die effizientesten Faktoren der Marktwirtschaft als Instrument innerhalb der bisher üblichen Kommandowirtschaft zulassen und fördern. 56 In diesen konzeptionell-strategisch widersprüchlich durchgeführten Reformen behinderte nicht nur die starre Ideologie, sondern auch das ganze Sozialwesen – vertreten durch Industriemanager, Bürokraten und andere Gruppierungen, die sich um den Erhalt ihrer Posten sorgten – die Marktwirtschaft.57 Zwar wehrte sich die Bevölkerung keineswegs gegen die Reformen, aber sie war dennoch schwer zu mobilisieren. Ihre Politikverdrossenheit unter dem diktatorischen sowjetischen System hatte sich seit langem zu einer Haltung des Zynismus, der Hoffnungslosigkeit und der Passi- vität als eine Art Schutzschirm im Kampf gegen die Autorität entwickelt.58 Die inneren Refor- men zeigten somit keinerlei Erfolge, obwohl Gorbatschow ein besseres Klima durch außen- politische Arrangements, vor allem in der Sicherheitspolitik, als Voraussetzung für interna- tionale Wirtschaftskooperationen schaffte. Die Krise in der Sowjetunion kam eigentlich aus dem sozialistischen System selbst. Se- weryn Bialer meint dazu: „The crisis of the economy was a symptom rather than a cause of

54 Vgl. Bialer: Soviet Communism, S.171. 55 Vgl. Carl A. Linden: „Gorbachev’s Struggle and Perestroika’s Mutations“, in: Young C. Kim / Gaston J. Si- gur (Hrsg.): Asia and the Decline of Communism, New Brunswick 1992, S.18. 56 Vgl. Bialer: Soviet Communism, S.172. 57 Vgl. ebd., S.168. Vgl. auch Hans-Hermann Höhmann: „Systemimmanente Reform mit systemkonträren Me- thoden. Konzeptionelle Widersprüche und reales Scheitern der Perestrojka in der UdSSR“, in: Ostkolleg der Bundeszentrale für politische Bildung: Wissenschaft und politische Bildung, S.138. - Brigite Löhr: „Peres- trojka: Fehlschlag und Erfolg. Was als Reform begann, hat das System gesprengt“, in: Die Sowjetunion im Umbruch. Eine Zwischenbilanz 1991, hrsg. v. d. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1991, S.14. 58 Vgl. Bialer: Soviet Communism, S.168. 59 the deeper malady of the Soviet system arising out of the general collapse of the Marxian pro- ject in its Leninist form.“59 Georgi Arbatow kritisiert am sowjetischen politischen System, daß „[...] das totalitäre System den Keim seines eigenen Untergangs in sich [trug]. Es war kein funktionstüchtiges System, zumindest nicht auf lange Sicht. Es war weder ökonomisch noch politisch durchzuhalten, weil es keine wirklichen ökonomischen Anreize bot und fähige Leute entweder zerstörte oder sie von führenden Positionen fernhielt, was zu einer Erosion des intellektuellen Potentials des Landes führte, insbesondere auf höherer Ebene. Es war gesellschaftlich nicht durchzuhalten, weil die Unterdrückung der Nationalitäten und die Verachtung der Menschenrechte innere Spannungen schufen, die eines Tages ausbrechen mußten.“60 Die von Gorbatschow mit den Schlagwörtern Perestrojka und Glasnost61 geforderten Re- formen führten Schritt für Schritt zur Auflösung der Sowjetunion. Das ideologische Vakuum, das in der Umbruchsphase des sowjetischen Systems entstanden war, füllte sich mit nationa- lem Inhalt. Die bislang vom zentralen Machtzentrum der Sowjetunion unterdrückten nationa- len Identitäten lebten wieder auf. Die Gründe waren zum einen der fehlende „positive“ Impuls für den Zusammenhalt aller Unionsrepubliken, weil es an entsprechenden ökonomischen Mechanismen, materiellen Leistungspotentialen und Verteilungsressourcen mangelte. Zum anderen strebten die Eliten in den verschiedenen Unionsrepubliken nach einer echten Selbst- bestimmung.62

Beim Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Europa kristallisierten sich somit vier Typen heraus:

59 Linden: Gorbachev’s Struggle, S.15. 60 Arbatow: Das System, S.388. 61 Die Begriffe „Perestrojka“ und „Glasnost“ sind eng verbunden mit den seit 1985 durchgesetzten Veränderun- gen des Gesellschaftssystems. Die „Perestrojka“ („Umbau“) zielte auf eine Reorganisation der Wirtschafts- prozesse mit dem Ergebnis einer deutlichen Zunahme des Wirtschaftswachstums ab. Der Begriff „Glasnost“ („Öffentlichkeit“, „Kritik“, „Transparenz“) war in den von der politischen Führung zugedachten Funktionen vielfältig. Man unterschied nämlich zwischen analytischen, konzeptionellen, strategischen und legitimatorischen Aufgaben. In analytischer Hinsicht sollte die öffentliche Kritik die Krise der Sowjetunion und ihre Ursachen im allgemeinen Bewußtsein verankern, damit die Notwendigkeit weitreichender Reformen stärker akzentuiert werden konnte. Im konzeptionellen Sinne wurde „Glasnost“ als Medium einer Belebung der Reformdiskussion betrachtet, welche Alternativen zu den veralteten Strukturen des „real-existierenden Sozialismus“ aufzeigen und das traditionelle Defizit der Sowjetunion in der operationalen politisch- ökonomischen Theorie überwinden sollte. In bezug auf Strategie sollte „Glasnost“ einen publizistischen Raum für den Kampf gegen die Perestrojkagegner schaffen, vor allem im Kampf gegen die verstaubte Bürokratie. Schließlich sollte „Glasnost“ helfen, die auseinanderbrechende Systemlegitimität wiederherzustellen. Vgl. Mechthild Schrooten: Geld, Banken und Staat in Sozialismus und Transformation.Vom Zusammenbruch der Sowjetunion zur Finanzkrise in der Russischen Föderation, Berlin 2000, S.95. Vgl. auch Höhmann: Systemimmanente Reform, S.145. 62 Vgl. August Pradetto: „Sicherheitspolitische Konsequenzen des Endes der Sowjetunion im mitteleuropäi- schen Raum“, in: Gert-Joachim Glaeßner / Michal Reiman (Hrsg.): Systemwechsel und Demokratisierung. Rußland und Mittel-Osteuropa nach dem Zerfall der Sowjetunion, Opladen 1997, S.161. 60 (1) die Erosion des Sozialismus durch eine „ausgehandelte“ Revolution, so geschehen z.B. in Polen und Ungarn (2) der Kollaps des Sozialismus durch eine Massenbewegung und die Machtübernahme durch die Gegenelite, wie man in der Tschechoslowakei und in der DDR erleben konnte (3) die Umfunktionierung des Sozialismus unter der Führung der alten Kader, wie beispiels- weise in Bulgarien und Rumänien geschehen (4) das Füllen des Sozialismus mit neuen Inhalten, durch „Perestrojka“, zu beobachten in der Sowjetunion.63 Der erste und zweite Typ sind Formen der Umwandlung durch Druck von unten, wohin- gegen der dritte und vierte Typ eine Steuerung von oben darstellen. Bei letzteren soll die Kon- tinuität der jeweils herrschenden Partei unter einem neuen Namen gewährleistet werden.64 Der Umbruch der sozialistischen Systeme in Osteuropa, insbesondere in der Sowjetunion, zeigt, daß die politischen Führungen sich letztlich für den Systemwechsel entschieden haben, weil die sozialistischen Systeme durch Reformen schwierig aufrechtzuerhalten sind.65 Das ist auch die Frage, die in den 1990er Jahren und derzeit wieder in der VR China gestellt wurde und wird. Wie kann die KPCh ihre durch die marxistisch-leninistische Ideologie selbst-legiti- mierte Macht weiter aufrechterhalten?

63 Vgl. Beyme: SIO, S.94f. Vgl. auch Ders.: Auf dem Weg, S.153ff. 64 Vgl. Beyme: SIO, S.95. 65 Vgl. Kelly: Chinese Marxism, S.34. 61 III Suche der KPCh nach Unterstützung bei der Stabilisierung ihrer politischen Herrschaft

Im Frühling 1989 verpaßte die KPCh die große historische Chance, einen politischen Re- formprozeß in Gang zu setzen. Sie hätte die Studentenbewegung keineswegs zu unterdrücken brauchen, stattdessen wäre es besser gewesen, jene Kräfte für die politisch vorrangigen Ziele auszunutzen, um so wenigstens eine vorläufige Unterstützung zu erhalten.1 Außerdem war es unter dem Druck der Transformationen in Osteuropa für das chinesische sozialistische System eher unwahrscheinlich geworden, ohne Änderung der etablierten sozialistischen Ordnung zu überleben. Das chinesische Wort „Weiji“ bedeutet laut Definition nicht nur „Krise“, sondern auch das „Ergreifen einer Chance“ („Jihui“).2 Insofern wäre es möglich gewesen, die Krise von 1989 als Anlaß für einen „Kurswechsel“ zu nutzen. In den folgenden Kapiteln wird vorrangig betrachtet, wie die KPCh auf die Krise von 1989 reagierte und welche Hilfe sie für die Restabilisierung erhielt. Dabei wird besonders unter- sucht, über welche für die zukünftigen Programme der KPCh relevanten Themenbereiche de- battiert worden ist, warum die KPCh gerade die Unterstützung der Intellektuellen suchte, und wie diese neue Politik entstand. Ferner wird behandelt, wie die Strömungen des Neoautorita- rismus und des Neokonservativismus als Haltung der Intellektuellen auf die Regierungskrise wirkten.

1 Definition des Begriffes „Intellektuelle“ in China

Die sogenannten „Intellektuellen“ zeigten in unterschiedlichen Gesellschaften verschiede- ner Zeiten jeweils ein anderes Profil. Das russische Wort „Intelligencija“ wurde zum ersten Mal um 1860 im zaristischen Rußland für die Menschen benutzt, die im westlichen Ausland studiert hatten und danach zurückgekehrt waren.3 Der Begriff „Intellektuellen“ in verschiede-

1 Vgl. Sullivan: Chinese Communist Party, S.103f. 2 Vgl. Lowell Dittmer / Samuel S. Kim: „In Search of a Theory of National Identity“, in: Lowell Dittmer / Sa- muel S. Kim (Hrsg.): China’s Quest for National Identity, London 1993, S.4. 3 Die russische „Intelligencija“ bildete eine neue soziale Gruppe der nicht zur Geistlichkeit gehörenden Gebil- deten, die dann später zu den engagierten und oft auch radikalen revolutionären Intellektuellen zählen sollten. Die russische „Intelligencija“ hatte eine geistige Grundhaltung: Opposition und Kritik (sehr verschiedenen Grades) gegen das öffentliche Leben im zaristischen Rußland; Option für Forschritt gegen eine allzu starre Tradition; Unabhängigkeit des Denkens und das Streben danach Bewußtsein, Warner, Gewissen und Seele Rußlands zu sein. Siehe K. Röttgers / W. Goerdt / J. Rodriguez-Lores / W. Mackenthun / K.H. Wewetzer: „Intelligenz, Intelligentsia, Intellektueller“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter / Karlfried Gründer, Basel 1976, Bd. 4, S.449f. Vgl. auch Jutta Scherrer: „Von der Krise im Selbstver- ständnis der russischen Intelligenzija“, in: Glaeßner / Reiman: Systemwechsel und Demokratisierung, S.111- 132. 62 nen Fremdsprachen wurde vom russischen „Intelligencija“-Begriff mitgeprägt.4 Ab der Wen- de zum 20. Jahrhundert wurde er erst in Westeuropa als Kollektivbegriff angewendet. Laut heutiger Definition sind „Intellektuelle“ als geistig produktiv-schöpferische Kräfte der Gesellschaft nicht auf eine bestimmte Schicht, einen Stand, eine Gruppe, einen Bund oder eine Bewegung beschränkt.5 Sie stellen sich als unorganisierte Individuen dar, die nur ihrem Gewissen verpflichtet, jenseits sozialer Interessen im Dienste humanitärer Ideale stehen.6 Die Funktion der Intellektuellen beinhaltet nach westlichem Verständnis in erster Linie nicht die Umsetzung ihres Wissensanspruchs in praktische Herrschaft – wie etwa bei den Gebildeten und Fachexperten – sondern ihre Bedeutung als Kultur- und Sozialkritiker.7 Die Ausübung von Kritik wird gewissermaßen als Beruf der Intellektuellen betrachtet.8 Die „Intelligenz“,9 welche charakterisiert ist durch berufliche Anforderungen an geistige Dynamik, gesellschaft- liches Engagement und analytische Fähigkeiten, wird ebenso als Kennzeichen für „Intellektu- elle“ angesehen, solange sie dabei auch Kritik übt.10 „Intelligenz“ und „Intellektuelle“ haben in diesem Sinne die Ausübung von Sozialkritik gemeinsam. In China sind die Begriffe „Shi“ (im klassischen Sinne) bzw. „Zhishifenzi“ (im modernen Chinesisch) hinsichtlich Charakteristik, Verhalten, Zielen und Idealen in der Wissenschaft recht verschieden von der Begriffsdefinition für „Intellektuelle“ nach westlichem Muster. Der Grund hierfür liegt offensichtlich in den kulturellen Unterschieden. Die chinesischen Gelehr- ten als „Gewissen der Nation“ üben Kritik in und an der Gesellschaft wie gerade auch die „In- tellektuellen“ in der westlichen Welt, obwohl sie ihre Unzufriedenheit nicht so radikal und deutlich zeigen.11

4 Vgl. Otto Wilhelm Müller: Intelligencija. Untersuchungen zur Geschichte eines politischen Schlagwortes, Frankfurt/M. 1971, Kap. 8. 5 Vgl. M. Rainer Lepsius: „Kritik als Beruf. Zur Soziologie der Intellektuellen“, in: Ders: Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, S.274f. 6 Vgl. Lepsius: Kritik als Beruf, S.272. Vgl. auch Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1994, S.379. 7 Vgl. Hillmann: WS, S.379. 8 Vgl. Lepsius: Kritik als Beruf, S.270ff. Vgl. auch Beyme: SIO, S.101 und Brunhild Staiger: „Der Historiker als Intellektueller. Ein Beitrag zur Funktion der Historiker im Reformprozeß Chinas“, in: Karl-Heinz Pohl / Gudrun Wacker / Liu Huiru (Hrsg.): Chinesische Intellektuelle im 20. Jahrhundert: Zwischen Tradition und Moderne, Hamburg 1993, S.353f. 9 In der deutschen Soziologie zeigen sich seit 1906 einerseits Bestrebungen, die Gesamtheit der „Intellektuel- len“ mit dem Kollektivbegriff der „Intelligenz“ gleichzusetzen, andererseits gibt es Versuche, die beiden Ter- mini begrifflich von einander abzugrenzen. Siehe Müller: Intelligencija, S.91ff. 10 Vgl. Lepsius: Kritik als Beruf, S.277. 11 Vgl. Chen Guoxiang: „Fang yeqizheng jiaoshou cong wenhua guandian tan zhishifenzi“ („Interview mit Professor Qizheng: Rede über die Intellektuellen, vom kulturellen Standpunkt aus betrachtet“), in: Zhou Yangshan (Hrsg.): Zhishifenzi yu zhongguo (Intellektuelle und China), Taipei 1981, S.24f. 63 1.1 „Shi“ als Intellektuelle im klassischen Sinne

Die „Shi“ werden als typische „Intellektuelle“ des alten China betrachtet. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die „Shi“ im Laufe der Geschichte nicht immer einer festen Gesell- schaftsschicht angehörten und somit auch die soziale Entwicklung im alten China charakte- risierten. Die Angehörigen der „Shi“ bildeten beispielsweise in der Shang-Zeit (16.-11. Jh. v. Chr.) und in der Zhou-Zeit (11. Jh.-256 v. Chr.) den niederen Adel. Bereits vor der Einigung zum ersten chinesischen Kaiserreich fungierten sie als Berater der Herrscher in den verschie- denen Fürstentümer. Seit der Han-Zeit (206 v. Chr.-220 n. Chr.) stand die Schicht der „Shi“ unterhalb der Herrscher an erster Stelle in der gesellschaftlichen Hierarchie, die aus vier Rän-gen bestand („Simin“), d.h. „Shi“ (Gelehrte), „Nong“ (Bauern), „Gong“ (Handwerker) und „Shang“ (Kaufleute, Händler), und bildete den Kern der staatlichen Verwaltung. Von der Wei-Zeit (220-280) bis zur Tang-Zeit (618-907) rekrutierten sich die „Shi“ noch fast aus- schließlich aus Vertretern der Oberschicht, aber da seit der Song-Zeit (960-1279) die staat- lichen Beamtenprüfungen, an denen im Grunde jeder teilnehmen konnte, noch stärker zur Basis einer Karriere als Gelehrter und Beamter gemacht wurden, war es möglich, daß durch- aus auch Mitglieder aus unteren Schichten entsprechende Positionen erlangen konnten.12 Im Lauf der weiteren Entwicklung umfaßten die „Shi“ nicht nur Gelehrte, die Titel trugen wie „Xiucai“, „Juren“, oder „Jinshi“, also jene, welche die Beamtenprüfungen erfolgreich abge- schlossen hatten,13 sondern eben auch diejenigen, die nach diesen ehrenvollen Titeln streb- ten.14 In dieser Abhandlung bezieht sich die Bezeichnung „Shi“ nicht nur auf Beamten der Regierung, sondern auch auf die „Shishen“.15 Die „Shi“ wurden als gelehrt und vernünftig („Dushu mingli“) angesehen, weil sie sich in Angelegenheiten der Moral und in den Wissenschaften bildeten, so daß sie stets hochqualifi- ziert waren, um als Personal für die Verwaltung der Regierung und die Leitung der Gesell-

12 Vgl. Qian Mu: Guoshi dagang (Grundriß der Nationalen Geschichte), Taipei 19785, S.418f. Vgl. auch Ben- jamin I. Schwartz: The World of Thought in Ancient China, Cambridge 1985, S.57ff. 13 Die staatlichen Beamtenprüfungen wurden in China vom 6. Jahrhundert bis zum Jahr 1905 stattgefunden. „It was the means by which the administration chose able people to fill important posts. There were 3 degrees of diplomas. The first and lowest was the Xiucai, the second was Xiaolian (or Juren), the 3rd and highest was the Jinshi. Examinations for the first two grades were held in the provinces, and those who had passed them could go the capital and try the highest examination held in the palace grounds once a year (or once every 3 years depending of the dynasty).“ Siehe Louis Frédéric: Encyclopaedia of Asian Civilizations, Volume Four, Paris 1978, S.261. 14 Vgl. Ying-shih Yü: „The Radicalization of China in the Twentieth Century“, in: Tu: CIT, S.143f. 15 Die Bezeichnung „Shishen“ wird hier nicht mit „Gentry“ übersetzt. Im Unterschied zu den Shishen bildete die Gentry in England den Adel und hatte eine politische Bedeutung. Die Shishen gehörten im chinesischen Kai- serreich zum archetypischen Dreiklang der traditionellen Ordnung: Kaiser - Mandarinat - Shishen. Die Shi- shen umfaßten sämtliche Personen, die eine der drei staatlichen Beamtenprüfungen bestanden, aber trotzdem keine Regierungsaufgaben übernommen hatten, sondern sich in ihre Heimat zurückzogen, wo sie als eine Art Bindeglied zwischen Regierung und Bevölkerung wirkten. Vgl. Weggel: Geschichte Chinas, S.7. 64 schaft zur Verfügung zu stehen.16 Die „Shi“ verkörperten nicht nur die politischen und so- zialen Kräfte, sondern übernahmen seit der Qin- (221–206 v. Chr.) und der Han-Zeit ebenso die Aufgaben der Aufrechterhaltung der politischen und kulturellen Ordnung einerseits und der Ausübung der politischen und sozialen Kritik andererseits.17 Es waren stets die „Shi“, welche die Antriebskräfte in der Politik des alten China dar- stellten. Sie standen in der Position zwischen dem Kaiser (bzw. „Staat“) und der Bevölkerung (bzw. der Gesellschaft). Ihre Entwicklung verkörperte daher auch zugleich die Entwicklung der chinesischen Gesellschaft und Politik. Ihre Rolle war eng mit der jeweiligen Dynastie ver- bunden und sie bildeten zugleich ein Gegengewicht zum Kaiser. Es ist bekannt, daß die chinesischen Intellektuellen „Qingyi“ – also die „gerechte Rede“ – respektierten und hochhielten. In diesem Sinne wurde es für die Intellektuellen im alten China zur Tradition, in ihren Heimatdörfern oder auch in lokalen Privat-Akademien Kritik an den Beamten zu üben.18 Dies schloß auch aktuelle Anlässe oder Geschehnisse aus der [Tages-] Politik ein, die nicht nur akademisch diskutiert, sondern auch kritisch kommentiert und be- wertet wurden. Dieses führte mithin zu Diskussionen über politische Fragen nach den Prin- zipien des „Daotong“, also der kulturellen Ordnung (siehe III 2.1.1), außerhalb des Herr- schaftssystems. 19 Liang Qichao übernahm den Begriff des „Qingyi“ als Namen für seine Zeitung (Qingyi Bao, The China Discussion).20 Die Bedeutung von „Qingyi“ beinhaltete für chinesische Intellektuelle stets eine deutliche Art von Kritik, wurde aber zuweilen auch nega- tiv bewertet. Da sich verschiedene Meinungen durch „Qingyi“ herausbildeten, war es oftmals schwierig, einen Konsens zu erreichen, welcher aber besonders wichtig für die Durchführung jeder Politik in China war. Diese Tatsache gefiel den Machthabern nicht. So befanden sich die „Shi“ in einem Spannungsfeld zwischen Kritik und Loyalität, vor allem dadurch, daß die Loyalität stärker betont werden mußte als die Kritik. Die „Shi“, die ein gewisses „Sendungsbewußtsein“ besaßen, lebten stets unter dem Druck, sich ständig zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden zu müssen, nämlich zwischen Loyalität gegenüber

16 Vgl. Ying-shih Yü (Yu Yingshi): „Zhongguo zhishifenzi de bianyuanhua“ („Die Marginalisierung der chine- sischen Intellektuellen“), in: Ershiyi Shiji, Aug. 1991, S.15. 17 Nach Ying-shih Yü übernahmen die „Shi“ die folgenden Aufgaben im alten China: die Aufrechterhaltung der politischen und kulturellen Ordnung, meistens in einer politisch-gesellschaftlich stabilen Zeit, und die Aus- übung der politischen und sozialen Kritik während der Zeit des allgemeinen Chaos. Siehe Yü: ZFBYH, S.15. 18 Vgl. Cihai (Wörter-Meer“), Hongkong 1979, S.1803. 19 Vgl. Ying-shih Yü: „Zhongguo zhishifenzi de gudai chuantong“ („Die Tradition der chinesischen Intellektuel- len“), in: Ders.: Shixue yu chuantong (Geschichtswissenschaft und Tradition), Taipei 1982, S.80f. 20 Die Zeitung „Qingyi Bao“ wurde 1898 in Japan (in der Hafenstadt Yokohama, chin.: „Hengbin“) von Liang Qichao gegründet. Sie war eine der frühesten chinesischen Zeitungen und ein Sprachrohr für die Reformer. Durch dieses forderte Liang die Gedanken-, Meinungs- und Pressefreiheit. Die Zeitung berichtete regelmäßig und umfassend über die inneren und äußeren aktuellen politischen Angelegenheiten sowie über das politische Geschehen im Westen. Siehe Liang Qichao: „Hengbin qingyi bao xuli“ („Vorwort in der Qingyi Bao aus Yo- kohama“) v. 1898, in: Qingyi Bao, Bd. 1, Taipei 1967, S.3-6. 65 dem Kaiser und den konfuzianischen Moralprinzipien standen, wenn der Kaiser diesen nicht entsprach. Als Kritiker initiierten die „Shi“ – bzw. die Gelehrten der kaiserlichen Akademie – zahlreiche und anhaltende Proteste im zweiten nachchristlichen Jahrhundert sowie in der Song- und Ming-Zeit. Der Begriff „Shi“ ist nicht identisch mit „Zhishifenzi“, mit letzterem werden moderne chi- nesische „Intellektuelle“ bezeichnet. Die Abschaffung des kaiserlichen, staatlichen Beamten- prüfungssystems im Jahre 1905 beendete eine lange Tradition von Ausbildung und Studium für die Erlangung einer höheren Stellung in der Regierung. Jenes Jahr kennzeichnet daher auch die Trennung der traditionellen „Shi“ von den modernen „Intellektuellen“, die seitdem in modernen Schulen ausgebildet werden.21 Die „Shi“ verloren daher ihre Schlüsselrolle und wandelten sich zu modernen „Intellektuellen“. Dies bedeutete, daß die traditionellen Intellek- tuellen ihre feste Stellung verloren und somit „ungebundener“ („free-floating“) in der moder- nisierten chinesischen Gesellschaft wurden.22 Obwohl sie ihre soziale und politisch domi- nierende Position verloren haben, sind sie weiterhin „überlegene individuelle Persönlichkei- ten“ im Bewußtsein des Volkes geblieben.23

1.2 Intellektuelle nach der Definition Mao Zedongs

In Anknüpfung an die marxistisch-leninistische klassenbezogene Ansicht betrachtete Mao Zedong Intellektuelle nicht als Angehörige irgendeiner Klasse oder als eine soziale Schicht.24 Er analysierte die verschiedenen Klassen in der chinesischen Gesellschaft mit einer sozial- ökonomischen Einstellung, d.h. er unterschied zwischen nationaler Bourgeoisie, Kleinbour- geoisie, Halbproletariat (wie etwa die Mehrheit der Bauern, vor allem aber die ärmeren Bau- ern) und Proletariat (wie z.B. Industriearbeiter und Landarbeiter).25 Intellektuelle und Studen- ten gehörten angesichts ihrer sozialen Herkunft, ihrer Lebensbedingungen und ihres politi-

21 Das neue Bildungssystem wurde 1902/3 nach japanischem Vorbild eingeführt. Es wurde nicht sehr viel ver- ändert, zumindest nicht in der Anfangsphase der Republik. Das Entstehen einer neuen Gruppe von Intellek- tuellen in China wurde durch das neue Bildungssystem begünstigt. Ebenfalls dazu gehörten im Ausland stu- diert habende und nach China zurückgekehrte Gelehrte. Laut Chang Yu-Fas Definition umfaßte die Gruppe der neuen Intellektuellen Schüler, Studenten, Lehrer und Professoren. Nach seiner Schätzung gab es mehr als eine halbe Million Intellektuelle im Jahre 1923. Die Zahl stieg seitdem immer weiter an. Siehe Chang Yu-Fa: Zhonghua minguo shigao (Der Entwurf der Geschichte der Republik China), Taipei 1998, S.137. 22 Vgl. Yü: Radicalization of China, S.142ff. 23 Vgl. Lucian W. Pye: Warlord Politics. Conflict and Coalition in the Modernization of Republican China, New York 1971, S.155. 24 Vgl. Mao Zedong: „Die chinesische Revolution und die Kommunistische Partei Chinas“ v. Dez. 1939, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Ausgewählte Werke, Bd. II, Peking 1968, S.373. 25 Vgl. Mao: „Analyse der Klassen in der chinesischen Gesellschaft“ v. März 1926, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Ausgewählte Werke, Bd. I, Peking 1968, S.9-19. 66 schen Standpunkts zum Teil der Kleinbourgeoisie, und zum Teil der nationalen Bourgeoisie an.26 Die Beziehungen zwischen den Intellektuellen und ihrer Herkunft verglich Mao mit „Haaren“ und „Häuten“. „In der Vergangenheit hafteten ‚die Haare‘, gemeint sind die In- tellektuellen, an fünf ‚Häuten‘, das heißt, sie zogen ihre zum Leben notwendigen Nährstoffe aus diesen fünf Häuten. Die erste Haut wurde vom imperialistischen, die zweite vom feudalen und die dritte vom bürokratisch-kapitalistischen Eigentum gebildet. [...] Die vierte Haut war das Eigentum des nationalen Kapitalismus, und das der Kleinproduzenten, das individuelle Eigentum der Bauern und Handwerker war die fünfte. In der Vergangenheit hafteten die In- tellektuellen entweder an den ersten drei oder an den anderen zwei Häuten und lebten in Ab- hängigkeit von ihnen.“27 Nachdem die „Landreform“ sowie die Umwandlung von Landwirtschaft, Handwerk und Industrie und Handel in der Phase des wirtschaftlichen Aufbaus in Anlehnung an das sowjeti- sche Modell der zentralen Planwirtschaft in den 1950er Jahren durchgeführt worden war, ver- loren die Intellektuellen ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen in China. Deswegen suchten sie aus der Sicht Maos weiter nach neuen Objekten, an denen sie sich fest- halten konnten. So war er der Meinung, daß sie sich an der proletarischen Klasse festhalten würden, um zu überleben.28 Sie wären ferner auf keinen Fall Angehörige des Proletariats, son- dern eine „freischwebende Herrschaft“.29 Nach Maos Ansicht könnten Intellektuelle die „Rolle einer Vorhut und eines Bindeglieds spielen“, wobei aber „nicht alle diese Intellektuellen imstande [sind], bis zuletzt revolutionär zu sein“. Er stellte weiter fest: „Ein Teil wird in kritischen Augenblicken die Reihen der Re- volution verlassen und passiv werden, während ein kleiner Teil sogar zu Feinden der Revolu- tion werden kann. Diese Mängel können die Intellektuellen nur in langwierigen Massen- kämpfen überwinden.“30 Es scheint, daß Mao von Anfang an den Intellektuellen nicht getraut hat. Neben einer „Umerziehung“, mit deren Hilfe Mao die Weltanschauung der Intellektuellen beeinflussen wollte, damit sie von bürgerlichen und kleinbürgerlichen Intellektuellen zu pro- letarischen Intellektuellen umgewandelt werden konnten, forderte er auch praxisbezogene Tätigkeiten anstelle von bloßem Wissenserwerb. „Sowohl die Intellektuellen als auch die

26 Vgl. Mao: Chinesische Revolution, S.372ff. 27 Mao Zedong: „Schlagt die Angriffe der bürgerlichen Rechten zurück!“ v. 9. Juli 1957, in: Ders.: Mao Tse- Tung - Ausgewählte Werke, Bd. V, Peking 1978, S.532. 28 Vgl. ebd., S.532f. 29 Vgl. ebd., S.533. 30 Mao: Chinesische Revolution, S.374. 67 studierende Jugend müssen fleißig lernen. Neben dem Fachstudium müssen sie sich um ideologische wie auch um politische Fortschritte bemühen, d.h. sie müssen den Marxismus sowie aktuelle politische Fragen studieren. Keinen richtigen politischen Standpunkt haben bedeutet keine Seele haben. [...] Unsere Bildungspolitik muß gewährleisten, daß jeder, der eine Ausbildung erhält, sich moralisch, geistig und körperlich entwickelt und ein gebildeter Werktätiger mit sozialistischem Bewußtsein wird.“31 Hierin spiegelt sich Maos Politik gegen- über den Intellektuellen wider. In der Interpretation Maos bezüglich der Beziehung zwischen „Rot“ (gemeint ist hier die kommunistische Ausrichtung) und „technischen und fachlichen Kenntnissen“ wird deutlich, an welcher Stelle Intellektuelle und das „Wissen“ für ihn standen. „Rot“ zu sein, bedeutete demnach, den „richtigen politischen Standpunkt“ zu vertreten, und „Fachkenntnisse“ zu haben, bedeutete, die im Dienste des Volkes stehenden „technischen und fachlichen Kenntnisse“ anzuwenden. Mao behauptete, daß beides gleichermaßen wichtig für die Kader wäre. Aber Menschen mit „Fachkenntnissen“ allein wären nicht in der Lage, lei- tende Funktionen zu übernehmen. Fehlende Fachkenntnisse könnte man aber durch eine po- litisch richtige Haltung ausgleichen.32 „Rot“ und „technische und fachliche Kenntnisse“ ver- körperten also die Beziehungen zwischen den politischen und den beruflichen Tätigkeiten. Ideologische und politische Tätigkeit waren sowohl die Leitung als auch die Seele des Ganzen. Ohne sie hätte man die Orientierung verloren. 33 In den Vorstellungen Maos nahm der politische Standpunkt sogar einen wichtigeren Stellenwert ein als die Fachkenntnisse. Obwohl Mao selbst Intellektuelle als sogenannte „Professionalisten“ betrachtete, wurde das „Wissen“ von ihm gleichzeitig als leere Theorie angesehen. Für Mao war das Wissen – bzw. das Bücherwissen – nur eine einseitige Qualität, die aber mit der Praxis noch nicht in Berührung gekommen ist. 34 Nur „der Marxismus-Leninismus ist die richtigste, wissenschaftlichste und revolutionärste Wahrheit, die aus der objektiven Wirklichkeit hervorgegangen ist und sich in der objektiven Wirklichkeit bewährt hat.“35 Durch zahlreiche Kampagnen wurden Intellektuelle konsequent dazu gezwungen, zum Zwecke von Maos programmatischer „Proletarisierung“ („Laodonghua“), auf dem Land kör- perlich hart zu arbeiten. Das heißt, „technische und fachliche Kenntnisse“ wurden von Mao nicht wirklich beachtet. Mao bewertete gering gebildete Bauern höher als besser ausgebildete

31 Mao: Über die richtige Behandlung, S.458. 32 Vgl. Mao Zedong: „Seid aktive Förderer der Revolution!“ v. 9. Okt. 1957, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Aus- gewählte Werke, Bd. V, Peking 1978, S.555. 33 Vgl. Li: ZGDUZZSY, S.53. 34 Vgl. Mao Zedong: „Den Arbeitsstil der Partei verbessern“ v. 1. Feb. 1942, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Aus- gewählte Werke, Bd. III, Peking 1969, S.40. 35 Ebd., S.41. 68 Bauern, denn soweit es die Revolution betraf, waren erstere überlegen.36 Diesem Prinzip fol- gend behauptete Mao, daß nur Laien Experten anleiten könnten. Demnach wären Experten im Grunde reine Techniker, die spezielle Funktionen für die revolutionäre Führung und somit für das Proletariat wahrnehmen würden. So war z.B. der Direktor eines Militär-Krankenhauses häufig ein Offizier der Armee, während der stellvertretende Direktor ein Arzt war.37 Der wichtigste Grund, warum Mao den Intellektuellen nicht traute, lag offenbar darin, daß er seine Revolution von der öffentlichen Meinung nicht stören lassen wollte, denn vor allem Intellek- tuelle besaßen potentielle Einflußmöglichkeiten auf ebendiese.38 Diese Tatsache kennzeichne- te Maos streng anti-intellektuelle Haltung.

1.3 „Demokratische Parteien“ als Parteien der Intellektuellen

Intellektuelle wurden in der Mao-Zeit angesichts des Stellenwertes der Massenbewegun- gen eher negativ bewertet und ihr Fachwissen dabei als unnütz betrachtet, während die poli- tische Führung Chinas nach der Kulturrevolution die Intellektuellen in das Herrschaftssystem miteinbeziehen wollte. Dies wirkte sich auf die Stellung der acht nichtkommunistischen Par- teien aus. Nach der Definition Deng Xiaopings machten die Intellektuellen einen Teil der sozialisti- schen Werktätigen aus und gehörten zu den den Sozialismus unterstützenden Patrioten. Sie wurden deshalb als ein Teil der „Arbeiterklasse“ betrachtet.39 Angesichts der ideologischen Aufwertung der Intellektuellen wurde die Rolle der DP folgendermaßen geändert: Die damals seit über 20 Jahren politisch nicht mehr aktiven DP wurden im Oktober 1979 wieder erlaubt und konnten sich mit Hilfe der KPCh neu organisieren. Außerdem wurden sie als „politische Verbündete“ in einem auf der „Einheitsfront“ basierenden breiten Bündnis offiziell aner- kannt. 40 Dies sollte unter der Führung der Arbeiterklasse stehen und auf dem Bündnis zwischen Arbeitern und Bauern beruhen.41 Die DP mußten demnach den Führungsanspruch der KPCh akzeptieren. Die Wiederherstellung des Ansatzes der „Einheitsfront“ war schon immer eine Strategie der KPCh, um sich mit den verschiedensten Gruppen zu verbünden. Sie zielte vor allem auf

36 Vgl. Chi Wen-Shun: Ideological Conflicts in Modern China. Democracy and Authoritarianism, Berkeley 19922, S.313. 37 Vgl. ebd., S.313f. 38 Vgl. ebd., S.314. 39 Vgl. Deng Xiaoping: „Eröffnungsrede auf der 2. Tagung des V. Landeskomitees der PKCV“, in: Beijing Rundschau, Nr. 25, 26. Juni 1979, S.14f. 40 Vgl. ebd., S.15. 41 Vgl. ebd. 69 die Intellektuellen außerhalb der KPCh ab, da diese zum Teil andere Ideologien als die Kom- munisten verfolgten. Die Änderung der Definition der Intellektuellen paßte daher konkret auf in die neue Situation nach 1979, also in die Zeit des Vorantreibens der „Vier Modernisie- rungen“, in der Experten dringend gebraucht wurden. Die KPCh wollte mit Hilfe der ver- bündeten nichtkommunistischen Parteien die Intellektuellen an sich binden.

Nach der neuen Definition des Intellektuellenstatus durch die KPCh, die an die Definition Maos anknüpfte, können die Intellektuellen ebenfalls keine unabhängige „Klasse“ bilden.42 Die Intellektuellen, die in der Geschichte der VR China unterdrückt worden waren, vermoch- ten keine von der politischen Macht und von den Massen unabhängige Position einzunehmen. Die Unabhängigkeit des „Wissens“ und der „Intellektuellen“ wird in der VR China nach wie vor nicht anerkannt. „Wissen“ und „Intellektuelle“ werden auch jetzt nur als politische Instru- mente benutzt; sie dienen allein dem „Volk“ und der „sozialistischen Modernisierung“.43 In der bis heute gültigen Verfassung von 1982 wird die VR China als „Diktatur der Volks- demokratie“, welche die „Diktatur des Proletariats“ ablöst, neu definiert (siehe IV 1.1). Diese Verfassung erklärt jedoch nicht alle Menschen als Angehörige des Volkes, denn es gibt nach ihrem Verständnis immerhin noch die „Feinde“ bzw. „Konterrevolutionäre“ im eigenen Staat. Daraus resultierend erfahren die Intellektuellen in Wirklichkeit keine gerechte Behandlung, denn die KPCh hat die Vorstellung zu Intellektuellen nicht geändert.44 Sie werden nur wie ein Teil der Arbeiterklasse „behandelt“.45 Nach Erklärung der KPCh gibt es immer noch einen Teil von Intellektuellen, die unter dem Einfluß der „bürgerlichen Ideologie“ stehen. Ange- sichts dieser allzu abstrakten Definition werden sie zu jeder Zeit als Teil der Bourgeoisie und als Objekt der Umerziehung betrachtet. Sie werden lediglich theoretisch als Teil des Proleta- riats und der Werktätigen anerkannt. Theorie und Praxis stimmen auch heute keineswegs überein. Die Mißachtung des Wissens und der Intellektuellen kann nicht in so kurzer Zeit verändert und aufgehoben werden.46 Die KPCh verzichtet nämlich bis heute nicht auf die Notwendigkeit der „Erziehung und Umer-

42 Vgl. Liu Xiaobo: „Zhongguo dangdai zhishifenzi yu zhengzhi“ („Die gegenwärtigen chinesischen Intellektu- ellen und die Politik“), in: Cheng Ming, Feb. 1990, S.71f. 43 Vgl. ebd., S.72. 44 Vgl. „Zur Politik gegenüber den Intellektuellen“, v. einem Sonderkommentator der Renmin Ribao, in: Beijing Rundschau, Nr. 5, 6. Feb. 1979, S.13. 45 Die richtige Behandlung der Intellektuellen geht aus einem Artikel Mao Zedongs „Über die Richtige Behand- lung der Widersprüche im Volk“ hervor. Aber es erweist sich dabei als heikel, da die Begriffe „Feinde“ oder „Freunde“ flexibel definiert werden können. Seit 1979 sieht die KPCh ihre Haltung zu den Intellektuellen als eine Frage der richtigen Behandlung der Beziehungen innerhalb der Arbeiterklasse an und nicht mehr als eine Frage der Behandlung der Beziehungen zwischen der Arbeiterklasse und ihren Bündnispartnern. Vgl. ebd. 46 Vgl. Wu Naitao: „Intellektuelle über den Kampf gegen die bürgerliche Liberalisierung“, in: Beijing Rund- schau, Nr. 15, 14. Apr. 1987, S.23. 70 ziehung“. Dies gilt nicht nur für die Intellektuellen, sondern auch für alle anderen. Laut Ren- min Ribao müssen alle Menschen beim Aufbau des Sozialismus lernen und sich umerziehen.47 Mit dieser Äußerung ihres Parteiorgans wollte und will die KPCh auch heute ihre verdächtige anti-intellektuelle Haltung abschwächen.

Es stellt sich auch in der Gegenwart die Frage, wie man den Charakter der DP definiert: Handelt es sich etwa um „Arbeiterparteien“, „intellektuelle Parteien“ oder um „sozialistische Parteien“? „Arbeiterparteien“ und „intellektuelle Parteien“ sind von der Zusammensetzung ihrer Mitglieder abhängig. „Sozialistische Parteien“ beziehen sich auf eine bestimmte politi- sche Zielsetzung. Nach Auffassung chinesischer Wissenschaftler unterscheidet sich der Cha- rakter der DP, die sich aus intellektuellen Werktätigen und anderen sozialistischen Werktäti- gen zusammensetzen, vom Typ der „Arbeiterpartei“, wie etwa der KPCh. Das bedeutet, die DP werden lediglich als spezielle Parteien innerhalb der Arbeiterklasse anerkannt, aber sie vertreten nicht die Arbeiterklasse.48 Die KPCh ist ihrem Anspruch und Selbstverständnis nach die einzige Arbeiterpartei und auch die einzige Partei überhaupt, die den Sozialismus in der VR China vertritt. Und die DP vertreten auch nicht alleine die Intellektuellen. Auch die Men- ge entscheidet nicht über den Charakter der Partei, weil die Anzahl der Intellektuellen in der KPCh die innerhalb der DP sogar deutlich übertrifft.49 Sowohl die Kommunisten als auch die Mitglieder der DP betrachten Parteien aus der klassenbezogenen Sicht. Eine solche Definition ist eigentlich ein künstliches Produkt und spiegelt nicht unbedingt die Realität wider. Die Mitglieder der DP waren zumindest in den 1940er Jahren meist nur Intellektuelle. Diese Vorstellung über diese Parteien hat sich bisher wegen der äußerlichen Beschränkungen und nicht wegen der wirklichen Entwicklung inner- halb der DP festgesetzt (siehe IV 1.3). Aufgrund der wissenschaftlichen Kenntnisse und der spezifischen Berufe ihrer Mitglieder sieht die KPCh die DP als Parteien der Intellektuellen an. Doch angesichts des Mangels der Ausübung ihrer kritischen Funktion sind die DP als „Par- teien der Intellektuellen“ eher fragwürdig (siehe IV 1 und 3).

47 ZPGI, S.15. 48 Vgl. Wu Jiang / Niu Xuxing: Minzhu yu zhengdang (Demokratie und Parteien), Peking 1991, S.260-262. 49 Die DP haben insgesamt 360 000 Mitglieder. Zwischen 1979 u. 1989 sind insgesamt 2,75 Mio. Intellektuelle in die KPCh eingetreten. Siehe ebd., S.262. 71 2 Die Beziehungen zwischen den Intellektuellen und dem Herrschaftssystem in bezug auf die Stabilisierung der politischen Herrschaft in China

In diesem Kapitel wird behandelt, wie die chinesischen Intellektuellen sowohl im chinesi- schen Kaiserreich als auch in der VR China Anfang der 1950er Jahre für die Stabilisierung der Herrschaftssysteme sorgten. Dabei wird ausgeführt, warum die Versuche der chinesischen Intellektuellen, mit dem westlichen „Liberalismus“ China zu einem modernen Staat aufzu- bauen, nicht gelangen. Vor allem soll hierfür die Entwicklungsgeschichte der DP (von den 1940 Jahren bis 1957) als Beispiel dienen. Die Frage nach der Kontinuität der politischen Kultur und welche Rolle sie spielte, wird auch erörtert.

2.1 Die Intellektuellen und das Herrschaftssystem im alten China

2.1.1 Universalistisches Kaiserreich

Die Struktur des Gesamtsystems im alten China entwickelte sich in zwei Dimensionen: Auf der einen Seite das konkrete bürokratische System eines universalistischen Kaiserreichs (universal kingship), also die politische Ordnung (Zhengtong), auf der anderen Seite die kulturelle und moralische Ordnung (Daotong), die keine formale Organisation hatte. Beide waren zwar voneinander abhängig, aber es gab ständig Spannungen und Konflikte. Die beiden Ordnungen unterlagen keiner konkreten Trennung wie etwa Staat und Kirche im modernen Westen, sondern waren vielmehr komplex strukturiert und auch recht kompliziert miteinander verwoben.1

Die Idee des universalistischen Kaiserreichs beruhte auf der Vorstellung von der „Herr- schaft des Himmels“.2 Der Begriff „Himmel“ (Tian) in diesem Zusammenhang bedeutete nicht, daß ein Schöpfergott existierte, sondern nach dieser Herrschaftstheorie bezeichnete der Himmel im alten China die höchste Autorität, ein Weltgesetz, das an Würde und Geltung so- wohl die Ahnen als auch die Naturgottheiten übertraf. 3 Der Himmel verlieh dem Kaiser

1 Vgl. Ying-shih Yü: „Daotong yu zhengtong zhijian. Zhongguo zhishifenzi de yuanshi xingtai“ („Zwischen politischer und kultureller Ordnung - Der ursprüngliche Typ der chinesischen Intellektuellen“), in: Ders: SXYCT, S.54ff. 2 Vgl. Lin Yü-Sheng: The Crisis of Chinese Consciousness. Radical Antitraditionalism in the May Fourth Era, Madison 1979, S.11 ff. 3 Vgl. Jürgen Domes: Politik und Herrschaft in Rotchina, Stuttgart 1965, S.9. Vgl. auch Lin Duan: Konfuzia- nische Ethik und Legitimation der Herrschaft im alten China. Eine Auseinandersetzung mit der vergleichen- den Soziologie Max Webers, Berlin 1997, S.71ff. 72 Macht und Würde. Das Herrschaftsgebiet des Kaisers umfaßte „alles unter dem Himmel“ (Tianxia). Der Kaiser als „Sohn des Himmels“ (Tianzi) übernahm allein die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung der Erde und zum Wohle der Menschheit.4 Deshalb war er auch eine Art religiöser Autorität.5 In diesem Sinne war der Herrschaftstyp im alten China ein variables System der Vereinigung von Politik mit Religion. Das System „Daotong“6 entwickelte sich aus „Li“ (Ritensystem, Zeremonial- und Ritual- normen) und ritueller Musik, welche die Ordnung innerhalb der menschlichen Gemeinschaft regelten. Die kulturelle Ordnung im alten China war in einem bestimmten Sinne ein Produkt der vorkonfuzianischen Tradition und somit in die vorkonfuzianische religiöse Ethik einge- bettet. In der Shang-Zeit (16. Jh.-11. Jh. v. Chr.) bedeutete der Begriff „Li“ religiöse Opfer- zeremonien, wozu auch die rituelle Musik gehörte. Am Ende der Westlichen Zhou-Zeit (770- 256 v. Chr.) bedeutete „Li“ nicht nur das Prinzip der natürlichen Ordnung, also die vom Himmel gegebene Gesetzesethik, sondern auch die überlieferte ritualisierte Ethik der Men- schen. In der Zhou-Zeit (11. Jh.-256 v. Chr.) entwickelte sich die religiöse Ethik schrittweise zum Stadium der Normenethik, also der Gesetzesethik und der ritualisierten Ethik. Konfuzius (ca. 551-479 v. Chr.) betrachtete „Li“ nicht nur als ein sozialnormatives Regelsystem, sondern versuchte darüber hinaus, die materiale moralische Grundlage der „Li“ herzustellen.7 Demzu- folge unterschied sich die kulturelle Ordnung, die eine religiöse Bedeutung hatte, von der Re-

4 Vgl. Chang: Chinese Intellectuals in Crisis, S.5. 5 „The king was the proprietor of all territory and the highest sovereign over all people. In addition to his tempo- ral power and authority, the king, perceived as the link between the cosmos and the people, also exercised a re- ligio-spiritual authority“. Zitat aus: Lin: The Crisis of Chinese Consciousness, S.13. 6 Der Ausdruck „Daotong“ ist hier in einem anderen Sinn zu verstehen. „Daotong“ gilt als die Tradition der wahren Lehre im Neo-Konfuzianismus seit der Song-Zeit. In der Gegenwart versuchen einige chinesische Wissenschaftler wie z.B. Ying-shih Yü (Yu Yingshi) und Ambrose Y. C. King (Jin Yaoji), „Daotong“ neu zu interpretieren. Bei ihnen bedeutet der Ausdruck eine kulturelle und moralische Ordnung, welche die politische Macht des Herrschers legitimiert. Vor allem nach dem allmählichen Zusammenbruch von den alten Ordnungen - also Ritualnormen und ritueller Musik - in der „Frühlings- und Herbstperiode“ (770-476 v. Chr.), versuchten verschiedene Schulen damals, mit ihren eigenen Ansätzen die politische und kulturelle Ordnung wiederherzustellen. Genauso war es in dieser Zeit möglich, daß sich die kulturelle Ordnung von der politischen Ordnung („Zhengtong“) trennte. Bei Konfuzius und den anderen Konfuzianern steht eigentlich die Wiederherstellung der kulturellen Ordnung an erster Stelle und die der politischen Ordnung an zweiter. Die jeweiligen Herrscher erkannten seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. allmählich die Wichtigkeit der kulturellen Ordnung auch an, um ihre Macht nicht allein durch Gewaltanwendung, sondern auch durch „Daotong“ legitimieren zu können. Seit der Han-Zeit waren die „kulturelle Ordnung“ und die „politische Ordnung“ eng miteinander verflochten. In der Song-Zeit versuchten die „Shi“, die „kulturelle Ordnung“ durch den Aufbau lokaler privater Akademien von der „politischen Ordnung“ zu trennen. Aber insgesamt waren beide Ordnungen im alten China eng miteinander verbunden. Vgl. Ying-shih Yü: Shi yu zhongguo wenhua (Shi und chinesische Kultur), Shanghai 1987, Kap. 4. Vgl. auch Yü: DTYZT, S.30-70. - Ambrose Y. C. King: „Zhongguo fazhan cheng xiandaixing guojia de kunjing“ („Max Weber und der Aufbau eines modernen Staates in China“), in: Ershiyi Shiji, Feb. 1991, S.56-72. - Peter K. Bol: „This Culture of ours“: Intellectual Transitions in T’ang and Sung China, Stanford 1992, S.28ff. 7 Vgl. Lin: Konfuzianische Ethik, S.70ff. 73 ligion anderer Nationen.8 Vor allem entstand keine formell-religiöse Organisation im alten China. Die Trennung zwischen Politik und Religion trat im alten China niemals auf.9

Die Herrschaftstheorie im alten China ging davon aus, daß das Volk die Grundlage (Min- ben) im Staatsleben bildete. Das hieß also, ohne Volk gibt es keinen Herrscher. Wenn der Herrscher sich nun dem Willen des Volkes widersetzt, ist das gegen den Willen des Himmels. Die konfuzianischen Philosophen Menzius10 und Xunzi (300-230 v. Chr.)11 erkannten auf der Basis der alten Tianming-Theorie („Auftrag des Himmels“) das Recht auf den Sturz eines un- moralischen Herrschers an. In diesem Sinne betonten beide die Existenzberechtigung einer moralisierten Politik, also des Regierens kraft Tugend. Diese Vorstellung wurde aber von den Konfuzianern nicht deutlich ausformuliert, und daher mangelte es in der alten chinesischen Tradition an einem objektiven Maßstab, der helfen sollte, die Herrschaftsmacht einzuschrän- ken.12 Damit blieb die Macht des Regierenden de facto unberührt. Nach konfuzianischer Überzeugung konnte ein Herrscher zur Tugend (an-)geleitet werden, so daß er seine Schwächen überwinden konnte. Diese Vorstellung ähnelt der Platons (427- 348/347 v. Chr.), der die Auffassung vertrat, daß nur dort, wo Philosophen herrschen, der beste Staat möglich sei.13 Platon hat aber erkannt, daß dieses Ideal nicht zu realisieren ist, so daß er schließlich in den „Nomoi“ für die Errichtung des Gesetzesstaates als realistischere Form zum Aufbau politischer Ordnung plädierte.14 In den Lehren der Konfuzianer findet sich hingegen der Gedanke, daß die Macht des Kaisers mit Hilfe von Institutionen einzuschränken

8 Vgl. Yü: DTYZT, S.54 u. S.64. Vgl. auch Benjamin I. Schwartz: „The Primacy of the Political Order in East Asian Societies: Some Preliminary Generalizations“, in: Schram: Foundations and Limits, S.4f. 9 Vgl. Yü: DTYZT, S.54. 10 „Der König (Xuan von Qi) fragte: ‚Geht das denn an, daß ein Untertan (Chen) seinen Herrn (Jun) ermordet?‘ Menzius sprach: ‚Wer die Menschlichkeit (Ren) raubt, ist ein Räuber; wer die Rechtschaffenheit (Yi) raubt, ist ein Schurke. Ein Schurke und Räuber ist (nicht mehr ein König, sondern) einfach nur ein gemeiner Kerl (Yifu). Das Urteil lautet demnach, daß der gemeine Kerl Zhou hingerichtet worden ist. Das Urteil lautet nicht, daß ein Herr (Jun) ermordet worden ist‘“ (Zhou war der letzte Herrscher der Shang- Dynastie). Siehe Mengzi jizhu (Sämtliche Erläuterungen und Kommentare zum Mencius), in: Xiaoxue jizhu. Sishu jizhu (Sämtliche Erläuterungen und Kommentare zum Xiaoxue. Sämtliche Erläuterungen und Kommentare zum Sishu), erläutert von Zhu Xi und hrsg. von Zhang Boxing, Nr. 2, Taipei 1962, S.14. 11 „Der Herr (Jun) ist das Boot, das gemeine Volk (Shuren) ist das Wasser. Das Wasser kann das Boot tragen, aber auch kentern lassen.“ Siehe Xunzi yuezhu (Kurzgefaßte Erläuterungen und Kommentare zum Xunzi), er- läutert von Liang Shuren, Nr. 30, S.403. 12 Vgl. Domes: Politik und Herrschaft, S.10. 13 Vgl. ebd., S.11. 14 Vgl. Wolfgang Ommerborn: „Der weise Herrscher und die Regeln gesellschaftlicher Ordnung. Instrumente der Herrschaft in den Theorien der Neo-Konfuzianer und Platons“, in: Asiatische Studien, LII:3, 1998, S.872- 883. 74 sei, so gut wie nicht. 15 Daß die Macht des tugendhaften Herrschers korrumpiert werden konnte, war nach den Vorstellungen der Konfuzianer unlogisch. Nach Benjamin I. Schwartz hegten die Konfuzianer großes Vertrauen gegenüber einem Herrscher, der seine Macht ausübte. Das bedeutet, daß sie gegenüber der politischen und ge- sellschaftlichen Ordnung eine sehr optimistische Haltung an den Tag legten.16 Seit der Han- Zeit war das chinesische Herrschaftssystem im Grunde eine Mischung aus zwei Lehren: näm- lich aus dem Konfuzianismus (Rujia)17 und aus der legalistischen Schule (Fajia).18 Obwohl beide Schulen bezüglich der Kunst des Herrschens und der Verwaltung viele unterschiedliche Auffassungen vertraten, waren sie einig in bezug auf das Verhältnis zwischen Staat und Ge- sellschaft. Nach Schwartz war beiden Schulen die kulturelle Orientierung des Herrschers gemeinsam, die sich auf dessen universalistische Macht bezog.19 Im Gegensatz zu Europa vollzog der Konfuzianismus nicht den Prozeß der sogenannten – und von Max Weber (1864- 1920) geprägten – „Entzauberung“, weil ihm als eine Säkularreligion die Glaubensinhalte fehlten, die mit der Vernunft oder den modernen Wissenschaften im Widerspruch gestanden hätten.20 Die geistige und die säkulare Autorität lagen daher stets in einer Hand. Im alten China gab es keine institutionelle Organisation, die sich mit der Macht des Kai- sers messen konnte. Die einzige Möglichkeit, die gewissermaßen einen Ausgleich zur Macht

15 Hier gibt es aber Ausnahmen, z.B. Huang Zongxi (1610-1695), der das autoritäre kaiserliche Herrschaftssys- tem heftig kritisierte. Vgl. Wm. Theodore de Bary. Waiting for the Dawn: A Plan for the Prince. Huang Tsung-hsis Ming-I-tai-fang lu, New York 1993. 16 Vgl. Schwartz: Ancient China, S.414. 17 Es gibt zahlreiche Debatten darüber, wie der Konfuzianismus die politische Ordnung und die Struktur des Herrschaftssystems im alten China beeinflußt hat. Der Grund hierfür liegt darin, daß man seit der Han-Zeit den politischen Konfuzianismus, nämlich die Institutionalisierung des Konfuzianismus (bzw. den Konfuzianismus als Staatsideologie), vom philosophischen Konfuzianismus nicht mehr unterscheidet. Ersterer basierte auf den Gedanken des Letzteren. Aber die Kaiser und Herrscher übernahmen die (ausgewählten) konfuzianischen Ideen als Zähmungsinstrument für ihre Untertanen, vor allem für die Gelehrten. Dies aber ist eigentlich weit vom humanistisch-konfuzianischen Gedankengut entfernt. Es ist zweifellos, daß die Konfuzianer in der Tat für die Entwicklung der Ideen zur Machtbeschränkung bezüglich einer Institutionalisierung nichts beitrugen. In dieser Arbeit wird bei der Erwähnung des „Konfuzianismus“ hauptsächlich Bezug auf den politischen Konfuzianismus genommen. Nach Kenneth Lieberthal weist der Konfuzianismus als Staatsideologie in der Qing-Dynastie folgende Merkmale auf: (1) Er war eine starke und konservative Regierungsideologie. (2) Er wertete die Hierarchie im politischen und gesellschaftlichen Bereich auf. (3) Das Wesen des Konfuzianismus bot stets das „richtige“ Verhalten zu jedem Typ von Beziehungen, so daß die Harmonie der Gesellschaft ge- wahrt werden konnte. Vgl. Kenneth Lieberthal: Governing China. From Revolution Through Reform, New York 1995, S.7. 18 Die „Legalistische Schule“ stammte aus der Zeit der Frühlings- und Herbst-Periode und stellte eine wichtige Schule in der Zeit der Streitenden Reiche (481-222 v. Chr.) dar. Sie forderte drakonische Strafen und ein star- kes bzw. strenges Rechtssystem. In der Zeit der Streitenden Reiche entwickelte sie sich weiter in drei Gruppen mit verschiedenen Schwerpunkten: zum ersten in „Fa“ (Recht und Gesetzgebung), zum zweiten in „Shu“ (Me- thode der Rechtsinstrumentierung, Politik) und zum dritten in „Shi“ (Macht). Gegen Ende der Zeit der Strei- tenden Reiche faßte Han Fei (um 280-233 v. Chr.) diese drei Schulrichtungen noch einmal zusammen und vollendete somit die Lehre der „Legalistischen Schule“. Siehe Lutz Geldsetzer / Hong Han-Ding: Chinesisch- Deutsches Lexikon der Klassiker und Schulen der chinesischen Philosophie, Darmstadt 1991, S.45-46. 19 Vgl. Schwartz: Ancient China, S.413. 20 Vgl. Karl-Heinz Pohl: „Demokratieverständnis der Chinesen und die Lehren des Konfuzius“, in: Das Parla- ment, Nr. 35-36, 27. Aug./3.Sept. 1999, S.6. 75 des Kaisers herstellen konnte, bestand in der Amtsführung des Kanzlers (Zaixiang).21 Aber die Stellung des Kaisers war mehr oder weniger absolut, und die Macht des Kanzlers wurde vom Kaiser verliehen. Der institutionelle Ausgleich zur Macht des Kaisers war daher be- grenzt. Zu Beginn der Ming-Zeit (1368-1644) wurde das Amt des Kanzlers abgeschafft. Da- nach war die Macht des Herrschers autokratischer als in den anderen Dynastien.

Seit der Han-Zeit waren die „kulturelle Ordnung“ und die „politische Ordnung“ eng mit- einander verbunden, da nur der Konfuzianismus als Staatsideologie anerkannt wurde und da- her Aufgaben der politischen Ordnung übernahm.22 In der Song- und Ming-Zeit interpretier- ten die Konfuzianer die Legitimation der Herrschaftsmacht anders. Die konfuzianischen Schulen wandelten sich mit Hilfe der Erweiterung bzw. Ausbreitung der lokalen privaten Akademien (Shuyuan) vom Beamtenausbildungsmodell (für die Verwaltung innerhalb der gesamtpolitischen Struktur) zu einer Bildungsanstalt mit einer inneren Struktur des „Jiaohua“ (Ausbildung) als ideelle Grundlage für die Verwaltung.23 Der Konfuzianismus als Ausbil-dungsprinzip führte dann zu einer Zunahme von privaten Akademien, zur Stärkung von Fami-lienverbänden sowie zu einer Reihe von regionalen Aktivitäten. In dieser Zeit wurde die Tren-nung zwischen kultureller und politischer Ordnung vollzogen. Aber die kulturelle Ordnung leistete keinen Widerstand gegen den Kaiser, sondern wurde zu einem ergänzenden und unter-stützenden Element für die jeweilige Herrschaft des Herrschaftssystems. Die politische Ord-nung und die kulturell-moralische Ordnung wirkten beide unter gegenseitiger Einflußnahme in der vorgegebenen politischen Struktur im alten China, wobei die eine „offen“ (Xian) und die andere „heimlich“ (Yin) wirkte.24 Im Herrschaftssystem des alten China sah Max Weber typische Wesenszüge eines „Patri- monialstaates“. 25 Das erste vereinigte Kaiserreich in der Qin-Zeit (221-206 v. Chr.) übte hinsichtlich der kulturellen und politischen Einheit einen großen Einfluß auf das Wesen des chinesischen Patrimonialstaates aus, d.h. das Herrschaftssystem im alten China basierte auf einer gesellschaftlichen Struktur, die sich aus Sippen bzw. Klanverbänden als Bindeglieder konstituierte. Die festen gesellschaftlichen Ordnungen und menschlichen Beziehungen wur-

21 In der Shang-Zeit wurde schon das Amt des Kanzlers (Zaixiang), der den Kaiser bei den Regierungsgeschäften assistierte, gegründet. In den verschiedenen Dynastien hatte der Kanzler unterschiedliche offizielle amtliche Titel und Kompetenzen. Wenn die Macht des Kaisers autokratischer war, hatte der Kanzler weniger Kompe- tenzen. Siehe Cihai, S.1937f. 22 Vgl. King: ZGFZ, S.61. 23 Vgl. Yang Nianqun: „Wuxu shishifenzi gaige zhongguo de moshi“ („Verschiedene Wege zur Reformierung Chinas: die Entscheidungen der Intellektuellen in der späten Qing-Zeit“), in: Ershiyi Shiji, Aug. 1991, S.26f. 24 Vgl. ebd. 25 Vgl. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, hrsg. v. Johannes Win- ckelmann, Köln 1964, S.775ff, S.813 u. S.825ff. 76 den durch die konfuzianische Ethik26 als Normen aufrechterhalten. Deswegen entstand ein dichtes Netz, welches alle Instanzen fest miteinander verband. Der „Staat“ (Guojia) wurde gleichsam als eine Sippe in ihrer größten Ausweitung angesehen.27 Unter diesen Umständen war eine Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft nicht mehr möglich. Nach Max Weber besaß die Patrimonialbürokratie ihre Macht ausschließlich in den Städten und deren Umgebung. Auf dem Lande funktionierte der große Machtapparat des pa- triarchalischen Sippensystems, wobei die Blutsverwandtschaft eine wichtige Rolle spielte.28 Unabhängige Städte wie in der westlichen Welt traten im alten China nie auf. Die Städte bildeten politische Zentren, die der Festigung der kaiserlichen Macht dienten.29 In der Praxis hatte die Macht des Kaisers jedoch ihre Grenzen. Die potentielle Herrschaftsmacht konnte nur in der Theorie sowohl in gesellschaftliche als auch in wirtschaftliche Bereiche ungehindert vor- bzw. eindringen. Der Begriff „Gesellschaft“ war im alten China dem Begriff „Staat“ untergeordnet. Die kulturelle Ordnung, die sich seit der Song-Zeit auf private Schulen, Sippenverbände, Gesell- schaftshäuser von Landsmannschaften, Tempel u.a. auswirkte, konnte einen vom Staat un- abhängigen Raum schaffen oder entwickeln helfen. Unter diesem kann man einen von der Verwaltung unkontrollierten Gesellschaftsteilbereich verstehen. Dies wird in China „Volksge- sellschaft“ (Minjian shehui) genannt.30 Diese Volksgesellschaft bildete gewissermaßen den Spielraum für die Intellektuellen. Die intellektuellen Gruppen „Shishen“ (siehe III 1.1) be- trieben ihre Aktivitäten öfter nur in Sippen oder blutsverwandten Gemeinschaften und waren nach außen hin geschlossen und somit von anderen Verbänden völlig getrennt. Sie hielten die alte traditionelle Auffassung aufrecht, von „Cliquenbildung“ abzugehen.31 Demnach konnten sie weder zur Initiierung von regionalen Aktivitäten noch zur Gründung von sozialen und po- litischen Gruppen führen, die in das politische System hätten eingebettet werden können.32

Obwohl es im alten China schon eine konkrete Vorstellung gab, wie ein Edler zu handeln hatte – „Der Edle (Junzi) folge dem Dao (dem „Weg“, also dem moralischem Prinzip) und

26 Hierzu gehören Loyalität (Zhong), Pietät (Xiao), Menschlichkeit (Ren), Ordnung (Li) und Gerechtigkeit (Yi). 27 Vgl. Lin: Konfuzianische Ethik, S.140f. 28 Vgl. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S.775ff. 29 Vgl. King: ZGFZ, S.63. 30 Eine unabhängige Zivilgesellschaft hat sich bisher in China nicht bilden können. Aber eine sogenannte „Min- jian shehui“ - wie z.B. Sippengemeinschaften, private Schulen, Tempel auf dem Lande usw. - existierte be- reits im alten China. Ihr Freiraum war zwar eng begrenzt, aber dies zeigt, daß die Herrschaftsmacht im alten China in der Praxis ihre Grenzen hatte. 31 Nach Konfuzius sollten die tugendhaften Edelleute (Junzi) sich in Gemeinschaften (Qun) - jedoch nicht in „Cliquen“ (Dang) - zusammenschließen. Siehe Lunyu jizhu (Sämtliche Erläuterungen und Kommentare zum Lunyu), erläutert v. Zhu Xi, Taipei 1958, Teil 4, S.321-324 u. Teil 8, S.723. 32 Vgl. Yang: WXZSFZ, S.34f. 77 nicht einem Herrn (Jun)“33 – entstand eine Spannung zwischen diesem leitenden Prinzip und dem „Auftrag des Himmels“, der die politischen Gedanken des Kaisers reflektierte. Aber die- se Spannung bedrohte nur das kaiserliche System und seine Symbole, welche als Zentrum der moralischen und der kulturellen Ordnung angesehen wurden. Diese Spannung konnte die be- stehende politische Ordnung jedoch niemals ernsthaft ins Wanken bringen. Der Grund hierfür lag darin, daß China beispielsweise keine unabhängigen Tempel aufzuweisen hatte, die als geistige Ressource eine Doppelentwicklung hätten unterstützten können. Obwohl private Akademien und Tempel eine eingeschränkte Unabhängigkeit besaßen, störte ihre Entwick- lung jedoch nicht die hohe Integration zwischen der politischen und der kulturellen Ord- nung.34 Die hohe Ideologisierung der Politik bestimmte, daß die Politik in China mehr mit der Kultur verbunden war, als mit der Wirtschaft. Dies bildete eine gesellschaftliche Struktur, in welcher politisch-kulturelle Eliten und politische Verwaltungseliten fast identisch waren. Das von konfuzianischen Gelehrten und von bürokratischen Schichten zusammengesetzte Bündnis ließ die Entstehung anderer sozialen Eliten unmöglich werden.35 Dies führte folglich zu einer politisch gefestigten Autoritätsstellung jeweiliger Herrschaft.36 Andere politische Kräfte kon- nten also nur mit geringen Möglichkeiten außerhalb des Herrschaftssystems auftreten. Eine pluralistische Gesellschaft sowie eine Massenpartizipation wären demnach nur schwer zu realisieren gewesen.

2.1.2 Staatliche Freiheit und individuelle Freiheit

Der Grundgedanke des Liberalismus wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts nach China importiert. Der Inhalt des „chinesischen Liberalismus“ ist aber genaugenommen nicht iden- tisch mit dem der westlichen Definition. Die Interpretation des Liberalismus hat in China eine historisch tiefe Bedeutung. Obwohl Yan Fu (1853-1921) und Liang Qichao den Liberalismus für China gefordert hatten, wurden sie beide nicht als Liberale betrachtet.37 Ihre Interpreta-

33 XZYZ, Nr. 29, S.393. 34 Vgl. Lin Yü-Sheng: „Guanyu zhongguo yishi de weiji da sunlongji“ („Über die Krise des chinesischen Be- wußtseins: eine Antwort auf Sun Longji“), in: Ershiyi Shiji, Feb. 1991, S.150, Anm. 11. 35 Vgl. Li Ciang: „Aisensidate dui xiandaihua lilun ji zhongguo wenhua de zai jiantao“ („Überlegungen über die Modernisierungstheorie von Samuel N. Eisenstadt“), in: Ershiyi Shiji, Okt. 1990, S.65. 36 Vgl. ebd. 37 Anfang der Republikzeit wurden die Gedanken Yan Fus allmählich konservativer. Er unterstützte sogar die Wiederherstellung der Monarchie. Liang Qichao unterstützte zwar auch die konstitutionelle Monarchie, for- derte jedoch Reformen durch friedliche, gemäßigte Mittel und kämpfte entschieden gegen gewalttätige und revolutionäre Methoden. Seine Gedanken wurden erst in den 1920er Jahren allmählich liberaler. Liang Qichao wurde indessen von seinen Zeitgenossen, der jungen Generation und auch von manchen Leuten in der Gegen- wart als „konservativ“ betrachtet. Es handelte sich bei Liang Qichaos Grundsätzen um eine Wiederholung von 78 tionen bezüglich des Liberalismus beeinflußten nachhaltig die Haltung, wie Chinesen diesen Begriff verstanden haben bzw. heute noch immer verstehen. Als einer der ersten erfolgreichen Übersetzer westlicher Schriften schlug Yan Fu eine Brücke zwischen China und dem Westen.38 So erschien beispielsweise die Übersetzung von John Stuart Mills Werk „On Liberty“ im Jahre 1903.39 Yan Fu übernahm das klassische chi- nesische Wort „Ziyao“ für den Begriff „Freiheit“, wobei „Zi“ gleich „Selbst“ und „Yao“ – abgeleitet aus „Xiaoyao“ – etwa „frei und ungezwungen“ bedeutet. Das Wort „Xiaoyao“ selbst stammt von Zhuangzi (ca. um 365-290 v. Chr.), der als Philosoph und bedeutender Daoist den Humanismus und den ungezwungenen Individualismus im alten China repräsen-tierte. „Ziyao“ (Ungezwungenheit des Selbst) war die ursprüngliche Übersetzung Yan Fus. Später aber wurde „Ziyou“ (im Sinne von: „to act as one wishes“40) als allgemeine Verein-barung für den Begriff „Freiheit“ benutzt. Sowohl „Ziyao“ als auch „Ziyou“ unterschieden sich in dieser Definition von der westlichen Bedeutung von „Liberty“ bzw. „Freiheit“ (im Sinne von: „freedom from bondage or from arbitrary and despotic rule or control“41). Yan Fu veränderte in einer späteren Auflage seines Buches mit dem ursprünglichen Titel „Ziyao lun“ („Über die Freiheit“) zu „Qun ji quan jie lun“ („Über die Grenze zwischen der Gruppe und dem Individuum“). Nach Yan Fus eigener Erklärung scheuten die Menschen damals diesen Begriff der Freiheit oder sie mißbrauchten ihn. Er wollte lediglich die Grenze zwischen der Gruppe und dem Individuum klar darstellen, damit man den Begriff von der „Ungezwungen-heit des Selbst“ weiter anwenden konnte. 42 Er bekämpfte insbesondere das für ihn inakzep-table Mittel, eine Revolution im Namen der „Freiheit“ durchzusetzen. Deswegen plädierte er in der Gesamtheit für die Beschränkung der individuellen Freiheit. Er selbst hatte nach einiger Zeit hinsichtlich der Forderung nach Einbeziehung westlicher Kultur Zweifel bekommen, ob eben diese in China überhaupt umgesetzt werden konnte. Seine Übersetzungen und Artikel zeigten deutlich, daß sich seine Gedanken von einer reformfördernden allmählich zu einer konservativen Haltung wandelten.

Yan Fus Gedanken bzw. um eine Wandlung eines Reformbefürworters zu einem Konservativen. Siehe Ko-Wu Huang: Yige bei fangqi de xuanze: Liangqichao tiaoshi sixiang zhi yanjiu (Der abgelehnte Weg: eine Analyse zu Liang Qichaos Anpassungsgedanken), Monograph Series No. 70 v. „Institute of Modern History Academia Sinica“, Taipei 1994, S.14ff u. S.178ff. 38 Yan Fu war Übersetzer der Werke von Thomas Huxley (1825-1895), Adam Smith (1723-1790), John Stuart Mill (1806-1873) u.a. 39 Die chinesische Übersetzung von Yan Fu für „On Liberty“ war schon 1889 fertiggestellt worden. Sie wurde aber erst 1903 veröffentlicht. Siehe Lin Baochun: Yan Fu: Zhongguo jindai sixiang qimengzhe (Yen Fu: ein Aufklärer der modernen chinesischen Gedanken), Taipei 1988, S.128. 40 Philip C. Huang: Liang Ch’i-ch’ao and Modern Chinese Liberalism, Seattle 1972, S.69. 41 Ebd. 42 Vgl. Yan Fu: „Qun ji quan jie lun xu“ („Über die Grenze zwischen der Gruppe und dem Individuum - Vor- wort“), in: Ders.: Yanjidao shiwen chao (Ausgewählte Werke von Yan Fu), o. O. o. J. (Vorwort von 1922) S.217f. 79 Er forderte die Entwicklung und Hebung des Bildungs-niveaus des ganzen Volkes als wichtigste Aufgabe, da ohne diese Maßnahmen auch kein Liberalismus zu erwarten sei. Für Yan Fu war es ein langfristig angelegter Plan, den Libera-lismus in China nach und nach einzuführen. In der Übergangsphase sollte die Ordnung von „Qun“ zuerst aufgebaut werden. „Qun“ bezieht sich auf Staat, Nation, Rasse, Klasse,43 oder auf Gesellschaft im allgemeinen Sinne.

Als der wichtigere Kopf für die Einführung des Liberalismus in China erwies sich Liang Qichao. Er hielt sich längere Zeit in Japan als politischer Flüchtling auf. Dort entwickelte er seine am Kollektivismus orientierten Ideen, die mit dem sogenannten sozialistischen Darwi- nismus, dem deutschen Staatsgedanken sowie mit dem Zentralismus und Autoritarismus der Meiji-Regierung in Japan zusammenhingen.44 Obwohl Liang Qichao persönlich mehr dem angelsächsischen politischen System, nämlich der konstitutionellen Monarchie, zugeneigt war, übernahm er den Liberalismusgedanken deutscher Prägung.45 In Anknüpfung an die Theorie des schweizerischen Staats- und Völkerrechtslehrers Johann Caspar Bluntschli (1808-1881) betrachtete Liang Qichao den Staat als biologischen Organis- mus und die Bevölkerung als die „vier Gliedmaßen“, die „inneren Organe“, die „Körperakti- vitäten“ und das „Blut“ des Staates.46 Für ihn bedeutete das „neue Volk“ (Xinmin), welches aus der Stärkung der Volkstugend, -intelligenz und -vermögen hervorgehen sollte, auch eine Stärkung der staatlichen Kraft. 47 „Das individuelle Glück und das staatliche Glück ver- schönern sich gegenseitig und miteinander und dürfen voneinander nicht getrennt werden; deswegen ist der Reichtum des Volkes zugleich auch der Reichtum des Staates, die Intelli- genz des Volkes die Kultur des Staates und die Tapferkeit des Volkes die Stärke des Staates. Diese zwei Ziele verbinden sich zu einem Ziel. [...] Daher meinte Bluntschli, daß der Staat selbst ein Ziel ist; oder genau gesagt, steht das Ziel des Staates an erster Stelle, während das Individuum jedoch lediglich das Instrument darstellt, um das [erstere] Ziel zu erreichen“.48

43 Vgl. Hao Chang (Zhang Hao): „Zai ren wuxu weixin de lishi yiyi“ („Überlegungen über die historische Be- deutung der Hundert-Tage-Reformbewegung von 1898“), in: Ershiyi Shiji, Feb. 1998, S.21f. 44 Vgl. Hao Chang: Liang Ch’i-ch’ao and Intellectual Transition in China, 1890-1907, Cambridge 1971, S.168ff u. S.238-271. Vgl. auch Huang: LQCTSSX, S.23ff. - Huang: Liang Ch’i-ch’ao, Kap.3. 45 Die deutschen Strömungen waren im 19. Jahrhundert in viel höherem Maße politischer - oder staatlicher, staatsinterventionistischer - als die französische, englische, amerikanische. Siehe Christian Graf von Krockow / M. Rainer Lepsius / Hans Maier: „Politik als Kampf - Politik als Beruf“, in: Christian Gneuss / Jürgen Kocka (Hrsg.): Max Weber. Ein Symposion, München 1988, S.26. 46 Vgl. Liang Qichao: „Xinmin shuo“ („Über das neue Volk“) (abgekürzt) v. 1902/1903, in: Liangqichao xuanji (Ausgewählte Werke von Liang Qichao), hrsg. v. Li Huaxing / Wu Jiaxun, Shanghai 1984, S.206. 47 Vgl. ebd., S.207-210. 48 Liang Qichao: „Zhengzhixue dajia bolunzhili zhi xueshuo“ („Die Lehre vom Politikwissenschaftler Blunt- schli“) (abgekürzt) v. 1903, in: LQCXJ, S.410. 80 Mit anderen Worten sollte das Individuum selbst nicht der eigentliche Zweck sein, sondern ein Mittel zur Stärkung des Staates. Bei Liang Qichao bedeutete „Freiheit“ eben die Freiheit der Gruppe – bzw. des Gemein- wesens, nicht aber die Freiheit des Individuums.49 „Die Freiheit der Gruppe ist die Anhäufung individueller Freiheit. Man kann sich nicht von der Gruppe isolieren und alleine leben. Wenn die Gruppe ihre Freiheit nicht erhalten kann, werden andere Gruppen diese von außen angrei- fen, unterdrücken und gewaltsam wegnehmen. Dann gibt es auch keine individuelle Freiheit mehr!“50 Liang Qichao lehnte den „Gesellschaftsvertrag“ von Jean-Jacques Rousseau (1712- 1778) kategorisch ab, weil die Ausdehnung der individuellen Freiheit unweigerlich die Frei- heit der Gruppe stören würde.51 Nach Liang Qichao war die Lehre von Rousseau das Funda- ment für das 19. Jahrhundert, während die Lehre von Bluntschli das des 20. Jahrhunderts bildete. Bei ersterem wurde der Staat für das Volk geboren, und bei letzterem das Volk für den Staat.52 Wie bei Yan Fu nahm die individuelle Freiheit bei Liang Qichao ebenfalls eine subordinierte Stellung ein, indem sie die Aufgaben für das Überleben der Nation – nicht etwa für sich selbst – wahrnahm. Hinsichtlich der Beziehung zwischen den staatlichen und individuellen Interessen stellte Liang Qichao folgendes fest: „Wie kann man das individuelle Interesse langfristig erhalten? Man kann dies nicht ohne eine [vorangehende] Entwicklung des Staatsgedankens zum Erfolg führen“.53 Er forderte also konkret die Gründung eines Staates in China. Nach seiner Auf- fassung konnte man China damals keineswegs als einen „Staat“ betrachten, da das allgemeine Volk nur „Tianxia“ (siehe III 2.1.1) aber nicht den Begriff „Staat“ kannte. Im Bewußtsein des chinesischen Volkes existierte nur eine „kaiserliche Regierung“, aber eben kein „Staat“ und somit gab es auch keinen Staatsgedanken.54 Das traditionell denkende und fühlende chinesi- sche Volk strebte nur nach Wohlstand für die eigene Familie – bzw. den eigenen Sippenver- band – und nach der Erhaltung seiner Loyalität gegenüber dem Kaiser.55 Liang Qichao stellte das so dar: „Was unserem China heute am meisten fehlt und was daher am meisten not tut, liegt in der biologischen, organisch einheitlichen und starken Ordnung. Freiheit und Gleich- heit kommen [erst] an zweiter Stelle“.56

49 Vgl. Liang: XMS, S.227. 50 Ebd., S.229. 51 Vgl. Liang: BOLUNZHILI, S.396f. 52 Vgl. Liang Qichao: „Lun xueshu zhi shili zuoyou shijie“ („Über die Kraft der Wissenschaften“) v. 1902, in: LQCXJ, S.272. 53 Liang: XMS, S.222. 54 Vgl. ebd., S.217-222. 55 Vgl. ebd., S.220f. 56 Liang: BOLUNZHILI, S.396. 81 Liang Qichao betonte zwar die Wichtigkeit des Strebens nach einer grundsätzlich morali- schen Gesellschaft, die deutlich an die konfuzianische Tradition anknüpfte, aber er lehnte strikt die konfuzianischen Ideale ab, insbesondere das „Neisheng weiwang“.57 Der konfuzia- nische „Weise“ (Shengren) stand für ihn nicht mehr im Mittelpunkt, stattdessen jeder einzelne als Staatsbürger.58 Deswegen bekämpfte Liang Qichao vor allem die erstarrten Beziehungen zwischen Kaiser, Beamten und Bevölkerung im Rahmen von Sippenverbänden und ethni- schen Beziehungen und forderte die Gründung eines modernen chinesischen Staates zum Wohle der gesamten Bevölkerung bzw. für alle „Staatsbürger“. Im Unterschied zu Sun Yat-Sens Forderung nach der Staatsgründung im Sinne des „klei- nen Nationalismus“, der auf der Basis der Mehrheit des Han-Volkes aufbaute, bemühte sich Liang stattdessen um eine Staatsgründung mit gemäßigteren Mitteln entsprechend dem „großen Nationalismus“, dem sich alle ethnischen Gruppen bzw. „Nationalvölker“ in China anschließen sollten.59 Liang Qichaos Ideen sind ein Beispiel für den Entwicklungsstrom, in welchem sich China zwischen dem ausgehenden 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert allmählich vom Kosmopolitismus bzw. Universalismus löste und sich dem Nationalismus zuwandte. Bevor der Nationalismus in China zu dominieren begann, konnten die Wünsche des Individuums sich nur durch die Identifizierung mit der Gesamtheit erfüllen, so daß in der Folge die Anziehungskraft des Nationalismus in fast allen Schulen, ganz gleich, ob sie zu den Radikalen oder Liberalen gehörten, immer stärker wurde.60

Die Verbindung des Liberalismus mit dem damals in China viel diskutierten Begriff „Qun“ muß unter Berücksichtigung der zeitlichen Umstände betrachtet werden. Bei Yan Fu und Liang Qichao bezog sich „Qun“ aber häufiger auf den „Staat“.61 Für viele Intellektuelle

57 „Neisheng waiwang“ bedeutet „innen ein Weiser, außen ein König“. „Neisheng“ bezieht sich in seiner gesam- ten Breite und Tiefe auf Gewu (Erforschung der Dinge), Zhizhi (Erlangen des Wissens), Chengyi (Wahrhaftig- keit in den Absichten) und Zhengxin (korrektes Ausrichten des Herzens bzw. des Bewußtseins) als individuel- le innere Haltung in der praktischen Durchführung. „Waiwang“ beinhaltet die Begriffe Qijia (Ordnung in die Familie bringen), Zhiguo (Staatsverwaltung) und Pingtianxia (Beruhigung und Befriedung der Welt) als Ver- waltungsprinzip im politischen und gesellschaftlichen Handeln. Beide tragenden Elemente vereinigen sich in einer idealen Persönlichkeit sowie idealen Gesellschaft. Die Konfuzianer übernahmen dies als Dynamik von individueller, innerer moralischen Zivilisierung zur Umwandlung der Gesellschaft. Siehe Hu Chuanxi / Chai Yilong (Hrsg.): Rushang duben (Lesebuch über Konfuzianer und Kaufleute), Band „Neisheng“, Kunming 1999, Einleitung, S.3f. 58 Vgl. Huang: LQCTSSX, S.25f. 59 Der große Nationalismus, also in der Form eines „reactive nationalism“ oder „state nationalism“, wurde als Reaktion auf den Kampf gegen die imperialistischen Angriffe ausgelöst, während der kleine Nationalismus, nämlich in der Gestalt des „ethnic nationalism“, zur Bekämpfung der ethnischen Minderheit der Mandschu angewendet wurde. Siehe Chang: Chinese Intellectuals in Crisis, S.2. 60 Vgl. ebd., S.191. 61 Liang Qichao vernachlässigte keineswegs die „Gesellschaft“. Nur behandelte er den Begriff „Gesellschaft“ nicht so eingehend wie den Begriff „Staat“. Das chinesische Wort „Qun“ wurde von Yan Fu und Liang Qichao eigentlich als Übersetzung für den englischen Begriff „Society“ benutzt. Das chinesische 82 be-deutete der Verlust des sogenannten „universalistischen Kaiserreichs“ nicht nur eine Krise der gesellschaftlichen Ordnung, nämlich eine politische Krise, sondern es bedeutete auch eine Krise des „cosmological symbolism“ und damit des „orientational symbolism“, der den Chi- nesen die Grundlage für die sozialen Beziehungen, Werte und Normen geboten hatte.62 Die Konstitution einer neuen politischen und gesellschaftlichen Ordnung war daher vorrangig. Die Gedanken von Yan Fu und Liang Qichao zum Liberalismus sind grundsätzlich verschieden von denen der westlichen Denker, die nämlich den Schutz individueller Rechte als Basis des Liberalismus ansahen. Yan und Liang befürworteten zwar keine autoritäre Machtherrschaft, aber ihre Gedanken führten schließlich zur Auferstehung des Konservativismus und Autorita- rismus. Vor allem wurde in ihren Thesen die Macht der Herrscher nicht beschränkt. Diese Gefahr wurde und wird dagegen in westlichen Denksystemen und Theorien stets betont (siehe III 3.2).

Yan Fu und Liang Qichao verstanden westliches demokratisches Gedankengut nur als Mit- tel zur Stärkung des Staates und zur Erlangung von Wohlstand. Sie vernachlässigten völlig den Aspekt, daß Demokratie als höchstes Ziel dem Schutz der individuellen Freiheit zu dienen hat. Benjamin I. Schwartz stellte einmal fest, daß die sich an demokratischen Prinzi- pien orientierenden Ideen, die einem anderen Ziel untergeordnet würden und lediglich als Mittel dienten, eine wacklige und sehr schwache Basis hätten. Denn, wenn man ein noch wirksameres System zur Erlangung von Stärke und Wohlstand für einen Staat finden könnte, würde man sofort jedes demokratische System aufgeben.63 Die Entwicklung von liberalen Gedanken in China bestätigt diese Auffassung von Schwartz in eindrucksvoller Weise. Ob- wohl der Demokratiegedanke in der „neuen Kultur-Bewegung“ weitergedieh, übertraf später das kollektive Bewußtsein, welches dem Nationalismus entstammte, im gesamten historischen Prozeß das individuelle Bewußtsein. Die Demokratie blieb lediglich als Ideal in den Reden und Artikeln der Intellektuellen präsent und konnte nicht als dauerhaft zugkräftige Bewegung

Wort „Shehui“ („Gesellschaft“ oder „Society“) wurde dann später anstelle von „Qun“ von der japanischen Übersetzung bzw. Wortschöpfung übernommen. Etwa um das Jahr 1902 ist die Übergangsphase anzusiedeln, in welcher beide Begriffe gleichzeitig angewendet wurden. Erst danach wird „Shehui“ als „Gesellschaft“ im Chinesischen allgemein angewendet. Aber die Bedeutungen von „Gesellschaft“ und „Qun“ sind streng genommen nicht ganz identisch. „Qun“ bezieht sich eher auf die Verbindung zwischen den Menschen, aber nicht auf die unabhängigen Rechte, während „Gesellschaft“ einen Raum außerhalb der Kontrolle durch den Staat bezeichnet. Im Westen bedeutet „Gesellschaft“ manchmal auch „Zivilgesellschaft“ oder ein „öffentlicher Raum“. Liang Qichao betonte nicht nur den Begriff „Staatsbürger“ sondern auch den „Stadtbürger“ („citizen“). Man kann es heute nicht mehr ganz nachvollziehen, wie Liang Qichao überhaupt den Begriff „Qun“ von „Gesellschaft“ unterschieden hat. Siehe Huang: LQCTSSX, S.117f. 62 Vgl. Chang: Chinese Intellectuals in Crisis, S.6f. 63 Vgl. Benjamin I. Schwartz: In Search of Wealth and Power: Yen Fu and the West, 1964 Cambridge, S.237- 247. 83 initiiert werden. Nach John Fairbank war der Liberalismus in China nur eine Art „Proto- oder Sino-Liberalismus“,64 der aber keinen echten Liberalismus darstellte. Im Gegenteil, dieser störte sogar die anfänglich hoffnungsvoll begonnene Entwicklung des Liberalismus in China.

2.2 Die Intellektuellen und das Herrschaftssystem der KPCh

2.2.1 Kontinuität politischer Kultur in der VR China

Der Siegeszug des Kommunismus in China wurde nicht nur vom Marxismus-Leninismus beeinflußt. Auch die traditionelle Kultur trug dazu bei.65 Die Kommunisten bekämpften lange Zeit vehement den Konfuzianismus als Produkt und Ausgeburt des Feudalismus. Aber es gibt zweifellos Ähnlichkeiten zwischen der traditionellen Kultur und dem heutigen chinesischen sozialistischen System. Benjamin I. Schwartz stellte einmal folgendes fest: „The unconscious or unacknowledged continuities with the culture of the past on every level of life in contemporary China are being thoroughly examined.“66 In diesem Abschnitt geht es darum, wie die traditionelle politische Kultur und die alte bürokratische Struktur in der VR China weiterhin vorhanden sind und wie sich das auf den Marxismus-Leninismus auswirkt. Dabei wird untersucht, ob und in welcher Form das „Sendungsbewußtsein“ der traditionellen Intellektuellen bei den modernen Intellektuellen weiterbesteht.

Die kommunistische Ideologie unterscheidet sich in vielfacher Hinsicht von der konfuzia- nischen. Das Ziel des Kommunismus ist u.a. eine „klassenlose Gesellschaft“, die allerdings eine Utopie darstellt. Der Konfuzianismus hingegen geht von einer hierarchischen Gesell- schaft aus, deren „Basiseinheit“ die Familie bildet. Teile der traditionellen chinesischen Kultur – wie z.B. Konfuzianismus, Daoismus, Buddhismus und andere Volksreligionen – beinhalten zwar manche utopische Elemente, doch gibt es gerade im Konfuzianismus wesent- liche Elemente, welche die Verwirklichung von Utopien verhindern.67 Wie Hao Chang es darstellt, sind die Utopien im Konfuzianismus beschränkt gewesen, etwa „wie ein Vogel in einem Käfig“; der westliche Einfluß wirkte sich dabei in einer solchen Situation für den „ge-

64 Vgl. John K. Fairbank: China: A New History, Cambridge 1992, S.259. 65 Vgl. Schwartz: The Primacy of the Political Order, S.7. 66 Vgl. Benjamin I. Schwartz: „Foreword“, in: Lin: The Crisis of Chinese Consciousness, S.x. 67 Bezüglich der Beschränkung der Utopien durch den Konfuzianismus weisen Hao Chang und Jin Guantao unterschiedliche Meinungen auf. Aber beide stimmen in dem einen Punkt überein, daß die konfuzianische Ethik die kommunistische Utopie beschränkt, d.h. die konfuzianische Ethik vermischt sich mit der Erfüllung der Utopie. Siehe Hao Chang: „Lüelun zhonggong de wutuobang sixiang“ („Kurze Analyse zum Utopismus in der chinesischen Kultur“), in: Ershiyi Shiji, Apr.1991, S.135f. Vgl. auch Jin Guantao: „Zhongguo wenhua de wutuobang jingshen“ („Der Utopismus in der chinesischen Kultur“), in: Ershiyi Shiji, Dez. 1990, S.25ff. 84 fangenen Vogel“ befreiend aus.68 Die Utopie besaß und besitzt vor allem für Menschen in allen möglichen Notlagen eine starke Anziehungskraft. Nach Auffassung von Jürgen Domes setzte das chinesische Volk seine ganzen Hoffnungen auf den Kommunismus. Es war deshalb zu großen Opfern bereit und ertrug mit Geduld die Lasten, die ihm das neue politische System auflud, ohne genau zu wissen, was die Kommunisten eigentlich erzielen wollten.69

Das alte China hat bereits autoritäre und bürokratische Strukturen besessen, die den Boden für die Umsetzung des Kommunismus in China vorbereitet haben. Das bedeutet nicht, daß der chinesische Kommunismus – im ideellen Sinne – direkt das Erbe des Konfuzianismus antrat. Die chinesischen Kommunisten übertrugen den Kommunismus auf die chinesischen Bedin- gungen („Sinisierung“), indem sie den konfuzianischen Werten den Kommunismus vielmehr aufpfropften. Nach der Revolution von 1911 entwickelte sich China zu einem modernen Staat. Auf der Grundlage dieses Staates wurde dann nach 1949 die VR China zu einem modernen politi- schen System aufgebaut.70 Die politische Kultur und die Struktur des Herrschaftssystems wurden dabei aber prinzipiell nicht geändert.71 Die alten Autoritäten sind zwar verschwunden, aber die neuen Autoritäten verfügen durch die Parteiorganisation, die Parteiführung und die Kader weiterhin über eine dem alten System vergleichbare umfangreiche Macht. Das neue politische Administrationssystem Chinas enthielt eine zentrale und eine lokale Verwaltung. Das neu eingeführte bürokratische System ersetzte die Selbstverwaltung auf dem Land bzw. die Machtstrukturen des auf Blutsverwandtschaft basierenden patriarchalischen Sippensystems der traditionellen Gesellschaft. Die Anzahl des Personals nahm deutlich im gesamten bürokratischen System zu. Allein in der Verwaltung stieg die Anzahl von zwei Millionen Personen im Jahre 1948 auf fast acht Millionen im Jahre 1958, während es um 1850 in der Qing-Dynastie etwa nur 25 bis 30 Tausend Beamte gab.72 Die politische Macht

68 Vgl. Chang: ZGWTB, S.135. 69 Vgl. Domes: Politik und Herrschaft, S.17. 70 Nach Meinung des Historikers Ray Huang (Huang Renyu) wurde das moderne China nach 1911 folgender- maßen umstrukturiert: Zum einen baute die GMD einige hochrangige Institutionen bzw. ein modernes poli- tisches und militärisches System auf. Zum anderen wurde die traditionelle hierarchische Gesellschaft auf nied- riger Ebene - vor allem auf dem Land - durch die KPCh grundsätzlich verändert. Das politische System unter der Führung der GMD legte den Grundstein für das moderne politische System. Die VR China baute ihr eige- nes politisches System auf eben dieser Grundlage auf. Siehe Ray Huang (Huang Renyu): „Jiangjieshi de lishi diwei“ („Die historische Stellung von Chiang Kai-Shek“), in: Ders.: Fangkuan lishi de shijie (Die Verbreitung des historischen Horizontes), Taipei 19894, S.251-260. 71 Im sozialistischen China ersetzte die KPCh die Termini „Fürst“ durch „Zentralkomitee der Kommunistischen Partei“, „Sitte“ durch „revolutionäre Praxis“, „Sohn des Himmels“ durch „Speerspitze des Proletariats“, „Auf- trag des Himmels“ durch „Dialektik der Geschichte“ usw. Siehe Müller-Hofstede: Modernisierungszwang und Systemwandel, S.197. Vgl. King: ZGFZ, S.67. 72 Vgl. Müller-Hofstede: Modernisierungszwang und Systemwandel, S.199. 85 der KPCh ist noch umfassender als die politische Macht der Zentralregierung im kaiserlichen China.73 In den meisten sozialistischen Staaten führte der Einparteienstaat zum Personenkult. Die Macht liegt schließlich in einer Hand. In China begann die Vergöttlichung Maos und seiner Ideen schon in den 1940er Jahren. Tatsächlich besaß Mao von 1943 an bis zu seinem Tode die Macht der letzten Entscheidung im Politbüro der KPCh,74 die der Macht des Kaisers gleich- kam. Seine Nachfolger versuchten, die gleiche Machtstellung weiter zu bewahren. Nach der Abschaffung des Privateigentums Anfang der 1950er Jahre wurde die Basis der Volkgesellschaft (siehe III 2.1.1), die sich in über zwei Jahrtausenden entwickelt hatte, völlig zerstört. Alle vom Volk selbst eingerichteten und entwickelten Organisationen, die aus einer lokalen Pluralität von Sippenverbänden, Religionsgemeinschaften, Schulen, Zünften, Gilden, Vereinigungen, Gesellschaftshäusern der Landsmannschaften usw. bestanden, verschwanden seitdem von der Bildfläche.75 Die koordinierende Funktion der alten „Shishen“ bezüglich der Verbindung von Staat und Gesellschaft wurde von der Partei mit ihrem Konzept der „Massen- bewegung“ übernommen.76 Die Gesellschaft wurde vollständig vom Einparteienstaat kon- trolliert. Im alten China hatte der Kaiser die konfuzianische Ethik gefördert, um die politische und gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Genauso förderten die Kommunisten die kom- munistische Moral. Die Sozialisation der kommunistischen Weltanschauung durch die Partei- Mitglieder knüpfte an die schon erfolgte Verinnerlichung des konfuzianischen Ideals des „Neisheng“ (siehe III 2.1.2) an, wie es Liu Shaoqi in seinem Artikel „Über die Moral der kommunistischen Mitglieder“ exemplarisch beschrieben hat.77 Dieser Artikel wurde vor der Kulturrevolution für alle KPCh-Mitglieder zur Pflichtlektüre. Das heißt, die KPCh hatte auf ihre Weise die konfuzianische Ethik übernommen, um diese mit der kommunistischen Moral zu verbinden, so daß die Moral politisiert werden konnte. Die kommunistische Moral gilt seit- dem als Mittel zur kommunistischen Selbstdisziplin. Die KPCh instrumentalisierte nur den Konfuzianismus, um die kommunistische Moral ihrer Mitglieder zu stärken. Dies begünstigte den inneren Zusammenhalt der Partei bzw. die Führung der Parteispitze.

73 Vgl. Jürgen Domes: „Tradition und Traditionsbruch in der Politik der VR China“, in: Gregor Paul / Martin Woesler (Hrsg.): Zwischen Mao und Konfuzius? Die Geschichte der Volksrepublik China als Resultat und Reflex von Tradition und Neuerung, Bochum 2000, S.76. Vgl. auch Pye: China. Erratic State, S.59. 74 Vgl. Stuart R. Schram: „Party Leader or True Ruler? Foundations and Significance of Mao Zedong’s Per- sonal Power“, in: Ders.: Foundations and Limits, S.210. 75 Vgl. Yü: ZFBYH, S.20. Vgl. auch Müller-Hofstede: Modernisierungszwang und Systemwandel, S.199. 76 Vgl. Ralf Moritz: „Denkstrukturen, Sachzwänge, Handlungsspielräume. Die chinesische Intelligenz im Kon- flikt der Ordnungsmuster“, in: Pohl / Wacker / Liu: Chinesische Intellektuelle, S.74. 77 Siehe Liu Shaoqi: „Lun gongchang dangyuan de xiuyang“ („Über die Moral der kommunistischen Mitglie- der“) v. Juli 1937, in: Ders.: Liushaoqi xuanji (Ausgewählte Werke von Liu Shaoqi), Peking 1981, S.97-167. 86 In bezug auf die politische Kultur erweist sich das sozialistische System als dem kaiser- lichen Herrschaftssystem sehr ähnlich. Hierzu gehören das Postulat der ideologischen Einheit, die unbedingte Achtung gegenüber Autoritäten, das Fehlen eines institutionellen Ausgleichs und die übergeordnete Rolle des Staates gegenüber der Gesellschaft.78

Die modernen chinesischen Intellektuellen wurden in der kulturellen Kontinuität insgesamt von den traditionellen „Shi“ stark beeinflußt. Yü Ying-shih (Yu Yingshi) schrieb: „[…] the idea that the intellectual must always be identified with public-mindedness is not a cultural borrowing from the modern West, but from Confucian heritage traceable ultimately to the sage himself.“79 Vor allem gibt es zwei berühmte Leitsätze, die von dem Konfuzianer und Staatsmann Fan Zhongyan (989-1052) geprägt worden sind und auch heute noch von jedem Gebildeten in China beherzigt werden. Diese sind: „Ein Shi sollte die ganze Welt als seinen Verantwortungsbereich ansehen“80 und „Ein Shi sollte sich als erster über das Leid in der Welt sorgen und als letzter ihre Freuden genießen“.81 Diese Prinzipien bedrohten den Kaiser in seiner exponierten gesellschaftlichen Stellung, da sie implizieren, daß er schließlich nicht alleine die Verantwortung für die ganze Gesellschaft übernehmen kann. Die Spannungen und Konflikte zwischen dem Kaiser und den Intellektuellen waren somit zwar vorhanden, aber die von den Intellektuellen formulierten Ziele waren in der Praxis vielmehr mit denen des Kaisers verwoben (siehe III 2.1.1). Das (Sendungs-)Bewußtsein, welches sich in den beiden Leitsätzen widerspiegelt, führte die Intellektuellen seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts wegen der sich verschlechternden Lage in China dazu, sich stärker mit dem Staat zu verbinden. Bei der Bewegung vom 4. Mai 1919 sollten die zwei großen Themenkomplexe „Aufklärung“ (Qimeng) und „Nationale Ret- tung“ (Jiuwang) eine komplementäre Einheit bilden. Im Laufe der weiteren Entwicklung wur- de jedoch die „Aufklärung“ der chinesischen Bevölkerung, die zunächst durch westliches Ge- dankengut („Demokratie“ und „Wissenschaft“) geprägt sein sollte, im Zuge der „Nationalen

78 Vgl. King: ZGFZ, S.68. 79 Yü: Radicalization of China, S.145. 80 Fan Zhongyan selber strebte an, nach dem Grundsatz zu leben und zu handeln, daß ein Shi die gesamte Welt als seinen eigenen Verantwortungsbereich ansehen solle. Dies verkörpert das Selbstbewußtsein aller aufrech- ten Shi in der Song-Zeit. Sie förderten vor allem das soziale Engagement mit Erfolg, wie z.B. bei der Unter- stützung der Armen und bei der Ausbildungspflicht mit Hilfe der eigenen Sippe oder bei der Gründung von lokalen Privat-Akademien und Hilfsorganisationen für die Bauern. Siehe Tuo Tuo u.a.: Song shi (Geschichte der Song-Zeit), Bd. 314, Peking 1977, S.10275. Vgl. auch Qian: GSDG, S.415ff u.615ff. 81 Fan Zhongyan (Fan Xiwen): „Yueyanglou ji“ („Bericht aus dem Turm von Yueyang“), in: Tang song wen ju- yao (Ausgewählte wichtige Artikel aus der Zeit von Tang und Song), ausgewählt u. erläutert. v. Gao Buying, Shanghai 1982, S.655. 87 Rettung“ erstickt.82 Die „Nationale Rettung“ nahm und nimmt (auch heute noch) bei den chi- nesischen Intellektuellen die höchste Stellung ein. Ein kollektives Bewußtsein war bei ihnen im 20. Jahrhundert sehr deutlich zu sehen, vor allem bei dem Verzicht auf die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen. Die Nützlichkeit des „Wissens“ galt als das höchste Ziel der chinesischen traditionellen Intellektuellen. Im alten China konnten nur „Shi“ das Wissen beherrschen. Ein alter chinesi- scher Sinnspruch lautet: „Wenn man über Wissen und darüber hinaus über Fähigkeiten ver- fügt, dann kann man Beamter werden“ („Xue er you ze shi“).83 Deswegen strebte die Mehrheit der Intellektuellen nach einem Amt als dem Weg zur Erlangung eigener Identität in Verbin- dung mit sozialem Ansehen.84 Der Doppelstatus von Beamtentum und Gelehrtentum kenn- zeichnete also seit jeher die spezifische Eigenschaft der chinesischen Intellektuellen.85 Dies ist bis auf den heutigen Tag unverändert geblieben, trotz der Abschaffung des staatlichen Be- amtenprüfungssystems und trotz der Veränderung des politischen Systems beim Übergang von der Qing-Dynastie über die nationale Republik zur Volksrepublik. Das mit dem Herr- schaftssystem eng verbundene Bewußtsein der chinesischen Intellektuellen führte schließlich weder zu einem unabhängigen Wissen noch zu einer selbständigen gesellschaftlichen Po- sition.

2.2.2 Die „Demokratischen Parteien“ und das Scheitern des Liberalismus

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten die chinesischen Intellektuellen neben der traditionellen Weise, also als Staatsbeamte, mehrere Möglichkeiten, um die Politik zu beein- flussen, wie z.B. die Gründung von Medien oder Parteien.86 Vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entstand eine regelrechte „Explosion der Partizipation“ durch die Grün- dung neuer Parteien.87 Dieser Abschnitt behandelt die zunehmende Teilnahme am politischen Geschehen. Dabei wird gezeigt, warum das von den DP geforderte westliche demokratische Konzept in den 1940er und 1950er Jahren in China nicht gelingen konnte.

82 Vgl. Li Zehou: „Chinas Aufklärung - Weg und Ziel. Entwurf für eine Rede zur Siebzigjahrfeier des 4. Mai“, in: Pohl / Wacker / Liu: Chinesische Intellektuelle, S.29. 83 Lunyu jizhu, Teil 10, S.850f. 84 Vgl. Ambrose Y. C. King: „Zhongguo xin zhishifenzi jieceng de jianli yu shiming“ („Gründung und Mission der neuen intellektuellen Schicht Chinas“), in: Zhou: ZFYZG, S.417f. 85 Vgl. ebd. Vgl. auch Li: Chinas Aufklärung, S.22. - Schwartz: Ancient China, S.409. 86 Vgl. Xu Jilin: „Zhongguo ziyouzhuyi zhishifenzi de canzheng 1945-1949“ („Die politische Partizipation der chinesischen liberalen Intellektuellen von 1945-1949“), in: Ershiyi Shiji, Aug. 1991, S.38f. 87 Vgl. ebd., S.39. 88 Die Vorgängerorganisationen der DP, die in den 1940er Jahren bestanden, wurden damals als „dritte Kräfte“ bezeichnet oder auch „dritte Parteien“ genannt. Sie strebten nach einem alternativen Weg zwischen den zwei großen Parteien. Deswegen wurden sie auch „mittlere Parteien“ genannt. Zu diesen gehörten unter anderen: das Revolutionäre Komitee der Guo- mindang Chinas (Zhongguo guomindang geming weiyuanhui; RKGC),88 die Demokratische Liga Chinas (Zhongguo minzhu tongmeng; DLC),89 die Gesellschaft für den Demokratischen Nationalen Aufbau Chinas (Zhongguo minzhu jianguohui; GDNAC),90 die Gesellschaft zur Förderung der Demokratie Chinas (Zhongguo minzhu zujinhui; GFDC),91 die Demokratische Partei der Bauern und Arbeiter Chinas (Zhongguo nonggong minzhu dang; DPBAC),92 die

88 Das Revolutionäre Komitee der Guomindang Chinas wurde im Jahre 1948 vom linken Flügel der GMD gebil- det, worunter (1885-1959) und (1879-1972) zu den Gründungsmitglieder gehörten. Um 1945 hatten schon mehrere oppositionelle Gruppen innerhalb der GMD eigene Organisationen gegrün-det; drei der wichtigeren Gruppen schlossen sich zum RKGC zusammen. Siehe Dou Aizhi: Zhongguo minzhu dangpaishi (Geschichte der Demokratischen Parteien Chinas), Tianjin 1992, S.1-83. Vgl. auch Domes: Poli- tik und Herrschaft, S.75. 89 Die Vorgängerorganisation zur Demokratischen Liga Chinas wurde im März 1941 unter dem Namen „Allianz der Demokratischen Parteien und Gruppen“ gegründet und setzte sich aus den „Drei Parteien und Drei Grup- pen“ („San dang san pai“), nämlich aus der „Jungchina-Partei“, der „Nationalen Sozialistischen Partei“, dem „Aktionskomitee zur Befreiung des Chinesischen Volkes“, der „Berufsausbildungsgesellschaft Chinas“, der „Gruppe für den Aufbau des Landes“ sowie aus einigen Parteilosen zusammen. 1942 trat die „Vereinigung für die Rettung der Nation“ der Allianz bei. (1872-1955) wurde damals zum Ersten Vorsitzenden ge- wählt. 1944 wurde dann der Name der Partei in „Demokratische Liga Chinas“ geändert. Auch einzelnen Per- sonen wurden erlaubt, in die Partei einzutreten. Aber die DLC war eine lockere Organisation, so daß doppelte Parteiangehörigkeiten öfters vorkamen. Während des Bürgerkrieges versuchte die DLC als „Partei der Mitte“ zwischen GMD und KPCh zu vermitteln und verlangte die Beendigung des Bürgerkriegs. Aber die DLC lehnte beispielsweise die Teilnahme an der von der GMD ausgerufenen Nationalversammlung ab. In der Folge erklärte die GMD am 27. Oktober 1947 die DLC schlichtweg für illegal. Ihr Parteivorstand zog deshalb nach Hongkong um und begann, eine neue Basis im Ausland aufzubauen. Siehe Dou: ZGMZDPS, S.84-165. Vgl. auch Heinrich-M. Umbach: Die Demokratischen Parteien Chinas im Schatten der Kommunistischen Partei, Mitteilungen des Instituts für Asienkunde, Nr. 248, Hamburg 1995, S.30. - James D. Seymour: China’s Satellite Parties, New York 1987, S.14ff. - Lawrence N. Shyu: „China’s Minority Parties in the People’s Political Council, 1937-1945“, in: Jeans: Roads Not Taken, S.159f. 90 Am 16. Dezember 1945 wurde die „Gesellschaft für den Demokratischen Nationalen Aufbau Chinas“ in Chongqing aus drei Gruppen gebildet, nämlich aus der von (1878-1965) repräsentierten oberen Mittelschicht der Intellektuellen, aus der Oberschicht der Unternehmer und aus Vertretern der Finanz- und Wirtschaftskreise. Siehe Dou: ZGMZDPS, S.166-203. Vgl. auch Umbach: Die Demokratischen Parteien, S.29f. 91 Am 30. Dezember 1945 gründeten (1885-1970), ein Vertreter des Shanghaier Kultur-, Bildungs- und Verlagswesens, und Wang Shao’ao (1886-1970), ein Vertreter der örtlichen Industrie- und Handelskreise, in Shanghai die „Gesellschaft zur Förderung der Demokratie Chinas“. Am 5. Mai 1946 bildete die GFDC mit 52 (später mit bis zu 68) Massenorganisationen in Nanjing die „Vereinigung Shanghaier Massenorganisatio- nen“, um die Kräfte gegen die GMD zu bündeln. Siehe Umbach: Die Demokratischen Parteien, S.211ff u. S.231ff. Vgl. auch Dou: ZGMZDPS, S.204-238. 92 Nach dem Bruch der Kooperation zwischen der GMD und der KPCh im Jahre 1927 gaben die Vertreter des linken GMD-Flügels, darunter Song Qingling (1893-1981), die Witwe von Sun Yat-Sen (Sun Yixian, 1866- 1925), und Deng Yanda (1895-1931), am 1. November 1927 unter dem Namen „Provisorisches Aktionskomi- tee der GMD“, das gegen Chiang Kai-Shek (Jiang Jieshi, 1887-1975) gerichtete „Moskauer Manifest“ be- kannt. Diese Partei war eigentlich die alte „Dritte Partei“, die zwischen der GMD und der KPCh gestanden hatte. Im Frühling 1928 gründete Tan Pingshan (1886-1956) in Shanghai heimlich die „Chinesische Revolu- tionspartei“ („Zhonghua geming dang“), welche die alte „Dritte Partei“ zwischen der GMD und der KPCh darstellen sollte. Die Bezeichnung „Dritte Partei“ war damals negativ besetzt, weswegen Tan Pingshan und Deng Yanda diese ablehnten. 1930 übernahm Deng Yanda wieder den alten Namen „Provisorisches Aktions- komitee der GMD“. Nach der Meinung von Deng Yanda konnte der Name „GMD“ noch viel mehr Menschen 89 „Gemeinwohl“-Partei Chinas (Zhongguo zhigong dang; GPC),93 die Studiengesellschaft des Dritten September (Jiusan xuehui; SDS)94 und die Demokratische Selbstbestimmungsliga Tai- wans (Taiwan minzhu zizhi tongmeng; DST).95 Die Mitglieder der DP in den 1940er Jahren stammten aus verschiedenen sozialen Gruppen: Neben ihrer Herkunft aus dem Umfeld der traditionellen Intellektuellen, welche die staatlichen Beamtenprüfungen absolviert hatten,96 rekrutierten sie sich aus dem Kreis der modernen Intellektuellen mit einer ausländischen aka- demischen Ausbildung,97 einschließlich der Absolventen aus Militärakademien98, sowie aus der Umgebung von Revolutionären99 und Geheimgesellschaften. Sie besaßen keine einheit-

anziehen, vor allem die Soldaten im aktiven Dienst. Mit Hilfe dieses Kontaktes schlug das Komitee eine Brü- cke zur GMD-Armee, um eine Basis für eine bürgerliche Revolution bilden zu können. Im August 1931 wol- lte Deng mit seinen Mitgliedern in Jiangxi eine Revolution durchführen, wurde aber verhaftet und heimlich ermordet. 1941 trat das „Aktionskomitee“ in die „Demokratische Liga“ als „Mittelsmacht“ zwischen GMD und KPCh ein. Aber angesichts der verschiedenen politischen Ansichten innerhalb der Liga gründete das „Aktionskomitee“ im Februar 1947 die „Demokratische Partei der Bauern und Arbeiter Chinas“. Obwohl die DPBAC die Bauern und Arbeiter als die wichtigsten Kräfte betrachtete, waren ihre Mitglieder meistens Intel- lektuelle. Siehe Umbach: Die Demokratischen Parteien, S.22 u. S.241f. Vgl. auch Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas), Peking 1987, S.271-331. 93 Die Vorgängerin der „‚Gemeinwohl‘-Partei Chinas“ war die amerikanische Sektion der „Hong Men“-Gesell- schaft. „Hong Men“ war eine Geheimgesellschaft, die zu Beginn der Qing-Dynastie für die Wiederherstellung der Ming-Dynastie gekämpft hatte. Nach der Niederlage der Revolution der Taiping (1850-1865) waren ihre Mitglieder ins Ausland ausgewandert, wo sie die „Hong Men“ wieder neu aufbauten. Am 10. Oktober 1925 wurde die „GPC“ in San Francisco gegründet. Chen Jiongming (1878-1933), ein lokaler Militärmachthaber in Südchina, wurde zum Vorsitzenden gewählt. Nach dem Tode Chens im Jahre 1933 blieb die Parteiorganisa- tion unkoordiniert und kündigte 1941 das Ende ihrer Aktivitäten an. Obwohl die GMD im August 1946 die Erlaubnis erteilte, eine „Hong Men“-Partei in China zu bilden, gingen viele unzufriedene Mitglieder nach Hongkong, um die GPC erneut als Oppositionskraft aufzubauen. Anfang 1950 zog die GPC nach um und stoppte ihre Aktivitäten im Ausland. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt seitdem im Inland, um die obere Mittelschicht der zurückgekehrten Überseechinesen in die GPC zu ziehen. Siehe Dou: ZGMZDPS, S.312-339. Vgl. auch Umbach: Die Demokratischen Parteien, S.20. 94 Gegen 1939/40 bildeten Naturwissenschaftler in Chongqing einen „Chongqinger Diskussionszirkel über die Naturwissenschaften“. Ende 1944, als Japan Südwest-China besetzt hielt und die Sicherheit Chongqings be- drohte, verbündeten sich wissenschaftliche, kulturelle und pädagogische Kreise zum „Diskussionszirkel über Demokratie und Wissenschaft“ („Minzhu kexue zuotan hui“), um zum anti-japanischen Krieg beizutragen. Seine Mitglieder gründeten am 4. Mai 1946 eine Partei unter dem Namen „Studiengesellschaft des Dritten September“, um an den Tag des Sieges der Alliierten über Japan, nämlich an den 3. September 1945, zu erinnern. Siehe Dou: ZGMZDPS, S.340-357. 95 Während die GMD-Armee nach dem Sieg über Japan Taiwan übernahm, kam es Ende Februar 1947 zu Aus- einandersetzungen. Jener Aufstand gegen die GMD-Regierung auf Taiwan ist als „Zwischenfall vom 28. Feb- ruar“ in die Geschichte eingegangen. Danach gingen einige Taiwanesen, darunter Xie Xuehong (1901-1970), nach Hongkong. Am 12. November 1947 gründeten sie mit Hilfe der KPCh die „Demokratische Selbstbestim- mungsliga Taiwans“, um die Bevölkerung von Taiwan zum Kampf gegen Chiang Kai-Shek aufzufordern. Seit ihrer Gründung betrachtete sich die DST als Vertretung aller Taiwanesen inner- und außerhalb Taiwans und stand in enger Verbindung zur KPCh. Siehe Dou: ZGMZDPS, S.358-370. Vgl. auch Umbach: Die Demokrati- schen Parteien, S.31. - Domes: Politik und Herrschaft, S.78 96 Hierzu gehörten die weiter oben bereits erwähnten Zhang Lan, (1875-1963), Huang Yanpei. 97 Das westliche Gedankengut spielte eine große Rolle für die Entwicklung des Liberalismus in China. Dieser wurde durch diejenigen, die im Westen studiert hatten, beeinflußt, so z.B. aus den USA durch Luo Longji (1898-1965), aus Großbritannien Fei Xiaotong und Chu Anping (1909-1966), oder aus Deutschland (1895-1969) und Deng Yanda. Viele chinesische Intellektuelle hatten vor der Revolution von 1911 zunächst in Japan studiert, wo sie die westlichen Wissenschaften sozusagen „aus zweiter Hand“ bekommen konnten, wie etwa Zhang Lan und Huang Yanpei. 98 Zur Militär-Elite gehörten etwa Li Jishen und Deng Yanda. 99 Die Revolutionäre waren für den Sturz der Qing-Dynastie. Ihre soziale Zusammensetzung war kompliziert, da die Mitglieder sowohl aus der Schicht der traditionellen Intellektuellen als auch aus Kreisen der modernen In- 90 liche Identität, weil sie sich in einer Position zwischen den chinesisch-traditionellen und den modernen westlich geprägten Wertvorstellungen befanden.

Nach traditionell chinesischer Auffassung wird das chinesische Wort „Dang“ als „Clique“ (siehe III 2.1.1) verstanden, nicht aber als „politische Partei“ oder gar als Säule einer par-lamentarischen Regierung. Von Anfang an hatten die sogenannten „dritten Parteien“ keine feste politische Stellung inne. Die Mitglieder von RKGC und DPBAC kamen aus dem linken Flügel der GMD, während die Gründung der DST von Anfang an von der KPCh unterstützt wurde. Die „dritten Kräfte“ betrachteten sich zwar als zur Opposition gehörig, aber nicht alle Oppositionskräfte waren tatsächlich auch liberal eingestellt, und nicht alle sogenannten „libe-ralen“ Kräfte waren in der Opposition organisiert. Es gab nämlich einige „dritte Parteien“, die der GMD nahestanden, 100 welche nach 1949 in Taiwan als Minderheitsparteien fortbestanden. Die DLC war damals die größte unter den kleineren Parteien. Ihr demokratisches politi- sches Programm101 wurde als Hauptforderung von den meisten der kleinen Parteien über- nommen. Die Ideen zu Konstitutionalismus, parlamentarischer Regierung, individueller Frei-

tellektuellen sowie aus dem Umfeld der Soldaten mit moderner Militärausbildung als auch aus Geheimgesell- schaftskreisen stammten. Einige von ihnen waren schon Mitglieder von „“, der direkten Vorläu- ferin der GMD, wie z.B. Ma Xulun, Tan Pingshan, Huang Yanpei, Deng Yanda und Shen Junru. 100 So z.B. die Demokratisch-sozialistische Partei Chinas (Zhongguo minzhu shehui dang) und die Partei der Chinesischen Jugend (Zhongguo qingnian dang). Die Demokratisch-sozialistische Partei Chinas ist die Nachfolgerin der von Zhang Junmai (im Westen unter Carsun Chang bekannt; 1887-1969) im Jahre 1933 gegründeten Nationalen Sozialistischen Partei. Während des anti-japanischen Krieges war sie an der Demo- kratischen Liga beteiligt. Während des Bürgerkriegs unterstützte sie die GMD und stieg aus der Demokrati- schen Liga aus. Die Partei der Chinesischen Jugend wurde Ende 1923 von Zeng Qi (1892-1951) und einigen chinesischen Studierenden in Paris gegründet. Im August 1926 fand dann der I. Parteitag in Shanghai statt. Seitdem agierte sie auf dem Festland, bis sie 1949 sich mit der GMD nach Taiwan zurückzog. Im Zuge des anti-japanischen Krieges trat sie in die Demokratische Liga ein, und während des Bürgerkriegs unterstützte sie die GMD. Siehe Roger B. Jeans: „The Trials of a Third-force Intellectual: Zhang Junmai (Carsun Chang) During the Early Nanjing Decade, 1927-1931“, in: Ders.: Roads Not Taken, S.37-59. Vgl. Marilyn A. Levine: „Zeng Qi and the Fronzen Revolution“, in: Jeans: Roads Not Taken, S.225-240. Vgl. auch Edmund S. K. Fung: „The Alternative of Loyal Opposition: The Chinese Youth Party and Chinese Democracy, 1937-1949“, in: Jeans: Roads Not Taken, S.241-265. - John F. Copper: „Minor Parties in Taiwan“, in: Jeans: Roads Not Taken, S.275-287. 101 Vom 1. bis zum 12. Oktober 1945 wurde der erste Parteitag der DLC abgehalten. Die Partei verabschiedete ein Organisationsstatut und ein Programm nach westlichem Vorbild. Sie forderte unter anderem den Kampf gegen den Einparteienstaat der GMD, das Streben nach der Errichtung eines demokratischen politischen Systems unter Berücksichtigung der chinesischen Umstände, eine konstitutionelle Regierungsform, einen Regierungsstil auf der Grundlage von Gesetzen, den Parlamentarismus, eine verantwortungsbewußte Ka- binettsregierung, eine unabhängige Justiz, eine lokale Selbstverwaltung, ein allgemeines Wahlrecht sowie die Meinungs-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit. Außerdem forderte sie eine gleichmäßige Verteilung des Wohlstandes, die Verstaatlichung des Militärs und der Armeen sowie das Verbot von Parteiorganisationen innerhalb der Armee. Siehe „Zhongguo minzhu gangling“ („Das Parteiprogramm der Demokratischen Liga Chinas“), verabschiedet im Okt. 1945, in: Yu: ZGMZDP, S.461-465. 91 heit, sowie das Konzept der politischen Parteien als „loyale Opposition“ zeigten den west- lichen Einfluß auf die dritten Parteien.102

Die chinesischen Intellektuellen hatten von Anfang an Schwierigkeiten, liberale Ideen in China umzusetzen, denn es fehlte ihnen unter anderem an einer eigenen Armee und an Unter- stützung durch die Volksmassen. Außerdem hatten sie finanzielle Schwierigkeiten und litten unter der schwachen Organisation. Lucian W. Pye erläutert die Frage, warum die DP in den 1940er Jahren ihre Ziele für Chi- na überhaupt nicht erreichen konnten: „The problem was not solely one of what values should be propounded in the political field; rather, the difficulty was the impossibility of obtaining sufficient political power to further any particular goals of development. As long as political power revolved around the question of ability to apply violence and the practitioners of vio- lence found that they were bound by the dictates of a complex balance of power, there was little opportunity for the conduct of effective political programs.“103 Die kleinen Parteien be- saßen keine eigenen Militärstreitkräfte, um gegen die Parteiarmeen der GMD und der KPCh eine Gegenkraft bilden zu können. Die meisten Parteiführer der dritten Parteien – mit Aus- nahme von Deng Yangda und Li Jishen – scheuten und vermieden jede Form von Gewaltan- wendung, obwohl kein einziger von ihnen jemals einen Weg des Pazifismus forderte. Die Gründe hierfür waren: „their personalities and the overwhelmingly hostile environment, rather than their ideological beliefs“.104 In den 1940er Jahren stammten chinesische liberale Intellektuelle teils aus dem städtischen Mittelstand und teils aus gemäßigten Kreisen. Sie besaßen aber keine ausreichenden sozialen Ressourcen. Außerdem waren sie, was die sozialen Beziehungen betraf, weit entfernt von der Realität. Es fiel ihnen schwer, mit Menschen anderer Schichten zu kommunizieren, so daß sie sich zwangsläufig in einer Isolation von der Landbevölkerung befanden. Das war nicht allein das fundamentale Problem der dritten Parteien, sondern sehr wohl auch das der GMD, wohin- gegen die KPCh als einzige Partei gerade die Menschenmassen vom Lande zu mobilisieren verstand.105 In der Folge konnte die liberalistische Bewegung zu keinem produktiven Ein- klang mit den anderen sozialen Schichten kommen. Die liberalen Intellektuellen befanden sich in einer schwierigen Finanzlage. Die kleinen Parteien bekamen für ihr Überleben finanzielle Unterstützung entweder von der GMD oder

102 Roger B. Jeans: „Introduction“, in: Ders.: Roads Not Taken, S.6. 103 Pye: Warlord Politics, S.155. 104 Jeans: Introduction, S.12. 105 Vgl. ebd., S.13. Vgl. auch Xu: ZGZYZY, S.42. 92 der KPCh. So finanzierte beispielsweise die KPCh bereits in den 1940er Jahren die Demo- kratische Liga.106 Schließlich verlor die Liga ihre Autonomie aufgrund der finanziellen Ab- hängigkeit. Die Fraktionsbildung prägt die politische Kultur Chinas. Ein chinesisches Sprichwort macht es deutlich: „Ein Chinese: eine Meinung; zwei Chinesen: eine Organisation; drei Chinesen: Fraktionen“.107 Wegen ihrer lockeren Organisationen und der undeutlich formu- lierten politischen Programme der dritten Parteien war es in den 1940er Jahren nicht unüblich, als Einzelperson gleichzeitig mehreren Parteien anzugehören.108 Dies schwächte die opposi- tionellen Kräfte insgesamt. Die chinesischen Intellektuellen hatten zu wenige Chancen, ihre politischen Aktionen durchzusetzen. Mögliche Gründe hierfür waren: (1) „Not only were the scholars too divided in their positions on theory to unite as a single body for political purposes, but such unity would require an organizational structure capable of competing for power, which the intellectuals could not construct.“109 (2) Die intellektuellen Gruppen glaubten zwar fest an die „Demokratie“, aber sie brachten diesem Konzept wenig Vertrauen entgegen. Lucian W. Pye meint dazu: „Although the ideal of universal suffrage was important to them, the Chinese in- tellectuals showed little interest in the concept of competing political parties that could give expression to the popular will.“110

Der Marxismus-Leninismus wurde in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre als Konzept für den Aufbau eines neuen und starken China zunehmend akzeptiert. Die marxistische Theorie stellte eine totale Transformation der Gesellschaft in der nahen Zukunft vor. Sie unterstützte das Bewußtsein für eine Umstrukturierung der Gesellschaft und entsprach zusätzlich dem Wunsch der chinesischen Intellektuellen auf ein sofortiges Handeln.111 Die leninistische Partei konnte daher beim Wiederaufbau des Staates und bei einem wirksamen fundamentalen so- zialen Wandel Chinas eine wichtige Rolle spielen; denn sie verfügte über die hierarchische Struktur, die speziale Art zur Rekrutierung und die strenge Disziplin, welche eine Organisa- tion benötigte, um kollektiv, effektiv und schnell zu handeln.112 Solche Eigenschaften fehlten jedoch den liberalen Parteien. Außerdem widersprach das von den DP geforderte westliche

106 Vgl. Jeans: Introduction, S.14. 107 Vgl. Andrew J. Nathan: „Historical Perspectives on Chinese Democracy: The Overseas Democracy Move- ment Today“, in: Jeans: Roads Not Taken, S.318. 108 Vgl. ebd. 109 Pye: Warlord Politics, S.159. 110 Ebd. 111 Vgl. Tang Tsou: „Marxism, the Leninist Party, the Masses, and the Citizens in the Rebuilding of the Chinese State“, in: Schram: Foundations and Limits, S.259. 112 Vgl. ebd., S.261. 93 demokratische Modell dem Willen der meisten Chinesen, die doch in erster Linie einen star- ken Staat bzw. eine starke politische Führung aufbauen wollten. Ende der 1940er Jahre schien der Kapitalismus auf keinen Fall als Entwicklungsmodell für China geeignet zu sein, während der Kommunismus stalinistischer Prägung großen Anklang fand. Nicht nur die Kommunisten, sondern auch viele Intellektuelle hielten an dem folgenden politischen Credo fest: „[…] capitalism was a wasteful and unfair economic system while state planning was both an equitable and a rational way to direct capital to serve national needs rather than the consumption needs of a small class.“113 Nach den damaligen Wirt- schaftsprogrammen tendierten die dritten Parteien eher zu einer staatlich orientierten und eingeschränkten Privatwirtschaft. 114 In der konzeptionellen Planung ihres Wirtschaftspro- gramms wiesen sie damals keinen großen Unterschied zu der KPCh auf. Die sich ausbreiten- den kommunistischen Ideale bzw. die zunehmende Sympathie für kommunistisches Ge- dankengut waren bereits vor 1949 eine wichtige Basis für die darauffolgende Machtüber- nahme der KPCh.

Daß die DP die KPCh während des Bürgerkriegs unterstützten, bedeutete de facto das Scheitern des dritten Weges. Nach der Anti-Rechts-Kampagne wurden die Intellektuellen und die DP in ihrer Rolle „sozialisiert“ und verloren seitdem vollständig ihre Unabhängigkeit. Das kann man als Zeichen für das endgültige Scheitern des chinesischen Liberalismus deuten. Die Unterdrückung der liberalen Strömung in China konnte nicht allein durch Gewaltanwendung erreicht werden; denn der Wunsch der chinesischen Bevölkerung nach einem starken Staat spielte inzwischen eine größere Rolle, die man nicht unterschätzen durfte. Während des anti-japanischen Krieges nutzte die KPCh die Idee der „Demokratie“ im Rahmen ihrer Strategie der „Einheitsfront“ aus, um die Intellektuellen als treue Bündnis- partner zu gewinnen. Nach dem Ende des anti-japanischen Krieges verlor die „Anti-japani- sche Nationale Einheitsfront“ ihre Bedeutung. Sie wurde daher in „Friedliche Demokratische Einheitsfront“ umbenannt.115 Ihre Strategie war im Grunde mit der ihrer „Vorgängerin“ iden- tisch. Ihr Ziel bestand im vereinigten Kampf gegen den gemeinsamen Feind. Nach Maos An-

113 Nathan: TAD, S.241. 114 Die Demokratische Liga Chinas kann als Beispiel für die größte der dritten Parteien angesehen werden. Ihr Wirtschaftsprogramm lautete: Durchsetzen einer gerechteren und gleichgewichteteren Eigentumsverteilung (im ganzen Volk), staatliche Regulierung von Produktion und Landverteilung zum Wohle eines einheitlichen Wirtschaftsplans. Siehe ZGMZGL, S.461-465. 115 In den Dokumenten der KPCh tauchen viele Namen im Zusammenhang mit der neuen „Einheitsfront“ auf, so z.B. die „Anti-feudale Einheitsfront“, die „Patriotische Einheitsfront“, die „Demokratische Einheitsfront“ u.a. Am 1. Juli 1946 verkündete die KPCh die offizielle Übernahme des Namens „Friedliche Demokratische Ein- heitsfront“. Siehe Zhang Dingchang: Zhanhou zhonggong heping tonyi zhanxian (Die Friedliche Demokrati- sche Einheitsfront der KPCh nach dem anti-japanischen Krieg), Taipei 1987, S.31. 94 sicht lagen die Aufgaben der chinesischen Revolution in dieser Periode sowohl im anti-im- perialistischen als auch im anti-feudalistischen Kampf. Die USA lösten Japan als imperialis- tischen Feind ab, und die Regierungspartei GMD blieb immer noch der innere Feind als politischer Vertreter der chinesischen Großgrundbesitzer und der Klasse der Großkapitalis- ten.116 Außerdem verbündete sich diese neue Einheitsfront mit der von den Sowjet-Kom- munisten geförderten internationalen kommunistischen Bewegung und betrachtete sich folg- lich als ein Teil davon. Angesichts des nahenden Sieges der KPCh im Bürgerkrieg und der verschlechterten Si- tuation der GMD durch die ansteigende Inflation, änderten die mittleren politischen Kräfte ihre Haltung. Anfang 1948 drängte die KPCh die kleinen Parteien, sich endgültig zwischen der KPCh und der GMD zu entscheiden. bekräftigte, daß es keinen „dritten Weg“ gäbe. 117 Am 30. April 1948 rief die KPCh die nichtkommunistischen Parteien, Massenorgani-sationen und Parteilosen dazu auf, zusammen mit ihr eine Koalitionsregierung zu bilden und eine „Politische Konsultationskonferenz“ abzuhalten. Im Mai und Juni 1948 leisteten die klei-nen Parteien dem Aufruf der KPCh Folge. Dies symbolisierte die Teilnahme der dritten Par-teien an der „Friedlichen Demokratischen Einheitsfront“. Sie erklärten allerdings damals keineswegs, daß sie der Führungsrolle der KPCh bereits zugestimmt hätten. Die meisten von ihnen wollten eigentlich nur das Ende des Machtmonopols der GMD beschleunigen. Das bedeutete, daß einige der kleinen Parteien zwar mit der KPCh zusammen gegen die GMD kämpften, aber trotzdem noch versuchten, ihre Unabhängigkeit von der KPCh aufrechtzuer-halten.118 Die KPCh fürchtete jedoch nichts so sehr wie den Ausstieg der dritten Parteien aus der Einheitsfront. Im Herbst 1948 errang die KPCh schließlich den entscheidenden militärischen Sieg, der den Fortbestand der Einheitsfront sicherte. Nach der Erklärung vom 25. Dezember 1948 be- harrte Mao Zedong auf der Führung der Einheitsfront durch die KPCh.119 Mit Hilfe dieser

116 Vgl. ebd., S.53. 117 Vgl. Zhou Enlai: „Guanyu dangqian minzhu dangpai gongzuo de yijian“ („Meinung zur gegenwärtigen Arbeit der Demokratischen Parteien“) v. Jan. 1948, in: Zhouenlai xuanji (Ausgewählte Werke von Zhou Enlai), Bd. 1, Peking 1980, S.284. 118 Die GFDC hoffte, daß ein politisches Programm der „Politischen Konsultationskonferenz“ - unterstützt von den verschiedenen Klassen und Schichten - sowie ein von jedermann anerkannter Vertrag als notwendige Voraussetzung abgeschlossen werden könnte, um eine unabhängige demokratische Koalitionsregierung zu bilden. Die LDC meinte, daß die Bildung einer Koalitionsregierung eine Idee wäre, die nicht nur einer Partei allein zugute kommen würde, sondern von den DP, den Massenorganisationen und allen Nationalitäten und Minderheiten in China verlangt und begrüßt würde. Siehe „Zhongguo minzhu zujinhui xiangying wuyi hao- zhao de xuanyan“ („Die Solidaritätserklärung der GFDC nach dem Aufruf der KPCh vom 1. Mai 1948“) v. Mai 1948, in: Yu: ZGMZDP, S.551. Siehe auch „Zhongguo minzhu tongmeng xiangying zhonggong wuyi haozhao“ („Die Solidaritätserklärung der DLC nach dem Aufruf der KPCh vom 1. Mai 1948“) v. 14. Juni 1948, in: Yu: ZGMZDP, S.473. 119 Vgl. Seymour: CSP, S.22. 95 Einheitsfront isolierte die KPCh vollständig die GMD vom politischen Geschehen auf dem Festland und kontrollierte somit die dritten Kräfte auf eine friedliche Weise. Dies schaffte eine Bündnisbasis, die zur Errichtung eines vorparlamentarischen Volksvertretungsorgans und letztlich zur Gründung der Volksrepublik China führte. Für die dritten Kräfte war das Interes- se an einer Zusammenarbeit mit der KPCh größer als das an einer mit der GMD, weil die bisherige Regierungspartei GMD die Bildung einer Koalitionsregierung ablehnte, während die KPCh viel mehr Bereitschaft zeigte, mit ihnen über die Bildung einer „demokratischen Koalitionsregierung“ zu sprechen.

In der Anfangszeit der Staatsgründung verbündete sich die KPCh mit der Kleinbourgeoisie und der nationalen Bourgeoisie, die sich in den von den Intellektuellen geführten DP organi- siert hatten, um ihre Basis zu festigen. Die KPCh setzte zahlreiche Persönlichkeiten aus den DP in die Regierung ein. Sie wurden gut bezahlt und genossen weitere Vergünstigungen, die besser waren als unter der GMD-Regierung. Sie waren demnach wirtschaftlich von der KPCh abhängig. Auch viele chinesische Intellektuelle, die vor 1949 den Kommunismus nicht unter- stützt hatten, folgten nachträglich der KPCh und paßten sich ihr ideologisch an. Da ihr auf diese Weise genügend qualifizierte Helfer zur Verfügung standen, hatte die KPCh anfangs keine großen Schwierigkeiten, das riesige Land zu regieren. Es gab trotz der „Drei-Anti-Kampagne“ und der „Fünf-Anti-Kampagne“120 am Anfang der 1950er Jahre keine Spannungen zwischen den DP und der KPCh, da diese für die Intellek- tuellen keine großen Auswirkungen mit sich brachten. Auf dem VIII. Parteitag der KPCh im September 1956 wurde die Betonung auf eine Politik der Konsolidierung und der innenpo- litischen Entspannung gelegt, zu deren Ziel auch die „Hundert-Blumen-Bewegung“ ausge- rufen wurde.121 Die Intellektuellen waren anfangs sehr vorsichtig und übten nur wenig Kritik.

120 Ende 1951 begann die „Drei-Anti-Kampagne“ zur Bekämpfung von Korruption, Verschwendung und Büro- kratismus. Die Kampagne richtete sich gegen Kader innerhalb der KPCh, vor allem gegen diejenigen, die mit Wirtschafts- und Finanzaufgaben betraut waren und ihre Macht mißbraucht hatten. 1952 startete die „Fünf- Anti-Kampagne“ gegen Bestechung, Steuerhinterziehung, Veruntreuung von Staatseigentum, Betrug und Verrat von Staatsgeheimnissen, die sich gegen Kapitalisten, die „nationale Bourgeoisie“ und gegen die vom Westen beeinflußten Intellektuellen richtete. Die „Fünf-Anti-Kampagne“ wurde durch die „Drei-Anti-Kam- pagne“ bedingt. Beide wurden dann gemeinsam im Oktober 1952 offiziell beendet. Allein bis zum Herbst 1952 fielen ihr zwei Millionen Menschen zum Opfer. Siehe Spence: Modern China, S.539f u.S.565. Vgl. auch Domes: Tradition und Traditionsbruch, S.66. 121 Es gab innerhalb der KPCh Kontroversen darüber, ob die Aktivitäten der DP beschränkt werden sollten. Das Jahr 1956 verlief für die KPCh günstig, während in den osteuropäischen sozialistischen Ländern Aufstände ausbrachen und Nikita S. Chruschtschow (1894-1971) auf dem XX. Parteitag der KPdSU den Personenkult des ehemaligen Parteichefs Josef Stalin (1879-1953) kritisierte. Die KPCh registrierte die Verschlimmerung des Bürokratismus innerhalb der eigenen Reihen und auch, daß die Widersprüche innerhalb der Gesellschaft immer noch existierten. Sie hoffte, durch die Hilfe der DP die soziale Moral der KPCh zu verbessern. 96 Durch die Ermutigung der KPCh122 fanden dann lebhafte Diskussionen im gesamten Monat Mai 1957 statt. Die Intellektuellen, die über keine soziale Basis verfügten, überschätzten die Toleranz Mao Zedongs und der KPCh bezüglich abweichender Meinungen. Folgerichtig be- gann die KPCh am 8. Juni 1957 offiziell mit einer Säuberungsaktion gegen die „Rechtsab- weichler“, 123 wofür damals Deng Xiaoping verantwortlich war. 124 Die „Hundert-Blumen- Bewegung“ verwandelte sich auf dramatische Weise in eine harte „Anti-Rechts-Kampagne“. Die DP wollten lediglich an die politischen Meinungen und Richtungen anknüpfen, die sie bereits vor 1949 vertreten hatten. Sie forderten die Bekämpfung des Einparteiensystems, die politische Unabhängigkeit der DP, eine stärkere Partizipation im politischen System,125 die Abschaffung der Kontrolle durch die KPCh und die Vergrößerung der Basis der DP,126 einen neuen Entwurf für das chinesische politische System,127 die Gewaltentrennung zwischen der KPCh und dem Staat, den Aufbau eines unabhängigen Justiz- und Kontrollsystems128, Indi- vidualrechte sowie die Pressefreiheit und auch Freiheit für das Literaturschaffen usw.

122 1957 forderte die KPCh die „Hundert-Blumen-Bewegung“ in hohem Maße. Am 27 Februar 1957 legte Mao Zedong seine Auffassung „Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk“ dar. Er unterschied „antagonistische Widersprüche zwischen dem Feind und uns“ von „nichtantagonistischen Widersprüchen im Volk“, die in offener Diskussion und nicht mit Mitteln physischen Zwanges zu lösen seien. Vgl. Mao: Über die richtige Behandlung, S.434-476. 123 Am 8. Juni 1957 veröffentlichte die Renmin Ribao, das Parteiorgan der KPCh, den Leitartikel „Wozu das Ganze?“ und forderte die „Anti-Rechts-Kampagne“, die insbesondere in Bereichen der Literatur, Erziehung, Presse, Wissenschaft und bei den DP mit Formen von den sogenannten „Vier Freiheiten“ (siehe II 1.3) zu beginnen hatte. Siehe „Zhe shi weishenme“ („Wozu das Ganze?“), in: Renmin Ribao, 8. Juni 1957, Leitarti- kel, S.1. 124 Vgl. Chen: ZGGCGM, S.861. 125 Chu Anping, der damalige Chefredakteur der Guangming Ribao, kritisierte, daß jede Einrichtung von einem Mitglied der KPCh geleitet würde. China wäre ein „[Ein-]Parteien-Kaiserreich“ („Dang Tianxia“). Er fragte den Vorsitzenden Mao Zedong und den Ministerpräsidenten Zhou Enlai direkt, warum die zu Anfang der kommunistischen Regierung üblich gewesene Hinzuziehung nichtkommunistischer Persönlichkeiten zu höchsten Regierungsstellen (bzw. drei stellvertretende Regierungsvorsitzende und zwei stellvertretende Mini- sterpräsidenten) durch eine Neuregelung beendet worden sei. Siehe „Chuanping xiang maozhuxi he zhou- zongli ti xie yijian“ („Chu Anping stellt einige Fragen an den Vorsitzenden Mao und den Ministerpräsidenten Zhou“), in: Renmin Ribao, 2. Juni 1957, S.2. 126 Die DP verlangten die Bewahrung der Unabhängigkeit aller Parteien. Um ihre Basis zu vergrößern, wollten einige Verantwortliche der DP die von der KPCh 1949 ausgesprochene Beschränkung ihrer Klientel auf die Oberschicht von ehemaligen GMD-Mitgliedern, Kapitalisten und Intellektuellen aufheben lassen. Siehe Li Xun: „Fan youpai douzheng de lishi dingwei“ („Historische Perspektive der Anti-Rechts-Kompagne“), in: Ershiyi Shiji, June 1993, S.24. 127 Nach Zhang Bojun sollten die PKCV und der NVK, die DP und die Massenorganisationen als „politische Pla- nungsräte“ (Shejiyuan) fungieren. Grundsätzliche Ideen zum politischen Aufbau sollten vorher von ihnen diskutiert werden. Er empfahl ferner, daß die PKCV als eine Art Senat in eine zweite gesetzgebende Körper- schaft neben dem bestehenden NVK umgewandelt werden sollte. Siehe „ tanhua piping zhangbojun luolongji“ („Vorwürfe von Wu Han an Zhang Bojun und Luo Longji“), in: Renmin Ribao, 11. Juni 1957, S.2. 128 Tan Tiwu vertrat die Ansicht, daß die Justiz, die Anwälte und die staatlichen Kontrollorgane, die Hebelwir- kung auf die Ausführung der Staatsgeschäfte hätten, nicht von der Partei geführt werden sollten. Die KPCh sollte ihre Politik regelmäßig durch den NVK zu Gesetzen verabschieden lassen, aber außer Gesetzen nicht noch andere Anweisungen der Partei ausgeben. Die Parteianweisungen sollten nicht die Gesetze ersetzen. Weil der Staat der KPCh untergeordnet wurde, konnte das politische System nicht verfassungsgemäß funktionieren. Siehe „Minge zhongyang xiaozu jixu juxing kuoda huiyi“ („Die Zentrale des RKGC hält die erweiterte Sitzung weiterhin ab“), in: Renmin Ribao, 6. Juni 1957, S.2. 97 Solche auf einem anglo-amerikanischen politischen System basierenden Vorstellungen standen ideologisch im Gegensatz zu denen der Kommunisten. Folglich sah die KPCh-Füh- rung mißtrauisch jene als Abweichler an, die den Sozialismus umstürzen wollten. Mao Ze- dong hatte sechs Kriterien als Maßstab für die „Hundert-Blumen-Bewegung“ angegeben, um förderliche Kritik von „schädlicher“ zu unterscheiden, wobei das wichtigste war, daß man nicht vom Weg des Sozialismus und der Führung durch die KPCh abweichen dürfe.129 Aber Maos Kriterien waren nicht deutlich genug dargestellt worden, so daß für eigene Interpreta- tionen viel Raum blieb. Die DP schätzten fälschlicherweise die Lage der KPCh als schwach ein und hofften sogar in Verkennung der Realität, daß sie aufgrund der wachsenden Studen- tenbewegung die KPCh bedrohen könnten, um so eine wichtigere Rolle zu spielen. Die KPCh hatte auf dem Parteitag vom September 1956 beschlossen, die Intellektuellen nicht mehr als Teil der Arbeiterschaft anzuerkennen.130 Die Intellektuellen wurden plötzlich wieder der „Bourgeoisie“, also den „Rechten“, zugeordnet, d.h. daß die KPCh den Intellek- tuellen nicht mehr vertraute. Die „Anti-Rechts-Kampagne“ führte weiterhin zur politischen Gleichschaltung der DP. Am 16. März 1958 versammelten die Mitglieder der DP sich mit einigen Parteilosen in Peking und verabschiedeten eine „Öffentliche Verpflichtung zur ideologischen Selbstwand- lung“, um der KPCh „ihr Herz zu offenbaren“.131 Da sie Angst vor Repressalien durch die KPCh hatten, beschlossen sie sogar ihre eigene Selbstauflösung,132 die aber von Mao abge- lehnt wurde. Die DP blieben zwar, aber sie funktionierten faktisch nicht mehr wie früher. Die Kritik von 1957 setzte die traditionelle Kultur fort, in der Intellektuellen als Hüter der gesellschaftlichen Verantwortung und gegenüber den Kaisern wirkten.133 Die Anti-Rechts- Kampagne erschien als Maos erster Frontalangriff, so daß keine außerhalb der Partei stehen- den Kräfte zum Richter über die Partei eingesetzt werden durften.134 Schließlich veränderte die Anti-Rechts-Kampagne die Tradition der Intellektuellen. Seitdem übten sie kaum mehr öffentliche Kritik an den Machthabern aus.

129 Nach den folgenden sechs Kriterien sollten Worte und Taten gelten: (1) das aus verschiedenen Nationalitäten bestehende Volk einigen, und es nicht spalten; (2) die sozialistische Umgestaltung und den Aufbau des Sozia- lismus fördern und nicht schädigen; (3) die demokratische Diktatur des Volkes festigen, und sie nicht unter- minieren oder schwächen; (4) den demokratischen Zentralismus stärken, und ihn nicht unterminieren oder schwächen; (5) die Führung der KPCh stärken, und nicht schwächen; (6) die internationale sozialistische Ein- heit und die internationale Solidarität aller friedliebenden Völker fördern und nicht schädigen. Siehe Mao: Über die richtige Behandlung, S.446. 130 Vgl. Chen: ZGGCGM, S.662f. 131 Vgl. „Ba xin jiaogei gongchandang he renmin“ („Das Herz der DP der KPCh und den Völkern offenbaren“), in: Renmin Ribao, 17. März 1958, S.1. 132 Vgl. Li: FYPDZ, S.30. 133 Vgl. Lieberthal: Governing China, S.71. 134 Vgl. Weggel: Geschichte Chinas, S.198. 98 3 Suche nach Stabilität nach 1989

Als Reaktion auf die Krise von 1989 kam es Anfang der 1990er Jahre sowohl bei den chi- nesischen Kommunisten als auch bei den Intellektuellen zu Diskussionen bezüglich der zu- künftigen Programme und deren Ausgangspunkte. Dabei wurde vor allem erörtert, wie die politische und gesellschaftliche Ordnung im gesamten Modernisierungsprozeß gefestigt wer- den könnte, um die Reformprioritäten weiter durchzusetzen.

3.1 „Politische Stabilität“ in Debatten um die Reformprioritäten

Die Aufhebung des am 20. Mai 1989 über Teile Pekings verhängten Kriegsrechts am 11. Januar 1990 bezeichnete die Parteizeitung Renmin Ribao als Zeichen von Stabilität und Rück- kehr zur Normalität.1 Nach Auffassung der Renmin Ribao war die Stabilität das Wichtigste, was China zu diesem Zeitpunkt brauchte. Die Einheit des Staates und die Stabilität der gesell- schaftlichen Ordnung sollten unbedingt gewahrt werden, andernfalls konnte sich China nicht auf seine Modernisierung konzentrieren. „Stabilität“ war also höher als alles andere zu bewer- ten.2 Diese Haltung bestimmte die Zielsetzung der KPCh in den 1990er Jahren. Einige Phänomene zeigten, daß die KPCh sich noch keineswegs von der Krise von 1989 erholt hatte. Die Sowjetunion wurde vorher lange Zeit als die einzige Nation angesehen, die Chinas nationale Sicherheit auf Dauer bedrohen konnte.3 Aber seit Mitte der 1980er Jahre verringerten sich die Verteidigungsausgaben in China aufgrund der Entspannung des Verhält- nisses.4 1989 jedoch stiegen die Verteidigungsausgaben im gesamten Staatshaushalt im Ver- gleich zu denen vom Vorjahr.5 Zudem sank angesichts der internationalen wirtschaftlichen Blockade wegen der gewaltsamen Niederschlagung der Studentenbewegung 1989 die Anzahl der Kreditverträge im Vergleich zum Jahr 1988.6 Dies zeigte das Dilemma der KPCh, die einerseits Angst vor „Unordnung“ und Machtverlust durch den Einfluß „friedlicher Umwand-

1 Vgl. „Zhongguo wending de zhongya biaozhi“ („Das wichtige Zeichen der Stabilität Chinas“), in: Renmin Ri- bao, 11. Jan. 1990, Leitartikel, S.1. 2 Vgl. ebd., S.1. 3 Vgl. Gaston J. Sigur: „Revolutionary Changes in the Soviet Union and Eastern Europe and the Implications for Asia: An Overview“, in: Kim / Sigur: ADC, S.9. 4 Die tatsächlichen Verteidigungsausgaben in China sind schwierig abzuschätzen. Zahlreiche wichtige Rüstungs- industriezweige stellen sowohl zivile als auch militärische Güter für den Verkauf her. 5 1989 stiegen die Verteidigungsausgaben am gesamten Staatshaushalt von insgesamt 21,79 Mrd. Yuan im Jahre 1988 auf 24,55 Mrd. Yuan. Siehe „Wie Beijing mit dem Osteuropa-Schock fertig zu werden versucht“, in: China aktuell, Jan. 1990, Ü1, S.7. 6 Nach Angaben des Ministeriums für Außenwirtschaftsbeziehungen unterschrieb China 1989 Kreditverträge mit dem Ausland in Höhe von US$ 4,8 Mrd., das waren also etwa 51% weniger als im Vorjahr 1988. Vgl. „Auch 1989 Handelsbilanzdefizit“, in: China aktuell, Jan. 1990, Ü31, S.23. 99 lungen“ („peaceful Evolution“)7 von Protestbewegungen hatte und andererseits ausländische Hilfe und Investitionen für die Modernisierung erwartete. Die politischen Führer Chinas hatten im Juli 1989 gehofft, daß die internationalen Proteste nach der Studentenbewegung von 1989 in kurzer Zeit nachlassen würden.8 Außerdem kon- nten sie bis zu einem gewissen Grade durchaus optimistisch sein: „They remained confident that Japan, the United States, the other Western aligned countries and the international finan- cial institutions associated with them would soon restore ties with China because of China’s strategic and economic importance.“9 Die politischen Führer in Peking befanden sich jedoch in einem weiteren Dilemma: „[They found] it difficult to ease up on internal repression and renew reform until they achieved stability in China, but they probably would not achieve real stability until they started to ease up on repression and renew reform.“10 Anfang der 1990er Jahre fanden verschiedene Fraktionen innerhalb der KPCh einen Kon- sens, der aber lediglich darin bestand, daß sowohl politische als auch gesellschaftliche Stabili- tät erreicht werden mußte. Darüber, wie sie wiederhergestellt werden könnte, hatte die gesam- te KPCh-Führung keinen konkreten Plan. In der Tat waren die Machtkämpfe zwischen ver- schiedenen politischen Gruppen, hauptsächlich zwischen den orthodoxen Kräften und den gemäßigten Reformern, noch lange nicht beendet. Ihre Streitthemen waren unter anderem, wie die Rolle Zhao Ziyangs im Jahr 1989 zu beurteilen sei und wie weit die Reformen über- haupt gehen sollten. Deng Xiaoping hatte bei der Niederschlagung der Studentenbewegung von 1989 und dem Sturz Zhao Ziyangs auf der Seite der alten Revolutionäre und orthodoxen Kräfte gestanden. Seine wirtschaftliche Reform- und Öffnungspolitik wollte er von ihnen nicht zerstören lassen. Die Reformgegner wollten die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Probleme der Reform- und Öffnungspolitik lenken, um dann Deng Xiaoping die Macht zu entziehen, da die Reformen nicht zuletzt mit der Zustimmung Dengs eingefordert worden waren. Von Juli bis September

7 Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich bekanntlich zwei große gegeneinander arbeitende Machtblö- cke, nämlich die Sowjetunion und die USA. Während seiner Amtszeit (1953-1959) forderte der damalige US- amerikanische Außenminister John Foster Dulles (1888-1959) die Strategie der „friedlichen Umwandlungen“. Er betrachtete die westliche Welt unter den USA als „freie Welt“, während die Bevölkerung in den sozialisti- schen Ländern als „unterjocht“ bezeichnet wurde. Bei der Strategie von Dulles ging es nicht um einen direkten Kampf gegen die sozialistischen Länder, sondern um eine friedliche Vorgehensweise, die jedoch eine allmäh- liche Umwandlung von innen heraus auszulösen hoffte. Nach Ansicht der KPCh ist die „Liberalisierung“ ein Synonym zu „friedlichen Umwandlungen“. Siehe Guo Dasong / Chen Haihong (Hrsg.): Wushi nian liuxing ci- yu 1949-1999 (50 Jahre populäre Wörter und Wendungen (1949-1999)), Jinan 1999, S.097f. Vgl. auch An Zhiguo: „Weishenme zhongguo fandui zichanjieji ziyouhua“ („Warum bekämpft China die bürgerliche Libe- ralisierung?“), in: Renmin Ribao, 12. Feb. 1990, S.1. 8 Vgl. Robert G. Sutter: „Changes in Eastern Europe and the Soviet Union and the Effects on China: A U.S. Per- spective“, in: Kim / Sigur: ADC, S.253. 9 Ebd. 10 Ebd., S.255. 100 1989 stieg das Interesse weiter an, die Behandlung des Falls Zhao Ziyangs in einem größeren Rahmen voranzutreiben. Deng seinerseits versuchte dagegen, eine öffentliche Gerichtsver- handlung im Falle Zhaos zu verhindern.11 Bis zum Tode Dengs im Jahre 1997 – und auch danach – kam es nicht zu einer öffentlichen Gerichtsverhandlung gegen Zhao Ziyang. Die politische und die wirtschaftliche Situation blieb in den drei Jahren von 1989 bis 1991 diffus: Ende 1989 trat Deng Xiaoping von seinem letzten Regierungsposten des Vorsitzenden der Militärkommission zurück. Die von orthodoxen Kräften kontrollierten Medien propa- gierten immer wieder Defizite und negative Seiten der Reformen von Deng. Sie erreichten zumindest, daß es einen Lähmungszustand gab, in dem neue Initiativen zur Reformpolitik nicht möglich waren. Der im November 1989 von der KPCh angeordnete Beschluß für die „Verbesserung“ des wirtschaftlichen Umfeldes und die Korrektur der Wirtschaftsordnung12 wurden vom Westen als „Rückschritt“ oder als ein „Ende der Reformen“ empfunden.13

Das Schicksal der sozialistischen Systeme in Osteuropa bot der Pekinger politischen Füh- rung Gelegenheit, über den Fortgang ihres Herrschaftssystems nachzudenken. Es gab vier Alternativen für die künftige Entwicklung Chinas: (1) Status quo bzw. keine Reaktion auf die veränderte Situation; (2) Rückkehr zu Maos radikalem Entwicklungskonzept; (3) Fortsetzung von Deng Xiaopings Entwicklungskonzept oder (4) Reformen in Wirtschaft und in Politik. Die hierzu getroffene Entscheidung der KPCh wurde maßgeblich von den Erfahrungen der Sowjetunion beeinflußt. Während die Sowjetunion von 1989 bis 1991 noch verzweifelt um das Überleben ihres eigenen Systems kämpfte, versuchte die KPCh ähnliche negative Auswirkungen in China zu vermeiden. Die politische Führung der KPCh stellte gegenüber der Presse die Gründe des Umbruchs der sozialistischen Systeme in Osteuropa dar.14 Dadurch wollte die Parteiführung

11 Vgl. Liang Yide: „Deng xiaoping de quanwei shoudao tiaozhan“ („Deng Xiaopings Autorität konfrontiert mit der Herausforderung“), in: Cheng Ming, Jan. 1990, S.15-17. 12 Im „Beschluß des ZK der KPCh über die weitere Verbesserung des wirtschaftlichen Umfeldes, die Korrektur der Wirtschaftsordnung und die Vertiefung der Reform“ bekräftigte die KPCh die Aufrechterhaltung der staat- lichen Stabilität als grundsätzliches Interesse: Politische Stabilität sei dabei die Voraussetzung und wirtschaft- liche Stabilität die Grundlage. Siehe: „Zhonggong zhongyang guanyu jinyibu zhili zhengdun he shenhua gaige de jueding“ („Beschluß des ZK der KPCh zur weiteren Verbesserung des wirtschaftlichen Umfeldes, zur Kor- rektur der Wirtschaftsordnung und zur Vertiefung der Reform“) (Auszüge), angenommen auf dem 5. Plenum des XIII. ZK der KPCh am 9. Nov. 1989, in: Renmin Ribao, 17. Jan. 1990, S.3. 13 Vgl. Erhard Louven: „Chinas Dreijahresprogramm zur ‚Konsolidierung‘ der Wirtschaft“, in: China aktuell, Jan. 1990, S.34. 14 Am. 21. Dezember 1989 gaben der Parteichef Jiang Zemin und das Politbüromitglied Li Ruihuan Journalisten der Hongkonger Wen Wei Po ein Interview, worin sie sich über die Unterschiede zwischen China und Osteu- ropa äußerten. Die Unterschiede seien wie folgt: (1) Die KPCh sei nicht von der „Sozialdemokratie der Zwei- ten Internationale“ beeinflußt worden, sondern habe ihre jetzige Identität während der kämpferischen Ausein- andersetzungen mit einer heimischen Umwelt angenommen. (2) Die Rote Armee in China folge einer strikten Disziplin und unterstehe der absoluten Führung der Partei. (3) Die Volksrepublik sei mit der Hilfe der chinesi- 101 die Unabhängigkeit Chinas im Verhältnis zur Sowjetunion und die Besonderheit des chine- sischen sozialistischen Systems begründen. Zudem zeigte die KPCh ihre ideologische, politi- sche und militärische Stärke im eigenen Land, um ihre „Feinde“ im In- und Ausland zu war- nen bzw. die Transformation ihres Systems nach osteuropäischem Muster zu verhindern. Aber in dieser Zeit hatte die KPCh noch keinen konkreten Plan für die künftige Entwicklung. Die Auflösung der Sowjetunion von 1991/92 bedrohte die Aufrechterhaltung des chine- sischen sozialistischen Systems. Für die chinesische politische Führung versagte in Moskau nicht der Sozialismus als System, sondern sie sah Gorbatschow als „Verräter“ und „Revisio- nist“ an. Sie lehnte kategorisch das Konzept Gorbatschows ab, verzichtete also auch auf einen ähnlichen Wandlungsprozeß. Deng Xiaoping stellte einmal bei einer Gelegenheit fest: „Ost- europa fällt zusammen! Die Sowjetunion verändert sich ebenfalls. Wohin China in Zukunft geht, ist eine sehr streng realistische Frage. [...] Wir sollten unsere eigenen Angelegenheiten ehrlich, ordentlich und standfest angehen. Wenn China nicht zusammenbricht, dann eröffnet sich dem Sozialismus auch ein Ausweg [aus der Krise].“15 In diesem Zusammenhang drückte Deng Xiaoping die Wichtigkeit der Aufrechterhaltung der Stabilität aus: „Wir müssen zu- allererst die Stabilisierung [der Lage im Land] in Angriff nehmen, an zweiter Stelle müssen wir uns ebenfalls der Stabilisierung widmen, und auch unser drittes Hauptaugenmerk muß der Stabilisierung gelten. Wenn wir unsere eigenen Angelegenheiten gut geregelt haben und Stabilität eingekehrt ist, dann ist das unser Gegenschlag gegen jenes Konzept von Gorbat- schow.“16 Die Sowjetunion war lange Zeit das Vorbild für Modernisierung in den Augen der chine- sischen Kommunisten.17 Der Zusammenbruch des sowjetischen sozialistischen Systems von 1991/92 bedeutete daher, daß die Sowjetunion kein brauchbares Modell mehr für die Moder- nisierung Chinas darstellte. Der Sozialismus bleibt aber weiterhin in der VR China die Grund- lage der Entwicklung, was bedeutet, daß der Kapitalismus nicht als Alternative akzeptiert wird.18 Deng Xiaoping begründete dieses wie folgt: „Wir machen unseren Sozialismus, und die anderen machen ihren Kapitalismus. Flußwasser vermischt sich nicht mit Brunnen-

schen Roten Armee gegründet worden und nicht, wie die osteuropäischen Länder, mit der Hilfe der Roten Armee der Sowjetunion. (4) Die kulturellen und historischen Traditionen in China seien völlig verschieden von denen in Osteuropa. (5) Die Ideologie stehe in China auf einer wesentlich solideren Grundlage als in Ost- europa. Siehe WB, S.6. 15 Luo Bing: „Zhongnanhai da zhenhan“ („Zhongnanhai schockiert“), in: Cheng Ming, Jan. 1990, S.7. 16 „‚Extrem wichtige Rede‘ Deng Xiaopings soll die politische Führung auf einheitlichen Kurs bringen“, in: China aktuell, April 1990, Ü6, S.259. 17 Kein Land wurde von der Russischen Oktoberrevolution so stark beeinflußt wie China, wobei nicht nur die chinesischen Kommunisten der ersten Stunde sich darunter befanden, sondern auch Sun Yat-Sen oder Chiang Kai-Shek. Daher gab es einen deutlichen Prozeßwandel auf dem Weg zur Modernisierung Chinas, nämlich von der anfänglichen „Verwestlichung“ schließlich zur „Russifizierung“. 18 Vgl. Menzel: Das Dilemma, S.64. 102 wasser.“19 China wollte weiterhin den eigenen Weg des Sozialismus fortsetzen, unabhängig von dem, was in der Sowjetunion und in Osteuropa passiert war und welche Veränderungen auf der internationalen politischen Bühne eingetreten waren. Sowohl die chinesische als auch die sowjetische politische Führung hatten in den 1980er Jahren ähnliche Überlegungen zu Reformen im allgemeinen angestellt. Genauso wie die So- wjetkommunisten begriffen die chinesischen Parteigenossen, daß man für effektiv funktionie- rende Märkte eine freie Lebensmittelverteilung, eine größere Mobilität für die Bevölkerung und einen ständigen Informationsfluß benötigte. Die Mehrheit innerhalb der politischen Füh- rung bzw. der Kader Chinas sah – ähnlich wie zahlreiche Kader in der Sowjetunion – daß der- artige Reformen im politischen Bereich – besonders in Gestalt der Forderung nach politischer Partizipation – überhandnehmen könnten, die dann sowohl als Bedrohung für den Markt als auch für die Existenz des Staates betrachtet werden würden.20 Der große Unterschied zwi- schen der sowjetischen und der chinesischen politischen Reform lag vor allem in der unter- schiedlichen Kalkulation der jeweiligen politischen Führung bzw. darin, in welchem Ausmaß politische Neuerungen tatsächlich umgesetzt wurden, um die Wirtschaftsreform für das eigene Land voranzutreiben. Die Motive für die Reformen sowohl bei Gorbatschow als auch bei Deng Xiaoping hatten in erster Linie einen wirtschaftlichen Hintergrund.21 Gorbatschows Konzept orientierte sich jedoch entlang der radikalen Veränderung der sowjetischen Institutionen, die eine wirksame Wirtschaftsfähigkeit bringen könnten und sollten. Die „Schocktherapie“ führte weder zum wirtschaftlichen noch zum politischen Erfolg, sondern Schritt für Schritt zur Auflösung der Sowjetunion (siehe II 2.2). Den sowjetischen Erfahrungen zufolge wollte China radikale Re- formen vermeiden, um ähnlich katastrophalen Entwicklungen vorzubeugen.

Auch die Reformgegner waren sich im klaren, daß die politische und gesellschaftliche Ordnung in der VR China ohne Reformen nicht auskommen würde. Das radikale Entwick- lungskonzept Maos aus der Zeit vom „Großen Sprung“ und der Kulturrevolution war für die meisten Kommunisten keine Alternative. Während die Gruppen innerhalb der Partei noch über eine mehr oder weniger dynamische Wirtschaftsankurbelung stritten, schien vor allem Deng Xiaopings „Reise in den Süden“ (zwischen dem 19. und dem 29. Januar 1992) der ge- samten wirtschaftspolitischen Entscheidungsfindung zugute gekommen zu sein. Deng bemüh- te sich um die weitere Wirtschaftsentwicklung. Bereits im Frühjahr 1978 hatte Deng zum

19 EWR, S.259. 20 Vgl. Janos: Social Science, S.103. 21 Vgl. Nathan: China’s Crisis, S.200. 103 ersten Mal eine „Befreiung des Denkens“ gefordert (siehe II 1.1). Deng verlangte eine weitere „Befreiung des Denkens“, um „neue Reformideen“ entwickeln zu können.22 Er kritisierte und mahnte, daß die Denkweise der orthodoxen Kräfte, welche schon eine beschränkte Reformpo- litik als Bedrohung durch die „friedlichen Umwandlungen“ ansahen, sogar gefährlichere Kon- sequenzen hätte als die Sichtweise der Reformer, welche eine politische Liberalisierung for- derten.23 Nach Dengs Vollstellung konnte die wirtschaftliche Reformpolitik durchgesetzt wer- den, ohne die Herrschaft der KPCh durch den sich ausbreitenden liberalen Einfluß zu unter- graben.24 Die Kräfte, die Deng unterstützten, nahmen nach Deng Xiaopings „Reise in den Sü- den“ deutlich zu, sogar altgediente Revolutionäre und Angehörige des Militärs schlossen sich an. Auf diesem Wege wurde eine Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Gruppen in- nerhalb der Partei über die zukünftige Entwicklung erreicht. Auf dem XIV. Parteitag im Oktober 1992 wurde der von Deng Xiaoping forcierte erneute Reformkurs bestätigt. Dabei erklärte die KPCh den Aufbau einer „sozialistischen Marktwirt- schaft“ zum Ziel der chinesischen Wirtschaftspolitik. Die „sozialistische Marktwirtschaft“ wurde 1993 in der Verfassung verankert. Der neue Kurs der Wirtschaftspolitik vertrat die Idee einer autoritären Transformation, nämlich eine neuartige Verbindung zwischen Marktwirt-schaft und Einparteiendiktatur. 25 Deng wollte wie die orthodoxen Kräfte das Land mit diktato-rischer Kontrolle führen. Doch anders als sie wollte er der Wirtschaft Freiräume zugestehen und ein rasches Wachstum begünstigen. Es zeigte sich, daß eine der Hauptursachen für Krise und Umbruch in der Sowjetunion am hoffnungslosen Zustand der Wirtschaft gelegen hatte, so daß die KPCh – gewissermaßen als Lektion aus diesen Erfahrungen – ihre Alleinherrschaft über wirtschaftliche Erfolge legitimieren wollte.26

Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten bei der schrittweisen Umwandlung des ganzen Systems, also beim Wechsel von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft sowie von der Alleinherrschaft zum pluralistischen demokratischen System, konnte sich die jeweilige

22 Vgl. „Deng Xiaoping nach einem Jahr wieder in der Öffentlichkeit aufgetreten“, in: China aktuell, Jan. 1992, Ü3, S.5 und „Deng Xiaoping fordert erneut eine ‚Befreiung des Denkens‘“, in: China aktuell, Jan. 1992, Ü4, S.6. Vgl. auch Peter Schier: „Markwirtschaft und Ein-Partei-Herrschaft. XIV. Parteitag bestätigt Deng Xiao- pings konservatives Reformkonzept“, in: China aktuell, Okt. 1992, S.708-713. 23 Vgl. Michael Yahuda: „Deng Xiaoping: The Statesman“, in: The China Quarterly, No. 135, Sept. 1993, S.558. 24 Vgl. ebd., S.551. 25 Vgl. Carsten Herrmann-Pillath: „Wolskij, der russische Sonderweg und das chinesische Vorbild“, in: Das Bun- desinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (Hrsg.): Aufbruch im Osten Europas. Chancen für Demokratie und Marktwirtschaft nach dem Zerfall des Kommunismus, München 1993, S.209. 26 Vgl. Gudrun Wacker: „Das letzte Einhorn? Die chinesische Rezeption des Wandels in Osteuropa und der So- wjetunion“, in: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien: Aufbruch im Osten Euro- pas, S.312. Vgl. auch Yahuda: The Statesman, S.558. 104 Bevölkerung in den ehemaligen osteuropäischen sozialistischen Ländern nicht auf Transfor- mationsprogramme einigen. Je größer die Verdrossenheit in den ehemaligen osteuropäischen sozialistischen Ländern ausfiel, desto mehr Unterstützung konnte das Konzept der KPCh in der eigenen Bevölkerung erwarten und erlangen.27 Für die KPCh war die Transformation zur pluralistischen Gesellschaft auf keinen Fall für die Bewältigung einer Krise geeignet, sondern stellte eher eine potentielle Gefahr für weitere Probleme dar.28 Gegen diesen abschreckenden Hintergrund zeichnete sich China dann als „ein Hort innerer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität“ um so positiver ab.29 Mit Hilfe einer massiven Wiederbelebung und Vorantrei- bung der Wirtschafsreformen wollte die KPCh zugleich jede Erinnerung an die Ereignisse auf dem Tiananman-Platz verblassen lassen und vergessen machen.

3.2 „Politische Stabilität“ im Neoautoritarismus und Neokonservatismus

Der Neoautoritarismus ging Ende der 1980er Jahre im wesentlichen aus der Fortsetzung von Diskussionen über die Koordination politischer und wirtschaftlicher Reformen des Jahres 1986 hervor. Der Neokonservatismus folgte in den 1990er Jahren unter ähnlichen Voraus- setzungen. Sowohl der Neoautoritarismus als auch der Neokonservatismus bezogen ihre Ausgangspunkte aus der Fragestellung, wie die politische und gesellschaftliche Ordnung im gesamten Transformationsprozeß auf dem Weg zur Modernisierung stabilisiert werden könnte.

Aufgrund der chaotischen Situation, die sowohl im wirtschaftlichen als auch im kulturellen Bereich vorherrschte, wuchs das Krisenbewußtsein des chinesischen Volkes (besonders der Stadtbevölkerung und der Intellektuellen) deutlich an, woraufhin der Neoautoritarismus zunehmend in den Vordergrund trat. Die ersten Debatten um den Neoautoritarismus30 setzten

27 Vgl. Herrmann-Pillath: Der russische Sonderweg, S.209. 28 Vgl. Wacker: Das letzte Einhorn, S.307. 29 Vgl. ebd. 30 Chinesische Intellektuelle übernahmen beispielsweise Max Webers Charismakonzept und die Thesen von Sa- muel P. Huntington („Political Order in Changing Societies“) oder Guillermo A. O’Donell („Modernization and Bureaucratic-Authoritarianism“) als Entwicklungsmodell. Der „Neoautoritarismus“ wird in der VR China mit „Xin quanweizhuyi“ übersetzt. Bei der deutschen Übersetzung desselben Begriffs gibt es allerdings zwei Varianten: „Neuer Autoritarismus“ und „Neoautoritarismus“. Nach der Definition von Juan Linz in seinem Artikel „Totalitarian and authoritarian Regimes“ weist der „Autoritarismus“ folgende drei Kriterien auf: (1) eingeschränkter Pluralismus, in dem nicht der „Wille des Volkes“ vertreten wird; (2) keine Führerideologie, aber auch keine politische Mobilisierung; (3) keine klare Abgrenzung der Machtausübung der Regierenden. Ding Xueliang sieht den „Autoritarismus“ als eine Variante der Diktatur an, wobei aber die Kontrolle der Macht bei weitem nicht so ausgeprägt sei wie beim „Totalitarismus“ und sich auf bestimmte Gebiete be- schränke. Nach Ding ist die chinesische Übersetzung des Begriffs zu „Autoritarismus“ sogar ganz falsch. Es gehe hier nämlich nicht um das Problem der Darstellung, sondern eher um die Natur der Autorität. Die chine- 105 Anfang 1989 ein, vor allem zwischen dessen Anhängern 31 und den Befürwortern einer umfassenden politischen Demokratisierung.32 Bei diesen Debatten handelte es sich in erster Linie nicht um wissenschaftliche oder kulturpolitische Diskussionen, sondern um politisch- strategische Diskussionen über die Fortsetzung der Reformpolitik. Die Vertreter des Neoautoritarismus übernahmen Max Webers Charismakonzept 33 als Grundlage ihrer Argumentation.34 Nicht das politische System, sondern der politische Führer stand im Vordergrund, wobei die mit ihm übereinstimmende Entscheidungsgruppe dadurch ebenfalls an Wichtigkeit zunahm.35 Der Grundgedanke, einen starken Mann als Hauptfigur an die politische Spitze zu setzen, welcher an das traditionelle politische Konzept vom „weisen Kaiser und guten Beamten“ anknüpfte, stellte allein aus diesem Grunde in China keine be- sondere Schwierigkeit bei der ideologischen Übernahme dar. In der Volksrepublik bestand gerade in den 1980er Jahren ein Interesse, die Moderni- sierung Chinas zunächst und auf schnellstem Wege auf wirtschaftlichem Gebiet voranzu- treiben. Mit der Theorie des Neoautoritarismus konnten die geplanten Wirtschaftsreformen

sische Übersetzung vermische oft „Diktatur“ mit „Autorität“ und „Macht“. Aber es sei bekanntlich nicht im- mer evident, daß Autorität identisch mit Diktatur sein soll, oder daß die Erlangung der Macht auch automa- tisch mit dem Erwerb der Autorität einhergehen wird. Bei den Debatten hat man aber in China keine einheitli- che Definition für den Begriff „Neoautoritarismus“ hervorgebracht. Siehe Ding Xueliang: „Dongya moshi yu xin quanweizhuyi“ („Das ostasiatische Modell und der Neoauthoritarismus“), in: Qi Mo (Hrsg.): Neoautorita- rismus (Xin quanweizhuyi), Taipei 1991, S.124f. Vgl. Rongfen Wang: Cäsarismus und Machtpolitik. Eine his- torisch-biobibliographische Analyse von Max Webers Charismakonzept, Berlin 1997, Kap. X. Vgl. auch Vol- ker Palm: Chinas Neoautoritarismus-Debatte (1986-1989), Bochum 1995, S.4ff u. Kap. 2. Ferner vgl. Juan Linz: „Totalitarian and authoritarian Regimes“, in: Fred I. Greenstein / Nelson W. Polsby (Hrsg.): Handbook Political Science, Bd. 3, Reading 1975, S.175-411. - Pei Minxin: „Hengtingdun tan quanweizhiyi“ („Hunting- ton spricht über Autoritarismus“), in: Qi: XQWZY, S.50f. 31 Unter den Anhängern des Neoautoritarismus zählten Personen wie Wu Jiaxiang, Zhang Bingjiu, Xiao Gongqin usw. 32 Zu den Befürwortern einer umfassenden Demokratisierung gehörten Su Shaozhi, Yan Jiaqi u.a. 33 Max Weber unterscheidet drei Typen legitimer Herrschaft: die charismatische, die traditionelle und die legale Herrschaft. Die Charisma-Thematik ist die Schlüsselkonzeption von Webers Herrschaftssoziologie. Er ver- wendet den Begriff „Führerdemokratie“ für seine herrschaftssoziologische Demokratie. Die Führerdemokra- tie ist eine der legitimen Herrschaftsformen, nämlich eine Variante charismatischer Herrschaft. Bei der Form und der Funktion der „Führerdemokratie“ ging es Weber vor allem um „plebiszitäre Führerdemokratie“ auf der Basis eines demokratisierten Wahlrechts und der Parlamentarisierung des Deutschen Reiches. Demokratie wird in der führerorientierten Demokratietheorie nicht als Regierung des Volkes betrachtet, sondern als Regie- rung des Volkes durch eine aus dem Volk hervorgegangene Elite. Für Weber hatte diese Herrschaftsform sta- bilisierungspolitische Eigenschaften: der plebiszitär gewählte Reichspräsident kann das Vakuum an Legitimi- tätsgeltung füllen helfen, das durch den Sturz der Monarchie und den Kontinuitätsbruch von 1918/19 entstan- den ist. Siehe Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung, Opladen 20003, S.178-197. Vgl. auch Wang: Cäsarismus und Machtpolitik, S.11ff u. Kap. I. 34 Von 1986 bis 1989 fand das „Weber-Fieber“ in China statt. Mehr als 20 Publikationen über Max Weber er- schienen in chinesischen Zeitschriften wie Shixue Lilun (History and Theory), Shijie Lishi (Die Weltgeschi- chte) und Zhengzhixue Yanjiu (Politikwissenschaftliche Forschungen). Die Befürworter des Neoautoritarismus versuchten, die Theorie Webers direkt in die chinesische politische Praxis zu übertragen. Nicht nur Webers „charismatische Herrschaft“, sondern auch viele seiner Begriffe wie Autorität, Autokratie, Bürokratie, Legiti- mität, Plebiszität, Rationalität, Säkularisierung, Staatssoziologie, Tradition wurden von den Befürwortern des Neoautoritarismus übernommen. Aber Webers Thesen und Begriffe wurden öfter für die Fortsetzung der Re- formen politisch angewendet. Siehe Wang: Cäsarismus und Machtpolitik, S.169ff. 35 Vgl. ebd., S.176. 106 unter den Bedingungen der politischen Beschränkung legitimiert werden,36 wobei die neuen Alleinherrschaftsansprüche ebenfalls zu rechtfertigen waren.37 Aus Sicht der Befürworter des Neoautoritarismus wirkte sich eine feste und stabile politi- sche Situation auf die Modernisierung nur günstig aus. Deswegen mußte die Regierung stark sein, und die individuellen Rechte sollten sogar weniger geschützt werden, da sie erfahrungs- gemäß oft als Störfaktoren auftreten. Die Befürworter des Neoautoritarismus sahen Stabilität als einen der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung des Landes an; so gab es z.B. in kei- nem der vier kleinen Tigerstaaten,38 in denen rapide Wirtschaftsentwicklungen jeweils unter einer autoritären Regierung stattfanden, Anzeichen von Instabilität. Das Modell von der „har- ten Regierung und weichen Wirtschaft“ wurde als realisierbare Form der Modernisierung vor- gestellt.39 Das bedeutet, daß in der Zukunft eine erneute Zentralisierung der politischen Macht gesichert sein und eine liberale Marktwirtschaft zur Koordination der Kontrolle individueller Freiheiten eingeführt werden müßte. Nach dem Konzept des Neoautoritarismus wird das politische System mit einem starken Mann an der Spitze lediglich als „Übergangsautorität“ auf dem Wege zur Demokratisierung verstanden.40 Aber eine Diskussion über die Gefahr der negativen Konsequenzen autoritärer Struktur wurde dabei in der VR China versäumt.41 Die Befürworter erwarteten von den sich an den Reformen orientierenden politischen Führern, daß diese den wirtschaftlichen Aufbau Chinas garantierten, während die Gegner vielfach darüber enttäuscht waren, daß das letzte Ziel einer „totalen Demokratie“ in China nicht durchgesetzt werden konnte. Daher konzen- trierte sich die Macht schließlich in den Händen nur weniger KPCh-Spitzenpolitiker.42 Der entscheidende Unterschied zwischen Gegnern und Befürwortern des Neoautoritarismus lag darin, daß erstere die „Demokratie“ als „Wert an sich“ verstanden, während letztere sie als bloßes Mittel zum Zweck betrachteten.43

36 Vgl. Lucian W. Pye: „Political Science and the Crisis of Authoritarianism“, in: American political Science Review, Vol. 84, No. 1, March 1990, S.17, Anm. 7. 37 Vgl. Wang: Cäsarismus und Machtpolitik, S.173. 38 Die vier Tigerstaaten sind namentlich Hongkong, Singapur, Südkorea und Taiwan. 39 Vgl. Chen Yizi u.a.: „Jianli yingzhengfu ruanjingji de fazhan moshi“ („Die Gründung des Entwicklungsmo- dells ‚harte Regierung, weiche Wirtschaft‘“), in: Qi: XQWZY, S.80-82. 40 Vgl. Xiao Gongqin / Zhu Wei: „Tongku de liang nan xuanze. Guayu xin quanweizhuyi lun de dawen lu“ („Die Qual der Wahl. Antworten zu Fragen über die Theorie des ‚Neoautoritarismus‘“), in: Qi: XQWZY, S.16. 41 Vgl. Heberer: Chinesischer Sozialismus, S.138. 42 Vgl. Tsai Wen-hui: „New Authoritarianism, Neo-Conservatism, and Anti-Peaceful Evolution: Mainland Chi- na’s Resistance to Political Modernization“, in: Lin Bih-Jaw (Hrsg.): Contemporary China and the Changing International Community, Taipei 1993, S.245f. 43 Vgl. Palm: Neoautoritarismus-Debatte, S.130f. 107 Die Befürworter des Neoautoritarismus scheinen die westlichen Theorien und die tat- sächliche Entwicklung vieler anderer Länder mißverstanden bzw. fehlinterpretiert zu haben. Wie oben genannt, war das Buch von Samuel P. Huntington „Political Order in Changing Societies“ eine der theoretischen Grundlagen für den Neoautoritarismus in der VR China. Huntington betont nur die Wichtigkeit von Institutionalisierung und des „rule by law“ in jeder politischen Entwicklung, während chinesische Vertreter des Neoautoritarismus jedoch den Grundsatz von „rule by men“ bekräftigen wollen.44 Nach dem Verständnis des Neoautoritaris- mus ist die Periode der neuen Autorität eine notwendige Übergangsphase, die aber bei Hun- tington in seiner Darstellung der politischen Entwicklung völlig fehlt. Nach Huntington ist es entscheidend, daß es für sozialistische Systeme, in denen der Marxismus-Leninismus seine Glaubwürdigkeit verloren hat, als einzige Alternative nur die Form einer demokratisch legiti- mierten Herrschaft geben kann. Ein autoritäres politisches System soll nur dann die letzte Alternative sein, wenn es als einzige vertretbare Möglichkeit in Betracht kommt, um ein tota- litäres System zu verhindern, oder wenn das autoritäre System nur als Übergang zur Überwin- dung spezieller Probleme eingesetzt werden soll.45 Es ist zweifelhaft, ob das Konzept des Neoautoritarismus überhaupt eine hohe Wirtschafts- leistung garantieren kann. So wurde beispielsweise das Wirtschaftswachstum in den süd- amerikanischen Ländern nicht deutlich erhöht. Dies war auch nicht der einzige Grund, warum die Wirtschaftsentwicklung beispielsweise in Südkorea und in Taiwan so erfolgreich verlau- fen war. Stattdessen sollte aber eine Reihe von Bedingungen für eine echte erfolgreiche Wirt- schaftsentwicklung notwendig sein.46 Das alternative Modell, wie es z.B. in Japan oder in In- dien unter einer demokratischen Regierung praktisch umgesetzt worden ist, kann ebenfalls als Beweis für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung herangezogen werden.47

Das Konzept des Neoautoritarismus verlor nach 1989 seine Bedeutung in der VR China. Viele Vertreter der sogenannten „Nord-Gruppe“ des Neoautoritarismus wurden aufgrund ihrer engen Beziehungen zu Zhao Ziyang verfolgt und mußten daher ins Ausland fliehen. Die kurz- fristig aufleuchtenden liberalen Phänomene am Ende der 1980er Jahre sind seitdem nahezu

44 Vgl. Pye: Political Science, S.17, Anm. 7. 45 Vgl. Pei: HTD, S.56. 46 Ding Xueliang teilt das ostasiatische Modell in den vier Tigerländern in drei wesentliche Voraussetzungen für die wirtschaftliche Modernisierung ein: (1) die Trennung von Politik und Wirtschaft sowie eine Entideologi- sierung; (2) die Entpolitisierung und Spezialisierung der Bürokratie und (3) die Unabhängigkeit der professio- nellen Aktivitäten der Intellektuellen. In der VR China werden alle diese drei Bedingungen nicht erfüllt. Vgl. Ding: DYMS, S.129ff. 47 Vgl. Pei: HTD, S.51. 108 restlos verschwunden. Nach 1992 ließ die Debatte um den Neoautoritarismus schließlich auch im Ausland nach. Die Vertreter der sogenannten „Süd-Gruppe“ des Neoautoritarismus48 traten in Gestalt des Neokonservatismus49 noch über die 1990er Jahre hinaus auf. Xiao Gongqin war einer der wichtigsten Hauptvertreter. Öffentliche Diskussionen über die Zukunft Chinas waren aber nach 1989 unmöglich. Unter Berücksichtigung dieses Hintergrundes war die Entstehung des Neokonservatismus wegen der fehlenden Unterdrückung geradezu unnormal. Denn nur eine offiziell anerkannte Strömung durfte in der Öffentlichkeit diskutiert werden, jede andere Be- strebung wurde schon im Vorfeld unterdrückt und im Keime erstickt. Von vielen Richtungen her wurde die Auffassung vertreten, daß der Neokonservatismus erstens zu der Ideologie, der Strategie und dem System der vorhandenen Regierung, zweitens zu den psychischen Er- müdungserscheinungen innerhalb der Bevölkerung nach Jahrzehnten der Reformen sowie drittens zu den Bestrebungen der jungen Studenten nach westlichen wissenschaftlichen Strömungen paßte.50 Die Erlebnisse von 1989 hatten die Wirtschaftseliten nur zu deutlich spüren lassen, wie wichtig gerade eine stabile politische Ordnung für die Wirtschaftsentwicklung überhaupt war. Die latente Gefahr einer Wiederholung jener Ereignisse führte dann zu einem Konsens bei der Aufrechterhaltung der Stabilität zwischen den wirtschaftlichen und den politischen Eliten. Die Entstehung des Neokonservatismus Anfang der 1990er Jahre bedeutete, daß Intellektuelle die-

48 Die „Süd-Gruppe“ befürwortete langsame Reformen und bekämpfte den Radikalismus, während die „Nord- Gruppe“ schnellere Reformen forderte und mit administrativen Mitteln eine westlich orientierte Marktwirt- schaft erreichen wollte. Wu Jiaxiang war der Hauptvertreter der „Nord-Gruppe“ des Neoautoritarismus. Siehe Xiao Gongqin: „Dalu xin baoshouzhuyi de jueqi“ („Der Aufstieg des Neokonservatismus auf dem Festland“), in: Ders.: Lishi jujue langman. Xin baoshouzhuyi yu zhongguo xiandaihua (Geschichte verweigert Romantik. Neokonservatismus und Modernisierung in China), Taipei 1998, S.34. 49 Der „Neokonservatismus“ liest sich in der amerikanischen Definition wie folgt: „[…] a precise term used in the United States for a political position that combines a definite dedication to personal freedom, civil rights and a free market economy, with a stress on limited social welfare policies. Neoconservatism shares with the older variety of conservatism a high respect for tradition and a view of human nature that some would call pessimistic.“ Siehe Feng Chen: „Order and Stability in Social Transition: Neoconservative Political Thought in Post-1989 China“, in: The China Quarterly, No. 151, Sept. 1997, S.593, Anm.1. Die Begriffe „Konservatismus“ und „Neokonservatismus“ unterscheiden sich nach der chinesischen Definition ganz erheblich von der westlichen Verwendung der Begriffe. Der Neokonservatismus in China bedeutet nicht, daß er etwas bewahren möchte, was er - allein schon wegen seines Namens - suggeriert und behauptet, sondern legt eher die Betonung auf das, was er bekämpft: In der Theorie bilden Radikalismus und Liberalismus einen starken Gegensatz zum Konservatismus. In den 1980er Jahren bekämpfte der Konservatismus den Radikalismus, während der Neokonservatismus in den 1990er Jahren den Liberalismus bekämpfte. In China sind die verwendeten Begriffe und Theorien zu Konservatismus und Neokonservatismus auch untereinander nicht immer identisch, weil noch immer eine ordentliche Systematik fehlt. Im Grunde genommen orientieren sich beide Strömungen an der Verteidigung des staatlich-sozialistischen, wirtschaftlichen und sozialen Sys- tems sowie seiner gesamten Ideologie. Siehe Zu Zhiguo: Jiushi niandai zhongguo dalu de xin baoshouzhuyi (Neokonservatismus des Festland Chinas in den 1990er Jahren), Taipei 1998, S.36f u. S.63f, Anm. 5 u. Anm. 14. 50 Vgl. ebd., S.59f. 109 sem Bündnis beitraten.51 Sie repräsentierten in ihrer Gesamtheit also das „realistische“ Den- ken als Reaktion auf die Umwandlung nach 1989.52

Wie die Verfechter des Neoautoritarismus streben die Befürworter des Neokonservatismus ebenso nach politischer Stabilität und zentraler Autorität.53 Der Hauptvertreter des Neokon- servatismus Xiao Gongqin vertritt die Meinung, daß Romantizismus und politischer Radika- lismus seit dem Ende des 19. Jahrhunderts angesichts der Unzufriedenheit mit der Tradition und des kulturellen Krisenbewußtseins, welche aus einem dauernden Vergleich mit dem Wes- ten resultierten, eine rapide Modernisierung fördern würden. Nach Xiao gibt es hierzu drei Kategorien: (1) einen „mental (Xintai) radicalism“ bei der „Hundert-Tage“-Reformbewegung, (2) einen „institutional determinism“ („Zhidu jueding lun“) bei Yan Jiaqi und (3) einen „ra- tionalist radicalism“ bei der Studentenbewegung von 1989.54 Xiao Gongqin betrachtet sie alle als romantisch und unpraktisch. Sie hätten die alte Ordnung zerbrochen, um eine neue Utopie aufzubauen, so daß die vom Westen umgesetzten Systeme in China nicht wirksam hätten funktionieren können und so die Modernisierung Chinas sich folglich verzögert hätte.55 Der bedeutsame Übersetzer vieler westlicher Werke Yan Fu ist aufgrund seiner konservativen Haltung in seiner späteren Zeit, in der er graduelle Reformen unter der Bedingung der Auf- rechterhaltung der bestehenden politischen Ordnung forderte, das Vorbild für die Vertreter des Neokonservatismus. 56 Als radikale Hauptkraft in der chinesischen Geschichte ist die KPCh jedoch nicht das Kritikobjekt des Neokonservatismus. Die Vertreter des Neokonserva-

51 Vgl. ebd., S.4. 52 Vgl. Chen: Order and Stability, S.594. 53 Die grundlegenden Forderungen des Neokonservatismus lauten wie folgt: (1) graduelle Modernisierung als Strategie für künftige Reformen; (2) Zentralismus: Bekämpfung der zunehmend lokalen Machtausweitung; (3) Wiedererrichtung der traditionellen Kultur; (4) Sozialismus chinesischer Prägung als dritter Weg zwischen traditionellem Sozialismus und traditionellem Kapitalismus; (5) Verstärkung des Nationalismus. Siehe Zu: XBSZY, S.37ff. 54 Nach Xiao Gongqin entstand der „mental (Xintai) radicalism“ aus der Unzufriedenheit mit der Tradition und dem kulturellen Krisenbewußtsein. Deswegen forderten Vertreter wie Kang Youwei (1858-1927) und Liang Qichao bei der „Hundert-Tage“-Reformbewegung (1898) eine große, schnellere und umfangreiche politische Umwandlung. Vertreter eines „institutional determinism“ (Zhidu jueding lun) - wie z.B. Yan Jiaqi - machten sich für einen politischen Radikalismus stark, weil die KPCh wegen der ungenügenden Funktionsfähigkeit des ganzen Systems die sozialen Unruhen nicht lösen konnte. Der sogenannte „rationalist radicalism“ stammte ideologisch aus der Französischen Revolution. Die abstrakten Moralideen aus dem westlichen Liberalismus wurden als rationale Prinzipien für den Aufbau einer neuen Gesellschaft gefordert. Weil seine Befürworter ein starkes moralisches Bewußtsein hatten, gingen sie keinen Kompromiß ein und kämpften beharrlich für ihre ro- mantische Auffassung von Moral. Die radikalen Gedanken während der Studentenbewegung von 1989 waren beispielsweise Vertreter solchen Typs. Siehe Xiao: BSZYDJQ, S.39ff. Vgl. auch Chen: Order and Stability, S.598f. 55 Vgl. Xiao: BSZYDJQ, S.38ff. Vgl. auch Xiao Gongqin: „Zixu“ („Vorwort“), in: Ders.: LSJJLM, S.4f. 56 Vgl. Xiao Gongqin: „Yanfu beilun yu jindai xin baoshouzhuyi biange guan“ („Yan Fu und die Ansicht der Reformen im Neokonservatismus in der neuen Zeit“), in: Ders.: LSJJLM, S.85-109. Vgl. auch Xiao Gongqin: „Zhongguo xin baoshouzhuyi de sixiang yuanyuan“ („Der Gedankenursprung des Neokonservatismus Chi- nas“), in: Ders.: LSJJLM, S.110-128. 110 tismus unterstützen die Fortsetzung der Reformen, womit die KPCh, die seit den 1980er Jahren die Reformen initiiert hat, eben nicht mehr als radikale Kraft betrachtet wird. Xiao Gongqin betont, daß die Basis der bestehenden Ordnung respektiert werden sollte, um die Modernisierung mit Hilfe der Anwendung der bestehenden institutionellen und traditionell kulturellen Ressourcen graduell und schrittweise verwirklichen zu können.57 Es ist aber vor allem Xiao Gonqin, der die „Vier Grundprinzipien“ unterstützt und sich mit ihnen die Aufrechterhaltung der bestehenden politischen Ordnung zum Ziel gesetzt hat. Die Gründe hierfür sind folgende: (1) Die „Vier Grundprinzipien“ legitimieren als eine Reihe von Wertsymbolen die Autorität der Regierung der KPCh. (2) Die Symbole der politischen Ord- nung wie Sozialismus, Führungsanspruch der KPCh, Diktatur der Volksdemokratie, Marxis- mus-Leninismus bleiben mit den Symbolen aus der Zeit vor den Wirtschaftsreformen iden- tisch und garantieren Kontinuität, stellen jedoch gleichzeitig neue Inhalte und Bedeutung dar. (3) Angesichts der politischen Entwicklung im Prozeß der Reformen haben die „Vier Grund- prinzipien“ die Funktion, durch Unterstützung des staatlichen Monopols auf Sanktion die Ex- position der politischen Partizipation zu verhindern.58

Die chinesischen Intellektuellen tendieren dahin, die vorhandene politische Ordnung zu unterstützten. Um den Grund zu erfahren, warum sie sich so verhalten, muß man in die Ver- gangenheit blicken. Wissenschaftler wie z.B. Andrew J. Nathan, Kenneth Lieberthal, Robert Scalapino und Lucian W. Pye behaupten, daß Chinesen eine Urangst hätten, nämlich ihre Angst vor „Luan“ („Chaos“).59 Diese ist bereits in der chinesischen Denktradition angelegt, so sollte z.B. nach dem Konfuzianismus die Aufrechterhaltung der politischen und gesellschaft- lichen Ordnung immer höchstes Prinzip sein. Das alte China wollte dabei ein „ultra-stabiles System“ bleiben, ein Reich ohne Unruhen und soziale Mißstände.60 Die schlechten Erfahrun- gen während der Kulturrevolution verstärkten diese Angst. Die KPCh ist immer noch stark und dominant, so daß der Sturz der vorhandenen politi- schen Ordnung undenkbar ist. Politische Veränderungen sind nur in einem begrenzten Rah- men möglich, nämlich innerhalb des von der KPCh kontrollierten und akzeptierten politischen

57 Vgl. Xiao: ZX, S.4f. 58 Vgl. Xiao: BSZYDJQ, S.42ff. 59 Vgl. Andrew Nathan: Chinese Democracy, New York 1985, S.231. Vgl. auch Lieberthal: Governing China, S.295. - Steven I. Levine: „China’s Fuzzy Transition: Leninism to Post-Leninism“, in: The China Quarterly, No. 136, Dec. 1993, S.977. - Scalapino: Last Leninists, S. xvi. - Lucian W. Pye: „An Introductory Profile. Deng Xiaoping and China’s Political Culture“, in: The China Quarterly, No. 135, Sept. 1993, S.420. - Yang Zhong / Jie Chen / John Scheb: „Mass Political Culture in Beijing. Findings from Two Public Opinion Sur- veys“, in: Asian Survey, Vol. XXXVIII, No. 8, Aug. 1998, S.771f. 60 „Ultra-stabiles System“ bedeutet hier, daß die chinesische Kultur langfristig und ausschließlich in einem Zu- stand der Stagnation und der Weltabgeschlossenheit bestehen bleiben wollte. Siehe Jin Guantao / Liu Qing- feng: Xingsheng yu weiji (Das Gedeihen und die Krise), Taipei 1989, Kap. 6. 111 Systems. Reformen können demnach nur Schritt für Schritt mit Zustimmung der höchsten Autoritäten in der KPCh verwirklicht werden.61 Deswegen passen sich die Intellektuellen automatisch an die Denkweise und Geisteshaltung von Partei und Regierung an.

Die Befürworter des Neoautoritarismus stellen die Demokratie, die Menschenrechte und die Freiheit hinter die Belange der Wirtschaft und betrachten dabei Demokratie als Ursache für Chaos und Armut.62 Diese Forderung führt schließlich nur zur Bewahrung der diktatori- schen Ideologie der KPCh.63 Steven I. Levine sieht die Haltung der Anhänger des Neoautori- tarismus als eine Art von moralischer Verpflichtung der Intellektuellen an.64 Die Befürworter des Neokonservatismus verhalten sich dabei nicht anders als die Vertreter des Neoautoritaris- mus. Die künftige Politik der vierten Generation der KPCh-Führung wird ebenfalls dazu ten- dieren, autoritär zu regieren. Die Aufrechterhaltung der „politischen Stabilität“ und der „poli- tischen Ordnung“ scheint sich in der VR China zu einer kollektiven Vision zu entwickeln.

61 Vgl. Nathan: China’s Crisis, S.180. 62 Vgl. Chen Yungen: „Wei zhonggong xin quanweizhuyi guaiguan“ („Endgültige Beurteilung des Neoautorita- rismus der KPCh“), in: Qi: XQWZY, S.103. 63 Vgl. ebd., S.99. 64 Vgl. Levine: China’s Fuzzy Transition, S.976. 112 4 Entdeckung des Einflußpotentials der Intellektuellen

Nach der Krise von 1989 wurde deutlich, daß die KPCh dringend nach einem Stabilitäts- faktor suchte und zugleich die Rolle eines Vermittlers anstrebte, welcher in einer sich schnell zur Modernisierung wandelnden Gesellschaft innenpolitische Beständigkeit erwarten ließ.

Die langfristige stabile politische und gesellschaftliche Ordnung im alten China wurde durch die Vermittlung der konfuzianischen Ethik an die Bevölkerung mit Hilfe der konfuzia- nischen Gelehrten gesichert (siehe III 1.1 und III 2.1.1). In der Mao-Ära wurde dann alles, was mit der traditionellen konfuzianischen Gesellschaft in Verbindung stand, durch die KPCh unterdrückt, weil es als Bedrohung der Macht der KPCh angesehen wurde. Die Existenz so- zialer Kräfte außerhalb der Kontrolle durch die KPCh war nicht möglich. Im Vergleich zu der Mao-Ära hat sich die KPCh in den 1980er Jahren in einer relativ stabilen Situation befunden. Die Beziehungen zu den sozialen Eliten außerhalb der Partei wurden wieder aufgenommen. Die KPCh hatte so die Möglichkeit, ein eher pluralistisches, d.h. korporatives, KPCh-geführtes politisches System aufzubauen.1 Die Politik der KPCh in den 1990er Jahren basierte weiterhin auf diesem Konzept. Die alte Strategie der „Einheits- front“ wurde noch mehr betont, wobei die Intellektuellen als Hauptpartner zur Kooperation im geschlossenen System betrachtet wurden. Die DP repräsentierten die Intellektuellen, die in diese Einheitsfront eintraten (siehe III 1.3). Die Rolle und Bedeutung des Einheitsfrontorgans PKCV hat seit dem Ende der 1970er Jahre wieder stetig zugenommen – parallel zur wiedererwachten Aufmerksamkeit der KPCh gegenüber den Intellektuellen bzw. den DP. Der Grund hierfür ist, daß die alte PKCV als ein vorparlamentarisches Volksvertretungsorgan zur Gründung der VR China beigetragen hat (siehe III 2.2.2). Die neue PKCV erhielt nach 1989 die gleiche Funktion wie die alte PKCV. Die nichtkommunistischen Parteien und die Parteilosen als Mitglieder einer sogenannten „Großen Koalition“2 erkannten den Führungsanspruch der KPCh an. Die PKCV dient als

1 Vgl. David S. G. Goodman: „Introduction. The Authoritarian Outlook“, in: Goodman / Segal: China in the Nineties, S.1f. 2 Hier ist die sogenannte „Große Koalition“ (Da lianhe) gemeint, die von der Theorie Mao Zedongs einer „Koa- litionsregierung“ ausging. Durch die Bildung einer „Einheitsfront“ unter der Führung der Arbeiterklasse - wie- derum von der städtischen Kleinbourgeoisie, der nationalen Bourgeoisie und manchen aufgeklärten „Shishen“ oder Patrioten unterstützt - sollte eine Koalitionsregierung gegründet und das GMD-Monopol abgeschafft wer-den. Aber die Bildung einer „demokratischen“ Koalitionsregierung stellte sich als bloße Propaganda der KPCh heraus, in der Praxis wurde sie nie durchgeführt. Aber zu diesem Zeitpunkt wurde die „Mehrparteienkoopera-tion“ bereits als eine „Große Koalition“ angesehen. Die Idee wies dennoch Ähnlichkeit mit der Theorie einer „Koalitionsregierung“ auf. Die KPCh stimmte allerdings nicht zu, daß die „Mehrparteienkooperation“ iden-tisch mit einer „Koalitionsregierung“ war; d.h. die KPCh wollte mit den anderen Parteien lediglich zusammen-arbeiten, nicht aber mit ihnen die Macht teilen. Vgl. „Liruihuan zai 113 „Helfer“ der KPCh, um die sozialen Kräfte in das System zu integrieren und ihre Legitimation zu verstärken. Die neue Aufwertung der DP und der PKCV hat ihre innere Logik und zeigt somit eine gewisse Kontinuität. In diesem Kapitel wird erforscht, wie der Aufbau der Parteienverhältnisse im politischen System in den 1980er Jahren diskutiert wurde, auf welcher Grundlage die neue Politik in den 1990er Jahren basierte und schließlich, welche Bedeutung diese für die KPCh hatte.

4.1 Neubeginn für das Verhältnis zwischen der KPCh und den „Demokratischen Parteien“ in der VR China Anfang der 1990er Jahre

Nach Jürgen Domes basiert eine Machtübernahme durch Herrschaftseliten „totalitären“ Typs3 – ebenso wie die politische Stabilität ihrer Systeme – auf verschiedenen sozialen Schichten bzw. auf „gesellschaftlichen Koalitionen“. Sie seien aber lose Bündnisse, in denen sich die Forderungen und Erwartungen verschiedener sozialer Schichten in bezug auf die poli-tische Führung häuften und miteinander verbänden. Dabei seien die Herrschaftseliten auf keinen Fall als zuverlässige Vollstrecker des Willens solcher Koalitionen zu verstehen oder zumindest sähen diese sich selbst auch nicht in einer solchen Rolle. 4 Solche „gesellschaft-lichen Koalitionen“ verschwänden mit der Zeit, weil die Herrschaftseliten ihr Ansehen als „Hoffungsträger“ in der Wahrnehmung einzelner sozialer Schichten allmählich verlören. 5 Diese „gesellschaftlichen Koalitionen“ müßten sich von denen unterscheiden, welche von den Kommunisten als „Einheitsfronten“ mehr oder weniger willkürlich gegründet oder später wie-der aufgelöst würden.6 Im Fall der VR China war die Gestaltung einer „Einheitsfront“ jedoch eine erzwungene Koalition zwischen der KPCh und den verschiedenen sozialen Schichten. Die Herrschafts- eliten übernahmen die Macht in der VR China durch eine Einheitsfront im Namen des Volkes, da die sozialen Kräfte den Willen des Volkes vertraten. Die „Einheitsfront“, mit der die KPCh während des Bürgerkrieges ihren stärksten Gegner, nämlich die GMD, mit Erfolg besiegt hatte (siehe III 2.2.2), wurde immer noch als „Wunder-

zhengxie bimu huiyi jianghua“ („Die Rede von Li Ruihuan auf der Abschlußsitzung der PKCV“) v. 13. März 1996, in: Ta Kung Pao, 14. März 1996, S.A6. Vgl. auch Mao Zedong: „Über die Koalitionsregierung“ v. 24. April 1945, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Ausgewählte Werke, Bd. III, Peking 1969, S.239-319. 3 Die hier von Jürgen Domes zitierten „totalitären“ Herrschaften beziehen sich eigentlich auf „autoritäre“ Sys- teme, weil die sozialen Schichten in einer totalitären Herrschaft nur gleichgeschaltet werden müssen und sich unmöglich mit der regierenden Partei oder dem herrschenden Machtapparat zusammenschließen können. Vgl. Domes: Tradition und Traditionsbruch, S.80f. 4 Vgl. ebd. 5 Vgl. ebd., S.81. 6 Vgl. ebd. 114 waffe“ betrachtet.7 Diese alte Strategie, die von 1958 bis 1978 nicht mehr eingesetzt worden war, fand jedoch nach der Mao-Ära erneut Verwendung. In den 1980er Jahren diskutierten die KPCh und die DP, wie die Parteienverhältnisse im Parteiensystem sein sollten und wie die Er- neuerung der PKCV hinsichtlich ihrer Organisationsform, Befugnisse und politischen Stel- lung auf Basis der „Einheitsfront“ aussehen sollte. Von 1978 bis 1981 haben manche chinesische „liberale“ Intellektuelle sowohl innerhalb als auch außerhalb der Partei bereits über das Konzept eines Mehrparteiensystems gestritten. Ein Mehrparteiensystem nach westlichem Modell in der VR China stellt jedoch eine direkte Provokation für die KPCh dar. Nach ihrer Ansicht wollen chinesische Intellektuelle im Grun- de die „bürgerliche Republik“ wiederherstellen. Es ist nicht erlaubt, öffentlich ein Mehrpar- teiensystem im westlichen Sinne zu fordern. Unter solchen politischen Umständen dürfen die Intellektuellen ihr Demokratie-Konzept überhaupt nur indirekt darstellen oder andeuten. Das „System der Mehrparteienkooperation“ stellt keine neue Erfindung dar. Dieses wurde nämlich schon 1986 von Hu Yaobang gefordert. Nach dem auf dem XIII. Parteitag der KPCh veröffentlichten Programm zu politischen Reformen wurde die Stärkung des organisato- rischen Aufbaus der PKCV im Abschnitt zur „Vervollkommnung einiger Systeme der sozia- listischen demokratischen Politik“ beschlossen, wobei das „System der Mehrparteienkoope- ration“ zur Entfaltung gebracht werden sollte.8 Nach Zhao Ziyangs Absicht sollte das „System der Mehrparteienkooperation“ als eine ständige Einrichtung etabliert, institutionalisiert und schließlich legalisiert werden.9 Dies gehörte damals zu einem Teil der politischen Planung Zhao Ziyangs bzw. zur Institutionalisierung des politischen Systems. Zhao initiierte sehr be- hutsam die sogenannte „Reform der politischen Struktur“, um die orthodoxen Kräfte ihren faktischen Machtverlust nicht fühlen zu lassen, und weil es auch nicht sein Ziel war, das ganze sozialistische System abzuschaffen.10 Zwischen Ende 1988 und Anfang 1989 fanden die von der KPCh zugelassenen Diskussio- nen zwischen einem KPCh-Organ, nämlich der Abteilung der Zentralen Einheitsfront (AZE), und den nichtkommunistischen Parteien über die Reformen bezüglich des „Systems der Mehr- parteienkooperation“ statt. Nach dem damaligen Plan sollten die Aktivitäten der DP noch ver-

7 Die drei „Wunderwaffen“ (im chinesischen wörtl.: „Zauberwaffen“) der KPCh sind demnach „Einheitsfront“, „bewaffneter Kampf“ und „Parteiaufbau“. Nach Ansicht von Mao Zedong bildeten sie die wichtigsten Waffen der KPCh für die Niederschlagung der Feinde während der chinesischen Revolution. Siehe Mao Zedong: „Der Zeitschrift Kommunist zum Geleit“ v. 4. Okt. 1939, in: Ders.: Mao Tse-Tung - Ausgewählte Werke, Bd. II, 1968, Peking, S.335. Vgl. „Jiangzemin zai qingzhu zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi chengli wushi zhounian dahui shang de jianghua“ („Rede von Jiang Zemin auf der Versammlung zur Feier des 50. Grün- dungstages der PKCV“) v. 22. Sept. 1999, in: Xinhua Yuebao, Nr. 10, 1999, S.155. 8 Vgl. Zhao: Auf dem Weg, S.XXIVf. 9 Vgl. „Nonggong dang yantao duodang hezuo“ („Die Demokratische Partei der Bauern und Arbeiter Chinas diskutiert die Mehrparteienkooperation“), in: Ta Kung Pao, 22. Feb. 1989, S.2. 10 Vgl. Seymour: AHCL, S.297. 115 stärkt werden. Bei diesen Diskussionen forderten die DP das sogenannte „System der Mehr- parteienkooperation“ – also das Parteienverhältnis zwischen KPCh und DP – in einer recht- lichen Form (wie z.B. in einem Parteiengesetz oder noch besser in der Verfassung) festzu- legen, die Funktionen der DP in der PKCV zu verstärken, das Wahlgesetz zu ändern (im Sin- ne von direkten Wahlen und größerer Konkurrenz unter den Parteien bei den Wahlen) sowie Mitglieder frei aufzunehmen und nicht zuletzt die Funktionsfähigkeit als selbständige poli- tische Parteien zu garantieren.11 Ein neues „Bewußtsein“ der DP für die eigenen Parteipro- gramme, für die Stärkung der Demokratie, für die Selbstbestimmung und die Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit entstanden genau in dieser Zeit. Nach dem Juni 1989 wurden die Diskussionen über den Aufbau des „Systems der Mehr- parteienkooperation“ unterbrochen. Dennoch gestand die KPCh Ende 1989 den nichtkom- munistischen Parteien und Massenorganisationen eine Sonderrolle zu, weil nach der Krise von 1989 die Wichtigkeit der nichtkommunistischen Parteien und Massenorganisationen endlich in ihr Bewußtsein gedrungen war, so daß jene als Vermittler die Beziehungen zwi- schen der Partei und Teilen der Bevölkerung intensivieren konnten. Politische Widersprüche sollten dadurch vermieden werden, d.h. die Kräfte außerhalb der KPCh mußten kontrolliert werden, damit sie sich auf keinen Fall zu politischen Gegenkräften der KPCh entwickeln konnten.

4.2 „Demokratische Parteien“ als „mitwirkende Parteien“: Beschluß zur „Ansicht der KPCh-Zentrale zur Beibehaltung und Vervollkommnung des Systems der Mehrparteienkooperation und der politischen Konsultation unter Führung der KPCh“

Wie oben genannt, begann die Wiederherstellung und die damit einhergehende positive Bewertung der DP schon Ende der 1970er Jahre. In den 1990er Jahren wurden die Beziehun- gen zwischen der KPCh und den DP nicht nur intensiver betont, sondern auch in zahlreichen Beschlüssen und Dokumenten als „Gesetz“ oder „System“ festgelegt. Die PKCV faßte am 27. Januar 1989 den Beschluß zur „Vorläufigen Vorschrift der PKCV zur politischen Konsultation und demokratischen Kontrolle“, kurz als „Vorläufige Vorschrift der PKCV“ bezeichnet. Das Dokument zur „Ansicht der KPCh-Zentrale zur Beibehaltung und Vervollkommnung des Systems der Mehrparteienkooperation und der politischen Konsulta-

11 Vgl. Mu Yang: „Cong jiusan xueshe kan minzhu dangpai“ („[Am Beispiel der Partei] der ‚Studiengesellschaft des Dritten September‘ [kann] man die Demokratischen Parteien beurteilen“), in: Wen Wei Pao, 10. Jan. 1989, S.5. Vgl. auch NGD, S.2. 116 tion unter Führung der KPCh“ (im folgenden als „Ansicht der KPCh-Zentrale“ bezeichnet) vom 30. Dezember 1989 legt die Befugnisse der PKCV und des Systems der Mehrparteien- kooperation fest. Dies wurde erst am 8. Februar 1990 offiziell bekannt gegeben, nachdem im Februar 1990 in der Sowjetunion der Beschluß zu Michail Gorbatschows Konzept des so- genannten „demokratischen Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ gefaßt worden war, wel- ches laut Gorbatschow zu einem „neuen Denken“ führen sollte.12 Es schien damals so, daß die KPCh nach der Studentenbewegung von 1989 und nach dem Umbruch in den meisten osteu- ropäischen sozialistischen Systemen sehr vorsichtig geworden war und einen angemessenen Zeitpunkt für die Bekanntmachung ihres eigenen Beschlusses abwarten wollte. Diese neue Politik vermied vor allem, daß die in der Sowjetunion getroffenen Entscheidungen sich wie- derum auf die Situation in der VR China auswirken konnten. Aus Sicht der KPCh würde ihr Verzicht auf den Führungsanspruch und die Diktatur des Proletariats eine Veränderung ihrer politischen Stellung und Natur zur Folge haben, welche für sie nicht akzeptable „friedliche Umwandlungen“ in Gang gesetzt hätte.13 Die neue Politik der KPCh zeigte also einen eigenen Weg zu politischen Reformen. Die beiden oben erwähnten Beschlüsse boten demnach die Grundlage zur Durchführung der „politischen Konsultation“ und der „demokratischen Kontrolle“ der PKCV im „System der Mehrparteienkooperation“. Nach Ansicht der KPCh sah dieses System weder Vorschriften für die politische Positionsbestimmung noch für Funktion und Konstitution des Regierungs- systems vor. Es sollte vielmehr eine Vorgabe für politische Aktivitäten und für die Beziehun- gen der einzelnen Parteien untereinander darstellen. Die Frage, welche der Parteien die Re- gierung stellen und welche Parteien die Regierung unterstützen sollten, war dabei ganz genau geregelt.14

Die Rechtsnormenbezeichnung in der VR China ist umfangreich. So wird je nach Fall und Situation von „Gesetzen“ (Fa), dann wieder von „Regelungen“ (Tiaoli), „Allgemeinen Re- geln“ (Tongze), „Beschlüssen“ (Jueding), „Bestimmungen“ (Guiding), „Mitteilungen“ (Tong-

12 Die sowjetischen Reformen nach dem neuen Konzept Gorbatschows wurden auf den Sitzungen der KPdSU (vom 4. bis 7. Feb. 1990) beschlossen. Die konkreten Maßnahmen zu Gorbatschows Konzept sahen folgendes vor: (1) Veränderung der Führungsrolle der KPdSU in der Verfassung. (2) Einführung eines Mehrparteiensys- tems. (3) Neue Überlegungen zum System des demokratischen Zentralismus. (4) Vorbereitung eines Präsidial- systems und Schaffung einer föderativen Struktur. Siehe „Internes Dokument des Politbüros über die Februar- Tagung des ZK der KPdSU“, in: China aktuell, April 1990, Ü7, S.260. 13 Vgl. Song Fuzeng: „Zhongguo gongchangdang lingdao de duodang hezuo zhidu yu xifang duodangzhi de ben- zhi qubie“ („Der wesentliche Unterschied zwischen dem System der Mehrparteienkooperation unter der Füh- rung der KPCh und dem westlichen Mehrparteiensystem“), in: Zhongguo Zhengzhi, Nr. 10, 1995, S.41. 14 Vgl. „Gongchandang lingdao de duodang hezuo zhidu shi zhichi woguo zhengquan zhidu de zhengdang zhi- du“ („Das System der Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh ist ein die Staatsmacht unseres Lan- des unterstützendes Parteiensystem“), in: Guangming Ribao, 15. Feb. 1993, S.1. 117 zhi), „Bekanntmachungen“ (Tonggao) oder auch von „Methoden“ (Banfa) gesprochen. 15 „Gesetze“ werden in der Regel vom höchsten Gesetzgebungsorgan NVK verabschiedet. Zahl- reiche vom Staatsrat veröffentlichte Verwaltungsordnungen wie z.B. „Bestimmungen“, „Mit- teilungen“ und „Methoden“ gelten ebenfalls als formelle Gesetze.16 Die beiden eben genannten Beschlüsse über das System der Mehrparteienkooperation können demnach nicht als Gesetze gelten, sondern bestenfalls als Quasi-Gesetze betrachtet werden, da die KPCh und die PKCV keine gesetzgebenden Organe sind. Deswegen nennt die KPCh ihren Beschluß zur „Ansicht der KPCh-Zentrale“ folgerichtig nicht „Gesetz“, sondern stellt klar und deutlich heraus, daß es sich nur um ihre „Ansicht“ (Yijian) handelt. In der VR China wird die KPCh-Zentrale de facto aber als „Gesetzgeber“ betrachtet. Viele Regeln wer- den durch die KPCh, und nicht durch den Staat erlassen.

Die neue Politik der KPCh orientiert sich weder an einem Mehrparteiensystem noch an ei- nem Zweiparteiensystem. Die Rolle der DP wird auf keinen Fall als „Opposition“ definiert, da diese als Konzept des westlichen Parteiensystems verstanden wird. Nach Ansicht der KPCh weist das chinesischen Parteiensystem vielmehr folgende Merkmale auf: „Koexistenz auf lange Sicht und gegenseitige Kontrolle; offenes Aufeinanderzugehen und gemeinsames Teilen von Freud and Leid.“17 Eine Kooperation zwischen KPCh, DP und Parteilosen sei aus der ge- meinsamen historischen Erfahrung heraus zu erklären. Nach Meinung der chinesischen Kom- munisten ist dieser Erfahrung folgende „Wahrheit“ zu entnehmen:18 Wenn es sich früher so verhalten hat, dann gilt es heute noch und somit auch in der Zukunft. Das „System der Mehrparteienkooperation“ wurde schließlich mit Hilfe der Veränderun- gen sowohl in den Parteistatuten der KPCh im Jahre 1992 als auch in der Verfassung der VR China im Jahre 1993 festgelegt. Von November bis Dezember 1992 fanden hintereinander die Parteitage der acht Demokratischen Parteien in Peking statt, wobei ihre Parteiprogramme je- weils geändert wurden. Das Attribut „mitwirkende Parteien“ wurde dort seitdem als neuer Charakterzug der DP angesehen.19 Am 14. Januar 1995 veröffentlichte die PKCV die „Vor- schrift der PKCV zur politischen Konsultation, demokratischen Kontrolle und Mitwirkung bei

15 Vgl. Oskar Weggel: „Gesetzgebung und Rechtspraxis im nachmaoistischen China. Teil XV: Das Öffentliche Recht - Bilanz am Ende einer langen Serie“, China aktuell, Jan. 1990, S.52. 16 Vgl. ebd., S.51. 17 Vgl. „Zhonggong zhongyang guanyu jianchi he wanshan zhongguo gongchandang lingdao de duodang hezuo he zhengzhi xieshang zhidu de yijian“ („Die Ansicht der KPCh-Zentrale zur Beibehaltung und Vervollkom- mnung des Systems der Mehrparteienkooperation und der politischen Konsultation unter Führung der KPCh“), angenommen am 30. Dez. 1989, in: Renmin Ribao, 8. Feb. 1990, S.1. 18 Vgl. Song: ZGYXFQB, S.38. 19 Zur Veränderung der Parteiprogramme der DP siehe: Xinhua Yuebao, Nr. 11, 1992, S.52-56; siehe auch Xin- hua Yuebao, Nr. 12, 1992, S.30-34, S.36-39, S.41-44 und S.46-48. Siehe auch Xinhua Yuebao, Nr. 1, 1993, S.39-42, S.44-47 und S.49-52. 118 Staatsgeschäften“. Sie löste die „Vorläufige Vorschrift der PKCV“ von 1989 ab und ergänzte die Befugnis zur Mitwirkung bei Staatsgeschäften als grundlegende Funktion der DP.20 Die zu-nehmende Beteiligung der DP am NVK, an der PKCV, am Staatsrat und an den Lokalre- gierungen und die steigende Zahl der Anträge zur Aufnahme in die Regierung durch die DP werden als Beweise des Erfolgs der Mitwirkung der DP bei Staatsgeschäften angesehen. Sol- che Funktionen der DP werden im Kapitel IV 3 ausführlich behandelt. Diese von der PKCV erlassene Vorschrift gilt aber nicht als „Gesetz“, wie der ihr vorhergehende Beschluß von An- fang 1989.

Zu Beginn der 1990er Jahre waren die internen Parteikonflikte um die Macht noch nicht beendet, darum konnte die KPCh die Reformen nicht wirklich wirksam initiieren (siehe III 3.1). In dieser Situation waren die DP noch nicht bereit, ihre neuen Funktionen auszuüben. Durch den Einsatz der neuen Politik wollte die KPCh lediglich zeigen, daß die politische Ba- sis von KPCh und DP eine sehr feste war und die KPCh die sozialistische Demokratie und den Aufbau des Rechtstaats doch noch planmäßig und schrittweise initiieren konnte.21 Dies symbolisierte für die KPCh die politische Stabilität und Einheit des sozialistischen Systems Chinas.

20 Vgl. „Zhengxie quanguo weiyuanhui guanyu zhengzhi xieshang minzhu jiandu canzheng yizheng de guiding“) (Die „Vorschrift der PKCV zur politischen Konsultation, demokratischen Kontrolle und Mitwirkung bei Staatsgeschäften“), angenommen am 14. Jan. 1995 in der 9. Sitzung des VIII. Ständigen Ausschusses der Na- tionalen PKCV, in: Xinhua Yuebao, Nr. 2, 1995, S.45f. 21 Vgl. : „Zai quanguo zhengxie changwei zuotanhui shang de jianghua“ („Rede während der Diskussion mit Mitgliedern des Ständigen Ausschusses der Nationalen PKCV“) v. 12. Feb. 1990, in: Renmin Ribao, 13. Feb. 1990, S.3. 119 IV Funktionen der „Demokratischen Parteien“

Durch die neuen Beschlüsse über die innerhalb des „Systems der Mehrparteienkoope- ration“ zugelassenen Funktionen sollen die DP ihre Aufgaben nach den Vorstellungen der KPCh erfüllen. In den folgenden Kapiteln wird behandelt, wie die KPCh in den 1990er Jahren an ihrem Führungsanspruch festhielt und gleichzeitig ihre Legitimation stärkte, wie sie die DP zur Integration der sozialen Kräfte mobilisierte und schließlich, wie sie die DP durch politi- sche Partizipation in das Herrschaftssystem zur Festigung der politischen Ordnung einbezog.

1 Führungsanspruch der KPCh und die Stärkung ihrer Legitimation

Nach der Analyse von Amitai Etzioni wird organisatorische Kontrolle auf folgende drei Arten ausgeübt: auf physische, materielle oder symbolische Weise, bzw. durch Gewalt, Be- lohnung oder Normen.1 Die von Amitai Etzioni genannte „Organisation“ bezieht sich dabei nicht nur auf soziale, sondern auch auf bürokratische Organisationen.2 Im folgenden wird Or- ganisation als bürokratische Organisation behandelt, d.h. der Apparat der KPCh bzw. des Staates wird als bürokratische Organisation, die umfassende Kontrolle ausübt, begriffen. Durch die These von Etzioni wird verständlich, wie die DP allmählich gegenüber der KPCh im Prozeß der Sozialisation durch Anreize und [Androhung von] Strafen gefügig und gehorsam gemacht wurden. Die Zwangskontrollen beinhalten genau genommen zwei Kon- zepte: (1) Anwendung von Zwang und Abschreckungsmitteln, (2) Erzielung des „richtigen Verhaltens“ durch den langfristigen Prozeß der sozialen (Um-)Erziehung.3 Beide Konzepte werden methodisch normalerweise nebeneinander angewendet, wobei nur eines davon ten- denziell dominiert.4 Die äußere Kontrolle ist grundsätzlich physischer Art. Die KPCh übt äußere Kontrolle mit Hilfe eines Überwachungssystems aus, das durch einen formal organi- sierten Apparat („Zensorat“ oder auch durch Polizei bzw. Geheimpolizei) getragen wird.5 Die innere Kontrolle wird dagegen nicht durch Apparate, sondern durch permanente Indoktrina- tion durchgeführt und gewährleistet, die zunächst von der Schule, später aber zusätzlich von Gruppen im Sinne einer „Sozialkontrolle“ für „richtiges Denken“ geführt wird.6 Seit Ende der Kulturrevolution wendet die KPCh lieber „politische Erziehung“ als Mittel zur Sozialisation

1 Vgl. Amitai Etzioni: Modern Organisations, Englewood Cliffs 1964, S.58-67. 2 Vgl. ebd., S.3. 3 Vgl. Tony Saich: China: Politics and Government, London 1981, S.161. 4 Vgl. ebd. 5 Vgl. Oskar Weggel: „Wo steht China heute? Die Rückkehr der Tradition und die Zukunft des Reformwerks: Werkzeuge der Macht. Teil VIII, Nr. 3: Erziehung und Lernen“, in: China aktuell, Mai 1993, S.488. 6 Vgl. ebd., S.489. 120 der DP an. „Belohnung“ oder „Anreiz“ beziehen sich hier vielmehr auf die Steigerung der Begeisterung für den Aufbau einer modernen Gesellschaft und für die politische Partizipation der DP. Diese Punkte werden in den Kapitelabschnitten IV 2.1 und IV 3.2 behandelt. Eine Verfassung wird normalerweise als höchstes, von der Bevölkerung bestimmtes Nor- mensystem betrachtet. Die KPCh stellt sich jedoch als einziger Initiator einer neuen Ver- fassung oder einer Verfassungsänderung dar. Die DP müssen der KPCh dabei bedingungslos zustimmen. In der vorliegenden Arbeit wird das Festhalten an der Führungsrolle durch die KPCh in der sozialistischen Verfassung (1982) als aktive symbolische Kontrolle und die An- erkennung sowie die Unterstützung des Führungsanspruchs der KPCh durch die DP als pas- sive symbolische Kontrolle verstanden. Sowohl äußere und innere Kontrolle als auch physische, materielle und symbolische Kon- trolle wurden und werden zur Festigung der Führungsrolle der KPCh und zur Manifestierung ihrer Legitimation ausgeübt.

1.1 Aktive normative Kontrolle: Festigung des Führungsanspruchs der KPCh in der sozialistischen Verfassung

Die Verfassungsgeschichte der VR China ist eine Geschichte von Verfassungsbrüchen. Die zahlreichen Verfassungsverstöße wurden vor allem durch die Führungsrolle der KPCh ermöglicht. Seit Dezember 1978 ist jedoch eine zunehmende Tendenz zum Ausbau eines Rechtssystems zu beobachten, wobei heute stärker als zuvor verlangt wird, daß jede politische Handlung der KPCh voll und ganz dem Geist und Inhalt der Verfassung entsprechen muß. Dies bedeutet aber keineswegs, daß die KPCh den Führungsanspruch aufgeben will. In die- sem Abschnitt werden folgende Strukturelemente der sozialistischen Verfassung untersucht und näher behandelt: die marxistisch-leninistische Ideologie, die „historische Mission“, die Diktatur des Proletariats bzw. die Diktatur der Volksdemokratie sowie die „Vier Grundprin- zipien“ und nicht zuletzt auch der „demokratische Zentralismus“ unter dem Aspekt, inwieweit die Führungsrolle der KPCh innerhalb der Verfassung tatsächlich legitimiert ist.

Anders als bei den kaiserlichen Vorgängern wurde die Legitimation der KPCh nicht aus der dynastischen Erbfolge abgeleitet und begründet; und anders als die „bürgerlichen“ revolu- tionären Parteien im Westen, versuchte die KPCh ihre Legitimation nicht durch eine naturge- gebene Ordnung oder mittels eines „Gesellschaftsvertrags“ zu begründen.7 Sie übte und übt

7 Vgl. Shiping Zheng: Party vs. State in Post-1949 China. The Institutional Dilemma, New York 1997, S.16. 121 ihre Macht „im Namen des Volkes“ aus. Aber die „objektiven“ Interessen des Volkes werden nicht durch Wahlen oder durch Mehrheitsbeschluß entschieden. Laut marxistisch-leninisti- scher Lehre sind Wahlen ideologisch und funktionspolitisch von der Frage der politischen Legitimation völlig getrennt. Die „Vier Grundprinzipien“ werden durch den Marxismus- Leninismus in der VR China gerechtfertigt. Die KPCh nutzt diese dementsprechend als Be- weis ihrer Legitimation.

Der Herrschaftsanspruch der KPCh im sozialistischen System basiert auf der sogenannten „historischen Mission“. Nach dem Marxismus leitet sich die „historische Mission“ der Ar- beiterklasse aus den gesellschaftlichen Entwicklungsgesetzen her. Ihre Hauptaufgaben sind: die Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, der Aufbau des Sozialismus und des Kommunismus. Um diese historische Mission zu erfüllen, benötigt die Arbeiterklasse (bzw. das Proletariat) eine selbständige politische Partei, die alles organisiert.8 Mit dieser Auf- fassung begründen die kommunistischen Parteien ihre Rolle als eine organisierte Vorhut der Arbeiterklasse. Die marxistischen Gesellschaftsgesetze passen eigentlich nicht zu der chinesischen gesell- schaftlichen Entwicklung, aber die KPCh übertrug die marxistischen Theorien auf die VR China, um ihren Führungsanspruch zu legitimieren. In der bisher gültigen chinesischen sozia- listischen Verfassung von 1982 rechtfertigt die KPCh ihre „historische Mission“ anhand der geschichtlichen Erfahrungswerte. So habe die KPCh ihre Führungsrolle bei der Abwehr aus- ländischer Angriffe und bei der Gründung eines neuen Staates bewiesen. Bis heute leite sie weiterhin als Vorhut den Aufbau Chinas.9 Die KPCh geht davon aus, daß ihre Legitimation noch auf der revolutionären Tradition basiert, die den historischen Erfahrungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entspricht. Dies ist jedoch problematisch, wenn es um eine stabile Basis der Legitimation in der Gegen- wart geht. Die heutige jüngere Generation, die über keine direkten revolutionären Erfahrun- gen verfügt, hat daher in diesem empfindlichen Punkt große Verständnisschwierigkeiten.10 Außerdem stellen sozialer Wandel und wirtschaftliche Umstände eine Vielzahl von Heraus- forderungen für die institutionelle Innovation der VR China dar. Die Wende von der etablier- ten revolutionären Tradition zur Gründung einer rationalen bzw. legalen Herrschaft als Legi- timationsbasis scheint schwierig zu sein. Die in der Verfassung ausgedrückte historische Er-

8 Vgl. Waltraud Böhme / Siegrid Dominik / Hartmut Eisel u.a. (Hrsg.): Kleines Politisches Wörterbuch, Berlin (Ost) 19834, S.64f u. S.586ff. 9 Vgl. „Verfassung der Volksrepublik China“, angenommen von der 5. Tagung des V. Nationalen Volkskon- gresses der Volksrepublik China am 4. Dezember 1982, in: China aktuell, Feb. 1983, S.121f. 10 Vgl. Zheng: Party vs. State, S.16f. 122 fahrung sowie die Begründung für die Machtübernahme der KPCh sind lediglich eine histo- rische Darstellung, die aber keine neuen Legitimationsinhalte für die KPCh schafft.

Ambrose Y. C. King (Jin Yaoji) bezeichnet Karl Marx als Denker, der als einer der Ersten die Bürokratie11 kritisiert hat. Für Marx verkörpert die Bürokratie nicht nur den jeweiligen Staatsgeist, sondern ist auch gleichbedeutend mit dem System der politischen Apathie.12 Er formulierte und prägte den Begriff von der „Diktatur des Proletariats“13 als staatliche Form der Übergangsperiode von der kapitalistischen zur kommunistischen Gesellschaft. Entspre- chend dem Marxismus sollte es nach dem Gelingen der proletarischen Revolution keine büro- kratischen Probleme mehr geben. In Wirklichkeit verschwanden in den sozialistischen Staaten die bürokratischen Probleme jedoch nicht. Die marxistische Theorie behandelt nur den Sturz des Kapitalismus und vernachlässigt den eigentlichen Aufbau des Sozialismus.14 Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) veränderte die marxistische Theorie. Nach ihm ist der Staat lediglich eine Maschinerie zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andere. Dies be- deutet in letzter Konsequenz aber auch, daß der Staat schließlich von der revolutionären Partei abgelöst werden muß. Deswegen muß der Staat folgerichtig als Ergebnis der sozialistischen Revolution verschwinden.15 Gemäß Lenins Theorie stellt der Staat das eigentliche Problem dar und die revolutionäre Partei seine Lösung. Darum behandelt sie mehr die Bildung der Partei, aber weniger die Gründung des sozialistischen Staates selbst. Dahinter steckt zweifels- ohne die Überzeugung, daß der Staat schließlich zu zerstören und abzuschaffen und eben

11 Die hier genannte Bürokratie bezieht sich nicht auf die Begriffsanwendung von Max Weber, sondern auf die schematisierte, ritualisierte, ohne Sinn-, Kosten- und Leistungsüberlegungen durchgeführte Arbeit in Verwal- tungsorganisationen. 12 Vgl. Ambrose Y. C. King: „Zhonggong shehuizhuyi zhi kunju“ („Die schwierige Lage des Sozialismus der KPCh“), in: Ders.: Zhongguo minzhu zhi kunju yu fazhan (Die schwierige Lage und die Entwicklung der De- mokratie in China), Taipei 19912, S.176. 13 Die Theorie von der „Diktatur des Proletariats“ stammt aus dem 1848 erschienenen „Manifest der Kommunis- tischen Partei“. In diesem Dokument entwickelten Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) ein geschichtsphilosophisches Konzept, welches die sich abzeichnenden Tendenzen der Kapitalakkumulation perspektivisch in die Zukunft verlängerte. Wegen der wachsenden und fortgeschrittenen Verelendung würden sich, so Marx und Engels, die proletarischen, aus den traditionellen Lebensverhältnissen herausgerissenen und gewaltsam in Lohnarbeitsverhältnisse gezwängten Massen gezwungen sehen, die politische Macht zu ergrei- fen, um eine Diktatur des Proletariats zu bilden und die Produktionsmittel in den Händen des Staates zu kon- zentrieren, der nach der Aufhebung der Klassenspaltung allmählich „absterben“ und der Verwaltung von Pro- duktionsprozessen durch assoziierte Produzenten weichen würde. Marx erklärte aber nicht, was die politische Form der proletarischen Diktatur ist und in welchem Maße das Proletariat sein Zustimmungsrecht im politi- schen System ausübt. Er konzentrierte sich auf die wirtschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktions- weise, behandelte dabei aber nicht die politische Ebene. Vgl. Gerhard Göhler / Klaus Roth: „Kommunismus“, in: Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.): Politikwissenschaft. Theorien - Methoden - Begriffe. Pipers Wörterbuch zur Politik 1, , hrsg. von Dieter Nohlen, München 19924, S.446. Vgl. auch King: ZGSHZY, S.176f. 14 Vgl. Paul M. Sweezy / Charles Bettelheim: On the Transition to Socialism, London 1971, S.111. 15 Vgl. Wladimir I. Lenin: „Staat und Revolution. Die Lehre des Marxismus vom Staat und die Aufgaben des Proletariats in der Revolution“ v. 1918, in: W. I. Lenin Werke, Bd. 25, Berlin (Ost) 1960, S.407-413. 123 nicht aufzubauen sei.16 Deswegen ist es aus kommunistischer Perspektive eine grundsätzliche Selbstverständlichkeit, daß die kommunistische Partei am Ende des Prozesses die alleinige Staatsführung zu übernehmen hat. Lenin übergab förmlich die „historische Mission“ der pro- letarischen Diktatur an die KPdSU. Sie sollte demnach für alle Zeiten das Proletariat vertre- ten. Dies Prinzip gilt für sämtliche kommunistische Parteien. Giovanni Sartori betrachtet die von Lenin geforderte „Diktatur des Proletariats“ unter der Führung der Arbeiterklasse nicht als eine „demokratische Diktatur“.17 Sie sei, so Sartori, fak- tisch eine „äußere Diktatur“, die gegen die Minderheit der früheren Unterdrücker Gewalt aus- übe, aber für die Mehrheit – also für das Proletariat selbst – als eine Gesellschaft der „inneren Demokratie“ zu gelten habe.18 In den sozialistischen Ländern bestehe jedoch keine demokra- tische Diktatur, da die jeweiligen Staaten institutionell-strukturell auf das Hundertfache ange- wachsen seien. In solchen Ländern handele es sich stets um eine ganz normale, staatlich ge- lenkte Diktatur. 19 Der Ausdruck „Diktatur“ bedeute in diesem Zusammenhang nicht aus- schließlich „Klassendiktatur“, sondern bezeichne ebenso einen Staat, in welchem ein Diktator, sei es eine Einzelperson oder eine kleine Clique, absolute Macht über die Gesellschaft aus- übt.20

Der zuerst 1945 von Josip Brosz Tito (1892-1980) geprägte Begriff der „Volksdemokra- tie“ wurde als theoretische Begründung der damals aktuellen Entwicklungsphase und als politische Plattform für die neuen staatlichen Ordnungen in den von den Sowjettruppen be- setzten Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas herangezogen.21 Dabei wurde offen disku- tiert, ob nach dem Sturz eines „bürgerlichen“ Staates die sofortige Einführung bzw. Realisie- rung der Diktatur des Proletariats überhaupt möglich sei. Die Volksdemokratie schuf ge-

16 Vgl. Zheng: Party vs. State, S.12. 17 Vgl. Giovanni Sartori: Demokratietheorie, aus d. Engl. übers. v. Vetter, Hermann, hrsg. v. Rudolf Wilden- mann Darmstadt 1992, S.455f. 18 Vgl. ebd., S. 456. 19 Vgl. ebd. 20 Vgl. ebd., S.458. 21 Der Begriff „Volksdemokratie“ wurde von Tito erstmals 1945 auf dem Kongreß der Vaterländischen Front Jugoslawiens eingeführt. Durch den politischen Einfluß der Sowjetunion wurden die kommunistischen Partei- en in den mittel-, ost- und südeuropäischen Ländern massiv unterstützt und gewannen daher immer mehr an Bedeutung und Macht. Die Kommunisten schufen eine Theorie der Volksdemokratie als Übergangsphase von der kapitalistischen Gesellschaft zur sozialistischen Gesellschaft. Aufgrund dieser Theorie entstand damals ein breites Bündnis für die „Einheitsfront“ („Volksfront“ oder „Nationale Front“ genannt) und ein neuer Staatstyp, nämlich die „Volksrepublik“. Obwohl die Länder mit diesem Staatstyp sich später zu sozialistischen Staaten erklärten, blieb die Einheitsfront als Grundlage des sozialistischen Mehrparteiensystems im Gegensatz zum sowjetischen Einparteiensystem bestehen. Aber auch das sozialistische Mehrparteiensystem in Osteuropa beruhte auf der marxistisch-leninistischen Ideologie. Die Parteitheorie, die „Diktatur des Proletariats“ (mittels der KP), der demokratische Zentralismus als das Doppelherrschaftsprinzip von Partei und Staat, die theoreti- sche Begründung der Gewaltenkonzentration und die bescheidene Rolle der Repräsentativorgane gingen im wesentlichen vom Marxismus-Leninismus aus. Siehe Zbigniew K. Brzezinski: Der Sowjetblock. Einheit und Konflikt, Köln 1962, S.46 u. S.52. 124 wissermaßen eine Kreuzung aus einem „bürgerlich-kapitalistischen“ Staat und aus dem Ideal einer Diktatur des Proletariats. Hier bediente sie sich der Definition der „Diktatur des Proleta- riats“ sowjetischen Typs, worin die Volksdemokratie als „sozialistischer Staat“ betrachtet wird.22 Aber aufgrund der verschiedenen Entwicklungsgrade bestand ein Unterschied zwi- schen der Sowjetunion und den anderen volksdemokratisch ausgerichteten Staaten. Die Sowjetunion vollzog nach ihrem eigenen Selbstverständnis den Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus, während die volksdemokratischen Staaten lediglich den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus bewältigten.23 Die volksdemokratischen Staaten waren solche Staaten, die den Sozialismus erst aufbauten, während die Sowjetunion diesen schon längst er- reicht hatte. Die „Diktatur der Volksdemokratie“ prägte das Wesen der vorläufigen Verfassung Chinas von 1949, also des „Allgemeinen Programms der Politischen Konsultativkonferenz des Chi- nesischen Volkes“ und auch der chinesischen sozialistischen Verfassung von 1954, während die „Diktatur des Proletariats“ das Wesen der Verfassungen von 1975 und 1978 ausmachte.24 Im Grunde genommen unterscheidet sich die „Diktatur der Volksdemokratie“ von der „Dikta- tur des Proletariats“: Die Verfassung der „Diktatur der Volksdemokratie“ zeichnet sich da- durch aus, daß (1) die Führungsrolle der KPCh nicht klar umrissen ist und (2) bestimmte so- ziale Gruppen und ihre Aktivitäten erlaubt sind. Dagegen wird in der Verfassung der „Dikta- tur des Proletariats“ der Führungsanspruch der KPCh deutlich festgelegt. Die bis heute noch gültige chinesische sozialistische Verfassung von 1982 gilt als Wieder- herstellung der Verfassung von 1954. Die „Diktatur der Volksdemokratie“ findet darin wieder Anwendung. Nach Ansicht der KPCh ist diese jedoch völlig identisch mit der „Diktatur des Proletariats“. Die „Diktatur der Volksdemokratie“ in China stellt sich somit als ein sozialisti- scher Staat dar, der zum einen von der Arbeiterklasse geführt wird und zum anderen auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht. Die „Diktatur des Proletariats“ als Ausdruck der Staatsführung wird letztlich durch die Vorhut des Proletariats bzw. die KPCh verwirklicht.

22 Vgl. Heinrich Heiter: Vom friedlichen Weg zum Sozialismus zur Diktatur des Proletariats. Wandlungen der sowjetischen Konzeption der Volksdemokratie 1945-1949, Frankfurt/M. 1977, S.244. 23 Vgl. ebd. 24 „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi gongtong gangling“ („Allgemeines Programm der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes“), angenommen auf dem 1. Plenum der Politischen Konsul- tativkonferenz des Chinesischen Volkes am 29. Sept. 1949, in: Zhonghua renmin gongheguo renmin daibiao dahui wenxian ziliao huibian 1949-1990 (Material- und Dokumentensammlung des Nationalen Volkskongres- ses der Volksrepublik China 1949-1990), Peking 1990, S.60. Siehe auch: Die Verfassung der Volksrepublik China (1954), Peking 19562, Art.1, S.9. - Die Verfassung der Volksrepublik China (1975), Peking 1975, S.5. - „Die Verfassung der Volksrepublik China“, angenommen von der 1. Tagung des V. Nationalen Volkskongres- ses der Volksrepublik China am 5. März 1978, China aktuell, Mai 1978, S.260. 125 Die Gleichsetzung beider „Diktaturen“ zeigt hier aber auch, daß die KPCh bemüht ist, ideo- logische Rückschrittlichkeit zu vermeiden.25

Im Gegensatz zu den früheren sozialistischen Verfassungen (von 1975 und 1978) wurde die „Führungsrolle der KPCh“ im Text der Verfassung von 1982 beseitigt und nur in einer Präambel weiterhin festgeschrieben. In der Folge kamen Debatten auf, ob die „Führungsrolle der KPCh“ verfassungsgemäß sei und ob man der Verfassung widerspräche, wenn man dieses Primat nicht anerkenne.26 Aber die meisten chinesischen Verfassungsexperten befürworteten damals die Auffassung, daß der Wortlaut in der Verfassungspräambel juristisch die gleiche Gültigkeit besitze wie der Verfassungstext. Liu Maolin argumentierte, daß, obwohl die Füh- rungsrolle der KPCh im eigentlichen Verfassungstext nicht deutlich formuliert werde, man der KPCh auch ihr Festhalten an der Führungsrolle nicht verbieten könne. Der Grund hierfür liege darin, daß zum einen die Führungsposition der KPCh mit dem Festhalten am Marxis- mus-Leninismus, an den Mao-Zedong-Ideen, an der Diktatur der Volksdemokratie und am Weg des Sozialismus in der Verfassungspräambel vorgeschrieben sei und zum anderen die „Vier Grundprinzipien“ eine untrennbare Gesamtheit bildeten. Wenn man am sozialistischen Weg festhalte, müsse man auch auf der Führungsrolle der KPCh und den anderen damit zu- sammenhängenden Prinzipien beharren. 27 Wenn die Verfassungspräambel die Strukturele- mente der Verfassung – wie z.B. die „Vier Grundprinzipien“ und die Verfassungsregeln – widerspiegele, so sei sie durchaus auch im Sinne der Verfassung.28 Anders ausgedrückt, sei der Sozialismus chinesischer Prägung untrennbar mit der Führungsrolle der KPCh verbunden.

Der demokratische Zentralismus ist das Organisationsprinzip der marxistisch-leninisti- schen Parteien und der sozialistischen Staaten. Es gibt keine strenge wissenschaftliche Defini- tion des „demokratischen Zentralismus“ in den sozialistischen Ländern.29 Lenins Lehre von der „Partei neuen Typs“, die auf dem Aufbau der bolschewistischen Partei vor 1917 basiert, bildet ein festes theoretisches Fundament für die Anwendung des demokratischen Zentralis-

25 Vgl. Andrew J. Nathan: „Political Rights in Chinese Constitutions“, in: R. Randle Edwards / Louis Henkin / Andrew J. Nathan: Human Rights in Contemporary China, New York 1986, S.116. 26 Vgl. Yu Haocheng: „Zhonggong dangguo wushi nian“ („Fünfzig Jahre Parteienherrschaft der KPCh“), in: Cheng Ming, Okt. 1999, S.37. 27 Vgl. Liu Maolin (Hrsg.): Xienfa jiaocheng (Das Verfassungslehrprogramm), Peking 1997, S.35. 28 Vgl. ebd., S.27. 29 Vgl. Wilhelm Bleek: „Demokratischer Zentralismus“, in: Ziemer: SSPWG, S.77.

126 mus. Jede marxistisch-leninistische Partei ist nach den Prinzipen des demokratischen Zen- tralismus aufgebaut.30 Für das Verhältnis zwischen „Demokratie“ und „Zentralismus“ besteht keine allgemein gültige Regel, so daß beide Faktoren kollidieren. Die Kommunisten räumen zwar der Demo- kratie einen festen Platz innerhalb der Partei ein, lassen aber am Vorrang des Zentralismus keinen Zweifel aufkommen. Der demokratische Zentralismus gewährleistet deshalb das ein- heitliche Handeln aller Mitglieder der marxistisch-leninistischen Partei und ebenso die Durch- setzung der von der Partei-Führung gefaßten Beschlüsse in einem demokratischen Mäntel- chen. Der demokratische Zentralismus wird in der Praxis der sozialistischen Systeme fort- während verwirklicht. Durch dieses Prinzip wird der Staat zu einem Instrument der KP gemacht. Die Struktur und die Tätigkeiten des Staates werden darauf ausgerichtet, auf Weisung der KP hin die weiteren Entwicklungsstufen zum Sozialismus – und später auch zum Kommunismus – zu fördern.31 Das Organisationsprinzip des demokratischen Zentralismus legitimiert bei den kommunistischen Parteien die Machtkonzentration in den Händen der hauptamtlichen Parteibürokratie mit Sekretariat und Politbüro an der Spitze.32 Nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus sollen selbständige Organe auf lokaler Ebene sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich nicht mehr erlaubt werden. Lenin meinte hierzu: „In Wirklichkeit schließt der demokratische Zentralismus in keiner Weise [...] die völlige Freiheit der verschiedenen Gebiete und sogar der verschiedenen Gemeinden des Staates bei der Ausarbeitung mannigfaltiger Formen sowohl des staatlichen als auch des gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens aus, sondern setzt sie vielmehr voraus.“33 Somit kann die vereinheitlichte Staatsgewalt widerspruchslos verwirklicht werden.

30 Für die marxistisch-leninistischen Parteien gelten folgende Prinzipien: - Leitung der Partei von einem gewählten Zentrum aus - Periodische Wahl aller leitenden Parteiorgane von unten nach oben - Kollektivität der Leitung - Periodische Rechenschaftspflicht der Parteiorgane vor den Organisationen, durch die sie gewählt wurden - Strenge Parteidisziplin und Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit - Unbedingte Verbindlichkeit der Beschlüsse der höheren Organe für die unteren Organe und die Mitglieder, deren vielfältige Erfahrungen in die Beschlüsse der höheren Organe einfließen - Aktive Mitarbeit der Parteimitglieder in ihren Organisationen zur Durchsetzung der Beschlüsse. Siehe Joachim Türke: Demokratischer Zentralismus und kommunale Selbstverwaltung in der sowjetischen Be- satzungszone Deutschlands, Göttingen 1960, S.144. 31 Vgl. Siegfried Mampel: Die volksdemokratische Ordnung in Mitteldeutschland. Texte zur verfassungsrechtli- chen Situation, Frankfurt/M. 19673, S.29. 32 Vgl. Bleek: DZ, S.79. 33 Wladimir I. Lenin: „Ursprünglicher Entwurf des Artikels ‚Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht‘“ v. 1929, in: W. I. Lenin Werke, Bd. 27, Berlin (Ost) 1960, S.196f. 127 Dabei läßt sich die einheitliche Befehlsübermittlung von der Staatsspitze bis zur kleinsten Ge- meinde durchsetzen und alle entgegenstehenden Hindernisse kurzerhand beseitigen.34 Nach Siegfried Mampels Interpretation gilt und funktioniert die einheitliche Staatsgewalt im sozialistischen Staat nicht nur in vertikaler Richtung, sondern auch in horizontaler. Das be- deutet, daß außer dem Staat keine anderen Gebiete bestehen können, die unabhängig von die- sem sind und Autonomie besitzen.35 Die Dominanz der KP hat demnach in Wirklichkeit nicht nur in der Politik Gültigkeit, sondern auch in Wirtschaft und Gesellschaft. Als Folge sind Par- tei und Staat in einem solchen politischen System vereinigt. Der sozialistische Staat wird als ein besonderer Staatstyp „Parteistaat“36 oder manchmal auch als „Gesamtstaat“37 bezeichnet.

In der Struktur sozialistischer Herrschaftsform entsteht ein dualistisches Verfassungs- system, welches in einem Raum zwischen Norm und Wirklichkeit schwebt. Die herrschende Klasse und die führende Partei üben ihre Macht über die formelle Verfassung aus.38 In der Verfassung wird die führende Rolle der kommunistischen Partei zwar in den verschiedenen sozialistischen Ländern unterschiedlich formuliert, aber ihre Führungsrolle in der materiellen Rechtsverfassung39 wird zweifelsohne festgeschrieben. Diese Regel bestätigt, daß die Füh- rungsrolle der KPCh in der chinesischen sozialistischen Verfassung tatsächlich fest verankert ist.

1.2 Passive normative Kontrolle: Anerkennung der Führungsrolle der KPCh durch die „Demokratischen Parteien“

Die Idee einer „Opposition“ oder einer „loyalen Opposition“ existiert weder in der tradi- tionellen chinesischen Kultur noch in der marxistisch-leninistischen Theorie. Das bedeutet, daß die DP bis heute bedingungslos die Führungsrolle der KPCh anerkennen müssen. Hierfür sind politische Rituale gegenüber der KPCh notwendig. 40 Dadurch wird jedoch nicht ein Rechtsstaat bzw. die Trennung zwischen Staat und Partei geschaffen. Es handelt sich dabei vielmehr um eine erzwungene Loyalität durch programmatische Gleichschaltung der DP.

34 Vgl. Türke: Demokratischer Zentralismus, S.147. 35 Vgl. Mampel: Die volksdemokratische Ordnung, S.29. 36 Klaus Westen: Die Kommunistische Partei der Sowjetunion und der Sowjetstaat, Köln 1968, S.239. 37 Siegfried Mampel: Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Kommentar, Frankfurt/M. 19822, S.95. 38 Vgl. Edgar Tomson / Jyun-hsyong Su: Regierung und Verwaltung der Volksrepublik China, Köln 1972, S.239f. 39 Die materielle Rechtsverfassung gilt als grundlegendes Prinzip und als Kern der Verfassung. Vgl. Siegfried Mampel: Herrschaftssystem und Verfassungsstruktur in Mitteldeutschland, Köln 1968, S.55f. 40 Vgl. Kelly: Chinese Marxism, S.23. 128 Dieser Abschnitt behandelt zuerst die Bedeutung der Opposition im chinesischen sozialisti- schen System und danach die programmatische Gleichschaltung der DP.

1.2.1 „Opposition“ im chinesischen sozialistischen System

In den demokratischen Ländern ist die institutionelle Opposition als ständige legitime Kraft innerhalb des politischen Systems eine wesentliche Einrichtung. Sie macht der Regie- rung die Führung streitig und kämpft mit allen legalen Mitteln um die Regierungsmacht.41 Dabei gilt das allgemeine Recht auf Opposition auch im außerparlamentarischen Bereich. Im offiziellen konfuzianischen Gedankengut des kaiserlichen China fehlt das Konzept ei- ner „loyalen Opposition“. Auch glauben klassische Leninisten, daß die Bevölkerung und die Regierenden eine fundamentale Harmonie der Interessen haben.42 Das Ideal einer vollkom- menen Gesellschaft wie das „Datong“ („Große Harmonie“) des Konfuzianismus oder die Utopien im Kommunismus verkörpern die ultimative Harmonie der Interessen. Die KPCh ergriff die Macht mit den deutlich artikulierten Zielen der Gleichheit und Prosperität für die Gesellschaft. Im alten China war der Kaiser der institutionelle Vertreter des Strebens nach dem Gemeinwohl; in der VR China übernahm die KPCh genau diese Rolle. Das heißt, es wird in diesem Fall häufig von der „Kooperation“ einzelner Teile oder von der sogenannten „Har- monie des Willens“ gesprochen. Tatsächlich aber sind „Kooperation“ und „Harmonie des Willens“ hier der Gemeinschaft insgesamt untergeordnet. Im Westen vertritt eine Partei nur einen Teil der sozialen Interessen, während eine solche „Partei“ in China aus diesem Grund als „egoistisch“ betrachtet wird. Eine Partei mit einer Weltanschauung für alle wird in China darum keineswegs als negativ betrachtet.

Eine politische Opposition ist weder rechtlich noch politisch in den sozialistischen Staaten zugelassen. Jede Form von Opposition gegen die von der Partei betriebene Politik wird in den

41 Vgl. Klaus von Beyme / Robert V. Daniels: „Opposition“, in: Marxismus im Systemvergleich, hrsg. v. C. D. Kernig, Politik, Bd. 3, Kollektiv bis Opposition, Frankfurt/M. 1973, S.321. Vgl. auch Niklas Luhmann: „Theo- rie der politischen Opposition“, in: Zeitschrift für Politik, 36. Jahrgang 1/1989, S.13f. 42 Nach dem Marxismus-Leninismus kann nur die kommunistische Partei die herrschenden politischen und öko- nomischen Verhältnisse grundlegend verändern und solche gesellschaftlichen Verhältnisse errichten, die dem Willen und dem Interesse des werktätigen Volkes entsprechen. Dagegen vertritt eine oppositionelle Partei kei- ne objektiv politische oder soziale Grundlage, da sie sich vom Willen der herrschenden Klassen trennt. Siehe Böhme / Dominik / Eisel: KPW, S.586ff. u. S.694f. 129 sozialistischen Ländern als „Abweichung“ verurteilt.43 Abweichungen innerhalb der kommu- nistischen Bewegung oder der Partei werden im allgemeinen mit dem Zusatz „rechts“ oder „links“ versehen. Diese „Etiketten“ wurden der Sitzaufteilung im westeuropäischen Parlament des 19. Jahrhunderts entlehnt.44 In den sozialistischen Staaten läßt sich jedoch ein Bedeu- tungswandel feststellen: „Links“ bezeichnet demnach die Elemente innerhalb der Bewegung oder der Partei, die als eher utopisch und idealistisch bis stürmisch-ungeduldig beschrieben werden können, während „rechts“ eine mehr oder weniger praktische und kompromißbereite Haltung kennzeichnet. Es gibt auch andere Synonyme für die Abweichungen nach links oder rechts in den jeweils passenden Situationen. „Linksabweichung“ bezieht sich in der Regel auf „Dogmatismus“, also auf das sture Fest- halten an der Doktrin, auf das sogenannte „Sektierertum“ – bzw. auf die strikte Ablehnung notwendiger Kompromisse mit nichtkommunistischen Bündnispartnern – und auf „Aben- teurertum“, womit eine vorschnelle Handlungsweise mit zweifelhaften Erfolgsaussichten gemeint ist.45 „Rechtsabweichung“ hängt häufig mit „Revisionismus“, „Opportunismus“ oder „Kapitu- lantentum“ zusammen. „Revisionismus“ steht für die Veränderung der marxistisch-leninisti- schen Lehre und die damit verbundene Zerstörung der „revolutionären Reinheit“. „Opportu- nismus“ bedeutet vorsichtige Kompromisse oder Abweichung von einem Kampf. Unter „Ka- pitulantentum“ werden übermäßige Zugeständnissen an den Feind oder an die nichtkommu- nistischen Verbündeten verstanden.46 Jede Politik in den sozialistischen Systemen kann von Fall zu Fall als „zu weit links“ oder als „zu weit rechts“ kritisiert werden. Dies hängt ganz offensichtlich vom Standpunkt der Kri- tik ab. Deswegen hat es auch nie irgendeine konstante Mittellinie gegeben, da „Abweichung“ eben nur ein relativer Begriff ist. Die jeweilige Abweichung wird jedesmal von dem Stand-punkt bestimmt, von welchem aus die Parteiführung ihre Marschrichtung plant. Neue Si-tuationen und Änderungen des politischen Kurses rufen daher zwangsläufig Meinungsver-schiedenheiten hervor. Unter „Abweichung“ in den sozialistischen Ländern versteht man nicht einfach eine Mei- nungsverschiedenheit zwischen verschiedenen Gruppen, vielmehr geht es dabei meist um die

43 Vgl. Beyme / Daniels: Opposition, S.301. 44 Im französischen Parlament der Restaurationszeit (1815-1830) beispielsweise saßen die Liberalen links und die Konservativen rechts. Von daher bezeichneten sich die demokratischen, fortschrittlichen und später auch die sozialistischen und kommunistischen Bewegungen als „links“, wohingegen die Vertreter der Reaktion, die Unterstützer der Monarchie sowie die Befürworter autoritärer Gewalt und der Klassenvorrechte als „rechts“ galten. Vgl. ebd., S.300f. 45 Vgl. ebd., S.301. 46 Vgl. ebd. 130 totale Kontrolle der sozialistischen (oder kommunistischen) Bewegung, also letztendlich um die Ausschaltung der Gegner.47 Die Bekämpfung des Prinzips des demokratischen Zentralis- mus, gleichbedeutend mit dem Widerstand gegen die bedingungslose Anerkennung der von Zentralorganen der Partei gefaßten Beschlüsse, wird ebenfalls als „Abweichung“ verurteilt. Derartige Verhaltensweisen werden zumeist schon im Entstehungsprozeß durch Parteiaus- schluß geahndet.48 In den sozialistischen Ländern werden weder parlamentarische noch außerparlamentari- sche Gegner erlaubt. Die Dissidenten, die außerhalb des politischen Systems existieren, wer- den in der Regel als „Konterrevolutionäre“ bekämpft. Aber in der Praxis verwischen sich die Grenzen zwischen Widerstand, „Abweichung“ und „Konterrevolution“. Ihre Vertreter werden häufig systematisch als Klassenfeinde unterdrückt. In manchen sozialistischen Ländern erlaubt die KP zwar nichtkommunistische Parteien, die sich in einer nationalen Front oder Einheitsfront mit der KP zusammenschließen, um die Interessen zu artikulieren, welche die KP selber nicht hinreichend vertreten und verteidigen kann, aber solche Parteien verstehen sich gerade nicht als Opposition – Anders betonte Inte- ressen können nur so lange als vereinbar mit den Grundlagen des Sozialismus betrachtet wer- den, wie sie nicht gegen den Führungsanspruch der KP kämpfen.49

Das Nichtvorhandsein jeglicher Opposition bedeutet das Fehlen aller öffentlichen Kritik. Die Formen der Kritik – die von M. Rainer Lepsius angeführte „kompetente Kritik“ bei Abge- ordneten im Parlament, die „quasi-kompetente Kritik“ bei Journalisten und die „inkompeten- te, aber legitime Kritik“ bei Intellektuellen50 – sind in der VR China gegenüber der KPCh nicht wirklich erlaubt. Jede Kritik zieht sich den prinzipiellen Verdacht der Illoyalität oder des Verrates zu. M. Rainer Lepsius stellt es so dar: „Der Verdacht löst sich von der Motivation einzelner Personen und richtet sich auf die Kritik überhaupt. Die Verfolgung des Verdachts

47 Vgl. ebd., S.319. 48 Vgl. ebd. 49 Vgl. ebd., S.321. 50 Nach M. Rainer Lepsius umfaßt die Kritik drei Kategorien: nämlich die kompetente Kritik, wie sie von den Abgeordneten im Parlament ausgeübt werden sollte, die quasi-kompetente Kritik, wie sie von Journalisten geäußert wird und die inkompetente Kritik, zu der jede Kritik an Institutionen, deren Mitglied man nicht ist, formal gehört. Aber Lepsius sieht inkompetente Kritik als natürlich und nicht als illegitim an. Er sagt wörtlich: „Legitim ist jede Kritik, die sich auf Werte bezieht, über deren Gültigkeit als Leitbilder sozialen Verhaltens Konsensus besteht. Illegitim hingegen ist jene Kritik, deren Urteilsbasis von Werten oder Wertkombinationen gebildet wird, über die kein Konsensus besteht und deren Gültigkeit daher bestritten wird. [...] Die inkompe- tente, aber legitime Kritik ist das Feld des Intellektuellen; die aus Strukturbedingungen der Gesellschaft not- wendig prekäre Lage dieser Art der Kritik ist die prekäre Lage des Intellektuellen.“ Siehe M. Rainer Lepsius: „Kritik als Beruf. Zur Soziologie der Intellektuellen“, in: Ders: Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, S.278ff. 131 greift unmittelbar in die Struktur der Gesellschaft ein, da nun nicht mehr einzelne Personen, sondern die kritische Funktion überhaupt dem Stigma der Illoyalität verfällt.“51 In demokratischen Systemen spielt die Opposition die Rolle des Kontrolleurs und Kritikers der Regierungsmacht. Weil potentielle Oppositionskräfte als Regulativ gegenüber der Regie- rungsmacht innerhalb des bestehenden chinesischen Systems bisher nicht entstehen konnten, war es ihnen folglich auch nicht möglich, analog zu einer modernen westlichen Demokratie, das Aufkommen und Bestehen eines de facto Einparteiensystems zu verhindern.

1.2.2 Programmatische Gleichschaltung der „Demokratischen Parteien“

Das „Allgemeine Programm der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Vol- kes“ (fortan: „Allgemeines Programm“) wurde 1949 von den DP als ihr jeweiliges grundle- gendes Parteiprogramm angenommen. Danach richteten die DP ihre politischen Forderungen und ihr Organisationsprinzip nach dem Modell der marxistisch-leninistischen Partei aus. Sie organisierten sich nach dem „demokratischen Zentralismus“, wobei sie der führenden Rolle der KPCh innerhalb einer „Diktatur der Volksdemokratie“ einhellig zustimmten.52 Seit jener Zeit verloren sie allmählich ihre „demokratischen“ Inhalte nach westlichem Verständnis und glichen sich den Vorstellungen der KPCh an. Ende der 1970er Jahre wurden die Aktivitäten der DP wieder zugelassen. Aber angesichts der vorhandenen orthodoxen Ideologie wurde die Bezeichnung „Diktatur des Proletariats“ (siehe Verfassungen von 1975 und 1978, IV 1.1) in ihren Parteiprogrammen nicht abgeändert. Die Erneuerung der Parteiprogramme der DP wurde erst im Jahre 1983 ermöglicht. Die Par-teiprogramme der DP von 1983 beruhten allesamt auf der 1982 verabschiedeten Verfassung. Die acht nichtkommunistischen Parteien gestalteten ihre Statuten nach einem Standardmodell mit der Begründung, sie seien Bestandteile der „Patriotischen Einheitsfront“ unter der Füh-rung der KPCh und eines Teiles der PKCV – Sie betrachteten sich alle als Parteien im Dienst des Sozialismus, vor allem im Sinne der „Vier Moderni- sierungen“, wobei sie gleichzeitig auch die „Vier Grundprinzipien“ akzeptierten. 53 Diese Parteiprogramme bildeten die Grund-lage für die neuen Parteiprogramme in den 1990er

51 Vgl. ebd., S.271. 52 Siehe GTGL, S.60. 53 Siehe (1) Parteiprogramm des RKGC v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.432-439. (2) Parteiprogramm der DLC v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.479-488. (3) Parteiprogramm der GDNAC v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.526-535. (4) Parteiprogramm der GFDC v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.559-567. (5) Parteiprogramm der DPBAC v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.616-626. (6) Parteiprogramm der GPC v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.644-652. (7) Parteiprogramm der SDS v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.668-674. (8) Parteiprogramm der DST v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.695-698. 132 Jahren. Gemäß diesen sind Änderungen der Rolle, Befugnisse und Aufgaben der DP zwar möglich, dürfen aber nicht die vorgege-benen Grenzen überschreiten. Die Abänderungen in den Parteiprogrammen der DP folgen jeweils den politischen Programmen der KPCh. Die Parteiprogramme der DP in den Jahren 1987 bis 1989 weisen eine Besonderheit in der Geschichte der VR China auf. Zum ersten Mal seit der Ära der „Reform und Öffnung“ legten die meisten nichtkommunistischen Parteien ihre Betonung stärker auf die „Kooperation“ unter der Führung der KPCh und weniger auf die orthodoxe marxistisch-leninistische Ideologie. Das bedeutete, daß die DP nicht mehr so eindringlich wie bisher für das Festhalten an den „Vier Grundprinzipien“ oder der „Diktatur der Volksdemokratie“ eintraten. Was nun den Marxismus-Leninismus und zusätzlich auch die Mao-Zedong-Ideen betrifft, konnten die Mit- glieder mancher Parteien diese sogar freiwillig erlernen.54 Dies zeigt die damalige (relativ) liberale politische Situation in einer Zeit der Forderungen nach politischen Reformen. Die DP strebten damals das noch in keinem Beschluß festgeschriebene „System der Mehrparteienko- operation“ als ein Teil der Institutionalisierung an, wobei die bürgerlichen Grundrechte sowie die aktive Mitwirkung der Intellektuellen im politischen und wissenschaftlichen Prozeß gefor- dert wurden.55 Nach 1989 änderte sich abermals die politische Situation. Die DP zeigten wieder eine stär- kere Loyalität gegenüber der KPCh, indem sie explizit ihre feste Haltung in bezug auf die „Vier Grundprinzipien“ in allen ihren Parteiprogrammen zum Ausdruck brachten. In den Än- derungen der Parteiprogramme der DP aus dem Jahr 1992 wurde deren neue Rolle als „mit- wirkende Parteien“ festgestellt (siehe III 4.2). Faktisch bedeutet diese neue Rolle im „System der Mehrparteienkooperation“ auf keinen Fall eine Kooperation mit der KPCh, sondern viel- mehr eine Subordination unter die KPCh.56 Der Führungsanspruch der KPCh sowie die „Vier Grundprinzipien“ bilden bis heute die Grundlage der Mehrparteienkooperation zwischen der KPCh und den DP. In den Parteiprogrammen der DP von 1997 wurde die Theorie Deng Xiaopings neben dem Marxismus-Leninismus und den Mao-Zedong-Ideen als weiterer Leitgedanke hinzugefügt. Dies zeigt, daß die DP der Ideologie der KPCh bedingungslos folgen müssen. Sie sind also de facto als Satellitenparteien der KPCh anzusehen.

54 In den frühen Parteiprogrammen der meisten nichtkommunistischen Parteien stand, daß sie alle Mitglieder auffordern, den Marxismus-Leninismus und die Mao-Zedong-Ideen aktiv zu lernen. Aber gemäß dem Partei- programm der GDNAC von 1983 und 1988 konnten ihre Mitglieder den Marxismus-Leninismus und die Mao- Zedong-Ideen freiwillig lernen. Im Parteiprogramm von 1988 forderte die DLC Meinungsfreiheit, Befreiung des Gedanken, unabhängiges Denken usw. Siehe Xinhua Yuebao, Nr. 6, 1988, S.22-25; Nr. 10, 1988, S.45. 55 Zu den Parteiprogrammen der DP v. 1987-89 siehe: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1987, S.26-27; Nr. 6, 1988, S.22- 25; Nr. 10, 1988, S.45; Nr. 11, 1988, S.38 u. S.42-43; Nr. 12, 1988, S.45 u. S.47-48; Nr. 1, 1989, S.31. 56 Vgl. He Zhenming: „Meiyou linhun de minzhu dangpai“ („Seelenlose Demokratische Parteien“), in: Cheng Ming, März 1990, S.36. 133 Tabelle IV 1-1 Die Inhalte der Parteiprogramme der DP von 1949-1997 im Vergleich

Allgemeines Parteipro- Parteipro- Parteipro- Parteipro- Programm gramme von gramme von gramme von gramme von von 19491 19832 1987-893 19924 19975 Natur des politischen X X X X X Bündnisses* Streben nach dem --- X X X X Sozialismus° Marxismus- Leninismus♣ --- X ? X X Mao- Zedong- --- X ? X X Ideen♣ Theorie Deng ------X Xiaopings Diktatur der Volksdemo- X X ? X X kratie♣ Unter KPCh- Führung --- X X X X Demokra- tischer Zen- X X X X X tralismus Mitwirken- de Parteien ------X

Quellen: 1 GTGL, S.60-63. 2 Parteienprogramme v. 1983 siehe: Yu: ZGMZDP, S.432-439, S.479-488, S.526-535, S.559-567, S.616-626, S.644-652, S.668-674 u. S.695-698. 3 Parteienprogramme v. 1987-89 siehe: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1987, S.26-27; Nr. 6, 1988, S.22-25; Nr. 10, 1988, S.45; Nr. 11, 1988, S.38 u. S.42-43; Nr. 12, 1988, S. 45 u. S.47-48; Nr. 1, 1989, S.31. 4 Parteienprogramme v. 1992 siehe: Xinhua Yuebao, Nr. 11, 1992, S.52-56; Nr. 12, 1992, S.30-34, S.36-39, S.41-44 u. S.46-48; Nr. 1, 1993, S.39-42, S.44-47 u. S.49-52. 5 Parteienprogramme v. 1997 siehe: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.18-21, S.24-27, S.30-33, S.35-38; S.41-43, S.45-48, S.51-54 u. S.57-60.

* Die Natur des politischen Bündnisses bezieht sich darauf, ob die DP als Bündnispartner der KPCh in der Einheitsfront sind. ° Das „Streben nach Sozialismus“ wird manchmal durch den „Dienst am Sozialismus“ ersetzt. ♣ Der Marxismus-Leninismus, die Mao-Zedong-Ideen und die „Diktatur der Volksdemokratie“ wurden in den Parteiprogrammen der DP von 1987 bis 1989 nicht einheitlich dargestellt. Nur das RKGC und die DST betonten die Festigung der „Diktatur der Volksdemokratie“. Außerdem wollte nur die DST an den „Vier Grundprinzipien“ festhalten. Deswegen steht hier ein Fragezeichen für ein teilweises „Ja“ und teilweises „Nein“ für die jeweiligen Parteienprogramme aus den Jahren 1987 bis 1989.

Die Inhalte der Parteiprogramme der DP ähneln sich untereinander sehr stark. Ein gering- fügiger Unterschied liegt lediglich darin, daß jede Partei zwar aus verschiedenen Bereichen ihre Mitglieder rekrutieren und aufnehmen kann, diese jedoch nur aus den Gruppen der In- 134 tellektuellen stammen dürfen (siehe IV 1.3), die zudem keine von der offiziellen Linie der KPCh abweichende Ideologien vertreten dürfen. Ein System pluralistischer politischer Welt- anschauungen entsteht in der VR China daher nicht. Neben der programmatischen Gleichschaltung müssen die DP auch heute noch ihre treue Haltung bei politischen Ritualen unter Beweis stellen, vor allem bei der Ankündigung jedes einzelnen aktuellen politischen Programms der KPCh. Z.B. stellte die von Jiang Zeming im Sommer 1996 geforderte Kampagne mit der Parole „Reden über die Politik“ („Jiang zheng- zhi“)57 eigentlich nur einen neuen Ausdruck für den Führungsanspruch der KPCh, also die Betonung der Führung unter Jiang Zeming selbst, dar. Die DP folgten der Politik, die von der KPCh vorgezeichnet wurde, automatisch nach. Verbale wie auch schriftliche Darstellungen der eigenen politischen Überzeugung wurden dabei wichtig. Somit hielten die DP an der so- genannten „richtigen Richtung“ fest.58 Die DP mußten ihre Loyalität gegenüber der KPCh in aller Öffentlichkeit demonstrieren.

1.3 Äußere Kontrolle: Parteiorganisatorische Kontrolle durch die KPCh

Seit Ende der Kulturrevolution hat sich die Überwachung der chinesischen Gesellschaft durch die KPCh gelockert. Kontrolle wird demnach nur über bestimmte Gruppen und in be- stimmten Bereichen ausgeübt, d.h. die KPCh steht gewissermaßen nur mit den oben genan- nten Gruppen in Kontakt, aber nicht direkt mit der Bevölkerung. Die Öffentlichkeit soll ihre Kontrollmaßnahmen weder fühlen noch sehen, aber Machtausübung und Ideologie bleiben dabei unverändert.59 Die Kontrolle der KPCh über die DP ist ein Beispiel dafür.

57 Das Motto „Sprechen über die Politik“ bedeutet aus der Sicht der KPCh die umfangreiche, richtige und aktive Durchsetzung ihrer grundlegenden Politik. Vor allem schloß sich die ganze Partei unter der Führung von Jiang Zemin zusammen, nämlich als dritte Generation der kollektiven Führung in der Nachfolge Mao Zedongs, der die erste Generation repräsentiert, und Deng Xiaopings, der zur zweiten Generation gehört. Dabei werden auch das „Sprechen über das Lernen“ (Jiang xuexi) sowie das „Sprechen über die allgemeine soziale Moral“ (Jiang zhengqi) gefordert; zusammen mit dem „Sprechen über die Politik“ werden sie die „Drei Gespräche“ (San jiang) genannt. Die KPCh fordert das „Sprechen über das Lernen“, damit man den Marxismus und die Theorie Deng Xiaopings zur Stärkung der Ideologie beim Aufbau der sozialistischen Modernisierung lernen kann. Durch das „Sprechen über die allgemeine soziale Moral“ beabsichtigt die KPCh die Intensivierung der Parteilichkeit unter ihren Parteimitgliedern. Die KPCh will mit diesen „Drei Gesprächen“ ihre politische Führung stärken und die stabilisierte politische Situation aufrechterhalten. Siehe Hu Jintao: „Lingdao jiguan he lingdao ganbu yao zuo jiang xuexi jiang zhengzhi jiang zhengqi de biaoshuai“ („Führende Organe und Kader müssen sich das Sprechen über das Lernen, das Sprechen über die Politik und das Sprechen über die allgemeine soziale Moral zum Vorbild nehmen“) v. 27. April 1997, in: Shisi da yilai zhongyao wenxian xuan- bian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XIV. Parteitag der KPCh), Bd. 3, Peking 1999, S.2476-2492. 58 Vgl. Zhang Jianchao: „Minzhu dangpai yiding yao jiang zhengzhi“ („Die Demokratischen Parteien müssen über die Politik sprechen“), in: Renmin Zhengxie Bao, 9. Juli 1996, S.2. 59 Vgl. Pye: An Introductory Profile, S.423. 135 Die Kontrolle über die DP wird sehr geschickt durchgeführt. Sie erfolgt manchmal direkt, manchmal indirekt. Sie verläuft in der Regel nicht öffentlich und ist auch nicht institutionali- siert. Aber es gibt immerhin eine Organisation innerhalb der KPCh, nämlich die Abteilung der Zentralen Einheitsfront (AZE), die Kontrolle über die Organisationen und die Finanzen der DP ausübt. Die Richtlinien bezüglich der Kontrolle werden dabei an die jeweils vorherrschen- de Politik und an die Umstände angepaßt. In diesem Abschnitt wird die „äußere Kontrolle“ der KPCh, also die Überwachung der Aufnahme von Mitgliedern und die Beschränkung von parteiorganisatorischen Maßnahmen der DP, untersucht. Dabei werden auch Fragen zur finan-ziellen Unterstützung behandelt.

Nach 1979 nahmen die DP allmählich wieder ihre Tätigkeiten auf. Die Mitgliedschafts- struktur jeder einzelnen nichtkommunistischen Partei wies eine unterschiedliche soziale Zu- sammensetzung auf, die von der KPCh bestimmt wurde. Daraus folgte, daß die DP nur in be- stimmten Bereichen um Mitglieder werben durften. Somit stand auch fest, daß sich die Mit- glieder der DP ausschließlich aus Intellektuellen zusammensetzten. Das Revolutionäre Komitee der Guomindang Chinas (RKGC) rekrutierte nach 1979 seine Mitglieder aus Angehörigen mittel- und hochrangiger Schichten, die ursprünglich und fast ohne Ausnahme Mitglieder der GMD waren und auch weiterhin mit der GMD den Kontakt pflegten.60 Die Mitglieder der Demokratischen Liga Chinas (DLC) kamen während der glei- chen Zeit aus Kreisen der Kultur und der höheren Bildung, vor allem handelte es sich um Intellektuelle. 61 Die Gesellschaft für den Demokratischen Nationalen Aufbau Chinas (GDNAC) bildete ein politisches Bündnis von Industriellen und Kaufleuten und anderen wirt- schaftlich Tätigen.62 Die meisten Mitglieder der Gesellschaft zur Förderung der Demokratie Chinas (GFDC) rekrutierten sich aus einer Gruppe von Intellektuellen, die im Bereich Kultur und Pädagogik beschäftigt waren.63 Die Mitglieder der Demokratischen Partei der Bauern und Arbeiter Chinas (DPBAC) stammten aus dem Bereich der Medizin und Hygiene sowie aus Intellektuellen anderer Berufssparten. 64 Dahingegen warb die „Gemeinwohl“-Partei Chinas bei den nach China zurückgekehrten Auslandschinesen um Mitglieder.65 Intellektuelle aus der Mittel- und Oberschicht aus Kreisen der Wissenschaft und Technik bildeten die haupt-

60 Das Parteiprogramm des RKGC v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.433f. 61 Das Parteiprogramm der DLC v. 1983, Art.17, in: Yu: ZGMZDP, S.483. 62 Das Parteiprogramm der GDNAC v. 1983, Art.1, in: Yu: ZGMZDP, S.527f. 63 Das Parteiprogramm der GFDC v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.559. 64 Das Parteiprogramm der DPBAC v. 1983, Art.1, in: Yu: ZGMZDP, S.617. 65 Das Parteiprogramm der GPC v. 1983, Art.1, in: Yu: ZGMZDP, S.645f. 136 sächlichen Mitglieder der Studiengesellschaft des Dritten September (SDS).66 Die Mitglieder der Demokratischen Selbstbestimmungsliga Taiwans (DST) sollten zunächst aus der Gruppe der auf dem chinesischen Festland lebenden taiwanesischen Angehörigen stammen.67 Mit dem neuformulierten Parteiprogramm von 1987 öffnete sich die Partei allen Taiwanesen, womit sie dann potentiell alle 23 Millionen Einwohner in Taiwan hätten aufnehmen können. Aber alle diese Regeln galten nur prinzipiell. Denn manchmal kam es zu Überschneidun- gen zwischen den nichtkommunistischen Parteien bei der Mitgliederaufnahme. Wenn es nun zu einem solchen Konflikt kam, wurde dieser mittels Vorschlägen durch die KPCh bzw. mit Hilfe von „politischen Konsultationen“ gelöst.

Weil die Mitgliederzahl bei den DP nach 1978 allmählich stieg, legte ihnen die KPCh, aus Angst vor deren fortschreitender Ausweitung, Beschränkungen auf.68 Die AZE der KPCh ver- langte sogar, daß die DP pro Jahr nicht mehr als fünf Prozent der jeweils aktuellen Mitglieder- zahl neu aufnehmen durften. Außerdem wurde ihnen nur in den großen- und mittelgroßen Städten – und nicht etwa in den Landkreisen – erlaubt, ihre Organisationen zu gründen und aufzubauen, um neue Mitglieder zu werben. Die KPCh verbot daneben den DP jede Form von Anwerbeaktivitäten, vor allem in den Bereichen der Armee, der öffentlichen und staatlichen Sicherheit, der Außenpolitik, der Institutionen der KPCh sowie in denen der Parteizeitungen. Mitte der 1990er Jahre bestimmte die AZE der KPCh, daß auch Rundfunk und Fernsehen zu den Bereichen gehören sollten, die für die Mitgliederaufnahme den DP verboten sind.69 Die DP durften seitdem ihre Parteiorganisationen nur in den Großstädten von insgesamt 29 Pro- vinzen fördern und entwickeln. Ferner ist es ihnen weder in Hongkong noch in Macau erlaubt, neue Mitglieder aufzunehmen. In den von nationalen Minderheiten beherrschten Gebieten dürfen sie zwar neue Mitglieder in den Großstädten der Provinz Xinjiang sowie der Inneren Mongolei aufnehmen, aber für die ganze Region Tibet herrscht bis heute ein absolutes An- werbeverbot. 70 Die Beschränkungen der parteiorganisatorischen Entwicklungsmaßnahmen und die oben genannte Einteilung in verschiedene Mitgliedergruppen werden bis heute so praktiziert. So können die DP sich von vornherein kaum zu Massenparteien entwickeln, um mit der KPCh zu konkurrieren.

66 Das Parteiprogramm der SDS v. 1983, in: Yu: ZGMZDP, S.668. 67 Das Parteiprogramm der DST v. 1983, Art.1, in: Yu: ZGMZDP, S.696. 68 Vgl. Xu Shangli: „Dalu minzhu dangpai de youlai yu diwei“ („Der Ursprung und die Stellung der Demokra- tischen Parteien auf dem Festland China“), in: Zhongguo Shibao, 4. Febr. 1996, S.9. 69 Vgl. „Zhonggong xianzhi ba minzhu dangpai kuozhan“ („Die Beschränkung der Ausweitung der acht Demo- kratischen Parteien durch die KPCh“), in: Ming Pao, 16. Sept. 1996, S.A12. 70 Vgl. ebd. 137 Die doppelte Parteizugehörigkeit (KPCh-DP) war und ist für die DP und ihre freie politi- sche Entfaltung jedoch ziemlich problematisch, da die Mitgliedschaften und somit auch die politischen Strömungen und Überzeugungen sich überschneiden. Konkreter gesagt, treten vor allem geheime Mitglieder der KPCh in die DP ein.71 Manche Verantwortliche der DP waren oder sind offenbar geheime Mitglieder der KPCh, so z. B. (1902-1993; als Vorsitzender der Studiengesellschaft des Dritten September), Zai Zimin (als Vorsitzender der DST), und Huang Dingchen (als Mitglieder der GPC).72 Es gibt auch heute noch viele geheime Mitglieder der KPCh innerhalb der DP, die man bisher allerdings weder genau identifizieren noch lokalisieren kann. Nach den Vorschriften der KPCh-Zentrale in be- zug auf das angestrebte Maß der doppelten Parteizugehörigkeit, sollen die geheimen Mitglie- der der KPCh mindestens 35 bis 40 Prozent der gesamten Mitgliedschaft der DP erreichen. Darüber hinaus sollen sie 45 bis 50 Prozent der Mitgliedschaft der Parteizentralen und des Kerns auf höchster Ebene der Provinzorganisationen der DP stellen.73 Die DP fordern regel- mäßig, daß alle geheimen Mitglieder der KPCh aus ihren Parteien austreten sollen. Aber die KPCh hat sich bis heute nicht dazu geäußert. Während Hu Yaobang und Zhao Ziyang in den 1980er Jahren für eine Politik der Unab- hängigkeit der DP gestimmt hatten, ist diese Tendenz nach 1989 deutlich zurückgegangen. Die KPCh schickt immer mehr geheime Mitglieder ins Lager der DP, die dort in die Füh- rungsspitze aufsteigen.74 Die Stellung der Parteiführer der DP ist von der Unterstützung durch die KPCh abhängig. Sogar jeder Führungswechsel innerhalb der DP wird erst durch die Zustimmung der KPCh verwirklicht. So entsteht eine tiefe Kluft zwischen den jungen und den alten Mitgliedern der DP. Während die alten Parteiführer der DP immer noch ihre Loyalität gegenüber der KPCh unter Beweis stellen, streben die jungen Mitglieder die vollständige Unabhängigkeit an.75 Ob die jüngeren Kräfte innerhalb der DP stark genug sein werden, um eine echte Opposition zu entwickeln, ist eine offene Frage.

71 Nach einer Rede von Qian Jiaju, dem berühmten chinesischen Wirtschaftswissenschaftler und dem ehemaligen Vizevorsitzenden der DLC. Siehe „Dalu bu shihe gao fanduidang“ („China ist noch nicht reif, eine Opposition zu bilden“), in: Lianhe Bao, 21. Okt. 1988, S.9. 72 Vgl. He: MYLH, S.37. 73 Vgl. „Fei gong xiao dangpai yaoqiu duli bing canxuan renda“ („Die kleinen nichtkommunistischen Parteien verlangen Unabhängigkeit und Teilnahme an den Wahlen des Nationalen Volkskongresses“), in: Zili Zaobao, 10. Jan. 1997, S.2. 74 Vgl. Xing Fa: „Cong jingji bianhua tachu minzhu zhi lu“ („Die Wirtschaftsveränderung führt zum Weg der Demokratie“), in: Cheng Ming, April 1998, S.58. 75 Vgl. Seymour: AHCL, S.292. 138 Seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik von 1979 spielen die sozialen Gruppen eine zunehmend wichtigere Rolle, darunter vor allem die „Nationale Vereinigung der Industriellen und Kaufleute“ (NVIK). Gegründet wurde die NVIK im Oktober 1953 zuerst von staatlichen, privaten und gemischt staatlich-privaten Unternehmen sowie von Genossenschaften, Hand- werkern, Straßenhändlern, von Wissenschaftlern sowie von Spezialisten, die in Wirtschaft und Handel in größerem Umfang zur Entwicklung beigetragen hatten.76 Sie wurde anfangs als einheitliche, nichtstaatliche und wirtschaftliche Vereinigung bezeichnet.77 Nach 1978 stieg die Mitgliederzahl der NVIK rasch an. Bis Ende 1988 entstanden 1495 Niederlassungen, die oberhalb der Kreisebene lagen.78 Weil schon damals viele Industrielle und Kaufleute aus Hongkong, Macau und Taiwan in China investierten, wurde die NVIK zu einem sich rasch entwickelnden und damit auch zu einem sehr einflußreichen Teilnehmer der PKCV. Wegen ihrer politisch-gesellschaftlichen Wichtigkeit änderte sich sogar ihre Qualität nachhaltig. Sie entwickelte sich zu einer Massenorganisation in China, die neben den DP auch als politische Partei betrachtet wird.79 Sie wird bis heute häufig in einem Atemzug mit den DP genannt und tritt auch gemeinsam mit ihnen in Sitzungen auf. Sie ist auch die einzige Gruppe mit einer deutlich politischen Färbung, die ausnahmsweise ihre Organisation in Tibet einrichten und entwickeln darf.

Durch gezielte Vergabe finanzieller Mittel an die DP ist die KPCh in der Lage, folgende Bereiche zu kontrollieren: „[To] determine a person’s salary, housing, medical care, chil- dren’s education, permission to travel, access to rationed commodities, and more.“80 Solche Maßnahmen haben größere Auswirkungen in einem sozialistischen und planwirtschaftlichen Staat als jede Gewaltandrohung. Aber es wird stets geheim bleiben, in welchem Umfang die KPCh die DP finanziert. Die Renmin Ribao bestätigt, daß die AZE nicht allein die DP, son- dern auch den Bau von Bürogebäuden für die DP finanziert,81 so daß eine tatsächliche Un- abhängigkeit dieser Parteien nur schwer aufrechtzuerhalten ist. Die „Gemeinwohl“-Partei Chinas ist die erste Partei in der Geschichte der VR China überhaupt, die Ende 1988 offen

76 Vgl. Ren Tao u.a. (Hrsg.): Zhongguo renmin zhengxie cidian (Lexikon der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes), Zhangjiakou 1990, S.193. 77 Vgl. ebd. 78 Vgl. ebd. 79 Vgl. : „Gongshang lian gongzuo bixu jiang zhengzhi“ („Die Aufgabe der Nationalen Vereinigung der Industriellen und Kaufleute ist, über die Politik zu sprechen“), in: Renmin Zhengxie Bao, 6. Aug. 1996, S.2. 80 Perry Link: „Intellectuals and Cultural Policy After Mao“, in: A. Doak Barnett / Ralph N. Clough (Hrsg.): Mo- dernizing China. Post-Mao Reform and Development, Boulder 1986, S.95 f. 81 Vgl. „Woguo ge minzhu dangpai gongzuo kongqian huoyue“ („Die Arbeit der Demokratischen Parteien ist beispiellos aktiv“), in: Renmin Ribao, 24. Sept. 1986, S.1. 139 versucht hatte, die finanzielle Unterstützung der KPCh abzulehnen.82 Zugleich wollte sie auch den Standardausdruck „unter Führung der KPCh“ in ihrem Parteiprogramm endlich loswer- den, um eine wirkliche Unabhängigkeit zum Ausdruck zu bringen.83 Aber es ist ihr nicht ge- lungen. Im bisher gültigen Parteiprogramm muß die GPC den Führungsanspruch der KPCh bedingungslos formal anerkennen.

1.4 Innere Kontrolle: Politische Erziehung

Seit der Gründung der VR China gibt es für Intellektuelle regelmäßig sogenannte „Um- schulungsmaßnahmen“. Diese haben das Ziel, durch die Sozialisation einen „neuen Men- schen“ mit sozialistischer Weltanschauung zu schaffen. Anfang der 1950er Jahre war der ein- geschlagene Kurs bei der Umschulung der Intellektuellen nicht besonders streng. Während der Anti-Rechts-Kampagne von 1956/57 und auch während der Kulturrevolution fand die Umschulung häufig im Zuge politischer Kampagnen statt. Seit Beginn der Reformpolitik be- tont die KPCh weiterhin die Stärke und Wichtigkeit der „sozialistischen Moral“ als Antwort auf die westlichen Moralvorstellungen. Vor allem nach 1989 glaubte die KPCh, daß in den 80er Jahren die sozialistische Moral nicht annähernd so stark gefördert und etabliert wurde wie das gesamte Wirtschaftsaufbau- programm, so daß es gewissermaßen aus ihrer Sicht als logische Konsequenz zu der Studen- tenbewegung von 1989 kam. Aufgrund dieser Erfahrung bezeichnete die KPCh die bisherige „sozialistische Moral“ als Ausdruck einer „weichen Zivilisation“. Sie bildete mit der soge- nannten „harten Zivilisation“, welche sich im Wirtschaftsaufbau widerspiegelte, zusammen eine „doppelte Zivilisation“. Deswegen forderte die KPCh eindringlich, daß fortan „beide Hände hart sein sollen“, daß also materieller und geistiger Aufbau während der Reformperio- de als gleich wichtig zu betrachten seien.84 Das Konzept der „sozialistischen Moral“ in den 1990er Jahren setzte das alte Konzept der „Umschulungsmaßnahmen“ als Richtlinie für den modernen chinesischen Menschen fort. Der KPCh ist es gelungen, die Moral zu politisieren, so daß diese nur noch ein kleines „Anhäng-

82 Die „Gemeinwohl“-Partei Chinas ist die einzige nichtkommunistische Partei in der VR China, die keine finan- ziellen Schwierigkeiten aufweist, weil die Mehrheit ihrer Mitglieder Beziehungen mit Übersee-Chinesen pfle- gen und daher auch relativ einfach finanzielle Unterstützung aus dem Ausland bekommen kann. Siehe „Zhi- gongdang ju zhonggong butie“ („Die ‚Gemeinwohl‘-Partei Chinas verweigert die Subventionen der KPCh“), in: Lianhe Bao, 10. Dez. 1988, S.3. 83 Vgl. ebd. 84 Vgl. Jiang Zemin: „Nuli kaichuang shehuizhuyi jingshen wenming jianshe de xin jumian“ („Mühsamer Beginn in der neuen Situation des sozialistischen geistigen Zivilisationsaufbaus“) v. 10. Okt. 1996, in: SSDWXXB, Bd. 3, Peking 1999, S.2072ff. 140 sel“ der Ideologie darstellt.85 Seitdem wird die moralische Erziehung zwar nicht unbedingt mit Hilfe politischer Kampagnen in Angriff genommen, aber Parolen, Versammlungen und kollektiver Dienst führen zu ähnlichen Ergebnissen. In der moralischen Erziehung legt die KPCh eher Gewicht auf die Politik statt auf die Moral, eher auf den Kollektivismus statt auf den Individualismus, eher auf die äußere Regelung statt auf die innere Regelung und auf das Formale statt auf den Inhalt.86 Die „sozialistische Moral“ stellt sich schließlich nur als ein Modell für korrektes Verhalten dar. Die chinesische Bevölkerung vernachlässigt die sozialistische Moral weiterhin, da der be- schleunigte soziale Wandel mit der schnellen Wirtschaftsentwicklung zur neuen Wertorien- tierung der Gesellschaft führt. Die KPCh kann daher nur ihren Parteimitgliedern und den Par- teiführern der DP mittels politischer Erziehung eine sozialistische Moral aufzwingen. Nach dem Verständnis der KPCh hängt der Erfolg bei der Bekämpfung der „friedlichen Umwand- lungen“ von ihrer Fähigkeit und Geschicklichkeit bei der Indoktrination der Bevölkerung ab. Die Gruppen der Intellektuellen und Studenten sind davon ebenso betroffen wie hochrangige Politiker der DP. Vor allem für die Parteiführer der DP und die einflußreicheren Parteilosen der PKCV gibt es eine Sonderinstitution für die politische Erziehung. Das im Oktober 1956 gegründete „Sozialistische Institut“ war der Vorgänger des „Zentra- len Sozialistischen Instituts“. Es wurde für die Führungsspitzen der nichtkommunistischen Parteien eingerichtet, um die Weltanschauung der KPCh zu vermitteln, und den Marxismus- Leninismus sowie die Mao-Zedong-Ideen zu lehren. Die Lehrer wurden von der PKCV be- stimmt und eingesetzt. Seit 1961 trägt es den heutigen Namen.87 Das „Zentrale Sozialistische Institut“ wurde damals ähnlich aufgebaut wie die zentrale Parteischule der KPCh, war jedoch nur für diejenigen bestimmt, die nicht der KPCh angehörten. Während der Kulturrevolution wurde die Auflösung des Instituts erzwungen. Bis zum Februar 1982 beschloß die KPCh, die- ses wiederherzustellen. In dem am 30. Dezember 1989 von der KPCh-Zentrale angekündigten Beschluß „Ansicht der KPCh-Zentrale“ (siehe III 4.2) wurde das „Zentrale Sozialistische Institut“ als ständige Einrichtung und als vereinigte Parteischule aller DP-Parteiführer und wichtiger Parteilosen fest vorgeschrieben.88 Die KPCh garantiert bis heute somit die Qualität der Lehre und die Sicherung der Finanzierung des „Zentralen Sozialistischen Institutes“. Das „Zentrale Sozialistische Institut“ bietet seinen Kursteilnehmern drei wichtige Lehrpro- gramme an: (1) die grundlegende Theorie des Marxismus-Leninismus, (2) die Theorie und die

85 Vgl. Cheng Mo: „Daode bixu yu zhengzhi fenjia“ („Moral muß sich von Politik trennen“), in: Cheng Ming, Jan. 1998, S.43. 86 Ebd., S.44. 87 Vgl. Qian Jiaju: Qishi nian de jingli (Siebzigjährige Erfahrung), Hongkong 1986, S.231. 88 Vgl. DDHZZYJ, S.1. 141 Praxis der Einheitsfront zusammen mit der Geschichte der DP und (3) die Diskussion über die Arbeit der KPCh.89 Die KPCh versucht die allmählich ausgehöhlte marxistisch-leninistische Ideologie und die nicht mehr wirklich aktuellen Mao-Zedong-Ideen dennoch als offizielle Ideologien weiterhin bestehen zu lassen. Die Nichtkommunisten müssen an diesen Kursen teilnehmen und sich in Marxismus und in Mao-Zedong-Ideen schulen lassen. Die KPCh ist bestrebt, die Ideologie der DP-Parteiführer weiterhin zu kontrollieren.

89 Vgl. Sun Xiaocun: „Ban hao minzhu dangpai he wudangpai renshi de lianhe dangxiao“ („Die Vereinigte Par- teischule der Demokratischen Parteien und der Parteilosen [muß] gut verwaltet werden“), in: Renmin Ribao, 19. März 1990, S.5. 142 2 Politische Mobilisierung zur Integration der sozialen Kräfte

Seit dem Ende der 1970er Jahre bemüht die KPCh sich um wirtschaftliche Reformen. In der VR China können diese Reformen nur durchgesetzt werden, wenn es gelingt, die Unter- stützung der Bevölkerung zu bekommen.1 Angesichts der aus den Massenbewegungen resul- tierenden allgemeinen Erschöpfung und der Ideologiekrise nach der Kulturrevolution, wollte die KPCh nun einen anderen Weg einschlagen. Daraus folgte, daß die DP als Vermittler zwi- schen der KPCh und der Bevölkerung im Vordergrund standen. Die Mobilisierung der DP hatte von Anfang an eine politische Bedeutung: die Einbeziehung aller sozialen Kräfte als Voraussetzung für die beiden Hauptziele („Wirtschaftsentwicklung“ und „Wiedervereini- gung mit Taiwan“). In diesem Kapitel wird genauer behandelt, auf welche Weise die KPCh die DP unter Zuhilfenahme von Nationalismus und „Einheitsfront“ mobilisiert.

2.1 Politische Mobilisierung, Nationalismus und „Einheitsfront“

2.1.1 Neuer Typ der politischen Mobilisierung

Nach der Machtübernahme haben die kommunistischen Parteien häufig Massenbewegun- gen eingesetzt, um ihre Utopien zu verwirklichen. Folglich manipulierte die Führungsspitze Gesellschaft, einzelne Personen und Institutionen.2 Richard Lowenthal nennt dies „politically forced development“.3 Deswegen werden die sozialistischen Systeme auch als „Systeme der Mobilisierung“ bezeichnet.4 Unter dem chinesischen Wort „Yundong“ versteht man Bewegung bzw. Massenbewegung. Gordon A. Bennett definiert „Yundong“ folgendermaßen: „a Chinese yundong is a govern- ment-sponsored effort to storm and eventually overwhelm strong but vulnerable barriers to the progress of socialism through intensive mass mobilization of active personal commit- ment.“5 Nach der Definition der KPCh beziehen sich die Massenbewegungen auf die Aktivi- täten, an denen viele Menschen zur Erreichung bestimmter Ziele in bestimmtem Umfang und mit bestimmter Zeitdauer beteiligt sind.6

1 Vgl. Nathan: Chinese Democracy, S.193. 2 Vgl. Jowitt: Inclusion and Mobilization, S.93ff. 3 Vgl. Richard Lowenthal: „Development vs. Utopia in Communist Policy“, in: Chalmers Johnson (Hrsg.): Change in Communist Systems, Stanford 1970, S.34f. 4 Vgl. Zhao: DDZG, S.174. 5 Gordon A. Bennett: Yundong: Mass Campaigns in Chinese Communist Leadership, China Research Mono- graphs No. 12, Berkeley 1976, S.18. 6 Vgl. Zhao: DDZG, S.174. 143 Die Geschichte der VR China weist in ihrer Entwicklung eine gewisse Kontinuität auf, die sich verselbstständigt hat: „Continuing the revolution through mass campaigns reinvigorated the Party’s revolutionary ideology, legitimized the Party’s unified leadership, and defined the Party’s organizational purpose.“7 In diesem Sinne wurden die Massenbewegungen allmählich zu einem unverzichtbaren Mechanismus der „political reproduction“, der zur Stärkung des tri- angulären Systems – bestehend aus Führung, Revolutionsideologie und parteilicher, organisa- torischer Kontrolle – diente.8 In der Mao-Zeit war China ein typisches System der Mobilisierung. Regelmäßig wurden politische Bewegungen und Massenmobilisierungen von der KPCh eingesetzt. Die Ziele der Massenbewegungen waren in dieser Zeit vielfältig und nicht nur wirtschaftlicher Natur, son- dern vor allem politisch und sozial motiviert.9 Durch die Mobilisierung versuchte die KPCh, die unzureichende ideologische Erziehung, Propaganda und Kontrolle zu ergänzen.10 Für die chinesischen Kommunisten stellte die Mobilisierung lediglich ein Instrument dar, welches für die Intensivierung der Bindung zwischen Staat und Bevölkerung von immenser Wichtigkeit war.

Die sozialistischen Systeme sind während ihrer Frühphase mobilisierende Systeme, die von politischen Massenbewegungen und staatlicher Wirtschaftskontrolle abhängen, um eine hohe Stufe der Industrialisierung zu erreichen. Aber solche politischen Systeme können nicht immer die revolutionäre Stimmung und Gesinnung aufrechterhalten. Die eigene Bevölkerung ist irgendwann schließlich erschöpft und enttäuscht über das Ausbleiben der utopischen Vi- sion. Angesichts der zunehmenden Widersprüche zwischen ideologischen Symbolen und po- litischen Notwendigkeiten ergibt sich die „Entradikalisierung“11 oder die „institutionalisierte Revolution“ („institutionalized revolution“)12. Das heißt, die sozialistischen Systeme gehen allmählich von einer revolutionären zu einer institutionell-orientierten Phase über. Die revo-

7 Zheng: Party vs. State, S.262. 8 Vgl. ebd., S.262f. 9 Vgl. Y. C. Ambrose King: „Minli dongyuan yu jingji jianshe zhu wenti“ („Fragen zur Mobilisierung der bürgerlichen Kräfte und zum wirtschaftlichen Aufbau“), in: Ders.: ZGMZ, S.135. Vgl. auch Zhao: DDZG, S.174. 10 Vgl. Zhao: DDZG, S.175. 11 Die Phase der „Entradikalisierung“ in der Sowjetunion nach der Stalin-Zeit hatte folgende Merkmale: (1) Das politische System befand sich sowohl innen- als auch außenpolitisch in einer Krisensituation; (2) Das politi- sche System tendierte dazu, sich an die bestehende Situation anzupassen, aber nicht die Ideologie zu vernach- lässigen; (3) Die Doktrintaktiken, also die offiziellen Methoden, wurden revidiert, um die ultimativen Ziele zu erreichen; (4) Konflikte wurden wegen der Doktrinveränderung ausgelöst. Siehe Robert C. Tucker: „The De- radicalization of Marxist Movements“, in: The American Political Science Review, Vol. LXI, No. 2, June 1967, S.354-357. 12 Richard Lowenthal: „The Post-Revolutionary Phase in China and Russia“, in: Studies in Comparative Com- munism, Vol. XVI, No. 3, Autumn 1983, S.191-201. 144 lutionäre Partei, der charismatische Führungstyp, der Klassenkampf und die schnellen Um- wandlungen der jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Ordnung durch Massenbewegun- gen werden abgelöst von bürokratischer Oligarchie sowie regelgebundenen Entscheidungen und Einparteiendiktatur.13 Deswegen trägt der neue Typ der Mobilisierung die Bezeichnung „institutionalisierte Mobilisierung“. Die „institutionalisierte Mobilisierung“ hat in Hinsicht auf Dauer und Funktion folgende Merkmale: „(1) temporarily intensify coercive and normative incentives; (2) vary from region to region in timing, intensity, and scope; (3) last for limited, predictable periods of time (often specified at the outset); (4) have as their primary goal behavioral control or ‚practical results‘, not attitudinal or cultural change; (5) have a diminished scope of mass participation in favor of narrow mobilizations of the target population; and (6) utilize extensive propaganda to shape public sentiment, but discourage disruptive mobilizational activities beyond the target population in order to insulate the project from economic production and other reform initiatives“.14 Es ist eine umstrittene Frage bei Wissenschaftlern, ob die sozialistischen Systeme nach der sogenannten „Entradikalisierung“ weiterhin die Massenbewegungen einsetzen.15 Es ist deut- lich, daß solche Systeme in der postrevolutionären Phase Massenbewegungen sowohl im ihren Umfang, in ihrer Intensität als auch in ihrer Häufigkeit reduzieren. Aber ihr Wesen bleibt unverändert.

Die „Entradikalisierung“ fand in der VR China nach der Mao-Zeit statt. Seit den 1980er Jahren ist durch die KPCh jede Verwendung des politischen Begriffs „Yundong“ angesichts seiner verheerenden und zerstörerischen Wirkung verboten. 16 Aber die Reform- und Öffnungspolitik seit 1979 stellt im Grunde auch eine „Bewegung“ dar, nur mit dem Unter- schied, daß sie eben nicht „Bewegung“ genannt wird,17 denn sie übernimmt den wirtschaft- lichen Gewinn als Triebkraft und große Leistungen als Motivation.18 Die KPCh fördert diese „Bewegung“ mit den üblichen rigorosen Maßnahmen, bestehend aus Parolen, Propaganda und Mobilisierung.19 Im Hinblick auf die ausgehöhlte Ideologie und die geschwächte organisatori-

13 Vgl. ebd., S.200f. Vgl. auch Zhao: DDZG, S.174. - White: Postrevolutionary Mobilization, S.76 14 White: Postrevolutionary Mobilization, S.62f. 15 Vgl. Zhao: DDZG, S.173f. Vgl. auch White: Postrevolutionary Mobilization, S.57. 16 Vgl. Yang Kaihuang: „Aiguozhuyi yundong zhonggong de xin fabao“ („Die patriotische Bewegung: Das neue Zaubermittel der KPCh“), in: Lianhe Bao, 3. Okt. 1999, S.15. 17 Vgl. ebd. 18 Vgl. ebd. Vgl. auch Nathan: TAD, S.247. 19 Vgl. Yang: AZYZXF, S.15. 145 sche Kontrolle leitet die KPCh bis heute jedoch diese Bewegung nicht mehr alleine, vielmehr wirken die DP und die Massenorganisationen mit. Angesichts fehlender materieller und menschlicher Ressourcen sowie wegen des Verzichts auf Zwangsmethoden und der zunehmenden Anwendung institutioneller Formen, verändert sich die Mobilisierung in der Post-Mao-Zeit zum Typ der institutionalisierten (begrenzten) Mobilisierung.

2.1.2 Nationalismus als Ideologie der politischen Mobilisierung

Der Begriff „Ideologie“ ist im Laufe der Geschichte stets auf verschiedene Weisen ge- braucht worden. Er wird bis in die Gegenwart hinein als Bezeichnung für eine Reihe von Ideen im Dienste von Gruppen- oder Klasseninteressen – wie z.B. bei den kommunistischen Parteien – verwendet. Angesichts der marktwirtschaftlichen Neuorientierung und des Zu- sammenbruchs der sozialistischen Systeme in Osteuropa mußte die KPCh nach einer neuen Ideologie suchen, zum einen um ihr politisches System weiter zu legitimieren und zum ande- ren um Interesse und Begeisterung der Bevölkerung für die Teilnahme an vielfältigen öffent- lichen Aktionen (z.B. Wirtschaftsreformen und Kampagnen gegen Korruption) zu wecken. Daraus resultiert das Aufkommen des Nationalismus als neue Ideologie, die den Vertrauens- verlust gegenüber dem Marxismus-Leninismus ausgleichen soll. Der Nationalismus scheint sich dafür gut zu eignen, da er nicht nur die Schaffung einer neuen nationalen Identität garantiert, sondern auch öffentliche Diskussionen zur Erhaltung des politisch-gesellschaftlichen Zusammenschlusses möglich macht.20 Die KPCh kann somit poli- tische Mobilisierungen durch Appelle an das eigene Nationalbewußtsein einleiten und sogar rechtfertigen, um dann eine Richtung zu entwickeln und zu begünstigen, die ihr genehm ist.

Nach genuin marxistischer Auffassung ist die Verwirklichung des Kommunismus erst nach der Abschaffung des Staates überhaupt denkbar und möglich. Der Nationalismus wird dabei sogar als vollkommener Gegensatz zum Kommunismus definiert und angesehen. Es scheint nicht plausibel zu sein, daß sich beide diametral entgegenstehenden Ideologien in einem sozialistisch orientierten Staatsgebilde miteinander verbinden können. Um den Ausdruck „Nationalismus“ in sozialistischen Staaten zu verstehen, muß man sich den Unterschied zwischen „Nationalismus“ und „Patriotismus“ klarmachen:

20 Vgl. Pye: An Overview, S.574. Vgl. auch Steffen Meder: China im 21. Jahrhundert. Regional- oder Welt- macht?, München 2000, S.45. - Rüdiger Machetzki: „Ostasien: Unverändert auf Erfolgskurs?“, in: Werner Draguhn (Hrsg.): Das Asiatisch-Pazifische Jahrhundert. Mythos - Bedrohung - Chance? Hamburg 1998, S.21. 146 „Nationalismus“ wird im allgemeinen als eine Ideologie definiert, die auf der Grundlage eines bestimmten Na-tionalbewußtseins den Gedanken der Nation und des Nationalstaates militant nach innen und außen vertritt.21 Dagegen beinhaltet der „Patriotismus“ besonders im Westen die emotionale Seite der Volkszugehörigkeit, also die Liebe zur Heimat, zum Vaterland, vermischt mit der Verehrung und gefühlsmäßigen Hingabe an Traditionen, Werte und historisch-kulturelle Leis-tungen des eigenen Volkes bzw. der eigenen Nation. Er richtet sich primär nach dem jewei-ligen Staatswesen und unterscheidet sich vom Nationalismus, bei welchem es stärker um die Interessen eines Volkes oder einer Nation geht. In der moderneren Zeit sind die Übergänge zwischen beiden fließend.22 Zwar taucht der Begriff „Patriotismus“ in den sozialistischen Ländern relativ häufig auf, aber dieser wird ideologisch mit dem Begriff „Nationalismus“ eng verbunden und manchmal sogar gleichgesetzt. Die meisten sozialistischen Länder haben den Begriff „Patriotismus“ statt den des „Nationalismus“ übernommen. Sie erklären sich selbst nicht zu Nationalisten, son- dern vielmehr zu Internationalisten, da gerade der „Nationalismus“ für die Kommunisten ein negativ behafteter Begriff ist. Für die KPCh ist der Begriff „Nationalismus“ unmittelbar mit dem Begriff Bourgeoisie verbunden: „Nationalism is a bourgeois principle and policy toward the nationality problem and national relations. […] the bourgeoisie obliterate class contradictions; consider them- selves the representative of the whole nationality; place the interests of their own nationality, in fact, the interests of the bourgeoisie of their nationality, over those of other nationalities; incite the people to reject, discriminate, or even oppress and plunder other nationalities; and try to replace the class struggle with a national struggle so as to maintain their own rule and seek their own interests.“23 Die KPCh sieht die Entstehung des Nationalismus und die daraus resultierenden Probleme zwischen den Nationen aus demselben Ausgangspunkt und Blickwinkel wie Lenin: „Lenin pointed out that it was necessary to distinguish the nationalism of the oppressed nations from that of oppressor nations, and also that of large nations from that of small nations. In the mo- vement to resist feudal foreign rule and strive for national independence in the periods when capitalism is on the rise; the national liberation movements of modern colonial and semi-colo- nial nations; and the struggle against imperialist and hegemonist aggression, the bourgeoisie have allowed nationalism to play a positive role so long as their own interests are enhanced. […] The imperialists and colonialists regard nationalism as an ideological instrument for in-

21 Vgl. Dorothea Weidinger: Nation – Nationalismus – Nationale Identität, Bonn 1998, S.128. 22 Vgl. ebd. 23 Chou Yu-sun: „Nationalism and Patriotism in China“, in: Issues & Studies, Vol. 32, No. 11, Nov. 1996, S.78. 147 vasion and expansion. In defence of their own policy of oppressing other nations and their initiation of aggressive wars, they advocate national discrimination and incite national hosti- lity. The proletariat support the positive nationalism of oppressed nations and oppose the re- actionary nationalism of the oppressor nations. The principle of the proletarian political par- ties in addressing the nationality problem is internationalism, not nationalism. They hold that all nationalities are equal and have the right to self-determination and that the proletariat of all nationalities should unite.“24 Diese Theorie Lenins wird heute als Strategie verstanden, um den Imperialismus mit dem Kapitalismus gleichsetzen zu können, so daß am Ende der Nationalismus und der Kommunis- mus gleichwertig dastehen.25 Die chinesischen Kommunisten bezogen ihre Kraft in der Ver- gangenheit weder aus dem „Internationalismus“ noch aus dem utopischen „Zusammenschluß der Proletarier aller Länder“, sondern mit Hilfe des propagierten „Nationalismus“, insbeson- dere während des Krieges gegen die japanische Aggression.

Die KPCh versucht derzeit, ihre Regierungsgewalt durch die enge Verbindung mit dem chinesischen Patriotismus zu konsolidieren. Ihre Definition lautet demnach folgendermaßen: „Patriotism is loyalty and love for the motherland. Mao Zedong pointed out that the specific content of patriotism is determined by historical conditions. The patriotism of the exploiting class is narrow and has class limitations, but it has positive significance under specific condi- tions. […] The so-called patriotism of the imperialists and hegemonists is in essence national egoism and chauvinism in the service of hegemonist, invasive, and war policies. The proleta- riat’s patriotism integrates with internationalism and proceeds from the common fundamental interests of the people of their own country and those of world countries.“26 Nach der bis heute gültigen Definition der KPCh ist der Patriotismus (Aiguozhuyi) jedoch nicht von Proletariat, Internationalismus und Sozialismus zu trennen. Die KPCh kritisiert be- sonders den Nationalismus, weil sie in ihm gleichzeitig eine logische Verbindung zum Impe- rialismus sieht. In dieser Arbeit wird dennoch der Begriff „Nationalismus“ – anstelle von „Patriotismus“ – als Oberbegriff verwendet, da der Inhalt des „Patriotismus“ in der VR China de facto nicht von dem des „Nationalismus“ zu unterscheiden ist.

24 Ebd., S.78f. 25 Vgl. ebd., S.84. 26 Ebd. 148 Der chinesische Nationalismus resultiert aus einer Mischung von Erniedrigung und Stolz.27

Das kollektive Gedächtnis bezüglich der nationalen Rückschläge bei den Angriffen durch ausländische Mächte von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bildete bei der

Mehrheit der Chinesen ein verletztes Würdegefühl aus. Ein solches Gefühl war und ist bei den chinesischen Intellektuellen besonders stark vorhanden. Von Sun Yat-Sens Parole „den ei- genen Entwicklungsrückstand zu anderen Ländern aufholen“ („Yingtou ganshang“) bis hin zu

Mao Zedongs „Das chinesische Volk erhebe sich!“ wurde ein Weg gesucht, das kollektive

Gedächtnis von den negativen Erinnerungen an die Rückschläge zu befreien und diese zu

überwinden.28 Das Herrschaftssystem der KPCh ist darum eng mit dem Mao-Zedong-Aufruf verbunden. Obwohl die KPCh mit vielen Rückschlägen und Fehlern in ihrer Geschichte kon- frontiert worden ist, bezog und bezieht sie doch gerade aus diesem Aufruf ihr unerschütter- liches Selbstbewußtsein.

Der Nationalismus wird als eine Quelle der Legitimation betrachtet. Er gehört aber kaum zu den Kategorien von Max Webers „Legitimität“. Nach rein rationalen Regeln ist der Na- tionalismus sehr schwer zu beurteilen.29 Er wird dennoch häufig und wirkungsvoll von den politischen Führern für ihre Interessen ausgenutzt.30 Frederick C. Teiwes sagt dazu: „And while many nationalist leaders have genuine charisma, nationalist appeals have also been manipulated by the most uninspiring types.“31 Bis zu einem bestimmten Grade werden na- tionale politische Führer gewissermaßen eins mit der Nation,32 d.h. die Loyalität eines Volkes dem Staat gegenüber wird in vielen Fällen auf sie übertragen. Schon im April 1957 hatte Liu Shaoqi vor Kadern in Shanghai eine Grundsatzrede gehalten: „Who represents the state to-day? [...] You represent the state. Naturally that includes me, too; we […] represent the state, the Communist Party represents the state.“33 In der VR China wird die Partei folglich als mit dem „Staat“ oder der „Nation“ (oder dem „Volk“) identisch betrachtet. Wie oben schon er-wähnt,

27 Vgl. Paul Dibb: Towards a New Balance of Power in Asia, Oxford 1995, S.22. 28 Vgl. Yang: AZYZXF, S.15. 29 Nach dem anderen Argument hängt der Nationalismus mit der traditionalen und charismatischen Autorität zusammen. Vgl. Teiwes: LLC, S.53f. 30 Vgl. ebd., S.53. 31 Ebd. 32 Vgl. ebd. 33 Stuart R. Schram: „Party Leader or True Ruler? Foundations and Significance of Mao Zedong’s Personal Power“, in: Ders.: Foundations and Limits, S.233. 149 verwendet die KPCh aber häufig den Begriff „Patriotismus“ statt „Nationalismus“. Demzufolge vertritt die KPCh die Ansicht, daß der Patriotismus die höchste vorbildliche Hal- tung für die chinesische Nation und das chinesische Volk überhaupt ist.34 Das heißt auch, daß der Patriotismus mit der Unterstützung der KPCh gleichgesetzt wird. Die Bekämpfung der KPCh bedeutet daher auch die Bekämpfung des Staates, was natürlich unpatriotisch ist. Zusätzlich dient die Tradition dem Nationalismus in vielen Ländern dazu, deren Legiti- mation zu stärken. In China stand der Nationalismus seit Anfang des 20. Jahrhunderts ten- denziell schon immer gegen die eigene traditionelle Kultur.35 Aber seit den 1980er Jahren hat sich diese Tendenz verändert. Das drückt sich darin aus, daß die KPCh mit Hilfe der tradi- tionellen Kultur den chinesischen Nationalismus auf ein stärkeres Fundament zu stellen ver- sucht. Das Erscheinen des Nationalismus in den 1990er Jahren ist eindeutig mit dem Umbruch in Osteuropa und der Auflösung der Sowjetunion verbunden. Der Nationalismus ist als eine ideologische Waffe anzusehen, die lediglich dazu eingesetzt wird, um die gegenwärtige Krise zu meistern. Daher besitzt er eine stark pragmatische Natur.36

Ein Nationalismus, der alle politisch-kulturellen Gruppierungen umfaßt und damit für das Herrschaftssystem eine in hohem Maße integrierende und legitimierende Wirkung erzielt, wird als „inklusiver Nationalismus“ bezeichnet.37 Deswegen besteht kein Zweifel, daß der chinesische Nationalismus zum Typ des „inklusiven Nationalismus“ gehört. Die Frage ist, was mit den Volksgruppen geschehen soll, die eigentlich nicht integriert werden möchten, wie z.B. in Tibet oder Xinjiang. In dem Zusammenhang geht es der KPCh nicht um die völlige Unterdrückung der Tibeter oder Uiguren, sondern um die Bekämpfung des Separatismus, der nach Auffassung der KPCh die staatliche Einheit gefährdet. Der sich seit den 1980er Jahren entwickelnde Nationalismus zeigt, daß im Mittelpunkt stets die Han-Kultur steht. Man be- zeichnet ihn als „kulturellen Nationalismus“,38 der die eigene Geschichte, Kultur und na-

34 Vgl. Jiang: NLKC S.2083. 35 Vgl. Teiwes: LLC, S.53. 36 Vgl. Cai Guoyu: Zhonggong minzuzhuyi de celüexing - zhonggong dui minzuzhuyi de jieshi yu yunyong (Die Strategie des Nationalismus der KPCh - Die Interpretation und die Anwendung der KPCh zu Nationalismus), Taipei 1996, S.40. 37 Vgl. Dieter Nohlen (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, München 2001, S.314. 38 Der Nationalismus weist einige Verzweigungen auf. Diese sind im Einzelnen der politische, der wirtschaftli- che und der kulturelle Nationalismus. Der kulturelle Nationalismus bildet eine Hauptstruktur, die mit Grund- werten, der Ethik und den kulturellen Tendenzen eines Stammes ein Bündnis eingeht, um auf diese Weise die Eigenschaften und Prinzipien der Nation zu standardisieren, womit dann eine Verallgemeinerung von politi- schen Prinzipien und wirtschaftlichen Ideen erreicht werden kann. Die Entwicklung der Nationalstaaten zeigt, daß politischer und wirtschaftlicher Nationalismus bei der Gründung und der Entwicklung eines Staates die Regierungsform sowie den Verteilungsmechanismus mit beeinflussen, und daß kultureller Nationalismus die moralischen Prinzipien und die Ordnungsregeln für das Leben der Stammesgruppen festlegt. Siehe Guo Hong- 150 tionalen Werte betont. Der chinesische Nationalismus entwickelt sich, durch Betonung kul- tureller Besonderheiten und Distanzierung von der marxistischen Orthodoxie, in seiner ex- tremsten Form zum nationalen Chauvinismus.39

Ein Herrschaftssystem kann nur dann gebildet und konsolidiert werden, wenn die eigene Bevölkerung es akzeptiert und unterstützt. Für die Aufrechterhaltung ihres Herrschafts- systems wollte die KPCh lange Zeit die traditionellen Werte durch eigene ersetzen. Im Juli 1983 veröffentlichte die Propaganda-Abteilung der KPCh aber ihre Ansichten und Empfehlungen bezüglich der Stärkung patriotischer Propaganda und Erziehung.40 Seitdem versucht sie, den Kommunismus bzw. Sozialismus mit dem neugewonnenen Patriotismus und der chinesisch-nationalen Kultur zu vermengen. Anfang der 1990er Jahre begann die KPCh sogar noch aktiver als bisher mit der „patriotischen Erziehungskampagne“ (Aiguozhuyi jiaoyu yundong), um den Patriotismus bzw. den Nationalismus im allgemeinen Bewußtsein fester zu verankern.41 Die von der KPCh initiierte „Patriotische Erziehungskampagne“ geht von diesem Punkt aus, um zu einer widerspruchslosen Aufgabenerfüllung zu gelangen. Sie soll vor allem in der Partei, in der Armee und für die DP, die Massenorganisationen sowie die Parteilosen einge-

ji: Wenhua minzuzhuyi (Kultureller Nationalismus), Taipei 1997, S.3f. Harumi Befu definiert hingegen den kulturellen Nationalismus als eine verbale Vertretung der nationalen Identität, und nicht als eine physische. Er stellt ein Phänomen dar, welches zu folgenden Zwecken da ist: „[...] to create, support, and foster national (or supraregional) integration by means of marshalling forth cultural and historical symbols.“ Siehe Arthur Waldron: „Representing China: The Great Wall and Cultural Nationalism in the Twentieth Century“, in: Harumi Befu (Hrsg.): Cultural Nationalism in East Asia. Representation and Identity, Berkeley 1993, S.37f. Vgl. auch Harumi Befu: „Introduction“, in: Ders. (Hrsg.): Cultural Nationalism in East Asia, S.3. - Caroline Rose: „‚Patriotism is not taboo‘: nationalism in China and Japan and implications for Sino-Japanese relations“, in: Japan Forum, 12 (2) 2000, S.170. 39 Die hier von Michael Lackner genannte Distanzierung von der marxistischen Orthodoxie bedeutet nicht, daß die KPCh den Marxismus-Leninismus aufgeben will. Es geht vielmehr darum, daß die KPCh eine andere Ideologie (in diesem fall den Nationalismus) für ihre Ziele instrumentalisiert, ohne sich jedoch vom Marxis- mus-Leninismus loszusagen. Vgl. Michael Lackner: „Konfuzius bei der Staatssicherheit? Die kulturelle Tradi- tion Chinas wird von der Partei in Dienst genommen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Jan. 1990, S.N3. 40 Die Ansichten und Empfehlungen der Propaganda-Abteilung der KPCh wurden wie folgt formuliert: „(1) In the course of socialist modernization, strengthening patriotism propaganda and education to foster and increase the patriotic spirit among the people, especially youths, is a basic item of politico-ideological work which will build a socialist spiritual civilization with Communism at its core. (2) The content of patriotism, the form, scope, and scale of patriotic movements, and the social forces that drive the patriotic movement forward are developing according to changes in historical conditions. (3) Materials for the patriotism propaganda and education should include the motherland’s new achievements; deeds of heroes and advanced collectives; successful construction experiences; the motherland’s scenic spots and historical sites; important historical facts and renowned historical figures; outstanding artists and writers and their works; outstanding scientists and their contributions; cultural relics; historical contributions of various nationalities to the motherland; over- seas patriots; and renowned patriots of foreign countries.“ Siehe Chou: NAPC, S.72f. 41 Vgl. Suisheng Zhao: „A State-Led Nationalism: The Patriotic Education Campaign in Post-Tiananmen Chi- na“, in: Communist and Post-Communist Studies Vol. 31, No. 3, 1998, S.287-302. Vgl. auch Ders.: „Chinese Nationalism and Beijing’s Taiwan Policy: A China Threat?“, in: Issues & Studies Vol. 36, No. 1, Jan./Feb. 2000, S.88f. 151 setzt werden. Die patriotische Erziehung ist auf die Errichtung eines politisch, wirtschaftlich und kulturell vereinigten Nationalstaates ausgerichtet, um zu verhindern, daß die Einflüsse aus dem westlichen Ausland zu groß werden, welche die Grundlage des chinesischen Na- tionalstaates untergraben könnten.42 Dabei wird ein geschärftes Krisenbewußtsein in der Be- völkerung erzeugt, um sie glauben zu machen, daß internationale feindliche Kräfte die terri- toriale Einheit Chinas zerstören wollen, die sich beispielsweise in Hongkong, Macau, Taiwan, Tibet oder in Xinjiang befinden. Das bedeutet, die KPCh will verhindern, daß sich diese Ge- biete von China abtrennen. Zum einen soll so die neue chinesische Identität für die Einigung der Bevölkerung geschaffen werden, zum anderen sollen sich die chinesischen Werte von den westlichen unterscheiden, so daß alternative Konzepte systematisch abgelehnt werden kön- nen.

2.1.3 Die „Einheitsfront“ als „Wunderwaffe“ der politischen Mobilisierung

Die „Einheitsfront“, durch die die KPCh den starken Gegner GMD in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre besiegt hatte, wurde in der Phase der Wirtschaftsentwicklung nach 1979 von der KPCh als „Wunderwaffe“ (siehe III 4.1) weiterhin eingesetzt. Für das von Deng Xiaoping formulierte Ziel der Einheitsfront waren „alle positiven Faktoren ins Spiel zu bringen, nega- tive Faktoren in positive umzuwandeln, alle Kräfte, mit denen ein Zusammenschluß möglich ist, zusammenzuschließen, durch einmütige und gemeinsame Bemühungen die politische Si- tuation der Stabilität und Einheit aufrechtzuerhalten und auszubauen, um China zu einem mo- dernen, starken, sozialistischen Land aufzubauen.“43 Deswegen sollte die Einheitsfront sich darum bemühen, alle nutzbaren Kräfte zusammenzuschließen, alle positiven Faktoren zu mo- bilisieren und die negativen Faktoren, sofern es möglich erschien, zu überwinden.

Die Einheitsfront wird heute „Patriotische Einheitsfront“ genannt. Daß bei der neuen Be- zeichnung für die Einheitsfront zusätzlich der Begriff „Patriotismus“ auftaucht, wirkt sich für die KPCh und den angestrebten Zusammenschluß sogar sehr günstig aus. „Je höher die Fahne des ‚Patriotismus‘ gehoben wird, desto mehr Leute kann man für den Zusammenschluß ge-

42 Vgl. Nayan Chanda / Kari Huus: „The New Nationalism“, in: Far Eastern Economic Review, Vol. 158, No. 45, 9. Nov. 1995, S.21. Vgl. auch Gunter Schubert: „Nationalismus in China - Der liberale Gegentext zum anti- westlichen Etatismus -“, in: Discourses on Political Reform and Democratization in East and Southeast Asia in the light of New Processes of Regional Community, Gerhard Mercator Universität Duisburg, Project Discussion Paper, No. 18 2001, S.13ff. 43 Deng: Eröffnungsrede, S.15. 152 winnen“,44 heißt es folgerichtig. Außerdem ist die Forderung nach einer schnellen (wirtschaft- lichen) Entwicklung des Vaterlandes im wesentlichen der wichtigste Inhalt des neu propagier- ten Patriotismus.45 Die KPCh will mit Hilfe einer schnellen Modernisierung die gesamte Kraft Chinas erhöhen, damit es mit den westlichen hochindustrialisierten Ländern konkurrieren kann. In diesem Sinne geht „Patriotismus“ bzw. „Nationalismus“ mit der Mobilisierung und der Einheitsfront ein enges Bündnis ein.

Die Einheitsfront umfaßte in der neuen Periode nach der Kulturrevolution zehn Gruppen: die DP, namhafte Parteilose, parteilose intellektuelle Kader, ehemalige GMD-Angehörige aus Militär, Partei und sonstige politische Funktionsträger aus GMD-Kreisen, ehemalige In- dustrielle und Geschäftsleute, Angehörige der Oberschicht aller nationalen Minderheiten, pa- triotisch gesinnte religiöse Führer, alle Personen, deren Familien und Verwandte nach Taiwan gegangen sind, die „Landsleute“ aus Hongkong, Macau und Taiwan, und nicht zuletzt auch die aus dem Ausland zurückgekehrten Chinesen sowie die weiterhin im Ausland verbleiben- den sogenannten „Übersee-Chinesen“.46 Ende 2000 sind die in den nichtstaatlichen Betrieben und Unternehmen Beschäftigten so- wie die im Ausland Studierenden – einschließlich der aus dem Ausland zurückgekehrten Stu- dierenden – zusätzlich in die Einheitsfront aufgenommen worden, wodurch sich das Verhält- nis der oben genannten Gruppe der „parteilosen intellektuellen Kader“ zur Gruppe der nicht- kommunistischen Intellektuellen vergrößerte.47 Die zur Einheitsfront gehörenden Gruppen besitzen in der Regel ein umfassenderes Wis- sen und verfügen dementsprechend über ein breiteres Spektrum sozialer Verbindungen. Sie bilden sozusagen das „Lager der Intelligenz“ (Zhiku). Diese Leute stellen wichtige Faktoren für das Programm der „Vier Modernisierungen“ sowie für die Chance einer zukünftigen Wie- dervereinigung mit Taiwan dar.48 Je breiter das Bündnis angelegt ist, so die Auffassung der KPCh, desto günstiger erweist es sich für alle sozialistischen Unternehmungen. Daher ist es nicht entscheidend, welche Partei-

44 : „Xin shiqi de tongyi zhanxian“ („Neue Periode der Einheitsfront“), in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1983, S.19. 45 Vgl. Jiang: NLKC, S.2084. 46 Der Vorschlag der Einteilung der Einheitsfront in zehn Gruppen wurde von Hu Yaobang vorgelegt. Vgl. Yang: XSDTZ, S.18. 47 Vgl. „Beijing jiaqiang tongzhan“ („Peking verstärkt die Einheitsfront“), in: Zhongyang Ribao (Übersee Aus- gabe), 11. Dez. 2000, S.7. 48 Vgl. Yang: XSDTZ, S.18. 153 en, Gruppierungen oder Personen an diesem Bündnis beteiligt sind. Solange sie alle nur mit den Zielen der KPCh konform gehen, ist diese bereit, sich mit ihnen zusammenzuschließen.49 Im Grunde bestehen die Gruppen innerhalb der Einheitsfront aus zwei Blöcken: Zum einen aus dem Bündnis zwischen Bauern und Arbeitern auf dem Festland China, wobei die „Intel- lektuellen“ den Arbeitern zugerechnet werden; und zum anderen aus dem Block der „Lands- leute“ aus Hongkong, Macau sowie Taiwan einschließlich der „Übersee-Chinesen“. Die Erst- genannten machen jedoch den Hauptteil der Einheitsfront aus. Die KPCh konzentriert ihre Ar- beit zuerst auf die Sicherung des ersten Blocks. Wenn er stabil ist und geschlossen hinter der KPCh steht, wird diese erst den letztgenannten zahlenmäßig verstärken. Die KPCh bildet den Kernpunkt der Einheitsfront; d.h. die KPCh besitzt hier wieder die Führungsmacht.50 Nach der Interpretation der KPCh besteht die Basis der Einheitsfront aus Unterstützern des Sozialismus.51 Dies ist von ihr sehr geschickt formuliert, da sie den Patriotismus mit dem So- zialismus gleichsetzt. Die Chinesen, vor allem aus Hongkong, Macau und Taiwan, die zwar dem Sozialismus ihre Unterstützung versagen, aber für die Wiedervereinigung Chinas eintre- ten, betrachtet die KPCh ebenfalls als geeignete Gruppen für das große Bündnis. Nach An- sicht der KPCh ist der Patriotismus gleichsam eine Treppe, die zum Kommunismus führt, so daß echte Patrioten schließlich gute Kommunisten sein werden.52 Die DP, die Massenorgani- sationen und die Parteilosen fungieren als eine Art „Brücke“ zu den Chinesen aus Hongkong, Macau, Taiwan und aus Übersee.53 In Wirklichkeit geht man bei der Verbindung mit diesen „Landsleuten“ von recht pragmatischen Überlegungen aus. Seit den 1980er Jahren wird das zugkräftige Schlagwort „Patriotismus“ von der KPCh instrumentalisiert, um mit möglichst allen Chinesen außerhalb des Mutterlandes ein festes Bündnis eingehen zu können, durch das die Modernisierung vorangetrieben werden soll.

2.2 Die „Demokratischen Parteien“ und die Aufgaben der politischen Mobilisierung

Die Hauptaufgaben der DP in der Einheitsfront, die 1979 von der KPCh vorgegeben wur- den, sind die Verwirklichung der sozialistischen Modernisierung und das Streben nach der

49 Vgl. „Zhonggong zhongyang guanyu jiaqiang tongyi zhanxian gongzuo de tongzhi“ („Mitteilung der KPCh- Zentrale zur Verstärkung der Arbeit der Einheitsfront“) v. 14. Juli 1990, in: Shisan da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XIII. Parteitag der KPCh), Bd. 2, Peking 1991, S.1200. 50 Vgl. ebd., S.1200f. 51 Vgl. Yang: XSDTZ, S.18. 52 Vgl „Cong aiguozhuyi dao gongchanzhuyi“ („Vom Patriotismus zum Kommunismus“), in: Xinhua Yuebao, Nr. 2, 1983, S.20f. 53 Vgl. : „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi dijiu jie quanguo weiyuanhui changwu wie- yuanhui gongzuo baogao“ („Arbeitsbericht über die 4. Tagung des IX. Ständigen Ausschusses der Nationalen PKCV“) v. 3. März 2001, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 2001, S.98. 154 Rückkehr Taiwans zum Mutterland.54 Diese Aufgaben, die eng mit den Zielen der KPCh zu- sammenhängen,55 sind in den 1990er Jahren unverändert geblieben.

Nach der Krise von 1989 benötigte die KPCh offensichtlich eine neue Legitimationsquelle. Die erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung in den 1980er Jahren hatte bewiesen, daß sich die KPCh-Führung auf dem richtigen Weg befand. Die Orientierung an der Wirtschaftsentwick- lung bildete somit in den 1990er Jahren weiterhin den Schwerpunkt im Gesamtplan der KPCh. Die Wirtschaftsentwicklung wurde seit der Ära der „Reform und Öffnung“ in drei Phasen planmäßig vorangetrieben und kontrolliert: Im ersten Schritt sollte Chinas Bruttosozialpro- dukt des Jahres 1980 innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt werden, um so die grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung und Kleidung zu gewährleisten. Dieses Ziel wurde bereits vor 1990 erreicht. In einem zweiten Schritt sollte das neue Bruttosozialprodukt in zehn Jahren noch einmal verdoppelt werden, weil die chinesische Bevölkerung endlich in den Ge- nuß eines bescheidenen Wohlstands kommen sollte. Ende des Jahres 2000 erwies es sich, daß Chinas Bruttosozialprodukt tatsächlich das Vierfache des Bruttosozialprodukts von 1980 er- reicht hatte. In einem dritten Schritt soll dann bis zum Jahr 2030 (oder spätestens bis 2050) das Bruttosozialprodukt das Niveau „eines Landes mit mittlerem Einkommen“ erreichen, wo- mit dann endlich die wirtschaftliche Modernisierung Chinas verwirklicht werden würde.56 Nach einer Analyse von Andrew Nathan vergrößert sich das Risiko der Instabilität und der erhöhten Arbeitslosigkeit in China erheblich, wenn das Wirtschaftswachstum nicht jährlich auf mindestens 7% konstant gehalten wird.57 Als logische Konsequenz daraus fordert die

54 Siehe „Xin de lishi shiqi tongyi zhanxian de fangzhen renwu“ („Leitprinzipien und Aufgaben der Einheitsfront in der neuen historischen Periode“) v. 13. Sept. 1979, in: Shiyi jie san zhong quanhui yilai zhongyao wenxian xuandu (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem 3. Plenum des XI. Zentralkomitees), Bd. 1, Pe- king 1987, S.112. Vgl. „Zhonggong zhongyang tongzhanbu guanyu xin shiqi dang dui minzhudangpai gong- zuo de fangzhen renwu de baogao“ („Bericht der Abteilung der Zentralen Einheitsfront über Leitprinzipien und Aufgaben der KPCh zu den DP in der neuen Periode“) v. 30. April 1986, in: Shier da yilai zhongyao wen- xian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XII. Parteitag der KPCh), Bd. 3, Pe- king 1988, S.1098ff. 55 Die von Deng Xiaoping formulierten drei Aufgaben Chinas sind unter Jiang Zemin prinzipiell nicht geändert worden. Sie sollen ihrem Anspruch nach der Beschleunigung des sozialistischen Modernisierungsvorhabens dienen und auch die Verwirklichung der (Wieder-)Vereinigung Chinas mit Taiwan sowie die Aufrechter- haltung des Weltfriedens garantieren. Siehe Deng Xiaoping: „Zhongguo gongchandang de shier ci quangguo daibiao dahui kaimu ci“ („Eröffnungsrede auf dem XII. Parteitag der KPCh“) v. 1. Sept. 1982, in: SEDWXXB, Bd. 1, Peking 1986, S.3. 56 Vgl. „Die chinesische Volkswirtschaft im jetzigen Jahrzehnt - Rede von Ministerpräsident auf dem Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in Davos, 30. Januar 1992“, in: Beijing Rundschau, Nr. 7, 18. Feb. 1992, S.13. 57 Vgl. Chanda / Huus: NN, S.22. Vgl. auch Petra Kolonko: „In der Falle des Allmachtsanspruchs“, in: Frank- furter Allgemeine Zeitung, 8. Nov. 2002, S.1. 155 KPCh derzeit eine „Bewegung“ unter Beteiligung aller sozialen Kräfte, um das Niveau des Wirtschaftswachstums bei mindestens 7% zu halten.58

Die Wirtschaftsentwicklung bringt dabei jedoch noch andere Probleme mit sich. Seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme in Osteuropa und in der Sowjetunion verfolgt die chinesische politische Führung eine pragmatischere Außenpolitik als bisher. Bei ihren Überlegungen geht es nicht nur um die Taiwan-Frage, sondern auch um die Sicherheitspolitik und die Zukunft der Wirtschaft,59 welche alle ausschlaggebend für die Etablierung von guten Beziehungen mit dem Ausland sein sollen.60 Die Wechselwirkungen zwischen dem Erhalt des äußeren Friedens und der inneren Wirtschaftsentwicklung sollen zu wirtschaftlichen Erfolgen führen. Die erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung in den Küstenzonen Chinas, die attraktiv für aus- ländische Investitionen und Handel ist, führt aber zu einem zunehmenden Separatismus. Auf- grund von natürlichen Wirtschaftsentwicklungen in den Provinzen Fujian und be- steht bis heute eine engere Verbindung mit Taiwan, während die Shandong-Halbinsel stärker mit Südkorea kooperiert und die Provinzen im Nordosten Chinas mit Japan engere Kontakte

58 Das Wirtschaftswachstum in China wird immer geringer. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sah von 1994-1999 wie folgt aus: 12,6% (1994), 10,5% (1995), 9,6% (1996), 8,8% (1997), 7,8% (1998), und 7,1% (1999). Siehe Margot Schüller: „Chinas Wirtschaftsentwicklung 1999/2000: Abflachendes Wirt- schaftswachstum trotz staatlicher Gegensteuerung“, in: China aktuell, April 2000, S.390. 59 Vgl. Wacker: Das letzte Einhorn, S.310. 60 Die Leitlinien der Außenpolitik in der VR China sahen in den 1990er Jahren folgendermaßen aus: - Die künftigen Beziehungen zwischen China und den USA sowie Westeuropa sollen auf den „Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz“ aufbauen. Diese „Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz“ wurden von Zhou Enlai im Jahre 1953 als leitende Prinzipien für die Entwicklung der Außenpolitik der VR China in Asien ini- tiiert. Sie wurden 1954 zuerst im Rahmen der chinesisch-indischen Übereinkunft formuliert und lauteten wie folgt: (1) gegenseitige Achtung der territorialen Integrität und Souveränität; (2) Nichtangriff; (3) gegenseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten; (4) Gleichberechtigung und gegenseitiger Nutzen; sowie (5) friedliche Koexistenz. - China will die zwischenstaatlichen Beziehungen zur Sowjetunion und zu den osteuropäischen Ländern nachden „Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz“ aufrechterhalten. - Mit Nordkorea, Kuba und anderen sozialistischen Staaten sollen die Beziehungen intensiviert werden. - Die Beziehungen zu den Staaten der Dritten Welt sollen in großem Maßstab verbessert werden. In der Folge gelten die weiteren Bemühungen Chinas dem Ziel, überflüssige Reibereien auszuräumen, angesichts der erfolgreich verlaufenden Beziehungen mit dem Ausland (gemeint sind die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Indonesien, Singapur, Israel, Saudi-Arabien, Südkorea und Südafrika), des Beschlusses des Kooperationsabkommens mit Rußland und Indien, der Pflege der alten Allianzen mit Pakistan und dem Iran als ersten Schritt, sowie der Normalisierung der Beziehungen mit dem Westen als zweiten Schritt. Die Begegnung zwischen beiden Präsidenten der USA und der VR China in Seattle im November 1993 wird als symbolischer Abschluß des „Normalisierungsprozesses“ angesehen. Wegen der wirtschaftlichen Erfolge und wegen des Marktfaktors in China näherten sich einige westliche Länder China wieder an. Mittels der entschärften Politik gegenüber Vietnam wegen der Paracel- und Spratley-Inseln als dritten Schritt verwischte die KPCh den großen dunklen Schatten der Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz von 1989. China ist mittlerweile wieder in die internationale Gemeinschaft aufgenommen worden. Vgl. Yahuda: The Statesman, S.556, Anm. 12. Vgl. auch „Arbeitstagung des Politbüros über die nationale und internationale Lage“, in: China aktuell, April 1990, Ü1, S.257. - „Beziehungen zu den USA“, in: China aktuell, März 1990, Ü6, S.188. - „3. Tagung des VII. Nationalen Volkskongresses“, in: China aktuell, März 1990, Ü16, S.190. - Volker Stanzel: „Der Umbruch des Sozialismus in China“, in: Aussenpolitik, IV/94, S.366f. 156 pflegen. Dies verschärft auch die Kluft zwischen den ärmeren Binnenland- und den reicheren Küstenregionen. Der Zusammenhalt der VR China wird durch das starke Wirtschaftswachs- tum geschwächt. Die Forderung der KPCh nach einer Wiedervereinigung mit Taiwan seit 1989 geht von vielschichtigen Überlegungen aus: Zum einen verfolgt man wirtschaftliche und auch politi- sche Ziele, zum anderen berücksichtigt man die innenpolitische wie auch die internationale politische Situation. Bei diesen Überlegungen der KPCh geht es konkret um den Anti-Sepa- ratismus und auch um die Aufrechterhaltung der positiven Wirtschaftsentwicklung. Beide Faktoren sollen schließlich gemäß den Erwartungen der KPCh zur Stabilität des vorhandenen Herrschaftssystems beitragen. Eine Unabhängigkeit Taiwans würde nur den ethnisch begrün- deten Separatismusgedanken in den anderen Regionen provozieren, darunter vor allem in Tibet und Xinjiang. Doch die Gefahr regionaler Instabilitäten haben noch keinerlei destabili- sierende Auswirkungen auf die Gesamtlage Chinas gezeigt.61 Mit Hilfe der Propaganda wird derzeit der Nationalismus gefördert, um das Volk emotional auf eine Linie zu bringen. Als wichtigste Wirtschaftsfaktoren können das Kapital, die moderne Technik sowie das Manage- ment Taiwans zur weiteren Wirtschaftsentwicklung in der VR China bedeutend beitragen. Außerdem kann die KPCh jeden regional aufkommenden Separatismus in den wirtschaftlich verstärkten Küstenprovinzen wirksamer kontrollieren oder im Keime ersticken. Bei der Taiwan-Frage geht es auch um internationale Angelegenheiten, wie z.B. um die Haltung und Reaktion der USA, so daß die Taiwan-Frage keine rein innenpolitische Angele- genheit mehr ist. Die KPCh versucht, sie auf einen bestimmten Rahmen zu beschränken, unter Aufrechterhaltung des Konzepts „Ein Staat, zwei Systeme“ (Yiguo liangzhi) (siehe IV 2.2.2). Durch diese Vorgehensweise will sie die separatistischen Bestrebungen in Taiwan und das daraus resultierende Konfliktpotential mit den USA im Vorfeld eindämmen und gleichzeitig die wirtschaftliche Stärke Taiwans für sich nutzen.

2.2.1 Die Rolle der „Demokratischen Parteien“ in der Wirtschaftsentwicklung

Die Mitglieder der DP rekrutieren sich mehrheitlich entweder aus der Gruppe der hoch- qualifizierten Fachleute oder aus Akademikern. Deswegen werden die DP von der KPCh als großes und wichtiges Potential für die Wirtschaftsentwicklung Chinas angesehen. In dem Zu- sammenhang haben die DP folgende Aufgaben übernommen: (1) Wirtschaftsberater, (2) Ver-

61 Vgl. Meder: China im 21. Jahrhundert, S.37. 157 mittler von ausländischen Investitionen und (3) Ausbildungskoordinatoren bzw. Pädagogen und (4) Unterstützer der Entwicklung in Grenzgebieten.

(1) Wirtschaftsberater

Ohne eine sich weiterentwickelnde Wirtschaft kann die Stabilität Chinas überhaupt nicht gewährleistet werden. Die KPCh ermutigt daher sowohl die DP als auch die Massenorganisa- tionen, etwas zur gesamten Wirtschaftsentwicklung beizutragen. Dabei wird den DP gestattet, Unternehmen zu gründen und auszubauen. Es ist hinreichend bekannt, daß die GDNAC, die NVIK, das RKGC und die DPBAC sich in der Geschäftswelt betätigen. Manche der von ihnen gegründeten Unternehmen sind ökonomisch ziemlich erfolgreich. Dies zeigt, daß die DP im wirtschaftlichen Bereich sehr aktiv sind. Außerdem bieten die DP, dank ihres hochqualifizierten Personals, Beratungsdienste für Kulturangelegenheiten, für die Wirtschaft und nicht zuletzt auch für die Wissenschaft an. Der Hauptanteil liegt jedoch in der Wirtschaftsberatung. Dabei handelt es sich um Vorschläge zur Festlegung der Entwicklungsrichtung in Wirtschaft und Politik sowie für die Erneuerung des Verwaltungssystems, daneben auch um Marktprognosen, Verbesserung von Produktions- mitteln, Technik und Marketing sowie um Fragen der Ausbildung oder Empfehlungen von Fachleuten u.a.62 Vor allem die GDNAC und die NVIK bieten zahlreiche solcher oder ähnlicher Dienste an. Im Oktober 1982 lobte der Staatsrat ausdrücklich beide Organisationen und ermutigte die an- deren Parteien und Massenorganisationen, sich ebenfalls an solchen Dienstleistungsunter- nehmen zu beteiligen. Bis 1992 gründeten die DP insgesamt ca. 2000 Unter-Organisationen für den Beratungsdienst, die alle zusammen immerhin etwa 30 000 Beratungsaufträge in den Bereichen Technik, Kultur, Recht u.a. bearbeiteten.63 Die KPCh erwartet, daß Privatunter- nehmen durch die Hilfe der DP oder der NVIK umstrukturiert werden, um sich an die Markt- wirtschaft anpassen zu können. Die intensive Wirtschaftsbetätigung der Privatunternehmen soll nicht nur stärker zur weiteren Wirtschaftsentwicklung beitragen,64 sondern auch die von

62 Vgl. Zhonggong kongzhi xia dalu diqu ge minzhu dangpai xiankuang (Zur gegenwärtigen Lage der Demokra- tischen Parteien unter der Kontrolle der KPCh auf dem Festland China), hrsg. von Zhongguo dalu weiyuan- hui (Kommission für Angelegenheiten des Festlandes), Taipei 1988, S.39. 63 Vgl. „Minzhu dangpai zai fahuizuoyong“ („Das Wirken der Demokratischen Parteien“), in: Wen Wei Pao, 16. März 1992, S.3. 64 Bis Ende des Jahres 1998 betrug die Steigerung des Produktionswertes der Industrie 74% und die des Brutto- inlandprodukts aus Privatunternehmen 63%. Bis Ende 1999 arbeiteten 83 Millionen Beschäftigte in Privatun- ternehmen. Siehe Sun Jinhua: „Minqi baozhong“ („Privatunternehmen, paßt auf!“), in: Xinhua Yuebao, Nr. 5, 2000, S.56. 158 den Staatsunternehmen entlassenen Arbeiter aufnehmen, wodurch die damit zusammen- hängenden sozialen Probleme teilweise geschickt gelöst werden könnten.

(2) Vermittler von ausländischen Investitionen65

Chinas Wirtschaftswachstum hängt von finanziellen Mitteln aus dem Ausland, hochtech- nologischen Produkten und nicht zuletzt vom „Know-how“ ab. Aufgrund des Kapitalmangels versuchen die DP, ausländisches Kapital ins Land zu holen. Natürlich können die DP bei die- sem Vorhaben nicht alle ausländischen Unternehmen für den chinesischen Investitionsmarkt gewinnen. Es sind fast ausschließlich Unternehmen aus Hongkong, Macau, Singapur und Taiwan oder auch von Übersee-Chinesen, die mit den größten Möglichkeiten und besten Vor- aussetzungen in China investieren können. Die DP bemühen sich dabei vor allem darum, (a) die Politik der KPCh zu propagieren, (b) freundschaftliche Abkommen mit den oben erwähn- ten Unternehmen zu schließen, (c) Berichte über das jeweilige Meinungsbild solcher Unter- nehmen an die KPCh weiterzuleiten und (d) Hilfe zur Problemlösungsfindung für Investoren und Unternehmer anzubieten.66 Das heißt, daß diese Maßnahmen nicht nur eine rein wirt- schaftliche sondern auch eine politische Bedeutung besitzen (siehe IV 2.2.2). Die Arbeit der DP bei der Vermittlung von ausländischen Investitionen wird vom Ständi- gen Ausschuß der Nationalen PKCV delegiert, also indirekt von der AZE angeordnet. Vor allem die NVIK, das RKGC und die „Gemeinwohl“-Partei sind in diesem Bereich besonders aktiv. Ihre Arbeitslinie folgt im Grunde der Politik der KPCh, so vermitteln sie z.B. Unter- nehmen aus den oben genannten Regionen, damit sie in den armen Zentral- und Westgebieten Chinas stärker investieren, während viele westliche Unternehmen eher zögern und davor zu- rückschrecken, gerade dort zu investieren. Die PKCV ist nicht das einzige Kontaktorgan für ausländische Unternehmen. Kontakte werden auch von den Vertretern folgender Organe geknüpft: von den Beamten der Lokal- regierungen, von den Vertretern der AZE und von den Parteikadern und den Abgeordneten des NVK. Die Mitglieder der DP können die Vertretung von PKCV, AZE oder NVK über- nehmen. Um das ausländische Kapital in China als Investition schneller und effektiv einsetzen zu können, statten die Lokalregierungen die erwähnten ausländischen Unternehmen häufig mit

65 In der VR China werden ausländische Investitionen „Waizi“ genannt. Sie umfassen Kapitel aus der ganzen Welt. Investitionen aus Hongkong und Macau zählen hier ebenfalls dazu, obwohl beide 1997 und 1999 Nach- einander in die VR China eingegliedert sind. 66 Vgl. ZZGJTZ, S.1205. 159 Vorrechten zur Begünstigung bei den Investitionen aus. Auf der anderen Seite gibt es zu- nehmend Korruption innerhalb der Lokalregierungen, weil hochrangige Politiker und Inves- toren sich gegenseitig begünstigen. Aber die Korruption bleibt nicht nur auf der Ebene von hochrangigen Beamten der Lokalregierungen, sondern breitet sich auch bei anderen Kontakt- organen (-personen) aus, die wirtschaftliche und finanzielle Begünstigungen an Investoren vermitteln.

(3) Ausbildungskoordinatoren bzw. Pädagogen

Das Problem der fehlenden menschlichen Ressourcen ist hinderlich für die Wirtschafts- entwicklung. Maos rigorose Anti-Intellektuellenkampagnen bilden die eigentliche Ursache für den Mangel an menschlichen Ressourcen. Keine andere Maßnahme behindert den Aufbau und Fortschritt in der VR China so nachhaltig wie die Übergriffe auf die Intellektuellen. Wäh- rend der Kulturrevolution wurde bei der Einrichtung des neuen Ausbildungssystems aus- schließlich eine Politik gegen die Intellektuellen betrieben.67 Dabei verlor die damals junge Generation die Chance, höhere Bildung anzustreben. Gleichzeitig wurden viele Intellektuelle aus ihren jeweiligen Berufen entfernt. Als Folge fehlen der betreffenden Generation Wissen- schaftler und andere qualifizierte Fachkräfte. Durch diesen Umstand wurde und wird noch im- mer in China der Wiederaufbau einer modernen Gesellschaft erschwert. Außerdem kann kei- ne Gesellschaft sich weiterentwickeln, die von ungebildeten Bürokraten regiert wird und in der die Ungebildeten verhältnismäßig stark das Sagen haben. Daneben gibt es noch zwei weitere Probleme hinsichtlich des Mangels an wissenschaftlichem Nachwuchs: Abwanderung und Ausbleiben der im Ausland Studierenden sowie die weiter ungünstigen Studienbedingun- gen in der Volksrepublik.68 Der letztgenannte Grund, die Forderung nach besseren Lebens- und Studienbedingungen für die Studenten, war auch ein Auslöser für die heftigen Proteste auf dem Tiananmen-Platz im Jahre 1989. Die KPCh hat mittlerweile ihre Meinung geändert, da sie die technologische Rückständig- keit Chinas erkannt hat und mit Hochdruck daran arbeitet, im Konkurrenzkampf mit der übri- gen modernisierten Welt diesen Rückstand wieder aufzuholen. Die wesentlich stärkere Förde- rung der Wissenschaft im eigenen Land sowie die eindringliche Aufforderung an die im Aus-

67 Die Ausbildungspolitik während der Kulturrevolution wurde nach folgenden Prinzipien durchgeführt: (1) Die Ausbildung mußte der proletarischen Politik dienen; (2) die Ausbildung mußte sich in das Leben der Arbeiter- schaft und in die Produktion integrieren lassen; und (3) die Dominanz der Intellektuellen in den Schulen muß- te aufhören. Die Schulen sollten vom Proletariat bzw. von der Partei, kontrolliert werden. Siehe Chi: Ideologi- cal Conflicts, S.266. 68 Vgl. Meder: China im 21. Jahrhundert, S.126f. 160 land Studierenden zur Rückkehr ins Heimatland, zeigen auch das Bedauern und den Willen zur Wiedergutmachung gegenüber der intellektuellen Spitzenkräfte seitens der gegenwärtigen politischen Führung. Der Import ausländischer Technologie ist daher dringend geboten, insbesondere für den größten Teil der heimischen Industrie. Dieser Umstand steht im Gegensatz zu dem Gedanken der sogenannten „Selbstversorgung“. Eigentlich möchte die KPCh das Land in den erstre- benswerten Zustand der „Selbstversorgung“ versetzen und diesen auch stetig verstärken. Nur im äußersten Notfall, wenn China die benötigte Technik und notwendige Einrichtungen nicht in Eigenleistung produzieren kann, sollen diese importiert werden.69 Eine stärkere Investition in das eigene Bildungspotential wird dann die Steigerung der eigenen Technik ermöglichen. Obwohl dies in der VR China heute Priorität hat, geschieht auf diesem Sektor bisher so gut wie nichts. Es gibt keine wirklich durchgreifenden Bildungsreformen, da diese größtenteils nur in den Köpfen existieren, anstatt in die Tat umgesetzt zu werden. Daher nehmen die Pro- bleme und Schwierigkeiten im Ausbildungsbereich zu. Gelder, die eigentlich projektgebunden für den Ausbildungssektor vorgesehen sind, fließen häufig zweckentfremdet in den Wirt- schaftsaufbau. So wurde die neunjährige Schulpflicht70 schon relativ kurze Zeit nach ihrer Einführung aufgrund des Mangels an Material, Einrichtungen sowie Lehrkräften nicht mehr konsequent weiterverfolgt; die Löhne für die Lehrkräfte werden seitdem häufig zu spät ausbe- zahlt; die Unterbrechung der Schullaufbahn nimmt besonders in den Mittelschulen stetig zu, vor allem auf dem Lande.71 Es bedarf dringend höherer Investitionen im Bildungsbereich, um auf diese Weise die selbst geschaffene Misere effektiv zu überwinden. Die chinesische Re- gierung unterschätzte bisher das bedrohliche Bildungsdefizit, solange die Wirtschaft einen

69 Vgl. „Zhonggong zhongyang guanyu jinyibu jiaqiang he gaijin zhishifenzi gongzuo de tongzhi“ („Mitteilung der KPCh-Zentrale zur weiteren Verstärkung und Verbesserung der Arbeit mit den Intellektuellen“) v. 14. Aug. 1990, in: SSAWXXB, Bd. 2, S.1225f. 70 Die Einführung der neunjährigen Schulpflicht und die totale Beseitigung des Analphabetentums unter den Menschen im Alter zwischen 15 und 50 Jahren stellten bekanntlich die beiden wichtigsten bildungspolitischen Ziele dar, welche die VR China bis zum Jahr 2000 erreichen wollte. Grundlage für beide Ziele bildeten das Schulpflichtgesetz von 1986 und die Bestimmungen zur Beseitigung des Analphabetentums von 1988. Vor allem in den 1990er Jahren hatte die KPCh die Verwirklichung beider Ziele gefordert. Auf dem XIV. Parteitag 1992 wurden beide Aufgaben zu den „zwei grundlegenden Aufgaben“ gezählt und auf der Nationalen Bil- dungskonferenz von 1994 sogar zur „wichtigsten aller wichtigen Angelegenheiten“ deklariert. Zugleich aber sah man 1994 bereits, daß diese Ziele im geplanten Zeitraum nicht zu erreichen waren. Daher wurden sie neu formuliert: Bis zum Ende des Jahrhunderts sollte die neunjährige Schulpflicht zunächst in den Gebieten ver- wirklicht werden, in denen zusammengefaßt 85% der Gesamtbevölkerung leben, des weiteren sollte die Über- gangsrate von der Grund- zur Mittelschule etwa 85% betragen, während die Analphabetenrate bei den 15- bis 50jährigen deutlich unter 5% gedrückt werden sollte. Siehe „Neunjährige Schulpflicht und die Alphabetisie- rung“, in: China aktuell, Feb. 2000, Ü21, S.119. 71 Vgl. : „Quanguo renda changweihui zhixingfa jianchazu guanyu jiancha yiwujiaoyufa shishi qing- kuang de baogao“ („Bericht des Teams der Gesetzausführungskontrolle unter dem Ständigen Ausschuß des Nationalen NVK über die Kontrolle zur Ausführung der Schulpflicht“), in: Zhongguo jiaoyu nianjian 2000 (Jahrbuch für Ausbildung in China 2000), Peking 2000, S.19-21. 161 Aufwärtstrend verzeichnen konnte. Langfristig werden sich die Nachwirkungen eines solchen katastrophalen Bildungsdefizits aber bemerkbar machen.72 Angesichts des Fehlens von hochqualifiziertem Personal versucht die KPCh die im Aus- land verbleibenden Studierenden, die nicht mehr zurückkehren, als Ressourcen zurückzuge- winnen. China hat vom Beginn der Reformen an, also von Ende 1978 bis zur Studentenbewe- gung von 1989, nicht weniger als 80 000 Studenten (einschließlich der vom Staat finanzierten und der sich selbst finanzierenden Studenten) in über 70 Länder und Regionen entsandt, von denen nur 30 000 nach Abschluß des Studiums wieder zurückgekehrt sind.73 Die Zahl der Studenten, die nach 1989 in die chinesische Heimat zurückgekehrt sind, ist wesentlich gerin- ger geworden. Die Gesamtheit der sich selbst finanzierenden Studenten ist seit den 1980er Jahren dramatisch angestiegen, so daß sie sogar die Zahl der vom Staat finanzierten Studenten übertrifft.74 In den offiziellen Angaben sieht man allerdings nur die Zahl der vom Staat finan- zierten Studenten.75 Die Statistik wird dadurch teilweise geschönt. Nach der Schätzung einer taiwanesischen Zeitung gab es etwa 320 000 bis 400 000 Stu- denten im Ausland seit dem Ende der 70er Jahre. Bis zum Jahr 2000 sind ca. 110 000 Studen- ten nach China zurückgekehrt.76 Die Rate der aus dem Ausland heimgekehrten Akademiker betrug im Jahr 2000 ca. 34% und war damit kaum besser als im Jahr 1989 (37.5%).77 Der eindringliche Appell der KPCh an die Studenten, in die Heimat zurückzukehren, hat bisher

72 Vgl. Paul Kennedy: In Vorbereitung auf das 21. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1997, S.234. 73 Vgl. „80.000 Studenten im Ausland“, in: China aktuell, Jan. 1990, Ü10, S.11. 74 Vgl. Leslie N. K. Lo: „Chinese Education in the 1980s: A Survey of Achievements and Problems“, in: Joseph Y. S. Cheng (Hrsg.): China. Modernization in the 1980s, New York 1990, S.560f. Vgl. auch „Weniger Aus- landsstudenten mit staatlichen Stipendien“, in: China aktuell, Sept. 1998, Ü6, S.899. 75 Tabelle IV 2-1: Die Zahl der im Ausland vom Staat finanzierten Studierenden und die Zahl der zurückgekehrten Studierenden von 1988 bis 1999

Jahr Zahl der im Aus- Zahl der Jahr Zahl der im Aus- Zahl der land Studierenden zurückgekehrten land Studierenden zurückgekehrten Studierenden Studierenden 1988 3786 3000 1994 19071 4230 1989 3329 1753 1995 20381 5750 1990 2950 1593 1996 20905 6570 1991 2900 2069 1997 22410 7130 1992 6540 3611 1998 17622 7379 1993 10742 5128 1999 23749 7748

Quelle: „Number of Postgraduates and Students Studying Abroad“, in: National Bureau of Statistics (Hrsg.): China Statistical Yearbook 2000, Peking 2000, S.652. 76 Vgl. Wang Lijuan: „Cong shengli dataowang dao zhongguo jihui lun“ („Von der siegreichen Flucht bis zu den Chancen in China“), in: Lianhe Bao, 30. Jan. 2001, S.13. Nach einer anderen Statistik gab es fast 300 000 chinesische Studenten im Ausland im Zeitraum von 20 Jahren (1978-1998), darunter aber etwa 200 000, die auch später noch im Ausland geblieben sind. Vgl. auch „Zwanzig Jahre Auslandsstudium“, in: China aktuell, Juni 1998, Ü14, S.599. 77 Vgl. Wang: CSDD, S.13. 162 wenig Erfolg gehabt. Diese fehlenden menschlichen Ressourcen können auch in einem kurzen Zeitraum nicht ausglichen werden. Die Erhöhung des allgemeinen Bildungsniveaus im Volk gilt bis heute als unerläßliche Voraussetzung zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung. Weil es in China an Lehrkräften im regulären Schulsystem fehlt, werden viele Fernschulen, Fernseh-Universitäten und soge- nannte „Freizeitschulen“ gegründet bzw. eingerichtet, um die mangelnde reguläre Schulaus- bildung zu ergänzen. Die KPCh überläßt es deshalb den DP, „Freizeitschulen“ und Nachhilfe- schulen zu gestalten und zu betreuen. Die Aufgabe der DP besteht also darin, überschüssigen (bzw. nicht mehr gebrauchten) und auch unqualifizierten Arbeitskräften eine Fortbildung zu ermöglichen. Die Lehrkräfte an diesen Freizeitschulen rekrutieren sich meistens aus in den Ruhestand getretenen (oder bald in den Ruhestand tretenden) Kadern der DP. Der Schulhaushalt wird von den Schülern selbst getragen. Schulleiter, Verwalter und Lehrer kommen teilweise auf staatliche Anweisungen oder Empfehlungen dorthin. Die Unterrichtsräume werden meistens von den Grund- und Mittelschulen zur Verfügung gestellt bzw. dort angemietet.78 Bis 1992 richteten die DP insgesamt ca. 1200 verschiedene Schulen ein und boten mehr als 16 500 ver- schiedene Ausbildungskurse und ca. 8000 verschiedene kurzfristige Seminare und Workshops an.79 Von 1993 bis 1996 wurden auf diese Weise 3914 Schulen und Institute errichtet, in de- nen sich mehr als 1,92 Millionen Menschen ausbilden lassen konnten.80 Neben dem staatlichen Schulsystem bilden Freizeitschulen in Form von Rundfunk- und Fernsehuniversitäten, „Halbtagsschulen“ sowie auch „Schulen für Arbeit und Studium“ (die Unterricht und Arbeit sinnvoll miteinander verbinden) alternative Schultypen. Zu weiteren Freizeiteinrichtungen gehören verschiedene „wissenschaftliche Gesellschaften“ für Ingenieur- wesen, Agrarwissenschaften, Medizin usw., die zur Popularisierung der Wissenschaft beitra- gen.

(4) Unterstützer der Entwicklung in Grenzgebieten

Die Wirtschaftsreformen haben zwar Wirtschaftswachstum, aber auch noch andere Pro- bleme mit sich gebracht. Vor allem die Wirtschaftsentwicklung vergrößert bis heute die Kluft zwischen den ärmeren Gebieten in Zentral- und West-China und den reicheren Küstenregio-

78 Vgl. ZKXD, S.40. 79 Vgl. MDZFZ, S.3. 80 Vgl. „Tuanjie hezuo gongxian zhuoyue“ („Vereinigte Zusammenarbeit, ausgezeichneter Beitrag“), in: Guang- ming Ribao, 19. Nov. 1996, S.7. 163 nen.81 Aus diesem Grunde forderte die KPCh in den 1990er Jahren die „Unterstützung der Grenzgebiete mittels intellektueller Kräfte“ (Zhili zhibian). Seit 1978 hat die KPCh eine Po- litik zur Entwicklung der Wirtschaft und Kultur in den entsprechenden Regionen vorangetrie- ben. Die Maßnahme „Unterstützung der Grenzgebiete mittels intellektueller Kräfte“ setzt die- se Politik fort. Diese Aktion umfaßt seit den 1990er Jahren folgende Themenschwerpunkte: (a) Vorschläge aus den Wissenschaften in Bezug auf die „Vier Modernisierungen“ (b) Hilfsmaßnahmen bei der Einrichtung verschiedener Ausbildungsinstitute für – die Lehrkräfte der Grund- und Mittelschulen – die vorschulische Erziehung – die Kräfte im Medizinwesen – die Land- und Viehwirtschaft – das Personal in der Unternehmensverwaltung – die Buchhaltung.82

In gewisser Weise ist diese Maßnahme mit der Politik der „Umerziehung“ während der Gründungsphase der VR China und der „Xiafang“-Aktion während der Kulturrevolution ver- gleichbar. Beide politischen Programme nutzten intellektuelle Kräfte, um den ärmeren Grenz-

81 Die zentral-westlichen Gebiete machen etwa 89% des gesamten chinesischen Territoriums aus. Die Bevölke- rung der westlichen Landesteile macht ca. 64% der 1,2 Mrd. Menschen in China aus. In diesen Gebieten wird hauptsächlich die Landwirtschaft gefördert. Die Wirtschaftsentwicklung ist weit hinter der der Küstengebiete im Osten zurückgeblieben. Die Gründe sind wie folgt: (1) Die natürlichen Ressourcen werden wegen der zu- nehmenden Transportskosten wenig genutzt; (2) das Kapital bleibt nicht in Zentral- und West-China, weil es in großem Maßstab in die Küstenregionen abfließt; (3) die menschlichen Ressourcen wandern in die Küsten- gebiete ab. Siehe „Zhonggong zhongyang guanyu zhiding guominjingji he shehui fazhan dishi ge wunianjihua de jianyi“ („Vorschläge der KPCh-Zentrale zum 10. Fünfjahresplan für die volkswirtschaftliche und soziale Entwicklung“), angenommen auf dem 5. Plenum des XV. ZK der KPCh am 11. Okt. 2000, in: Renmin Ribao (Übersee Ausgabe), 19. Okt. 2000. S.2. Siehe auch Chen Wenhui / Li Baosheng: „Zhongguo xiebu kaifa yan- jiu pingshu“ („Kommentar zu Studien bezüglich der Entwicklung West-Chinas“), in: Xinhua Wenzhai, Nr. 5, 2000, S.191.

Tabelle IV 2-2: Bruttoinlandsprodukt und BIP/Kopf der östlichen Küstenregionen und westlichen Inlandregio- nen im Vergleich (1978-1998)

Bruttoinlandsprodukt in Mrd. Yuan Bruttoinlandprokukt/Kopf in Yuan Jahr Küstenregionen Inlandregionen Vielfache Küstenregionen Inlandregionen Vielfache

1978 181,2 56,4 3,22 461 253 1,83 1985 436,1 136,9 3,19 1014 570 1,78 1990 926,5 281,1 3,3 1943 1067 1,82 1995 3396,8 811,6 4,19 6799 2901 2,34 1998 4811,5 1155,2 4,17 9483 4052 2,34

Quelle: Chen Wenhui / Li Baosheng: „Zhongguo xiebu kaifa yanjiu pingshu“ („Kommentar zu Studien bezüg- lich der Entwicklung West-Chinas“), in: Xinhua Wenzhai, Nr. 5, 2000, S.191. 82 Vgl. ZKXD, S.41. 164 gebieten zu helfen. Dabei ist es aber gegenwärtig so, daß diese Unterstützung flexibel gestal- tet und keineswegs erzwungen wird. Die DP können als symbolische Unterstützung ihre Ver- treter-Gruppen in die Grenzgebiete schicken. Der tatsächliche Effekt bei der Unterstützung der Grenzgebiete mit Hilfe der intellektuellen Kräfte erweist sich zwar als sehr klein, er- scheint aber durch die Propaganda äußerst eindrucksvoll. Nach offiziellen Angaben wurden 18 339 Personen zwischen 1993 und 1996 in über 400 Dörfer geschickt.83 Dieses Unterstützungsprogramm in Anknüpfung an die beschleunigte Entwicklung Zen- tral- und West-Chinas wird vor allem von der KPCh stark gefördert und von den DP mitge- tragen. Die Entwicklung Zentral- und West-Chinas gehört zu einem gewissen Teil zum dritten Schritt der Modernisierung der chinesischen Wirtschaft,84 durch den die KPCh allgemeinen Wohlstand für die gesamte Bevölkerung erreichen möchte, wobei der nationale Zusammen- halt, die Aufrechterhaltung der politischen Stabilität und der Ausgleich zwischen den ver- schiedenen Regionen zusätzlich verbessert werden sollen.85 Nach Ansicht der KPCh können die DP der Bevölkerung die hinter dieser Politik stehenden Ideen vermitteln und zugleich die in der Bevölkerung herrschenden Meinungen an die KPCh weiter leiten. Daneben können sie auch bei der Gestaltung der Entwicklungsprogramme in Zentral- und West-China beratende Funktionen übernehmen, sowie die mit ihnen verbündeten sozialen Kräfte zur Vermittelung von Kapital, zur Ausbildungsentwicklung und zur Unterstützung der Armen in diesen Gebie- ten mobilisieren.86 Mit Hilfe des großen Entwicklungsprogramms für die Zentral- und West- gebiete Chinas können dann billige und auch qualifizierte Arbeitskräfte zur Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs eingesetzt werden.

2.2.2 Die Rolle der „Demokratischen Parteien“ und der Wunsch nach Wiederverei- nigung mit Taiwan

Nach dem Scheitern der Wiedervereinigung mit Taiwan durch militärische Versuche am Ende der 1950er Jahre wurde der Plan der Wiedervereinigung lange Zeit ad acta gelegt. Die KPCh hat erneut Ende der 1970er Jahre eine Wiedervereinigung mit Taiwan thematisiert.87

83 Vgl. THGZ, S.7. 84 Vgl. ZZGZG, S.2. 85 Im Vorschlag des ZK der KPCh zum 9. Fünfjahresplan und im Perspektivplan bis zum Jahr 2010 wurde die Überwindung der Kluft zwischen den zentral-westlichen Gebieten und den Küstenregionen an die erste Stelle gesetzt. Die KPCh wollte sich für den Zeitraum von fünf bis zehn Jahren um die Verbesserung der Infrastruk- tur und der Umwelt in Zentral- und West-China bemühen. Siehe ZZGZG, S.2. 86 Vgl. Hu Guo: „Zhengxie jiu jie changweihui dishi ci huiyi bimu“ („Der Abschluß der 10. Tagung des IX. Ständigen Ausschusses der PKCV“), in: Renmin Ribao (Übersee Ausgabe), 26. Juni 2000, S.1. 87 Die Erklärung vom Ständigen Ausschuß des NVK vom 1. Januar 1979 zur Aufforderung an Taiwan zu einer „friedlichen Vereinigung“ und zur Verhandlung mit der VR China bildete die Grundlinie der chinesischen 165 Aufgrund des militärischen und politischen Gegensatzes blieben die VR China und Taiwan lange ohne offizielle Kontakte.88 Erst 1987 gelang ein kleiner Durchbruch, als die damalige Regierungspartei GMD das Kriegsrecht aufhob, so daß die Einwohner Taiwans ihre Ver- wandten auf dem Festland besuchen durften. Zugleich wurde das Verbot der Parteiengrün- dung in Taiwan abgeschafft. In dieser veränderten Situation wurde die Taiwan-Politik der KPCh vorangetrieben. Das wirkte sich auch auf die DP aus. Ihre Parteiführer bekamen die Möglichkeit, mit Parteien und sozialen Gruppen Taiwans in Kontakt zu treten. Warum die KPCh die DP mit einer solchen Aufgabe betraut, liegt in der Reaktion der VR China auf die neue politische Situation Taiwans.89 Die KPCh will sich auf der einen Seite im Bild der Welt- öffentlichkeit nicht von der GMD übertreffen lassen, die durch politische Reformen als demo- kratisch betrachtet wird, ist aber andererseits noch immer nicht bereit, ähnlich wie die GMD, eine Opposition zu legitimieren.90 Nach Ansicht der KPCh sollen die praktischen Taiwan-Angelegenheiten weder direkt von der KPCh-Zentrale noch von der Zentralregierung behandelt werden, damit für die politische Kontaktpflege nach wie vor Taiwans Status einer „Provinz“ bzw. „Lokalregierung“ bestehen bleibt und der Kontakt somit keinen offiziellen Anstrich erhält. Die hierfür als angemessen anerkannten Organisationen sind die PKCV bzw. die DP sowie die Massenorganisationen. Das wichtigste Instrument der Strategie der KPCh für die geplante Wiedervereinigung mit Taiwan ist noch immer die Einheitsfront. Die Doppelfunktion dieser Strategie findet sich in der Taiwan-Politik der KPCh wieder: Zum einen soll der gewünschte innenpolitische Konsens für die Wiedervereinigung nach dem Verständnis der KPCh gebildet werden, so daß alle Kräfte an diesem Ziel beharrlich festhalten müssen. Zum anderen versucht die Partei, der

Taiwan-Politik. Am 30. September 1981 erklärte der Präsident des Ständigen Ausschusses des NVK Ye Jian- ying (1897-1986) die Richtlinien der Taiwan-Politik, nach welcher Taiwan nach der Vereinigung als adminis- trative Sonderzone das Recht der Selbstverwaltung genießen würde, als weiterhin gültig. Das Recht auf Selbstverwaltung Taiwans sollte folgende Punkte umfassen: die Administration, die gesetzgebende Gewalt, die unabhängige richterliche Gewalt und die Gewalt der höchsten Instanz, Abschlüsse von Handelsverträgen und kulturellen Übereinkünften mit dem Ausland, das Entscheidungsrecht über bestimmte auswärtige Angele- genheiten und das Recht auf eine eigene Armee usw. Außerdem sollte Taiwan noch die sogenannten „Drei Nichtänderungen“ garantieren, d.h. im einzelnen: die Nichtänderung des gegenwärtigen sozialen und wirt- schaftlichen Systems, die Nichtänderung der Lebensweise und die Nichtänderung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen mit dem Ausland. Siehe: Ständiger Ausschuß des Nationalen Volkskongresses: „Gao taiwan tongbao shu“ („Botschaft an die Taiwanesischen Landsleute“) in: Guangming Ribao, 1. Jan. 1979, S.1. Siehe auch „Taiwan guihui zuguo tishang juti richeng“ („Die Rückgabe Taiwans an das Mutterland wird auf die konkrete Tagesordnung gesetzt“), in: Guangming Ribao, 3. Jan. 1979, S.1. - : „Jianyi juxing liangdang duideng tanpan shixing disang ci hezuo“ („Vorschlag zur Abhaltung von gleichberechtigten Ver- handlungen zwischen zwei Parteien zwecks Durchführung der Dritten Kooperation“), in: Guangming Ribao, 1. Okt. 1981, S.1. 88 Die Beziehungen der VR China zu Taiwan werden in drei Perioden unterteilt: (1) die Periode der militärischen Konflikte (1949-1979), (2) die Periode der Konfrontation und des fehlenden gegenseitigen Umganges (1979- 1987) und (3) die Periode des friedlichen Austausches und der Verhandlungen (seit 1987). 89 Vgl. Seymour: AHCL, S.291. 90 Vgl. ebd. 166 Bevölkerung Chinas zu beweisen, daß der wirtschaftliche Aufbau in der VR China die wichtigste Bedingung für die Wiedervereinigung mit Taiwan sein soll. Das heißt also, daß derjenige, der dieses Ziel erreichen will, den Kurs der KPCh unterstützen muß. Die Arbeit der Einheitsfront zur Taiwan-Thematik ist zweiteilig: Im Inneren sollen die an der PKCV beteiligten Parteien und Massenorganisationen die in der VR China lebende Be- völkerung Taiwans organisieren, um sie verwaltungstechnisch besser erfassen zu können und sie danach gemeinsam politisch umzuschulen. Nach außen hin versuchen solche Gruppen, durch ihre alten Beziehungen nach Möglichkeit alle Kräfte Taiwans mit denen auf dem Fest- land zu verbinden. Nach den von der KPCh vorgegebenen Aufgaben sollen die DP keine Verantwortung für politische Entscheidungen zu Taiwan-Fragen und auch für die Verhandlungen mit Taiwan über die Wiedervereinigung übernehmen. Die DP sollen vielmehr folgende Aufgaben er- füllen: Propaganda für die von Jiang Zemin vorgelegten Maßnahmen zur Wiedervereinigung mit Taiwan91 und das Konzept „Ein Staat, zwei Systeme“, weitere Ausdehnung der Kontakte mit sozialen Kräften Taiwans auf Grundlage des „Ein-China-Prinzips“, Verstärkung von Aus- tausch und Kooperation mit Taiwan in wirtschaftlichen, kulturellen u.a. Bereichen, Förderung des Dialoges und politischer Verhandlung zwischen der VR China und Taiwan, Vorantreiben des Prozesses einer friedlichen Eingliederung Taiwans in das Mutterland Chinas sowie die Bekämpfung der Politik der Unabhängigkeit Taiwans.92

Die Aufgaben zu Taiwan-Angelegenheiten werden vom „Komitee für Taiwan-Hongkong- Macau- und Übersee-Chinesen“ unter dem Ständigen Ausschuß der Nationalen PKCV93 als verantwortliches Organ an die DP sowie an die Massenorganisationen delegiert. Fast alle

91 Jiang Zemin veröffentlichte am 30. Januar 1995 acht Punkte zur Taiwan-Politik Pekings. Jiangs Rede war nichts anderes als Altes im neuen Gewand. Gleiche Angebote hat Peking bei verschiedenen Gelegenheiten seit 1979 schon mehrmals unterbreitet. Vgl. „Acht Punkte von Jiang Zemin zu Taiwanpolitik“, in: China aktuell, Feb. 1995, Ü30, S.116-118. 92 Vgl. Ye Xuanping: „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi dijiu jie quanguo weiyuanhui changwu wei- yuanhui gongzuo baogao“ („Arbeitsbericht über die 2. Tagung des IX. Ständigen Ausschusses der Nationalen PKCV“) v. 3. März 1999, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1999, S.183. 93 Das verantwortlich zeichnende Organ für die Taiwan-Arbeit in der PKCV war 1993 das sogenannte „Taiwan- Hongkong-Macau-Büro der Nationalen PKCV“ unter der Leitung des „Kommunikationskomitees für die Wie- dervereinigung des Mutterlandes“ im Ständigen Ausschuß der Nationalen PKCV. Im Zuge der zahlenmäßigen Reduzierung der Institutionen wurden das „Kommunikationskomitee für die Wiedervereinigung des Mutter- landes“ und das „Komitee für Übersee-Chinesen“ zu einem Komitee unter der neuen Bezeichnung „Komitee für Taiwan-Hongkong-Macau- und Übersee-Chinesen“ zusammengefaßt. Siehe „Zhengxie diba jie quanguo weiyuanhui changwu weiyuanhui guanyu shezhi zhuanmen weiyuanhui de jueding“ („Die Entscheidung des VIII. Plenums des Ständigen Ausschusses der PKCV für die Einrichtung des Sonderkomitees“), angenommen am 28. März 1993, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4 1993, S.104. Siehe auch „Zhengxie dijiu jie quanguo weiyuanhui changwu weiyuanhui guanyu shezhi zhuanmen weiyuanhui de jueding“ („Die Entscheidung des IX. Plenums des Ständigen Ausschusses der PKCV für die Einrichtung des Sonderkomitees“), angenommen am 16. März 1998, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4 1998, S.128. 167 Gruppen haben somit mehr oder weniger mit der Taiwan-Problematik zu tun. Die Arbeitsge- biete bezüglich Taiwans werden vor allem vom RKGC sowie von gesellschaftlichen Organi- sationen, die von auf dem Festland lebenden Taiwan-Chinesen gegründet wurden, übernom- men. Die Mitglieder der DP und Aktivisten der Massenorganisationen können mittels ihrer privaten Beziehungen und sozialen Kontakte für das Ziel der Wiedervereinigung tätig werden. Die Arbeitsgebiete der PKCV zu Taiwan-Fragen werden gemäß alter Beziehungen mit taiwanesischen Gruppen bzw. Personen unter den Gruppen verteilt: – Die GMD-Mitglieder, also Militärangehörige und Politiker, nehmen mittels des RKGC mit- einander Kontakt auf. Das RKGC, also der linke Flügel der GMD in China, versucht eine Brücke zur GMD zu schlagen. Der Sunyatsenismus, d.h. die Lehre des Gründers der GMD, wird dabei als Appell an Taiwan für die Vereinigung Chinas benutzt. – Einige Politiker Taiwans, vor allem Mitglieder der Minjindang (Democratic Progressive Party, DPP) und anderer Parteien außer der GMD, kontaktiert die DST, welche die älteste Gruppe der Taiwanesen auf dem chinesischen Festland darstellt. – Wissenschaftler, Techniker, Unternehmer u.a. werden jeweils von Gruppen empfangen, die in fachlich und kulturell gleichwertigen Kreisen verkehren, wie etwa die GPC, die NVIK und nicht zuletzt die der PKCV nahestehenden Organisationen, wie z.B. die „Nationale Vereini- gung der Taiwanesischen Landsleute“, die „Gesellschaft der Taiwanesischen Kommilitonen“, die „Vereinigung der Kommilitonen der Huangpu-Militärakademie“ und die „Nationale Ver- einigung der Übersee-Chinesen“.

Die Aktivitäten der DP unter Zuhilfenahme aller taiwanesischen Kräfte verkörpern die tra- ditionelle chinesische Kultur, nämlich den Aufbau von Beziehungen („La guanxi“). Der chi- nesische Begriff „Guanxi“ bedeutet implizit, daß jede Beziehung erst durch soziale Inter- aktion zwischen zwei oder mehr Individuen gebildet werden kann. Das System des „Guanxi“ besteht aus sozialen Verfahrensweisen innerhalb eines von einem Individuum eingerichteten persönlichen Netzwerks. So bezeichnet J. Bruce Jacobs die chinesische Kultur als „a base of kuan-hsi (Guanxi)“. Dieses Beziehungsgeflecht stellt eine Basis dar, welche zur Festigung der eigenen Identität in der chinesischen Gesellschaft gebildet wird. 94 Die gemeinsamen Elemente dieses Netzwerk-Gebäudes heißen „Lokalität“, „Verwandtschaft“, „Familiennamen“, „Ge-meingesellschaft“, „Kollegen“, „Kommilitonen“, „Loyalitätsverhältnis zwischen Lehrern und Studenten“ usw.95 Aus dieser Perspektive wird

94 Vgl. J. Bruce Jacobs: „A Preliminary Model of Particularistic Ties in Chinese Political Alliance: Kan-ch’ing and Kuan-hsi in a Rural Taiwanese Township“, in: The China Quarterly, No. 78, June 1979, S.265. 95 Vgl. ebd., S.243-256. 168 die Politik der Wiedervereinigung mit Taiwan von dem Einheitsfrontorgan PKCV übernommen und durchgeführt, wobei die Pflege von alten Beziehungen und die Aufnahme von neuen Beziehungen zwischen ehemaligen Partei-mitgliedern, Studien- und Arbeitskollegen, Freunden und Sippenverwandtschaften an erster Stelle stehen. Durch diese Arbeitsweise nehmen die DP und Massenorganisationen die Verbindung mit der Bevölkerung oder den sozialen Gruppen Taiwans auf, um das kollektive Bewußtsein oder das „Wir-Gefühl“ auf der Basis der gemeinsamen Abstammung und der Kultur noch zu ver- stärken, wobei alle sozialen Gruppen, nämlich sowohl in der VR China als auch in Taiwan, als der Zentralregierung bzw. der KPCh untergeordnet gelten. Die chinesische Führung wird in diesem Zusammenhang von Christopher Patten als ein Hauptklan mit miteinander verknüpften Familieninteressen bezeichnet.96 Dabei tritt die KPCh als „Hauptklan“ zumindest auf dem chinesischen Festland in Erscheinung. Die DP und auch die Parteilosen fungieren für die KPCh vor allem als ihre Fürsprecher, mit einer festen Klientel in Taiwan, Hongkong, Macau und im Ausland, um diese dann für die KPCh zu gewinnen und, wenn möglich, an die Partei zu binden. Die Taiwan-Politik der KPCh geht im wesentlichen von solchen traditionell- patriarchalischen und autoritären Denkmustern aus.

Für die KPCh ist bis heute die Wiedervereinigung mit Taiwan eine zentrale historische Aufgabe. Diese Haltung basiert auf der historischen Erfahrung des ständigen Wechsels von Spaltung und Einigung des chinesischen Reiches. Die Wiedervereinigung ist deshalb immer als ein höchstes politisches Ideal betrachtet worden. Die Forderung nach Demokratie, die von der Seite Taiwans bzw. der GMD als Prinzip für die Wiedervereinigung zwischen der VR China und Taiwan angesehen wird, darf aus Sicht der KPCh nicht dem Wunsch des Volkes nach Wiedervereinigung übertreffen.97 Jede Diskussion oder jede Äußerung einer anderslau- tenden Meinung, die vom „Ein-China-Prinzip“ abweicht, sei unmoralisch und inakzeptabel.98 Von diesem Ausgangspunkt aus will die KPCh keine neue Identität Taiwans zulassen und sieht Taiwan auch keineswegs als gleichberechtigten Partner an. Zugleich soll die sogenannte Stärkung des Mutterlandes nur unter der Führung der KPCh durchgeführt werden. Dies spie- gelt sich in der von Jiang Zemin entwickelten Idee der „Drei Vertretungen“ („San ge daibiao“) wider, welche die hohe Bedeutung der KPCh im Modernisierungsprozeß Chinas zum

96 Vgl. Christopher Patten: East and West – China, Power, and the Future of Asia, New York 1998, S.252. 97 Vgl. Amt des Staatsrats für die Angelegenheiten Taiwans und Presseamt des Staatsrats der VR China: „Das ‚Ein China‘-Prinzip und die Taiwan-Frage“, in: Beijing Rundschau, Nr. 10, 7. März 2000, S.31f. 98 Vgl. Wei Zhengtong: „Taiwan yishi yu minzuzhuyi“ („Das taiwanesische Bewußtsein und der Nationalis- mus“), in: Liu Qingfeng (Hrsg.): Minzuzhuyi yu zhongguo xiandaihua (Nationalismus und Modernisierung in China), Hongkong 1994, S.289. 169 Ausdruck bringen soll. Die „Drei Vertretungen“ bezeichnen die Vertretung der fort- schrittlichen Produktivkräfte, der fortschrittlichen chinesischen Kultur und der fundmentalen Interessen des Großteils des chinesischen Volkes durch die KPCh. 99 Damit wird der Alleinvertretungsanspruch der KPCh politisch und ideologisch bestätigt, wobei jede pluralistische Tendenz als Provokation der Parteiherrschaft abgelehnt wird. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen scheint eine Wiedervereinigung Taiwans mit Festlandchina kurzfristig ausgeschlossen zu sein. Deswegen ist absehbar, daß die Aktivitäten der DP zu Taiwan-Fragen wenig Erfolg haben werden. Aber sie zielen auch auf die Stabilität des sozialistischen Systems Chinas in Form der Einheitsfront ab: Zum einen wird die natio- nale Emotion durch die Forderung nach Wiedervereinigung mit Taiwan vor allem im Inland erhöht, so daß der Zusammenhalt der chinesischen Bevölkerung verstärkt wird. Zum anderen wird die Macht der KPCh angesichts der fehlenden demokratischen Legitimation durch eine gesamtchinesische Aufgabenstellung – in Gestalt einer nationalen Mission der KPCh – stabi- lisiert.

99 Jiang Zemings Idee der „Drei Vertretungen“ als festgeschriebene Parteilinie wurde auf dem XVI. Parteitag im November 2002 angenommen. Vgl. „‚Drei Repräsentationen‘: Kernelement in der Kanonisierung der ‚Jiang- Zemin-Ideen‘?“, in: China aktuell, April 2000, Ü14, S.369. Vgl. auch Harald Maass: „Jiang Zemin fordert Öffnung der chinesischen KP“, in: Frankfurter Rundschau, 9. Nov. 2002, S.1. 170 3 Politische Partizipation der „Demokratischen Parteien“ als Faktor der politischen Stabilität

Die politische Stabilität hängt davon ab, wie sich „politische Partizipation“ und „politische Institutionalisierung“ im System parallel entwickeln und somit eine kontinuierliche Wechsel- wirkung zwischen beiden besteht. Samuel P. Huntington stellt es folgendermaßen dar: „As political participation increases, the complexity, autonomy, adaptability, and coherence of the society’s political institutions must also increase if political stability is to be maintained“.1 Politische Institutionalisierung bedeutet die Organisation der Expansion politischer Partizi- pation für die politischen Parteien zum Aufbau eines Parteiensystems.2 Die politische Partizi- pation sollte strukturiert, konstant, und regelmäßig sein, damit jede soziale Kraft ihre For- derungen in dem politischen System zur Geltung bringen kann.3 In unterschiedlichen Par- teiensystemen vollzieht sich die Institutionalisierung jeweils anders. Im Einparteiensystem bzw. im sozialistischen System finden die Prozesse der Institutionalisierung zuerst in der staatlichen Politik und in der Funktion der politischen Führung statt, aber sie werden durch die Aufrechterhaltung der Monopolpartei eingeschränkt.4 Die Parteikader in China haben immer Angst vor einer unkontrollierbaren Ausweitung der politischen Partizipation bzw. vor freien Wahlen. 5 Eine allgemein zugängliche politische Partizipation ist deswegen ausgeschlossen. Seit dem Ende der 1980er Jahre hat die KPCh die Möglichkeiten zur politischen Partizipation durch das Zulassen bestimmter Aktivitäten für die nichtkommunistischen Parteien verstärkt. Sie verwendet dabei Institutionen – wie die PKCV – als Zugang zur politischen Partizipation, jedoch nur für bestimmte Gruppen. Einer- seits vergrößert die KPCh die politische Partizipation durch die Teilnahme der DP, der ver- schiedenen sozialen Schichten und Gruppen in der PKCV, um somit die neuen sozialen Kräf- te in das Herrschaftssystem einzubeziehen. Andererseits will sie durch die Beschränkung der politischen Partizipation die Verteilung politischer Machtressourcen vermeiden, um die Stabi- lität ihrer Herrschaft weiterhin gewährleisten zu können.6

1 Vgl. Huntington: Political Order, S.79. 2 Vgl. ebd., S.398. 3 Vgl. ebd., S.88f. 4 Vgl. ebd., S.419. 5 Vgl. Lowell Dittmer: China’s Continuous Revolution. The Post-Liberation Epoch 1949-1981, Berkeley 1987, S.238.

171 3.1 Organe der politischen Partizipation

Es wird in den betreffenden Dokumenten („Ansicht der KPCh-Zentrale“, „Vorläufige Vorschrift der PKCV“ und „Vorschrift der PKCV “, siehe III 4.2) nicht klar und deutlich dar- gestellt, welches Organ eigentlich für die Ausübung der politischen Partizipation der DP zu- ständig ist, ob also die PKCV oder der NVK oder gar beide Organe dafür in Frage kommen. Diese Situation geht auf eine Übereinkunft der I. PKCV zurück, in der die Merkmale der PKCV und die Verbindungen zwischen PKCV und NVK klar werden. Nach Auffassung der KPCh ist das „System der Mehrparteienkooperation“ (siehe III 4) sowohl mit der Einheitsfront als auch mit der PKCV verbunden. Aber es gibt durchaus auch Unterschiede zwischen diesen beiden. Die Einheitsfront bildet die politische Grundlage zur Kooperation zwischen der KPCh, den DP und den Massenorganisationen. Die PKCV ist ein Organ der Einheitsfront, in dem – neben der KPCh – die Vertreter der DP, der Massenorgani- sationen und auch Parteilose politische Aktivitäten durchführen. Die PKCV wird als ein Kon- ferenzsystem und als eine Organisationsform verstanden, während das „System der Mehrpar- teienkooperation“ ein Parteiensystem ist. Beide sind miteinander verbunden und überschnei- den sich in ihren Aufgabenbereichen.7 Die Funktionen werden vom „System der Mehrpar- teienkooperation“ wahrgenommen, aber die Ausübung dieser Funktionen ist nach Auffassung der KPCh nicht allein auf das Organ der PKCV beschränkt.8 Die geschichtliche Werdegang der PKCV verdeutlicht die Veränderung der Organisations- form und der Befugnisse der PKCV und ihrer Beziehungen mit dem NVK. 1949 wurde die PKCV als höchstes Organ der Staatsmacht aufgebaut. Nach Vorstellung der chinesischen Kommunisten zog die Gründung der PKCV die Errichtung des Systems der Mehrparteien- kooperation und somit des politischen Systems für das neue China unmittelbar nach sich. Im September 1954 trat der erste Nationale Volkskongreß zusammen, womit die PKCV ihre Rolle als vorläufiges Volksvertretungsorgan endgültig verlor. Sie existierte in den 1950er Jahren weiter und fungierte als eine der wichtigsten Organisationsformen der Einheitsfront. Ende der 1970er Jahre wurde die PKCV reaktiviert, wobei sie ihre alten Funktionen (in der Einheitsfront) wieder erfüllen konnte. Seit Beginn der 1990er Jahre hat die KPCh ihr dann neue Funktionen verliehen.

6 Vgl. Zhao Xiangming: Dangqian zhonggong renmin zhengxie zhi zhengzhi jiaose yanjiu (Die Erforschung der politischen Rolle der gegenwärtigen Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes), Dissertation der Zhengzhi Universität, Taipei 1993, S.171. 7 Vgl. Luo: GYDDHZ, S.49. 8 Vgl. ebd. 172 Hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft sind die Abgeordneten des NVK regionale Repräsen- tanten, während die Abgeordneten der PKCV meistens aus verschiedenen sozialen Schichten, Gewerkschaften, „Freundschaftsvereinigungen“ und Berufsgruppen kommen sowie aus Grup- pen, die aus kulturellen, religiösen, technischen u.a. Bereichen stammen. Im Vergleich zu der in der Verfassung festgestellten Zusammensetzung des NVK existiert bei der Zusammen- setzung der PKCV keine strenge Beschränkung. Dadurch ist dann gewährleistet, daß die Zu- sammensetzung der PKCV gewissermaßen einen sogenannten „Schmelztiegel“ bildet.9 Die meisten Massenorganisationen können sich zwar an der PKCV beteiligen, aber eben nicht alle. Die „Nationale Vereinigung der Industriellen und Kaufleute“ (NVIK) ist die ein- zige Massenorganisation, die als politische Partei betrachtet wird. Zudem gelten die folgenden Massenorganisationen als wichtig, die gewöhnlich an der PKCV teilnehmen: der „Nationale Gewerkschaftsbund“, der „Nationale Frauenbund“, die „Nationale Jugendliga“, die „Natio- nale Vereinigung der Taiwaner Landsleute“, die „Nationale Föderation der zurückgekehrten Auslandschinesen“, der „Chinesische Kommunistische Jugendverband“ und die „Chinesische Gesellschaft für Wissenschaft und Technik“. Unter normalen Umständen nimmt die KPCh durchaus erfolgreiche Privatunternehmer in die PKCV auf. Die neuen Wirtschaftskräfte können den Status von Abgeordneten der PKCV erreichen und sogar zu Vize-Präsidenten oder wichtigen Funktionären des Ständigen Aus- schusses der Nationalen PKCV aufsteigen. Ihre Meinungen können auf diesem Wege über die PKCV zu den höchsten Stellen vordringen und sie können als Abgeordnete eine ständige Verbindung zwischen der KPCh und ihren Interessengruppen schaffen. Die PKCV steht jedoch nur oben genannten Gruppen offen. Folglich gilt sie keinesfalls als potentiell wirk- samer Mechanismus zur politischen Partizipation der Bevölkerung.

Die Abgeordneten des NVK werden zwar durch Wahlen bestimmt, aber die KPCh hat weiterhin starken Einfluß auf die Kandidatenvorschläge, die Kandidatenaufnahme und den Wahlvorgang. Die KPCh „garantiert“ auch die Einhaltung einer „angemessenen Zahl“ der DP und der Parteilosen als Abgeordnete im NVK.10 Diese Wahlen sind ihrem Wesen nach keine freien Wahlen, sondern vielmehr von der Partei manipuliert. Die Abgeordneten der PKCV werden hingegen durch „Konsultationen“ (Xieshang) oder „Verhandlungen“ (Xietiao) zwischen der KPCh, den DP und den Massenorganisationen

9 Weil die Abgeordneten der PKCV einen unterschiedlichen sozialen Hindergrund haben, wird die Zusammense- tzung der PKCV als „Schmelztiegel“ (Dazahui) bezeichnet. Vgl. Shu Si: „Quanguo zhengxie jiebie hunluan“ („Die Kreise der Nationalen PKCV befinden sich im Chaos“), in: Cheng Ming, März 1998, S.32. 10 Vgl. DDHZZYJ, S.1. 173 bestimmt, auf keinen Fall durch Wahlen. Auf diese Weise wird die Anzahl der Abgeordneten in der PKCV in den verschiedenen „Kreisen“ (Jiebie) festgelegt. „Kreise“ sind die Einheiten, aus denen die Abgeordneten der PKCV stammen. Außer der KPCh, den acht nicht- kommunistischen Parteien und der Massenorganisation NVIK – jede ist ein unabhängiger „Kreis“ – müssen Mitglieder der einzelnen Gruppen durch Verhandlungen zu Vertretern ihres angehörigen „Kreises“ als Abgeordnete der PKCV bestimmt werden. Die Summe der Abge- ordneten in jedem „Kreis“ ist, wie schon erwähnt, gewöhnlich festgelegt (siehe Tabelle IV 3- 1). Es ist ähnlich wie die „Einheitsliste“ für die Abgeordneten in der Volkskammer in der DDR.11 Vor allem kann die KPCh durch „Arrangements“ (Anpai) die von ihr gewünschten Kandidaten einsetzen. Eine Veröffentlichung der KPCh vom April 1983 besagt, daß sich das Verhältnis der KPCh-Mitglieder zu den anderen innerhalb der PKCV von 60% auf 40% redu- ziert habe und die restlichen Anteile von den DP, den Massenorganisationen und den Partei- losen gestellt würden.12 Nach offiziellen Angaben liegt die Zahl der KPCh-Mitglieder der VI. PKCV sogar unter der 40%-Marke.13 Tatsächlich aber besitzt die KPCh die wichtigsten Ent- scheidungskompetenzen in der PKCV ohne Konsultationen.

11 Vgl. Heinz Hofmann: Mehrparteiensystem ohne Opposition: die nichtkommunistischen Parteien in der DDR, Polen, der Tschechoslowakei und Bulgarien, Frankfurt/M. 1976, S.63. 12 Vgl. „Zhonggong zhongyang jueding jianshao liu jie zhengxie weiyuan zhong de gongchangdangyuan bili“ („Die KPCh-Zentrale bestimmte, daß die Anzahl der KPCh-Mitglieder im Verhältnis [zu der anderer Mitglieder] in der VI. PKCV verkleinert werden sollte“), in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1983, S.15. 13 Die Zahl der KPCh-Mitglieder beläuft sich auf etwas mehr als 40% von der Gesamtzahl der Abgeordneten in der PKCV. Nur die Zahl der offiziellen KPCh-Mitglieder der VI. PKCV liegt unter der 40%-Marke. Weitere KPCh-Mitglieder findet man auch in den anderen Kreisen.

Tabelle IV 3-1: Zahl der Abgeordneten und Kreise als Teilnehmer an der PKCV von 1983 bis 2003 (VI. - IX.)

Periode VI. (1983-1988) VII. (1988-1993) VIII. (1993-1998) IX. (1998-2003) KPCh 76 90 91 92 RKG 50 65 65 65 DLC 50 65 65 65 GDNAC 50 64 65 65 GFDC 25 34 35 35 DPBAC 25 34 35 35 SDS 25 34 35 35 GPC 12 20 20 20 DST 12 20 20 20 NVIK 50 60 60 64 Wirtschaftskreis - - 82 119 Speziell ausgewähl- te Personen 234 251 217 176 Abgeordnete anderer Kreise Summe 2039 2081 2093 2196 Gesamtzahl der Kreise 31 32 34 34

Quelle: Die Liste der Abgeordneten von der VI. bis zur IX. PKCV siehe Xinhua Yuebao, Nr. 5, 1983, S.23-28; Nr. 3, 1988, S.38-43; Nr. 2, 1993, S.30-36; Nr.3, 1998, S.57-62. 174 Bezüglich der Anzahl der Abgeordneten und ihrer sozialen Abstammung in der PKCV seit 1983 (siehe Tabelle IV 3-1) ist Folgendes zu beobachten: Die Kreise für die neuen wirtschaft- lichen Gruppen nehmen zu, wie beispielsweise NVIK und ein sogenannter „Wirtschaftskreis“ zeigen. Dies bedeutet, daß die KPCh den Kontakt mit den neuen Wirtschaftskräften im Rahmen der Wirtschaftsentwicklung für wichtig ansieht. Außerdem bildet ein Kreis „speziell ausgewählter Personen“ (Tebie yaoqing renshi) den größten Kreis der Abgeordneten in der PKCV. Anders als in den anderen Kreisen haben seine Vertreter nicht den gleichen sozialen Hindergrund. Die von der KPCh gewünschten Kandidaten werden zu Abgeordneten dieses Kreises ernannt,14 wobei darauf geachtet wird, daß die Anzahl der kommunistischen Abge-ordneten im Verhältnis zu den nichtkommunistischen nicht zu stark wird.15

Die von der KPCh zwischen der PKCV und dem NVK aufgeteilte politische Arbeit ver- deutlicht die Beziehungen zwischen beiden Organen. In der PKCV sollen die DP und die Massenorganisationen anstehende Entscheidungen diskutieren, ihre Meinungen dazu austau- schen, um schließlich einen „Konsens“ zu erreichen. Der NVK vertritt hingegen die oberste staatliche Macht und trifft die eigentlichen Entscheidungen. Dieser Prozeß stellt theoretisch den grundlegenden Charakter der sozialistischen demokratischen Politik in der VR China dar.16 In der Praxis spielen aber beide Organe für den politischen Entscheidungsprozeß keine Rolle. Sie haben lediglich formale Bedeutung im gesamten Herrschaftssystem. Gemäß des im Dokument „Ansicht der KPCh-Zentrale“ vom Ende des Jahres 1989 veröffentlichten Beschlusses (siehe III 4.2) ist der NVK ein Organ, durch das sich die Vertre- ter der DP und der Parteilosen an der Politik beteiligen und über alle Themen diskutieren kön- nen. Aber die Vertreter der DP im NVK üben ihre von der KPCh zugestandenen Befugnisse nur mit dem Status „Vertreter des Volkes“ aus, aber eben nicht als „Vertreter der Partei“.17 Auf der anderen Seite können sich die DP im Namen einer „Partei“ in der PKCV politisch be- teiligen und mitdiskutieren. Die PKCV wird daher als das wichtigste Organ für die Aktivitä- ten der DP angesehen.18 Die DP üben ihre Funktionen tatsächlich nur innerhalb der PKCV aus; also können sie im Namen einer „Partei“ ihre Anträge zu Diskussionen, zur Untersu-chung

14 Sowohl sich um die Politik verdient gemacht habende Personen, als auch hochrangige Kader, die bei Wahlen ihre Parteiposten verloren haben, werden von der KPCh als Abgeordnete der Nationalen PKCV in den Kreis „speziell ausgewählter Personen“ aufgenommen. 15 Vgl. Shu: QGZXJB, S.33. 16 Vgl. „Tongguo guanyu zhengzhi xieshang minzhu jiandu zanxing guiding“ („Verabschiedung der vorläufigen Vorschrift zur politischen Konsultation und demokratischen Kontrolle“), in: Renmin Ribao, 28. Jan. 1989, S.1. 17 Vgl. DDHZZYJ, S.1. 18 Vgl. ebd. 175 bzw. Kontrolle nur mittels der PKCV stellen, jedoch nicht durch den NVK. Die KPCh will die Funktionen der DP aber nicht nur auf den Rahmen der PKCV beschränkt verstehen. Nach ihren Vorstellungen ist das „System der Mehrparteienkooperation“ ein System, das den als Volksvertretungsorgan konzipierten NVK aktiv unterstützt. Damit werden sowohl die PKCV als auch der NVK als Organe der politischen Partizipation der DP aufgefaßt. In der Praxis üben die DP ihre Funktionen jedoch nur in der PKCV aus und stellen ihre Anträge in den anderen Institutionen über den Umweg der PKCV, die faktisch unter der totalen Kontrolle der KPCh steht. Durch diese Funktionen können die DP deshalb die Führungsrolle der KPCh stärken und der umfangreichen und komplexen Verbindung zwischen den verschiedenen so- zialen Schichten und Gruppen dienen.19

3.2 Funktionen bei der politischen Partizipation der „mitwirkenden Parteien“

Die Möglichkeiten politischer Partizipation der DP als „mitwirkende Parteien“ sollen unter den folgenden Faktoren untersucht werden: (1) „politische Konsultation“, (2) „demokratische Kontrolle“ und (3) „Mitwirkung bei Staatsgeschäften“. Dabei werden der Umfang, die Häufigkeit und die Intensität sowie die Grenzen dieser politischen Partizipation erläutert.

3.2.1 „Politische Konsultation“

In der politischen Kultur Chinas steht der Wert der „Harmonie“ im Vordergrund, woraus sich für jeden politischen Entscheidungsprozeß zwei Konsequenzen ergeben. Zum Ersten spielen gute persönliche Kontakte und Verbindungen eine entscheidende Rolle. Angesichts der harmonischen persönlichen Verbindungen lassen sich Konflikte zwi-schen mehreren Beteiligten verhältnismäßig rasch beseitigen, woraus sich dann zunehmend strukturelle Beziehungen zwischen Elementen des Systems entwickeln.20 Die chinesische po- litische Kultur ist insofern ein Sonderfall, weil politische Führer an die Wirkung von „face-to- face“-Sitzungen glauben. Aber in den meisten Fällen herrscht Heuchelei bei solchen Sitzun- gen vor.21 Lucian W. Pye stellt es wie folgt dar: „That is where it is obligatory to tell others what they want to hear, where ceremonial rituals must be carefully observed so that relations

19 Vgl. Jiang Zemin: „Zai qingzhu zhongguo gongchandang chengli qishi zhounian dahui shang de jianghua“ („Rede auf der Festversammlung zum 70. Gründungstag der KPCh“) v. 1. Juli 1991, in: SSAWXXB, Bd. 3, Peking 1993, S.1642. 20 Vgl. Weggel: Das Öffentliche Recht, S.67. 21 Vgl. Pye: China. Erratic State, S.68. 176 go smoothly; no one loses ‚face‘ and there is no hint of confrontation.“22 In diesem Fall spielen „alte Freunde“ stets eine wichtige Rolle. Echte „Freundschaft“ in der Politik ist in der Realität jedoch selten vorzufinden. Aber es ist zweifellos notwendig, bei Verhandlungen oder zur Auffindung von Problemlösungen gute Beziehungen anzuknüpfen und die Harmonie auf- rechtzuerhalten. Nach Ansicht der KPCh geht es bei der Arbeit der DP in der PKCV im Grun- de nur um die Stärkung der Führungsrolle der KPCh sowie um die vollständige Durchsetzung ihrer Parteilinie und Parteipolitik. Die Mitglieder der KPCh sollten daher mit Personen, die außerhalb der Partei stehen, „Freundschaft“ schließen, damit alle Seiten problemlos zu- sammenarbeiten und die Nichtkommunisten die KPCh wirklich unterstützen können.23 Folg- lich stellt sich die Frage, wie man die Beziehungen zwischen der KPCh und den DP definie- ren kann. Aus Sicht der KPCh sollten die Beziehungen zwischen der KPCh und den DP nur rein persönlicher Art sein – keinesfalls aber sachlich oder gesetzlich geregelt, was allerdings für die Beziehungen zwischen den Institutionen von Lucian W. Pye als unangemessen be- trachtet wird.24 Das erklärt die Absicht der KPCh: Je besser die persönlichen Beziehungen zwischen der KPCh und den DP gepflegt werden, desto fester wird die Führung der KPCh. Zum Zweiten wird das soziale Leben in der VR China durch ständige Absprachen, Ver- sammlungen (Kaihui) und „Verhandlungen“ bestimmt. 25 Die „Kaihui“-Kultur war schon während der Periode von Yan’an bekannt. Die Versammlungen bedeuteten damals eine Er- höhung der politischen Partizipation und auch eine deutliche Verbesserung der sozialen Po- sition für die ärmeren Bauern.26 Diese Versammlungskultur wurde auch nach der Gründung der VR China beibehalten. Die einzelnen Danweis stimmen sich nicht nur im Binnenbereich, sondern auch in den Zwischenbereichen ständig aufeinander ab. Die Versammlungen garan- tieren vor allem, daß die Gesetze oder die Entscheidungen auf allen Ebenen durchgeführt wer- den.27 Eine chaotische Situation wird damit von vornherein ausgeschlossen.

22 Ebd. 23 Vgl. „Jiangzemin zai qingzhu zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi chengli wushi zhounian dahui shang de jianghua“ („Rede von Jiang Zemin auf der Versammlung zur Feier des 50. Gründungstages der PKCV“) v. 22. Sept. 1999, in: Xinhua Yuebao, Nr. 10, 1999, S.156. 24 Vgl. Pye: China. Erratic State, S.69f. 25 Vgl. Weggel: Das Öffentliche Recht, S.67. Vgl. auch Ders.: China im Aufbruch. Konfuzianismus und politi- sche Zukunft, München 1997, S.79 u. S.86. 26 Die Versammlungen fanden während des anti-japanischen Krieges häufig in den von der KPCh regierten und kontrollierten Gebieten statt. Die Versammlungen belasteten die Bauern nicht, weil die Zeit geringen Arbeits- anfalls auf den Feldern in Nordchina früher etwa ein halbes Jahr dauerte. Die KPCh konnte zumindest in ihren Herrschaftsgebieten auf folgende Errungenschaften hinweisen: (1) Die Bauern wurden nicht aus ihrer Heimat vertrieben; (2) die politische Partizipation wurde verstärkt; (3) die Teilnehmer konnten ihre politische Position festigen; (4) die KPCh konnte ihre wirtschaftlichen Interessen wahren, da sich die Bauern kostenfrei an den Versammlungen beteiligen konnten. Zahlreiche Mobilisierungen wurden damit initiiert. Siehe Chen: ZGGCGM, S.983.

177 Tabelle IV 3-2: Die Politische Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes und der Nationale Volkskongreß im Vergleich

PKCV NVK Bestimmung von Durch Konsultationen und Durch indirekte Wahlen Abgeordneten Verhandlungen Soziale Herkunft bzw. Gruppen aus den Zugehörigkeit der verschiedenen Berufen, Regionale Repräsentation Abgeordneten sozialen Schichten u.a. - Ein nicht in der Verfassung - Ein in der Verfassung Eigenschaften des Organs verankertes Organ verankertes Organ - Organ der Einheitsfront - Volksvertretungsorgan Begründung der Existenz- Durch das KPCh Quasi- Durch die Verfassung berechtigung Gesetz* Konsultationen und Verhand- Entscheidungsmuster lungen zwischen KPCh und Mehrheitsabstimmung unter DP unter Kontrolle der KPCh Kontrolle der KPCh

* Der Beschluß der KPCh zur „Ansicht der KPCh-Zentrale zur Beibehaltung und Vervollkommnung des Systems der Mehrparteienkooperation und der politischen Konsultation unter Führung der KPCh“.

Die „Konsultation“ erweist sich als eines der Schlüsselmerkmale des politischen Systems im modernen China. Als eine Verhandlungsmethode zwischen der regierenden Partei, den anderen Parteien und den Parteilosen begann die „politische Konsultation“ (Zhengzhi xie- shang) bereits in der GMD-Ära auf dem chinesischen Festland. Der „Politische Rat des Volkes“ (Guomin canzheng hui) in der Periode der GMD hatte große Schwierigkeiten, als Repräsentationsorgan zu funktionieren. Er bot sich nur in Gestalt eines beratenden Organs als ein Forum für Meinungsvielfalt an. 28 Die Transformation vom „Politischen Rat des Volkes“ zu einem verfassungsmäßigen Organ, also zur „Politischen Konsultativkonferenz Chinas“ (Zhongguo zhengzhi xieshang huiyi) als Mittel zur Legitimierung der GMD, scheiterte zwi-schen 1946-1949.29 Die heutige PKCV in der Volksrepublik hat nicht nur die alte Bezeich-nung „Politische Konsultativkonferenz“ aus der Zeit der GMD-Herrschaft beibehalten, son-dern sie hat sogar auch ähnliche Funktionen inne wie die unter der GMD geplanten. Dies bedeutet, daß die KPCh bestimmte Elemente des vorangehenden Herrschaftssystems über-nommen hat. Dabei liefert die PKCV Möglichkeiten für politische

27 Vgl. Weggel: Das Öffentliche Recht, S.67f. 28 Der „Politische Rat des Volkes“ fand im Juli 1938 als Volksversammlung mit breiter Repräsentation statt. Tatsächlich diente er aber zur Vereinigung aller Kräfte gegen Japans Angriff. Seine Vertreter wurden nicht durch die Bevölkerung gewählt. Systemkritik war nur beschränkt möglich. Siehe Fredric J. Spar: „Human Rights and Political Engagement: Luo Longji in the 1930s“, in: Jeans: Roads Not Taken, S.62. Vgl. auch Lawrence N. Shyu: „China’s Minority Parties in the People’s Political Council, 1937-1945“, in: Jeans: Roads Not Taken, S.153 ff. 29 Vgl. Spence: Search for Modern China, S.488f. 178 Konsultationen zwischen der KPCh, den DP, den Massenorganisationen und den Parteilosen. Deswegen definiert Oskar Weggel die Politik in der VR China als „konsultative Demokratie“, ihrem Wesen nach kann sie auch als „korporative Demokratie“ betrachtet werden.30 „Politische Konsultation“ und „Abstimmung“ werden als zwei verschiedene – aber un- trennbare – Formen „demokratischer“ Entscheidung im politischen Prozeß der VR China an- gesehen. Die erstere findet in der Einheitsfront bzw. in der PKCV statt, während die letztere im NVK mittels des Prinzips des demokratischen Zentralismus durchgeführt wird.31 Die poli- tische Konsultation spiegelt die Entwicklung der Kooperationsform zwischen der KPCh und den DP wider. Sie wird durch das Abhalten von Sitzungen in den folgenden Formen durchge- führt:

(1) Die Sitzungen der politischen Konsultation: Die politischen Führer der KPCh-Zentrale laden die politischen Führer der DP sowie die Parteilosen ein, um über wichtige Punk- te der Politik zu verhandeln. (2) Die Diskussionen auf hoher Ebene wie auch im kleineren Kreis: Je nach Notwendig- keit laden die politischen Führer der KPCh-Zentrale in unregelmäßigen Zeitabständen die politischen Führer der DP sowie die Parteilosen ein, um freiwillig über die ge- meinsam zu lösenden Probleme zu reden, Gedanken hierzu auszutauschen und die Meinungen anderer zu hören. (3) Die Behandlung von Spezialthemen: Die KPCh lädt die Vertreter der DP sowie die Parteilosen ein, um diese über die aktuellen politischen Angelegenheiten zu informie- ren, um wichtige Dokumente der KPCh weiterzuleiten und um über ein bestimmtes Thema zu diskutieren oder Vorschläge zu unterbreiten.32

Im Beschluß der KPCh-Zentrale über das System der Mehrparteienkooperation (siehe III 4.2) beziehen sich die Formen politischer Konsultation der DP nur auf das Abhalten von Dis- kussionssitzungen. Diese sind zwar regelmäßig, aber weder institutionalisiert noch in irgend- einer Weise verpflichtend für KPCh und Regierung. Wirklich entscheidende politische Aktivitäten der DP werden auf diese Weise keinesfalls ermöglicht. Die Kommunisten hoffen,

30 Nach Oskar Weggel bedeutet „Korporatismus“ die ständige und häufig informelle Zusammenarbeit in einer Bürokratie, wobei die „Guanxi“ stark gepflegt werden. Hier wird die PKCV zwar nicht als Bürokratieform betrachtet, aber bei der Zusammenarbeit im Abgleichungsprozeß zwischen der KPCh und den DP wird trotzdem der Korporatismus angewandt. Vgl. Weggel: China im Aufbruch, S.71ff, S.79 u. S.86. 31 Vgl. „Gongchandang lingdao de duodang hezuo zhidu shi zhichi woguo zhengquan zhidu de zhengdang zhi- du“ („Das System der Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh ist ein die Staatsmacht unseres Lan- des unterstützendes Parteiensystem“), Guangming Ribao, 15. Feb. 1993, S.1. 32 Vgl. Luo: GYDDHZ, S.50. 179 daß die Meinungen verschiedener Seiten durch eine solche Vorgehensweise im Vorfeld ge- sammelt werden können, damit die später veröffentlichten Richtlinien den realen Ansprüchen der Gesellschaft entsprechen und gleichzeitig Fehler und Abweichungen vermieden werden können.33 Auf diese Weise können im Verhandlungsprozeß Konflikte ausgeräumt werden.

3.2.2 „Demokratische Kontrolle“

Im heutigen China umfaßt das als „sozialistische Kontrolle“34 bezeichnete System folgen- de Bereiche: (1) Kontrolle höherer Instanz, (2) Kontrolle von innen, (3) juristische Kontrolle, (4) administrative Kontrolle, (5) Kontrolle der Massenmedien und (6) „demokratische Kon- trolle“.35 „Demokratische Kontrolle“ (Minzhu jiandu) wird in zwei Formen ausgeführt: zum einen durch den NVK und zum anderen durch die PKCV.36 In diesem Abschnitt soll die zweite Form der „demokratischen Kontrolle“ behandelt werden. Die „demokratische Kontrolle“ der PKCV beinhaltet die folgenden Bereiche: (a) Wahrung des Verfassungsgeistes, der Gesetze und der Bestimmungen, (b) Durchführung der von der KPCh-Zentrale und von den Staatsorganen vorgegebenen politischen Leitprinzipien und Richtlinien, (c) Umsetzung der staatlichen Pläne bezüglich der Volkswirtschaft, der Sozialent- wicklung und des Finanzhaushalts, (d) Vorschriftsmäßigkeit hinsichtlich jeweiliger Kompe- tenzen der Staatsorgane und der Staatsdiener.37 Die wesentlichen Formen der „demokratischen Kontrolle“ in der PKCV stellen sich fol- gendermaßen dar: Die Abgeordneten können durch das Plenum der PKCV, durch die Sitzun- gen des Ständigen Ausschusses oder durch die Sitzungen der Vorsitzenden der Nationalen PKCV gegenüber der KPCh-Zentrale und dem Staatsrat eigene Vorschläge unterbreiten; alle

33 Vgl. Ren: ZRZC, S.74f. 34 Vgl. Sun Fuhai: „Shehuizhuyi jiandu tizhi yanjiu“ („Die Untersuchung des Systems der sozialistischen Kon- trolle“), in: Xinhua Wenzhai, Nr. 5, 1996, S.14-19. 35 Eine Kontrolle der höheren Instanz bedeutet hier Kontrolle von oben nach unten. Sie wird zwar zur Machtaus- übung eingeführt, aber nicht zur tatsächlichen Ausführung der Kontrolle, so daß die eigentliche Kontrolle die Unterstützung des Ausübungsorgans benötigt. Die innere Kontrolle findet in der Form einer Selbst-Kontrolle in den administrativen Organen statt. Ihre fundamentale Schwäche liegt darin, daß sie z.B. auf die Spitzenpo- litiker gar nicht erst angewandt werden kann. Die Kontrolle der Justizorgane genießt bis auf den heutigen Tag keinerlei Unabhängigkeit von den Staatsorganen. Die Politik der Partei bzw. des Staates, ja sogar die Reden der einzelnen Parteiführer genießen einen höheren Stellenwert als die Gesetze. Die „administrative Kontrolle“ wird sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft seitens der administrativen Organe ausgeübt. Die Kontrolle der Massenmedien ist zwar rein theoretisch erlaubt, findet aber in der Praxis wegen der Gefahr der Zerstörung des Images von Armee und KPCh selten statt und bleibt erfolglos, weil die administrativen Organe sie nicht beachten. Siehe ebd., S.14-19. 36 Die Ausübung der Kontrolle durch den NVK gilt auch als eine Forme der Kontrolle höherer Instanz. Vgl. ebd., S.14-16. 37 Vgl. ZXGD, S.45. 180 Fachausschüsse der PKCV können ihre Vorschläge einbringen oder ihre Berichte vorlegen und nebenbei Kritik üben; sie können auch an der Untersuchung und an der Überwachung der Organe der KPCh-Zentrale und des Staatsrats mitwirken.38 Außerdem dürfen die erwähnten Organisationen bzw. die Abgeordneten aus der PKCV die Verantwortlichen der KPCh-Zen- trale, des Staatsrats und die Vertreter der staatlichen sowie der mit der Parteizentrale zusam- menhängenden Organe zu ihren Sitzungen einladen, um verbleibende Fragen zu klären.39 Die Ausübung der „demokratischen Kontrolle“ ist begrenzt und betrifft nur den Umfang der Ausführung der politischen Vorgaben oder Maßnahmen. Grundlegende Änderungen in den Richtlinien gehören nicht zu ihrem Aufgabenbereich. Nach Ansicht der KPCh gehört die „demokratische Kontrolle“ zur äußeren Kontrolle bzw. zur Kontrolle der Gesellschaft.40 Die KPCh versteht unter „Kontrolle der Gesellschaft“, eine Kontrolle, die durch die DP, soziale Gruppen und Medien gegenüber den politischen, gesellschaftlichen und juristischen Fragen ausgeübt wird.41 Aufgrund der unklar formulierten Vorschriften und Regelungen und auch wegen ihres undeutlichen politischen und juristischen Status erweist sich die Ausübung der Kontrolle der PKCV als „mehr Schein als Sein“.42 Die PKCV fungiert meistens als eine Art „nachträglicher Unterstützung“ und übt selten eine aktive Einflußnahme aus.43 Außerdem verfügt sie über kein geeignetes Strafinstrument gegenüber den betreffenden Organen oder Personen, damit ist sie nur begrenzt handlungsfähig. Die Partei jedoch versteht diesen undeutlich definierten Spielraum als besonders „umfangreich“ und „flexibel“.44 Tatsächlich wird die „demokratische Kontrolle“ als „Empfehlung“ und „Warnung“ aufgefaßt.45 Die KPCh beschränkt die Aus- übung der demokratischen Kontrolle, damit die PKCV sich nicht direkt in die Entscheidungs- und Ausübungsorgane einmischt.46 Das zeigt, daß die KPCh keine wirkliche Kontrolle will.

„Demokratische Kontrolle“ bedeutet, daß die KPCh und die Nichtkommunisten auf der Grundlage von gemeinsamen politischen Prinzipien sich den Meinungen der jeweils anderen Seite stellen und auch Kritik üben dürfen. Nach Vorstellung der Kommunisten handelt es sich

38 Vgl. ebd., S.46. 39 Vgl. ebd. 40 Vgl. Sun: SHZYJD, S.16. 41 Vgl. Zhao: DQZX, S.166. 42 Vgl. Sun: SHZYJD, S.16. 43 Vgl. ebd. 44 Vgl. Ren: ZRZC, S.75. 45 Vgl. Mi Hedu: „Gonggu he fazhan aiguo tongyi zhangxian, chongfen fahui renmin zhengxie de zuoyong“ („Die Festigung und die Entwicklung der patriotischen Einheitsfront, die Entfaltung der Wirkung der PKCV“), in: Luo Hanxian (Hrsg.): Zhongguo gongchandang lingdao de duodang hezuo (Die Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh), Peking 1991, Kap. 5, S.78. 46 Vgl. ebd. 181 bei der demokratischen Kontrolle vornehmlich um eine beschränkte Kontrolle durch die DP und die Parteilosen.47 Sie bedeutet keinesfalls die Ausdehnung von Befugnissen der DP, son- dern lediglich eine Hilfe zur Effizienzsteigerung des Arbeitsstils der KPCh-Führung.48 Alle Kritikpunkte, welche von der PKCV oder den DP vorgebracht werden, dürfen sich außerdem nur an bestimmten Themen wie „Umwelt“, „Armut“, „Analphabetismus“, „lokaler Protek- tionismus“ orientieren.49 Dabei sollen vor allem Harmonie und Stabilität aufrechterhalten werden, um scharfe Kritik seitens der DP in den Sitzungen der PKCV im Vorfeld zu vermeiden. Aus Sicht der KPCh ist die Durchführung einer „demokratischen Kontrolle“ durch die DP zur Zeit erforderlich, weil die Bedingungen für andere Formen der Kontrolle noch nicht in ausgereifter Form verwirklicht worden seien – wie z.B. die Selbst-Kontrolle innerhalb der KPCh, die noch Beschränkungen unterliegt; allgemeine und freie Wahlen zur Verbesserung der Kontrolle im NVK, die von der KPCh als zeitlich unangemessen betrachtet werden; und eine wirksamere Kontrolle durch Massenmedien, die bisher noch nicht realisiert worden ist. Sie alle stellen sich jedoch als ein längerfristiges Ziel dar. Deswegen ist zur Zeit die demokra- tische Kontrolle durch die DP wohl noch am ehesten zu verwirklichen.50 Sie gilt aber als eine Übergangsregelung im Prozeß des schrittweisen Aufbaus des sozialistischen Rechtssystems.

Weil die Bevölkerung über recht geringe „Inputs“ im politischen Entscheidungsprozeß verfügt, fordert sie um so stärker nach Vertretung ihrer Interessen in der Politik.51 Sie strebt nach Durchsetzung eigener Interessen durch Nutzung von persönlich-privaten Beziehungen, aber nicht durch die Teilnahme an politischen Aktivitäten innerhalb des Systems. Jean C. Oi demonstriert das wie folgt: „In China, citizens commonly purse their interests through the cultivation and manipulation of personalistic relationships, including kinship and clientelist ties. The pursuit of interests during the policy implementation process is possible precisely because of the prevalence of clientelism“.52 Die Ausnutzung des „Klientelismus“53 als Ver-

47 Vgl. Ren: ZRZC, S.75. 48 Vgl. Seymour: AHCL, S.301. 49 Vgl. ebd., S.302. 50 Vgl. Mi: FZTYZX, S.89. 51 Vgl. Jean C. Oi: „Mobilization and Participation: The Case of China“, in: Cohen: Asia, S.263. 52 Vgl. ebd., S.264. 53 Der politische Klientelismus bezeichnet ein informelles Machtverhältnis in Form einer persönlichen Bezie- hung zwischen zwei Personen (aber auch zwischen zwei Gruppen), die zum beiderseitigen Vorteil einen Tausch von Vergünstigungen vornehmen. In vielen Fällen sind diese Beziehungen allenfalls halblegal und stehen nicht selten sogar in Widerspruch zur offiziellen Gesetzgebung des betreffenden Landes. Bei diesem Klientelverhältnis existiert eine Abhängigkeit oder gar Ausbeutung des schwächeren („Klient“) durch den stärkeren Partner („Patron“). Aber dies wird normalerweise durch eine Verpflichtung des „Patrons“ zu Hilfe- leistung und Solidarität in Fällen einer schweren Notlage des „Klienten“ gemildert. Siehe Nohlen: KLP, S.233. 182 bindungselement zwischen den politischen Eliten und den Massen sowie die Stärkung der Klientelbeziehungen im politischen Entscheidungsprozeß („clientelist politics“) sind im sozia- listischen System nichts Außergewöhnliches. Aus der Zentralplanwirtschaft und dem ge- schlossenen Markt ergibt sich nur eine geringe Verteilung von ohnehin spärlichen Ressour- cen.54 Dieser Umstand begünstigt wiederum die Macht der Kader.55 Die Korruption in der Bürokratie Chinas ist mittlerweile zu einem großen Problem ge- worden. Wie Ministerpräsident einmal feststellte, bedrohe die Korruption die Stabilität des Peking-Herrschaftssystems empfindlich.56 Im August 1988 richtete das neue Kontrollministerium im ganzen Land bis hinunter zur Kreisebene sogenannte „Anzeige- stellen“ ein, bei denen die Bevölkerung Klage gegen Behördenwillkür und Amtsmißbrauch führen konnte. Aber die zunehmende Korruption wurde dadurch weder abgebremst noch ge- mildert. Das Problem liegt vielmehr im Mangel an institutioneller Kontrolle. Einerseits be- schränkt die KPCh den Freiraum der Medien, die darum kaum Möglichkeiten haben, korrupte Beamte zu entlarven und über diese zu berichten. Andererseits verleiht sie zwar den DP das Recht, im NVK und in der PKCV die bereits beschriebene „demokratische Kontrolle“ auszu- üben, aber dieses Recht kann in der Praxis nur eingeschränkt funktionieren. Bisher sind die Maßnahmen gegen die Korruption in der VR China erfolglos geblieben.57 Drei große Hindernisse tauchen dabei auf: Zum ersten werden Gesetze nicht wirklich durch- gesetzt, da sich die Kader aus Partei und Regierung öffentlich in die Ausführung der Gesetze einmischen. Zum zweiten sind die Gerichte einer höchsten Instanz untergeordnet und müssen dieser gehorchen. Sie sind somit nicht unabhängig. Zum dritten kontrollieren die Kader aus politischen bzw. strategischen Gründen das Rechtssystem, um sich selbst Vorteile zu ver- schaffen.58 Daraus folgt, daß das System der Überwachung der KPCh und der Regierung nicht wirklich funktioniert.

Vgl. auch Samuel N. Eisenstadt / René Lemarchand (Hrsg.): Political Clientelism, Patronage and Development, London 1981. 54 Vgl. Oi: Mobilization and Participation, S.264. 55 Vgl. ebd., S.264 u. S.576. Vgl. auch Pye: An Overview, S.576. 56 Vgl. Fu Yijie: „Jiangzemin 2001 nian mianlin san da tiaozhan“ („2001 wird Jiang Zemin mit drei Herausfor- derungen konfrontiert“), in: Lianhe Bao, 18. Dez. 2000, S.13. 57 Nach einer Schätzung von Hu Angang, Forscher in der „Chinesischen Akademie der Wissenschaften“, verur- sachen die Korruptionsfälle in der VR China Schaden von etwa einer Billion (in Zahlen: 1 000 000 000 000) Yuan pro Jahr seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Zwischen 1993 und 1998 wurden nur 6,8% der über- führten Kader, deren Fälle aktenkundig geworden waren, bestraft. Der Gewinn durch die Korruption bzw. die Verführbarkeit ist höher als das Risiko erwischt und dafür verurteilt zu werden. Siehe „Dalu tanwu fubai yi- nian sunshi yizhao renminbi“ („Die Korruption auf dem Festland China verursacht einen jährlichen Verlust von einer Billion Yuan“), in: Lianhe Bao, 24. März 2001, S.13. 58 Vgl. Li Zijing: „Ruanjin zhaozhiyang de gaoceng yijian“ („Einwände von Vertretern der Oberschicht gegen den Hausarrest Zhao Ziyangs“), in: Cheng Ming, April 1998, S.36f. 183 3.2.3 „Mitwirkung bei Staatsgeschäften“

Die dritte Funktion der DP in der PKCV ist die „Mitwirkung bei Staatsgeschäften“ (Can- zheng yizheng), d.h. die Abgeordneten der PKCV können an den Staatsgeschäften teilnehmen und darüber diskutieren. In der Praxis fächert sie sich in viele unterschiedliche Bereiche auf, wie z.B. die Übernahme führender Ämter auf allen Ebenen in Staats- und Justizorganen sowie in der PKCV, die Beteiligung an Diskussionen und Entscheidungen bei der Festlegung staat- licher Richtlinien, die Mitwirkung bei der Verwaltung der Staatsgeschäfte und die Teilnahme an der Prüfung und der Kontrolle der Ausführung der staatlichen Politik und Gesetze.59 Nach Anordnung der KPCh können die Abgeordneten der PKCV diese Funktion aber nur in folgender Form ausüben: Sie dürfen nur die aktuellen Probleme der Bevölkerung unter- suchen und analysieren, die auch aus der Perspektive der KPCh und der Regierung relevant sind. Schließlich können sie der KPCh oder der Regierung Vorschläge über Reformen und den Aufbau der sozialistischen Modernisierung machen.60 Dies wird vor allem durch das sogenannte „Ti’an“ durchgeführt. „Ti’an“ bedeutet, daß die Abgeordneten der PKCV das Recht haben, bei Staatsgeschäften Anträge zu stellen. Dies vollzieht sich wie folgt: Die Abge- ordneten können durch die PKCV ihre Anträge an den NVK, an die Regierung oder an die anderen staatlichen Organe stellen. Aber diese Anträge unterscheiden sich von denen im NVK gestellten, denn die PKCV ist ein nicht in der Verfassung verankertes Organ und besitzt dabei keine gesetzliche bindende Kraft. Nach Vorstellung der KPCh können die Abgeordneten des NVK ihre Anträge nur während der Sitzungen des NVK stellen. Dagegen können die Abge- ordneten der PKCV ihre Anträge auch außerhalb der Sitzungen der PKCV stellen.61 Um sicher zu stellen, daß diese Anträge von den betreffenden Organen oder Personen be- achtet werden, führt der Ausschuß für Antragstellung (Ti’an weiyuanhui) in der PKCV fol- gende Aktivitäten durch: (1) das Abhalten von Diskussionen zwischen den Antragstellern und den betreffenden Organen oder Personen, (2) die Untersuchung speziell ausgewählter Themen aus den zugelassenen Anträgen bezüglich ihrer praktischen Umsetzung, (3) die Bekanntma- chung des Ergebnisses und der Erfahrungen bei dieser Arbeit. Außerdem ordnet und analy- siert der Ausschuß für Antragstellung inhaltlich alle Anträge, was nachher in der Zeitung der PKCV „Renmin Zhengxie Bao“ veröffentlicht wird, um der politischen Führung und den be- treffenden Organen Vorschläge zu machen.62

59 Vgl. DDHZZYJ, S.1. Vgl. auch Ren: ZRZC, S.75. 60 Vgl. ZXGD, Art. 5, S.46. 61 Vgl. Ren: ZRZC, S.75. 62 Vgl. : „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi dijiu jie quanguo weiyuanhui chanwu wei- yuanhui guanyu zhengxie jiu jie er ci huiyi yilai ti’an gongzuo qingkuang de baogao“ („Arbeitsbericht des 184 Tabelle IV 3-3: Die Anzahl und die Bereiche der von den Abgeordneten gestellten Anträge in der PKCV (1993-2000) (Die Prozentsätze befinden sich in den Klammern)

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Aufbau 610 726 769 974 1027 1157 1257 1423 der (35,3) (39,2) (41,5) (47,05) (42,3) (45,97) (42,8) (46,5) Wirtschaft Ausbildung, 573 556 516 588 746 748 819 899 Wissenschaft, (33,2) (30) (27,9) (28,41) (30,8) (29,72) (27,9) (29,4) Kultur u.a. Einheitsfront, nationale, religiöse und 191 196 ------übersee-chi- (11,1) (10,6) nesische An- gelegenheiten Politik, Gesetze, 353 373 567* 508* 653* 612* 861* 739* Arbeit und (20,4) (20,2) (30,6) (24,54) (26,9) (24,31) (29,3) (24,1) Personal Zugelassene Anträge 1727 1851 1852 2070 2426 2517 2937 3061 insgesamt

Quellen:1. „Zhengxie diba jie quanguo weiyuanhui diyi ci huiyi ti’an weiyuanhui guanyu ti’an shencha qing- kuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträge auf der 1. Tagung der VIII. Nationalen PKCV„), angenommen am 27. März 1993, in: Xinhua Yue- bao, Nr. 4, 1993, S.92. 2. w.v., 2. Tagung, angenommen am 19. März 1994, in: Xinhua Yuebao, Nr.3, 1994, S.68. 3. w.v., 3. Tagung, angenommen am 14. März 1995, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 1995, S.63. 4. w.v., 4. Tagung, angenommen am 13. März 1996, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 1996, S.91. 5. w.v., 5. Tagung, angenommen am 12. März 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 1997, S.71-72. 6. „Zhengxie dijiu jie quanguo weiyuanhui diyi ci huiyi ti’an shencha weiyuanhui guanyu ti’an shencha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträ- ge auf der 1. Tagung der IX. Nationalen PKCV„), angenommen am 14. März 1998, in: Xinhua Yue- bao, Nr.4, 1998, S.107. 7. w.v., 2. Tagung, angenommen am 11. März 1999, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 1999, S.178. 8. w.v., 3. Tagung, angenommen am 11. März 2000, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 2000, S.84.

* In den Jahren von 1995-2000 wurde der Bereich „Einheitsfront, nationale, religiöse und übersee-chinesische Angelegenheiten“ mit Bereich dem „Politik, Gesetze, Arbeit und Personal“ zusammengeschlossen.

Nach der Statistik nimmt die Anzahl der Anträge jährlich zu. Dabei stehen die Anträge zu wirtschaftlichen Angelegenheiten im Vordergrund. Das bedeutet, daß die Abgeordneten der PKCV aktiver geworden sind. Sie berücksichtigen außerordentlich intensiv die wirtschaft- lichen Probleme.

Ständigen Ausschusses über die Anträge seit der 2. Tagung der IX. Nationalen PKCV„) (Rede auf der 3. Tagung der IX. Nationalen PKCV am 3. März 2000), in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 2000, S.83. 185 Die Übernahme wichtiger Posten auf allen Ebenen in Staats- und Justizorganen sowie in der PKCV durch Nichtkommunisten gilt als eine Form der „Mitwirkung bei Staatsgeschäf- ten“. Laut Definition der KPCh ist der NVK das höchste Organ der Staatsmacht in der VR China. Deswegen ist die Zentralregierung dem NVK untergeordnet. Nach Ansicht chinesi- scher Wissenschaftler ist die sogenannte „Regierungsbeteiligung“ der DP deswegen nicht entscheidend wichtig, weil die Regierung lediglich ein Exekutivorgan darstellt.63 Weil die VR China weder ein Präsidialsystem noch ein Parlamentsystem ist, entspricht die Beteiligung der DP und Parteilosen an der Regierung völlig anderen Prinzipien. Es gibt keine konkrete Gesetze und Beschlüsse bezüglich der Regierungsbeteiligung der DP. Die KPCh verfügt allein über die Entscheidungskompetenzen für das Personal der Regierung. Die Regierungsämter sind für die Politiker der DP nur als „Vergünstigung“ oder „Belohnung“ seitens der KPCh zu betrachten. Die KPCh hält die Regierungsbeteiligung der DP für eine Form der Zusammenarbeit. In Wirklichkeit ist sie aber nur ein Zugeständnis, durch das die Vertreter der DP auf die Seite der KPCh gezogen werden sollen. In diesem Sinne besitzen die DP keine Möglichkeit zur Herstellung eines Gegengewichts zur KPCh. Sie gelten lediglich als sogenannte „mitwirkende Parteien“.

Seit Wiederherstellung der Aktivitäten der DP am Ende der 1970er Jahre gibt es keine Vertreter der DP in der Regierung mehr, die etwa das Amt des Vize-Staatspräsidenten oder das eines Ministers wie Anfang der 1950er Jahre ausüben. Sie erreichen höchstens das Amt eines Stellvertretenden Ministers im Staatsrat. In den Provinz-, Stadt- und Kreisregierungen findet man allerdings noch DP-Politiker, die Führungsrollen übernehmen. Im März 1988 wurde der KPCh-freundliche und ehemalige Vizevorsitzende der GDNAC Fung Tiyun Stell- vertretender Minister des Ministeriums zur Kontrolle. Er war der erste Politiker aus den DP, der seit dem Ende der Kulturrevolution ein Amt im Staatsrat erhielt. Bis 1992 übernahmen über 1400 DP-Politiker und Parteilose Ämter von der zentralen bis zur lokalen Ebene (Xian bzw. Kreis, bis zu Stellvertretenden Kreisvorstehern), darunter waren 9 Stellvertretende Minister in der Zentralregierung und 13 Politiker der DP, die auf den gleichen Adminis- trationsebenen der Provinzen, der autonomen Regionen (Zizhiqu) sowie der regierungsmit- telbaren Städte (Zhixiashi) leitende Positionen übernahmen (entweder das Amt eines Gouver- neurs, Präsidenten oder Oberbürgermeisters).64 Von 1993 bis 1996 übernahmen insgesamt 1141 Mitglieder aus den DP und der NVIK führende Ämter aller Ebenen in den Staats- sowie

63 Vgl. Xie Jun / Pong Xiaochun (Hrsg.): Zhongguo gongchandang lingdao de duodang hezuo zhidu (Das Sys- tem der Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh), Nanning 1990, S.70. 64 Vgl. MDZFZ, S.3. 186 in den Justizorganen, wovon 59 führende Ämter sich auf Provinzebene befanden und 623 zu den Spezialbeauftragten des Staatsrats und der Provinzregierungen gehörten.65 Bisher erlaubt die KPCh den DP-Mitgliedern lediglich, daß sie bis zum Stellvertretenden Minister aufsteigen können. Im Vergleich mit der Situation am Anfang der VR China sind ihre Positionen somit heute auf einer noch niedrigeren Stufe angesiedelt und dabei ohne wirk- liche Einflußnahme.66 Laut KPCh-Entwurf zur Strukturreform von 2001 können die DP-Mit- glieder sowie die Parteilosen ein Amt in der Zentralregierung ausüben, jedoch beschränkt sich das auf Stellen im Außenministerium, im Verteidigungsministerium, im Ministerium für Staatssicherheit und im Ministerium für Personalangelegenheiten, höchstens in der Position eines Stellvertretenden Ministers. Die wichtigsten Stellen können ohnehin nur von den Mit- gliedern der KPCh eingenommen werden.67

Die KPCh versteht die „Mitwirkung bei Staatsgeschäften“ demnach nur als Ausweitung und Verlängerung der „politischen Konsultation“ und der „demokratischen Kontrolle“.68 Dies zeigt, daß die Beteiligung der DP an Staatsgeschäften in der Tat nicht als eine wirkliche Re- gierungsbeteiligung betrachtet werden kann.

65 Vgl. THGZ, S.7. 66 Anfang der 1950er Jahre übernahmen einige DP-Politiker zwar das Amt des Ministers im Staatsrat, aber ihre Stellvertretenden Minister waren meistens Kommunisten, welche für die politischen Entscheidungen wirklich verantwortlich waren. 67 Vgl. „Zhonggong 16 da zhenggai caoan“ („Der Entwurf der politischen Reformen für den XVI. Parteitag der KPCh“), in: Lianhe Bao, 23. Juli 2001, S.13. 68 Vgl. ZXGD, Art. 5, S.46. 187 V Schlußfolgerung: Bewertung der Auswirkungen der „Demokratischen Parteien“ auf die „Stabilität“ des Herrschaftssystems und die Möglichkeit zu politischen Reformen in der VR China

1 Die Rolle der „Demokratischen Parteien“: Mittäter, Helfer oder Opfer?

Eine Beurteilung der politischen Funktionen der DP ist ein schwieriges Unterfangen. Die DP werden manchmal als Opfer der KPCh angesehen, manchmal aber auch als Mittäter oder Helfer. Angesichts der strittigen Rolle sollte die tatsächliche Stellung der DP zuerst verdeut- licht werden: Wie definiert die KPCh die Rolle der DP? Wie sieht diese Rolle in der Praxis aus? Sind die DP „Koalitionspartner“ oder „Opposition“? Sind sie echte „Parteien“ oder nur „Interessengruppen“ oder sind sie den „Shi“ bzw. „Shishen“ im alten China vergleichbar?

In der Geschichte der VR China, z.B. während der „Anti-Rechts-Kampagne“ und der Kul- turrevolution, wurden die DP häufig Opfer von Willkür seitens der KPCh, wohingegen sie in neuerer Zeit als wichtig gelten. Seit dem Anfang der 1990er Jahre werden sie „mitwirkende Parteien“ genannt. Diese Bezeichnung bedeutet nicht unbedingt, daß die DP als „Koalitions- partner“ der Regierung anerkannt werden. Die Gründung einer „demokratischen“ Koalitions- regierung nach der Theorie von Mao hat sich im Laufe der Geschichte als bloßer Propaganda- trick der KPCh herausgestellt, die in der Praxis nie durchgeführt worden ist. Das „System der Mehrparteienkooperation“ wird zwar rhetorisch als eine Art „großer Koalition“ angesehen, aber die KPCh stimmt nicht der Interpretation zu, daß die „Mehrparteienkooperation“ auch identisch mit einer „Koalitionsregierung“ sei. Die KPCh möchte zwar mit den anderen Par- teien zusammenarbeiten, aber die Macht keineswegs teilen. In diesem Sinne können die DP auf keinen Fall „Koalitionspartner“ sein. Angesichts ihrer eingeschränkten Kompetenzen ist es fraglich, ob die DP als „Parteien“ gelten können. Klaus von Beyme unterscheidet folgendermaßen zwischen „Parteien“ und „Interessengruppen“: Die Funktion der Interessenartikulation wird den Interessengruppen zugestanden, während die Funktion der Interessenaggregation den Parteien gehört. 1 Die Interessenartikulation ist eine wichtige Funktion für die Interessengruppen, welche die Inte-ressen der Mitglieder als konkrete und sachbezogene Forderungen im politischen Entschei-dungsprozeß zur Geltung bringen. Die „Interessenaggregation“ findet zwar in allen Interes-sengruppen statt, wird aber als Begriff zumeist im Hinblick auf

1 Vgl. Beyme: Parteien, S.23. 188 politische Parteien verwendet, die Interessen sowohl aggregieren, als auch in den eigenen Parteiprogrammen und in ihrer Politik zur Geltung bringen.2 In der Regel beteiligen sich die Parteien an Wahlen und streben politische Ämter an. Angesichts der fehlenden Entscheidungsmacht im politischen Prozeß, der mangelnden Macht zur Mitbestimmung oder Änderung der politischen Ordnung und der finanziellen Unterstützung durch die KPCh, folgen die DP nur der von der KPCh vorherbe-stimmten politischen Ordnung. Sie werden sogar von ihrer Beteiligung an den Wahlen ausge-schlossen. Ihre ganze politische Partizipation in der PKCV und im NVK ist sehr passiv und beschränkt sich meistens auf die Abstimmung der von der KPCh vorgelegten Gesetzesent-würfe. Nach der Definition Beymes funktionieren demnach die DP auf keinen Fall wie ge-wöhnliche „Parteien“, sondern arbeiten eher wie „Interessengruppen“. In der VR China wird das individuelle Interesse kaum in den Vordergrund gestellt, sondern vielmehr das kollektive Interesse. Aber die Interessengruppen sind nicht mit den „lobbies“ in den USA zu vergleichen.3 Auch eine Interessenartikulation ist bei den DP kaum zu erwarten. Die KPCh kontrolliert nämlich ihre Organisationsentwicklung und schränkt ihre Mitglieder- aufnahme in bestimmten Bereichen ein. Unter diesen Bedingungen können sie sich nur schwer zu einer echten Massenpartei entwickeln. Sie vertreten nur die Meinungen bestimmter Schichten oder „Klassen“, wobei sich ihre Mitglieder meistens aus gebildeten Kreisen rekru- tieren oder beruflich höher qualifizierte Fachleute sind.

Nach 1979 – vor allem nach 1989 – wird in der VR China die Elitenpartizipation anstelle der Massenpartizipation eingesetzt. Die Rolle der DP oder der Mitglieder in der PKCV wird im politischen System wieder stärker betont. Die von der KPCh vorgegebene Rolle der DP ist eine ähnliche wie die der „Shi“ oder „Shishen“ im alten China, die zwischen Kaiser (Staat) und Bevölkerung (Gesellschaft) als Verbindungselement standen. Aber die Intellektuellen in der modernen Gesellschaft haben ihre soziale Basis verloren, da die alte Sozialordnung in der VR China restlos zerstört worden ist. Moderne Intellektuelle verfügen über keine vergleich- bare soziale Basis wie die „Shi“ oder „Shishen“ im alten Reich. Daher können sie sozial und politisch nicht mehr so agieren wie ihre „Vorfahren“. Die DP konnten die von der KPCh erwarteten Aufgaben in den 1990er Jahren zum Teil erfüllen, als China noch eine relativ geschlossene Gesellschaft war. Es ist aber fraglich, ob die DP die Integration der sozialen Kräfte und die Aufrechterhaltung der Stabilität des KPCh-

2 Vgl. Klaus von Beyme: Interessengruppen in der Demokratie, München 1980, S.196. 3 Vgl. Seymour: CSP, S.89f. 189 Herrschaftssystems in einer sich schnell wandelnden und tendenziell pluralistischen Gesell- schaft weiter verwirklichen können. Im Rahmen der politischen Kultur stellen die Beziehungen zwischen der KPCh und den DP die eines „Kaiser-Beamten“- oder „Vater-Sohn“-Verhältnisses dar. Aus westlicher Pers- pektive wird dieses Verhältnis als „Einparteiensystem“ angesehen, da nur ein einziges Macht- monopol und keine Konkurrenz existiert. Die Aufgaben, die der DP zugedacht werden, wie z.B. der Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung, die Erhöhung des Ausbildungsniveaus, die „demokratische Kontrolle“ und die Hilfe bei der geplanten Wiedervereinigung mit Taiwan, stellen keine institutionellen Aktivitäten dar und spielen folglich nur eine subordinierte Rolle. Ihre Aktivitäten ergänzen lediglich die fehlenden Funktionen des bestehenden sozialistischen Systems. Sowohl durch die Modernisierung, die als ein „neuer langer Marsch“ verstanden wird, als auch mit Hilfe des neuentdeckten Nationalismus als „Ideologieersatz“ kann die KPCh zu- nächst den Enthusiasmus innerhalb der Bevölkerung heben, um alle Kräfte zu integrieren. Sie kann ihre Ziele auf diesem Weg aber auf Dauer nicht verwirklichen. Die eigene Bevölkerung wird schließlich enttäuscht sein, wenn die Wirtschaft sich nicht weiterhin erfolgreich ent- wickeln sollte. Dies aber ist bei der Beibehaltung der gegenwärtigen Politik zu befürchten, denn nur wenn das Herrschaftssystem – nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das po- litische System sowie das Schulsystem – von Grund auf reformiert werden, kann es der weiteren Wirtschaftsentwicklung zugute kommen und somit das Herrschaftssystem der KPCh weiterhin legitimieren. Hierin liegt das eigentliche Problem für die Machterhaltung der KPCh, welches sie aber nicht alleine mit der Hilfe der DP lösen kann.

Hinsichtlich der politischen Funktionen erfüllen die DP derzeit vor allem Berateraufgaben bei den einzelnen politischen Entscheidungsprozessen. Die politische Partizipation der DP oder der sozialen Kräfte im ganzen politischen Entscheidungsprozeß sieht folgendermaßen aus: Jeder Konsens wird als „Input“ im politischen Entscheidungsprozeß aufgefaßt, welcher durch „politische Konsultation“ erreicht werden soll. Die Mitglieder der DP, die der Regie- rung Vorschläge machen oder als mit hochrangigen Ämtern versehene Politiker an der Re- gierung beteiligt sind, zeigen ihre Beteiligung in jedem politischen Entscheidungsprozeß; die „demokratische Kontrolle“ findet im „Output“ des politischen Entscheidungsprozesses statt. In der Praxis jedoch funktionieren sie nicht so, wie es in den betreffenden Dokumenten dar- gestellt wird. Angesichts fehlender institutioneller Unterstützung verfügen die DP weder über Zwangsmaßnahmen noch über Strafinstrumente, um ihre eigentlichen Funktionen an dem je-

190 weils betreffenden Gegenstand (Verantwortungspersonen oder -organen) ausüben zu können. Da sich der politische Entscheidungsprozeß der VR China in einer Art „black box“ befindet, ist nicht klar, ob jede Beratung oder jeder Vorschlag seitens der DP im „Input“ oder die Kon- trolle im „Output“ tatsächlich auch in den politischen Entscheidungsprozeß aufgenommen wird. Den DP ist die Aufgabe zugedacht, als sogenannte „Transmissionsriemen“4 zwischen der KPCh und ihrer jeweiligen Klientel zu fungieren. Zum einen kann die KPCh dadurch jedes Konfliktpotential entschärfen, zum anderen stehen den DP eigene Initiativen oder gar ein formales Oppositionsrecht nicht zu. Die PKCV wird weiter gepflegt, damit sie als Verbindung mit den sozialen Kräften im Rahmen der Einheitsfront erhalten bleibt. Sie ist zu einer Art Vorzeigeobjekt geworden, das immer dann hervorgeholt wird, wenn die Notwendigkeit be- steht, die Demokratiereserven der VR China als Alibi vorzuführen.5 Dafür werden die DP be- lohnt. Als Mitglieder der DP können hochrangige Politiker der nichtkommunistischen Partei- en mit Hilfe von „Belohnungen“ und Zuwendungen durch die KPCh mehr politische und wirtschaftliche Privilegien genießen als die normale Durchschnittsbevölkerung. Ähnliche Strukturen findet man zwar in der ehemaligen DDR, aber ein großer Unterschied liegt darin, daß die Blockparteien der ostdeutschen Bevölkerung eine „Nische“ eines politischen Frei- raums anboten,6 während die DP diese Funktion nicht erfüllen. Die sogenannte „Beständigkeit“ sowie die „Institutionalisierung“ des „Systems der Mehrparteienkooperation“ heißt hier nur, daß sich die KPCh-Zentrale oder deren Kader „regelmäßig“ an einem „Ort“ mit den DP und den Parteilosen treffen. Diese „Arbeitsweise“ verkörpert die chinesische politische Kultur. Die Inhalte der geführten Gespräche sind in der Regel nicht allgemein zugänglich. Folglich werden auch Informationen über Meinungsver-schiedenheiten oder Auseinandersetzungen nicht immer vollständig veröffentlicht. Dies soll zum einen die herrschende Harmonie innerhalb der KPCh oder zwischen der KPCh und den DP unter Beweis stellen, zum anderen geht das „Gesicht“ („Mianzi“) jedes einzelnen politi-schen Führers nicht durch öffentliche Kritik „verloren“. Ein sogenannter „Konsens“ soll da-mit zwischen der KPCh und den DP unter den Bedingungen des demokratischen Zentralismus sowie unter der Führung der KPCh erreicht werden. Es handelt sich dabei um einen erzwun-genen Konsens.

4 Das Wort „Transmissionsriemen“ ist eine aus der Technik übernommene Bezeichnung für den Beitrag, den ein Systemelement leistet, um den Einfluß eines anderen Elements auf ein drittes zu übertragen. 5 Vgl. Weggel: Geschichte Chinas, S.179. 6 Vgl. Lapp: BP, S.149. 191 Unter dem absoluten Führungsanspruch der KPCh ist die Umsetzung eines pluralistischen Systems somit unmöglich. Die DP stehen häufig unter einem generellen „Ideologieverdacht“. Daher müssen sie in ihren Parteiprogrammen nicht nur den Führungsanspruch der KPCh akzeptieren, sondern auch deren Politik öffentlich vertreten und befolgen, um ihre Loyalität zu zeigen. Aufgrund ihrer fehlenden Funktion als „Kritiker“ sind sie keinesfalls als „Parteien der Intellektuellen“ zu bezeichnen. Sie sind nur professioneller aufgrund des Fachwissens ihrer Mitglieder. Im Grunde genommen sind die DP auch keine „Täter“ in dem diktatorischen Herrschaftssystem unter Mao gewesen. Aber ihre Unterstützung der Unterdrückung der Stu- dentenbewegung von 1989 und ihre Loyalität zur KPCh durch ihre Passivität ist bis heute in der Bevölkerung umstritten.

2 Das Dilemma der KPCh zwischen der (begrenzten) politischen Partizipation und dem (schnellen) sozialen Wandel

Angesichts des Scheiterns der Studentenbewegung von 1989 vertritt ein großer Teil der chinesischen Bevölkerung die Auffassung, daß eine allzu rapide Demokratisierung, wie sie in Osteuropa oder in der ehemaligen Sowjetunion stattgefunden hat, sowohl politische Instabi- lität als auch wirtschaftlichen Rückgang verursachen kann. Zudem denken auch manche Intellektuelle, daß die Wirtschaft die KPCh stärker und nachhaltiger beeinflußt als etwa die direkte Forderung nach Demokratie.7 Die Förderung der Wirtschaftsentwicklung ist mittler- weile die wichtigste Aufgabe in der VR China. Viele Menschen verfolgen nur noch eigene Wirtschaftsinteressen, streben nach sozialem Aufstieg und verzichten auf politische Forde- rungen nach Pluralisierung und Partizipation. Darum gibt es seit dem Ende der Studenten- bewegung von 1989 kaum mehr Oppositionsbewegungen, die von einer breiteren Bevölke- rung unterstützt werden. Deng Xiaopings politische Losung von der „Stabilität über alles“ war in den 1990er Jahren erfolgreich. Auf diese Weise konnte die KPCh die Krise von 1989 all- mählich bewältigen. Das Vorantreiben der Wirtschaft stützt zwar zur Zeit die Macht der KPCh, aber je schnel- ler sich die Wirtschaft weiterentwickelt, desto schneller verläuft auch der soziale Wandel und desto mehr Probleme entstehen dadurch. So entwickelt sich z.B. ein dramatisches wirtschaft- liches Gefälle zwischen den schnell wachsenden Küstenregionen und dem zentral- und west- chinesischen Binnenland, eine riesige Arbeitsmigration vom Land zu den Großstädten, zu- nehmende Arbeitslosigkeit durch Freisetzungen in den Staatsbetrieben und wachsende Kor-

192 ruption. Angesichts der optimistischen Wahrnehmungen des chinesischen Wirtschaftserfolgs werden solche Probleme häufig vernachlässigt.8 In der gegenwärtigen Situation ist das System der VR China nichts anderes als eine An- häufung unterschiedlicher Elemente ohne Integration.9 Wie die KPCh mit den zunehmenden sozialen Problemen umgeht, hängt häufig davon ab, ob sie die Wirtschaftsentwicklung be- hindern. Die Maßnahmen der KPCh sind dabei weder beständig, konsistent noch komplex genug, weil sie lediglich zur Aufrechterhaltung der Macht der KPCh durchgeführt werden und nicht zur Lösung der Probleme. Strenge soziale Kontrolle als Problemlösung in einer sich schnell wandelnden Gesellschaft erweist sich als unmöglich. Die Kontrolle der KPCh ist in der Reform-Periode eher positiv (durch Überredung, Suggestion, Erziehung) als negativ (durch Drohungen, Zwangsmaß- nahmen, Strafen) und mehr informell (durch Beifall und Auszeichnung) als formell (durch Gesetze und Satzungen).10 Die KPCh zielt mit ihren neuen Maßnahmen vor allem auf „Zu- sammenarbeit“ mit den sozialen Gruppen ab. Durch Bildung einer „Einheitsfront“ will die KPCh alle wichtigen sozialen Schichten und Gruppen miteinander verbinden und auch an sich binden, wobei sie selbst den Kernpunkt bilden soll. Die KPCh erwartet, daß die politische und gesellschaftliche Ordnung durch Festigung der „Vier Grundprinzipien“ – ähnlich wie das kon- fuzianische Regelwerk im alten China – etabliert und langfristig aufrechterhalten wird. Aber die soziale Basis hat sich nach der forcierten Wirtschaftsentwicklung allmählich verändert, und auch die sozialen Schichten haben sich in ihrer Zusammensetzung geändert. Eine neue Gesellschaft braucht neue Werte, neue Normen und eine neue Ordnung, während die KPCh noch auf ihrer alten Ideologie beharrt.

Nach Ansicht der KPCh führt gerade die schnelle Erweiterung politischer Aktivitäten zur Instabilität. Folglich hat sie Anfang der 1990er Jahre nur sehr vorsichtig mit der Entfaltung politischer Partizipation begonnen. Die Umwandlung von der Isolation zur Integration der sozialen Gruppen zeigt, daß die KPCh Pluralität durch eine „Strukturveränderung“ des Herr- schaftssystemes und der Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft zu vermeiden versucht. In diesem Sinne vergrößert die Partei ihre Artikulation durch die PKCV, um die Möglichkei- ten neuer politisch-ideologischer Definitionen außerhalb des vorhandenen Systems zu ver-

7 Vgl. Harry Harding: „‚On the Four Great Relationships‘: The Prospects for China“, in: Survival, Vol. 36, No. 2, Summer 1994, S.37. 8 Vgl. Eberhard Sandschneider: „Chinas Zukunft. Projektion und Wirklichkeit“, in: Internationale Politik, Nr. 2, 2003, S.11ff. 9 Vgl. Pye: An Introductory Profile, S.412. 10 Vgl. Weggel: Wo steht China heute?, S.489. 193 hindern.11 Darin spiegelt sich auch wider, was die KPCh unter politischer Partizipation ver- steht. Diese ist demnach dazu da, um ausschließlich durch „Mobilisierung“ und „Sozialisie- rung“ für die Ziele der KPCh instrumentalisiert zu werden. Somit wird die politische Partizi- pation gleichbedeutend mit der Stärkung der Führungsrolle der KPCh. Auf diese Weise versucht die KPCh, politische Reformen einzuschränken. Sie will einer- seits nicht als diktatorisch betrachtet werden, aber andererseits doch die völlige Durchsetzung politischer Reformen verhindern. Die sogenannte „Reform der politischen Struktur“ bemüht sich nur dann um die Innovation politischer Institutionen, wenn entsprechende Anpassungen an neue Umstände notwendig sind. Sie bezieht sich aber ausschließlich auf den inneren Be- reich des Systems, d.h. sie beschränkt sich auf die Verwaltungsbehörden. Eine Ausweiterung politischer Partizipation auf die Bevölkerung und die Verselbständigung von politischen Par- teien, sozialen Gruppen und Medien findet nicht statt.

Ein grundlegendes Problem stellt das gesamte Herrschaftssystem und dessen Rückstand gegenüber der Wirtschaftsentwicklung dar. Ohne politische Reformen können die Wirt- schaftsreformen auf Dauer nicht erfolgreich durchgeführt werden. Ohne politische Reformen ist die Stabilität des Staates, der Politik und der Gesellschaft langfristig nicht aufrechtzuer- halten. Innerhalb einer politischen Struktur, die weder der sich schnell wandelnden Gesell- schaft noch der Notwendigkeit zur Wirtschaftsentwicklung entspricht, werden sich irgend- wann die Möglichkeiten zu einem ökonomischen Wachstum erschöpfen.12 Die PKCV stellt sich zwar als Meinungsforum für bestimmte soziale Gruppen dar und öffnet Zugänge für die neuen Wirtschaftskräfte und für die Vermittlung wirtschaftlicher Fragen. Aber als potentiell wirksamer Mechanismus für politische Partizipation der sozialen Gruppen ist sie keinesfalls ausreichend. Folglich ist es schwierig, daß soziale Gruppen in der PKCV Interessen der Bevölkerung artikulieren können. Vor allem die Interessen der Bauern und Arbeiter, die offiziell als fundamental wichtige Bündnispartner der KPCh bezeichnet werden und dadurch die Macht der KPCh langfristig legitimieren, werden häufig vernachlässigt. Schließlich sind sie zu Opfern der Wirtschafts- reformen geworden. Schon finden zahlreiche Proteste gegen zunehmende Arbeitslosigkeit, verzögerte Lohnauszahlung, illegale Kündigung von Arbeitnehmern und spezifische Proble- me der Bauern statt. Bisher kann die KPCh ihr Herrschaftssystem noch aufrechterhalten; auch die verschiedenen Proteste haben nicht zum Chaos geführt, weil sie noch relativ klein und un- organisiert sind. Kontrolle und Unterdrückung der Demonstrierenden kann Stabilität zwar

11 Vgl. Tony Saich: „Modernization and Participation in the People’s Republic of China“, in: Cheng: China, S.7.

194 vorläufig bewahren, aber nicht langfristig, da die Probleme nicht gelöst werden. Spannungen zwischen Staat und Gesellschaft, also zwischen der KPCh und der Bevölkerung, sind weiter- hin vorhanden.

3 VR China – der letzte sozialistische Staat?

Nach Robert Scalapino gibt es vier Möglichkeiten für die Zukunft Chinas: (1) ein „mud- dling through“, also ein „Durchwurschteln“, womit die KPCh ihre abgeschwächte Macht stützen und weiter aufrechterhalten könnte; (2) ein Zusammenbruch wie in der ehemaligen Sowjetunion; (3) ein rapider Durchbruch zu einem wirklichen politischen Pluralismus und (4) ein autoritärer Pluralismus.13 Die Entstehung der Studentenbewegung von 1989 zeigt, daß die fundamentalen Wider- sprüche des vorhandenen Systems zwischen einem rasanten sozialen Wandel und einer starren politischen Struktur, kombiniert mit einer verbrauchten Ideologie, seit Beginn der Wirt- schaftsreformen Bestand haben.14 In den 1990er Jahren konnte die KPCh zwar ihre Macht bewahren, aber einen wirklichen Ausgleich der Gegensätze erreichte sie nicht. Das grund- legende Problem liegt vor allem im Herrschaftssystem selbst. In der heutigen VR China sind makrosystemische Rationalisierungsstandards, wie die technische und soziale Innovations- fähigkeit von Institutionen und systemische Problemlösungskapazitäten, nicht wirksam genug, da die „neuen“ und „rationellen“ organisatorischen Regelungen parallel mit den „tra- ditionellen“ politischen Apparaten zusammen wirken müssen. Folglich ist es schwer, ohne grundlegende Erneuerung des bestehenden Herrschaftssystems die Leistungsfähigkeit zu er- höhen und die Macht der KPCh auf Dauer aufrechtzuerhalten. Es zeigt sich in der VR China folgendes Dilemma: Einerseits erwartet die chinesische Be- völkerung politische Reformen, mittels derer die aus der Wirtschaftsentwicklung resultieren- den Probleme gelöst werden sollen. Andererseits hat sie große Angst vor einer dramatischen politischen Umwandlung, die wie in der Sowjetunion zur Instabilität führen und der Wirt- schaftsentwicklung schaden könnte. Vor allem sind weder nichtkommunistische Parteien noch soziale Gruppen, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen in der Lage, die Stellung der KPCh zu übernehmen. Die DP sind auf keinen Fall die Kräfte, von denen eine Demokrati- sierung erwartet werden kann, da die politische Führung der DP lieber an der Seite der KPCh als gegen sie steht. Die oppositionellen Kräfte im Ausland haben in China eine zu schwache

12 Vgl. Chiang: The Social Aftermaths, S.45. 13 Vgl. Scalapino: The Last Leninists, S.84 ff. 14 Vgl. Sullivan: CCP, S.87. 195 Basis, um eine Demokratisierung verwirklichen zu können. Fast alle wichtigen Gewerk- schaften und Massenorganisationen werden von der KPCh kontrolliert. Sie ist darum auch weiterhin die einzige Kraft, welche zur Zeit die Stabilität der politischen und gesellschaft- lichen Ordnung in China bewahren kann. Aus diesem Grund hat die KPCh eine Chance, in der Bevölkerung Unterstützung zu finden. Solange keine konkurrierende Machtelite auf dem Plan erscheint, kann die KPCh weiterhin ungestört ihre mächtige (Allein-) Herrschaft aus- üben.15 Die oben genannten vier Möglichkeiten für die Zukunft der VR China berücksichtigend, vertritt Robert Scalapino die Ansicht, daß China sich möglicherweise zu einem autoritären Pluralismus entwickeln könnte. 16 Dieser Herrschaftstyp wird auch „weicher Autoritarismus“ („soft authoritarianism“) 17 genannt. Ursprünglich bezieht er sich auf die Erfahrungen der ost-asiatischen Länder Singapur, Südkorea und Taiwan. In den 1960er und 1970er Jahren ver-suchten diese, zum einen eine relativ pluralistische und exportorientierte Wirtschaft aufzu-bauen und zum anderen das autoritäre politische System weiterhin zu bewahren. 18 Die wirt-schaftliche Liberalisierung hat dort schließlich schrittweise zur gesellschaftlichen und poli-tischen Pluralisierung geführt.19 Harry Harding vertritt ebenfalls die Meinung, daß die VR China sich auf eine Periode des weichen autoritären Herrschaftssystems zubewegt.20

Taiwans Entwicklung z.B. zeigt, daß eine allmähliche friedliche politische Reform in der VR China möglich sein kann. Der vergleichbare kulturelle Hintergrund ebenso wie das von KPCh und GMD ursprünglich übernommene leninistische Organisationsmodell muß demnach einer Reformierung des Parteiensystems nicht im Wege stehen.21 Angesichts des inneren und

15 Vgl. Karl Grobe-Hagel: „Die Elite der Partisanen. Mit den Mitteln von 1935 ins dritte Jahrtausend“, in: Men- zel: Über China, S.45. Ähnlich siehe Eberhard Sandschneider: „Die Macht der Gewehrläufe“, in: Menzel: Über China, S.91. 16 Vgl. Scalapino: The Last Leninists, S.84 ff. 17 Robert Scalapino bezeichnet die Wirtschaftsentwicklung im Zusammenhang mit dem Herrschaftstyp in den ostasiatischen Ländern wie in Singapur, Südkorea und Taiwan als „soft authoritarianism“. Er besitzt zwei Eigenschaften: (1) Vermischung eines marktorientierten wirtschaftlichen Systems mit einer Art des patri- archalischen Autoritarismus durch Überredung, aber nicht durch Zwang; (2) die Übereinstimmung der denindividuellen Rechten übergeordneten Gruppeninteressen. Siehe Denny Roy: „Singapore, China, and the ‚soft Authoritarian‘ Challenge“, in: Asian Survey, Vol. XXXIV, No. 3, March 1994, S.231. 18 Vgl. Harding: OFGR, S.40. 19 Nach Yung-Myung Kim führt die Wirtschaftsentwicklung zwar zur politischen Pluralisierung, aber sie ga- rantiert nicht unbedingt politische Demokratisierung. Als ein weiches autoritäres Herrschaftssystem haben nur Südkorea und Taiwan sich zu einem demokratischen Herrschaftssystem entwickelt. Aus Sicht von Kim gilt Singapur noch als ein weiches autoritäres Herrschaftssystem. Aber es wird dem Vorbild beider oben genannten asiatischen Länder folgen. Vgl. Yung-Myung Kim: „‚Asian-Style Democracy‘. A Critique from East Asia“, in: Asian Survey, Vol. XXXVII, No. 12, Dec. 1997, S.1122-1128. 20 Vgl. Harding: OFGR, S.40. 21 Vgl. Nathan: China’s Crisis, S.150. 196 äußeren Drucks mußte Taiwan im Jahre 1986 unter der damaligen Führung von Jiang Jingguo (1908-1988) demokratische Elemente einführen (siehe IV 2.2.2). Der Demokratisierungs- prozeß hat die Situation Taiwans günstig beeinflußt, indem dieser mehr politische Unter- stützung der GMD seitens der Bevölkerung, mehr politische Stabilität und die Stärkung des Vertrauens ausländischer Investoren und Wirtschaftspartner gebracht hat. Die taiwanesische Reform hat bewiesen, daß die ernsthafte Durchführung von Reformen zur Demokratisierung ein vorhandenes System auch stärken kann.22 Aber folgendes soll nicht vernachlässigt wer- den: Die GMD war zwar in ihrer Organisation ursprünglich eine leninistische Partei, jedoch nicht mit der marxistischen Ideologie verbunden. In der längsten Zeit ihrer Geschichte stellte sie sich als pro-westlich und pro-kapitalistisch dar.23 Zudem steht die Aufrechterhaltung ei- gener Macht in den von der KPCh durchgeführten Reformen weiterhin im Vordergrund. Die KPCh-Führung strebt nicht ein demokratisches Mehrparteiensystem an, weshalb auch öffent- liche Diskussionen darüber nicht erlaubt sind. Politische Reformen wie bei der ehemaligen GMD sind bei der KPCh derzeit nicht abzusehen.

Angesichts eines ehemals vergleichbaren politischen Systems wird die VR China sich möglicherweise wie die ehemaligen sozialistischen Systeme in Osteuropa wandeln. Nach der Entstalinisierung im Jahre 1956 vollzog Osteuropa eine schrittweise Öffnung zur westlichen Welt. Zunehmende Kontakte mit dem Ausland trieben die heimische Modernisierung an, wo- raus sich Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur ergaben. Die Entwicklung Chinas nach 1979 – und vor allem nach 1989 – weist sehr ähnliche Merkmale wie die ost- europäischen sozialistischen Länder in den 1950er und 1960er Jahren auf. Die damals als „Gulasch-Kommunismus“ bezeichneten Reformen in Osteuropa bezogen sich zwar auf Wirtschaftsmanagement, ökonomische Liberalisierung und zahlreiche Maßnah- men zur erhöhten Verbreitung von Konsummitteln, verhinderten aber politische Reformen. Durch solche wirtschaftlichen Veränderungen konnten diese Systeme zwar eine Zeitlang relativ gut funktionieren, doch konnte sich daraus keine dauerhafte politische und wirtschaft- liche Leistungsfähigkeit ergeben. Der Umbruch der sozialistischen Systeme in Osteuropa, insbesondere in der Sowjetunion, zeigt, daß die politischen Führungen sich letztlich für den Systemwechsel entschieden haben, weil die sozialistischen Systeme eine Sackgasse und – trotz Reformen – schwierig aufrechtzuerhalten sind. Das ist auch das Problem, mit dem sich die VR China konfrontiert sieht.

22 Vgl. ebd., S.151f.

197 Die Entwicklung sowohl in Taiwan als auch in den ehemaligen sozialistischen Systemen Osteuropas zeigt, daß wirtschaftliche Liberalisierung allmählich zur politischen Liberali- sierung führt und somit die jeweils dominierenden Parteien schließlich ihr Machtmonopol abgeben müssen. Beide Modelle sind aber keine Alternativen für die KPCh, da diese das gleiche Schicksal vermeiden will. Deshalb bemüht sich die KPCh um den Aufbau eines Rechtsstaates als neue Legitimation ihrer Herrschaft in der VR China. Zudem versucht die KPCh, die Entwicklung Chinas seit Beginn der Reformen als „Anfangsphase des Sozia- lismus“ 24 zu definieren und ihre Führungsrolle durch die sogenannten „Drei Vertretun- gen“ (siehe IV 2.2.2) zu stützen, damit die sozialistische Marktwirtschaft durch die marxis- tische Theorie gerechtfertigt werden kann. Das heißt also, die KPCh wandelt sich zwar von einer proletarischen Partei zu einer „catch-all party“, aber ihre Macht wird offiziell ideo- logisch immer noch durch den Marxismus-Leninismus legitimiert. Eine Veränderung der Identität der KPCh hat bisher nicht stattgefunden und die VR China ist demnach auch weiter- hin ein „sozialistischer Staat“. Daraus resultieren folgende Schwierigkeiten: (1) Ein neuer Abschnitt „Anfangsphase des Sozialismus“ im historischen Prozeß der prä-kommunistischen Geschichtsepoche in China ist zwar proklamiert worden, aber es wird immer schwieriger, die Praxis mit der marxistischen Theorie in Einklang zu bringen. (2) Die Interessen der Partei und der Bevölkerung in der VR China sind in vielen Bereichen verschieden. Wie verbindet die KPCh z.B. die Verstärkung ihrer Führung mit der politischen Partizipation der Bevölkerung in einer sogenannten sozialis- tischen Demokratie? (3) Der demokratische Zentralismus gilt immer noch als ein Organisa- tionsprinzip von Staat und KPCh mit Verbindlichkeit für alle Bereiche des öffentlichen Le- bens. Kann die VR China aber als Rechtsstaat betrachtet werden, wenn die KPCh dem Staat de facto übergeordnet ist? Kann sich die Wirtschaft trotz der Einmischung durch die Politik erfolgreich weiterentwickeln?

Die KPCh befindet sich in einer kritischen Situation. Für eine produktive Rolle der KPCh über das Krisenmanagement hinaus, bedarf es jedoch eines genuinen politischen Willens zur Veränderung und Visionen für die politische Gestaltung.25 Daß die KPCh eine umfassende Demokratisierung jemals fordern wird, ist undenkbar. Der Antrieb für Forderungen nach po-

23 Vgl. ebd., S.150f. 24 Das Entwicklungskonzept von Deng Xiaoping wird durch Definition der Begriffe „Anfangsphase des Sozia- lismus“ und „sozialistische Marktwirtschaft“ in der Verfassungsänderung von 1993 verankert. Vgl. „Zhong- hua renmin gongheguo xianfa xiuzhengan“ („Die Verfassungsänderung der VR China“), angenommen auf der 1. Tagung des VIII. NVK am März 1993, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1993, S.35-36.

198 litischen Reformen in der VR China hat in den 1980er und 1990er Jahren sogar wieder deut- lich abgenommen. Dies ähnelt der Verzögerung von Reformen am Ende der Qing-Zeit. Laut Andrew Nathan ist es unmöglich, die Reformen von innen her durchzuführen. Die Demokra- tisierung einer Diktatur durch sich selbst sei in etwa dasselbe wie „deliberating with the tiger about taking his skin“.26 Eine Revolution scheint ausgeschlossen, denn das Herrschaftssystem der KPCh ist noch immer zu stark, als daß es gestürzt werden könnte. Die KPCh verfügt über zwei große or- ganisierte Kräfte, den Parteiapparat und die Armee, welche die Gesellschaft kontrollieren.27 Deswegen sind die Möglichkeiten auch sehr gering, die Demokratisierung in China von außen zu verwirklichen. Der Westen könnte die chinesische Opposition nicht über längere Zeit unterstützen. Es gibt in der VR China keine klare Tendenz für eine Demokratisierung nach westlichem Muster. Der Grund liegt in der fehlenden Kohäsion in der Bevölkerung, im politischen Des- interesse der Geschäftsleute, im Mangel an einer Zivilgesellschaft, in der politischen Ordnung ohne Vermittlung von Werten und in der fehlenden Legitimationsbasis für eine neue Re- gierung.28 Ein von unten kommender Druck zugunsten einer Demokratisierung ist in China nicht zu erwarten. Die Überwindung oder Auflösung eines diktatorischen Systems braucht eine gewisse Zeit. Die Erfahrungen aus Osteuropa, Ostasien und Lateinamerika zeigen, daß eine Liberalisierung sowohl in Wirtschaft als auch in Politik nicht unbedingt gleichzeitig, etwa vor dem Umsturz einer Diktatur, erfolgen muß. Eine wirtschaftliche Liberalisierung ist in der VR China bis jetzt zum Teil verwirklicht worden, eine politische Liberalisierung hin- gegen so gut wie nicht. Man kann aber von einer Frühphase der politischen Transformation sprechen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die weitere Entwicklung in der VR China über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Es ist umstritten, ob Demokratie als Ziel dieser Transformation angesehen werden kann. Klaus von Beyme meint, daß der Sozialismus weiter zugrunde geht und dabei die Demokratie gefestigt wird.29 Dankwart A. Rustow betrachtet Demokratie als eine globale Revolution,30

25 Vgl. Kristin Kupfer: „Das Reich der Mitte auf dem langen Marsch in die Zukunft“, in: Das Parlament, Nr. 12, 17. März 2003, S.11. 26 Nathan: Historical Perspectives, S.322. 27 Vgl. Nathan: China’s Crisis, S.208. David Shambaugh sieht dies ähnlich. Er stellt es so dar: „It is not likely that the CCP will implode and collapse like its counterparts in the former Soviet Union and Eastern Europe. Rather, a progressive decay will chip away at its power and legitimacy for some time, with the military ser- ving as the ultimate guarantor of the Regime“. Siehe David Shambaugh: „Facing Reality in China Policy“, in: Foreign Affairs, Vol. 80, No. 1, Jan./Feb. 2001, S.59. 28 Vgl. Lucian W. Pye: „Chinese democracy and constitutional development“, in: Fumio Itoh (Hrsg.): China in the Twenty-First Century: Politics, Economy, and Society, Tokyo 1997, S.208-217. 29 Vgl. Beyme: Perspektiven der Osteuropaforschung, S. 62. 199 während Eberhard Sandschneider die Demokratie nicht für eine Einbahnstraße hält. 31 Guillermo O’Donell und Philippe C. Schmitter stellen fest, daß die Transformation zur Demo- kratie auf keinen Fall ein linearer und rationaler Prozeß ist, da es zu viele unsichere Elemente auf dem Weg dorthin gibt.32 Demokratisierung ist mehr als die Schaffung von einfachen formal-demokratischen In- stitutionen in einem politischen System. Ein demokratisches System wird vielmehr davon bestimmt, ob eine demokratische politische Kultur bereits existiert. Außerdem ist Demokratie nicht von einer Kultur auf eine andere übertragbar, sondern muß sich prozeßhaft entwickeln und kann nur über einen längeren Zeitraum erlernt werden.33 Seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik von 1979 befindet sich die VR China in einem Prozeß der Transformation. Aber die Erwartung einer schnellen Demokratisierung der VR China ist unrealistisch. Die Wirtschafsreformen haben zwar nicht direkt wie politische Reformen gewirkt, aber sie werden allmählich das starre Herrschaftssystem der KPCh aufweichen und somit zu einer Identitätswandlung des sozialistischen Staats führen. Zumindest ansatzweise hat darum ein Wandel in der VR China bereits begonnen.

30 Vgl. Dankwart A. Rustow: „Democracy: A Global Revolution?“, in: Foreign Affairs, Vol. 69, No. 4, Fall 1990, S.91. 31 Vgl. Sandschneider: Stabilität und Transformation, S.37. 32 Vgl. Guillermo O’Donell / Philippe C. Schmitter: Transitions from Authoritarian Rule. Tentative Conclusions about Uncertain Democracies, Baltimore 19913, S. 72. 33 Vgl. Heberer: Politische Kategorien und politische Kultur, S.26. 200 Literaturangaben

I. Quellen

„Auf dem von der Sozialistischen Oktoberrevolution gebahnten Weg vorwärtsschreiten! Zur Feier des 50. Jahrestags der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“, von den Re- daktionen der „Renmin Ribao“, „Hongqi“ und „Jiefangjun Bao“, in: Peking Rund-schau (Beijing Rundschau), Nr. 46, 14. Nov. 1967, S.10-11 u. S.14-17. „Ba xin jiaogei gongchandang he renmin“ („Das Herz der DP der KPCh und den Völkern offenbaren“), in: Renmin Ribao, 17. März 1958, S.1. „Bixu qizhi xianming di fandui dongluan“ („Man muß mit einem klaren Standpunkt gegen den Aufruhr kämpfen!“), in: Renmin Ribao, 26. April 1989, S.1. Deng Xiaoping: „An den Vier Grundlegenden Prinzipien Festhalten“ v. 30. März 1979, in: Ders.: Deng Xiaoping Ausgewählte Schriften (1975-1982), übers. v. d. deutschen Ab- teilung des Verlags für fremdsprachige Literatur, Peking 1985, S.186-216. Deng Xiaoping: „Eröffnungsrede auf der 2. Tagung des V. Landeskomitees der PKCV“ (Abk.: Eröffnungsrede), in: Beijing Rundschau, Nr. 25, 26. Juni 1979, S.14-16. Deng Xiaoping: „Über die Reform des Führungssystems der Partei und des Staates“ v. 18. Aug. 1980, in: Beijing Rundschau, Nr. 33, 19. Aug. 1986, S.15-20. Deng Xiaoping: „Zhongguo gongchandang de shier ci quanguo daibiao dahui kaimu ci“ („Er- öffnungsrede auf dem XII. Parteitag der KPCh“) v. 1. Sept. 1982, in: Shier da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XII. Parteitag der KPCh), Bd. 1, Peking 1986, S.1-5. Deng Xiaoping: Deng Xiaoping Ausgewählte Schriften (1975-1982), übers. v. d. deutschen Abteilung des Verlags für fremdsprachige Literatur, Peking 1985. Fan Zhongyan (Fan Xiwen): „Yueyanglou ji“ („Bericht aus dem Turm von Yueyan“), in: Tang song wen juyao (Ausgewählte wichtige Artikel aus der Zeit von Tang und Song), ausgewählt und erläutert von Gao Buying, Shanghai 1982, S.651-655. „Guojia de minzhuhua gaige bixu zai anding tuanjie de tiaojian xia zhubu shixian“ („Die Re- formen der staatlichen Demokratisierung müssen unter der Bedingung der Stabilität und Einheit schrittweise verwirklicht werden“), in: Renmin Ribao, 8. Feb. 1981, Leitartikel, S.1. Hu Jintao: „Lingdao jiguan he lingdao ganbu yao zuo jiang xuexi jiang zhengzhi jiang zheng- qi de biaoshuai“ („Führende Organe und Kader müssen sich das Sprechen über das Lernen, das Sprechen über die Politik und das Sprechen über die allgemeine soziale

201 Moral zum Vorbild nehmen“) v. 27. April 1997, in: Shisi da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XIV. Parteitag der KPCh), Bd. 3, Peking 1999, S.2476-2492. Jiang Zemin: „Aiguozhuyi he woguo zhishifenzi de shiming“ („Patriotismus und die Mission der Intellektuellen des Landes“) (Abk.: AGZY), in: Renmin Ribao, 4. Mai 1990, S.1 u. S.3. Jiang Zemin: „Zai qingzhu zhongguo gongchandang chengli qishi zhounian dahui shang de jianghua“ („Rede auf der Festversammlung zum 70. Gründungstag der KPCh“) v. 1. Juli 1991, in: Shisanda yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Do- kumente, gesammelt seit dem XIII. Parteitag der KPCh), Bd. 3, Peking 1993, S.1627- 1660. Jiang Zemin: „Nuli kaichuang shehuizhuyi jingshen wenming jianshe de xin jumian“ („Müh- samer Beginn in der neuen Situation des sozialistischen geistigen Zivilisationsauf-baus“) v. 10. Okt. 1996, in: Shisi da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XIV. Parteitag der KPCh), Bd. 3, Peking 1999, S.2070- 2088. „Jiangzemin zai qingzhu zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi chengli wushi zhounian dahui shang de jianghua“ („Rede von Jiang Zemin auf der Versammlung zur Feier des 50. Gründungstages der PKCV“) v. 22. Sept. 1999, in: Xinhua Yuebao, Nr. 10, 1999, S.154-156. „Kommuniqué der 3. Plenartagung des XI. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chi- nas“, angenommen am 22. Dez. 1978 (Abk.: Kommuniqué), in: Peking Rundschau (Beijing Rundschau), Nr. 52, 31. Dez. 1978, S.6-17. Lenin, Wladimir I.: „Staat und Revolution. Die Lehre des Marxismus vom Staat und die Auf- gaben des Proletariats in der Revolution“ v. 1918, in: W. I. Lenin Werke, Bd. 25, Berlin (Ost) 1960, S.393-506. Lenin, Wladimir I.: „Ursprünglicher Entwurf des Artikels ‚Die nächsten Aufgaben der So- wjetmacht‘“ v. 1929, in: W. I. Lenin Werke, Bd. 27, Berlin (Ost) 1960, S.192-208. Li Ruihuan: „Tuanjie qilai wei zhenxing zhonghua tongyi zuguo er gongtong fendou“ („Zu- sammenschluß im Kampf zur Förderung des Aufschwungs Chinas und zur Vereini- gung des Vaterlands“) v. 9. Aug. 1990, in: Renmin Ribao, 10. Aug. 1990, S.4. „Liruihuan zai zhengxie bimu huiyi jianghua“ („Die Rede von Li Ruihuan auf der Abschluß- sitzung der PKCV“) v. 13. März 1996, in: Ta Kung Pao (Dagong Bao, Hongkong), 14. März 1996, S.A6.

202 Liang Qichao: „Hengbin qingyi bao xuli“ („Vorwort in der Qingyi Bao aus Yokohama“) v. 1898, in: Qingyi Bao, Bd. 1, Taipei 1967, S.3-6. Liang Qichao: „Lun xueshu zhi shili zuoyou shijie“ („Über die Kraft der Wissenschaften“) v. 1902, in: Liangqichao xuanji (Ausgewählte Werke von Liang Qichao), hrsg. von Li Huaxing / Wu Jiaxun, Shanghai 1984, S.269-276. Liang Qichao: „Xinmin shuo“ („Über das neue Volk“) (abgekürzt) v. 1902/1903 (Abk.: XMS), in: Liangqichao xuanji (Ausgewählte Werke von Liang Qichao), hrsg. von Li Huaxing / Wu Jiaxun, Shanghai 1984, S.206-268. Liang Qichao: „Zhengzhixue dajia bolunzhili zhi xueshuo“ („Die Lehre vom Politikwissen- schaftler Bluntschli“) (abgekürzt) v. 1903 (ABK.: BOLUNZHILI), in: Liangqichao xuanji (Ausgewählte Werke von Liang Qichao), hrsg. von Li Huaxing / Wu Jiaxun, Shanghai 1984, S.394-412. Liangqichao xuanji (Ausgewählte Werke von Liang Qichao) (Abk.: LQCXJ), hrsg. von Li Huaxing / Wu Jiaxun, Shanghai 1984. Liste der Abgeordneten der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKCV): die Liste der Abgeordneten der VI. PKCV, in: Xinhua Yuebao, Nr. 5, 1983, S.23-28; die Liste der Abgeordneten der VII. PKCV, in: Xinhua Yuebao, Nr. 3, 1988, S.38-43; die Liste der Abgeordneten der VIII. PKCV, in: Xinhua Yuebao; Nr. 2, 1993, S.30-36; die Liste der Abgeordneten der IX. PKCV, in: Xinhua Yuebao Nr.3, 1998, S.57-62. Liu Shaoqi: „Lun gongchang dangyuan de xiuyan“ („Über die Moral der kommunistischen Mitglieder“) v. Juli 1937, in: Ders.: Liushaoqi xuanji (Ausgewählte Werke von Liu Shaoqi), Peking 1981, S.97-167. Lunyu jizhu (Sämtliche Erläuterungen und Kommentare zum Lunyu), erläutert v. Zhu Xi, Taipei 1958. Mao Zedong: „Analyse der Klassen in der chinesischen Gesellschaft“ v. März 1926, in: Ders.: Mao Tse-Tung – Ausgewählte Werke, Bd. I, Peking 1968, S.9-19. Mao Zedong: „Gegen den Liberalismus“ v. 7. Sept. 1937, in: Ders.: Mao Tse-Tung – Ausge- wählte Werke, Bd. II, Peking 1968, S.27-30. Mao Zedong: „Der Zeitschrift Kommunist zum Geleit“ v. 4. Okt. 1939, in: Ders.: Mao Tse- Tung – Ausgewählte Werke, Bd. II, Peking 1968, S.331-344. Mao Zedong: „Die chinesische Revolution und die Kommunistische Partei Chinas“ v. Dez. 1939 (Abk.: Chinesische Revolution), in: Ders.: Mao Tse-Tung – Ausgewählte Werke, Bd. II, Peking 1968, S.353-388.

203 Mao Zedong: „Über die neue Demokratie“ v. Jan. 1940, in: Ders.: Mao Tse-Tung – Ausge- wählte Werke, Bd. II, Peking 1968, S.395-449. Mao Zedong: „Den Arbeitsstil der Partei verbessern“ v. 1. Feb. 1942, in: Ders.: Mao Tse- Tung – Ausgewählte Werke, Bd. III, Peking 1969, S.35-54. Mao Zedong: „Über die Koalitionsregierung“ v. 24. April 1945, in: Ders.: Mao Tse-Tung – Ausgewählte Werke, Bd. III, Peking 1969, S.239-319. Mao Zedong: „Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk“ v. 27. Feb. 1957 (Abk.: Über die richtige Behandlung), in: Ders.: Mao Tse-Tung – Ausgewählte Werke, Bd. V, Peking 1978, S.434-476. Mao Zedong: „Schlagt die Angriffe der bürgerlichen Rechten zurück!“ v. 9. Juli 1957, in: Ders.: Mao Tse-Tung – Ausgewählte Werke, Bd. V, Peking 1978, S.518-535. Mao Zedong: „Seid aktive Förderer der Revolution!“ v. 9. Okt. 1957, in: Ders.: Mao Tse- Tung – Ausgewählte Werke, Bd. V, Peking 1978, S.548-564. Mengzi jizhu (Sämtliche Erläuterungen und Kommentare zum Mencius), in: Xiaoxue jizhu. Sishu jizhu (Sämtliche Erläuterungen und Kommentare zum Xiaoxue. Sämtliche Er- läuterungen und Kommentare zum Sishu), erläutert von Zhu Xi und hrsg. von Zhang Boxing, Taipei 1962. „Minge zhongyang xiaozu jixu juxing kuoda huiyi“ („Die Zentrale des RKGC hält die erwei- terte Sitzung weiterhin ab“), in: Renmin Ribao, 6. Juni 1957, S.2. Parteiprogramme der Demokratischen Liga Chinas (DLC): Parteiprogram v. 1983, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas), Peking 1987, S.479-488; Parteiprogramm v. 1988, in: Xinhua Yuebao, Nr. 10, 1988, S.45; Parteiprogramm v. 1992, in: Xinhua Yuebao, Nr. 1, 1993, S.39-42; Parteiprogramm v. 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.18-21. Parteiprogramme der Demokratischen Partei der Bauern und Arbeiter Chinas (DPBAC): Parteiprogramm v. 1983, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas), Peking 1987, S.616-626; Parteiprogramm v. 1988, in: Xinhua Yuebao, Nr. 11, 1988, S.38; Parteiprogramm v. 1992, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1992, S.41-44; Parteiprogramm v. 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.24-27. Parteiprogramme der Demokratischen Selbstbestimmungsliga Taiwans (DST): Parteipro- gramm v. 1983, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokrati- schen Parteien Chinas), Peking 1987, S.695-698; Parteiprogramm v. 1987, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1987, S.26-27; Parteiprogramm v. 1992, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1992, S.46-48; Parteiprogramm v. 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.41-43.

204 Parteiprogramme der „Gemeinwohl“-Partei Chinas (GPC): Parteiprogramm v. 1983, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas), Peking 1987, S.644-652; Parteiprogramm v. 1988, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1988, S.47-48; Parteiprogramm v. 1992, in: Xinhua Yuebao, Nr. 1, 1993, S.44-47; Parteiprogramm v. 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.30-33. Parteiprogramme der Gesellschaft für den Demokratischen Nationalen Aufbau Chinas (GDNAC): Parteiprogramm v. 1983, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas), Peking 1987, S.526-535; Parteipro- gramm v. 1988, in: Xinhua Yuebao, Nr. 6, 1988, S.22-25; Parteiprogramm v. 1992, in: Xinhua Yuebao, Nr. 11, 1992, S.52-56; Parteiprogramm v. 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.45-48. Parteiprogramme der Gesellschaft zur Förderung der Demokratie Chinas (GFDC): Parteipro- gramm v. 1983, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokrati- schen Parteien Chinas), Peking 1987, S.559-567; Parteiprogramm v. 1988, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1988, S.45; Parteiprogramm v. 1992, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1992, S.36-39; Parteiprogramm v. 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.57-60. Parteiprogramme des Revolutionären Komitees der Guomindang Chinas (RKGC): Parteipro- gramm v. 1983, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokrati- schen Parteien Chinas), Peking 1987, S.432-439; Parteiprogramm v. 1988, in: Xinhua Yuebao, Nr. 11, 1988, S.42-43; Parteiprogramm v. 1992, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1992, S.30-34; Parteiprogramm v. 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.51-54. Parteiprogramme der Studiengesellschaft des Dritten September (SDS): Parteiprogramm v. 1983, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokratischen Par- teien Chinas), Peking 1987, S.668-674; Parteiprogramm v. 1989, in: Xinhua Yuebao, Nr. 1, 1989, S.31; Parteiprogramm v. 1992, in: Xinhua Yuebao, Nr. 1, 1993, S.49-52; Parteiprogramm v. 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr. 12, 1997, S.35-38. „Resolution über einige Fragen in unserer Parteigeschichte seit Gründung der Volksrepublik China“, angenommen auf der 6. Plenartagung des XI. Zentralkomitees der Kommunis- tischen Partei Chinas am 27. Juni1981 (Abk.: Resolution über einige Fragen), in: Bei- jing Rundschau, Nr. 27, 7. Juli 1981, S.8-40. „Shijian shi jianyan zhenli de weiyi biaozhun“ („Praxis ist das einzige Kriterium zur Überprü- fung der Wahrheit“), in: Guangming Ribao, 11. Mai 1978, S.1-2. Shiyi jie san zhong quanhui yilai zhongyao wenxian xuandu (Ausgewählte wichtige okumen-te, gesammelt seit dem 3. Plenum des XI. Zentralkomitees), Bd. 1, Peking 1987.

205 Shier da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XII. Parteitag der KPCh) (Abk.: SEDWXXB), Bd. 1, Peking 1986. Shier da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XII. Parteitag der KPCh), Bd. 3, Peking 1988. Shisan da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XIII. Parteitag der KPCh) (Abk.: SSAWXXB), Bd. 2, Peking 1991. Shisan da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem XIII. Parteitag der KPCh), Bd. 3, Peking 1993. Shisi da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt nach dem XIV. Parteitag der KPCh) (Abk.: SSDWXXB), Bd. 3, Peking 1999. Ständiger Ausschuß des Nationalen Volkskongresses: „Gao taiwan tongbao shu“ („Botschaft an die Taiwanesischen Landsleute“), in: Guangming Ribao, 1. Jan. 1979, S.1. „Taiwan guihui zuguo tishang juti richeng“ („Die Rückgabe Taiwans an das Mutterland wird auf die konkrete Tagesordnung gesetzt“), in: Guangming Ribao, 3. Jan. 1979, S.1. Tang song wen juyao (Ausgewählte wichtige Artikel aus der Zeit von Tang und Song), ausge- wählt und erläutert von Gao Buying, Shanghai 1982. „Tongguo guanyu zhengzhi xieshang minzhu jiandu zanxing guiding“ („Verabschiedung der vorläufigen Vorschrift zur politischen Konsultation und demokratischen Kontrolle“), in: Renmin Ribao, 28. Jan. 1989, S.1. Tuo Tuo u.a.: Song shi (Geschichte der Song-Zeit), Bd. 314, Peking 1977, S.10267-10279. Die Verfassung der Volksrepublik China (1954), Peking 19562. Die Verfassung der Volksrepublik China (1975), Peking 1975. „Die Verfassung der Volksrepublik China“ (1978), angenommen von der 1. Tagung des V. Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China am 5. März 1978, in: China aktuell, Mai 1978, S.259-269. „Verfassung der Volksrepublik China“ (1982), angenommen von der 5. Tagung des V. Na- tionalen Volkskongresses der Volksrepublik China am 4. Dezember 1982, in: China aktuell, Feb. 1983, S.121-143. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie (Abk.: Wirtschaft und Gesellschaft), hrsg. von Johannes Winckelmann, Köln 1964. Weber, Max: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus. Schrif- ten 1915-1920, in: Max Weber Gesamtausgabe, hrsg. von Baier, Horst / Lepsius, M. Rainer / Mommsen, Wolfgang J. / Schluchter, Wolfgang / Winckelmann, Johannes, Bd. 19, Tübingen 1989.

206 „Xin de lishi shiqi tongyi zhanxian de fangzhen renwu“ („Leitprinzipien und Aufgaben der Einheitsfront in der neuen historischen Periode“) v. 13. Sept. 1979, in: Shiyi jie san zhong quanhui yilai zhongyao wenxian xuandu (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelt seit dem 3. Plenum des XI. Zentralkomitees), Bd. 1, Peking 1987, S.97-115. „Xue hao wenjian zhuazhu gang“ („Lerne die Dokumente gut und packe das Hauptketten- glied!“), in: Hongqi, Nr.3, 1977, S.15-18. Xunzi yuezhu (Kurzgefaßte Erläuterungen und Kommentare zum Xunzi) (Abk.: XZYZ), er- läutert von Liang Shuren, Taipei 1962. Yan Fu: „Qun ji quan jie lun xu“ („Über die Grenze zwischen der Gruppe und dem Individu- um – Vorwort“), in: Ders.: Yanjidao shiwen chao (Ausgewählte Werke von Yan Fu), o. O. o. J. (Vorwort von 1922), S.217-218. Ye Jianying: „Jianyi juxing liangdang duideng tanpan shixing disang ci hezuo“ („Vorschlag zur Abhaltung von gleichberechtigten Verhandlungen zwischen zwei Parteien zwecks Durchführung der Dritten Kooperation“), in: Guangming Ribao, 1. Okt. 1981, S.1. Ye Xuanping: „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi dijiu jie quanguo weiyuanhui changwu weiyuanhui gongzuo baogao“ („Arbeitsbericht über die 2. Tagung des IX. Ständigen Ausschusses der Nationalen PKCV“) v. 3. März 1999, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1999, S.179-184. Ye Xuanping: „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi dijiu jie quanguo weiyuanhui changwu weiyuanhui gongzuo baogao“ („Arbeitsbericht über die 4. Tagung des IX. Ständigen Ausschusses der Nationalen PKCV“) v. 3. März 2001, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 2001, S.96-100. Zhao Ziyang: „Keine Kampagne gegen die bürgerliche Liberalisierung“, in: Beijing Rundschau, Nr. 5/6, 10. Feb. 1987, S.6. Zhao Ziyang: „Auf dem Weg des Sozialismus chinesischer Prägung vorwärts“ („Bericht auf dem XIII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas“) v. 25. Okt. 1987 (Abk.: Auf dem Weg), in: Beijing Rundschau, Nr. 45, 10. Nov. 1987, S.I-XXXIV. „Zhe shi weishenme“ („Wozu das Ganze?“), in: Renmin Ribao, 8. Juni 1957, Leitartikel, S.1. „Zhengxie diba jie quanguo weiyuanhui changwu weiyuanhui guanyu shezhi zhuanmen wei- yuanhui de jueding“ („Die Entscheidung des VIII. Plenums des Ständigen Ausschus-ses der PKCV für die Einrichtung des Sonderkomitees“), angenommen am 28. März 1993, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1993, S.104. „Zhengxie diba jie quanguo weiyuanhui diyi ci huiyi ti’an weiyuanhui guanyu ti’an shencha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Über-

207 prüfung der Anträge auf der 1. Tagung der VIII. Nationalen PKCV“), angenommen am 27. März 1993, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1993, S.92. „Zhengxie diba jie quanguo weiyuanhui ti’an weiyuanhui guanyu ba jie er ci huiyi ti’an shen- cha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträge auf der 2. Tagung der VIII. Nationalen PKCV“), angenom- men am 19. März 1994, in: Xinhua Yuebao, Nr.3, 1994, S.68. „Zhengxie diba jie quanguo weiyuanhui ti’an weiyuanhui guanyu ba jie san ci huiyi ti’an shencha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträge auf der 3. Tagung der VIII. Nationalen PKCV“), angenom- men am 14. März 1995, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 1995, S.63. „Zhengxie diba jie quanguo weiyuanhui ti’an weiyuanhui guanyu ba jie si ci huiyi ti’an shen- cha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträge auf der 4. Tagung der VIII. Nationalen PKCV“), angenom- men am 13. März 1996, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 1996, S.91. „Zhengxie diba jie quanguo weiyuanhui ti’an weiyuanhui guanyu ba jie wu ci huiyi ti’an shencha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträge auf der 5. Tagung der VIII. Nationalen PKCV“), angenom- men am 12. März 1997, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 1997, S.71-72. „Zhengxie dijiu jie quanguo weiyuanhui changwu weiyuanhui guanyu shezhi zhuanmen wei- yuanhui de jueding“ („Die Entscheidung des IX. Plenums des Ständigen Ausschusses der PKCV für die Einrichtung des Sonderkomitees“), angenommen am 16. März 1998, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1998, S.128. „Zhengxie dijiu jie quanguo weiyuanhui diyi ci huiyi ti’an shencha weiyuanhui guanyu ti’an shencha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträge auf der 1. Tagung der IX. Nationalen PKCV„), angenommen am 14. März 1998, in: Xinhua Yuebao, Nr.4, 1998, S.107. „Zhengxie quanguo weiyuanhui guanyu zhengzhi xieshang minzhu jiandu canzheng yizheng de guiding“) (Die „Vorschriften der PKCV zur politischen Konsultation, demokrati- schen Kontrolle und Mitwirkung bei Staatsgeschäften“), angenommen am 14. Jan. 1995 in der 9. Sitzung des VIII. Ständigen Ausschusses der Nationalen PKCV (Abk.: ZXGD), in: Xinhua Yuebao, Nr. 2, 1995, S.45-46. „Zhonggong zhongyang guanyu jinyibu zhili zhengdun he shenhua gaige de jueding“ („Be- schluß des ZK der KPCh zur weiteren Verbesserung des wirtschaftlichen Umfeldes, zur Korrektur der Wirtschaftsordnung und zur Vertiefung der Reform“) (Auszüge),

208 angenommen auf dem 5. Plenum des XIII. ZK der KPCh am 9. Nov. 1989, in: Renmin Ribao, 17. Jan. 1990, S.1-3. „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi dijiu jie quanguo weiyuanhui ti’an weiyuanhui guanyu zhengxie jiu jie er ci huiyi ti’an shencha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträge auf der 2. Tagung der IX. Nationalen PKCV„), angenommen am 11. März 1999, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1999, S.178. „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi dijiu jie quanguo weiyuanhui ti’an weiyuanhui guanyu zhengxie jiu jie san ci huiyi ti’an shencha qingkuang de baogao“ („Bericht des Ausschusses für Antragstellung über die Überprüfung der Anträge auf der 3. Tagung der IX. Nationalen PKCV„), angenommen am 11. März 2000, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 2000, S.84. „Zhongguo minzhu gangling“ („Das Parteiprogramm der Demokratischen Liga Chinas“), verabschiedet im Okt. 1945 (Abk.: ZGMZGL), in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas), Peking 1987, S.461-465. „Zhongguo minzhu tongmeng xiangying zhonggong wuyi haozhao“ („Die Solidaritätser- klärung der DLC nach dem Aufruf der KPCh vom 1. Mai 1948“) v. 14. Juni 1948, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas), Peking 1987, S.472-475. „Zhongguo minzhu zujinhui xiangying wuyi haozhao de xuanyan“ („Die Solidaritätserklärung der GFDC nach dem Aufruf der KPCh vom 1. Mai 1948“) v. Mai 1948, in: Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas), Peking 1987, S.550-551. Zhonghua renmin gongheguo renmin daibiao dahui wenxian ziliao huibian (Material- und Dokumentensammlung des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China 1949- 1990), Peking 1990. „Zhonghua renmin gongheguo quanguo renmin daibiao dahui he difang geji renmin daibiao dahui xuanjufa“ („Wahlgesetz des Nationalen Volkskongresses und der lokalen Volks- kongresse aller Ebenen der Volksrepublik China“) v. 1. Juli 1979, in: Zhonghua renmin gongheguo renmin daibiao dahui wenxian ziliao huibian 1949-1990 (Material- und Dokumentensammlung des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China 1949- 1990), Peking 1990, S.158-160.

209 „Zhonghua renmin gongheguo xianfa xiuzhengan“ („Die Verfassungsänderung der VR Chi- na“), angenommen auf der 1. Tagung des VIII. NVK am 29. März 1993, in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1993, S.35-36. „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi gongtong gangling“ („Allgemeines Programm der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes“), angenommen auf dem 1. Plenum der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes am 29. Sept. 1949) (Abk.: GTGL), in: Zhonghua renmin gongheguo renmin daibiao dahui wenxian ziliao huibian 1949-1990 (Material- und Dokumentensammlung des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China 1949-1990), Peking 1990, S.60-63. „Zhonggong zhongyang guanyu jianchi he wanshan zhongguo gongchandang lingdao de duodang hezuo he zhengzhi xieshang zhidu de yijian“ („Ansicht der KPCh-Zentrale zur Beibehaltung und Vervollkommnung des Systems der Mehrparteienkooperation und der politischen Konsultation unter Führung der KPCh“) (Abk.: DDHZZYJ), angenommen am 30. Dez. 1989, in: Renmin Ribao, 8. Feb. 1990, S.1. „Zhonggong zhongyang guanyu jiaqiang tongyi zhanxian gongzuo de tongzhi“ („Mitteilung der KPCh-Zentrale zur Verstärkung der Arbeit der Einheitsfront“) v. 14. Juli 1990 (Abk.: ZZGJTZ),, in: Shisan da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wich- tige Dokumente, gesammelt seit dem XIII. Parteitag der KPCh), Bd. 2, Peking 1991, S.1198-1212. „Zhonggong zhongyang guanyu jinyibu jiaqiang he gaijin zhishifenzi gongzuo de tongzhi“ („Mitteilung der KPCh-Zentrale zur weiteren Verstärkung und Verbesserung der Arbeit mit den Intellektuellen“) v. 14. Aug. 1990, in: Shisan da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumente, gesammelte seit dem XIII. Parteitag der KPCh), Bd. 2, Peking 1991, S.1223-1231. „Zhonggong zhongyang guanyu jinyibu zhili zhengdun he shenhua gaige de jueding“ („Be- schluß des ZK der KPCh zur weiteren Verbesserung des wirtschaftlichen Umfeldes, zur Korrektur der Wirtschaftsordnung und zur Vertiefung der Reform“) (Auszüge), angenommen auf dem 5. Plenum des XIII. ZK der KPCh am 9. Nov. 1989, in: Renmin Ribao, 17. Jan. 1990, S.1-3. „Zhonggong zhongyang guanyu zhiding guominjingji he shehui fazhan dishi ge wunianjihua de jianyi“ („Vorschläge der KPCh-Zentrale zum 10. Fünfjahresplan für die volkswirt- schaftliche und soziale Entwicklung“), angenommen auf dem 5. Plenum des XV. ZK der KPCh am 11. Okt. 2000 (Abk.: ZZGZG), in: Renmin Ribao (People’s Daily, Über- see Ausgabe), 19. Okt. 2000. S.1-2.

210 „Zhonggong zhongyang jueding jianshao liu jie zhengxie weiyuan zhong de gongchangdang- yuan bili“ („Die KPCh-Zentrale bestimmte, daß die Anzahl der KPCh-Mitglieder im Verhältnis [zu den anderen Mitgliedern] in der VI. PKCV verkleinert werden sollte“), in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 1983, S.15. „Zhonggong zhongyang tongzhanbu guanyu xin shiqi dang dui minzhudangpai gongzuo de fangzhen renwu de baogao“ („Bericht der Abteilung der Zentralen Einheitsfront über Leitprinzipien und Aufgaben der KPCh zu den DP in der neuen Periode“) v. 30. April 1986, in: Shier da yilai zhongyao wenxian xuanbian (Ausgewählte wichtige Dokumen-te, gesammelt seit dem XII. Parteitag der KPCh), Bd. 3, Peking 1988, S.1088-1105. Zhou Enlai: „Guanyu dangqian minzhu dangpai gongzuo de yijian“ („Meinung zur gegen- wärtigen Arbeit der Demokratischen Parteien“) v. Jan. 1948, in: Zhou Enlai xueji (Ausgewählte Werke von Zhou Enlai), Bd. 1, Peking 1980, S.283-286. Zhou Tienong: „Zhongguo renmin zhengzhi xieshang huiyi dijiu jie quanguo weiyuanhui chanwu weiyuanhui guanyu zhengxie jiu jie er ci huiyi yilai ti’an gongzuo qingkuang de baogao“ („Arbeitsbericht des Ständigen Ausschusses über die Anträge seit der 2. Tagung der IX. Nationalen PKCV„) (Rede auf der 3. Tagung der IX. Nationalen PKCV am 3. März 2000), in: Xinhua Yuebao, Nr. 4, 2000, S.82-84.

II. Monografen

Almond, Gabriel A. / Verba, Sidney: The Civic Culture: Political Attitudes and Democracy in Five Nations, Princeton 1963. Almond, Gabriel A. / Verba, Sidney (Hrsg.): The Civic Culture. Revisited, London 1989. Almond, Gabriel A. / Powell, G. Bingham: Comparative Politics: System, Process, Policy, Bosten 1978. Arbatow, Georgi: Das System. Ein Leben im Zentrum der Sowjetpolitik (Abk.: Das System), Bonn 1993. Arendt, Hanna: The Origins of Totalitarism, New York 1955. Aron, Raymond: Demokratie und Totalitarismus, aus dem Französischen übertragen von Samuel H. Schirmbeck, Hamburg 1970. Ash, Timothy Garton: Ein Jahrhundert wird abgewählt, München 1990. Banister, Judith: China’s Changing Population, Stanford 1987. Barnett, A. Doak / Clough, Ralph N. (Hrsg.): Modernizing China. Post-Mao Reform and Development, Boulder 1986.

211 Bary, Wm. Theodore de: Waiting for the Dawn: A Plan for the Prince. Huang Tsung-hsis Ming-I-tai-fang lu, New York 1993. Bauer, Edgar: Die unberechenbare Weltmacht. China nach Deng Xiaoping (Abk.: Die unbe- rechenbare Weltmacht), Berlin 1997. Becker, Jasper: Hungry Ghosts: Mao’s Secret Famine, New York 1996. Befu, Harumi (Hrsg.): Cultural Nationalism in East Asia. Representation and Identity, Berke- ley 1993. Bennett, Gordon A.: Yundong: Mass Campaigns in Chinese Communist Leadership, China Research Monographs No. 12, Berkeley 1976. Berg-Schlosser, Dirk / Schissler, Jakob (Hrsg.): Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Perspektiven der Forschung (Abk.: Bilanz), Opladen 1987. Beyme, Klaus von: Interessengruppen in der Demokratie, München 1980. Beyme, Klaus von: Parteien in westlichen Demokratien (Abk.: Parteien), München 1982. Beyme, Klaus von: Systemwechsel in Osteuropa (Abk.: SIO), Frankfurt/M. 1994. Böhme, Waltraud / Dominik, Siegrid / Eisel, Hartmut u.a. (Hrsg.): Kleines Politisches Wör- terbuch (Abk.: KPW), Berlin (Ost) 19834. Bol, Peter K.: „This Culture of ours“: Intellectual Transitions in T’ang and Sung China, Stanford 1992. Boorman, Howard L. (Hrsg.): Biographical Dictionary of Republican China, Vol. I, New York 1967. Brzezinski, Zbigniew K.: Der Sowjetblock. Einheit und Konflikt, Köln 1962. Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (Hrsg.): Aufbruch im Osten Europas. Chancen für Demokratie und Marktwirtschaft nach dem Zerfall des Kommunismus (Abk.: Aufbruch im Osten Europas), München 1993. Butting, Johann: Die Stabilisierung des Rubels und die Transformation des russischen Geld- wesens, Berlin 2000. Cai Guoyu: Zhonggong minzuzhuyi de celüexing – zhonggong dui minzuzhuyi de jieshi yu yunyong (Die Strategie des Nationalismus der KPCh – Die Interpretation und die Anwendung der KPCh zu Nationalismus) (Abk.: ZGMZZY), Taipei 1996. The Cambridge History of China, Vol. 10, Late Ch’ing, 1800-1911, Part I, hrsg. von Fair- bank, John K., London 1978. Chang, Hao (Zhang Hao): Liang Ch’i-ch’ao and Intellectual Transition in China, 1890-1907, Cambridge 1971.

212 Chang, Hao: Chinese Intellectuals in Crisis. Search for Order and Meaning (1890-1911) (Abk.: Chinese Intellectuals in Crisis), Berkeley 1987. Chang Yu-Fa (Zhang Yufa): Zhonghua minguo shigao (Der Entwurf der Geschichte der Re- publik China), Taipei 1998. Chen Yongfa: Zhongguo gongchan geming qishi nian (70 Jahre Chinesische Kommunistische Revolution) (Abk.: ZGGCGM), Taipei 1998. Cheng, Joseph Y. S. (Hrsg.): China: Modernization in the 1980s (Abk.: China), New York 1990. Chi Wen-Shun: Ideological Conflicts in Modern China. Democracy and Authoritarianism (Abk.: Ideological Conflicts), Berkeley 19922. Chow Tse-tsung: The May Fourth Movement. Intellectual Revolution in Modern China, Cam- bridge 1964. Cihai (Wörter-Meer), Hongkong 1979. Cohen, Myron L. (Hrsg.): Asia: Case Studies in the Social Sciences. A Guide for Teaching (Abk.: Asia), Armonk 1992. Cohen, Paul A.: Discovering History in China: American Historical Writing on the Recent Chinese Past (Abk.: Discovering History in China), New York 1984. Dibb, Paul: Towards a New Balance of Power in Asia, Oxford 1995. Dittmer, Lowell: China’s Continuous Revolution. The Post-Liberation Epoch 1949-1981, Berkeley 1987. Dittmer, Lowell / Kim, Samuel S. (Hrsg.): China’s Quest for National Identity (Abk.: China’s Quest), London 1993. Domes, Jürgen: Politik und Herrschaft in Rotchina (Abk.: Politik und Herrschaft), Stuttgart 1965. Dou Aizhi: Zhongguo minzhu dangpaishi (Geschichte der Demokratischen Parteien Chinas) (Abk.: ZGMZDPS), Tianjin 1992. Draguhn, Werner (Hrsg.): Das Asiatisch-Pazifische Jahrhundert. Mythos – Bedrohung – Chance? (Abk.: Das Asiatisch-Pazifische Jahrhundert), Hamburg 1998. Dreyer, June Teufel: China’s Political System. Modernization and Tradition (Abk.: China’s Political System), London 1993. Dreyer, June Teufel: China’s Political System. Modernization and Tradition, London 20003. Easton, David: A Systems Analysis of political Life (Abk.: A Systems Analysis), New York 1965.

213 Edwards, R. Randle / Henkin, Louis / Nathan, Andrew J.: Human Rights in Contemporary China, New York 1986. Egle, Ulrike Martina: Die Legitimation der Kommunistischen Partei Chinas. Ein Beitrag zur Untersuchung ihrer Entwicklung und Problematik, München 1985. Eisenstadt, Samuel N.: Modernization: Protest and Change, Englewood Cliffs 1966. Eisenstadt, Samuel N. / Lemarchand, René (Hrsg.): Political Clientelism, Patronage and De- velopment, London 1981. Etzioni, Amitai: Modern Organisations, Englewood Cliffs 1964. Fairbank, John K.: China: A New History, Cambridge 1992. Frédéric, Louis: Encyclopaedia of Asian Civilizations, Paris 1978. Friedrich, Carl J. / Brezinski, Zbigniew: Totalitarian Dictatorship and Autocracy, Cambridge 19652. Fukuyama, Francis: The End of History and the Last Man, New York 1992. Gabriel, Oscar W.: Politische Kultur, Postmaterialismus und Materialismus in der Bundes- republik Deutschland (Abk.: Politische Kultur), Opladen 1986. Geldsetzer, Lutz / Hong, Han-Ding: Chinesisch-Deutsches Lexikon der Klassiker und Schulen der chinesischen Philosophie, Darmstadt 1991. Glaeßner, Gert-Joachim / Reiman, Michal (Hrsg.): Systemwechsel und Demokratisierung. Rußland und Mittel-Osteuropa nach dem Zerfall der Sowjetunion (Abk.: System- wechsel und Demokratisierung), Opladen 1997. Gneuss, Christian / Kocka, Jürgen (Hrsg.): Max Weber. Ein Symposion, München 1988. Göhler, Gerhard (Hrsg.): Grundfrage der Theorie politischer Institutionen. Forschungsstand – Probleme – Perspektive, Opladen 1987. Goodman, David S. G. / Segal, Gerald (Hrsg.): China in the Nineties. Crisis Management and Beyond (Abk.: China in the Nineties), Oxford 1991. Gorbatschow, Michail: Perestroika. Eine neue Politik für Europa und die Welt, München 1987. Guo Dasong / Chen Haihong (Hrsg.): Wushi nian liuxing ciyu 1949-1999 (50 Jahre populäre Wörter und Wendungen (1949-1999)), Jinan 1999. Guo Hongji: Wenhua minzuzhuyi (Kultureller Nationalismus), Taipei 1997. Habermas, Jürgen: Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt/M. 1973. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt/M. 1990.

214 Heilmann, Sebastian: Sozialer Protest in der VR China. Die Bewegung vom 5. April 1976 und die Gegen-Kulturrevolution der siebziger Jahre, Mitteilungen des Instituts für Asien- kunde, Nr. 238, Hamburg 1994. Heinrich, Dirk: Die Transformation Osteuropas. Eine Herausforderung für sozialwissen- schaftliche Theorien (Abk.: Transformation Osteuropas), Dissertation der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, Bochum 2000. Heiter, Heinrich: Vom friedlichen Weg zum Sozialismus zur Diktatur des Proletariats. Wand- lungen der sowjetischen Konzeption der Volksdemokratie 1945-1949, Frankfurt/M. 1977. Hequ hechong (Wohin geht China?) (Abk.: HH), hrsg. v.: Globaler Verlag, Teaneck 1990. Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie (Abk.: WS), Stuttgart 1994. Hobsbawm, Eric / Ranger, Terence (Hrsg.): The Invention of Tradition, London 1983. Hörning, Karl H.: Gesellschaftliche Entwicklung und soziale Schichtung, München 1976. Hofmann, Heinz: Mehrparteiensystem ohne Opposition: die nichtkommunistischen Parteien in der DDR, Polen, der Tschechoslowakei und Bulgarien, Frankfurt/M. 1976. Hu Chuanxi / Chai Yilong (Hrsg.): Rushang duben (Lesebuch über Konfuzianer und Kauf- leute), Bd. „Neisheng“, Kunming 1999. Huang Ko-Wu (Huang Kewu): Yige bei fangqi de xuanze: Liangqichao tiaoshi sixiang zhi yanjiu (Der abgelehnte Weg: eine Analyse zu Liang Qichaos Anpassungsgedanken) (Abk.: LQCTSSX), Monograph Series No. 70 von „Institute of Modern History Aca- demia Sinica“, Taipei 1994. Huang, Philip C.: Liang Ch’i-ch’ao and Modern Chinese Liberalism (Abk.: Liang Ch’i-ch’ao), Seattle 1972. Huang, Ray (Huang Renyu): Fangkuan lishi de shijie (Die Verbreitung des historischen Horizontes), Taipei 19894. Huang Yuanqi (Hrsg.): Zhongguo xiandaishi (Moderne Gesichte Chinas), He’nan 19832. Huntington, Samuel P.: Political Order in Changing Societies (Abk.: Political Order), New York 197915. Huntington, Samuel P.: The Third Wave. Democratization in the Late Twentieth Century, London 1991. Huntington, Samuel P. / Nelson, Joan M.: No Easy Choice. Political Participation in Develo- ping Countries (Abk.: No Easy Choice), Cambridge 1976. Itoh, Fumio (Hrsg.): China in the Twenty-First Century: Politics, Economy, and Society, To- kyo 1997.

215 Jeans, Roger B. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth- Century Chinas (Abk.: Roads Not Taken), Boulder 1992. Jesse, Eckhard (Hrsg.): Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung, Bonn 19992. Jin Guantao / Liu Qingfeng: Xingsheng yu weiji (Das Gedeihen und die Krise), Taipei 1989. Johnson, Chalmers (Hrsg.): Change in Communist Systems, Stanford 1970. Juchler, Jakob: Osteuropa im Umbruch. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung 1989-1993. Gesamtüberblick und Fallstudien, Zürich 1994. Jung, Rainer: Die Zentrale Disziplinkontrollkommission der Kommunistischen Partei Chinas in einer Phase des Übergangs von der Personen- zur stärker institutionenbezogenen Herrschaft 1978 bis 1992 (Abk.: ZDKP), Münster 1996. Kennedy, Paul: In Vorbereitung auf das 21. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1997. Kim, Young C. / Sigur, Gaston J. (Hrsg.): Asia and the Decline of Communism (Abk.: ADC), New Brunswick 1992. King, Ambrose Y. C. (Jin Yaoji): Jinyaoji shehui wenxuan (Ausgewählte Werke von Ambro- se Y. C. King), Taipei 1985. King, Ambrose Y. C.: Zhongguo minzhu zhi kunju yu fazhan (Die schwierige Lage und die Entwicklung der Demokratie in China), Taipei 19912. Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Staat und Demokratie in Europa. 18. Wissenschaftlicher Kon- greß der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Opladen 1992. Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Studien zum Beginn der modernen Welt, Stuttgart 1977. Kristof, Nicholas D. / WuDunn, Sheryl: China erwacht, Düsseldorf 1995. Kriz, Jürgen / Nohlen, Dieter / Schultze, Rainer-Olaf (Hrsg.): Politikwissenschaftliche Metho- den, Lexikon der Politik, Bd. 2, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 1994. Lapp, Peter Joachim: Die „befreundeten Parteien“ der SED (Abk.: BP), Köln 1988. Lauth, Hans-Joachim / Merkel, Wolfgang: Zivilgesellschaft im Transformationsprozeß. Län- derstudien zu Mittelost- und Südeuropa, Asien, Afrika, Lateinamerika und Nahost, Mainz 1997. Lee, Kyu-Young: Zivilgesellschaft als Ansatzpunkt für den Umbruch der sozialistischen Sys- teme in Osteuropa? Das Beispiel Polen, Frankfurt/M. 1994. Lepsius, M. Rainer: Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990. Li Kwok-sing (Li Gucheng): Zhongguo dalu zhengzhi shuyu (Ein Glossar der politischen Ter- minologie der Volksrepublik China) (Abk.: ZGDUZZSY), Hongkong 1992.

216 Lieberthal, Kenneth: Governing China. From Revolution Through Reform (Abk.: Governing China), New York 1995. Lin Baochun: Yan Fu: Zhongguo jindai sixiang qimengzhe (Yen Fu: ein Aufklärer der moder- nen chinesischen Gedanken), Taipei 1988. Lin, Bih-Jaw (Hrsg.): Contemporary China and the Changing International Community, Tai- pei 1993. Lin Duan: Konfuzianische Ethik und Legitimation der Herrschaft im alten China. Eine Aus- einandersetzung mit der vergleichenden Soziologie Max Webers (Abk.: Konfuziani-sche Ethik), Berlin 1997. Lin Yü-Sheng (Lin Yusheng): The Crisis of Chinese Consciousness. Radical Antitraditiona- lism in the May Fourth Era (Abk.: The Crisis of Chinese Consciousness), Madison 1979. Liu Maolin (Hrsg.): Xienfa jiaocheng (Das Verfassungslehrprogramm), Peking 1997. Liu Qingfeng (Hrsg.): Minzuzhuyi yu zhongguo xiandaihua (Nationalismus und Moderni- sierung in China), Hongkong 1994. Loo, Hans van der / Reijen, Willem van: Modernisierung. Projekt und Paradox (Abk.: Mo- dernisierung), München 19972. Luo Hanxian (Hrsg.): Zhongguo gongchandang lingdao de duodang hezuo (Die Mehrpartei- enkooperation unter Führung der KPCh), Peking 1991. Mampel, Siegfried: Die volksdemokratische Ordnung in Mitteldeutschland. Texte zur verfas- sungsrechtlichen Situation (Abk.: Die volksdemokratische Ordnung), Frankfurt/M. 19673. Mampel, Siegfried: Herrschaftssystem und Verfassungsstruktur in Mitteldeutschland, Köln 1968. Mampel, Siegfried: Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Kommentar, Frankfurt/M. 19822. Martin, Helmut: Chinas Intellektuelle und die Demokratie (Abk.: Chinas Intellektuelle), Chi- nabilder VI, Bochum 1996. Marxismus im Systemvergleich, hrsg. von Kernig, C. D., Politik, Bd. 3, Kollektiv bis Opposi- tion, Frankfurt/M. 1973. Mason, David S.: Revolution in East-Central Europe. The Rise and Fall of Communism and the Cold War (Abk.: Revolution in East-Central Europe), Boulder 1992. Meder, Steffen: China im 21. Jahrhundert. Regional- oder Weltmacht? (Abk.: China im 21. Jahrhundert), München 2000.

217 Menzel, Ulrich (Hrsg.): Nachdenken über China (Abk.: Über China), Frankfurt/M. 1990. Merkel, Wolfgang (Hrsg.): Systemwechsel 5. Zivilgesellschaft und Transformation, Opladen 2000. Moore, Barrington: Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie. Die Rolle der Grund- besitzer und Bauern bei der Entstehung der modernen Welt, Frankfurt/M. 1969. Moritz, Ralf: Die Philosophie im alten China, Berlin 1990. Müller, Otto Wilhelm: Intelligencija. Untersuchungen zur Geschichte eines politischen Schlagwortes (Abk.: Intelligencija), Frankfurt/M. 1971. Nathan, Andrew: Chinese Democracy, New York 1985. Nathan, Andrew J.: China’s Crisis. Dilemmas of Reform and Prospects for Democracy (Abk.: China’s Crisis), New York 1990. Nathan, Andrew J. / Link, Perry (Hrsg.): The Tiananmen Papers (Abk.: TP), London 2001. Natioal Bureau of Statistics (Hrsg.): China Statistical Yearbook 2000, Peking 2000. Nohlen, Dieter / Schultze, Rainer-Olaf (Hrsg.): Politikwissenschaft. Theorien – Methoden – Begriffe, Pipers Wörterbuch zur Politik 1, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 19924. Nohlen, Dieter / Waldmann, Peter / Ziemer, Klaus (Hrsg.): Die östlichen und südlichen Län- der, Lexikon der Politik, Bd. 4, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 1997. Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik (Abk.: KLP), München 2001. O’Donnell, Guillermo / Schmitter, Philippe C.: Transitions from Authoritarian Rule. Tenta- tive Conclusions about Uncertain Democracies, Baltimore 19913. Ostkolleg der Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Wissenschaft und politische Bildung. Aspekte der Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen System der osteuropäischen Staaten, der DDR und Chinas (Abk.:Wissenschaft und politische Bildung), Bonn 1991. Palm, Volker: Chinas Neoautoritarismus-Debatte (1986-1989) (Abk.: Neoautoritarismus- Debatte), Bochum 1995. Parsons, Talcott: The Social System, New York 1951. Patten, Christopher: East and West – China, Power, and the Future of Asia, New York 1998. Paul, Gregor / Woesler, Martin (Hrsg.): Zwischen Mao und Konfuzius? Die Geschichte der Volksrepublik China als Resultat und Reflex von Tradition und Neuerung, Bochum 2000. Pohl, Karl-Heinz / Wacker, Gudrun / Liu, Huiru (Hrsg.): Chinesische Intellektuelle im 20. Jahrhundert: Zwischen Tradition und Moderne (Abk.: Chinesische Intellektuelle), Hamburg 1993.

218 Pye, Lucian W.: Warlord Politics. Conflict and Coalition in the Modernization of Republican China (Abk.: Warlord Politics), New York 1971. Pye, Lucian W.: The Dynamics of Chinese Politics, Cambridge 1981. Pye, Lucian W.: Asian Power and Politics (Abk.: Asian Power), Cambridge 1985. Pye, Lucian W.: The Spirit of Chinese Politics, Cambridge 19922. Pye, Lucian W. / Verba, Sidney (Hrsg.): Political Culture and Political Development, Prince- ton 1965. Qi Mo (Hrsg.): Xin quanweizhuyi (Neoautoritarismus) (Abk.: XQWZY), Taipei 1991. Qian Jiaju: Qishi nian de jingli (Siebzigjährige Erfahrung), Hongkong 1986. Qian Mu: Guoshi dagang (Grundriß der Nationalen Geschichte) (Abk.: GSDG), Taipei 19785. Ren Tao u.a. (Hrsg.): Zhongguo renmin zhengxie cidian (Lexikon der Politischen Konsulta- tivkonferenz des Chinesischen Volkes) (Abk.: ZRZC), Zhangjiakou 1990. Saich, Tony: China: Politics and Government, London 1981. Sandschneider, Eberhard: Stabilität und Transformation politischer Systeme. Stand und Pers- pektiven politikwissenschaftlicher Transformationsforschung (Abk.: Stabilität und Transformation), Opladen 1995. Sartori, Giovanni: Parties and Party System, London 1976. Sartori, Giovanni: Demokratietheorie, aus dem Englischen übersetzt von Vetter, Hermann, hrsg. von Wildenmann, Rudolf, Darmstadt 1992. Scalapino, Robert: The Last Leninists: The Uncertain Future of Asia’s Communist States (Abk.: Last Leninists), Washington D.C. 1992. Schmidt, Manfred G.: Demokratietheorien. Eine Einführung, Opladen 20003. Schram, Stuart R. (Hrsg.): Foundations and Limits of State Power in China (Abk.: Founda- tions and Limits), Hongkong 1987. Schrooten, Mechthild: Geld, Banken und Staat in Sozialismus und Transformation. Vom Zu- sammenbruch der Sowjetunion zur Finanzkrise in der Russischen Föderation, Berlin 2000. Schwan, Gesine (Hrsg.): Bedingungen und Probleme politischer Stabilität (Abk.: Bedingun- gen und Probleme), Baden-Baden 1988. Schwartz, Benjamin I.: In Search of Wealth and Power: Yen Fu and the West, Cambridge 1964. Schwartz, Benjamin I.: The World of Thought in Ancient China (Abk.: Ancient China), Cam- bridge 1985. Seymour, James D.: China’s Satellite Parties (Abk.: CSP), New York 1987.

219 Sheng Ping (Hrsg.): Zhongguo gongchandang renming da cidian (Lexikon der chinesischen kommunistischen Persönlichkeiten) (Abk.: ZGRMDCD), Peking 1991. Sills, David L. (Hrsg.): International Encyclopedia of the Social Sciences, Chicago 1968. Die Sowjetunion im Umbruch. Eine Zwischenbilanz 1991, hrsg. v. d. Bundeszentrale für po- litische Bildung, Bonn 1991. Spence, Jonathan D.: The Search for Modern China (Abk.: Modern China), New York 1990. Stavis, Benedict: China’s political Reforms. An Interim Report, New York 1988. Sternberger, Dorf: Grund und Abgrund der Macht. Kritik der Rechtmäßigkeit heutiger Regie- rungen, Frankfurt/M. 1962. Sweezy, Paul M. / Bettelheim, Charles: On the Transition to Socialism, London 1971. Teiwes, Frederick C.: Leadership, Legitimacy, and Conflict in China (Abk.: LLC), New York 1984. Tomson, Edgar / Su, Jyun-hsyong: Regierung und Verwaltung der Volksrepublik China, Köln 1972. Townsend, James R.: Political Participation in Communist China (Abk.: Political Participa- tion), Berkeley 1967. Tu Wie-ming (Du Weiming) (Hrsg.): China in Transformation (Abk.: CIT), Cambridge 1994. Türke, Joachim: Demokratischer Zentralismus und kommunale Selbstverwaltung in der so- wjetischen Besatzungszone Deutschlands (Abk.: Demokratischer Zentralismus), Göt- tingen 1960. Umbach, Heinrich-M.: Die Demokratischen Parteien Chinas im Schatten der Kommunisti- schen Partei (Abk.: Die Demokratischen Parteien), Mitteilungen des Instituts für Asienkunde, Nr. 248, Hamburg 1995. Unger, Jonathan (Hrsg.): The Pro-Democracy Protests in China. Reports from the Provinces, Armonk 1991. Wang, Rongfen: Cäsarismus und Machtpolitik. Eine historisch-biobibliographische Analyse von Max Webers Charismakonzept (Abk.: Cäsarismus und Machtpolitik), Berlin 1997. Wasserstrom, Jeffrey N. / Perry, Elizabeth J. (Hrsg.): Popular Protest and political Culture in modern China. Learning from 1989 (Abk.: Learning from 1989), Boulder 1992. Weggel, Oskar: Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert (Abk.: Geschichte Chinas), Stuttgart 1989. Weggel, Oskar: China im Aufbruch. Konfuzianismus und politische Zukunft (Abk.: China im Aufbruch), München 1997. Weidinger, Dorothea: Nation – Nationalismus – Nationale Identität, Bonn 1998.

220 Westen, Klaus: Die Kommunistische Partei der Sowjetunion und der Sowjetstaat, Köln 1968. Westle, Bettina: Politische Legitimität - Theorien, Konzepte, empirische Befunde (Abk.: Poli- tische Legitimität), Baden-Baden 1989. White, Stephen: Communism and its Collapse, London 2001. Winckler, Edwin A. (Hrsg.): Transition from Communism in China. Institutional and Compa- rative Analyses, London 1999. Wu Jiang / Niu Xuxing: Minzhu yu zhengdang (Demokratie und Parteien) (Abk.: MZYZD), Peking 1991. Xiao Gongqin: Lishi jujue langman. Xin baoshouzhuyi yu zhongguo xiandaihua (Geschichte verweigert Romantik. Neokonservatismus und Modernisierung in China) (Abk.: LSJJLM), Taipei 1998. Xie Jun / Pong Xiaochun (Hrsg.): Zhongguo gongchandang lingdao de duodang hezuo zhidu (Das System der Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh), Nanning 1990. Yu Gang (Hrsg.): Zhongguo ge minzhu dangpai (Die Demokratischen Parteien Chinas) (Abk.: ZGMZDP), Peking 1987. Yü, Ying-shih (Yu Yinshi): Shixue yu chuantong (Geschichtswissenschaft und Tradition) (Abk.: SXYCT), Taipei 1982. Yü, Ying-shih: Shi yu zhongguo wenhua (Shi und chinesische Kultur), Shanghai 1987. Zapf, Wolfgang: Modernisierung, Wohlfahrtsentwicklung und Transformation. Soziologische Aufsätze 1987 bis 1994, Berlin 1994. Zhang Dingchang: Zhanhou zhonggong heping tonyi zhanxian (Die Friedliche Demokratische Einheitsfront der KPCh nach dem anti-japanischen Krieg), Taipei 1987. Zhao Jianmin: Dangdai zhonggong zhengzhi fenxi (Die Analyse der gegenwärtigen Politik der KPCh) (Abk.: DDZG), Taipei 1997. Zhao Xiangming: Dangqian zhonggong renmin zhengxie zhi zhengzhi jiaose yanjiu (Die Er- forschung der politischen Rolle der gegenwärtigen Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes) (Abk.: DQZX), Dissertation der Zhengzhi Universität, Taipei 1993. Zheng, Shiping: Party vs. State in Post-1949 China. The Institutional Dilemma (Abk.: Party vs. State), New York 1997. Zhongguo jiaoyu nianjian 2000 (Jahrbuch für Ausbildung in China 2000), Peking 2000. Zhonggong kongzhi xia dalu diqu ge minzhu dangpai xiankuang (Zur gegenwärtigen Lage der Demokratischen Parteien unter KPCh-Kontrolle auf dem chinesischen Festland) (Abk.:

221 ZKXD), hrsg. von der Kommission für Angelegenheiten des Festlandes (Mainland Affairs Council), Taipei 1988. Zhou Yangshan (Hrsg.): Zhishifenzi yu zhongguo (Intellektuelle und China) (Abk.: ZFYZG), Taipei 1981. Zhou Yangshan (Hrsg.): Cong wusi dao xin wusi (Vom Vierten Mai bis zum Neuen Vierten Mai), Taipei 1989. Ziemer, Klaus (Hrsg:): Sozialistische Systeme. Politik – Wirtschaft – Gesellschaft (Abk.: SSPWG), Pipers Wörterbuch zur Politik 4, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 1986. Zu Zhiguo: Jiushi niandai zhongguo dalu de xin baoshouzhuyi (Neokonservatismus Festland Chinas in den 1990er Jahren) (Abk.: XBSZY), Taipei 1998.

III. Aufsätze und Zeitungsartikel

„Acht Punkte von Jiang Zemin zu Beijings Taiwanpolitik“, in: China aktuell, Feb. 1995, Ü30, S.116-118. „80.000 Studenten im Ausland“, in: China aktuell, Jan. 1990, Ü10, S.11-12. Alford, William P.: „Double-edged Swords Cut Both Wags: Law and Legitimacy in the Peo- ple’s Republic of China“, in: Tu Wei-ming (Hrsg.): China in Transformation, Cam- bridge 1994, S.45-69. Almond, Gabriel A.: „Politische Kultur-Forschung – Rückblick und Ausblick“, in: Berg- Schlosser, Dirk / Schissler, Jakob (Hrsg.): Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Opladen 1987, S.27-38. Amt des Staatsrats für die Angelegenheiten Taiwans und Presseamt des Staatsrats der VR China: „Das ‚Ein China‘-Prinzip und die Taiwan-Frage“, in: Beijing Rundschau, Nr. 10, 7. März 2000, S.21-32. An Zhiguo: „Weiterführung der Revolution“, in: Beijing Rundschau, Nr. 34, 25. Aug. 1981, S.3. An Zhiguo: „Weisheme zhongguo fandui zichanjieji ziyouhua“ („Warum bekämpft China die bürgerliche Liberalisierung?“), in: Renmin Ribao, 12. Feb. 1990, S.1. „Arbeitstagung des Politbüros über die nationale und internationale Lage“, in: China aktuell, April 1990, Ü1, S.257. „Auch 1989 Handelsbilanzdefizit“, in: China aktuell, Jan. 1990, Ü31, S. 22-23. „Ba ge minzhu dangpai quanguo gongshanglian fuzeren dao yiyuan kanwang shoudu jieyan budui shang bingyuan“ („Verantwortliche der acht Demokratischen Parteien und der

222 Nationalen Vereinigung der Industriellen und Kaufleute besuchten verletzte Armeean- gehörige nach dem Ausnahmezustand in Peking im Krankenhaus“), in: Renmin Ribao, 18. Juni 1989, S.1. Befu, Harumi: „Introduction“, in: Ders. (Hrsg.): Cultural Nationalism in East Asia. Represen- tation and Identity, Berkeley 1993, S.1-5. „Beijing jiaqiang tongzhan“ („Peking verstärkt die Einheitsfront“), in: Zhongyang Ribao (Central Daily News, Übersee Ausgabe), 11. Dez. 2000, S.7. Berg-Schlosser, Dirk: „Politische Kulturforschung“, in: Kriz, Jürgen / Nohlen, Dieter / Schultze, Rainer-Olaf (Hrsg.): Politikwissenschaftliche Methoden, Lexikon der Politik, Bd. 2, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 1994, S.345-352. Berg-Schlosser, Dirk / Schissler, Jakob: „Politische Kultur in Deutschland – Forschungs- gegenstand, Methoden und Rahmenbedingungen“, in: Ders. (Hrsg.): Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Perspektiven der Forschung (Abk.: Politische Kultur in Deutschland), Opladen 1987, S.11-26. Beyme, Klaus von: „Perspektiven der Osteuropaforschung nach dem Zusammenbruch des ‚Realen Sozialismus‘“ (Abk.: Perspektiven der Osteuropaforschung), in: Ostkolleg der Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Wissenschaft und politische Bildung. Aspekte der Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen System der osteuropäi- schen Staaten, der DDR und Chinas, Bonn 1991, S.55-65. Beyme, Klaus von: „Auf dem Weg zur Wettbewerbsdemokratie? Der Aufbau politischer Konfliktstrukturen in Osteuropa“ (Abk.: Auf dem Weg), in: Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Staat und Demokratie in Europa. 18. Wissenschaftlicher Kongreß der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Opladen 1992, S.149-167. Beyme, Klaus von / Daniels, Robert V.: „Opposition“, in: Marxismus im Systemvergleich, hrsg. von Kernig, C. D., Politik, Bd. 3, Kollektiv bis Opposition, Frankfurt/M. 1973, S.289-326. „Beziehungen zu den USA“, in: China aktuell, März 1990, Ü6, S.188. Bialer, Seweryn: „The Death of Soviet Communism“ (Abk.: Soviet Communism), in: Foreign Affairs, Vol. 70, No. 5, Winter 1991/1992, S.166-181. Blacker, Coit D.: „The Collapse of Soviet Power in Europe“, in: Foreign Affairs, Vol. 70, No. 1, 1990/1991, S.88-102. Bleek, Wilhelm: „Demokratischer Zentralismus“ (Abk.: DZ), in: Ziemer, Klaus (Hrsg:): So- zialistische Systeme. Politik – Wirtschaft – Gesellschaft, in: Pipers Wörterbuch zur Politik 4, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 1986, S.77-83.

223 Bova, Russell: „Political Dynamics of the Post-Communist Transition. A Comparative Pers- pective“, in: World Politics, Vol. 44, No. 1, Oct. 1991, S.113-138. Bruszt, László / Stark, David: „Remaking the Political Field in Hungary: From the Politics of Confrontation to the Politics of Competition“, in: Journal of International Affairs, Vol. 45, No. 1, Summer 1991, S.201-245. Chanda, Nayan / Huus, Kari: „The New Nationalism“ (Abk.: NN), in: Far Eastern Economic Review, Vol. 158, No. 45, 9. Nov. 1995, S.20-26. Chang, Hao (Zhang Hao): „Wusi yundong de piping yu kending („Die Kritik und die Aner- kennung der Vierten Mai Bewegung“), in: Zhou Yangshan (Hrsg.): Cong wusi dao xin wusi (Vom Vierten Mai bis zum Neuen Vierten Mai), Taipei 1989, S.65-91. Chang, Hao: „Lüelun zhonggong de wutuobang sixiang“ („Kurze Analyse zum Utopismus in der chinesischen Kultur“) (Abk.: ZGWTB), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), April 1991, S.133-136. Chang, Hao: „Zai ren wuxu weixin de lishi yiyi“ („Überlegungen über die historische Bedeu- tung der Hundert-Tage-Reformbewegung von 1898“), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), Feb. 1998, S.15-23. Chen Chunlong: „Jianchi he wanshan duodang hezuo de zhengdang tizhi” („Die Beibehaltung und Entwicklung des Systems der Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh“) (Abk.: JCHWS), in: Faxue Yanjiu (Studies in Law), Nr. 1, 1991, S.1-8. Chen, Feng: „Order and Stability in Social Transition: Neoconservative Political Thought in Post-1989 China“ (Abk.: Order and Stability), in: The China Quarterly, No. 151, Sept. 1997, S.593-613. Chen Guoxiang: „Fang yeqizheng jiaoshou cong wenhua guandian tan zhishifenzi“ („Interview mit Professor Ye Qizheng: Rede über die Intellektuellen, vom kulturellen Standpunkt aus betrachtet“), in: Zhou Yangshan (Hrsg.): Zhishifenzi yu zhongguo (Intellektuelle und China), Taipei 1981, S.23-36. Chen Jinguang: „1989 nian dalu xueyun xingzhi ji chongtu xingcheng zhi yanjiu“ („Die Er- forschung über den Charakter der Studentenbewegung von 1989 auf dem Festland China und die Entsehung des Konflikts“), in: Zhongguodalu Yanjiu, Vol. 34, No. 7, Juli 1991, S.53-67. Chen Junsheng: „Warum China am Sozialismus festhalten muß“, in: Beijing Rundschau, Nr. 4, 27. Jan. 1987, S.14-19.

224 Chen Wenhui / Li Baosheng: „Zhongguo xiebu kaifa yanjiu pingshu“ („Kommentar zu Studien bezüglich der Entwicklung West-Chinas“), in: Xinhua Wenzhai, Nr. 5, 2000, S.190-193. Chen Yizi u.a.: „Jianli yingzhengfu ruanjingji de fazhan moshi“ („Die Gründung des Ent- wicklungsmodells ‚harter Regierung, weicher Wirtschaft‘“), in: Qi Mo (Hrsg.): Xin quanweizhuyi (Neoautoritarismus), Taipei 1991, S.80-82. Chen Yungen: „Wei zhonggong xin quanweizhuyi guaiguan“ („Endgültige Beurteilung über den Neoautoritarismus der KPCh“), in: Qi Mo (Hrsg.): Xin quanweizhuyi (Neoautori- tarismus), Taipei 1991, S.99-106. Cheng Mo: „Daode bixu yu zhengzhi fenjia“ („Moral muß sich von Politik trennen“), in: Cheng Ming (Zhengming), Jan. 1998, S.43-44. Chiang Chen-ch’ang: „The Social Aftermaths of Mainland China’s Economic Reform“ (Abk.: The Social Aftermaths), in: Issues & Studies, Vol. 25, No. 2, Feb. 1989, S.26-46. „Die chinesische Volkswirtschaft im jetzigen Jahrzehnt – Rede von Ministerpräsident Li Peng auf dem Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in Davos, 30. Januar 1992“, in: Bei- jing Rundschau, Nr. 7, 18. Feb. 1992, S.12-16. Chou Yu-sun: „Nationalism and Patriotism in China“ (Abk.: NAPC), in: Issues & Studies, Vol. 32, No. 11, Nov. 1996, S.67-86. „Chuanping xiang maozhuxi he zhouzongli ti xie yijian“ („Chu Anping stellt einige Fragen an den Vorsitzenden Mao und den Ministerpräsidenten Zhou“), in: Renmin Ribao, 2. Juni 1957, S.2. „Cong aiguozhuyi dao gongchanzhuyi“ („Vom Patriotismus zum Kommunismus“), in: Xin- hua Yuebao, Nr. 2, 1983, S.18-21. Copper, John F.: „Minor Parties in Taiwan“, in: Jeans, Roger B. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century China, Boulder 1992, S.275- 287. Croissant, Aurel / Lauth, Hans-Joachim / Merkel, Wolfgang: „Zivilgesellschaft und Transfor- mation: ein internationaler Vergleich“, in: Merkel, Wolfgang (Hrsg.): Systemwechsel 5. Zivilgesellschaft und Transformation, Opladen 2000, S.9-49. „Dalu bu shihe gao fanduidang“ („China ist noch nicht reif, eine Opposition zu bilden“), in: Lianhe Bao (United Daily News), 21. Okt. 1988, S.9. „Dalu tanwu fubai yinian sunshi yizhao renminbi“ („Die Korruption auf dem Festland China verursacht einen jährlichen Verlust von einer Billion Yuan“), in: Lianhe Bao (United Daily News), 24. März 2001, S.13.

225 „Deng Xiaoping fordert erneut eine ‚Befreiung des Denken‘“, in: China aktuell, Jan. 1992, Ü4, S.6. „Deng Xiaoping nach einem Jahr wieder in der Öffentlichkeit aufgetreten“, in: China aktuell, Jan. 1992, Ü3, S.5. Dickson, Bruce J.: „Leninist Adaptability in China and Taiwan“, in: Winckler, Edwin A. (Hrsg.): Transition from Communism in China. Institutional and Comparative Ana-lyses, London 1999, S.49-77. Ding Xueliang: „Dongya moshi yu xin quanweizhuyi“ („Der ostasiatische Modell und der Neoauthoritarismus“) (Abk.: DYMS), in: Qi Mo (Hrsg.): Xin quanweizhuyi (Neoauto- ritarismus), Taipei 1991, S.122-136. Dittmer, Lowell: „Comparative Communist Political Culture“, in: Studies in Comparative Communism, Vol. XVI, No. 1&2, Spring/Summer 1983, S.9-24. Dittmer, Lowell / Kim, Samuel S.: „In Search of a Theory of National Identity“ (Abk.: Na- tional Identity), in: Dittmer, Lowell / Kim, Samuel S. (Hrsg.): China’s Quest for Na- tional Identity, London 1993, S.1-31. Domes, Jürgen: „Tradition und Traditionsbruch in der Politik der VR China“ (Abk.: Tradition und Traditionsbruch), in: Paul, Gregor / Woesler, Martin (Hrsg.): Zwischen Mao und Konfuzius? Die Geschichte der Volksrepublik China als Resultat und Reflex von Tra- dition und Neuerung, Bochum 2000, S.65-89. „‚Drei Repräsentationen‘: Kernelement in der Kanonisierung der ‚Jiang-Zemin-Ideen‘?“, in: China aktuell, April 2000, Ü14, S.369-370. „3. Tagung des VII. Nationalen Volkskongresses“, in: China aktuell, März 1990, Ü16, S.190. „‚Extrem wichtige Rede‘ Deng Xiaopings soll die politische Führung auf einheitlichen Kurs bringen“ (Abk.: EWR), in: China aktuell, April 1990, Ü6, S.258-259. „Fayang wusi jingshen tuijin gaige he xiandaihua shiye“ („Entfaltung des Geistes vom Vierten Mai, Förderung der Reformen und der modernen Unternehmen“), in: Renmin Ribao, 4. Mai 1989, Leitartikel, S.1. „Fei gong xiao dangpai yaoqiu duli bing canxuan renda“ („Die kleinen nichtkommunistischen Parteien verlangen Unabhängigkeit und Teilnahme an den Wahlen des Nationalen Volkskongresses“), in: Zili Zaobao (The Independence Morning Post), 10. Jan. 1997, S.2. Feng Wenbin: „Guanyu shehuizhuyi minzhu wenti“ („Über Probleme der sozialistischen De- mokratie“), in: Renmin Ribao, 24./25. Nov. 1980, S.5.

226 Fu Yijie: „Jiangzemin 2001 nian mianlin san da tiaozhan“ („2001 wird Jiang Zemin mit drei Herausforderungen konfrontiert“), in: Lianhe Bao (United Daily News), 18. Dez. 2000, S.13. Fung, Edmund S. K.: „The Alternative of Loyal Opposition: The Chinese Youth Party and Chinese Democracy, 1937-1949“, in: Jeans, Roger B. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century China, Boulder 1992, S.241-265. Garzón Valdés, Ernesto: „Grundnormen und Stabilität in Lateinamerika“ (Abk.: Grundnor- men und Stabilität), in: Schwan, Gesine (Hrsg.): Bedingungen und Probleme politi- scher Stabilität, Baden-Baden 1988, S.69-102. „Gegen wen richtetet sich die Forderung nach ‚Stabilität und Einheit‘?“, in: China aktuell, Feb. 1981, Ü13, S.93-95. Göhler, Gerhard: „Institutionenlehre und Institutionentheorie in der deutschen Politikwissen- schaft nach 1945“, in: Ders. (Hrsg.): Grundfrage der Theorie politischer Institutionen. Forschungsstand – Probleme – Perspektive, Opladen 1987, S.16-47. Göhler, Gerhard / Roth, Klaus: „Kommunismus“, in: Nohlen, Dieter / Schultze, Rainer-Olaf (Hrsg.): Politikwissenschaft. Theorien - Methoden - Begriffe, Pipers Wörterbuch zur Politik 1, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 19924, S.444-447. Goetze, Dieter: „Modernisierung“, in: Nohlen, Dieter / Waldmann, Peter / Ziemer, Klaus (Hrsg.): Die östlichen und südlichen Länder, Lexikon der Politik, Bd. 4, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 1997, S.380-384. Goodman, David S. G.: „Democracy, Interest, and Virtue: The Search for Legitimacy in the People’s Republic of China“ (Abk.: Democracy, Interest, and Virtue), in: Schram, Stuart R. (Hrsg.): Foundations and Limits of State Power in China, Hongkong 1987, S.291-312. Goodman, David S. G.: „Introduction. The Authoritarian Outlook“, in: Goodman, David S. G. / Segal, Gerald (Hrsg.): China in the Nineties. Crisis Management and Beyond, Oxford 1991, S.1-18. „Gongchandang lingdao de duodang hezuo zhidu shi zhichi woguo zhengquan zhidu de zhengdang zhidu“ („Das System der Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh ist ein die Staatsmacht unseres Landes unterstützendes Parteiensystem“), in: Guangming Ribao, 15. Feb. 1993, S.1. Grobe-Hagel, Karl: „Die Elite der Partisanen. Mit den Mitteln von 1935 ins dritte Jahrtau- send“, in: Menzel, Ulrich (Hrsg.): Nachdenken über China, Frankfurt/M. 1990, S.23-47.

227 „Guojia de minzhuhua gaige bixu zai anding tuanjie de tiaojian xia zhubu shixian“ („Die Re- formen der staatlichen Demokratisierung müssen unter der Bedingung der Stabilität und Einheit schrittweise verwirklicht werden“) (Abk.: GDMG), in: Renmin Ribao, 8. Feb. 1981, Leitartikel, S.1. Harding, Harry: „‚On the Four Great Relationships‘: The Prospects for China“ (Abk.: OFGR), in: Survival, Vol. 36, No. 2, Summer 1994, S.22-42. He Zhenming: „Meiyou linhun de minzhu dangpai“ („Seelenlose Demokratische Parteien“) (Abk.: MYLH), in: Cheng Ming (Zhengming), März 1990, S.36-37. Heberer, Thomas: „Chinesischer Sozialismus = Sozialistischer Konfuzianismus? Der Wieder- streit zwischen Tradition und Moderne“ (Abk.: Chinesischer Sozialismus), in: Menzel, Ulrich (Hrsg.): Nachdenken über China, Frankfurt/M. 1990, S.126-140. Heberer, Thomas: „Traditionale Kultur und Modernisierung. Versuch einer Analyse am Bei- spiel Chinas“ (Abk.: Traditionale Kultur und Modernisierung), in: Politische Viertel- jahresschrift, Nr. 2, 1990, S.214-237. Heberer, Thomas: „Politische Kategorien und politische Kulturen: Das Beispiel Partizipation in China und Ostasien“ (Abk.: Politische Kategorien), in: Berliner China-Hefte. Bei- träge zur Gesellschaft und Geschichte Chinas, Nr. 11, Sept. 1996, S.17-26. Herrmann-Pillath, Carsten: „Wolskij, der russische Sonderweg und das chinesische Vorbild“ (Abk.: Der russische Sonderweg), in: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und in-ternationale Studien (Hrsg.): Aufbruch im Osten Europas. Chancen für Demokratie und Marktwirtschaft nach dem Zerfall des Kommunismus, München 1993, S.207-216. Hobsbawm, Eric: „Introduction: Inventing Traditions“, in: Hobsbawm, Eric / Ranger, Terence (Hrsg.): The Invention of Tradition, London 1983, S.1-14. Höhmann, Hans-Hermann: „Systemimmanente Reform mit systemkonträren Methoden. Kon- zeptionelle Widersprüche und reales Scheitern der Perestrojka in der UdSSR“ (Abk.: Systemimmanente Reform), in: Ostkolleg der Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Wissenschaft und politische Bildung. Aspekte der Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen System der osteuropäischen Staaten, der DDR und Chinas, Bonn 1991, S.136-148. Hu Guo: „Zhengxie jiu jie changweihui dishi ci huiyi bimu“ („Der Abschluß der 10. Tagung des IX. Ständigen Ausschusses der PKCV“), in: Renmin Ribao (People’s Daily, Über- see Ausgabe), 26. Juni 2000, S.1.

228 „Hu Qiaomu über ‚bürgerliche Liberalisierungstendenzen‘“, in: China aktuell, Dez. 1981, Ü10, S.780-782. Huang, Ray (Huang Renyu): „Jiangjieshi de lishi diwei“ („Die historische Stellung von Chiang Kai-Shek“), in: Ders.: Fangkuan lishi de shijie (Die Verbreitung des histori- schen Horizontes), Taipei 19894, S.225-272. „Internes Dokument des Politbüros über die Februar-Tagung des ZK der KPdSU“, in: China aktuell, April 1990, Ü7, S.259-261. Israel, John: „Reflections on ‚Reflections on the Modern Chinese Student Movement‘“, in: Wasserstrom, Jeffrey N. / Perry, Elizabeth J. (Hrsg.): Popular Protest and political Culture in modern China. Learning from 1989, Boulder 1992, S.85-108. Jacobs, J. Bruce: „A Preliminary Model of Particularistic Ties in Chinese Political Alliance: Kan-ch’ing and Kuan-hsi in a Rural Taiwanese Township“, in: The China Quarterly, No. 78, June 1979, S.237-273. Janos, Andrew C.: „Social Science, Communism, and the Dynamics of political Change“ (Abk.: Social Science), in: World Politics, Vol. 44, No. 1, Oct. 1991, S.81-112. Jeans, Roger B.: „Introduction“, in: Ders. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Oppo- sition Parties in Twentieth-Century China, Boulder 1992, S.1-33. Jeans, Roger B.: „The Trials of a Third-force Intellectual: Zhang Junmai (Carsun Chang) Du- ring the Early Nanjing Decade, 1927-1931“, in: Ders. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century China, Boulder 1992, S.37-59. Jesse, Eckhard: „Die Totalitarismusforschung und ihre Repräsentanten. Konzeptionen von Carl J. Friedrich, Hannah Arendt, Eric Voegelin, Ernst Nolte und Karl Dietrich Bra- cher“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 20 1998, S.3-18. Jin Guantao: „Zhongguo wenhua de wutuobang jingshen” („Der Utopismus in der chinesi- schen Kulture“), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), Dez. 1990, S.17-32. Jing Shuping: „Gongshang lian gongzuo bixu jiang zhengzhi“ („Die Aufgabe der NationalenVereinigung der Industriellen und Kaufleute ist, über die Politik zu sprechen“), in: Renmin Zhengxie Bao, 6. Aug. 1996, S.2. Jowitt, Kenneth: „An Organizational Approach to the Study of Political Culture in Marxist- Leninist Systems“, in: The American Political Science Review, Vol. 68, No. 3, Sept. 1974, S.1171-1191. Jowitt, Kenneth: „Inclusion and Mobilization in European Leninist Regimes“ (Abk.: Inclusion and Mobilization), in: World Politics, Vol. 28, No. 1, Oct. 1975, S.69-96. „Kampf gegen ‚geistige Verschmutzung‘“, in: China aktuell, Nov. 1983, Ü5, S.660-661.

229 Kelly, David: „Chinese Marxism since Tiananmen between Evaporation and Dismember- ment“ (Abk.: Chinese Marxism), in: Goodman, David S. G. / Segal, Gerald (Hrsg.): China in the Nineties. Crisis Management and Beyond, Oxford 1991, S.19-34. Kielmansegg, Peter Graf: „Der wissenschaftliche und der philosophische Umgang mit Politik I“ (Abk.: Umgang mit Politik) , in: Beyme, Klaus von (Hrsg.): Funkkolleg Politik, Stu- dienbegleitbrief 1, Weinheim 1985, S.34-72. Kim,Yung-Myung: „‚Asian-Style Democracy‘. A Critique from East Asia“, in: Asian Survey, Vol. XXXVII, No. 12, Dec. 1997, S.1119-1134. King, Ambrose Y. C. (Jin Yaoji): „Zhongguo xin zhishifenzi jieceng de jianli yu shiming“ („Gründung und Mission der chinesischen neuen intellektuellen Schicht“) (Abk.: ZGXZSFZ), in: Zhou Yangshan (Hrsg.): Zhishifenzi yu zhongguo (Intellektuelle und China), Taipei 1981, S.417-422. King, Ambrose Y. C.: „Xiandaihua yu zhongguo xiandai lishi“ („Modernisierung und die chi- nesische moderne Geschichte“), in: Ders.: Jinyaoji shehui wenxuan (Ausgewählte Werke von Ambrose Y. C. King), Taipei 1985, S.3-35. King, Ambrose Y. C.: „Zhongguo fazhan cheng xiandaixing guojia de kunjing“ („Max Weber und der Aufbau eines modernen Staates in China“) (Abk.: ZGFZ), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), Feb. 1991, S.56-72. King, Ambrose Y. C.: „Minli dongyuan yu jingji jianshe zhu wenti“ („Fragen zur Mobilisie- rung der bürgerlichen Kräfte und zum wirtschaftlichen Aufbau“), in: Ders.: Zhongguo minzhu zhi kunju yu fazhan (Die schwierige Lage und die Entwicklung der Demokratie in China), Taipei 19912, S.132-157. King, Ambrose Y. C.: „Zhonggong shehuizhuyi zhi kunju“ („Die schwierige Lage des Sozia- lismus der KPCh“) (Abk.: ZGSHZY), in: Ders.: Zhongguo minzhu zhi kunju yu fazhan (Die schwierige Lage und die Entwicklung der Demokratie in China), Taipei 19912, S.158-186. Kolonko, Petra: „In der Falle des Allmachtsanspruchs“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Nov. 2002, S.1. Kracke, Jr., E. A.: „Sung Society. Change Within Tradition“, in: Far Eastern Quarterly, Vol. XIV, No. 4, Aug. 1955, S.479-488. Kramm, Lothar: „Stabilität als Topos der politischen Philosophie“ (Abk.: Stabilität als To- pos), in: Schwan,Gesine (Hrsg.): Bedingungen und Probleme politischer Stabilität, Baden-Baden 1988, S.25-33.

230 „Kritik an Bai Huas Drehbuch ‚Unerwiderte Liebe‘ wieder aufgeflammt“, in: China aktuell, Sept. 1981, Ü9, S.564-565. Krockow, Christian Graf von / Lepsius, M. Rainer / Maier, Hans: „Politik als Kampf – Politik als Beruf“, in: Gneuss, Christian / Kocka, Jürgen (Hrsg.): Max Weber. Ein Symposion, München 1988, S.25-46. Kuo, Ting-yee / Liu, Kwang-Ching: „Self-Strengthening: The Pursuit of western Technolo- gy“, in: The Cambridge History of China, Vol. 10, Late Ch’ing, 1800-1911, Part I, hrsg. von Fairbank, John K., London 1978, S.491-542. Kupfer, Kristin: „Das Reich der Mitte auf dem langen Marsch in die Zukunft“, in: Das Par- lament, Nr. 12, 17. März 2003, S.11. Kux, Ernst: „Politische Stabilität in kommunistisch regierten Staaten“ (Abk.: Politische Sta- bilität), in: Schwan, Gesine (Hrsg.): Bedingungen und Probleme politischer Stabilität, Baden-Baden 1988, S.49-67. Lachenmann, Gudrun: „Zivilgesellschaft und Entwicklung“, in: Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung. Die Perspektive der Entwicklungssoziologie, Opladen 1997, S.187-211. Lackner, Michael: „Konfuzius bei der Staatssicherheit? Die kulturelle Tradition Chinas wird von der Partei in Dienst genommen“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Jan. 1990, S.N3. Lauth, Hans-Joachim / Merkel, Wolfgang: „Zivilgesellschaft und Transformation“, in: Ders. (Hrsg.): Zivilgesellschaft im Transformationsprozeß. Länderstudien zu Mittelost- und Südeuropa, Asien, Afrika, Lateinamerika und Nahost, Mainz 1997, S.15-49. Lepsius, M. Rainer: „Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der ‚Moderne‘ und die ‚Modernisierung‘“, in: Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Studien zum Beginn der modernen Welt, Stuttgart 1977, S.10-29. Lepsius, M. Rainer: „Kritik als Beruf. Zur Soziologie der Intellektuellen“ (Abk.: Kritik als Beruf), in: Ders: Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, S.270-285. Levine, Marilyn A.: „Zeng Qi and the Fronzen Revolution“, in: Jeans, Roger B. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century China, Boulder 1992, S.225-240. Levine, Steven I.: „China’s Fuzzy Transition: Leninism to Post-Leninism“ (Abk.: China’s Fuzzy Transition), in: The China Quarterly, No. 136, Dec. 1993, S.972-983. Li Ciang (): „Aisensidate dui xiandaihua lilun ji zhongguo wenhua de zai jiantao“ („Überlegungen über die Modernisierungstheorie von Samuel N. Eisenstadt”), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), Okt. 1990, S.60-66.

231 Li Oufan: „Cong xueyun kan zhongguo minzhu zhi lu“ („Die Beobachtung des chinesischen demokratischen Wegs durch die Studentenbewegung von 1989“) (Abk.: CXYKZG), in: Hequ hechong (Wohin geht China?), hrsg. v.: Globaler Verlag, Teaneck 1990,S.77-86. Li Xun: „Fan youpai douzheng de lishi dingwei“ („Historische Perspektive der Anti-Rechts- Kompagne“) (Abk.: FYPDZ), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), June 1993, S.23- 32. Li Zehou: „Chinas Aufklärung – Weg und Ziel. Entwurf für eine Rede zur Siebzigjahrfeier des 4. Mai“ (Abk.: Chinas Aufklärung), in: Pohl, Karl-Heinz / Wacker, Gudrun / Liu, Huiru (Hrsg.): Chinesische Intellektuelle im 20. Jahrhundert: Zwischen Tradition und Moderne, Hamburg 1993, S.29-55. Li Zijing: „Ruanjin zhaozhiyang de gaoceng yijian“ („Einwände von Vertretern der Ober- schicht gegen den Hausarrest Zhao Ziyangs“), in: Cheng Ming (Zhengming), April 1998, S.36-37. Liang Yide: „Deng xiaoping de quanwei shoudao tiaozhan“ („Deng Xiaopings Autorität kon- frontiert mit der Herausforderung“), in: Cheng Ming (Zhengming), Jan. 1990, S.15-17. Lin Yü-Sheng (Lin Yusheng): „Guanyu zhongguo yishi de weiji da sunlongji“ („Über die Kri- se des chinesischen Bewußtseins: eine Antwort auf Sun Longji“), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), Feb. 1991, S.136-150. Linden, Carl A.: „Gorbachev’s Struggle and Perestroika’s Mutations“ (Abk.: Gorbachev’s Struggle), in: Kim, Young C. / Sigur, Gaston J. (Hrsg.): Asia and the Decline of Com- munism, New Brunswick 1992, S.13-36. Link, Perry: „Intellectuals and Cultural Policy After Mao“, in: Barnett, A. Doak / Clough, Ralph N. (Hrsg.): Modernizing China. Post-Mao Reform and Development, Boulder 1986, S.81-102. Linz, Juan: „Totalitarian and Authoritarian Regimes“, in: Greenstein, Fred I. / Polsby, Nelson W. (Hrsg.): Handbook Political Science, Bd. 3, Reading, 1975, S.175-411. Liu Xiaobo: „Zhongguo dangdai zhishifenzi yu zhengzhi“ („Gegenwärtige chinesische Intel- lektuelle und die Politik“), in: Cheng Ming (Zhengming), Feb. 1990, S.71-73. Lo, Leslie N. K.: „Chinese Education in the 1980s: A Survey of Achievements and Pro- blems“, in: Cheng, Joseph Y. S. (Hrsg.): China: Modernization in the 1980s, New York 1990, S.553-591. Löhr, Brigite: „Perestrojka: Fehlschlag und Erfolg. Was als Reform begann, hat das System gesprengt“, in: Die Sowjetunion im Umbruch. Eine Zwischenbilanz 1991, hrsg. v. d. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1991, S.12-16.

232 Louven, Erhard: „Chinas Dreijahresprogramm zur ‚Konsolidierung’ der Wirtschaft“, in: Chi- na aktuell, Jan. 1990, S.34-36. Lowenthal, Richard: „Development vs. Utopia in Communist Policy“, in: Johnson, Chalmers (Hrsg.): Change in Communist Systems, Stanford 1970, S.33-116. Lowenthal, Richard: „The Post-Revolutionary Phase in China and Russia“ (Abk.: The Post- Revolutionary Phase), in: Studies in Comparative Communism, Vol. XVI, No. 3, Au- tumn 1983, S.191-201. Luhmann, Niklas: „Theorie der politischen Opposition“, in: Zeitschrift für Politik, 36. Jahr- gang 1/1989, S.13-26. Luo Bing: „Zhongnanhai da zhenhan“ („Zhongnanhai schockiert“), in: Cheng Ming (Zheng- ming), Jan. 1990, S.6-8. Luo Guangwu: „Guanyu duodang hezuo he zhengzhi xieshang de jige renshi wenti“ („Einige Erkenntnisfragen über die Mehrparteienkooperation und die politische Konsultation“) (Abk.: GYDDHZ), in: Zhongguo Zhengzhi, Nr. 8, 1996, S.47-53. Maass, Harald: „Jiang Zemin fordert Öffnung der chinesischen KP“, in: Frankfurter Rund- schau, 9. Nov. 2002, S.1. Machetzki, Rüdiger: „Ostasien: Unverändert auf Erfolgskurs?“, in: Draguhn, Werner (Hrsg.): Das Asiatisch-Pazifische Jahrhundert. Mythos – Bedrohung – Chance? Hamburg 1998, S.17-27. Mäding, Klaus: „Das Scheitern der politischen Erzieher“, in: Menzel, Ulrich (Hrsg.): Nach- denken über China, Frankfurt/M. 1990, S.141-155. Martin, Helmut: „Die Debatte über Neoautoritarismus – Wegzeichen einer neuen Entwick- lugsdiktatur?“, in: Ders: Chinas Intellektuelle und die Demokratie, Chinabilder VI, Bochum 1996, S.123-132. Martin, Helmut: „Die Menschen in China haben gelernt, daß sie sich wehren können: Zu den Ereignissen 1989“, in: Ders.: Chinas Intellektuelle und die Demokratie, Chinabilder VI, Bochum 1996, S.15-18. Menzel, Ulrich: „Das Dilemma der Modernisierung“ (Abk.: Das Dilemma), in: Ders. (Hrsg.): Nachdenken über China, Frankfurt/M. 1990, S.61-79. Meyer, Gerd: „Sozialistische Demokratie“, in: Ziemer, Klaus (Hrsg.): Sozialistische Systeme. Politik – Wirtschaft – Gesellschaft, Pipers Wörterbuch zur Politik 4, hrsg. von Nohlen, Dieter, München 1986, S.409-419. Mi Hedu: „Gonggu he fazhan aiguo tongyi zhangxian, chongfen fahui renmin zhengxie de zuoyong“ („Die Festigung und die Entwicklung der patriotischen Einheitsfront, die

233 Entfaltung der Wirkung der PKCV“) (Abk.: FZTYZX), in: Luo Hanxian (Hrsg.): Zhongguo gongchandang lingdao de duodang hezuo (Die Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh), Peking 1991, Kap. 5, S.72-89. „Minzhu dangpai zai fahui zuoyong“ („Das Wirken der Demokratischen Parteien“) (Abk.: MDZFZ), in: Wen Wei Pao (Wenhui Bao, Hongkong), 16. März 1992, S.3. Moody, Jr., Peter R.: „Trends in the Study of Chinese Political Culture“ (Abk.: Chinese Political Culture), in: The China Quarterly, No. 139, Sept. 1994, S.731-740. Moritz, Ralf: „Denkstrukturen, Sachzwänge, Handlungsspielräume. Die chinesische Intelligenz im Konflikt der Ordnungsmuster“, in: Pohl, Karl-Heinz / Wacker, Gudrun / Liu, Huiru (Hrsg.): Chinesische Intellektuelle im 20. Jahrhundert: Zwischen Tradition und Moderne, Hamburg 1993, S.59-108. Mu Yang: „Cong jiusan xueshe kan minzhu dangpai“ („[Am Beispiel] der Partei der ‚Studien- gesellschaft des Dritten September’ [kann] man die Demokratischen Parteien beurtei- len”),, in: Wen Wei Pao (Wenhui Bao, Hongkong), 10. Jan. 1989, S.5. Müller-Hofstede, Christoph: „Die VR China zwischen Modernisierungszwang und System- wandel“ (Abk.: Modernisierungszwang und Systemwandel), in: Ostkolleg der Bundes- zentrale für politische Bildung (Hrsg.): Wissenschaft und politische Bildung. Aspekte der Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen System der osteuropäischen Staaten, der DDR und Chinas, Bonn 1991, S.191-209. Nathan, Andrew J.: „Political Rights in Chinese Constitutions“, in: Edwards, R. Randle / Henkin, Louis / Nathan, Andrew J.: Human Rights in Contemporary China, New York 1986, S.77-124. Nathan, Andrew J.: „Historical Perspectives on Chinese Democracy: The Overseas Democra- cy Movement Today“ (Abk.: Historical Perspectives) , in: Jeans, Roger B. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century China, Boulder 1992, S.313-327. Nathan, Andrew J.: „Totalitarianism, Authoritarianism, Democracy: The Case of China“ (Abk.: TAD), in: Cohen, Myron L. (Hrsg.): Asia: Case Studies in the Social Sciences. A Guide for Teaching, Armonk 1992, S.235-256. Nathan, Andrew J.: „The Documents and Their Significance“, in: Nathan, Andrew J. / Link, Perry (Hrsg.): The Tiananmen Papers, London 2001, S.xv-xlv. „Neunjährige Schulpflicht und Alphabetisierung“, in: China aktuell, Feb. 2000, Ü21, S.119- 120.

234 Nieh, Yu-Hsi: „Der Streit um Mao. I. Ideologischer Aspekt“, in: China aktuell, Jan. 1981, S.49-56. „Nonggong dang yantao duodang hezuo“ („Die Demokratische Partei der Bauern und Arbei- ter Chinas diskutiert die Mehrparteienkooperation“) (Abk.: NGD), in: Ta Kung Pao (Dagong Bao, Hongkong), 22. Feb. 1989, S.2. „Number of Postgraduates and Students Studying Abroad“, in: National Bureau of Statistics (Hrsg.): China Statistical Yearbook 2000, Peking 2000, S.652. Oi, Jean C.: „Mobilization and Participation: The Case of China“ (Abk.: Mobilization and Participation), in: Cohen, Myron L. (Hrsg.): Asia: Case Studies in the Social Sciences. A Guide for Teaching, Armonk 1992, S.257-266. Ommerborn, Wolfgang: „Der weise Herrscher und die Regeln gesellschaftlicher Ordnung. Instrumente der Herrschaft in den Theorien der Neo-Konfuzianer und Platons“, in: Asiatische Studien, LII:3 1998, S.871-914. Pei Minxin: „Hengtingdun tan quanweizhiyi“ („Huntington spricht über Autoritarismus“) (Abk.: HTD), in: Qi Mo (Hrsg.): Xin quanweizhuyi (Neoautoritarismus), Taipei 1991, S.50-56. Peng Peiyun: „Quanguo renda changweihui zhixingfa jianchazu guanyu jiancha yiwujiaoyufa shishi qingkuang de baogao“ („Bericht des Teams der Gesetzausführungskontrolle unter dem Ständigen Ausschuß des Nationalen NVK über die Kontrolle zur Ausfüh-rung der Schulpflicht“), in: Zhongguo jiaoyu nianjian 2000 (Jahrbuch für Ausbildung in China 2000), Peking 2000, S.17-23. Perry, Elizabeth J.: „Casting a chinese ‚Demokracy‘ Movement: The Roles of Students, Workers, and Entrepreneurs“, in: Wasserstrom, Jeffrey N. / Perry, Elizabeth J. (Hrsg.): Popular Protest and political Culture in modern China. Lerning from 1989, Boulder 1992, S.146-164. Pohl, Karl-Heinz: „Demokratieverständnis der Chinesen und die Lehren des Konfuzius“, in: Das Parlament, Nr. 35-36, 27. Aug./3. Sept. 1999, S.6. Pradetto, August: „Sicherheitspolitische Konsequenzen des Endes der Sowjetunion im mittel- europäischen Raum“, in: Glaeßner, Gert-Joachim / Reiman, Michal (Hrsg.): System- wechsel und Demokratisierung. Rußland und Mittel-Osteuropa nach dem Zerfall der Sowjetunion, Opladen 1997, S.153-195. Pye, Lucian W.: „Introduction: Political Culture and political Development“, in: Pye, Lucian W. / Verba, Sidney (Hrsg.): Political Culture and Political Development, Princeton 1965, S.3-26.

235 Pye, Lucian W.: „Political Culture“, in: Sills, David L. (Hrsg.): International Encyclopedia of the Social Sciences, Chicago 1968, S. 218-225. Pye, Lucian W.: „Political Science and the Crisis of Authoritarianism“ (Abk.: Political Scien- ce), in: American political Science Review, Vol. 84, No. 1, March 1990, S.3-19. Pye, Lucian W.: „China. Erratic State, Frustrated Society” (Abk.: China. Erratic State), in: Foreign Affairs, Vol. 69, No. 4, Fall 1990, S.56-74. Pye, Lucian W.: „An Introductory Profile. Deng Xiaoping and China’s Political Culture“ (Abk.: An Introductory Profile), in: The China Quarterly, No. 135, Sept. 1993, S.412-443. Pye, Lucian W.: „Chinese democracy and constitutional development“, in: Itoh, Fumio (Hrsg.): China in the Twenty-First Century: Politics, Economy, and Society, Tokyo 1997, S.205-218. Pye, Lucian W.: „An Overview of 50 Years of the People’s Republic of China: Some Pro- gress, but Big Problems Remain“ (Abk.: An Overview), in: The China Quarterly, No. 159, Sept. 1999, S.569-579. Röttgers, K. / Goerdt, W. / Rodriguez-Lores, J. / Mackenthun, W. / Wewetzer, K.H.: „Intelli- genz, Intelligentsia, Intellektueller“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter / Karlfried Gründer, Bd. 4, Basel 1976, S.445-461. Rohe, Karl: „Politische Kultur und ihre Analyse. Probleme und Perspektiven der politischen Kulturforschung“ (Abk.: Politische Kultur und ihre Analyse), in: Historische Zeit- schrift, Bd. 250, 1990, S.321-346. Rose, Caroline: „‚Patriotism is not taboo‘: nationalism in China and Japan and implications for Sino-Japanese relations“, in: Japan Forum, 12 (2) 2000, S.169-181. Roy, Denny: „Singapore, China, and the ‚soft Authoritarian‘ Challenge“, in: Asian Survey, Vol. XXXIV, No. 3, March 1994, S.231-242. Rustow, Dankwart A.: „Democracy: A Global Revolution?“, in: Foreign Affairs, Vol. 69, No. 4, Fall 1990, S. 75-91. Saich, Tony: „Modernization and Participation in the People’s Republic of China“, in: Cheng, Joseph Y. S. (Hrsg.): China: Modernization in the 1980s, New York 1990, S.35-62. Sandschneider, Eberhard: „Die Macht der Gewehrläufe“, in: Menzel, Ulrich (Hrsg.): Nach- denken über China, Frankfurt/M. 1990, S.80-91. Sandschneider, Eberhard: „Chinas Zukunft. Projektion und Wirklichkeit“, in: Internationale Politik, Nr. 2, 2003, S.10-16.

236 Sartori, Giovanni: „Totalitarismus, Modellmanie und Lernen aus Irrtümern“, in: Jesse, Eckhard (Hrsg.): Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanz der internationalen Forschung, Bonn 19992, S.572-589. Scherrer, Jutta: „Von der Krise im Selbstverständnis der russischen Intelligenzija“, in: Glaeßner, Gert-Joachim / Reiman, Michal (Hrsg.): Systemwechsel und Demokratisie- rung. Rußland und Mittel-Osteuropa nach dem Zerfall der Sowjetunion, Opladen 1997, S.111-132. Schieder, Wolfgang: „Sozialismus“, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5, hrsg. von Brunner, Otto / Conze, Werner / Koselleck, Reinhart, 1984 Stuttgart, S.923-996. Schier, Peter: „Intraelitäre Gruppen und Konflikte in der Volksrepublik China“ (Abk.: Intrae- litäre Gruppen), in: China aktuell, Mai 1991, S.283-296. Schier, Peter: „Markwirtschaft und Ein-Partei-Herrschaft. XIV. Parteitag bestätigt Deng Xiao- pings konservatives Reformkonzept“, in: China aktuell, Okt. 1992, S.708-713. Schirach, Richard von: „Mao: Den Klassenkampf über Stabilität, Einheit und Aufbau stellen“, in: China aktuell, Feb. 1976, S.32-35. Schram, Stuart R.: „Party Leader or True Ruler? Foundations and Significance of Mao Ze- dong’s Personal Power”, in: Ders. (Hrsg.): Foundations and Limits of State Power in China, Hongkong 1987, S.203-256. Schubert, Gunter: „Nationalismus in China – Der liberale Gegentext zum anti-westlichen Eta- tismus –“, in: Discourses on Political Reform and Democratization in East and South- east Asia in the light of New Processes of Regional Community, Gerhard Mercator Universität Duisburg, Project Discussion Paper, No. 18, 2001, S.1-25. Schüller, Margot: „Chinas Wirtschaftsentwicklung 1999/2000: Abflachendes Wirtschafts- wachstum trotz staatlicher Gegensteuerung“, in: China aktuell, April 2000, S.389-399. Schwartz, Benjamin I.: „Foreword“, in: Lin Yü-Sheng: The Crisis of Chinese Consciousness. Radical Antitraditionalism in the May Fourth Era, Madison 1979, S.ix-xii. Schwartz, Benjamin I.: „The Primacy of the Political Order in East Asian Societies: Some Preliminary Generalizations“ (Abk.: The Primacy of the Political Order), in: Schram, Stuart R. (Hrsg.): Foundations and Limits of State Power in China, Hongkong 1987, S.1-10. Seymour, James D.: „A Half Century Later“ (Abk: AHCL), in: Jeans, Roger B. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century Chinas, Boulder 1992, S.289-312.

237 Shambaugh, David: „Facing Reality in China Policy“, in: Foreign Affairs, Vol. 80, No. 1, Jan./Feb. 2001, S.50-64. Shu Si: „Quanguo zhengxie jiebie hunluan“ („Die Kreise der Nationalen PKCV befinden sich im Chaos“) (Abk.: QGZXJB), in: Cheng Ming (Zhengming), März 1998, S.32-34. Shyu, Lawrence N.: „China’s Minority Parties in the People’s Political Council, 1937-1945“, in: Jeans, Roger B. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century China, Boulder 1992, S.151-169. Siegel, Achim: „Die Konjunkturen des Totalitarismuskonzepts in der Kommunismusfor- schung. Eine wissenschaftssoziologische Skizze“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 20 1998, S.19-31. Sigur, Gaston J.: „Revolutionary Changes in the Soviet Union and Eastern Europe and the Implications for Asia: An Overview“, in: Kim, Young C. / Sigur, Gaston J. (Hrsg.): Asia and the Decline of Communism, New Brunswick 1992, S.3-11. Song Fuzeng: „Zhongguo gongchangdang lingdao de duodang hezuo zhidu yu xifang duo- dangzhi de benzhi qubie“ („Der wesentliche Unterschied zwischen dem System der Mehrparteienkooperation unter der Führung der KPCh und dem westlichen Mehrpar- teiensystem“) (Abk.: ZGYXFQB), in: Zhongguo Zhengzhi, Nr. 10 1995, S.36-41. Spar, Fredric J.: „Human Rights and Political Engagement: Luo Longji in the 1930s“, in: Jeans, Roger B. (Hrsg.): Roads Not Taken. The Struggle of Opposition Parties in Twentieth-Century China, Boulder 1992, S.61-81. „Stabilität und Einheit“, in: China aktuell, Jan. 1979, Ü20, S.860. Staiger, Brunhild: „Der Historiker als Intellektueller. Ein Beitrag zur Funktion der Historiker im Reformprozess Chinas“, in: Pohl, Karl-Heinz / Wacker, Gudrun / Liu, Huiru (Hrsg.): Chinesische Intellektuelle im 20. Jahrhundert: Zwischen Tradition und Moderne, Hamburg 1993, S.353-383. Stanzel, Volker: „Der Umbruch des Sozialismus in China“, in: Aussenpolitik, IV/1994, S.364- 373. Steenblock, V.: „Tradition“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter / Karlfried Gründer, Bd. 10, Basel 1998, S.1315-1329. Sullivan, Lawrence R.: „The Chinese Communist Party and the Beijing Massacre. The Crisis in Authority“ (Abk.: Chinese Communist Party), in: Goodman, David S. G. / Segal, Gerald (Hrsg.): China in the Nineties. Crisis Management and Beyond, Oxford 1991, S.87-104.

238 Sun Fuhai: „Shehuizhuyi jiandu tizhi yanjiu“ („Die Untersuchung des Systems der sozialisti- schen Kontrolle“) (Abk.: SHZYJD), in: Xinhua Wenzhai, Nr. 5, 1996, S.14-19. Sun Jinhua: „Minqi baozhong“ („Privatunternehmen, paßt auf!“), in: Xinhua Yuebao, Nr. 5, 2000, S.56-57. Sun Xiaocun: „Ban hao minzhu dangpai he wudangpai renshi de lianhe dangxiao“ („Die Vereinigte Parteischule der Demokratischen Parteien und der Parteilosen [muß] gut verwaltet werden“), in: Renmin Ribao, 19. März 1990, S.5. Sutter, Robert G.: „Changes in Eastern Europe and the Soviet Union and the Effects on China: A U.S. Perspective“, in: Kim, Young C. / Sigur, Gaston J. (Hrsg.): Asia and the De- cline of Communism, New Brunswick 1992, S.253-268. „Gongchandang lingdao de duodang hezuo zhidu shi zhichi woguo zhengquan zhidu de zhengdang zhidu“ („Das System der Mehrparteienkooperation unter Führung der KPCh ist ein die Staatsmacht unseres Landes unterstützendes Parteiensystem“), in: Guangming Ribao, 15. Feb. 1993, S.1. Tang Guanghua: „Ziyouzhuyizhe de beiguan“ („Der Pessimismus der Liberalisten“) (Abk.: ZYZY), in: Hequ hechong (Wohin geht China?), hrsg. v.: Globaler Verlag, Teaneck 1990, S.63-70. Thompson, Mark R.: „To Shoot or Not to Shoot. Posttotalitarianism in China and Eastern Europe“, in: Comparative Politics, Vol. 34, No. 1, Oct. 2001, S.63-83. Tong, James: „The 1989 Democracy Movement in China. A Spatial Analysis of City Partici- pation“, in. Asian Survey, Vol. XXXIII, No. 3, March 1998, S.310-327. Tsai Wen-hui: „New Authoritarianism, Neo-Conservatism, and Anti-Peaceful Evolution: Mainland China’s Resistance to Political Modernization“, in: Lin Bih-Jaw (Hrsg.): Contemporary China and the Changing International Community, Taipei 1993, S.245- 261. Tsou, Tang: „Marxism, the Leninist Party, the Masses, and the Citizens in the Rebuilding of the Chinese State“, in: Schram, Stuart R. (Hrsg.): Foundations and Limits of State Power in China, Hongkong 1987, S.257-289. „Tuanjie hezuo gongxian zhuoyue“ („Vereinigte Zusammenarbeit, ausgezeichneter Beitrag“) (Abk.: THGZ), in: Guangming Ribao, 19. Nov. 1996, S.7. Tucker, Robert C.: „The Deradicalization of Marxist Movements“, in: The American Politi- cal Science Review, Vol. LXI, No. 2, June 1967, S.343-358. Unger, Jonathan: „Introduction“, in: Ders. (Hrsg.): The Pro-Democracy Protests in China. Reports from the Provinces, Armonk 1991, S.1-7.

239 „Volkszeitung veröffentlicht Kritik an dem Drehbuch ‚Bittere Liebe‘“, in: China aktuell, Okt. 1981, Ü18, S.649-650. Wacker, Gudrun: „Das letzte Einhorn? Die chinesische Rezeption des Wandels in Osteuropa und der Sowjetunion“ (Abk.: Das letzte Einhorn), in: Bundesinstitut für ostwissen- schaftliche und internationale Studien (Hrsg.): Aufbruch im Osten Europas. Chancen für Demokratie und Marktwirtschaft nach dem Zerfall des Kommunismus, München 1993, S.305-313. Waldron, Arthur: „Representing China: The Great Wall and Cultural Nationalism in the Twentieth Century“, in: Befu, Harumi (Hrsg.): Cultural Nationalism in East Asia. Representation and Identity, Berkeley 1993, S.36-60. Wang Lijuan: „Cong shengli dataowang dao zhongguo jihui lun“ („Von der siegreichen Flucht bis zu den Chancen in China“) (Abk.: CSDD), in: Lianhe Bao (United Daily News), , 30. Jan. 2001, S.13. Wang Renzhong: „Zai quanguo zhengxie changwei zuotanhui shang de jianghua“ („Rede während der Diskussion mit Mitgliedern des Ständigen Ausschlusses der Nationalen PKCV“) v. 12. Feb. 1990, in: Renmin Ribao, 13. Feb. 1990, S.3. Wang Xiaoming / Huang Weiping: „Lun xin shiji zhongguo gongchandang de zhizheng ji- chu“ („Über die regierende Basis der KPCh im neuen Jahrhundert“), in: Xinhua Wen- zhai, Nr. 1, 2002, S.5-8. Weggel, Oskar: „Ideologie im nachmaoistischen China – Versuch einer Systematisierung –“, in: China aktuell, Jan. 1983, S.19-40. Weggel, Oskar: „Gesetzgebung und Rechtspraxis im nachmaoistischen China. Teil III: Das Öffentliche Recht – Verfassungsrecht (ohne Organisationsrecht)“, in: China aktuell, Dez. 1986, S.781-792. Weggel, Oskar: „Gesetzgebung und Rechtspraxis im nachmaoistischen China. Teil XV: Das Öffentliche Recht – Bilanz am Ende einer langen Serie“ (Abk.: Das Öffentliche Recht), China aktuell, Jan. 1990, S.37-70. Weggel, Oskar: „Wo steht China heute? Die Rückkehr der Tradition und die Zukunft des Reformwerks: Werkzeuge der Macht. Teil VIII, Nr. 3: Erziehung und Lernen“, in: China aktuell, Mai 1993, S.459-491. Weggel, Oskar: „Methodik der China-Forschung, Teil 2, Zur Einstimmung: „Substanz“- Fragen und Makroanalytik (Forts.)“, in: China aktuell, Aug. 1999, S.803-811.

240 Weggel, Oskar: „Methodik der China-Forschung – Teil 5 (I) – Begriffe und Reizthemen – Ein methodenbezogener Streifzug durch die Klippen des politischen Vokabulars –“ (Abk.: Methodik der China-Forschung – Teil 5 (I)), in: China aktuell, Juli 2000, S.801-816. Wei Zhengtong: „Taiwan yishi yu minzuzhuyi“ („Das taiwanesische Bewußtsein und der Na- tionalismus“), in: Liu Qingfeng (Hrsg.): Minzuzhuyi yu zhongguo xiandaihua (Natio- nalismus und Modernisierung in China), Hongkong 1994, S.289-308. „Weniger Auslandsstudenten mit staatlichen Stipendien“ in: China aktuell, Sept. 1998, Ü6, S.899. White, Tyrene: „Postrevolutionary Mobilization in China. The One-Child policy Reconsi- dered“ (Abk.: Postrevolutionary Mobilization), in: World Politics, Vol. 43, No.1, Oct. 1990, S.53-76. „Wie Beijing mit dem Osteuropa-Schock fertig zu werden versucht“ (Abk.: WB), in: China aktuell, Jan. 1990, Ü1, S.5-7. Winckler, Edwin A.: „Describing Leninist Transitions“, in: Ders.: (Hrsg.): Transition from Communism in China. Institutional and Comparative Analyses, London 1999, S.3-48. „Woguo ge minzhu dangpai gongzuo kongqian huoyue“ („Die Arbeit der Demokratischen Parteien ist beispiellos aktiv“), in: Renmin Ribao, 24. Sept. 1986, S.1. Wu Naitao: „Intellektuelle über den Kampf gegen die bürgerliche Liberalisierung“, in: Beijing Rundschau, Nr. 15, 14. Apr. 1987, S.21-23. „Wuhan tanhua piping zhangbojun luolongji“ („Vorwürfe von Wu Han an Zhang Bojun und Luo Longji“), in: Renmin Ribao, 11. Juni 1957, S.2. Xiao Gongqin: „Dalu xin baoshouzhuyi de jueqi“ („Der Aufstieg des Neokonservatismus auf dem Festland“) (Abk.: BSZYDJQ), in: Ders.: Lishi jujue langman. Xin baoshouzhuyi yu zhongguo xiandaihua (Geschichte verweigert Romantik. Neokonservatismus und Modernisierung in China), Taipei 1998, S.33-48. Xiao Gongqin: „Zhongguo xin baoshouzhuyi de sixiang yuanyuan“ („Der Gedankenursprung des Neokonservatismus Chinas“), in: Ders.: Lishi jujue langman. Xin baoshouzhuyi yu zhongguo xiandaihua (Geschichte verweigert Romantik. Neokonservatismus und Mo- dernisierung in China), Taipei 1998, S.110-128. Xiao Gongqin: „Zixu“ („Vorwort“) (Abk.: ZX), in: Ders.: Lishi jujue langman. Xin baoshou- zhuyi yu zhongguo xiandaihua (Geschichte verweigert Romantik. Neokonservatismus und Modernisierung in China), Taipei 1998, S.4-15. Xiao Gongqin: „Yanfu beilun yu jindai xin baoshouzhuyi biange guan“ („Yan Fu und die An- sicht der Reformen im Neokonservatismus in der neuen Zeit“), in: Ders.: Lishi jujue

241 langman. Xin baoshouzhuyi yu Zhongguo xiandaihau (Geschichte verweigert Roman-tik. Neokonservatismus und Modernisierung in China), Taipei 1998, S.85-109. Xiao Gongqin / Zhu Wei: „Tongku de liang nan xuanze. Guayu xin quanweizhuyi lun de dawen lu“ („Die Qual der Wahl. Antworten zu Fragen über die Theorie des ‚Neoau- toritarismus‘“), in: Qi Mo (Hrsg.): Xin quanweizhuyi (Neoautoritarismus), Taipei 1991, S.13-19. Xing Fa: „Cong jingji bianhua tachu minzhu zhi lu“ („Die Wirtschaftsveränderung führt zum Weg der Demokratie“), in: Cheng Ming (Zhengming), April 1998, S.55-58. Xu Jilin: „Zhongguo ziyouzhuyi zhishifenzi de canzheng 1945-1949“ („Die politische Partizi- pation der chinesischen liberalen Intellektuellen von 1945-1949“), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), Aug. 1991, S.37-46. Xu Shangli: „Dalu minzhu dangpai de youlai yu diwei“ („Der Ursprung und die Stellung der Demokratischen Parteien auf dem Festland China“), in: Zhongguo Shibao (China Times), 4. Febr. 1996, S.9. Yahuda, Michael: „Deng Xiaoping: The Statesman“ (Abk.: The Statesman), in: The China Quarterly, No. 135, Sept. 1993, S.551-572. Yang Jingren: „Xin shiqi de tongyi zhanxian“ („Neue Periode der Einheitsfront“) (Abk.: XSDTZ), in: Xinhua Yuebao, Nr. 4 1983, S.16-20. Yang Kaihuang: „Aiguozhuyi yundong zhonggong de xin fabao“ („Die patriotische Bewe- gung: das neue Zaubermittel der KPCh“) (Abk.: AZYZXF), in: Lianhe Bao (United Daily News), 3. Okt. 1999, S.15. Yang Nianqun: „Wuxu zhishifenzi gaige zhongguo de moshi“ („Verschiedene Wege zur Re- formierung Chinas: die Entscheidungen der Intellektuellen in der späten Qing-Zeit“) (Abk.: WXZSFZ), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), Aug. 1991, S.26-36. Yu Haocheng: „Zhonggong dangguo wushi nian“ („Fünfzig Jahre Parteienherrschaft der KPCh“), in: Cheng Ming (Zhengming), Okt. 1999, S.36-39. Yü, Ying-shih (Yu Yingshi): „Zhongguo zhishifenzi de gudai chuantong“ („Tradition der chi- nesischen Intellektuellen“), in: Ders.: Shixue yu chuantong (Geschichtswissenschaft und Tradition), Taipei 1982, S.71-92. Yü, Ying-shih: „Daotong yu zhengtong zhijian. Zhongguo zhishifenzi de yuanshi xingtai“ („Zwischen politischer und kultureller Ordnung – Der ursprüngliche Typ der chinesi-schen Intellektuellen“) (Abk.: DTYZT), in: Ders: Shixue yu chuantong (Geschichtswis-senschaft und Tradition), Taipei 1982, S.30-70.

242 Yü, Ying-shih: „Zhongguo zhishifenzi de bianyuanhua“ („Die Marginalisierung der chinesi- schen Intellektuellen“) (Abk.: ZFBYH), in: Ershiyi Shiji (Twenty-First Century), Aug. 1991, S.15-25. Yü, Ying-shih: „The Radicalization of China in the Twentieth Century“ (Abk.: Radicalization of China), in: Tu Wei-ming (Hrsg.): China in Transformation, Cambridge 1994, S.125- 150. Zapf, Wolfgang: „Sozialer Wandel“, in: Ders.: Modernisierung, Wohlfahrtsentwicklung und Transformation. Soziologische Aufsätze 1987 bis 1994, Berlin 1994, S.11-22. Zhang Jianchao: „Minzhu dangpai yiding yao jiang zhengzhi“ („Die Demokratischen Parteien müssen über die Politik sprechen“), in: Renmin Zhengxie Bao, 9. Juli 1996, S.2. Zhao, Suisheng: „A State-Led Nationalism: The Patriotic Education Campaign in Post-Tian- anmen China“, in: Communist and Post-Communist Studies, Vol. 31, No. 3, 1998, S.287-302. Zhao, Suisheng: „Chinese Nationalism and Beijing’s Taiwan Policy: A China Threat?“, in: Issues & Studies, Vol. 36, No. 1, Jan./Feb. 2000, S.76-99. „Zhigongdang ju zhonggong butie“ („Die ‚Gemeinwohl‘-Partei Chinas verweigert die Subventionen der KPCh“), in: Lianhe Bao (United Daily News), 10. Dez. 1988, S.3. Zhong, Yang / Chen, Jie / Scheb, John: „Mass Political Culture in Beijing. Findings from Two Public Opinion Surveys“, in: Asian Survey, Vol. XXXVIII, No. 8, Aug. 1998, S.763-783. „Zhonggong 16 da zhenggai caoan“ („Der Entwurf der politischen Reformen für den XVI. Parteitag der KPCh“), in: Lianhe Bao (United Daily News), 23. Juli 2001, S.13. „Zhonggong xianzhi ba minzhu dangpai kuozhan“ („Die Beschränkung der Ausweitung der acht Demokratischen Parteien durch die KPCh“), in: Ming Pao (Mingbao, Tageszei- tung, Hongkong), 16. Sept. 1996, S.A12. „Zhongguo wending de zhongya biaozhi“ („Das wichtige Zeichen der Stabilität Chinas“), in: Renmin Ribao, 11. Jan. 1990, Leitartikel, S.1. „Zur Politik gegenüber den Intellektuellen“ (Abk: ZPGI), v. einem Sonderkommentator der Renmin Ribao, in: Beijing Rundschau, Nr. 5, 6. Feb. 1979, S.10-16. „Zwanzig Jahre Auslandsstudium“, in: China aktuell, Juni 1998, Ü14, S.599.

243

Erklärung

Ich erkläre, daß ich die vorgelegte Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Be- nutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus Quellen direkt oder indirekt übernommenen Daten und Konzepte sind unter Angabe der Quelle gekennzeichnet. Bei der Auswahl und Auswertung von Material haben mir die nachstehenden vollständig auf- geführten Personen in der jeweils beschriebenen Weise entgeltlich oder unentgeltlich gehol- fen: (...) Weitere Personen waren an der inhaltlichen und materiellen Erstellung der vorgeleg- ten Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich hierfür nicht die entgeltliche Hilfe von Ver- mittlungs- bzw. Beratungsdiensten, Promotionsbratern oder anderen Personen in Anspruch genommen. Niemand hat von mit unmittelbar oder mittelbar geldwerte Leistungen für Arbei- ten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der Dissertation stehen. Die Arbeit wurde bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prü- fungsbehörde vorgelegt. Ich versichere, daß ich diese Erklärung nach bestem Wissen und Ge- wissen abgebe und nichts verschwiegen habe. Die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Erklärung sind mir bekannt.

Bochum, den 10. Juni 2003

Chi-Hua Chen

244