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SWR2 Musikstunde

CON FUOCO – MIT FEUER UND FLAMME (5)

Von Sabine Weber

Sendung: Freitag , 08. August 2014 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Ulla Zierau

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Musikstunde mit Sabine Weber CON FUOCO – MIT FEUER UND FLAMME Folge 5 Heilige Feuer!

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Signet

Ich bin Sabine Weber. Herzlich Willkommen zur letzten Folge von Con Fuoco – Mit Feuer und Flamme.

Titelmusik

Und was würde den flammenden Bogen dieser Woche besser abrunden können als heilige Feuer? Bereits im ersten Jahrtausend vor Christus brannten sie. Die Feueranbeter um den persischen Religionsstifter Zarathustra huldigten der reinigenden Kraft des Feuers. Auf jedem ihrer Altäre brannte es. Und eine der bedeutendsten Kultstätten wurde auf der Halbinsel Apsheron im Kaspischen Meer, unmittelbar vor der heutigen Hauptstadt Aserbaidschans, vor Baku, errichtet. Dort schoss das magische Feuer nämlich einfach so aus dem Boden. Dank immenser Öl- und Gasvorkommen, direkt unter der Erdoberfläche. Die natürlichen Feuer sind inzwischen erloschen, aber der Kubus-förmige Tempel steht noch. Der französische Komponist Jean-Philippe Rameau hat ihn 1749 auf die französische Bühne gebracht. In einer Oper über die Lichtgestalt Zarathustra im Kampf gegen das dunkle Böse. Natürlich ist Liebesdrama und sind Balletteinlagen mit eingearbeitet, die in damaligen Opern unverzichtbar sind. Und Feuer lodert bei der Premiere in Paris nicht nur aus der nachgebauten Tempelanlage, die vor allem im letzten Akt für großen Bühnenzauber gesorgt haben soll. Gleich zu Anfang schlagen orchestrale Funken aus der Ouvertüre. Feuerblitze zucken von unten nach 3 oben, werden von den Violinen in den Himmel geschleudert und verwandeln Dunkles in aufleuchtend Helles!

1) Länge: 4’48 LC 00761 deutsche harmonia mundi dhm GD77144

Jean-Philippe Rameau, Ouvertüre zu La petite Band, (LTG)

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Die Ouvertüre zur Oper Zoroastre von Jean-Philippe Rameau – dem legendären persischen Religionsstifter Zarathustra gewidmet, der in seiner Kultgemeinde im ersten vorchristlichen Jahrtausend das Feuer anbeten ließ. Es spielte La petite Bande unter Sigiswald Kuijken.

Heute erleuchten heilige Feuer die SWR2 Musikstunde. Wehe, wenn im alten Rom das heilige Herdfeuer ausging, das die keuschen Vestalinnen in ihrem Tempel zu bewachen hatten! Das war ein Menetekel für den Staat, ein böses Omen für die Menschen, ein Drama für die Vestalin. Grausam wurde sie bestraft, die Vestalin wurde lebendig begraben.

Dieses Schicksal droht auch der jungen römischen Vestalin Claudia in Christoph Willibald Glucks Oper L'innocenza giustificata. Sie hat das Herdfeuer nicht nur ausgehen lassen. Ihr wird auch noch unterstellt, dass sie ein Verhältnis mit dem ihr zugeneigten jungen Römer Flavius habe. Nur ein Gottesurteil – ein Wunder - kann sie retten. In ihrer Cavatina Fiamma ignota, fühlt sie auch ein unbekanntes Feuer in sich aufsteigen. Gott entzündet sie, damit sie über sich selbst hinaus wachse.

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2) Länge: 3'21 LC 00761 deutsche harmonia mundi dhm 82876 587962

Willibald Gluck, Arie der Claudia Fiamma ignota aus: 2. Akt L'innocenza giustificata Maria Bayo, Sopran, Marina de Liso, Sopran, Andreas Karasiak, Bariton, Cappella Coloniensis, Christopher Moulds (LTG

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Und gleich wird die Vestalin Claudia euphorisch durch die in ihr gezündete Flamme Gottes das Wunder vollbringen. Nur mit ihrem Gürtel zieht sie betend und singend ein festgefahrenes Schiff mit einer heiligen Statue an Bord in den sicheren Hafen Roms. Damit ist sie rehabilitiert – L'innocenza giustificata, Die wiederhergestellte Unschuld heißt auch diese Oper oder Festa Theatrale von Christoph Willibald Gluck. Sie wurde 1755 für den Geburtstag des habsburgischen Kaisers Franz I. Stephan komponiert und im Wiener Burgtheater uraufgeführt. Wir hörten Maria Bayò und Marina de Liso in den Rollen der Vestalinnen und Andreas Karasack als von der Unschuld der Priesterinnen überzeugter römischer Konsul! Es musizierte in dieser Aufnahme die Cappella Coloniensis unter der Leitung von Christopher Moulds.

Die SWR2 Musikstunde handelt heute von heiligen Flammen. In der Christlichen Symbolik ist die brennende Osterkerze ein sprechendes Symbol. Sie wird in der Osternacht an einem frischen Feuer draußen entzündet und in die Kirche getragen. Dabei ruft der Diakon dreimal, jeweils in einer höheren Tonlage: Lumen Christi, Licht Christi! Dann wird im Hymnus Exsultet dem Jubel und Frohlocken der Engelschöre Ausdruck gegeben. Denn Christus, der Erlöser, ist auferstanden! Hier das Exsultet jam Angelica turba wie es in einem in der Bayerischen Staatsbibliothek aufgefundenen Manuskript aus dem 16. Jahrhundert überliefert ist.

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3) Länge: 2'25 LC 7045 harmonia mundi France 907076 LV 7045

Exsultet aus der Ostervigil (Ms Clm 7461) Paul Elliott, Gesang

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Das Exsultet jam angelica turba, ein Hymnus aus der Ostervigil und ein Lobgesang auf das zurück gekehrte Licht - symbolisiert in der entzündeten Osterkerze. Es sang Paul Elliott.

Das östernächtliche Lob auf das Licht, die Kerze, geht auf das 4. Jahrhundert zurück. In Giovanni Palestrinas Buch der Hymnen auf alle Zeiten findet sich ein Exsultet coelium laudibus. An den gregorianisch einstimmigen Zeilen zwischen den fünfstimmig gesetzten Chorstücken hört man, dass es sich um liturgische, also in der Messe zu singende Musik handelt. Palestrina galt nach dem Tridentinischen Konzil Mitte des 16. Jahrhunderts als der Vorzeigekomponist einer neu beschlossenen Kirchenmusikreform. Und mit diesem Exsultet huldigt Palestrina in musikalisch korrektem Sinne dem Kerzenlicht, oder wie es im Hymnus heißt: „...der kostbaren Kerze, die entzündet wurde am lodernden Feuer zum Ruhme des Höchsten. … Und geweiht zum Ruhm deines Namens, leuchte die Kerze fort, um in dieser Nacht das Dunkel zu vertreiben. Nimm sie an als lieblich duftendes Opfer, vermähle ihr Licht mit den Lichtern am Himmel.“

4) Länge: 7'15 LC 00280 MUSIDISC 4768504

Giovanni Palestrina, Exsultet coelium laudibus (1589) Ensemble Vokal Sagittarius, Michel Laplénie (LTG)

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Das Ensemble Vocal Sagittarius unter Michel Laplénie mit dem Exsultet coelium laudibus. Der Hymnus Exsultet, der seinen Platz in der Osternachtliturgie hat, enthält auch ein Lob auf die Bienen, weil sie ja für das duftende Wachs der Kerzen sorgen. Die Tradition der Osternachtfeier wurde übrigens nach langer Unterbrechung erst 1955 von Papst Pius XII. wieder eingeführt. Die altchristliche Liturgie hat etwas Magisches und inspiriert auch zeitgenössische Komponisten. Der 1959 geborene schottische Komponist James MacMillan hat das Osterlob in eine klangsymbolische Dramaturgie für Blechbläser übersetzt. Fanfarenartige, tiefe Blechbläserklänge steigen im ersten Teil aus der Tiefe auf. Die Tonhöhen sind dabei festgelegt. MacMillan überlässt den Spielern aber, wie lange sie die Töne halten wollen.

5) Länge: 7'23 WDR Eigenproduktion

James MacMillan, Exsultet Bundesjugendorchester, Alexander Shelley (LTG)

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Langsam aus der Tiefe hinauf ans Licht. Und dann mächtige Akkordblöcke für den Triumph der ewig leuchtenden göttlichen Macht. Das war das Osterlob Exsultet von James MacMillan 1998 für Orchester komponiert und später für Blechbläser und Schlagzeuger arrangiert, hier gespielt vom Bundesjungendorchester unter der Leitung von Alexander Shelley. Mit diesem Stück unter anderen ist das BJO im April und Mai auf Ostertournee unterwegs gewesen.

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In dem Hymnus Exsultet der altchristlichen Liturgie steht das Entzünden der Kerze symbolisch für die Auferstehung Christi, für das göttliche Licht! Die Flammen, denen wir auf der Erdoberfläche tatsächlich begegnen, haben eine zwiebelförmig geometrische Form. Eben so wie die Kerzenflamme. Eine andere typische Eigenschaft der Flamme ist, wenn mit der Hand ein Luftzug verursacht wird. Dann flackert die Flamme. Wie aber sieht das Feuer im himmlischen Jenseits aus? Die Bibel spricht ja vom ewigen Licht. Flackert es auch im luftleeren Raum?

Bei Olivier Messiaёn flackert himmlisches Feuer in einem gewaltigen Orchesterstück. Eclairs sur l'au delà handelt von der Jenseitigkeit, beziehungsweise von der Erfahrung des Todes in 11 Sätzen. „Der Weg ist lang und der Aufstieg zum ewigen Licht schwer!“ schreibt Messiaёn 1992 zu dieser Komposition. Aber schließlich ist das Paradies erreicht. „Ich stellte mir vor, ich stünde vor einem Vorhang, im Dunkel, und war etwas besorgt, was sich dahinter befinden würde: die Ewigkeit, das andere Leben...“ Éclairs – Geistesblitze, könne er, Messiaёn, sich da vorstellen. „Natürlich spreche ich von Christus, der das Licht der Auferstandenen sein wird: Sie werden erleuchtet sein, weil Christus leuchtet!“

6) Länge: 7’40 LC 06646 EMI 7243 5577882

Olivier Messiaёn, Le Christ, lumière du Paradis aus Éclairs sur l’au-delà Berliner Philharmoniker, Simon Rattle (LTG)

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Le Christ, lumière du Paradis - Christus, das Licht im Paradies. Ein sanftes doch starkes Licht erhellte auch den letzten so überschriebenen Satz aus Eclairs sur l'au delà von Olivier Messiaёn, hier in einer Interpretation mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle. 8

Dieses verklärte, reine, sanft gelb-gold strahlende göttliche Licht reizt geradezu, das Gegenteil leuchten zu sehen: die glutrote, rauchende schwefelig stinkend-heiße Hölle. Bei dieser Vorstellung steigen sicherlich diverse Bilder vor dem inneren Auge auf.

Die Hölle auf Erden haben Hanns Eisler und Bertolt Brecht tatsächlich gefunden. In Hollywood! An keinem anderen Ort sei ihm das Leben so schwer gefallen wie „in diesem Schauhaus des easy-going“, schreibt Bertolt Brecht. 1941 ist er in die USA, nach Los Angeles geflüchtet. Düster bis sarkastisch dichtet er über die Stadt, die zwar nach Engeln benannt sei, „die aber nach Öl riechen würden und blaue Ringe unter den Augen hätten. Und die Musiker“, so schimpft Brecht weiter „gehen auf den Strich. Und auf dem Markt würden Lügen verkauft“.

Die Stadt habe ihn belehrt, so Brecht in einem weiteren Gedicht, dass Paradies und Hölle in einer Stadt sein können.

Freund Hanns Eisler hat unter anderem dieses Brechtgedicht für sein Hollywood-Liederbuch vertont. Der Bariton Matthias Goerne und Eric Schneider am Klavier haben die fünf Elegien aus dem Songbook aufgenommen.

7) Länge: 5'25 LC 00171 DECCA- 460582-2 Hanns Eisler, Fünf Elegien aus Hollywood-Songbook Matthias Goerne, Bariton, Eric Schneider, Klavier

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Matthias Goerne begleitet von Eric Schneider mit den Fünf Elegien für Bariton und Klavier aus dem Hollywood-Songbuch von Hanns Eisler, 1942- 9

47 komponiert. Eine eisige Bestandsaufnahme der Exulanten in Los Angeles während des Zweiten Weltkrieges. Das Paradies kann eben die Hölle auf Erden sein.

Die Braven kommen in den Himmel und die Frechen überall hin. Die Hölle kann auch das Paradies sein, wo es wunderbar feurig und heiß zugeht. Das findet auch Katinka in Antonin Dvoraks volkstümlichem Opernschwank Die Teufelskäthe. Die tanzwütige Katinka, zunächst von einem tanzenden Unterteufel in die Hölle entführt, fühlt sich so wohl, dass sie trotz des Befehls von Oberteufel Luzifer nicht zurück kehren will. Die List ist wieder ein Tanz, mit dem Katinka feurig hinaus gewirbelt wird. Und dieser Tanz hat natürlich alle slawischen Heißgewürze in sich. Katinka und ihr Tanzpartner Jirka werden förmlich aus der Hölle herausgeschleudert!

8) Länge: 4'13 LC 06458 MONS Records MR 874 375 Antonin Dvorak, Höllentanz aus Die Teufelskäthe op 112 SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern, Emmerich Smola (LTG)

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So lässt es sich auf Erden höllisch Tanzen. Das war der Höllentanz aus Antonin Dvoraks Oper Die Teufelskäthe Opus 112 mit dem SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern unter Emmerich Smola.

Das flammende Wochenabenteuer ist zuende, das von Feuerlustwerken, Flammen-Mythen und Sagen, von heißen Eisen im Feuer, von Feuersnöten und heute in der letzten Folge von heiligen – na ja und weniger heiligen Flammen gehandelt hat. Wir sind ja gerade aus der Hölle getanzt. 10

Ich hoffe, Sie hatten Spaß und Freude. Wir stellen die Sendung für Sie noch eine Woche lang als Podcast auf unserer SWR2 Seite zum Nachhören ins Netz . Auch das Skript dazu könnten Sie, so Sie mögen, dort finden.

Und damit verabschiedet, bedankt sich fürs Zuhören und wünscht Ihnen ein schönes gut temperiertes Wochenende! Ihre sw