Leidenschaft und Freiheit, mit der dis- wie vertreten hat. Und es hilft die Fä- kutiert werden kann. Ich habe immer higkeit, nie die Nerven zu verlieren. Mittags im Schloss wieder erfahren, dass Menschen in Ber- Schließlich spricht sehr für sie, dass sie lin sagten: Also in den Ministerien in sich um die Leute kümmert, die ihr an- Bayern, das ist doch alles CSU! Wenn vertraut sind. man denen dann sagte, dass Personen, die in engstem Verhältnis etwa zu Mi- Florian Schuller: 2011 wurden Sie nisterpräsident Stoiber gearbeitet ha- Intendant des Bayerischen Rundfunks Zu Gast BR-Intendant ben, durchaus anders eingestellt sein und inzwischen vom Rundfunkrat für können und völlig unabhängig ihre die zweite Amtsperiode wiedergewählt. Meinung sagen, dann war das Erstau- Die gesellschaftliche Situation und Dis- nen groß. kussionslage sind allerdings nicht ganz Ulrich Wilhelm einfach. Die Medien und die Öffentlich- Florian Schuller: Staatsminister a. D. keit, was ist da zerbrochen in den letz- Josef Miller hat gerade genickt, bei die- ten Jahren, und warum? Vor zehn, fünf- sem Satz. zehn Jahren hätte man kaum geahnt, dass Journalisten aller Medien von vorn- Ulrich Wilhelm: Es war eine prägen- herein im Verdacht stehen, ideologisch de Zeit. Die Möglichkeit, schon als jun- fremdgeleitet zu sein oder Fake News In ihrer Reihe „Mittags im Schloss“ schem Qualitätsjournalismus, er ging ger Mensch sehr offen und durchaus zu produzieren oder Nachrichten zu hatte die Katholische Akademie in auf die Herausforderungen in der selbstbewusst, manche würden viel- unterdrücken, nicht objektiv zu berich- Bayern am 16. November 2018 Ulrich Medienlandschaft ein und warnte ein- leicht auch sagen frech, mitzudiskutie- ten: Was steckt hinter dieser Entwick- Wilhelm eingeladen. Der Intendant dringlich vor „Blasenbildung“ sowie ren mit den Politikern, war ein großes lung? des Bayerischen Rundfunks und Monopolen. Rund 120 Interessierte Privileg: Ich habe das auch in der Zu- Vorsitzende der ARD erläuterte im aus Politik und Wissenschaft, Kirche, sammenarbeit mit Staatsministern wie Ulrich Wilhelm: Hier sind hausge- Gespräch mit Dr. Florian Schuller Medien und Verwaltung agierten als Thomas Goppel erlebt, wie wir auch ge- machte Ursachen zu unterscheiden von u. a. seine Vorstellungen von kriti- Zuhörer und Mitdiskutanten. rungen haben, zum Beispiel um die Re- den Folgen des digitalen Wandels. Ers- form der Fächer oder die Strukturrefor- tens: Über die digitalen Plattformen men bei den damals noch Fachhoch- kann jeder Mensch mit wenig Aufwand schulen genannten Hochschulen und Informationen verbreiten, also Öffent- auch den Universitäten. lichkeit herstellen. Niemand muss dafür erst eine Institution gründen oder gar Florian Schuller: Dann war sicher die Lizenz für eine Zeitung oder einen der Ruf 2005 nach Berlin vielleicht nicht Rundfunksender erwerben. Wenn Bot- ein Kulturschock, aber doch der Wech- schaften dann noch zum richtigen Zeit- sel in eine deutlich andere Struktur. Sie punkt kommen, lassen sich mitunter wurden Regierungssprecher in den bei- Millionen Menschen erreichen. Das den Kabinetten I und II. können kreative Hervorbringungen sein, Vielleicht ist die Frage ja etwas indis- Lieder oder dergleichen, aber auch poli- Florian Schuller: Es freut mich un- haben, die Sie dann studierten: Rechts- kret: Was ist das Besondere an der Per- tisch relevante Beiträge. wahrscheinlich, dass Sie, gnädige Frau wissenschaften und Politik, plus Journa- son Angela Merkel? Zweitens: Der öffentliche Raum, ohne Wilhelm, die Mutter unseres Gastes, listik. den die Demokratie gar nicht denkbar heute auch da sind. Sie sind eine der Ulrich Wilhelm: Bemerkenswert ist ist, ist durch den digitalen Wandel, das treuesten Besucherinnen und Freundin- Ulrich Wilhelm: Es ging anders los. sicher zum einen der Lebenslauf, dass Internet und die sozialen Medien, zer- nen der Katholischen Akademie seit Ich war Wehrpflichtiger in der Kaserne, sie, deren Leben ganz anders angelegt brochen. Es gibt nicht mehr die eine Jahrzehnten. Und genauso erinnere ich nicht gerade überbeschäftigt, da schick- war, tatsächlich binnen weniger Monate Gesamtöffentlichkeit, sondern immer mich an den Vater des Intendanten, an te mir mein Vater einen Zeitungsaus- in der Politik gelandet ist. Sie hatte sich mehr Teil-Öffentlichkeiten. Die FPÖ in Paul Wilhelm. In diesem Monat vor schnitt aus der Süddeutschen Zeitung: gemeldet beim „Demokratischen Auf- Österreich war die erste politische Kraft, zehn Jahren, an seinem Geburtstag, ist „Aufnahmeverfahren für die Deutsche bruch“ für Hilfstätigkeiten, dann war sie die gesagt hat: Wir schaffen von vorn- er gestorben. Sie, Frau Wilhelm, waren Journalistenschule gestartet“. Dazu hat sehr schnell stellvertretende Regierungs- herein eine eigene Medienwelt. Dafür Vorsitzende Richterin beim Oberlandes- er sinngemäß geschrieben: Wäre das sprecherin, und schließlich nahm sie bedarf es keiner hohen Investition. Ein gericht, der Vater einer der prägenden nicht etwas für dich? Ich habe mich Helmut Kohl ins Kabinett auf. Durch Politiker braucht im Prinzip nur Twitter Bildungspolitiker im Landtag. In eine dann beworben und bin genommen den Beitritt zur Bundesrepublik in ein wie Präsident Trump oder jemanden, solche Familie sind Sie, Herr Intendant, worden, 1981, also mit 20, und war, Land zu kommen, dessen gesamtes ins- der ihn filmt. Heutzutage kann man mit hineingeboren. Wissen Sie noch, wann glaube ich, der Jüngste in der Lehrre- titutionelles Gefüge man nicht kennt jedem Smartphone Botschaften auf Sie zum ersten Mal in der Familie die- daktion. 15 Monate später hatte ich den und sofort eine Kabinettsfunktion zu er- Twitter absetzen, Videos drehen und ses Wort „Katholische Akademie Bay- Abschluss als Redakteur. Aber auf Rat halten, das ist absolut unglaublich. Dazu schneiden. Und wenn Sie dann viele ern“ gehört haben? sowohl meiner Eltern als auch von Her- kommen natürlich die enorme Aufge- Follower haben, die sich anschauen und bert Riehl-Heyse, der Volljurist und Jour- schlossenheit und Auffassungsgabe, auch anhören, was von einer bestimmten Per- Ulrich Wilhelm: Alle prägenden Ein- nalist war, wurde deutlich: Die Kombi- das Gedächtnis, aus dem sie wie aus sönlichkeit kommt, dann kann eine ver- richtungen, Institutionen, aber auch Per- nation Journalist und Volljurist ist sel- der Pistole geschossen Erinnerungen festigte Teilöffentlichkeit entstehen. sönlichkeiten, die im weiteren Sinne mit ten, wobei Politik eigentlich gar nicht abrufen kann, wer was wann zu wel- Das wäre an sich noch nicht so fol- Politik zu tun hatten, spielten im Leben zu lösen ist vom Staats- und Verfas- cher Gelegenheit, in welchem Setting, genschwer, aber es kommt noch ein von uns Kindern ganz früh eine Rolle. sungsrecht, vom Völkerrecht sowieso Wir hatten eine ziemlich untypische nicht. So habe ich es auch gehalten und Kindheit, im Fernsehen haben wir we- mich mit Blick auf den Berufswunsch niger Bonanza oder Shiloh Ranch ge- Journalist auf Völkerrecht und Europa- schaut, dafür aber nahezu regelmäßig recht spezialisiert. Sendungen wie Monitor, Panorama, Re- port. Ich erinnere mich, schon in jungen Florian Schuller: Und dann sind Sie Jahren Bundestagsdebatten regelmäßig 1991 in den bayerischen Staatsdienst verfolgt zu haben. Und wir waren eine gegangen, zunächst ins Innenministeri- sehr diskussionsfreudige Familie. um, dann in die Staatskanzlei unter Mi- nisterpräsident Edmund Stoiber, schließ- Florian Schuller: Gab es da auch un- lich als Amtschef ins Staatsministerium terschiedliche Positionen? für Wissenschaft, Forschung und Kunst unter Thomas Goppel. Was waren die Ulrich Wilhelm: In jedem Fall. Auch grundlegenden Erfahrungen aus dem die Katholische Akademie ist ein maß- bayerischen Staatsdienst, die Sie bis gebender Ort freier Debatte, und die El- heute begleiten? tern haben uns Kindern immer sehr le- bendig von Begegnungen dort berichtet, Ulrich Wilhelm: Ich bin ein Advokat von Diskussionen, die sie erlebt oder des bayerischen Beamtentums, das in bestritten hatten. Es war wie immer bei seiner Unabhängigkeit eine besondere Kindern, wenn die politische Meinung Ausprägung vieler Beamtentugenden noch nicht ausgereift ist, dass sich in besitzt. Diese Tradition kam über Chi- Diskussionen vor allem die Tempera- na, den Konfuzianismus und Frankreich mente abgebildet haben. Jedenfalls ging schließlich über Graf Montgelas nach es immer hoch her, gerade in politi- Bayern und eröffnet wirklich unter- schen Debatten, auch bei Fragen wie: schiedslos, was die Herkunft junger Welcher Politiker taugt was? Menschen angeht, bei guter Ausbildung Rund 60 Minuten tauschten sich Ulrich den Weg in den öffentlichen Dienst. Wilhelm und Dr. Florian Schuller in Florian Schuller: Da brauche ich Die positive Geschichte Bayerns nach Schloss Suresnes über Politik, Medien, dann auch nicht weiter nachfragen, wa- 1945 ist ohne Frage auch der Qualität Kultur und Glauben aus. rum Sie genau die Fächer ausgesucht des Beamtentums geschuldet. Auch der

zur debatte 3/2019 31 Drittes dazu: Wer wann was bekommt, Ulrich Wilhelm: Ja, es kann sich am also wie Aufmerksamkeit zugeteilt wird, Ende als Don-Quijoterie erweisen. Viel- mit welcher Wertigkeit bestimmte Inhal- leicht sagt man in zehn Jahren: Der hat te zu den Menschen kommen, all das es nicht wirklich vorangebracht. wird mehr und mehr von Maschinen übernommen, von Algorithmen bzw. Florian Schuller: Worum geht es Softwareprogrammen. Das Problem: konkret? Kein einziger Algorithmus ist jemals neutral, sondern folgt immer bestimm- Ulrich Wilhelm: Ich beginne mal mit ten Vorgaben. Alle großen Monopolan- dem politischen Befund. Wir haben in bieter legen bei der Ausrichtung der je- unserem Grundgesetz und der Bayeri- weiligen Software ihr Geschäftsmodell schen Verfassung ausgefeilte Grund- zu Grunde. Und das Geschäftsmodell rechte und Grundrechtsgewährleistun- von Facebook, YouTube oder Google gen, auch in der Rechtsprechung. Da ist belohnt die Zeit, die man auf ihren Sei- viel angelegt zum Schutz all derer, die ten verbringt. Alle Studien zeigen, dass sich öffentlich einbringen, damit die die Inhalte, die emotional packen, hö- nicht rechtswidrig unter Druck gesetzt her einsortiert werden als die Themen, werden können. Wir haben, um nur ein die einen zwar verstandesmäßig interes- Beispiel zu nennen, Bannmeilen um sieren, aber nicht sofort Wut, Zustim- Parlamente. Aber im Netz können wir mung, Furcht oder dergleichen auslö- die Wertungen, die für den realen öf- sen. Je emotionaler also ein Inhalt ist, fentlichen Raum gelten, nicht durchhal- desto schneller und verlässlicher ver- ten. Ein Beispiel: Wir haben natürlich breitet er sich. sehr viel Handhabe, wenn jemand Friedrich Kardinal Wetter, emeritierter Im Ergebnis haben wir Teil-Öffent- einen Radiosender für den Ku-Klux- Erzbischof von München und Freising, lichkeiten, in denen Menschen in ihrer Klan oder für die Leugnung des Holo- freute sich sehr, den Augsburger Weih - eigenen Weltsicht bestätigt werden, weil caust gründen wollte – ein solcher Sen- bischof Dr. Anton Losinger, zu treffen. sie das empfohlen bekommen, wovon der würde nie zugelassen. Im Netz da- die Software weiß: Das holt diesen Men- gegen kann man ohne weiteres eine schen dort ab, wo er schon ist. Das führt Gruppe organisieren, die im Effekt ge- dazu, dass Leute, die ein Übermaß an nau das Gleiche tut. Das wäre so, als ob einschlägig vorsortierter Information man jemanden in der U-Bahn beleidi- bekommen, beim Umgang mit den tra- gen dürfte, in der S-Bahn aber nicht. ditionellen Medien das Gefühl haben, In der heutigen Realität verhält es diese würden nicht richtig gewichten. sich aber genau so: In einem Teil des öf- Diese Situation trifft übrigens nicht nur fentlichen Raumes gelten unsere rechtli- die Medien, sondern unglaublich viele chen Wertungen, im anderen, im digita- Bereiche der Gesellschaft. Dadurch len Raum, dagegen nicht. Mein Appell wächst in Amerika, in den Niederlan- war von Anfang an: Das können wir so den, in Skandinavien, Italien, Deutsch- nicht zulassen, weil es unserem Land land, Österreich, der Schweiz, egal wo und unserer Demokratie auf die Dauer sie gerade hinschauen, die Polarisie- schaden und dazu führen wird, dass die rung. Das Zerbrechen des öffentlichen Lehren, die wir aus der Geschichte ge- Raumes in viele Teil-Öffentlichkeiten zogen haben, nicht umgesetzt werden macht etwas mit uns allen und mit der können. Und der Grund ist, wie gerade Sicht auf die Medien. ausgeführt: Algorithmen sind nie neut- Man muss zu Ihrer Frage zum Ver- ral. hältnis von Medien und Öffentlichkeit freilich auch noch anführen, dass es Florian Schuller: Unsere wären auch auch hausgemachte Ursachen gibt. Es nicht neutral. ist zum Beispiel festzustellen, dass sich die Mitarbeiter der Medienunterneh- Ulrich Wilhelm: Natürlich nicht. men häufig nur aus einem bestimmten Eine europäische digitale Infrastruktur Teil der Gesellschaft rekrutieren. So würde aber mit anderen, transparenten kommen ländliche Themen zum Bei- und öffentlich überprüfbaren Algorith- spiel weniger vor als Themen aus den men arbeiten, die in unseren europäi- Die Professoren Peter Claus Hartmann Städten. Akademikerthemen kommen schen Werten wurzeln – Werte wie Zu- (li.), Historiker, und Werner Weidenfeld, häufiger vor als Themen von Nichtaka- sammenhalt und Toleranz. Aber fak- Politikwissenschaftler, sind der Akade- demikern. tisch sind wir schon bei der Hardware mie seit Jahrzehnten verbunden. Weiden- Das heißt: Wir müssen immer wieder vollkommen abhängig von Chinesen feld ist Mitglied der Akademieleitung. darum ringen, das ganze Bild zu zeigen, und Amerikanern. Und bei den Porta- nicht zuletzt, weil die Leute sowieso je- len gibt es de facto eine Monopolstel- derzeit selbst Öffentlichkeit herstellen lung von YouTube, Google, Facebook, können und es dann umso schmerzli- Amazon und anderen. Das ist die Aus- cher auffällt, wenn wir über bestimmte gangslage. Mein Appell lautet, dass wir Ereignisse nicht berichtet haben. Wir dem etwas entgegensetzen müssen. Ich müssen also allen Themen gegenüber bin überzeugt, dass Europa das kann. ein offenes Ohr haben und falls erfor- Mit Airbus, Galileo und den europäi- derlich auch aus Fehlern lernen. Aber schen Höchstleistungsrechnern gibt es wie gesagt: Die gravierendere Ursache Beispiele, dass Europa, wenn es Dinge für die Entwicklung ist meines Erach- beherzt angepackt hat, auch vorankom- tens der genannte Strukturwandel der men konnte. Außerdem ist das Silicon Öffentlichkeit. Valley nie nur von Pionieren in Gara- gen gegründet worden. Durch viele öf- Florian Schuller: Im Blick auf die fentliche Projekte, militärische und zivi- vorsortierenden Algorithmen ist Ihr le, wurde es staatlich mitsubventioniert Lieblingsthema das einer eigenen digita- und gefördert, auch durch rechtliche len Infrastruktur für Europa. „Europa Privilegien. Für mich heißt die Frage ist in Gefahr, die digitale Hoheit über nur: Nimmt man die Herausforderung sein kulturelles Erbe zu verlieren“, so sehr ernst oder nicht? Die Alternative, ein Zitat von Ihnen, Herr Wilhelm. Sie für die man natürlich genauso eintreten kämpfen dabei aber nicht nur für die öf- muss, wenn die erste Lösung nicht ge- fentlich-rechtlichen Rundfunksender, lingen sollte, wäre, dass wir dann zu- sondern ganz bewusst auch für die Pri- mindest über Regulierung die Dinge vaten und die Zeitungsverlage, wenn stärker in den Griff nehmen. Indem wir Sie fordern: Könnte es nicht so etwas klarlegen: Ihr seid nicht nur technische wie ein europäisches YouTube, ein eu- Plattformen, sondern verbreitet Inhalte ropäisches Google geben, in dem wir wie andere Medien auch und könnt mit den Werten, die uns prägen, dann nicht, wenn zum Beispiel der Holocaust Der BR-Intendant (re.) traf auch auf finanziellen Ausstattung des öffentlich- auch die Wirklichkeit stärker abbilden geleugnet wird, sagen: Damit haben wir Dr. Heinz Fischer-Heidlberger, den rechtlichen Rundfunks sind beide können? Im Moment scheinen Sie noch nichts zu tun. Präsidenten der Kommission zur Er- sicherlich nicht immer derselben ein einsamer Rufer in der Wüste zu mittlung des Finanzbedarfs der Rund- Meinung. sein. Was gibt Ihnen die Zuversicht, Florian Schuller: Aber gerade die funkanstalten (KEF). Bei Fragen der dass Sie hier nicht gegen Windmühlen Regulierung ist doch das Problem, wenn kämpfen? die Anbieter in anderen Erdteilen sitzen.

32 zur debatte 3/2019 Ulrich Wilhelm: Natürlich, der Arm uns da Einiges gelingen. Wir werden in des deutschen Rechts ist dann doch wenigen Wochen die ARD-Mediathek sehr kurz. Aber wenn Europa es ge- neu auflegen und das Nebeneinander meinsam macht, ist es erfolgverspre- der Mediathek für und der chender. Mediathek der ARD beenden. Wir ha- ben erstmals eine Audiothek der wichti- Florian Schuller: Und wer sind Ihre gen Kulturwellen der ARD und des Mitstreiter in diesem Kampf? Deutschlandfunks aufgelegt, die sehr gut angenommen worden ist und jetzt Ulrich Wilhelm: Deutschland und schon von einer halben Million Men- Frankreich etwa könnten hier gemein- schen genutzt wird. Die Verweildauern sam vorangehen. Ich war im Elysee-Pa- steigen. last und habe das Projekt vorgestellt. Sehr viel schwieriger ist der Dialog Über einen der engsten Berater von mit den Kreativen, weil ein Intendant Präsident Macron wurde mir dann in nach dem Gesetz zwar die Verantwor- einer kleinen Runde gespiegelt, Frank- tung hat für jede Sendeminute, aber bei reich würde das Thema gerne vorange- den vielen Programmen und deren trieben sehen. Gleichzeitigkeit immer nur Bewusstsein bilden kann: Zeigen wir das ganze Bild? Florian Schuller: Frankreich ist ja Sind wir unabhängig? Trennen wir im- auch bei der Filmpolitik immer sehr mer sauber Nachrichten und Kommen- staatlich ausgerichtet. tar? Das ist natürlich nicht zu jeder Mi- nute perfekt gelöst. Aber genauso gibt Ulrich Wilhelm: Ja, aber ich habe es sehr viele Ziele, denen Lehrer im Un- auch mit etlichen sehr renommierten terricht genügen müssen, und kein Kul- Der Moraltheologe Prof. Dr. Konrad Wissenschaftlern der TU München ge- tusminister kann sagen: Das läuft im- Hilpert (li.) tauschte sich mit Prälat redet, die mich beraten haben und mer alles in jeder Minute bilderbuchmä- Dr. Wolfgang Schwab aus, emeritierter ebenfalls anerkennen, dass das nicht ein ßig. Natürlich passieren Fehler; deshalb Domkapitular in der Erzdiözese vollkommen naiver Vorschlag ist, son- ist für mich der Umgang mit Fehlern München und Freising. dern durchaus so formuliert werden wichtig. Dass man es durchaus transpa- kann, dass er Chancen auf Realisierung rent macht, wenn Fehler passieren. hat. Im Übrigen gilt es, viel mit den Krea- tiven zu reden. Da muss ich aber selbst- Florian Schuller: Kommen wir zur kritisch zugeben: Wir muten den Kolle- ARD. Am 5. August 2018 gab es im Ta- gen in den einzelnen Häusern der ARD gesspiegel einen Gastbeitrag von Ihnen. viel zu, die Diskussion um die Inhalte, Tenor: Ja, die ARD muss sich verän- die Diskussion um immer neue Technik, dern. Neue Inhalte, mehr Publikumsdi- ein permanenter Personalabbau, perma- alog, auch Selbstkritik. Und dann, Sie nente Einsparrunden. Jeder Redaktions- hatten es vorher schon mal kurz ange- etat sinkt real, und zusätzlich immer sprochen: Welche Lebenswelten kom- wieder diese Frage: Gibt es uns über- men in der ARD zu wenig vor? Welche haupt noch in zehn Jahren, oder sind Veränderungen in der ARD sind Sie Spotify und YouTube an unsere Stelle schon angegangen? Man hört, dass Sie getreten? Das setzt Menschen natürlich auch gegen allzu viele Talkshows sind. unter Druck. Und dann noch zu sagen: „Lasst uns mal über die Gesellschaft Ulrich Wilhelm: Vielleicht als erstes: nachdenken. Wie können wir vielleicht Es gibt überhaupt kein einziges Medium noch besser unserem Publikum die- in der Welt, das nicht in intensivsten nen?“ – das ist schon ein Spagat. Veränderungen begriffen wäre, völlig unabhängig von Vorgaben und Wün- Florian Schuller: Sie haben eben das schen der Politik oder aus der Gesell- Thema Mediathek angesprochen. Da schaft heraus. Um der schieren Existenz drängt sich natürlich die Frage auf: Wie willen stehen hier alle unglaublich unter geht es mit der Konkurrenz zu den Pri- Druck – egal ob ein Medium Familien- vaten weiter? Sie haben den Gordischen unternehmen ist, börsennotiert oder öf- Knoten der gerichtlichen Auseinander- fentlich finanziert. Die digitale Verände- setzung durchschlagen, als Sie den ge- Ordinariatsrat Msgr. Dr. Siegfried Kneißl rung trifft alle Produkte, alle Geräte, planten Frequenztausch Ihrer Hörfunk- (re.) studierte mit Msgr. Wolfgang alle Ausspielwege, alle Berufsbilder. Das wellen PULS und BR-Klassik zurück- Huber, Präsident von missio München, große Tempo, das wir aufnehmen muss- nahmen; dadurch kam etwas Ruhe in die Teilnehmer liste. ten, ergibt sich aus der Natur der Sache. die Landschaft, aber trotzdem: Wie se- Zweitens: Die ARD ist kein Konzern. hen Sie das Verhältnis zu den Privaten Wir haben in fast allen wesentlichen und zwar zu den landesweiten, beson- Fragen den Zwang zur Einstimmigkeit. ders aber auch zu den regionalen und Neun Anstalten müssen sich auf den lokalen? unterschiedlichsten Hierarchieebenen immer wieder finden in der Diskussion Ulrich Wilhelm: Ich habe dort sehr um den richtigen Weg. Wenn es um das viele Freunde und Bekannte aus gemein- Geldausgeben geht, kann keiner, der ei- samen Jahren. Wir kommen ja oft aus nen Cent beiträgt, überstimmt werden, den gleichen Journalistenschulen, Vo- wir brauchen immer „neun zu null“. lontariaten oder Studienrichtungen. Es Dieser ständige Zwang zum Konsens gibt auch viele, die gewechselt haben. bedingt natürlich eine andere Art von Der Chef von n-tv zum Beispiel, im Mo- Führung, als wenn man alleine ent- ment Verbandspräsident des Verbandes scheiden könnte. In den beiden Jahren aller privaten Rundfunkunternehmen, unseres ARD-Vorsitzes ringen wir stark war mit mir gemeinsam freier Mitarbei- darum, strategische Antworten auf die ter beim BR in Freimann in den An- Digitalisierung zu finden. Ich habe er- fangsachtzigern. Von daher weiß ich na- reichen können, dass wir die vielen türlich auch sehr viel über die Persön- Kommissionen im Online-Bereich, die lichkeiten, die dort Verantwortung tra- über die Jahre gewachsen waren, auf gen. nur noch drei neue Entscheidungsfor- mate reduziert haben, nämlich ein Digi- Florian Schuller: Und über die Ge- talboard, ein Distributionsboard und hirnstrukturen, mit denen man dort ein Entwicklerboard. denkt? Da wird dann konzentriert von all denjenigen, die es angeht, über Fragen Ulrich Wilhelm: Ich bin überzeugt, geredet wie: Wollen wir mit bestimm- dass alle sich nach Kräften bemühen, ten Angeboten auf einer Plattform wie ihre Arbeit gut zu machen. Da gibt es Facebook sein? Welche neuen Produkte überhaupt keine Frage. Tatsächlich ent- Fr. Helmut Rakowski OFM Cap (li.) ist ler Christoph Brech, der immer wieder wollen wir? Macht es mehr Sinn, dass zündet sich der Streit immer an der geistlicher Direktor der katholischen mit der Katholischen Akademie in man zehn kleine digitale Angebote hat Marktversagenstheorie. Die heißt kurz- Journalistenschule ifp in München. Er Bayern in künstlerischen Projekten oder soll man lieber ein großes machen? gefasst: Soll der öffentlich-rechtliche fand Gesprächsstoff mit dem Fotokünst- zusammenarbeitet. Oder: Was macht die Konkurrenz? Ich Rundfunk nur die Angebote machen, bin überzeugt, im nächsten Jahr wird die die frei finanzierten Anbieter nicht

zur debatte 3/2019 33 machen können, oder soll er ein Ge- die letzten 30 Jahre verdreifacht. Es gibt samtangebot machen? In der Nische immer mehr von dem, was man special gäbe es vielleicht noch , , B5 interest nennt. Aber wir können uns aktuell, Bayern 2 oder Phoenix, aber nicht einfach selber einen Kanal wie viele andere Sender nicht mehr. BR-Klassik zuschreiben, das muss viel- Die Gegenthese hat immer das Bun- mehr immer das Parlament ausdrück- desverfassungsgericht vertreten, und die lich regeln. Das gesamte Wachstum – ist auch zutiefst angelegt in unserem vor allem in den 90er Jahren, wo vieles Grundgesetz. Sie besagt, dass es einen dazu kam, bei uns B5 aktuell, bundes- Garanten geben muss für gesellschaft- weit Phoenix, oder auch Arte – all das lich rückgebundene, der Öffentlichkeit war immer begleitet von gesetzgeberi- verantwortliche Berichterstattung im schen Gestattungen. umfassendsten Sinne. Also für die Ge- Manchmal haben die Gesetzgeber währleistung einer Grundversorgung. auch abgelehnt: Ein Sportkanal zum Das wurde bei Gründung der Bundesre- Beispiel wurde nie für möglich gehalten publik von der BBC übernommen. Die oder erlaubt. Ein reiner Nachrichten- BBC hat diese Trias: To inform, to edu- TV-Kanal auch nicht, weil es mit n-tv cate, to entertain. Also bewusst umfas- im Privaten schon einen gibt, der von send. Und darum geht der Streit seit der Politik geschützt werden sollte. Jahrzehnten. Aber in anderen Fällen, etwa bei B5 ak- Persönlich teile ich die Wertungen tuell oder zuvor beim Klassikprogramm des Bundesverfassungsgerichts und auch Bayern 4, hat der Bayerische Landtag unseres Bayerischen Verfassungsge- gesagt: Das erscheint uns vernünftig, da richtshofs, dass man nur mit einem brei- erweitern wir das Gesetz. Der Bayeri- Ilse Ruth Snopkowski, Vorsitzende der gemeinde München und Oberbayern, ten Angebot rechtfertigen kann, dass sche Landtag könnte beispielsweise Gesellschaft zur Förderung jüdischer Charlotte Knobloch, waren unter den alle dafür bezahlen müssen, sonst wür- ARD-alpha auch wieder einkassieren. Kultur und Tradition (re.), und die Gästen des Mittagsgesprächs. den im Prinzip alle für das bezahlen, Er könnte auch sagen, dass es statt der Vorsitzende der Israelitischen Kultus- was vielleicht leider nur wenige nutzen. fünf UKW-Wellen, die wir im Moment Da kämen wir in eine soziale Asymmet- haben, nur drei sein dürfen. Er müsste rie. Und außerdem wäre dann die Qua- dann aber auch die Diskussion in der lität des Inhalts für die Gesellschaft als Bevölkerung aushalten. Ganzes nicht mehr lückenlos zu gewähr- Deshalb: Weil sich die Gesellschaft leisten. immer mehr ausdifferenziert und es im- Das alles führte die Verfassungsgrün- mer mehr Lebenswelten gibt, immer der dazu, zu sagen: Wir wollen jeden- mehr Interessen, kann es überhaupt gar falls in einem wichtigen Teil der Öffent- kein Publikum mehr für nur eine Welle lichkeit die Garantie haben, dass die In- geben, die alles bietet. Wenn der öffent- halte gesellschaftlich verantwortet sind. lich-rechtliche Rundfunk in der Mitte Unabhängig vom Markt, den es ja wei- der Gesellschaft bleiben soll, dann muss ter als wichtigen Versorger gibt. Und der er bestimmte Formen der Entwicklung macht in Teilen wunderbare Angebote, im Land mitmachen dürfen. Ansonsten bei denen man wirklich nur sagen kann: kümmert er vor sich hin, wie es in den Respekt, Hochachtung, das würden wir USA der Fall ist. auch gerne zeigen. In Teilen natürlich auch stark boulevardeske Angebote, die Florian Schuller: Kommen wir zum refinanzierbar sind, aber das will ich BR. Was in dessen Programm sollte sich nicht bewerten. Das Ergebnis heißt für geändert haben, wenn Sie irgendwann mich: Wir sollten alles anbieten können, einmal als Intendant aufhören werden? Unterhaltung, Sport, Information, Bil- dung, Kultur und Klassik, aber dieses Ulrich Wilhelm: Da muss man be- Privileg klug so umsetzen, dass wir nicht scheiden sagen: Ein Intendant hat viel Sensationsberichterstattung machen, weniger Macht, als es scheinen mag. sondern auch vielen gehobenen Ansprü- chen dienen. Florian Schuller: Aber jetzt unter- treiben Sie ein wenig? Florian Schuller: Wie schaut es dann Im intensiven Austausch: Ordinariats- mit den Sportrechten aus? Ulrich Wilhelm: Naja, es war schon rätin Dr. Anneliese Mayer (li.), und Sr. schwierig genug, die Rundschau zu ver- Theodolinde Mehltretter, em. Gerneral- Ulrich Wilhelm: Der Sportrechteetat ändern. Die Übernahme der Tagesschau oberin der Kongregation der Barmherzi- ist gedeckelt. Wenn die Preise davon- im BR Fernsehen nehme ich auf meine gen Schwestern. laufen, beim Fußball zum Beispiel, ge- Kappe, um die Rundschau noch mehr hen wir längst nicht mehr überall mit, mit bayerischen Themen füllen zu kön- sondern lassen bestimmte Dinge auch nen. Sofort liefen schwierige Diskussio- liegen. Der Sportetat wird auch nicht nen mit der Redaktion: Ist eine halbe erhöht zu Lasten von Kinderprogram- Stunde nicht zu viel? Haben wir genü- men oder Kultur. gend Themen in Bayern und genügend Korrespondenten im ganzen Land? Florian Schuller: Sie sagen, der öf- fentlich-rechtliche Rundfunk ist für die Florian Schuller: Deshalb bauen Sie Gesellschaft im Ganzen bestellt und hat die Regionalstudios aus. die Aufgabe, so etwas Ähnliches wie das gemeinschaftliche Bewusstsein der Öf- Ulrich Wilhelm: Es war früher, in der fentlichkeit zu stärken. Andererseits Zeit von Ernest Lang, schon mal ausge- werden aber nicht nur in den Privaten, prägter – was das Radio und Meldun- sondern auch in den Öffentlich-Recht- gen aus den Regionen betrifft. Ursprüng- lichen immer speziellere Kanäle einge- lich war das Korrespondentennetz richtet. Früher konnte ich Volksmusik höchst leistungsfähig, dann hat es ein für eine Stunde oder mehrere Stunden wenig gelitten, und jetzt versuchen wir, im Programm von Bayern 1 hören. Jetzt an früher anzuknüpfen und zusätzlich kann ich sie 24 Stunden am Tag hören, Videokompetenz zu schaffen. Flächen- aber da trifft sich halt die eine Gruppe. deckende lokale Berichterstattung ist Es gibt bald für jeden Liebhaber einen uns im Rundfunkgesetz ja verboten. Wir eigenen Kanal. Sind nicht die Öffent- machen Themen, die aus Bayern für lich-Rechtlichen mit der Aufsplitterung Bayern interessant sein könnten. in einzelne Interessenkanäle doch abge- kommen von der Verpflichtung, die Ge- Florian Schuller: Aber das bleibt samtheit nicht nur zu repräsentieren, doch eine Definitionsfrage, oder? sondern auch zusammenzuführen? Ulrich Wilhelm: Ja, aber früher war Staatsminister a. D. Josef Miller (li.) direktors noch einmal an seine langjäh- Ulrich Wilhelm: Die Entwicklung das leider auch ein Thema der Logistik. und Akademiedirektor a. D. Dr. Florian rige Wirkungsstätte zurückgekehrt, um sehe ich natürlich auch. Sie gilt aller- Wenn in der Uni Passau etwas los war, Schuller kennen sich seit vielen Jahren. am 16. November 2018 das Gespräch dings für das gesamte Warenangebot in musste ein Team von München-Frei- Florian Schuller war nach seinem Aus - mit Intendant Ulrich Wilhelm zu unseren Ländern. Die Gesellschaft dif- mann nach Passau fahren, zwei Stunden scheiden aus dem Amt des Akademie- moderieren. ferenziert sich immer weiter aus. Die drehen und wieder zurück, damit das in Zahl der Zeitschriftentitel hat sich über die aktuelle Sendung kam. In München

34 zur debatte 3/2019 Die Landtagsabgeordnete Susanne Kurz Der Münchner Galerist Egbert Freiherr freute sich über die Gelegenheit, mit von Maltzahn und Ulrich Wilhelm im dem BR-Chef ausgiebig zu reden. Gedankenaustausch. konnte man Geschichten natürlich mit Florian Schuller: Sie haben vorhin weniger Aufwand drehen. Was mitunter gesagt, religiöse Themen sind Ihnen dazu geführt hat, dass der Weg als zu wichtig. Deshalb zum Schluss die ganz aufwendig angesehen wurde und man persönliche Frage: Was wäre in Ihrem im Zweifel mehr Themen aus den Bal- Leben anders, wenn Sie nicht Christ lungsräumen München und Nürnberg wären? gebracht hat. Weil wir uns jetzt mit den Kameraleuten und Videojournalisten Ulrich Wilhelm: Vermutlich alles, mehr verzweigen und in der Fläche weil es zutiefst eine jede Faser des Le- sind, wird, räumlich gesprochen, die Di- bens und der Persönlichkeit betreffende stanz in die Rundschau für Ereignisse Frage ist, ob man glaubt oder nicht aus den unterschiedlichsten Teilen Bay- glaubt. Vieles andere, Essen, Trinken, erns kürzer. Und das wird unserem Pu- Sport treiben, wäre wahrscheinlich ähn- blikum und auch uns selbst nützen. lich, aber die Einstellung an jedem Tag des Lebens ist einfach eine andere. Florian Schuller: Wird es in Zukunft auch Sendungen mit religiösen Inhalten Florian Schuller: Sie hatten vor Jah- im BR geben? ren einmal einen Focus-Fragebogen aus- gefüllt und in dem lautete die letzte Fra- Ulrich Wilhelm: Mir ist das persön- ge: „Schenken Sie uns eine Lebensweis- lich sehr wichtig, und wir werden in die- heit.“ Wissen Sie noch, welche Sie da- sem Bereich sicher immer wieder Ak- mals den Focus-Leserinnen und Lesern zente setzen. Der BR hat heute schon geschenkt haben? „Gott gebe mir die unter den dritten Programmen einen Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ganz besonderen Rang. Wir haben ja ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge Wirtschaftsleute unter sich: Heinrich Oberbayern sowie Landtagsabgeordne- auch die Kirchenkoordination innerhalb zu ändern, die ich ändern kann. Und Traublinger (li.), Münchner Traditions- ter a. D., unterhielt sich mit Dr. Michael der ARD und in Rom unser Studio, um die Weisheit, das eine vom anderen zu unternehmer, ehem. Präsident der Kerkloh, dem Chef des Münchner Flug- auch aus dem Vatikan über Glaubens- unterscheiden.“ Was haben Gelassen- Handwerkskammer von München und hafens. themen, über Kirchenthemen zu berich- heit oder Mut oder Weisheit mit Gott ten. Ich sehe nicht, dass wir uns zurück- zu tun? ziehen oder schwächer würden. Im Ge- genteil. Das Interesse in den von der Be- Ulrich Wilhelm: Mut, so glaube ich, schleunigung erfassten Gesellschaften sehr viel. Würde man sich im Leben nur wird sich wieder stärker hinwenden zu auf sich alleine verlassen können, wä- spirituellen Themen. Das ist nicht immer ren wahrscheinlich viele Leute nicht mit Themen der Kirchen verbunden, mutig, weil diese Geworfenheit in die aber als Grundbedürfnis der Menschen Existenz, dass man jede Sekunde unter- bleibt es. Und deshalb müssen und wer- gehen kann, mutlos machen kann. Die den wir den Kirchen- und Glaubensthe- Gelassenheit ist wahrscheinlich mehr men im Programm Raum geben. Temperamentsache. Schön wäre es, Weil Sie vorher umfassender gefragt wenn man auch die Gelassenheit in der hatten, was im Programm alles noch Religion erden könnte, aber es gibt eine Rolle spielen soll: Neben dem The- Menschen, die sind immer unter Strom. ma Regionalität ist auch wichtig, dass wir weiterhin dem Hörspiel, aber auch Florian Schuller: Und Sie? dem Spielfilm und der Serie verpflichtet sind. Es geht darum, nicht immer nur Ulrich Wilhelm: Bei mir wechselt es. auf den Kopf zielende Botschaften zu Wenn mich ein Thema packt, versetzt haben, sondern sich den großen The- mich das in große Bewegung. Umge- men der Welt auch über fiktionale An- kehrt muss man, wenn man viele The- gebote zu nähern, gemütsvoller, seelen- men zum Abarbeiten hat, die man aber voller, intuitiver. Bei geschichtlichen nicht gut voranbringen kann, auch das Themen, auch bei Dokumentationen, aushalten und mit Niederlagen leben habe ich jetzt erste Vorkehrungen ge- können. Wenn einem im Leben 50 % troffen. Was die Musik anbelangt: Unse- plus ein bisschen was gelingt, und 50 % re Klangkörper liegen mir sehr am Her- minus ein bisschen was misslingt, dann zen. Wir erreichen insgesamt, was kaum hat man es eigentlich schon gut ge- jemand weiß, 150.000 Schüler in ganz macht. Deutschland, die an Musikerziehungs- projekten der Klangkörper der ARD Florian Schuller: Ein wunderbar op- teilnehmen. Die Musiker gehen raus und timistisch-realistisches Schlusswort. Diplomingenieur Ludwig Findler aus unterstützen auf diese Weise eine Annä- Ganz herzlichen Dank! „ Wolfratshausen (re.) und Dr. Wolfgang herung von Kindern und Jugendlichen Stöckel, Mitglied im BR-Verwaltungsrat an die klassische Musik. Das ist wirk- und lange Jahre Vorsitzender des lich ein beachtlicher gesellschaftlicher Bayerischen Journalistenverbands BJV. Beitrag.

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