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ARTfCULATA 2000 15121:207 - 210 BIOLOGIE

Zum Eiablageverhalten von rufipes (ZETTERsTEDT, 1821) in SUdwestfrankreich

Thomas Fartmann

Abstract Up to now the known ovipositing sites of have been the superficial layers of the soil and the roots of plants. From the observation of ovi- position in mosses on the top of south facing chalk stones in Southwestem France in October one can strongly suggest that only individuals of a second generation would choose such warm sites. For a successful embryonic develop- ment during the cool winter up to spring they need warmer microhabitats than the univoltin populations in Central Europe. Zusammenfassung Bislang waren als Eiablagepliitze von Omocesfus rufpes nur die oberen Boden- zentimeter barv. der Wurzelfilz von Pflanzen bekannt. Aufgrund von Eiablagebe- obachtungen in Moospolstern auf sUdexponierten Kalkbruchsteinen im SUdwes- ten Frankreichs im Oktober, wird gefolgert, dass die Wahl eines solch wermebe- gUnstigen Ablageplatzes nur fUr Tiere einer 2. Generation Sinn macht. Sie sind fUr einen erfolgreichen Abschluss der Embryogenese Uber die vergleichsweise kUhlen Wintermonate bis zum Fr0hjahr auf entsprechend wdrmere Mikrohabitate angewiesen als die univoltinen Populationen Mitteleuropas. Einleitung lNGRtscH (1988) hat deutlich auf die herausgehobene Bedeutung der AnsprUche von Heuschrecken wdhrend der Embryogenese fUr die Verbreitung und Habitat- bindung hingewiesen. Ein entscheidender Grund hierfUr ist die fehlende Moglich- keit zur aktiven Ortsverdnderung bei Eiern. lmagines - in gewissen Grenzen auch Larven (vgl. z.B. FARTMANN 1997) - sind teilweise in der Lage, ung0nstigen kli- matischen Bedingungen auszuweichen und Orte aufzusuchen, an denen ein physiologisch optimaler Zustand aufrechterhalten werden kann. Die Kenntnis Uber die Eiablagepldltze vieler Heuschreckenarten ist bislang un- vollstdndig wie neuere Publikationen zu diesem Themenkreis verdeutlichen (vgl. HRupr 1995, HocHKtRcH 1996, SORENS 1996, RErNHAnor 1998). Nachfolgend sollen Beobachtungen zur Eiablage und zum Eiablagesubstrat von Omocesfus rufipes aus S0dwestfrankreich geschildert werden.

Untersuchungsgebiet und Methoden Das Untersuchungsgebiet (UG) St. Fort sur Gironde liegt nOrdlich des Gironde- Astuars etwa in der Mitte zwischen Bordeaux und Saintes. Politisch gehOrt es zum Department Charente-Maritime (vgl. Abb. 1).

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Naturrdumlich ldsst es sich dem Aquitanischen Becken zuordnen. Das Gebiet Eiablage erfolgte schlieRlich in maximal 1 cm hohe polster von pleuro- und akro- befindet sich in einem Ubergangsbereich aarischen subozeanischem und medi- karpen Moosen. wdhrend der gesamten Zeit wurden die weibchen nicht von den terranem Klima. FUr die dem UG am ndchsten gelegene Klimastation Bordeaux Mdnnchen bedrringt und eine Kopula konnte nicht beobachtet werden. Zwischen liegen die jiihrlichen Niederschliige im Mittel bei 936 mm. Die langjiihrigen Mittel- den Mdnnchen wurden keine Interaktionen festgestellt. '19,6'C temperaturen fUr die Monate Januar und Juli betragen 5,7 "C bzw. bei Diskussion einem Jahresmittel von 12,5 'C (PLErscH 1997). die Eiablageorte Untersuchungsort war eine schwach sUdexponierte Frischwiese mit einer im Uber von omocestus rufipes liegen in der Literatur wenige An- gaben vor. Nahezu geben Norden anschliel3enden ca. 30-40 cm hohen Einfassung eines Blumenbeetes alle Autoren die oberen 2 cm des Bodens als Eiabla- gemedium an (vgl. WALoFF aus Kalkbruchsteinen, die ebenfalls nach SUden ausgerichtet war. Die Steine 1950, BETER'1956, LoHER 1959, HARZ 1960, MARSHALL & Hnes 1988). waren spddich mit Moosen bewachsen. Sowohl im Norden als auch im Westen Daruber hinaus gibt es von scHrr,rror (1993) Beobach- tungen aus norddeutschen bestand ein Windschutz durch Gebiiude, so dass sich die Fliiche bei Sonnen- Mooren zur Eiablage im wurzelbereich von cattuna vulgais und Erica tetralix. schein relativ schnell aufheizte. Die Beobachtungen erfolgten am 06. und 07. gemiiBigten Oktober 1998 etwa alischen 10.00 und 12.00 Uhr MESZ. Das Wetter war an Unter dem Klima Mitteleuropas barv. GroBbritanniens und einer ein- jahrigen Entwicklung beiden Tagen wechselhaft und die Temperaturen lagen etwa zwischen'18 und scheint die oberste Bodenschicht der prdferierte Eiablage- platz zu sein. ln Abheingigkeit von den jeweiligen Habitaten werden hier die Temperatursummen erreicht, die fOr einen schlupf der Larven erforderlich sind. 90 0 90 lEo XiloNI.. FUr weite Teile r- des mediterran beeinflussten SUdfrankreichs ist eine bivoltine Entwickfung von Omocestus rufipes belegt (vgl. LuouEr 1984, CotN 1992). Dem- + nach schlupfen die Larven der 1. Generation im Mdrz. lmagines treten zumeist im Mai auf. Aus den Eiern dieser Generation schlUpfen schlieBlich im Juli Larven, die Ende AugusuAnfang september die vier stadien bis zur lmago durchlaufen haben. In Mitteleuropa sind lmagines vor allem in der Zeit von Juli bis oktober mit einem Maximum im August zu beobachten (vgl. THoRerus & NADtc 1997, NUNNER 1998). Die im UG festgestellten hohen Dichten von omocestus rufrpes noch Anfang oktober legen die vermutung nahe, dass es sich um Individuen einer 2. Generation handelt. Dies ist denkbar, da die Jahresmitteltemperaturen deutlich tiber den aus Mitteleuropa bekannten werten liegen, wenngleich die Temperaturwerte der mediterran gepragten Provence und des RhOnetales mit nachweislichem vorkommen von bivoltinen Populationen von omocesfus rufipes nicht erreicht werden. Von allen bislang bekannten Eiablagepliitzen von Omocesfus rufipes (s.o.) mussen die Eiablagestellen auf den Kalkbruchsteinen des UG als trockenste und zugleich warmebeg0nstigste Mikrohabitate am Tage angesehen werden. Die a lLge des LrnteMlungsgebieles Wahl eines solchen Eiablageplatzes fOr Individuen der postulierten zweiten Ge- neration wUrde Sinn machen, da die Eier die Embryonalentwicklung wdhrend der vergleichsweise Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebietes St. Fort sur Gironde in Frankreich' kUhlen Wintermonate durchlaufen mUssen und nur so die not- wendigen Temperatursummen erreichen. Vor diesem Hintergrund wdren Beobachtungen zu Eiablagepldtzen vor, Weib- Ergebnisse chen der 1. Generation interessant, da aufgrund der zu hohen Temperaturen Omocesfus rufipes trat auf der untersuchten Wiese in fUr die Jahreszeit relativ wdhrend des Sommers keine erfolgreiche Entwicklung der Eier in Moospolstern hohen Dichten auf und war Anfang Oktober mit Abstand die hdufigste auf Kalkfelsen zu enararten ist. Heuschreckenart. Besonders hohe Individuendichten waren auf den nach SUden Danksagung exponierten Kalksteinen der Beeteinfassung zu beobachten. Hier konnte eine ge- FUr prof. klumpte Verteilung festgestellt werden, bei der ein Mdnnchen zumeist von 2-3 die Hilfe bei der Literaturbeschaffung bedanke ich mich bei E. Bruenl, Dr. Weibchen umgeben war. Bei Sonnenschein stridulierten die Mdnnchen intensiv G. ScHMtor und J. TuMBRtNcK. Die Durchsicht des Manuskriptes Ubernahmen A. und die Weibchen suchten die Moospolster auf den Steinen in einem Umkreis NururuEn und A.M. ScHULTE. von 20-30 cm mit der Abdomenspitze nach geeigneten Eiablagepliitzen ab. Die

ARTICULATA 2OOO 15(2) ARTTCULATA20OO 1s(2) Deutschen Gesellschaft für Orthopterologie e.V.; download http://www.dgfo-articulata.de/

Verfasser: Thomas Fartmann Paradiesenrveg 61 59494 Soest Eine erfolgreiche Zucht des verkannten Grashupfers, fartmannt@buero-stelziq. de moltis (CxaneetrreR), am Gemeinen BeifuB, Artemisia vutgaiii t. Literatur G0nter Krihler & Matthias Held

BETER, M. (1956): Feldheuschrecken. Neue Brehm-Bucherei, Bd. 179. Ziemsen Verlag, Witten- berg Lutherstadt. 48 S. ColN, J. (1992\: Omocestus ventnlis (Zetterstedt), criguet bivoltin dans le Midi de la France Abstract (, ). Bull. Soc. ent. Fr. 97(5): 415-418. The (CHARpENIER) from a wild population was FARTMANN, (1997): Bioz6nologische Untersuchungen zur Heuschreckenfauna auf Mager- T. fed exclusively with Mugwort, Artemisia vulgaris L., in the laboratory. Both Mdrkische Schweiz (Ostbrandenburg). Arbeiten aus dem lnstitut fur adults rasen im Naturpark and larvae developed normally wjthout higher Landschafts6kologie Mr.inster 3: 1-62. a mortality rate than'by feeding on grass. ln conlrast, the number of egg pods per female and the number ot Jggs HARZ, K. (1960): Geradflogler oder Orthopteren (Blattodea, Mantodea, Saltatoria, Dermaptera). per pod were reduced. In: Die Tierwelt Deutschlands und der angrenzenden Meeresteile nach ihren Merk- malen und nach ihrer Lebensweise. (Hrsg.: Dahl, F.) (, 46. Teil.) VEB Gustav Fischer Zusammenfassung Verlag, Jena, 232 S. Dem Verkannten Grashtipfer, chorthippus mollis (cHARpENTrEn), aus einer Frei- (1995): der Kurzflugeligen Schwertschrecke (Conocephalus HAUpr, H. Zum Eiablageverhalten land-Popufation wurde im Labor ausschlieBlich Gemeiner dorsa/ls Latreille, 1804). Articulata 10(1): 97-100. BeifuB, Aftemisia vul- garis L-, als Futter angeboten" lmagines und Larven entwickelten sich normal HocHKtRcH, A. (1996): Die Bedeutung der Eiablage in Totholz frir Habitatbindung und Ausbrei- und unterlagen keiner erhdhten sterblichkeit im Vergleich zur Aufzucht an tung bei Chrysochnon dlspar (Germar,'1 831 ). Articulata'1 1 (2): 91-97. Grdsern. Dagegen blieben die oothekenzahl pro weibihen und die Eizahl pro lNGRrscH, S. (1988): Wasseraufnahme und Trockenresistenz der Eiereuropdischer Laubheu- Oothek niedrig. schrecken (Orthoptera: Tettigoniidae). Zool. Jb. Physiol. 92: 1 17 -'17Q. Einleitung LoHER, W. (1959): Das Verhalten einiger Feldheuschreckenarten unmittelbar nach der Eiab- lage. Nachr. Bl. Bayer. Entomol. S: 101-104;108-110. Die -Arten der Gattung chorthippus gelten als (suB-)Grasfresser, mit Mandibeln graminivoren LuouEr, G. C. (1984): Observations ph6nologiques, 6thologiques et syst6matiques sur les Acri' vom Typ (KAUFMANN 1g6s, AcurnRE et al. 1gg7, '1995). diens du Mont Ventoux (Vaucluse). Ent. gall. 1(2): 117-136. GnrucweRe & sprueR Dabei werden die einzelnen Greser nicht in gleichem MaRe, (1988): and allied of Great Britain and sondern einige, wie etwa Festuca und Dactyris, bevorzugt be- MARSHALL, J.A. & HAES, E.C.M. fressen lreland. Harley Books, Colchester. 254 S. (KnurvnNru 1965, KOHLER & ScHALLER 19g1). Die Art'chorthippus-moilis konnte sogar an einer halbsynthetischen Trockendiait NUNNER, A. (1998): Omocestus rufipes- BuntbduchigerGrashupfer. In: DErzEL, P.: Die Heu- mit Dactytis-pulver gezo- gen werden (SCHALLER schrecken Baden-Wtlrftembergs. U lmer, Stuttgart. 420-427 S. 1980). Allerdings zeigen Untersuchungen an anderen -Arten, dass die Buchge- Art und Mischung der Grasnahr-ung dkologische PLETSCH, A. (1997): Frankreich. Wissenschaftliche Landerkunden. Wissenschaftliche Parameter, wie sterblichkeit, sellschaft, Darmstadt. 354 S. Lebensdauer, Kdrpermasse und Eizahl, beeinflus- sen kann (KnurvnNru 1965, SCHALLER & KoHLEn 19gl). rnol/r's (Euff,ystin brcchy' An ch. auf Reb- RETNHARDT, K. (1998): Zur Eiablageprdferenz der Kleinen Goldschrecke, bcischungen am Kaiserstuhl gelangen pfera) (OcsKAY) - Freiland versus Gewdchshaus. Articulata 13('l):29-37. aber auch die bislang einzigen FraBbeo- bachtungen, bei denen 0berwiegend Krduter aufgenommen *urGn. Auf einer (1983): Pflanzen als Nahrung und Eiablageort moorbewohnender Heuschre- SCHMTDT, G. H. von Fabaceae dominierten Fldche wurden in 35 von 50 Fdllen Medicago, Meti- cken Nordwestdeutschlands. Verh. SIEEC X. Budapest, 65-68 /ofus und Genista befressen (GorrscHALK 1993, BRANDT & GorrscHnr-x issa;. SORENS, A. (1996): Zur Populationsstruktur, Mobilitdt und dem Eiablageverhalten der Sumpf- Aufgrund des gelegentlichen KrduterfraBes wurde ch. mollis als pflanzenfresser schrecke (Stethophyma grossum) und der Kuzfliigeligen Schwertschrecke (Cono- f0r ein screening-Experiment ausgewdhlt, bei dem es um den Einfluss unter- ce p h al u s dorsa/is). Articulata 1'l (1). 37 -48. schiedlicher Bodenqualittiten auf die Resistenz von Aftemisia vulgais gegen0ber (Documenta THoRENS, P. & NADTG, A. (1997): Verbreitungsatlas der Orthopteren der Schweiz. Herbivoren sowie auf die Bildung von Sekunddrmetaboliten ging. oiJsem ver- Faunistica Helveticae, 16.) CSCF / SZKF, NeuchAtel. 236 S. suchsansatz wurde zundchst keinerlei Erfolgsschance eingerdumt. Allerdings WALoFF, N. (1950): The egg-pods of British short-horned grasshoppers (Acrididae). Proc. R zeigte sich bald, dass der verkannte Grashupfer offenbar problemlos mit dieser Soc. Lond. (A) 25: 115-127. Entomol. ungewcihnlichen Nahrung zurechtkommt, obwohl BeifuB in den Habitaten der Art

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