Plenarprotokoll 771

BUNDESRAT Stenografischer Bericht 771. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 20. Dezember 2001

Inhalt:

Ansprache des Präsidenten zum Gedenken 4. Gesetz über die Feststellung des Bun- an die Opfer der nationalsozialistischen Ver- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr folgung von Sinti und Roma ...... 717 A 2002 (Haushaltsgesetz 2002) (Drucksache 996/01) ...... 747 A Zur Tagesordnung ...... 718 B Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Bayern) . 747 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Glückwünsche zu Geburtstagen . . . . 718 B, C Bundesminister der Finanzen . . 748 A Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 1. Gesetz zur Regelung der Rechtsverhält- Abs. 2 GG ...... 748 B nisse von Prostituierten (Prostitutionsge- setz – ProstG) (Drucksache 1052/01) . . 718 C 5. Gesetz zur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Karin Schubert (Sachsen-Anhalt), Finanzausgleichs und zur Abwicklung Berichterstatterin ...... 718 C des Fonds „Deutsche Einheit“ (Solidar- paktfortführungsgesetz – SFG) (Drucksa- Dr. Manfred Weiß (Bayern) . . . . 765*A che 999/01, zu Drucksache 999/01) . . . 746 D Beschluss: Kein Einspruch gemäß Art. 77 Prof. Dr. Kurt Biedenkopf (Sachsen) . 774*A Abs. 3 GG ...... 719 A Klaus Böger () ...... 775*B

2. Gesetz zur Änderung rehabilitierungs- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 104a rechtlicher Vorschriften (Drucksache Abs. 4, Art. 105 Abs. 3, Art. 106, Art. 107 1053/01) ...... 719 A und Art. 109 Abs. 3 GG – Annahme einer Entschließung ...... 747 A Dr. Andreas Birkmann (Thüringen), Berichterstatter ...... 719 A 6. a) Gesetz zur Änderung des Fleisch- hygienegesetzes, des Geflügelfleisch- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 hygienegesetzes und des Tierseuchen- Abs. 1 und Art. 104a Abs. 3 Satz 3 GG . 719 C gesetzes – gemäß Artikel 84 Abs. 1 GG – (Drucksache 997/01) 3. Gesetz zur Neuausrichtung der Bundes- b) Dritte Verordnung zur Änderung wehr (Bundeswehrneuausrichtungsge- fleisch- und geflügelfleischhygiene- setz – BwNeuAusrG) (Drucksache 1038/ rechtlicher Vorschriften – gemäß Arti- 01) ...... 719 C kel 80 Abs. 2 GG – (Drucksache 882/ Rudolf Lange (), Bericht- 01) ...... 752 C erstatter ...... 719 C Beschluss zu a): Anrufung des Vermitt- lungsausschusses ...... 752 D Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 765*C Mitteilung zu b): Die Behandlung der Beschluss: Kein Einspruch gemäß Art. 77 Vorlage wird bis zum Abschluss des Abs. 3 GG ...... 720 A Vermittlungsverfahrens zurückgestellt 753 A

Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 13 20, 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 ISSN 0720-7999 II Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

7. Gesetz zur Bestimmung der Schwan- 13. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über kungsreserve in der Rentenversicherung Arbeitnehmererfindungen (Drucksache der Arbeiter und der Angestellten 1002/01) ...... 756 A (Drucksache 998/01) ...... 753 A Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 753 A Abs. 2 GG ...... 777*C

Rudolf Köberle (Baden-Württemberg) 776*A 14. Gesetz zur Änderung des Anerken- Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin nungs- und Vollstreckungsausführungs- beim Bundesminister für Arbeit gesetzes (Drucksache 1003/01) . . . . 756 A und Sozialordnung ...... 754 B Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 1 GG ...... 777*A Abs. 2 GG ...... 755 C 15. Gesetz zur Bereinigung des als Bundes- 8. a) Erstes Gesetz zur Änderung des recht fortgeltenden Rechts der Deut- Postumwandlungsgesetzes (Drucksa- schen Demokratischen Republik (Druck- che 896/01) sache 1023/01) ...... 756 A Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 b) Zweites Gesetz zur Änderung des Abs. 2 GG ...... 777*C Postgesetzes (Drucksache 923/01) . . 755 C 16. Gesetz zu dem Markenrechtsvertrag vom Beschluss zu a): Zustimmung gemäß 27. Oktober 1994 (Drucksache 1024/01) . 756 A Art. 143b Abs. 2 GG ...... 755 C Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Beschluss zu b): Zustimmung gemäß Abs. 2 GG ...... 777*C Art. 87f Abs. 1 GG ...... 755 D 17. Gesetz zur Neuregelung des Rechts des 9. Versorgungsänderungsgesetz 2001 Naturschutzes und der Landschaftspflege (Drucksache 1022/01, zu Drucksache und zur Anpassung anderer Rechtsvor- 1022/01) ...... 755 D schriften (BNatSchGNeuregG) – gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG – (Drucksache 1004/ Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 74a 01) ...... 748 B Abs. 2 GG ...... 756 A Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 748 B Wilhelm Dietzel (Hessen) . . . . 749 A 10. Gesetz zur Änderung des Aufstiegs- fortbildungsförderungsgesetzes (AFBG- Steffen Flath (Sachsen) . . . . . 749 D ÄndG) (Drucksache 1000/01) . . . . 756 A Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 sicherheit ...... 750 B Abs. 1 GG ...... 777*A Rudolf Köberle (Baden-Württemberg) 775*B

11. ... Gesetz zur Änderung der Strafprozess- Beschluss: Anrufung des Vermittlungs- ordnung (Drucksache 907/01) . . . . 756 A ausschusses – Der Bundesrat hält das Karin Schubert (Sachsen-Anhalt) . . 779*C Gesetz nicht für zustimmungsbedürftig 752 C

Dr. Christean Wagner (Hessen) . . 780*C 18. Gesetz zur Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften auf Dr. Manfred Weiß (Bayern) . . . . 781*B dem Gebiet der Energieeinsparung bei Prof. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatsse- Geräten und Kraftfahrzeugen (Ener- kretär bei der Bundesministerin der gieverbrauchskennzeichnungsgesetz – Justiz ...... 782*B EnVKG) (Drucksache 1005/01) . . . . 756 A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 1 GG ...... 777*A Abs. 2 GG ...... 756 B

19. Gesetz über die Feststellung des Wirt- 12. Gesetz zur Änderung des Vermögens- schaftsplans des ERP-Sondervermögens zuordnungsgesetzes (Drucksache 1001/ für das Jahr 2002 (ERP-Wirtschaftsplan- 01) ...... 756 A gesetz 2002) (Drucksache 1007/01) . . 756 A

Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG ...... 777*C Abs. 2 GG ...... 777*C Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 III

20. Gesetz über die Aufhebung des Gesetzes 27. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des zur Förderung der Rationalisierung im Gesetzes zur Neuordnung der Gemeinde- Steinkohlenbergbau (Drucksache 1011/ finanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) 01) ...... 756 A – gemäß Artikel 76 Abs. 1 GG – Antrag des Freistaates Bayern – (Drucksache 988/ Beschluss: Kein Antrag gemäß Art. 77 01) ...... 756 B Abs. 2 GG ...... 777*C Heinrich Aller (Niedersachsen) . . 783*A 21. Gesetz zu dem Vertrag vom 19. Septem- Beschluss: Keine Einbringung des Ge- ber 2000 zwischen der Bundesrepublik setzentwurfs beim Deutschen Bundes- Deutschland und der Tschechischen Re- tag ...... 756 B publik über die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und der Grenzschutz- behörden in den Grenzgebieten (Druck- 28. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung sache 1008/01) ...... 756 A der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 – Antrag des Freistaates Bayern – (Druck- Abs. 1 GG ...... 777*A sache 775/01) ...... 756 B

Dr. Manfred Weiß (Bayern) . . . . 756 C 22. Gesetz zu dem Partnerschaftsabkommen vom 23. Juni 2000 zwischen den Mitglie- Beschluss: Einbringung des Gesetzent- dern der Gruppe der Staaten in Afrika, im wurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beim Karibischen Raum und im Pazifischen Deutschen in der festgeleg- Ozean einerseits und der Europäischen ten Fassung – Bestellung von Staats- Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten minister Dr. Manfred Weiß (Bayern) zum andererseits (AKP-EG-Partnerschaftsab- Beauftragten des Bundesrates gemäß kommen) (Drucksache 1009/01) . . . . 756 A § 33 GO BR ...... 757 A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105 Abs. 3 GG ...... 777*A 29. Entschließung des Bundesrates für ein dauerhaftes und generelles EU-weites Verfütterungsverbot für Tiermehl und 23. Gesetz zu dem Abkommen vom 11. März Tierfette – Antrag des Freistaates Bayern 1996 zwischen der Bundesrepublik gemäß § 23 Abs. 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 und Deutschland und der Demokratischen § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 1034/ Volksrepublik Algerien über die gegen- 01) ...... 757 C seitige Förderung und den gegensei- tigen Schutz von Kapitalanlagen (Druck- Erika Görlitz (Bayern) ...... 757 C sache 1010/01) ...... 756 A Matthias Berninger, Parl. Staatsse- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105 kretär bei der Bundesministerin für Abs. 3 GG ...... 777*A Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ...... 758 C 24. Gesetz zu dem Vertrag vom 7. Februar Beschluss: Annahme der Entschließung 2000 zwischen der Bundesrepublik in geänderter Fassung ...... 759 B Deutschland und der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka über 30. Entwurf eines Gesetzes zur Durch- die Förderung und den gegenseitigen führung der Rechtsakte der Europäischen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache Gemeinschaft über die Etikettierung 1012/01) ...... 756 A von Fischen und Fischereierzeugnissen (Fischetikettierungsgesetz – FischEti- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105 kettG) – gemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 Abs. 3 GG ...... 777*A GG – (Drucksache 926/01) ...... 759 D

25. Gesetz zu dem Vertrag vom 23. Mai Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 2000 zwischen der Bundesrepublik Abs. 2 GG ...... 760 A Deutschland und der Republik Botsuana über die Förderung und den gegensei- 31. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung tigen Schutz von Kapitalanlagen (Druck- des Bundesversorgungsgesetzes (Druck- sache 1013/01) ...... 756 A sache 927/01) ...... 756 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105 Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 3 GG ...... 777*A Abs. 2 GG ...... 777*D IV Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

32. Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstel- 38. Entwurf eines Gesetzes zu dem Stockhol- lung behinderter Menschen und zur mer Übereinkommen vom 23. Mai 2001 Änderung anderer Gesetze (Drucksache über persistente organische Schadstoffe 928/01) ...... 760 A (POPs-Übereinkommen) und dem Pro- tokoll vom 24. Juni 1998 zu dem Über- Wolfgang Senff (Niedersachsen) . . 788*C einkommen von 1979 über weiträumige Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 grenzüberschreitende Luftverunreinigung Abs. 2 GG ...... 760 B betreffend persistente organische Schad- stoffe (POPs-Protokoll) – gemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG – (Drucksache 931/01, 33. Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fort- zu Drucksache 931/01) ...... 756 A entwicklung des Finanzplatzes Deutsch- land (Viertes Finanzmarktförderungs- gesetz) (Drucksache 936/01 [neu]) . . . 760 B Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG ...... 777*D Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG ...... 760 C 39. Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll 34. Entwurf eines Gesetzes zur Neurege- vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung lung des Zollfahndungsdienstes (Zoll- des Übereinkommens vom 9. Mai 1980 fahndungsneuregelungsgesetz – ZFnrG) über den internationalen Eisenbahnver- (Drucksache 948/01) ...... 760 C kehr (COTIF) (Drucksache 929/01) . . . 761 A Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG ...... 760 C Abs. 2 GG ...... 761 B

35. Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und 40. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- zur Regelung des Aufenthalts und der In- men vom 19. Juni 2001 zwischen der tegration von Unionsbürgern und Auslän- Regierung der Bundesrepublik Deutsch- dern (Zuwanderungsgesetz) (Drucksache land und der Regierung der Republik 921/01) ...... 722 B Kap Verde über den Luftverkehr (Druck- sache 934/01) ...... 756 A Erwin Teufel (Baden-Württemberg) . 722 B

Dr. h.c. Manfred Stolpe (Branden- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß burg) ...... 724 A Art. 76 Abs. 2 GG ...... 778*A Dr. Edmund Stoiber (Bayern) . . . 724 C Sigmar Gabriel (Niedersachsen) . . 728 C 41. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- men vom 2. Oktober 2000 zur Änderung Peter Müller (Saarland) . . . . . 731 C und Ergänzung des Abkommens vom Dr. Günther Beckstein (Bayern) . . 734 B 18. Juni 1991 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und dem Staat Bahrain Walter Zuber (Rheinland-Pfalz) . . 735 B über den Luftverkehr (Drucksache 935/ Dr. Fritz Behrens (Nordrhein-West- 01) ...... 756 A falen) ...... 736 D Otto Schily, Bundesminister des In- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß nern ...... 738 A Art. 76 Abs. 2 GG ...... 778*A

Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG ...... 744 B 42. Entwurf eines Gesetzes zu den Verträgen vom 15. September 1999 des Weltpost- vereins (Drucksache 932/01) . . . . . 756 A 36. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bewachungsgewerberechts (Druck- sache 933/01) ...... 760 C Beschluss: Keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG ...... 778*A Beschluss: Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG ...... 761 A 43. Vorschlag für eine Richtlinie des Euro- päischen Parlaments und des Rates über 37. Entwurf eines Gesetzes zu der Änderung die Tätigkeiten von Einrichtungen zur des Abkommens vom 4. Dezember 1991 betrieblichen Altersversorgung – gemäß zur Erhaltung der Fledermäuse in Europa §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 805/ (Drucksache 930/01) ...... 756 A 00) ...... 756 A Beschluss: Keine Einwendungen gemäß Art. 76 Abs. 2 GG ...... 778*A Beschluss: Stellungnahme . . . . . 778*B Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 V

44. Vorschlag für eine Richtlinie des Euro- 52. Erste Verordnung zur Änderung der päischen Parlaments und des Rates über Sozialhilfedatenabgleichsverordnung das Recht der Unionsbürger und ihrer (Drucksache 955/01) ...... 756 A Familienangehörigen, sich im Hoheits- gebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewe- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 gen und aufzuhalten – gemäß §§ 3 und 5 Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- EUZBLG – (Drucksache 590/01) . . . . 761 B senen Änderung ...... 778*B Beschluss: Stellungnahme ...... 761 C 53. Verordnung zur Festsetzung der Beträge nach § 3 des Asylbewerberleistungsge- 45. Entwurf einer Entschließung des Rates setzes (Drucksache 956/01) . . . . . 761 D zur Verstärkung der Zusammenarbeit bei der Aus- und Fortbildung im Bereich des Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Katastrophenschutzes (Drucksache 973/ Abs. 2 GG in der beschlossenen Fas- 01) ...... 756 A sung ...... 761 D Beschluss: Erteilung des Einvernehmens gemäß § 5 Abs. 3 EUZBLG . . . . . 778*C 54. Verordnung zur Änderung der Arbeits- entgeltverordnung (Drucksache 1019/01) 756 A 46. Vorschlag für einen Beschluss des Eu- Beschluss: ropäischen Parlaments und des Rates Zustimmung gemäß Art. 80 über das Europäische Jahr der Erziehung Abs. 2 GG ...... 778*D durch Sport 2004 – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 925/01) . . . . 761 C 55. Verordnung zur Festsetzung der Erhö- hungszahl für die Gewerbesteuerumlage Beschluss: Kenntnisnahme . . . . . 761 C nach § 6 Absatz 5 des Gemeindefinanz- reformgesetzes im Jahr 2002 (Drucksa- 47. Verordnung zur Änderung der Ver- che 939/01) ...... 762A ordnung über Preisnotierungen für But- ter, Käse und andere Milcherzeugnisse Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 (Drucksache 881/01) ...... 756 A Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- senen Änderung ...... 762 A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG ...... 778*D 56. Vierte Verordnung zur Änderung von Verbrauchsteuerverordnungen (Druck- 48. Zweite Verordnung zur Änderung le- sache 945/01) ...... 756 A bensmittel- und fleischhygienerecht- licher Verordnungen (Drucksache 953/ Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 01) ...... 761 C Abs. 2 GG ...... 778*D Walter Zuber (Rheinland-Pfalz) . . 788*C 57. a) Verordnung über die Anlage des Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 gebundenen Vermögens von Pensions- Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- fonds (Pensionsfonds-Kapitalanlagen- nommenen Änderungen – Annahme verordnung – PFKapAV) (Drucksache einer Entschließung ...... 761 D 990/01)

49. Zehnte Verordnung zur Änderung der b) Verordnung über die Kapitalaus- Diätverordnung (Drucksache 957/01) . . 756 A stattung von Pensionsfonds (Pensions- fonds-Kapitalausstattungsverordnung – Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 PFKAustV) (Drucksache 1020/01) Abs. 2 GG ...... 778*D c) Verordnung über Rechnungsgrund- 50. Verordnung über die Anzeige von Ver- lagen für die Deckungsrückstellungen sicherungsfällen in der gesetzlichen von Pensionsfonds (Pensionsfonds- Unfallversicherung (Unfallversicherungs- Deckungsrückstellungsverordnung – Anzeigeverordnung – UVAV) (Drucksa- PFDeckRV) (Drucksache 1021/01) . . 756 A che 850/01) ...... 756 A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Beschluss zu a) bis c): Zustimmung ge- Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- mäß Art. 80 Abs. 2 GG ...... 778*D senen Änderung ...... 778*B 58. Verordnung über Medizinprodukte (Medi- 51. Erste Verordnung zur Änderung der In- zinprodukte-Verordnung – MPV) (Druck- solvenzgeld-Kosten-Verordnung (Druck- sache 960/01) ...... 756 A sache 954/01) ...... 756 A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- Abs. 2 GG ...... 778*D senen Änderungen ...... 778*B VI Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

59. Dritte Verordnung zur Änderung der 66. Benennung von Vertretern in Beratungs- Schlichtungsstellenverfahrensverordnung gremien der Europäischen Union (Ar- (Drucksache 874/01) ...... 756 A beitsgruppe der Kommission „Raum- und Stadtentwicklung“ des CDRR) – gemäß Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 § 6 Abs. 1 EUZBLG i.V.m. Abschnitt IV Abs. 2 GG ...... 778*D der Bund-Länder-Vereinbarung – (Druck- sache 855/01) ...... 756 A 60. Verordnung zum Erlass und zur Ände- rung immissionsschutzrechtlicher und Beschluss: Zustimmung zu der Empfeh- abfallrechtlicher Verordnungen (Druck- lung in Drucksache 855/1/01 . . . . 779*A sache 730/01) ...... 762 A Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 67. Bestimmung eines Mitglieds des Finanz- Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- planungsrates – gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 senen Änderungen – Annahme von Nr. 3 HGrG – (Drucksache 987/01) . . . 756 A Entschließungen ...... 762 B Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- schlag in Drucksache 987/01 . . . . 779*A 61. Dritte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Ver- ordnung über den Schwefelgehalt be- 68. Benennung von Mitgliedern und stell- stimmter flüssiger Kraft- oder Brenn- vertretenden Mitgliedern des Beirates stoffe – 3. BImSchV) (Drucksache 805/01) 762 B bei der Regulierungsbehörde für Tele- kommunikation und Post – gemäß § 67 Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 TKG – (Drucksache 946/01) . . . 756 A Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- nommenen Änderungen – Annahme Beschluss: Zustimmung zu den Empfeh- einer Entschließung ...... 762 B, C lungen des Wirtschaftsausschusses in Drucksache 946/1/01 ...... 779*A 62. Verordnung zur Änderung abfallrecht- licher Bestimmungen zur Altölentsor- 69. ... Gesetz zur Änderung der Strafprozess- gung (Drucksache 840/01) ...... 762 C ordnung (Drucksache 1060/01) . . . . 720 A

Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Dr. Andreas Birkmann (Thüringen), Abs. 2 GG nach Maßgabe der ange- Berichterstatter ...... 720 A nommenen Änderungen – Annahme von Entschließungen ...... 762 C Prof. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatsse- kretär bei der Bundesministerin 63. Verordnung zur Änderung abfallrecht- der Justiz ...... 766*C licher Nachweisbestimmungen (Druck- Beschluss: Kein Einspruch gemäß Art. 77 sache 843/01) ...... 762 C Abs. 3 GG ...... 720 C Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nach Maßgabe der beschlos- 70. Gesetz zur Fortentwicklung des Unter- senen Änderungen ...... 762 D nehmenssteuerrechts (Unternehmens- steuerfortentwicklungsgesetz – UntStFG) 64. Benennung von Vertretern in Beratungs- (Drucksache 1061/01) ...... 720 C gremien der Europäischen Union (Stän- dige Koordinierungsgruppe der Kom- Gernot Mittler (Rheinland-Pfalz), mission „eEurope/Digitalisierung des Berichterstatter ...... 720 D kulturellen Erbes“) – gemäß § 6 Abs. 1 Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 105 EUZBLG i.V.m. Abschnitt IV der Bund- Abs. 3 und Art. 108 Abs. 5 GG – An- Länder-Vereinbarung – (Drucksache 780/ nahme einer Entschließung . . . . . 721 C 01) ...... 756 A

Beschluss: Zustimmung zu der Empfeh- 71. Gesetz zur Reform der Professorenbe- lung in Drucksache 780/1/01 . . . . 779*A soldung (Professorenbesoldungsreform- gesetz – ProfBesReformG) (Drucksache 65. Benennung von Vertretern in Beratungs- 1062/01) ...... 721 C gremien der Europäischen Union (Verwal- tungsausschuss der Kommission nach Ar- Karin Schubert (Sachsen-Anhalt), tikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1683/95 Berichterstatterin ...... 721 C des Rates vom 29. Mai 1995 über eine einheitliche Visagestaltung) – gemäß § 6 Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 766*D Abs. 1 EUZBLG i.V.m. Abschnitt IV der Stanislaw Tillich (Sachsen) . . . . 767*C Bund-Länder-Vereinbarung – (Drucksa- che 848/01) ...... 756 A Jochen Riebel (Hessen) . . . . . 767*D Beschluss: Zustimmung zu der Empfeh- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 74a lung in Drucksache 848/1/01 . . . . 779*A Abs. 2 GG ...... 722 A Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 VII

72. Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittel- Beschluss: Einbringung des Gesetzent- rechts im Verwaltungsprozess (RmBerein- wurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beim VpG) (Drucksache 1063/01) . . . . . 722 A Deutschen Bundestag in der festgeleg- ten Fassung – Bestellung von Minister Karin Schubert (Sachsen-Anhalt), Heinrich Aller (Niedersachsen) zum Berichterstatterin ...... 722 A Beauftragten des Bundesrates gemäß Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 84 § 33 GO BR ...... 757 C Abs. 1 GG ...... 722 B 75. Entschließung des Bundesrates zur Har- 73. Gesetz zur Bekämpfung des internatio- monisierung der Zulassung und des In- nalen Terrorismus (Terrorismusbekämp- verkehrbringens von Pflanzenschutzmit- fungsgesetz) (Drucksache 1059/01) teln in der Europäischen Union – Antrag des Landes Baden-Württemberg gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 1055/ in Verbindung mit 01) ...... 759 B

26. a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Rudolf Köberle (Baden-Württemberg) 785*D des Grundgesetzes (Artikel 35) – ge- mäß Artikel 76 Abs. 1 GG – Antrag der Mitteilung: Überweisung an die zustän- Freistaaten Bayern, Sachsen – (Druck- digen Ausschüsse ...... 759 C sache 993/01) 76. Entschließung des Bundesrates zur Kom- b) Entwurf eines Gesetzes zum ver- petenzabgrenzung im Rahmen der Re- besserten Schutz der Öffentlichkeit formdiskussion zur Zukunft der Euro- vor angedrohten und vorgetäuschten päischen Union – Antrag aller Länder Straftaten („Trittbrettfahrergesetz“) gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache – Antrag des Freistaats Thüringen – 1081/01) ...... 759 C (Drucksache 922/01) ...... 744 B Wolfgang Senff (Niedersachsen) . . 786*C Dr. Günther Beckstein (Bayern) . . 744 C Reinhold Bocklet (Bayern) . . . . 787*C Otto Schily, Bundesminister des In- nern ...... 745 B Beschluss: Die Entschließung wird gefasst 759 D Dr. Fritz Behrens (Nordrhein-West- falen) ...... 768*B 77. Neubenennung von Vertretern in Bera- tungsgremien der Europäischen Union Dr. Andreas Birkmann (Thüringen) . 769*A (hier: Gremium der Kommission „Euro- Heiner Bartling (Niedersachsen) . . 770*A päisches Sportforum“) – gemäß § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 EUZBLG i.V.m. Abschnitt III Karin Schubert (Sachsen-Anhalt) . . 770*D und IV der Bund-Länder-Vereinbarung – Walter Zuber (Rheinland-Pfalz) . . 772*A (Drucksache 952/01 [2]) ...... 756 A

Beschluss zu 73: Zustimmung gemäß Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- Art. 84 Abs. 1 GG – Annahme einer schlag des Ständigen Beirates in Entschließung ...... 746 C Drucksache 952/01 (2) ...... 779*A

Beschluss zu 26 a): Keine Einbringung 78. Kostenverordnung für Amtshandlungen des Gesetzentwurfs beim Deutschen der Seemannsämter (SeemannsÄKostV Bundestag ...... 746 C 2001) – Geschäftsordnungsantrag der Freien Hansestadt – (Drucksache Beschluss zu 26 b): Einbringung des Ge- 970/01) ...... 762 D setzentwurfs gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beim Deutschen Bundestag in der fest- Beschluss: Zustimmung gemäß Art. 80 gelegten Fassung – Bestellung von Mi- Abs. 2 GG ...... 762 D nister Dr. Andreas Birkmann (Thürin- gen) zum Beauftragten des Bundesrates gemäß § 33 GO BR ...... 746 D Nächste Sitzung ...... 763 C 74. Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes – Antrag Beschluss im vereinfachten Verfahren ge- der Länder Niedersachsen, Sachsen-An- mäß § 35 GO BR ...... 763 A/C halt gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – (Druck- sache 1057/01) ...... 757 A Heinrich Aller (Niedersachsen) . . 784*D Feststellung gemäß § 34 GO BR . . . . 763 B/D VIII Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

Verzeichnis der Anwesenden

Vorsitz: Berlin:

Präsident K l aus Wowereit, Regierender Klaus Böger, Bürgermeister und Senator für Schule, Bürgermeister des Landes Berlin Jugend und Sport

Vizepräsident D r . Henning Scherf, Wolfgang Wieland, Bürgermeister und Senator Präsident des Senats und Bürgermeister der für Justiz Freien Hansestadt Bremen – zeitweise – Christiane Krajewski, Senatorin für Finanzen Amtierender Präsident R e inhold Bocklet, Staatsminister für Bundes- und Europaange- legenheiten in der Bayerischen Staatskanzlei Brandenburg: – zeitweise – Dr. h.c. Manfred Stolpe, Ministerpräsident

Jörg Schönbohm, Minister des Innern Schriftführerin: Prof. Dr. Kurt Schelter, Minister der Justiz und für Karin Schubert (Sachsen-Anhalt) Europaangelegenheiten

Schriftführer: Bremen:

Dr. Manfred Weiß (Bayern) Dr. Henning Scherf, Präsident des Senats, Bür- germeister, Senator für kirchliche Angelegen- heiten und Senator für Justiz und Verfassung

Baden-Württemberg: Hartmut Perschau, Bürgermeister, Senator für Finanzen Erwin Teufel, Ministerpräsident Dr. Kerstin Kießler, Staatsrätin, Bevollmächtigte der Freien Hansestadt Bremen beim Bund, für Rudolf Köberle, Minister und Bevollmächtigter Europa und Entwicklungszusammenarbeit des Landes Baden-Württemberg beim Bund Reinhard Metz, Staatsrat beim Senator für Finanzen

Bayern: Hamburg: Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident Ole von Beust, Präsident des Senats, Erster Bür- germeister Reinhold Bocklet, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei, Rudolf Lange, Senator, Präses der Behörde für Bevollmächtigter des Freistaates Bayern beim Schule, Jugend und Berufsbildung Bund

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser, Staatsminister der Hessen: Finanzen Roland Koch, Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein, Staatsminister des Innern Jochen Riebel, Minister für Bundes- und Euro- paangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei Dr. Manfred Weiß, Staatsminister der Justiz Dr. Christean Wagner, Minister der Justiz Erika Görlitz, Staatssekretärin im Staatsministe- rium für Gesundheit, Ernährung und Verbrau- Wilhelm Dietzel, Minister für Umwelt, Landwirt- cherschutz schaft und Forsten Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 IX

Mecklenburg-Vorpommern: Sachsen-Anhalt:

Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident Dr. Reinhard Höppner, Ministerpräsident

Helmut Holter, Minister für Arbeit und Bau Karin Schubert, Ministerin der Justiz

Wolfgang Gerhards, Minister der Finanzen Niedersachsen:

Sigmar Gabriel, Ministerpräsident Schleswig-Holstein: Heinrich Aller, Finanzminister Heide Simonis, Ministerpräsidentin Heiner Bartling, Innenminister Claus Möller, Minister für Finanzen und Energie Wolfgang Senff, Minister für Bundes- und Euro- paangelegenheiten in der Staatskanzlei Thüringen:

Nordrhein-Westfalen: Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident

Wolfgang Clement, Ministerpräsident Jürgen Gnauck, Minister für Bundes- und Euro- paangelegenheiten in der Staatskanzlei Dr. Fritz Behrens, Innenminister Dr. Andreas Birkmann, Justizminister Hannelore Kraft, Ministerin für Bundes- und Eu- ropaangelegenheiten im Geschäftsbereich des Ministerpräsidenten und Bevollmächtigte des Von der Bundesregierung: Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund Otto Schily, Bundesminister des Innern

Rheinland-Pfalz: Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit Kurt Beck, Ministerpräsident Hans Martin Bury, Staatsminister beim Bundes- Gernot Mittler, Minister der Finanzen kanzler Walter Zuber, Minister des Innern und für Sport Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern Saarland: Prof. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Peter Müller, Ministerpräsident Bundesministerin der Justiz

Peter Jacoby, Minister für Finanzen und Bundes- Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- angelegenheiten nister der Finanzen

Karl Rauber, Staatssekretär, Chef der Staats- Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin kanzlei beim Bundesminister der Finanzen

Monika Beck, Staatssekretärin, Bevollmächtigte Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der des Saarlandes beim Bund Bundesministerin für Verbraucherschutz, Er- nährung und Landwirtschaft

Sachsen: Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bun- desminister für Arbeit und Sozialordnung Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Stanislaw Tillich, Staatsminister für Bundes- und minister der Verteidigung Europaangelegenheiten in der Sächsischen Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Frei- Simone Probst, Parl. Staatssekretärin beim Bun- staates Sachsen beim Bund desminister für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit Klaus Hardraht, Staatsminister des Innern Peter Haupt, Staatssekretär im Bundesminis- Steffen Flath, Staatsminister für Umwelt und terium für Familie, Senioren, Frauen und Landwirtschaft Jugend

Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 717

(A) (C)

771. Sitzung

Berlin, den 20. Dezember 2001

Beginn: 9.32 Uhr Friedhofes ein Lagerplatz zugewiesen. Diesen durften sie dann bis 1943 nicht mehr verlassen, bis sie fast alle 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort er- Präsident Klaus Wowereit: Meine sehr verehrten mordet wurden. Damen und Herren! Vor 59 Jahren verfügte der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, die Deportation Es hat nach dem Zweiten Weltkrieg lange – viel zu aller zu diesem Zeitpunkt noch im Reichsgebiet ver- lange – gedauert, bis in der Bundesrepublik Histori- bliebenen Sinti und Roma ins Vernichtungslager ker und Juristen erkannt und anerkannt haben, dass Auschwitz-Birkenau. Es war der traurige Höhepunkt Sinti und Roma sowie Angehörige weiterer Stämme einer Verfolgung, der die bürokratische „Erfassung“ Opfer rassistischer Verfolgung geworden sind. Sie vorausging. Sie war mit pseudowissenschaftlichen wurden Opfer eines rassistischen Völkermordes, oft Methoden so genannter „Rassekunde“ vorbereitet an denselben Vernichtungsorten wie die Juden. worden. Kinder, Frauen und Männer, deren Vorfahren Zur Erinnerung an das Geschehene gehört auch die seit Jahrhunderten in Deutschland gelebt hatten, wur- (B) den aus der Gesellschaft herausdefiniert, ausgeson- Erinnerung an diejenigen, die sich gegen die Verbre- (D) dert, gedemütigt, verfolgt und massenhaft ermordet. chen auflehnten: die Erinnerung an Beispiele von Selbstbehauptung und Widerstand gegen die Un- Wir gedenken heute der vielen Opfer, die ihr Leben menschlichkeit. Die Gedenkstätte Deutscher Wider- ließen, weil andere sich anmaßten zu entscheiden, stand hier in Berlin ehrt ihr Andenken und erzählt dass ihr Leben nicht lebenswert sei. ihre Geschichte. Wir stehen an der Seite derer, die die Verfolgung Ein Beispiel ist Stanowski W i nter. In der Ge- überlebt haben. Wir können nur ahnen, was es be- denkstätte ist er in Bootsmanns-Uniform abgebildet; deutet, mit der Erinnerung an all die schrecklichen denn er wurde 1940 von der Wehrmacht eingezogen Erlebnisse und das Leid während der Verfolgung und musste in der Marine dienen. Dennoch wurde er leben zu müssen. als Sinto 1943 nach Auschwitz verschleppt. Als er und Einige Nachkommen derer, die ihr Leben ließen, seine Freunde im Mai 1943 erfahren, dass alle Insas- und einige Überlebende können heute unter uns sein. sen ihrer Baracke in Birkenau mit Gas ermordet wer- Ich begrüße Sie zusammen mit den Vertreterinnen den sollen, bewaffnen sie sich mit primitiven Geräten und Vertretern der Organisationen und Verbände der und setzen sich zur Wehr. Die SS will Unruhe vermei- deutschen Sinti und Roma sehr herzlich hier im Bun- den und gibt ihren Mordplan auf. desrat. Ein weiterer Sinto, der an dieser Widerstandsaktion Der 16. Dezember 1942 war der traurige Höhe- beteiligt war, ist Josef Köhler, auch ein ehemaliger punkt der Verfolgung der Sinti und Roma. Dieses Wehrmachtssoldat. Später wird er ins KZ Sachsen- groß angelegte Verbrechen gegen die Menschlichkeit hausen verschleppt, und es gelingt ihm, von der hatte jedoch schon Jahre zuvor begonnen. Kurz nach Zwangsarbeit im Klinkerwerk zu fliehen. der Machtübernahme durch die Nazis 1933 begann Der Sinn unseres Gedenkens liegt darin, uns vor die Ghettoisierung der so genannten „Zigeuner“. Es den Opfern unvorstellbarer Grausamkeiten und folgten immer rigidere Verfolgungsmaßnahmen bis eines massenhaften Mordes zu verneigen. Sinti und hin zu Deportationen in Konzentrationslager. Roma sind anerkannter Teil unserer Gesellschaft. Die Ihr besonderes Augenmerk legten die Nazis im Vor- feste Verankerung in der deutschen Gesellschaft ist feld der Olympischen Spiele 1936 auf die in der Ergebnis einer mehrere Jahrhunderte währenden ge- Reichshauptstadt Berlin lebenden Sinti und Roma. meinsamen Geschichte. Die Erinnerung an Verfol- Noch vor Beginn der Spiele wurde Hunderten von so gung und Unrecht in der NS-Zeit wach zu halten ist genannten „Zigeunern“ in unmittelbarer Nachbar- eine bleibende Verpflichtung unseres Landes, in dem schaft der Marzahner Rieselfelder und des dortigen Sinti und Roma so sehr leiden mussten. 718 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Präsident Klaus Wowereit (A) Für das geplante Mahnmal für die ermordeten Sinti und Herrn Kollegen H a r draht zu seinem 60. Ge- (C) und Roma liegt der Entwurf von Dani Karavan vor. burtstag recht herzlich gratulieren. Der dafür vorgesehene Standort im Tiergarten zwi- (Beifall) schen Brandenburger Tor und Reichstag lässt eine große öffentliche Wahrnehmung in der Mitte Herrn Kollegen D r . V ogel darf ich noch zu sei- erwarten. Es ist zu hoffen, dass es gelingt, dieses nem gestrigen Geburtstag herzlich gratulieren. Mahnmal bald zu errichten. (Beifall) Wichtig ist neben der Erinnerung aber auch, dass Sinti und Roma heute die Möglichkeit haben, ihre Punkt 1: Sprache, das Romanes, zu sprechen und ihre Kultur Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse zu pflegen – nicht nur in Deutschland, sondern auch von Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG) in den mittel-, ost- und südosteuropäischen Ländern, (Drucksache 1052/01) wo besonders starke Minderheiten der Sinti und Roma leben. Das Gesetz kommt aus dem Vermittlungsausschuss zurück. Zur Berichterstattung erteile ich Frau Ministe- Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass einzelne rin Schubert (Sachsen-Anhalt) das Wort. deutsche Rundfunksender auch ein Angebot in Roma- nes eingerichtet haben. Die Deutsche Welle startet am 1. Januar 2002 mit einer von SFB Multikulti übernom- Karin Schubert (Sachsen-Anhalt), Berichterstatte- menen Sendung, die einmal wöchentlich auf Kurz- rin: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das welle, über Satellit und online in weiten Teilen Mittel-, Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Pros- Ost- und Südosteuropas verbreitet wird. tituierten ist von der Fraktion der SPD und der Frak- Vor 59 Jahren verfügte Himmler den so genannten tion Bündnis 90/Die Grünen am 8. Mai dieses Jahres „Auschwitz-Erlass“. Sinti und Roma mussten schreck- in den Bundestag eingebracht worden. liches Leid ertragen. Wir dürfen und werden es nicht Der federführende Ausschuss hat zu dem Gesetz- zulassen, dass sich solche Verbrechen wiederholen. entwurf eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Der Und wir alle sind gefordert, den Anfängen zu wehren Bundestag hat, den Ausschussempfehlungen folgend, – nicht zuzusehen, wenn Menschen angepöbelt, aus- die Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fas- gegrenzt oder gar zu Tode gehetzt werden, nur weil sung beschlossen. sie einer angeblichen Norm nicht entsprechen. Die Änderung bezieht sich auf eine Klarstellung, (B) (D) Wir verneigen uns vor den vielen Menschen, die die dass ein eingeschränktes Weisungsrecht der Annahme Verfolgung und die schrecklichen medizinischen Ver- eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des Sozi- suche nicht überlebt haben oder ihr Leben lang an alversicherungsrechts nicht entgegensteht. Ferner den Folgen solcher Torturen leiden. wurde klargestellt, dass die gewerbsmäßige Vermitt- Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, sich zum lung sexuellen Verkehrs nur dann strafbar ist, wenn Gedenken von Ihren Plätzen zu erheben. sie die persönliche oder wirtschaftliche Bewegungs- freiheit beeinträchtigt. Damit wird den Prostituierten (Die Anwesenden erheben sich) der Zugang zur Sozialversicherung ermöglicht. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 9. Novem- Ich danke Ihnen. ber 2001 die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel verlangt, die Einzelgestaltung besser in Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit ist das Schuldrecht einzufügen. die 771. Sitzung des Bundesrates eröffnet. Die vom Vermittlungsausschuss eingesetzte Ar- Die Tagesordnung liegt Ihnen in vorläufiger Form beitsgruppe hat folgende Neufassung zur Frage des mit 78 Punkten vor. Die Punkte 69 bis 72 werden nach Einwendungsausschlusses vorgeschlagen: Punkt 3 aufgerufen. Dann folgt Punkt 35. Anschließend wird der mit Tagesordnungspunkt 26 verbundene Mit Ausnahme des Erfüllungseinwandes gemäß Punkt 73 aufgerufen. Es folgen die Tagesordnungs- § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches und der punkte 5, 4 und 17. Bis Tagesordnungspunkt 28 bleibt Einrede der Verjährung sind weitere Einwen- es bei der ausgedruckten Reihenfolge. Punkt 74 wird dungen und Einreden ausgeschlossen. nach Punkt 28 behandelt. Die Tagesordnungspunkte 75 und 76 werden nach Punkt 29 aufgerufen. Im Übri- Der Vermittlungsausschuss hat sich dem in seiner gen bleibt es bei der ausgedruckten Reihenfolge der Sitzung am 6. Dezember 2001 mehrheitlich ange- Tagesordnung. schlossen. Der Bundestag hat dem Vorschlag des Ver- mittlungsausschusses in seiner Sitzung am 14. De- Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Das zember 2001 zugestimmt. ist nicht der Fall. Dann ist sie so festgestellt. Ich schlage dem Bundesrat vor, dem Antrag Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte Bayerns und Sachsens nicht zu folgen, d. h. gegen das ich einer angenehmen Verpflichtung nachkommen Gesetz keinen Einspruch einzulegen. – Danke. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 719

(A) Präsident Klaus Wowereit: Gibt es weitere Wort- Fassung zustimmen möchte, den bitte ich um das (C) meldungen? – Das ist nicht der Fall. Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Herr Staatsminister Dr. Weiß (Bayern) hat eine Er- Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. klärung zu Protokoll*) abgegeben. Wir kommen zu Punkt 3: Wir kommen zur Abstimmung. Bayern und Sachsen Gesetz zur Neuausrichtung der Bundes- beantragen in Drucksache 1052/1/01, gegen das Ge- wehr (Bundeswehrneuausrichtungsgesetz – setz Einspruch einzulegen. Wer stimmt diesem Antrag BwNeuAusrG) (Drucksache 1038/01) zu? – Das ist eine Minderheit. Damit hat der Bundesrat beschlossen, gegen das Das Gesetz kommt aus dem Vermittlungsausschuss Gesetz keinen Einspruch einzulegen. zurück. Zur Berichterstattung über das Vermittlungs- verfahren erteile ich Herrn Senator Lange (Hamburg) Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2: das Wort. Gesetz zur Änderung rehabilitierungsrechtli- cher Vorschriften (Drucksache 1053/01) Rudolf Lange (Hamburg), Berichterstatter: Sehr Das Gesetz kommt aus dem Vermittlungsausschuss geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und zurück. Zur Berichterstattung erteile ich Herrn Minis- Herren! Der Bundesrat hat am 30. November den ter Dr. Birkmann (Thüringen) das Wort. Vermittlungsausschuss mit dem Ziel angerufen, die beabsichtigte versorgungsrechtliche Besserstellung Dr. Andreas Birkmann (Thüringen), Berichterstatter: der Berufssoldaten gegenüber der Beamtenschaft Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und abzubauen, und hat dafür einschränkende Maßnah- Herren! Am 30. November dieses Jahres hat der Bun- men vorgeschlagen. desrat zu dem Gesetz zur Änderung des Strafrecht- Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und lichen Rehabilitierungsgesetzes den Vermittlungsaus- Bundesrat hat in seiner Sitzung am 6. Dezember das schuss angerufen. Mit dem Gesetz wurde die Bundeswehrneuausrichtungsgesetz bestätigt. Für den Antragsfrist zur Rehabilitierung für in der DDR-Zeit Bundesrat stellt sich heute die Frage, ob er dem un- erlittenes strafrechtliches Unrecht um zwei Jahre veränderten Gesetz zustimmen oder Einspruch ein- verlängert, und zwar vom 31. Dezember dieses Jahres legen will. bis zum 31. Dezember des Jahres 2003. Das Bundeswehrneuausrichtungsgesetz sieht ins- Der Bundesrat war, wie bereits in seiner Ent- besondere die Schaffung eines Konzeptes vor, wo- schließung vom 9. November dieses Jahres, der (B) nach bis zum Jahre 2006 bis zu 3 000 Berufssoldaten (D) Auffassung, dass auch die Antragsfrist der übrigen mit ihrer Zustimmung ab dem 50. Lebensjahr in den Rehabilitierungsgesetze, nämlich des Verwaltungs- Ruhestand versetzt werden können. Hierdurch sollen rechtlichen und des Beruflichen Rehabilitierungs- die Jahrgangsstrukturen an die Vorgaben des jeweils gesetzes, um zwei Jahre, bis zum 31. Dezember 2003, verlängert werden müsste. Eine Verlängerung der gültigen Personalstrukturmodells angepasst werden. Antragsfrist um zwei Jahre sollte auch für § 60 Bun- Die Altersstruktur in den Streitkräften ist – anders desausbildungsförderungsgesetz und im Strafrecht- als in der Beamtenschaft – von entscheidender Bedeu- lichen Rehabilitierungsgesetz für den Erhalt einer tung für die Einsatzbereitschaft. Angesichts der aktu- Kapitalentschädigung bzw. deren Nachzahlung vor- ellen Situation – Kosovo, Afghanistan – ist es meiner genommen werden. Meinung nach nicht notwendig, dies näher zu erläu- tern; die Tatsachen sprechen für sich. Aber auch Der Vermittlungsausschuss ist diesem Anliegen bei durch verschiedene andere Umstände, z. B. durch die entsprechender Anpassung des Gesetzestitels voll- Übernahme der ehemaligen NVA-Soldaten in die umfänglich nachgekommen. Bundeswehr oder die Reduzierung der Personal- Der Deutsche Bundestag hat die Beschlussempfeh- stärke, ist die Altersstruktur der Bundeswehr in eine lung des Vermittlungsausschusses in seiner Sitzung Schieflage geraten. Es gibt derzeit zu viele ältere und am 14. Dezember 2001 einstimmig angenommen. zu wenig junge Soldaten. Dies hat negative Effekte für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte und für die Ich darf Sie nunmehr bitten, dem Gesetzesbeschluss Truppe insgesamt. des Bundestages in der vom Vermittlungsausschuss empfohlenen Fassung ebenfalls zuzustimmen. Hier schafft das vorgesehene Personalanpassungsge- setz die erforderliche Abhilfe. Es ist notwendig für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Eine Verschlechte- Präsident Klaus Wowereit: Gibt es weitere Wort- rung der versorgungsrechtlichen Regelungen würde meldungen? – Das ist nicht der Fall. dazu führen, dass das Gesetz die gewünschte Wirkung nicht entfalten könnte. Schlechtere versorgungsrecht- Wir kommen zur Abstimmung. Der Deutsche Bun- liche Bestimmungen würden von den Soldaten in die- destag hat den Vorschlag des Vermittlungsausschus- sem Zusammenhang nicht akzeptiert. ses angenommen. Wer dem Gesetz in der geänderten Ich bitte Sie zu entscheiden, ob Sie dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses folgen und dem unver- *) Anlage 1 änderten Gesetz zustimmen können. 720 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) Präsident Klaus Wowereit: Weitere Wortmeldungen klärung von Herrn Professor Dr. Pick aus der Vermitt- (C) liegen nicht vor. – Herr Staatsminister Bocklet (Bay- lungsausschusssitzung vom 11. Dezember 2001 wird ern) hat eine Erklärung zu Protokoll*) abgegeben. heute absprachegemäß zu Protokoll gegeben.

Der Vermittlungsausschuss hat das Gesetz am Mit seinem zweiten Anrufungsbegehren hat sich 6. Dezember 2001 bestätigt. Bayern beantragt nun- der Bundesrat voll durchgesetzt. Das heißt, das Be- mehr in Drucksache 1038/1/01, gegen das Gesetz weiserhebungsverbot für Aussagen von Medienmit- Einspruch einzulegen. Wer stimmt diesem Antrag zu? – arbeitern aus anderen Verfahren ist gestrichen wor- Das ist eine Minderheit. den. Dafür ist es beim dritten Anrufungsgrund, wonach Damit hat der Bundesrat beschlossen, gegen das die Subsidiaritätsklausel bei einem Beschlagnahme- Gesetz k e i nen Einspruch einzulegen. verbot für deliktsverstrickte Pressedokumente entfal- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 69: len sollte, beim ursprünglichen Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages geblieben. ... Gesetz zur Änderung der Strafprozessord- Der Deutsche Bundestag hat die Beschlussempfeh- nung (Drucksache 1060/01) lung des Vermittlungsausschusses in seiner Sitzung am Das Gesetz kommt aus dem Vermittlungsausschuss 14. Dezember 2001 angenommen. Ich bitte Sie nun- zurück. Zur Berichterstattung erteile ich Herrn Minis- mehr, das Vermittlungsergebnis ebenfalls anzunehmen und gegen den entsprechenden Gesetzesbeschluss des ter Dr. Birkmann (Thüringen) das Wort. Bundestages keinen Einspruch einzulegen.

Dr. Andreas Birkmann (Thüringen), Berichterstatter: Präsident Klaus Wowereit: Weitere Wortmeldungen Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am liegen mir nicht vor. – Eine Erklärung zu Protokoll*) 27. September dieses Jahres hat der Bundesrat den gibt Herr Parlamentarischer Staatssekretär Professor Vermittlungsausschuss zu dem Gesetz zur Änderung Dr. Pick (Bundesministerium der Justiz). der Strafprozessordnung angerufen, mit dem im We- Da ein Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 3 des Grund- sentlichen das Zeugnisverweigerungsrecht von Me- gesetzes nicht vorliegt, stelle ich fest, dass der Bun- dienmitarbeitern auf selbst erarbeitete Materialien er- desrat gegen das Gesetz keinen Einspruch ein- weitert werden soll, und zwar aus drei Gründen. legt. Der Vermittlungsausschuss ist nach Vorbereitung Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 70: durch eine Arbeitsgruppe den Änderungsbegehren des Bundesrates weitgehend gefolgt. So ist das erwei- Gesetz zur Fortentwicklung des Unterneh- (B) (D) terte Zeugnisverweigerungsrecht des Medienmit- menssteuerrechts (Unternehmenssteuerfort- arbeiters und die damit korrespondierende Beschlag- entwicklungsgesetz – UntStFG) (Drucksache nahmefreiheit von Unterlagen künftig nicht nur, wie 1061/01) im Gesetzesbeschluss ursprünglich vorgesehen, bei Als Berichterstatter für den Vermittlungsausschuss Verbrechen ausgeschlossen, sondern auch bei ein- erteile ich Herrn Staatsminister Mittler (Rheinland- zelnen, in einem Straftatenkatalog aufgeführten Ver- Pfalz) das Wort. gehen. Hierzu gehören Staatsschutzdelikte wie Frie- dens- bzw. Landesverrat, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Geldwäsche sowie die Gernot Mittler (Rheinland-Pfalz), Berichterstatter: Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögens- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und werte. Das Zeugnisverweigerungsrecht entfällt hier, Herren! Die Bundesregierung hat einen Gesetzent- wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Er- wurf zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuer- mittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf rechts vorgelegt, der auf dem Bericht vom April 2001 andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert beruhte, in dem das Bundesministerium der Finanzen wäre. Zur Verweigerung der Aussage soll der Me- dem Finanzausschuss des Bundestages kurzfristig dienmitarbeiter nur berechtigt sein, soweit damit die umsetzbare Vorschläge zu weiteren Verbesserungen Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen des Unternehmenssteuerrechts unterbreitet hatte. und Unterlagen offenbart würde. Der Schwerpunkt des Gesetzentwurfs lag auf der In der Arbeitsgruppe und im Vermittlungsausschuss steuerlichen Erleichterung von Umstrukturierungen. wurde auch über die Aufnahme der Vergehenstatbe- Es war beabsichtigt, die Grunderwerbsteuer nicht stände des § 129a StGB – Bildung terroristischer Ver- mehr zu erheben, wenn Grundbesitz innerhalb eines einigungen – in den Ausnahmenkatalog diskutiert. Es Konzerns übertragen wird. Zu Gunsten von Personen- unternehmen sollten darüber hinaus die Regelungen wurde deutlich gemacht, dass erwartet wird, dass bei zum früheren Mitunternehmererlass ergänzt und das der anstehenden Novellierung des § 129a StGB eine Konzept auf die Realteilung übertragen werden. Aufnahme erfolgt. Die Bundesregierung hat sich die- sem Anliegen nicht verschlossen und zugesagt, das Für den Mittelstand war eine weitere Maßnahme Begehren in die Diskussion über die Novellierung des besonders wichtig: Als Ausgleich dafür, dass Kapital- § 129a StGB einzubringen. Die entsprechende Er- gesellschaften Beteiligungen an anderen Kapitalge-

*) Anlage 2 *) Anlage 3 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 721 Gernot Mittler (Rheinland-Pfalz), Berichterstatter (A) sellschaften steuerfrei veräußern können, sollten die Präsident Klaus Wowereit: Gibt es weitere Wort- (C) Personenunternehmen die Möglichkeit erhalten, sol- meldungen? – Das ist nicht der Fall. che Gewinne innerhalb von zwei Jahren steuerfrei in Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in die Anschaffung einer anderen Kapitalbeteiligung zu der vom Bundestag auf Grund der Vorschläge des Ver- reinvestieren. mittlungsausschusses geänderten Fassung zuzustim- Außerdem strebte der Gesetzentwurf Verbesse- men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – rungen bei der Besteuerung von verbundenen Unter- Das ist die Mehrheit. nehmen an. Vor allem das Abzugsverbot für Auf- Es ist so beschlossen. wendungen, die eine Kapitalgesellschaft für ihre inländischen Kapitalbeteiligungen trägt, sollte auf- Wir kommen jetzt zu dem Entschließungsantrag in gehoben werden. Drucksache 1061/1/01, dem das Land Niedersachsen beigetreten ist. Ich bitte um das Handzeichen. – Das Der Bundesrat äußerte in seiner Stellungnahme ist die Mehrheit. unter anderem Bedenken hinsichtlich der Finan- zierbarkeit des Gesetzentwurfs. Er sprach sich im Es ist so beschlossen. Wesentlichen dafür aus, das Abzugsverbot für Auf- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 71: wendungen, die im Zusammenhang mit Kapital- beteiligungen von Kapitalgesellschaften anfallen, Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung beizubehalten und auf die Grunderwerbsteuer- (Professorenbesoldungsreformgesetz – Prof- befreiung zu verzichten. Außerdem strebte der Bun- BesReformG) (Drucksache 1062/01) desrat die Gewerbesteuerpflichtigkeit von Erträgen Zur Berichterstattung über das Vermittlungsverfah- von Kapitalgesellschaften aus Dividenden und der ren erteile ich Frau Ministerin Karin Schubert (Sach- Veräußerung von Anteilen an anderen Kapitalgesell- sen-Anhalt) das Wort. schaften an.

Der Bundestag hat diese Änderungsbegehren nicht Karin Schubert (Sachsen-Anhalt), Berichterstat- aufgegriffen, mit der Folge, dass der Bundesrat im terin: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der zweiten Durchgang die Einberufung des Vermitt- von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf des lungsausschusses mit dem Ziel der Überarbeitung des Professorenbesoldungsreformgesetzes vom 1. Juni Gesetze verlangte. 2001 enthält unter anderem ein neues Besoldungs- Der Vermittlungsausschuss hat sich in seiner Sit- system aus festem Grundgehalt und variablen Leis- zung am 11. Dezember 2001 im Rahmen eines echten tungsbezügen. Neben der Schaffung einer neuen Bundesbesoldungsordnung W werden leistungsab- (B) Vermittlungsergebnisses im Wesentlichen auf Folgen- (D) des verständigt: hängige variable Besoldungsbestandteile als wichtige Ergänzung des Grundgehalts eingeführt. Erstens. Die steuerlichen Erleichterungen bei Um- strukturierungen werden zu Gunsten von Personen- Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 13. Juli 2001 Verbesserungen zur Eingruppierung der Professoren, gesellschaften gerade für den Problemkreis des zum Zulagesystem und zum Vergaberahmen gefor- Generationswechsels noch einmal verstärkt. Im Ge- dert. Der Bundestag hat das Gesetz am 9. November genzug dazu sollen Behaltefristen mögliche miss- 2001 mit erheblichen Veränderungen gegenüber dem bräuchliche Gestaltungen verhindern oder zumindest Ursprungsentwurf verabschiedet. In dieser Fassung erschweren. finden sich auch Forderungen des Bundesrates wie- Zweitens. Der Gewinn eines Personenunterneh- der. Der Bundesrat hat bei seiner erneuten Befassung mens aus der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung nur noch Einwendungen gegen die Neuregelung des kann bis zu einem Betrag von 500 000 Euro in eine Vergaberahmens erhoben und deshalb die Einberu- steuerfreie Rücklage eingestellt werden, sofern in- fung des Vermittlungsausschusses verlangt. nerhalb bestimmter Fristen die Reinvestition des Der Vermittlungsausschuss hat sich auf einen Kom- Rücklagebetrages in Gebäude, bewegliche Wirt- promiss verständigt, der es den Ländern ermöglicht, schaftsgüter oder Beteiligungen erfolgt. die durchschnittlichen Besoldungsausgaben festzu- Drittens. Um die fiskalische Belastung auf Grund setzen, den Vergaberahmen jedoch nicht unange- der Gesetzesänderung in engen Grenzen zu halten, messen auszudehnen. hat sich der Vermittlungsausschuss auf die Beibehal- Der Bundestag hat am 14. Dezember 2001 die Emp- tung des Abzugsverbots für Kapitalbeteiligungsauf- fehlung des Vermittlungsausschusses bestätigt. Ich wendungen von Kapitalgesellschaften, die Gewerbe- bitte Sie, entsprechend zu beschließen. steuerpflicht für Dividenden aus Streubesitzanteilen und auf die Beibehaltung der Grunderwerbsteuer- pflicht von Grundstücksveräußerungen im Konzern Präsident Klaus Wowereit: Weitere Wortmeldungen geeinigt. liegen nicht vor. – Je eine Erklärung zu Protokoll*) geben Herr Staatsminister Bocklet (Bayern), Herr Der Deutsche Bundestag hat das Vermittlungs- Staatsminister Tillich (Sachsen) und Herr Staatsminis- ergebnis am 14. Dezember 2001 angenommen. Ich ter Riebel (Hessen). bitte Sie, dem Gesetzesbeschluss des Bundestages in der nunmehr vorliegenden Fassung ebenfalls zuzu- stimmen. *) Anlagen 4 bis 6 722 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Präsident Klaus Wowereit (A) Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am verträglich gestalten. Die Menschen in unserem Land (C) 14. Dezember 2001 den Einigungsvorschlag des Ver- erwarten, dass nur solche Zuwanderer nach Deutsch- mittlungsausschusses angenommen. Ich frage daher, land kommen, die für unsere Entwicklung gut sind wer dem Gesetz in der geänderten Fassung zustim- und deren Integration wahrscheinlich ist oder die aus men möchte. – Das ist die Mehrheit. wirklich humanitären oder politischen Gründen ein Bleiberecht erhalten sollen. Zuwanderung muss Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. daher auf ein Maß begrenzt werden, das sowohl die Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 72: Aufnahmebereitschaft der Deutschen als auch das In- Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts tegrationsbedürfnis der Zuwanderer und unser In- im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) (Druck- teresse an der Integration berücksichtigt. Wenn ich sache 1063/01) die schon vorhandenen Parallelgesellschaften in un- seren Großstädten betrachte, erkenne ich, dass in bei- Das Gesetz kommt aus dem Vermittlungsausschuss derlei Hinsicht die Obergrenzen bereits erreicht sind. zurück. Zur Berichterstattung erteile ich Frau Ministe- rin Schubert (Sachsen-Anhalt) das Wort. Wenn wir mehr Arbeitsmigration von gut qualifi- zierten Fachkräften und Hochqualifizierten wollen, müssen wir uns den Spielraum dafür erst erarbeiten. Karin Schubert (Sachsen-Anhalt), Berichterstat- Deshalb müssen wir die derzeit noch weitgehend un- terin: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das gesteuerte Zuwanderung, insbesondere die illegale Gesetz zur Reform der Verwaltungsprozessordnung Einreise und den Asylmissbrauch sowie Schlepper- ist vom Deutschen Bundestag eingebracht worden. Im banden, massiv bekämpfen. Wir müssen die wirt- Vermittlungsausschuss ist nach Beratungen in einer schaftlichen Anreize für Zuwanderung verringern Arbeitsgruppe ein Ergebnis erzielt worden, dem der und ausreisepflichtige Ausländer sowie abgelehnte Bundestag in seiner Sitzung am 14. Dezember 2001 Asylbewerber noch konsequenter als bisher zurück- zugestimmt hat. führen. Ich denke, dies ist eine vernünftige Lösung, die Zur sozialverträglichen Gestaltung von Zuwande- auch wir unterstützen sollten. Deswegen bitte ich Sie, rung gehört für mich auch, den hier lebenden Men- die Empfehlung des Vermittlungsausschusses anzu- schen das Gefühl zu geben, dass sie nicht durch billi- nehmen. gere Arbeitskräfte aus dem Ausland ersetzt werden sollen. Das gilt insbesondere für die Arbeitslosen und Präsident Klaus Wowereit: Weitere Wortmeldungen für junge Arbeitskräfte. Wir müssen vorrangig unse- liegen nicht vor. ren jungen Leuten eine Ausbildungs- und Beschäfti- gungschance geben, und wir müssen vorrangig ar- (D) (B) Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung be- beitslose Mitbürger qualifizieren und in den ersten schlossen, dass das Gesetz seiner Zustimmung bedarf. Arbeitsmarkt bringen. Ich frage daher, wer dem Gesetz in der geänderten Fassung zustimmt. – Das ist die Mehrheit. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregie- rung verfehlt diese Zielsetzungen in fast jeder Hin- Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. sicht. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, wird die Zuwan- Wir kommen zu Punkt 35: derung nach Deutschland stark erweitert. Das deutsche Ausländerrecht wird total verändert, aber Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Be- nicht zur Begrenzung der Zuwanderung. Ich fordere grenzung der Zuwanderung und zur Regelung die Bundesregierung daher auf, dies den Bürgern des Aufenthalts und der Integration von Unions- auch offen zu sagen. bürgern und Ausländern (Zuwanderungs- gesetz) (Drucksache 921/01) Sie erteilen mit dem Gesetz großzügig Aufenthalts- erlaubnisse. Sie lassen vorläufige Aufenthaltsrechte Das Wort hat Herr Ministerpräsident Teufel (Baden- viel schneller und einfacher in Daueraufenthaltsrech- Württemberg). te münden. Sie weiten die Asylgründe faktisch aus, indem Sie bei nichtstaatlicher und geschlechtsspezi- Erwin Teufel (Baden-Württemberg): Herr Präsident! fischer Verfolgung das kleine Asyl gewähren. Sie ver- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Inte- bessern den Ausweisungsschutz. Den Familiennach- gration der rechtmäßig in Deutschland lebenden Aus- zug gestalten Sie großzügiger. Sie öffnen den länder muss die oberste Priorität in unserer Auslän- Arbeitsmarkt in allen Bereichen für ausländische Ar- derpolitik haben. Zum Zweiten muss klar sein, dass beitskräfte. Das alles ist das Gegenteil von Zuwande- wir politisch Verfolgte, die unser Land erreichen, auf- rungsbegrenzung, Herr Minister Schily. nehmen. Drittens: Bürgerkriegsflüchtlinge nehmen Besonders das Aufenthaltsrecht bei nichtstaatlicher wir vorübergehend während der Zeit des Bürgerkriegs und geschlechtsspezifischer Verfolgung hebt das in ihrem Heimatland auf. Viertens: Bürger aus den Grundgefüge des deutschen Asylrechts aus den An- Mitgliedstaaten der Europäischen Union genießen geln und wird die Bleiberechtsquote massiv erhöhen. Freizügigkeit. Erst dann können wir uns – fünftens – Eine solche Anerkennung wäre ein erheblicher An- über eine begrenzte Zuwanderung von Ausländern, reiz, auch unter Missbrauch dieser Regelung illegal die wir brauchen, verständigen. nach Deutschland einzureisen. Insbesondere die Aus- Ich meine, wir müssen die Zuwanderung im Interes- sicht auf ein Daueraufenthaltsrecht bereits nach drei se der inländischen Bevölkerung in erster Linie sozial- Jahren – einhergehend mit sofortiger Arbeitserlaub- Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 723 Erwin Teufel (Baden-Württemberg) (A) nis, ohne Qualifikation und ohne Arbeitsmarktprü- Arbeitsloser und angesichts von fast 4 Millionen Ar- (C) fung, gegebenenfalls voller Sozialhilfe und dem Recht beitslosen nicht vertretbar. auf Familiennachzug – ist für alle irgendwie bedroh- Die Reduzierung des Nachzugsalters auf 14 Jah- ten Menschen auf der Welt von hoher Attraktivität. re beim Kindernachzug – ich finde, wir sollten nach Die Bundesregierung setzt weitere Anreize, etwa der jüngsten Pisa-Studie gerade über das Nachzugs- durch Verbesserungen beim Ausweisungsschutz für alter noch einmal nachdenken – ist leider auch nur verschiedene Personengruppen, durch Verbesserun- Theorie. In Wahrheit verbirgt sich dahinter eine gen beim Aufenthaltsstatus abgelehnter Asylbewer- Lockerung. Im Ermessensweg bleibt der Nachzug bis ber und sonstiger ausreisepflichtiger Ausländer, die zum 18. Lebensjahr möglich. Außerdem werden be- deutende Gruppen von der Herabsetzung des Nach- aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht zugsalters von vornherein ausgenommen: Kinder, die abgeschoben werden können, oder durch ein Dauer- zusammen mit ihren Eltern einreisen, Kinder von aufenthaltsrecht bereits nach drei Jahren für Inhaber Höchstqualifizierten und von Zuwanderern nach dem des kleinen Asyls, wenn der Fluchtgrund dann noch Punktesystem, Kinder von Asylberechtigten und von immer besteht. Das wird angesichts der bekannten Inhabern des kleinen Asyls. Krisenlagen meistens der Fall sein. Im Sinne besserer Integrationschancen für die Kin- Eine solche Niederlassungserlaubnis bei Aufent- der muss das Nachzugsalter grundsätzlich auf sechs halten aus humanitären Gründen soll künftig bereits Jahre – ich sage: noch viel besser auf drei Jahre – ge- nach sieben statt bisher acht Jahren erteilt werden. senkt werden. Der entscheidende Punkt ist aber: Ein vorheriges (Bundesminister Otto Schily: Auf null!) Asylverfahren wird auf die Aufenthaltsdauer ange- rechnet. – Ich sage das ganz bewusst: Darüber sollten wir dis- kutieren. Vielleicht denken Sie über meine Begrün- Die Bundesregierung weicht auch die klaren Rege- dung nach. lungen des geltenden Ausländerrechts auf. Das schafft ein weiteres Einfallstor für mehr Zuwanderung. Verehrter Herr Bundesminister, ein Kind, das mit drei Jahren nach Deutschland kommt, kann drei Eine konsequente Ausländerpolitik war in den Jahre lang in den Kindergarten gehen. Dann wird es 90er-Jahren nur machbar, weil das Ausländergesetz zum Zeitpunkt der Einschulung im sechsten Lebens- so gut wie keine Ermessensregelung aufweist. Der jahr die deutsche Sprache beherrschen, und es hat die Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält dagegen gleichen Zukunftschancen wie ein deutsches Kind. Es zahlreiche Ermessenstatbestände für die Erteilung wird von seiner Intelligenz und von seinem Fleiß ab- (B) von Aufenthaltsrechten. In der Praxis wird dies un- hängen, welchen schulischen und beruflichen Weg (D) weigerlich zu einer zunehmend großzügigen Ertei- es geht. Ich will, dass Ausländerkinder die gleichen lung von Aufenthaltsrechten und damit zu mehr Zu- Chancen wie deutsche Kinder haben. wanderung führen. Deswegen muss die Sprachkompetenz in jungen Beispielsweise zählt die Missachtung der Visum- Jahren erworben werden. Ich möchte nicht, dass Kin- pflicht nicht mehr zu den zwingenden Versagungs- der, die mit 12 oder 16 Jahren zu uns kommen und gründen. Der Anreiz gerade für solche Ausländer, die nicht über deutsche Sprachkenntnisse verfügen, keine von außen kaum eine Chance auf ein Aufenthalts- andere Chance haben, als zur dritten Hilfsarbeiterge- recht haben, ist enorm. Es gibt keinen Grund, das re- neration zu werden, allerdings mit dem Unterschied, dass wir heute, im Gegensatz zur ersten Generation, guläre Verfahren zu betreiben. Die Visumpflicht ist keine Hilfsarbeiter mehr in Deutschland brauchen. ein zentrales Instrument zur Steuerung und Kontrolle der Zuwanderung. Es darf nicht über Bord geworfen Auch bei den Regelungen zur Integration bleibt der werden. Gesetzentwurf hinter den tatsächlichen Anforderungen zurück. Ein ganz wesentlicher Kritikpunkt für mich ist Auch bei der Bekämpfung von Asylmissbrauch und dabei das Fehlen einer ausländerrechtlichen Sanktion illegaler Einreise sowie zur Durchsetzung der Ausrei- bei Nichtteilnahme an einem Integrationskurs. sepflicht lässt der Gesetzentwurf wesentliche Forde- rungen der Union außer Acht. Es fehlen wichtige Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusam- missbrauchseindämmende Maßnahmen im Asylver- men: SPD und Grüne schreiben den Grundsatz der fahren. Zuwanderungsbegrenzung nur auf das Etikett des Gesetzes. Sie erweitern die Arbeitsmigration. Sie er- Kommen kann schließlich jeder, bei dem die Ar- weitern humanitäre Bleiberechte. Sie erweitern den beitsverwaltung zustimmt. Die rechtlichen Grenzen Familiennachzug. Sie begünstigen Asylmissbrauch für die Arbeitsverwaltung bei diesen Entscheidungen und illegale Einreise. Allein diese Regelungen wer- werden erheblich gelockert. Es genügt ein regionales den Zuwanderung nach Deutschland massiv erhöhen. Arbeitsmarktbedürfnis. Dies erlaubt es, ausländische Zwei weitere Entwicklungen sind ebenfalls zu Arbeitskräfte den inländischen Arbeitskräften aus an- berücksichtigen: erstens die genau gegenläufige Ten- deren Regionen Deutschlands vorzuziehen. Das geht denz in den meisten anderen EU-Staaten, die die doch zu weit. Arbeitsmigration wird auf diese Weise Ausländergesetze teilweise drastisch verschärfen. letztlich in alle Segmente des Arbeitsmarkts zuge- Zweitens: Flüchtlinge und Schleuser – das hat die lassen. Das ist eine grobe Missachtung des Vorrangs Vergangenheit mehrfach gezeigt – reagieren äußerst von Qualifizierung und Beschäftigung inländischer rasch auf Veränderungen. 724 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Erwin Teufel (Baden-Württemberg) (A) Ein Zuwanderungsgesetz, wie die Bundesregierung Weiterhin würde ich darauf beharren, dass Gründe (C) es vorgelegt hat, wird die Zuwanderung nach nichtstaatlicher Verfolgung grundsätzlich ausge- Deutschland umleiten. Die Sozialkassen werden zu- schlossen sind. Ausnahmen müsste man sich sehr sätzlich belastet. Der Druck auf den Arbeitsmarkt genau ansehen, um nicht die gesamte Rechtsordnung wird erhöht. Inländische Arbeitslose werden benach- zu verändern. teiligt. Schließlich würde ich großen Wert darauf legen, Ich appelliere deshalb an die Bundesregierung: dass das Nachzugsalter auf höchstens zwölf Jahre Stimmen Sie den Änderungsanträgen der Union zu! festgeschrieben wird. Geben Sie vorrangig den rechtmäßig hier lebenden Ausländern und ihren Kindern Zukunftschancen Meine Damen und Herren, auf dieser Basis könnte durch Förderung der Integration! Setzen Sie nicht den Brandenburg das Gesetz mittragen. Ich bitte die Bun- sozialen Frieden aufs Spiel, sondern regeln Sie die desregierung sowie die Kolleginnen und Kollegen in Zuwanderung gemeinsam mit uns in einer sozialver- diesem Hohen Haus, an dem Gesetz ergebnisorien- träglichen Weise, und werden Sie so der Erwartung tiert weiterzuarbeiten mit dem Ziel, es möglichst vor der großen Mehrheit unseres Volkes gerecht! Ostern zu Stande zu bringen. Ich bitte Sie ferner sehr herzlich, dabei andere Motive zurückzustellen. Seien Sie ganz sicher: Wir werden genügend Wahlkampf- Präsident Klaus Wowereit: Das Wort hat Herr Minis- themen haben. terpräsident Dr. Stolpe (Brandenburg).

Präsident Klaus Wowereit: Herr Ministerpräsident Dr. h.c. Manfred Stolpe (Brandenburg): Herr Präsi- Dr. Stoiber (Bayern). dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich gibt es keinen Zweifel: Deutschland braucht ein Zuwanderungsgesetz. Es wäre schön, wenn wir schon Dr. Edmund Stoiber (Bayern): Herr Präsident! vor einem Jahr darüber verhandelt hätten. Nun aber Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir blasen die Trompeten zum Bundestagswahlkampf, über Zuwanderung reden, so will ich gerade auf und man spürt in jedem Gespräch, dass die Versu- Grund der Bemerkungen des Kollegen Stolpe vorweg chung präsent ist, dieses Thema in der einen, aber feststellen: Deutschland ist ein weltoffenes Land. Wir auch in der anderen Richtung zu nutzen. Denn es ist stehen im kulturellen, wirtschaftlichen und wissen- keineswegs deutlich erkennbar, wo wirklich Punkte schaftlichen Austausch mit allen Regionen der Welt. zu sammeln sind. Als exportorientiertes Land sind wir auf offene Gren- Wir werden – das ist meine größte Sorge – mit einer zen, offene Märkte, das Herein- und das Hinausströ- men von Ideen, Kreativität und Innovationen ange- (B) weiteren heftigen Debatte, die stark emotionalisiert, (D) den falschen Leuten Punkte verschaffen. Ich kann aus wiesen. schwieriger Erfahrung der letzten Jahre bei uns im Dennoch stellt sich die Frage: Wie viel Zuwande- Brandenburgischen sagen, dass die Anfälligkeit vor- rung braucht und wie viel Zuwanderung verträgt handen ist, dies als Anstoß zu weiterer Fremdenfeind- unser Land? Wir müssen doch nüchtern feststellen: lichkeit zu nutzen. Rechtsextremisten werden Auf- Deutschland ist unter den westeuropäischen Staaten wind bekommen. dem größten Einwanderungsdruck ausgesetzt. Wir Daher, meine Damen und Herren, bin ich sehr haben in den 90er-Jahren innerhalb der Europäischen daran interessiert, dass wir bald zu klaren Verhältnis- Union die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge aus Süd- sen kommen, die in alle Richtungen deutlich machen, osteuropa aufgenommen. Das war eine großartige in- welche Linie Deutschland in Zukunft verfolgt. Das tegrative wie humanitäre Leistung unseres Volkes. wird zur Beruhigung der Lage beitragen, und da- durch wird vermieden, dass Positionen gestärkt wer- In Deutschland leben heute bereits 7,3 Millionen den, die wir alle in diesem Haus nicht gestärkt wissen Ausländerinnen und Ausländer. Das sind rund 9 % wollen. unserer Bevölkerung. In Frankreich sind es 6 %, in Großbritannien 4 %. Diese 9 % – das muss man auch Brandenburg ist bereit, das Zuwanderungsgesetz sehen – verteilen sich nicht gleichmäßig über das mitzutragen, wenn gegenüber dem vorliegenden Ent- Land, sondern sind in besonderem Maße in Berlin und wurf deutliche Veränderungen vorgenommen wer- in den großen Städten der alten Bundesländer kon- den. Ich möchte insbesondere an vier Punkten zu er- zentriert. In Berlin sind es 18 %; an der Spitze steht kennen geben, wo wir Veränderungen erwarten. unter anderem München mit über 22 %. Zum einen sollte das Gesetz klarer zum Ausdruck bringen, welche Zielvorstellung es hat. Sie wäre am Hinzu kommt: In Deutschland haben rund 4 Millio- besten in einem eigenen Paragrafen festzuschreiben. nen Menschen keine Arbeit. Weit über 1 Million Menschen gehören darüber hinaus zur so genannten Zum anderen sollte das Auswahlverfahren zur Ar- stillen Reserve. Inzwischen ist unser Land auch beitsmarktzulassung erheblich stärker am Bedarf ori- Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Europa. entiert sein. In einer Region wie der unseren mit einer Arbeitslosigkeit von durchschnittlich 16 bis 17 % ist Ich will deutlich sagen: Herr Kollege Stolpe, Sie das für viele Menschen ein Gradmesser, was sie brauchen nicht die Sorge zu haben, dass das Gesetz davon zu halten haben. Gerade dies ist ein Punkt, der zu einer oberflächlichen oder polemischen Diskussion zum Anlass genommen werden kann, gegen Fremde missbraucht wird. Das haben mir die schmerzhaften zu hetzen. Debatten über die Änderung des Grundgesetzes in Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 725 Dr. Edmund Stoiber (Bayern) (A) den 90er-Jahren gezeigt. Damals war die CDU/CSU Warum sagen wir Nein zu dem Gesetz? Nach Auf- (C) im Gegensatz zur SPD der Meinung, man müsse das fassung des Bundeskanzlers ist Zuwanderung ein Grundgesetz ändern. Ich will darauf zurückkommen, ökonomisches Muss. Ist das wirklich so? Ich möchte Herr Kollege Schily, um deutlich zu machen, dass ich diese Aussage hinterfragen. die Befürchtungen des Kollegen Stolpe nicht teile. Ist Zuwanderung angesichts der bekannten und Wenn bestimmte Themen die Menschen bewegen weiter steigenden Arbeitslosigkeit ein ökonomisches – die Bürger lassen sich von der Politik, von den politi- Muss? Ist Zuwanderung angesichts der Tatsache, dass schen Parteien nicht vorschreiben, welche Themen die Arbeitslosigkeit der Ausländer mit 18,3 % dop- sie erörtern –, dann hat die Politik diese Themen auch pelt so hoch ist wie die der Gesamtbevölkerung, aufzugreifen. Wenn die Bevölkerung streitig über ein ein ökonomisches Muss? Hier in Berlin, Herr Präsi- Thema diskutiert, dann muss auch die Politik dieses dent, sind nach Angaben der Ausländerbeauftragten Thema kontrovers erörtern und versuchen, zu einem Barbara John 42% der Türken im arbeitsfähigen Konsens zu kommen. Wenn das nicht möglich ist, Alter arbeitslos. bleibt eben ein Dissens bestehen, und man muss Ist Zuwanderung angesichts der Tatsache, dass der immer wieder neue Anläufe machen. Anteil der ausländischen Sozialhilfeempfänger drei- Ich halte es für sehr gefährlich, Herr Kollege Stolpe, mal so hoch ist wie der Anteil der Ausländerinnen zu glauben, es sei schädlich, wenn die Politik Diskus- und Ausländer an der Bevölkerung, ein ökonomisches sionen, die in der Bevölkerung geführt werden, in an- Muss? Ist angesichts der Tatsache – ich möchte die gemessener Weise aufnimmt. Das Gegenteil ist der Zahlen, die Erwin Teufel genannt hat, erwähnen –, Fall. Ein Thema, über das in der Bevölkerung breit dass heute bei 7,3 Millionen Ausländerinnen und diskutiert wird und das sicherlich nicht zu Radikalis- Ausländern nur gut 2 Millionen sozialversicherungs- mus führt, bleibt dann radikalen Parteien überlassen, pflichtig beschäftigt sind – 1973, vor fast 30 Jahren, weil die etablierten und vor allen Dingen die großen waren es bei 4 Millionen Ausländern noch über Parteien es nicht so streitig behandeln, wie es in der 2,5 Millionen –, Zuwanderung ein ökonomisches Bevölkerung erörtert wird. Muss? In der Situation, die ich gerade zu beschreiben ver- Zuwanderung nach Deutschland heißt deshalb ge- sucht habe, braucht unser Land eines bestimmt nicht: genwärtig vor allem – das beklagen wir auch – Zu- Es braucht kein Mehr an Zuwanderung. Jedes Jahr wanderung in unsere ohnehin belasteten sozialen wandern nach Deutschland so viele Menschen zu, wie Sicherungssysteme. Bei uns leben heute über 3 Milli- Städte in der Größenordnung von Dortmund oder onen Ausländer mehr als 1973, aber rund 500 000 we- Nürnberg Einwohner haben. Das heißt, unser Land niger sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. (B) erbringt eine gewaltige Integrationsleistung. Das soll- Verschließen wir bitte nicht die Augen vor der Tatsa- (D) te man gegenüber der Bevölkerung anerkennend che, dass in den letzten 30 Jahren eine Zuwanderung festhalten. in die sozialen Sicherungssysteme stattgefunden hat – mit all den Belastungen, die uns beschweren. Man Aber ein Mehr an Zuwanderung ist meines Erach- sollte nicht behaupten, jemand habe ganz andere tens die Stoßrichtung des Entwurfs, über den wir Dinge im Sinn, wenn er in diesen Fragen eine andere heute debattieren. Lassen wir uns von der Überschrift Meinung vertritt. nicht täuschen! Sie ist für mich, der ich Gesetze lesen kann, ein Etikettenschwindel. Damit wird den Bürge- In diesem Zusammenhang muss auch das Problem rinnen und Bürgern Sand in die Augen gestreut; denn des Asylmissbrauchs genannt werden. Ich sage das in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es: deswegen, Herr Schily, weil ich als Innenminister dabei war, als wir gemeinsam mit Ihnen, Ihren Vor- Der dem gesamten Ausländerrecht zu Grunde gängern und Kollegen, in den Jahren 1991 und 1992 liegende Grundsatz der einseitigen Zuwande- den sehr, sehr schwierigen Asylkompromiss zu Stande rungsbegrenzung wird aufgegeben. gebracht haben. Wenn uns das nicht gelungen wäre, Wenn Überschrift und Inhalt nicht übereinstimmen, wäre es angesichts der damaligen Zuwanderung über ist das Thema verfehlt. das Asylrecht von fast 500 000 Menschen pro Jahr zu gewaltigen Eruptionen gekommen. Aber wir konnten Die Gründe, weshalb die Union, die CDU und die diesen Zustrom dann in gemeinsamer Verantwortung CSU, dem Gesetzentwurf in der gegenwärtigen Fas- Gott sei Dank kanalisieren. Wir erleben jedoch nach sung grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, sind wie vor einen erheblichen Missbrauch dieses Grund- hinreichend bekannt. Ich will sie nicht im Einzelnen rechtes. Bis zu 85 % der Asylbewerber – das wissen ausbreiten. Die Unionsfraktion hat einen umfassen- Sie – betreiben das Asylverfahren erfolglos. Sie beru- den Änderungsantrag in den Bundestag eingebracht. fen sich damit zu Unrecht auf die großzügigen Rege- Diesem Hohen Haus liegen Empfehlungen der Aus- lungen unseres Flüchtlingsrechts. Das dürfen wir nicht schüsse vor, die sich konstruktiv mit dem Entwurf verdrängen. Wir haben in dem Gesetzentwurf keine auseinander setzen. Wer Änderungsvorschläge zu unterhalb einer Grundgesetzänderung mögliche Re- 175 Einzelpunkten auf 142 Seiten vorlegt und mit- gelung gefunden, die dazu beiträgt, die Zahl der Fälle, trägt, dem kann man gewiss keine Fundamentaloppo- in denen das Asylrecht missbraucht wird, zu reduzie- sition gegen das Zuwanderungsgesetz an sich unter- ren. stellen. Wir sagen Nein zu dem Gesetz, aber nicht Nein zu einer grundlegenden Regelung des Zuwan- Natürlich kenne ich die Position der Wirtschaft zur derungsrechts. Zuwanderung. Selbstverständlich kenne ich auch die 726 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Dr. Edmund Stoiber (Bayern) (A) Diskrepanz zwischen der hohen Zahl der Arbeitslosen fragt natürlich, wie es zusammenpasst, wenn man ei- (C) und dem Umstand, dass so manche offene Stelle nur nerseits die Menschen immer früher in Rente schickt schwer zu besetzen ist. Aber macht es sich die Bun- und das vorhandene Potenzial an Arbeitskräften nicht desregierung nicht zu leicht, wenn sie deswegen nutzt, andererseits ein neues Potenzial an Arbeits- gleich nach mehr Zuwanderung ruft? Es ist für mich kräften – mit all den damit verbundenen Problemen – widersinnig, den Arbeitsmarkt sehr stark zu regulie- in unser Land holt. ren und 630-DM-Gesetze einzuführen – die Regu- Sie kennen die Zahlen, die gestern vom Landes- lierung des Arbeitsmarktes erschwert bekanntlich arbeitsamt Bayern veröffentlicht worden sind. Ich Neueinstellungen; darüber werden gegenwärtig an- möchte mein Land deswegen nennen, weil wir einen scheinend Diskussionen innerhalb der Bundesre- Großteil – etwa ein Drittel – der Green Cards bean- gierung geführt – und dann weiterhin nach Auslän- sprucht haben. Die Verteilung ist regional sehr unter- dern zu rufen. Notwendig ist eine Änderung der schiedlich. Die Region München hat einen großen Be- Wirtschafts- und der Arbeitsmarktpolitik, nicht aber darf an Green Cards. Trotzdem gibt es nach Angaben eine Öffnung hin zu mehr Zuwanderung aus ökono- des Landesarbeitsamtes – so ist es gestern vorge- mischen Gründen. tragen worden – eine ganze Reihe von arbeitslosen Wenn es an der Qualifizierung unserer Arbeitneh- Green-Card-Besitzern, die natürlich von den sozialen mer mangelt, sind wir alle – Bund, Länder, Arbeit- Sicherungssystemen aufgefangen werden. geber, Arbeitnehmer und Gewerkschaften – gefor- Das war eigentlich nicht Diskussionsgegenstand, dert. Dann müssen wir mehr für die Bildung, für die als die Wirtschaft den Bundeskanzler bedrängt hat, Weiterbildung und für lebenslanges Lernen tun. Das mindestens 100 000 ausländischer Kräfte in unser ist entscheidender als ein Mehr an Zuwanderung. Land zu holen. Denn Herr S t audt hat gesagt: Wir Die vorhandenen Regelungen reichen zum großen brauchen mindestens 100 000 Ingenieure. – Einen sol- Teil sogar für die benötigten Spitzenkräfte in Wirt- chen Bedarf haben wir nicht. Wir erleben gegenwär- schaft und Wissenschaft aus, wenn sie sachgerecht tig, auch in der Region München – das muss ich Ihnen gehandhabt werden. Ich halte es deshalb für unver- sagen, Herr Kollege Schily; Sie kennen sie –, die Frei- antwortlich, den seit 1973 bestehenden Anwerbe- setzung von hoch qualifizierten IT-Technikern, die stopp für ausländische Arbeitnehmer aufzuheben. Als nach einem Arbeitsplatz suchen. Dieses Problem muss der Anwerbestopp 1973 in der sozialliberalen Koali- man in seiner gesamten Breite erörtern. tion beschlossen wurde, betrug die Arbeitslosenquote Ich erinnere an das Bündnis für Arbeit. Bayern hat in Deutschland 1,2 %. Heute, bei über 9 % Arbeits- ein Bündnis für Arbeit; viele von Ihnen haben ähn- losigkeit, will man den Anwerbestopp aufheben. Ich liche regionale Bündnisse für Arbeit. Wir haben in un- halte das – mit Verlaub – für absurd. (B) serem Bündnis für Arbeit unter großen Schwierigkei- (D) Ebenso abwegig ist es, wenn man Zuwanderung ten ein Maßstäbegesetz zur Weiterbildung von bereits dann ermöglicht – das ist für mich ein ganz Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durchge- entscheidender Punkt; Herr Kollege Teufel hat ihn an- setzt, damit sie besser vermittelbar sind, wenn sie aus gesprochen –, wenn lediglich ein regionaler Arbeits- dem Arbeitsprozess ausscheiden müssen. Das Bünd- kräftebedarf besteht, während in anderen Regionen nis für Arbeit hat die gewaltige Aufgabe, zu einem Deutschlands eine Arbeitslosigkeit von bis zu 20 % Konsens zwischen den Arbeitgebern, den Gewerk- herrscht. Ich glaube, das können Sie den Menschen in schaften und der Politik über die Weiterbildung zu unserem Lande nicht erläutern. kommen. Das ist in der Tat ein großes Problem. Die Probleme sind zunächst und vor allem von uns Wir haben eine Ifo-Untersuchung zu der Frage zu lösen – durch mehr Bildung und Ausbildung und in Auftrag gegeben, wie sich die Osterweiterung durch das Ausschöpfen des Arbeitskräftepotenzials und die Wiedervereinigung Europas, die wir in den auch der älteren Generation. Dieses Thema müssen nächsten Jahren wohl vollziehen, auswirken werden. wir meines Erachtens angehen, wenn wir sagen, wir Studien belegen, dass bis 2010 kein wesentlicher öko- brauchen mehr Zuwanderung, weil uns die Arbeits- nomischer Bedarf an mehr Zuwanderung aus wirt- kräfte ausgehen. In unserem Land befinden sich nur schaftspolitischen Gründen besteht. Im Jahr 2010 sind noch 38 % der 55- bis 65-Jährigen im Arbeitsprozess, aber die östlichen Nachbarstaaten längst in der Eu- während der Durchschnitt in Europa 60 % beträgt ropäischen Union. Von dort wird sofort nach dem Bei- und der entsprechende Anteil in Großbritannien, der tritt ein Zuwanderungsdruck einsetzen, der unseren Schweiz und den Vereinigten Staaten bei über 70 % Arbeitskräftebedarf decken wird, sollte denn jenseits liegt. 2010 tatsächlich Bedarf bestehen. Wir werden – Gott sei Dank! – jedes Jahr gesünder Es ist den Menschen bei uns nicht zu vermitteln, älter. Männer und Frauen haben heute eine Lebens- dass ein Land, das, vom Wirtschaftswachstum her ge- erwartung von über 80 Jahren. Aber 45-jährige In- sehen, Schlusslicht in Europa ist und das mehr als vier genieure, die ihren Arbeitsplatz verlieren, gelten in Millionen Arbeitslose hat, aus ökonomischen Grün- Wirtschaft und Gesellschaft als kaum mehr vermittel- den Zuwanderung braucht. Öffnen wir angesichts bar. Wir können es uns nicht leisten, auf diese Weise steigender Arbeitslosigkeit und angekündigter Mas- mit den Ressourcen unseres Volkes umzugehen und senentlassungen die Tore – heute steht in der „Bild“- denjenigen nachzugeben, die sagen: Wir brauchen Zeitung, wie viele Arbeitnehmer angeblich freigesetzt jüngere Arbeitskräfte aus dem Ausland. – Ich meine, werden –, führt dies zu einem harten Verdrängungs- das ist unserer Bevölkerung nicht zu vermitteln. Sie wettbewerb zu Lasten sowohl der deutschen als auch Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 727 Dr. Edmund Stoiber (Bayern) (A) der hier lebenden ausländischen Arbeitslosen. Glückt Für mich ist Maßstab einer verträglichen Zuwande- (C) die Aufnahme in den Arbeitsmarkt nicht, haben die rung auch die Bewahrung unserer nationalen und Sozialhaushalte die Folgen zu tragen. Mittelfristige kulturellen Identität. Wer über Zuwanderung redet, Folge wären dann noch höhere Lohnnebenkosten. Ich muss auch darüber, nicht nur über das „ökonomische habe gerade versucht, das anhand der Diskussion und demografische Muss“ sprechen. Wer über Zu- über die Green Card zu erläutern. wanderung redet, muss auch über die Grenzen der Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft sprechen. Nicht wenige führen als Gründe für mehr Zuwan- Und wer über Zuwanderung redet, muss die Integra- derung die demografische Entwicklung an. Auch hier tionsbereitschaft des Zuwanderers betonen. Diese In- ist zu fragen: Gibt es ein demografisches Muss für tegrationsbereitschaft muss meines Erachtens über mehr Zuwanderung? Die demografische Entwicklung den Spracherwerb hinaus in Richtung Akkulturation Deutschlands durch Zuwanderung kompensieren zu wollen ist eine reine Illusion. Allein um die Zahl der gehen. Wer einem Kulturrelativismus frönt, verkennt Erwerbspersonen auf dem derzeitigen Niveau kon- den Ernst und die Bedeutung dieser Frage. stant zu halten, müssten nach Modellrechnungen Ich möchte Bassam T i b i zitieren: Wer heute die rund 450 000 Personen netto jährlich zuwandern. Um kulturelle Homogenität einer Gesellschaft missach- den Alterslastquotienten, also das Verhältnis der er- tet, hat es morgen mit den Problemen „zugemauerter werbsfähigen Bevölkerung von 15 bis 64 Jahren zu Parallelgesellschaften“ zu tun. Mit diesem Problem den 65-Jährigen und Älteren, konstant zu halten, haben wir uns gegenwärtig schon zu beschäftigen. wäre bis 2050 gar eine Zuwanderung von mehr als drei Millionen Menschen jährlich notwendig. Ange- Deshalb ist die Frage des Kindernachzugsalters ent- sichts solcher Zahlen erübrigt sich wohl jede Debatte scheidend. Natürlich kann man über das Nachzugs- über das demografische Muss. alter reden; es sollte eher weit unter zehn Jahren als bei zehn Jahren oder gar noch darüber liegen. Auch hier haben wir aus eigener Kraft Vorsorge zu treffen – durch familienpolitische Initiativen, durch Es geht nicht an, dass Eltern unsere Eingliede- eine deutliche faktische Verlängerung der Lebensar- rungsbemühungen dadurch unterlaufen, dass sie ihre beitszeit auf wieder bis zu 65 Jahre und durch Refor- Kinder in das Heimatland zurückschicken, damit sie men in den Sozialsystemen. Wir machen es uns zu dort zur Schule gehen. Dies müssen wir künftig ver- leicht – das sage ich auch an die Adresse der Wirt- hindern. Herr Schily, wir stehen in Teilen Münchens schaft –, wenn wir unsere Probleme vor allen Dingen vor der Situation, dass 20 bis 25 % der ausländischen durch Zuwanderung lösen wollen. Kinder mit sechs Jahren, die die Schule erwartet, nicht mehr im Lande sind. Mit 15 oder 16 Jahren keh- Es gibt auch kein Muss für mehr Zuwanderung aus ren sie wieder zurück. Vor allem sie – ich unterstrei- (B) humanitären Gründen, weil schon das geltende Recht che das, was Erwin Teufel gesagt hat – gehören dann (D) jedem Mann und jeder Frau ausreichend Schutz ge- zu den 70 % jungen türkischen Mitbürgerinnen und währt. Das hat der Herr Bundesinnenminister bei den Mitbürgern, die arbeitslos sind oder keinen Ausbil- Koalitionsverhandlungen mit den Grünen selbst dungsplatz erhalten. Hier entsteht sozialer Spreng- immer wieder betont. Der Gesetzentwurf setzt hier stoff. falsche Signale. Er gibt Anreize zu mehr Einwande- rung und produziert geradezu Asylmissbrauch. Die Argumentation, wir müssten das Nachzugsalter von Kindern erhöhen, um Familienzusammenführun- Für mich stellt sich dabei die Frage nach der Inte- gen zu ermöglichen, ist vordergründig natürlich sehr grationskonzeption. Wir haben bislang, wenn wir familienfreundlich. Aber hintergründig ist das eine ehrlich sind, keine stringente Konzeption. Im Übrigen falsche Entwicklung. Wir müssen die Kinder in unse- haben die Last der Integration, Herr Bundesinnenmi- rem Lande früher erreichen. nister, in besonderem Maße natürlich die Kommunen und die Länder zu tragen. Ich will die Pisa-Studie erwähnen – ich glaube, sie wird uns ohnehin noch intensiv beschäftigen –, bei Die Bundesregierung hat auch keine hinreichenden der es nicht nur um die Bildungspolitik, sondern auch Berechnungen der Integrationskosten vorgelegt. Vor um die Schulpolitik geht. Die Pisa-Studie ist ein Spie- der Neuorientierung der Zuwanderungspolitik sollten gel unserer gesamten Gesellschaft. Wir sehen doch, wir endlich Klarheit schaffen, wohin integriert wer- welche Bedeutung das Sprachvermögen hat, und wir den soll, um welche Form der Integration es sich han- müssen auch erkennen, dass wir – aus einer Reihe deln soll und was die Bürgerinnen und Bürger dies von Gründen – nicht alles getan haben, um das kostet. Sprachvermögen der Kinder zu verbessern. Ich erin- Der Bundeskanzler hat auf dem Gewerkschaftstag nere an die unselige Diskussion – Sie alle kennen sie – der ÖTV Anfang November 2000, als die Diskussion in den 70er- und 80er-Jahren, in der argumentiert begonnen hat, sinngemäß gesagt, Integration sei worden ist, man müsse den Kindern in erster Linie dann gegeben, wenn die Verfassung geachtet werde, heimatsprachlichen Unterricht ermöglichen, damit sie die Gesetze befolgt würden und die Sprache be- ihre Identität behalten. In vielen Ländern hat man auf herrscht werde. Auf den ersten Blick scheint das aus- die Wahrung der heimatlichen Identität und auf die zureichen. Doch ich frage schon: Warum blendet Ausbildung in der Heimatsprache größeren Wert ge- man den gesamten historischen, kulturellen und geis- legt als auf den Erwerb der deutschen Sprache. Ab- tigen Bereich aus? Genügt diese bloße nüchterne, weichende Positionen wurden mit dem Begriff äußere Form der Integration, wenn man dauerhaft „Zwangsgermanisierung“ diffamiert nach dem Motto, hier leben möchte? man dürfe die Kinder nicht zwingen, zunächst einmal 728 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Dr. Edmund Stoiber (Bayern) (A) Deutsch zu lernen. Wenn Sie ins Ausland fahren, Herr Kollege Stolpe, die Diskussion hier und da- (C) dann stellen Sie fest, dass in Finnland, Schweden rüber hinaus ist dringend notwendig. Wir dürfen den- oder Italien kein Kind in die Schule aufgenommen jenigen, die ganz andere Ziele erreichen – ich denke wird, das nicht ausreichend Finnisch, Schwedisch dabei an Länder, in denen das Problem virulenter ist oder Italienisch beherrscht. als in anderen – und das Thema missbrauchen wollen, nicht das Feld überlassen, indem wir offene Streit- Wir haben das Problem, dass zu viele Kinder in un- fragen nicht ausdiskutieren. – In diesem Sinne danke seren Schulen die deutsche Sprache nicht beherr- ich Ihnen. schen. Ich schließe mein Land nicht davon aus. Es entstehen Konflikte, wenn fünf, sechs oder sieben deutsche Kinder, die zusammen mit sehr vielen aus- Präsident Klaus Wowereit: Ich erteile nunmehr ländischen Kindern in einer Schulklasse sind, im Un- Herrn Ministerpräsidenten Gabriel (Niedersachsen) terricht nicht vorankommen, weil nicht alle dieselbe das Wort. Sprache sprechen. Das ist ein Problem, das die Eltern zutiefst bewegt. Sigmar Gabriel (Niedersachsen): Herr Präsident, Diese Fragen werden in der politischen Diskussion meine Damen und Herren! Herr Kollege Stoiber, in über das Zuwanderungsrecht nicht hinreichend erör- einem Punkt stimmen wir jedenfalls überein: Auch tert. Ich stelle fest, dass in vielen Talkshows und Dis- ich glaube, dass wir keine Debatte darüber führen kussionsrunden kaum darüber diskutiert wird, welche müssen, ob die Zuwanderung ein Wahlkampfthema Probleme die Integration mit sich bringt und was wir sein wird oder nicht. Wenn diese Frage am Ende strei- ändern müssen, um eine bessere Integration zu errei- tig bleibt, unterliegt es wahrscheinlich nicht dem Ein- chen. Eine Debatte darüber ist notwendig, weil sich fluss von Politikerinnen und Politikern, darüber zu die deutschen Schüler in der Pisa-Studie unter den entscheiden. Im Übrigen ist es nicht schlimm, wenn schlechtesten wiederfinden. Das wirft natürlich ein man sich im Wahlkampf mit einer gesellschaftlich außerordentlich ungünstiges Licht auf Deutschland. wichtigen Frage auseinander setzt. Wozu sonst sind Dies müssen wir in aller Ruhe erörtern. Wahlkämpfe da? Ich bin allerdings der Auffassung, dass die Bundesregierung sehr gute Argumente hat, Man wird immer wieder gefragt: Wollen Sie das um diese Auseinandersetzung zu bestehen. Deswe- zum Wahlkampfthema machen? – Das ist doch nicht gen braucht man sich auch nicht vor ihr zu fürchten. der Punkt. Wir müssen uns mit der Sache auseinander setzen und die Unterschiede herausarbeiten. Wenn Vor einem allerdings will auch ich warnen: Herr wir nicht zu einer gemeinsamen Lösung finden, dann Kollege Stoiber, wir müssen die Debatte rational muss eben mit Mehrheit entschieden werden. Das führen. Dazu gehört, dass man die Argumentations- (D) (B) Thema bleibt aber immer in der Diskussion. Das woll- grundlage, auf der man sich auch im Bundesrat be- te ich in aller Offenheit sagen. wegt, nicht permanent wechselt. Meine Damen, meine Herren, auch wir wollen eine Anlässlich der Green-Card-Initiative der Bundesre- Gesamtregelung der Zuwanderung. Im Gegensatz gierung vor etwa anderthalb Jahren haben wir im tatsächliche zur Bundesregierung ist unser Ziel die Bundesrat einen Vortrag des Kollegen Beckstein Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung im gehört, in dem er die Blue Card forderte. Damals deutschen Interesse. Das muss im Gesetz stehen, sagte er, die Green Card, die nur für Informatiker ge- nicht nur im Titel. dacht war, reiche nicht aus. Die Wettbewerbsfähigkeit Herr Schily, Sie werfen mir vor, ich würde die Men- der deutschen Wirtschaft, insbesondere des deut- schen falsch informieren und könne das Gesetz nicht schen Mittelstandes, erfordere es, dort, wo es nötig lesen. Ich werfe Ihnen das nicht vor. Unterstellen Sie sei, also in den Bereichen, in denen ein Mangel an Ar- mir nicht, ich könne kein Gesetz lesen. Ich lese so- beits- und Fachkräften herrsche, beispielsweise im wohl den Gesetzestext als auch die Begründung. Im Maschinenbau und in der Elektrotechnik, wo Ingeni- Anschluss an Ihre Pressekonferenz, nachdem Sie den eurinnen und Ingenieure gebraucht würden, eben- Entwurf vorgelegt hatten, gab es eine Fülle von Reak- falls die Möglichkeit der Zuwanderung zu schaffen. tionen. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass viele Damit solle dem Mittelstand, der bestimmte Preise in- nur Ihre Presseerklärung, nicht aber den Entwurf zum nerhalb der Gehaltsstrukturen nicht bezahlen könne, Maßstab ihrer Beurteilung genommen haben. Deswe- die Chance gegeben werden, bei knapper werdenden gen sollten wir uns gegenseitig nicht mit Vorwürfen Fachkräften Zeit zu überbrücken. überhäufen. Ich jedenfalls tue das nicht. Ich erwarte Ich fand, das war eine gute Initiative. Wir haben uns von Ihnen dasselbe. Wir beide können Gesetze durch- damals der bayerischen Auffassung angeschlossen. aus lesen. Vielleicht legen wir sie dann unterschied- Nur, ich begreife nicht ganz, wieso Sie die Diskussi- lich aus. Aber Sie kennen unsere Position. Ich brau- onsgrundlage jetzt wechseln. Sie konstruieren einen, che sie nicht im Einzelnen darzustellen. wie ich finde, dramatischen Gegensatz zwischen Ar- Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ge- beitslosigkeit und Entlassungen auf der einen Seite setzentwurf weist unseres Erachtens in die falsche und der Zuwanderung durch den vorliegenden Ge- Richtung. Wir lehnen ihn deshalb in der vorliegenden setzentwurf – sozusagen dem Öffnen von Schleusen- Form ab. Die Bundesregierung kann mit unserer Zu- toren – auf der anderen Seite. Als Beleg haben Sie in stimmung rechnen, wenn sie sich ganz erheblich in Ihrem gesamten Vortrag nur einen einzigen Satz aus Richtung unserer Änderungsvorschläge bewegt. der Begründung des Gesetzentwurfs angeführt: Ihr Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 729 Sigmar Gabriel (Niedersachsen) (A) kehrt von dem Prinzip der einseitigen Zuwanderungs- Meine Damen und Herren, das ist kein Allheilmit- (C) möglichkeit ab. – Ich wäre dankbar, wenn es im Ge- tel. Das wäre eine Überhöhung der Debatte über das setzgebungsverfahren gelänge, für diese Behauptung Zuwanderungsgesetz. Niemand hat die Vorstellung ein paar Belege mehr beizubringen als nur einen ein- – wir jedenfalls nicht –, durch Zuwanderung könne zigen Satz aus der Begründung. Dort steht noch vieles man die sozialen, ökonomischen oder bildungspoliti- mehr, z. B. dass es außerordentlich schwierig ist, Blue- schen Probleme in Deutschland lösen. Aber sie ist ein Card-Initiativen, wie von Bayern gefordert, auf der Instrument, mit dem wir die Chance haben, im inter- Grundlage des geltenden Zuwanderungsrechts zu er- nationalen Wettbewerb um die besten Köpfe zu kon- möglichen. Das ist die Begründung, warum von der kurrieren. Es dient der Sicherung, nicht der Ver- einseitigen Zuwanderungsbegrenzung bzw. dem In- nichtung von Arbeitsplätzen in Deutschland, wenn teresse daran abgewichen werden soll. Es ist sozusa- wir den Menschen die Möglichkeit geben, hier zu gen der Versuch, der Forderung von Herrn Beckstein arbeiten und unserer Volkswirtschaft zu helfen. Das von vor anderthalb Jahren zum Siege zu verhelfen. ist, wenn Sie so wollen, ein sehr egoistisches Inte- Ich verstehe nicht ganz, warum Bayern heute dage- resse. gen ist. Herr Kollege Stoiber, dort, wo Massenarbeitslosig- Wir müssen aufpassen, dass wir die Debatte rational keit herrscht, wo Fachkräfte vorhanden sind und wo führen. Worum geht es? Wenn Sie sich heute in den Menschen, die über 45 Jahre alt sind, eine Qualifika- Hörsälen Nordamerikas umsehen, werden Sie erken- tion haben oder eine solche erwerben können, dürfen nen, dass die Hälfte von Studentinnen und Studenten und wollen wir Zuwanderung nicht zulassen. In dem der Ingenieurwissenschaften aus Südostasien und Gesetz heißt es doch nicht: Ihr mit Mühsal Beladenen, China belegt ist. kommt ab dem 1. Januar 2002 oder 2003 nach Deutschland, Ihr dürft zuwandern! – Darin steht viel- Wenn Sie sich die Managementausbildung an- mehr: Wir wollen uns in die Lage versetzen, zu be- schauen, stellen Sie fest: An den Postgraduierten-Stu- stimmten Zeitpunkten einer bestimmten Bevölke- diengängen in den Vereinigten Staaten nehmen vor rungsgruppe die Zuwanderung zu ermöglichen. Um allem Menschen aus Südostasien teil, die dort getreu nicht mehr, aber auch um nicht weniger geht es. dem guten deutschen Motto ausgebildet werden: Du kannst aus jedem guten Ingenieur auch einen guten Herr Kollege Stoiber, mit der Konstruktion „Mas- Kaufmann machen, nur nicht umgekehrt. – Die Bes- senarbeitslosigkeit hie und Gefährdung durch weite- ten bleiben in den Vereinigten Staaten, der Rest kehrt re Zuwanderung da“ werden die Menschen in in die jeweiligen Heimatländer zurück. Nun raten Sie Deutschland aufeinander gejagt. Das ist, finde ich, einmal, in welche Richtung sich ihre Unternehmen irrational. Mit dieser Behauptung, die Sie nicht bele- (B) orientieren – jedenfalls nicht nach Europa und nicht (D) gen und auch nicht aus dem Entwurf herleiten kön- nach Deutschland! nen, bringen Sie die Leute in die Schützengräben. Bei der Debatte über diesen Teil der Zuwanderung Davon – da gebe ich Ihnen Recht – könnte am Ende geht es in Wahrheit darum, ob Deutschland in einer derjenige profitieren, auf den Sie mit Sorge blicken, globalen Wirtschaft im Wettbewerb um Spitzenkräfte was Wahlerfolge konservativer Regierungen oder von weiterhin mithalten will oder ob wir zaghaft argu- Oppositionsparteien in Deutschland angeht. Wir mentieren sollen: Zwar dürfen Menschen für fünf haben in einigen Teilen der Republik erlebt, was Jahre kommen, aber sie müssen gleich 100 000 DM durch Ängste mobilisierbar ist. verdienen, sonst nicht. – Es geht darum, ob wir einen ausländischen Absolventen, der bei uns Maschinen- Wir müssen den Menschen die Ängste nehmen, bau studiert hat, wieder nach Hause schicken, obwohl indem wir – ich wiederhole es – sehr rational und in wir nicht genug deutsche Absolventen haben und un- Anlehnung an das, was Herr Kollege Beckstein mit seren Mittelständlern sagen müssen: Wir haben gera- der Blue Card vor anderthalb Jahren gefordert hat, de ein Fachkräfteproblem. Das tut uns Leid. Ihr hättet einzugreifen versuchen. eben mehr ausbilden müssen. Zweiter Punkt. Wir sollten offen sagen, dass wir in Alles das ist nicht rational. Es geht doch nicht Deutschland natürlich Interesse an der Begrenzung darum, gegenüber Tausenden von Menschen bei von Zuwanderung haben. Wir brauchen nicht quanti- MAN, der Deutschen Bank oder anderen Unterneh- tativ mehr Zuwanderung. Da hat Herr Stoiber recht. men, die ihren Job verlieren, sozusagen die Schleusen Aber wir brauchen in einigen Bereichen ein Zuwan- zu öffnen und den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt derungsrecht – nicht heute, Herr Kollege Stoiber, son- zu verschärfen. Das Ziel ist vielmehr, zu Normalität dern vielleicht in fünf, sechs oder sieben Jahren oder bei der Zuwanderung zu kommen. Es sollte auch in wieder in 15 Jahren –, das uns die Möglichkeit einer Deutschland nicht verboten sein, ein nationales In- bestimmten, an Qualitätsgesichtspunkten orientierten teresse an Zuwanderung dort zu definieren, wo sie Zuwanderung gibt. Ich weiß nicht, was Sie dagegen nötig ist, und zu sagen: Wir nehmen Menschen nicht haben. Ich will keine Konkurrenz zum Facharbeiter nur aus humanitären Gründen auf, sondern wir bei Volkswagen organisieren. Aber ich würde es sehr wollen Zuwanderung zu bestimmten Zeiten, in be- gerne erreichen, dass die Mittelständler in meinem stimmten Branchen und bei bestimmten Qualifikatio- Land die Chance haben, zu erträglichen Kosten Inge- nen abhängig von der regionalen Situation auch aus nieure einzustellen, solange wir nicht genügend aus- ökonomischen Gründen ermöglichen. gebildet haben. 730 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Sigmar Gabriel (Niedersachsen) (A) Übrigens, dass wir nicht genug ausgebildet haben, rationale Debatte darüber zu führen, was unsere Be- (C) liegt auch daran, dass wir immer bestimmte Signale völkerung bewegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass aussenden. Wenn auf der CeBIT1993 davor gewarnt die Bevölkerung bei Ihnen, was die Schilderung an- wird, Informatik zu studieren, dann gibt es Jugend- geht, andere Schwierigkeiten hat als die Bevölkerung liche, die darauf hören. Und wenn wir erklären, bei uns. Bei uns sind mit Ausländern und Asylbewer- Deutschland sei sozusagen am Ende seiner wirt- bern häufig Personen gemeint, die nach geltendem schaftlichen Möglichkeiten, wenn wir über 16 oder Recht Deutsche sind, einen deutschen Pass haben 20 Jahre Weltuntergangsstimmung verbreiten und und mit denen erhebliche Integrationsprobleme in über den Schiffbau immer nur so reden, als habe er unseren Stadtteilen verbunden sind. keine Zukunftschance und sei eine Subventionswirt- Dies ist keine Stigmatisierung der Gruppe der Aus- schaft, studieren junge Menschen nicht Schiffbauin- siedler, sondern es ist das Bekenntnis, dass das Wich- genieurwesen. Dann fehlen uns Schiffbauingenieure, tigste in der Debatte das ist, was Sie gesagt haben, und wir müssen eine bestimmte Zeit lang darum wer- Herr Kollege Stoiber, nämlich dass es gilt, die Sorgen ben, dass aus anderen Ländern welche zu uns kom- der Bevölkerung ernst zu nehmen. Ich kann Ihr Plä- men. Es geht also um qualitative Steuerung und um doyer für Begrenzung in der Sekunde ernst nehmen, Begrenzung. in der Sie bereit sind zu sagen: Jawohl, unsere Mess- Wenn jemand ans Rednerpult tritt und in den Mit- latte gilt auch für die Gruppe der Spätaussiedler. – telpunkt seiner Rede die Aussage stellt, er wolle Dann wollen wir einmal sehen, wie wir miteinander Zuwanderung begrenzen, dann wäre es allerdings klarkommen. aufrichtig und rational, wenn er den Teil herausgriffe, (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Henning Scherf) der Deutschland zurzeit vor die größten Integrations- probleme stellt. Die größte Zuwanderungsgruppe sind Wir haben in Deutschland kein Zuwanderungspro- seit vielen Jahren die Spätaussiedlerinnen und blem, sondern wir haben – auch darin stimmen wir Spätaussiedler sowie ihre Familienangehörigen, Herr überein – ein massives Integrationsproblem. Zur Kollege Stoiber. Deutschland hat seit 1950 mehr als Wahrheit gehört auch, dass wir seit mehreren Genera- 4,1 Millionen Aussiedler aufgenommen und inte- tionen ein Integrationsversagen festzustellen haben. griert. Das war notwendig und richtig. Es war nach In Deutschland lebt jetzt die dritte Generation von meiner Auffassung eine enorme Leistung. Türken. Wir haben Schwierigkeiten mit den jungen Türkinnen und Türken, Herr Kollege Teufel, obwohl Inzwischen sind mehr als drei Viertel der neu An- sie die Grundschule bzw. unser Bildungssystem kommenden nichtdeutsche Angehörige. Deutsch- durchlaufen haben – sei es das Gesamtschulsystem kenntnisse oder in Deutschland nachgefragte Berufs- oder das dreigliedrige Schulsystem. Es gibt Parallel- abschlüsse fehlen. Die Integrationslage verschlechtert (B) gesellschaften in Deutschland, von denen der „Kali- (D) sich deutlich. Dies gilt insbesondere für Jugendliche fatsstaat“ wahrlich das Schlimmste ist, was wir öffent- und junge Erwachsene aus Aussiedlerfamilien, die lich erlebt haben. Darunter existieren – weit weniger mit Sprach- und Schulproblemen massiv zu kämpfen deutlich – zahlreiche andere, vielfältige Formen von haben. Parallelgesellschaften. Meine Damen und Herren, das können Sie bis in Mein wichtigstes Anliegen in der Debatte ist, deut- die Haftanstalten hinein nachvollziehen; das muss lich zu machen, dass wir über die Vorschläge zur Inte- man einmal aussprechen. Es nützt doch nichts, Herr gration und deren Finanzierung, die in dem vorge- Kollege Stoiber, wenn wir nicht auch an diesem Punkt legten Gesetzentwurf enthalten sind, dringend weiter offen sagen, worum es geht. Wir haben keinerlei Pro- beraten müssen. Ich meine nicht, dass die Kostentei- bleme mit den erwachsenen Aussiedlergenerationen. lung realistisch ist. Ich glaube nicht, dass es mit Aber wir haben massive Integrationsprobleme. Wir Sprachkursen allein getan ist. Wir erleben Stadtstruk- beobachten Kriminalitätsstrukturen bis tief in die turen in den Großstädten, die mit enormem Aufwand Haftanstalten hinein. Wenn Sie etwas zur Verbesse- verändert werden müssen. Die Bundesregierung hat rung der Situation bei Ihnen in München tun wollen, mit dem Programm „Soziale Stadtentwicklung“ dann sorgen Sie doch mit dafür, dass pro Jahr nicht damit begonnen. Wir würden unseren Kommunen bei 100 000 kommen, sondern dass wir auch hier zahlen- der Integration von Ausländern und Aussiedlern we- mäßig und qualitativ begrenzen, z. B. indem wir uns sentlich mehr helfen, wenn wir ihnen die Möglichkeit dafür entscheiden, dass für Aussiedler, die aus den geben könnten, solche Stadtstrukturen, die leider ent- ehemaligen Mitgliedstaaten der Sowjetunion kom- standen sind, zu verändern. Das ist insbesondere in men, das Gleiche gilt wie für Aussiedler aus anderen den Großstädten ein erhebliches Problem. Staaten Osteuropas, nämlich dass sie individuellen Verfolgungsdruck und nicht nur deutsche Sprach- Es stimmt: Wir müssen dabei nicht nur fördern, son- kenntnisse auch von Familienangehörigen nachwei- dern vor allen Dingen auch fordern. Ich meine, dass sen müssen. Warum sind Sie nicht bereit, an diese es z. B. in der Debatte über moslemische Gruppierun- 100 000 Personen pro Jahr die gleiche Messlatte an- gen in Deutschland nicht ausreicht, im Extremfall, wie zulegen, die Sie vorhin in der Debatte angelegt dem 11. September, sozusagen eine äußerliche Dis- haben? Das hat nichts mit Aussiedlerfeindlichkeit zu tanzierung vorzunehmen; dazu gehört vielmehr ein tun. offensives Bekenntnis zu unserer Verfassung. Wir müssen aufpassen, dass Deutschland für die Men- Ich nehme jetzt einmal das für mich in Anspruch, schen, die aus anderen Kulturen zu uns kommen, was Sie für sich in Anspruch nehmen, nämlich eine keine beliebige Republik ist, sondern eine sehr Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 731 Sigmar Gabriel (Niedersachsen) (A) konkrete. Wir müssen nicht nur den Koran auf minister der Länder einen Weg finden, der unseren (C) Deutsch und unter deutscher Schulaufsicht unterrich- Landtagen das gestattet. Ich bin der Auffassung, dass ten, sondern wir müssen vor allen Dingen eine Ver- wir das schaffen werden. bindung zwischen dem Glauben, der Kultur und un- Am Ende werden die Begrenzung und die Steu- serer Verfassung sowie unserer Gesellschaft erung von Zuwanderung und auch die Integration herstellen. Dazu brauchen wir keine neue Leitkultur, nicht allein durch dieses Gesetz zu erreichen sein, sondern wir müssen uns nur daran halten, was in den schon gar nicht nur durch Sprachkurse. 30 bis 40 % ersten 20 Artikeln unserer Verfassung steht. Mehr an Arbeitslosigkeit unter türkischen Jugendlichen, z. B. Leitkultur ist zum Leben in Deutschland eigentlich in Berlin, Stadtteilstrukturen mit dem Charakter von nicht notwendig. Parallelgesellschaften, hohe Kriminalitätsraten bei ju- Ich bin – im Gegensatz zum Kollegen Teufel – der gendlichen Aussiedlern und manchmal ein mehr als Auffassung, dass der Vorwurf, wir würden die Asyl- 70%iger Ausländeranteil an unseren Grundschulen – gründe ausweiten, absolut unzutreffend ist. Das Asyl- all dies zeigt, dass es ein Integrationsversagen gibt verfahren wird nicht ausgeweitet. Im Gegenteil, wir und dass wir mehr Intelligenz brauchen, als zur Bera- schaffen einige vernünftige Rechtskonstruktionen für tung eines einzelnen Gesetzentwurfs aufgewendet diejenigen, die aus humanitären Gründen zu uns wird. Aber der vorliegende ist eine gute, ausgezeich- kommen. nete Grundlage, um die Diskussion zu beginnen. Ich finde, meine Damen und Herren, wir sollten keine In Fällen geschlechtsspezifischer Verfolgung weist Sorge haben, das notfalls auch im Wahlkampf zu tun. doch weder Baden-Württemberg noch weisen wir Menschen aus; denn die Genfer Flüchtlingskonven- tion verbietet uns das. Wir überführen sie endlich in Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Nächster Redner nationales Recht. Auch beim Thema „Asylrecht“ wird ist Herr Kollege Müller aus dem Saarland. eine irrationale Debatte vorbereitet. Über einen Punkt würden wir mit der Bundesre- Peter Müller (Saarland): Herr Präsident! Meine sehr gierung gerne sprechen; er betrifft ein menschliches verehrten Damen und Herren! Dass wir im Bereich Problem. Ich will Ihnen einen Fall schildern – er ist lei- von Zuwanderung und Integration Regelungsbedarf der exemplarisch für das deutsche Ausländerrecht –, haben, ist unstreitig. Deutschland war Zuwande- weswegen ich dafür bin zu versuchen, eine Härtefall- rungsland, ist Zuwanderungsland und wird auch wei- klausel zu erarbeiten: Ein junges Mädchen wurde im terhin Zuwanderungsland sein. Seit 1951 sind 31 Mil- Alter von 12, 13 Jahren von ihrem Vater über Jahre lionen Menschen in die Bundesrepublik Deutschland sexuell missbraucht. Der Vater wurde vor Gericht ge- gekommen. Im selben Zeitraum haben 22 Millionen (B) stellt, verurteilt und nach einer bestimmten Haftzeit in Menschen die Bundesrepublik Deutschland wieder (D) das Heimatland – nach Osteuropa – abgeschoben. verlassen. In der Diskussion ist darauf hingewiesen Das Mädchen wurde 16 Jahre alt. Nach dem gelten- worden, dass wir gegenwärtig jährlich etwa das Be- den Ausländerrecht kann man mit 16 Jahren im Hei- völkerungspotenzial der Stadt Dortmund aufnehmen matland leben. Das Mädchen war in Deutschland ge- und diese Menschen dann Fall für Fall in unsere Ge- boren. Es erhielt eine Ausweisung – alles völlig sellschaft zu integrieren haben. korrekt – an den Wohnort des Erziehungsberech- Die Bundesrepublik Deutschland stellt sich ihren tigten, des Vaters. Wir haben keine Möglichkeiten humanitären Verpflichtungen, und zwar in einer Art gehabt, diesem Mädchen zu helfen. Wir mussten und Weise, auf die durchaus hingewiesen werden dann dafür sorgen, dass ein kluger Arzt die Suizidge- darf. Die Bundesrepublik Deutschland alleine hat bei- fahr des Mädchens bescheinigt, damit ein tatsäch- spielsweise mehr Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem licher Grund vorliegt, das Mädchen nicht abzuschie- Gebiet des ehemaligen Jugoslawien aufgenommen ben. – Das finde ich unmenschlich. als alle übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Es gibt ähnliche Fälle. In der letzten Woche hat der Union zusammen. Niedersächsische Landtag übereinstimmend, mit den Richtig ist auch der Befund – dies ist bereits ange- Stimmen der CDU, erklärt: Hier haben wir einen Fall, sprochen worden –, dass die Zuwanderung in die in dem wir nicht abschieben wollen. Wir halten die Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren Abschiebung den Kindern gegenüber für nicht ver- primär eine Zuwanderung in die Sozialsysteme war, tretbar. Aber wir haben keine andere rechtliche Mög- nicht in die Teile des Arbeitsmarktes, in denen es ein lichkeit. echtes Arbeitsmarktbedürfnis gab – ich komme auf Ich plädiere dafür, dass diejenigen, die hier sitzen, das Stichwort „Blue Card“ noch zurück, Herr Kollege ihre Kraft und ihre Intelligenz aufbringen, eine ver- Gabriel –, und dass sich, obwohl sich die Zahl der fassungsrechtlich saubere Härtefallregelung herbei- Ausländer in Deutschland seit 1970 verdoppelt hat, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Ausländer zuführen, und zwar nicht für eine zufällig zusammen- von 2 ½ Millionen auf gut 2 Millionen reduziert hat. gesetzte Härtefallkommission, sondern für das Petitionsrecht unserer Landtage. Es darf nicht sein, Das alles dokumentiert, dass wir nicht vor der Ent- dass ein Landtag übereinstimmend eine Abschiebung scheidung stehen, ob es Zuwanderung geben soll nicht will, aber keinerlei Möglichkeiten hat, seinen oder nicht. Vielmehr haben wir darüber zu entschei- Grundsätzen humanitären Handelns zur Durchset- den, ob die Zuwanderung geregelt oder ungeregelt, zung zu verhelfen. Es muss doch möglich sein, dass gesteuert oder ungesteuert, begrenzt oder unbe- die Ministerpräsidenten sowie die Innen- und Justiz- grenzt erfolgen soll. Deshalb muss jede Regelung der 732 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Peter Müller (Saarland) (A) Zuwanderung, wenn man mit der Herausforderung dass zumindest die Bereitschaft dazu besteht. Ich (C) angemessen umgehen will, vier Ziele erreichen: meine, dies ist der erste Punkt, in dem eine Verände- rung des Entwurfs unverzichtbar ist. Dabei geht es Erstens. Sie muss Zuwanderung in die Bundesrepu- nicht darum, dieses Ziel in jeden Paragrafen aufzu- blik Deutschland unter Berücksichtigung der Inte- nehmen, sondern es geht darum, es am Anfang des grationsfähigkeit steuern und begrenzen. Unser Gesetzes klar und bestimmend festzuschreiben. Land ist nicht unbegrenzt aufnahmefähig. Dem muss jede gesetzliche Regelung Rechnung tragen. Zweiter Punkt. Herr Kollege Gabriel, damit komme ich auf das Thema „Blue Card, Arbeitsmigration“ zu Zweitens. Sie muss die humanitären Verpflichtun- sprechen. Mit Blick auf die Tatsache, dass wir in der gen der Bundesrepublik Deutschland, zu denen wir Bundesrepublik Deutschland demnächst vier Millio- uns aus gutem Grund bekennen, erfüllen. nen Arbeitslose haben werden, ist natürlich jedes Konzept der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt nur Drittens. Sie bedarf der Orientierung an den legiti- dort vertretbar und auch nur dort vermittelbar, wo ein men nationalen Eigeninteressen, so wie dies in allen wirkliches Arbeitsmarktbedürfnis besteht. Das war übrigen Zuwanderungsländern der Welt der Fall ist. die Idee der Blue Card: Dort, wo es ein wirkliches Ar- beitsmarktbedürfnis gibt, also dort, wo vorhandene Viertens. Zuwanderung und Integration gehören Arbeitsplätze nicht mit Arbeitskräften aus Deutsch- unmittelbar zusammen. Das heißt, dass bei einem Zu- land – nicht mit Deutschen oder ihnen gleichgestell- wanderungskonzept immer die Integration mit be- ten EU-Inländern – besetzt werden können, kann Zu- dacht werden muss, und zwar die Integration sowohl wanderung in den Arbeitsmarkt zulässig und der künftig zu uns Kommenden als auch derjenigen, vernünftig sein. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die bereits hier sind. In diesem Zusammenhang die Bindung der Arbeitsmigration an ein echtes na- haben wir erhebliche Probleme, wie uns nicht zuletzt tionales Arbeitsmarktbedürfnis nicht vor, die Pisa-Studie sehr deutlich vor Augen geführt hat. aber und zwar an zwei Punkten. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregie- Er sieht sie zum einen bei der nachfrageorientierten rung erreicht diese Ziele nicht. Er ist deshalb in der Zuwanderung nach §18nicht vor. Denn danach wird vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig. Ich will die Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt deutlich machen, an welchen Punkten diese Ziele ausschließlich von den Bedingungen des regionalen nicht erreicht werden und welche Veränderungen not- Arbeitsmarktes abhängig gemacht. Das kann nicht wendig sind, um in der Bundesrepublik Deutschland richtig sein. Letztlich muss doch entscheidend sein, zu einem zustimmungsfähigen Konzept für die Be- ob es auch ein nationales Arbeitsmarktbedürfnis gibt. grenzung und Steuerung der Zuwanderung und für Solange wir in der Lage sind, dieses Arbeitsmarktbe- (D) (B) die Integration zu kommen. dürfnis mit den Ressourcen des nationalen Arbeits- Ich sage in diesem Zusammenhang: Über diese marktes zu befriedigen, muss es doch möglich sein, Punkte mag man streiten, soll man streiten, muss man Strukturen zu schaffen, die dann auch dazu führen, streiten. Der Streit darüber muss dann auch in dem dass die nationalen Ressourcen genutzt werden, um Bewusstsein stattfinden, dass Konsens in der Zuwan- frei gewordene, nicht besetzte Arbeitsstellen zu derungsfrage kein Selbstzweck ist. Die Aufforderung, besetzen. Es kann doch nicht sein, dass wir aus dem man möge doch zu einem gemeinsamen Ergebnis Befund, dass bestimmte Arbeitslose nicht genügend kommen, ist legitim. Ein gemeinsames Ergebnis ist mobil sind, oder aus dem Befund, dass wir keine Ar- aber nur vertretbar, wenn es ein gutes Ergebnis ist. Es beitslosen finden, die bereit sind, bestimmte Tätigkei- geht nicht um irgendein, sondern um ein gutes Zu- ten auszuführen, die Schlussfolgerung ziehen: Dann wanderungsbegrenzungs- und Integrationsgesetz, lassen wir in diesen Bereichen Zuwanderung zu. Die das den notwendigen Zielsetzungen wirklich Rech- Konsequenz muss doch sein, dass wir die Frage be- nung trägt. antworten: Wie verändern wir unsere Steuerungssys- teme, wie verändern wir unsere Transfersysteme, wie Wo setzen die Einwände gegen den vorliegenden verändern wir unsere Arbeitsmarktorganisation, Gesetzentwurf ein? damit dieses Defizit im Arbeitsmarkt künftig beseitigt wird? Deshalb ist es notwendig, auch das nationale Erster Punkt. Wenn die Begrenzung der Zuwande- Arbeitsmarktbedürfnis zur Richtschnur der Zuwande- rung unter Berücksichtigung der Integrationsfähig- rung zu machen. keit unstreitig ein wesentliches Ziel eines jeden Kon- zepts ist – niemand widerspricht dem –, dann muss es Zum anderen ist §20des Gesetzentwurfs zu erwäh- doch möglich sein, genau dieses Ziel nicht nur in die nen. Darin ist vorgesehen, dass Zuwanderung in Zu- Gesetzesüberschrift, sondern auch in den Gesetzes- kunft auch dann möglich sein soll, wenn kein konkre- text aufzunehmen, damit bei der Ausübung des Er- tes Arbeitsplatzangebot besteht. Es ist gesagt worden, messens im Vollzug des Gesetzes – der Entwurf be- dies sei eine Art Vorratsbeschluss, weil uns die abseh- inhaltet eine ganze Reihe von Ermessensvorschriften – bare Entwicklung des Erwerbstätigenpotenzials in die Orientierung an der Begrenzung der Zuwande- der Bundesrepublik Deutschland in den Folgejahren rung und an der Beachtung der Integrationsfähigkeit in die Situation bringe, ein derartiges Instrument an- das Verwaltungshandeln prägt. gebotsorientiert einzuführen. In der Bundestagsde- batte hat meine Namenskollegin vom Jahr 2010, glau- In der Bundestagsdebatte ist ein entsprechendes be ich, gesprochen. Wenn wir eine solche Regelung Angebot gemacht worden. Ich habe es so verstanden, im Jahr 2010 brauchen, dann können wir sie auch im Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 733 Peter Müller (Saarland) (A) Jahre 2010 schaffen. Es gibt jedenfalls keinen Grund, Härtefälle angesprochen haben –: Es gibt tatsächlich (C) sie schon im Jahr 2001 zu beschließen. Fälle, in denen nicht mit Blick auf den Zuwanderer selbst, sondern mit Blick auf seine Familienangehöri- Im Übrigen ist die Beteiligung der Länder im Be- gen, auf seine hier geborenen Kinder, die sich mögli- reich der Arbeitsmigration völlig unzureichend ausge- cherweise viele Jahre lang bei uns aufgehalten staltet. Es ist dringend notwendig, dass die Länder an haben, hier in die Schule gegangen sind und die den zu treffenden Entscheidungen beteiligt werden Sprache des Heimatlandes nicht sprechen, eine be- und ihre spezifischen Interessen mit einbringen kön- friedigende Lösung auf der Basis des geltenden nen. – So weit zum Bereich der Arbeitsmigration. Rechts am Ende nicht möglich ist. Das Problem be- Der Entwurf weist genauso gravierende Fehler hin- steht nach meiner Überzeugung darin, dass in einer sichtlich der humanitären Zuwanderung auf. Ich will rechtsstaatlichen Verfassung wie der unseren für die sagen, dass natürlich auch in diesem Bereich in ein- Anwendung des Grundsatzes „Gnade vor Recht“ ei- zelnen Punkten Regelungsbedarf besteht. Dazu zählt gentlich kein Raum ist. Gnadenrecht ist ein vorkonsti- die Notwendigkeit, denjenigen, die unter den An- tutionelles Recht. wendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention Insofern sehe ich durchaus Handlungsbedarf hin- fallen, einen vernünftigen Rechtsstatus zu verleihen. sichtlich der Frage, wie wir ein ausreichendes Maß an Dieses Ziel ist mit dem Gesetz anzustreben und um- Flexibilität ermöglichen können, um solche Extrem- zusetzen. Das ist unstreitig. Der Entwurf geht aber in fälle, Ausnahmefälle – Sie haben einen Beispielsfall seinen Formulierungen sowohl in § 25 als auch in § 60 geschildert – angemessen zu behandeln. Dabei sollte über den Wortlaut der Genfer Flüchtlingskonvention nach meinem Dafürhalten einmal darüber nachge- hinaus. In den Entwurf wurden Formulierungen auf- dacht werden, eine Regelung in das Gesetz aufzuneh- genommen, die zusätzliche Elemente beinhalten, die men, die den Ländern die Möglichkeit eröffnet, je- wir im Wortlaut der Genfer Flüchtlingskonvention weils unterschiedliche Modelle zu erproben. Sie nicht finden, und zwar sowohl mit Blick auf ge- haben einen möglichen Weg aufgezeigt. Wir im Saar- schlechtsspezifische Verfolgung als auch mit Blick auf land haben eine Alternative entwickelt. Unter Um- nichtstaatliche Verfolgung. ständen macht es Sinn, unterschiedliche Möglichkei- Wenn es – und ich habe Sie immer so verstanden, ten in den Ländern auszuprobieren – kein Land muss Herr Bundesinnenminister – wirklich nur um die Kon- sich beteiligen –, um nach einer gewissen Zeit zu fra- ventionsflüchtlinge ginge – Sie sprechen von 2 000 Per- gen, zu welchen Ergebnissen die einzelnen Modelle sonen aus dem großen Personenkreis der 260 000 Ge- geführt haben. duldeten –, dann müsste es doch möglich sein, den Anzusprechen ist des Weiteren der Familiennach- Wortlaut des Gesetzes streng an den Wortlaut der zug. Ich glaube, es ist richtig, wenn wir uns zu dem Genfer Flüchtlingskonvention anzupassen, damit in (B) Prinzip bekennen, dass auch der Familiennachzug in- (D) diesem Punkt die notwendige Klarheit geschaffen wird tegrationsorientiert zu steuern ist. Je höher das und nicht weiter der Eindruck entsteht und auch öf- Nachzugsalter ist, desto größer ist das Risiko des fentlich erweckt wird, dass das Asylrecht massiv aus- gedehnt wird und dass künftig alle Fälle einer nicht Scheiterns der Integration. Deshalb ist es richtig, eine näher spezifizierten geschlechtsspezifischen oder deutliche Senkung des Nachzugsalters konsequent nichtstaatlichen Verfolgung Daueraufenthaltsrechte in zu verfolgen, wobei aus meiner Sicht die Grenze das der Bundesrepublik Deutschland begründen können, Nachzugsalter von zehn Jahren sein kann. Entschei- was die Integrationsfähigkeit und die Aufnahmefähig- dend ist letztlich die Frage nach der Integrationsprog- keit der Bundesrepublik mit Sicherheit übersteigt. nose. Daran orientiert sollte der Familiennachzug ge- steuert werden. Der nächste Punkt betrifft die Behandlung derjeni- gen, deren Rückführung aus rechtlichen und tatsäch- Schließlich müssen wir dafür sorgen, dass die ge- lichen Gründen unmöglich ist. Dabei muss der setzlichen Regelungen nicht so ausgestaltet sind, dass Grundsatz gelten, dass aus der Dauer des Aufenthal- sie selbst dann Zuzugsanreize setzen, wenn am Ende tes, wenn es keine rechtliche Grundlage dafür gibt, des Verfahrens die Feststellung steht, dass ein Bleibe- kein Daueraufenthaltsrecht entstehen kann. Auch recht nicht existiert. Vor diesem Hintergrund ist es dies ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt; insofern nicht einsehbar, dass in unseren Asylverfahren nach besteht Klärungsbedarf, was wirklich gewollt ist. Wol- Ablauf von 36 Monaten die Leistungen an die Asylbe- len wir mit Blick auf die 260 000 Personen, die sich werber einfach durch Zeitablauf um 25 % aufgestockt jetzt im Status der Duldung befinden, ein Dauerauf- werden. Der Referentenentwurf aus Ihrem Haus, Herr enthaltsrecht nur für die 2 000 Konventionsflüchtlin- Bundesinnenminister, sah durchgängig die Anwen- ge, aber nicht darüber hinaus? Wenn das so ist, halte dung des Asylbewerberleistungsgesetzes vor. Zwi- ich es für akzeptabel. Nur, dann muss das Gesetz an- schenzeitlich haben Sie ihn dergestalt verändert, dass ders formuliert werden. Oder sind die Bestimmungen dies nur noch in den Fällen möglich sein soll, in denen darauf ausgelegt – entsprechende Einlassungen gibt zweifelsfrei der Nachweis geführt werden kann, dass es in der politischen Debatte –, den Rechtsstatus der der Asylbewerber selbst schuldhaft die Verlängerung Geduldeten generell zu verbessern, was in der Konse- des Verfahrens zu vertreten hat. Damit läuft diese quenz Zuzugsanreize in einem unkalkulierbaren Klausel leer, weshalb ich sehr dafür plädiere, zu Ihrer Maße begründen würde? Auch hier muss Klarheit ge- ursprünglichen Vorstellung zurückzukehren. Es dürf- schaffen werden. te Ihnen leicht fallen, zu dem zurückzukehren, wovon Sie ohnehin überzeugt sind. Ich räume ein – ich komme damit auf das zu spre- chen, was Sie, Herr Kollege Gabriel, in der Frage der (Vereinzelt Heiterkeit) 734 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Peter Müller (Saarland) (A) Natürlich müssen wir mit Blick auf die Integration Wir haben zeitlich vor der Green-Card-Lösung vor- (C) die Frage stellen: Was geschieht in den Fällen, in geschlagen, durch die Zulassung von Höchstqualifi- denen trotz eines ausreichenden Integrationsangebo- zierten den Notwendigkeiten des internationalen Ar- tes keine Integrationsbereitschaft vorhanden ist? So- beitsmarktes gerecht zu werden. Wir wollten die sehr die positive Integration mit einer Verbesserung Regelung nicht auf IT beschränken, haben aber die des Aufenthaltsstatus belohnt werden muss, so sehr Bindung an einen Arbeitsplatz vorgesehen. ist es notwendig, dass Integrationsunwilligkeit nicht Was die Höchstqualifizierten betrifft, so wenden wir ohne Rückwirkung auf den Aufenthaltsstatus bleibt uns nicht gegen die Regelung des § 19. Einzelne Ein- und dieser dann negativ verändert wird. wendungen haben wir gegen den Vorschlag der Bun- Wir werden sicherlich noch einmal über die Kosten desregierung, der es ermöglicht, dass eine Person von der Integration sprechen – ich will diesen Punkt nur vornherein die Niederlassungserlaubnis erhält, auch markieren –, und zwar nicht nur über die Kosten der wenn sie sich nach sehr kurzer Zeit vielleicht als nicht Integration der Kommenden, sondern auch über die geeignet erweist. Wir erleben es im Zusammenhang Kosten der Integration derjenigen, die bereits hier mit der Green Card, dass Menschen nach der dreimo- natigen Probezeit, die im Arbeitsvertrag festgelegt ist, sind. Wir werden auch über die Frage sprechen müs- entlassen werden. sen, was mit Personen geschehen soll, die äußerlich in- tegriert sind, gleichwohl den Aufenthalt in der Bundes- (Dr. Edmund Stoiber [Bayern]: So ist es!) republik Deutschland dazu benutzen, die Grundsätze Die Schily-Regelung sieht dagegen bereits vom ers- des Zusammenlebens hier in Frage zu stellen. ten Tag an die Niederlassungserlaubnis auf Lebens- Im Anschluss werden wir die Debatte über das Ter- zeit vor. Ich rate Ihnen, darüber einmal mit dem Präsi- rorismusbekämpfungsgesetz führen. Die gefundene denten des Landesarbeitsamtes Bayern zu sprechen. Regelung über das Verhalten gegenüber Angehöri- Wenn ein Inder oder ein Bulgare beispielsweise die gen fundamentalistischer Organisationen ist unbe- Probezeit nicht besteht, hat er kaum die Chance, friedigend. Sie schließt nicht aus, dass die Mehrzahl kurzfristig auf einen anderen Arbeitsplatz vermittelt der Personen, die solchen Organisationen angehört, zu werden. Das ist ein Geburtsfehler der Green Card, künftig aus der Bundesrepublik Deutschland ausge- und das ist ein Geburtsfehler des § 19 des Gesetzes. wiesen und abgeschoben werden kann. Auch inso- Insgesamt wenden wir uns im Zusammenhang mit fern besteht Nachbesserungsbedarf. Nachdem dieser Höchstqualifizierten nicht gegen die erleichterte Punkt im Rahmen der Diskussion über die Terroris- Möglichkeit, in Deutschland beschäftigt zu werden; musbekämpfung anscheinend nicht vernünftig erle- denn wir stellen uns der Internationalisierung der digt wird, wird er in der Debatte über das Zuwande- Hochschulen ebenso wie der Internationalisierung rungsgesetz noch einmal aufzurufen sein. (B) des Sports. (D) Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind Im Sport gibt es eine Mannschaft, die mein Minis- die zentralen Punkte, in denen es einer qualitativen terpräsident immer in besonderer Weise erwähnt. Ihr Veränderung der Vorlage der Bundesregierung be- Name fällt mir im Moment nicht ein; ich bin Anhänger darf, damit das Gesetz zu einem echten Gesetz zur des 1. FC Nürnberg, Begrenzung der Zuwanderung und zur Integration in (Heiterkeit) die Bundesrepublik Deutschland wird. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wird zu prüfen sein, ob die Be- was ich kaum zu sagen wage, insbesondere im Zu- reitschaft besteht, diese qualitativen Veränderungen sammenhang mit Höchstqualifizierten. vorzunehmen. Wenn die Bereitschaft dazu besteht, (Erneut Heiterkeit) wird es konstruktives Arbeiten mit Blick auf eine ge- meinsame Lösung geben. Besteht sie nicht, haben wir In der Wirtschaft, im Sport und in der Wissenschaft unterschiedliche Auffassungen; darüber sollten wir wollen wir in der Champions League mitspielen. dann auch offen und offensiv sprechen. – Vielen Wir haben immer gesagt: Wir wollen nicht mehr Zu- Dank. wanderung, sondern wir wollen die Qualität der Zu- wanderung verändern. Ich kann nicht auf Einzelhei- ten des vorliegenden Vorschlages eingehen; denn ich Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Auf der Redner- mache nur einen verlängerten Zwischenruf. Aber es liste stehen Herr Kollege Zuber und Herr Kollege kann doch nicht ernsthaft bestritten werden, dass die Behrens. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, §§ 18, 20 und 21 mehr Zuwanderung bedeuten. Wer dass der bayerische Kollege Beckstein einen Zwi- anderes behauptet, dem werfe ich vor, dass er sich mit schenruf macht. Das gibt es im Bundesrat zwar nicht, qualifizierten Juristen nicht ordentlich auseinander aber, Herr Beckstein, wir hoffen auf einen kurzen, setzt. knappen Zwischenruf. § 18 ermöglicht mehr Zuwanderung; deswegen die Reaktion der Wirtschaft. Dr. Günther Beckstein (Bayern): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich. Herr Kollege Müller hat erwähnt, hier und da werde erklärt, § 20 werde ab dem Jahr 2010 benötigt. Wer Ich habe mich gemeldet, weil Herr Ministerpräsi- das behauptet, hat den Gesetzentwurf nicht gelesen. dent Gabriel auf unseren Vorschlag einer Blue Card Denn darin ist ausdrücklich vorgesehen, dass die An- hingewiesen hat. Ich möchte knapp erläutern, worum gehörigen der Beitrittskandidatenländer durch ein es damals gegangen ist. Punktesystem bevorzugt werden. Wenn die Beitritte Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 735 Dr. Günther Beckstein (Bayern) (A) vorher erfolgen, wird die Regelung nicht erst ab 2010 desregierung gegeben haben. Auch wenn es zu Tei- (C) gebraucht. § 20 ist ebenso wie § 21 ein Erweiterungs- len des Vorhabens andere Vorstellungen gibt, wie die tatbestand. bisherige Diskussion zeigte, und aus unserer Sicht ge- ringe Verbesserungsmöglichkeiten bestehen, stellen Wir wollen nicht mehr, sondern eine andere Zuwan- die neuen Strukturen des Entwurfs eine gute Grund- derung. Wir brauchen mehr Spielräume für Höchst- lage für eine Lösung dar, die von allen großen gesell- qualifizierte. Sie sind nur dann verantwortbar, wenn schaftlichen Gruppen mitgetragen werden könnte. wir im Bereich der Geringqualifizierten reduzieren. Der Entwurf enthält vor allen Dingen das wichtige Nun ist die Frage: Was bedeutet „höchstqualifiziert“? Signal, dass Ausländerinnen und Ausländer in unse- Die Bundesregierung will die Chance eröffnen, dass rer Gesellschaft willkommen sind, was nicht zuletzt Haushaltshilfen zu uns kommen. Das ist offensichtlich für den Personenkreis der Arbeitsmigranten gilt. auch eine Regelung für Höchstqualifizierte. Ich meine, das ist eindeutig nicht der Fall. Natürlich besteht bei Allerdings – auch das muss deutlich gesagt werden – uns ein Mangel an Haushaltshilfen. Ebenso besteht ein können wir nicht daran interessiert sein, Menschen in Mangel an Aushilfskellnern. Aber das sind doch nicht unser Land zu holen, die unsere sozialen Systeme un- Höchstqualifizierte. Ihre Qualifikation besteht einzig in angemessen hoch belasten. Zuwanderer sollten im der Bereitschaft, zu den jeweiligen Bedingungen zu ar- Gegenteil auch dazu beitragen, die soziale Sicherheit beiten. Dieses Problem können wir durch Zuwande- in Deutschland zu stärken. rung nicht lösen; denn wir stellen fest: Auch die Zuge- Deshalb hat Rheinland-Pfalz in seinem dem Bun- wanderten erkennen sehr bald, dass man in diesem desrat seit 1997 vorliegenden Gesetzentwurf sinn- Bereich von Sozialleistungen mindestens genauso gut gemäß formuliert, dass ein Zuwanderungsbescheid leben kann wie von Erwerbstätigkeit. nur erteilt werden kann, wenn der Ausländer nach- Nach der Untersuchung von S i n n war die Ar- weist, dass er seinen Lebensunterhalt einschließlich beitslosenhilfequote in den vergangenen Jahrzehnten ausreichenden Krankenversicherungsschutzes aus ei- bei den Gastarbeitern mehr als dreimal so hoch wie gener Erwerbstätigkeit, sonstigen eigenen Mitteln bei den Einheimischen. Im Bereich der Arbeitslosen- oder aus Unterhaltsleistungen von Familienangehöri- versicherung und der Krankenversicherung findet gen bestreiten kann, dass also im Regelfall der Aus- eine Umverteilung von den Einheimischen, die mehr länder ein Arbeitsplatzangebot eines inländischen Leistungen erbringen, zu den Zugewanderten statt. Arbeitgebers vorweist. Nach dem vorliegenden Vor- Das darf nicht sein. schlag einer Neuregelung können hoch qualifizierte Ausländerinnen und Ausländer sowie eine begrenzte Deswegen die Idee der Blue Card. Wir wollen eine Anzahl besonders geeigneter Zuwanderer, die über andere Zuwanderung, nämlich mehr Höchstqualifi- (B) ein Auswahlverfahren gewonnen werden, von An- (D) zierte, die die Sozialsysteme entlasten, die uns volks- fang an ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erhalten. wirtschaftlich nutzen. Das ist aber nur bei einer deut- lichen Reduzierung der Zuwanderung, die die Durch die vorgesehenen Neuregelungen wird je- Sozialsysteme belastet, zu verantworten. doch – das begrüße ich sehr – klar festgestellt, dass Insbesondere im Zusammenhang mit der Abschaf- Zuwanderung für den Betroffenen auch eine Ver- fung der Duldung wird es zu einer drastischen Erwei- pflichtung bedeutet. Die Entscheidung zuzuwandern, terung der Zuwanderung kommen, die die Sozialsys- bei uns zu arbeiten, zu leben und zu wohnen, setzt teme belastet. Ich beziehe mich darauf, was Herr den Willen zur Integration voraus. Dabei ist Integrati- Ministerpräsident Müller schon ausgeführt hat. on keine Einbahnstraße. Sowohl die aufnehmende Gesellschaft hat dabei Aufgaben – die klar beschrie- ben sind; über die Kostenanteile von Bund und Län- Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Das war ein län- dern wird noch zu sprechen sein –, aber auch der Zu- gerer Zwischenruf. wandernde ist gefordert. Jetzt ist Herr Kollege Zuber (Rheinland-Pfalz) an Die Kenntnis der deutschen Sprache und die Aner- der Reihe. kennung unserer gesellschaftlichen Ordnung sind Voraussetzungen für ein Gelingen der Integration. Walter Zuber (Rheinland-Pfalz): Sehr geehrter Herr Die Möglichkeit, in Deutschland zu leben und zu ar- Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! beiten, die Möglichkeit, in Frieden, Freiheit und so- Endlich liegt der aus der Sicht der Rheinland-Pfälzi- zialer Sicherheit sein Leben zu gestalten, ist ein hohes schen Landesregierung überfällige Gesetzentwurf Gut. Dieses hohe Gut muss durch Integrationsleistun- der Bundesregierung zur Frage der Zuwanderung gen des Zuwanderers erworben werden. vor. Frühere Bundesregierungen – das ist am heutigen Tage zu erwähnen – waren dazu nicht in der Lage. Wenn ich sage, Integration darf keine Einbahnstraße Ausdrücklich möchte ich dem Bundesinnenminister sein, so heißt dies konkret: Dem Zuwanderer, der nach für seine vielfältigen Bemühungen herzlich Dank den Vorstellungen des Landes Rheinland-Pfalz einen Arbeitsplatz hat, ist es zuzumuten, sich an den Kosten sagen. seiner Integration in entscheidendem Maße zu beteili- Mit ein wenig Genugtuung darf ich feststellen, dass gen, ja die Kosten für die meiner Meinung nach not- die Vorstellungen der Rheinland-Pfälzischen Landes- wendigen verpflichtenden Integrationskurse selbst zu regierung zur Regelung der Zuwanderung aus dem tragen. Hier gilt es, die erforderlichen organisatori- Jahre 1997 Impulse für den Gesetzentwurf der Bun- schen Voraussetzungen zu schaffen. Im weiteren Ver- 736 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Walter Zuber (Rheinland-Pfalz) (A) lauf des Gesetzgebungsverfahrens ist darauf zu achten, Das Land Rheinland-Pfalz begrüßt im Übrigen die (C) dass die Interessen der Länder und auch der Kommu- weitgehende Gleichbehandlung von Asylberechtig- nen ausreichend berücksichtigt werden. ten und den sonstigen politisch Verfolgten. Beide Gruppen erhalten in Zukunft ein zunächst dreijähri- Meine Damen und Herren, weitere aus der Sicht ges Aufenthaltsrecht mit gleichen Rechten am Ar- der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung positive beitsmarkt. Durch den Zugang zum Arbeitsmarkt Regelungen möchte ich nicht unerwähnt lassen: dürften die Aufwendungen der öffentlichen Hand für Ausländische Studentinnen und Studenten erhalten Sozialleistungen sinken und damit zu einer notwen- nach Abschluss ihres Studiums die Möglichkeit, einen digen Entlastung der kommunalen Haushalte führen. Arbeitsplatz zu suchen. Auch dies ist seit langem überfällig. Außerdem kann Ausländern bei entsprechendem Eine weitergehende Regelung hätte ich persönlich wirtschaftlichen Interesse oder einem besonderen re- mir für abgelehnte Asylbewerber, die seit langem in gionalen Bedürfnis eine Aufenthaltserlaubnis zur Deutschland leben, vorstellen können. Vielleicht kön- Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit erteilt wer- nen wir darüber im weiteren Verfahren noch mitei- den. Ich halte das, im Gegensatz zu meinen Vorred- nander sprechen. nern, für begrüßenswert. Überfällig sind auch die Bestimmungen in Bezug Ich bin davon überzeugt, dass durch Zuwanderung auf ein noch effizienteres und rascheres Asylverfah- nicht nur freie Arbeitsplätze in Deutschland besetzt ren. Die überlange, häufig mehrjährige Dauer der werden, sondern dass auch neue Arbeitsplätze ge- Asylverfahren zeigt, dass dringender gesetzgebe- schaffen werden können. rischer Handlungsbedarf zur Beschleunigung von Asylverfahren und von verwaltungsgerichtlichen Ver- Die Regelungen zur Verbesserung bei den huma- fahren besteht. Die Abschaffung des Bundesbeauf- nitären Bleiberechten halte ich für sachgerecht. Dies tragten für Asylangelegenheiten und der Weisungs- gilt insbesondere für die vorgesehene Möglichkeit der ungebundenheit der Einzelentscheider wird eine Gewährung eines Aufenthaltsrechts, wenn die Verfol- einheitliche Entscheidungspraxis des Bundesamtes gung auf geschlechtsspezifischen und nichtstaatli- gewährleisten und die Verwaltungsgerichtsbarkeit chen Gründen beruht, zumal in diesen Fällen heute entlasten. bereits Abschiebeschutz gewährt werden kann. Die dabei bestehende Statuslücke wird durch die vorge- Lassen Sie mich zum Schluss kommen, meine sehenen Regelungen nunmehr geschlossen. Damen und Herren. Mit dem Gesetzentwurf der Bun- desregierung findet eine Jahrzehnte währende Dis- Die Regelungen bezüglich des Familiennachzugs kussion hoffentlich ein gutes Ende. Deutschland ist halte ich insgesamt für ausgewogen und dem wohl- ein Einwanderungsland, das allerdings – das füge ich (B) verstandenen Interesse der Kinder angemessen. Sie (D) hinzu – die Zuwanderung steuert und begrenzt, die gelten für Kinder bis zum 18. Lebensjahr bei Einreise Integration fördert und humanitäre Hilfe auch weiter- im Familienverband. Sie sind nicht auf die Familien- hin gewährt. angehörigen Hochqualifizierter begrenzt, was hier und da in die Debatte geworfen worden ist. Ich per- Ich hoffe, dass der Gesetzentwurf zügig beraten sönlich würde das für unerträglich halten. Die Einrei- und im kommenden Frühjahr verabschiedet werden se außerhalb des Familienverbandes ist nunmehr bis kann. Gestatten Sie mir die abschließende Bemer- zum 14. Lebensjahr vorgesehen. Darüber hinaus kann kung: Dabei wird sich unter anderem zeigen, ob die der Nachzug weiterhin im Rahmen des Ermessens er- Weihnachtsbotschaft, die wir Anfang der kommenden möglicht werden. Die Altersgrenze von 14 Jahren, die Woche wieder hören, auch im grauen Alltag des Jah- ein wichtiger Punkt in der heutigen Diskussion ist, res 2002 noch Wirkung zeigt. Ich wünsche es uns. stellt das Ergebnis eines politischen Kompromisses dar, den Rheinland-Pfalz mittragen kann. Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Vorletzter Red- Ich teile nicht die Befürchtungen mancher, der Auf- ner auf unserer Liste ist Herr Kollege Behrens aus enthaltsstatus der Personen mit Duldung werde ver- Nordrhein-Westfalen. Ihm folgt der Bundesinnenmi- schlechtert. Bereits heute stellt die Duldung keinen nister. rechtmäßigen Aufenthaltsstatus dar; sie dokumentiert lediglich die Aussetzung der Abschiebung. Dies wird Dr. Fritz Behrens (Nordrhein-Westfalen): Herr Prä- im Entwurf deutlicher herausgestellt. Er sieht, anders sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! als der Referentenentwurf, aber auch vor, dass alle Auch ich möchte kurz vor der Rede des Bundesinnen- Personen, die nicht abgeschoben werden können, ministers einen Zwischenruf machen und Ihnen sagen grundsätzlich eine Bescheinigung über die Ausset- – das wird Sie nicht wundern –, dass Nordrhein-West- zung ihrer Abschiebung erhalten. falen den Gesetzentwurf als dringend notwendigen Zugleich ergeben sich für Personen, die unverschul- Beitrag zur klaren Steuerung und zur Begrenzung un- det nicht in ihr Heimatland zurückkehren können, kontrollierter Zuwanderung begrüßt. Ich bin mit mei- Verbesserungen. Sie können nunmehr ein befristetes ner Landesregierung Herrn Bundesinnenminister Aufenthaltsrecht erhalten. Andererseits sollen Perso- Schily dankbar, dass er mit dem Gesetzentwurf eine nen, die in ihr Heimatland zurückkehren könnten, lange und auch sehr kontrovers geführte Diskussion aber bewusst versuchen, sich ihrer Ausreisepflicht in unserer Gesellschaft zusammenfasst und zu einem zu entziehen, konsequent zurückgeführt werden. Ergebnis zu bringen versucht. Ich denke, das ist drin- Dies ist dringend geboten. gend notwendig. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 737 Dr. Fritz Behrens (Nordrhein-Westfalen) (A) Ein solch schwieriges Gesetzesvorhaben kann letzt- len. Sie dient dem friedlichen Nebeneinander der (C) lich nur gelingen, wenn es von der überwiegenden Menschen hier in Deutschland. Mehrheit der gesellschaftlichen Gruppen mitgetragen Wir müssen bei der Zuwanderung auch die sozialen wird. Kosten dieser Entwicklung in den Blick nehmen, und In Sachen Zuwanderung geht es um nichts Gerin- zwar ganzheitlich. Sie müssen berechnet und so di- geres als die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Bereits mensioniert sein, dass die volkswirtschaftlichen Vor- diese Dimension des Problems sollte uns davon abhal- teile der Zuwanderung letztlich überwiegen. Alles ten, von allen Seiten her Maximalforderungen zu er- andere ist der hier lebenden Bevölkerungsmehrheit heben. Die Vorschläge zur Beschleunigung des Asyl- vermutlich kaum zumutbar und nicht vermittelbar. verfahrens z. B. enthalten zahlreiche Verbesserungen Soweit Lasten entstehen, kommt es auf eine gerechte gegenüber dem gegenwärtigen Zustand. Durch die Verteilung zwischen Bund und Ländern an. Darüber vorgesehenen Maßnahmen werden eine Verkürzung wird sicherlich weiter zu diskutieren sein. der Verfahren und eine Eindämmung des Miss- Zur gerechten Verteilung von Lasten gehört aber brauchs des Asylrechts erreicht. auch die konkrete Verteilung von illegalen Zuwan- Der Gesetzentwurf ist darüber hinaus ein Beitrag derern. Auf Antrag Nordrhein-Westfalens hat der zur Vereinfachung des Ausländerrechts und zu größe- Bundesrat vor genau einem Jahr eine Gesetzesini- rer Klarheit im Ausländerrecht. Die Reduzierung auf tiative unternommen, über die zurzeit noch im Bun- zwei Aufenthaltstitel, nämlich die Aufenthaltserlaub- destag beraten wird. Einen entsprechenden Vorstoß nis und die Niederlassungserlaubnis, ist eine deutli- enthält Ziffer 23 der Bundesratsdrucksache. Um die che Vereinfachung. Das gilt auch für die Abschaffung Unterstützung dieser Regelung möchte ich bei Ihnen, des mit Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis doppelten meine Damen und Herren, ausdrücklich werben; Genehmigungsverfahrens, das Arbeitsmigranten heute denn sie ist ein wesentlicher Beitrag zur Verteilungs- durchlaufen müssen. gerechtigkeit insgesamt. Zuwanderung ist auch künftig notwendig, um die Die Bevölkerungsmehrheit verlangt von uns, dass wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes er- wir die missbräuchliche Nutzung des Asyl- und Auf- halten und die soziale Verantwortung gegenüber enthaltsrechtes eindämmen und deutlich machen, Alten und Schwachen wahrnehmen zu können. Ich dass wir in der Lage sind, die Zuwanderung wirksam will die bekannten Zahlen bezüglich der Demografie zu steuern. nicht vortragen. Selbst bei moderater Zuwanderung Die außergewöhnlich hohe Zahl von Anträgen im wird sich die für die sozialen Sicherungssysteme be- bisherigen Bundesratsverfahren würde ich gern als deutsame Alterslast in den nächsten Jahren und Jahr- positives Zeichen für die gemeinsame Suche nach (B) zehnten nahezu verdoppeln. Eine vorausschauende (D) einem Kompromiss verstehen. Dass zahlreiche Anträ- Zuwanderungs- und eine vernünftige Familienpolitik, ge von der B-Seite sehr kurzfristig vorgelegt wurden, meine Damen und Herren, müssen deshalb Hand in kann man vielleicht mit der allgemeinen Zeitnot er- Hand gehen. Wir können die demografische Entwick- klären. Man könnte allerdings auch zu der Auffas- lung kaum umkehren, aber wir können sie abmildern. sung kommen, dahinter stecke die Absicht, eine ge- Angesichts der mittel- und langfristigen Chancen naue Prüfung zu erschweren oder Zugzwang zu für den Arbeitsmarkt wäre es unverantwortlich, mit erzeugen. Ich sage deshalb: Wer die Absicht hat, eine der Angst hier lebender Arbeitsloser, seien es Deut- politische Einigung zu hintertreiben, um dieses sche oder Ausländer, zu spielen. Bereits heute können Rechtsetzungsvorhaben zum Wahlkampfthema zu zahlreiche Arbeitsplätze nicht besetzt werden, ob- machen, sollte das nicht durch Verfahren verschlei- wohl rund 3,8 Millionen Menschen arbeitslos gemel- ern. Ich denke, auch im heraufziehenden Wahlkampf det sind. Um die besten Köpfe wird es einen interna- lässt sich vermitteln, welcher Weg in Sachen Zuwan- tionalen Wettbewerb geben. Deutschland hat hier nur derung im deutschen Interesse liegt. dann eine Chance, wenn in unserem Land ein Klima Meine Damen und Herren, ich werde einen Ver- geschaffen wird, das für dringend gebrauchte hoch dacht nicht los. Ich zitiere an dieser Stelle Herrn qualifizierte ausländische Fachkräfte attraktiv ist. Ministerpräsidenten Müller: Die Situation erlaubt keinen Attentismus oder Einige wollen allein aus parteitaktischen Grün- bloßes Reagieren. Migration und Flucht bedürfen den einen Konsens blockieren. Das hielte ich für dringend der aktiven Gestaltung in unserer Gesell- staatspolitisch unverantwortlich und für partei- schaft. Dies ist zugleich die große Chance auf einen politisch dumm. konzeptionellen Neuanfang. Wir brauchen ein ganz- heitliches Konzept, das die Fakten von Migration und Ich schließe mich dieser Aussage vollinhaltlich an. Flucht klar benennt, differenzierte Antworten auf un- Ich möchte an einem Punkt die Widersprüchlichkeit terschiedliche Wanderungsgründe gibt und dabei die mancher Aussagen von heute hervorheben. Es gibt Interessen aller Menschen beachtet. Dabei müssen ein umfängliches Papier der CDU aus der letzten Zeit Zuwanderung und Integration natürlich als zwei un- unter dem Titel „Die neue Aktualität des christlichen trennbare Teile einer Aufgabe gesehen werden. Menschenbildes“. Frau M erkel hat es als „ethi- Hinzu kommen müssen Qualifizierungsangebote für schen Leitfaden“ bezeichnet. Ich zitiere: hier lebende Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit be- drohte Menschen. Eine vernünftige Zuwanderungs- Migrantenfamilien gelingt die Integration in der politik besteht aus den soeben genannten drei Säu- Regel am besten, wenn die Familien nicht zerris- 738 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Dr. Fritz Behrens (Nordrhein-Westfalen) (A) sen werden. Daher sollte die gemeinsame Ein- Ich glaube allerdings, dass es in der heutigen De- (C) reise oder zeitnaher Nachzug der Kinder batte, was die Betrachtung der wirtschaftlichen Zu- wanderung angeht, zu einigen Fehlinterpretationen – jetzt kommt es – gekommen ist. bis zur Volljährigkeit gefördert werden. Ich möchte zunächst auf den einleitenden Rede- Es geht, meine Damen und Herren, um nichts Ge- beitrag von Ministerpräsident Teufel eingehen. Herr ringeres als den inneren Frieden in unserem Land. Ministerpräsident Teufel – er hat sich entschuldigen Wir sollten die alten Schützengräben verlassen und lassen; deshalb muss ich die übrigen Herren anspre- keine Denkverbote wie das bornierte „Das Boot ist chen –, ich nehme an, dass Sie den Redetext sorgfältig voll“ oder das verantwortungslose „Jeder muss kom- mit Ihrem Koalitionspartner abgestimmt haben. Da- men können“ aussprechen. Herr Beckstein, wir soll- hinter muss ich jedoch ein ironisches Ausrufezeichen ten unsere Entscheidungen nicht nur am Kriterium setzen. Man darf die Ironie in einem Redebeitrag der Nützlichkeit ausrichten. auch nicht übertreiben, wie man aus früheren Deshalb sage ich: Wir sollten versuchen, den Weg schmerzlichen Erfahrungen weiß. Ich kann mir ein- der Verständigung hinsichtlich des Zuwanderungs- fach nicht vorstellen – um das Thema ernsthaft anzu- gesetzes auch in den kommenden Wochen konstruk- gehen –, dass das, was Sie vorgetragen haben, den tiv weiterzugehen; denn wir tragen angesichts einer Beifall Ihres Koalitionspartners findet. Ich glaube, Sie großen Herausforderung Verantwortung für unser gehen damit an den Fragen vorbei, die sich an ver- Land. – Vielen Dank. schiedenen Stellen auftun. Ich möchte darlegen – das war auch Thema in den Ausführungen von Herrn Ministerpräsidenten Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Nächster Redner Stoiber –, was der Kern unserer Regelungen ist. Der ist Herr Bundesinnenminister Schily. Kern unserer Regelungen ist ein marktwirtschaft- liches Modell, im Gegensatz zu manchen planwirt- schaftlichen Modellen, über die ebenfalls debattiert Otto Schily, Bundesminister des Innern: Herr Präsi- wird. Ich denke nicht, dass es richtig ist, Entscheidun- dent, meine Damen und Herren! Ich will mich aus- gen über Zuwanderungsmöglichkeiten unter wirt- drücklich für die konstruktive Debatte bedanken, der schaftlichen Gesichtspunkten etwa nach einem Plan- ich habe folgen dürfen. Ich erstrecke den Dank auf verfahren, wie es früher die DDR praktiziert hat, zu das außergewöhnliche Engagement der verschiede- treffen. Man kann keinen Gesamtplan mit einem nen Landesregierungen, an dem Gesetzentwurf Plansoll aufstellen, und dann tritt eine Plankommissi- durch eine Vielzahl von Änderungsanträgen mitzu- on zusammen, die sagt, wie die Dinge ablaufen sol- (D) (B) wirken. Der Fleiß ist wirklich lobenswert, wenn man len. Wir müssen uns vielmehr strikt an den Marktbe- daran denkt, dass wir uns dem Jahresende nähern. dürfnissen orientieren. Die Aktivitäten, dem Gesetzentwurf zu einem positi- ven Ergebnis zu verhelfen, sind doch recht beachtlich. Ich will Ihnen einmal sehr konkret den Entschei- dungsablauf nach dem Regelverfahren, das wir Meine Damen und Herren, wir werden alle diese vorgesehen haben, beschreiben. Am Anfang – so die Anträge in der Bundesregierung prüfen. Sie sind von Prüfungsabfolge – muss ein konkretes Arbeitsplatz- mehr oder weniger großem Gewicht. Ich gehe davon angebot stehen. Es reicht nicht aus, wenn ein Wirt- aus, dass alle Landesregierungen und alle demokra- schaftsverband sagt: Wir brauchen 100 000, 10 000 tischen Parteien anerkennen, dass es grundlegenden oder 30 000 Arbeitskräfte. Ich wiederhole: Es muss ein Reformbedarf gibt. Sonst wäre es für mich schwer er- konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegen. Dann hat klärbar, dass beispielsweise die CDU unter dem Vor- die Arbeitsverwaltung die Möglichkeit, ja oder nein sitz des von mir geschätzten Ministerpräsidenten zu sagen, je nachdem, ob sie für diesen offenen Ar- Peter Müller eine Kommission einberufen hat und mit beitsplatz aus dem vorhandenen Potenzial der Arbeit- durchaus respektablen Ergebnissen an die Öffentlich- suchenden ein Angebot machen kann oder nicht. keit getreten ist. Wenn sie die Entscheidung im positiven Sinne treffen will und es für die Besetzung dieses Arbeitsplatzes Herr Ministerpräsident Müller, zu Ihren Ausführun- mehrere Angebote aus dem Ausland gibt, hat sie die gen will ich deutlich sagen, dass wir in den Zielset- Präferenz der EU-Kandidatenstaaten zu berücksichti- zungen keinen Unterschied haben. Sie haben unter gen. den Zielsetzungen auch angesprochen, dass es bei der Zuwanderung um Begrenzung und Steuerung Schließlich hat auch die Gemeindeverwaltung ein geht, wobei ich sage: Jede Steuerung muss gleichzei- Mitspracherecht in dem Sinne, dass sie, wenn die In- tig Begrenzung enthalten; sonst ist es keine Steue- tegrationskapazität in einem bestimmten Bereich er- rung. Aber man kann ja beides hervorheben. schöpft ist, sagen kann: Unter diesen Voraussetzun- gen darf eine solche Entscheidung nicht positiv Und wenn Sie den Wunsch haben, dessen Berech- ausfallen. tigung nicht zu bestreiten ist, das in einer einleiten- den Bestimmung, der Zweckbestimmung des Geset- Alle Gesichtspunkte, die hier geltend gemacht zes, noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen, dann worden sind – strikte Orientierung am Arbeitskräfte- gibt es von meiner Seite keine Einwände. Wenn dazu bedarf, strikte Orientierung an der Integrationskapa- Formulierungsvorschläge vorliegen, werden wir uns zität –, sind erfüllt. Deshalb muss man sich nach mei- sicherlich einigen können. ner Meinung mit dem Regelverfahren beschäftigen. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 739 Bundesminister Otto Schily (A) An dieser Stelle erhebt Herr Ministerpräsident Mül- Ich muss auf einen anderen Sachverhalt hinweisen, (C) ler den Einwand – das habe ich auch von anderer der das Argument von Herrn Ministerpräsidenten Seite gehört –: ja, aber nicht nur regional! „Regional“ Gabriel unterstreicht. Es war doch Herr Minister heißt natürlich nur – wenn Sie dabei noch Probleme Bouffier, mein Innenministerkollege aus Hessen, der mit dem Gesetzestext oder mit der Begründung kürzlich an mich herangetreten ist und darum gebe- haben, dann lassen Sie uns darüber reden –, dass die ten hat, es möge eine Regelung zu Stande kommen, Nachfrage nach Arbeitskraft in der Region vorhanden wonach ausländische Pflegekräfte in Deutschland be- sein muss. Sie können da nicht mit Globalzahlen ope- schäftigt werden können. Das hat Herr Bouffier auch rieren. Der Bedarf, der dort artikuliert wird, ist unter- gut begründet. Man kann ihm nur Recht geben, wenn schiedlich; das wissen wir doch. er sagt: Es gibt Menschen, die einen guten Arbeits- Allerdings sage ich auch, Herr Ministerpräsident platz haben und die eine wichtige Berufstätigkeit aus- Müller: Das System muss so flexibel ausgebildet sein, üben, aber nicht ausreichend Zeit haben, die Pflege dass wir keine rein theoretische Möglichkeit unter- selbst zu übernehmen, obwohl sie ihren familiären stellen und dann sagen, dass die Stelle nicht besetzt Pflichten genügen wollen. Aber sie finden auf dem werden darf. Was Sie zur Frage der Mobilität erwähnt deutschen Arbeitsmarkt keine Pflegekräfte. Muss haben, hat bei mir einen gewissen Verdacht in dieser man da nicht eine Regelung finden? Richtung entstehen lassen. Die rein theoretische Wir haben das gemacht, gemeinsam mit Herrn Ar- Möglichkeit, einen Arbeitsplatz in der Region Mün- beitsminister R i e s t e r . Aber das ist doch alles Flick- chen vielleicht aus der vorhandenen Gruppe von Ar- werk. Wir müssen stattdessen dafür sorgen, dass wir beitsuchenden in Thüringen, in Sachsen, in Sachsen- ein flexibles System bekommen, das der jeweiligen Anhalt oder wo auch immer zu besetzen, kann nach Situation in angemessener Weise Rechnung trägt. meiner Meinung kein Hindernis sein, eine solche Ent- Deshalb ist die Regelung, die wir anbieten und die scheidung zu treffen. Denn sonst verändern wir nicht möglicherweise an der einen oder anderen Stelle die Situation, dass in der Großregion München heute noch verfeinert werden kann, richtig. Sie sieht eine etwa 50 000 bis 60 000 Arbeitsplätze unbesetzt blei- marktgerechte, flexible, anpassungsfähige Verfah- ben. Das ist eine Wachstumsbremse, eine für die Wirt- rensweise vor, die es uns ermöglicht, auf unterschied- schaft schädliche Situation, die sich auf den Gesamt- liche Situationen einzugehen, und zwar auch zeitlich organismus Wirtschaft ebenfalls nachteilig auswirkt. gesehen, weil sich die Marktverhältnisse wie auch die Denn wenn die wirtschaftliche Entwicklung in einer wirtschaftlichen Entwicklungen im Zeitspektrum ver- bestimmten prosperierenden Region Deutschlands ändern. Gerade deswegen ist es gut, dass wir keine gebremst wird, hat das auch nachteilige Auswirkun- starren, sondern anpassungsfähige Regelungen gen auf andere Regionen. Wenn wir in einer bestimm- haben. ten Region eine Bremse anziehen, können wir doch (B) (D) nicht annehmen, dass wir anderen Regionen damit Wer einen Gegensatz zwischen den Arbeitsuchen- etwas Gutes tun. den in Deutschland und der Frage der Zuwanderung Wenn Ihre Überlegung, Herr Ministerpräsident konstruiert, versucht eine Stimmung herbeizureden, Müller, darauf hinausläuft – es kann konkret so sein –, die sowohl der Wirtschaft als auch dem inneren Frie- dass man einen Arbeitsuchenden aus einem anderen den in Deutschland schadet. Bundesland, einer anderen Region anwerben kann, Ich will an dieser Stelle auf die Green-Card-Rege- dann werden wir eine Formulierung finden, die auf lung eingehen. Herr Ministerpräsident Stoiber hat allgemeine Zustimmung trifft. den Versuch gemacht, selbst die Green-Card-Rege- Mitunter wird gesagt: Wenn die Mobilität nicht so lung mit einem leichten Schatten zu versehen, weil in ausgebildet ist, dass die Arbeitsuchenden bereit sind, dem einen oder anderen Einzelfall die Beschäftigung von einer Region in eine andere zu wechseln, dann nicht fortgesetzt werden konnte. Aber es ist festzu- müssen wir es eben dem Unternehmer zumuten, dort- stellen, dass die etwa 10 000 IT-Fachkräfte, die auf hin zu gehen, wo die Arbeitsuchenden sind. – So diese Weise ins Land gekommen sind, in ihrer großen funktioniert die Wirtschaft nun einmal nicht. Wir kön- Mehrzahl – von sehr wenigen Ausnahmefällen abge- nen nicht von Staats wegen bestimmen, wo der Unter- sehen – eine wichtige Arbeit in unserem Lande ver- nehmer sich ansiedelt. Es ist sicherlich wünschens- richten und zur Wirtschaftsbelebung beitragen, auch wert, dass die Unternehmen stärker dort investieren, mit Blick auf den Arbeitsmarkt. Nach Schätzungen wo Wirtschaftsschwäche herrscht. Das versucht die hat die Beschäftigung dieser IT-Fachkräfte dazu ge- Bundesregierung auch nach Kräften zu fördern. Aber führt, dass wir etwa 25 000 bis 30 000 Arbeitsuchen- dass ich das anordnen könnte, ist eine illusionäre Vor- den in Deutschland jetzt Arbeitsplätze anbieten kön- stellung. nen. Das ist ein Sachverhalt, der in der Betrachtung von Herrn Ministerpräsidenten Stoiber durchaus Deshalb ist es eine richtige Entscheidung, Zuwan- hätte vorkommen dürfen. derung so zu gestalten, dass sie auch unseren eige- nen wirtschaftlichen Interessen gerecht wird. Herr Wer es mit den wirtschaftlichen Interessen Deutsch- Ministerpräsident Gabriel hat das, wie ich finde, in lands ernst meint und sich nicht darauf beschränkt, hervorragender Weise dargestellt. Herrn Beckstein den Wirtschaftsstandort Deutschland von Tag zu Tag gewissermaßen als Urheber des gesamten Gesetzge- schlechtzureden, was ich für sehr bedenklich halte, bungsvorhabens zu bezeichnen, war etwas übertrie- sowie auf die Mahnungen der Wirtschaft hört, muss in ben. Das weist er selber zurück. Aber es ist immerhin der Lage sein, eine vernünftige Regelung herbeizu- richtig, dass Herr Beckstein diese Fragen vor einiger führen, die sich übrigens auch dadurch auszeichnet, Zeit angesprochen hat. dass wir – das gilt für das gesamte Vorhaben – zu 740 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Bundesminister Otto Schily (A) einer erheblichen Vereinfachung des Rechts und zu schwankt. Manchmal ist man Zwängen ausgesetzt, (C) einer Entbürokratisierung beitragen bis hin zu der die einen vielleicht in eine schwierige Lage bringen. Tatsache, dass wir Regelwerke für die Drittausländer Aber ich finde es sehr anerkennenswert, dass Herr auf der einen Seite und für die Unionsbürger auf der Ministerpräsident Müller in der Frage der nichtstaat- anderen Seite schaffen. Auch das ist ein Fortschritt. lichen Verfolgung seinen Überzeugungen treu bleibt. Deshalb ist auch der Vorwurf, es gehe hier um ein Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Sie gesagt Mehr an Zuwanderung, unberechtigt. Von „Schleu- haben, es gebe dort keine Schutzlücke, sondern eine sentoren“ ist die Rede. Entschuldigen Sie, es ist in Statuslücke, und man müsse eine Statusverbesserung diesem vornehmen Haus natürlich kein angemesse- im Ausländerrecht erreichen. Das ist wortgleich ner Ausdruck, aber das ist – ich muss es offen sagen – meine Auffassung: Es gibt keine Schutzlücke, aber es schlicht Unsinn. Es geht vielmehr darum, die Qualität gibt eine Statuslücke. Genau das haben wir geregelt. der Menschen zu verändern, die zu uns kommen, und Wenn es eine Unklarheit im Text oder in der Begrün- stärker unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen dung geben sollte, bin ich bereit, diese zu beseitigen. zur Geltung zu bringen sowie die Zuwanderung, den Es geht nicht darum, den Kreis der Schutzbedürf- Zuzug in Sozialsysteme zu verringern. tigen zu erweitern; das richtet sich vielmehr strikt Ich kann natürlich nicht sagen, bei der Arbeitsmi- nach dem Geltungsbereich der Genfer Flüchtlings- gration wollte ich die Zuwanderung verringern; das konvention. Ich wäre dankbar – das sage ich an die wäre ja töricht. Es findet so gut wie keine statt. Wir Adresse Brandenburgs –, wenn das von Brandenburg haben einen Anwerbestopp. Zu glauben, man könne genauso gesehen würde wie vom Saarland. Ich bin den Anwerbestopp aufrechterhalten und gleichzeitig insbesondere Herrn Kollegen Behrens, aber auch Arbeitsmigration befürworten, ist ein Widerspruch in Herrn Kollegen Zuber dankbar dafür, dass sie das sich. Wenn ich IT-Fachkräfte ins Land holen will, sehr deutlich unterstützt haben. muss ich diese Kräfte natürlich anwerben. Immerhin Was die Frage der Duldung angeht, Herr Kollege sagt auch die Bayerische Staatsregierung, dass Beckstein, so wissen Sie, welche Unterscheidung wir Höchstqualifizierte in unser Land kommen sollen. treffen. Wir haben den Umstand zu verzeichnen, dass Dann kann ich aber keinen Anwerbestopp verhän- eine gewisse Zahl von Flüchtlingen unter uns lebt, gen, ich könnte gleich sagen, auch Nobelpreisträger, die aus verschiedenen Gründen und mit verschiede- Bankiers und Unternehmer sollten besser wegblei- nen Praktiken versuchen, sich ihrer Ausreisepflicht ben. Welch eine Vorstellung haben wir eigentlich von zu entziehen, nachdem festgestellt worden ist, dass unserem Land und davon, was hier geschieht? sie sich nicht mehr legal bei uns aufhalten dürfen. Es Deutschland ist ein exportorientiertes Land. Herr Mi- handelt sich dabei um Personen, die unser Land ver- nisterpräsident Gabriel hat völlig Recht, wenn er sagt: lassen müssen, aber versuchen, die Ausreisepflicht zu (B) Wir haben uns in mancher Hinsicht vielleicht ein biss- unterlaufen. (D) chen eingeschränkt, wenn man sich andere Länder anschaut. Für diesen Personenkreis sehen wir nach der Syste- matik des Gesetzes schärfere Maßnahmen vor, um die Deshalb ist eine Regelung, die es ermöglicht, dass Ausreisepflicht tatsächlich durchzusetzen. Denn ein Studenten nach ihrem Studium in Deutschland blei- Staat kann es nicht hinnehmen, dass eine Entschei- ben und einer Arbeit nachgehen können, sehr sinn- dung, die er nach sorgfältiger Prüfung trifft, nicht voll- voll. Sie dient übrigens auch der wirtschaftlichen Ent- zogen wird. Zu diesem Zweck haben wir eine ganze wicklung; denn diese Menschen sind später, wenn sie Reihe von Maßnahmen vorgesehen. nach längerer Berufstätigkeit hier vielleicht in ihr Heimatland zurückgehen, auch wieder Kunden. In diesem Zusammenhang will ich auf das einge- Wenn sie auf Dauer hier bleiben, sind sie auf Grund hen, was Herr Ministerpräsident Müller gesagt hat. ihrer Bindung an das Heimatland ebenfalls ein wirt- Seine Feststellung, wir würden den Asylmissbrauch schaftsbelebender Faktor. nicht stärker bekämpfen, ist schlicht falsch. Wir haben vielmehr eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen, die Wir sollten in diesen Fragen nicht eindimensional das Asylverfahren beschleunigen. Dazu gehören die denken. Wir brauchen Dynamik in unserem Land. Aufhebung der Weisungsfreiheit und die Abschaf- Dazu gehört auch eine Reform des Zuwanderungs- fung des Bundesbeauftragten. Dazu gehört ebenso, rechtes. Ich sage Ihnen – das ist mein voller Ernst –: dass wir Nachfluchtgründe nur noch eingeschränkt Die Zukunft Deutschlands wird an zwei Punkten ent- berücksichtigen, dass wir Einschränkungen bei den schieden – in der Frage unseres Bildungs- und Ausbil- so genannten Folgeverfahren vornehmen – Sie wis- dungssystems und in der Frage, wie wir mit der Zu- sen, wie viele Folgeverfahren eingeleitet werden; wanderung umgehen. Das sind die beiden zentralen Herr Beckstein weiß sehr genau, dass wir Probleme Fragen, mit denen wir es zu tun haben. Ich komme bei den Folgeverfahren haben – und dass wir Aus- auf die verschiedenen Aspekte, die in diesem Zusam- reiseeinrichtungen schaffen, um einen besseren Voll- menhang in der Debatte eine Rolle gespielt haben, zug der entsprechenden Maßnahmen zu garantieren. noch zurück. Gerade an dieser Stelle glaube ich sagen zu dürfen, dass der Anreiz, unser Asylverfahren aus sozialen und Ich will das Thema „Arbeitsmigration“ abschließen ähnlichen Gründen zu anderen Zwecken zu nutzen, und auf die humanitären Fragen eingehen, die eben- auf der Grundlage dessen, was wir ausgearbeitet falls angesprochen worden sind. haben, abnehmen wird. Zunächst einmal bin ich Herrn Ministerpräsidenten Ich komme zu der Unterscheidung bei den gedul- Müller dafür dankbar, dass er an dieser Stelle nicht deten Personen zurück. Das sind einerseits Personen, Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 741 Bundesminister Otto Schily (A) die nicht ausreisen wollen. Es gibt andererseits einen Mark wert ist, Deutscher zu werden, der sollte es las- (C) Kreis von Personen, die aus Gründen, die sie nicht zu sen. Deshalb halte ich hohe Einbürgerungsgebühren vertreten haben, nicht ausreisen können. Was ma- für durchaus angemessen. Die deutsche Staatsbürger- chen wir mit diesen Personen? Wir geben ihnen eine schaft ist keine Billigware, die wir zu Schleuderprei- Duldung, die kein Aufenthaltstitel ist, wir lassen sie sen anbieten. Deshalb haben wir vorgesehen, wenn ohne Arbeit und gewähren ihnen Sozialhilfe. Das ist, ich mir diese Bemerkung erlauben darf, dass deut- wie ich finde, kein guter Zustand. scher Staatsbürger im Gegensatz zum alten Recht nur werden kann, wer ein klares Bekenntnis zur deut- Wir halten es für besser, diesen Menschen einen schen Staatsordnung und zur deutschen Verfassung Aufenthaltstitel zu geben und ihnen auch die Mög- abgibt. lichkeit zu verschaffen, ihren Lebensunterhalt zu ver- dienen. Das ist keine Belastung, sondern eine Ent- Meine Damen und Herren, ich bin selbstverständ- lastung der Sozialsysteme. Ich sage ohnehin: Wenn lich auch der Meinung, dass Integration umfassend dieses Regelwerk Gesetz wird und in den Vollzug sein muss. Sie muss die Geschichte, die Kultur unse- geht, wird die Belastung der Sozialsysteme unter dem res Landes und die Sprachfähigkeit als einen der Strich entscheidend abnehmen. Das wird von Herrn wichtigsten Faktoren umfassen. Aber ich warne vor Stoiber, von Herrn Teufel und anderen schlicht falsch einem Begriff, den Ministerpräsident Stoiber ge- dargestellt. Alles das, was Herr Ministerpräsident braucht hat, nämlich vor dem der Homogenität. Teufel und Herr Ministerpräsident Stoiber beklagen, Deutschland war nie in seiner Geschichte, auch geschieht auf der Basis des geltenden Rechts. Alles nicht in seinen besten Zeiten, ein homogenes Land. das, was sie an Beklagenswertem vorgetragen haben Im 19. Jahrhundert hat es einen Historiker gegeben, – ich teile die Einschätzung, dass diese Entwicklung der so weit gegangen ist zu sagen, Deutschland exis- nicht gut ist –, vollzieht sich auf der Basis des gelten- tiere nicht, es sei nur ein loses Bündnis von Stämmen. den Rechts. Man muss sich darum kümmern, dass Wenn man sich hier umschaut, könnte man manchmal diese Dinge verändert werden. denken, er hatte Recht. Aber ganz so weit will ich Meine Damen und Herren, von verschiedenen Sei- nicht gehen. ten ist hervorgehoben worden, dass Zuwanderung (Heiterkeit) und Integration eng zusammengehören. Ich teile diese Auffassung. Der Entwurf, den wir heute ge- Gerade die kulturelle Vielfalt Deutschlands, aber meinsam erörtern, wählt in der Tat erstmals einen sys- auch Mitteleuropas insgesamt beruht keineswegs auf tematischen Ansatz, um die Integrationsbemühun- einer homogenen Struktur. Die Auffassung, die etwa gen, von denen auch Herr Ministerpräsident Stoiber in der törichten Parole zum Ausdruck kommt, die in (B) sagt, dass sie bisher konzeptionell vernachlässigt wor- einer ganz schlimmen Zeit an der Tagesordnung war, (D) den seien, zu unterstützen. Diesen Ansatz kann man man müsse alle Volksangehörigen in einem Staats- noch als unzureichend empfinden. Man kann auch raum versammeln, alle, die Deutsch sprechen und mit über die Frage der Kosten diskutieren. Aber wir der deutschen Kultur verbunden sind, müssten im haben erstmals einen Gesetzentwurf, in dem der Inte- deutschen Staatsraum versammelt sein, ist schlicht grationsansatz vorkommt. Da wir alle die Auffassung falsch und hat in der europäischen Geschichte schlim- teilen, dass wir uns in Fragen der Integration stärker me Folgen gezeitigt. engagieren müssen, meine ich, dass man von dieser Es war eine sehr gute Zeit, als es in Rumänien Sie- Möglichkeit Gebrauch machen sollte. benbürger Schwaben gab, die Banater Schwaben und viele andere. Oder ich denke an die kulturellen Be- Ich bin ohnehin der Meinung, dass sich jeder, der gegnungen von Deutschen, Juden und Tschechen den Gesetzentwurf gerecht beurteilen will, immer die etwa in Prag. Das haben wir leider unter schlimmsten Frage stellen muss: Was ist eigentlich besser, der be- Vorzeichen in vieler Hinsicht verspielt. Glücklicher- stehende Rechtszustand oder der künftige? Selbst weise gibt es durch die Europäische Union – das kann wenn die eine oder andere Forderung, die man uns begeistern – eine Rückentwicklung in dieser zusätzlich erhebt, nicht erfüllt ist, wird jeder – selbst Richtung. aus dem Spektrum dessen, was ich heute hier gehört habe – sagen, dass der Gesetzentwurf eine deutliche Die Vorstellung eines homogenen Staatsgebildes, in Verbesserung bedeutet. dem hinsichtlich Kultur, Wirtschaft und Staat alles kongruent ist, ist schlicht falsch; es ist eine falsche Natürlich muss man eine Regelung finden, die die Denkweise. Deshalb vollzieht sich Integration auch Mehrheit sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag nicht auf diese Weise hin zur Homogenität. garantiert. Dann kann nicht jede Forderung zu 100 % erfüllt werden, sondern man muss kompromissfähig Als die Hugenotten nach Berlin gekommen sind, sein. waren sie nicht homogen Deutsche. Sie haben aber Spuren hinterlassen, sogar in der Berliner Sprache. Zur Frage der Kosten will ich betonen – das ist von Der Berliner spricht nicht vom „Sofa“, sondern von Herrn Kollegen Zuber herausgestellt worden –, dass der „Chaiselongue“, und was es sonst noch an wir durchaus eine Finanzierung auch durch die Zu- sprachlichen Besonderheiten gibt. Oder nehmen Sie wanderer selbst vorsehen. Das ist in dem Gesetzent- das Ruhrgebiet mit der starken polnischen Einwande- wurf enthalten. Ich halte das für ebenso angemessen rung. Dort gibt es heute noch Sprachfiguren, die auf wie bei der Einbürgerung, die schon Gesetz gewor- die polnische Einwanderung zurückgehen. Im Übri- den ist. Ich habe seinerzeit gesagt: Wem es nicht eine gen wäre der deutsche Fußball ohne die polnische 742 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Bundesminister Otto Schily (A) Einwanderung nie wieder etwas geworden. Ich bitte deutet immerhin eine Absenkung gegenüber dem (C) Sie also, den Begriff der Homogenität nicht zu ver- geltenden Rechtszustand. Nach dem geltenden Recht wenden. haben wir 16 Jahre. Wenn Sie das Gesetz verhindern, haben Sie 16 Jahre; das ist Tatsache. Lassen Sie uns (Reinhold Bocklet [Bayern]): Er hat ihn das also versuchen! überhaupt nicht verwendet!) Ich glaube, es gibt Möglichkeiten, sich hier zu ver- – Aber ich bitte Sie! ständigen, zumal Sie das Ganze zu Recht – da können Wer heute die kulturelle Homogenität einer Ge- wir uns doch wieder nähern – mit Integrationsfähig- sellschaft missachtet, hat es morgen mit den Pro- keit verknüpfen. Deshalb heißt es in unserem Gesetz- blemen zugemauerter Parallelgesellschaften zu entwurf auch: Dort, wo die Integrationsvoraussetzun- tun. gen vorhanden sind, nämlich die Sprachfähigkeit gegeben ist, soll die Möglichkeit bestehen, einen Das war – wörtlich – ein Satz von Herrn Stoiber. Ich Nachzug auch über 14 Jahre hinaus bis zum 18. Le- habe ihn natürlich nicht so gut im Gedächtnis; aber bensjahr zu vollziehen. ich habe dankenswerterweise das Manuskript und konnte verfolgen, was er gesagt hat. Herr Bocklet, das Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeu- müssen Sie im Protokoll nachlesen. gung: Bei gutem Willen aller Beteiligten lässt sich die- ses sicherlich schwierige Gesetzeswerk vollenden. Ich Der Prozess der Integration ist also viel komplizier- versichere noch einmal, dass ich alle Anträge, die auf ter, wobei ich zugebe, dass wir nicht in Beliebigkeit dem Tisch liegen, sorgfältig prüfen werde – mit einer verfallen dürfen. Ich glaube auch, dass der Begriff einzigen Ausnahme, nämlich mit Ausnahme des An- „multikulturell“ in die Irre führt. In diesem Punkt trags, der aus Bayern gekommen ist und der den komme ich wieder zu Ihnen. Es gibt durchaus Bin- schlichten Inhalt hat, ich solle das Gesetz wieder ein- dungskräfte, vielleicht auch das, was manche unter sammeln. Das werde ich nicht tun, weil ich meine: dem Begriff „Kulturnation“ verstehen. Ich fühle mich Deutschland braucht ein modernes wirtschaftsfreund- am ehesten dem Nationenbegriff des französischen liches Zuwanderungsrecht, das den humanitären Religionsphilosophen Renan verbunden, für den Prinzipien gerecht wird, auf die wir alle verpflichtet die Nation eine Schicksalsgemeinschaft ist, die sich sind, und das die Integrationsaufgabe lösen hilft, für durch gemeinsame Geschichte, gemeinsame Sprache die wir alle gemeinsam verantwortlich sind. – Vielen und Ähnliches auszeichnet. Aber das müssen wir jetzt Dank. nicht vertiefen. Ich meine nur, wir sollten vorsichtig damit sein, wie wir Integration definieren. Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Ich habe keine Meine Damen und Herren, im Zusammenhang weiteren Wortmeldungen. (B) damit steht das Thema des Kindernachzuges. Ich bin (D) Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Damit, dass wir mit Ihnen einer Meinung, dass es sehr, sehr wün- pauschal abstimmen können, worauf die Brandenbur- schenswert ist, dass Kinder in möglichst frühem Alter ger gehofft haben, klappt es nicht, lieber Herr Kollege in die deutsche Gesellschaft hineinkommen, am Stolpe. Wir müssen – wir haben das soeben noch ein- Schulunterricht und an der Betreuung im Kindergar- mal nachgeprüft – alle Anträge aufrufen. Es handelt ten teilnehmen. Ich habe damit kein Problem. Aller- sich um eine komplizierte Gemengelage. Es wird an- dings habe ich heute fast herausgehört, dass Sie das strengend; aber wir schaffen es. Kindernachzugsalter auf drei Monate senken wollen. Ich weiß nicht, ob das mit dem Papier, das Herr Kol- Die Empfehlungen der Ausschüsse ersehen Sie aus lege Behrens dankenswerterweise zitiert hat, verein- der Drucksache 921/1/01 sowie einer Zu-Drucksache. bar ist. Daneben liegen Landesanträge in den Drucksachen 921/2 bis 7/01 vor. Wenn Sie beklagen – ich bedauere das auch –, dass türkische Eltern ihre Kinder in die Türkei zurück- Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen. schicken und sie dort eine Weile erziehen lassen, Zu Ziffer 1 ist getrennte Abstimmung gewünscht dann muss ich Sie daran erinnern, dass dies auf der worden. Aus der Ziffer 1 rufe ich die Nummern 1 und Basis des geltenden Rechts geschieht. Ich kann übri- 5.5 auf. Wer stimmt zu? Bitte Handzeichen! – Das ist gens kein Verbot erlassen, Kinder zur Erziehung in eine Minderheit. ein anderes Land zu schicken. Das kann ich auch nicht tun, wenn ein deutsches Elternpaar beschließt, Ich bitte dann um das Handzeichen zu dem Rest der sein Kind in einem Schweizer Internat erziehen zu Ziffer 1. – Minderheit. lassen. Das ist unmöglich, es sei denn, Sie wollen Jetzt Ziffer 3! – Mehrheit. einen Vorschlag dieser Art machen. Bitte schön! Es gibt deutsche Eltern, die ihre Kinder nach Amerika Ziffer 4! – Minderheit. schicken; das ist meistens ganz gut. Ich will das aber Zu einer Reihe von Ziffern ist ein gemeinsamer Auf- nicht damit vergleichen, dass Eltern ihre Kinder in die ruf vereinbart worden. Es sind dies die Ziffern 5 bis 7, Türkei zurückschicken. 9, 31, 32, 52, 54, 55, 68, 70, 87, 91, 97, 98, 108, 141, 145, 147, 148 und 153. Wer stimmt diesen Ziffern zu? Man muss doch bitte sehen: Was kann ich regeln, Bitte Handzeichen! – Minderheit. und was kann ich nicht regeln? Deshalb meine ich: Lassen Sie uns an dieser Stelle einen vernünftigen Ich rufe dann den Antrag von Schleswig-Holstein in Kompromiss finden! Das halte ich für durchaus er- Drucksache 921/3/01 auf. Wer stimmt diesem Antrag reichbar. Ein Kompromiss, der 14 Jahre vorsieht, be- zu? – Minderheit. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 743 Vizepräsident Dr. Henning Scherf (A) Zu Ziffer 8 ist getrennte Abstimmung gewünscht. Ziffer 49! – Minderheit. (C) Wer ist für Buchstabe a? – Minderheit. Nun zu Ziffer 50! – Minderheit. Jetzt das Handzeichen zu Buchstabe b! – Minder- Ziffer 51! – Minderheit. heit. Wir kommen zum Antrag von Schleswig-Holstein in Weiter mit Ziffer 10! – Minderheit. Drucksache 921/2/01. Wer ist dafür? Bitte Handzei- Ziffer 11! – Mehrheit. chen! – Das reicht nicht. Ziffer 12! – Mehrheit. Zu den Ausschussempfehlungen: Ziffer 13! – Minderheit. Ziffer 57! – Mehrheit. Dann bitte das Handzeichen zu Ziffer 14! – Mehr- Ziffer 58! – Minderheit. heit. Ziffer 60! – Minderheit. Ziffer 15! – Mehrheit. Ziffer 61! – Minderheit. Ziffer 16! – Minderheit. Ziffer 62! – Minderheit. Jetzt Ziffer 18! – Mehrheit. Ziffer 63! – Minderheit. Ziffer 19! – Mehrheit. Ziffer 65! – 36 Stimmen haben wir gezählt; Mehr- Ziffer 21! – Minderheit. heit. Zu Ziffer 23 stimmen wir getrennt ab. Ich rufe Ziffer 66! – Minderheit. zunächst auf: Buchstabe a! – Mehrheit. Ziffer 67! – Minderheit. Dann bitte das Handzeichen zu dem Rest der Ziffer Ziffer 69! – Mehrheit. 23! – Mehrheit. Ziffer 71! – Mehrheit. Ziffer 24! – Mehrheit. Ziffer 74! – Minderheit. Ziffer 25 entfällt. Ziffer 75! – Mehrheit. Zu Ziffer 27 ist ebenfalls getrennte Abstimmung ge- wünscht worden. Ich rufe zunächst Buchstabe a auf. – Ziffer 76! – Mehrheit. Minderheit. Ziffer 82! – 35 Stimmen; Mehrheit. (B) Nun das Handzeichen zu Buchstabe b! – Minder- (D) Ziffer 85! – Minderheit. heit. Ziffer 88! – Minderheit. Wir stimmen nun über Ziffer 28 ab. Wer ist dafür? – Mehrheit. Ziffer 89! – Minderheit. Ziffer 29! – 34 Stimmen; Minderheit. Ziffer 90! – Minderheit. Jetzt Ziffer 30! – Mehrheit. Ziffer 92! – Mehrheit. Ziffer 34! – Mehrheit. Zu Ziffer 96 stimmen wir wieder getrennt ab. Ich rufe zunächst auf: Buchstabe a! – Minderheit. Ziffer 35! – Minderheit. Buchstabe b! – Minderheit. Ziffer 36! – Mehrheit. Ziffer 100! – Minderheit. Ziffer 37! – Mehrheit. Ziffer 101! – Mehrheit. Ziffer 38! – Mehrheit. Ziffer 107! – Mehrheit. Zu Ziffer 39 stimmen wir getrennt ab. Ich rufe zunächst auf: Buchstaben a und b! – Minderheit. Ziffer 109! – Mehrheit. Zu Buchstabe c bitte Handzeichen! – Minderheit. Ziffer 111! – 34 Stimmen haben wir gezählt. – Noch einmal das Handzeichen! – Es bleibt bei 34 Stimmen; Jetzt zum Antrag des Saarlandes in Drucksache Minderheit. 921/7/01! Wer stimmt diesem Antrag zu? – Minder- heit. Ziffer 113! – Mehrheit. Ziffer 42! – Mehrheit. Ziffer 115! – Minderheit. Ziffer 43! – Mehrheit. Wir kommen zum Antrag Schleswig-Holsteins in Drucksache 921/4/01. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Ziffer 45 ist erledigt. Minderheit. Ziffer 46! – Minderheit. Ziffer 120! – Mehrheit. Ziffer 47! – Minderheit. Nun zum Antrag Bayerns in Drucksache 921/5/01! – Ziffer 48! – Minderheit. Minderheit. 744 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Vizepräsident Dr. Henning Scherf (A) Ziffer 126! – Mehrheit. Dr. Günther Beckstein (Bayern): Herr Präsident, (C) meine Damen und Herren! Ich möchte einige kurze Ziffer 132! – Mehrheit. Anmerkungen zum Terrorismusbekämpfungsgesetz Ziffer 133! – Mehrheit. machen. Bayern stimmt dem Sicherheitspaket II zu. Ziffer 143! – Mehrheit. Es geht in die richtige Richtung. Ziffer 146! – Mehrheit. Das Verfahren war allerdings indiskutabel. Dies gilt sowohl für den Bundestag – er geht uns hier nicht un- Ziffer 150! – Mehrheit. mittelbar an – als auch für den Bundesrat. Ich erinnere Ziffer 151! – Mehrheit. daran, dass wir in der Politischen Sitzung des Innen- ausschusses eine Arbeitsgruppe eingesetzt hatten, die Ziffer 154! – Mehrheit. einstimmige Ergebnisse erzielt hat. Diesen durften Ziffer 156! – Mehrheit. dann allerdings die Antragsteller selbst nicht mehr zustimmen. Vor allem aber sind aus den Verfahrens- Ziffer 157! – Mehrheit. mängeln schwere inhaltliche Mängel entstanden, die Ziffer 158 entfällt. wir später korrigieren müssen. Bayern wird im Früh- jahr eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Sicher- Ziffer 162! – 36 Stimmen; Mehrheit. heitspaketes starten, um diese Mängel zu beheben. Ziffer 163! – Mehrheit. Ich will in kurzen Worten darstellen, um welche Dann entfällt Ziffer 164. Punkte es geht. Jetzt Ziffer 165! – Mehrheit. Es ist richtig, dass die Landesämter für Verfas- sungsschutz mit Auskunftsrechten gegenüber Kre- Ziffer 166! – Mehrheit. ditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Luft- Ziffer 167! – Mehrheit. fahrtgesellschaften und Telekommunikationsdiensten ausgestattet werden und damit ähnliche Befugnisse Ziffer 168! – Mehrheit. erhalten wie das Bundesamt für Verfassungsschutz. Ziffer 170! – Mehrheit. Aber die Hürden sind zu hoch; denn um zu erfahren, Ziffer 171! – Minderheit. ob ein Angehöriger einer gewaltbereiten islamisti- schen Organisation nach Somalia oder nach Ägypten Dann rufe ich die Hilfsempfehlung unter Ziffer 172 geflogen ist, bedarf es einer Anordnung durch den auf. – Mehrheit. Präsidenten des Amtes. Gleichzeitig ist eine Minister- Ziffer 173! – Mehrheit. vorlage für die G10-Kommission erforderlich. Das ist (B) eine in der Praxis völlig untaugliche Regelung. Sie (D) Ziffer 175! – Minderheit. birgt die Gefahr, dass es letztlich nicht zu Ermittlun- Dann rufe ich den Antrag Bayerns in der Drucksa- gen kommt. Unter Umständen entsteht dadurch ein che 921/6/01 auf. Wer stimmt zu? – Minderheit. Schaden, und Gefährdungen werden zu realen Ge- fahren. Nun bitte noch das Handzeichen zu allen nicht erle- digten Ziffern! – Das ist die Mehrheit. Ein zweiter Punkt: Die gemeinsame Initiative von Niedersachsen und Bayern wird leider nicht in ange- Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf messener Form umgesetzt. Die Hürden für die Aus- Stellung genommen. weisung gewaltbereiter Ausländer, bei denen der Ich danke Ihnen allen sehr für diese Schwerstarbeit. Verdacht auf terroristische Straftaten besteht, sind nach dem zur Abstimmung vorliegenden Gesetz Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Punkte 73, deutlich höher als nach der Initiative. Ich meine, dass 26 a) und 26 b) auf: insoweit die erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht 73. Gesetz zur Bekämpfung des internationalen getroffen sind. Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsge- setz) (Drucksache 1059/01) Ein dritter Punkt: Es ist ein schwerer Mangel, dass der Datenaustausch zwischen dem Bundesamt für die in Verbindung mit Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und den 26. a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesämtern für Verfassungsschutz nicht vorgese- Grundgesetzes (Artikel 35) – Antrag der hen ist, zumal für die Unterbringung von Asylbewer- Freistaaten Bayern, Sachsen – (Drucksa- bern die Länder zuständig sind. Herr Schily, ich sehe che 993/01) hier eine deutliche Schutzlücke. In diesem Jahr wur- den allein Bayern mehr als 6 000 irakische Asylbe- b) Entwurf eines Gesetzes zum verbesserten werber zugewiesen. Wenn dabei Sicherheitsprobleme Schutz der Öffentlichkeit vor angedroh- auftreten, so erfahren wir davon nichts, weil die Infor- ten und vorgetäuschten Straftaten („Tritt- mationen ausschließlich an das Bundesamt gehen. brettfahrergesetz“) – Antrag des Frei- Wir können natürlich, wenn wir einen konkreten Ver- staats Thüringen – (Drucksache 922/01) dacht haben, beim Bundesamt nachfragen, aber eine Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein verdachtsunabhängige Kontrolle aller Bayern zuge- (Bayern). Ihm folgt der Bundesinnenminister. Die wiesenen Asylbewerber ist nicht vorgesehen. Hierin übrigen Gemeldeten geben ihre Rede zu Protokoll. sehe ich einen deutlichen Mangel, der zu beseitigen Das ist doch schon eine gute Geschäftslage. ist. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 745 Dr. Günther Beckstein (Bayern) (A) Ein vierter Punkt: Im Ausländerzentralregister wird sachsen enthalten war. Wir haben es etwas abgewan- (C) die Volkszugehörigkeit von Ausländern selbst dann delt, was die Frage der Zugehörigkeit zu einer terro- nicht gespeichert, wenn Angaben freiwillig gemacht ristischen Gruppierung angeht, und folgende Formel werden oder wenn sie durch Behördenverfahren vor- gewählt: Wenn Tatsachen belegen, dass eine solche gesehen sind. Dies ist sehr bedauerlich. Meines Er- Zugehörigkeit vorliegt, dann muss von der entspre- achtens ist es von großer Bedeutung zu wissen, ob ein chenden Entscheidungsbefugnis Gebrauch gemacht Türke Kurde ist. Das hat übrigens für die Betreffen- werden. Das setzten wir von dem strafprozessualen den selbst, wie uns gesagt wird, durchaus positive Begriff des Verdachtes ab; denn dieser hat hier nichts Auswirkungen. Es war natürlich von Bedeutung, ob zu suchen. Verdacht ist ein strafprozessualer Begriff, ein Bosnier ethnischer Serbe oder ethnischer Kroate der für die Frage von Bedeutung ist, wann man An- ist. Dass derartige Angaben, die im Ausländerrecht klage erheben kann und muss, wann ein Haftbefehl selbstverständlich zu berücksichtigen sind, nicht ge- zu erlassen ist usw. Hier geht es um eine Gefahrenbe- speichert werden dürfen, ist ein deutlicher Mangel. urteilung. An diese polizeirechtlichen Kategorien hal- ten wir uns. Ein letzter Punkt: Es ist ein Fortschritt, dass biome- trische Daten erhoben werden dürfen. Dass aber eine Ich will Ihnen zugeben, dass auch ich gute Argumen- bundesweite Datei nicht zulässig ist, bedeutet einen te dafür sehe, Angaben zur ethnischen Zugehörigkeit, Verzicht auf wichtige Maßnahmen im Bereich der in- unter der Voraussetzung, dass sie freiwillig gemacht neren Sicherheit. Insoweit besteht Korrekturbedarf. wurden, in das Ausländerzentralregister aufzuneh- men. Dagegen gab es Einwände. Aber auch dieses Ge- Insgesamt stimmt Bayern dem Sicherheitspaket II zu. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir wer- setzgebungsvorhaben ist von Kompromissen abhängig. den allerdings die offensichtlichen Mängel durch eine Darin sehe ich jedoch keinen großen Nachteil. neue Gesetzesinitiative im nächsten Jahr zu beheben Herr Beckstein, Sie haben die Weiterleitung von versuchen. Ich hoffe darauf, dass sich die übrigen Daten nicht nur an das Bundesamt, sondern auch an Länder, die dem Kompromisspaket zugestimmt haben die Landesämter für Verfassungsschutz angespro- – wir hatten eine einhellige Meinung –, dem Ände- chen. Dies sollten wir noch einmal prüfen. Meines rungsgesetz nach sorgfältiger Beratung anschließen. Wissens ist dieser Punkt im Vorfeld nicht angespro- chen worden. Wenn dort noch Änderungsbedarf be- steht, so will ich das mit positiver Tendenz durchaus Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Nächster Redner noch einmal erörtern. Ich kann auch keinen Unter- ist Herr Bundesminister Schily. schied erkennen, ob man die Daten an das Bundes- amt oder an die Landesämter gibt. In beiden Fällen (B) soll schließlich dem Sicherheitsgedanken Rechnung (D) Otto Schily, Bundesminister des Innern: Herr Präsi- getragen werden. Lassen Sie uns also darüber noch dent, meine Damen und Herren! Ich möchte auch hier einmal offen reden! den Dank an die erste Stelle setzen. Ich bedanke mich sehr dafür, dass dieses Gesetzgebungsvorhaben, das Ich will einen Punkt ansprechen, der in der Debatte sicherlich in einem beachtlichen Tempo beraten wer- ebenfalls eine Rolle gespielt hat und bei dem es den musste, Ihre Zustimmung finden wird. Ich meine, seltsame Koalitionen gegeben hat, etwa zwischen dass es angesichts der weltweiten terroristischen Be- dem Freistaat Bayern, den Grünen und Teilen der drohung durch islamistische Gruppierungen notwen- CDU/CSU-Bundestagsfraktion: die Stärkung der dig ist. Deshalb bitte ich auch um Verständnis dafür, Zentralstellenfunktion des Bundeskriminalamtes. dass kein längerer Zeitraum für die Beratung zur Ver- Von dem innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU- fügung gestanden hat. Fraktion, Herrn Marschewski, ist mir der Vor- Ich will nicht auf alle Einzelheiten eingehen; ich wurf gemacht worden, ich wolle das Bundeskriminal- kann sie als bekannt voraussetzen, und die Zeit ist amt wegen der Grünen als zahnlosen Tiger bestehen schon weit fortgeschritten. Ich möchte nur auf einige lassen. Diesen Vorwurf müsste ich an Herrn Kollegen Einwände von Herrn Kollegen Beckstein eingehen. Beckstein weitergeben. Aber Sie müssen untereinan- der ausmachen, welche Vorwürfe in welche Richtung Ich meine, dass es notwendig ist, bei Eingriffen, die gemacht werden. Grundrechte tangieren, das Kontrollsystem rechts- staatlich auszubilden. Das haben wir getan, indem Ich bin froh darüber, dass wir die Zentralstellen- wir das G10-Kontrollsystem zu Grunde gelegt haben. funktion in der Weise haben stärken können, dass Das entspricht übrigens Forderungen nicht nur aus auch das Bundeskriminalamt – wie die Landeskrimi- Kreisen der Koalitionsfraktionen, sondern auch der nalämter – in Zukunft unmittelbar Informationen er- FDP. Gestatten Sie mir die Bemerkung, Herr Beck- heben darf. stein: Ich glaube nicht, dass Sie in der früheren Koali- tionskonstellation ein Gesetzgebungswerk dieses In diesem Zusammenhang ist aus verschiedenen Umfangs zu Stande gebracht hätten. Uns ist das ge- Richtungen unter Verwendung des Begriffs der so ge- lungen, weil wir die Sicherheitserfordernisse sehen. nannten Initiativermittlungen Kritik geäußert worden. Man hat behauptet, das sei mit unserem rechtsstaatli- Die Frage der Ausweisung haben wir, wie ich finde, chen Denken nicht zu vereinbaren. Deshalb ist es richtig geregelt, und zwar nach polizeirechtlichen meiner Meinung nach geboten, auch im Kreise der Begriffen. Wir haben uns weitgehend an das gehal- Bundesratsmitglieder auf folgenden Sachverhalt hin- ten, was in einem Initiativantrag des Landes Nieder- zuweisen: 746 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Bundesminister Otto Schily (A) Die Justizminister und -senatoren sowie die Innen- ihre Erklärung zu Protokoll*) zu geben: Minis- (C) minister und -senatoren der Länder haben im Jahre ter Dr. Behrens (Nordrhein-Westfalen), Minister 1990 gemeinsame Richtlinien über die Zusammenar- Dr. Birkmann (Thüringen), Minister Bartling (Nieder- beit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Ver- sachsen), Ministerin Schubert (Sachsen-Anhalt) und folgung der organisierten Kriminalität verfasst. Nach Staatsminister Zuber (Rheinland-Pfalz). Danke sehr. meiner Überzeugung ist Terrorismus eine Form der or- ganisierten Kriminalität. Aber man hat aus bestimm- Wir kommen zur Abstimmung und beginnen mit ten Gründen gesagt, dass die Richtlinien zunächst ein- Punkt 73, dem Terrorismusbekämpfungsgesetz. mal nicht für den Bereich des Terrorismus gälten. Das Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten emp- hat eher definitorischen Hintergrund und nichts mit fiehlt in Drucksache 1059/1/01, dem Gesetz zuzustim- dem Sachverhalt zu tun; denn die gemeinsamen Richt- men. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das linien – damit auch das klar ist – schaffen kein materi- Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. elles Strafrecht und auch kein strafprozessuales Recht, sie sind auf der Basis des geltenden materiellen Straf- Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. rechts und des geltenden Strafverfahrensrechts ver- Es bleibt abzustimmen über den Entschließungsan- fasst worden. trag Nordrhein-Westfalens in Drucksache 1059/2/01, In den gemeinsamen Richtlinien finden Sie einen dem Rheinland-Pfalz beigetreten ist. Wer stimmt die- Passus, den ich Ihnen nicht vorenthalten will. Es heißt sem Antrag zu? – Auch das ist die Mehrheit. unter Ziffer 6 – Initiativermittlungen –: Damit ist die Entschließung gefasst. Die Aufklärung und wirksame Verfolgung der or- Wir kommen zu Punkt 26 a), dem Gesetzentwurf zu ganisierten Kriminalität setzen daher voraus, dass Artikel 35 Grundgesetz. Staatsanwaltschaft und Polizei von sich aus im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse Informa- Ihnen liegen die Ausschussempfehlungen in Druck- tionen gewinnen oder bereits erhobene Informa- sache 993/1/01 vor. Unter Ziffer 1 wird die Einbrin- tionen zusammenführen, um Ansätze zu weiteren gung des Gesetzentwurfs empfohlen. Mit der Abstim- Ermittlungen zu erhalten (Initiativermittlungen). mung darüber wird über die unter Ziffer 2 empfohlene Nichteinbringung mitentschieden. Also das, was einige ziemlich lautstark tadeln, ist geltendes Recht bzw. vollzieht sich auf der Basis des Wer für die Einbringung ist, den bitte ich um das geltenden Rechts. Handzeichen. – Das ist eine Minderheit. Wenn Sie gestatten, möchte ich einen weiteren Pas- Damit hat der Bundesrat beschlossen, den Gesetz- sus vortragen: entwurf n i c h t einzubringen. (B) (D) Bei Initiativermittlungen liegen häufig die Ele- Wir kommen zu Punkt 26 b), dem Entwurf eines mente der Strafverfolgung und der Gefahrenab- Trittbrettfahrergesetzes. wehr in Gemengelage vor oder gehen im Verlauf Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- eines Verdichtungs- und Erkenntnisprozesses in- fehlungen in Drucksache 922/1/01 vor. Ich rufe auf: einander über. Ziffer 1! – Das ist die Mehrheit. Für die Zusammenarbeit gilt, dass das Ziel der Initiativermittlungen die Klärung des Anfangs- Wer nunmehr dafür ist, den Gesetzentwurf in der verdachtes bzw. der Gefahrenlage ist und dass soeben festgelegten Fassung beim Deutschen Bun- dem Staatsanwalt in Fällen der Gefahrenabwehr destag einzubringen, den bitte ich um das Handzei- eine Leitungsbefugnis nicht zusteht. chen. – Das ist die Mehrheit. Ich will Sie auf diesen Sachverhalt aufmerksam ma- Dann ist so beschlossen. chen. Da das Bundeskriminalamt in seiner Zentral- Wir sind übereingekommen, Minister Dr. Birkmann stellenfunktion nach dem Bundeskriminalamtgesetz (Thüringen) zum Beauftragten zu bestellen. die Verpflichtung und die Aufgabe hat, sowohl im re- pressiven als auch im präventiven Bereich, übrigens Tagesordnungspunkt 5: auch zu Gunsten der Länderbehörden, tätig zu wer- Gesetz zur Fortführung des Solidarpaktes, zur den, sollte man sich davor hüten, dem Begriff „Initia- Neuordnung des bundesstaatlichen Finanz- tivermittlungen“ einen negativen Sinn zuzuordnen, ausgleichs und zur Abwicklung des Fonds und den Sicherheitsbehörden auf der Basis des gel- „Deutsche Einheit“ (Solidarpaktfortführungs- tenden Rechts die für sie notwendigen Befugnisse zu- gesetz – SFG) (Drucksache 999/01, zu Druck- gestehen. Das dient der Sicherheit unserer Bürgerin- sache 999/01) nen und Bürger. Keine Wortmeldung. – Je eine Erklärung zu Proto- Ich möchte Ihnen abschließend noch einmal dafür koll**) geben Ministerpräsident Biedenkopf (Sach- danken, dass Sie es ermöglichen, dass dieses Sicher- sen) und Bürgermeister Böger (Berlin). heitspaket heute auch die Zustimmung des Bundesra- tes findet. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Empfehlun- gen des Finanzausschusses unter den Ziffern 1 und 2

Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Freundlicher- *) Anlagen 7 bis 11 weise haben sich folgende Kollegen bereit erklärt, **) Anlagen 12 und 13 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 747 Vizepräsident Dr. Henning Scherf (A) der Drucksache 999/1/01 folgen möchte, den bitte ich Die Nachhaltigkeit des Haushalts ist zwingend. Wir (C) um das Handzeichen. – Das ist einstimmig. haben uns in Bayern sogar gesetzlich dazu verpflich- tet, bis zum Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haus- Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt halt vorzulegen, und zwar nicht nur, um die nächste und eine Entschließung gefasst. Generation vor Zinsen zu bewahren, sondern auch Punkt 4: deshalb, um der nächsten Politikergeneration Gestal- tungsmöglichkeiten zu geben. Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 2002 (Haus- Wenn ein nachhaltiger Haushalt eine der Grund- haltsgesetz 2002) (Drucksache 996/01) zielsetzungen des Bundesfinanzministers für den Das Wort hat Herr Staatsminister Professor Bundeshaushalt ist, dann enthält der vorliegende Faltlhauser (Bayern). – Herr Faltlhauser, Sie sind der Haushalt einen fundamentalen Widerspruch: Die einzige Redner. Ich will Sie dazu anstiften, sich kurz Bundesregierung und der Bundesfinanzminister fah- zu fassen. ren nämlich die Investitionsquote konsequent und konstant nach unten. Sie beträgt im laufenden Haus- haltsjahr ungefähr 12,2 %; schauen wir mal, was Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Bayern): Im Falle eines genau dabei herauskommt. Im nächsten Jahr werden Falles macht der Bundesinnenminister alles und ver- es noch 11,4 % und im Jahre 2005 nur 10,3 % sein. tritt auch den Bundesfinanzminister. 1 % Investitionsquote entspricht ungefähr 5 Milliar- Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will den DM. Das kann man, gerade in konjunkturell hier nicht die Bundestagsdebatte wiederholen oder schwacher Zeit, brauchen, und zwar nicht nur für die aufwärmen. Aber ich glaube, es ist für uns alle in die- Bauwirtschaft, sondern auch für die Dynamik der sem Raum wichtig, wenn ich auf wesentliche Punkte konjunkturellen Entwicklung. des Bundeshaushaltes eingehe. Ich halte die Investitionsquote nicht nur für ein we- Erster Punkt: Vor 14 Tagen habe ich in meinem sentliches Kennzeichen einer zukunftsorientierten Po- Land einen Nachtragshaushalt eingebracht, dem eine litik für die nächste Generation, sondern auch für ein Wachstumsprognose von 0,7 % zu Grunde liegt. Die ergänzendes Kennzeichen einer Haushaltspolitik der drastischen Anpassungen haben weh getan. Aber sie Nachhaltigkeit. waren notwendig; denn 0,7 % ist das, was wir erwar- Der Widerspruch besteht also darin, dass der Bun- ten. Alle Experten und Prognosen sagen, das sei die desfinanzminister sagt, er betreibe nachhaltige Haus- Wachstumsrate des nächsten Jahres. haltspolitik, indem er versuche, die Nettoneuver- Der Bundesfinanzminister hat einen Haushalt vor- schuldung nach unten zu fahren, und gleichzeitig die (B) gelegt, dem eine Wachstumsprognose von 1,25 % zu Investitionsquote nach unten fährt, um dieses Ziel zu (D) Grunde gelegt worden ist, was entsprechende Folgen erreichen. Dies widerspricht sich mit Blick auf die Zu- bei den Steuern hat. kunftsfähigkeit eines Haushalts massiv. Ich meine, das ist ein Widerspruch in sich, ein Strukturfehler in Zeitgleich hat der Bundesfinanzminister der Kom- diesem Bundeshaushalt. Auf diese Weise werden wir mission ein Stabilitätsprogramm mit einem Szenario keinen Spielraum für die nächste Generation gewin- von 0,75 % vorgelegt. Das ist ein halber Prozentpunkt nen. Die Investitionsquote wird auf 10 % reduziert weniger. Ich kann nur fragen: Was gilt nun – die und sinkt noch weiter. Was sollen denn die jungen Po- Wahrheit des Haushalts, die nur noch eine Chimäre ist, oder die Realität? 1,25 oder 0,75 %? litiker, die heute zum Teil schon in den Parlamenten sind, in den nächsten 10, 15 Jahren beschließen, Es klafft eine zu große Lücke zwischen der Realität, wenn sie kaum noch Investitionsspielraum haben? Ich der Sie alle in Ihren Ländern Rechnung getragen halte das für einen grundsätzlichen Fehler in diesem haben, und dem, was als Bundeshaushalt vorliegt. Bundeshaushalt. Wir müssen uns alle bemühen, die Dies wird im nächsten Jahr auch Auswirkungen auf Investitionsquote auf einem hohen Niveau zu halten. die Länder haben. Deshalb muss das hier in aller Deutlichkeit angesprochen werden. Ich halte es für Als ich im Bayerischen Landtag angefangen habe, ein einmaliges und unmögliches Verfahren, dass dem lag die Investitionsquote in Bayern bei 25 %. Heute Bundeshaushalt erkennbar dramatisch falsche An- liegt sie deutlich darunter. Das beklage ich. Aber sie so nahmen zu Grunde liegen. deutlich und konsequent nach unten zu fahren, wie es gegenwärtig beim Bundeshaushalt der Fall ist, ist Zweiter Punkt: Der Bundesfinanzminister gilt übli- falsch. Der Bundesfinanzminister spart an der falschen cherweise als Sparminister. Wenn er anwesend wäre, Stelle. würde er jetzt zufrieden und staatsmännisch lächeln. Wir begrüßen ohne Zweifel seine Bemühungen, im Ich möchte noch Folgendes anmerken, weil dies ge- Rahmen einer nachhaltigen Politik mittelfristig einen genwärtig von besonderer Bedeutung ist. Ich will hier ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das wird im nicht dem Keynesianismus das Wort reden. Aber ich Jahre 2004 wahrscheinlich nicht erreichbar sein. Ob erkenne in diesem Bundeshaushalt, der immerhin ein es im Jahre 2006 erreicht wird, bleibt abzuwarten. Gesamtvolumen von fast 500 Milliarden DM hat, kei- Aber das ist vernünftig. Meiner Ansicht nach ist auch nen einzigen Akzent der Wachstumsförderung und die Begründung vernünftig, nämlich dass es für die der Konjunkturorientierung, was in der gegenwärti- nächste Generation nicht vertretbar ist, noch mehr gen Situation bedeutsam wäre. Ich erkenne keine Ak- Schulden obendrauf zu packen und dadurch weiter zente bei der Arbeitsmarktpolitik, bei der viel Geld steigende Zinsbelastungen zu verursachen. zum Fenster hinausgeworfen wird. Ich erkenne auch 748 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Bayern) (A) keine Akzente bei den Investitionen und insgesamt fen. Diese Intention begrüßen wir. Wir müssen jedoch (C) keine Wachstumsanreize. Das heißt, dieser Haushalt leider feststellen, dass es der Bundesregierung nicht bürokratisiert vor sich hin. gelungen ist, ihre Ziele zu verwirklichen.

Es gibt gegenwärtig überall ein Wachstumsdefizit. Sie hat das Gesetz in viel zu großer Eile ohne Rück- Seinem Wachstumsdefizit trägt der Bundeshaushalt in sicht auf inhaltliche Absicherung durchgepeitscht. keiner Weise Rechnung. Das Gesetz schafft unnötige bürokratische Hürden und ist inhaltlich wie gesetzestechnisch mangelhaft. Wir spüren das im Ergebnis auch in unseren Haus- Dies beweist schon die Tatsache, dass die Regie- halten. Deshalb musste das hier so deutlich gesagt rungsfraktionen kurz vor der entscheidenden Sitzung werden. im Bundestag noch 74 Änderungsanträge eingebracht haben. In 36 Anträgen haben sie dabei Vorschläge aus der Stellungnahme des Bundesrates übernom- Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Herr Faltlhauser, men. Dies war kein Entgegenkommen, sondern not- Sie haben eine Antwort von Herrn Parlamentarischen gedrungene Einsicht in die Beseitigung erheblicher Staatssekretär Diller provoziert. Er hat das Wort. Mängel. Das Gesetz stellt die Weichen falsch und bietet Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- keine Grundlage für eine nachhaltige Naturschutz- nister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr ver- politik. Einige Regelungen belasten das Verhältnis zu ehrten Damen und Herren! Mit Blick auf Ihre zeitli- Mitverantwortlichen in der Naturschutzarbeit, insbe- chen Nöte möchte ich nur einen Aspekt von dem sondere zu den Landwirten. Die Kooperation mit allen aufgreifen, was Herr Finanzminister Faltlhauser be- Beteiligten auf freiwilliger Basis wird gefährdet. Ich züglich des Bundeshaushaltes meinte ansprechen zu sage Ihnen: Ohne oder gar gegen die Landwirte kön- müssen. nen Sie Naturschutz nicht verwirklichen. Herr Faltlhauser, ich stelle fest: Es ist schlicht unfair, Das Gesetz verursacht erheblichen finanziellen und den Rückgang der Investitionsquote zu beklagen. personellen Aufwand, ohne konkrete Verbesserun- Allen hier im Hause ist bewusst, dass wir auf Bitten gen in der praktischen Naturschutzarbeit herbeizu- der neuen Länder die Mittel aus dem Investitionsför- führen. Es werden Regelungen getroffen, die auf Be- derungsgesetz in Höhe von 6,6 Milliarden DM, die in sonderheiten in den Ländern und Regionen keinerlei diesem Jahr noch auf der Ausgabenseite stehen, im Rücksicht nehmen. Die genannten Belastungen tref- nächsten Jahr auf der Einnahmeseite als Rotbuchung fen ausschließlich die Länder; der Bund blendet sich verzeichnen werden, weil sie den Ländern als freie aus der Naturschutzarbeit völlig aus. Steuermittel zur Verfügung gestellt werden. Uns hie- (D) (B) Die Mängel des Gesetzes möchte ich an einigen raus einen Vorwurf zu machen ist schlicht unfair. Beispielen verdeutlichen. Die Reglementierung der so genannten guten fach- Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Weitere Wort- lichen Praxis in der Landwirtschaft gegen die Vor- meldungen liegen nicht vor. stellungen der Betroffenen führt zu Konfrontation und belastet unnötig das Verhältnis zu den Bauern. Es ent- Wir kommen zur Abstimmung. Eine Ausschussemp- stehen Unsicherheiten und Unklarheiten gegenüber fehlung auf Anrufung des Vermittlungsausschusses anderen Fachgesetzen. Die Regelung gefährdet För- oder ein entsprechender Landesantrag liegt nicht vor. dermöglichkeiten in bestehenden Naturschutzpro- Ich stelle daher fest, dass der Bundesrat zu dem grammen und beinhaltet insgesamt unnötige Büro- Haushaltsgesetz 2002 einen Antrag gemäß Artikel 77 kratisierung. Abs. 2 des Grundgesetzes n i c h t stellt. Ebenso lehnen wir die starre 10-%-Vorgabe beim Wir haben noch über den Entschließungsantrag in Biotopverbund ab. Der Bund setzt damit auf Flächen- Drucksache 996/2/01 zu befinden. Wer stimmt dafür? – bilanzen, die keine qualitativen Aussagen zulassen. Das ist eine Minderheit. Eine schematische Vorgabe ohne Rücksicht auf fachli- Damit ist die Entschließung n i c h t gefasst. che Wertigkeiten ist jedoch nicht sinnvoll. Ich sage Ihnen: Umweltverträgliche Landwirtschaft auf der Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 17: ganzen Fläche ist besser als eine Politik, mit der man Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Natur- den Naturschutz sozusagen auf 10 % Biotopverbund schutzes und der Landschaftspflege und zur An- reduziert. passung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchG- Außerdem ist die Einführung der flächendecken- NeuregG) (Drucksache 1004/01) den gemeindlichen Landschaftsplanung nicht sach- Herr Staatsminister Bocklet (Bayern). gerecht. Die Regelung widerspricht den Grundsätzen der Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung. Sie führt zu übermäßigen und unzumutbaren Belas- tungen vor allem kleiner Gemeinden. Die Umsetzung Reinhold Bocklet (Bayern): Herr Präsident! Verehr- dieser bundesrechtlichen Vorgabe würde allein in te Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung Bayern insgesamt ca. 37 Millionen DM kosten. wollte das Bundesnaturschutzgesetz grundlegend überarbeiten und an moderne Standards anpassen, Abzulehnen ist auch die vorgesehene Möglichkeit um eine zukunftsweisende Rechtsgrundlage zu schaf- der Verbandsklage, da sie zu nicht hinnehmbaren Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 749 Reinhold Bocklet (Bayern) (A) Verzögerungen im Verfahren und zu einer völlig Ich weiß, dass die Landwirtschaft in vielen Bereichen (C) unnötigen Verfahrensaufblähung führt, ohne einen – bei uns in Hessen besonders in den Ausläufern des Mehrwert für den Naturschutz zu erbringen. Sauerlandes – durch erhebliche Auflagen zur Aufga- be gezwungen wurde. Heute machen wir uns Gedan- Angesichts der Mängel des Gesetzes sollten wir ken darüber, wie wir diese Kulturlandschaft auch im alles daransetzen, gemeinsam auf Verbesserungen Interesse des Naturschutzes erhalten können. hinzuwirken. Leider hat der Bund eine maßgebliche inhaltliche Beteiligung der Länder umgangen und das Herr Kollege Bocklet hat die 10-%-Regelung ange- Gesetz so „gestrickt“, dass es nach seiner Meinung sprochen. Auch wir halten sie für zu starr. Sie ist eine der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf. willkürliche Vorgabe. Warum nicht 8 oder 12 %? Wir sind der Meinung, dass es nur sachliche Gründe dafür Uns bleibt jedoch die Möglichkeit, den Vermitt- geben sollte, den Biotopverbund auszuweiten. lungsausschuss anzurufen. Lassen Sie uns diese Chance, für den Naturschutz wichtige Korrekturen Ein weiterer Kritikpunkt unsererseits ist die Veran- am Gesetz anzubringen, nicht verpassen! In diesem kerung der guten fachlichen Praxis im Gesetz. Dies Sinne bitte ich Sie um Ihre Unterstützung und Mithil- ist kontraproduktiv. Für problematisch halte ich es, fe bei der Gestaltung eines modernen Naturschutz- dass Sie den Grundsatz durchbrochen haben, Derarti- rechts. ges in Fachgesetzen zu regeln. Standards der Boden- nutzung waren bisher dem Fachrecht vorbehalten, sie gehören unserer Meinung nach nicht in das Natur- Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Nächster Redner schutzgesetz. ist Herr Staatsminister Dietzel (Hessen). Die Regelungen sind vor allen Dingen schwer voll- ziehbar. Der personelle und sicherlich auch der finan- Wilhelm Dietzel (Hessen): Herr Präsident! Meine zielle Mehraufwand werden erheblich sein. Bei ge- sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir alle nauer Prüfung ist festzustellen, dass gerade im teilen die Zielsetzung des Gesetzes: die Bewahrung Boden-, Wasser- und Düngemittelrecht Bereiche nicht der Schöpfung, der Schutz der natürlichen Lebens- deckungsgleich sind. Dies wird zu einer Verunsiche- grundlagen, eine intakte Umwelt für die nächste Ge- rung im Vollzug und insbesondere in der Verwaltung neration. Die Wege dahin scheinen jedoch angesichts führen. Dünge- und Pflanzenschutzmittel z. B. sollten der Diskussion im Bund und in den Ländern sehr un- im Fachrecht, nicht aber im Naturschutzrecht doku- terschiedlich zu sein. mentiert werden. Das Bundesnaturschutzgesetz wurde im Jahre 1998 Außerdem wird es Probleme bei der Förderung im novelliert. Ich war damals Bundestagsabgeordneter. Hinblick auf die Agrarumweltprogramme geben, die (B) Eine der wichtigsten Neuerungen lautete: Kooperati- von allen Ländern vorangebracht werden sollen. (D) on statt Konfrontation. Es ging darum, Vertragsnatur- Nach dem EU-Recht werden erheblich höhere Anfor- schutz Vorrang vor dem Ordnungsrecht zu geben. Wir derungen gestellt, z. B. die schlagbezogene Aufzeich- glaubten, mit den Beteiligten vor Ort den besten Na- nung der Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Im hessi- turschutz gestalten zu können. Dem hat das Koopera- schen Kulturlandschaftsprogramm ist dies schon tionsprinzip in hervorragender Weise Rechnung ge- enthalten. Die Europäische Union wird möglicherwei- tragen. se Einspruch erheben, so dass Prämien nicht oder nur reduziert gezahlt werden. Wir haben uns im Jahre 1998 auch über einen Aus- gleich für Naturschutzauflagen unterhalten. Ich Ministerin Künast will die Modulation, also die meine, dass akzeptierter Naturschutz der beste Na- Agrarumweltprogramme, voranbringen. Diese wird turschutz ist. aber durch das Gesetz von Herrn Trittin gefährdet. Das ist ein Widerspruch grüner Minister in Berlin. In erster Linie wollten wir Naturschützer und -nut- Meine Damen und Herren, lassen Sie uns über die- zer gemeinsam an einen Tisch bekommen. Land- und ses Thema insgesamt noch einmal nachdenken und Forstwirte bewirtschaften in unserem Land etwa 80 % im Vermittlungsausschuss diskutieren! Wir sollten zu der Fläche. Die Mitarbeit und Akzeptanz der Betroffe- einer besseren Lösung für die Natur, für den ländli- nen waren uns besonders wichtig. chen Raum und für alle Menschen, die dort leben und Es gibt keine sachlichen Gründe, diese wichtigen arbeiten, finden. Weichenstellungen aus dem Jahre 1998 zu verän- dern. Ich hoffe, dass die Diskussion heute nicht abge- Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Nächste Wort- schlossen, sondern im Vermittlungsausschuss weiter- meldung: Herr Staatsminister Flath (Sachsen). geführt wird.

Meine Damen und Herren, ländliche Räume sind Steffen Flath (Sachsen): Herr Präsident! Meine sehr nicht nur Naturräume, sondern auch Kulturlandschaf- verehrten Damen und Herren! Unter den Ländern, ten, die die Menschen über Hunderte und Tausende aber auch zwischen Bund und Ländern ist das Ziel des von Jahren gestaltet haben. Sie sind wichtige Wirt- Naturschutzes unstrittig: Wir sollten uns bemühen, schaftsräume, in denen auch in Zukunft hochwertige Verbesserungen herbeizuführen, um dem Artenster- Nahrungsmittel erzeugt werden sollen. ben bei Pflanzen und Tieren entgegenzuwirken. Ich wehre mich dagegen, dass teilweise behauptet Die Wege sind natürlich verschieden. Ich stelle fest, wird, Nichtbewirtschaftung sei der beste Naturschutz. dass die Länder diesbezüglich die größere Erfahrung 750 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Steffen Flath (Sachsen) (A) haben; denn die Umsetzung des Naturschutzes ist nommen, weil wir glauben, dass wir das Gesetz letzt- (C) eine reine Länderaufgabe. Deshalb wäre es notwen- lich mit den Ländern verabschieden müssen; denn dig gewesen, dass die Bundesregierung die Erfah- diese haben es zu vollziehen. rung der Länder besser einbezogen hätte. Nun höre ich, dass es noch verschiedene Einwände Gerade in den Ländern ist in den letzten Jahren ein gibt, die man im Vermittlungsverfahren zu klären moderner Naturschutz entwickelt worden. Das Ge- wünscht. Ob Stadtstaatenregelung oder die sublitora- setz, das uns die Bundesregierung vorgelegt hat, ver- len Sandbänke der Ostsee – an solchen Punkten kann setzt uns in den Stand vor zehn oder 15 Jahren man rasch konstruktiv zu einem Ergebnis kommen. Zu zurück: Konfrontation statt Kooperation. Ich denke, Konstruktivität in Einzelfragen sagen wir immer Ja. es gibt nur einen vernünftigen Weg, nämlich Natur- Ich muss aber betonen, dass wir die Destruktion der schutz auf vertraglicher Basis gemeinsam mit den Kernpunkte des Gesetzes nicht akzeptieren können. Bürgern und mit den Landnutzern – den Landwirten, Ich sage das, weil mich manche Anträge sehr wun- den Forstwirten, den Teichwirten – zu gestalten. Des- dern. Naturschutz lebt von der Fachkunde und dem halb ist es ein Rückschritt, wenn die Bundesregierung Wissen beispielsweise von Naturschutzverbänden. den Vorrang des Vertragsnaturschutzes wieder ab- Bundeseinheitlich führen wir im Bundesgesetz nun schafft. die Verbandsklage ein, damit die engagiertesten An- Ich will ein Beispiel nennen: Wir in Sachsen haben wälte für den Naturschutz nicht nur sozusagen räso- gute Erfahrungen mit der Teichwirtschaft gesammelt. nieren, sondern auch klagen können, wenn es um den Wir haben vertraglich geregelt, dass die Teichwirte Schutz von Bergmolchen, Uhus und Auwäldern geht. auf den Naturschutz Rücksicht nehmen. Während in Gegen diese Stärkung von Bürgerrechten, also mehr anderen Ländern darüber diskutiert wird, die Schä- Rechte für die Menschen gegenüber der Verwal- tung – Sie haben von „Bürokratie“ gesprochen, Herr den durch Kormorane durch einen Abschuss zu be- Bocklet –, wollen nun das CSU-regierte Bayern und grenzen, zahlen wir in Sachsen den Teichwirten auf das PDS-mitregierte Mecklenburg-Vorpommern den vertraglicher Basis einen Ausgleich. Dieses Beispiel Vermittlungsausschuss anrufen. Beton statt Bürger- setzt sich immer mehr durch. Wir haben durch viele rechte! Ich weiß nicht, ob sich da eine neue Einheit Programme mehr Rücksicht auf den Naturschutz er- aus der Regionalpartei Ost mit der Regionalpartei Süd reicht. Diesen Weg sehen wir nun gefährdet. auftut – Helmut Holter und Edmund Stoiber Seit’ an Zurzeit werden in den Ländern FFH-Gebiete aus- Seit’. gewiesen. Die eigentliche Arbeit beginnt aber an- (Vereinzelt Heiterkeit) schließend, wenn wir die FFH-Richtlinie in die Praxis umsetzen. Vor diesem Hintergrund hat uns Bundes- Ich meine, die Wahrheit ist trivialer. Die Befürchtun- (B) minister Trittin mit der Novelle des Bundesnatur- gen Mecklenburg-Vorpommerns hinsichtlich der Ver- (D) schutzgesetzes einen Bärendienst erwiesen. bandsklage sind nicht berechtigt. Das Gaskraftwerk in Lubmin beispielsweise wird gebaut. Ich persönlich Ich denke, es gibt im Sinne von mehr Naturschutz und die Bundesregierung haben viel dafür getan. nur einen vernünftigen Weg, nämlich im Vermitt- Auch die A 20 wird gebaut. Deren Trassenführung lungsausschuss noch einmal über das Gesetz zu bera- aber wird unabhängig von der Frage der Verbandskla- ten. – Ich danke Ihnen. ge einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen wer- den müssen. Wenn Sie wissen wollen, dass das Bun- Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Nächster Redner desverwaltungsgericht Klagen einzelner Bürger gegen die Trassenführung der A 20 südlich von Lü- ist Herr Minister Trittin. beck zum Anlass genommen hat, auf eine Änderung zu drängen, empfehle ich Ihnen ein Gespräch mit Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- Claus Möller. Es ist im Gegenteil so: Die Einführung schutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident, meine der Verbandsklage, die Loslösung von Klagen einzel- Damen und Herren! Heute vor genau 25 Jahren hat ner zufälliger Anwohner, führt zur Kalkulierbarkeit der damalige Bundespräsident Walter Scheel das der Planverfahren und dazu, dass sie sehr viel rationa- Bundesnaturschutzgesetz ausgefertigt. Es ist – ich ler ablaufen. denke, darüber sind wir uns einig – ein wenig in die Was ist eigentlich das Ergebnis, wenn dem Antrag Jahre gekommen. Nun geht es darum, es einer umfas- Mecklenburg-Vorpommerns, den Ländern die An- senden Modernisierung zu unterziehen. wendung der Verbandsklage freizustellen, gefolgt Dass Sie sich einer Modernisierung – übrigens im wird? Ich kann Ihnen diejenigen, die davon profitie- Gegensatz zu CDU-Ministern; ich könnte Ihnen die ren, nennen: die CSU in Bayern – Herr Bocklet freut Reden von Herrn Töpfer und Frau Merkel zi- sich schon – und die CDU in Baden-Württemberg. tieren – entziehen wollen, indem Sie den Vermitt- Beide Landesregierungen verfügen über dieses mo- lungsausschuss anrufen, ist bedauerlich. Wir sind derne Planungsinstrument noch nicht, während alle Ihnen, obwohl das Gesetz – auch da bewegen wir uns übrigen, wie ich gestern gehört habe, damit unter in der Tradition der von CDU/CSU und FDP geführten dem Strich relativ vernünftige Erfahrungen gemacht damaligen Bundesregierung –, wie Herr Bocklet rich- haben. tig bemerkt hat, nicht zustimmungsbedürftig ist, in Wenn mir diese Bemerkung erlaubt ist: Mir schei- den Beratungen sehr weit entgegengekommen. Al- nen hier einige im westdeutschen Politikbetrieb lein von den Anregungen im ersten Durchgang im schneller angekommen zu sein, als manche Polemik Bundesrat haben wir mehr als 40 Änderungen über- von rechts vermuten lässt. Im Bundestag die Auswei- Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 751 Bundesminister Jürgen Trittin (A) tung der Verbandsklage zu fordern und sie im Bun- dann bezahlen durften. Diesen Vertrag zu Lasten der (C) desrat mit zu blockieren zeugt von beachtlicher Flexi- Bundesländer beenden wir mit dem Gesetz. Wir bilität, meine Damen und Herren. geben Ihnen den Spielraum zurück, indem wir Ihnen die Möglichkeit geben, selbst zu definieren, wie Die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes Landwirte für Umweltleistungen, die über die gute müsste eigentlich im Interesse aller Bundesländer fachliche Praxis hinausgehen, entschädigt werden sein. Ich will das an einigen Konfliktpunkten erläu- sollen. tern. Es ist natürlich notwendig, Mindestanforderungen Sie kennen den durchgehenden Konflikt zwischen an eine gute fachliche Praxis zu haben. Aber, meine den Menschen, die Sport treiben wollen, und den Na- Damen und Herren, was schreiben wir fest? Selbst- turschützern. Wir haben diesen Dauerkonflikt mit der verständlichkeiten! Ist es etwa nicht selbstverständ- Novelle nicht beseitigen können, aber wir haben ihn lich, dass in erosionsgefährdeten Hanglagen und auf eine neue Grundlage gestellt, indem wir erstmalig Flusstälern kein Grünlandumbruch betrieben werden Regeln zur Vorinformation und zur Beteiligung von darf? Fragen Sie einmal einen Landwirt, ob es nicht Natursportverbänden eingeführt haben; denn wir selbstverständlich ist, dass nur so viel Dünger aufge- sind fest davon überzeugt, dass die Menschen, die in bracht wird, dass davon nichts im Fluss oder im der Natur Sport treiben, eher Bündnispartner als Geg- Grundwasser landet! Ist es nicht selbstverständlich, ner des Naturschutzes sind. dass wir in Zeiten von BSE gemeinsam darauf achten Es ist auch und gerade im Interesse der Länder, müssen, dass nur so viel Vieh auf einer Fläche gehal- wenn die Entwicklung der neuen Schutzgebiete hin ten wird, wie sie ernähren und Schadstoffe aufneh- zu einem Nationalpark endlich gesetzlich verankert men kann, und dass Waldwirtschaft so betrieben wird. Das hilft dem Nationalpark Harz ebenso wie wird, dass kein Kahlschlag entsteht? dem Nationalpark Unteres Odertal. Es dient nicht Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz nur der Natur; diese Nationalparke sind heute Anzie- geben wir Ihnen, den Ländern, den Spielraum zurück, hungspunkt für Tourismus, und naturnaher Touris- den Sie brauchen, wenn Sie zwischen Ordnungsrecht mus ist praktische Regionalentwicklung. Sie schafft und Vertragsnaturschutz gewichten wollen. Ich hoffe Wachstum und Beschäftigung. daher auf ein rasches und konstruktives Vermitt- Der Gedanke des Gesetzes, den Naturschutz aus lungsverfahren, sollte es dafür eine Mehrheit geben, dem Reservat zu holen, ist richtig. Es macht keinen und auf ein Ergebnis, in dem sich Bundesrat, Bundes- Sinn, ambitionierte Schutzräume zu haben, wenn auf tag und Bundesregierung wiederfinden. 90 % der Fläche Raubbau getrieben wird. Das ist in Das liegt übrigens auch unter einem anderen Deutschland – Gott sei Dank – nicht der Fall. Aber (B) Aspekt im Interesse der Länder, insbesondere der (D) natürlich ist der Landschaftsverbrauch noch immer Küstenländer. Ich schaue auf die Niedersachsen; sehr hoch. nicht nur, weil sie mir gegenübersitzen, sondern weil Selbstverständlich wirtschaften nicht alle Agrarbe- Herr Kollege Gabriel den Vorsitz im Vermittlungsaus- triebe so, wie es die übergroße Mehrheit unserer Bau- schuss innehat. Das Bundesnaturschutzgesetz schafft ern tagtäglich praktiziert und der guten fachlichen nämlich gleichzeitig die Voraussetzung für eine zügi- Praxis entspricht. Es liegt gerade im Interesse der ge Genehmigung von Offshorewindanlagen in der überwiegenden Mehrheit der Landwirte, wenn auch ausschließlichen Wirtschaftszone. Wir haben in dem im Naturschutzgesetz die gute fachliche Praxis defi- Gesetz erstmalig die dafür zuständige Behörde defi- niert ist. Wir brauchen Landwirte, die durch ihr Wirt- niert. schaften die Schönheit und die Vielfalt unserer Kultur- Wir haben auch die Zuständigkeit des Bundes für landschaft erhalten. Das liegt – dies muss ich in der die Ausweisung von FFH-Schutzgebieten konkreti- Länderkammer nicht sagen – im Interesse der Länder. siert. Der Bundesgesetzgeber hat inzwischen die ent- Das war einer der zentralen Ausgangspunkte der sprechenden Stellen zur Verfügung gestellt. Debatte über die Novellierung des Bundesnatur- Mit anderen Worten: Die Investoren – das wissen schutzgesetzes. Sie lehnt sich übrigens sehr eng an diejenigen, die von der Küste kommen, sehr gut – ste- den Gesetzentwurf des Landes Schleswig-Holstein hen bereit. Wir haben die Voraussetzungen für ein zü- an. Länder wie Schleswig-Holstein und Niedersach- giges Genehmigungsverfahren geschaffen. Das dür- sen haben sich heftig dagegen gewehrt, dass ihnen fen wir im Interesse des Klimaschutzes, aber auch der 1998 durch eine Neuformulierung des § 3 – gegen Arbeitsplätze, die dahinter stehen, nicht gefährden. das Votum des Bundesrates – eine Entschädigungs- pflicht für Naturschutzmaßnahmen unabhängig von Dieser Tage wird in Dänemark vor Esbjerg der erste der Art der Bewirtschaftung auferlegt wurde. Danach Offshorewindpark errichtet. Wir sollten nicht hinter- muss selbst dort, wo es um die bloße Beendigung wei- herhinken. Die zügige Verabschiedung des neuen terer Naturzerstörung durch Einhaltung der guten Bundesnaturschutzgesetzes ist dafür eine zwingende fachlichen Praxis ging, gezahlt werden. Das hat zu Voraussetzung. Unter dem Aspekt der Offshorewind- einem Gefälle zwischen den Ländern geführt: Natur- energie ist das Gesetz ein Investitionsbeschleuni- schutz wurde abhängig von der Finanzkraft der ein- gungsgesetz. zelnen Bundesländer. Die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes Das war ein Vertrag zu Lasten Dritter. Die damalige vereint den Erhalt der biologischen Vielfalt, die Nut- Bundesregierung hat etwas versprochen, was Sie alle zungswünsche eines modernen Industriestaates und 752 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Bundesminister Jürgen Trittin (A) die Erholungsbedürfnisse von mehr als 80 Millionen Jetzt bitte Handzeichen für Ziffer 16! – Minderheit. (C) Menschen. Deswegen sollten wir rasch ein konstruk- (Reinhold Bocklet [Bayern]: Mecklenburg- tives Ergebnis erzielen. Vorpommern war dabei!) – Herr Bocklet bittet, die Abstimmung zu Ziffer 16 zu Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Herr Minister wiederholen. Bitte Handzeichen! – Es bleibt eine Min- Köberle (Baden-Württemberg) hat dankenswerter- derheit. weise seine Erklärung zu Protokoll*) gegeben. Ziffer 17! – Minderheit. Wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegen die Ziffer 18! – Mehrheit. Ausschussempfehlungen in Drucksache 1004/1/01 und Landesanträge in Drucksachen 1004/2 bis 6/01 Ziffer 19! – Minderheit. vor. Es ist eine Schlussabstimmung beantragt worden. Da die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus Wer nach den soeben durchgeführten Einzelabstim- mehreren Gründen begehrt wird, ist zunächst festzu- mungen die Anrufung des Vermittlungsausschusses stellen, ob allgemein ein Vermittlungsverfahren ge- wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Mehr- wünscht wird. Wer allgemein für die Anrufung ist, heit. den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehr- Damit hat der Bundesrat den Vermittlungsaus- heit. schuss angerufen. Dann stimmen wir über die Anrufungsgründe ab. Wir stimmen nun noch über die Empfehlung ab, die Wer für die grundlegende Überarbeitung des Geset- Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes festzustel- zes ist, den bitte ich um das Handzeichen zu Ziffer 1. – len. Wer ist für Ziffer 21? – Minderheit. Minderheit. (Zuruf) Bitte Handzeichen für Ziffer 2! – Minderheit. – Noch einmal bitte! – Es bleibt eine Minderheit. Ich rufe den niedersächsischen Antrag in Drucksa- che 1004/6/01 auf. Es ist um ziffernweise Abstimmung Damit hat der Bundesrat die Zustimmungsbedürf- gebeten worden. Ich bitte um das Handzeichen zu tigkeit des Gesetzes n i c h t festgestellt. Ziffer 1 des niedersächsischen Antrags. – Mehrheit. Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Tagesord- Damit entfällt eine Einzelabstimmung über die Zif- nungspunkte 6 a) und b) auf: fern 3, 6, 10 und 13. 6. a) Gesetz zur Änderung des Fleischhygiene- (B) Ich komme zu den Anträgen zur guten fachlichen gesetzes, des Geflügelfleischhygienege- (D) Praxis und rufe den Antrag von Rheinland-Pfalz in setzes und des Tierseuchengesetzes (Druck- Drucksache 1004/3/01 auf, bei dessen Annahme die sache 997/01) weiteren Landesanträge entfallen. Bitte Handzei- b) Dritte Verordnung zur Änderung fleisch- chen! – Minderheit. und geflügelfleischhygienerechtlicher Vor- Jetzt zum sächsischen Antrag in Drucksache schriften (Drucksache 882/01) 1004/5/01. Bitte Handzeichen! – Mehrheit. Keine Wortmeldung. Damit entfallen der Antrag Hessens in Drucksache Abstimmung Tagesordnungs- 1004/2/01 und die Ziffer 2 des niedersächsischen An- Wir kommen zur zu trags. punkt 6 a). Hierzu liegen Ihnen die Empfehlungen des Agrarausschusses für die Anrufung des Vermitt- Zum sächsischen Antrag in Drucksache 1004/4/01! lungsausschusses in Drucksache 997/1/01 vor. Ferner Bitte Handzeichen! – 35 Stimmen; Mehrheit. liegt Ihnen in Drucksache 997/2/01 ein Antrag von Zurück zu den Ausschussempfehlungen! Bitte Rheinland-Pfalz vor, eine Entschließung zu fassen. Handzeichen zu: Die Anrufung des Vermittlungsausschusses wird Ziffer 4! – Minderheit. aus mehreren Gründen empfohlen. Daher frage ich zunächst, wer allgemein für die Anrufung des Ver- Ziffer 5! – Minderheit. mittlungsausschusses ist. Bitte Handzeichen! – Mehr- Ziffer 7! – Minderheit. heit. Ziffer 8! – Minderheit. Dann stimmen wir über die einzelnen Anrufungs- gründe ab. Ziffer 9! – Minderheit. Ich rufe Ziffer 1 auf. Handzeichen bitte! – Minder- Ziffer 11! – Minderheit. heit. Ziffer 12! – Minderheit. Nun zu Ziffer 2, bei deren Annahme der Antrag von Ziffer 14! – Minderheit. Rheinland-Pfalz in Drucksache 997/2/01 erledigt ist. Bitte Handzeichen! – Mehrheit. Damit entfällt Ziffer 15. Damit hat der Bundesrat die Anrufung des Vermitt- lungsausschusses, wie soeben festgelegt, beschlos- *) Anlage 14 sen. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 753 Vizepräsident Dr. Henning Scherf (A) Der Antrag von Rheinland-Pfalz in Drucksache sicherung. Die Einführung einer kapitalgedeckten Al- (C) 997/2/01 ist erledigt. tersvorsorge ist mit diesem Stichwort allerdings nur unzureichend beschrieben. Die Behandlung von Tagesordnungspunkt 6 b) wird bis zum Abschluss des Vermittlungsverfahrens Richtig ist, dass die Einführung einer privaten Al- zurückgestellt. tersvorsorge einen Systemwechsel mit sich bringt. Allerdings hat die Bundesregierung diese richtige Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 7: und wichtige Idee keineswegs mutig umgesetzt. Gesetz zur Bestimmung der Schwankungsre- Bayern hat bei den Beratungen des Altersvermögens- serve in der Rentenversicherung der Arbeiter gesetzes immer wieder darauf hingewiesen, dass die und der Angestellten (Drucksache 998/01) Regelungen aus einem falschen Sicherheitsdenken Das Wort hat Herr Staatsminister Bocklet. heraus viel zu kompliziert und bürokratisch ausge- staltet sind. In einem vernichtenden Artikel des „Spiegel“ vom 10. Dezember ist die Rede davon, dass Reinhold Bocklet (Bayern): Herr Präsident! Ver- inzwischen nur noch 51 % der Deutschen beabsichti- ehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Rentenpolitik gen, einen Vorsorgevertrag abzuschließen. Der „Spie- befindet sich seit dem Regierungswechsel vor mehr gel“ erklärt diese Ernüchterung mit den Worten: als drei Jahren auf einem Achterbahnkurs. Dabei ver- Jetzt rächt sich, dass der Arbeitsminister beim geht nicht nur den Beitragszahlern und Rentnern Versuch, jeden denkbaren Missbrauch staat- Hören und Sehen. Auch als Zuschauer bekommt man weiche Knie, wenn man die rasanten Drehungen und licher Fördergelder auszuschließen und auch die Wendungen des rentenpolitischen Schlingerkurses letzte Interessengruppe zufrieden zu stellen, aufmerksam verfolgt. einen Wust von Auflagen und Regelungen ge- schaffen hat, den selbst Experten kaum noch Das Gesetz zur Bestimmung der Schwankungs- durchdringen. reserve in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ist ein Paradestück dieser unsoliden Nach einer Untersuchung des Analysehauses Rentenpolitik. Den Titel sollte man übrigens nicht zu Morgan & Morgan soll bis zu einem Fünftel der Bei- wörtlich nehmen. Die Schwankungsreserve dient tragsgelder allein dafür gebraucht werden, die Ver- nicht dazu, Schwankungen einer verfehlten Renten- tragskosten zu decken. Damit werden die staatlichen politik auszumerzen; ihr Sinn liegt allein darin, unter- Zuschüsse in vielen Fällen vollständig in den Verwal- jährige Schwankungen bei den Einnahmen der ge- tungsapparaten der Finanzkonzerne versickern. setzlichen Rentenversicherung auszugleichen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie reiht (B) Lassen Sie mich einige Meilensteine der rentenpo- sich nun das Gesetz zur Bestimmung der Schwan- (D) litischen Achterbahnfahrt in Erinnerung rufen! kungsreserve in den Kurs der bisherigen Rentenpo- litik ein? Aus meiner Sicht sind vier Verbindungsli- Eine der ersten rotgrünen Maßnahmen zur Verun- nien erkennbar: sicherung der Rentnerinnen und Rentner war die Aussetzung des demografischen Faktors des Renten- Erstens. Noch im Frühsommer hat die Bundesregie- reformgesetzes 1999. Man ersetzte diese langfristig rung bei der Rentenreform eine Absenkung des aktu- wirkende generationengerechte Formel durch eine ellen Beitragssatzes von 19,1 auf 19,0 % angekündigt. kurzfristige Sparmaßnahme in Form einer Inflations- Sie ist bei ihren Planungen jedoch von unrealistisch anpassung für die Jahre 2000 und 2001. hohen Erwerbstätigenzahlen und einer zu niedrigen Dann kam eine erneute Kehrtwende mit dem Al- Arbeitslosenrate ausgegangen. Hierauf haben wir be- tersvermögensgesetz, das die Inflationsanpassung für reits bei den Beratungen zur Rentenreform wiederholt das Jahr 2001 rückgängig machte. Zurzeit haben wir hingewiesen. Noch bevor der größte Teil der Renten- eine Art nettolohnbezogene Rentenanpassung mit reform in Kraft getreten ist, sind die optimistischen einem willkürlichen und manipulationsanfälligen Prognosen daher Makulatur. Inzwischen geht es nur Kürzungsfaktor. noch darum, mit Mühe und Not den aktuellen Bei- tragssatz zu halten. Mit diesem ständigen Hin und Her hat die Bundes- regierung jedenfalls eines erreicht: Niemand versteht Zweitens. Dieses Gesetz beschreitet weiter den mehr, warum die Renten in welcher Höhe angepasst Weg einer „Rentenpolitik nach Kassenlage“. Die In- werden. flationsanpassung war ebenfalls eine aus der Not ge- In dem Wirrwarr einander überholender Konzepte borene Sparmaßnahme. Eine gesetzlich vorgesehene ist eine traditionelle Prämisse der Rentenpolitik in Verschleuderung eines Fünftels der Schwankungs- Vergessenheit geraten: die Berechenbarkeit der Ren- reserve ist ein Strohfeuer. Für die langfristige Stabili- tenpolitik. Diese Grundlage für das Vertrauen der sierung der Beitragssätze ist damit nichts gewonnen. Beitragszahler und Rentner in die gesetzliche Renten- Drittens. Durch die dauerhafte Absenkung der versicherung hat als politischer Leitfaden offenbar Schwankungsreserve wird weiteres Vertrauen in die ausgedient. gesetzliche Rentenversicherung verspielt. Die Das neue Stichwort, das sich die Bundesregierung Schwankungsreserve ist in voller Höhe unentbehr- und die Regierungsfraktionen auf ihre rentenpoliti- lich, da sie der Sicherung der laufenden Rentenzah- schen Fahnen geschrieben haben, ist Mut – Mut zu lungen dient und saisonale Schwankungen bei den einem Systemwechsel in der gesetzlichen Rentenver- Beitragseinnahmen im Jahresverlauf ausgleichen soll. 754 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Reinhold Bocklet (Bayern) (A) Ihre Absenkung gefährdet deshalb die laufenden noch zur Jahresmitte annehmen konnten. Entspre- (C) Zahlungen an Millionen von Rentnern. chend müsste der Beitragssatz bei realistischer Fest- setzung im kommenden Jahr um 0,3 Prozentpunkte Viertens. Die rentenpolitischen Maßnahmen wer- erhöht werden. Das würde aber bedeuten, dass wir den so ausgerichtet, dass die Bürger im Wahljahr be- Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Jahre 2002 jeweils glückt und mit den Belastungen erst später konfron- mit rund 2,4 Milliarden DM mehr belasteten. Das tiert werden. Nach dem Altersvermögensgesetz kann in der heutigen Situation – auch in Bayern – nie- vermindern die fiktiven Aufwendungen für die pri- mand ernsthaft wollen. Wir dürfen den Faktor „Ar- vate Altersvorsorge die Rentenanpassung. Dieser beit“ nicht weiter verteuern. Abzug wurde aber so ausgestaltet, dass er erst im Jahre 2003 zum ersten Mal greift. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rech- nen mit einem bereits in wenigen Monaten beginnen- Ebenso sollen die Bürgerinnen und Bürger im den Aufwärtstrend. In ihrem Herbstgutachten be- Wahljahr von Beitragssatzerhöhungen verschont schreiben sie die konjunkturelle Abkühlung als werden. Dazu werden die durch die Absenkung der zeitlich begrenzte Eintrübung. Allein vor diesem Hin- Schwankungsreserve frei werdenden Mittel so einge- tergrund müssen wir jetzt die richtigen Signale aus- setzt, dass sie am Ende des Jahres 2002 bereits aufge- senden. zehrt sind. 2003 ist dann die nächste Beitragssatz- erhöhung fällig. Wir alle wissen, dass hohe gesetzlich verankerte Lohnnebenkosten Bleigewichte für die Konjunktur Wir müssen feststellen, dass die „eiserne Reserve“ sind. Sie belasten den Arbeitsmarkt, weil sie Beschäf- der Rentenversicherung als Wahlkampfhelfer für die tigung verhindern. Es war immer das Ziel dieser Re- rotgrüne Bundesregierung instrumentalisiert wird. gierungskoalition, Lohnnebenkosten zu senken und Ein solches Vorgehen widerspricht allen Grundsätzen auf möglichst niedrigem Niveau zu stabilisieren. Wir solider Finanzpolitik und verschleiert in grober Weise haben einige Schritte in die richtige Richtung tun die wahren ökonomischen Verhältnisse in den sozia- können. Damit wollen wir die Rahmenbedingungen len Sicherungssystemen. Die Bürger erwarten zu für mehr Beschäftigung schaffen. Diesem Ziel werden Recht Transparenz und eine schonungslose Offen- wir treu bleiben. Deshalb halten wir den Beitragssatz legung der realen Finanzsituation der gesetzlichen zur gesetzlichen Rentenversicherung stabil. Wir wer- Rentenversicherung, auch wenn dies im Wahljahr den den Rentenversicherungsbeitrag auch im kom- 2002 weh tut. menden Jahr bei 19,1 % halten. Für den Freistaat Bayern kann ich heute nur fest- Nur zu Ihrer Erinnerung: 1998 lag der Satz bei stellen: Finger weg von der vorgeschriebenen 20,3 %, in Wahrheit eigentlich bei 21 %. Durch die Schwankungsreserve! Das Vertrauen in die Rente ist (B) Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Punkt (D) ein zu hohes Gut, als dass es erneut für rentenpoli- haben wir die Rentenversicherung ein Stück weit ent- tische Experimente aufs Spiel gesetzt werden dürfte. lastet. Um Stabilität zu erreichen, senken wir den Zielwert Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Herr Minister für die Schwankungsreserve in der gesetzlichen Ren- Köberle (Baden-Württemberg) hat dankenswerter- tenversicherung von einer Monatsausgabe auf 0,8 Mo- ) weise seine Erklärung zu Protokoll* gegeben. natsausgaben. Welche Folgen wird das für die Rent- Jetzt ist die Parlamentarische Staatssekretärin beim nerinnen und Rentner haben? Anders als Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Frau Bocklet es hier beschworen hat, werden sie keine ne- Mascher, an der Reihe. gativen Folgen spüren. Sie finden die Rentenzahlun- gen wie in den vergangenen Monaten pünktlich auf Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns ihrem Bankkonto vor. über kurze Reden. Die Schwankungsreserve in der Rentenversiche- rung gleicht heute nur noch die jahreszeitlich be- Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- dingten Schwankungen der Einnahmen aus. Dazu minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Präsi- brauchen wir – das wissen wir inzwischen – keine dent, meine Damen und Herren! Auch Ihnen, Herr volle Monatsausgabe. Im November und Dezember Bocklet, dürfte nicht entgangen sein, dass viele Volks- sind die Reserven hoch, weil durch zusätzliche Beiträ- wirtschaften eine durch die schrecklichen Ereignisse ge auf das Weihnachtsgeld mehr in die Kasse kommt. in den USA verschärfte Abschwächungstendenz erle- In den folgenden Monaten schmelzen die Reserven ben. Eine Exportnation wie Deutschland spürt dies langsam ab, im Oktober erreichen sie ihren Tiefst- besonders deutlich. stand. Der langsamer laufende Motor der Konjunktur Selbst wenn wir die Schwankungsreserve um wirkt sich auch auf die Zahl der Beschäftigten aus. 0,2 Monatsausgaben senken, verbleiben noch 24 Mil- Die Zahl der neuen Jobs steigt nicht mehr so rasch liarden DM. Wir werden keine Probleme bei der Li- wie vor wenigen Monaten. Das hat auch Folgen für quidität bekommen. die Beitragseinnahmen in der gesetzlichen Renten- versicherung. Sie entwickeln sich nicht so, wie wir es Auch die Experten des Verbandes Deutscher Ren- tenversicherungsträger halten eine Schwankungsre- serve in Höhe von 0,8 Monatsausgaben für ausrei- *) Anlage 15 chend, um bei einem Beitragssatz von 19,1 % die Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 755 Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher (A) Liquidität der Rentenversicherung zu gewährleisten. gekommen. Es liegt Ihnen jedoch ein Mehr-Länder- (C) Wenn wir die Beitragssätze realistisch festlegen, wird Antrag in Drucksache 998/2/01 vor, der darauf ab- auch in Zukunft keine höhere Rücklage in der gesetzli- zielt, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel der chen Rentenversicherung nötig sein. Deswegen wollen Aufhebung des Gesetzesbeschlusses anzurufen. wir den Zielwert der Schwankungsreserve gesetzlich Wer dafür ist, den Vermittlungsausschuss aus dem neu regeln. Er kann gefahrlos um 0,2 Monatsausgaben dort angegebenen Grund anzurufen, den bitte ich um gesenkt werden. das Handzeichen. – Das ist eine Minderheit. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Damit hat der Bundesrat den Vermittlungsaus- gesetzliche Rentenversicherung hängt nicht von der schuss n i c h t angerufen. Höhe der Schwankungsreserve ab. Sie ist kein „Spar- strumpf“ der Rentenversicherung. In unserem System Die Tagesordnungspunkte 8 a) und b) rufe ich zur werden die Renten im Rahmen des Generationenver- gemeinsamen Beratung auf: trages im Umlageverfahren finanziert. a) Erstes Gesetz zur Änderung des Postumwand- Die CDU/CSU-FDP-Vorgängerregierung hat die lungsgesetzes (Drucksache 896/01) Schwankungsreserve in schöner Regelmäßigkeit b) Zweites Gesetz zur Änderung des Postgesetzes ohne gesetzliche Regelung harten Belastungsproben (Drucksache 923/01) ausgesetzt. Die finanziellen Reserven lagen in den Jahren 1996 und 1997 bei nur 0,6 Monatsausgaben, Keine Wortmeldung. obwohl sie nach dem Gesetz eine ganze Monatsaus- gabe hätten betragen sollen. Wir kommen zur Abstimmung und beginnen mit Punkt 8 a), dem Postumwandlungsgesetz. Laufende Ausgaben werden durch laufende Einnah- men gedeckt. Die Schwankungsreserve ist ein Instru- Hierzu liegt ein Länderantrag in Drucksache ment, um die notwendige Liquidität zu sichern. Auch 896/1/01 auf Anrufung des Vermittlungsausschusses in den Jahren 1996 und 1997, als die Schwankungsre- vor. Wer ist für diesen Antrag? – Das ist eine Minder- serve bei 0,6 Monatsausgaben lag, haben die Rentner heit. ihr Geld regelmäßig und pünktlich bekommen. Wer stimmt dem Gesetz zu? – Das ist die Mehrheit. Herr Bocklet, ich fordere Sie auf, den Unsinn, es be- Es ist so beschlossen. stehe die Gefahr, dass die Rentnerinnen und Rentner ihr Geld nicht pünktlich bekämen, nicht weiter zu Nun zu Punkt 8 b), dem Postgesetz! verbreiten. Das ist einfach nicht richtig. Sie haben mit Ihren „Rentenexperimenten“ bewiesen, dass auch bei Es liegen Ihnen die Empfehlung des Wirtschaftsaus- (B) 0,6 Monatsausgaben ausreichende Liquidität besteht. schusses in Drucksache 923/1/01 sowie ein Antrag (D) Es hat keinen Sinn, Geld, das man nicht benötigt, auf Hessens und des Saarlandes auf Anrufung des Ver- die hohe Kante zu legen. mittlungsausschusses in Drucksache 923/2/01 vor. Was Mitte der 90er-Jahre das Vertrauen in die Rente Wer stimmt dem Landesantrag auf Anrufung des allerdings wirklich erschüttert hat, war die unrealisti- Vermittlungsausschusses zu? – Das ist eine Minder- sche Festsetzung der Beitragssätze. 1995 wurde mit heit. 19,2 % so knapp kalkuliert, dass der Beitragssatz ein Jahr später auf 20,3 % hochgeschossen ist. Solche Dann habe ich zu fragen, wer dem Gesetz zustimmt. wilden Achterbahnfahrten mit den Beitragszahlern Bitte Handzeichen! – Das ist die Mehrheit. wird diese Regierung nicht veranstalten. Somit hat der Bundesrat dem Gesetz gemäß Artikel Meine Damen und Herren, wenn wir die Schwan- 87f Abs. 1 des Grundgesetzes zugestimmt. kungsreserve auf 0,8 Monatsausgaben senken, wissen Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 9: wir, dass sie ausreicht. Wir machen damit 6 Milliar- den DM frei. Dazu gibt es in der heutigen wirtschaftli- Versorgungsänderungsgesetz 2001 (Drucksa- chen Situation keine vernünftige Alternative. che 1022/01, zu Drucksache 1022/01) Wir werden diesen Spielraum nutzen, um in der Keine Wortmeldung. Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt wieder positive Impulse auszulösen. Wir wollen keine Negativspirale Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen in Gang setzen, indem wir Arbeitnehmer und Arbeit- die Empfehlungen der Ausschüsse in Drucksache geber zusätzlich belasten. Wir stärken damit die Bin- 1022/1/01 sowie zwei Anträge Baden-Württembergs nennachfrage und erhöhen so unsere Konkurrenz- auf Anrufung des Vermittlungsausschusses in Druck- fähigkeit auf dem Weltmarkt. Das stärkt das sachen 1022/2 und 3/01 vor. Wirtschaftswachstum und hilft, neue Jobs entstehen Da die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus zu lassen. Dazu sollten wir alle vernünftigen Möglich- mehreren Gründen begehrt wird, muss zunächst da- keiten nutzen. – Danke. rüber abgestimmt werden, ob allgemein ein Vermitt- lungsverfahren gewünscht wird. Wer ist dafür? – Das Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Ich habe keine ist eine Minderheit. weiteren Wortmeldungen. Ich stelle fest, dass ein Vermittlungsverfahren nicht Wir kommen zur Abstimmung. In den Ausschüssen gewünscht wird. Eine Abstimmung über die einzel- ist eine Empfehlung an das Plenum nicht zu Stande nen Anrufungsgründe erübrigt sich. 756 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Vizepräsident Dr. Henning Scherf (A) Ich frage dann, wer dem Gesetz zustimmen möch- Herr Kollege Dr. Weiß hat sich gemeldet. (C) te. – Das ist die Mehrheit. Damit hat der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Dr. Manfred Weiß (Bayern): Herr Präsident! Hohes Zur gemeinsamen Abstimmung nach § 29 Abs. 2 Haus! Unser Antrag geht dahin, beim Strafvollzug der Geschäftsordnung rufe ich die in dem Umdruck und beim Maßregelvollzug gewisse Verbesserungen Nr. 12/01*) zusammengefassten Beratungsgegenstän- im Interesse unserer Bürger zu schaffen. de auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte: Erstens. Wird ein Straftäter neben Strafhaft zur Un- 10, 12 bis 16, 18 bis 25, 31, 37, 38, 40 bis 43, 45, terbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt 47, 49 bis 52, 54, 56 bis 59, 64 bis 68 und 77. und stellt sich in der Entziehungsanstalt heraus, dass er nicht therapiefähig oder nicht therapiewillig ist, ist Wer den Empfehlungen der Ausschüsse und dem er in die Strafhaft zurückzuverlegen. Das dauert aber Vorschlag des Ständigen Beirates folgen möchte, den besonders dann, wenn ein Gutachten eingeholt wird, bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. manchmal Monate. In dieser Zeit ist der Straftäter ein Dann ist so beschlossen. Unruheherd; denn er weiß, dass keine Therapie mehr stattfindet. Zum Zweiten besteht erhöhte Ausbruchs- Tagesordnungspunkt 11: gefahr. Derartige Einrichtungen sind bekanntlich ... Gesetz zur Änderung der Strafprozess- nicht so sicher wie Haftanstalten. ordnung (Drucksache 907/01) Wir beantragen die Regelung, dass der Richter Es gibt keine Wortmeldung. – Je eine Erklärung zu einen solchen Straftäter im Wege einer einstweiligen Protokoll**) geben Ministerin Schubert (Sachsen-An- Anordnung sofort verlegen kann. Dann wird die halt), Staatsminister Dr. Wagner (Hessen), Staatsmi- Strafhaft vollzogen, zu der der Betreffende ohnehin nister Dr. Weiß (Bayern) und Parlamentarischer verurteilt ist. Staatssekretär Professor Dr. Pick (Bundesjustizminis- Zweitens. Ist ein Straftäter wegen Alkohol- oder terium). Danke sehr. Rauschgiftmissbrauchs in eine Entziehungsanstalt Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- eingewiesen worden und stellt sich heraus, dass sein fehlungen in Drucksache 907/1/01 und zwei Anträge Fehlverhalten nicht auf Alkoholmissbrauch, sondern des Freistaates Bayern in den Drucksachen 907/2 und auf eine psychische Störung zurückzuführen ist, kann 3/01 vor. er vom Gericht in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt werden. Problematisch sind allerdings die Da die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus Frist für die Unterbringung in der Entziehungsan- mehreren Gründen empfohlen wird, ist zunächst fest- stalt, die Berichtspflicht und insbesondere die Höchst- (B) zustellen, ob allgemein eine Mehrheit für die Anru- dauer von zwei Jahren. (D) fung besteht. Wer allgemein für die Anrufung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Minderheit. Wir sind der Meinung, dass es wenig sinnvoll ist, einen Täter in eine psychiatrische Klinik zu verlegen, Damit hat der Bundesrat den Vermittlungsaus- wo eine längere Behandlung erforderlich wäre, wenn schuss nicht angerufen. die Frist nicht entsprechend verlängert werden kann. Punkt 27: Darum beantragen wir, dass nicht die Frist für die Un- terbringung in der Entziehungsanstalt gilt, wenn ein Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ge- Straftäter in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt setzes zur Neuordnung der Gemeindefinanzen wird. (Gemeindefinanzreformgesetz) – Antrag des Freistaates Bayern – (Drucksache 988/01) Drittens. Ist ein Straftäter zu Strafhaft und Entzie- hungsanstalt verurteilt worden, hat nach der gesetz- Keine Wortmeldung. – Eine Erklärung zu Proto- lichen Regelung zunächst die Unterbringung in der ) koll*** hat Herr Minister Aller (Niedersachsen) gege- Entziehungsanstalt zu erfolgen. Das kann dazu ben. führen, dass er die Therapie erfolgreich abschließt, Wir kommen zur Abstimmung. Wer ist entspre- dann aber noch vier oder fünf Jahre in Strafhaft zu chend Ziffer 1 der Empfehlungsdrucksache 988/1/01 verbüßen hat, wo das in der Therapie Erreichte wie- für die Einbringung des Gesetzentwurfs? – Das ist der versandet. eine Minderheit. Wir beantragen, dass ein Straftäter die Strafhaft so Der Bundesrat hat somit beschlossen, den Gesetz- weit zu verbüßen hat, dass er nach erfolgreicher The- entwurf beim Deutschen Bundestag n i c h t einzu- rapie in die Freiheit entlassen werden kann. bringen. Der Rechtsausschuss und der Innenausschuss haben Punkt 28: mehrheitlich die Einbringung unseres Antrags emp- fohlen. Im Gesundheitsausschuss ist nur dem letzten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Teil zugestimmt worden; die beiden übrigen Punkte Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln wurden abgelehnt. Man hat uns dann den Inhalt eines der Besserung und Sicherung – Antrag des Frei- Referentenentwurfs übergestülpt, der seit 3. März des staates Bayern – (Drucksache 775/01) vergangenen Jahres im Bundesjustizministerium vor- liegt, aber mit den Intentionen unseres Antrags an sich *) Anlage 16 **) Anlagen 17 bis 20 nicht übereinstimmt. Ich möchte der fortgeschrittenen ***) Anlage 21 Zeit wegen nicht näher darauf eingehen. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 757 Dr. Manfred Weiß (Bayern) (A) Ich bitte Sie, nicht der vom Gesundheitsausschuss Wer ist dafür, den Gesetzentwurf in der soeben fest- (C) empfohlenen Abänderung zu folgen, sondern der un- gelegten Fassung beim Deutschen Bundestag einzu- veränderten Einbringung unseres Antrags zuzustim- bringen? – Das ist die Mehrheit. men. – Danke schön. Dann ist so beschlossen. Wir sind übereingekommen, Herrn Minister Heinrich Vizepräsident Dr. Henning Scherf: Keine weitere Aller (Niedersachsen) zum Beauftragten des Bundes- Wortmeldung. rates nach § 33 unserer Geschäftsordnung zu bestel- len. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- fehlungen in Drucksache 775/1/01 (neu) und ein An- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 29: trag Sachsens in Drucksache 775/2/01 vor. Entschließung des Bundesrates für ein dauer- Wir beginnen mit den Ausschussempfehlungen. haftes und generelles EU-weites Verfütte- Bitte das Handzeichen für: rungsverbot für Tiermehl und Tierfette – An- trag des Freistaates Bayern gemäß § 23 Abs. 3 Ziffer 1! – 35 Stimmen; das ist die Mehrheit. i.V.m. § 15 Abs. 1 und § 36 Abs. 2 GO BR – Damit entfällt der Landesantrag in Drucksache (Drucksache 1034/01) 775/2/01. Frau Staatssekretärin Görlitz aus Bayern möchte sich dazu gerne äußern. Wer nunmehr dafür ist, den Gesetzentwurf in der soeben festgelegten Fassung beim Deutschen Bun- destag einzubringen, den bitte ich um das Handzei- Erika Görlitz (Bayern): Sehr geehrter Herr Präsi- chen. – Das ist die Mehrheit. dent! Hohes Haus! Was wissen wir wirklich über den oder die Auslöser der BSE? Haben wir gesicherte Fak- Damit hat der Bundesrat die Einbringung des Ge- ten, nicht nur Hypothesen? Auch unsere besten BSE- setzentwurfs beschlossen. Forscher wissen noch nicht genug über die genauen Es bleibt abzustimmen über Ziffer 3 der Ausschuss- Zusammenhänge oder gar die Ursachen von BSE empfehlungen. Bitte Handzeichen! – Mehrheit. beim Rind. Gleichwohl vermuten die meisten seit lan- gem, dass infektiöse Tiermehle und -fette zumindest Staatsminister Dr. Weiß (Bayern) ist somit zum Be- eine Schlüsselrolle spielen bzw. gespielt haben. auftragten bestellt. 1994 hat die EU das Verfüttern von Tiermehl an Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 74: Rinder verboten. Dass dieses Verbot zunächst weni- (B) Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des ger Wirkung gezeigt hat als erhofft, ist nach heutigem (D) Bundesbesoldungsgesetzes – Antrag der Län- Kenntnisstand durchaus plausibel: Tiermehlfreie Fut- der Niedersachsen, Sachsen-Anhalt gemäß termittel konnten bei der Herstellung und beim § 36 Abs. 2 GO BR – (Drucksache 1057/01) Transport mit Tiermehl verunreinigt werden. Schon geringste Spuren von infektiösem Material können Keine Wortmeldung. – Freundlicherweise hat Herr Infektionen hervorrufen. Kontaminationen sind mit Minister Aller (Niedersachsen) seine Erklärung zu den bisher zugelassenen Analysemethoden nicht ab- Protokoll*) abgegeben. Danke. solut sicher und damit rechtsverwertbar feststellbar. Ausschussberatungen haben noch nicht stattgefun- Tiermehlhaltige Futtermittel durften grundsätzlich den. Wir haben daher darüber zu befinden, ob wir weiter hergestellt und gehandelt werden. Verstöße heute in der Sache entscheiden wollen. Wer ist dafür? – konnten in der Praxis zum Teil erst sozusagen in fla- Das ist die Mehrheit. granti am gefüllten Futtertrog festgestellt werden. Aus gutem Grund hat deshalb die EU mit Wirkung Dann verfahren wir so. vom 1. Januar 2001 das uns allen bekannte generelle Nordrhein-Westfalen und Bayern beantragen in EU-weite Verfütterungsverbot für verarbeitete tie- Drucksachen 1057/1 bis 3/01, den Gesetzentwurf zu rische Proteine bzw. Futtermittel mit solchen Produk- ergänzen. ten erlassen. Ende Juni 2001 wurde es auf unbe- stimmte Zeit – leider nicht dauerhaft – verlängert. Ich frage daher, wer dem Hauptantrag Bayerns in Drucksache 1057/2/01 zustimmen möchte, bei dessen Für die Aufrechterhaltung des strikten Verbots Annahme der Hilfsantrag erledigt ist. Bitte Handzei- sprechen auch die Erfahrungen der Schweizer. Dort chen! – Das ist eine Minderheit. ist inzwischen die Anzahl der BSE-Fälle kontinuier- lich zurückgegangen, was mit auf die konsequente Dann bitte das Handzeichen für den Hilfsantrag in Verfütterungsverbotsregelung zurückzuführen ist. Drucksache 1057/3/01! – Minderheit. Diesen Erfahrungen zum Trotz ist es auf EU-Ebene Ich rufe den Antrag Nordrhein-Westfalens in Druck- bisher nicht gelungen, über das laufende Jahr 2001 sache 1057/1/01 auf. Wer ist für diesen Antrag? – hinaus ein dauerhaftes generelles Tiermehlverfütte- Mehrheit. rungsverbot europaweit durchzusetzen. Im Gegenteil! Wir kommen zur Schlussabstimmung. Die EU-Kommission will das Verfütterungsverbot unter bestimmten Bedingungen nun lockern und of- fenbar zumindest für den Bereich der Schweine- und *) Anlage 22 Geflügelproduktion bald wieder aufheben. 758 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Erika Görlitz (Bayern) (A) Der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments fette entschlossen. Wir wollen alle Länder und die (C) hat bereits Anfang dieses Monats einen entsprechen- Verbraucher in ganz Deutschland mobilisieren, um den Beschluss gefasst – dem Vernehmen nach ohne die genannten Pläne der EU zu verhindern. vorherige Aussprache –, obwohl bekannt ist, dass kei- In diesem Sinne bitten wir Sie, meine Damen und neswegs ganz Europa die Wiederzulassung wünscht. Herren: Fordern Sie mit uns die Bundesregierung Dieses Vorgehen ist im hohen Maße befremdlich. – Frau Künast – mit allem Nachdruck dazu auf, Dass unmittelbar darauf Österreich und Finnland die sich in Brüssel energisch gegen die Wiederzulassung ersten Fälle von BSE melden mussten, darf uns der Verfütterung von Tiermehl an Schweine und Ge- durchaus als Ironie des Schicksals erscheinen. Ich flügel zu wenden! Stimmen Sie der sofortigen hoffe sehr, dass die Abgeordneten des Europäischen Sachentscheidung und unserem Entschließungsan- Parlamentes die Wiederzulassung in Europa im Inte- trag zu! Die europaweite Durchsetzung sollte uns aus- resse der Verbraucher strikt ablehnen; ich appelliere gesprochen wichtig sein; denn ein nationaler Allein- in diesem Sinne an sie. gang könnte nicht verhindern, dass Fleisch von mit Meine Damen und Herren, die Bayerische Staats- Tiermehl gefütterten Tieren sowie verunreinigte Fut- regierung sieht in der geplanten Wiederzulassung termittel selbst aus anderen Ländern nach Deutsch- einen verhängnisvollen Irrweg. Sie lehnt sie ebenso land gelangten. entschieden ab wie der Bauernverband und einzelne Bereiche der Fleischbranche. Amtierender Präsident Reinhold Bocklet: Das Wort (Vorsitz: Amtierender Präsident hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berninger Reinhold Bocklet) (Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernäh- rung und Landwirtschaft). Bitte schön, Herr Berninger. Vor allem geht es um die Verbraucher. Sollen und werden sie Tiermehl in der Nahrungskette wieder ohne weiteres akzeptieren? Auf Grund verbesserter Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Schlachtmethoden, der vollständigen Entfernung von Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung Risikomaterial und nicht zuletzt durch das uneinge- und Landwirtschaft: Herr Präsident, meine Damen schränkte Tiermehlverfütterungsverbot wurden nach und Herren! Wir unterstützen die in der Ent- bisherigem Kenntnisstand beste Voraussetzungen schließung zum Ausdruck gebrachte Position nach- dafür geschaffen, die BSE-Gefahr einzudämmen. Die drücklich. Es bedarf keiner scharfen Aufforderung an Verbraucher honorieren diese Bemühungen und die Bundesregierung; denn sie hat sich – gegen harte haben nach und nach auch zum Produkt Rindfleisch Widerstände – in Brüssel dafür eingesetzt, dass das wieder Vertrauen gefasst. Verfütterungsverbot für Tiermehl nicht aufgeweicht wird. (D) (B) Was bedeutet die Aufhebung des generellen EU- weiten Verfütterungsverbots für Tiermehl? Eine der Frau Staatssekretärin, Sie haben eine Reihe von wichtigsten Säulen des BSE-Risikomanagements Gründen genannt. Der wichtigste Grund ist die man- wird herausgebrochen. Dies würde alle unsere bishe- gelnde Kontrollierbarkeit, würde das Tiermehlver- rigen Bemühungen und Erfolge konterkarieren und fütterungsverbot teilweise aufgehoben. Ich kann Zah- das mühsam zurückgewonnene Vertrauen der Ver- len zu den Tiermehlbeständen nennen, die noch braucher wiederum nachhaltig zerstören. Dies wäre heute in Europa lagern: In Großbritannien sind es schon deshalb unverantwortlich, weil die Menschen weit über 400 000 Tonnen, in Frankreich weit über in Europa ohne Not erneut dem unkalkulierbaren Ri- 200 000 Tonnen, in Irland weit über 100 000 Tonnen, siko ausgesetzt würden, dass auch infektiöses Tier- ebenso in Portugal und in Holland. Das sind mehl wieder in die Futtertröge von Schlachtrindern insgesamt mehr als 1 Million Tonnen – ein hohes Ge- gelangte. fahrenpotenzial. Eine große reale Gefahr stellen in diesem Zusam- Die Bundesregierung lehnt alle Forderungen nach menhang die z. B. in Großbritannien und in Osteuro- einer Aufweichung des Tiermehlverfütterungsverbo- pa noch lagernden Altbestände von Tiermehl dar. tes ab. Wir in Deutschland haben Kapazitäten, um das Wir müssen wieder mit Verunreinigungen von Futter Tiermehl zu verbrennen und damit auszuschließen, – auch mit infektiösem Material – rechnen. dass es an Tiere verfüttert wird. Etwa der Missbrauch von Mischungen hat uns zu der Position kommen las- Andererseits sind wir nach wie vor mit dem Problem sen, jede Aufweichung abzulehnen. konfrontiert, dass sich Kontaminationen mit den der- zeit zugelassenen Analysemethoden in der Praxis Ein zweiter Grund: Sowohl Finnland als auch nicht mit absoluter Sicherheit feststellen lassen. Wer Österreich können nicht mehr als BSE-frei bezeich- Tiermehl wieder als Futter zulässt – gleich unter wel- net werden. Es stellt sich heraus: Wenn die Landwirt- schaft in Ländern, in denen getestet wird, mit derjeni- cher Bedingung –, der mutet den Verbrauchern eine gen in Ländern, in denen BSE schon aufgetreten ist, vermeidbare Gefahr zu, der spielt schon wieder russi- vergleichbar ist, wird man auch dort BSE finden. BSE sches Roulett mit ihrer Gesundheit und hat rein gar ist nun nicht mehr allein ein europäisches Problem. nichts aus den Milliardenschäden der BSE-Krise ge- Die ersten Fälle in Asien, z. B. in Japan, verdeut- lernt. lichen, dass es sich um ein globales Problem handelt. Darum hat sich der Freistaat Bayern zu dieser Bun- Die dauerhafte Durchsetzung des Tiermehlverfütte- desratsinitiative für ein dauerhaftes generelles euro- rungsverbots ist ein zentraler Eckpfeiler bei der Be- paweites Verfütterungsverbot für Tiermehle und Tier- kämpfung von BSE. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 759 Parl. Staatssekretär Matthias Berninger (A) Anlass für die Entschließung war die Äußerung des Eine Erklärung zu Protokoll*) gibt Minister Köberle (C) Verbraucherschutzkommissars B y r n e , man könne (Baden-Württemberg). doch langsam darüber nachdenken, das Verfütte- rungsverbot zu lockern. Bundestag und Bundesrat Ausschussberatungen haben zu der Vorlage nicht haben vor einem Jahr die Verfütterung von Tiermehl stattgefunden. Es ist beantragt worden, bereits heute in Deutschland per Gesetz verboten und damit eine in der Sache zu entscheiden. Wer für sofortige richtige Entscheidung getroffen. Lebensmittelwirt- Sachentscheidung ist, den bitte ich nun um das Hand- schaft, Bauern und Verbraucher haben sich auf eine zeichen. – Das ist eine Minderheit. Qualitätspartnerschaft im Fleischbereich geeinigt. Ich halte das für einen richtigen Schritt. Damit entscheiden wir heute nicht in der Sache. Auf Grund des in Europa lagernden Tiermehls, des nach wie vor ungelösten Entsorgungsproblems und Ich weise die Vorlage den Ausschüssen zu, und der mangelhaften Kontrollierbarkeit von Alternativlö- zwar dem Agrarausschuss – federführend –, dem Aus- sungen werden wir dafür eintreten, dass Tiermehl schuss für Fragen der Europäischen Union und dem nicht mehr in die Nahrungsmittelkette gelangt. Es Gesundheitsausschuss – mitberatend. gibt genug anderes Futter für die Tiere. Wenn wir diese harte Position beibehalten, können wir einen Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 76: wichtigen Schritt zum Schutz der Verbraucher unter- nehmen. Entschließung des Bundesrates zur Kompe- tenzabgrenzung im Rahmen der Reform- Ich gehe davon aus, dass Brüssel in kürzerer Zeit diskussion zur Zukunft der Europäischen keine Lockerung genehmigt; denn in vielen Ländern Union – Antrag aller Länder gemäß § 36 Abs. 2 gibt es Widerstand gegen die Pläne der EU-Kommis- GO BR – (Drucksache 1081/01) sion. Die Gruppe der Länder, die skeptisch sind, ist durch das Auftreten der BSE-Fälle etwa in Österreich Je eine Erklärung zu Protokoll**) geben Minister gewachsen. Senff (Niedersachsen) und Staatsminister Bocklet Insofern verstehen wir die Entschließung des Bun- (Bayern). desrates als nachdrückliche Unterstützung der Positi- on der Bundesregierung. Wir werden sie in Brüssel Ausschussberatungen haben noch nicht stattgefun- deutlich machen. den. Wir sind jedoch übereingekommen, bereits heute in der Sache zu entscheiden.

Amtierender Präsident Reinhold Bocklet: Danke Zur Abstimmung liegen Ihnen der Entschließungs- (B) schön! antrag in Drucksache 1081/01 und ein Landesantrag (D) Ausschussberatungen haben zu der Vorlage noch in Drucksache 1081/1/01 vor. nicht stattgefunden. Es ist beantragt worden, bereits Wir beginnen mit der Abstimmung über den Lan- heute in der Sache zu entscheiden. Wer für sofortige desantrag in Drucksache 1081/1/01. Wer dafür ist, die Sachentscheidung ist, den bitte ich nun um das Hand- zeichen. – Das ist die Mehrheit. Entschließung nach Maßgabe der in diesem Antrag empfohlenen Änderung zu fassen, den bitte ich um Damit kommen wir zur Sachentscheidung. Hierzu das Handzeichen. – 32 Stimmen; das ist eine Minder- liegen Ihnen ein Antrag Bayerns sowie ein Antrag heit. Niedersachsens vor. Wir haben nun über die unveränderte Annahme der Wir beginnen mit dem Antrag Niedersachsens in Entschließung zu befinden. Wer dafür ist, den bitte Drucksache 1034/2/01. Dazu ist zu bemerken, dass ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Niedersachsen Satz 1 seines Antrags zurückgezogen hat. Der Bundesrat hat die Entschließung damit unver- Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag. ändert gefasst. Wer für den Antrag ist, den bitte ich um das Handzei- chen. – Das ist die Mehrheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 30: Wer nunmehr dafür ist, den Entschließungsantrag Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der mit dieser Maßgabe, im Übrigen in der von Bayern in Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft Drucksache 1034/1/01 korrigierten Fassung anzuneh- über die Etikettierung von Fischen und Fische- men, den bitte ich um das Handzeichen. – Auch das reierzeugnissen (Fischetikettierungsgesetz – ist die Mehrheit. FischEtikettG) (Drucksache 926/01)

Damit hat der Bundesrat die Entschließung gefasst. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 75: Der Agrarausschuss und der Gesundheitsausschuss Entschließung des Bundesrates zur Harmo- empfehlen, gegen den Gesetzentwurf keine Einwen- nisierung der Zulassung und des Inverkehr- dungen zu erheben. In Drucksache 926/1/01 liegt bringens von Pflanzenschutzmitteln in der Ihnen jedoch ein Antrag Sachsens für eine Stel- Europäischen Union – Antrag des Landes Baden-Württemberg gemäß § 36 Abs. 2 GO BR – *) Anlage 23 (Drucksache 1055/01) **) Anlagen 24 und 25 760 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Amtierender Präsident Reinhold Bocklet (A) lungnahme vor. Wer für diesen Antrag ist, den bitte Ziffer 33! – Mehrheit. (C) ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit entfällt Ziffer 45. Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf ent- Ziffer 35! – Mehrheit. sprechend Stellung genommen. Damit entfällt Ziffer 39. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 32: Jetzt bitte ich um das Handzeichen für alle übrigen Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung be- Ziffern der Ausschussdrucksache. – Das ist die Mehr- hinderter Menschen und zur Änderung ande- heit. rer Gesetze (Drucksache 928/01) Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom- ) Eine Erklärung zu Protokoll* gegeben hat Minis- men. ter Senff (Niedersachsen). Wir kommen zu Punkt 34: Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen die Ausschussempfehlungen in Drucksache 928/1/01 Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des vor. Zollfahndungsdienstes (Zollfahndungsneure- gelungsgesetz – ZFnrG) (Drucksache 948/01) Ich rufe diejenigen Ziffern der Ausschussempfeh- lungen auf, zu denen Einzelabstimmung gewünscht Wortmeldungen liegen nicht vor. wurde: Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen Ziffer 9! – Mehrheit. die Ausschussempfehlungen in Drucksache 948/1/01 vor. Ziffer 10! – Mehrheit. Zur gemeinsamen Abstimmung rufe ich zunächst Damit entfällt Ziffer 11. die Ziffern 1, 2, 4 bis 7, 12, 14 bis 17 und 20 auf. Wer Ziffer 12! – Mehrheit. hierfür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit entfällt Ziffer 13. Nun rufe ich die Ziffern 3, 8 bis 11, 13, 18 und 19 ge- Ziffer 14! – Minderheit. meinsam auf. Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. Ziffer 15! – Mehrheit. Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom- Ziffer 19!– Mehrheit. men. Damit entfällt Ziffer 20. Punkt 36: (D) (B) Ziffer 22! – Mehrheit. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Be- wachungsgewerberechts (Drucksache 933/01) Damit entfällt Ziffer 23. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ziffer 24! – 33 Stimmen; das ist eine Minderheit. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen Ziffer 26! – Mehrheit. der Ausschüsse in Drucksache 933/1/01 und zwei Landesanträge Nordrhein-Westfalens in den Druck- Damit entfällt Ziffer 27. sachen 933/2/01 und 933/3/01 vor. Ziffer 28! – Mehrheit. Ich rufe Ziffer 1 der Ausschussempfehlungen auf. Ziffer 29! – Minderheit. Wer stimmt zu? – Minderheit. Ziffer 30! – Mehrheit. Wer stimmt der Ziffer 2 der Ausschussempfehlun- gen zu? – Minderheit. Ziffer 32! – Minderheit. Wir kommen zu Ziffer 3 der Ausschussempfehlun- Ich rufe jetzt alle noch nicht behandelten Ziffern gen, bei deren Annahme die Ziffern 4 bis 6 der Aus- auf. Ich bitte um das Handzeichen. – Das ist die Mehr- schussempfehlungen und die beiden Landesanträge heit. entfallen. Wer stimmt der Ziffer 3 zu? – Minderheit. Der Bundesrat hat entsprechend beschlossen. Nun Ziffer 4, bei deren Ablehnung der Antrag Punkt 33: Nordrhein-Westfalens in Drucksache 933/2/01 ent- fällt. Handzeichen bitte für Ziffer 4! – Minderheit. Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortent- wicklung des Finanzplatzes Deutschland (Vier- Damit entfällt der Landesantrag in Drucksache tes Finanzmarktförderungsgesetz) (Drucksa- 933/2/01. che 936/01 [neu]) Zurück zu den Ausschussempfehlungen: Wortmeldungen liegen nicht vor. Ziffer 5! – Minderheit. Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen die Ziffer 6, bei deren Annahme der Antrag Nordrhein- Ausschussempfehlungen in Drucksache 936/1/01 vor. Westfalens in Drucksache 933/3/01 entfällt! Ich bitte Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: um das Handzeichen für Ziffer 6. – Minderheit. Dann zu dem Landesantrag in Drucksache *) Anlage 26 933/3/01! Wer stimmt zu? – Mehrheit. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 761 Amtierender Präsident Reinhold Bocklet (A) Zurück zu den Ausschussempfehlungen: Der Bundesrat hat entsprechend Stellung genom- (C) men. Ziffer 7! Wer stimmt zu? – Minderheit. Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 46: Ich bitte um das Handzeichen für Ziffer 8. – Mehr- heit. Vorschlag für einen Beschluss des Europäi- schen Parlaments und des Rates über das Eu- Ziffer 9! – Minderheit. ropäische Jahr der Erziehung durch Sport Ziffer 11! – Mehrheit. 2004 (Drucksache 925/01) Ziffer 12! – Minderheit. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ziffer 17! – Minderheit. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen der Ausschüsse in Drucksache 925/1/01 vor. Ziffer 18! – Minderheit. Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: Ziffer 20! – Minderheit. Ziffer 1! – Minderheit. (Zuruf: Herr Vorsitzender, können wir über Ziffer 9 noch einmal abstimmen?) Ziffer 2! – Minderheit. – Gerne. Ich rufe erneut Ziffer 9 auf. – 34 Stimmen; es Der Bundesrat hat von der Vorlage Kenntnis ge- hat sich nichts geändert. nommen. Nun rufe ich alle noch nicht erledigten Ziffern der Tagesordnungspunkt 48: Ausschussempfehlungen auf. Wer stimmt diesen zu? – Zweite Verordnung zur Änderung lebensmit- Mehrheit. tel- und fleischhygienerechtlicher Verordnun- Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf ent- gen (Drucksache 953/01) sprechend Stellung genommen. Wortmeldungen liegen nicht vor. – Herr Staatsmi- Wir kommen nun zu Punkt 39: nister Zuber (Rheinland-Pfalz) gibt eine Erklärung zu ) Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom Protokoll* . 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Über- Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen einkommens vom 9. Mai 1980 über den interna- der Ausschüsse in Drucksache 953/1/01 vor. Zur Ein- tionalen Eisenbahnverkehr (COTIF) (Drucksa- zelabstimmung rufe ich auf: che 929/01) Ziffer 1! Handzeichen bitte! – Mehrheit. Wortmeldungen liegen nicht vor. (B) Ziffer 6! – Minderheit. (D) Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- fehlungen in Drucksache 929/1/01 vor. Nun die Ziffern 2 bis 5 sowie 7 und 8 gemeinsam! Handzeichen bitte! – Das ist die Mehrheit. Wer Ziffer 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat der Verordnung nach Maßgabe der vorangegangenen Abstimmung zuge- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung ge- stimmt. nommen. Wir haben noch über die unter Ziffer 9 der Drucksa- Wir kommen zu Punkt 44: che 953/1/01 empfohlene Entschließung zu befinden. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Parlaments und des Rates über das Recht der Das ist die Mehrheit. Unionsbürger und ihrer Familienangehö- Damit hat der Bundesrat die Entschließung gefasst. rigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaa- ten frei zu bewegen und aufzuhalten (Drucksa- Tagesordnungspunkt 53: che 590/01) Verordnung zur Festsetzung der Beträge nach Wortmeldungen liegen nicht vor. § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (Druck- sache 956/01) Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen der Ausschüsse in Drucksache 590/1/01 vor. Zur Ein- Wortmeldungen liegen nicht vor. zelabstimmung rufe ich auf: Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen Ziffer 5! Handzeichen bitte! – Mehrheit. der Ausschüsse in Drucksache 956/1/01 vor. Damit entfällt Ziffer 6. Ich beginne mit Ziffer 1 der Ausschussempfeh- lungen. – Das ist die Mehrheit. Bitte das Handzeichen für Ziffer 9! – Mehrheit. Dann frage ich: Wer möchte der Verordnung in der Ziffer 12! – Mehrheit. soeben beschlossenen Fassung zustimmen? Bitte Ziffer 15! – Mehrheit. Handzeichen! – Das ist die Mehrheit. Ziffer 17! – Mehrheit. Dann ist so beschlossen. Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle- digten Ausschussempfehlungen! *) Anlage 27 762 Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 Amtierender Präsident Reinhold Bocklet (A) Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 55: Damit hat der Bundesrat die Entschließung gefasst. (C) Verordnung zur Festsetzung der Erhöhungs- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 62: zahl für die Gewerbesteuerumlage nach § 6 Verordnung zur Änderung abfallrechtlicher Absatz 5 des Gemeindefinanzreformgesetzes Bestimmungen zur Altölentsorgung (Drucksa- im Jahr 2002 (Drucksache 939/01) che 840/01) Wortmeldungen liegen nicht vor. Wortmeldungen liegen nicht vor. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen fehlungen in Drucksache 939/1/01 vor. Wer ist für Zif- der Ausschüsse in Drucksache 840/1/01 vor. Zur Ein- fer 1? – Mehrheit. zelabstimmung rufe ich auf: Der Bundesrat hat der Verordnung nach Maßgabe Ziffer 3! Handzeichen bitte! – Mehrheit. der beschlossenen Änderung zugestimmt. Ziffer 6! – Mehrheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 60: Ziffer 9! – Minderheit. Verordnung zum Erlass und zur Änderung im- missionsschutzrechtlicher und abfallrecht- Ziffer 11! – Mehrheit. licher Verordnungen (Drucksache 730/01) Wir stimmen nun in einer Sammelabstimmung über Wortmeldungen liegen nicht vor. alle noch nicht erledigten Ziffern ab. Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- fehlungen in Drucksache 730/1/01 vor. Zur Einzelab- Damit hat der Bundesrat der Verordnung nach stimmung rufe ich auf: Maßgabe der soeben erfolgten Abstimmung zuge- stimmt und Entschließungen gefasst. Ziffer 4! – Mehrheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 63: Damit entfallen die Ziffern 5 und 6. Verordnung zur Änderung abfallrechtlicher Ziffer 9! – Mehrheit. Nachweisbestimmungen (Drucksache 843/01) Ziffer 10! – Mehrheit. Wortmeldungen liegen nicht vor. Zur Abstimmung Ziffer 11! – Mehrheit. liegen Ihnen die Ausschussempfehlungen in Drucksa- che 843/1/01 sowie ein Antrag Nordrhein-Westfalens Ziffer 12! – Mehrheit. in Drucksache 843/2/01 vor. Damit entfällt Ziffer 13. (B) Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: (D) Wir stimmen nun in einer Sammelabstimmung über Ziffer 4! Handzeichen bitte! – Mehrheit. alle noch nicht erledigten Ziffern ab. Wer stimmt zu? – Das ist die Mehrheit. Ziffer 15! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat der Verordnung nach Ziffer 19! – Minderheit. Maßgabe der soeben beschlossenen Änderungen zu- Nun zum nordrhein-westfälischen Antrag in Druck- gestimmt und Entschließungen gefasst. sache 843/2/01! Wer stimmt zu? – Minderheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 61: Wir stimmen nun in einer Sammelabstimmung über Dritte Verordnung zur Durchführung des Bun- alle noch nicht erledigten Ziffern der Ausschussemp- des-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung fehlungen ab. Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. über den Schwefelgehalt bestimmter flüssiger Damit hat der Bundesrat der Verordnung mit den Kraft- oder Brennstoffe – 3. BImSchV) (Druck- soeben beschlossenen Änderungen zugestimmt. sache 805/01) Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 78: Wortmeldungen liegen nicht vor. Kostenverordnung für Amtshandlungen der Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen Seemannsämter (SeemannsÄKostV 2001) – Ge- der Ausschüsse in Drucksache 805/1/01 vor. Ich rufe schäftsordnungsantrag der Freien Hansestadt auf: Bremen – (Drucksache 970/01) Ziffer 1! Wer stimmt zu? – Mehrheit. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ziffer 2! – Mehrheit. Ausschussberatungen haben noch nicht stattgefun- Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer der Ver- den. Bremen beantragt, heute bereits in der Sache zu ordnung nach Maßgabe der soeben erfolgten Abstim- entscheiden. Wer dafür ist, den bitte ich um das mung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Wer der Verordnung in der vorliegenden Fassung Dann ist so beschlossen. zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzei- chen. – Das ist auch die Mehrheit. Es bleibt abzustimmen über die Entschließung unter Ziffer 4 der Ausschussempfehlungen. Wer Somit hat der Bundesrat der Verordnung zuge- stimmt zu? – Das ist die Mehrheit. stimmt. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 763 Amtierender Präsident Reinhold Bocklet (A) Ich bitte Sie um Geduld. Niedersachsen bezweifelt Damit haben wir die Tagesordnung der heutigen (C) das festgestellte Ergebnis der Abstimmung zu Ziffer Sitzung abgewickelt. 18 unter Tagesordnungspunkt 17. Wenn Sie alle ein- verstanden sind, rufe ich Tagesordnungspunkt 17 Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich ein noch einmal auf und lasse erneut über Ziffer 18 ab- auf Freitag, den 1. Februar 2002, 9.30 Uhr. stimmen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen! Bevor ich die Sitzung schließe, möchte ich Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute zum Jah- (Helmut Holter [Mecklenburg-Vorpommern] gibt reswechsel sowie erholsame Feiertage wünschen. ein Handzeichen) Die Sitzung ist geschlossen. – Dann kann ich die Abstimmung leider nicht wieder- holen; es tut mir Leid. Die Sache ist erledigt. (Schluss: 14.52 Uhr)

Beschluss im vereinfachten Verfahren (§ 35 GO BR)

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über spezifische, gegen be- stimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnah- men zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus

(Drucksache 879/01)

Ausschusszuweisung: EU – Fz – In – R – Wi

Beschluss: Kenntnisnahme

(B) (D)

Berichtigung 770. Sitzung Die Nummer der Drucksache des letzten Beschlusses im vereinfachten Verfahren, S. 689 A/C, lautet richtig: 883/01.

Feststellung gemäß § 34 GO BR Einspruch gegen den Bericht über die 770. Sitzung ist nicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht gemäß § 34 GO BR als genehmigt.

Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 765*

(A) Anlage 1 Justiz – entgegen sonstigen Gepflogenheiten – vor- (C) nehm zurückgehalten hat. Erklärung Zu begrüßen ist zwar, dass jetzt der Erfüllungsein- wand und die Verjährungseinrede zulässig sind. Zahl- von Staatsminister Dr. Manfred Weiß reiche andere systematische Mängel bleiben aber (Bayern) bestehen. Ich nenne nur den Widerspruch bei der zu Punkt 1 der Tagesordnung Darlegungs- und Beweislast sowie die vorgesehene Einschränkung des Minderjährigenschutzes. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Prostituierten ist auch in der jetzt vom Bundestag Damit erweisen sich das unechte Ergebnis des Ver- beschlossenen Fassung nicht akzeptabel. mittlungsausschusses und der neue Gesetzesbeschluss des Bundestages in gesetzestechnischer Hinsicht wei- Bayern lehnt das Gesetz allerdings schon aus grund- terhin als völlig unzureichend. Dem Vermittlungs- sätzlichen Überlegungen ab. Prostitution ist die Ver- begehren des Bundesrates ist nicht ausreichend Rech- marktung des menschlichen Intimbereiches und wi- nung getragen worden. Das Gesetz ist inakzeptabel. derspricht dem Menschenbild unseres Grundgesetzes sowie den geltenden Wertmaßstäben. Die Prostitution Ich bitte Sie deshalb, entsprechend dem Antrag wird vom Gesetz und von der Rechtsprechung seit Sachsens und Bayerns gegen das Gesetz Einspruch jeher und zu Recht als sittenwidrig angesehen. Das zu einzulegen. ändern besteht unseres Erachtens keine Veranlas- sung. In den Bereichen des Zivilrechts und des Straf- rechts, auf die sich das Gesetz konzentriert, besteht kein Änderungsbedarf. Anlage 2 Im Strafrecht wird mit den beschlossenen Änderun- gen ein falscher Weg beschritten. Insbesondere wird Erklärung den Strafverfolgungsbehörden mit der ersatzlosen Streichung des § 180a Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch von Staatsminister Reinhold Bocklet ein wichtiges Instrumentarium aus der Hand geschla- (Bayern) gen, gegen die Ausbeutung von Prostituierten durch zu Punkt 3 der Tagesordnung die Bordell- und Zuhälterszene vorzugehen. Die Be- treiber einschlägiger Einrichtungen werden die neu Auf Antrag Bayerns hatte der Bundesrat am 30. No- geschaffenen Freiräume ausnutzen, und zwar in der vember den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel an- (B) Mehrzahl der Fälle nicht zu Gunsten der Prostituier- gerufen, die im Beschluss des Bundestages über das (D) ten, sondern zur Maximierung eigener Gewinne. Der Bundeswehrneuausrichtungsgesetz enthaltenen An- enge Zusammenhang von Rotlichtmilieu und organi- reize zur erleichterten Frühpensionierung von Offizie- sierter Kriminalität darf nicht verkannt werden. ren und Unteroffizieren deutlich zu verringern. Der Vermittlungsausschuss hat diesem Anliegen Die Vorschrift des § 180a Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetz- nicht entsprochen, sondern das Gesetz bestätigt. Des- buch hat sich in der Auslegung durch die Rechtspre- wegen sieht sich der Freistaat Bayern nun gezwungen, chung alles in allem bewährt. Ungeachtet der Schwie- Antrag auf Einspruch des Bundesrates gegen das Ge- rigkeiten der Strafverfolgung, die in diesem Bereich setz in der vorliegenden Fassung zu stellen. naturgemäß bestehen, wird die Vorschrift den von ihr Unsere Kritik richtet sich dabei nicht gegen die Ab- verfolgten Zielen im Wesentlichen gerecht. Nament- sicht des Gesetzgebers, die Bundeswehr neu auszu- lich verhindert es § 180a Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch richten und sie für die völlig veränderten Rahmenbe- nicht, dass der Inhaber einschlägiger Einrichtungen dingungen ihres Einsatzes leistungsfähiger zu menschenwürdige Verhältnisse schafft. Auch der Zu- machen. Die unfassbaren Ereignisse des 11. Septem- sammenarbeit mit den Behörden der Gesundheitsver- ber und der Gang der Entwicklung in Afghanistan waltung steht sie nicht im Wege. Es besteht deshalb haben deutlich gemacht, dass zur Bekämpfung des kein Anlass, § 180a Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch er- Terrorismus und zur Bewahrung unserer Wertordnung satzlos aufzuheben. Entsprechendes gilt für die be- auch militärisches Handeln zwingend erforderlich schlossene Änderung des Straftatbestands der Zuhäl- werden kann. Dem trägt der Beschluss des Deutschen terei in § 181a Abs. 2 Strafgesetzbuch. Bundestages vom 16. November Rechnung, auch Wenn man in Artikel 1 des Gesetzes schon das gel- wenn er gegen massiven Widerstand aus den Reihen tende Zivilrecht ändert, muss sich die Neuregelung der rotgrünen Koalition und nur durch das Stellen der wenigstens in unser Rechtssystem einfügen. Dass dies Vertrauensfrage zu Stande kam. nun der Fall wäre, kann man wirklich nicht behaup- Streitkräfte, die weltweit einsetzbar sein sollen, ha- ten. Auch in der jetzt vorliegenden Fassung enthält ben sehr hohe Anforderungen zu bewältigen. Neben das Gesetz unerträgliche Systembrüche. Es ist mir un- den bisher noch in keiner Weise geklärten Fragen der verständlich, warum weder die Regierungskoalition künftigen Ausrüstung kommen der Leistungsfähigkeit im Bundestag noch die Mehrheit im Vermittlungsaus- und der Einsatzbereitschaft unserer Soldaten zentrale schuss bereit war, die bekannten fachlichen Einwän- Bedeutung zu. Wir brauchen hoch motivierte und für de zu berücksichtigen. Es fällt auf und muss zu den- extrem unterschiedliche und schwierige Aufgaben ken geben, dass sich das Bundesministerium der gut ausgebildete, physisch und psychisch robuste 766* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) Soldaten, die den in jeder Hinsicht harten Bedin- Die Bayerische Staatsregierung hat sich diese Hal- (C) gungen solcher Einsätze gewachsen sind. tung nicht leicht gemacht. Wir sehen den besonderen Auftrag unserer Soldaten. An sie werden Anforderun- Die Bayerische Staatsregierung hält es jedoch an- gen wie an keine andere Berufsgruppe gestellt. Das gesichts der drastischen Unterfinanzierung der Bun- gilt in Zukunft noch stärker als bisher schon. Bayern deswehr nicht für verantwortbar, unter Inkaufnahme ist deswegen immer für die Belange der Bundeswehr hoher zusätzlicher Versorgungslasten 50-jährige Offi- und ihrer Soldaten eingetreten, oft gegen den massi- ziere mit vollen Ruhestandsbezügen zu verabschie- ven Widerstand von politischen Kräften, die Soldaten den. Die im Gesetz vorgesehenen umfangreichen ver- öffentlich als Mörder beschimpft haben und unsere sorgungsrechtlichen Ausnahmeregelungen führen in Streitkräfte am liebsten ganz abgeschafft hätten. Wir ihrer Summe zu einer übergroßen Besserstellung des müssen aber auch die Grenzen der finanziellen Be- betroffenen Personenkreises. Eine solche Privilegie- lastbarkeit der Versorgungssysteme und die soziale rung verursacht nicht nur erhebliche Mehrkosten, Balance in unserer Gesellschaft im Auge behalten. sondern sie passt auch nicht in die sozialpolitische Landschaft. Sie würde angesichts der Einschränkun- In seinem Beschluss zur Anrufung des Vermitt- gen im Rentenrecht und in der Beamtenversorgung lungsausschusses hat der Bundesrat die von Bayern den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzen. vorgeschlagenen Einschränkungen gefordert. An der Sachlage hat sich in der Zwischenzeit nichts geän- Der Freistaat Bayern wendet sich nicht pauschal dert. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung zum gegen die vorgesehene Erleichterung der Früh- Antrag des Freistaates Bayern. pensionierung. Sie läuft zwar der Zielplanung des Bundesministers der Verteidigung zuwider, die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten zu erhöhen. Auch die am 1. Januar in Kraft tretende Erhöhung der allgemeinen und besonderen Altersgrenzen für Berufssoldaten Anlage 3 geht in eine andere Richtung. Gleichwohl sehen wir die Notwendigkeit, das Offizier- und Unteroffizier- Erklärung korps angesichts der dramatisch veränderten Einsatz- bedingungen zu verjüngen und die Streitkräfte für von Parl. Staatssekretär Prof. Dr. Eckhart Pick qualifizierte Nachwuchskräfte attraktiver zu machen. (BMJ) Deswegen lehnt der Freistaat Bayern nicht sämtliche zu Punkt 69 der Tagesordnung Regelungen des Gesetzes ab. Aber er hält nach wie vor versorgungsrechtliche Einschränkungen für zwin- Die Bundesregierung erklärt zur Frage der Aufnah- gend. (B) me des § 129a des Strafgesetzbuches in den Ausnah- (D) Dabei geht es zum einen um die Regelung über den mekatalog des § 53 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessord- Versorgungsabschlag in Höhe von 3,6 % für jedes nung, dass sie das Ergebnis der Arbeitsgruppe ernst Jahr der Pensionierung unterhalb der geltenden Al- nimmt und das Begehren der Arbeitsgruppe in die tersgrenze, insgesamt aber höchstens 10,8 %. Diese Diskussion einer Novellierung der erstgenannten Vor- Regelung ist im Sinne der Gleichbehandlung und schrift einbringen wird. zum Ausgleich der längeren Laufzeit der Versor- gungsbezüge unverzichtbar. Weiter fordern wir, die Regelung über die Gewäh- rung eines einmaligen Ausgleichs zu streichen. Es ist Anlage 4 nicht einzusehen, warum ein auf Grund dieses Geset- zes vorzeitig in den Ruhestand versetzter Berufssoldat Erklärung besser gestellt wird als ein wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig pensionierter Beamter. von Staatsminister Reinhold Bocklet Auch die Regelung über die Verbesserung der all- (Bayern) gemeinen Höchstgrenze beim Bezug von Erwerbsein- zu Punkt 71 der Tagesordnung kommen muss gestrichen werden. Diese Einschrän- kung ist erforderlich und zumutbar. Denn die dann Eine leistungsbezogene Ausgestaltung der Profes- geltende Höchstgrenze wäre immer noch erheblich sorenbesoldung wird auch vom Freistaat Bayern günstiger als die Höchstgrenze für Soldaten, die unterstützt. Viele Eckpunkte des Professorenbesol- wegen Dienstunfähigkeit oder einer Wehrdienstbe- dungsreformgesetzes werden von Bayern mitgetragen. schädigung in den Ruhestand versetzt werden müs- Dies gilt auch deshalb, weil es im Vermittlungsaus- sen. Eine darüber hinausgehende Besserstellung ist schuss, der vom Bundesrat angerufen worden war, ge- nicht gerechtfertigt. lungen ist, zumindest die in vielerlei Hinsicht fragwür- dige Fassung zum Vergaberahmen nach § 34 BBesG Nach der Verwirklichung dieser Einschränkungen weitgehend im bayerischen Sinne zu korrigieren. bleiben immer noch ausreichende finanzielle Anreize für die Berufssoldaten, von der Vorruhestands- Allerdings hat der Freistaat Bayern im Hinblick auf regelung Gebrauch zu machen. Sie haben nach wie die neu aufgenommene Mindestausgabeverpflich- vor Anspruch auf Versorgungsbezüge in einer Höhe, tung der Länder für Leistungsbezüge („entsprechen“) die sie nur erreichen könnten, wenn sie bis zum re- gewisse verfassungsrechtliche Bedenken, was die gulären Ruhestandsbeginn Dienst geleistet hätten. Budgethoheit der Länder betrifft. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 767*

(A) Bedenken hat der Freistaat Bayern auch hinsicht- tusrechtlich geschaffen sind. Ist das 5. HRGÄndG ver- (C) lich der Höhe der Grundgehälter für Professoren in fassungswidrig, fehlt z. B. das Amt des Juniorprofes- der Besoldungsordnung W. Diese sind nach Auffas- sors, so dass insoweit auch besoldungsrechtliche Re- sung Bayerns in vielen Fällen zu niedrig angesetzt. Es gelungen keinen Sinn machen. bleibt fraglich, ob die Höhe der festen Grundgehälter Bayern bedauert es, dass die Bundesregierung das dem verfassungsrechtlichen Gebot amtsangemesse- einheitliche Reformwerk auf höchst fragwürdige ner Alimentation entspricht. Das Gesetz sieht vor, Weise auf zwei Gesetzentwürfe aufgeteilt hat. Denn dass Professoren künftig garantierte feste Bezüge in die beiden Gesetzentwürfe sind ein einheitliches Höhe von 3 724 Euro in Besoldungsgruppe W 2 und von 4 522 Euro in Besoldungsgruppe W 3 erhalten. Reformwerk und können nur zusammen stehen oder Das sind umgerechnet rund 7 300 DM bzw. 8 850 DM. zusammen fallen. Bayern kann dem Professorenbe- Dies ist oft zu wenig, um führende Wissenschaftler an soldungsreformgesetz daher heute – trotz der zu be- deutsche Hochschulen zu locken. Die Regelung der grüßenden Änderung des § 34 BBesG – nicht zustim- Grundgehaltssätze im Professorenbesoldungsre- men. formgesetz ist nicht geeignet, eine Stärkung der At- traktivität der Professorenbesoldung im internationa- len Vergleich und im Wettbewerb mit der Wirtschaft zu gewährleisten. Die Höhe des sicher erreichbaren Anlage 5 Grundgehalts ist in besonderer Weise ausschlagge- bend für die Attraktivität des Professorenamtes und Erklärung von wesentlicher psychologischer Bedeutung für et- waige Bewerber. von Staatsminister Stanislaw Tillich Ferner steht das Professorenbesoldungsreformge- (Sachsen) setz in untrennbarem Sachzusammenhang mit dem zu Punkt 71 der Tagesordnung Fünften Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmen- gesetzes und anderer Vorschriften (5. HRGÄndG). Der Freistaat Sachsen hält die vom Vermittlungs- Beide Gesetze sind Teil der einheitlichen Dienstrechts- ausschuss vorgeschlagene Neufassung zum Vergabe- reform als Kern der von der Bundesregierung in dieser rahmen, der den Gesamtbetrag der Leistungsbezüge Legislaturperiode angestrebten Hochschulreform. regelt, für akzeptabel, kann dem Gesetz wegen des Zusammenhangs zu dem Fünften Gesetz zur Ände- Nach Auffassung Bayerns ist das 5. HRGÄndG je- rung des Hochschulrahmengesetzes und anderer Vor- doch verfassungswidrig, weil es ein Zustimmungsge- schriften (5. HRGÄndG) – BR-Drucksache 901/01 (Be- setz ist – so auch die mehrheitliche Auffassung des schluss) – aber nicht zustimmen. Es ist zu befürchten, (B) Bundesrates, BR-Drucksache 901/01 (Beschluss) –, dass die Bundesregierung das 5. HRGÄndG gegen (D) der Bundesrat die nötige Zustimmung aber verwei- den eindeutigen Beschluss des Verfassungsorgans gert hat. Bundesrat dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung Durch die Ausgestaltung der Juniorprofessur als zuleitet und damit die Auffassung des Bundesrates Regeleinstellungsvoraussetzung für Professoren er- ignoriert. Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, wird die hält der Weg über die Juniorprofessur eine viel zu Habilitation, eine bewährte und weltweit geachtete starke und verfassungsrechtlich bedenkliche Präfe- Qualifikation der deutschen Hochschullehrer, faktisch renz. Die Bedeutung der Habilitation als Qualifikation verboten. Das Professorenbesoldungsreformgesetz für die Berufung auf eine Professur wird völlig dient der Umsetzung auch dieses hochschul- und wis- zurückgedrängt. Die Diskriminierung der Habilitation senschaftspolitisch verfehlten Ansatzes. Der Freistaat wird durch die vom Deutschen Bundestag beschlosse- Sachsen hat sich daher der Stimme enthalten. ne Fassung des § 44 Abs. 2 Satz 1 HRG noch verstärkt, da die Habilitation im Gegensatz zu anderen Qualifi- kationswegen nicht genannt wird. Auf Antrag des Freistaates Bayern hat der Aus- Anlage 6 schuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates die Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Erklärung Ziel empfohlen, eine Änderung des § 44 Abs. 2 HRG dahin gehend zu erreichen, dass das Regelerfordernis von Staatsminister Jochen Riebel der Juniorprofessur als „Soll-Regelung“ ausgestaltet (Hessen) wird und die im Rahmen eines Habilitationsverfah- zu Punkt 71 der Tagesordnung rens erbrachten wissenschaftlichen Leistungen unter Zugrundelegung der Kultur der einzelnen Fächer und Der Bundestag hat am 9. November 2001 die fünfte im Interesse der wissenschaftlichen Qualität der deut- Änderung des Hochschulrahmengesetzes mit der schen Universitäten auch in der Zukunft als Nachweis flächendeckenden Einführung der Juniorprofessur der Qualifikation für die Berufung auf eine Professur und einem faktischen Habilitationsverbot sowie das berücksichtigt werden. Diese Empfehlung des Aus- Professorenbesoldungsreformgesetz verabschiedet. schusses für Innere Angelegenheiten fand im Plenum Mit guten Gründen haben CDU und FDP im Deut- des Bundesrates leider keine Mehrheit. schen Bundestag gegen diese Gesetze gestimmt. Das Professorenbesoldungsreformgesetz kann die Der Bundesrat hat wegen des im Professorenbesol- Professorenbesoldung nur für Ämter regeln, die sta- dungsreformgesetz vorgesehenen Vergaberahmens 768* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) den Vermittlungsausschuss angerufen. Leider ist er Menschen in unserem Lande haben gespürt, dass der (C) den Anträgen Baden-Württembergs und Hessens, das Staat – Polizei, Verfassungsschutz, Feuerwehren und unzureichende Gesetz grundsätzlich zu überarbeiten, Justiz – handlungsfähig und handlungsbereit ist. Das nicht gefolgt. sind die Verdienste der ersten Tage. Im Vermittlungsausschuss ist nunmehr eine Rege- Unser auf Balance und Konsens ausgelegtes be- lung des Vergaberahmens in der Weise vereinbart währtes politisches System des Föderalismus hat die- worden, dass der Besoldungsdurchschnitt um jährlich sen Härtetest bestanden. Es ging nach dem 11. Sep- 2 % bzw. insgesamt um bis zu 10 % überschritten tember in der Hauptsache um Lagebewältigung. werden darf und auf das Niveau des Bundeslandes Diese Aufgabe haben wir, die Länderinnenminister, mit dem höchsten Besoldungsdurchschnitt angeho- gemeinsam mit dem Bundesminister des Innern gut ben werden kann. Die Professoren sowie hauptbe- gelöst, und daran hat Herr Kollege Schily großen An- ruflichen Leiter und Mitglieder von Hochschulen, teil gehabt. die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis ste- Heute reden wir über Regelungen, die auf Dauer hen und auf Planstellen der Besoldungsgruppe W 2 innere Sicherheit einerseits und Freiheit andererseits und W 3 sowie C 2 bis C 4 geführt werden, werden gewährleisten sollen. Wie sie langfristig in der Praxis bei der Bemessung des Vergaberahmens berück- wirken, ob sie notwendig bleiben, das kann man sichtigt. heute nicht sicher vorhersagen. Deshalb – und dafür Ein essenzieller Kritikpunkt ist jedoch weiterhin un- habe ich mich eingesetzt – sind für eine Reihe von Re- verändert bestehen geblieben. Hessen hat sich immer gelungen nach einigen Jahren Überprüfungen vorge- dafür eingesetzt, im Rahmen dieser Reform die sehen. Dieses Prinzip der so genannten Sunset Laws Grundgehälter der Professorinnen und Professoren – Gesetze auf Zeit – hat sich in anderen Ländern be- anzuheben. Der Gesetzentwurf von Frau Ministerin währt. Bulmahn greift zu kurz und schafft keinen Anreiz für Ich weiß, dass die Gesetze, über die wir heute bera- Wissenschaft und Forschung. Hessen hat von Anfang ten, Kompromisse sind. Nordrhein-Westfalen hat mit an die Auffassung vertreten, dass es nicht sinnvoll ist, dem Bund und mit anderen Ländern intensiv um rich- bereits bei der Erstberufung von Professoren auf Leis- tige Lösungen gerungen. Ich weiß aber auch, dass es tungszulagen zurückgreifen zu müssen, weil die Kompromisse sind, die tragfähig sind. Grundgehälter zu niedrig sind. Die Länder benötigen bereits beim Grundgehalt Bandbreiten, um Akzente Das Paket, das heute geschnürt vor uns liegt, ist ein in der Wissenschaftslandschaft setzen und hoch- gutes Paket. Alles, was darin enthalten ist, ist gut und karätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in wichtig. Aus Überzeugung sage ich: Es fehlt nichts Konkurrenz zur Wirtschaft und ausländischen Ein- von dem, was gesetzgeberisch – der Lage angemes- (B) richtungen berufen zu können. sen – zu veranlassen war. (D) Wegen der niedrigen Grundvergütung im Verhält- Ich zitiere Reinhard Müller aus der „FAZ“ vom nis zum verfügbaren Besoldungsrahmen bei fakti- 30. Oktober 2001: scher Kostenneutralität kann Hessen dem Gesetz Die fundamentalen Freiheitsrechte, die am An- seine Zustimmung nicht erteilen. fang des Grundgesetzes stehen, dürfen nicht beliebig eingeschränkt werden. Sicherheit ist zwar eine Voraussetzung für Freiheit, aber das größte Maß an Sicherheit gibt es immer noch im Polizeistaat, den niemand will. Es kommt also Anlage 7 darauf an, die richtige Balance zu finden. Dabei ist die Frage zu beantworten, welchen Preis Erklärung eine freie demokratische Gesellschaft um ihrer selbst willen für den Schutz vor Terroristen zah- von Minister Dr. Fritz Behrens len muss. (Nordrhein-Westfalen) zu Punkt 73 der Tagesordnung Die gefundene gesetzgeberische Lösung passt sich damit in das Paket ein, zu dem auch die finanziellen Seit dem 11. September eint uns das Ziel, jetzt und Spielräume gehören, die die Bundesregierung für die für die Zukunft alles zu tun, um die Menschen vor innere Sicherheit eröffnet hat – 3 Milliarden DM –, terroristischer Bedrohung wirksam zu schützen. In und die Maßnahmen, die wir in den Ländern ergän- der Konfrontation mit dem Undenkbaren und auf zend getroffen haben und noch treffen werden. Diese Grund der mit diesem Ereignis verbundenen eigenen haben uns erhebliche Anstrengungen abverlangt: Betroffenheit haben wir Innenminister aufkommende 370 Millionen DM für das Fünfjahresprogramm in Meinungsverschiedenheiten schnell ausgeräumt. Nordrhein-Westfalen. Wir in den Ländern werden prüfen, welche landesrechtlichen Vorschriften zu Genau wie heute wollten und mussten wir das Rich- ändern sind. Alle Maßnahmen zusammen sind die tige tun. Unsere Sofortmaßnahmen haben den inne- richtige Antwort auf die Herausforderung durch den ren Frieden unseres Landes gesichert und dafür ge- global agierenden Terrorismus. sorgt, dass es nicht zu undifferenzierten Gewaltakten gegen Muslime kam. Unsere Sorge galt dem Schutz Wir stärken die Strukturen, mit denen Terrorismus der Bevölkerung vor terroristischer Bedrohung in wirkungsvoll bekämpft und sein Eindringen in unser einem nur begrenzt einzuschätzenden Ausmaß. Die System verhindert werden kann. Nur ein sicherer Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 769*

(A) Staat, sich sicher fühlende Menschen lassen sich auf len oft über mehrere Stunden mit Fahrzeugen und (C) die Kommunikation mit anderen Staaten, Kulturen, Personal – regelmäßig überflüssigerweise – im Ein- Religionen ein. satz. Das kostet viel Geld. Gleiches gilt für die Nach- bereitung solcher Einsätze. Das ist der nationale Schritt, den wir heute tun müs- sen. Es ist bei weitem nicht der letzte Schritt. Die Si- Es wird geprüft wegen des Verdachts auf Radioakti- cherheitsmaßnahmen genauso wie die Maßnahmen vität, auf Sprengstoff; das Gesundheitsamt prüft auf zum Ausgleich der Chancen auf der Welt müssen in Verseuchungen und Gifte. Dies alles bindet Arbeits- einen europäischen und internationalen Kontext ge- kapazitäten und behindert die Rettungskräfte dort, bettet werden. Nur so können wir eine gemeinsame wo sie wirklich gebraucht werden. Schließlich besteht Sprache der Toleranz entwickeln, die Voraussetzung die Neigung, sich an solche Ereignismeldungen zu für Freiheit und Gerechtigkeit, soziales Miteinander gewöhnen, wenn regelmäßig die Erfahrung gemacht sowie Wohlstand, Toleranz und Koexistenz aller Völ- wird, dass der Rettungseinsatz überflüssig war. Dies ker ist. Dafür habe ich mich in Brüssel eingesetzt. In kann gefährlich werden, sollte bei uns wirklich ein- diesem Zusammenhang wird z. B. Europol eine wich- mal eine Drohung wahr werden. tige, größere Rolle spielen müssen. Die gegenwärtige Gesetzeslage sieht zum Schutz Ich bin mir sicher: Wir sind auf diesem Weg noch des öffentlichen Friedens in der aus dem Jahre 1976 längst nicht am Ende. Für diesen Schritt sollten wir stammenden Vorschrift des § 126 StGB als Sanktion heute eingedenk unseres Konsenses nach dem für kriminelles Verhalten eine Geldstrafe oder Frei- 11. September geschlossen eintreten, so wie es auch heitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Diese Sanktion ent- der Bundestag getan hat. spricht nicht mehr dem von den Bürgerinnen und Bür- gern empfundenen Unwert solchen Tuns. Sie trägt dem Schutzzweck der Norm in Bezug auf so genannte Trittbrettfahrer nicht ausreichend Rechnung.

Anlage 8 Unser Gesetzesantrag will die Strafandrohung des § 126 StGB modifizieren, um in Anpassung an die Erklärung veränderte sozialethische Bewertung dieses Delikts eine angemessene Abschreckung zu erreichen. von Minister Dr. Andreas Birkmann Durch die Anhebung des Strafrahmens auf fünf Jahre (Thüringen) Freiheitsstrafe bringt der Entwurf zum Ausdruck, zu Punkt 26 b) der Tagesordnung dass ein solches von hoher Sozialschädlichkeit ge- (B) (D) prägtes Verhalten deutlich schwerer strafbewehrt Seit den terroristischen Verbrechen in Amerika sein muss, als dies die gegenwärtige Gesetzeslage werden die Bürgerinnen und Bürger auch unseres erlaubt. Es kann schließlich nicht richtig sein, dass Landes immer wieder mit anonymen Bedrohungen ein Ladendiebstahl nach § 242 StGB im Höchstmaß konfrontiert, wie man sie bisher nach Zahl und In- mit einer höheren Strafe belegt wird als die Störung tensität nicht gekannt hat. Milzbrand ist das des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straf- Schreckenswort. Die nach § 126 StGB zu ahndende taten nach § 126 StGB. Tat hat einen völlig neuen Charakter erhalten. Die so genannten Trittbrettfahrer beherrschen das öffentli- Die Handlungsweise von Trittbrettfahrern ist kein che Leben. Sie lösen auf Kosten der Allgemeinheit Dummerjungenstreich. Trittbrettfahrer sind Men- Unruhe und Panik aus. Auch wenn gesundheitsge- schen, die eine ganze Nation skrupellos in Angst und fährdende Substanzen glücklicherweise bisher nicht Schrecken versetzen, wie die Ereignisse vom 2. No- festgestellt werden konnten, werden die Adressaten vember 2001 in Neumünster und Rudolstadt in Thü- der Briefe, aber auch unbeteiligte Bürgerinnen und ringen gezeigt haben. Bürger in Todesangst versetzt, wenn Straßenzüge ge- sperrt oder Gebäude geräumt werden, weil Briefe mit Allein die – zumeist sehr hohen – Schadensersatzan- weißem Pulver aufgetaucht oder entsprechende sprüche vermögen die potenziellen Täter nicht abzu- Drohanrufe eingegangen sind. Das Opfer fühlt sich schrecken. Wenn es sich um Täter mit entsprechen- wie eine Geisel, auch wenn sich der Verdacht einer dem sozial- und finanzschwachen Hintergrund Bedrohung im Nachhinein nicht bestätigt. Aber diese handelt, geht diese Drohung oftmals ohnehin ins Nachricht erfährt der Betroffene erst Tage später – Leere. Daher bleibt die Allgemeinheit auf den Einsatz- nach einer Zeit voller Ungewissheit und Angst. und sonstigen Kosten sitzen. Der Abschreckungseffekt muss insbesondere über das Strafrecht deutlich erhöht Nachdem die Polizei am 14. Oktober 2001 damit werden. begonnen hatte, die gemeldeten Milzbrandverdachts- fälle zahlenmäßig zu erfassen, konnte ein kontinuier- Auch dies ist ein Beitrag zur Stabilisierung der in- licher Anstieg der Fallzahlen beobachtet werden. Am neren Sicherheit, an der wir alle interessiert sein müs- 6. Dezember 2001 hatten wir in der Bundesrepublik sen. Deutschland insgesamt annähernd 4 000 Fälle zu ver- zeichnen – es waren genau 3 997 Fälle der Bedrohung Ich bitte Sie daher, den Gesetzesantrag Thüringens und Verunsicherung unserer Bevölkerung. Feuer- mit der vom Innenausschuss empfohlenen Maßgabe wehr, Polizei und Rettungsdienste sind in diesen Fäl- zu unterstützen. 770* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) Anlage 9 sich künftig keine terroristischen Anschläge mehr er- (C) eignen. Die Situation im Nahen Osten zeigt, dass es Erklärung trotz schärfster Gesetze und eines riesigen Sicher- heitsapparats absoluten Schutz vor Menschen, die zu von Minister Heiner Bartling allem entschlossen sind, nicht geben kann, insbeson- (Niedersachsen) dere dann nicht, wenn sie bereit sind, auch ihr eige- zu Punkt 73 der Tagesordnung nes Leben zu opfern. Ebenso möchte ich vor allzu großen Erwartungen Drei der vier Flugzeuge des Terroranschlags von warnen, dass nun im Zuge der Verbote extremisti- New York sind von Ausländern gesteuert worden, die scher islamistischer Vereine Mitglieder und Unter- zuvor jahrelang unerkannt, jedoch völlig legal in stützer in großer Zahl ausgewiesen und abgeschoben Deutschland lebten. Es wird immer deutlicher, dass werden können. Eine erste Sichtung des aufgefunde- sich das Zentrum dieser Terrorgruppe in unserem nen Materials gibt Anlass zur Zurückhaltung. Ein Land befunden hat. Vereinsverbot ist die eine Sache, das Vorgehen gegen Es wurde sehr schnell klar: Die Befugnisse unserer einzelne Personen mit dem Ziel der Ausweisung und Sicherheitsbehörden und die vorhandenen rechtli- Abschiebung eine ganz andere. Hier sollten wir keine chen Instrumente zur Bekämpfung des Terrorismus allzu großen Hoffnungen wecken. Die Vorgänge um waren bis dahin unzureichend und mussten dringend Kaplan zeigen, dass dies in einem Rechtsstaat ein verbessert werden. schwieriger Weg ist. Der Deutsche Bundestag hat uns nunmehr einen Ge- Das notwendige rechtliche Instrumentarium zur Be- setzesbeschluss vorgelegt, der nach meiner Beurteilung kämpfung des Terrorismus wird mit dem Terrorismus- die Fähigkeiten unserer Sicherheitskräfte deutlich ver- bekämpfungsgesetz geschaffen. Niedersachsen wird bessert, einen möglichst personenscharfen Überblick diesem Gesetz zustimmen. über Extremisten und Terroristen zu gewinnen und Per- Eine Änderung von Gesetzen ist natürlich nur der sonenzusammenhänge, Organisationsstrukturen und erste Schritt. Entscheidend wird die praktische Umset- Finanzwege aufzuhellen. Die Möglichkeiten der Daten- zung sein, insbesondere ausländerrechtlicher Maßnah- erhebung, -übermittlung und -speicherung werden men gegen einzelne Personen. Die bei den Durchsu- ausgebaut und die behördenübergreifenden Informa- chungen und Beschlagnahmen im Rahmen des Verbots tionszugänge vereinfacht. Das islamistische Gewaltpo- von Ausländervereinen gewonnenen Erkenntnisse tenzial, das sich in unserem Land unerkannt aufhält müssen den Ausländerbehörden unverzüglich bekannt und konspirative Anschläge vorbereitet, kann damit gemacht werden, damit sie prüfen können, ob z. B. po- aufgespürt und unschädlich gemacht werden. Der Auf- (B) litische Betätigungsverbote oder Ausweisungen mög- (D) enthalt von Ausländern, die auf Grund von terroristi- lich sind. Da diese Informationen nur von den Si- schen und extremistischen Handlungen eine Gefahr für cherheitsbehörden zu erlangen sind, ist eine enge die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstel- Zusammenarbeit zwischen diesen Stellen erforderlich. len, kann beendet werden. Einreisen solcher Personen können verhindert werden. Ich habe gestern in meinem Hause eine Projektgrup- pe gebildet, die den Auftrag hat, die entsprechenden Das vorliegende Gesetz ist ein Kompromiss, der Informationen zusammenzutragen, zu sichten und zu – das liegt in der Natur der Sache – nicht alle Wün- bewerten. Durch die Beteiligung verschiedener Fach- sche erfüllen kann. Auch ich hätte mir an der einen bereiche wird erreicht, dass die relevanten Informatio- oder anderen Stelle andere Regelungen vorstellen nen zeitnah ausgetauscht, die Kräfte gebündelt werden können. Dennoch bin ich mit den gefundenen Lösun- können und das Vorgehen koordiniert werden kann. gen im Ergebnis zufrieden. Dies ist ein erster praktischer Schritt, um die Aus- Die verantwortlichen politischen Kräfte im Bund und länderbehörden in die Lage zu versetzen, im gemein- in den Ländern haben gezeigt, dass sie bei einer kon- samen Interesse von Bund und Ländern gegen extre- kreten Bedrohung in der Lage sind, innerhalb kürzes- mistische Ausländer vorzugehen. ter Zeit das Notwendige für die Sicherheit des Landes zu tun und dabei Bürgerrechte und Datenschutz nicht über Gebühr einzuschränken. Dies ist nach meiner Einschätzung aber auch nicht die Hauptsorge unserer Bürgerinnen und Bürger. Sie sehen sich heute nicht Anlage 10 mehr vom Staat bedroht, sondern von Kriminalität und Terrorismus, und erwarten von ihm, dass er sie hiervor Erklärung wirksam schützt. Sie wollen keine Schwächung des Staates, sondern seine Stärkung im Kampf gegen kri- von Ministerin Karin Schubert minelle Elemente. Diese berechtigte Erwartung ver- (Sachsen-Anhalt) pflichtet uns, das in unserer rechtsstaatlichen födera- zu den Punkten 73 und 26 der Tagesordnung len Demokratie für die Sicherheit der Bevölkerung Mögliche auch tatsächlich zu tun. Das ist mit diesem Der Gesetzesantrag der Freistaaten Bayern und Sach- Gesetz gelungen. Hierüber freue ich mich. sen beinhaltet eine Neufassung des Artikels 35 Abs. 2 Das von uns zu beschließende Terrorismusbekämp- Satz 1 Grundgesetz, wonach zukünftig die Streitkräfte fungsgesetz kann keine Garantie dafür geben, dass zum Schutz ziviler Objekte auf Anforderung eines Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 771*

(A) Landes in Fällen von besonderer Bedeutung eingesetzt ren und damit sich und die Allgemeinheit in höchstem (C) werden können, wenn Polizeikräfte zur Aufrechterhal- Maße gefährdend auftreten. tung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit Auch vor dem Hintergrund, dass die Bundeswehr oder Ordnung nicht mehr ausreichen. bereits heute ihre eigenen militärischen Einrichtun- Die Intention dieses Gesetzesantrages berührt gen wegen Personalmangels durch zivile Wachdiens- einen Grundwert unserer freiheitlich-demokratischen te absichern lässt, vermag ich nicht einzusehen, wes- Rechtsordnung. Die Aufrechterhaltung der inner- halb die Bundeswehr in dieser Situation zusätzlich zur staatlichen Ordnung ist Aufgabe der Polizei. Die ein- Absicherung ziviler Objekte eingesetzt werden soll. zige Legitimationsgrundlage für die Existenz von Ich halte die Polizeikräfte der Länder und des Bun- Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland ist des für zahlenmäßig so stark und von ihrer Ausbil- ihr Verteidigungsauftrag. Ich erinnere in diesem Zu- dung her für so kompetent, dass sie den Herausforde- sammenhang an die seit Jahren geführte Diskussion rungen, die sich nach dem 11. September ergeben, über den Einsatz der Bundeswehr außerhalb der Bun- gerecht werden. Deshalb lehne ich den von den Frei- desrepublik, aber innerhalb der räumlichen Grenzen staaten Bayern und Sachsen vorgelegten Geset- der NATO bzw. außerhalb des NATO-Bereichs. zesantrag ab. Der vorliegende Gesetzesantrag will den Verteidi- Ich möchte noch kurz auf den Gesetzesantrag gungsauftrag der Bundeswehr auf die Bewachung zi- Thüringens eingehen, mit dem der Strafrahmen des viler Einrichtungen innerhalb der Bundesrepublik § 126 StGB – Störung des öffentlichen Friedens durch Deutschland erweitern. Hier sieht das Grundgesetz in Androhung von Straftaten – von Geldstrafe oder Frei- der geltenden Fassung bereits eine klar definierte heitsstrafe bis zu drei Jahren auf Freiheitsstrafe von Rollenverteilung zwischen den Streitkräften und der drei Monaten bis zu fünf Jahren angehoben werden Polizei vor. Gemäß Artikel 87a Abs. 2 Grundgesetz in soll. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt wird auch der seit 1968 geltenden Fassung dürfen die Streitkräf- diesen Antrag nicht unterstützen. te außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Der Richtigerweise wird in der Begründung des Geset- Schutz ziviler Objekte durch die Bundeswehr ist zesantrages darauf hingewiesen, dass es nach den bereits gemäß Abs. 3 im Verteidigungs- und im Span- Milzbrandanschlägen in den USA in Deutschland nungsfall möglich, wobei das Grundgesetz in Arti- eine Vielzahl von Nachahmungstaten gegeben hat, in kel 80a bzw. Artikel 115a die formalen Modalitäten denen vergleichbare Straftaten angedroht oder gar des Spannungs- bzw. Verteidigungsfalls regelt. Un- vorgetäuscht worden sind. Dies hat vorübergehend terhalb dieser Schwelle ist der Einsatz der Streitkräfte für erhebliche Unruhe und Verunsicherung in der Be- nur zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den völkerung gesorgt; die durch vorgetäuschte Anschlä- (B) Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grund- ge verursachten wirtschaftlichen Schäden, insbeson- (D) ordnung des Bundes oder eines Landes gemäß Arti- dere durch den Einsatz von Spezialeinheiten der kel 87a Abs. 4 Grundgesetz möglich. Polizei und der Feuerwehr, sind beträchtlich. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse der Durch den vorliegenden Gesetzesantrag wird das letzten drei Monate teile ich die Auffassung, dass bislang ausgewogene und über Jahrzehnte bewährte Nachahmungstaten so genannter Trittbrettfahrer im Verhältnis zwischen den Aufgaben der Polizei einer- Vergleich zu den üblichen Sachverhalten besonders seits und den Aufgaben der Streitkräfte andererseits schwer wiegen. Die aus diesen Ereignissen gezogene in einem erheblichen Maße verändert. Ich halte dies Schlussfolgerung, man könne solchen Straftaten unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, auch unter durch eine massive Verschärfung der Strafandrohung Berücksichtigung der besonderen Situation nach dem wirksam begegnen, trifft jedoch nicht zu. 11. September, für bedenklich, aber auch für nicht er- forderlich. Ein wirksames Mittel zur Bekämpfung sind viel- mehr die schnellstmögliche Tataufklärung und Verur- Darüber hinaus bestehen meines Erachtens erhebli- teilung der Täter. Eine Anhebung der Strafandrohung che Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der geplan- trägt dazu nicht bei. Sie ist sogar eher hinderlich, weil ten gesetzlichen Regelung. Die zunehmenden Aufga- bei einer Straferwartung von mehr als einem Jahr die ben der Bundeswehr im Ausland verursachen bereits schnelle gerichtliche Erledigung mittels des in der Probleme bei der Verwirklichung ihres ursprünglichen Strafprozessordnung vorgesehenen beschleunigten Auftrages. Ich verweise auf die aktuelle Diskussion Verfahrens ausgeschlossen ist. Hingegen haben die über den geplanten Afghanistan-Einsatz. Für den gerade auf diesem Wege durchgeführten Strafverfah- Schutz ziviler Objekte hier im Lande dürften deshalb ren der letzten Monate gegen Nachahmungstäter ge- allenfalls Wehrpflichtige in Betracht kommen, die im zeigt, dass die Tatrichter wegen des besonderen Umgang mit polizeilichen Gefahrensituationen, insbe- Unrechtsgehalts solcher Taten auch gegen Ersttäter sondere im Hinblick auf mögliche Konfrontationen mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr verhängt haben. Bürgern, nicht ausgebildet sind. Zu Recht haben die Diese Urteile gehen im Strafmaß deutlich über das Bediensteten der Polizei eine umfangreiche polizeili- hinaus, was üblicherweise für weniger gravierende che Ausbildung zu absolvieren, ehe sie die tägliche Ar- Fälle als strafrechtliche Sanktion festgesetzt wird. beit vor Ort mit den Bürgern und in manchen Fällen auch gegen die Bürger zu erfüllen haben. Es gehört Nicht zuletzt durch die ausführliche Medienbericht- nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass junge erstattung über diese Verfahren sind diese Urteile von Wehrpflichtige – z. B. bei Großdemonstrationen von der Öffentlichkeit als harte, aber angemessene Sank- Personen mit gewaltbereitem Hintergrund – unerfah- tion wahrgenommen worden. Darüber hinaus müssen 772* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) die rechtskräftig Verurteilten mit Schadensersatzforde- Die Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes er- (C) rungen in Höhe der verursachten Ermittlungs- und Ver- möglicht den Einsatz gut ausgebildeter Polizeibeam- fahrenskosten rechnen, die eine weitere erhebliche Be- tinnen und -beamter als bewaffnete Flugsicherheits- lastung der Verurteilten darstellen. begleiter in deutschen Flugzeugen. Ich erwarte vom Einsatz der Flugsicherheitsbegleiter einen Abschre- Schließlich spricht gegen die vorgeschlagene Anhe- ckungseffekt auf potenzielle Täter, aber auch eine bung des Strafrahmens der Vergleich mit den Strafan- Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Fluggäste drohungen der übrigen Straftatbestände des StGB und des Personals. zum Schutz der öffentlichen Ordnung; § 126 StGB er- hielte in diesem Fall eine Gewichtung, die mit den Mit der Einführung von § 129b in das Strafgesetz- übrigen Tatbeständen nicht in Einklang zu bringen buch wurden die im Ausland gebildeten kriminellen wäre. Als Beispiel sei der Landfriedensbruch ange- und terroristischen Vereinigungen in Deutschland führt, der ebenso wie die derzeit geltende Regelung strafbar gestellt. Jetzt war es notwendig und richtig, des § 126 StGB Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei die Ermittlungskompetenzen des Bundeskriminal- Jahren androht. amtes mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz zu- künftig auch auf die Verfolgung dieser Straftaten aus- Die Landesregierung Sachsen-Anhalt spricht sich zuweiten. deshalb gegen die vorgeschlagene Anhebung des Strafrahmens aus. Damit auch der Verfassungsschutz seinen Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus wirksam leisten kann, sieht Artikel 1 des Gesetzes wichtige Änderungen des Bundesverfassungsschutz- gesetzes vor. Mit ihnen soll – unter Beibehaltung des Anlage 11 hohen Grundrechtsschutzniveaus der bereichsspezi- fischen Regelungen – der Informationshorizont der Erklärung Verfassungsschutzbehörden erweitert werden, um künftig mögliche Erkenntnislücken bei der Bekämp- von Staatsminister Walter Zuber fung terroristischer Vereinigungen zu verhindern. (Rheinland-Pfalz) Gerade die Verdunkelungsversuche konspirativer zu den Punkten 73 und 26 der Tagesordnung Terrornetze bilden die denknotwendige Voraus- setzung für deren langfristig geplante Anschläge, wie Der Terrorismus ist eine der größten Gefahren für wir sie in besonders menschenverachtender Form am die Demokratie; er bedroht die freie Ausübung der 11. September in den USA miterleben mussten. Auch Menschenrechte und beeinträchtigt die Entwicklung Deutschland war dabei bekanntlich eine der logis- (B) von Wirtschaft und Gesellschaft. Ungeachtet der Ziele tischen Basen der Täter, die unsere finanzwirtschaftli- (D) terroristischer Akte und der Orte, an denen sie vorbe- chen sowie kommunikations- und transporttech- reitet oder ausgeführt werden, lässt sich Terrorismus nischen Strukturen unbemerkt für ihre verwerflichen nie und unter keinen Umständen rechtfertigen. Ziele nutzen konnten. Die feigen Terroranschläge von noch nie da gewese- Um solche Machenschaften künftig frühzeitig, d. h. nem Ausmaß in New York und Washington am 11. Sep- bereits im Vorfeld einer strafrechtlichen Verdachts- tember 2001 haben uns das deutlich vor Augen ge- lage, erkennen zu können, bedarf es der neuen führt. Das erschütternde Ausmaß der Gewalt, die Datenerhebungsbefugnisse bei Banken, Luftver- kaltblütige Planung und die weltweite Zusammenar- kehrs-, Post- und Kommunikationsunternehmen, wie beit der Täter erfordern die Weiterentwicklung unse- sie in § 8 BVerfSchG jetzt eingeführt werden. rer gesetzlichen Instrumente. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die dort für Mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz sind wir das Bundesamt für Verfassungsschutz gefundenen ein gutes Stück vorangekommen. Wir geben einer- Lösungen auch den Landesbehörden für Verfas- seits den Sicherheitsbehörden die nötigen gesetzli- sungsschutz zustehen sollen, womit sich der Bundes- chen Befugnisse, die sie in die Lage versetzen, ihren gesetzgeber den berechtigten Forderungen auch von Auftrag noch besser zu erfüllen. Andererseits Rheinland-Pfalz angeschlossen hat, das den ersten schränkt das Gesetzesvorhaben die Bürgerrechte nur Anlauf dazu bereits mit seinem Bundesratsantrag, in dem unumgänglich notwendigen Maß ein. dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung, Anfang Oktober unternommen Besonders einschneidende Veränderungen und tief hatte. Ein kleiner Wermutstropfen ist dabei allerdings greifende Neuregelungen wurden mit einer Befris- die meines Erachtens vermeidbare Schaffung eines tung versehen. Dies befürworte ich ausdrücklich. zusätzlichen landesgesetzgeberischen Handlungsbe- Auch die Möglichkeit einer Evaluierung dient dazu, darfs, der die Umsetzung der neuen notwendigen für die Zukunft den richtigen Weg zu finden. Maßnahmen in den Ländern nicht unwesentlich ver- zögern dürfte. Die Rheinland-Pfälzische Landesregierung unter- stützt die vorgeschlagenen Maßnahmen ausdrücklich. Die schrecklichen Anschläge vom 11. September Sie sieht darin das notwendige Instrumentarium, un- und die zwischenzeitlich bekannt gewordene Vorge- sere wehrhafte Demokratie vor terroristischen An- hensweise der Täter legen es nahe, über die Verbesse- schlägen effektiv zu schützen. Wichtig ist für mich in rung der Beobachtungsergebnisse hinaus die Nutzung diesem Zusammenhang auch, dass der Gesetzentwurf von Verfassungsschutzinformationen zu optimieren. eine breite Mehrheit im Bundestag fand. Hierzu gehört in erster Linie, dass alle Erkenntnisse Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 773*

(A) der Sicherheitsbehörden einschließlich solcher der geht davon aus, dass sich an dieser Praxis auch nach (C) Nachrichtendienste nahtlos zusammengeführt wer- den Änderungen des Vereinsgesetzes nichts ändert. den. Die Terroranschläge haben uns allen vor Augen Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Neurege- geführt, wie verwundbar die Infrastruktur unserer freiheitlichen Gesellschaft ist. lungen im Vereinsgesetz tatsächlich dazu beitragen, Gefahren für Gesellschaft und Staat abzuwehren, die Ich begrüße daher insbesondere die neuen Bundes- durch – ich betone – einzelne Ausländervereine und regelungen zum vorbeugenden personellen Sabotage- ausländische Vereine entstehen können. Die Er- schutz im Sicherheitsüberprüfungsgesetz (Artikel 5) fahrungen mit früheren Vereinsverboten deuten und die stärkere Einbindung des Verfassungsschutzes durchaus darauf hin. So ist es im jüngsten Fall, dem in die Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Luftverkehr Verbot des „Kalifatsstaates“, gelungen, verbotene (Artikel 19 und 19a). Alle Personen, die in lebens- und Vereinsstrukturen zu zerschlagen. Allein bei einem verteidigungswichtigen Bereichen sowie im Flugver- kleinen regionalen Verein in Rheinland-Pfalz konnten kehr an sicherheitssensiblen Stellen tätig werden sol- über 200 000 DM Vereinsvermögen „eingefroren“ len, müssen intensiv auf ihre Zuverlässigkeit hin werden. überprüft werden. Dabei sind von den zuständigen Stellen neben den Erkenntnissen der Polizei solche Mit dem vorliegenden Gesetz werden auch Bestim- der Verfassungsschutzbehörden mit heranzuziehen. mungen des Ausländergesetzes geändert. So hat die Mit der Zustimmung der Länder zu diesen neuen Innenministerkonferenz den Bundesinnenminister Bundesregelungen verbinde ich die Erwartung, dass bereits am 18. September gebeten, die rechtlichen nun auch der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum Voraussetzungen zu prüfen, damit das Bundesamt für in den Ländern in gleicher Weise genutzt wird, um die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den zu- denselben Sicherheitsstandard zu erreichen. ständigen Polizeidienststellen die im Rahmen eines Asylverfahrens gewonnenen Erkenntnisse über even- Innerhalb weniger Tage stehen wir erneut vor einer tuelle extremistische oder terroristische Aktivitäten Änderung des Vereinsgesetzes. In der letzten Sitzung war die Streichung des Religionsprivilegs Gegen- oder Verbindungen eines Asylbewerbers zur Verfü- stand der Beratungen. Heute diskutieren wir über gung stellen kann. Diesen Beschluss habe ich ebenso eine Ausweitung des Kennzeichenverbots sowie der unterstützt wie die Aufforderung an den Bun- Tatbestände, die den Erlass von Vereins- und Betäti- desinnenminister, auf eine schnellstmögliche Umset- gungsverboten gegenüber Ausländervereinen und zung der Einführung einer restriktiven Visaerteilung ausländischen Vereinen ermöglichen. hinzuwirken. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz hat diese Initiativen aufgegriffen und konsequent umge- Bisher hat das Vereinsgesetz im Kreis der Sicher- setzt. (B) heitsgesetze eher eine Nebenrolle gespielt. Mancher (D) hat sogar behauptet, es sei eine „aussterbende“ In diesem Zusammenhang ist auch die Fertigung Rechtsmaterie. Die nunmehr vorgenommenen Ände- von Fingerabdrücken bei der Beantragung eines Vi- rungen und Ergänzungen zeigen jedoch deutlich den sums oder das Kopieren der Pässe vor der Visumertei- politischen Willen, das Vereinsgesetz stärker als bisher lung zu nennen. Dies wird zu einer besseren vor allem im Kampf gegen terroristische Bestrebungen Identifizierung der einreisenden Ausländer beitragen. einzusetzen. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz Eine obligatorische Anfrage der Ausländerbe- unterstützt dieses Ziel uneingeschränkt. Sie begrüßt hörden vor der Gewährung eines dauerhaften Blei- insbesondere die Möglichkeiten, auch gegen Auslän- berechts habe ich von Anfang an für bedenklich dervereine vorzugehen, die beispielsweise ausländi- gehalten. Insbesondere würde es dem Grundsatz der sche gewalttätige oder terroristische Organisationen notwendigen Verstärkung der Integration wider- unterstützen oder die die Existenzberechtigung des sprechen, wenn bei einem Teil der Bevölkerung zu Staates Israel bestreiten. diesem Zeitpunkt generell Zweifel an der Verfas- Die Landesregierung Rheinland-Pfalz teilt nicht die sungstreue erhoben würden. Die jetzt gefundene Lö- vereinzelt geäußerte Kritik, die erweiterten Verbots- sung, zum einen eine Sicherheitsbefragung durch- tatbestände seien mit dem rechtsstaatlichen Grund- führen zu können und zum anderen in bestimmten satz der Bestimmtheit von Rechtsnormen unvereinbar. Fällen Erkenntnisse bei den Sicherheitsbehörden ab- Der Gesetzgeber kann Generalklauseln und unbe- zufragen, trägt dem Sicherheitsgedanken ausrei- stimmte Rechtsbegriffe verwenden, wenn dies chend Rechnung. erforderlich ist, um die für die Umsetzung des Geset- zes zuständigen Stellen in die Lage zu versetzen, den Was Fragen der Einreiseverweigerung, der Auswei- besonderen Umständen des einzelnen Falles sowie sung und der Aufenthaltsbeendigung betrifft, so halte schnell wechselnden Anforderungen gerecht zu wer- ich es für richtig, dass auf einen vagen Verdacht, auf den. eine vage Annahme hin keine solch einschneidenden Maßnahmen erfolgen können. Alle Eingriffsmaßnahmen unterliegen dem Grund- satz der Verhältnismäßigkeit. Die für Verbote zuständi- Es kommt jetzt darauf an, die Möglichkeiten, Aus- gen Stellen, das Bundesministerium des Innern sowie länder verstärkt mit fälschungssicheren Papieren aus- die nach Landesrecht zuständigen obersten Landes- zustatten, schnell im Wege von Rechtsverordnungen behörden, sind in der Vergangenheit sensibel und be- umzusetzen. Rheinland-Pfalz ist jedenfalls bereit, den hutsam mit den ihnen eingeräumten Instrumentarien Bund hierbei tatkräftig zu unterstützen. Wir sollten umgegangen. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz uns schnell an die Arbeit machen. 774* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) Anlage 12 Ich möchte mich deshalb an dieser Stelle bei der (C) Bundesregierung, dem Bundestag und den westdeut- Erklärung schen Ländern ausdrücklich für ihr uneingeschränk- tes Bekenntnis zur Solidarität bedanken, das im Soli- von Ministerpräsident Prof. Dr. Kurt Biedenkopf darpakt II zum Ausdruck kommt. (Sachsen) zu Punkt 5 der Tagesordnung Mit der Überführung der Mittel aus dem Investiti- onsförderungsgesetz in die Sonderbedarfs-Bundeser- Die solidarische Hilfe des Bundes und der west- gänzungszuweisungen werden die Freiheit und die deutschen Länder hat in den vergangenen Jahren zu Eigenverantwortung der ostdeutschen Länder ge- beachtlichen Erfolgen beim Aufbau der Infrastruktur stärkt. Beides wollten wir erreichen. Die gestiegene in den ostdeutschen Ländern geführt. Das kann jeder Freiheit werden wir gezielt nutzen, um die ehemali- sehen, der sich hin und wieder einmal in die ostdeut- gen IfG-Mittel beim Abbau des teilungsbedingten in- schen Länder aufmacht. Diese historisch einmalige frastrukturellen Nachholbedarfs noch effizienter ein- Leistung hat die Grundlagen dafür gelegt, dass der zusetzen. Dass sich die ostdeutschen Länder ihrer Osten nicht auf der Kippe steht. Ich möchte es daher gestiegenen Verantwortung bewusst sind, zeigt sich nicht versäumen, dies zu Beginn zu würdigen und auch darin, dass die regelmäßigen „Fortschritts- mich herzlich für die Hilfe zu bedanken. Ich denke, berichte Aufbau Ost“ auf unsere Anregung hin einge- da spreche ich auch für die Bürger in Ostdeutschland führt werden. In diesen Berichten werden wir bereits und in Sachsen. für das Jahr 2002 jährlich die Mittelverwendung und unsere Erfolge beim Aufbau der Infrastruktur darstel- Dennoch haben wir auch nach dem Auslaufen des len. Solidarpakts I noch erheblichen teilungsbedingten Nachholbedarf. Davon kann sich jeder ein eigenes An dieser Stelle will ich die Bundesregierung daran Bild machen, und diese Tatsache ist in diesem Hause erinnern, dass der Solidarpakt II nicht nur den Korb I auch völlig unstreitig. Ich nenne den immer noch be- – also die gesetzlich festgeschriebene Summe an jähr- stehenden infrastrukturellen Nachholbedarf der ost- lichen Zuweisungen – umfasst. Wir waren uns mit deutschen Länder und Kommunen, der weiterhin be- dem Bund auch darüber einig, dass in einem Korb II deutsame Investitionen notwendig macht, und ich den ostdeutschen Ländern für die Laufzeit des Soli- nenne die Finanzschwäche unserer Kommunen. All darpaktes II ein Betrag mit einer Zielgröße von insge- das läuft auf die umfangreichen weiteren Hilfen hi- samt 100 Milliarden DM zur Verfügung gestellt wird. naus, auf die wir uns im Solidarpaktfortführungsge- Er enthält die im Vergleich zu Westdeutschland über- setz geeinigt haben. proportionalen Leistungen des Bundes bei den (B) Es waren schwierige Verhandlungen über eine Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen sowie (D) komplizierte Materie; denn wir mussten zusätzlich einen Teil der EU-Strukturfondsmittel und die Investi- den Länderfinanzausgleich auf eine neue Grundlage tionszulage. stellen. Nun sind wir, Bund und Länder, so weit, dass Mit Verwunderung musste ich deshalb feststellen, wir sagen können: Es ist vollbracht. Deshalb möchte dass im Jahresbericht von Staatsminister Schwanitz ich positiv hervorheben, dass es allen beteiligten Ak- zum Stand der Deutschen Einheit in den entsprechen- teuren – also den 16 Bundesländern, dem Bundestag den Passagen zum Korb II jeweils nur von einer Be- und der Bundesregierung – gelungen ist, einen fairen reitstellung von „bis zu 100 Milliarden DM“ die Rede Kompromiss für die Fortführung des Solidarpaktes ist. Dies ist aus meiner Sicht ein Rückschritt hinter das und die Neugestaltung des Bund-Länder-Finanzaus- ursprüngliche Verhandlungsergebnis. Ich bitte des- gleichs ab 2005 zu erreichen. Das Verhandlungser- halb die Bundesregierung, sich an die Verabredungen gebnis, das zwischen den Regierungschefs der Län- der und dem Bundeskanzler am 23. Juni erzielt zu halten und die kontinuierliche Fortsetzung des wurde, ist ein Beweis für die Funktionsfähigkeit des Aufbaus Ost nicht zu gefährden. Je schneller die in- bundesdeutschen Föderalismus. frastrukturellen Defizite in Ostdeutschland abgebaut werden, desto besser stehen die Chancen, dass die Die Neuregelung des Finanzausgleichs bietet eine ostdeutschen Länder und Kommunen mit der Ansied- Verbesserung der Wirkungen des Finanzausgleichs- lung von Unternehmen auch ihre originäre Steuer- systems. Kernpunkt ist dabei aus meiner Sicht die an- kraft stärken. reizfördernde Absenkung des Ausgleichstarifs. Auch die Einführung des Elements der „Leistungsprämie“ Das kommt dem ganzen Land zugute, führt es doch trägt dazu bei, den Länderfinanzausgleich anreizge- wiederum zu einer Entlastung des Bundes und der rechter zu gestalten. Gleichzeitig werden mit der ver- westdeutschen Länder im Rahmen des bundesstaatli- einbarten Berücksichtigung der Gemeindesteuern zu chen Finanzausgleichs. Die kompakte solidarische 64 % die Bemessungsgrundlage verbreitert und ein Hilfe für den Osten stärkt somit auch langfristig den realistischerer und zielgenauerer Ausgleich der kom- Föderalismus. Eine schnelle Überwindung der tei- munalen Steuerkraft vorgenommen. Die Vereinba- lungsbedingten Sonderlasten ist also im Interesse rung zum Solidarpakt II mit einer Laufzeit bis zum aller Beteiligten. Die möglichen volkswirtschaftlichen Jahr 2019 gibt uns Sicherheit und erlaubt uns eine und politischen Kosten eines verschleppten Aufbaus verlässliche längerfristige Planung unserer Haushalte Ost sind es hingegen definitiv nicht. Wir sollten uns sowie der dringend notwendigen Investitionen, ganz das immer wieder bewusst machen und deshalb Acht abgesehen davon, dass dies auch ein wichtiges Signal geben, dass die Grundlagen für den Aufbau Ost nicht an die Wirtschaft ist. schleichend erodieren. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 775*

(A) Auf einen weiteren wesentlichen Punkt möchte ich – Es gibt bundeseinheitliche Regelungen, die nicht (C) in diesem Zusammenhang aufmerksam machen. Es erforderlich sind. Das gilt sowohl für den Biotop- ist die Bereitschaft der Bundesregierung, sich bei der verbund mit der 10 %-Vorgabe als auch für die EU mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass Ost- Einführung der Verbandsklage. deutschland bei den Strukturfondsmitteln genauso behandelt wird wie vergleichbare Regionen in der – Das Verhältnis zwischen Naturschutz und Land- bisherigen EU. Genauso wie wir die innerdeutsche wirtschaft wird zwar neu geordnet, aber deutlich Solidarität brauchen, so brauchen wir auch künftig verschlechtert. die europäische Unterstützung wie bisher. Die Landwirtschaft wird nicht als Partner des Natur- Ich habe eingangs gesagt, die Fortführung des Soli- schutzes, wie es richtigerweise sein müsste, ange- darpaktes und die Neugestaltung des Finanzaus- nommen. Ganz im Gegenteil, der Naturschutz macht gleichs zeigten, dass der bundesdeutsche Föderalis- der Landwirtschaft, der Forst- und der Fischereiwirt- mus funktioniert. Wir haben im Finanzausgleich schaft ohne Rücksicht auf deren Bedürfnisse Vor- künftig Anreize im System und eine verbreiterte Be- schriften, wie sie zu wirtschaften haben. Dies kommt messungsgrundlage bei gleichzeitiger Absenkung beim einzelnen Landwirt als Bevormundung an. des Ausgleichstarifs. Der Solidarpakt II verschafft den ostdeutschen Ländern mehr Handlungsspielraum. Viel schlimmer aber ist, dass die gesetzliche Rege- Das sind Schritte in die richtige Richtung. Aber es lung der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft sind nur erste Schritte. Weitere müssen folgen. Des- – quasi durch die Hintertür – zu erheblichen Einschnit- halb plädiere ich mit Nachdruck dafür, dass wir uns ten bei der Förderung von Agrarumweltmaßnahmen jetzt nicht zurücklehnen, sondern weitere Reformvor- führen kann. Es können nach europäischem Recht haben, die wir uns zur Stärkung des Föderalismus doch nur freiwillige Maßnahmen gefördert werden, vorgenommen haben, angehen. Es wäre angesichts die über die gesetzlichen Anforderungen hinausge- eines stetig zunehmenden globalisierten Wettbe- werbs töricht und unverantwortlich, das Potenzial des hen. Das Bundesnaturschutzgesetz hebt die gesetzli- Föderalismus nicht zu nutzen. chen Anforderungen aber weit über den europäischen Durchschnitt hinaus an. Das ist eine Verzerrung im eu- ropäischen Wettbewerb. Die Bauernverbände pran- gern dies zu Recht an. Auch beim Vertragsnaturschutz gibt es eine Ver- Anlage 13 schärfung gegenüber dem geltenden Recht. Das (B) Erklärung Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung des Geset- (D) zesbeschlusses des Bundestages verwehrt es dem von Bürgermeister Klaus Böger Landesgesetzgeber, den Vorrang des Vertragsnatur- (Berlin) schutzes dort einzuführen, wo er es für nötig hält. zu Punkt 5 der Tagesordnung Eindeutig schlechter als das geltende Recht ist die Für die Länder Berlin und Brandenburg gebe ich jetzige Lösung auch bei den Ausgleichsleistungen für folgende Erklärung zu Protokoll: erhöhte Anforderungen des Naturschutzes an die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. Die Länder Berlin und Brandenburg gehen davon aus, dass für die Bildung eines gemeinsamen Landes Es gibt eine Reihe weiterer Punkte, in denen das die finanziellen Voraussetzungen der Neugliederung Gesetz zu wenig akzeptablen Lösungen führt und in – keine Schlechterstellung gegenüber dem Fortbeste- denen wichtige Anliegen der Länder weder von der hen getrennter Länder – im bundesstaatlichen Finanz- Bundesregierung noch vom Bundestag aufgegriffen ausgleich rechtzeitig gesetzlich zu regeln sind. wurden. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass im Vermittlungsausschuss versucht wird, das Gesetz nachzubessern. Ich bitte Sie daher, für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu stimmen und damit noch einmal die Chance zu eröffnen, fair und offen Anlage 14 über ein besseres Bundesnaturschutzgesetz zu ver- Erklärung handeln. Lassen Sie mich zum Schluss ein Wort zur Zu- von Minister Rudolf Köberle stimmungsbedürftigkeit sagen: Baden-Württemberg (Baden-Württemberg) und eine ganze Reihe anderer Länder haben schon im zu Punkt 17 der Tagesordnung ersten Durchgang die Auffassung vertreten, dass das Schon bei der ersten Beratung des Entwurfs im Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Dies Bundesrat hat Baden-Württemberg die Ablehnung ist nach wie vor die Auffassung Baden-Württembergs dieser Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes und der Mehrheit im Agrar-, Verkehrs- und Wirt- dargelegt. Zwar ist der Regierungsentwurf in einigen schaftsausschuss, der wir folgen sollten. Allerdings Punkten im Bundestag abgeändert worden. Die verdient das Gesetz in seiner jetzigen Fassung nicht Hauptkritikpunkte sind jedoch bestehen geblieben: die Zustimmung des Bundesrates. 776* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) Anlage 15 gesetzlichen Rentenversicherung aus. Hierbei darf (C) aber nicht übersehen werden, dass das Finanzpolster Erklärung im Verlauf des Jahres noch deutlich geringer wäre, da erfahrungsgemäß am Jahresende die Beitragseinnah- von Minister Rudolf Köberle men durch das Weihnachtsgeld höher sind. Nach Be- (Baden-Württemberg) rechnungen des Verbandes Deutscher Rentenver- zu Punkt 7 der Tagesordnung sicherungsträger würde eine Schwankungsreserve von 0,8 Monatsausgaben am Jahresende unterjährig Baden-Württemberg und die übrigen unionsregier- zu einer Rücklage von nur noch 0,3 bis 0,4 Monats- ten Länder werden dem Gesetz zur Bestimmung der ausgaben führen. Schwankungsreserve in der gesetzlichen Rentenver- Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sicherung nicht zustimmen, sondern die Einberufung die Schwankungsreserve in der von der Bundesregie- des Vermittlungsausschusses verlangen. Die Senkung rung geplanten Höhe bei einem weiteren Rückgang dieser Reserve stellt einen weiteren Akt Riester’scher der Beitragseinnahmen nicht zur Finanzierung der Flickschusterei und damit die Fortsetzung der voll- laufenden Rentenleistungen ausreichen wird. Auch in kommen verfehlten Rentenpolitik der Bundesregie- diesem Fall wäre die Zahlungsfähigkeit der gesetzli- rung dar. Sie muss jetzt einräumen, was wir im chen Rentenversicherung zwar durch die Bundesga- Zusammenhang mit der diesjährigen Rentenreform rantie objektiv gesichert, subjektiv würden ein Darle- schon immer gesagt haben: Die Prognosen der hen des Bundes und damit eine Rente auf Pump Bundesregierung für Beitragssatz und Rentenniveau jedoch das Vertrauen der Bevölkerung in eine stabile waren schöngerechnet. Sie lag mit ihrer Treff- Alterssicherung empfindlich beschädigen. Außerdem sicherheit „voll daneben“. Jetzt sieht sie einen will- müssen die auf Grund der Bundesgarantie geleisteten kürlichen Griff in die Reservekasse der Renten- Kredite später zurückgezahlt werden. Finanzproble- versicherung als letzte Möglichkeit, um im me der Rentenkassen würden hierdurch lediglich auf kommenden Jahr – trotz einer erneuten Anhebung spätere Jahre verschoben. der so genannten Ökosteuer – einen deutlichen An- stieg des Rentenversicherungsbeitrags zu vermeiden. Nicht ausgeschlossen werden kann aber auch, dass Ursprünglich hatte die Bundesregierung für 2002 je- die Bundesregierung die Schwankungsreserve bei er- doch eine Senkung auf 19,0 % versprochen. neuten Finanzproblemen noch einmal senkt oder sie irgendwann vielleicht sogar ganz abschafft. Wir Auch für die folgenden Jahre wird sie ihre Progno- sagen daher von vornherein: Finger weg von der „ei- sen korrigieren müssen. Der Verband Deutscher Ren- sernen Reserve“! Bei solchen „Tricksereien“ machen tenversicherungsträger bezeichnet diese Prognosen wir nicht mit. (B) als überholt. Nach seinen Berechnungen wird der (D) Beitragssatz selbst dann, wenn die Schwankungsre- Wenn sich die Bundesregierung jetzt damit recht- serve auf 0,8 Monatsausgaben gesenkt wird, schon fertigt, dass die Schwankungsreserve auch unter der kurzfristig nicht auf 18,7 % sinken, sondern bei 19,1 % früheren Bundesregierung zeitweise weniger als eine bleiben. Die Bundesregierung sollte den Versicherten volle Monatsausgabe betragen habe, so vergleicht sie daher reinen Wein einschenken: Der von ihr für 2030 Äpfel mit Birnen. Zwar wurde in den 90er-Jahren auf prognostizierte Beitrag von unter 22 % ist nicht mehr Grund unerwartet niedriger Beitragseinnahmen das zu halten. angestrebte Ziel von einer Monatsausgabe am Jahres- ende nicht immer erreicht. Dadurch hat die Schwan- Insgesamt zeigt sich damit, dass die Rentenreform, kungsreserve ihren Zweck, eine Art Puffer darzustellen die eigentlich 30 Jahre halten sollte, bereits vor In- und die Zahlungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenver- krafttreten ihrer wichtigsten Teile am 1. Januar 2002 sicherung zu gewährleisten, aber gerade erfüllt. Die Makulatur ist. Für mich ist das Gesetz, über das wir rotgrüne Bundesregierung will demgegenüber jetzt die heute beraten, der rentenpolitische Offenbarungseid Zielgröße dauerhaft um 20 % auf 0,8 Monatsausgaben der Bundesregierung. senken und durch diesen Eingriff die Erhöhung des Eine wichtige Ursache für den im nächsten Jahr zu Beitragssatzes verhindern. Natürlich sind auch wir befürchtenden Anstieg des Beitragssatzes in der ge- gegen einen Anstieg des Rentenversicherungsbeitra- setzlichen Rentenversicherung ist sicherlich das ge- ges; die Senkung der Schwankungsreserve ist jedoch ringe Wirtschaftswachstum. Die Bundesregierung nicht das richtige Instrument, um ihn zu stabilisieren. möchte glauben machen, die weltweite Wirtschaftsla- Statt willkürliche Manipulationen vorzunehmen, sollte ge oder die Ereignisse des 11. September seien dafür die Bundesregierung – wie wir es bei der Rentenreform allein verantwortlich. In Wahrheit ist es aber nicht zu- 2001 schon gefordert haben – ein realistisches Konzept letzt ihre verfehlte Politik. Ein Vergleich mit anderen präsentieren, wie die Finanzierung der gesetzlichen Ländern zeigt nämlich, dass Deutschland beim Wirt- Rentenversicherung auf Dauer gesichert werden kann. schaftswachstum Schlusslicht in Europa ist. Unsere Mit Schönfärberei und Rechenkunststücken muss jetzt schwierige wirtschaftliche Situation und der Anstieg endlich Schluss sein. der Arbeitslosenzahlen sind daher weitgehend haus- Baden-Württemberg beantragt deshalb zusammen gemacht. Die Bundesregierung trägt dafür die Ver- mit anderen unionsgeführten Ländern, zu dieser Ge- antwortung. setzesvorlage den Vermittlungsausschuss mit dem Nach Ansicht des Bundesarbeitsministeriums reicht Ziel der Aufhebung des Gesetzesbeschlusses des eine Schwankungsreserve von 80 % einer Monatsaus- Deutschen Bundestages vom 29. November 2001 an- gabe am Jahresende zur finanziellen Absicherung der zurufen. Ich bitte um Unterstützung. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 777*

(A) Anlage 16 Demokratischen Sozialistischen Republik Sri (C) Lanka über die Förderung und den gegenseitigen Umdruck Nr. 12/01 Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 1012/01) Zu den Punkten 10, 12 bis 16, 18 bis 25, 31, 37, 38, 40 bis 43, 45, 47, 49 bis 52, 54, 56 bis 59 und 64 bis 68 der Punkt 25 Tagesordnung der 771. Sitzung des Bundesrates emp- Gesetz zu dem Vertrag vom 23. Mai 2000 zwischen fehlen die Ausschüsse dem Bundesrat, zu Punkt 77 der Bundesrepublik Deutschland und der Repu- schlägt der Ständige Beirat dem Bundesrat vor: blik Botsuana über die Förderung und den gegen- seitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 1013/01)

I.

Den Gesetzen zuzustimmen: II.

Punkt 10 Zu den Gesetzen einen Antrag auf Anrufung des Gesetz zur Änderung des Aufstiegsfortbildungs- Vermittlungsausschusses nicht zu stellen: förderungsgesetzes (AFBG-ÄndG) (Drucksache 1000/01) Punkt 12 Gesetz zur Änderung des Vermögenszuordnungs- Punkt 14 gesetzes (Drucksache 1001/01) Gesetz zur Änderung des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (Drucksache Punkt 13 1003/01) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Arbeit- nehmererfindungen (Drucksache 1002/01) Punkt 18 Gesetz zur Umsetzung von Rechtsakten der Eu- Punkt 15 ropäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Gesetz zur Bereinigung des als Bundesrecht fort- Energieeinsparung bei Geräten und Kraftfahrzeu- geltenden Rechts der Deutschen Demokratischen gen (Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz – Republik (Drucksache 1023/01) (B) EnVKG) (Drucksache 1005/01) (D)

Punkt 16 Punkt 21 Gesetz zu dem Vertrag vom 19. September 2000 Gesetz zu dem Markenrechtsvertrag vom 27. Ok- zwischen der Bundesrepublik Deutschland und tober 1994 (Drucksache 1024/01) der Tschechischen Republik über die Zusammen- arbeit der Polizeibehörden und der Grenzschutz- Punkt 19 behörden in den Grenzgebieten (Drucksache Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans 1008/01) des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2002 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2002) (Drucksache Punkt 22 1007/01) Gesetz zu dem Partnerschaftsabkommen vom 23. Juni 2000 zwischen den Mitgliedern der Grup- Punkt 20 pe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und Gesetz über die Aufhebung des Gesetzes zur För- im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäi- derung der Rationalisierung im Steinkohlenberg- schen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten an- bau (Drucksache 1011/01) dererseits (AKP-EG-Partnerschaftsabkommen) (Drucksache 1009/01)

Punkt 23 Gesetz zu dem Abkommen vom 11. März 1996 III. zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über Zu den Gesetzentwürfen die in den zitierten Emp- die gegenseitige Förderung und den gegenseiti- fehlungsdrucksachen wiedergegebene Stellungnah- gen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache me abzugeben: 1010/01) Punkt 31 Punkt 24 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bun- Gesetz zu dem Vertrag vom 7. Februar 2000 zwi- desversorgungsgesetzes (Drucksache 927/01, schen der Bundesrepublik Deutschland und der Drucksache 927/1/01) 778* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) Punkt 38 fallversicherungs-Anzeigeverordnung – UVAV) (C) Entwurf eines Gesetzes zu dem Stockholmer Über- (Drucksache 850/01, Drucksache 850/1/01) einkommen vom 23. Mai 2001 über persistente organische Schadstoffe (POPs-Übereinkommen) Punkt 52 und dem Protokoll vom 24. Juni 1998 zu dem Über- Erste Verordnung zur Änderung der Sozialhilfe- einkommen von 1979 über weiträumige grenzüber- datenabgleichsverordnung (Drucksache 955/01, schreitende Luftverunreinigung betreffend per- Drucksache 955/1/01) sistente organische Schadstoffe (POPs-Protokoll) (Drucksache 931/01, zu Drucksache 931/01, Druck- sache 931/1/01) Punkt 58 Verordnung über Medizinprodukte (Medizinpro- dukte-Verordnung – MPV) (Drucksache 960/01, Drucksache 960/1/01)

IV.

Gegen die Gesetzentwürfe keine Einwendungen zu erheben: VI.

Punkt 37 Das Einvernehmen zur Zustimmung gemäß § 5 Entwurf eines Gesetzes zu der Änderung des Ab- Abs. 3 EUZBLG zu erteilen: kommens vom 4. Dezember 1991 zur Erhaltung der Fledermäuse in Europa (Drucksache 930/01) Punkt 45 Entwurf einer Entschließung des Rates zur Ver- Punkt 40 stärkung der Zusammenarbeit bei der Aus- und Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Fortbildung im Bereich des Katastrophenschutzes 19. Juni 2001 zwischen der Regierung der Bundes- (Drucksache 973/01, Drucksache 973/1/01) republik Deutschland und der Regierung der Re- publik Kap Verde über den Luftverkehr (Drucksa- che 934/01)

VII. (B) Punkt 41 (D) Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Den Vorlagen ohne Änderung zuzustimmen: 2. Oktober 2000 zur Änderung und Ergänzung des Abkommens vom 18. Juni 1991 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und dem Staat Bahrain Punkt 47 über den Luftverkehr (Drucksache 935/01) Verordnung zur Änderung der Verordnung über Preisnotierungen für Butter, Käse und andere Milcherzeugnisse (Drucksache 881/01) Punkt 42 Entwurf eines Gesetzes zu den Verträgen vom 15. September 1999 des Weltpostvereins (Druck- Punkt 49 sache 932/01) Zehnte Verordnung zur Änderung der Diätver- ordnung (Drucksache 957/01)

Punkt 51 Erste Verordnung zur Änderung der Insolvenz- V. geld-Kosten-Verordnung (Drucksache 954/01) Zu den Vorlagen die Stellungnahme abzugeben oder ihnen nach Maßgabe der Empfehlungen zuzu- Punkt 54 stimmen, die in der jeweils zitierten Empfehlungs- Verordnung zur Änderung der Arbeitsentgeltver- drucksache wiedergegeben sind: ordnung (Drucksache 1019/01)

Punkt 43 Punkt 56 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Par- Vierte Verordnung zur Änderung von Verbrauch- laments und des Rates über die Tätigkeiten von steuerverordnungen (Drucksache 945/01) Einrichtungen zur betrieblichen Altersversorgung (Drucksache 805/00, Drucksache 1040/01) Punkt 57 a) Verordnung über die Anlage des gebundenen Punkt 50 Vermögens von Pensionsfonds (Pensionsfonds- Verordnung über die Anzeige von Versicherungs- Kapitalanlagenverordnung – PFKapAV) (Druck- fällen in der gesetzlichen Unfallversicherung (Un- sache 990/01) Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 779*

(A) b) Verordnung über die Kapitalausstattung von Anlage 17 (C) Pensionsfonds (Pensionsfonds-Kapitalausstat- tungsverordnung – PFKAustV) (Drucksache Erklärung 1020/01) von Ministerin Karin Schubert c) Verordnung über Rechnungsgrundlagen für die (Sachsen-Anhalt) Deckungsrückstellungen von Pensionsfonds zu Punkt 11 der Tagesordnung (Pensionsfonds-Deckungsrückstellungsverord- nung – PFDeckRV) (Drucksache 1021/01) § 12 FAG tritt am 31. Dezember 2001 außer Kraft. Der Bundestag hat am 30. November auf der Grund- Punkt 59 lage des Regierungsentwurfs eine Nachfolgeregelung beschlossen. Wir werden heute darüber zu entschei- Dritte Verordnung zur Änderung der Schlich- den haben, ob die Strafverfolgungsbehörden auch zu tungsstellenverfahrensverordnung (Drucksache Beginn des neuen Jahres über dieses effektive Instru- 874/01) ment der Strafverfolgung verfügen können oder nicht. Um es gleich vorab zu sagen: Ich halte die Nachfol- geregelung in §§ 100g und 100h StPO für unterstüt- VIII. zenswert. Sie berücksichtigt einerseits die Belange der Strafverfolgung, andererseits datenschutzrechtli- Entsprechend den Anregungen und Vorschlägen che Belange der Betroffenen. Damit werden im Rah- zu beschließen: men einer effektiven Strafverfolgung auch die verfas- sungsmäßigen Rechte der Betroffenen gewahrt.

Punkt 64 Zunächst gestatten die §§ 100g und 100h StPO es Benennung von Vertretern in Beratungsgremien weiterhin, von den verpflichteten Diensteanbietern der Europäischen Union (Ständige Koordinie- Auskunft über die zulässigerweise gespeicherten Daten von Telekommunikationsverbindungen zu ver- rungsgruppe der Kommission „eEurope/Digitali- langen. Damit können Polizei und Staatsanwaltschaft sierung des kulturellen Erbes“) (Drucksache auch in Zukunft ermitteln, mit wem ein Verdächtiger 780/01, Drucksache 780/1/01) wann telefoniert oder im Internet kommuniziert hat. Dass die Nachfolgeregelung dabei in die rechts- (B) Punkt 65 staatliche Systematik der Strafprozessordnung ein- (D) Benennung von Vertretern in Beratungsgremien gefügt werden soll, ist nur konsequent und beein- der Europäischen Union (Verwaltungsausschuss trächtigt die Strafverfolgung nicht: der Kommission nach Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1683/95 des Rates vom 29. Mai 1995 über Die Voraussetzungen für eine Anordnung beim Aus- kunftsanspruch werden lediglich maßvoll angehoben, eine einheitliche Visagestaltung) (Drucksache indem nunmehr auf den Verdacht einer „Straftat von 848/01, Drucksache 848/1/01) erheblicher Bedeutung“ abgestellt wird. Bei telekom- munikationstypischen Straftaten – Datennetzkrimina- Punkt 66 lität oder belästigende Anrufe – kann die Auskunft Benennung von Vertretern in Beratungsgremien sogar bereits dann verlangt werden, wenn Gründe der der Europäischen Union (Arbeitsgruppe der Kom- Verhältnismäßigkeit nicht entgegenstehen. mission „Raum- und Stadtentwicklung“ des Der Auskunftsanspruch wird ferner an die Rege- CDRR) (Drucksache 855/01, Drucksache 855/1/01) lungen zur Telekommunikationsüberwachung – in §§ 100a, 100b StPO – angeglichen. Hervorheben Punkt 67 möchte ich insoweit, dass ein im Wege einer Eilanord- Bestimmung eines Mitglieds des Finanzplanungs- nung durch die Staatsanwaltschaft gestelltes Aus- kunftsverlangen künftig richterlich bestätigt werden rates (Drucksache 987/01) muss, erstmals formelle und inhaltliche Anforderun- gen an einen Anordnungsbeschluss gestellt werden Punkt 68 und eine Anordnung bei der Auskunft über zukünfti- Benennung von Mitgliedern und stellvertreten- ge Telekommunikationsverbindungen zunächst auf den Mitgliedern des Beirates bei der Regulie- höchstens drei Monate befristet wird. rungsbehörde für Telekommunikation und Post Darin sehe ich keine beachtliche Einschränkung der (Drucksache 946/01, Drucksache 946/1/01) Strafverfolgungsinteressen. Die Nachfolgeregelung geht sogar teilweise über den Anwendungsbereich Punkt 77 von § 12 FAG hinaus, da die Auskunftsanordnung Neubenennung von Vertretern in Beratungsgre- nunmehr auch über zukünftige Telekommunikations- mien der Europäischen Union (hier: Gremium der verbindungen zulässig ist. Kommission „Europäisches Sportforum“) (Druck- Demgegenüber haben die vom Rechtsausschuss des sache 952/01 [2]) Bundesrates empfohlenen Anrufungsgründe nicht 780* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) das Gewicht, ein unter Umständen langwieriges Ver- Anlage 18 (C) mittlungsverfahren mit der Folge zu verlangen, dass mit dem Außerkrafttreten des § 12 FAG einschlägige Erklärung Ermittlungsmaßnahmen bis zum Inkrafttreten einer Nachfolgeregelung nicht mehr durchgeführt werden von Staatsminister Dr. Christean Wagner könnten. (Hessen) zu Punkt 11 der Tagesordnung Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Bemerkungen zu den Anrufungsgründen machen: Es geht um eine wichtige Ermittlungsmaßnahme im Die Verweisung auf die Katalogtaten des § 100a Repertoire der Strafverfolgungsbehörden: StPO soll nach dem ersten Anrufungsbegehren gestri- Nach § 12 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen chen werden. Die Verweisung wird aber zu keiner darf die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage einer wesentlichen Einschränkung des Anwendungsbe- richterlichen Anordnung von den Dienstanbietern im reichs führen. Es handelt sich lediglich um eine bei- Bereich der Telekommunikation Auskunft über so ge- spielhafte Aufzählung. nannte Verbindungsdaten, die im Fernmeldeverkehr Die Rechtsprechung wird sie zum Anlass nehmen, mit dem Beschuldigten entstehen, verlangen. Wohl- den Anwendungsbereich zu konkretisieren, aber gemerkt: über die Verbindungsdaten, nicht über die nicht beachtlich einzuschränken. Inhalte etwa von Telefongesprächen. Die an sich begrüßenswerte Festlegung, dass die Die Unerlässlichkeit dieses Ermittlungsinstruments Auskunftserteilung unentgeltlich zu erfolgen hat, für die Strafverfolgung ist unstreitig. Angesichts der rechtfertigt aber unter den konkreten Umständen Regelungsmaterie scheint es auch durchaus sinnvoll, kein Vermittlungsverfahren. die entsprechenden Vorschriften in die StPO aufzu- nehmen. Aus diesem Grund besteht § 12 FAG – die Der – im dritten Anrufungsbegehren vorgesehenen – übrigen Vorschriften des FAG wurden ohnehin im Befugnis, die Aufzeichnung zukünftiger Daten an- Rahmen der Privatisierung der Telekommunikation in zuordnen, bedarf es nicht. Durch die Regelung in andere Gesetze überführt – seit einigen Jahren nur als § 3 TDSV ist gesichert, dass die Diensteanbieter die bei Zeitgesetz fort. Nachdem die Befristung bereits mehr- ihnen zulässigerweise vorliegenden Daten bis zur Er- fach verlängert wurde, droht § 12 FAG nunmehr am teilung der verlangten Auskunft nicht löschen dürfen. 31. Dezember 2001 außer Kraft zu treten. Das vierte Anrufungsbegehren zielt darauf ab, dass Es ist bekannt, dass Bundesregierung und Bundes- die Standortkennung eines Mobiltelefons, das sich im rat divergierende Vorstellungen von der Ausgestal- Stand-by-Betrieb befindet, schon unter den Voraus- (B) tung einer Nachfolgeregelung haben. Ich meine, es (D) setzungen der vorgesehenen Nachfolgeregelung ab- kann keinen Zweifel darüber geben, dass das Aus- gefragt werden darf. Damit geht das Anrufungsbe- kunftsverlangen hinsichtlich der Verbindungsdaten gehren sogar über die bisherigen Möglichkeiten des – also allein zu der Frage, wann mit welchen An- § 12 FAG hinaus. schlüssen wie lange und gegebenenfalls von welchen Darauf sollte verzichtet werden. Die Erstellung von Orten aus Telefonate geführt wurden – schon qualita- Bewegungsbildern durch die Auskunft über zukünfti- tiv nicht mit der Überwachung der Kommunikation ge Standortdaten eines in Stand-by-Funktion ge- selbst, mit der Erhebung der Gesprächsinhalte ver- schalteten Mobiltelefons stellt einen gewichtigen gleichbar ist. Es geht nicht um das Abhören des Tele- Grundrechtseingriff dar. Sie sollte weiterhin an die fons, sondern nur um die Überprüfung der äußeren höheren Anordnungsvoraussetzungen der Überwa- Umstände, unter denen telefoniert wurde oder wird. chung der Telekommunikation nach §§ 100a, 100b Diesem Unterschied trägt der Gesetzentwurf nicht StPO geknüpft bleiben. Dies hat die Bundesregierung ausreichend Rechnung. Hierüber muss man sich in in ihrer Gegenäußerung zu Recht hervorgehoben. Ein dem nach dem Grundgesetz vorgesehenen Verfahren Vermittlungsverfahren ist zur Verbesserung der Straf- verständigen. verfolgung nicht geboten. Im Gegenteil: Wir liefen Es kann nicht angehen, dass Bundesregierung und Gefahr, den Strafverfolgungsbehörden ein allgemein Bundestag so lange zuwarten, bis dem Bundesrat im als effektiv bewertetes Ermittlungsinstrument zu neh- Hinblick auf das in zwei Wochen bevorstehende men und sie auf eine zukünftige – wie auch immer ge- Außerkrafttreten des Gesetzes jegliche Möglichkeit fasste – Nachfolgeregelung zu vertrösten. zu einer Einflussnahme im Rahmen der ihm verfas- Wesentlich ist doch, dass die Strafverfolgungs- sungsrechtlich zustehenden Befugnisse genommen behörden weiterhin die Möglichkeit haben, bei er- wird. Die zeitliche Gestaltung der Beratungen lässt ei- heblichen Straftaten Auskunft über die Verbin- gentlich keinen anderen Schluss zu, als dass hier ziel- dungsdaten zu erhalten. Sollten sich bei der gerichtet filibustert wurde, um die zu erwartende Umsetzung des Gesetzes gleichwohl schwer wiegen- Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den de Ermittlungseinschränkungen ergeben, werden Bundesrat zu vereiteln. Ich erachte dies als einen diese bei der Überarbeitung des bis zum Ablauf des wirklich bedenklichen Vorgang, der mit den Vorga- 31. Dezember 2004 befristeten Gesetzes berücksich- ben des Grundgesetzes eindeutig nicht in Einklang tigt werden können. steht. Darum möchte ich Sie bitten, den Vermittlungsaus- Der Regierungsentwurf zielt auf eine Einschränkung schuss nicht anzurufen. des geltenden Rechts und damit auf eine Einengung Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 781*

(A) der bisherigen Praxis der Strafverfolgungsbehörden – zum geltenden Recht vor allem Einschränkungen der (C) und dies zu einem Zeitpunkt, da über dringende Ver- Ermittlungsmöglichkeiten vor. Dabei beschränkt der besserungen bei der Bekämpfung und Verfolgung Bundestag die Rechte der Ermittlungsbehörden noch terroristischer Straftaten nachgedacht wird. § 12 FAG mehr, als dies von der Bundesregierung vorgesehen stellt den Staatsanwaltschaften ein Mittel zur Ver- war. Wie der Bundesrat bereits im ersten Durchgang fügung, das gerade in organisierten Verbrechens- klar und zu Recht zum Ausdruck gebracht hat, ist die zusammenhängen und damit auch im Bereich des Ter- vom Bundestag nunmehr beschlossene Regelung in rorismus Bedeutung hat. Die vom Bundestag der Sache so nicht akzeptabel. verabschiedete Fassung stellt eine Verschlechterung Doch damit nicht genug! Der Bundestag hat den von Ermittlungsmöglichkeiten dar. vorgesehenen Zeitplan für die Verabschiedung der Die Anrufung des Vermittlungsausschusses ist Nachfolgeregelung für § 12 Fernmeldeanlagengesetz daher die zwingende Konsequenz, um eine dauerhaf- nicht eingehalten. Ursprünglich war nämlich geplant, te Beeinträchtigung der Strafverfolgung zu verhin- dass der Bundestag am 15. November 2001 entschei- dern. Schon die von den Ausschüssen empfohlenen det. Dies hätte die Durchführung eines Vermittlungs- Anrufungsgründe bleiben deutlich hinter meinen verfahrens noch in diesem Jahr ermöglicht. Dadurch, Vorstellungen und hinter dem – ich wiederhole – seit dass der Bundestag das Gesetz – nach längerem Hin langer Zeit geltenden und bewährten Recht zurück, und Her innerhalb der rotgrünen Koalition – erst am wenn danach zwar der Hinweis auf den Katalog des 30. November 2001 beschlossen hat, werden die § 100a StPO, nicht aber die Beschränkung auf Strafta- Rechte des Bundesrates als eigenständiges Gesetzge- ten von erheblicher Bedeutung beseitigt werden soll. bungsorgan faktisch ausgehebelt. Die zögerliche Be- handlung im Bundestag bringt den Bundesrat heute Dass die mit unvorhersehbaren praktischen Auswir- in eine Situation, bei der die allein sachgerechte An- kungen verbundene Gesetzesänderung wiederum rufung des Vermittlungsausschusses dazu führt, dass nur als vorläufige Regelung konzipiert und daher er- ab Anfang nächsten Jahres zunächst einmal für einige neut zeitlich befristet in Kraft treten soll, ist im Übri- Tage oder Wochen keinerlei Regelung besteht. gen kaum nachvollziehbar. Vielmehr hätte es zumin- dest nahe gelegen, die geltende und in der Praxis Trotzdem empfehlen die Fachleute im Rechtsaus- doch bewährte Regelung des § 12 FAG zunächst un- schuss mehrheitlich die Anrufung des Vermittlungs- verändert nochmals zu verlängern, bis die vermeint- ausschusses. Ich appelliere an Sie, dieser Ausschuss- lich erforderlichen Klärungen herbeigeführt sind. empfehlung zu folgen. Wie Bayern bereits in der Freilich sehe ich einen solchen Klärungsbedarf nicht. Sitzung des Bundesrates vom 30. November 2001 zu Protokoll gegeben hat, liegt es allein in der Verant- Sollte nunmehr die Anrufung des Vermittlungsaus- wortung des Bundestages, wenn nun ab 1. Januar schusses zu einem vorübergehenden Wegfall der (B) 2002 zunächst einmal keine Befugnisnorm mehr be- (D) Auskunftsmöglichkeit führen, so trifft die Verantwor- steht. Die rotgrüne Mehrheit im Bundestag hat diese tung insoweit allein die Bundesregierung und die Re- Verantwortung bewusst auf sich geladen; denn sie hat gierungsfraktionen des Bundestages. Es bestand seit sich sehenden Auges dem Vorschlag des Bundesrates langem die Möglichkeit, § 12 FAG bis zu einer end- verweigert, im Rahmen des Terrorismusbekämp- gültigen Einigung nochmals – gegebenenfalls befris- fungsgesetzes eine Verlängerung der Geltungsdauer tet – zu verlängern. Der Bundesrat hat eine solche von § 12 Fernmeldeanlagengesetz um sechs Monate Vorgehensweise zuletzt in der Stellungnahme zu dem vorzunehmen, um Zeit für die Erarbeitung einer sach- ebenfalls heute – im zweiten Durchgang – anstehen- gerechten Regelung zu gewinnen. den Terrorismusbekämpfungsgesetz vorgeschlagen. In der Bundestagsdebatte vom 30. November 2001 hat nun der Abgeordnete Dr. Meyer aus Ulm auf Ver- zögerungen beim Forschungsvorhaben des Max- Planck-Instituts in Freiburg zur Telekommunikations- Anlage 19 überwachung nach § 100 a Strafprozessordnung hingewiesen. Dabei hat er den Vorwurf erhoben, die Erklärung Verzögerungen gingen unter anderem auf das Ver- halten bayerischer Stellen zurück. Diesen Vorwurf von Staatsminister Dr. Manfred Weiß möchte ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. (Bayern) Richtig ist Folgendes: Die Verzögerungen sind insbe- zu Punkt 11 der Tagesordnung sondere vom Bundesministerium der Justiz zu verant- worten, das das Forschungsvorhaben in Auftrag ge- Der Zugriff auf Telekommunikationsverbindungsda- geben hat. Demgegenüber hat mein Haus dem ten nach § 12 Fernmeldeanlagengesetz ist für eine ef- Max-Planck-Institut alle angeforderten Daten über- fektive Strafverfolgung unverzichtbar. Sie alle wissen, mittelt. Dass man bei der Erarbeitung des Daten- dass die Regelung Ende des Jahres außer Kraft tritt, schutzkonzepts und der Verpflichtung der Mitarbeiter wenn der Gesetzgeber nicht handelt. Eine Nachfolge- des Forschungsinstituts zur Geheimhaltung nicht vor- regelung ist daher dringlich. Erforderlich ist allerdings ankam, liegt nun wirklich nicht in bayerischer Verant- nicht irgendeine Nachfolgeregelung, sondern eine wortung. sachgerechte. Lassen Sie mich nun zu dem Beschluss des Bundesta- Das vom Bundestag hierzu beschlossene Gesetz, mit ges für eine Nachfolgeregelung zu § 12 Fernmelde- dem wir uns heute befassen müssen, sieht im Vergleich anlagengesetz zurückkommen. Ich möchte beispielhaft 782* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) ein Anliegen des Rechtsausschusses des Bundesrates Diese Vorschrift stammt im Wesentlichen aus dem (C) herausgreifen und damit deutlich machen, dass der Be- Jahre 1927 und ist auf die damalige, von Handvermitt- schluss des Bundestages unzureichend ist: lung geprägte, Fernmeldetechnik zugeschnitten. Gera- de weil die moderne Digitalisierung des Telekommuni- Die vom Bundestag beschlossene Regelung sieht es kationsverkehrs zu einer enormen Fülle abruffähiger beispielsweise nicht vor, dass beim sexuellen Miss- Daten geführt hat, ist ein neuer Ausgleich zwischen brauch eines Kindes die Standortkennung eines Mo- den Belangen der Kriminalitätsbekämpfung einerseits biltelefons im so genannten Stand-by-Betrieb ausge- sowie dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses ande- wertet wird. Obwohl es technisch ohne weiteres rerseits zu schaffen. Die neuen §§ 100g und 100h StPO möglich wäre, das aktiv geschaltete Handy des Täters haben ein solches ausgeglichenes Verhältnis von Si- zu orten, sollen nach der vom Bundestag beschlosse- cherheit und Freiheit geschaffen. Sie stärken die Ver- nen Regelung die Telekommunikationsunternehmen brechensbekämpfung und tragen gleichzeitig den Bür- erst dann zur Auskunft über den Standort verpflichtet gerrechten Rechnung. sein, wenn der Täter mit dem Handy telefoniert. Lassen Sie mich kurz die wesentlichen Verbesse- Eine sachgerechte Nachfolgeregelung für § 12 Fern- rungen des Gesetzes zusammenfassen. meldeanlagengesetz sieht anders aus! Die Lösung ist auch ganz einfach. Es muss nur ebenso formuliert wer- Erstens: Das Auskunftsrecht besteht künftig bei der den wie in den entsprechenden Bestimmungen, die Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeu- der Bundestag soeben im Rahmen des Terrorismus- tung, wobei im Gesetz der Katalog des § 100a Satz 1 bekämpfungsgesetzes für den Verfassungsschutz be- StPO beispielhaft genannt wird. Bei den telekommu- schlossen hat und die auch heute hier beraten werden. nikationstypischen Straftaten, etwa der Datennetzkri- Ich bin mir sicher, dass im Vermittlungsausschuss minalität oder belästigenden Anrufen, kann die Aus- rasch eine solche Lösung auch für den Bereich der kunft bereits dann verlangt werden, wenn Gründe Strafverfolgung gefunden werden kann. der Verhältnismäßigkeit nicht entgegenstehen. Ich bitte Sie, die Ausschussempfehlungen sowie un- Zweitens: Da wir das Ermittlungsinstrument der sere ergänzenden Landesanträge zu unterstützen und §§ 100g, 100h StPO nunmehr stärker auf die erhebli- den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die vom Bun- chen Straftaten konzentrieren, wird der Wert der Aus- destag beschlossene Regelung muss nachgebessert künfte für die Strafverfolgungsbehörden verbessert. werden. Sie passt nicht in eine Zeit, in der die Stärkung Das Gesetz räumt Staatsanwaltschaften und Polizei der inneren Sicherheit auf der Tagesordnung steht. erstmals die Möglichkeit ein, Auskunft auch über zukünftige Telekommunikation zu erlangen. Damit begegnen wir der Gefahr, dass den Strafverfolgungs- (B) behörden wichtige Erkenntnisse vorenthalten bleiben, (D) weil zulässigerweise gespeicherte Verbindungsdaten Anlage 20 entsprechend datenschutzrechtlichen Regelungen vor dem Eingang eines Auskunftsverlangens gekürzt oder Erklärung gelöscht worden sind. Diese Regelung hat auch im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Rechtsaus- von Parl. Staatssekretär Prof. Dr. Eckhart Pick schusses des Deutschen Bundestages am 7. November (BMJ) sachverständige Zustimmung gefunden. zu Punkt 11 der Tagesordnung Drittens: Das Gesetz benennt erstmals präzise die Daten, über die Auskunft zu erteilen ist. Dabei be- Der Deutsche Bundestag hat am 30. November das schränken wir die Auskunft über die Standort- Ihnen vorliegende Gesetz als Nachfolgeregelung für kennung bei Mobiltelefonen bewusst auf die Fälle, in § 12 des Fernmeldeanlagengesetzes beschlossen. § 12 denen es zu einer Verbindung gekommen ist. FAG tritt, wie Sie wissen, mit Ablauf des 31. Dezem- Lückenlose Bewegungsprofile von Personen anhand ber 2001 außer Kraft. der Funkzellen, in die sich Handys im Stand-by-Be- Die neuen §§ 100g, 100h StPO gehen auf einen Ge- trieb einbuchen, sollen den Strafverfolgungsbehörden setzentwurf der Bundesregierung zurück. Sie sollen zwar weiter zur Verfügung stehen. Wie bisher auch den Strafverfolgungsbehörden auch ab dem 1. Januar müssen hierfür jedoch die strengen Voraussetzungen 2002 den Zugriff auf solche Daten ermöglichen, die der Telefonüberwachung vorliegen. Informationen darüber geben, mit wem ein Straftäter Viertens: Das Gesetz erkennt das für die Strafverfol- wann telefoniert oder im Internet kommuniziert hat. gungsbehörden wichtige Instrument der Zielwahlsu- Diese Fähigkeit der Strafverfolgungsbehörden ist un- che ausdrücklich an. Gleichzeitig werden die Anord- verzichtbar. Wie wir wissen, kommen nicht zuletzt im nungsvoraussetzungen eindeutig geregelt. Rahmen organisierter oder gar terroristischer Krimi- Ich begrüße es außerordentlich, dass der Bundesrat nalität regelmäßig modernste Telekommunikations- in seiner Stellungnahme vom 19. Oktober sowohl der techniken zum Einsatz. Das ersatzlose Auslaufen des Zielsetzung des vorliegenden Gesetzes als auch vie- § 12 FAG zum Ende dieses Jahres würde daher zu len grundlegenden Regelungsvorschlägen zuge- einer empfindlichen Beeinträchtigung der Strafverfol- stimmt hat. Soweit Änderungen vorgeschlagen wor- gung führen. den sind, wurden diese von der Bundesregierung Eine bloße Verlängerung oder Entfristung des § 12 sorgfältig geprüft. Im gemeinsamen Interesse an einer FAG kam für die Bundesregierung nicht in Betracht. wirksamen Strafverfolgung hat die Bundesregierung Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 783*

(A) in ihrer Gegenäußerung den Wünschen des Bundes- verzeichnen, stehen viele Kommunen, die unter zum (C) rates teilweise zugestimmt. Ich begrüße es auch, dass Teil dramatischen Einbrüchen leiden. sich der Deutsche Bundestag dieser Einschätzung an- Die Struktur der kommunalen Finanzquellen muss geschlossen und ihr in seinem Gesetzesbeschluss gestärkt werden Rechnung getragen hat. Eine grundsätzliche Reform der kommunalen Finan- Darüber hinaus hat der Deutsche Bundestag die zen muss die kommunalen Finanzquellen ihrer Struk- Berücksichtigung der bedeutsamen Zeugnisverwei- tur nach stärken. Die Schwächen der kommunalen Fi- gerungsrechte der Geistlichen, Verteidiger und Parla- nanzquelle „Gewerbesteuer“ – insbesondere die mentarier beschlossen. Konjunkturanfälligkeit und die Konzentration der Be- Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Neurege- lastung bei wenigen Steuerpflichtigen – sind bekannt. lung des § 12 FAG in den §§ 100g und 100h StPO ist Eine Reform muss im Steuerrecht beginnen und den eine wesentliche Verbesserung gegenüber der gel- Kommunen eine Finanzquelle schaffen, die orts- und tenden Rechtslage. Das Ihnen vorliegende Gesetz wirtschaftsbezogen und geeignet für kommunale He- schafft Sicherheit und sichert Freiheit. Es sollte des- besätze ist, aber diese Schwächen überwindet. Es gibt halb rechtzeitig zum 1. Januar 2002 in Kraft treten. bereits verschiedene Vorschläge, doch noch keiner von diesen ist vollständig zu Ende gedacht. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung kurzfristig eine Kommission zur Reform der Gemein- definanzen einsetzen wird, die sich in einem Schwer- Anlage 21 punkt mit der Überarbeitung der Gewerbesteuer be- fasst. Weil die Finanzprobleme der Kommunen ihre Erklärung Ursachen nicht nur auf der Einnahmeseite haben, ist es richtig, dass sich die Kommission auch mit anderen von Minister Heinrich Aller Fragen, etwa der Lastenverteilung, beschäftigt. (Niedersachsen) Gemeindefinanzreform in der nächsten Legislatur- zu Punkt 27 der Tagesordnung periode des Bundestages Zwischen allen Beteiligten besteht Einigkeit, dass Auf der Basis einer fundierten, nicht auf einzelne das Thema der Gemeindefinanzen in einer grund- isolierte Jahresergebnisse blickenden Analyse bin ich sätzlichen Weise angegangen werden muss. Dass zuversichtlich, dass in der nächsten Legislaturperiode Handlungsbedarf besteht, war unabhängig von der – nach der Verwirklichung der Steuerreform und des Solidarpaktes II – eine umfassende Gemeindefinanz- (B) Gewerbesteuerentwicklung des Jahres 2001 klar: Die (D) aktuellen Gewerbesteuereinbrüche in vielen Kommu- reform erfolgreich umgesetzt werden kann. Gewiss nen belegen allerdings neu auf eindrucksvolle Weise wäre es besser, wenn die Vorbereitungen schon wei- die schon bekannten Probleme, insbesondere die An- ter gediehen wären. Allerdings benötigt eine Ge- fälligkeit der Gewerbesteuerquelle im Konjunktur- meindefinanzreform einen verlässlichen Rahmen im verlauf. Bund-Länder-Finanzausgleich. Deshalb ist das heute abschließend behandelte Solidarpaktfortführungsge- Kommunale Finanzen unterliegen vielfältigen setz gewissermaßen eine Vorbedingung für eine Einflüssen nachhaltige Stärkung der Gemeindefinanzen. Es waren einzelne Länder, die die Auseinandersetzung Eine nachhaltige Stärkung der kommunalen Finan- um den Finanzausgleich mit ihrer Klage vor dem Bun- zen erfordert eine solide Analyse der Ursachen für die desverfassungsgericht angestoßen haben. Weder die gegenwärtige Entwicklung. Hier greifen offenbar ver- Bundesregierung noch andere Länder müssen sich schiedenste Faktoren ineinander: Die konjunkturelle deshalb vorhalten lassen, dass sie zunächst einen soli- Entwicklung mit ihren Folgen in der Bauwirtschaft, den Hintergrund im bundesstaatlichen Finanzaus- bei Banken und Sparkassen, aber auch sonst in der gleich geschaffen haben. gewerblichen Wirtschaft ist eine der Hauptursachen der aktuellen Rückgänge. Es gibt aber auch wichtige Kurzfristige Entlastungen für die branchenspezifische Effekte, z. B. in der Telekommu- Kommunen prüfen nikation und bei den Energieunternehmen. Als we- Klar ist: Eine umfassende Gemeindefinanzreform sentlicher Faktor wirken weiterhin Umstrukturie- braucht eine gewisse Zeit. Kurzfristige Schwankun- rungsprozesse bei Großunternehmen mit verstärkter gen aufzufangen ist sie nicht geeignet. Von daher Bildung von Organschaften. Hier machen sich ver- muss man auch kurzfristige Entlastungen für die mutlich auch gewisse Vorzieheffekte im Zusammen- Kommunen prüfen. hang mit dem Steuersenkungsgesetz bemerkbar, wel- ches allerdings nicht die Hauptverantwortung für die Eine solche Prüfung darf sich nicht an einzelnen Mindereinnahmen trägt. Maßnahmen oder Erwartungen – etwa den um ein Jahr verschobenen AfA-Tabellen – festmachen. Ent- Diese Erklärungsansätze sind nicht abschließend. scheidend ist, wie sich die Entwicklung im Vergleich Niemand kann derzeit für sich beanspruchen, alle zwischen den verschiedenen Ebenen – Bund, Länder, Gründe zu kennen, welche aktuell die Gewerbe- Kommunen – darstellt. In der Gesamtperspektive steuerentwicklung beeinflussen. Die Entwicklung stellt sich die Lage der Kommunen naturgemäß weni- verläuft außerdem sehr unterschiedlich. Neben Kom- ger dramatisch dar als bei dem isolierten Blick auf die munen, die Steigerungen oder mäßige Rückgänge Gewerbesteuer. Alle Beteiligten stehen auf Grund der 784* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) massiven Steuerentlastungen vor großen finanziellen festzuhalten und fallende Nettokreditaufnahmen in (C) Herausforderungen. Die schwache Konjunktur trifft seinem Haushalt zu realisieren, was selbstverständ- als allgemeiner Faktor den Bund und die Länder wie lich in hohem Maße zu begrüßen ist und den Erfolg auch die Verzögerungen bei den AfA-Tabellen. der Konsolidierungspolitik der Bundesregierung in Die Vermeidung weiterer Steuerausfälle ist eindrucksvoller Weise belegt. Richtig ist aber auch, besser als bloße Umverteilung dass dem Bund zur Realisierung dieser Erfolge neben der Ausgabenbegrenzung einige Instrumente zur Im Verfahren zum Unternehmenssteuerfortentwick- Verfügung stehen, über die die Länder nicht verfü- lungsgesetz haben wir zunächst gemeinsam die Ein- gen. Die Stichworte Tabak- und Versicherungsteuer sicht umgesetzt, dass die Vermeidung weiterer Steu- seien hier nur exemplarisch genannt. erausfälle für alle, auch für die Kommunen, besser ist als eine bloße Umverteilung mittels Gewerbesteuer- Wer die Kommunen über die Gewerbesteuerumla- umlage. Im Gesetzgebungsverfahren haben wir ge entlasten will, muss auch darlegen, wie er die ent- erreicht: die Angleichung der gewerbesteuerlichen sprechenden Belastungen auf Seiten des Bundes und an die körperschaftsteuerliche Organschaft mit der der Länder bewältigen will. Selbst das antrag- Folge der Entlastung von Kommunen in Höhe von stellende Land Bayern hätte diese Entlastung wohl 1 Milliarde DM; die Wiedereinführung der Gewerbe- kaum finanzieren können, ohne seine Entscheidung steuerpflicht für Dividenden aus so genanntem Streu- gegen eine zusätzliche Neuverschuldung revidieren besitz; die Beibehaltung des Verbots des Betriebsaus- zu müssen. gabenabzugs im Zusammenhang mit steuerfreien Wir brauchen eine finanzwirtschaftlich tragfähige Erträgen – nach § 8 Abs. 1 und 2 Körperschaftsteuer- Gemeindefinanzreform gesetz –; den Verzicht auf systemwidrige Neuregelun- gen bei der Grunderwerbsteuer. Eine Entlastung der Kommunen, die Bund und Län- der überfordert, liegt auch nicht in deren recht ver- Das Steuersenkungsgesetz steht hier nicht standenem Interesse. Es sind die Länder, die über zur Disposition ihren internen Finanzausgleich die Leistungsfähigkeit Angesichts der vielen offenen Fragen hinsichtlich ihrer Kommunen sicherstellen müssen. Es drohen der Ursachen für die Gewerbesteuerentwicklung gibt auch unter den Kommunen Verwerfungen, wenn die es keinen Anlass, die Entscheidungen des Steuersen- Kommunen über die Senkung der Gewerbesteuerum- kungsgesetzes über die Gewerbesteuerumlage vorei- lage in sehr unterschiedlicher Weise entlastet werden, lig insgesamt rückgängig zu machen. Wenn wir diese Entlastung aber in der Breite auch über den sehen, dass diese Entwicklung nicht auf den steu- kommunalen Finanzausgleich durch verringerte erlichen Maßnahmen des Steuersenkungsgesetzes Möglichkeiten der Länder zur Förderung der Kommu- (B) beruht, sind auch die damaligen Prognosen nicht ein- nen mitfinanzieren müssen. (D) fach hinfällig. Mit einer Erholung der Konjunktur Es bleibt daher für eine finanzwirtschaftlich tragba- werden die strukturellen Wirkungen auch stärker sichtbar werden. re Lösung keine Alternative zu dem längerfristigen Ansatz einer umfassenden Gemeindefinanzreform. Eine gesonderte Entlastung der Kommunen zu Lasten der Länder ist nicht machbar Die Steuermindereinnahmen treffen Länder und Gemeinden hart und in einer Phase, in der die steuer- Anlage 22 reformbedingten Mindereinnahmen erst einmal ver- kraftet werden müssen. Im Hinblick auf die finanziel- Erklärung le Gesamtsituation stehen die Kommunen aber nicht schlechter da als die Länder: Die Länder müssen steu- von Minister Heinrich Aller erreform- und konjunkturbedingt 2001 dramatisch (Niedersachsen) höhere Defizite hinnehmen als prognostiziert. Die De- zu Punkt 74 der Tagesordnung fizite der westdeutschen Länder werden nach Schät- zungen des BMF von rund 6 Milliarden Euro in 2000 Es geht den antragstellenden Ländern um die drin- auf rund 20 Milliarden Euro in 2001 ansteigen und gend benötigte gesetzliche Einstufung neuer stufen- damit um 8 Milliarden Euro höher liegen als noch An- übergreifender Lehrämter. Die vorliegende Gesetze- fang dieses Jahres prognostiziert. Auch in 2002 haben sinitiative hat eine längere Vorgeschichte, die ich zum wir von einem hohen Defizit der Länder auszugehen, besseren Verständnis kurz skizzieren will: das von Länderseite als nur wenig geringer als 2001 Die Kultusministerkonferenz hat schon 1999 ein eingeschätzt wird. Dem stehen Defizite der westdeut- Konzept für die Einstufung von neuen Lehrämtern schen Kommunen von rund 2 Milliarden – 2001 – bzw. entwickelt, das insbesondere den schulorganisatori- 3 Milliarden Euro gegenüber. schen Gegebenheiten in den neuen Ländern Rech- Dies macht deutlich, dass der finanzielle Spielraum nung tragen sollte. für eine gesonderte Entlastung der Kommunen auf Der Bundesminister des Innern hat sich damals be- Kosten der Länder nicht vorhanden ist. Er wäre ohne reit erklärt, die erforderlichen Änderungen in das Bun- Gefährdung der Länderhaushalte nicht finanzierbar. desbesoldungsgesetz aufzunehmen, allerdings nur, Dem Bund dagegen wird es im Wesentlichen mög- wenn sich die Kultusminister und die Finanzminister lich sein, an seiner Ziellinie der Defizitentwicklung auf ein Konzept verständigen. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 785*

(A) Im September 2000 beschloss die Finanzminister- befördert zu werden. Andererseits hat das Einstu- (C) konferenz, dass in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe fungskonzept zur Folge, dass eine Lehrerin mit der aus Vertretern des Arbeitskreises für Besoldungsfra- Befähigung des neuen Lehramts, die überwiegend im gen und der Kultusministerkonferenz eine Verständi- Realschulbereich verwendet wird, zunächst entspre- gung mit der Kultusseite gesucht werden sollte. chend ihrem Eingangsamt A 12 besoldet wird. Nachdem die gemeinsame Arbeitsgruppe im Januar Das neue Lehramt schafft Flexibilität im Personal- 2001 in allen Punkten Einvernehmen erzielt und der einsatz – ein für die Personalentwicklung wichtiger Arbeitskreis für Besoldungsfragen dem Ergebnis zu- Gesichtspunkt – und zugleich einen Leistungsanreiz gestimmt hatte, nahm die Finanzministerkonferenz für Lehrkräfte mit dieser Befähigung, die überwie- das Konzept im Mai 2001 – mit nur einer Gegenstim- gend im Sekundarbereich I eingesetzt werden. me – zustimmend zur Kenntnis. Der Vertreter Thürin- gens hat seinen Ablehnungsgrund in einer Protokoll- Angesichts der knappen Haushaltslage ist sicherzu- erklärung zum Ausdruck gebracht. stellen, dass die Neuregelung nicht zu Mehrkosten gegenüber dem heutigen Zustand führt. Um Kosten- Die Kultusministerkonferenz hat der Konzeption im neutralität einzuhalten, sollen für das Beförderungs- Oktober 2001 einstimmig zugestimmt und der FMK amt höchstens 40 vom Hundert der für diese Lehrer am 15. November mitgeteilt, dass einer entsprechen- vorhandenen Planstellen ausgebracht werden dürfen. den Gesetzesinitiative aus ihrer Sicht nichts im Wege stehe. Ähnliche Konstellationen finden wir in einigen neuen Ländern. Der Gesetzesantrag sieht dafür ver- Von Seiten des Bundes ist nun die Bereitschaft si- gleichbare Regelungen vor. gnalisiert worden, einen solchen Änderungsantrag noch in die laufende Beratung des Besoldungsstruk- Die Alternative wäre, es den Ländern zu überlas- turgesetzes einzubringen. Damit würden die Aussich- sen, die Einstufungen der von der Konzeption des ten auf eine zügige Umsetzung erheblich steigen. Bundesbesoldungsgesetzes abweichenden Lehrämter Dies setzt allerdings einen Beschluss des Bundesrates in den Landesbesoldungsgesetzen selbst zu regeln. zu der Gesetzesinitiative in der heutigen Sitzung vo- Dies sollte aber im Sinne einer auch weiterhin nach raus. gleichen Maßstäben geregelten Lehrerbesoldung ver- mieden werden. Wenn der Gesetzentwurf in dieser Die mit dem Antrag verfolgten Gesetzesänderungen Legislaturperiode nicht mehr zur Gültigkeit gelangt, sind für die antragstellenden Länder von großer Be- wäre die landesrechtliche Umsetzung der einzig deutung. Sie wirken sich, und das gilt vor allem für die gangbare Weg. neuen Länder, auch auf entsprechende Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis aus, weil auf diese die besol- Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte (B) dungsgesetzlichen Einstufungen mittelbar anzuwen- Einführung des Einstufungskonzepts in das Besol- (D) den sind. dungsstrukturgesetz ist aus der Sicht aller daran in- teressierten Länder sehr zu begrüßen. Ich will aber Das geltende Bundesbesoldungsgesetz geht bei den auch deutlich machen, dass sich die Vorbehalte der Lehrereinstufungen von dem in den alten Ländern Länder gegen Teile des Besoldungsstrukturgesetzes herkömmlichen dreigliedrigen Schulsystem aus. Dem in der Fassung des Regierungsentwurfs damit nicht entsprechen die klassischen Einstufungen des Grund- erledigt haben. und Hauptschullehrers in A 12, des Realschullehrers und des Gymnasiallehrers in A 13. Dies wird der heute Ich bitte Sie deshalb herzlich, dem Antrag zuzu- vorhandenen Vielfalt der Lehrerlaufbahnen, die sich stimmen. natürlich an den jeweiligen schulorganisatorischen Gegebenheiten in den Ländern ausrichten müssen, nicht mehr gerecht. So haben z. B. wir in Niedersachsen ein Lehramt für Anlage 23 Grund-, Haupt- und Realschulen neu eingeführt. Nach dem vorhandenen Ämterkatalog könnten diese Erklärung Lehrkräfte – wie die bisherigen Grund- und Haupt- schullehrer – nur der Besoldungsgruppe A 12 zuge- von Minister Rudolf Köberle ordnet werden, und zwar auch dann, wenn sie aus- (Baden-Württemberg) schließlich an einer Realschule unterrichten. zu Punkt 75 der Tagesordnung Der Gesetzesantrag löst dieses Problem, indem das Eingangsamt der neuen Laufbahn der Besoldungs- Wir freuen uns vollkommen zu Recht über den frei- gruppe A 12 zugewiesen und daneben ein Beförde- en Waren- und Handelsverkehr innerhalb der Eu- rungsamt in der Besoldungsgruppe A 13 eröffnet wird. ropäischen Union. Das Angebot an Lebensmitteln hat Dieses Beförderungsamt soll jedoch nicht allgemein eine großartige Vielfalt erreicht. zur Verfügung stehen, sondern nur denen, die über- Doch wenn wir uns ansehen, welche Pflanzen- wiegend in der Sekundarstufe I verwendet werden. schutzmittel in welchen Mitgliedstaaten der EU bei Konkret bedeutet dies, dass ein Lehrer mit der Be- Herstellung dieser Agrarprodukte verwendet werden, fähigung dieses neuen Lehramts, der überwiegend im dann haben wir innerhalb Europas himmelweite Un- Hauptschulbereich eingesetzt wird, die Chance be- terschiede und damit enorme Wettbewerbsverzerrun- kommt, einmal in ein Amt der Besoldungsgruppe A 13 gen zu beklagen. Das heißt konkret: Neben dem Obst 786* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) aus deutschen Landen liegt in unseren Regalen Obst Anlage 24 (C) aus anderen Ländern der EU. Letzteres ist mit Mitteln behandelt, die bei uns nicht zugelassen sind oder ihre Erklärung Zulassung verloren haben. Damit dürfen sie weder eingeführt noch angewendet werden. von Minister Wolfgang Senff (Niedersachsen) Einerseits europäischer Binnenmarkt für Agrarpro- zu Punkt 76 der Tagesordnung dukte, andererseits nationales Pflanzenschutzrecht – diesen Zustand verstehen unsere Landwirte genauso Der Europäische Rat von Laeken hat am Wochen- wenig wie unsere Verbraucher. Entweder ist ein Mit- ende seine viel beachtete Erklärung zur Zukunft der tel schädlich – dann muss es weg –, oder es fördert die Europäischen Union abgegeben. Der Auftrag des Eu- Pflanzengesundheit; dann muss es in ganz Europa er- ropäischen Rates von Nizza wurde damit konkretisiert laubt sein. und umgesetzt. Seit der Erklärung von Nizza zur Zukunft der Union Dabei hat Brüssel bereits vor zehn Jahren mit der haben wir Länder intensiv an der Frage, „wie eine ge- Richtlinie über das Inverkehrbringen von Pflanzen- nauere Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der schutzmitteln wichtige Weichen für eine Harmonisie- Europäischen Union und den Mitgliedstaaten herge- rung dieses sensiblen Bereichs gestellt. Aber alle bis- stellt und aufrechterhalten werden kann“, gearbeitet. herigen Bemühungen sind im Ansatz stecken geblieben. Dieses nationale Klein-Klein führte dazu, Als Ergebnis liegen heute dem Bundesrat die von dass in Deutschland für bestimmte Kulturen wichtige der EMK beschlossenen, dann von der MPK über- Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen – ein Zustand, nommenen „Ersten Orientierungen zur Kompetenz- der für unsere deutschen Obst- und Gemüsebauern neuordnung“ vor. Dieses „Papier“ stellt einen ersten im kommenden Frühjahr existenzbedrohende Folgen Beitrag der deutschen Länder zu der beginnenden haben wird. europäischen Debatte zur Zukunft der Union dar. Weitere werden folgen, in denen wir Länder unsere Für bestimmte Kulturen braucht man einfach be- Vorstellungen konkretisieren. stimmte Mittel, wenn sie, wie die Verbraucher es for- Dennoch kann ich feststellen, dass bereits mit die- dern, genauso frei von Schädlingen bzw. Pflanzen- ser Vorlage auf eine Vielzahl von Fragen, die der Eu- krankheiten produziert werden sollen wie diejenigen ropäische Rat von Laeken dem Konvent gestellt hat, aus anderen europäischen Ländern. Ein einheitlich Antworten gefunden werden können. hoher Standard beim Pflanzenschutz liegt deshalb (B) nicht nur im Interesse der Landwirtschaft, sondern in Die Frage an den Konvent, wie die Einteilung der (D) gleicher Weise im Interesse des Verbraucherschutzes. Zuständigkeiten transparenter erfolgen kann, beant- worten wir Länder entsprechend der vom Europäi- Angesichts der seit über 40 Jahren praktizierten eu- schen Rat erwogenen Option bereits heute: ropäischen Agrarpolitik und des schrankenlosen Bin- Erstens. Es soll deutlicher unterschieden werden nenmarktes sind national unterschiedliche Zulas- zumindest zwischen den Zuständigkeiten, die der EU sungsbestimmungen und Zulassungsverfahren nicht ausschließlich zustehen, die den Mitgliedstaaten aus- mehr tragbar. Darauf haben die Länder gegenüber schließlich zustehen und die zwischen der EU und dem Bund sowie in allen einschlägigen Fachgremien den Mitgliedstaaten geteilt sind. Das nennen wir Län- immer wieder hingewiesen – jedoch ohne Erfolg. der „Kompetenzkategorien“. Die Ausformung der Ka- tegorien im Einzelnen bedarf aber noch weiterer Prü- Deshalb muss der Bund jetzt und sofort tätig wer- fung. den. Akute Probleme einzelner Kulturen, die sich im kommenden Frühjahr zeigen werden, müssen jetzt Zweitens. Es muss unserer Überzeugung nach deut- und sofort gelöst werden. licher gemacht werden, dass die EU dort, wo ihr keine Zuständigkeiten zugewiesen sind, auch nicht handeln Aber auch strukturell muss die Vereinheitlichung darf. Dies betrifft den Bereich der ausschließlichen des Zulassungswesens für Pflanzenschutzmittel end- Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, der eindeutig lich angegangen werden. Ziel sollte es sein, die natio- gegenüber den EU-Zuständigkeiten abgegrenzt wer- nalen Zulassungsbehörden zu einer zentralen eu- den muss. ropäischen Einrichtung zu vereinigen. Das vermeidet unnötige Doppelarbeit und führt zu einheitlichen, in Drittens. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächti- ganz Europa gültigen Ergebnissen. gung wird nachdrücklich als Grundprinzip der Verträ- ge herausgestellt. Wir brauchen endlich eine einheitliche Pflanzen- Auch auf einige der Fragen des Europäischen Rates schutzpraxis nach europaweit einheitlich hohem nach der Neuordnung der Kompetenzen geben wir Standard. Ich bitte daher den Bundesrat, die Bundes- bereits heute Antworten: regierung aufzufordern, sich umgehend nachdrück- lich für eine Harmonisierung der Zulassung und des Die Zuständigkeiten müssen neu geordnet werden. Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln sowie Dabei muss sehr klar werden, dass der Vollzug für eine einheitliche Zulassungspraxis für Pflanzen- grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, nicht der EU schutzmittel in der Europäischen Union einzusetzen. ist. Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001 787*

(A) Wir stimmen mit dem Europäischen Rat von Laeken Hierfür ist breite Akzeptanz in der Bevölkerung (C) darin überein, dass bei der Neuordnung sorgfältig ge- Voraussetzung. Diese lässt sich nach meiner Überzeu- prüft wird, in welchen Bereichen weitere Zuständig- gung nur dadurch gewinnen, dass einerseits die keiten auf die EU übertragen werden sollen und in Handlungs- und Entwicklungsfähigkeit der Union ge- welchen Bereichen die EU-Zuständigkeiten begrenzt stärkt wird und andererseits so viel wie möglich bür- werden müssen. Zu den einzelnen Politikfeldern ent- gernah entschieden wird. Diese Unterscheidung ist wickelt die EMK derzeit unter Einbeziehung der im Einzelfall schwierig, aber sie ist machbar, und wir Fachministerkonferenzen detaillierte Positionen. werden sie schaffen. Auf die Frage des ER von Laeken, ob die Artikel 95 und 308 einer Überprüfung bedürfen, lautet unsere ein- deutige Antwort bereits heute: Ja, dies ist notwendig.

Die Auffangkompetenz des Artikels 308 ist wegen Anlage 25 der neu hinzugekommenen Zuständigkeiten der EU entbehrlich geworden und daher zu streichen. Erklärung Artikel 95 soll und darf dagegen nicht gestrichen von Staatsminister Reinhold Bocklet werden; denn der Binnenmarkt ist das Herz des Er- (Bayern) folgsmodells. Artikel 95 ist aber in seinem Anwen- zu Punkt 76 der Tagesordnung dungsbereich unklar. Er muss präzisiert werden.

Mit Zufriedenheit habe ich zur Kenntnis genom- Der Europäische Rat von Laeken hat die Reform der men, dass der ER von Laeken die Fragen formuliert Vertragsgrundlagen der EU auf den Weg gebracht. hat, mit denen wir Länder uns seit geraumer Zeit be- schäftigen. Dies ist ein Erfolg für die Länder. Mit der heutigen Bundesratsentschließung legen wir eine erste Etappe Ich habe auch mit Befriedigung zur Kenntnis ge- bei der Präzisierung unserer Vorstellungen zur Ver- nommen, dass in Laeken die in unserer Bundesrats- tragsreform zurück. Worum es uns geht, ist eine Re- entschließung vom 13. Juli beschlossenen Eckpunkte form, die die EU fit macht für Erweiterung und Globa- zum Post-Nizza-Verfahren weitgehend Berücksichti- lisierung. gung erfahren haben. Dafür unser Dank an die Bun- desregierung! Wir durchschreiten eine erste Etappe bei der Be- schreibung des notwendigen Umfangs der Vertrags- (B) Die „Ersten Orientierungen“, die wir heute be- reform. Seit langem wird kritisiert, dass sich die EU (D) schließen werden, sind in einem Prozess erarbeitet mit vielem, aber nicht immer mit dem Richtigen be- worden, in dem durch breite Beteiligung der Fachmi- fasst. Deshalb wurde das Subsidiaritätsprinzip in den nisterkonferenzen, der kommunalen Spitzenverbände EG-Vertrag eingefügt. Wie die Kompetenzabgren- und auch der Bundesregierung vielfältige Anregun- zung ging die Thematisierung des Subsidiaritäts- gen eingebracht und berücksichtigt wurden. Auch die prinzips auf die Initiative der deutschen Länder weiteren Beschlüsse zur Kompetenzabgrenzung wer- zurück. den wir auf solch eine breite Basis stellen. Der heutige Beschluss und die nachfolgenden Be- Doch ein Jahrzehnt nach Maastricht müssen wir er- schlüsse werden die Richtschnur für die Arbeit des zu kennen: Das Subsidiaritätsprinzip hat die Rhetorik benennenden Bundesratsvertreters im Konvent sein. der Europäischen Union verändert, aber nicht ihr Dabei streben wir, wie in der Vergangenheit, eine Handeln. Die Erklärung von Laeken findet dafür höf- enge Zusammenarbeit mit den übrigen Konventsmit- liche Worte: „Der Bürger setzt oft Erwartungen in die gliedern aus der Bundesrepublik an. Wir wollen eine Europäische Union, die von dieser nicht immer erfüllt gemeinsame Vorgehensweise erreichen. werden; umgekehrt hat er aber mitunter den Ein- druck, dass die Union zu viele Tätigkeiten in Berei- Lassen Sie mich abschließend einen Ausblick chen entfaltet, in denen ihr Tätigwerden nicht immer geben! unentbehrlich ist.“ Dieser erste Beschluss zur Kompetenzabgrenzung Und die Erklärung von Laeken analysiert: „Worauf soll durch einen weiteren Beschluss der EMK am es ankommt, sind mehr Ergebnisse, bessere Antwor- 28. Februar 2002 ergänzt werden, mit dem die ten auf konkrete Fragen, nicht aber ein europäischer Europaminister und -senatoren einen Gesamtvor- Superstaat oder europäische Organe, die sich mit schlag zur Kompetenzabgrenzung vorlegen wollen. allem und jedem befassen.“ Damit nehmen wir Länder unsere gesamteuropäische Verantwortung wahr und beteiligen uns aktiv an der Das Subsidiaritätsprinzip hat das Denken in Brüs- Debatte zur Zukunft der Union. Uns geht es dabei sel beeinflusst. Es hat die Wahrnehmung dafür ge- nicht darum, einseitig zu Lasten der EU Spielräume schärft, dass es besser ist, Entscheidung und Verant- für die Länder herauszuschlagen. Es geht uns darum, wortung so weit als möglich dezentral zu belassen. Ideen zu entwickeln und zu diskutieren, wie sich auch Dies beeinflusst die Art, wie die EU handelt. Doch zu- eine erweiterte Europäische Union mit dem gleichen gleich zeigt sich, dass das Subsidiaritätsprinzip für Erfolg wie in der Vergangenheit bewähren und wei- sich allein nicht klarstellen kann, was die Aufgaben terentwickeln kann. der EU sind. 788* Bundesrat – 771. Sitzung – 20. Dezember 2001

(A) Wir haben daraus gelernt und wissen, dass nur eine Anlage 26 (C) klare und neu austarierte Aufgabenbeschreibung das Handeln der EU den Reformerfordernissen anpassen Erklärung wird. Die Beantwortung der Frage „Wer macht was?“, die Verbesserung der EU-Akzeptanz der Bürger durch von Minister Wolfgang Senff den klaren Begründungszusammenhang „Dafür brau- (Niedersachsen) chen wir die EU“, all dies setzt die Überprüfung und zu Punkt 32 der Tagesordnung Neuordnung der EU-Zuständigkeiten in den einzelnen Politikbereichen voraus. Konkrete Vorschläge zeigen, Niedersachsen begrüßt die Intention der Bundesre- dass dies auch machbar ist. gierung, auch im Bereich der Gaststätten verstärkt auf die Barrierefreiheit hinzuwirken. Die Anforderungen Der heute zur Entscheidung vorliegende Ent- der in Artikel 41 vorgeschlagenen Änderungen des schließungsantrag übernimmt die von der Konferenz Gaststättenrechts sind jedoch zu unbestimmt. Insbe- der Regierungschefs der Länder einstimmig gebillig- sondere kleine Lokalitäten wären wirtschaftlich mit ten „Orientierungen zur Kompetenzneuordnung“. der Herstellung der Barrierefreiheit überfordert. Es Eine Passage wurde jedoch herausgestrichen. Es geht wird daher vorgeschlagen, eine Differenzierung nach um den Abschnitt, der beispielhaft Politikbereiche Betriebsgrößen und anderen Betriebseigenschaften nennt, in denen überprüft werden soll, ob eine Aufga- vorzusehen. benneuverteilung erforderlich ist.

Bayern hat deshalb einen Landesantrag einge- bracht, der den ursprünglichen Text – das Ergebnis der Verhandlungen in der Konferenz der Regie- Anlage 27 rungschefs der Länder – wiederherstellt. Mit dem wieder vervollständigten Text würde die Aussage Erklärung konkretisiert, dass unser Reformziel eine Aufgaben- neuordnung in den einzelnen Politikbereichen ist, von Staatsminister Walter Zuber nicht nur punktuelle Vertragspräzisierungen. (Rheinland-Pfalz) zu Punkt 48 der Tagesordnung Die Konferenz der Regierungschefs der Länder hat unmittelbar nach Nizza gefordert, in dem Post-Nizza- Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz bittet die Prozess müsse geprüft werden, welche Aufgaben eine Bundesregierung, eine wissenschaftliche Untersu- erheblich erweiterte und heterogene Union gemein- chung in Auftrag zu geben, mit dem Ziel zu klären, ob sam leisten kann. Das ist unser Ziel, und das sollte es (B) bei der Verwendung von Wiederkäuerknochen für die (D) auch bleiben. Das Ergebnis ist damit nicht vorwegge- Herstellung von Speisegelatine ein BSE-Restrisiko nommen. Ich appelliere deshalb an Sie, durch Ihre – insbesondere im Arzneimittelbereich – besteht. Unterstützung des Landesantrags den im Kreis der Ministerpräsidenten der Länder konsentierten Kom- Die Landesregierung behält sich vor, das Thema promiss wiederherzustellen. zeitnah erneut aufzunehmen.