Grünfläche Zeitschrift der GRÜNEN in Hessen 2/10

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8CF6?696DD6? 56 8CF6?696DD6? 56 30 Jahre GRÜNE Hessen und Grüner Tag 2010 Editorial · Inhalt · Impressum

Liebe Freundinnen und Freunde, in der Mitte des Jahres 2010 stehen In welcher Gesellschaft wollen wir werden an diesem Tag dabei sein. wir Grüne in Europa, in Deutsch- leben? Welche Aufgaben hat dabei In welchem Land wollen wir leben? land, in Hessen und in den Kom- der Staat? Welche Mittel braucht Für uns sind Gerechtigkeit, Bildung munen gut da: Glaubwürdigkeit dazu der Staat? Und woher kom- und eine intakte Umwelt gerade und ideologiefreie, an Lösungen men diese Mittel? auch Themen vor Ort: in den Kom- orientierte Konzepte Um sich heute in dieser Position zu munen. Schon heute gestalten wir sind zu Markenzei- befinden, haben wir Grüne (und in vielen Kommunen mit – doch wir chen unserer Politik natürlich auch Bündnis 90) einen wollen stärker werden. Am 27.März geworden. Als Par- weiten Weg zurück gelegt: Von den 2011 werden bei den Kommunal- tei der linken Mitte Gründungszeiten mit einer Vielzahl wahlen neue Weichen stellen. Lasst mit starker ökologi- unorthodoxer Individualisten bis uns den 19. Juni zu einem fulminan- scher Ausrichtung heute zu einer Partei der innova- ten Auftakt für das Werben um die und einem weitem tiven Individualisten. Der 19. Juni Bürgerinnen und Bürger machen: Verständnis von Ge- 2010 – mit Grünem Tag und unse- Für unsere Konzepte und für die rechtigkeit schaffen rer 30-Jahre-Geburtstagsfeier – gibt Mitarbeit auf unseren Listen. wir es zunehmend, uns Gelegenheit, den nostalgischen Lasst uns am 19. Juni 2010 erfolg- wenn bisher auch nur schrittweise, Blick in die Vergangenheit mit dem reich arbeiten und anständig feiern! eine umfassende gesellschaftliche konstruktiven Blick in die Zukunft Ich freue mich auf Euch.• Debatte anzustoßen mit zentralen zu verbinden und dabei auch noch Fragen, die Bürgerinnen und Bürger anständig zu feiern. Und viele Weg- Herzlich gerade in Krisenzeiten interessieren: gefährtinnen und Weggefährten Eure Kordula Schulz-Asche

Inhalt Grüner Tag 1-4 Von der Chaostruppe zur stinknor- Grußworte der Landesvorsitzenden malen Partei • Christoph Risch von CDU, SPD, FDP und Linke Grüner Tag – Vorstellung der Workshops Der BUND gratuliert • Michael Rothkegel Erfolgreiche Hessen-Exporte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN HESSEN Grußwort der baden-württemberg- GRÜNE Jugend Hessen 5 – Eine lernende Orgainsation • ischen GRÜNEN • Jochen Ruoff Herzlichen Glückwunsch zum Trau keinem über 30 • Ingrid Borretty Geburtstag – Mehr Mut zur kontrover- Vom Wollpulli zum Kulturstrick • Kleine Chronik II Martin Häusling sen Debatte! • Philipp Hinrichsmeyer 30 Jahre Stadtteilarbeit im Nordend Das legendäre Shanghaier Kugelfisch- – ein persönlicher Rückblick • Jörg 30 Jahre GRÜNE Hessen 6-21 abkommen • Bernd Messinger Haraschain Das Blutattentat • Frank Schwalba-Hoth GRÜNE Landesvorstände 1979-2010 Kleine Chronik III Kleine Chronik I 30 Jahre GRÜNE Hessen – eine Service - Termine historische Betrachtung • Christoph Zwei Generationen an einem Tisch • Becker-Schaum Interview

Impressum

Herausgeber: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen · Kaiser-Friedrich-Ring 77 · 65185 Wiesbaden Telefon: 06 11 . 98 92 0 . 0 · Telefax: 06 11 . 98 92 0 . 33 · [email protected] · www.gruene-hessen.de Redaktion: Katja Meier · Benjamin Weiß Fotos/Plakate: Karin Hill · Martin Häusling · Michael Rothkegel · Archiv Grünes Gedächtnis, Berlin V.i.S.d.P.: Kai Klose (Politischer Geschäftsführer) Layout: Verena Ehlert · Katja Meier

2 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 Grüner Tag

Workshops am Vormittag

V1 GAK e.V. V2 LAG Wirtschaft und Finanzen Bürgerhaushalt Mehr Geld – die einzige Antwort auf Über wichtige Angelegenheiten sollen laut HGO leere kommunale Kassen? die Bürgerinnen und Bürger von ihrer Kom- Die schwache Konjunktur, aber auch schwarz-gelbe mune einmal im Jahr informiert werden; und Steuergeschenke, treiben die kommunalen Defizite was ist schon wichtiger als das liebe Geld? So auf neue Rekordhöhen: Voraussichtlich werden Krei- entstand die Idee des Bürgerhaushalts, ange- se, Städte und Gemeinden 2010 deutschlandweit 12 regt durch internationale Bespiele in Porto Aleg- Mrd. Euro Schulden aufnehmen müssen, fast 4 Mrd. re (Brasilien) und Christchurch (Neuseeland). mehr als in der bisher schwersten kommunalen Fi- Mit Bürgerinnen und Bürgern den Haushalt nanzkrise 2003. Für viele Gemeindeparlamente ist es diskutieren? „Unmöglich“ war zu Beginn die Alltag geworden, immer neue Haushaltssicherungs- einhellige Meinung der kommunalen Exper- konzepte zu erarbeiten. Statt über zukunftsweisen- ten. Dass es doch geht beweisen neben Groß- de Umwelt-, Verkehrs- oder Sozialpolitik zu debat- städten wie , Köln oder Freiburg auch tieren, beherrscht die desolate Finanzlage die kleinere wie Bannewitz (Sachsen), Bad Wil- Tagesordnung. Welche Vorschläge haben DIE GRÜ- dungen (Waldeck-Frankenberg) oder Groß- NEN, um die kommunalen Steuern zu stabilisieren? Umstadt (Darmstadt-Dieburg). Dabei werden Wie kann der längst aus dem Ruder gelaufene Kom- durchaus unterschiedliche Wege beschritten. munale Finanzausgleich reformiert werden, um den Im Workshop wollen wir die Bausteine eines demographischen Wandel zu berücksichtigen und für Bürgerhaushaltes und seiner Einführung be- einen modernen Sozialstrukturausgleich zu sorgen? trachten, Querverbindungen zum „BürgerIn- Und was können die Kommunen selbst beitragen, nenhaushalt“ (Gender Budgeting) herstellen um ihre vielfältigen Aufgaben ohne neue Schulden und die Frage diskutieren, wie „Sparen unter zu erfüllen? Diese Fragen wollen wir gemeinsam mit Bürgerbeteiligung“ aussehen kann. • Euch diskutieren. •

V3 LAG Soziales V4 GRÜNE Jugend Kindergärten zu Bildungsgärten? Umwelt und Gerechtigkeit Die LAG Soziales lädt ein zu dieser span- Die Grüne Jugend Hessen möchte gemeinsam mit Euch das Thema nenden Frage der Zukunft der Kindergär- „umweltbezogene Gerechtigkeit“ diskutieren. Dabei geht es uns ten und damit der frühkindlichen Bil- darum, den bislang eher vernachlässigten Grenzbereich von Um- dung. welt- und Sozialpolitik in den Vordergrund zu stellen. In den USA Dieses Thema wird zur Kommunalwahl ein ist das Thema „Environmental Justice“ schon seit den 80ern im Zen- bestimmendes, nicht zuletzt deshalb, weil trum von Gerechtigkeitsdebatten. Wir wollen uns mit der Frage be- die CDU/FDP-Landesregierung 2010 ein schäftigen, welche kommunalen Handlungsmöglichkeiten es gibt, hessenweites Schulvorbereitungsjahr ein- um auf die sozial und räumlich ungleiche Verteilung von Umwelt- führen wird. Dies wird zu pädagogischen belastungen, die zu ungleichen Gesundheitsrisiken bei davon be- und politischen Unruhen führen, auf die wir troffenen Bevölkerungsgruppen führt, zu reagieren. Ziel ist es, die eine grüne Antwort brauchen. Debatte um Umwelt- und Klimaschutz in ihrer sozial- und gesund- Also: Verschulen der Kindergärten oder ist heitspolitischen Dimension auch in Hessen zu verankern. alles so, wie es ist, in Ordnung? Neue Me- Für unseren Workshop haben wir Dr. Heike Köckler vom Centrum thoden und Zielvereinbarungen? Kurz: Wel- for Environmental Research der Uni Kassel gewinnen können, die ches Konzept wollen wir GRÜNE in den Kin- uns das Thema näher bringen möchte. Gemeinsam wollen wir kom- dergärten, wie viel Bildung soll es sein? • munale Handlungsmöglichkeiten diskutieren. •

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 1 Grüner Tag

V5 LAG Migration und Flucht „Best Practice in Town – Wie gestaltet sich erfolgreiche Integration vor Ort?“ Das allseitige Bemühen um Integration vor Ort ist schon übertragbar? Welche Strategien sind notwenig um eine immer Bestandteil GRÜNER Kommunalpolitik. Im Lau- Teilhabegerechtigkeit zu garantieren? Anhand dieser fe der Jahre haben sich viele Kommunen dieser Her- Ausgangsfrage wollen wir ein sichtbares Profil grüner ausforderung mit großem Engagement gestellt. In un- Integrationspolitik erarbeiten. Die künftigen Heraus- serem Workshop wollen wir grüne Integrationspolitik forderungen in einer Gesellschaft mit kultureller Viel- in den hessischen Städten, Kreisen und Gemeinden bi- falt werden in erster Linie die Kommunen betreffen. lanzieren. Integration geschieht vor Ort. An diese Aussage an- Welche Konzepte haben sich als erfolgreich erwiesen knüpfend ist es auch von Wert, sich über die Zustän- und sind möglicherweise auch auf andere Kommunen digkeiten der Kommunen Gedanken zu machen. •

V6 Grüne Alte Erfahrungen nutzen – Kommunen mitgestalten

Die Generation 50 bis 70 wird schon 2015 mehr als die Hälfte der Bevölkerung bilden – auch in den Kommu- nen. Ehrenamtlich sind viele von ihnen in Vereinen und gesellschaftlichen Gruppen organisiert. Doch wie gelingt es, mehr ältere Menschen – auch mit grünen Ideen – für die „Mühen der Ebene“ in der Kom- munalpolitik zu gewinnen? Menschen dieser Generation werden in diesem Forum von ihren Erfahrungen berichten und Vorschläge für den anstehenden grünen Kommunalwahlkampf machen. •

Workshops am Nachmittag

N1 LAG Frieden, Europa und Internationale Politik Öffentliche Beschaffung

Das Problem von Steinen aus Kinderarbeit in deutschen Fußgängerzonen hat es in die Medien geschafft. Damit wird die Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Thema gelenkt: Die Verantwortung der Kommunen für die Einhaltung von Arbeits-, Sozial- und ökologischen Standards – in Europa und weltweit. Aus der Zivilgesellschaft gibt es Initiativen in diese Richtung, etwa die Kampagne für saubere Kleidung, die sich dafür einsetzt, dass bei der Beschaffung von beispielsweise Feuerwehruniformen die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingehalten werden. Marburg ist „Fair-Trade-Town“ geworden, andere hessische Kommunen wie Frankfurt und Gießen sind auf dem Weg dorthin. Das ist eine attraktive Möglichkeit, das Thema öffentliche Beschaffung anzuge- hen. In diesem Workshop sollen die bisherigen Erfahrungen in den Kommunen mit dem Ziel ausgetauscht und ausgewertet werden, für Grüne Kommunalpolitik Argumentations- und Aktionshilfen für die Kom- munalwahl 2011 zu erarbeiten und so das Thema öffentlichkeitswirksam zu verbreiten. •

2 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 Grüner Tag

N2 Frauenrat Das bisschen Haushalt? Chancen und Techniken eines geschlechtergerechten Kommunalfinanzhaushalts Die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern setzt voraus, dass Frauen und Männer gleichermaßen von den Gütern, Ressourcen und Chancen der Gesellschaft profitieren und daraus Nutzen ziehen können. Eine dieser Ressourcen sind die Budgets der Kommunen. Diese haben als in Zahlen gegossene Politik direkte Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft. Das Ziel von Gender Budgeting ist nicht mehr Geld für ein Geschlecht oder das andere, sondern die gerechte und effiziente Aufteilung im Sinne der Chancengleichheit. Im Workshop wollen wir der Frage nachgehen, wie Gender Budgeting in der Kommune konkrete Anwendung fin- den kann. Auf welche Ausgaben aber auch Einnahmen muss besonderes Augenmerk gelegt werden, damit der Haushalt zur Gleichstellung der Geschlechter und kommunalen Inklusionsstrategien beitragen kann? •

N3 LAG Kultur N4 LAG Christinnen und LAG Behindertenpolitik Raum für kreative Potentiale – Menschenwürde — all inclusive? konkrete Forderungen zur Unterstützung Kommunale Umsetzung der Inklusion der Kreativwirtschaft von behinderten Menschen Die Unterstützung der „Kreativwirtschaft“ ist gerade Mode Aktive Solidarität gegenüber Menschen mit Behinderun- und damit in aller Munde, wenn es um Standortförderung gen fängt spätestens vor der Haustür in der Kommune geht. Auch wir Grüne wollen Kreative fördern, betonen al- an. Sie ist konsequente Auswirkung der grundgesetzlich lerdings, dass es uns hier nicht primär um das wirtschaftli- garantierten Menschenwürde. Menschenwürde muss auch che Interesse geht. In unserem Landtagswahlprogramm den Menschen umfassen, der noch nicht/nicht mehr/ge- heißt es dazu: „Die Entwicklung künstlerischer und kreati- nerell nicht zu autonomem Handeln in der Lage ist. ver Talente und Chancen ist daher nicht allein ein Gebot Das „Prinzip Inklusion“ fordert Verhältnisse im öffentli- ästhetischer und humanitärer Dimension, sondern Bedin- chen Bereich, die den Bedürfnissen aller Menschen ge- gung dafür, dass Städte und Regionen im globalen Wett- wachsen sind, so dass niemand ausgesondert wird, weil bewerb attraktiv, lebendig und wirtschaftlich erfolgreich er/sie den äußeren Anforderungen, z.B. der Schule, nicht sind.“ entsprechen kann. Wir wollen mit Euch diskutieren, welche konkreten Rah- Wir laden zur Diskussion ein: zur Sensibilisierung durch menbedingungen die kreativen Szenen in Hessens Städ- die „Behindertenrechtskonvention der UN“, zum Erken- ten und Gemeinden brauchen. Dafür wollen wir auch For- nen von Defiziten in der Umsetzung von Menschenwür- derungen und Vorschläge erarbeiten, die Ihr vor Ort für de (z.B. Förderschulen, Barrierefreiheit), zur Einbindung die Kommunalwahl nutzen könnt, um das für uns wichti- der Kompetenzen behinderter Menschen, zum wirkungs- ge Klientel anzusprechen.• vollen grünen Handeln auf kommunaler Ebene. • N5 LAG Umwelt Weniger ist mehr – die Flächenversiegelung muss reduziert werden! Wir meinen: Wachstum geht auch an- fläche von 12,3 auf 15,4 Prozent (2008) sen und Rhein-Main gerade die Erho- ders! Flächenschutz hat eine Schlüs- der Landesfläche. Dies ging zulasten lungsflächen, ein wichtiger weicher selfunktion für viele andere grüne Um- landwirtschaftlicher Flächen, deren An- Standortfaktor, verbaut sein. Auch die weltziele. Vor allem die Planung und teil von 46,3 Prozent auf 42,2 Prozent landwirtschaftliche Nutzfläche ist viel der Umgang mit dem Boden durch die schrumpfte. wertvoller als viele glauben – brauch- Kommunen müssen sich ändern! Das hört sich zunächst nicht so beein- ten wir sie schon in den letzten Jahr- Nach Angaben der schwarz-gelben druckend an, über die Jahre kommen zehnten, um von Intensivnutzung auf Landesregierung werden in Hessen täg- so aber Tausende Hektar zusammen ökologischen Landbau umzusteigen, lich im Schnitt 3,6 Hektar zugepflastert und diese Umwandlung ist unwider- kommt nun auch noch der Bedarf für oder asphaltiert. Dabei stieg seit 1980 ruflich. Wenn dieser Verbrauch nicht die Energiegewinnung aus Pflanzen- der Anteil der Siedlungs- und Verkehrs- aufgehalten wird, werden in Südhes- rohstoffen dazu. •

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 3 Grüner Tag

N6 LAG Wohnen und LAG Mobilität Effektiv steuern mit der Stellplatzsatzung: Chancen für eine nachhal- tige Stadt- und Mobilitätsentwicklung Stellplatzsatzungen sind eines der wenigen durchschlagskräftigen Steuerungselemente auf kommunaler Ebene. Ihre starken Auswirkungen auf Stadtentwicklung und Mobilität werden dabei bisher kaum beachtet: Die Stell- platzbaupflicht für KFZ sorgt nicht nur für drastisch steigende Wohnraumkosten, was sich speziell im sozialen Wohnungsbau gleich in mehrfacher Hinsicht negativ auswirkt, sondern bewirkt auch eine abnehmende bauli- che Dichte. Gleichzeitig wird die Verkehrsmittelwahl durch längere Wege und attraktive Parkmöglichkeiten ein- seitig und unsinnig zu Gunsten des PKW verzerrt. Die Vorgabe guter Qualitätsstandards für Fahrradabstellplät- ze wird dabei meist versäumt. Der Workshop stellt die über Stellplatzsatzungen vorhandenen Steuerungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt und gibt praktische Empfehlungen und Hinweise für die Umsetzung in den Kommunen.•

Workshop-Übersicht Der GRÜNE Tag beginnt am Samstag, dem 19. Juni 2010, um 9.30 Uhr in den Opelvillen Rüsselsheim, Ludwig-Dörfler-Allee 9, mit dem „Markt der Mög- lichkeiten". Das Ende des GRÜNEN Tages ist ca. 17.00 Uhr. Auf www.gruene-hessen.de/gruenertag findet Ihr den genauen Ablauf, die Beschreibung der Work- shops und die Möglichkeit zur Anmeldung. Wir bit- ten Euch darum, diese zu nutzen, um uns die Planung zu erleichtern – herzlichen Dank!

Vormittags Nachmittags

V1: „Bürgerhaushalt" N1: „Kommunale Beschaffung und ihre Auswirkungen (GAK e.V.) auf Entwicklungsländer" (LAG Frieden, Europa und V2: „Mehr Geld – die einzige Antwort auf leere kom- Internationale Politik) munale Kassen?" (LAG Wirtschaft und Finanzen) N2: „Das bisschen Haushalt? Chancen und Techniken V3: „Kindergärten zu Bildungsgärten? Wie weiter eines geschlechtergerechten Kommunalfinanzhaus- mit den Kleinsten?" halt" (Hessischer Frauenrat) (LAG Soziales) N3: „Kultur als Standortfaktor" (LAG Kultur) V4: „Environmental justice – Umwelt und Gerechtig- N4: „Menschenwürde — all inclusive? Kommunale keit" (Grüne Jugend Hessen) Umsetzung der Inklusion von behinderten Men- V5: „Best Practice in town – Wie gestaltet sich erfolg- schen" (LAG ChristInnen und LAG Behinderte) reiche Integration vor Ort?" (LAG Migration und N5: „Flächenschutz" (LAG Umwelt) Flucht) N6: „Effektiv steuern mit der Stellplatzsatzung" V6: „Erfahrungen nutzen – Kommunen mitgestalten" (LAG LAG Mobilität und LAG Landesplanung, (Grüne Alte) Regionalentwicklung und Wohnungspolitik)

4 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 Grüne Jugend Hessen

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag Mehr Mut zur kontroversen Debatte! Vor etwas mehr als dreißig Jahren Visionen einer ökologischen und und einen Entwurf für die Zukunft haben sich die hessischen Grünen solidarischen Gesellschaft ersetzt entwickeln. gegründet. Und trotz vieler gegen- werden. Seit 19 Jahren ist die GJH immer teiliger Annahmen, haben sie sich Die grüne Landtagsfraktion hat wieder dabei, sich in diese inhalt- in den vergangenen drei Jahrzehn- mit diesem Prozess begonnen. Sie ten zu VorreiterInnen in Hessen entwickelt Konzepte für gerechtere Philipp Hinrichsmeyer gemacht. Daran muss auch in der Politik in Hessen, die neue Wege ist Landesvorsitzender der Zukunft weiter gearbeitet werden. des gemeinsamen Miteinanders Grünen Jugend Hessen und studentischer Senator an der aufzeigen sollen. Für die grüne Par- Universität Kassel. Von den Mitgliedern der Grünen tei ist es dabei wichtig, die Debatte Jugend Hessen war 1979 noch selbst zu führen. In der Politikwis- niemand dabei, so viel ist bekannt. senschaft wird in Zusammenhang lichen Auseinandersetzungen der Deshalb ist es eher schwierig, von mit den Grünen oft von der Frak- Partei einzubringen, die Partei zu den legendären Gründungsver- tions- und Rahmenpartei gespro- verändern oder – so es notwendig sammlungen Ende der 70er, über die chen, in der die MandatsträgerIn- ist – sie so „basisdemokratisch“ zu großen Auseinandersetzungen zur nen die inhaltliche Basis vorgeben. erhalten, wie sie ist. Es freut uns als Startbahn-West oder dem geplan- Es braucht jedoch gerade jetzt eine politische Jugendorganisation be- ten dritten Atomkraftwerksblock in starke Partei, die an GRÜNEN Vi- sonders, dass die hessischen Grü- Biblis zu berichten. Eines hat sich sionen arbeitet und sich kontrovers nen immer wieder auch auf die jedoch seit den Gründungstagen einbringt. Dazu brauchen wir eine Jugend gehört haben. Anders als nicht verändert: Auch nach 30 Jah- in anderen Gliederungen der Grü- ren sind die Grünen die einzige Par- nen, waren es seit den 90ern im- tei in Hessen, die für ganzheitliches mer wieder Mitglieder der Grünen Denken und umfassende politische Jugend Hessen, die Politik in Frak- Konzepte steht. Die Grünen wer- tionen mitgestalten konnten. Dafür den heute gebraucht wie zur Zeit wollen wir uns bedanken und daran ihrer Gründung und aus den selben erinnern, den Blick für die nächsten Gründen. Generationen nicht zu verlieren. Der Anspruch an GRÜNE Politik Die Partei brauchen Mut, um intel- ist dabei in den vergangenen Jah- ligente, zukunftsfähige Lösungen ren stetig gewachsen. Durch die für die anstehenden Herausfor- drängenden Probleme der heutigen derungen zu entwickeln. Die GJH Zeit, wie Klimawandel, aber auch wird sich immer wieder einmischen, die Finanz- und Wirtschaftskrise auch wenn die Partei jetzt endgül- brauchen wir radikale Veränderun- tig das jugendliche Alter hinter sich gen in der Industriepolitik und eine gelassen hat. Wir bleiben kritisch, andere – nachhaltigere – Art des konstruktiv in der Debatte, denn Wirtschaftens. Mit ein bißchen „Bio Erneuerung der Debattenkultur in jetzt gilt: „Traue niemandem über Baby“ und lauter „Lifestyle-Ökos“ unseren Parteigremien. Parteien 30!“ • können wir den Klimawandel nicht haben die Freiheit, jenseits von ta- aufhalten und Produktionsweisen gespolitischer Arbeit, auch mal De- nicht verändern. Die Gesellschaft batten jenseits des Mainstreams zu muss sich neu erfinden. Kleine Kor- führen. Dieser Aufgabe müssen sich rekturen müssen durch politische die hessischen Grünen jetzt stellen

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 5 30 Jahre GRÜNE Hessen

GRÜNE Landesvorstände 1979-2009 Gertrud Schilling, Margarete Bomke, Peter Stahl, Dieter Oelke, Ulrich Restat und Jens Matt- 27.04.1980 Gießen-Allendorf haes, Christine Polte-Bleckwehl

Gertrud Schilling, Jens Eckhoff, Dieter Oelke, Barbara Grabowski, Dirk Treber, Frank Schwal- 20.06.1981 Frankfurt ba-Hoth, Peter Stahl

Uwe Müller, Martina Becker, Peter Stahl, Franz-Josef Hanke, Jens Eckhoff, Barbara Grabow- 30.10.1982 Groß-Gerau ski, Werner Wenz

Franz Josef Hanke, Hildegard Immerschitt, Jörg Sieg, Uwe Müller, Jürgen Rachner, Wolf 1./2.10.1983 Petersberg Schwarz, Werner Wenz

Susanne Bodien, Irmgard Kohlhepp, Werner Wenz, Jürgen Rachner, Brigitte Stumm, Wolf 23./24.3.1985 Altenbuseck Schwarz, Rita Werkmeister

Rolf Ascheberg, Wolfgang Bock, Susanne Bodien, Irmgard Kohlhepp, Anita Schlindwein- 8.6.1986 Pohlheim Peters, Wolf Schwarz Dagmar Zoth

Susanne Diehl, Anita Schlindwein-Peters, Evelin Schönhut-Keil, Marie-Luise Winter, Georg 18.9.1988 Kassel Beck, Ozan Ceyhun, Jürgen Frömmrich

1./2.12.1989 Rüsselsheim Heike Bruchertseifer, Jürgen Frömmrich, Evelin Schönhut-Keil, Elenai Predski-Kramer

Maria Marx, Jürgen Frömmrich, Hiltrud Hofmann, Gitta Ulbricht, Ingrid Borretty, Alexan- 26.5.1991 Frankfurt der Müller, Rupert von Plottnitz

Maria Marx, Frank Kaufmann, Hiltrud Hofmann, Evelin Schönhut-Keil, Priska Hinz, Wolf- 19.6.1993 Langgöns gang Höhne, Peter Klemz

Hiltrud Hofmann, Reimer Hamann, Hans-Jürgen Schülbe, Gisela Enders, Sabine Gesa, Da- 1.4.1995 Hüttenberg niela Kornmüller-Bolte, Jo Dreiseitel

Sabine Giesa, Tom Koenigs, Giesela Enders, Marcus Bocklet, Marlene Riedel, Karin Guder, 19.04.1997 Frankfurt Jo Dreiseitel, Alexander Müller

Daniela Wagner, Hartmut Bäumer, Hiltrud Hoffmann, Christiane Hinninger, Christiane 20.03.1999 Hofheim Schmahl, Hubert Kleinert, Roland Kern

Evelin Schönhut-Keil, Hubert Kleinert, Harald Knittel, Hannah Hempell, Kordula Schulz- 20.03.2001 Limburg Asche, Dirk Döhne, Christiane Schmahl

Evelin Schönhut-Keil, , Jochen Ruoff, Dirk Langolf, Hannah Hempell, 10.05.2003 Gießen Kordula Schulz-Asche, Dirk Döhne, Gerda Weigel-Greilich

Kordula Schulz-Asche, Matthias Berninger, Jochen Ruoff, Kai Klose, Elke Siebler, Dirk Döh- 02.07.2005 Butzbach ne, Gerda Weigel-Greilich, Horst Burghardt

Kordula Schulz-Asche, Tarek Al-Wazir, Jochen Ruoff, Kai Klose, Nicole Maisch, Hildegard 22.09.2007 Darmstadt Förster-Heldmann, Gerda Weigel-Greilich, Manuel Stock, Evelin Schönhut-Keil, Elisabeth Amrein, Ingrid Borretty

Kordula Schulz-Asche, Tarek Al-Wazir, Jochen Ruoff, Kai Klose, Nicole Maisch, Hildegard 14.11.2009 Marburg Förster-Heldmann, Gerda Weigel-Greilich, Thomas Losse-Müller, Horst Burghardt, Philipp Hinrichsmeyer, Herbert Olbrich

6 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 30 Jahre GRÜNE Hessen

30 Jahre GRÜNE Hessen – eine historische Betrachtung

Es begann in Darmstadt, als die „Bür- erste rot-grüne Koalition hervor, die als Protagonist des Wechsels in die ger gegen die Osttangente“ bei der im Februar 1987 über die Hanauer Bundespolitik zurück. Bei der Land- Kommunalwahl 1977 fünf Stadtver- Atomfabriken zerbrach. Wieder kam tagswahl 1995 konnten die Grünen ordnetenmandate gewannen. Bei der es zu vorgezogenen Landtagswah- ihr Ergebnis von 8,8 Prozent auf 11,2 Landtagswahl im Oktober 1978 schei- len, bei denen die Grünen ein gu- terten die Grünen noch. Im März tes Ergebnis von 9,4 Prozent er- Dr. Christoph Becker- 1979 schlossen sie sich als „Sonsti- zielten – nicht genug, um die Schaum ist der Leiter des ge Politische Vereinigung Die Grü- Verluste der SPD auszugleichen. Archiv Grünes Gedächtnis nen“ (SPV) für die Europawahl zu- Bei den Kommunalwahlen im März in Berlin. sammen und erzielten 3,2 Prozent. 1981 gelang der Einzug in neun Die SPV warb bei ihrer Bundesver- von 26 Kreistagen bzw. Stadtver- sammlung am 3./4. November 1979 ordnetenversammlungen kreisfreier Prozent steigern und die Fortsetzung für eine Öffnung, die alle Strömun- Städte. Das beste Ergebnis kam von der Koalition sichern. Es folgte eine gen integrierte, und sammelte bis der Startbahn West, wo 25,2 Pro- krisenhafte Wahlperiode, in der zu- zum Jahresende 10.000 Mitglieder. zent für die „Grüne Bürgerliste für erst Iris Blaul, dann ihre Nachfolge- Der hessische Landesverband hatte Demokratie und Umweltschutz“ in rin Margarethe Nimsch und in der bei seiner Gründung am 15. Dezem- Mörfelden-Walldorf gestimmt hat- Fraktion Reinhold Weist als Geschäfts- ber 1979 521 Mitglieder. ten. In Kassel schlossen SPD und Grü- führer und Fritz Hertle als Co-Vor- 1982 zogen die Grünen mit 8,0 Pro- ne die erste Tolerierungsvereinba- sitzender zurücktraten. So schlitter- zent in den Landtag ein. Theoretisch rung. Die rot-grüne Zusammenarbeit ten die Grünen 1999 nach einer gab es eine rot-grüne Mehrheit, tat- in den Kommunen begann 1985. ausländerfeindlichen Wahlkampa- sächlich weigerten sich die Grünen, 1989 wurden die Grünen mit 9,1 Pro- gne der CDU in eine schwere Nie- zent zur drittstärksten kommunalpo- derlage, bei der sie auf 7,2 Prozent litischen Kraft. Auf dieser Grundla- zurückfielen. ge gelang 1991 die Rückkehr in die Die Erneuerung an der Spitze der Landesregierung. Landtagsfraktion erfolgte 2000 mit 1991 beschloss die Landesmitglie- Tarek Al-Wazir. 2003 wurden die Ver- derversammlung eine Parteireform. luste von 1999 weitgehend wettge- Bis dahin galt, von der Einführung macht und 2008 wäre die Rückkehr des Frauenstatuts abgesehen, noch in die Landesregierung gelungen, Landtagsgruppe Foto: Karin Hill die alte Satzung. Die neue wollte den wenn sie nicht in letzter Minute an einer SPD zu einer Mehrheit zu ver- Landesvorstand mit der kommuna- der inneren Uneinigkeit der SPD im helfen, die die Grünen am liebsten len Kompetenz der Grünen verknüp- Fünf-Parteien-System gescheitert mit der Dachlatte traktiert hätte. Der fen. Ein Mitglied des Landesvorstands wäre. Bei der notwendigen Neuwahl Landtag wurde aufgelöst, die Mehr- musste der Landtagsfraktion ange- erreichten die Grünen 2009 ihr bis- heitsverhältnisse aber blieben unver- hören. Mit dieser Bestimmung be- her bestes Wahlergebnis in Hessen. ändert. Die Grünen waren aus der gann die Aufhebung der Trennung Kommunalpolitisch ist das Parteien- politischen Landschaft nicht mehr zu von Amt und Mandat. Allerdings ge- system noch weiter ausdifferenziert vertreiben. Die Mitgliederversamm- lang kein Versuch, die LMV durch und sind sieben Parteien normal. Un- lung im Petersberg-Marbach been- eine gewählte Landesdelegierten- ter diesen Umständen ergeben sich dete die politische Blockade. Eine To- konferenz zu ersetzen. neue Möglichkeiten und Chancen lerierung wurde öffentlich verhandelt Die rot-grüne Koalition war das Mo- jenseits von Rot-Grün. Davon zeu- und im Juni 1984 unterschrieben. dell für den Regierungswechsel im gen auch vier grüne Bürgermeister Aus ihr ging im Dezember 1985 die Bund. kehrte 1994 und ein OB. •

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 7 30 Jahre GRÜNE Hessen

Von der Chaostruppe zur stinknormalen Partei Am Anfang stand das Chaos: Als die den Fidschi-Inseln an einer Fußball- Kaufmann, der nicht nur auf dem Fi- Grünen 1982 erstmals in den Hessi- Statistik arbeiten, die meisten ande- nanzsektor seinen Kollegen aus den schen Landtag einzogen, waren sie ren Grünen der ersten Stunde haben anderen Fraktionen und auch dem kaum den Windeln entwachsen. Ent- ebenfalls den Kontakt zur Partei ver- Ressortchef zumindest ebenbürtig ist. sprechend unvorbereitet und schlecht loren oder ihr im Streit den Rücken Auch bei Fragen zum Flughafenaus- organisiert gingen sie in den Wahl- gekehrt. bau ist das politische Schwergewicht, kampf und wurden wider aller Er- Es war eine Aufbruchszeit mit viel Sym- das im Landtag die symbolträchtige wartungen gewählt. In der Über- bolik: Abgeordnete in Papiersäcken, Durchwahl 747 hat, um keine Ant- gangsphase vom Wahlkampf bis zum ein Blutspritzer-„Attentat“ auf einen wort verlegen. Beginn der Legislaturperiode durften US-General aus Protest gegen die Sta- Als kraftvolle Oppositionspartei ha- die Grünen noch keine Pressekonfe- tionierung von Mittelstreckenraketen ben sich die Grünen, nachdem der renz im Landtag abhalten. Sie luden in Deutschland: Das und viele ande- Ypsilanti-Schock überwunden war, daher ins Wiesbadener Hotel Blum re Aktionen zeigten, dass sich das längst etabliert. Die Landesmitglie- an der Wilhelmstraße ein, das längst altehrwürdige Parlament plötzlich mit derversammlungen heißen zwar noch nicht mehr existiert. Hier drängelten Menschen auseinanderzusetzen hat- immer so, die Grünen verweisen da- sich alle: die Kandidaten und späte- te, die mit dem traditionellen Politik- mit auf den basisdemokratischen An- ren Abgeordneten und die Presse. betrieb nichts anzufangen wussten. spruch, den sie einmal hatten. In den Die versprach sich vom Auftritt der Auf die Aufbruchsphase folgten die Medien ist aber meist nur noch von neuen Partei vor allem einen großen Gewöhnungs- und schließlich die Mit- Parteitagen die Rede. Nicht nur, weil Unterhaltungswert und sie wurde machphasen. Tolerierung, Koalition das kürzer ist, sondern weil sich die- nicht enttäuscht. – all das ist Geschichte, ebenso der se Treffen von denen der anderen Bruch zwischen den „Fundis“ und Parteien nur noch darin unterschei- Christoph Risch den „Realos“. Aus den Grünen ist, den, dass alle Mitglieder eingeladen ist langjähriger Landtags- wie das SPD-Urgestein Armin Clauss sind und nicht nur die Delegierten. korrespondet des Wiesba- einmal gehässig anmerkte, eine stink- Der Ablauf ist bestens durchorgani- dener Kuriers. normale Partei geworden. Sie schic- siert, das Klischee-Bild von den hä- ken Abgeordnete in die Kommunal- kelnden Frauen und Männern, die Da tauchten dann so skurrile Gestal- parlamente, in den Landtag, in den körnerkauend die Debatte verfolgen, ten auf wie Raphael Keppel, der drei Bundestag, ins Europarlament, sie stimmt schon längst nicht mehr. Jahre zuvor ein Flugzeug gekapert stellen oder stellten Beigeordnete, Kurzum: Aus der Chaos-Truppe sind hatte, was er als Aktion für eine bes- Bürgermeister, Staatssekretäre, Mi- Polit-Profis geworden. Das macht sie sere Welt verteidigte. Weil er dadurch nister, Mitglieder des Staatsgerichts- berechenbar und – leider – auch lang- vorbestraft war, konnte er nicht Ab- hofs. Sie wollten an die Macht und weiliger, braver und biederer, als sie geordneter werden, wurde aber trotz- sie haben bekommen, was sie woll- einmal waren. Sie sind zu einem fe- dem auf der Grünen-Liste geführt ten. sten Bestandteil im Parteiensystem und zog, wenn auch nur symbolisch, Die Abgeordneten von heute haben geworden und die jüngsten Wahler- mit den 18 Grünen ein, die sich als mit denen von 1982 nichts mehr zu folge auf allen Ebenen zeigen, dass Abgeordnete und Nachrücker die Ar- tun. Wurden jene noch anfangs vom der Wähler diese Professionalisierung beit teilen sollten. Rotationsprinzip politischen Gegner, aber auch von durchaus honoriert. Eine stinknorma- und knappe Gehälter (ein Großteil den Medien als Öko-Spinner belä- le Partei? Ja, das ist sie heute, im Jahr floss in einen Öko-Fonds) sollten da- chelt, die zwar vielleicht gutwillig, auf 30 ihres Bestehens, tatsächlich. • für sorgen, dass niemand seinen Kopf jeden Fall aber inkompetent sind, hat aus der Parteibasis zu weit empor sich das gründlich gewandelt. Heu- streckte. Personenkult war – noch – te arbeiten in der Fraktion Experten nicht angesagt. Keppel soll heute auf wie, um nur einen zu nennen, Frank

8 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 30 Jahre GRÜNE Hessen

30 Jahre GRÜNE in Hessen – Der BUND gratuliert Der hessische Landesverband des BUND aus der Fossilien-Grube Messel, die Hessens Lebensmitteln. Es ist ein Er- gratuliert herzlich zum 30. Geburts- heute Weltnaturerbe ist, eine Müll- folg, dass Hessens Landwirtschaft nach tag. Viel hat sich seit dem 15. Dezem- kippe wurde. wie vor gentechnikfrei arbeitet. ber 1979, dem Gründungsdatum der In der Verkehrspolitik räumen die GRÜ- In der Wasserpolitik besonders hervor- hessischen GRÜNEN, in der politischen NEN wie der BUND dem ÖPNV so- zuheben ist die unter GRÜNER Regie- Landschaft, aber auch in Hessen ins- wie dem Rad- und Fußverkehr den rungsbeteiligung erfolgte Einführung gesamt, verändert. „Ökologisch, so- Vorrang vor dem Autoverkehr ein. der Grundwasserabgabe im Jahr 1992, zial, basisdemokratisch und gewalt- Auch wenn durch die Verkehrsver- die zur deutlichen Senkung des Was- frei“ zu sein, hatten die GRÜNEN sich bünde RMV und NVV, die Mitte der serverbrauchs beitrug und aus deren auf ihre Fahnen geschrieben. Mit die- 90er-Jahre unter rot-grüner Regie- Aufkommen Entsiegelungsmaßnah- sem Anspruch haben sie bis heute Vie- rungsverantwortung gegründet wur- men, Regenwassernutzungsanlagen, les und Viele bewegt. Hessen vorn – den, der ÖPNV in Hessen deutlich Wasserspartechniken und anderes mehr auch bei den GRÜNEN: Erstes finanziert werden konnten. rot-grünes Bündnis in einer Groß- In der Energiepolitik eint GRÜNE und stadt, 1981 in Kassel. 1985 erstes rot- BUND die Ablehnung und der Wi- grünes Bündnis auf Landesebene mit derstand gegen die Atomkraftnut- Joschka Fischer als Umweltminister. zung. Die Schrottreaktoren Biblis A Drei Jahre vor dem GRÜNEN Geburts- und B gehören abgeschaltet – sofort datum, nämlich am 15. Oktober 1976, und endgültig. Und wenn die Klima- als hessischer Landesverband des schutzziele erreicht werden sollen, BUND gegründet, haben wir die Ent- dann ist auch der Verzicht auf neue wicklung der GRÜNEN und die von Kohlekraftwerke unabdingbar. Hier Ihnen in bislang insgesamt mehr als verbessert wurde, konnte ein Para- sind BUND und GRÜNE gemeinsam neun Jahren Regierungsverantwor- digmenwechsel in der Verkehrspoli- der Auffassung, dass der Klimakiller tung in Hessen gestaltete Politik über- tik bis heute leider nicht erreicht wer- Block 6 am Standort Staudinger nicht wiegend wohlwollend, aber auch kri- den. In diesem Zusammenhang muss gebaut werden darf. Mit ihrem Kon- tisch begleitet. Das konnte übrigens auch an eine Niederlage erinnert wer- zept „ZukunftsEnergie für Hessen“ zu durchaus heftigen GRÜNEN Re- den, die die GRÜNEN, aber auch den zeigen die GRÜNEN einen energie- aktionen führen. Ich erinnere mich BUND nachhaltig geprägt hat. Der politischen Weg, der notwendig und noch gut daran, dass es sich Joschka Widerstand gegen die Startbahn 18 machbar ist und der in weiten Teilen Fischer nicht nehmen ließ, am Tele- West war nicht erfolgreich und keine BUND-Forderungen entspricht. fon persönlich seinen Unmut los zu 20 Jahre später soll trotz gegenteili- Mein Fazit: In 30 Jahren wurde um- werden, wenn der BUND rot-grüne ger Versprechen der Frankfurter Flug- weltpolitisch in Hessen viel erreicht, Politik öffentlich kritisiert hatte. hafen erneut ausgebaut werden. aber es ist lange noch nicht alles im Viele Themen, die dem BUND wich- BUND und Grüne verfolgen für die „grünen Bereich“. tig waren und sind, haben erst durch Landwirtschaft in Hessen seit jeher das Der BUND wünscht deshalb viel Erfolg die GRÜNEN Eingang in die Parla- Leitbild des ökologischen Landbaus. für die Kommunalwahl im nächsten Jahr, mente und in politische Entscheidun- Mitte der 90er Jahre etablierten die für die Landtagswahl in 2014 und für gen gefunden. So hat es in der hes- GRÜNEN an der damaligen Gesamt- die nächsten 30 Jahre insgesamt. • sischen Umweltpolitik Erfolge gegeben, hochschule Kassel einen Studiengang Michael Rothkegel die ohne die GRÜNEN nicht zustan- für ökologische Landwirtschaft. BUND ist Geschäftsführer des de gekommen wären. Die Hanauer und GRÜNE kämpfen auch seit Jah- BUND Landesverband Hessen e.V. Atomfabriken konnten stillgelegt wer- ren gemeinsam gegen die Agrogen- den und es wurde verhindert, dass technik auf Hessens Feldern und in

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 9 30 Jahre GRÜNE Hessen

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen: eine lernende Organisation Ich kann mich noch gut erinnern, als Fortbildungen für die Funktions- Einen entscheidenden Beitrag zu die- ich 1999 im Januar auf einem Markt- trägerInnen und MitarbeiterInnen ser positiven Entwicklung hat die Lan- platz stand und Wahlkampf mach- der Partei entstanden, so bei den desgeschäftsstelle geleistet. Ihr Selbst- te. Die Bundestagswahl 1998 hatte KreisgeschäftsführerInnen, den verständnis als Dienstleisterin des uns eine rot/GRÜNE Regierung be- SchatzmeisterInnen und den Fundrai- schert und nun galt es, die Rotgrü- serInnen. Jochen Ruoff ne Koalition in Wiesbaden zu ver- ist seit 2003 Landesschatz- teidigen. Ich kann mich noch gut an die Span- meister. Auf den letzten Metern zog der da- nungen erinnern, die bei Wahlen oder malige Oppositionsführer Koch die auch bei Strukturfragen herrschten. „Karte“ mit der doppelten Staats- Da beherrschte das „Misstrauen der Landesverbands auf allen Ebenen bürgerschaft und sicherte sich damit Parteiebenen“ zeitweise die ganze schafft Grundlagen für unsere poli- den Sieg. Die Ohnmacht, mit der ich Debatte, die Spannungen blockier- tischen Erfolge. Sie versteht sich als mit ansehen musste, wie uns eine ten konstruktive Debatten. Im Lau- Unterstützerin, Förderin und Impuls- miese Kampagne förmlich überroll- fe der Jahre ist es uns gemeinsam geberin innerhalb eines nachhalti- te, ist mir noch gut in Erinnerung. gelungen deutlich zu trennen zwi- gen Konzepts der Weiterentwicklung Der hessische Landesverband der schen politischer Kontroverse und unseres Landesverbands. GRÜNEN hat im Verlauf seiner Ge- dem gemeinsamen Bestreben, die Erfreut und gleichzeitig etwas irri- schichte einige dieser einschneiden- Partei als Organisation voranzubrin- tiert schauen wir in den vergange- den und auch bitteren Erfahrungen gen. nen Monaten auf die Wahlergebnis- machen dürfen. Er hat daraus ge- So ist es heute möglich, als GRÜNE se: Durchgehend zweistellig, lernt: manchmal sogar stärkste Kraft, oft • Nach einer Fast-Pleite nach der knapp hinter einer der klassischen verlorenen Bundestagswahl 1990 „Volksparteien“. Die anstehenden haben wir ein Rücklagesystem ent- Kommunalwahlen sind deshalb eine wickelt, das uns stabile Finanzen neue Herausforderung, bei der wir sichert. beweisen müssen, dass wir genug • Trotz einer fast unübersichtlichen personelles, organisatorisches und Vielfalt der GRÜNEN Strukturen finanzielles Potential haben, um den besitzen wir ein bundesweit ver- Erwartungen, die hinter solchen Wahl- netztes Mitgliederverwaltungssy- ergebnissen stehen, gerecht zu wer- stem. den. Mit Blick auf die Geschichte der hessischen GRÜNEN als „lernende • Nach manch quälendem und auf- Organisation“ bin ich mir sicher, wer- geheiztem Wahlmarathon zur Auf- den wir diese Wahlen meistern und stellung der Landesliste nutzen wir als eine der bestimmenden Kräfte für die Möglichkeit der elektronischen Team der Landesgeschäftsstelle die Kommunalpolitik der nächsten Abstimmung, die nicht nur Zeit, Jahre unseren Inhalten Geltung ver- sondern auch Nerven spart. in Hessen politisch, strategisch und schaffen. • organisatorisch geschlossen aufzu- • Wir bauen an einem nachhaltigen treten. Es braucht kein besonders gu- System in der Mitgliederwerbung, tes Gedächtnis, um sich an die Zeit der Mitgliederpflege und beim zu erinnern, als dies noch ganz an- Fundraising. ders war. • Es ist ein Netz von Schulungen und

10 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 30 Jahre GRÜNE Hessen

Vom Wollpulli zum Kulturstrick

Es ist kaum zu glauben, aber wahr: Europawahl 1979 ca. zwei Prozent nicht so aussahen, waren die Aus- Wir Grüne können auf 30 Jahre zu- der Stimmen erhielten, begann der nahme. Und immer wieder dieselbe rückblicken. Prozess der Parteiwerdung. Diskussion: Wollen wir eine Partei Als parlamentarischer Arm einer Mein erster Kontakt zur „großen sein und wenn ja, wie? Eine Partei grünen Bewegung haben wir ange- Politik" fand auf einem Kongress für Hessen oder wie die SPD mit fangen und blicken nun tatsächlich in Kassel statt. , Herbert einem Nord- und einem Südteil? auf drei Jahrzehnte, in denen wir Gruhl, Baldur Springmann und eine Kasseler Grüne, Marburger und als GRÜNE diese Republik und Hes- große Zahl von Leuten aus ehe- Frankfurter haben sich damals hef- sen bewegt und gestaltet haben. maligen K-Gruppen beriet über tig darüber gestritten. Wie auf fast Ich bin stolz sagen zu können, dass die Gründung einer Grünen Partei. allen Grünen Treffen damals be- ich ganz am Anfang mit dabei war. Chaotisch: von Graswurzelrevo- stimmten Geschäftsordnungsanträ- lution bis Weltrevolution, von ge- ge den Verlauf. Irgendwann abends Angefangen hat es bei mir mit dem sellschaftlicher Fundamentalkritik gab es eine Abstimmung, dass ein Protest gegen das geplante Atom- bis Biotoppflege – alles war auf der Landesverband der Grünen Hessen kraftwerk in Borken (Nordhessen). Tagesordnung. Eigentlich gab es gegründet wird – und der Antrag Heute ist dieser Plan kaum noch dabei irgendwo Treffen von Grünen fand eine Mehrheit. jemandem bekannt. Damals Ich bin damals mit einem sollte nach den Vorstellun- Freund nach Hause gefahren gen von SPD und CDU in und wir zweifelten, ob aus Nordhessen ein AKW gebaut diesem Haufen mal eine ge- werden und später eine Wie- meinsame Partei wird. Soweit deraufbereitungsanlage in ich mich erinnern kann, gab Wangershausen (Waldeck- es damals kein großes Pres- Frankenberg). Die erste Bür- seecho. Dass dies tatsächlich gerinitiative habe ich damals ein historischer Moment war, mit 17 Jahren gegen das wurde erst Jahre später klar. Für mich war damals un- AKW in Borken gegründet. In Martin Häusling dem bunten Haufen der da- vorstellbar, dass ich selbst damals mit Hut, heute mit Hemd und Kragen. maligen Gegner – das reichte mal in Parlamenten sitzen vom Oberförster bis zum KB- werde – aber vom Gemein- Wler – fanden sich auch ein paar, und es war längst noch nicht aus- deparlament über den Landtag bis die einer der drei hessischen grünen gemacht, ob man überhaupt Partei zum Europaparlament war es auch Gruppen angehörten. Ich bin da- werden will. eine lange Entwicklung für mich. mals bei der GAZ (Grünen Aktion Eines Tages kam die Einladung nach Damals vor 30 Jahren habe ich erst Zukunft) gelandet – eher konserva- Leihgestern bei Gießen zur Grün- mal angefangen meinen Bauernhof tiv ausgerichtet – aber bei uns vor dung der Grünen Hessen. – zum Entsetzen meiner Eltern – auf Ort die erste grüne Gruppe. Der historische Moment war vielen Bio umzustellen. nicht bewusst, auch mir nicht. Denn Viele haben damals den Grünen Von Parlamenten war noch nicht ob am Ende des Tages eine gemein- kein langes Leben eingeräumt. Alle die Rede, sondern vom parlamen- same Partei dabei herauskommt, haben sich getäuscht. Ich bin heute tarischen Arm der Bewegung. Eine war keineswegs klar. stolz darauf, dass wir Grüne die- Zusammenarbeit mit etablierten Die „Ursuppe" der Grünen fand ses Land Hessen, Deutschland und Parteien war damals völlig undenk- sich dort also zusammen. Langhaa- Europa mitgestaltet haben – von bar. Erst als die Grünen „sonstige rig war Pflicht, Wollpulli und Ge- „AKW? Nee!" bis zum Green New politische Vereinigungen“ bei der sundheitslatschen. Alle anderen, die Deal. •

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 11 30 Jahre GRÜNE Hessen

Das legendäre Shanghaier Kugelfischabkommen Eigentlich hatte ich mir ja beim letz- Mitternacht war also längst vorbei, nis der künftigen Regierungspartner ten Interview geschworen. „Jetzt ist alle Punkte abgehakt, Börner frag- zur „Novellierung des Shanghaier endgültig Schluss mit den alten Ge- te leicht entnervt: „Das war's ja wohl, Kugelfischabkommens von 1974“ schichten rund ums Shanghaier Ku- oder habt Ihr noch was?“ Ja wir hat- schwarz auf weiß zu lesen war. Gro- gelfischabkommen!“ Aber dann kam ten, aber weder Roland Kern noch ßes Hallo bei der Presse, die Hes- der nette Anruf aus der Landesge- ich wussten mehr so genau was. „Ja, senschau drehte eine Live-Reporta- schäftsstelle, und da es au- ßerdem inzwischen sogar einen englischsprachigen Wikipedia-Eintrag zum „shanghai fugu agree- ment“ gibt, sei`s denn drum: Es geschah also zu jener Zeit, als die Grünen Hessen mit Holger Börners SPD über das erste rot-grüne Bünd- nis auf Landesebene ver- handelten – auf Basis-Be- schluss tagelang immer öffentlich im Landtag vor

laufenden Kameras, was Chris 73 dann hieß anschließend das mit dem Koch und den Kugel- ge aus einem Japan-Restaurant mit nächtelang nichtöffentlich in der Staats- fischen oder so…“ Irritationen al- einem Koch an der Kugelfisch-Pfan- kanzlei. lenthalben, aber jetzt bloß nicht noch ne (japanisch „fugu“). Eine Nacht im Jahr 1985, die letzte beim letzten Punkt Unsicherheit zei- Man muss Holger Börner zugeste- Verhandlungsrunde zum Thema Aus- gen. „Na, die Grünen bestehen es- hen, obwohl er es eh schon nicht länderpolitik: Ein grünnaher Anwalt sentiell auf der Novellierung des Ku- immer ganz leicht mit den kulturel- für Ausländerrecht hatte kurz vor- gelfischabkommens!“ „…..?“ Na, len Gepflogenheiten der Grünen hat- her noch angerufen, man könnte des Shanghaier Kugelfischabkom- te, er nahm auch diese kleine Frech- doch im Zuge der Entbürokratisie- mens von 1974“. Das klang sicher heit mit viel Stil. Längst Vorsitzender rung von Arbeitsgenehmigungen und überzeugend und fand auch kei- der Friedrich-Ebert-Stiftung schrieb diesen unsinnigen Paragrafen strei- nen Widerspruch bei den anwesen- er von einer Reise nach Shanghai chen, dass jeder Koch für japanische den Experten aus dem Innenmini- eine Postkarte an Joschka: „Bin auf Gerichte für jedes Japan-Restaurant sterium. Und der treue Protokollant den Spuren des Kugelfisch-Abkom- eine neue Arbeitsgenehmigung aus der Staatskanzlei hatte wie im- mens. Viele Grüße, Holger Börner“. braucht, wenn dieses in einem an- mer den Stift zur Hand. Chapeau! • deren Landkreis liegt. Zubereitun- Das war's dann wirklich und man Bernd Messinger gen von Kugelfischen und so, wir ging müde nach Hause. Doch selbst rückte aufgrund des Rotationsprin- wüssten schon… die Grünen staunten nicht schlecht, zips im April 1985 für Iris Blaul in Wir wussten zwar nicht, nahmen es als dann später im gedruckten Ex- den Landtag nach. Heute ist er Re- aber wie alle Anregungen der Basis emplar der Koalitionsvereinbarun- ferent der Frankfurter Oberbürger- in unserem Herzen auf. gen auf S. 108 das klare Bekennt- meisterin.

12 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 30 Jahre GRÜNE Hessen

1983: Das Blutattentat Kleine Chronik I Sommer 1983: eine aufgeladene Atmosphäre. Die Dezember 1982 Auseinandersetzungen im Landtag mit Dachlatten- – Einzug in den Hessischen Landtag Börner & Co. waren für uns ein Teil eines großen Ganzen, das von Protesten gegen lokale Projekte Neun GRÜNE Abgeordnete zogen am 1. Dezember 1982 (Startbahn West, Biblis) und Großdemonstrationen in den Plenarsaal, mit Wollsocken, langen Pullovern und gegen die Nachrüstung bestimmt war. Alle spra- Blumen in der Hand – LandtagsbeGRÜNung. chen von einem „heißen Herbst", der dann auch Mit dabei hatten sie einen großen Karton, der zunächst mit anderthalb Millionen Friedensdemonstranten größtes Misstrauen verursachte. Daraus packten sie dann am 22. Oktober kommen sollte. Zum 3. August, sehr effektvoll – die Hessische Verfassung. dem Vorabend der Landtagsauflösung, US-Gene- Den etablierten Parteien waren diese unkonventionellen räle als Ehrengäste einzuladen, war für uns die Pro- neuen Abgeordneten und deren Rituale wie Rotation, vokation schlechthin. In der Fraktion war schnell imperatives Mandat oder öffentliche Koalitionsverhand- lungen mindestens so suspekt wie der ersten GRÜNEN Fraktion der eingefahrene Parlamentsbetrieb und die „Alt- parteien“ fremd waren. Der erfolgreiche Start der GRÜ- NEN wäre unmöglich gewesen, wenn wir damals nicht so völlig „anders“ als der herkömmliche Politikbetrieb angetreten wären.

Foto: Karin Hill 1983 klar: „Provokation-Gegenprovokation". Einmütig – Frauenpolitik wird in Hessen konkret wurde beschlossen, dass die beiden einzigen Grü- Für eine offensive Frauenpolitik in Hessen nen (Iris Blaul als Fraktionsvorsitzende und ich als waren die Weichen vom Beginn GRÜNER einziger grüner Ausschussvorsitzender) dafür sor- Regierungsmitverantwortung an gestellt. Hes- gen sollten, dass das unsichtbare Blut auf der Uni- sen nahm damit eine bundesweite Spitzen- form von Generälen sichtbar gemacht werden soll- stellung ein. Bereits in der ersten Rot-GRÜ- te. Als der Oberkommandierende des V. US-Korps NEN Tolerierungsphase zwischen 1983 und dann das Wort ergreift und Iris beginnt, Flugblät- 1985 wurde das „Hessische Aktionsprogramm für Frau- ter zu verteilen, spritze ich mit den Worten „Blood en“ durchgesetzt und die Förderung von Frauenhäusern, for the Bloody Army" eineFläschchen Blut auf sei- Frauenbildungseinrichtungen, Mütterzentren und Mäd- ne Ordensbrust. Ich werde aus dem Landtag ver- chenprojekten wurde ein Bestandteil von Landespolitik. wiesen, dank einer einstweiligen Verfügung neh- Der erste hessische Frauenförderplan, der für die Lan- me ich trotzdem an der Plenarsitzung am Tag drauf desverwaltung und die Hochschulen galt, wurde 1987 teil. Der Parlamentspräsident verfügt, dass der Vor- verabschiedet. fall von unserer Seite nicht erwähnt werden darf – Reinhard Brückner und Dorli Rauch werden darum des Saales verwiesen. Partei und Friedensbewegung Oktober 1985 stellen sich hinter die Aktion, in den Medien wer- – Erste Rot-GRÜNE Koalition de ich zum „Blutspritzer". Die Debatte, wo genau Am 16.10.1985 einigen sich SPD und GRÜNE auf eine die Grenzen gewaltfreier Aktionen liegen, bekam Koalition. Es ist die erste Rot-GRÜNE Koalition in ei- neuen Auftrieb. Es kamen zwar viele Blumensträu- nem Bundesland. ße, die Drohbriefe waren aber zahlreicher. • Am 12.12.1985 wird Joschka Fischer zum Minister für Frank Schwalba-Hoth Umwelt und Energie vereidigt. Seinem Auftritt in Turn- gehörte der ersten Landtagsfraktion an. schuhen, Jeans und Sportsakko verdankt er den Begriff des Heute arbeitet er in Brüssel. „Turnschuh-Ministers“.

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 13 30 Jahre GRÜNE Hessen

Zwei Generationen an einem Tisch

Ouasima Chami und Mustafa Dönmez sind auf unterschiedliche Weise und Zeitpunkten bei den Grünen einge- treten. Sie spiegeln ganz unterschiedliche Generationen der Partei wider und betrachten sie aus verschieden Blick- winkeln. Mustafa arbeitet heute im hessischen Umweltministerium, Ouasima ist Landesvorsitzende der Grünen Jugend Hessen. Beide sprechen im Interview mit uns über ihre Erfahrungen mit der Partei und wie sie sich die Zu- kunft der hessischen Grünen wünschen.

Ouasima, wärest überwinden können. Ich bin froh, wir weiterhin mit Leidenschaft für Du vor 30 Jah- dass es uns noch gibt. grüne Themen werben und kämp- ren bei den Grü- fen. Grüne Politik ist ein Garant für nen eingetre- Was hat die Partei aus Deiner Sicht den Atomausstieg. Daran müssen ten? in den letzten dreißig Jahren er- wir festhalten. Wir sind auch die reicht? Einzigen, die sich wirklich über die Ouasima: Ich Rolle der Geschlechter Gedanken glaube nicht. Mustafa: Es wurde vieles erreicht. machen. Wir haben Visionen und Die Politik Wenn uns vor dreißig Jahren Lösungen hinsichtlich globaler Ge- der Grünen jemand gesagt hätte, dass wir rechtigkeit. Wir denken über die war, im Gegensatz das Thema „Frauen“ durch alle nächste Legislaturperiode hinaus. zu heute, nicht ganzheitlich, un- Parteien hinweg so besetzen Das schätze ich an grüner Politik pragmatisch und nicht gestalterisch. werden wie heute, dann hätten wir und das wünsche ich mir auch für Auch haben für mich wichtige The- ihn für verrückt erklärt. Wir hätten die Zukunft! men wie Globalisierung und Inte- uns auch niemals erträumen lassen, gration damals noch keine so große dass es im Jahr 2000 ein Gesetz gibt, Die Koalitionsverhandlungen 1984 Rolle gespielt. Auch hätte mich die das den Ausstieg aus der Atomkraft in Hessen wurden öffentlich geführt. Nähe zu Marxisten und der linksra- regelt. Jetzt versucht schwarz-gelb Jedes grüne Mitglied hatte die Mög- dikalen Szene wahrscheinlich eher daran zu rütteln. lichkeit sich dort einzubringen. Scha- abgeschreckt. de, dass es das 2008 nicht gab? Was wünschst Du Dir für die Grünen Mustafa, Du bist drei Tage nach der in den kommenden Jahren? Ouasima: Schon schade, wobei ich Gründung der hessischen Grünen glaube, dass wir 2008 mit einem Ouasima: Die Fortsetzung ehrlicher eingetreten. Hättest Du damals er- Wahlprogramm in diese Verhand- und lösungsorientierter Politik. Dass wartet, dass sich die Partei so ent- lungen gegangen sind, bei dem wickelt? die Wählerinnen und Wähler klar wussten, was Mustafa: Nein, mit man mit einer Stimme für Sicherheit nicht. Im Laufe GRÜN bekam. Prinzipiell der Zeit stand vieles auf finde ich aber solche Ide- Messers Schneide. Wenn en spannend. Es ist wich- ich da an die Konflikte tig, dass wir zukünftig zwischen Fundis und auch über Koalitionen ba- Realos denke oder das sisdemokratisch beraten Rausfliegen aus dem und wenn es sein muss Deutschen Bundestag streiten. nach der Wende. Das waren schwere Zeiten. Mustafa: Das ist aber da- Gott sei Dank haben wir mals sehr schwierig ge- diese schweren Hürden wesen. Ich war selbst da-

14 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 30 Jahre GRÜNE Hessen

bei. Im Raum 119M im Hessischen die Umweltthemen dominiert zu machen, fände ich das gut. Nach Landtag, das vergesse ich auch nicht haben. Nach der Wende hat sich 30 Jahren GRÜNE kann man auch mehr. Es ist schon sehr aufwendig das verändert, weil wir zunehmend mal kritische Töne zu bestimmten gewesen für die VerhandlerInnen, gesellschaftspolitische Themen, wie Entwicklungen anbringen. wenn im Hintergrund immer wie- die Integration, besetzt haben. Ouasima: Ich stelle auch einen kul- der Einwürfe kamen. Das nagte Ouasima, Du bist ja hier geboren. turellen Wandel bei den GRÜNEN schon an den Nerven. Hochach- Bist Du bei den Grünen gerade we- fest. Wenn man mal vergleicht, was tung vor denjenigen, die die Ver- gen ihrer Haltung zur Integration Grüne auf Parteitagen z.B. in der handlungen geführt haben, es war eingetreten? Hand halten: Da wurde das Strick- nicht einfach. Wir würden es auch zeug gegen ein iPhone ausgewech- nicht mehr so handhaben können. Ouasima: Ich muss ehrlich sa- selt. Obwohl ich Dir Recht gebe, dass je gen, dass ich mich nie wirklich als breiter die Basis ist, desto besser die Mensch mit Migrationshintergrund Habt Ihr denn noch eine Anekdote, Koalitionsverträge sind. gesehen habe. Ich habe bestimmte die Ihr den Leserinnen und Lesern Vorstellungen von politischer Ge- mitgeben wollt? Was war denn damals Deine erste staltung. Da hatte ich bei den Grü- Amtshandlung? Ouasima: Oh ja! Meine erste Lan- nen die meiste Übereinstimmung. desmitgliederversammlung der Mustafa: Ich bin Klar war ich beeindruckt, dass Grünen Jugend Hessen: Wir hatten als Delegierter wir den ersten Bundes- einen Gastredner von den JuSos. In für den ersten tagsabgeordneten mit einer Pause unterhielt ich mich mit Bundesparteitag Migrationshintergrund ihm. Nicht weit von uns standen in Karlsruhe ge- hatten. Mir war es aber Mohamed und Armin von der Grü- wählt worden. nie wirklich wichtig, wo- nen Jugend Groß-Gerau. Während Das war schon her ein Mensch kommt, des Gesprächs unterbrach mich der eine Heraus- sondern was er macht und Kollege von den Jungsozialisten und forderung, so für was er steht. sagte: „Das ist ja toll, dass Ihr auch eine bunte Wo seht Ihr Reformbedarf internationale Gäste hier habt.“ In Truppe zu bei den GRÜNEN? dem Moment entgegnete ich ihm, einer Partei zu formen. dass laut meiner Kenntnis Groß-Ge- Allergrößte Wertschätzung an die Mustafa: Heute haben wir sehr viele rau in Hessen liegt… Parteitagsregie dort. Das ist für Berufspolitiker. Das ist für ein Land mich schon fast ein Wunder. nicht gut. Die müssen wieder lernen, Mustafa: Es gab mal den Versuch den wie das „richtige Leben" aussieht. Benzinpreis auf fünf DM zu legen. Ein Wunder ist ja auch unsere Mit- Realpolitiker um Joschka, ich auch, gliederentwicklung. Heutzutage ist Ouasima: Wir als Grünen Jugend haben versucht diesen Beschluss im es gängig, dass GRÜNE vermehrt wollten ja nach der Bundestagswahl Hinblick auf die Regierungsfähigkeit Mitglieder mit Migrationshinter- einen personellen Wechsel. Die, der Partei zu verhindern. Leider ohne grund haben. Wie war das denn vor die schon unter Joschka da waren, Erfolg. Für diesen Beschluss gab es 30 Jahren? sollen mal Wein anbauen oder was eine riesige Presseschelte. Nach der anderes machen und nicht immer Mustafa: Schon damals übrigens Bundestagswahl 1998 war mit unse- noch in der ersten Reihe im Plenum haben wir global gedacht. Der rem Koalitionspartner, der Autofahrer- sitzen. Spruch „Wir alle sind Ausländer“ SPD, in diesem Zusammenhang nichts war ein gängiger, auch bei uns zu Mustafa: Wenn wir uns darauf ver- zu bewegen. Alles blieb beim Alten. dieser Zeit. Für Migrantinnen und ständigen könnten, die Amtszeit auf Wenn man sich die Benzinpreise heu- Migranten waren die GRÜNEN zwei Legislaturperioden zu begrenz- te mal anschaut, sind wir von den fünf jedoch damals nicht attraktiv, weil en und dann Jüngeren den Platz frei DM nicht mehr weit entfernt. •

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 15 30 Jahre GRÜNE Hessen

Thorsten Schäfer-Gümbel – SPD Ulrich Wilken – Die Linke

Liebe Grüne, Ist es wirklich schon 30 Jahre her, dass ich als was schreibt man einem politischen Mitbewer- Nachwuchsforscher in der wissenschaftlichen ber zum Geburtstag? Man kann ihm ja kaum das Begleitung an der Gründung des hessischen Allerbeste wünschen, das wäre doch zuviel der Landesverbandes der GRÜNEN teilgenom- Selbstverleugnung. men habe? Es war unübersehbar, dass diese Gründung Anhand der dreißigjährigen Geschichte der hessischen Grü- aus einem breiten Protest u.a. gegen AKWs und Um- nen lässt sich vor allem eine gesellschaftspolitische Verände- weltzerstörung und auch gegen Kriege getragen war. rung aufzeigen. Es brauchte eine Kraft, die gegen Konven- Aber da war auch der Geburtsfehler der fehlenden Ver- tionen strebt, um die Bedeutung ökologischen Wirtschaf- ankerung in der Arbeiterbewegung. tens oder basisdemokratischer Meinungsbildung in unserer Wichtig bleibt die Erinnerung an diese Aufbruchstim- Gesellschaft zu verankern. Der von den Grünen bewirkte mung, auch wenn vielleicht nicht jeder Turnschuh, jede Veränderungsprozess hat auch in den großen Volksparteien Sonnenblume oder der im Plenarsaal wegen der dro- tiefe Wirkungen gezeigt. Das ist auch gut so. henden Rotation schnell gestrickter Pullover notwendig Die Grünen waren – seitdem Holger Börner die Dachlatte war. Ein Verdienst ist auf jeden Fall, die Themen Ökolo- zur Seite gelegt hat – in Regierungszeiten ein verlässlicher gie und Nachhaltigkeit in der herrschenden Politik ver- Partner der Hessen-SPD und in Oppositionszeiten mei- ankert zu haben. Ob das auch schon der Klimaentwick- stens ein fairer Konkurrent. lung geholfen hat, ist ein anderes Thema. Und leider Mein Wunsch für die Zukunft: Die Gemeinsamkeiten nicht gehört auch zur Geschichte, die Friedensbewegung aus den Augen verlieren, denn uns verbinden die Ziele verraten zu haben. Gute Arbeit, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Teilhabe. Trotz alledem: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

Roland Koch – CDU Jörg-Uwe Hahn – FDP Als Landesvorsitzender der CDU Hessen, aber ebenso 30 Jahre Grüne in Hessen begannen persönlich gratuliere ich den hessischen Grünen herzlich aus meiner Sicht vor allem so: Bei zum dreißigjährigen Jubiläum ihres Landesverbandes. der Wahl 1982 zog die neue Partei Ohne Zweifel haben die Grünen seit ihrer Entste- erstmals in den Landtag ein, wir da- hung in den bewegten Zeiten der 1970er und 1980er gegen flogen raus. Von Anfang an prägten Jahre sowie vor allem nach ihrem ersten Einzug in den Hessi- die Grünen im hessischen Parlament einen schen Landtag 1982 viele politische Entscheidungen für unser neuen Stil. Diesen hatte es dort so vorher Bundesland maßgeblich mitgeprägt. Dabei haben sie sich von nicht gegeben. Joseph Martin Fischer steht einer anfangs den Regeln der parlamentarischen Demokratie für diesen Politikstil. Dieser war nicht nur auf skeptisch gegenüberstehenden Gruppe zu einer durchaus öffentliche Inszenierung ausgerichtet – wie normalen und kooperationsfähigen Partei entwickelt. die Vereidigung Fischers in Turnschuhen – Ich denke in diesem Zusammenhang gerne an meine ersten ,sondern zielte auch häufig darauf ab, politi- Jahre als Abgeordneter im Hessischen Landtag zurück: Die oft sche Gegner persönlich zu verletzen. Das langwierigen, weil mit Leidenschaft geführten Diskussionen T a r e k setzt sich leider bis heute fort (z.B. Twitter). etwa mit Joschka Fischer sind wahrscheinlich nicht bei jedem in Al-Wa- Zugegeben auch wir, wie andere auch, haben so angenehmer Erinnerung wie bei mir. Doch waren sie Aus- diesen schärferen politischen Ton aufgegrif- druck einer Polarisierung, die erfrischend war und die den Wäh- fen und teilen bisweilen ordentlich aus. Posi- lern in unserem Land echte Alternativen angeboten hat. Dieser tiv ist, dass die Grünen nunmehr auf Inhalte Streit über die Zukunft einer modernen, nachhaltigen Industrie- setzen wollen. Das kann im Interesse aller nur gesellschaft lohnt sich auch in Zukunft. In diesem Sinne gratu- gut sein. Das ist die Messlatte, die auch wir liere ich auch als politischer Mitbewerber gerne und herzlich. zugrunde legen werden.

16 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 30 Jahre GRÜNE Hessen

Erfolgreiche Hessen-Exporte

Von Hessen über Berlin in den Sudan Als ich 2002 in den Bundestag einzog ahnte ich nicht, niges davon versuche ich jetzt im Sudan anzuwenden dass ich sieben Jahre später im Krisenland Sudan für die und zu einer friedlicheren und demokratischeren Ent- UN arbeiten würde. wicklung beizutragen. Dazwischen lagen zwei spannende Legislaturperioden Vor den Wahlen im April 2010 habe ich für über 400 in Berlin. Im Europa- und später im Haushaltsausschuss Kandidatinnen Seminare zu Wahlkampfplanung und Rhe- konnte ich einiges bewegen und noch mehr lernen. Ei- torik durchgeführt. Dazu habe ich für UNDP auch ein Handbuch für Kandidatinnen geschrieben – mit Tipps Anna Lührmann und Tricks aus Wahlkämpfen für die hessischen Grünen. arbeitet für die UNDP im Sudan. (http://www.iknowpolitics.org/node/21089) 2002 zog sie über die hessische Wie kann die grüne Forderung nach Demokratie und Landesliste als damals jüngste Ab- Konfliktprävention weltweit in die Praxis umgesetzt wer- geordnete in den Bundestag ein. den? Welche Rolle haben die UN? Welchen Beitrag kann deutsche Politik leisten? Diese Fragen bewegen mich hier jeden Tag. Moin, Mission 2011: GRÜNE in den Landtag! zum Jubiläum gratuliere ich ganz herzlich! 30 Jahre hes- Am 27. März 2011 stehen in Rheinland-Pfalz Land- sische GRÜNE, das ist eine lange Zeit mit vielen Erfol- tagswahlen an. 2006 verpassten die GRÜNEN knapp gen. In sieben dieser dreißig Jahre war auch ich Mitglied den Einzug. Das Elend eines auseinanderfallenden des hessischen Landesverbandes. GRÜNEN Landesverbandes konnte ich nicht mit anse- In dieser Zeit gab es viele tolle und schöne Erlebnisse, an hen. Also warf ich meine berufliche Erfahrung als Kauf- die ich mich gerne erinnere. Unvergessen ist mir eine frau und Fahrt zum Unterneh- Zeltlager der Dr. Till Steffen ist Landesvorsitzende in mensbera- europäischen ist Hamburger Justizsenator Rheinland-Pfalz terin und Jungen Grü- und ehemaliger Stadtver- und ehemalige Schatzmei- rund zehn nen, zu der ordneter in Wiesbaden. sterin im Hochtaunus-Kreis. Jahre kom- die Mitglieder munalpoli- der Grünen tische Erfahrung aus Gemeindevertretung, Kreisvor- Jugend Hessen zufällig nach Geschlechtern sortiert fuh- standsarbeit und Kreistagsarbeit im Hochtaunuskreis ren. Ich fuhr den nicht mehr ganz neuen Panda des spä- in die Waagschale und wurde prompt als Landesvor- teren Landtagsabgeordneten Tarek A.-W. und als ich standssprecherin gewählt. Das „Neu-Sein“ hatte Vor- versuchte, die uns bereits weit enteilte spätere Land- teile beim Schließen alter Wunden und Gräben. Die tagsabgeordnete Ronja P. einzuholen, warnte er ein- Partei präsentiert sich heute nicht nur als geschlossen, dringlich und merklich beunruhigt: „Ab 110 km/h fängt sondern auch als personell erneuert und thematisch der Kühler an zu kochen!“ Die Frauen mussten somit erfrischt. Nach den drei Wahlkämpfen des letzten Jah- lange auf uns warten. res wissen wir auch, dass wir kampagnenfähig sind. Schon bei der GJH wurde mir also klar vor Augen ge- Ich durfte jetzt vier Jahre lang durch das politische führt, dass überkommene Geschlechtervorstellungen Rheinland-Pfalz tingeln und fühle mich in meiner neu- der Vergangenheit angehören – eine gute Schule für die en Wahlheimat richtig wohl! Das Land hat viel zu bie- Zuständigkeit auch für Geschlechterpolitik im Hambur- ten und nach der Erneuerung der eigenen Partei habe gischen Senat. ich große Lust auf viele Erneuerungen für Rheinland- Ich wünsche euch für anstehende Aufgaben und Wahlen Pfalz! viel Erfolg und immer eine Handbreit Wasser unter’m Kiel! www.eveline-lemke.de

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 17 30 Jahre GRÜNE Hessen

Kleine Chronik II Trau keinem über 30 Juni 1986 – GRÜNE legen Atom-Ausstiegszenario vor Eigentlich sind die hessischen GRÜ- Die GRÜNEN waren frauenpolitische Nur wenige Wochen nach der Reaktorkatastrophe in Tscher- NEN ja gar keine 30. Vielmehr ist die Vorreiter und viele, die heute bei eben nobyl legte der GRÜNE Umweltminister Joschka Fischer das er- Mehrheit der Mitglieder zwischen 45 diesem Thema die Nase rümpfen, ha- ste Ausstiegszenario aus der Atomkraft vor. Detailliert führen und 50 Jahren alt. Und das ist die Ge- ben genau dieser Quote den Beginn DIE GRÜNEN die Möglichkeiten des Verzichts auf Atomener- neration, die in ihrer Jugend gerne ihrer politischen Karriere zu verdan- gie bei der Stromversorgung der Bundesrepublik Deutschland den Spruch verwendete „Trau kei- ken. und des Landes Hessen aus. nem über 30“. Gefühlt sind wir ja so- Ich erinnere mich auch noch gut an Zu den spektakulärsten Vorfällen gehört der Beinahe-GAU im wieso die einzige Partei, die jugend- die Zeiten, als Landesversammlungen Jahr 1987, die Tatsache, dass Biblis A fast 30 Jahre nicht den Genehmigungs- liche Spontanität mit der Erfahrung verbalen Schlachtfeldern glichen – auflagen entsprach, mehrere Pannen durch Unwetter und eine Pannenserie und Qualität des Alters gekonnt kom- wurden doch hier in Hessen die gro- bei Revisionsarbeiten. biniert. ßen, intellektuell herausragenden Re- Diese Mischung führt aktuell zu ei- deduelle geführt. Häufig vor großem ner ausgeglichen und soliden Politik, Publikum und einige kamen, da die Oktober 1992 – Methadonprogramm die allerdings in ihrem Erscheinungs- Leidenschaft der Debatten einen gro- bild mit den Anfangsjahren fast nichts ßen Unterhaltungswert hatte. Im Zusammenspiel mit der GRÜNEN Frankfurter Gesundheitsdezernentin Mar- mehr zu tun hat. Den Auseinandersetzungen lag der garethe Nimsch und der GRÜNEN Ministerin Iris Blaul wird ab dem 1. Oktober Richtungsstreit zwischen Realos und Ingrid Borretty 1992 gegen den heftigen Widerstand der CDU Methadon staatlich und ärzt- Fundis zu Grunde. Ganz wesentlich ist Bundesvorsitzende lich kontrolliert an geeignete Drogenabhängige abgegeben. Außerdem werden ging es dabei um die Frage kann, soll der GRÜNEN ALTEN, „Druckräume“ und neue Hilfsangebote in Frankfurt eingerichtet und hessen- seit 28 Jahren Mitglied und darf man überhaupt regieren? weit Drogenhilfeprojekte unterstützt, um der Verelendung der Abhängigen ent- der GRÜNEN. Oder ist schon allein der Gedanke dar- gegenzuwirken und sie erreichbar für Hilfe zu machen. Gleichzeitig wird die of- an ein Angriff auf die politische Inte- fene Frankfurter Drogenszene aufgelöst. grität und korrumpiert man damit nicht Sie sind erwachsen geworden, DIE 1999 schafft die Rot-GRÜNE Bundesregierung die Voraussetzung für ein Mo- die grünen Ideale? Der Ausgang die- GRÜNEN, wie der legendärste aller dellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige. ser Debatte ist allen bekannt: Hessen hessischen GRÜNEN Josef Fischer in hatte bundesweit den ersten Umwelt- den 80er Jahren mal angesichts einer minister. eher seltenen Realomehrheit auf ei- Heute führen Realos und Fundis eine April 1993 – Bürgerbegehren und Bürgerentscheid ner Bundesversammlung anmerkte, meist friedliche Co-Existenz. Die Re- Unter GRÜNER Regierungsbeteiligung wird die Hes- und – so meine ich – sie sehen dabei gierungsfrage ist allerdings aktuell wie sische Gemeindeordnung novelliert und mit dem 1. in jeder Beziehung ziemlich gut aus. nie, wenn sie auch völlig anders ge- April 1993 werden Bürgerbegehren und Bürgerent- Ich erinnere mich noch an die Zeiten, stellt wird, nämlich mit welcher Par- scheide in Hessen eingeführt. Damit erhielten die Bür- als rot geschminkte Lippen als Verrat tei haben wir die größtmöglichen Chan- gerinnen und Bürger in Hessen als einem der ersten an einer emanzipierten Frauenpolitik cen viel grüne Politik umzusetzen? Bundesländer die Möglichkeit, direkt in die Kommu- galten. Schließlich sind grüne Frauen Heute sind wir zwar ruhiger, aber da- nalpolitik einzugreifen. In der Folge machten die Hes- ja keine Lustobjekte. für freier von ideologischen Grund- sen davon reichlich Gebrauch und seither gab es etwa Trotz dieser äußerlichen Styling-Prü- sätzen. 280 Bürgerbegehren und über 90 Bürgerentscheide. derie wurde mit viel Lust und erfolg- Heute sind wir zwar kompromissbe- In einem der ersten Bürgerentscheide verhinderten die Wiesbadener 1993 eine Be- reich um die 50% Frauenquote ge- reiter, aber dafür ist viel Grünes längst bauung des Dern’schen Geländes. Heute ist der Platz zu einem wichtigen inner- stritten. Keine elegante Lösung, für gesellschaftlicher Konsens. städtischen Freiraum geworden, auf dem zahlreiche Veranstaltungen wie die Rhein- manche Männer schmerzhaft, noch Heute sind wir zwar 30 Jahre gewor- gauer Weinwoche, der Weihnachtsmarkt und der Wochenmarkt stattfinden. heute, aber nötig. Andere Parteien den, aber trauen kann man uns noch Die Bürgerinitiative in Flörsheim sammelte über 2.600 Unterschriften und in ei- folgten, wenn auch Jahre später, mit immer. nem Bürgerentscheid im Mai 2007 sprachen sich die Bürgerinnen und Bürger ge- ähnlichen Fördermodellen. Ganz sicher. gen die geplante Umgehungsstraße aus.

18 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 30 Jahre GRÜNE Hessen

Trau keinem über 30 Liebe hessische

Eigentlich sind die hessischen GRÜ- Die GRÜNEN waren frauenpolitische Mitstreiterinnen und Mitstreiter, NEN ja gar keine 30. Vielmehr ist die Vorreiter und viele, die heute bei eben ich glaube, diese Ansprache ist So waren wir schon Realos, als Ihr Mehrheit der Mitglieder zwischen 45 diesem Thema die Nase rümpfen, ha- berechtigt, denn wir Baden- im Landtag noch amerikanische und 50 Jahren alt. Und das ist die Ge- ben genau dieser Quote den Beginn WürttembergerInnen und ihr Generäle mit selbstgezapftem neration, die in ihrer Jugend gerne ihrer politischen Karriere zu verdan- HessInnen sind nicht nur beide Blut bespritzt habt. den Spruch verwendete „Trau kei- ken. seit über 30 Jahren in grüner Und in der Tat wich die sogenannte nem über 30“. Gefühlt sind wir ja so- Ich erinnere mich auch noch gut an baden-württembergische wieso die einzige Partei, die jugend- die Zeiten, als Landesversammlungen Linie deutlich vom hessischen liche Spontanität mit der Erfahrung verbalen Schlachtfeldern glichen – Winfried Kretschmann Kurs ab. Ich will's mal so und Qualität des Alters gekonnt kom- wurden doch hier in Hessen die gro- ist Fraktionsvorsitzender sagen: Lange Zeit wart Ihr biniert. ßen, intellektuell herausragenden Re- der GRÜNEN im Landtag eigentlich so was wie grüne Diese Mischung führt aktuell zu ei- deduelle geführt. Häufig vor großem von Baden-Württemberg. Sozialdemokraten, stark über ner ausgeglichen und soliden Politik, Publikum und einige kamen, da die die 68er und die Putztruppe die allerdings in ihrem Erscheinungs- Leidenschaft der Debatten einen gro- politisch sozialisiert, bild mit den Anfangsjahren fast nichts ßen Unterhaltungswert hatte. Sache unterwegs, wir waren während unsere Herkunft mehr zu tun hat. Den Auseinandersetzungen lag der über viele Jahre auch prägend für bürgerlicher geprägt und das Richtungsstreit zwischen Realos und die Bundespartei. In personeller Ingrid Borretty wertkonservative Element in der Fundis zu Grunde. Ganz wesentlich Hinsicht haben unsere beiden ist Bundesvorsitzende Politik meiner Landesgrünen von ging es dabei um die Frage kann, soll Landesverbände viele Talente der GRÜNEN ALTEN, Beginn an vorhanden war. Nur und darf man überhaupt regieren? hervorgebracht, von denen seit 28 Jahren Mitglied logisch, dass die bundesweit Oder ist schon allein der Gedanke dar- Einige herausragende Politiker der GRÜNEN. ersten grünen Gehversuche in an ein Angriff auf die politische Inte- wurden. Okay, Ihr habt da der Wirtschaftspolitik, in der grität und korrumpiert man damit nicht sicherlich die Nase vorne, denn Sie sind erwachsen geworden, DIE Technologiepolitik von den die grünen Ideale? Der Ausgang die- einen Joschka Fischer können GRÜNEN, wie der legendärste aller Südwestgrünen gemacht und ser Debatte ist allen bekannt: Hessen sogar wir nicht überbieten. hessischen GRÜNEN Josef Fischer in mit großer Skepsis von Fischer hatte bundesweit den ersten Umwelt- Und seit einem Jahrzehnt habt den 80er Jahren mal angesichts einer und Co. beäugt wurden. minister. Ihr mit Tarek Al-Wazir schon eher seltenen Realomehrheit auf ei- Das alles, liebe hessische Grüne, Heute führen Realos und Fundis eine wieder so ein Kronjuwel am ner Bundesversammlung anmerkte, liegt lange zurück. Ihr habt meist friedliche Co-Existenz. Die Re- Start. Immerhin stellen wir und – so meine ich – sie sehen dabei Euch gut gehalten und prächtig gierungsfrage ist allerdings aktuell wie mit Cem Özdemir gerade den in jeder Beziehung ziemlich gut aus. entwickelt. Die Wahlergebnisse nie, wenn sie auch völlig anders ge- Bundesvorsitzenden. Zwei in der Ich erinnere mich noch an die Zeiten, sind super, und wir müssen sie stellt wird, nämlich mit welcher Par- gleichen Liga, im gleichen Alter, als rot geschminkte Lippen als Verrat mal wieder toppen! Ihr wart und tei haben wir die größtmöglichen Chan- mit gleich deutschen Namen und an einer emanzipierten Frauenpolitik seid weiterhin eine starke Säule cen viel grüne Politik umzusetzen? beide Hoffnungsträger unserer galten. Schließlich sind grüne Frauen der deutschen Grünen. Es bleibt Heute sind wir zwar ruhiger, aber da- Partei. ja keine Lustobjekte. nur ein Wunsch offen – bei Euch, für freier von ideologischen Grund- Ihr merkt ja, von Beginn an haben Trotz dieser äußerlichen Styling-Prü- wie bei uns: dass Ihr wieder und sätzen. wir am gleichen Strang gezogen, derie wurde mit viel Lust und erfolg- wir endlich an die Regierung Heute sind wir zwar kompromissbe- gemeinsam für unsere Anliegen, reich um die 50% Frauenquote ge- kommen. Immerhin war ich es reiter, aber dafür ist viel Grünes längst auch innerparteilich, gekämpft. stritten. Keine elegante Lösung, für wenigstens schon; bei Euch, mit gesellschaftlicher Konsens. Aber zugleich schwang in der manche Männer schmerzhaft, noch Börner und Fischer. Heute sind wir zwar 30 Jahre gewor- starken Verbundenheit auch heute, aber nötig. Andere Parteien Alles Gute für die nächsten 30 den, aber trauen kann man uns noch immer ein wenig Wettbewerb folgten, wenn auch Jahre später, mit Jahre! immer. und Konkurrenz zwischen den ähnlichen Fördermodellen. Ganz sicher. zwei Realo-Landesverbänden mit.

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 19 30 Jahre GRÜNE Hessen

30 Jahre Stadtteilarbeit im Nordend – ein persönlicher Rückblick

Wann genau das Leben der erfolg- gerinitiativen (z.B. mit SOS Rassis- der Stadtteilgruppe sehen lassen. Eine reichen Frankfurter Stadtteilgruppe mus, Lehrerkooperative u.a.m.) teil- Feststellung, die heute noch gültig begann, ist heutzutage nicht mehr ten. Das erste, was wir einführten, ist. exakt nachzuvollziehen. Jedenfalls war ein Protokollbuch, das ich noch Vorabsprachen mit anderen Partei- begann das GRÜNE Leben in den immer besitze. JedeR musste mal Pro- en galten bei den „Fundis“ als Ver- benachbarten Stadtteilen Nordend tokoll führen, was natürlich nicht alle rat an unseren Grundsätzen der öf- und Bornheim gemeinsam. Irgend- taten! Alles wurde festgehalten: Dis- fentlichen Meinungsbildung. Heftiger wann in den 80er Jahren trennten kussionsverlauf, Beschlüsse, Aufga- Streit und ideologische Debatten wa- sich unsere Wege. Wir aus dem Nor- ben u.a.m. Man kann dort so pro- ren an der Tagesordnung. Obwohl dend bezogen unser Domizil zunächst funde Sätze finden, wie: „Die Macht es Spaltungstendenzen gab, hat der in der Mousonfabrik (Ostend). der Medien ist klar, daher müssen -Realo-Streit die Stadtteilgrup- Ich werde nie meine ersten Annähe- wir versuchen, sie für unsere Ziele pe Nordend nicht auseinandergeris- rungsversuche mit den GRÜNEN ver- auszunutzen!“ oder die Frage: „Ist sen. gessen: Es war Sommer und ich hat- es Verrat an GRÜNEN Positionen, 1981 sandten die GRÜNEN zwei Ver- te erfahren, dass die GRÜNEN sich wenn machbare Forderungen auf- treter in den Ortsbeirat, die CDU zehn, um 20 Uhr treffen. Als Sohn die SPD sechs und die FDP ei- aus einer preußischen Familie nen. Seit 1993 stellen wir GRÜ- stammend wartete ich pünkt- NE den Ortsvorsteher bzw. die lich auf die GRÜNEN. Auch Ortsvorsteherin und seit 1997 zwei andere Sympathisanten haben wir im Stadtteil stetig waren zugegen. So gegen 20.35 eine satte Mehrheit von über Uhr kam der erste GRÜNE und 30% der Stimmen. Mit dazu gegen 20.45 Uhr begann man beigetragen hat sicherlich auch schließlich zu diskutieren.Eine das von uns organisierte Stadt- Woche später das gleiche Ri- teilfest in der Rotlintstraße, das tual. Meine „Mitsympathisan- dieses Jahr am 6. September ten“ waren nicht mehr erschie- zum 27. Male stattfindet. Auch nen. Nur ich wartete wieder auf anderen Ebenen waren wir über eine halbe Stunde auf die GRÜ- gestellt werden?“; „Träume sind nicht erfolgreich: Drei Ehen haben sich nach- NEN. Als ich später einmal nachfrag- ausgeträumt – Utopien sollen nicht weislich in der Stadtteilgruppe ange- te, warum man immer so spät be- aufgegeben werden“. Beim Lesen bahnt. Wie viele Beziehungen ge- ginnen würde, obwohl der Beginn dieses Satzes drängt sich die Frage schieden oder wie oft über die doch um 20 Uhr angesetzt sei, er- auf: „Haben wir GRÜNE (noch) eine politische Arbeit Beziehungen in Kri- hielt ich die erhellende Antwort: „Wir Utopie von der Gesellschaft?“ sen gerieten sind, ist dem Autor nicht machen das deshalb, damit wir nur Auch kann man nachlesen, dass wir bekannt. Und das ist auch gut so! • die bekommen, die auch wirklich im Stadtteil die erste getrennte Son- ernsthaft dabei bleiben wollen.“ Da der-Müllsammlung organisierten. Die Jörg Harraschain ist seit 1981 ak- war was dran. Ich bin noch immer Schaffung von ökologischem Bewusst- tiv bei den GRÜNEN, seit 1983 dabei! sein spielte eine große Rolle und die Mitglied. Er war mit kurzen Unter- 1984 zogen wir in die Rotlintstraße Frage, welche Funktion die GRÜNEN brechungen über 20 Jahre im 58 ins GRÜNLAND (Versammlungs- im Parlament einnehmen sollten. Die Ortsbeirat und über fünf Jahre raum mit Küche und Büro). Wir konn- Arbeit im Ortsbeirat wurde kritisch Ortsvorsteher des Nordends. ten uns diesen Luxus leisten, da wir begleitet und festgestellt, dass un- die Räumlichkeiten mit anderen Bür- sere Abgeordneten sich zu wenig in

20 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 30 Jahre GRÜNE Hessen · Termine

Kleine Chronik III

März 1994 – Juni 1995 Erste MigrantInnen im Polizeidienst – Schließung der Hanauer Nuklearfabriken 1994 werden unter GRÜNER Regierungsbeteili- Umweltminister Joschka Fischer ordnet 1991 nach ei- gung erstmals ausländische Staatsangehörige im ner Reihe von Störfällen die Stilllegung der Mischoxid hessischen Polizeidienst zugelassen. Dazu wurde (MOX)-Altanlage des Siemens-Brennelementewerks das hessische Beamtenrecht geändert und der Zu- in Hanau an. gang zum Beamtenverhältnis für Nichtdeutsche Die Firma Siemens kapituliert im Jahre 1994 nach jah- ermöglicht. Die Öffnung staatlicher Institutionen relangen Auseinandersetzungen mit dem GRÜNEN wie der Polizei für Migrantinnen und Migranten Umweltministerium und schließt die MOX-Altanlage. markiert einen wesentlichen Schritt der Integrati- Nachdem Rot-GRÜN die Landtagswahl erneut ge- on in die gesamte Gesellschaft. wonnen hatte, gab der Atomkonzern am 7. Juli 1995 Im März 1994 begann die Türkin Hatun Yildiz als erste endgültig auf und verkündete, dass auch die geplante Migrantin in der Polizeischule Kassel ihre Ausbildung. Anlage nicht fertig gestellt werde.

Juni 2008 – Abschaffung der Studiengebühren In der einjährigen Phase der wechselnden Mehrheiten im Hessischen Landtag schaffen SPD, GRÜNE und Linkspartei die 2007 eingeführten Semestergebühren in Höhe von 500 Euro sowie die Langzeitstudiengebühren ab. Die entgangenen Mittel sollen den Hoch- schulen künftig aus Steuergeldern ersetzt werden.

Termine hbs Heinrich-Böll-Stiftung Hessen e.V. Samstag, 19. Juni, 9.00 Uhr Veranstaltungsreihe: "Konsum und/ 17. Juni 2010, 18.00 GRÜNER Tag oder Ethik. Was macht Konsum nach- Nachhaltigkeit, ein Mythos? Richard Veranstalter: Landesverband haltig?" Green New Deal vor Ort Häusler (Geschäftsführer, stratum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE Hessen consult, München) Veranstalter: Phlink e.V. und Artge- Ort: Opelvillen, recht e.V., Heinrich-Böll-Stiftung Hes- Ludwig-Dörfler-Allee 9, Rüsselsheim sen e.V., Umweltreferat des Asta-Mar- Hörsaal 110, Hörsaalgebäude Samstag, 19. Juni, ab 18 Uhr burg, Stadt Marburg, Roter Stern Biegenstraße 14, Marburg Sommerfest – 30 Jahre GRÜNE Marburg, Marburger Weltladen, KFZ Donnerstag, 24. Juni Hessen Marburg, TTZ Marburg und Kulturel- Nachhaltigkeit beginnt beim Design Veranstalter: Landesverband le Aktion Marburg strömungen e.V. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE Hessen Bernd Draser (Lehrbeauftragter für Ort: Opelvillen, 10. Juni 2010, 20.00 Philosophie, ecodesign-Akademie Ludwig-Dörfler-Allee 9, Rüsselsheim Ende der Märchenstunde Wie die für Gestaltung, Köln) Industrie die Lohas und Lifestyle- Montag, 21. August, 10.30 Uhr Hörsaal 110, Hörsaalgebäude, Bie- Ökos vereinnahmt. LAG Soziales genstraße 14, Marburg Veranstalter: Landesverband Kathrin Hartmann (Autorin, Journa- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE Hessen listin, München) Ort: Römer, Raum 337, KFZ, Schulstr. 6, Marburg Bethmannstr. 3, Frankfurt Eintritt 5€/ 3€ ermäßigt weitere Infos: www.boell-hessen.de

Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 21 Service · Seminarangebote

zu Wort? Wie es gelingen kann, trans- parent, demokratisch und ergebniso- rientiert Diskussionen zu leiten, ver- mittelt dieses Seminar. Was sind auch in Richtung von Konfliktpoten- Aufgaben der Diskussionsleitung? Wie Freitag, 25. bis Samstag 26. Juni tialen für die Praktikumsarbeit vor- können Sitzungen optimal vorbereitet Ort: Wuppertal gestellt. und strukturiert werden? Wichtiges Handwerkszeug sind dabei Modera- Ins Rampenlicht, ans Mikrophon! In- Kosten: 200 Euro inkl. Ü/VP terview- und Moderationstechniken tionsmethoden, die eine Diskussions- Informationen: leitung wesentlich vereinfachen und Rede und Antwort stehen, Gesprä- [email protected] den Umgang mit gruppendynamischen che lenken, Fragen stellen. Tel.: 02 11 93 65 08-23 Prozessen erleichtern. In Situationssi- Herausforderungen: Eine Journalistin mulationen werden zentrale Techni- aus Hörfunk- oder Fernsehen, will ein Samstag, 3. Juli ken praktisch erprobt. Die Teilnehmen- kurzes Statement – wer kann das? Ort: Potsdam den entwickeln ein Verständnis für die Zum Abschluss einer Tagung soll eine Sicheres Auftreten vor der Presse professionelle Vorbereitung, Durch- Schlussrunde lebendig moderiert wer- Die Zusammenarbeit mit den Medi- führung und Ergebnissicherung von den – doch wie? Typische Situatio- en ist für den Erfolg der Arbeit von Diskussionen und Sitzungen. nen für einschlägige Panikattacken. hoher Bedeutung. In diesem Semi- Wir trainieren beides: Wir hören, an nar trainieren Sie den rhetorisch si- Kosten: 65,00 Euro, erm. 45,00 Euro Beispielen, wie andere reden und In- cheren Umgang mit der Presse und Informationen: terviews führen oder geben. Erpro- lernen relevante Sendeformate ken- [email protected] ben Strategien in der Gruppe, füh- nen. Sie werden mit den „Spielre- Tel.: 05 11 30 18 57 0 ren (auch paradoxe) Interviews, geln“ der Presse vertraut gemacht tauschen die Rollen, werten aus. und bringen komplexe Sachverhal- te auf den Punkt. Mithilfe von Simu- Kosten: 160 € inkl. Ü/VP lationsübungen unter Videoeinsatz werden konkrete Pressesituationen Informationen: erprobt. Am Ende des Seminars sind [email protected] Sie in der Lage, Statements und In- Bestellseminare Tel.: 02 11 93 65 08-23 terviews zu geben, sich professionell Neben fest terminierten Seminaren vor laufender Kamera oder offenem und Trainings hat GreenCampus auch Freitag 27. bis Sonntag 29. August Mikrophon zu verhalten und unter ein umfangreiches Angebot an so- Ort: Bonn Zeitdruck Botschaften in Aussagen genannte Bestellseminaren im Pro- Politik qualifiziert! PraktikantIn- zu übersetzen. gramm. Sie können von Organisa- nen – Einführungswochenende tionen und Unternehmen bestellt und Politik als Arbeit kennenlernen. Prak- Kosten: 50 Euro, Frühbucher: 40 Euro individuell auf den jeweiligen Bedarf tika in Parlament, Verwaltung, Ver- Informationen: zugeschnitten werden und finden je band, Partei, Institut oder Stiftung www.boell-brandenburg.de nach Wunsch vor Ort oder Inhouse, bieten Erfahrungen aus erster Hand Tel.: 03 31 20 05 78-0 in externen Seminarräumen oder in für Beruf und Berufung. Projekt-ori- der Heinrich-Böll-Stiftung statt. entiert inszenierte Praktika hinterlas- Samstag, 4. bis Sonntag 5. September Bestellseminare garantieren einen op- sen belebende Spuren auch in er- Ort: Potsdam timalen Zuschnitt auf die Teilnehmen- starrten Politikstrukturen. Sitzungen & Diskussionen effek- den und machen damit Weiterbil- Das Start-Up-Wochenende vermit- tiv leiten dung zu einer maßgeschneiderten telt Handwerkszeug für Projekt-, Zeit- Wer kennt sie nicht: endlose Sitzun- Dienstleistung. und Selbst-Management. Kommu- gen, die ohne Ergebnis enden? Echte nikations- und Arbeitsstrukturen Zeiträuber! Oder andersherum: vor www.greencampus.de relevanter Organisationen werden lauter Leitung kommt niemand recht

22 · Grünfläche · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Juni 2010 GfD_Gesellsch_engagieren_210x 297 mm_4c

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Juni 2010 · Zeitschrift der Grünen in Hessen · Grünfläche 23 LOT TO Hessen gratuliert Leticia Moreno zum LOTTO-Förderpreis 2010

Der Preis der Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen wurde im Jahr 2009 erstmals zur Verfügung gestellt. Er wird jährlich vergeben und ist mit 15.000 Euro dotiert. ࡐ/HWLFLD0RUHQRYHUIJWEHUHLQHEUHLWH3DOHWWH VXJJHVWLYHU*HVWDOWXQJVPLWWHOXQGLQWHUSUHWLHUW 0XVLNPLWHLQHU6SDQQXQJHU]HXJHQGHQ (U]lKOVWUXNWXU´ Auszug aus der Begründung der Jury

Die Preisverleihung sowie das Konzert mit Leticia Moreno und der Polnischen ࡐ'DV5KHLQJDX0XVLN)HVWLYDOOHEWYRQGHU .DPPHUSKLOKDUPRQLHÀQGHQDP 9LHOIDOWXQGGHQLPPHUQHXHQ7DOHQWHQ 12. August 2010 im Kreuzgang :LUZROOHQLKQHQGHQ:HJDQ von Kloster Eberbach statt. GLH6SLW]HHUOHLFKWHUQ´ Dr. Heinz-Georg Sundermann, Geschäftsführer LOTTO Hessen

www.lotto-hessen.de