WENN DAS LAND KNAPP WIRD, WÄCHST DER HUNGER 1 |1

Wenn das Land knapp wird Was haben Biosprit und Tie rfutter mit Hunger zu tun? niemand is st für sich allein

KAMPAGNE FÜR ERNÄHRUNGSSICHERHEIT Inhalt

3 Vorwort Besser – anders – weniger 17 Was hat die Landknappheit Landraub in der Bibel mit unserem Lebensstil zu 4 Eine theologische Reflexion tun? 12 ∂ Der ökologische Fußabdruck ∂ Flächenverbrauch reduzieren durch bewusste Ernährung ∂ Sprit sparen unterstützt Wenn das Land knapp wird, die Ernährungssicherheit 6 wächst der Hunger ∂ Land für Ernährungs- ∂ Futtermittel verbrauchen sicherheit schon heute viel Land ∂ Sierra Leone: Ethanol statt Niemand is st für sich allein Nahrungsmittel 22 Aktionen der „Brot für die ∂ Agrartreibstoffe heizen die Wel t“-Kampagne Landkonkurrenz an ∂ Sagen Sie der Bundesregie - ∂ Kolumbien: Die Ernährungs- rung die Meinung sicherheit bleibt auf der ∂ Reduzieren Sie Ihren Flä chen - Strecke verbrauch ∂ Philippinen: „Mit der Kokos - ∂ Machen Sie Ihren Flächen- nuss im Tank bleibt der Reis verbrauch sichtbar auf dem Telle r“ ∂ Argentinien: „Ohne Wald 24 Materialien der Kampagne haben wir kein Leben“ Niemand is st für sich allein

Was macht die deutsche 24 Impressum 15 Politik? ∂ Nachhaltige Agrartreib - stoffe? ∂ Auch Futtermittel müssen nachhaltig sein ∂ Internationale Standards zur Landvergabe ∂ Was will die Kampagne erreichen? INHALT | VORWORT 2 |3

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Liebe Leserinnen und Leser, bezeichnen Organisationen der Zivilgesellschaft diesen globalen Machtkampf. Familien, die keine fruchtbares Ackerland ist eine kostbare un d endliche sicheren Bodenrechte nachweisen können, werden Ressource. Das haben wir in den Industrieländern vertrieben, oder sie werden mit Versprechungen vielfach vergessen. Wir kaufen unsere Lebensmittel überredet, ihr Land billig zu verkaufen. im Supermarkt und denken nur selten daran, auf Um diesem globalen Problem begegnen zu können, welchem Acker der Kohlkopf gewachsen ist, wer sind dringend starke, internationale Leitlinien von - den Reis geerntet hat oder welche Futtermittel das nöten, die verhindern, dass Landkauf bzw. Pacht Schwein gefressen hat, damit ein Kotelett in unse - durch Investoren den kleinbäuerlichen Betrieben rem Einkaufswagen liegen kann. die Existenzgrundlage entziehen.

Weltweit leben 40 Prozent der Mens chen noch un - Die Ernährungssicherung der Armen ist „Brot für mittelbar von der Landwirtschaft . Der überwiegende die Welt“ ein zentrales Anliegen. Daher thematisiert Teil dieser Bauern bewirtschaftet Flächen von unter die Kampagne „Niemand isst für sich allein“ bereits zwei Hektar. Sie ernähren sich von den Produkten, seit vier Jahren die Gefährdung des Rechts auf die sie selbst anbauen, und sie kaufen und verkau - Nahrung durch den weltweiten Handel mit Agrar - fen Nahrungsmittel auf den loka len Märkten. Für produkten: Denn die Nahrungsmittelversorgung ist sie sind der Boden, das Saatgut und das Wasser die ein globales Thema. Wir importieren den Großteil Grundlagen ihres Überlebens. unserer Nahrungsmittel. Möglichst billig sollen sie sein, egal, welche ökologischen und sozialen Folgen Seit vielen Jahren unterstützt „Brot für die Welt“ das haben kann. Während dessen werfen wir gleich - Partnerorganisationen, die sich für diese Klein- zeitig europäisches Fleisch, Milch und Gemüse zu bauernfamilien einsetzen. Sie helfen ihnen, durch Dumping-Konditionen auf die Märkte des Südens, Methoden nachhaltiger Landwirtschaft die Ernte- die dort die einheimischen Produzenten unterbie - erträge zu steigern, die Erosion zu bekämpfen und ten. Mit dem jetzigen Schwerpunkt der Kampagne die Vermarktung ihrer Produkte zu verbessern. geht es um die Agrartreibstoffe und Futtermittel, So fördert „Brot für die Welt“ in elf Ländern Latein - die wir für unseren Konsum benötigen. Sie sind amerikas ein Beratungs- und Dialogprogramm zur zwei der Hauptmotoren für den Wettlauf um wert - nachhaltigen Landwirtschaft. Damit kann die Er- volle Ackerflächen. nährung gesichert, ein ausreichendes Einkommen geschaffen und dem andauernden Trend der Ab - Wir laden Sie ein, mit uns starke Leitlinien der Poli - wanderung in die Städte entgegengewirkt werden. tik zu fordern und sich im Rahmen der Kampagne zu Lebensstilfragen zu engagieren: Unser Konsum Viele unserer Partnerorganisationen berichten uns, darf nicht zu Lasten der Ernährungssicherung dass der Aufkauf und die Pacht von großen Län- gehen. Denn schon jetzt verbrauchen wir mehr Land dereien vor Ort zunehmend zum Problem werden. für unseren Bedarf, als uns zusteht. Auf dem gleichen Land, das Bauern und Bäuerinnen benötigen, um darauf Mais, Reis, Bohnen und Ge - Ihre müse anzubauen, ihre Tiere zu hüten, Brennholz und Wasser zu holen, wollen Staaten oder Konzerne

Exportprodukte, Futtermittel und Energiepflanzen Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel produzieren. Als Landraub (engl . „Landgrabbing“) Direktorin „Brot für die Welt“ Landraub in der Bibel Eine theologische Reflexion

∂ Landraub und Landrechte das Geschehene als Unrecht anzuklagen: „ Landgrabbing ist ein relativ neues Phänomen. Neu gemordet, dazu auch fremdes Erbe geraubt !“ Neben sind dabei vor allem die gewaltigen Ausmaße des Mord lautet die Anklage als o: Landrau b! Landraubs. Landraub als solcher ist andererseits gar nicht neu. Landkonflikte, Vertreibungen von Klein - ∂ Nahalah: Land ist keine Ware bauern und der Kampf der Landlosen um ein Stück Bei der Erzählung von Nabots Weinberg fällt auf, Land, kurz: die ungelöste Landfrage als Erbe der dass König und Königin vom „Weinberg“ sprechen, Kolonialzeit, ist in vielen Ländern des Südens ein während Nabot von seinem „Erbbesit z“ (hebräisch großes Entwicklungshindernis, das strukturell und „nahala h“ ) spricht. Der Begriff nahalah ist für das permanent zu Menschenrechtsverletzungen führt. alttestamentliche Verständnis von Landbesitz von Aber auch schon die biblischen Überlieferungen zentraler Bedeutung und meint den Landbesitz, reflektieren die Konflikte um Zugang, Besitz und der erblich weitergegeben wird. Dem Konzept der Kontrolle des Landes. Die Gier der Besitzenden nach nahalah liegt die (idealisierte) Vorstellung zugrunde, Land und noch mehr Land war offenbar schon dass bei der Besiedlung das Land unter den Fami- damals unersättlich und für Kleinbäuerinnen und lien in Israel so aufgeteilt wurde, dass alle so viel Kleinbauern existenz- und lebensbedrohend. Land wie nötig erhielten, um sich und ihre Familien ernähren zu können. Allerdings: „Grund und Boden ∂ Nabots Weinberg: Landraub! war nicht Eigentum in unserem heutigen Sinne, Nabot hatte einen Weinberg. Der Weinberg befand sondern war der Sippe von Jahwe als Lehen zur Be - sich in der Nähe des Palastes von König Ahab (9 . Jh. wirtschaftung gegeben.“ (G. v. Rad) v. Chr.). König Ahab redete mit Nabot: „Gib mir dei - Das heißt: Die Sippe besitzt das Land und vererbt nen Weinberg. mir einen Kohlgarten daraus es weiter. Das Land ist ihre Lebensgrundlage und machen, weil er so nahe an meinem Hause liegt.“ wird darum nicht wie eine Ware gehandelt. Symbo - Der König hat Interesse an Nabots Land – immer - lisch kommt das in der Vorstellung zum Ausdruck, hin, um ebenfalls Nahrungsmittel anzubauen und dass Gott der eigentliche Eigentümer des Landes immerhin auch mit dem Angebot, Nabot dafür ist: „Denn mein ist das Land“, spricht Gott (Leviticus ein anderes Stück Land oder Geld zu geben. Doch 25, 23) . Das Land ist eine Leihgabe Gottes, den Men - Nabot ist nicht einverstanden: „Das lasse Gott fern schen „zur Bewirtschaftung“ geliehen. Die Klein- von mir sein, dass ich dir meiner Väter Erbe geben bauernfamilien haben ein Recht auf Land, das sie sollte!“ zum Leben und Arbeiten brauchen. Isebel, die Frau des Königs, weist „die Ältesten und Während Nabot also von der Unverkäuflichkeit sei - Oberen“ an, zwei falsche Zeugen zu suchen, die nes Erbteils ausgeht, betrachten Ahab und Isebel Nabot der Gotteslästerung anklagen. Und so ge - „den Weinberg“ als Ware, die man tauschen oder schieht es: Nabot wird angeklagt, vor die Stadt kaufen kann. Sie „arbeiten“ – per Landraub und Ver - geführt und gesteinigt. „Als Isebel aber hörte, dass treibung – am Ausbau des Krongutes zu einem Nabot gesteinigt und tot war, sprach sie zu Ahab: Latifundium. Steh auf und nimm in Besitz den Weinberg Nabots, denn Nabot lebt nicht mehr, sondern ist tot.“ ∂ Prophetische Sozialkritik: „Weil sie die Nabot, der Bauer, wurde aus dem Weg geräumt. Der Macht haben, reißen sie Äcker an sic h …“ König hat sich sein Land angeeignet. Entscheidend Die klassischen Propheten des 8. Jahrhunderts v. für die ethische Dimension dieses Textes (1. Kö n 21 ) Chr. haben deutliche Worte gefunden für die ist, dass Gott sofort den Propheten Elia beauftragt, Missachtung des „alten“ Verständnisses vom Land LANDRAUB IN DER BIBEL: EINE THEOLOGISCHE REFLEXION 4 |5

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als Gabe Gottes und als Lebensgrundlage für di e bäu erlichen Familien. Sie kämpfen gegen die „mo - dernen“ Tendenzen, Land als Ware zu betrachten, weil damit der Ungerechtigkeit Tür und Tor geöff - net wird: „We h denen, die Schaden zu tun trach- ten und gehen mit bösen Gedanken um auf ihrem Lager, dass sie es früh, wenn es hell wird, voll- bringen, weil sie die Macht haben! Sie reißen Äcker an sich und nehmen Häuser, wie sie es gelüstet. So treiben sie Gewalt mit eines jeden Haus und mit eines jeden nahalah.“ (Micha 2, 1–2) „Weh über die, die ein Haus zum anderen bringen und einen Acker an den anderen rücken, bis kein Raum mehr da ist und sie allein das Land be- sitzen !“ ( Jesaja 5, 8) Im Blick auf diese Entwicklungen fordern die Pro - Genau an diese Vision des Erlassjahres knüpft Jesus pheten: „Recht ergieße sich wie Wasser und Gerech - von Nazareth in seiner ersten programmatischen tigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ (Amos 5, 24) Rede an : „Der Geist des Lebendigen ist auf mir, denn Amos, Jesaja und Micha appellieren mit den Grund - er hat mich gesalbt, den Armen das Evangelium worten „Recht und Gerechtigkeit“ an die Vorstel - zu bringen. Er hat mich gesandt, den Gefangenen lung einer gerechten sozialen Ordnung. Der Maß - ihre Freilassung zu verkünden und den Blinden, stab ihrer Kritik sind die egalitären Grundwerte dass sie sehen sollen. Er hat mich gesandt, um die der vorstaatlichen israelitischen Gesellschaft. Und Unterdrückten zu befreien und das Erlassjahr des diese (idealisierte) traditionelle Wirtschafts- und Herrn auszurufen.“ (Lukas 4, 18 –19) Die Regelungen Gesellschaftsordnung (K. Koch: das „kleinbäuerliche zum Erlassjahr haben die Wiederherstellung einer Verfassungsideal“) zeichnete sich eben durch den gerechten, solidarischen Sozialordnung zum Ziel. Respekt der nahalah aus, also dadurch, dass jeder Entstandene Landkonzentrationen werden rückgän - Familie ausreichend Ackerland zur Verfügung steht, gig gemacht, wer wenig oder gar kein Land (mehr) um sich ernähren zu können. hat, bekommt, was er und sie zum Leben brauchen. Gute Nachricht für die Armen! ∂ Das Erlassjahr: Zugang zu Land In jedem 50. Jahr „sollt ihr im Land für alle seine ∂ Biblische Orientierungen Bewohnerinnen und Bewohner Freilassung aus- Das soziale Problem, dass freie Bäuerinnen und rufen. Es ist ein Jobeljahr ( „Erlassjah r“) für euch. Bauern ihr Land an Mächtigere verlieren, wird in den Eine jegliche Person von euch kehrt wieder zu ihrer biblischen Überlieferungen klar gesehen und mit nahalah und zu ihrer Sippe zurück.“ (Leviticus 25 ,10) deutlichen Worten kritisiert. Faszinierend ist auch, Diese Bestimmung stammt aus dem sogenannten wie dieses politische Thema mit Gott in Verbindung Heiligkeitsgesetz aus dem 6. Jahrhundert v . Chr. Ge - gebracht wird, denn die sozialen und politischen regelt wird hier nicht weniger, als dass alle 50 Jahre Fragestellungen werden durchgängig auch theolo - die ursprünglichen Besitzverhältnisse wiederherge - gisch verstanden. Was hat Gott mit der Landfrage stellt werden sollen: Schulden sollen erlassen wer - zu tun? Die alttestamentlichen Texte geben eine den, (Schuld- )Sklaven erlangen wieder die Freiheit – klare Antwort: Gott hat den bäuerlichen Familien und Landverkäufe werden annulliert, das heißt: Die eine nahalah gegeben, damit sie auf dem Land Landlosen erhalten wieder Zugang zu Land. arbeiten und von dem Land leben können. Es darf Die gerechte und solidarische Sozialordnung, wel - um Gottes Willen nicht sein, dass Kleinbauern che die Propheten politisch einforderten, wird hier aufgrund von Profitinteressen anderer ihr Land per Gesetz zu schützen versucht. Ein rechtlicher und damit ihre Lebensgrundlage verlieren. Mechanismus wird etabliert, um Abweichungen vom gerechten Idealzustand regelmäßig zu korrigieren. Bernd Kappes, „Brot für die Welt“ Wenn das Land knapp wird, wächst der Hunger

Land ist für die meisten Menschen in Entwick - Eine wachsende Bevölkerung und der Klimawandel lungsländern von elementarer Bedeutung. stellen die Welternährung in den kommenden Jahr - Land ermöglicht ihnen Nahrungsmittel anzu - zehnten vor immense Herausforderungen. Gleich - bauen für ihren eigenen Bedarf und für den zeitig wird immer mehr Land für den Anbau von lokalen Markt. Sie benötigen Land, um ihre Pflanzen gebraucht, die nicht direkt zur Nahrungs - Tiere zu weiden, zu jagen, Früchte und Brenn - aufnahme gedacht sind: vor allem Futtermittel für holz zu sammeln. Der Zugang zu Land sichert die Fleischproduktion und Agrartreibstoffe. Zucker - ihre Ernährung, gibt ihnen Sicherheit und rohr, Raps, Soja, Palmöl oder andere Energiepflan - kulturelle Verwurzelung. zen werden für die Umwandlung in Biodiesel und Während Kleinbauern immer weniger Land Bioethanol angebaut, um als Agrartreibstoffe zum zur Verfügung steht, nimmt die Konzentration herkömmlichen Diesel und beigemischt zu von Landbesitz zu. Und es entstehen neue werden. Großplantagen, auf denen Energiepflanzen und Nahrungsmittel für den Export in Indus - Land ist aber eine endliche Ressource. Zwar ernten trie- und Schwellenländer angebaut werden – Landwirte weltweit mehr Nahrungsmittel als für die eine Entwicklung, die Nichtregierungsorga- Ernährung der Weltbevölkerung notwendig wäre. nisationen als Landraub bezeichnen. Dies kann Aber nur knapp die Hälfte davon dient der mensch - die Welternährungssituation verschärfen. Die lichen Ernährung. Der Rest wird für Futtermittel, jetzt schon vom Hunger betroffene ländliche Agrartreibstoffe und als Industrierohstoff ein- Bevölkerung wird ihrer Existenz beraubt. Da- gesetzt. Die Welternährungsorganisation FA O er - von sind insbesondere kleinbäuerliche Fami - wartet zwar bis 2030 einen Anstieg der Ackerfläche lien, Nomaden, Indigene, Landlose und darun - um 13 Prozent. Die Weltbevölkerung wird bis da- ter überwiegend Frauen betroffen. hin aber voraussichtlich um 22 Prozent wachsen. Die pro Kopf verfügbare Agrarfläche nimmt also In dem kleinen Dorf Lungi Acre in Sierra Leone weltweit ab. haben die Bauern ihr Land für 50 Jahre an den Schweizer Konzern AD DA X verpachtet, der darauf Die steigende Landkonkurrenz zeigt sich am deut - Zuckerrohr anbauen will. Daraus soll Ethanol für lichsten im sogenannten „Landgrabbing“. Entwick - den europäischen Markt hergestellt werden. Doch lungsländer vergeben riesige Ländereien an über - viele Bauern wissen nicht, welche Flächen tat- wiegend ausländische Konzerne und Staaten, die sächlich in den Verhandlungen einbezogen waren. das Land für einen langen Zeitraum pachten. Allein So bauten sie noch Maniok auf Feldern an, die kurz zwischen Oktober 2008 und Juni 2009 wurde über darauf von der Firma umgepflügt wurden. Nach 46,6 Millionen Hektar Land verhandelt, drei Viertel den langen Jahren des Hungers und der Armut davon befinden sich in Afrika. In einigen Ländern haben sie große Hoffnung in das Projekt gesetzt, dient dies auch dem Anbau von Nahrungsmitteln von dem sie sich Arbeitsplätze und ein besseres für die Bevölkerung im Heimatland des Investors. Einkommen versprechen. Doch es könnte auch das In Mali wurden 100.000 Hektar Land an Libyen ver - Gegenteil der Fall sein und die Ernährungssitua- pachtet, um darauf Reis anzubauen. In anderen tion sich sogar verschlechtern. Sierra Leone ist nur Ländern, wie in Sierra Leone, werden auf den Flä - ein Beispiel für eine aktuelle Entwicklung, die welt - chen Energiepflanzen angebaut und als Agrartreib - weit zu beobachten ist. stoffe exportiert, statt die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu priorisieren. WENN DAS LAND KNAPP WIRD, WÄCHST DER HUNGER 6 |7

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∂ FUTTERMITTEL VERBRAUCHEN SCHON HEUTE VIEL LAND

Weltweit werden auf einem Drittel der landwirt - schaftlichen Flächen Futtermittel produziert. Argentinien gehört zu den Ländern, in denen auf riesigen Flächen Sojabohnen für den Export an - gebaut werden, die in den Tiermägen der indus - triellen Massentierhaltung landen. Don Juan Rodriguez aus dem Dorf Cuchui schildert mit kla - ren Worten das Leid seines Volkes (siehe Inter - view, S. 14) . Für den alten Mann und seine Familie bedeuten die Futtermittel Vertreibung von dem Land, auf dem sie und ihre indigenen Vorfahren gelebt und gejagt haben, ein Leben in Armut und ohne Perspektive.

Grund für den großen Flächenbedarf für Futter - So werden weltweit immer mehr Sojabohnen für mittel ist der weltweit hohe Fleischkonsum. Zwar den Weltmarkt und den wachsenden Fleisch- nimmt der Verzehr von Fleisch in den Industrie - hunger angebaut. In Argentinien und Brasilien ländern in den letzten Jahren ab. In Deutsch- verschlingt allein der Sojaanbau für die Euro- land liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch aber päische Union (E U) eine Ackerfläche so groß wie immer noch bei über 80 Kilogramm, während Baden-Württemberg und Bayern zusammen. der Fleischkonsum in Entwicklungsländern oft Das Sojaschrot als eines der Bestandteile von weniger als zehn Kilogramm beträgt. Die große Futtermitteln kommt vor allem aus Brasilien, aus Zunahme in der Nachfrage nach Fleisch- und Argentinien und Paraguay. In diesen Ländern Milchprodukten kommt vor allem aus den Schwel - werden auch weiterhin riesige Regenwälder ge- lenländern. Mit zunehmendem Wohlstand hat rodet. Neben den Umweltschäden werden hier sich ihr Fleischkonsum im gleichen Zeitraum ver - Menschen von ihrem angestammten Land vertrie - doppelt. Ein Ende dieses Nachfragebooms ist ben und Lebensräume einer Vielzahl von Tieren nicht abzusehen. und Pflanzen werden vernichtet. Die Geschichte von Don Juan Rodriguez steht für das Schicksal vieler indigener Völker in Lateinamerika. ∂ Sierra Leone Ethanol statt Nahrungsmittel

Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der zern für die Bauernfamilien in den umliegenden Welt. Nach einem blutigen Bürgerkrieg zwi - Gemeinden Schulungen in landwirtschaftlichen schen 1991 bis 2002 macht der Wiederaufbau Techniken anbieten, um ihre Selbstversorgung zu zwar Fortschritte, doch noch immer belegt verbessern. das westafrikanische Land den 180 . Platz von Bisher wird in der Region, in der etwa 17.000 Men - 182 Ländern auf der Skala des Index der schen leben, Reis, Maniok und Gemüse für den menschlichen Entwicklung (HDI). 40 Prozent Eigenbedarf angebaut. Lokale Nichtregierungsorga - der Kinder leiden unter geistigen oder kör per - nisationen und manche Bauernfamilien befürch- lichen Schäden, die von falscher oder unzu- ten nun, dass sich durch die Ethanolgewinnung die reichender Ernährung verursacht wird. Jedes Ernährungssituation in der Region verschlechtern vierte Kind stirbt, bevor es fünf Jahre alt wird. Bis jetzt ist noch nicht geklärt, ob Zuckerrohr ist. Insgesamt leben rund zwei Drittel der Be- wirklich nur auf minderwertigen Ackerböden ange - völkerung unterhalb der Armutsgrenze, vor baut wird oder ob den Bauernfamilien auch frucht - allem im Osten und im Norden des Landes. bares Land verloren geht. Außerdem fürchten die Betroffenen, dass Wasser für sie knapp werde, Im Norden der Region Makeni will die Schweizer wenn wie geplant das Wasser des nahe gelegenen Firma Addax Bioenergy Ethanol gewinnen. Von dem Flusses Rokel in den Trockenzeiten zur Bewässe - Vorhaben verspricht sich die Regierung Entwick - rung der Zuckerrohrplantage genutzt wird. All diese lungsimpulse für die Landwirtschaft, die immer Faktoren können die Ernährungsunsicherheit in noch 40 Prozent des Bruttoinlandproduktes erwirt - dieser von Hunger und Mangelernährung betrof- schaftet. Addax investiert 400 Millionen Dollar, fenen Region verschärfen. um auf 10.000 Hektar Land Zuckerrohr anzubauen. Die „Brot für die Welt“-Partnerorganisation MADAM Das entspricht einer Fläche von 14.000 Fußball- betrachtet das Vorhaben mit Sorge, da eine Gefähr - feldern. Ab 2012 sollen in einer ebenfalls dort an - dung für das Recht auf Nahrung der betroffenen gesiedelten Fabrik täglich 350.000 Liter Ethanol Menschen eintreten könnte. In diesem nach langem destilliert und dann nach Europa exportiert wer - Bürgerkrieg zerstörten Land muss die Versorgung den. Addax hat das Land für 50 Jahre von den dort der eigenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln lebenden Gemeinden gepachtet, mit der Möglich - oberste Priorität haben. MADAM unterstützt die keit, den Vertrag um weitere 25 Jahre zu verlän - Menschen in den betroffenen Regionen daher seit gern. Dafür bezahlt die Firma knapp zehn Euro pro Jahren dabei, die Produktion von Maniok und Reis Hektar. Ein Drittel des Pachtpreises erhalten die zu steigern und weiterzuverarbeiten, um so die Eigentümer, ein Drittel geht an die Dorfältesten, Ernährungssicherheit zu verbessern und das Ein - ein Drittel an die Regierung. Zusätzlich will der Kon - kommen der Bauernfamilien zu erhöhen. Diese Be - mühungen können von dem Ethanol-Projekt von ADD AX untergraben werden. MADAM erklärt : „Wir lehnen die Nutzung von fruchtbarem Land für die Produktion von Agrartreibstoffen ab; dies hat keine nationale Priorität.“ Das afrikanische Netzwerk zur Stärkung des Rechts auf Nahrung engagiert sich mit unabhängigen Recherchen und Öffentlich - keitsarbeit zu den möglichen Auswirkungen des Projekts für die betroffenen Gemeinden. WENN DAS LAND KNAPP WIRD, WÄCHST DER HUNGER 8 |9

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∂ AGRARTREIBSTOFFE HEIZEN DIE LANDKONKURRENZ AN

Erdöl ist weltweit knapp geworden, und die Ver - henden Plantage ersetzen. Dadurch kann es aber ringerung der Abhängigkeit von Ölimporten zu Rodungen von Wäldern an anderer Stelle ist ein erstrebenswertes Ziel für viele Regierun - kommen, auf denen dann wieder Nahrungsmittel gen. angebaut werden. So können wertvolle Ökosys - teme vernichtet und mehr Treibhausgase freige - Das kleine Dorf Lungi Acre in Sierra Leone ist setzt werden, als durch Bioenergie im Vergleich eines von vielen Beispielen auf der Welt, die die zu fossiler Energie eingespart wird. Diese indirek - Auswirkungen der Bemühungen von Regierun - ten Veränderungen in der Landnutzung werden gen spüren, Alternativen zum Öl zu erschließen. bisher in den ökologischen Betrachtungen nicht Auf riesigen Plantagen finden sich inzwischen eingerechnet, auch wenn sie eng mit der Aus- nicht nur Nahrungs- und Futtermittel, sondern weitung des Anbaus von Energiepflanzen für auch immer mehr Energiepflanzen. Zwar belegen Agrartreibstoffe zusammenhängen. Und noch Agrartreibstoffe bisher nur einen kleinen Teil weniger berücksichtigt wird, dass durch die Land - der landwirtschaftlichen Flächen, aber ihre Nut - nutzungsänderungen auch Menschen vertrieben zung wird in vielen Ländern von Seiten der Politik werden können. in hohem Maße eingefordert und subventioniert. Denn Agrartreibstoffe werden oft als „grüne In Deutschland soll der Anteil von Agrartreib- Lösung “ gesehen , um die negative n Auswirkungen stoffen deutlich ansteigen. Bisher wird vor allem des Verkehrs auf den Klimawandel abzumildern. Biodiesel dem konventionellen Diesel beige - Um aber beim heutigen Stand der Technik auch mischt. Die drei wichtigsten Energiepflanzen sind nur 20 Prozent des weltweiten Ölbedarfs über Raps, Soja und in geringem Umfang auch Palm- nachwachsende Rohstoffe zu decken, bräuchte öl. Je nach Winter- und Sommerdiesel variiert der man zwei Drittel der gesamten Ackerflächen der Anteil der jeweiligen Pflanzen, z . B. Palmöl kann Welt. Mit der Festsetzung von ehrgeizigen Bei- nur in sehr begrenztem Umfang eingesetzt wer - mischungszielen zum konventionellen Benzin und den, da es bei niedrigen Temperaturen fest Diesel in vielen Ländern steigt der Flächenbedarf wird. Während Raps überwiegend aus heimischem also rasant an. Weltweit entstehen immer mehr Anbau kommt, müssen Soja und Palmöl in gro - neue, riesige Plantagen. ßem Stil aus Entwicklungsländern importiert werden. Sojaöl stammt vor allem aus Brasilie n; Nach der ursprünglichen Euphorie mehren sich Palmöl wird aus Indonesien, Malaysia und Kolum - die Zweifel an dem Nutzen von Agrartreibstof fen. bien importiert. Bioethanol kann aus Zuckerrohr, Die positive Klimabilanz ist häufig nur gegeben, Mais oder Weizen gewonnen werden, weltweit wenn keine indirekten Auswirkungen der Projekte wichtige Lebens- bzw. Grundnahrungsmittel. mit eingerechnet werden. Bisher werden nur direkte ökologische Veränderungen in der Land - nutzung betrachtet, also z . B. di e Rodung von Regenwäldern für den Anbau von Energiepflan - zen. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Ver- änderungen indirekt stattfinden. Energiepflanzen können auch Nahrungsmittel auf einer beste- ∂ Kolumbien Die Ernährungssicherheit bleibt auf der St recke

Der Wettlauf um Land bleibt nicht ohne Fol - dass qualifizierte Kräfte selten vor Ort rekrutiert, gen in den Entwicklungsländern. Die Wissen - sondern von den Firmen mitgebracht werden. schaftlerin Paula Álvarez Roa schildert die Für die Bauern wird die Arbeit schlecht bezahlt und katastrophalen Auswirkungen dieser Entwick - zum Teil nur saisonal angeboten. In Kolumbien lung für die Menschen und die Umwelt und arbeiten Plantagenarbeiter zu Hungerlöhnen oder wie kolumbianische Unternehmen bei der haben sich als Kleinbauern im Palmölanbau hoch massiven Expansio n von Palmölplantagen vor - verschuldet. Paula Álvarez Roa schildert, wie sich gehen (siehe Interview S. 11). Kleinbauern durch den Palmölanbau in die Abhän - gigkeit von Großproduzenten begeben. „Das führt „Das ist charakteristisch für Kolumbien: Die lokale immer wieder zur Verarmung der Bauern, oft auch Bevölkerung wird vertrieben, und wenn die Men - zum Verlust ihres Landes, wenn die Ernte schlecht schen später zurückkehren wollen, ist ihr Land mit ist und sie die Kredite nicht zurückzahlen können.“ Ölpalmen bepflanzt. Die Palmöl-Produzenten haben Der steigende Anbau vo n Agrartreibstoffen be- durch die schwachen staatlichen Institutionen und trifft die Menschen aber nicht nur direkt, sondern Korruption hervorragende Bedingungen, ihre Plan - auch indirekt über die Auswirkungen auf die Welt - tagen anzulegen, auch wenn dafür Menschen ver - marktpreise für Lebensmittel. Ein Preisanstieg trieben werden und die Umwelt zerstört wird. Oft für Agrartreibstoffe führt zu einem Anstieg der holzen sie einfach Urwälder ab oder legen Feucht - Preise für Grundnahrungsmittel. Die zunehmende gebiete trocken. Sie werden nicht daran gehindert.“ Nachfrage macht die Preise auf dem Weltmarkt Selbst Landtitel schützen nicht vor Ungerechtigkeit. i nsgesamt instabiler, Preisausschläge können immer Auch wenn Menschen ihr Land an eine Firma ver - größer werden. Diese Entwicklung schlägt sich auf pachtet haben, so werden die ihnen zustehenden den nationalen und regionalen Märkten wieder. Gelder nicht immer oder nur sehr verzögert be - Für Menschen, die 50 bis 80 Prozent ihres Einkom - zahlt, und oft erreicht ein Teil des Geldes durch mens für Nahrungsmittel ausgeben, ist dies eine Korruption die Menschen nicht. Auch kommt es Katastrophe. immer wieder vor, dass die Investoren Land bean - spruchen, das in den Verhandlungen mit den Men - Die Palmölproduktion in Kolumbien boomt. In den schen vor Ort nicht vereinbart wurde. Regionen, in denen die Bevölkerung seit Jahr- Zwar gib t es bei solche n Großprojekten immer große zehnten unter den bewaffneten Konflikten leidet, Hoffnung auf Arbeitsplätze. Doch stellt sich oft gedeiht das Geschäft mit Palmöl prächtig. Gewalt heraus, dass die neuen Arbeitsplätze der Bevölke - und Vertreibung sind oft die Grundlagen eines rung keine sichere Perspektive geben. Der Arbeits - „günstigen“ Investitionsklimas, um riesige Planta - kräftebedarf ist meist durch den hohen Einsatz von gen anzulegen. Mit Subventionen und Steuer- Maschinen viel geringer als vorher. Hinzu kommt, erleichterungen fördert der kolumbianische Staat den Anbau der Ölpalmen. Die Nachfrage in Europa und den USA heizt die Produktion an. Fast 40 Pro - zent der Palmöl-Exporte Kolumbiens gehen nach Deutschland, so der Verband kolumbianischer Palm - ölunternehmer FEDE PA LMA. WENN DAS LAND KNAPP WIRD, WÄCHST DER HUNGER 10 | 11

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∂ KOLUMBIEN: GRÜNES MAKE-UP FÜR PALMÖL

Jochen Schüller sprach mit Paula Álvarez Roa, Gibt es wegen der Palmöl-Produktion weiterhin die in der Nichtregierungsorganisatio n „Grupo gewaltsame Vertreibungen in Kolumbien? Semillas“ zu Ernährungs- und Agrarfragen in Wir haben eine Untersuchung in allen vier Haupt- Kolumbien forscht. anbaugebieten gemacht. Verglichen haben wir Landkreise mit und ohne Palmöl-Produktion und in Welche Folgen hat der Anbau von Ölpalmen für die Beziehung gesetzt zu Zahlen von vertriebenen Ernährungssicherheit in Kolumbien? Menschen der ethnischen Minderheiten in diesen Kolumbien hat weltweit eine der höchsten Land - Landkreisen. In Landkreisen mit Palmölproduktion konzentrationen. Die Großgrundbesitzer – nur war die Zahl der vertriebenen afrokolumbianischen 0,4 Prozent aller Landbesitzer – haben insgesamt und indigenen Bevölkerung wesentlich höher als in 61,2 Prozent der gesamten Fläche. Diese „Latifun - den Landkreisen ohne Ölpalmen. Diese Untersu - distas“ treiben die Industrialisierung der Landwirt- chung beruht auf offiziellen Zahlen der Regierung. schaft voran. Die Produktion von Agrartreibstoffen wird zudem von der Regierung mit Steuererleich- Gibt es Landgrabbing im Zusammenhang mit der terungen und Subventionen gefördert. Palmöl-Produktion? Paula Álvarez Roa, Die Palmöl-Produktion ist in vielen Gebieten ausge - Vor kurzem hat ein italienisch-spanisches Unterneh - Agrarwissenschaft - lerin aus Kolumbien weitet worden, wo vorher Nahrungsmittel ange- men im Landkreis Mapiripán im Meta 15.000 Hektar baut wurden. Das betrifft z . B. die Region Ariari für Land gekauft, mittlerweile sind über 3.00 0 Hektar den Meta und die angrenzenden Bezirke. Sie wur den mit Palmen bepflanzt , und auch eine Weiterver- früher „die Speisekammer Kolumbiens“ genannt arbeitungsanlage ist geplant. In diesem Landkreis wegen der großen Mengen an Bananen, Mais, Reis, haben Paramilitärs 1997 ein schreckliches Massaker Obst und andere n Lebensmitteln, die angebaut verübt. Der Presse war außerdem zu entnehmen, wurden. Jetzt hat der Anbau von Ölpalmen Einzug dass japanische und chinesische Firmen an Inves- gehalten. Das hat insgesamt die Ernährungssicher - titionen in der Region der Altillanura interessiert heit verschlechtert. Im Jahr 2002 hat Kolumbien sind. Das ganze Orinoquia-Gebie t soll zu einer gro - 5 Millionen Tonnen Lebensmittel importieren müs - ßen agroindustrielle n Region „entwickelt “ werden. sen, 2008 waren es schon 11 Millionen Tonnen, Gleichzeitig haben wir in Kolumbien 4 Millionen 2009 sogar 13 Millionen. Wir entwickeln uns immer Binnenflüchtlinge und 5 Millionen Hektar Land, von weiter zu einem Nettoimporteur von Nahrungs- dem diese Menschen gewaltsam vertrieben wurden. mitteln. Das geht einher mit einer Verarmung der Wenn in dieser Situation ausländische Investoren Landbevölkerung. Land kaufen, bei all den ungeklärten Eigentumsver- hältnissen, dann beunruhigt mich das sehr. Wie sind die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen der großen Palmöl-Unternehmen? Was ist von der geplanten Zertifizierung von kolum - „Die Zertifizierung Es gibt ein System der sogenannten „Arbeits-Koope - bianischem Palmöl zu halten? ist ein ‚grünes Make-u p’, um die rativen“. In diesen Kooperativen sind die Palmöl- Aufgrund des seit 5 0 Jahren andauernden Gewalt - Zerstörung von Arbeite r zusammengeschlossen . Sie sind somit nicht konflikts geht der Anbau von Ölpalmen in Kolum- Umwelt und Sozial- mehr direkt bei dem Unternehmen angestellt, son - bien einher mit gewaltsamer Vertreibung, Landraub, wesen zu ver- decken, die diese dern verkaufen als quasi Selbst ständige ihre Dienst - Abholzungen, Arbeits- und Menschenrechtsver- Monokulturen leistung an die Plantagen. Die Arbeiter müssen nun letzungen. unserem Land zu- selbst für ihre Sozial- und Krankenversicherung sor - Wenn wir alle diese Aspekte berücksichtigen, kön - fügen.“ gen, die eigentlich das Unternehmen zahlen müsste . nen wir nicht von nachhaltigen Ölpalmplantagen Als „Kooperativen“ dürfen sie sich – laut kolumbia- reden. Die sozialen Bewegungen und Umwelt- nischem Arbeitsrecht – nicht gewerkschaftlich orga - organisationen lehnen diese Art der Zertifizierung nisieren und haben nicht das Recht zu streiken. Die ab, die allein dazu geschaffen ist, den Handel zu Löhne sind gesunken, und die Kooperativen kon - fördern, und die durch Siegel eine Einhaltung inter- kurrieren miteinander um die Aufträge. nationaler Standards vorgaukeln soll. ∂ Philippinen „Mit der Kokosnuss im Tank bleibt der Reis auf dem Telle r“

Richtig eingesetzt können Energie- und Futter - Die philippinische Regierung hat nämlich festgelegt, mittelpflanzen aber einen wichtigen Bei- dass dem Diesel aus Erdöl bis zu fünf Prozent trag zur Entwicklung, der Verbesserung der „Coconut Methyl Ester ( CME)“ beigemischt werden Energieversorgung und der Erschließung müssen. CME oder Kokosbiodiesel wird aus dem neuer Einkommensquellen leisten. Der „Brot Öl der Kokosnuss gewonnen. Es ist bei der Verbren -

für die Welt“-Partner COIR in den Philippinen nung im Motor nicht nur weitgehend CO 2-neutra l; unterstützt Kleinbauern beispielsweise da- durch die Verwendung von CME werden besonders bei, Kokosnüsse anzubauen und gemeinsam ältere Dieselmotoren auch leistungsfähiger und zu vermarkten. Dadurch können sie bessere emissionsärmer. Preise erzielen und eine Erntemenge in einer Größenordnung anbieten, die für den Export Ka Maloy ist Kokosbauer und Vorsitzender einer notwendig ist. Statt einer Großproduktion Genossenschaft, deren Mitglieder – Kleinbauern für den Weltmarkt mit der Abhängigkeit von und abhängige Pächter – zusammen 150 Hektar großen Konzernen, haben sich die Kleinbau - bewirtschaften. Ihre kleinen Farmen sind nur zwei ern für kleine Anbauflächen und eine gemein - bis drei Hektar groß. Eine ganz andere Größen- same Vermarktung entschieden. ordnung haben die Kokosplantagen, die im Besitz von Familien sind, die in der Nachbarstadt oder Pedro Salangsang ist Jeepne y-Fahrer in der zehn im weit entfernten Manila wohnen. Die Besitzer las - Millionen Metropole Manila. Er ist stolz auf seinen sen ihre Plantagen von Pächtern bewirtschaften, buntangemalten Kleinbus, der in einer kleinen Werk - die laut Gesetz den Ertrag eigentlich zur Hälfte tei - statt in Handarbeit produziert wurde. Der Diesel- len müssen. Allerdings wird in ihrem Barangay (in motor stammt zwar von einem der großen japani - ihrem Dorf) von alters her tersio geteilt, d . h. der schen Autokonzerne, die Kraft zum Antrieb dagegen Pächter behält nur ein Drittel der Ernte und muss gibt ein Gemisch aus philippinischen Kokosöl und dazu noch alle Kosten tragen. herkömmlichen Diesel. Die Bauern ernten alle zehn bis zwölf Wochen die reifen Nüsse. An der Sammelstelle wird nach dem Entfernen des Bastmantels das Fleisch aus der Nuss gebrochen und getrocknet. Das getrocknete Fleisch nennt man Kopra. In guten Jahren ernten die Genossenschaftsmitglieder hundert Tonnen Kopra. In ihrer Lagerhalle kann die Genossenschaft das Kopra so lange trocken aufbewahren, bis sich der Preis, den die Ölmühle bezahlt, hoch genug ist. Dadurch erzielen die Genossenschaftsmitglieder einen Preis, der zehn bis 15 Prozent höher liegt, als die Preise, die die Zwischenhändler direkt nach der Ernte bezahlen. WENN DAS LAND KNAPP WIRD, WÄCHST DER HUNGER 12 | 13

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∂ ZAHLEN UND FAKTEN

 Auf den Philippinen gibt es rund 328 Millionen Früchte tragende Kokospalmen.  Die Kokospalmen belegen rund 3,3 Mio Hektar, das ist ein Viertel der landwirtschaftlich ge - nutzten Fläche der Philippinen.  Die Erträge der Kleinbauern und Kleinpächter sind so gering, dass 70 bis 90 Prozent von ihnen unterhalb der Armutsgrenze leben.  Etwa 3,5 Millionen Menschen leben vom Kokos - nussanbau. Mit ihren Familien sind also rund 20 Millionen Menschen – fast ein Viertel der Bevölkerung auf den Philippinen – vom Kokos - sektor abhängig.

Quelle: United Coconut Assosciations of the Philippines, 200 4–2006

Joey Faustino leitet das Coconut Industry Reform Die mittelfristigen Ziele liegen nicht nur in einem Movement (Kokosnuss Industrie Reform Bewe - besseren und stabileren Einkommen, sondern gun g/COI R) in Manila. COIR wird seit 1994 von „Brot in der Nutzung der natürlichen Vorteile einer klein - für die Welt“ unterstützt und ist seit seiner Grün - bäuerlichen, auf Kokospalmen basierenden Land - dung ein enger Partner der „Aktion Kokos” in West - wirtschaft. Dabei stehen die Kleinbauerngenossen - falen ( www.moewe-westfalen.de ). Die Bewegung ist schaften im direkten Konkurrenzkampf mit den ein Netzwerk von Bauernverbänden und Nichtregie - Palmölen. rungsorganisationen, die im Kokossektor aktiv sind. Kokosöl ist aber das nachhaltigere und zukunfts- Sie setzen sich für die Rechte und Nöte der zwei bis fähigere Produkt, weil durch Kokospalmen keine drei Millionen Kokoskleinbauer n- und Pächterfami - Tropenwälder abgeholzt werden. Die Artenviel- lien des Landes ein. falt auf Kokosfeldern kann sehr hoch sein, und es kommen keine Mineraldünger oder Pestizide zum

In den letzten zwei Jahren organisierte Joey Faus - Einsatz. Ein CO 2-neutraler Kreislauf ist durch die tino den Zusammenschluss von Kokosbauern- Nutzung aller Teile der Palme gewährleistet. Eine genossenschaften wie die von Ka Maloy zu Verbän - sinnvolle Mischkultur schafft zusätzliches Ein- den, die in der Lage sind, den Ölmühlen zuverlässig kommen und erhöht die Ernährungssicherheit der und regelmäßig größere Mengen Kopra anzubie- lokalen Bevölkerung. ten. Die Ölmühlen verarbeiten ihr Kopra im Lohn - auftrag zu Rohkokosöl (CNO), aber auch zu einem Bernd Schütze, Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Speiseöl. Weltverantwortung, Westfalen ∂ Argentinien „Ohne Wald haben wir kein Leben“

Im Winter 2008 unternahm das agroforstwirt - nicht mehr, alles ist zerstört. Aber die Jungen ver - schaftliche Netzwerk im argentinischen Chaco teidigen auch nichts mehr; früher war das anders. eine Rundreise mit Journalisten. Vor einem Als die Alten noch lebten durchstreiften sie die verschlossenen Eisengatter am Weg zwischen Gegend mit Pfeil und Bogen und besuchten sich Ballivián und Cuchui erzählt Don Juan Rodri - gegenseitig; alle hatten etwas. Und jetzt? Die Leute guez aus seinem Leben. siedelten in der Missionsstation und dort in Cuchui wurde alles ausradiert, die Waffen, Pfeile, alles. In San José lebten wir mit unseren Eltern. Die Leute Und das Land? Da ist nichts mehr. Nichts zum Sam - jener Generation wurden 100 und mehr Jahre alt. meln und Jagen, kein Honig. Wir müssen in einer Dieses Gatter, vor dem wir stehen, gab es nicht. anderen Sprache reden, denn sonst finden wir Alles war Wald. Wir kannten die Leute nicht, die man nichts mehr. Dieses Ding hier (Don Juan zeigt auf „Ingenieure“ nennt und ihre ethnische Herkunft das Gatter), das man „Schloss“ nennt, das kennen auch nicht, denn wir waren alle Ureinwohner. Die ge - wir nicht. Ich habe Angst. Wenn ich es entferne, Don Juan Rodri - samte Region hier gehört zur Gemeinde San José – klemmt es meinen Finger ein, denn wir kennen es guez aus der Cuchui. Cuchui ist unser Land, in dem früher nur nicht. Ich kann nicht mit ihm reden. Gemeinde Cuchui, unsere Leute wohnten, unsere Großeltern und Ver - Die Regierung begann eines Tages mit dem Verkauf heute San José wandten. Auf jenem alten Weg dort drüben durch - des Waldes, das Staatsland wurde ganz verkauft. streifte ich im Morgengrauen die Gegend. Doch das Überall gab es unsere Gemeinden, mehr als 1.500 Gatter gab es damals nicht, das kannten wir nicht. Ureinwohner wohnten hier. Und als Personen das Als ich jung war, konnten wir wandern, jagen, sam - Land kauften, vertriebe n si e die Ureinwohner. Zäune meln und die Dinge essen, die man als Ureinwohner sind für uns eine Falle, wie ein Pferch, man kommt zu essen pflegt. Überall war Wald, und wir holten nicht rein, aber auch nicht raus. Ich bin nicht ein - uns wilden Honig. Manchmal jagten wir auch an verstanden mit dem, was die Regierung macht. Wir heißen Tagen Rehe, Wildschweine, Ameisenbären; Ureinwohner sind die Hüter des Ortes. Aber so ist überall hier. Es gab Wildschweine, und die Alten es nicht. Die Regierung schaut nicht auf die indigene lebten friedlich. Zur Algarrobo-Erntezeit besuch- Seite . Wi r sind in einem Pferch . Wir haben nicht die ten wir uns gegenseitig und lebten in Frieden. Wir Freiheit wie früher , jagen zu können oder Honig zu waren noch Jungen. sammeln. Das können wir nicht mehr tun. Doch un- Wir sprachen früher von den Herren des Waldes. ser Leben ist der Wald. Er ist das einzige Leben, das Doch dann kam jemand von woanders her, der wir haben. Denn ohne Wald haben wir kein Leben. meinte er sei der Herr. Er kam und vertrieb uns, Aber jetzt, mit all den Abholzungen, wo sollen wir die wir von hier stammen. Er hatte sich vorberei- hin? Was sollen wir tun? Er ist doch unser Leben. tet, um uns zu verjagen wie Tiere. Ich habe Kinder, die langsam groß werden. Sie haben Jeder kann heute Besitzer von dem Land werden, keinen Platz mehr. Und was wird morgen sei n? das unser Land ist, wo wir früher Honig sammel- Wenn ich woanders hingehe, was wird aus meinen ten. Wir sind die Hüter des Waldes. Aber weiter dort Kinder n? Dieser, mein Neffe hier neben mir, wird hinten sind wir keine Hüter mehr. Dort lässt man möglicherweise sehr zornig, denn er hat keinen uns jetzt nicht mehr durch. Dieser Weg hier ist ei - Platz, wo er bleiben kann. Wenn er nach Cuchui will, gentlich kein Weg. Dort hinten ist der alte, richtige gibt es keinen Zugang mehr! Warum wird mein Land Weg, ein einziger Weg, der nach Zopota führt und abgesperrt? Das kann doch nicht sei n! sich dort in weitere Wege untergliedert, die zu den Feldern von Cuchui führen. Heute gibt es die Übersetzung und Bearbeitung: Volker von Bremen WAS MACHT DIE DEUTSCHE POLITIK? 14 | 15

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Was macht die deutsche Politik?

Nach den Vorgaben der Europäischen Union In der Umsetzung der Zertifizierung gibt es noch (EU) hat sich die Bundesregierung zum Ziel viele offene Fragen, die über den tatsächlichen Nut - gesetzt, dass bis zum Jahr 2020 zehn Prozent zen der Zertifizierung entscheiden. der Treibstoffe für den Verkehr aus erneuer - Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf die Um - baren Energien kommen müssen. Ein Großteil welt, sondern muss immer auch als soziale Nachhal - davon soll über die Beimischung von Agrar - tigkeit verstanden werden. Um die Menschen vor treibstoffen zu herkömmlichem Benzin und Ort vor negativen sozialen Auswirkungen durch den Diesel erreicht werden. Anbau von Energiepflanzen zu schützen, muss die Zertifizierung von Nachhaltigkeit nachgebessert ∂ Nachhaltige Agrartreibstoffe? werden. Auf den deutschen Zapfsäulen findet sich immer häufiger die Kennzeichnung, dass der dort ge - ∂ Auch Futtermittel müssen nachhaltig sein tankte Diesel „nachhaltig produzierten“ Biodiesel Agrartreibstoffe machen aber nur einen kleinen enthält. Dies ist sichtbares Zeichen der Nachhaltig - Teil der Produktion von Soja, Zuckerrohr, Palmöl keitsverordnung für Agrartreibstoffe, die Deutsch - und anderen Agrarrohstoffen aus. Ein weitaus grö - land als erstes EU-Land eingeführt hat. Danach ßerer Teil wird für Futtermittel oder in der Indus- dürfen ab dem 1. Januar 2011 nur Energiepflanzen trie verwendet. Um einen tatsächlichen Schutz der eingesetzt werden, die zu jedem Zeitpunkt der Menschen und der Umwelt vor Ort zu erreichen, Produktionskette nachhaltig produziert werden. braucht es auch ein wirksames Zertifizierungssys - Die Politik versucht so, die negativen Folgen der tem für Futtermittel. Dieser Ansatz findet sich zwar Agrartreibstoffverordnung zu mindern. So dür- im Koalitionsvertrag von 2009, die deutsche Politik fen beispielsweise keine Urwälder zur Gewinnung hat aber bisher keine konkreten Schritte für eine von Agrartreibstoffen gerodet oder ökologisch Umsetzung unternommen. wertvolle Flächen in Plantagen umgewandelt werden. ∂ Internationale Standards zur Landvergabe Die gesetzlich vorgeschriebene Zertifizierung der Auch das „Landgrabbing“ – also die Vergabe riesi- Agrartreibstoffe beschränkt sich aber nur auf ger Ländereien in Entwicklungsländern an in- und Umweltaspekte und enthält keine Regelungen für ausländische Investoren – muss besser reguliert die sozialen Folgen. Weder das Menschenrecht auf werden, um negative Auswirkungen auf die Men - Nahrung, noch die internationalen Normen zum schen vor Ort zu verhindern. Dafür setzt sich die Arbeitsschutz oder die Rechte indigener Völker ge - deutsche Regierung bei der UN-Organisation für „Für Biomasse wollen wir Initiativen für hören zum gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien - Ernährung und Landwirtschaft ein. In allgemein eine international katalog. Das bedeutet, dass die Menschen vor anerkannten Richtlinien, die alle Länder beachten wirksame Nachhaltig - Ort trotz Zertifizierung nicht vor Vertreibung und müssen, soll festgeschrieben sein, dass die Bevöl- keitszertifizierung ergreifen, die sowohl unsicherer Ernährung geschützt sind. kerung angemessen beteiligt wird und ihre traditio - die Kraftstoff- und In Deutschland gibt es mehrere Zertifizierungssys - nellen Nutzungsrechte gesichert sind. Außerdem Stromproduktion als teme, bei denen die Hersteller und Importeure müssen internationale Konzerne zur Rechenschaft auch die Nutzung für ihre Ware zertifizieren lassen müssen. Diese Siegel gezogen werden können, wenn sie Menschenrechte Lebens- und Futter - mittel umfasst.“ haben unterschiedliche Kriterien, manche erfül- verletzen. Dieser Prozess muss gestützt und voran - Wachstum, Bildung, len nur die gesetzlichen Mindestanforderungen, getrieben werden, damit die Kernprinzipien des Zusammenhalt; während andere – beispielsweise das Siegel ISCC – Menschenrechtsschutzes verankert und umgesetzt Koalitionsvertrag der CDU, CSU, FDP vom darüber hinaus auch soziale Kriterien enthalten. werden. 24 .9.2009, S. 28 ∂ Was will die Kampagne erreichen? setzestexten der EU und Deutschland fehlen aber jegliche soziale Kriterien für die Zertifizierung von Wenn das Land knapp wird, … Energiepflanzen. Dies muss dringend nachgebes - … muss Land zuallererst der Ernährung der lokalen sert werden. Zertifizierung braucht verbindliche Bevölkerung dienen. Sozialstandards, die zur Umsetzung insbesondere folgender Rechte beitragen: 1. Die Landvergabe muss nach international 1. das Menschenrecht auf Nahrung und das Recht verabschiedeten Standards erfolgen. auf Wasser Die Nutzung von Land und Entscheidungen zur 2. internationale Normen für Arbeitsschutz und Landvergabe in Entwicklungsländern muss sich an Arbeitsrechte den Bedürfnissen der armen und benachteiligten 3. die Rechte der indigenen Völker. Bevölkerung ausrichten. Diese Menschenrechte müssen als Sozialstandards 1. Traditionelle Landnutzung und-rechte müssen in der EU-Richtlinie und der deutschen Nachhaltig - geschützt und respektiert werden. keitsverordnung verankert werden. Dabei müssen 2. Ein öffentlicher, kritischer Dialog in Entwick - die besonders gefährdeten Gruppen im Blick sein: lungsländern muss Entscheidungen über die Ver - Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter, Kleinbauern - gabe riesiger Landflächen vorausgehen. familien, Landlose, indigene Gemeinschaften, Frauen 3. Der Schutz von Menschenrechten muss einklag - und Kinder sowie städtische Arme. bar gemacht werden. 201 1 beginnt in Deutschland die Umsetzung der Die Bundesregierung soll sich für die Erarbeitung Zertifizierung von Agrartreibstoffen. Die Wirksam - von freiwilligen Leitlinien zu Land und natürlichen keit der Zertifizierungssysteme muss kritisch über - Ressourcen bei der Welternährungsorganisation prüft werden. Die sozialen Folgen von Importen von (FA O) einsetzen. Diese sollten dem Beispiel der frei - Agrartreibstoffen aus Entwicklungsländern müssen willigen Leitlinien zum Recht auf Nahrung der FA O dokumentiert und in die Berichte der Bundesregie- folgen. Deutschland muss eine Führungsrolle in rung und der EU-Kommission Eingang finden. diesem Prozess übernehmen. Die Zertifizierung von Agrartreibstoffen ist ein ers - ter Schritt zur Verankerung von ökologischen und 2. Herstellung und Handel von Agrartreibstof - sozialen Kriterien für den internationalen Handel. fen und Futtermitteln muss unter Einhaltung Um einen wirksamen Schutz der Menschen vor Ort ökologischer und sozialer Kriterien erfolgen. erreichen zu können, müssen Nachhaltigkeitsregeln Nach Deutschland importierte Energiepflanzen und aber auch für Futtermittel gelten. Es ist notwendig, Agrartreibstoffe dürfen nicht auf Kosten der den weltweiten Handel mit Agrargütern ökologisch Menschen vor Ort produziert werden. In den Ge- und sozial gerecht zu gestalten.

3. Fleischkonsum und Kraftstoffverbrauch in RECHT AUF NAHRUNG  Deutschland müssen reduziert werden. Alle politischen Bemühungen reichen aber nicht „Wenn wir den Fleischkonsum in den reichen Län - aus, wenn nicht die absoluten Mengen an Flächen dern reduzieren, ihn weltweit bis 2050 auf einem für Futtermittel und Agrartreibstoffe in Entwick - Pro-Kopf-Verbrauch auf dem Niveau von 2000 lungsländern reduziert werden. Dies ist der wirk - festschreiben – also auf jährliche 37,4 k g/ Kopf – samste Schutz vor Vertreibung und Ausbeutung dann könnten ungefähr 400 Millionen Tonnen Ge - von Menschen sowie der Zerstörung ihrer Lebens - treide für die menschliche Ernährung freigesetzt grundlagen. Je mehr Verbraucher und Verbrau- werden. Das ist genug um 1,2 Milliarden Menschen cherinnen in Deutschland ihr Konsumverhalten än - mit ausreichend Kalorien zu versorgen.“ dern, desto mehr Wirkung hat dies auf den globalen Olivier de Schutter, Sonderberichterstatter der Vereinten Flächenverbrauch. Jeder und jede kann den eige - Nationen zum Recht auf Nahrung nen Lebensstil verändern und damit einen kleinen Beitrag leisten. BESSER – ANDERS – WENIGER 16 | 17

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Besser – anders – weniger Was hat die Landknappheit mit unserem Lebensstil zu tun?

Ressourcenknappheit und Konkurrenzen um ∂ Der ökologische Fußabdruck landwirtschaftlich genutzte Flächen stehen in enger Verbindung mit unserem Konsum Ein solches Instrument ist der ökologische Fußab - und Lebensstil. Nahrungsmittel dienen nicht druck, der auf gut verständliche Weise den Ver - mehr nur der Ernährung, sondern werden für brauch von Flächen illustriert. Dabei wird nicht nur verschiedene Zwecke eingesetzt. Das Schau - die reine Fläche eingerechnet, sondern u . a. auch

bild verdeutlicht dies: Nur knapp die Hälfte der Energie- und Wasserbedarf, der CO 2-Ausstoß der Getreideernten weltweit werden für und die benötigte Biomasse für das Auffangen von die direkte Ernährung genutzt, mehr als ein Schadstoffen. Drittel als Tierfutter. Der ökologische Fußabdruck rechnet unseren jährli - Wie viel Land in Entwicklungsländern für die chen Verbrauch an natürlichen Ressourcen in Fläche Ernährung genutzt werden kann und wie viel um, in so genannte globale Hektare (gha). Die natür - als Futtermittel und Agrartreibstoffe expor - lichen Ressourcen, die wir für unseren Konsum be - tiert wird, bestimmen nicht nur Politik und nötigen, nehmen verschiedene Flächen in Anspruch. Wirtschaft, sondern auch unsere Ernährungs - Unser Flächenbedarf setzt sich folgendermaßen gewohnheiten und der Treibstoffverbrauch. zusammen:

Was wir essen und wie wir uns fortbewegen steht Kohlenstoff: für die Bindung von Kohlen- in direktem Bezug zu unserem persönlichen Flä - dioxid durch Wälder oder Wasserflächen chenverbrauch. Jedes Lebensmittel und jeder Liter Weideland: für die Viehhaltung und die Ge- Agrartreibstoff benötigen Fläche: der Anbau von winnung von Fleisch- und Milchprodukten Soja als Futtermittel oder Zuckerrohr für Benzin Wald: für Brenn- und Bauholz, Papier- und ebenso wie das Weideland für Rinder, aber auch Möbelproduktion Getreide- und Gemüsefelder. Eine exakte Messung Fischgründe: für Nutzung von Produkten des persönlichen Flächenverbrauchs ist aber bisher aus dem Meer und Fischfang aufgrund fehlender Daten nicht möglich. Doch Ackerland: für die Erzeugung von Lebens- es gibt andere Messinstrumente, um die Wirkung mitteln, Viehfutter oder Energiepflanzen unseres Handelns auf die weltweiten Flächen be - Bebautes Land: für Infrastrukturmaßnahmen greifbar zu machen. wie z . B. Häuser oder Industrien

Nutzung der weltweiten Getreideernte 2009 Anteil in Prozent Quelle: FAO Kohlenstoff

Weideland

13 % 5% Stärke- Ethanol Wald produk tion/ industrielle Fischgründe Erzeugnisse

35 % 47 % Ackerland Viehfutter Ernährung Bebautes Land Pro-Kopf-Footprint nach Regionen, 2005 Quelle: Wackernage l/ Beyers, 2010

Globale Hektar pro Person 10

8

6 487 553 3.562 4

2

0 330 240 366 902

Bevölkerung in Millionen  Nordamerika  Mittlerer Osten, Zentralasien  Europa EU  Ostasien, Pazifik  Europa Nicht-EU  Afrika  Lateinamerika, Karibik

Unsere Nachfrage nach Ressourcen wird mit der Network von 2010 ist die globale Belastung hoch - regenerativen Kapazität der Erde, dem vorhande - gradig ungleich verteilt. Während in Sierra Leone nen Angebot der Natur, der Biokapazität (11,9 Milli - jeder Mensch einen Fußabdruck von 1,1 gha und arden gha) verglichen. Dieser Vergleich wird im in Indonesien von 1,2 gha hinterlässt, beträgt er globalen Hektar ausgedrückt, wobei ein globaler für die US-amerikanische Bevölkerung 8,0 gha. Die Hektar der produktiven Kapazität von einem Hektar Deutschen hinterlassen einen durchschnittlichen Land auf der Grundlage der durchschnittlichen ökologischen Fußabdruck von 5,1 gha. Das ist nahe- Weltproduktivität entspricht. zu drei Mal so viel wie uns durchschnittlich zuste - Um unsere Erde nicht überzustrapazieren sollte die hen würde. Summe der ökologischen Fußabdrücke aller Men - Unser Konsum belastet die Flächen in Entwicklungs - schen die Biokapazität der Erde nicht überschreiten. ländern und geht auf Kosten der dort lebenden Die Ergebnisse des ökologischen Fußabdrucks Menschen. Ob Zuckerrohr in Sierra Leone oder Soja machen deutlich: Wir leben bei der Natur auf Pump. in Argentinien – die Beispiele unserer Partner zeu - Denn jeder Mensch beansprucht im weltweiten gen von den dramatischen Konsequenzen unseres Durchschnitt 2, 7 gha und das obwohl nur 1,8 gha an Lebensstils. Wir müssen unseren Konsum gründlich Biokapazität zur Verfügung stehen. verändern, damit alle Menschen ihr Recht auf Nah - Der ökologische Fußabdruck illustriert noch etwas rung wahrnehmen können. anderes: Nach einem Bericht des Global Footprint

 ZUKUNFT FAIR TEILEN  BESSER – ANDERS – WENIGER

Für globale Gerechtigkeit ist eine nachhaltige Unter diesem Motto möchte „Brot für die Welt“ Entwicklung auch in Deutschland notwendig. Anregungen bieten, wie wir unsere Ernährung Wie das möglich ist, beschreibt die Studie und Mobilität verändern können. Wir alle können „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globali- einen Beitrag leisten, um die Menge der für sierten Welt“. Sie erklärt die Faustformel für unseren Konsum angebauten Futtermittel und nachhaltige, gerechte Entwicklung: Besser – Agrartreibstoffe zu verringern. anders – weniger. Weitere Anregungen finden Sie auf unserer Weitere Informationen unter: Kampagnenseite: www.brot-fuer-die-welt.de/zukunft www.brot-fuer-die-welt.de/ernaehrung BESSER – ANDERS – WENIGER 18 | 19

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∂ Flächenverbrauch reduzieren durch Ein bewusstes Einkaufsverhalten wirkt sich auf bewusste Ernährung den Flächenverbrauch aus. Saisonales und regio- nales Obst und Gemüse einzukaufen leistet einen Unsere Ernährung macht etwa ein Drittel des öko - wichtigen Beitrag zur biologischen Vielfalt und zum logischen Fußabdrucks aus (siehe Schaubild S. 21). Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft in Deutsch - Was wir essen und wie wir es essen trägt entschei - land. Im Gegensatz zur konventionellen Tierhaltung dend dazu bei, wie groß der Flächenverbrauch für verzichtet der ökologische Landbau auf die Importe unsere Ernährung ist. Tierische Lebensmittel machen von Futtermitteln aus Entwicklungsländern. Dieser fast 40 Prozent unserer täglichen Kalorienzufuhr Verzicht mindert so den Flächenbedarf außerhalb aus. Sie brauchen aber ein Vielfaches mehr an Flä - Deutschlands und bietet den Entwicklungsländern che als pflanzliche Lebensmittel. Rinder, Schweine eine Chance, landwirtschaftliche Flächen zum Anbau und Geflügel erhalten in der konventionellen Land - von Grundnahrungsmitteln für die eigene Bevölke - wirtschaft sojahaltiges Futtermittel, von dem ein rung zu nutzen. Teil aus Entwicklungsländern importiert wird. Der ökologische Landbau ist ein wichtiger Bau - stein einer flächenbewussten Ernährung, auch Flächenverbrauch für Ernährung wenn ökologisch erzeugte Lebensmittel in Deutsch - in Deutschland, 2005 Quelle: Öko-Institut, 2008 land mehr Flächen als konventionelle brauchen, da die Erträge pro Hektar geringer sind. Hier bietet der ökologische Fußabdruck ein vollständigeres 9% Bild: Mit dem Einbezug von Energie- und Wasser - Obst und verbrauch ist der Fußabdruck der ökologischen Gemüse deutlich kleiner als der Fußabdruck der konventio - nellen Landwirt schaft. Die ökologische Landwirt - schaft in Entwicklungsländern erzielt häufig sogar 39 % 52 % höhere Erträge als die konventionelle, da sie z . B. Getreide Fleisch- und Milchprodukte durch den Anbau von Mischkulturen die Fläche in - tensiver nutzt.

Ein weiterer Baustein ist der Faire Handel. Mit fair Knapp über die Hälfte unseres Flächenverbrauchs gehandelten Produkten können Kleinbauernfami - geht auf die Produktion von Futtermitteln und auf lien in den Entwicklungsländern ihre Lebensbedin - Weideland im In- und Ausland zurück. Der Anteil gungen entscheidend verbessern, vor allem wenn von Getreide , Obst und Gemüs e ist deutlich gerin - sie dabei unterstützt werden, ökologischen Land - ger (siehe Schaubild) . Ein Beispiel aus den Nieder - bau zu betreiben. landen verdeutlicht, dass dort nur sechs Lebens- mittel fast die Hälfte des Flächenbedarfs eines Flächenbewusste Ernährung erfordert, unsere Menschen pro Jahr ausmachen: Margarine, Hack - Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten sinnvoll fleisch, Wurst, Käse, Bratfette und Kaffee. Auch zu kombinieren. Tierhaltung ist in der ökologischen eine Untersuchung der Universität von Cornwell Landwirtschaft ein wichtiger Bestandteil. Dennoch zeigt : Ein e stark fleischhaltige Ernährungsweise ver - sollte auch bei „Öko“ der große Verzehr von Fleisch braucht fünfmal so viel Fläche wie eine Ernährung und Milchprodukten reduziert werden. ohne Fleisch. Aber nicht nur auf den Fleischanteil kommt es an. Auch Fertiggerichte, „Junk-Foo d“, Der Vorsatz „Weniger Fleisch – mehr Obst und Kekse, Schokolade und Alkohol brauchen viel Fläche. Gemüse“ muss damit einhergehen, darauf zu Für die Ernährung heißt das: Weniger Fleisch, Milch - achten, woher das Essen kommt und wie es produ - produkte, Fertiggerichte und Süßigkeiten essen – ziert wird. und mehr ballaststoffreiche Vollkornprodukte, Hül - senfrüchte, Gemüse und Obst. ∂ Sprit sparen unterstützt die Ernährungs- sicherheit

Auch Mobilität trägt ungefähr ein Fünftel zum öko - logischen Fußabdruck bei (s. Schaubild S. 21) . Davon ist der Spritverbrauch unserer Autos neben dem Flugverkehr der wichtigste Faktor für den globalen Flächenverbrauch. Denn ob für den Einkauf, Wege zur Arbeit, Freizeitaktivitäten oder Reisen – der Pkw ist für uns häufig das Verkehrsmittel Nummer 1 im Alltag. Privatpersonen in ihrem Auto tragen einen erheblichen Anteil zum Gesamtverkehr bei, und der Trend zu mehr und größeren Autos hält an. Effi - zienzsteigerungen bei Neuwagen werden aufge- wogen durch eine höhere Motorisierung, höheres Fahrzeuggewicht oder technisches Zubehör wie ∂ BEWUSSTE ER NA¨HRUNG SPART F LA¨CHE zum Beispiel die Klimaanlage. Mit der Einführung von Agrartreibstoffen „tanken“ wir dafür nun auch 1. Essen Sie weniger Fleisch und Milchprodukte. wachsende landwirtschaftliche Flächen, auf denen 2. Probieren Sie vegetarische Pasten als Brot- statt dessen Nahrung angebaut werden könnte. aufstrich. 3. Bevorzugen Sie Fleisch und Milchprodukte, die An vielen Zapfsäulen an Tankstellen in Deutschland aus ökologischem Anbau und mit heimischem kleben Aufkleber, auf denen der aktuelle Anteil von Tierfutter hergestellt wurden. Biokraftstoffen abzulesen ist. 2010 beträgt der 4. Kaufen Sie saisonales Obst und Gemüse. Anteil von Agrartreibstoffen am deutschen Diesel 5. Kaufen Sie Lebensmittel aus Ihrer Region. 6,25 Prozent. Dieser gesetzlich vorgeschriebene 6. Unterstützen Sie den Fairen Handel. Anteil der Biokraftstoffe wird aber in Zukunft wei - 7. Kochen Sie frische und unverarbeitete Lebens - ter steigen. Das bedeutet, dass sich in Zukunft auch mittel statt Fertigprodukte. die dafür benötigte Landfläche vergrößert. Nach 8. Kaufen Sie nur so viel ein, wie gegessen wird. Untersuchungen von Greenpeace finden sich in un - serem Agrartreibstoff vor allem Öle aus Raps und ∂ WEITERE ANREGUNGEN Soja, sowie ein geringer Anteil an Palmöl.  Warum nicht öfters fleischlos essen?  Was können Sie beim Einkaufen verändern? Der reine Flächenbedarf von Energiepflanzen für  Gibt es einen Bioladen in Ihrer Nähe? Agrartreibstoffe ist noch lange nicht so hoch wie  Gibt es einen Wochenmarkt mit regionalen der von Futtermitteln. Weltweit wird mit einem Produkten? aktuellen Flächenbedarf von 13,8 Millionen Hektar  Entdecken Sie gemeinsam mit ihrem Freundes - knapp ein Prozent der landwirtschaftlich genutz- kreis vegetarische Rezepte. ten Gesamtfläche von Pflanzen für Agrartreibstoffe belegt. Dies wird sich aber in Zukunft drastisch ändern. Das „Landgrabbing“ ist ein Alarmzeichen dafür, wie stark die Konkurrenz um Land durch die Agrartreibstoffe verschärft wird.

Auch wenn der tatsächliche Flächenverbrauch nur schwer auf eine Tankfüllung herunter gerech- net werden kann, auf das Auto verzichten oder bewusst Sprit sparen verringert unseren Benzin- verbrauch und damit auch Bedarf an Agrartreib- BESSER – ANDERS – WENIGER 20 | 21

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Ökologischer Fußabdruck verschiedener stoffen. So lassen sich die Flächen verringern, die Lebensbereiche Quelle: www.footprintrechner.at für den Anbau von Energiepflanzen in Entwick - 20% lungsländern belegt werden. Und wir verkleinern 30% damit unseren ökologischen Fußabdruck. 20% 30% Wohnen Essen und Trinken ∂ 20 % Land für Ernährungssicherheit

Landflächen in Entwicklungsländern sollten in ers - 30% 20% ter Linie für die Ernährung der eigenen Bevölke - Konsum Mobilität rung zur Verfügung stehen. In Argentinien fordern die indigenen Gemeinschaften in der Region des Rio Pilcomayo in Salta die Übertragung der Land- titel über ein Gebiet von cirka 400.000 Hektar. Diese Forderung beinhaltet, dass die Ressourcen von allen gemeinsam genutzt werden können, da das ∂ WENIGER SPRIT SPART FL A¨CHE N Jagen und Sammeln nicht nach klar definierten Gebieten und Grenzen erfolgt. Von diesem Land 1. Gehen Sie kurze Wege zu Fuß. könnten sich so etwa 6.500 Menschen ernähren. 2. Fahren Sie mehr Fahrrad. 3. Nutzen Sie den öffentlichen Nahverkehr Auch der Anbau von Grundnahrungsmitteln, wie in der Stadt. Mais, Reis oder Maniok, anstelle von Agrartreibstof - 4. Reisen Sie mit der Bahn statt mit dem Auto. fen oder Futtermitteln dient der Verbesserung der 5. Machen Sie mit beim Car-Sharing. Ernährungssicherheit. In Indonesien beispielsweise 6. Fahren Sie Ihr Auto gleichmäßig und voraus - können auf einem Hektar Land knapp 5.00 0 kg Reis schauend. angebaut werden. Bei einem durchschnittlichen 7. Lassen Sie den Motor nicht im Stand warmlaufen , Pro-Kopf-Verbrauch von 13 9 kg im Jahr könnten auch nicht im Winter bei vereisten Scheiben. davon 35 Menschen ein Jahr lang mit Reis versorgt 8. Achten Sie beim Autokauf auf den Spritver - werden. Für Mais berechnet das Weltumweltpro - brauch. gramm UNEP, dass sich ein Mensch ein Jahr lang von dem Mais ernähren kann, der für 100 Liter ∂ WEITERE ANREGUNGEN Ethanol-Sprit verbraucht wird.  Bietet Ihr Arbeitgeber Jobtickets an?  Gibt es an Ihrer Universität Semestertickets? Der Weltagrarbericht hat eindeutig festgestellt:  Können Sie sich mit Freunden ein Auto teilen Hungerbekämpfung in Entwicklungsländern geht oder gemeinsam zur Arbeit fahren? nur durch die Förderung von kleinbäuerlicher Land -  Können Sie ein Elektroauto fahren? wirtschaft. Monokulturen für den Export, wie dies bei Futtermitteln und Agrartreibstoffen oft der Fall ist, nützen den armen und hungernden Menschen  EIN RECHENBEISPIEL vor Ort nichts. Durch unseren Lebensstil können wir einen kleinen Beitrag dazu leisten, wofür Flächen Auf vier Quadratmeter Land können 2, 5 kg Ge- genutzt oder auch nicht genutzt werden. Weniger treide geerntet werden. Dafür gibt es mehrere Futtermittel und Agrartreibstoffe aus Entwick - alternative Nutzungsmöglichkeiten: lungsländern eröffnen Chancen für die Hungerbe - 1. Agrartreibstoffe: ca. 12 km Autofahrt kämpfung. Ein kleinerer ökologischer Fußabdruck 2. Futtermittel: 25 0 g Rindfleisch oder 75 0 g leistet einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Hühnerfleisch Umgang mit unserer Erde und mehr Gerechtigkeit 3. Futtermittel: 1/2 Liter Milch zwischen den Menschen. 4. Ernährung: 50 Brötchen oder ca. 2 kg Brot Niemand is st für sich allein Aktionen der „Brot für die Wel t“-Kampagne

1. Sagen Sie der Bundesregierung die Meinung 2. Reduzieren Sie Ihren Flächenverbrauch

 Setzen Sie sich für Veränderung ein und tra -  Flächen sparen kann einfach und schmackhaft gen Sie Ihre Meinung gemeinsam mit Anderen sein. Der ökologische Fußabdruck bietet vielfäl - in die Politik und Öffentlichkeit. Die Kampagne tige Anregungen zum anders Kochen. bietet vielfältige Möglichkeiten, sich an Unter - Besser – anders – wenige r: Unter diesem schriftenaktionen und Online-Petitionen zu be - Motto stehen vielfältige Aktionen rund um das teiligen. Kochen und Essen im Rahmen der Kampagne. Weniger Fläche, bessere Lebensmittel und anders  „Wer will schon Hunger tanken?“ ist die erste kochen bereichern die Küche um neue und viel - Unterschriftenaktion der Kampagne. In der Euro - fältige Speisen. päischen Union (EU) sollen ab Januar 2011 nur noch als nachhaltig zertifizierte Agrartreibstoffe  Kochen und essen Sie gemeinsam! in den Tank kommen. Es gibt aber keine sozialen Ob für das Gemeindefest, auf einem Themen - Kriterien, die verhindern, dass Menschen von abend oder mit Freunden zu Hause: Probieren ihrem Land vertrieben werden oder zu sklaven - Sie Rezepte aus und berechnen Sie den Flächen - ähnlichen Bedingungen auf den Plantagen arbei - bedarf. Anregungen finden Sie zum Beispiel auf ten. So können weder die EU noch die Bundesre - Seite 23 dieser Broschüre und auf unserer Inter - gierung sicherstellen, dass Importe von netseite: www.brot-fuer-die-welt.d e/ernaehrung . Agrartreibstoffen den Hunger nicht vermehren. „Brot für die Welt“ fordert die Bundesregierung  Werden Sie vor Ort aktiv auf, sich für gesetzlich verankerte Sozialkriterien Ein Gottesdienst, die Kampagnen-Ausstellung einzusetzen. oder eine Podiumsdiskussion regen an zum Nachdenken über Ernährung, Lebensstil und  Unterstützen Sie „Brot für die Welt“ und seine Landknappheit in Entwicklungsländern. Ideen Partner mit dem Einsenden einer Postkarte. Die dazu finden sich in der kostenlosen Kampagnen- Briefe und Postkarten werden am 16.10.2011, Broschüre „Kirchengemeinden bitten zu Tisch“ dem Welternährungstag, an die Bundesminister (Art. Nr. 121 111 070). Röttgen und Niebel übergeben. Die Postkarten „Wer will schon Hunger tanken?“ können kosten -  Schicken Sie Ihre „Fläche reduzierenden“ los bestellt werden unter [email protected] Rezepte an „Brot für die Welt“ (Art. Nr. 129 500 310). Unter www.brot-fuer-die- Schicken Sie Ihre Rezepte und einen kleinen welt.de/ernaehrung kann auch eine Petition Bericht mit Fotos von Ihrer Aktion an: online unterzeichnet werden. [email protected] . Eine Auswahl von „ Besser – ander s–weniger - Rezepten“ wird  Im Internet finden Sie weitere aktuelle Online- auf der Kampagnen-Homepage veröffentlicht. Petitionen zum Mitmachen unter www.brot-fuer-die-welt.de/ernaehrung .  „Brot für die Welt“ kocht nach Die Kampagne sucht die kreativsten Rezepte aus und kocht in Koordination mit unserer Kantine diese Gerichte für die „Brot für die Welt“- Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Stuttgart. NIEMAND ISST FÜR SICH ALLEIN 22 | 23

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3. Machen Sie Ihren Flächenverbrauch sichtbar  RECHENVORSCH LA¨GE ER NA¨HRUNG Den persönlichen Flächenverbrauch kann man  Lebensmittel O¨kologischer Was war Ihr Was ist Ihr auch sichtbar machen. Jede Mahlzeit und jede (in 100 g) Fußabdruck (in m 2) altes Ergebni s? neues Ergebnis? Fahrt verbraucht unterschiedlich große Flächen Rindfleisch 15,70 in Entwicklungsländern. Diese Flächen können Schweinefleisch 3,20 greifbar gemacht werden, wenn sie auf dem Geflügel 3,20 Kirchhof oder dem Schulhof abgesteckt werden. Schaf -/ Lammfleisch 7,60 Gemeinsam können Sie ausprobieren, wie sich Milch 1,70 der Flächenverbrauch verändert, wenn Sie Käse 11,10 weniger Auto fahren oder weniger Fleisch essen. Butter 11,50 Berechnen Sie Ihren persönlichen Flächen - Eier 2,50 verbrauch und diskutieren Sie, welche Möglich - Hülsenfrüchte 1,90 keiten es zum „Flächen sparen“ im Alltag gibt. Reis 0,58 Kartoffeln 0, 14  Bedarf Brot 0,48 Checkliste Flächenberechnung Gemüse 0, 12 Taschenrechner Obst 0,22 Absperrband zum Abstecken oder großes Gesamt Papier, um die Flächen auszuschneiden Quelle: „Brot für die Welt“: Zukunft säen, Cook Earth, www.cookearth.org und Meinhold, TUM, 2010

 Anregungen für die Diskussion Vergleichen Sie Ihren Flächenverbrauch in Ent - wicklungsländern je nachdem, wofür Sie sich beim Essen und Fahren entscheiden.  RECHENVORSCHL A¨GE MOBILIT A¨T Diskutieren Sie, was für Sie möglich ist und wo

die eigenen Grenzen liegen. O¨kologischer Was war Ihr Was ist Ihr Setzen Sie sich Ziele und führen Sie Tagebuch Fußabdruck (in m 2) altes Ergebnis? neues Ergebnis? über die von Ihnen „freigesetzten“ Flächen im Fahrt von mit dem Auto mit O¨PV Süden. 5 km 41 20 km 16 4  Lassen Sie andere an Ihren Erfahrungen 10 0 km 80 20 teil habe n! 1.00 0 km 800 200 Schicken Sie Ihre Aktion mit Fotos an: Gesamt [email protected] . Quelle: www.nureineerde.de/fussabdruck.html, eigene Weiterberechnung Materialien der Kampagne „Niemand is st für sich allein“

 Unterschriftenaktion „Wenn das  Grundlagenbroschüre: „Nahrung.  Mappe mit elf Kampagnenblättern Land knapp wird …“ Doppelkarten Eine globale Zukunftsfrage“ zum Fleischkonsum, Agrotreibstoffe, Soja, sind kostenlos. Aktion läuft bi s: Preis: 3,00 Euro. Art. Nr. : 12 1 31 1 010 etc. Preis: 3,00 Euro. Art. Nr.: 12 1 31 1 050 30 .9.2011. Art. Nr.: 12 9 50 0310  Faltblatt „Nahrung. Eine globale  Unterrichtsmaterial für den  Faltblatt „Wenn das Land knapp Zukunftsfrage“ Konfirmationsunterrich t wird …“ Der Flyer ist kostenlos. Der Flyer ist kostenlos. Art. Nr.: 12 1 11 1 010 Gerecht Handeln. Beispiel Ananas. Art. Nr.: 12 9 50 0 300 Kostenlose Broschüre. Art. Nr.: 12 1 11 1 150  Aus Fairem Handel: Schokolade. 15 0 g. Preis: 2,90 Euro. Art. Nr.: 12 1 31 0 020  Aktionsvorschläge für Kirchen- gemeinden „Kirchengemeinden bitten zu Tisch“ Kostenlose Broschüre. Art. Nr.: 12 1 11 1 070  Ausstellung der Kampagne: „Von Teller, Tank und Trog: Wettlauf um Land in Afrika, Asien und Lateinamerika“ Die Ausstellung thematisiert die Konkurrenz um gute Ackerböden zwischen den Erzeugern von Agrartreibstoffen und Futtermitteln einerseits und der wachsen - den Ernährungsunsicherheit der lokalen Bevölkerung andererseits. Die Politik ist gefordert, um internationale Regulations mechanismen aufzustellen. Außerdem werden konkrete Handlungsmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbraucher aufgezeigt. Die Ausstellung besteht aus 10 Fahnen, die einseitig bedruckt sind (Eine Fahne ist 1,00 Meter breit und 2,40 Meter hoch). Ca . 11 Meter Wand oder Fläche werden zum Aufhängen der Ausstellungs-Fahnen benötigt. Die Ausstellung kann bei „Brot für die Welt“ ausgeliehen werden unter der Art. Nr. 12 9 50 0 460. Nähere Informationen erteilt Sabine Sterr: [email protected] Bestelladresse für Materialien  Poster-Ausstellung „Von Teller, Tank und Trog: Wettlauf um Land in der Kampagn e: Afrika, Asien und Lateinamerika“: Zu beziehen unter: [email protected], Diakonisches Werk der EKD e . V. Preis: 5,00 Euro. Art. Nr. : 12 9 60 0 470. Zentraler Vertrieb  Auf unserer Homepage finden Sie auch Quiz-Fragen, die sich auf die Ausstellung Karlsruher Straße 11 beziehen. 70771 Echterdingen  Im Internet: Mehr Informationen und Hinweise auf weitere Materialien finden Telefon 07 11 215 9-77 7 Sie unter: www.brot-fuer-die-welt.d e/ernaehrung. Telefax 07 11 7977502  Unser Newsletter erscheint alle 2 Monate per Mail und ist kostenlos über die [email protected] oder Internetseite zu abonnieren. www.brot-fuer-die-welt.d e/ shop

Herausgebe r Tex t Fotonachweis Diakonisches Werk der EKD e . V. Carolin Callenius, Bernd Kappes , Christine Lot tje, Jochen S. 3, Christoph Püschner | S. 4, Anel Sancho | für die Aktion „Brot für die Welt“ Schüller, Bernd Schütze, Volker von Bremen S. 5, Fotolia | S. 6, Günther Vahlkampf | S. 7 o., Thomas Stafflenbergstraße 76 Lohnes | S. 7 u., Florian Kopp | S. 8 o., Thomas Lohnes | 70184 Stuttgart Redaktion S. 8, S. 13, Christof Krackhardt | S. 9 o., Thomas Lohnes Telefon: 0711 2159-525 Jörg Jenrich, Johannes Küstner, Karen Neumeyer, Helmut S. 9 u., Florian Kopp | S .10f., Jochen Schüller | S.12 Bernd E-Mail: [email protected] ; Pestner, Bernhard Walter; V.i.S.d.P.: Thomas Sandner Schütze | S. 14, Volker von Bremen | S. 16 , Fotolia (Ka - [email protected] rina Baumgart) | S. 18, Fotolia | S. 20 o., Fotolia (Thomas Internet: www.brot-fuer-die-welt.de/ernaehrung Gestaltung Aumann) | S. 20 u., Christoph Püschner | S. 21, Kirsten Atelier Sternstein | J. Sternstein, M. Witthoeft Schwanke-Adiang | Titel, Jörg Böthling u. Fotolia Art .Nr. : 12 9 50 0 290 2011.3 Druck Spenden: PFITZER GmbH & Co .KG, Renningen Brot für die Welt Gedruckt auf Recycling-Papier Konto 50 0 500 Evang. Dahrlehnsgenossenschaft Kiel BLZ 210 602 37 niemand is st für sich allein