COO INSIGHTS

BEYOND MAINSTREAM AUSGABE 2014

3D-DRUCK Lukrative Geschäfte in dynamischen Nischen

TRAUM- FABRIK Gestern in Hollywood, heute Wirklichkeit: intelligente Maschinen

DATEN­ SICHERHEIT Verteidigungsstrategien gegen Netzattacken INDUSTRIE 4.0 BMW-Vorstand HARALD KRÜGER über Potenziale der Vernetzung PLUS alle Fakten zur digitalen Produktion der Zukunft WAS MACHT EINEN COO UND SEIN UNTERNEHMEN IN DER INDUSTRIE 4.0 ERFOLGREICH?

THINK ACT // COO INSIGHTS 0INDUSTRIE 4.0 COVER FOTO: THOMAS DASHUBER; ILLUSTRATIONEN: BEN KIRCHNER dingt einige Jahre als COO in einem KMU verbringen. KMU einem in COO als Jahre einige dingt unbe deshalb sollte plant, in Führungspositionen Karriere geizige Wer ehr eine Märkten. unsicheren in volatilen, erfolgreich höchst heute schon Pragmatismus ihrem mit agieren ihnen von viele denn Schule, gute eine dafür sind (KMU) Unternehmen mittlere und Kleine entscheiden. Nichtsein oder 4.0 Sein über Industrie in der wird und aus COO erfolgreichen einen macht das intelligenz: Beziehungs sowie Organisationen modularen in Agieren flexibles Geschick, taktisches und Vision strategische Eine Führungsstils. neuen eines auch bedarf Es wettzumachen. Geschäftsklima biles insta umein 4.0aus, nicht Industrie aber reicht Umständen Unter sein. zu effizient und agil umkünftig erforderlich, sind binden, einzu Ressourcen spezialisierte spontan Fähigkeit, die und tät Multidisziplinari umzusetzen. Technologien und Techniken neue um entwickeln, Kompetenzen müssen Wir nutzen. zu Mitarbeiter ausgebildeten gut unserer Stärke die ankommen, darauf dend entschei es wird beschreiten, Weg zu diesen Um reduzierung. Kosten gleichzeitiger bei Flexibilität, und Qualität erhöhen trolle, Europäischen Verbands der Werkzeugmaschinenindustrie (CECIMO). Werkzeugmaschinenindustrie der Verbands Europäischen des und Präsident ) (Industrial CINETIC FIVES französischen URING JEAN-CAMILLE JEAN GESCHICK!" "TAKTISCHES tionsfähigkeit steigen. tionsfähigkeit Innova an unsere Anforderungen jedoch lassen Veränderungen der Tempo Komplexität und vernachlässigen. Morgen das – und konzentrieren heute und gestern zwischen Grenze die auf uns wir Time und bilität Flexi Qualität, Produktlebenszyklen, kürzeren Wertschöpfung, der Globalisierung Produkten, in kundenindividuellen liegt Märkten wettbewerbsintensiven auf ERFOLG ZUM SCHLÜSSEL DER Kennzahlen und strenge Reporting strenge und Kennzahlen auf Fokussierung Die bedeuten. Einschränkungen dardabläufe Das Universum der Stabilität liegt schon lange hinter uns. uns. hinter lange schon liegt Stabilität der Universum Das Industrie Wir alle merken, dass die bestehenden Modelle und Stan und Modelle bestehenden die dass merken, alle Wir - CAMILLE URING CAMILLE - 4.0 - to - Tools ebnen den Weg zu besserer Prozesskon besserer Weg zu den Tools ebnen - Market. Industrie 4.0 macht all das möglich. möglich. all das 4.0 macht Industrie Market. ist COO und Mitglied des Vorstands der der Vorstands des Mitglied und COO ist

- Verfahren sorgen dafür, dass dafür, dass sorgen Verfahren

THINK ACT INDUSTRIE 4.0 ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ ­ - ­ Q&A

// COOINSIGHTS "Made in Europe". Die Zukunft hat schon begonnen. schon hat in Europe"."Made Zukunft Die Produktion der Wettbewerbsfähigkeit die für Chance riesige eine 4.0 ist an. Industrie es kommt Darauf finden: ökonomie Netzwerk inder Verbündete entwickeln, Innovationen digitalen die für Case Business einen bestimmen, KPIs Neue Prozesse. eingeschwungene und Anlagen bewährte Einsatz im erkennen; nicht noch Potenzial das die bangen; Kunden, Einfluss und umArbeit die Mitarbeiter, Hürden: institutionelle und Schranken mentale gibt es Denn Aufbruch. zum Mut den brauchen manager Top erlaubt. Fokussierung und Orientierung Unternehmen seinem die entwickeln, Roadmap zu eine und überschauen zu Komplexität die vertreten, zu Vision digitale eine klarzumachen, Dringlichkeit die bedeutet, Führung einzunehmen. rungsrolle ­ lich Mög nach Nachfrage die steigt wollen, gehören Besten den zu wahr. weiter Weil sie Unternehmen die auf Druck positiven einen Branchen in allen wir nehmen doch hoch, gleich überall nicht ist Tempo Das Veränderung handeln. der zu und denken zu vernetzt Fähigkeit, die an –und im Management Kreativität auf jetzt aufgegriffen. und gearbeitet heraus­ durchgängig nicht noch Chancen die werden dennoch in ein Europa – Unternehmen Thema produzierenden größeren in jedem faktisch ist Service und Logistik in Produktion, zesse Pro­ der Vernetzung 4.0 umfassende als Industrie Maschinen. den zu hinunter bis Integration vertikale die erfolgt Schritt Inte horizontalen an der Hochdruck mit Unternehmen wir,sen dass wis­ Verbänden und VORSTÄNDEN MIT GESPRÄCHEN AUS THOMAS RINN THOMAS FÜHRUNG!" ZUR "MUT Strategy bei Strategy . Strategy Berger Roland bei Strategy RINN THOMAS keiten der Geschäftsmodellinnovation. der keiten gration ihrer Geschäftsprozesse arbeiten. Erst im nächsten im nächsten Erst arbeiten. Geschäftsprozesse ihrer ­gration Hier hat der COO die Chance, eine entschlossene Füh entschlossene eine Chance, die COO der hat Hier kommt Es tun. zu Innovationstreiber einem mit es haben Wir ist Senior Partner und Global Head of Operations Operations of Head Global und Partner Senior ist 3 - - - -

8 Radikal verzahnt

MENSCH ODER MASCHINE?

WER DIE PRODUKTION DER ZUKUNFT DIRIGIERT. 50

THINK ACT // COO INSIGHTS // AUSGABE 2014 INHALT INDUSTRIE 4.0* 24 "Schlanker, schneller, stabiler"

6 STATEMENTS 24 INTERVIEW 37 AUFBRUCH OST Was ist dran an "4.0"? Stimmen Wie Digitalisierung die Autofertigung Vor dem Kraftakt: China will zum aus Politik und Wirtschaft verändert: Gespräch mit Harald Hightech-Lieferanten aufsteigen. Krüger, Produktionsvorstand bei BMW 8 TITEL 40 NETZKRIMINALITÄT Industrie 4.0: Wie volldigitale 32 KENNZAHLEN Wie sich Unternehmen gegen Produktion die Wertschöpfung Die Vermessung der vierten Attacken aus dem Cyberspace revolutioniert. industriellen Revolution wappnen können.

19 BILDERREISE 34 3D-DRUCK 43 INTERVIEW Traumfabrik: Hollywood als Wo die wirklich interessanten Airbus-Technikchef Jean Botti über 4.0-Pionier Geschäftsmodelle entstehen. neue Sicherheitsanforderungen

4 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 40 Die unsichtbare Gefahr *SELBST IST DIE FABRIK INDUSTRIELLE REVOLUTION IN VIER ETAPPEN 43 "Mehr Angriffsfläche" 1.0 Ende des 18. Jahrhunderts: In England treibt erst­mals eine ­DAMPFMASCHINE einen Webstuhl an – der Beginn mechanischer Pro­ duktion. 2.0 Ende des 19. Jahrhunderts: Die ELEKTRIFI- ZIERUNG ermöglicht arbeitsteilige Massen- fertigung am Fließband, zunächst in ameri- kanischen Schlachthöfen, später in der Auto- industrie. Die Qualität steigt, die Preise sinken. 3.0 Vor 50 Jahren: Mit Hilfe von Mikroelektronik und IT, besonders der speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS), schreitet die AUTOMA- TISIERUNG der Produktion voran. Maschi- nen übernehmen immer komplexere Aufgaben von Menschen und erhöhen die Produktivität.

19 4.0 Von wegen Science-Fiction Heute: Im Mittelpunkt der DIGITALISIE­ RUNG der Produktion stehen vernetzte cy- ber-physische Systeme (CPS): Werkstücke, Werkzeuge, Produktionsanlagen oder Logis- tikkomponenten mit eingebetteter Software kommunizieren miteinander. Intelligente Produkte kennen ihren Herstellungsprozess und künftigen Einsatz. Kundenindividuelle 46 COO WERKSTATT Massenfertigung zu wirtschaftlichen Kondi- Chancen durch Digitalisierung: tionen hält Einzug ("Segment of One"). Und: Projekte und Publikationen Wertschöpfung endet nicht länger am Werks- tor. Neue Dienstleistungen und ­Geschäfts- modelle werden möglich, wo vernetzte, in- 50 LETZTE ANTWORTEN telligente Produkte auch nach dem Verkauf Einsichten und Ausblicke von 34 noch Kontakt zum Hersteller halten können. Zukunftsforscher Andreas Neef Wie gedruckt Produzenten bieten Kunden wert­haltige Zu- satzdienste an: Nicht eine Turbine wird ver- kauft, sondern Schubkraft, das schließt z.B. 51 SERVICE vorausschauende Wartung ein. Vertrauen Impressum in eine sichere technologische Infrastruktur Digitales Angebot lässt deregulierte, wettbewerbs­starke Märkte entstehen.

THINK ACT // COO INSIGHTS 5 INDUSTRIE 4.0 NUR WENIGE WERDEN WAS IST AUF DER GRÜNEN WIESE EINE INDUSTRIE-4.0- DRAN FABRIK BAUEN. EINES DER SCHLÜSSELTHEMEN WIRD DAHER AUCH AN SEIN, BESTEHENDE FABRI­ KEN­ KOSTENGÜNS­­­ ­ "4.0"? TIG NACHZURÜSTEN. (… UND WIE GEHT'S WEITER?) Dr. Thomas Kaufmann, Vice President Corporate Supply Chain, Factory Integration, Infineon Technologies

STATE- UNTERNEHMEN UND LÄNDER, ­ MENTS DIE ­JETZT HANDELN, DAMIT SICH DIE ­ VER­HEISSUN­GEN ERFÜLLEN, WERDEN ­ IM ­21. JAHRHUN­DERT PROSPERIEREN. ALL JENE, DIE SICH DEN INKREMENTELLEN WANDEL AUF DIE FAHNEN GESCHRIE- Das Internet der Dinge BEN HABEN, ABER AUF SMART MANU­- ist eine gigantische, FAC­TURING VERZICHTEN, WERDEN RASCH INS HINTERTREFFEN GERATEN. umwälzende Entwicklung. Sujeet Chand, Chief Technology Officer, David Cameron, britischer Premierminister Rockwell Automation

WIE ALLE REVOLUTIONEN BEDEU­TET INDUSTRIE 4.0 EINE UMVERTEILUNG DES VERMÖGENS. Tom Comstock, Vice President of DELMIA Strategy & User Experience, Dassault Systèmes

6 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 STATEMENTS

Wir brauchen nicht nur wissenschaftliche INDUSTRIE 4.0 Exzellenz, nicht IST WIE EIN INTERNATIO-­ nur individuelle Detail­ NALES RENNEN. DAS TEAM lösungen, sondern DEUTSCHLAND HAT SICH Ideen, mit denen wir FORMIERT, ABER WER ALS Geld verdienen können. ERSTER LOSLÄUFT, MUSS NICHT DER GEWINNER SEIN. Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Detlef Zühlke, wissenschaftlicher Direktor, Deutsches Prof. Dr. Dieter Wegener, Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Head of Advanced Technologies and Standards, Siemens

WIR BRAUCHEN EINE KULTUR DES AUFBRUCHS WIE IN AMERIKA. Eberhard Veit, Vorstandsvorsitzender, Festo

Es darf nicht dazu kommen, WENN JEDER UND ALLES VER- dass Google künftig Produkte NETZT UND KOMPLEXITÄT GRATIS wie Autos oder Fernseher IST, WENN INNOVATIONEN SPOTT- herstellt und europäischen BILLIG SIND UND AUS JEDER Unternehmen die Rolle der ECKE KOMMEN KÖNNEN, DANN Zulieferer bleibt. VERÄNDERT SICH DIE ARBEITSWELT. Günther Oettinger, EU-Kommissar Thomas Friedman, Autor und Journalist, für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft New York Times

Service in der Industrie 4.0 Virtuelle Fabrik, heißt nicht länger zu reparie- ren, sondern das Versprechen, echter Wert Fehler zu vermeiden. Arnold Stokking, Director Industrial Innovation, Dr. Jochen Schlick, Leiter Zukunftsfeld Forschungsorganisation TNO, Niederlande Cyber-Physische Systeme, Wittenstein

THINK ACT // COO INSIGHTS 7 INDUSTRIE 4.0

TITEL INDUSTRIE 4.0 RADIKAL VERZAHNT Produkte und Prozesse, Daten und Dienstleis­ tungen, Verfahren und Fabriken: INDUSTRIE 4.0 bedeutet permanente Kommunikation auf allen Ebenen. Das revolutioniert die Wertschöpfung. Und schafft Raum für neue Geschäftsmodelle.

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THINK ACT // COO INSIGHTS 9 PETER KRÄMER ILLUSTRATION: ILLUSTRATION: INDUSTRIE 4.0

TITEL INDUSTRIE 4.0

Anders herum: Wettbewerb in volatilen, oft Kanban, automatische Quali­täts­kontrolle ungewissen, überaus komplexen und häu­ durch Funketiketten und Data Mining. fig mehrdeutigen Märkten ("VUCA World") "Andererseits konzentrieren wir uns auf verändert sich durch Industrie 4.0 grund­ die Entwicklung vielfältiger Fähigkeiten sätzlich, weil sich Wertschöpfungsketten unserer Mitarbeiter, damit sie immer verkürzen. Die Vorteile für Unternehmen neue Prozesse und Technologien be­herr­ liegen auf der Hand. Dazu gehören unter schen", so der Manager Operations. anderem (siehe auch Seite 17): Zum IT-Equipment der nächsten Gene­ SCHNELLIGKEIT: Vor- und Durchlauf­ ration zählt Pirelli seine modularen Ferti­ zei­ten ("Lead Times") werden kürzer, so­ gungsroboter (MIRS), die es dem Unter­ wohl von der Produktentwicklung bis zum neh­men ermöglichen, 14 Phasen der tra­ Markteintritt, als auch zwischen Auftrags­ ditionellen Reifenproduktion auf drei zu K annahme und Produktauslieferung. Zu­ verringern. Die MIRS-Roboter in den euro­ ­ önnte der Begriff "Industrie 4.0" so erfolg­ dem sinken die Ausfallzeiten. Fern­über­ päischen und US-amerikanischen Pirelli-­ reich und so relevant werden wie "Web wachung und vorausschauende Wartung Fabriken produzieren unterbrechungsfrei: 2.0"? Professor Willem Jonker aus den von Maschinen und Industrie­anlagen un­ Keine halb fertigen Produkte müssen zu­ Nie­­­derlanden hat diese Frage auf­gewor­ terbinden kostspieligen Stillstand. geführt werden, keine Zwischenlagerung fen. Im Auftrag der EU forscht der Mathe­ FLEXIBILITÄT: Digitalisierung und Ver­ ist nötig, weniger Energie wird eingesetzt. matiker und Informatiker am European In­ netzung plus virtuelle Werkzeugplanung­ Die durchschnittliche Fertigungszeit vom stitute of Innovation and Technology (EIT) machen kundenindividuelle Massenferti­ Rohmaterial bis zum Endprodukt ist hal­ zur Informatisierung der Wirtschaft, zur gung und Kleinstserien zu rentablen Prei­ biert worden. Integrierte Software steuert in­telligenten Verzahnung von Forschung sen ("Losgröße 1") möglich. den Prozess: von der Bewegung der Ro­ und Wirtschaft – und darü­ber, wie Europa Unter dem Strich werden Ressourcen boter über Wiederauffüllung von Rohma­ durch eine bessere Wachs­tums- und Inno­ effizienter eingesetzt, Maschinen und terial, Auswahl der Reifengröße und Vul­ vationspolitik­ seine Wettbewerbsfähig­- Men­schen arbeiten produktiver. kanisierung bis hin zur Qualitätskontrolle. keit steigern kann. Seine Bot­schaft: Indus­ Der Mini Cooper S war eines der ersten trie 4.0 gilt vielen (noch) als Modewort, DIE KOSTEN SINKEN, Au­tos, das so bestückt wurde, zuletzt kam aber wie Web 2.0 steht es für die enorme DIE MARGE STEIGT der neue Bentley hinzu. Pirellis Produkti­ Wucht, mit der die Digitalisierung den in­ vität ist markant gestiegen. dustriellen Alltag erobert und Geschäfts­ Der Reifenhersteller Pirelli hat den Einstieg Ähnliche Erfolge durch die Einführung beziehungen von Produzenten, Zulie­ferern in die verzahnte Fertigung be­reits vollzo­ von Industrie 4.0 feiert der US-Motor­ und Kunden umkrempelt. Eine Wucht, wel­ gen. Reifenproduk­tion be­deutet Maßar­ radhersteller Harley Davidson. In dessen che die Wettbewerbsfähigkeit von Unter­ beit in großen Stück­zahlen. Gregorio Bor­ Werk in York, Pennsylvania, 100 Meilen nehmen und Volkswirtschaften auf ein go, General Manager Oper­a­tions, nennt nörd­lich von Washington, werden die Mo­ neues Niveau heben kann. die Innovationskultur der Italiener "offen delle "1200 Custom" oder "Street Bob" Der weltweite Wettbewerb um Wert­ und crossfunktional", weil Industrie 4.0 gefertigt. Individuelle Wunschmaschinen schöp­fung nimmt zu – und das auf Märk­ von allen Seiten im Un­ter­nehmen voran­ können Kunden online mit dem "Bike Buil­ ten, die immer komplexer und unberech­ getrieben werde: "Die ­Fa­­b­riken der Pirel­ der" entwerfen und über einen Händler en­­barer werden. Unternehmen müssen ihr li-Gruppe sind in ihren Funk­tionen und be­stellen. Nicht mehr 21 Tage, sondern Geschäftsmodell permanent infrage stel­ Prozessen sowie in der Maschi­­ nen­ pflege­ erst sechs Stunden vor Produktionsbeginn len. Anforderungen an Variantenreichtum zunehmend digitalisiert", so Borgo. Je werden die Daten abgerufen. Das gibt und Schnelligkeit steigen, oft ohne siche­ hochklassiger das Auto, desto hö­her die Kun­den maximale Flexibilität. Bis kurz vor re Prognosen zu möglichen Absatzmen­ Ansprüche an die Reifen. "In un­serem Schluss können sie Änderungen an ihrem gen. Das erhöht den Zwang zur Flexibilität Produktionsumfeld brauchen wir eine Motorrad vornehmen. Harley Davidson hat beim Produktportfolio, bei Kunden und ­balancierte Organisation", sagt Borgo. mit dieser Produktionsstrategie seine Vor- Liefer­an­ten, Prozesstechnologien, IT-Sys­ Diese Balance herzustellen und zu be­ und Durchlaufzeiten signifikant verkürzt. temen und Standorten. Solch vielfältigen wahren sei einerseits ein Auftrag an die IT. In der automatisierten Fertigungsstraße Kräften halten am besten dezentrale Or­ Dafür stünden Themen wie die Inte­gra­tion arbeiten Mensch und Maschine eng Hand ganisationen mit autonom operierenden von Fertigungsmanagementsyste­ men­­ und in (Roboter-)Hand zusammen: Modellent­ Einheiten stand. Produktionsmaschinen, elektronisches wicklung in 3D, digitale Planung und Über­

10 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 DIE NEUE WELT DER *BEISPIEL AUTO­INDUSTRIE Vom Rohmetall (MEHR-)WERTSCHÖPFUNG zum Schiebedach KOMPONENTEN­ VOM LIEFERANTEN ZUM FERTIGUNG Metallbearbeitung Zulieferer: Brinks Metaal PARTNER*: WIE SICH DIE ROLLEN Kunde: Power-Packer SUBMONTAGE Hydraulik IN DER INDUSTRIE WANDELN. Zulieferer: Power-Packer Kunde: Edscha

Wertschöpfungskette SYSTEMINTEGRATION Komplettes Schiebedachsystem Zulieferer: Edscha 1980 2000 2020 Kunde: BMW

Outsourcing

Forschung & Entwurf & Prototypenbau & Produktion von System- Verkauf & Entwicklung Planung Industrialisierung Komponenten integration Service

1980 2000 2020 Komponenten-­ Auslagerung Integriertes Outsourcing von Teilen der Liefernetzwerk­ KLASSISCHE Wertschöpfung DIE ZUKUNFT ROLLEN­­- ROLLENWANDEL: HAT BEGONNEN: VERTEILUNG: Die Lieferkette wird OEMs werden "lean", Liefer­anten steuern komplexer. OEMs Zulieferer sind für Einzel­teile zur geben wichtige kom­plexe Systeme Produktion bei. Produktionsschritte und Prozesse an Spezialisten ab. mitverantwortlich. Quellen: Brainport Industries, Roland Berger

THINK ACT // COO INSIGHTS 11 INDUSTRIE 4.0 12 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0

TITEL INDUSTRIE 4.0

wachung, auf Bildschirmen visualisierte vernetzter Produktion sind cyber-physi­ Ar­beitsanweisungen. Die Kosten sinken, sche Systeme (CPS): Werkstücke, Werk­ die Marge steigt. zeu­ge, Produktionsanlagen oder Logistik-­ Solch erfolgreiche Beispiele sind es, Komponenten, die mit eingebetteter die das Konzept der Industrie 4.0 rasant Software über das Internet in Kontakt Fahrt aufnehmen lassen, ob als "Advan­ stehen. Sie erfassen und be­ein­flussen ced Manufacturing" (USA und Großbri­ ihre Umwelt, bilden dezentrale Netzwerke tannien), "Usines du futur" (Frank­reich), und optimieren sich eigen­stän­dig. Ein "Made dif­ferent – Factories of the Future" virtuelles Abbild der realen Welt wird (Belgien) oder als "Smart Industries" mithilfe hochaktueller Daten – in Echtzeit EINE INTELLIGENTE (Nie­­derlande). Der frühere SAP-Chef oder nahezu in Echtzeit erhoben und aus­ FABRIK IST Henning Kagermann, einer der Erfinder gewertet – laufend aktualisiert, während WIE EIN SOZIALES des ur­sprüng­lich deutschen Begriffs In­ der Mensch sich über multimodale NETZWERK dustrie 4.0, hofft auf eine Führungsrolle Schnittstellen und "Augmented Reality"- Menschen, Maschinen Deutschlands. Bundeskanzlerin Angela Anwendungen mit dem Produktions- und Materialien Merkel, so heißt es, legt Wert darauf, system verbindet, um es zu steuern. CPS kommunizieren und dass Industrie 4.0 auch in englischspra­ ermöglichen die nächste Stufe der De­ interagieren in Echtzeit. chigen Publikationen mit der deutschen zentralität – der Objekte in der Fabrik, der Endung "ie" geschrieben wird – als Mar­ Maschinen, der Organisation. Mit ihren Globale Produktionsstätten kenartikel, "Made in Germany". Es geht Schnittstellen zu Smart Mobility, Smart Im Zentrum von "4.0" steht ein Netzwerk globaler Produktionsstätten. Die enge um nichts we­­niger als globale Innova­ Lo­gistics und Smart Grid ist die intelli­ Interaktion mit Partnerunternehmen führt tions- und Markt­führerschaft. gente Fabrik ein wichtiger Bestandteil zu einer Steigerung der Profitabilität, weil Kagermann, inzwischen Präsident der künf­ti­ger Infrastrukturen. Wenn zwei oder sich zum Beispiel Abstimmungen verkürzen, und erlaubt eine stetige Optimierung Deutschen Akademie der Technikwissen­ mehr Unternehmen über solche Informa­ und Anpassung der Fertigungsprozesse. schaften Acatech, ist auch im Ausland ein tions­flüs­se verbunden sind, entsteht in Mächtige Maschinenführer gefragter Gesprächspartner. "Zuerst ka­ der Netzwerkökonomie ein neues Zusam­ Augmented Reality: Diese Technologie men die Chinesen, um die Automatisie­ men­spiel der Akteure. Schon ist die Rede bietet Menschen, die Maschinen bedienen, rung voranzutreiben", erzählt er, "dann die von der nächsten Stufe von "Coopetition",­ eine virtuell verbesserte Sicht auf die Niederländer, die wissen wollten, wie man von kooperativem Wettbewerb bei maxi­ Produktion, was zum Beispiel schnellere Wartungs- und Reparaturarbeiten viele unterschiedliche Akteure an einen maler Arbeitsteilung. ermöglicht. Mithilfe von Smartphones, Tisch bekommt; schließlich Amerikaner Schöne neue Welt? Noch nicht über­ Tablets und Datenbrillen werden sie zu und Briten, die ihren Industrieanteil erhö­ all. Denn dafür müssten sich die Unter­ "Augmented Operators". hen möchten." Kagermann versteht das neh­men von den klassischen Steuerungs­ Soziale Maschinen große Interesse: "Die Vision von der Indus­ instrumenten der Produktion trennen. Soziale Maschinen sind wissensbasierte, trie 4.0 ist einfach, aber zwingend." Dazu zählt Microsofts "Excel", die meist­ sensorunterstützte und räumlich ver­breitete Software im Manufacturing verteilte Einheiten autonomer Produktions­ systeme. Sie teilen neu gewonnene Infor- NEUE BALANCE ZWISCHEN Execution System (MES) und bislang fest mationen mit anderen Maschinen. Zusätzli­ MENSCH UND MASCHINE etabliert in der Produktions-und Ressour­ che Konfiguration ist nicht nötig. cenplanung sowie in der Prozessdaten­ Intelligente Produkte Industrie 4.0 klingt nach dem neuesten aus­wertung. Je nach Investitionsbereit­ Intelligente Produkte sind jederzeit identi- Re­lease einer Produktionssoftware und schaft der Unternehmen, so rechnen viele fizierbar und lokalisierbar. Jede Information ist doch so viel mehr als ein simples Up­ Industrieexperten, werde sich dieses Bild über den Verlauf der Produktion wird im Produkt gespeichert, etwa auf date. Denn sie schafft ein neues, radikal bis 2030 deutlich ändern. Industrie 4.0 RFID-Chips. Intelligente Produkte steuern ver­zahntes System in der Produktion. ist eine dynamische Evolution. Doch wenn ihren Produktionsprozess selbst. Menschen, Maschinen und Ressourcen am Ende eines evolutionären Weges revo­ Virtuelle Produktion kommunizieren unmittelbar miteinander. lutionäre Veränderungen locken, dann gilt Ein digitales Abbild der realen Fabrik verknüpft Intelligente Produkte kennen ihren Her­ es schon heute, als Pionier erste mutige alle Menschen, Maschinen und Materialien stellungsprozess und künftigen Einsatz. Schritte zu wagen. und visualisiert die ablaufenden Prozesse. In dieser virtuellen Produktion lassen sich So unterstützen sie aktiv Fertigung und Gleichwohl fragen sich viele zögerli­ Daten analysieren und zukünftige Zustände Do­kumentation. Grundlage dieser Vision che Unternehmen: Welche 4.0-­Technolo- simulieren, um die Produktion zu optimieren.

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ILLUSTRATION: PETER KRÄMER PETER ILLUSTRATION: INDUSTRIE 4.0

TITEL INDUSTRIE 4.0 gien sind überhaupt schon marktfähig? beseitigt: mit QR-Codes, intelligenten passt zu seinem grundsätzlichen Credo, Jochen Schlick hält dies für die falsche Werkstückträgern, Tablet-PCs, digitalen das lautet: Die Industrie muss weg von der Fragestellung: "Industrie 4.0 ist keine Plantafeln. Als größte Heraus­for­der­­ung Vorstellung, heute schon wissen zu wollen, neue Technologie, aber sie bedeutet das stellte sich heraus, die Altsysteme zu in­ welche Sensoren eine Maschine in fünf Ende der Ineffizienz", sagt der Leiter des tegrieren. Das ist Wittenstein gelungen. Jahren braucht. Stattdessen müsse man Zukunftsfeldes Cyber-Physische Systeme Möglich wurde der Erfolg auch durch ein eine Plattform schaffen, auf der sich zu­ bei der Wittenstein AG. Der Ingenieur Netzwerk von 22 externen Partnern – die kunftsfähige Lösungen entwickeln lassen. stieß vom Deutschen Forschungsinstitut für Mechanik, Software oder Cloud-­An­bin­ "Betriebswirtschaftliche Ertragsrechnun­ für Künstliche Intelligenz (DFKI) zu einem dung verantwortlich waren. gen führen bei Einzelprojekten oft in die der weltweit führenden Hersteller mecha­ Schlick argumentiert nüchtern, denkt Irre, wenn Investitionen den unmittelbaren tronischer Antriebstechnik. Schlicks Argu­ gleichwohl offensiv. Nicht anders als bis­ Gewinn bei Kosten oder Effizienz über­stei­ men­tation: Basistechnologien des Inter­ her gehe es darum, Pro­duktion überall und gen", sagt Häuser. Weitblickende Mana­ nets der Dinge gebe es schon lange, wozu allerorten zu optimieren. Selbst die Ziele ger würden darauf zählen, dass Datenver­ er Auto-ID, eingebettete Systeme, breit­ der Unternehmen sei­en immer noch die knüpfungen in der weiteren Entwicklung bandige kabellose Netzwerke, digitale gleichen: Liefertreue, niedrigere Kosten, der Prozesse auch an unerwarteten Stel­ Steu­erung und Kommunikation rechnet. höhere Qualität. Methodisch hätten bisher len Vorteile einbringen. Aber nun entstünden durch Industrie 4.0 Paradigmen der "Lean Production" dabei Viel Sensorik hilft viel? So sieht der vielversprechende Anwendungsfälle, weil ge­holfen. Trotz­dem seien die theoretisch Bosch-Manager das ausdrücklich nicht. Informationen aus der dinglichen Welt möglichen Leis­tungen der Prozesskette oft Unternehmen bräuchten aber eine Vision effi­zient erfasst und effektiv digital wei­ nicht erreicht wor­den. Diese Ineffizienzen vollständiger Datentransparenz, die über ter­ver­arbeitet werden können. Oder an­ zu beseitigen, darin stecke das Potenzial die Projektrechnung hinausreicht. Senso­ ders: Bis­her getrennte Informationsquel­ einer umfassen­den Digitalisierung der ren jedenfalls kosteten nur noch im Cent-­ len wer­den kompatibel. Wert­schöpfung. Industrie 4.0 bedeute, Bereich, auch Lesegeräte seien billig. Kompatibilität herzustellen hört sich das Ziel einer maxi­mal effizienten und res­ Häuser ist sich sicher: "Die Wucht der In­ ein­fach an, doch aus seiner Beobachtung sourcenschonenden Produktion auf neu­ dustrie 4.0 wird über die günstigen Lösun­ scheitern viele Unternehmer genau daran. em Wege zu erreichen: nicht durch mehr gen kommen." Schlick empfiehlt deshalb nach "Medien­ Automatisie­r­ung oder bessere Komponen­ brüchen im industriellen Alltag" zu suchen: ten, sondern durch weniger Schnittstellen TREND ZUM "RETROFITTING" Stellen, an denen die Ineffizienz quasi mit im Datenstrom. Händen zu greifen ist – wie noch vor eini­ Der Informationsfluss, der die Waren­ Zurzeit erkennen Beobachter einen star­ ger Zeit in Wittensteins Intralogistik oder bewegung begleitet, bietet laut Schlick ken Trend zum "Retrofitting". Unterneh­ Produktionsplanung, zwei Bereiche, in de­ "Handlungsempfehlungen für informierte men rüsten ältere Anlagen nach, ohne nen Industriemeister feinste Details noch Entscheider", so wie das Navigationssys­ gleich eine komplett neue 4.0-Produkti­ auf Papier bearbeiteten. tem für Autofahrer. Als Anwender müsse on zu finanzieren.­ So schützen sie frühere man nicht jede Facette eines solchen As­ In­vestitionen mit langen Abschreibungs­ INEFFIZIENZ WAR FRÜHER sistenzsystems verstehen. Keineswegs fristen. Schon deshalb ist Industrie 4.0 ausgeschlossen also, dass das Wissen kein radikaler Umsturz: Technologien und Das Unternehmen fertigt Produkte, die in zur Interpretation der Daten die Kernkom­ Umsetzungsmöglichkeiten sickern ganz Flugzeugturbinen, Erdölplattformen oder petenzen der Anwender in einzelnen Fäl­ allmäh­ ­lich in die Wirtschaft ein. Herzschrittmachern zum Einsatz kommen.­ len übersteigt: eine neue Marktlücke für Die ABB Group, ein global agierender Mangelnde Synchronisation der Trans­ Dienstleister zur unterstützenden Steue­ Hersteller von Energie-und Automatisie­ portprozesse von Werkstücken mit der rung betrieblicher Prozesse. rungstechnik, erwartet, dass die klassi­ Produktion bedeutete Verschwendung von Die Frage, welche Dienstleistungen sche Automatisierungspyramide im Kern Zeit und Ressourcen. Fehlende digitale das konkret sind, hält Bernd Häuser, Lei­ erhalten bleibt. Sie werde nur überlagert Abbildung der Produktionsplanung hieß, ter des Zentralbereichs Fertigungskoordi­ von einem 4.0-Netzwerk mit definierten dass der Geschäftsführung gerade nicht nation bei Bosch, für lediglich perspekti­ Zugangspunkten zur Produktion. An die­ jederzeit auftrags-, linien- oder maschi­ visch relevant – er setzt auf das Hier und sen Kommunikationsknoten werden Le­ nenbezogene Daten zur Verfügung stan­ Jetzt. Bei Häuser laufen die Fäden von 50 se­rechte erteilt, etwa zur Datenanalyse den. Inzwischen hat Wittenstein die Brü­ Pilotprojekten der Bosch-Gruppe zusam­ und Fehlersuche. Schreibrechte im Leit­ che im Daten- und Kommunikationsstrom men. Seine Antwort auf die Servicefrage system gestatten es Servicetechnikern,

14 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 WELTWEITER WETTBEWERB zentrale Kalibrierungs-und Instandhal­ Fieberhaft wird deshalb in Europa, aber tungsdienste anzubieten, und zwar im Was Regierungen sich auch außerhalb, an einer einheitlichen laufenden Betrieb. Die Anlage erkennt den Wettlauf um die Datenstruktur und gemeinsamen Stan­ ihren eigenen Status, meldet und analy­ Produktion der Zukunft dards gearbeitet, um den Maschinendia­ siert drohende Schäden und ordert Er­ kosten lassen. log im großen Stil zu erleichtern. In der satzteile. So werden kostspielige Auszei­ deutschen "Plattform Industrie 4.0", ei­ ten vermieden. ABB bietet, wie viele Großbritannien nem Zusammenschluss von Verbänden, andere Unternehmen, solche Hard- und Seit 2011 sind 312 Millionen Euro in die Unternehmen und Forschung, entsteht Softwarekompo­ nen­ ten­ für Ferndiagnose "Advanced Manufacturing Supply Chain"-Initiative eine "Normierungsroadmap". In den USA und voraus­schau­ende Wartung schon an. geflossen, im Frühjahr 2014 hat das "Department beschäftigt sich die "Smart Manufactu­ for Business Innovation and Skills" einen Auch die Weidmüller Interface GmbH zusätzlichen Fonds über 127 Millionen Euro ring Leadership Coalition" mit dem Thema. & Co. KG gehört zu den Systemlieferanten aufgesetzt, mit dem Forschung und Entwicklung Neue Standards eröffnen neue Märkte. der Industrie 4.0, als Hersteller von Steu­ im Automobil- und Luftfahrtsektor An dieser Normierung hängt der Erfolg erungs- und Verbindungstechnik sowie gefördert werden. von Industrie 4.0. Ist erst einmal ein offe­ Mess- und Monitoringsystemen. Letztere Frankreich nes System geschaffen, kann jeder Entre­ sorgen zum Beispiel dafür, dass eine Präsident François Hollande kündigt preneur am Spiel teilnehmen. Dann dürfte Spritz­gussmaschine ihren Öldruck und 3,7 Milliarden Euro für "La Nouvelle Metcalfs Gesetz greifen. Demnach wächst Industrielle" an. In 34 staatlichen Aktionsplänen ­Betriebstemperaturen direkt ins Internet der Nutzen eines Kommunikationssystems werden ausgewählte Industrieprojekte übertragen kann. Maschinenführer sehen vorangetrieben, darunter auch die Fabrik der proportional zum Quadrat der Anzahl sei­ die Echtzeitdaten im Browser auf dem Zukunft ("Usines du futur"): 35.000 Produktions- ner Teilnehmer. Je stärker Unternehmen ­Tab­let oder Smartphone und können diese robotern in Frankreich stehen 65.000 in Italien also ihre Produktion vernetzen, desto stär­ gezielt nutzen – zur Visualisierung, Diagno­ gegenüber – und 150.000 in Deutschland. ker steigt der Wert des gesamten Wert­ se, Früherkennung von Anomalien –, damit Deutschland schöpfungsnetzwerks – und die Wettbe­ die Maschinen reibungslos arbeiten. Mar­ Als Teil des Aktionsplans der Bundesregierung werbsfähigkeit des einzelnen Teilnehmers. kus Köster, Ingenieur in Weidmüllers Tech­ zur "Hightech-Strategie 2020" fließen 200 Schon 2020 könnten 50 Milliarden in­tel­ Millionen Euro in die "Plattform Industrie 4.0", die nologieentwicklung, sieht es nüchtern: Expertise aus der Forschung und den Spitzen- ligente Objekte miteinander kommu­ni­zie­ "Das Monitoring ist möglich, aber die au­ verbänden des Maschinenbaus sowie der ITK- ren, zehnmal so viele wie heute. Ur­sprüng­ tomatische Nachjustierung wird nicht so und Elektroindustrie bündelt. lich eine interessengeleitete Prognose des nachgefragt – noch nicht", wie er betont. Europa Netzwerkausrüsters Cisco, gilt diese Zahl Woran das liegt? "Oft will der Mensch Bis 2020 investiert die Europäische Kommission mittlerweile als plausibel. einfach die Kontrolle über die Abläufe be­ 1,15 Milliarden Euro in die Private-Public- halten", lautet Britta Hilts Erfahrung. Hilt ist Partnership-Initiative "Fabriken der Zukunft". HOHES TEMPO, Geschäftsführerin der IS Predict GmbH in Vor allem im Mittelstand soll die technologische NEUE SPIELREGELN Basis der Industrie gestärkt werden: anpassungs­ Saarbrücken, ein junges 20-köpfiges Un­ fähige Maschinen, innovative Werkstoffe, ternehmen der Scheer-Gruppe, das sich moderne IT für die Produktion. Das ungebremste Tempo des Zuwachses auf "Predictive Analytics" spezialisiert hat. USA verändert die Spielregeln. "Wir müssen Mit seinen Konzepten zur voraus­schau­ Die Obama-Administration hat allein 2013 sehr schnell die Standards beherrschen", enden Maschinensteuerung ist die Firma rund 1,6 Milliarden Euro für Projekte im Umfeld sagt Professor Wolfgang Wahlster, Chef einer der vielen neuen Player auf einem der Produktionsforschung bereitgestellt. Der des Technologie-Think-Tanks DFKI und wachsenden Markt. Zugleich sieht Hilt aber "Smart Manufacturing Leadership Coalition" ­Berater der Bundeskanzlerin. "Das ist ein (SMLC), einer bundesweiten Interessen- auch eine der höchsten Hürden, die einer gemeinschaft mit mehr als 30 Firmenmitgliedern, echtes Machtspiel." Europa, Deutschland flächendeckenden Etablierung von Indust­ wurden 500 Millionen Euro zur intelligenten insbesondere, sieht er gut gerüstet, auch rie 4.0 entgegenstehen. In etwa der Hälfte Fabrikvernetzung in Aussicht gestellt. wenn es oft heißt, die Softwareriesen aus der Unternehmen gebe es trotz Messun­ China Amerika könnten im Vorteil sein, wenn die gen an den Maschinen und Anlagen keine Peking will bis 2017 rund 1,2 Billionen Euro Wertschöpfung künftig derjenige kontrol­ für Mehrwertdienste brauchbaren Daten: für die Modernisierung und Transformation seiner liert, der die Daten beherrscht. Doch wem Informationen werden entweder nicht oft Industrie investieren. Nicht alles davon wird gehören die Daten? Wie separiert man genug erhoben, nicht ge­spei­chert oder sie Industrie-4.0-relevant sein. Aus "Made in China" sie für ein tragfähiges Geschäftsmodell, soll "Created in China" werden. sind nicht konvertierbar. Oft bleibe daher ­Sicherheitsfragen­ (siehe dazu Seite 40) nur das Ausdrucken – Old School also. Quellen u.a.: EU, GTAI, db research, Roland Berger ganz außen vor?

THINK ACT // COO INSIGHTS 15 INDUSTRIE 4.0

TITEL INDUSTRIE 4.0

GOOGLE KAUFT ROBOTIK­ Navigation, fahrerlose Autos, Drohnen­ entstandene Analysetool "Stratosphere", FIRMEN EN GROS steuerung,­ Augmented-Reality-Apps, das erst im April als Projekt in das Apache-­ Steuerung von Werkstücken und Maschi­ Incubator-Programm aufgenommen wur­de. Der US-Autohersteller Ford setzt in seinem nen. Das Projekt hat bisher kaum Auf­ "Wir haben Vorsprung in der Techno­lo­gie, Werk in Michigan eine Software von Sie­ merk­samkeit in Publikums- und Wirt­ die Amerikaner sind besser in Ver­net­zung mens ein. Sie dient der virtuellen Naviga­ schafts­medien gefunden. Sobald sich das und bei Geschäftsmodellinno­vationen", tion durch die Produktion und soll die in­ ändert, wird sich die Unruhe verstärken, sagt Wahlster, neben Kagermann der zwei­ ter­nationale Zusammenarbeit der Ford-­ die sich in der produzierenden Industrie te Wortschöpfer von Industrie 4.0, "wir Werke verbessern. Die Infrastruktur von breitmacht, seit Google allein 2013 acht wer­den uns mit ihnen verständigen." Google Earth hilft dabei, in 3D bis auf die Robotikfirmen aufgekauft und den And­ Bei Endress+Hauser, einem Schweizer Ebene einzelner Arbeitsplätze durch die roid-Erfinder Andy Rubin beauftragt hat, Mess-und Regeltechniker, heißt es, die Produktion in aller Welt zu wandern. Der eine Sparte zur Roboterentwicklung auf­ horizontale­ digitale Integration – Messge­ Kunde profitiert in jedem Fall. Bleibt die zubauen. Sie soll schnell wachsen. räte und Kommunikationssysteme zur Frage, wer in diesem Wettlauf das besse­ Bisher schützt den europäischen Ma­ ­Da­tenerfassung und zum Datentransfer re Ende für sich hat: Siemens als indust­ schinen- und Anlagenbau die Zergliede­ – könnten Unternehmen heute schon be­ rienaher Lieferant, der sich längst auch als rung der heutigen Industrie-IT. Dass US-­ zahlen. Sie wären damit in der Lage, au­ Digitalisierer sieht und bereits 17.500 Softwareunternehmen bald die Welt der to­matisch Auftrag, Lagerung, Lieferung, Software-Ingenieure beschäftigt? Oder Industrie erobern könnten, glaubt auch Bestand zu steuern. Auch die vertikale doch der neue Riese Google, der nur dar­ Bernd Häuser von Bosch. Die langen Le­ Integration sei realistisch. Dabei werden auf lauert, das Geschäft mit den Unter­ benszyklen von Produktionsanlagen hät­ Ebenen der Automatisierungspyramide so neh­mensdaten zu übernehmen? ten viele IT-Riesen davon abgehalten, die­ vernetzt, dass eine Verbindung zwischen Googles mächtigste Informations­sam­ sen Markt für interessant zu halten. Aber Enterprise Resource Planning (ERP) und melstelle ist das Betriebssystem Android, diese Zurückhaltung weiche nun. Häuser: Produktionsprozess entsteht. Von einem das weltweit auf 80% aller Smartphones "Wir als Maschinenbauer haben die Be­ durchgehenden digitalen Engineering und auf 60% aller Tablets läuft. Konnekti­ drohung lange unterschätzt." kön­ne aber noch keine Rede sein: "4.0 vität bedeutet eben auch, dass sich so­ als um­­fassendes Fertigungspaket kann wohl Nutzer als auch Anbieter konkurrie­ EUROPA BIETET DEN man noch nicht kaufen", heißt es bei En- render Systeme gegen etablierte Stand­ USA DIE IT-STIRN dress+Hauser, aber man will wie Witten­ ards irgendwann nicht mehr wehren stein durch Vernetzung dorthin. kön­nen. Und Google ist rastlos. Zum Bei­ Inzwischen sind Europas Unternehmen Nicht warten, starten: Zu einem ra­ spiel mit seinem Projekt "Tango". Ent­ hell­wach. Als Marktführer bei eingebette­ schen Einstieg in die Industrie 4.0 rät wick­ler arbeiten daran, Smartphones und ten Systemen besinnen sie sich auf ihre Martin Marx den produzierenden Unter­ Tablets ein menschliches Verständnis drei­ Stärken, z.B. die Kompetenz in der Senso­ nehmen. Er ist Vertriebsleiter der westfä­ dimensionaler Räume und Bewegungen rentechnik. Deutschland kann Unterneh­ lischen Harting Technologiegruppe, die einzupflanzen. Daran beteiligt sind Uni­ men wie Continental und Sick, Infineon mit Steckern, Kabeln und elektromechani­ versitäten, Forschungseinrichtungen und und SAP vorzeigen. In den Niederlanden, schen Steckverbindungen 500 Millionen industrielle Partner aus neun Ländern wo es viele hochentwickelte Industriezulie­ Euro Jahresumsatz erwirtschaftet – und weltweit – darunter Bosch, Infineon, die ferer gibt, profiliert sich NXP Semiconduc­ die sich künftig als digitaler Sys­tem­lie­ ETH Zürich, die George Washington Uni­ tors, ehemals Philips. Die Schweiz hat ei­ ferant einen Namen machen will. "Wir versity und die Open Robotics Foundation. nen Maschinen- und Anlagenbau von fan­gen klein an, es geht um Vertrauen, Hard- und Software in den Prototypen Weltruf, in Norditalien arbeiten Forscher um erste Netzwerke und darum, Kunden zeich­net Bewegungen auf und erstellt ein und Unternehmen am Technologietransfer. den Nutzen von 4.0 in kleinen Schritten Modell der Umgebung in 3D. Auch hier ist Frankreich holt gerade mit voller Kraft zwei dar­zulegen", sagt Marx. Ein Nachfrage­ Android die Datenplattform. Sensoren er­ bis drei Jahre Rückstand auf. Vielfalt zähle, markt müsse sich sukzessive entwickeln. lauben mehr als 250.000 Messungen pro nicht Größe, führt Merkel-Berater Wahlster Harting ist einer von mehr als 30 industri­ Sekunde, Position und Orientierung des ins Feld: "Intel ist riesig, aber die sind nicht ellen Partnern im gemeinnützigen Verein Geräts werden in Echtzeit aktualisiert. Im in den Markt gekommen." Auch beim Big "Smart Factory KL e.V.", einer herstel­ler­ Moment zielt "Tango" auf Konsumenten­ Data Mining hat Europa einiges zu bieten: unabhängigen Plattform, die aus­ge­reif­te anwendungen. Aber das Potenzial für die "Hana"-Datenbanken von SAP, "Terracot­ Informationstechnologien in die Fabrik­ Industrie liegt auf der Hand: intelligentere ta" von der Software AG oder das in Berlin automation zu integrieren sucht.

16 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 4 STARKE ARGUMENTE VORTEILE DER INDUSTRIE 4.0

Marktnähe und vertiefte Kundenbeziehungen durch neue Qualität Geschäftsmodelle durch Transpa­ renz­ und Ser­vi­ces und Replizier- Flexibilität barkeit­ bei Losgrößen der Prozesse und Varianten: individuelle Massenfertigung

Schnelligkeit durch kürzere Vor- und Durchlaufzeiten sowie weniger Ausfallzeiten­

THINK ACT // COO INSIGHTS 17

ILLUSTRATION: PETER KRÄMER PETER ILLUSTRATION: INDUSTRIE 4.0

TITEL INDUSTRIE 4.0

Die Unternehmen im Netzwerk demon­ Tinte wird beim Flaschenrecycling wieder den Anteil der Industrie an der Brutto­ strie­ren zum Beispiel mit Testmodulen, wie entfernt. Das alles spart Zeit, Geld und wertschöpfung bis 2020 von 16 auf 20% selbst Konkurrenten einheitliche Schnitt­ Tonnen von Müll. erhöhen will. stellen nutzen können, um gemeinsam ar­ Mit der Digitalisierung der Geschäfts­ Die Reorganisation der Wertschöp­ beitsteilig zu produzieren. Diese Module prozesse hat jetzt auch eine besondere fung verspricht große volkswirtschaftliche erkennen ihren Nachbarn, sodass sie je­ Spielart der individuellen Massenferti­ Potenziale. Allerdings sind die Vorausset­ der­zeit getauscht oder ausgewechselt gung Einzug gehalten: die Lohnfertigung. zungen in Europa höchst unterschiedlich. werden können. "2013 war unsere Anlage Wie bei der 247 TailorSteel GmbH, einem 35.000 Produktionsrobotern in Frankreich technisch schon einen Schritt weiter", er­ internetbasierten Beschaffungsportal für stehen 65.000 in Italien gegenüber und zählt Professor Detlef Zühlke, Spiritus Rec­ Lohnarbeiten­ rund um industrielle Bleche 150.000 in Deutschland. Das hat die fran­ tor und Vorstandsvorsitzender der Techno­ und Rohre. Das Unternehmen ist vor Jah­ zösische Regierung aufgelistet, die ankün­ lo­gie-Initiative: "Inzwischen geht es uns ren aus den Niederlanden nach Deutsch­ digt, in die "Fabrik der Zukunft" zu inves­ aber weniger um das technisch Machbare, land expandiert. Zwischen Reißbrett und tieren. Die Frage ist, ob die Industrie die als vielmehr um handfeste Geschäftsmo­ CAD sind alle Arbeitsabläufe auf die indi­ damit verbundene Gelegenheit ergreifen delle." Zühlke berichtet von ersten nam­ viduellen Anforderungen der Kunden op­ti­ wird. Jean-­Camille Uring, COO von Fives haften Kaufinteressenten: einem Kompo­ miert. Angebote werden innerhalb von Cinetic und Präsident im Verband der nentenhersteller aus dem Flugzeugbau, ­Mi­nu­ten per Mausklick generiert, die Pro­ Europä­ischen Werkzeugindustrie (siehe einem Autohersteller, einem Unternehmen dukte hätten "höchste Qualität auf jeder­ auch Seite 3), spricht von einer Zweitei­ aus dem Bereich Anlagenmonitoring. zeit replizierbarem Niveau", wie das Unter­ lung der französischen Wirtschaft. nehmen sagt. Technisch ist das glaub- Als Fives-­Manager weiß er, was es ES GIBT HANDFESTE wür­dig, die Herstellung der Werkstücke heißt, Maschinen und Anlagen für die welt­ GESCHÄFTSMODELLE verrichten Laserschneider von Trumpf. So­ weit größten Industriegruppen zu konzipie­ sichern sich Unternehmen wie 247 Tai­lor­ ren und zu liefern, in Branchen von Alumi­ Geschäftsmodelle rund um Industrie 4.0 Steel durch Digitalisierung eine zufriedene nium und Automobil bis Luftfahrt und etablieren sich überall – zum Beispiel bei Kundschaft. Logistik. Als Regierungsberater hat er die Bosch im saarländischen Homburg. Dort Vision der "Usines du futur" mit entworfen: werden seit Juni 2014 hydraulische Schei­ KUNDEN LASSEN UNTER­ Organisation und Finanzen, Pläne für ein­ benventile für Traktoren gefertigt, 2.200 NEHMEN KEINE WAHL zelne Industrien. Uring weiß um die gerin­ Varianten in kleinen Stückzahlen. Der Kun­ ge Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mitt­ de sendet seine Aufträge direkt zur Ferti­ Haben unsere hochentwickelten Volkswirt­ lerer Unternehmen in Frankreich, neue gungsanlage, die sich selbstständig kon­ schaften bei Industrie 4.0 die Wahl? Nein, Maschinen allein seien noch nicht die Lö­ figuriert, Teile sucht und laufend Daten argumentiert Professor Thomas Bauern­ sung für globale Märkte. zum Fertigungsstatus auswertet. "Die hansl. Denn nicht Technologien trieben So wird Europa seine Stärken aus­ ­In­ves­­tition in die neue Produktionslinie Modularisierung und Flexibilisierung vor­ bauen müssen. Deutschland gilt vielen als rechnet sich in kurzer Zeit", sagt Bosch-­ an, sondern Kunden und Märkte. Bauern­ Spitzenreiter bei der Digitalisierung der Mana­ger Häuser. Zum einen steige die hansl ist Leiter des Instituts für Industrielle Wirtschaft, aber das ist immer nur eine Pro­duktivität der ­Ma­schinen, weil sie nicht Fertigung und Fabrikbetrieb IFF der Univer­ Momentaufnahme. Für Selbstzufrieden­ mehr umgerüstet werden müssten. Zum sität Stuttgart sowie Chef des Fraunho­ heit ist im kompetitiven Umfeld von Indus­ anderen auch die der Mitarbeiter, weil sie fer-Instituts für Produktionstechnik und trie 4.0 keine Zeit. keine einzelnen Aufträge mehr eingeben Automatisierung IPA. Seine Logik geht so: müssten. Heute steht ein hoher Industrieanteil, ver­ Eine verkürzte Wertschöpfungskette einfacht gesagt, für große Fortschritte und hat inzwischen auch der Getränkeabfüller eine hohe Dynamik. Das Produktivitäts­ KHS GmbH aus Dortmund umgesetzt, der wachstum habe in der deutschen Industrie mit seiner prämierten digitalen Technolo­ zwischen 2000 und 2010 bei 30% gele­ gie Innoprint Zigtausende PET-Flaschen gen, doppelt so hoch wie das bei Dienst­ parallel direkt und rundum ohne Etiketten leistungen. 2010 seien fast 90% der Aus­ bedrucken kann. Das schafft maximale gaben für Forschung und Entwicklung auf Flexibilität, verkürzt die Time-to-Market die Industrie entfallen. Für Bauernhansl ist und ermöglicht kleinste Losgrößen. Die es deshalb nur konsequent, dass die EU

18 THINK ACT // COO INSIGHTS

INDUSTRIE 4.0 KRÄMER PETER ILLUSTRATION: FOTO: ISTOCKPHOTO BY GETTY IMAGES

BILDERREISE

VON WEGEN SCIENCE-FICTION

HOLLYWOOD ALS 4.0-PIONIER: IN DER TRAUMFABRIK ENTSTEHEN IMMER WIEDER FILMSTOFFE, DIE NEUEN UND SEHR REALEN GESCHÄFTSMODELLEN DEN BODEN BEREITEN. NÜCHTERNE VISION UND KÜHNE REALITÄT – EINE ZEITREISE IN BILDERN.

THINK ACT // COO INSIGHTS 19 INDUSTRIE 4.0

Batman hat in ­ "The Dark Knight Rises" (2012) ­Drohnen getestet – lange bevor Ama- zon oder DHL sich dafür interessierten. ­Inzwischen inspizieren zivile Drohnen Hoch- spannungs-Stromleitungen oder fotografieren einen Staudamm millimeterweise ab, damit aus den Aufnahmen ein detailgetreues 3D-Modell erstellt werden kann. Und im Volkswagen-­ Werk in Baunatal­ surren sie durch die weit- läufigen Produktionshallen, um hoch gelegene Druckluftlecks ausfin- dig zu machen.

THE DARK KNIGHT RISES

FOTOS: ACTION PRESS; PARROT SA 20 FOTOS: PICTURE-ALLIANCE; ULTRA GLOBAL

Anno 1990 dachten wir, es sei Arnold Schwarzen­ egger in "Total Recall" vorbehalten, in ein Robotaxi zu steigen. Weit gefehlt: Am Flughafen London-Heathrow sind heute bereits vollautomatische, führerlose Fahrzeuge unterwegs. Das "Personal Rapid System" bringt Fahrgäste auf Bestellung ohne Zwischenhalt an ihr Ziel – auf festen Routen. In den USA denkt man schon einen Schritt weiter: Das "Google Self-Driving Car" soll sich auf öffentlichen Straßen bewegen und eigenständig im Verkehr behaupten.

TOTAL RECALL 21 In der Comic­ verfilmung "The Avengers" aus dem Jahr 2012 tippt Superheld ­Robert Downey Jr. auf Videos,­ wischt über Bild- schirme und verschiebt Regler auf holografi- schen Displays. Der Eisenmann steuert beliebige Anlagen aus der Ferne und ­brilliert zugleich als Pionier der vorausschauenden Wartung. Heute können Autos ihre ­Geschwindigkeit und Rich- tungspfeile für die ­Navigation an die Wind- schutzscheibe ­projizieren. Fußgänger begnügen sich derweil mit "Google Glass".

THE AVENGERS

FOTOS: ACTION PRESS; BMW GROUP 22 FOTOS: ACTION PRESS; GOOGLE

"Alien"-Regisseur Ridley Scott knüpft­ 2012 mit ­"Prometheus" an seinen ­Supererfolg von 1979 an. Als das Raumschiff die Höhle eines Aliens erreicht, werden schwebende ­Kugeln ausgesendet, um den Raum zu ­vermessen. Sie nehmen alles auf, was sie sehen, um eine holo- grafische Karte zu erstellen. "Google Tango" entwi- ckelt sich gerade zur lebensechten Analogie. Smartphones bekommen Sensoren, die ­ihnen ein 3D-Bild ihrer Umgebung erlauben – und­ damit eine ganz neue Form der Navi­ gation: in Museen, zu Hause, in der Fabrik.

PROMETHEUS – DUNKLE ZEICHEN 23 IM US-WERK IN SPARTANBURG, SOUTH CAROLINA, SETZT BMW IN DER TÜRMONTAGE KOLLABORATIVE ROBOTER EIN. SIE UNTERSTÜTZEN DEN MITARBEITER – PUNKTGENAU, SCHNELL UND BELIEBIG OFT WIEDERHOLBAR.

"SCHLANKER, SCHNELLER, STABILER" HARALD KRÜGER, Produktionsvorstand der BMW Group, über Verheißungen von Industrie 4.0, mögliche Verschiebungen in der Wertschöpfungskette und die zukünftige Interaktion zwischen Mensch und Maschine

INTERVIEW: Jochen Gleisberg, Philipp Grosse Kleimann und Thomas Reinhold FOTOS: Thomas Dashuber

Herr Krüger, manchen gilt Industrie 4.0 duktionssystems steht und dass Indust­ ergonomisch leichter gemacht werden, ein als Modewort. Wie definieren Sie bei rie 4.0 eine Unterstützung des Menschen Prozess robuster wird, mit Informationen, BMW den Begriff? Die Verbindung der di­ ist. Es wird ihn nicht ablösen. Das ist an­ die es bisher so nicht gab. Wir reden also gitalen Welt mit der realen Welt – vernetz­ ders als bei früheren Entwicklungen wie nicht über reine Automatisierung. te intelligente Produktion, vernetzte Sys­ "Computer Integrated­ Manufacturing", die Bedeutet das Evolution oder Revolution­ teme. So haben wir es bis dato definiert. in Vorstellungen einer menschenleeren Fa­ in der Produktion? Es ist für mich keine Klingt nach einer Mainstream-Defini- brik mün­deten. Ich bin davon überzeugt, Re­volution mit dem großen digitalen tion. Was ist für Sie das Besondere an dass der Mensch mit seinen Fähigkeiten Sprung, als ob nicht mehr gelten würde, die­sem Thema? Für uns bei der BMW und Kompetenzen der zentrale Erfolgsfak­ was in der Gegenwart gilt. Was sich deut­ Group ist es ganz fundamental, dass im­ tor bleiben wird. Er wird ergänzt durch In­ lich verändern wird: Wir brauchen auch mer der Mensch im Mittelpunkt des Pro­ dustrie 4.0, indem ihm bestimmte Dinge bei BMW Menschen, die ein hohes Inter­

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INDUSTRIE 4.0 FOTO: BMW GROUP INTERVIEW HARALD KRÜGER

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FOTO: THOMAS DASHUBER INDUSTRIE 4.0 INTERVIEW HARALD KRÜGER

"Für uns bei der BMW Group ist es fundamental, dass der Mensch im Mittelpunkt des Produktions- systems steht."

esse an Systemwissen haben. Wir werden Wenn Sie Innovationen in Produkten vor­ gen: In­ter­aktion zwischen Mensch und stärker systemorientiert und integriert antreiben wollen, dann müssen Sie auch Maschine. Wir hatten hier auch For­ den­­­ken, ein Gesamtsystem betrachten Innovationen in den Prozessen vorantrei­ schungspartner mit an Bord. Unser Mitar­ und nicht nur einzelne Arbeits- und Pro­ ben. Industrie 4.0 verspricht uns, innovati­ beiter wird nicht ersetzt, der Roboter hilft zessschritte.­­ ver, vielleicht schneller zu machen, bei­ aber, den Prozess noch weiter zu stabilisie­ Um bei der Tragweite zu bleiben: Halten spielsweise durch weniger Versuche mit ren und damit qualitativ noch sicherer zu Sie Industrie 4.0 für über- oder unter- Hardware. Es läuft heute schon auf mehr werden. Diese ergonomische Hilfe bedeu­ schätzt? Ich glaube, dass jedes Unter­neh­ digitale Abbildung hinaus: im Prototypen­ tet Nachhaltigkeit im Produktionssystem. men seine Potenziale darin suchen muss. bau, in der Produkt- und Prozessentwick­ Solche Elemente probieren wir auch an Industrie 4.0 ist nicht das Allheilmittel, lung. Zeit ist ein ganz wichtiger Faktor in anderen Stellen aus. Das bringt Fortschrit­ aber eine nächste Chance, Dinge vernetz­ der Wettbewerbsfähigkeit. te bei Effizienz und Qualität – ermöglicht ter anzugehen, mit mehr Zuverlässigkeit in Kürzere Time-to-Market, also die ­Vor- durch Vernetzung. Das ist die Chance von schlanken Prozessen, höherer Produktivi­ laufzeit von der Entwicklung bis zur Industrie 4.0: eine noch bessere Vernet­ tät und Qualität. Aber dies allein wird nicht ­Pla­tzierung eines Produkts am Markt, zung im Sinne des Gesamtoptimums. helfen, die Wettbewerbsfähigkeit der In­ gilt als ein wesentliches Versprechen Wie wird sich durch Industrie 4.0 das dustrie nach oben zu treiben. von Industrie 4.0. Deswegen sind wir da­ Ver­hältnis zu Zulieferern verändern? Zuletzt ist BMW für seine Produktivi­- ran interessiert. Wir haben mit kleinen Werden sich Wertschöpfungsanteile ver­ täts­fortschritte gelobt worden. Welche Pilotprojekten angefangen, zum Beispiel schieben? Als OEM werden wir uns immer Notwendigkeit gibt es überhaupt für in unserem US-Werk in Spartanburg, auf die Fahrzeugmontage, auf das Auto an Sie, sich der Welt der Industrie 4.0 zu South Carolina. Dort sind unsere kol­labo­ sich fokussieren. Es kann aber sein, dass öffnen? In der Vernetzung des gesamten rativen Roboter in der Türmontage im Ein­ wir uns noch stärker an vormontierten Mo­ Wert­stroms vom Rohmaterial bis zum End­ satz und unterstützen den Mitarbeiter – dulen orientieren, die vernetzt in digitalen produkt eines Fahrzeugs liegen noch unge­ punktgenau, schnell und beliebig oft Prozessen angeliefert werden. Das geht nutzte Chancen. Die BMW Group ist ein wiederholbar. Die Bewegungen des Men­ bis zur Montagesimulation, wenn wir etwa Unternehmen, das sich immer wieder schen und des Roboters sind optimal den einen Teil des digitalen Türeneinbaus durch Innovationen auszeichnet, zum Bei­ aufeinander abgestimmt, damit es keine erarbeiten und der Lieferant einen ande­ spiel in der Nutzung von Kohlefaser für den Kollisionen gibt. Das nenne ich intelligente ren. Das gesamte Entwicklungs- und Pro­ elektrisch angetriebenen i3 oder den i8. Vernetzung, das ist Produktion von mor­ duktionssystem lässt sich simulieren,

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INDUSTRIE 4.0 FOTO: THOMAS DASHUBER aus auch über internationale Standorte hin­ 11 4 weg. Wir können es gemeinsam mit den Lieferanten schlanker, schneller und stabi­ ler machen. Das Zusammenspiel wird sich DIE GRÖSSTEN PRODUKTIONS- nochmals optimieren. Ich glaube aber nicht, dass sich dadurch unmittelbar Wert­ STÄTTEN DER BMW GROUP schöpfungsschritte verändern. Global Footprint: Die elf größten BMW-Standorte aus vier Kontinenten sind in Lässt nicht die zunehmende Vernetzung den USA, Deutschland, Großbritannien, Österreich, Südafrika und China beheimatet die Bedeutung der Zulieferer eher wach­ (Fahrzeugfertigung in Tausend pro Jahr). In Oxford schlägt das Herz des "Mini". sen? Wir haben schon heute den über­ wiegenden Teil der Wertschöpfung in der Hand der Zulieferer. Automobilproduktion – gerade im Premiumsegment – funktio­ niert nur in einem sauberen Zusammen­ spiel von Zulieferern und Her­stellern. Es 342,6 gibt natürlich alle Ketten und Arten von Dingolfing Zulieferern. Es gibt Lieferanten, die ein ganzes System beisteuern, inklusive Ent­ 297,3 295,5 Spartanburg wicklung. Die entwickeln eine Türverklei­ Regensburg dung und erproben sie auch. Genauso gibt es Komponentenhersteller oder Teile­ 247,3 lieferanten. Wir werden in der vernetzten München Produktion noch stärker mit den Sys­ temlieferanten zusammenarbeiten, weil 186,7 die frühe Phase der Produktentwicklung 176,0 Oxford Leipzig wichtig ist. Wir wollen die Integration so früh wie möglich, um Schnittstellen abzu­ stimmen, um frühzeitig Teile gemeinsam für eine schlanke und schnelle Fertigung 125,6 126,9 zu optimieren. So wird die Vernetzung stei­ Graz Dadong gen. Industrie 4.0 wird aber nicht grund­ sätzlich die Bedeutung der Zulieferer än­ 88,0 dern. Sie ist heute schon hoch. 65,6 Tiexi Rosslyn An welchen konkreten Projekten for- 3,0 schen Sie und mit welcher Zielsetzung? Goodwood Es sind Projekte in der Softwarevernet­ zung. Bei der BMW Group arbeiten wir mit USA GB D A RSA CN Projektteams, ohne große Organisation. Wir verfolgen mit Industrie 4.0 drei Ziele: erstens Projekte in der Forschung und Vorentwicklung. Die kollaborativen Robo­ ter in Spartanburg stammen ursprünglich aus der Vorentwicklung der Produktion. Uns geht es um den neuen Leichtbau, um eine andere Art von Auto­matisierung, neue Materialverbindungen, einfacheres Klip­ sen, simplere Ferti­gungs­konzepte für kür­ zere Produktionszeiten. Zweitens entwi­ ckeln wir Ideen im Tagesgeschäft der Serie weiter. Wir prüfen gerade für künfti­ Quelle: BMW Group

THINK ACT // COO INSIGHTS 27 INDUSTRIE 4.0 INTERVIEW HARALD KRÜGER ge Baureihen und Produkte, wie wir diese produzieren, dann bedeutet jede Sekunde auf den Markt bringen, schnell Produkti­ Elemente einsetzen können: intelligente Stillstand einen Verlust. Das Zweite ist: onskapazitäten erweitern, wenn der Markt Vernetzung, um unser Potenzial bei Qua­ Alles lässt sich viel schneller umsetzen dies fordert. Weniger Aufwand durch digi­ lität, Kosten und Einmalaufwand zu nut­ und integrieren. Wir brauchen weniger gro­ tale Vernetzung und Verbesserungen an zen. Drittens arbeiten wir mit Elemen­ten ße Aufbauten, keinen Käfig für die Sicher­ den Schnittstellen von Lieferant, System­ von Industrie 4.0, wenn es um die Pla­ heit. Unsere neuen Roboter sind klein und lieferant und OEM bedeuten Zeitgewinn – nung von neuen Produktprojekten oder flexibel. Integrations- und Wechselzeiten ein echter Wettbewerbsvorteil. Denn es neuen Produktionsstrukturen geht. sind kürzer, damit kann auch der Einsatz in kann heißen, dass Sie eine Innovation Das müssen Sie uns bitte genauer erklä­ einer neuen Produktion schneller erfolgen. schneller auf den Markt bringen als ande­ ren! Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir bau­ Es gibt schon einige Aspekte, die mich an re: Effizienzgewinn an Zeit. Und das dritte en gerade unser internationales Produkti­ dieser Technologie begeistern. Argument hat zu tun mit Qualität und Zu­ onsnetzwerk aus, etwa ein neues Werk in Wie taxieren Sie das Gesamtpotenzial verlässigkeit. Brasilien und eines in Mexiko. Das Werk in von Industrie 4.0? Ich rechne nicht mit Kundenindividuelle Massenfertigung, Spartanburg wird ebenfalls deutlich erwei­ einem digitalen Sprung von 20 bis 30% noch eine Verheißung von Industrie 4.0, tert. Es entstehen neue Produktionsstruk­ mehr Produktivität. Aber ich freue mich dürfte nichts sein, was Sie erst lernen turen, in denen wir online die Simulation über tägliche, kleine Produktivitätsfort­ müssen. Von jedem Auto gibt es theore- von Durchlaufzeiten und Prozessen auf ein schritte. Nur 5% wären schon viel, wenn tisch mehr Varianten, als BMW je ver- höheres Niveau bringen. Wir überführen kauft. Ja, die Variantenanzahl ist schon den Anteil einer klassischen technischen sehr hoch. Unsere Flexibilität wird durch Planung früher und intensiver in eine digi­ Industrie 4.0 aber nochmals gefördert. tale, vernetzte Planung mit den Lieferan­ "Drei gute Den 3er zum Beispiel bauen wir in Südafri­ ten. Wenn wir etwa eine Lackiererei bauen, Argumente für ka, in China, in München, in Regensburg. dann beauftragen wir einen großen Anla­ Und wenn ich an vier Standorten relativ genhersteller, der uns ein ganzes Gewerk Industrie 4.0: schnell eine neue Technologie integrieren liefert. Für BMW als Produzent ist wichtig, kann, und zwar global vernetzt und zuver­ wie die Durchlaufzeiten sind, welche Ab­ demografischer lässig, dann birgt das ein erhebliches Po­ kühlzeiten wir haben, welche Stabilität in Wandel, tenzial. Die Simulation betrifft nicht nur die der Perlenkette der Produktion. Ein weite­ Produktion, auch die Logistik, alle Waren­ res Beispiel sind die Montageprozesse. Zeitgewinn, ströme und Lieferkonzepte. Dann können Die Vorteile des kollaborierenden Roboters Sie relativ schnell sehen, ob eine zusätzli­ werden wir nutzen, um die Produktivität Qualität" che Variante in einer Türverkleidung auch unserer Fahrzeugmontage auch an ande­ neue logistische Prozesse nötig macht ren Standorten zu steigern. oder ein größeres Lager. Jetzt sind wir wie­ Zahlt es sich aus? Wenn man Spartan­ der beim systemorientierten Denken. Das burg als Beispiel nimmt: ja, definitiv! Die wird durch Industrie 4.0 viel stärker abge­ Mitarbeiter in der Fertigung sind begeis­ Sie das auf zwei Millionen Fahrzeuge im fragt. Es erfordert umfassend kompetente tert. Wir evaluieren­ jetzt die Potenziale, Jahr umlegen. Wir bauen ungefähr 8.000 Mitarbeiter, die Spaß an der Vernetzung wir lernen. Industrie 4.0 ist ja eine perma­ Autos täglich. Unsere Verantwortung ist von Technologie und IT haben. nente Weiterentwicklung. Wir stehen erst tagtägliche Effizienz. IT ist ein wichtiges Stichwort: Beherrscht am Anfang, aber die ersten Signale sind Wo sehen Sie als Produktionsvorstand sie in der Industrie 4.0 mehr und mehr eindeutig positiv. weitere positive Aspekte bei der Einfüh- die Produktion? Sie erhöht die Bedeu­ Ihre Mitarbeiter sind sicher begeistert, rung von Industrie 4.0? Es gibt drei gute tung von IT, aber nicht grundsätzlich, wenn ein Roboter ihnen die Tür hebt. Ist Argumente für Industrie 4.0. Da ist erstens nein. Wir haben heute schon viele Mitar­ denn der Betriebswirt in Ihnen auch be- der demografische Wandel in Deutsch­ beiter, die an der Schnittstelle zwischen geistert? Ja, Effizienz und Produktivität land. Bei BMW nimmt die Anzahl der Mit­ IT und klassischer Produktionsplanung sind immer wichtig für mich. Der erste arbeiter, die über 50 sind, stetig zu. Eine arbeiten. Das betrachtet die BMW Group Punkt ist die hohe Zuverlässigkeit dieser optimale ergonomische Entlastung bedeu­ seit jeher als Kernkompetenz. Robotertechnologie. Denn Störung in der tet einen Effizienzgewinn durch eine ge­ Kauft BMW gegebenenfalls IT-Spezia- Produktion begeistert mich gar nicht. sundere Belegschaft. Zweitens: Geschwin­ listen auf? Unser IT-Know-how werden Wenn Sie alle 60 Sekunden ein Fahrzeug digkeit. Heute wollen wir schnell Produkte wir immer mit erster Priorität intern entwi­

28 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 Daumen hoch für "4.0": Harald Krüger sieht "eindeutig positive Signale".

ckeln und die geeigneten Absolventen nicht so selten, dass Kollegen bei BMW Sind Strukturen zum Beispiel in Süd­ und Forscher an den Universitäten rekru­ auf solche Art die Perspektive wechseln. afrika so anders als in Regensburg? Ja, tieren. Der Anteil der Mitarbeiter mit Soft­ Ein Ressort oder eine Funktion alleine in Südafrika sind ja die Stückzahlen der ware-Know-how steigt tendenziell. Das kann das Potenzial nicht heben. Deswegen lokalen Lieferanten in der Regel geringer liegt an der stärkeren Elektrifizierung der ist es so wichtig, dass die Menschen mit­ als in der europäischen Industrie, wo uns Autos. Außerdem führt die Internationali­ einander gut arbeiten. Es sind Menschen, mehrere große OEMs beliefern. Das be­ sierung zu viel mehr Vernetzung. Wenn die Vernetzung vorantreiben – und ohne deutet oft Prozesse, die deutlich weniger Sie einen Fahrzeugtyp an mehreren Stand­ diese Neugierde auf etwas Neues wäre automatisiert sind. Hier kommen be­ orten bauen, dann muss das global abge­ zum Beispiel auch die CFK-Karosserie, triebswirtschaftliche Überlegungen ins deckt sein, zum Beispiel in der Logistik also die aus kohlenstofffaserverstärktem Spiel: In Südafrika haben wir im vergan­ bei den Stücklistensystemen. Die Produk­ Kunststoff, nicht entstanden. genen Jahr über 60.000 Autos gefertigt. tionsplanung ist schließlich auch deutlich Das Anforderungsprofil Ihrer Mann- Nun kann es sein, dass sich eine Techno­ globaler geworden. schaft verändert sich. Was ändert sich logie zwar für 300.000 Einheiten rechnet, Wer treibt das Thema bei BMW voran? für Sie persönlich? Wie gehen Sie mit aber nicht für diese Stückzahl. Das sind Der Finanzvorstand, der hofft, Kosten zu neuen Aufgaben um? Eine Anforderung die gleichen Rechnungen wie früher bei drücken? Der IT-Vorstand, der seine Be- an mich ist, dass ich mich mit dem Thema der Automatisierung, wo wir überlegt ha­ deutung wachsen sieht? Oder Sie als intensiver beschäftige, um die Potenziale ben, wie sich Roboter relativ zu Volumen Produktionsvorstand? Ich glaube, das von Industrie 4.0 besser zu verstehen, und Arbeitskosten rechnen. wird jeder von uns in seinem Ressort trei­ denn ich muss sie in neuen Produkt- oder Was ist ihre Vision einer digitalisierten ben und auch wir gemeinsam als Unter­ Strukturprojekten realisieren oder als Ziel­ Produktion? Wir haben noch den kolla- nehmen. Ein Beispiel: Der Leiter der tech­ vorgaben mitgeben. Dabei muss ich Chan­ borativen Roboter aus Spartanburg im nischen Montageplanung bei der BMW cen und Risiken abwägen. Ich frage mich Kopf, letztlich vor allem eine ergono­ Group war vorher in der Produktion zustän­ außerdem, wo wir vielleicht eine andere mische Hilfe … als ein Anwendungsbei­ dig für die IT. Er war derjenige, der Infra­ Zusammenarbeit mit Universitäten oder spiel. Weil wir noch am Anfang stehen. struktur und insbesondere Anwendungs­ Lieferanten eingehen und was dies für das Ok, verstanden. Aber reden wir auch software zur Verfügung gestellt hat. Jetzt Geschäftsmodell von BMW bedeutet. über reine Maschine-zu-Maschine-­Kom­ ist er derjenige, der die technische Planung Schließlich beschäftigt mich täglich die munikation, wo der Mensch nicht mehr für die Montage verantwortet. Das hilft Inter­nationalisierung des BMW Group-­ gefragt ist, außer um mit seinem Tablet ihm, seine Ziele zu erreichen, die ich ihm Netzwerks. Es wird mir nichts nutzen, eine zu überwachen, was da passiert? Wir für Herstellkosten, proportionale Ferti­ perfekte Musterfabrik in Deutschland zu könnten auch über die Kommunikation gungskosten, Einmalaufwand oder Investi­ haben, wenn wir Alternativen an anderen Fahrzeug-zu-Maschine sprechen. Wir ha­ tion setze. Er kennt zwei Blickwinkel. Es ist Standorten unberücksichtigt lassen. ben bei der BMW Group sehr viel Aus­

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FOTO: THOMAS DASHUBER INDUSTRIE 4.0 INTERVIEW HARALD KRÜGER

tausch zwischen dem Fahrzeug, das durch noch zu früh, um ganz genau zu sagen, Wen sehen Sie im Vorteil beim internatio­ die Produktion läuft, und den Maschinen. ­wohin sich das bei BMW entwickelt. Das nalen Wettrennen um die vernetzte Pro­ All die Qualitäts-, Prozess- und Umge­ hängt von so vielen Faktoren ab. Wie ent­ duktion: Europa oder die USA? In beiden bungsdaten, die dort generiert und ge­ wickelt sich die Technologie? Zu welchen Märkten gibt es Chancen. Die USA haben winnbringend genutzt werden. Unser Fahr­ Preisen? Welche Prozesse können Sie im Bereich der Anwendungs-IT viele innova­ zeug weiß, was es für eines werden soll, ­abbilden, welche nicht? Denken Sie nur an tive Entwicklungen. In Europa, nicht nur in welche Farbe, welche Sonderausstattung. die Haptik und Optik im Auto, wie wirkt sei­ Deutschland, haben wir einen beispiellosen Es kann sein, dass Sie später als bisher in ne Wertigkeit? Wie dem auch sei: Indu­s­trie Mittelstand, viele innovative kleinere Fir­ der Produktion noch Varianten erzeugen 4.0 wird in der Fertigung eines kom­plexen men. Wir kennen Lieferanten und Universi­ können. Wir müssen einfach offen sein. Fahrzeugs nicht dazu führen, dass wir mit täten, die sich mit Produktionslogistik oder Und wie geht's dann Ihrer Einschätzung dem Tablet am Rande nur noch au­to­ma­ Produktionssoftware intensiv beschäftigen. nach weiter mit der Industrie 4.0? Es ist tische Vorgänge kontrollieren. Vernetzung ist heute in Europa noch stärker

DIE LOGIK DES FABRIKEN WELTWEITES NETZWERK BMW-ERFOLGS DER WERTSCHÖPFUNG ZAHL DER PRODUKTIONS­STANDORTE GLOBALE FERTIGUNG, DEUTSCHLAND REST DER WELT 2013 MEHR MODELLE, 19 BREITERER ABSATZ 8 2004 Rolls- 15 Royce 7 4 BMW 23

Mini 7 2013 34

Rolls- Royce MODELLE Mini 1 2 DIE NEUE VIELFALT IM PRODUKTSORTIMENT 2004 17

BMW 14

ABSATZ PREMIUM FÜR ALLE Volles Programm: Modelle wie i3, MEHR KÄUFER Mini Countryman und BMW X6 IN SCHWEL­LEN­ sprechen neue Käuferschichten an. MÄRK­TEN 2013 1,97 Mio.

Quelle: 2004 BMW Group 1,21 Mio.

30 FOTOS: BMW GROUP INTERVIEW HARALD KRÜGER

zen. Es geht im Wettbewerb der Standorte auch um Geschwindigkeit. Das klingt alles sehr harmonisch. Wo bleibt denn da der Wettbewerb? BMW muss sich doch auch behaupten und nicht nur vernetzen! Den Wettbewerb ha­ ben Sie immer, jeden Tag aufs Neue. Wenn wir eine Chance sehen, in der Industrie 4.0 einen spezifischen Wettbewerbsvorteil zu gewinnen, dann werden wir diese Chance auch nutzen. Es gibt aber eine zweite Ebe­ ne, die in der Vernetzung liegt. Wenn Sie die Chance im Standard sehen, dann Im Gespräch mit BMW-Vorstand Harald Krüger: brauchen Sie einen Konsens. Deshalb wird Roland Berger Partner Jochen Gleisberg (l.) und Philipp Grosse Kleimann es beide Dimensionen geben. Wo stehen Sie im Moment im Vergleich zu anderen Unternehmen? Ich glaube, ausgeprägt. Ich meine die von Forschung, in Deutschland viele gute Fachkräfte. Aber dass wir als BMW Group nicht so schlecht Vorentwicklung, Produktion und Industrie – wir sind in der Forschung global aufge­ unterwegs sind, aber die Transparenz des nicht um Dienst­leis­tungen zu entwickeln, stellt. Wir haben seit mehr als zehn Jahren­ Marktes entsteht ja erst. Gegenwärtig hat sondern reale Industrieprodukte. Ich schlie­ ein Technology Office für Entwicklung und das Thema Industrie 4.0 in den Unterneh­ ße aber nicht aus, dass sich das in den USA Produktion in Kalifornien. Wir ha­ben auch men eine ganz unterschiedliche Relevanz, ähnlich gut entwickeln könnte. eines in Japan. Von dort und anderen Stel­ von "ganz wichtig" bis zu "für uns ändert Welche Rolle spielen solche Erwägungen len im weltweiten Netzwerk kriegen wir sich gar nichts". für BMW als ein globales Unternehmen, Impulse, auch für Trendscouting oder für Siemens sieht sich selber bei Industrie das nur historisch seinen Sitz in Mün- Produktionsumfänge. Innovation findet 3.8. Was gilt für Sie? Wir geben dem kei­ chen hat? Uns treibt die Strategie einer heute nicht nur an einem Standort statt. ne Namen. Das würde auch dem Gedan­ global ausgewogenen Absatzverteilung. Wo sehen Sie Ihre internationalen Wett­ ken einer permanenten Verbesserung Produktion folgt dem Markt. Wir müssen bewerber bei Industrie 4.0.? Ich glaube, widersprechen. Für uns ist es ein wichti­ also in allen Märkten eine erfolgreiche Pro­ dass hier Europa führend ist. Das sagt mir ges Thema, mit dem wir uns intensiv be­ duktion haben. Dazu gehören Mitarbeiter, meine Einschätzung von Deutschland und schäftigen. Wir stehen erst am Anfang die die richtigen Kompetenzen besitzen, den europäischen Netzen. Dabei sollten einer vielversprechenden Entwicklung. und Partner und Lieferanten, die im Netz­ wir nicht nur auf die OEMs schauen, son­ Aber das ist auch das Spannende. werk mit uns agieren. Vor 20 Jahren, als wir dern auch auf das ausgeprägte europäi­ Spartanburg auf- und ausgebaut haben, sche Lieferantennetzwerk. sind uns viele Lieferanten gefolgt, um ihre Stichwort industrielle Kompetenz. Kann erste Dependance in Amerika zu eröffnen. es insbesondere Deutschland gelingen, HARALD KRÜGER 1965 in Freiburg geboren, Studium in Braun­ Die Internationalisierung der Märkte führt durch intelligente Technologien einen schweig und Aachen, Abschluss 1991 zu einer Internationalisierung der Lieferan­ größeren Anteil an der Wertschöpfung an der RWTH als Dipl.-Ing. Maschinenbau. tenstruktur. Wir bemühen uns in den USA zu erhalten? Ich glaube, dass Deutsch­ 1992 Eintritt in die BMW AG als Trainee Techni­ sche Planung/Produktion. 1993 Projektingenieur genauso wie in Deutschland oder China land eine Chance hat, eine führende Rolle im Werksaufbau Spartanburg (USA), seit 1997 um ein Optimum an Qualität, Effizienz und mit Industrie 4.0 zu spielen. Die Argumen­ verschiedene Leitungsfunktionen in München Geschwindigkeit. Den kollaborativen Ro­ te haben wir genannt. Es gibt außerdem und Großbritannien. Am 1. Dezember 2008 zum Vorstandsmitglied boter – als Beispiel – haben wir in Spartan­ eine starke Anlagenindustrie. Deutschland avanciert, zunächst zuständig für "Personal- und burg als Erstes eingesetzt. Zuvor hatten wir beschäftigt sich intensiv mit dem Thema. Sozialwesen", dann für die Marken MINI, BMW Motorrad, Rolls-Royce sowie Aftersales. Seit ihn in Deutschland in der Forschung und Die BMW Group hat sich unter anderem 1. April 2013 im Vorstand verantwortlich für die Vorentwicklung. So wird sich das auch im auch über acatech an den Umsetzungsem­ Produktion der BMW Group. Netzwerk entwickeln. pfehlungen Industrie 4.0 für die Bundesre­ Wer bei BMW in relativ jungen Jahren das Produk- tionsressort führt, galt bisher als Kandidat für Steht die Wiege solcher Themen heute gierung beteiligt. Wir dürfen aber auch höhere Aufgaben. Es war auch Norbert Reithofers noch in der Zentrale? Natürlich haben wir nicht globale Entwicklungen unterschät­ letztes Ressort, bevor er 2006 Konzernchef wurde.

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FOTO: THOMAS DASHUBER INDUSTRIE 4.0 KENNZAHLEN

Die vierte industrielle Revolution beginnt, ihr Potenzial zu entfalten. Was ist für Unternehmen und Volkswirtschaften drin und wer wird zu den Gewinnern zählen?

| WACHSTUMSMOTOR | | WETTLAUF DER REGIONEN | Industrie 4.0 überflügelt Startnachteil für Europa Weltwirtschaft Anteile am weltweiten ITK-Markt 1 (2013) 2 USA 27,1% EU 21,3% BRIC 18,7%

| DIGITALES UNIVERSUM | 62% des weltweiten GLOBALES BIP: GLOBALE INDUSTRIE 4.0: 82 Billionen USD 13,1 Billionen USD Datenaufkommens werden Jährliches Wachstum Jährliches Wachstum im Jahr 2020 aus bis 2020: 2,5% bis 2020: knapp 6% China und Indien stammen. 3

32 THINK ACT // COO INSIGHTS INSDUSTRIE 4.0 54%

| PRODUKTIVITÄTSSTEIGERUNG | | MARKTANALYSE | 78 Mrd. EUR an zusätzlicher Bruttowertschöpfung (oder 23% mehr Produktivität) 31% sind in sechs deutschen Branchen bis 26% 2025 möglich. Vor allem Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik und Chemie, aber auch ITK, Auto- industrie und Landwirtschaft sollen 17% von Industrie 4.0 profitieren. 15% 4

| RESSOURCENSCHONUNG| 30 MRD. USD LASSEN SICH IN DEN KOMMENDEN 4% 15 JAHREN SPAREN, WENN ES GELINGT, DURCH EINSATZ VON INTENSIV SPORADISCH GAR NICHT - - INDUSTRIE 4.0 TECHNOLOGIEN Maschinenbauer Anlagenbetreiber DEN VERBRAUCH VON FLUGBENZIN UM 1% ZU SENKEN. Noch überwiegt das Angebot 5 Umfrage: "Wie intensiv setzen Sie sich mit Industrie 4.0 auseinander?" | CEO AGENDA | 7 Im Topmanagement angekommen Umfrage: "Wer beschäftigt sich in | GOVERNANCE | Ihrem Unternehmen mit Industrie 4.0?" 41% 6 Produktion DER UNTERNEHMEN HABEN Geschäfts- NOCH KEINEN GESAMT­ 52% führung VERANTWORTLICHEN­ FÜR IT DAS THEMA INDUSTRIE 4.0 45% BENANNT. 6

34% QUELLEN 1 Wikibon; Roland Berger 2 Bitkom/EITO ICT Market Report 2014/15 3 IDC Study "Digital Universe", 2012 4 Bitkom/Fraunhofer IAO, "Industrie 4.0 – Volkswirtschaftliches Potenzial für Deutschland", 2014 5 GE Report "Industrial Internet", 2012 6 Experton, Anwenderstudie "Industrie 4.0" unter dt. ITK-Entscheidungsträgern, 2014 7 IDC, "Industrie 4.0 in Deutschland", Befragung dt. Manufacturing-Unternehmen >100 MA, 2014 33 Ctrl. Additive Manufacturing, besser bekannt als 3D-DRUCK, beflügelt die Fantasie wie kein anderes Fertigungsverfahren. Die interessantesten Geschäfts­modelle ent­stehen nicht in der Massen­produk- P tion, sondern in dynamischen Nischen.

2013 war der Hype groß, in den Medien signifikante Vorteile für Klein(st)serien und begünstigt. Gleichzeitig sind die Kosten und an den Börsen in New York oder erschließt neue Geschäftsmodelle. nicht von der geometrischen Komplexität Frank­furt. Seitdem sind die Erwartungen Sie leiten sich aus drei disruptiven abhängig, sondern werden nur durch das an die Hersteller von 3D-Druckern verhal- Pfaden ab, die Einfluss auf Fertigungsin- Bauteilgewicht bestimmt. Beinahe unbe- ten seriös geworden, Aktienkurse bewe- dustrie und B2B- bzw. B2C-Geschäftsmo­ grenzte digitale Gestaltungsmöglichkeiten gen sich bestenfalls seitwärts. Zwar spre- delle haben werden: schnelle und kosten­ erlauben neue Geometrien in hochfesten chen Prognosen davon, dass sich der günstige Fertigung individueller Produkte; Werkstoffen, die mit konventionellen Ver- Markt innerhalb der kommenden zehn dazu neue Geometrien, Werkstoffe und fahren bisher nicht zu fertigen sind. So Jahre vervierfacht – auf 8 Milliarden Euro Verfahren; schließlich eine Dezentralisie- werden neue Bauteilfunktionen realisiert, Umsatz mit Anlagen, Materialien und der rung der Produktion. die die Lebenszykluskosten weiter reduzie- Herstellung von Bauteilen. Das bedeutet ren. Neue Reparaturstrategien für wertvol- rasantes Wachs­tum auf schmalem Grund: DIGITALE GESTALTUNG le Bauteile sparen Zeit und Geld. Zudem 3D-­Druckmaschinen repräsentieren we- (FAST) OHNE GRENZEN steigt die Ressourceneffizienz: Bei der Pro- niger als 1,5% des Werkzeugmaschinen- duktion wird nur genauso viel Rohmaterial markts. Doch selbst wenn die optimisti- Gegenüber konventionellen Verfahren verbraucht, wie es dem Endgewicht des schen Vorhersagen eintreffen, werden die bietet Additive Manufacturing eine Reihe Bauteils entspricht. Maschinen mittel- bis langfristig keine von Vorteilen: Die direkte Umsetzung der Dennoch haben wir es bei der additi- bestehenden Fertigungstechnologien CAD-Daten in ein Bauteil führt zu extrem ven Fertigung nicht nur mit Vorteilen zu nachhaltig ersetzen. kurzen Prozessketten. Die Dezentralisie- tun. Wenn die Kosten unabhängig von der Es ist nicht der Massenmarkt für Me- rung der Produktion ist mit re­lativ gerin- Losgröße sind, bedeutet das Fluch und tall- oder Kunststoffteile, der vielverspre- gerem Investitionsaufwand möglich. Segen zugleich. chend ist. 3D-Druck – Fertigungstechniker Die Bauteilkosten sind unabhängig Würden Bauteile, die heute in mittle- sprechen von generativer oder additiver von der Losgröße, was die Fertigung hoch­ ren und großen Serien gefertigt werden, Fertigung (Additive Manufacturing) – bietet spezialisierter Kleinserien und Prototypen eins zu eins im 3D-Druck hergestellt, lägen

34 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 3D-DRUCK

die Kosten um den Faktor 10 bis 50 höher. Selbst wenn diese Kosten bald deutlich fallen werden, lässt sich der Nachteil nicht ausgleichen. Der Grund: Beim 3D-Druck treten keine Skaleneffekte auf. Das erste und das einhunderttausendste Bauteil kos­ten dasselbe. Für die Kleinserie oder den Prototy- penbau sind die Hebelverhältnisse an- ders: Das Verfahren kann über Nacht be- lastbare Prototypen bereitstellen, ohne Anwendungsfall Medizintechnik: dass komplexe Werkzeuge beschafft wer- Das Modell zeigt, wie exakt das den müssen. Die Folge sind um Monate 3D-Implantat auf das Loch im kürzere Entwicklungs- und Testzyklen in Schädel passt - ein Musterbeispiel kom­plexen industriellen Entwicklungs­ für hochgradige Individualisierung. programmen. Für hochgradig individu­ alisierte Produkte wie Zahnkronen, medi­ zini­sche Im­plantate oder auch Design­er­ schmuck ist das Verfahren bereits etabliert und wettbewerbsfähig. Wo keine Werkzeuge nötig sind, wird industrielle Fertigung "on demand" mög- lich, bei Bedarf auch ausgelagert an Part- ner. Die 3D-Drucker für metallische Bau­

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FOTO: FRED SMITH ASSOCIATES INDUSTRIE 4.0 3D-DRUCK teile kosten zwischen 400 und 1,5 Milli­o­ verschlissene Gasturbinenbrenner ab und fiziente Turbinen mit neuen Strömungsei- nen Euro – je nach Anspruch an Qualität, baut sie additiv wieder auf. Flugzeuge oder genschaften und optimierter Verbren- Bauraum und Leistung ("Build Rate"). Pro- Sport- und Rennfahrzeuge profitieren von nung. Erste Serien werden 2015 erwartet. fessionelle Systeme für Kunststoff starten geringerem Treibstoffverbrauch durch ge- Auch die Entwicklungsabteilungen bei einigen zehntausend Euro und gehen ringeres Gewicht oder eine effizientere Ver- wer­­den ihren Arbeitsstil der neuen Tech- bis hoch in den sechsstelligen Bereich. Die brennung. Und General Electric hat Ein- nologie anpassen müssen. Entwicklungs- Qualität dieser professionellen Systeme ist spritzdüsen für den Einsatz im Flugzeug zeitpläne schrumpfen von Monaten auf dem "Home-Printer" für einige hundert weiterentwickelt. Tage. Kreative Ideen können in kurzen Zy- Euro deutlich überlegen. Im B2B-Bereich klen umgesetzt werden. Software als un- ist eine hochspezialisierte Infrastruktur an KURZE ZYKLEN FÜR terstützendes Werkzeug in Entwicklung Dienstleistern entstanden, die sowohl die KREATIVE IDEEN und Fertigung sowie als Teil des Produkts Bauteiloptimierung vornimmt als auch die gewinnt noch mehr an Bedeutung. Füh- eigentliche Fertigung. Internetplattformen Kunden rechnen Fertigungskosten gegen rende deutsche Fertigungsunternehmen wie Shapeways oder Materialise bedienen den wesentlich größeren Hebel der Treib- schauen sich daher an, wie Software- auch den B2C-­Bereich. stoffersparnis im Produktlebenszyklus. giganten ihr Vorgehen bei der Entwicklung Der Einsatz von Additive Manufactu- Es ist nicht verwunderlich, dass alle gro- kreativ und agil steuern und Komplexität ring wird insbesondere dann wirtschaftlich ßen Luftfahrtkonzerne an Komponenten der Prozesse verringern: empirisch, in- interessant, wenn sich Produktkosten über aus dem 3D-Druck arbeiten, darunter ef- krementell, iterativ ("Scrum"). den gesamten Lebenszyklus hinweg sen- Neue Entwicklungen sind denkbar: ken lassen. Das können geringere Repara- komplexe Großstrukturen (Flugzeugflügel), turkosten sein. Siemens zum Beispiel fräst Materialkombinationen (Metall/Kunst- stoff) oder die Kombination von Additive Manufacturing mit spanenden Maschinen (Drehen, Fräsen, Bohren). In der Produkti- on bedeutet dies den nächsten Schritt LEICHTER, 2 der digitalen Transformation. Doch als in- dustrialisierte Nischentechnologie wird SCHNELLER, Additive Manufacturing traditionelle Ver- GÜNSTIGER fahren nicht verdrängen.

Beim Additive Manufacturing werden dreidimensio- nale Bauteile schichtweise (additiv) aufgebaut, oft heißt es: "gedruckt". Plastik, Keramik, Glas, Sand oder Metalle werden auf Basis der 3D-Daten des Bauteils verarbeitet, die der Entwickler in einer CAD-­ Umgebung erzeugt. Prozesse zwischen Entwurf und Fertigung werden flexibler, effizienter, günstiger – ein 1 Paradebeispiel für die digitale Transformation in der Industrie 4.0. Airbus zum Beispiel verbaut im A350 XWB bionische­ Klammern ("Cabin Brackets") aus Titanpulver 1 : 3 30% leichter als ihre Vorläufer, mit 90% weniger Ab­fall an Rohmaterial. So sinken Herstellungs- und Betriebskosten. General Electric "druckt" Einspritzdüsen aus Ko­ balt-­Chrom für Flugzeugturbinen 2 . Auch im Rennsport zählt jedes Gramm: Das teil­ weise hohle Achsschenkelgelenk von EOS 3 aus Aluminiumpulver ist um 35% leichter und 20% ver- windungssteifer.

36 THINK ACT // COO INSIGHTS

INDUSTRIE 4.0 FOTOS: AIRBUS GROUP; RENNTEAM UNI STUTTGART; GENERAL ELECTRIC AUFBRUCH OST

VOR DEM KRAFTAKT China will zu einem globalen Hightech-Lieferanten aufsteigen. Dafür treiben Regierung und Unternehmen die Umsetzung von Industrie-4.0-Konzepten voran. Ein ehrgeiziger Plan. Das Land muss noch entscheidende Hürden meistern.

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FOTO: ISTOCKPHOTO BY GETTY IMAGES INDUSTRIE 4.0 AUFBRUCH OST

ie Hannover Messe 2011 setzte der eigens einen Plan für intelligente Pro- Nut­zung digitaler Technologie) und Indus- ein ­Aufbruchsignal. Mit großem duktion beinhaltete. Der Begriff Industrie trie 3.0 (Fertigung mit digitalen Basis­ Interesse nahmen chinesische 4.0 taucht darin zwar nicht explizit auf und tech­no­logien). Deutlich wird der Kompe- Unternehmen, Regierungsvertre- zur ursprünglichen Definition von intelli- tenzrückstand auch an der mangelnden Dter und Industrieverbände neue Ansätze genter Produktion gehörte auch nicht die internen Informationstransparenz oder intelligenter Produktion in Augenschein: Kombination von Produktion und ­Internet. der unvollständigen Konzeption von Infor- von führenden deutschen Unternehmen Doch die entwickelten Konzepte und Maß- mationssystemen. Substanzielle Refor- entwickelte Prototypen der Industrie 4.0. nahmen zur intelligenten Produktion stim- men des Geschäftsprozessmanagements Aus der Neugier wurde schnell eine men inzwischen weitgehend mit Ansätzen sind immer noch lückenhaft. Dazu ge­ ­Vision. Chinesische Branchenexperten der Industrie 4.0 überein. hören die fehlende Übereinstimmung zwi- ­berichten, dass Industrie 4.0 seitdem als Nach dem Regierungsplan 2012 soll schen Standards und tatsächlichen Pro- Chance begriffen wird, die heimische der Industrieumsatz Chinas mit durch- zessen sowie die starke Abhängigkeit ­Industrie in der Breite auf ein neues techni- schnittlichen jährlichen Wachstumsraten einiger industrieller Abläufe von indivi­ sches Niveau zu heben – hin zu digitalen, von mehr als 25% steigen – was bedeutet, duellen Ver­haltensweisen. Selbst in Un­ intelligenten, internetbasierten Geschäfts- dass 2015 erstmals die Umsatz­grenze terneh­men, die den Übergang zu Infor­ modellen und Produktionsverfahren. 1 Billion Yuan erreicht werden soll. Für das mations­technologien mit umfassender Jahr 2020 wird dann ein Volumen von über Ver­netzung vollständig abgeschlossen DER MENSCH TRITT IN 3 Billionen Yuan erwartet. Der Bereich der haben, ist das Datenmanagement noch DEN HINTERGRUND intelligenten Produktion soll dabei einer wenig befriedigend. Etliche chinesische der Wachstumstreiber sein. Unternehmen versäumen es bisher, bei- Dafür muss das Land allerdings einen Bei realistischer Analyse des chine­si­ spielsweise Data Mining als Hebel für ­großen technischen Sprung nach vorne schen Industriestandorts zeigt sich gleich­ eine intelligente Produktion einzusetzen. machen. Für die heimischen Experten wohl, dass Anspruch und Wirklichkeit noch übersetzt sich die Zeitenwende so: Die auseinanderliegen. Aus makroökonomi- EINE 4.0-BASIS Produktion werde sich vom bewährten scher Perspektive sticht hervor, dass die IN DREI SCHRITTEN Modell "Der Mensch analysiert und ent- verarbeitende Industrie trotz aller politi- scheidet – die Maschine fertigt" zum Orga- schen und unternehmerischen An­stren­ Um in den Unternehmen rasch eine solide nisationsprinzip "Die Maschine analysiert, gun­gen der vergangenen Jahre beim Auf- Basis für den Ausbau in Richtung Indus­trie entscheidet – und fertigt" verschieben. bau und der Umsetzung techno­logi­schen 4.0 zu schaffen, empfiehlt Roland Berger Der Mensch, so das chinesische Kal- Know-hows den Wettbewerbern in den Strategy Consultants eine Roadmap mit kül, tritt bei der intelligenten Pro­duk­tion westlichen Industriestaaten deutlich hin- drei Schritten: sehr deutlich in den Hintergrund. ­Damit terherhinkt. Die erste Aufgabe besteht darin, die folgt das Land einer eigenen Inter­preta­ Die meisten Hersteller in China konkur- industrielle Basis und die Kapazitäten in tion von Industrie 4.0. In Europa gehen rieren nach wie vor nur bei Produkten mit Forschung und Entwicklung zu optimie- Experten hingegen davon aus, dass auch geringer Wert­schöpfung, die niedrige Ge- ren, Qualitätskontrollen auszubauen und in der neuen Welt digitaler und vernetzter winne abwerfen. So liegt beispielsweise die Mitarbeiterfortbildung zu forcieren. Produktion Facharbeiter unerlässlich sein der chinesische Marktanteil von High-­End- Gleichzeitig müssen die Glaubwürdigkeit werden. Entsprechend hat auf dem alten und Spezialsensoren, intelligenten Instru- und das Markenbewusstsein für die Kontinent bereits eine Debatte über menten, automatischen sowie digitalen ­eigenen Produkte erhöht werden. Wenn Bildungs-­ und Qualifizierungsnotwendig­ ­ Regelungssystemen und Produkten der die Unternehmen den technologischen keiten für Industrie-4.0-Unternehmen Robotik unter 5%. Die meisten Unterneh- Abstand zu westlichen Konkurrenten ver- ­begonnen. Es wird sich zeigen, wer die men sind davon entfernt, sich als System- ringern wollen, müssen sie eine neue Agi- Ent­wicklungen besser antizipiert. löser auf dem globalen Markt zu be­­ lität entwickeln – mit dem Ziel, durch So oder so: Chinesische Industrieun- haupten. Die Innovationsfähigkeit ist im Produkt- und Prozessinnovationen über- ternehmen können sich breitester staat­ Ver­gleich zur westlichen Konkurrenz allen- proportional zu wachsen. licher Unterstützung sicher sein. Bereits falls mäßig ausgeprägt. Zweitens müssen führende Hersteller 2012 veröffentlichte das chinesische Mi- Aus mikroökonomischer Sicht be­ ermutigt werden, die Entwicklung von nisterium für Industrie und Informations- finden sich die meisten Unternehmen in ­Industrie 4.0 vor allem in Sektoren zu prü- technologie den "12. Fünfjahresplan für ­China noch in einer Übergangsphase zwi- fen, in denen sie international wettbe- das High-End Equipment Manufacturing", schen Industrie 2.0 (Fertigung ohne jede werbsfähig sind – etwa bei Komponenten

38 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 EUROPA IM 4.0-VERGLEICH und Anlagen zur Energieerzeugung, -über- MITTEN IM KRAFTAKT tragung und -verteilung. Die Marktaus­ sichten sind auch im Bergbau oder bei Vier Länder liegen vorne – China hält (noch) nicht mit. landwirtschaftlichen Maschinen vielver- sprechend. Herzstück der Industrie 4.0 ist und bleibt jedoch die verarbeitende Industrie. RB Industry 4.0 Sie treibt die Entwicklung zu einer umfas- Readiness Index senden Digitalisierung der Produktion. 5 Weltweit führende Unternehmen nutzen

Germany das Konzept Industrie 4.0 bereits für Fern- Belgium Finland diagnosen, vorausschauende Instand­ haltung und andere intelligente Prozesse, Sweden Denmark Ireland Produkte und Dienstleistungen, die auf 4 SPITZENREITER dem chinesischen Markt an Boden gewin- LEISTUNGSBEREITE nen. Dies sollte ein Orientierungsmaßstab Austria für die heimischen Firmen sein. UK Chinesische Unternehmen, die kon- France sequent und mutig auf Industrie 4.0 3 ­setzen, feiern erste Erfolge. Dazu gehört Czech Republic die auf digitale Überwachungstechnik TRADITIONALISTEN ­spezialisierte Daquan Group, die mit Slovakia Italy ­fern­gesteuerten Transformatoren von Slovenia Spain Hungary sich reden macht. Oder die Shengyang 2 Estonia ­Machine Tool Group, die 2014 die Mas- Lithuania Portugal senproduktion einer neuen Generation ZÖGERLICHE Poland ­intelligenter und Cloud-basierter Werk­ Croatia zeugmaschinen gestartet hat. China Bulgaria Drittens sollten Regierungen, Ver- bände, Hochschulen, Forschungseinrich- 1 1 2 3 4 5 tungen und andere Stakeholder mehr Industrieanteil (% des BIP) marktorientierte Grundsätze befolgen. Dazu könnte gehören: Die chinesische Regierung treibt ­ China beginnt, sich auf Industrie 4.0 einzustellen, Industrieländer ­ die Entwicklung von Industriestandards in Europa sind oft schon weiter. Der Roland Berger "Industrie 4.0 voran. Flankierend setzt sie zum Beispiel steuerliche Anreize zur Modernisierung ­Readiness Index" (auf der vertikalen Achse) zeigt ein differenziertes der Industrie, ohne dabei den Wettbe- Bild. Einerseits haben wir den Entwicklungsgrad der Produktionspro­ werb zu verzerren. zesse und der Automation, den Ausbildungsstand der Mitarbeiter und Industrieverbände unterstützen Un-­ die Innovationsintensität als "industrielle Exzellenz" gebündelt. Ande­ ternehmen durch Fortbildungen und för- dern den Austausch über die Umset­zung rerseits wurden Wertschöpfung, Offenheit der Industrie, Innovations- von Industrie 4.0 zwischen den Branchen. netzwerke und Internetreife zusammengefasst. Aus der kombinierten Hochschulen und Forschungseinrich- Bewertung der einzelnen Punkte bestimmt sich die Position eines tungen arbeiten enger als bisher zusam- Landes im "RB 4.0 Readiness Index": von den Zögerlichen über die men, um zu neuen, intelligenten Indust- rie-4.0-Lösungen zu kommen. Traditionalisten und Leistungsbereiten bis zu den Spitzenreitern. Gefragt ist nichts weniger als ein kul- tureller Wandel der gesamten Industrie. China steht vor einem Kraftakt.

THINK ACT // COO INSIGHTS 39 INDUSTRIE 4.0 NETZ- KRIMINALITÄT

Die unsicht- bare Gefahr

40 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0

Spektakuläre Sicherheitslücken lassen die tägliche Bedro- hung aus dem Cyberspace als neue Normalität erscheinen. Die meisten Fälle bleiben im Dunkeln. Unternehmen können sich schützen.

pätestens seitdem im Jahr 2010 Treiber dieser Entwicklung sind die zuneh- IT-Community dieser Gefahren bewusst: der Stuxnet-Wurm ein Produk- mende Virtualisierung und Digitalisierung durch die Enthüllungen von Edward tionsautomatisierungssystem in von Geschäftsprozessen, die elektroni- Snowden, durch die Debatte um gestoh- einer iranischen Nukleareinrich- sche Interaktion in Netzwerken mit Liefe- lenes geistiges Eigentum im Rahmen von Stung angriff, haben klassische Wert­schöp­ ranten und Kunden sowie die Consume­ri­ Industriespionage oder durch die Rolle fungsketten ihre "Cyberunschuld" verlo­ren za­tion der IT, also die Orientierung an des Internets in der Geopolitik, etwa wäh- – unsere Thesen dazu. Nut­zungsgewohnheiten aus der privaten rend der Ukraine-Krise oder im "Arabi- Smartphone- und Tablet-Welt. schen Frühling". So unterschiedlich diese ANGRIFF AUF DIE UNTER- Zweitens ist das öffentliche Bewusst- Beispiele auch sind – rund um den Glo- NEHMENSSICHERHEIT sein für Schwachstellen gewachsen. In bus haben Entscheider das Thema Da- einer Studie von Roland Berger und SAP tensicherheit auf ihre Agenda gesetzt. Drei Entwicklungen haben die aktuelle über Erfolgsfaktoren für Cloud-Dienste in Drittens haben sich zahlreiche inter- De­batte um Datensicherheit ausgelöst. Europa aus dem Jahr 2010 haben wir sol- netbasierte digitale Geschäftsmodelle Erstens durchdringt die klassische IT che Probleme analysiert. Nach und nach etabliert, etwa um das vernetzte Fahrzeug, immer stärker alle Geschäftsprozesse. werden sich Manager auch außerhalb der E-Commerce, E-Health, E-Energy oder In­

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FOTO: F. SCHMIDT/FOTOLIA F. FOTO: INDUSTRIE 4.0 NETZ- KRIMINALITÄT

umfassende und dauerhaft tragfähige CHECKLISTE Systeme, Prozesse und Verantwortlichkei- DATENSICHERHEIT ten bestimmt werden. Dabei sind Manage- mentsysteme zur Datensicherheit für die 1 noch nicht geschützten Bereiche und Akti- Analysieren Sie, wo und wie sehr Sie va aufzubauen oder anzupassen. GEFAHREN ausgesetzt sind. 2 WENIGER STÖRFÄLLE, MEHR RENDITE Schaffen Sie ein BEWUSSTSEIN für Sicherheit. Ein Business Case für Sicherheit ist kom- 3 plex. Einige der Bedrohungen sind zwar Bauen Sie Sicherheitssysteme und Prozesse mit ver­gleichsweise einfach zu quantifizieren, klaren VERANTWORTLICHKEITEN­ auf. etwa wenn es um Produktionsausfälle geht. Bei anderen ist das deutlich schwie­ 4 riger, darunter – an oberster Stelle – der Überprüfen Sie die COMPLIANCE Ihres Unter- Verlust von Menschenleben, etwa durch nehmens, sowohl intern als auch in Produktfehler. Aber auch Schäden an der der Zusammenarbeit mit Ihren Lieferanten. Reputation oder dem Markenwert sind schwer zu fassen. Es gibt viele gesetzli- 5 che und regulatorische Compliance-Anfor­ Verändern Sie die DENKWEISE Ihrer ­Organi- derungen vor allem für Unternehmens- sation hin zu einer Philosophie, die führer und Verwaltungsorgane. Deshalb Sicherheit schon ins Produktdesign integriert. ist eine gute Balance zwischen robuster 6 quantitativer Analyse und qualitativem Managementurteil über Risiken und de­ Führen Sie durch VORBILD. ren Auswirkungen notwendig. Ein Busi- ness Case für Investitionen in Datensich- erheit ist schwer zu berechnen, aber er dustrie 4.0. Während klassisches Sicher- Um ein hohes Maß an Sicherheit in der zahlt sich aus. Die wahre Rendite ent­ heitsmanagement für kommerzielle IT als Or­ga­nisation zu institutionalisieren, müs- steht durch die Minimierung von relevan­ ausgereifte Disziplin gilt, werfen diese di­gi­ sen Unternehmen drei Schritte gehen. ten Störfällen. talen Geschäftsmodelle neue Fragen auf: Zunächst müssen sie Transparenz über Ist die Entwicklung eines vernetzten Fahr- Be­drohungen und Schwachstellen in der EINFACHE REGELN zeugs hinreichend darauf ausgerichtet, Wertschöpfungskette schaffen. Wir emp- HELFEN dass unbefugter elektronischer Zugriff aus- fehlen, die Risiken aus zwei Perspektiven geschlossen werden kann? Sorgen Her­ zu erfassen: zum einen entlang einer end-­ Es gibt einfache Regeln und Ratschläge steller von Flugzeugen, Kraftwerken oder to-end-Prozessperspektive, zum anderen für Unternehmen und ihre Mitarbeiter, Fertigungsstraßen ausreichend dafür, dass mit Blick auf alle wichtigen Aktiva des die einen großen Unterschied in der auch die Embedded-Software-Komponen- Unternehmens, darunter geistiges Eigen- Da­ten­sicherheit des Unternehmens be- ten von Drittfirmen unbedenklich sind? Ist tum, proprietäres Prozesswissen, physi- deuten: Übersteuern Sie Ihre Regeln das wichtigste geistige Unternehmens­ sche und digitale Produkte sowie deren und Verfahren nicht. Lassen Sie eine eigentum­ sicher? wesentliche Komponenten. ausgewogene Flexibilität zwischen den Außerdem müssen Unternehmen auf Bedürfnissen des operativen Geschäfts TOPMANAGEMENT Basis der Transparenzanalyse Handlungs- und Anforderungen an Datensicherheit MUSS REAGIEREN felder priorisieren. Hierbei geht es vor al- zu. Schließlich muss Ihr Unternehmen lem darum, schnelle erste Lösungen für auch bei möglichen Bedrohungen noch Für neue digitale Geschäftsfelder fehlen oft dringliche "weiße Flecken" zu entwickeln. schnell und flexibel in seinen Märkten noch klare Sicherheitsrichtlinien, Organi- Dazu müssen Sicherheitssysteme definiert agieren können. Mehr Sicherheit darf sationsprinzipien und Managementtools. oder angepasst werden. Drittens müssen nicht weniger Agilität bedeuten.

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INTERVIEW JEAN BOTTI "Die Angriffs- fläche ist größer geworden"

JEAN BOTTI, Technologievorstand der Airbus Group, (CTO) wappnet sich gegen Sicherheitsbedrohungen auch mit Hilfe der Hackerszene.

Monsieur Botti, Industrie 4.0 bedeutet den jemals zu 100% ­sicher sein. Jeder ren, Methoden und Tools zu mehr Effizienz immer mehr Schnittstellen nach außen. muss sich selbst überlegen, welchen Preis und Sicherheit in der Flugzeugentwicklung Das bringt Gefahren für die Sicherheit. er da­für zahlen will. Unsere Strategie be­ und -produktion. Aber auch der Datenaus­ ­ Wie geht die Airbus Group damit um? steht darin, die Kron­juwelen zu identifizie- tausch mit unseren Dienstleistern im Sicher­heit ist ein über­aus wichtiger, kri­ti­ ren und Priori­täten zu setzen. So haben wir ­"Extended Enterprise" muss höchsten scher Faktor, der für uns an erster Stelle die Si­ ­tuation­ bereits erheblich verbessert Sicher­heits­anforderungen genügen. steht. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen und das Risiko begrenzt. Das heißt? Die ersten Fragen lauten: Wie wir einge­stehen, dass es die totale Sicher- Wie gelingt es Ihnen, sich auf die Be­dro­ wer­den Daten ausgetauscht? Wie werden heit nie geben wird. Weder unsere Produk- hungen einzustellen? Innerhalb des Un­ sie geschützt? Um diese Fragen zu be­ant­ tion noch die unserer Wettbewerber wer­ ter­nehmens führen harmonisierte Verfah­ worten, hat sich die Airbus Group 2008

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FOTO: AIRBUS GROUP INDUSTRIE 4.0

INTERVIEW JEAN BOTTI zum Schulterschluss mit anderen füh­r­ dass es von derartigen Bedrohungen bis­ Ganze noch komplizierter. Aber wir haben enden Konzernen entschlossen, nament­ lang verschont geblieben ist – außer, sie eine klare Strategie. Die Verknüpfung zwi­ lich Thales, Dassault und Saf­ran. Getauft wurden nicht erkannt. schen IT und Prozesssicherheit einerseits wur­de das Gemeinschaftsprojekt auf den Und wie schützen Sie sich davor? Vor und Produktsicherheit andererseits ist für Namen "BoostAeroSpace".­­ einem Jahr haben wir einen Ausschuss für uns von entscheidender Bedeutung. Worum ging es bei diesem Projekt? Computer- und Netzsicherheit einge­rich­ Verändert das die Rolle Ihrer Zulieferer? Haupt­­ziel war die Einrichtung eines siche­ tet. Er soll unter meiner Leitung unsere Wir setzen auf enge Beziehungen. Alle Zu- ren digitalen Knotenpunkts, an dem Da­ten In­teressen – d.h. unsere Informationen lieferer von Software für Verkehrsflugzeuge über Beschaffung und Engineering aus­ und Produkte – so gut wie möglich schüt- verwenden inzwischen eine digitale Signa- getauscht werden können. Das be­schleu­ zen. In diesem Gremium sind alle wichti- tur und sind Teil unseres "Aircraft Security nigt die Einführung elektronischer Pro- gen Stakeholder vertreten. Daneben gibt Management System", ganz ­gleich ob sie ­zes­se und Tools, vom OEM bis hin zu un­­­ es die Beauftragten für Datensicherheit nur eine winzige Softwarekomponente seren Zulieferern, bei denen es sich größ­ bei "Airbus Defense and Space". Bislang oder ein anderes Bauteil für die Ausstat- tenteils um KMUs handelt. Auch wei­tere war das ein reines IT-Thema. Inzwischen tung unserer Flugzeuge liefern. Unternehmen wie Liebherr Aviation haben geht es aber weit darüber hinaus und zählt Gibt es Unterschiede bei Ihren Liefer- sich diesem Knotenpunkt ange­schlos­sen. zu den acht wichtigsten Zielen unseres anten in Sachen Sicherheitsbewusst- Einer aktuellen Studie zufolge gibt es je Unternehmens für 2014. Wir haben ein sein? Nicht alle Zulieferer sind wie Safran de Woche über 120 erfolgreiche Cyber-­ klar definiertes Budget für den Be­ ­reich oder Rolls-Royce. Manchen fehlt das angriffe auf Unternehmen. Wie hoch ist Sicherheit eingestellt. Geld, um eine lückenlose Sicherheit ihrer die Zahl bei der Airbus Group? Dazu Wie viel geben Sie jedes Jahr für Sicher­ eigenen Systeme zu garantieren. Deshalb äußern wir uns nicht. Aber kein gro­ßes heit aus? Glauben Sie mir, es ist ein helfen wir KMU, sich selbst zu schützen, Un­ternehmen wird ernsthaft behaup­ten, statt­licher Betrag. Und er ist absolut not- da dies letztlich in unserem eigenen In­ wendig. ter­esse liegt. Hacker suchen immer nach Die Airbus Group ist ein europäisches Schwachstellen. "BoostAeroSpace" bie­ Unternehmen mit vielen Stakeholdern. tet KMUs ein Maß an Sicherheit, das für Wie gehen Sie das Sicherheitsproblem uns im 4.0-Kontext unerlässlich ist. "Wir auf internationaler Ebene an? Offen ge- Ist die Bedrohung in den letzten Jahren sagt, ist es kaum möglich, es jedem recht gefährlicher oder einfach nur komplex- zu machen. In den USA braucht man sich er geworden? Sie ist sowohl komplexer arbeiten nur mit einer Regierung auseinander- als auch bedrohlicher geworden, da die zusetzen. In Europa ist die Sache etwas Hacker immer intelligenter, raffinierter mit komplizierter: Da gibt es Deutschland, und fort­schrittlicher werden. Die Angriffs- Frankreich, Großbritannien und Spanien. fläche ist größer geworden und erfordert ethischen Und jede Regierung hat ihre eigene Agen- einen anderen Ansatz als früher. da. Folglich fehlt eine einheitliche Struktur Wer bedroht Sie denn am meisten? Sie für den Schutz unserer Daten. Wir müs- lesen doch auch Zeitung. Manche Unter­ Hackern sen ständig auf unterschiedliche Anfor­de­ nehmen werden leichter Opfer von Pro­ r­ungen verschiedener Länder reagieren. dukt­piraterie und Cyberangriffen als an­ zusammen. Glauben Sie, dass Datensicherheit eher dere. Bislang gab es immer wieder recht durch Regulierung oder durch konkrete simple Angriffe von geringem Umfang. Bedrohungen gefördert wird? Beide In­zwischen sind die Bedrohungen von Das ist ­Faktoren treiben sie voran. Wir können na­ riesigem Ausmaß. Wir sprechen hier von türlich die Wünsche unserer Regierungen einer fortgeschrittenen, andauernden äußerst nicht ignorieren. Behörden formulieren Bedrohung von außen. Oft sind die An- ganz spezielle Anforderungen – insbeson­ griffe koordiniert, versteckt und kommen hilfreich." dere Frankreich beim Thema Verteidigung. aus unterschiedlichen Richtungen. Daher Wir müssen sensible Antworten auf ihre kann ich das nur schwer präzisieren. Fragen finden. Gleichzeitig müssen wir tag­ Es muss für Sie ein Schock gewesen ein, tagaus mit konkreten Bedrohungen sein, als der deutsche Sicherheits­be­ fertig werden. Die Regulierung macht das rater Hugo Teso demonstriert hat, wie

44 THINK ACT // COO INSIGHTS INDUSTRIE 4.0 INTERVIEW JEAN BOTTI rauf zu rea­gieren. Aufgrund der langen Lebensdauer von Flugzeugen ist das be- sonders wichtig. Wie stellen Sie sicher, dass Sie immer ei­nen Schritt voraus sind? Unsere Leute sind stark vernetzt, absolute Spezialisten und sie kennen die Hackerszene. Es ist ein kleines Universum. Viele Experten ar- beiten für uns. Die Hälfte ihrer Zeit arbei- ten sie an einem Produkt oder für eine Abteilung unseres Unternehmens. Die andere Hälfte verbringen sie mit dem Be- such wichtiger Veranstaltungen in den USA, Frankreich, Deutschland, Großbri- tannien und manchmal sogar in China. Das war eine wichtige Bedingung bei der Anwerbung. In der Regel suchen wir er- fahrene Spezialisten, nicht aber im Be- leicht man sich in das Kommunikations­ reich Daten­sicherheit. Dort suchen wir EIN CTO IM system eines Flugzeugs hacken kann. nach jungen Menschen, da hier vor allem Alles, was er dazu benötigte, waren ein Kreativität gefragt ist. STRESSTEST Funksender und eine Software, die er Stimmen Sie sich gegen kriminelle At­ bei Ebay erstanden hatte. Das war kein tac­ken mit Wettbewerbern ab? Das ist DER Schock. Was er gesagt hat, ist falsch. Aus nicht leicht. Wir ha­ben versucht, einheit- SICHERHEITS- mehreren Gründen. Er war zu keinem Zeit- liche Sicherheitsstandards zu vereinba- ARCHITEKT punkt in der Lage, ein Flugzeug vollstän- ren. Wir pflegen einen in­ten­si­ven Aus- dig unter seine Kontrolle zu bringen. Aber tausch mit unseren Wettbewerbern, vor JEAN BOTTI, geboren 1957, Master und allein aufgrund der Tatsache, dass er ein allem im Bereich Flug­zeug­si­cher­heit. PhD in Maschinenbau, Toulouse/Paris, intelligenter Hacker und ausgebildeter Airbus veranstaltet jedes Jahr ein "Air­ MBA in Michigan; Chief Technical Officer Pilot ist, war sein Szenario extrem glaub- craft Security User Panel", auf dem ver­ der Airbus Group und Mitglied des würdig. Daher mussten wir reagieren. schiedene Mitglieder der Branche zusam- Executive Committee seit 2006. Botti Und wie? Wir arbeiten seit mehr als zehn menkommen. Auf diesem Forum werden arbeitete zuvor bei Renault, Jahren mit "ethischen Hackern" zusam- künftige Bedrohungen, gängige Stan- General Motors und dem Autozulieferer men. Das ist äußerst hilfreich. Das bei dards, Erfahrungswerte, übliche Lö­sun­ Delphi in den USA und Frankreich. Airbus für die Sicherheit von Flugzeugen gen diskutiert ... ganz ohne gegen die DAS zuständige Team ist stets offen für Diskus­ Konkurrenz zu mauern. Ferner nehmen sionen über eventuelle Schwachstellen. wir an der US-Initiative "Aviation Informa- NETZWERK Wir haben den Flugsicherheitsbehörden tion Sharing Working Group" teil, die den DIE AIRBUS GROUP ist an mehr überzeugend bewiesen, dass alles in Ord- Ideenaustausch­ zwischen Industrie und als 170 Standorten weltweit aktiv, mit nung ist. Ich habe allen Grund, auf unsere Regierungen zum Thema Datensicherheit rund 140.000 Mitarbeitern und Arbeit und unsere kompetenten Experten fördern soll. Knotenpunkten für die Maschinen­ zu ver­trauen. Wir tun alles, was in unserer Mit welchem Ergebnis? Wenn es ins wartung auf fünf Kontinenten. Macht steht. ­Detail geht, halten sich viele Unternehmen Airbus beschäftigt 35.000 Zulieferer Die Bedrohungen verändern sich stän- bedeckt. Wir versuchen deshalb vorerst, allein auf seinen Heimatmärkten; dig. Wie erfahren Sie von neuen Sicher- unsere Probleme intern zu lösen. Mit Blick das Volumen externer Lieferab­kommen heitslücken? Dazu nur ein Beispiel: Wir auf die Zukunft halte ich es für dringend von fast 40 Milliarden Euro ent­- arbeiten mit technisch versierten jungen erforderlich, dass wir alle noch enger zu- spricht zwei Dritteln der Airbus-Erlöse. Menschen zusammen, die uns helfen, sammenarbeiten und uns gegenseitig zu künftige Bedrohungen zu erkennen und unterstützen. Das müssen wir noch in un­ vorwegzunehmen, statt einfach nur da­ serer Unternehmenskultur verankern.

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FOTO: AIRBUS GROUP INDUSTRIE 4.0 COO WERKSTATT

| ROLAND BERGER INDEX | Was müssen Unternehmen tun, um In­ Manager und Unternehmer vor. Die vier dus­­trie 4.0 anwenden zu können, damit wichtigsten Bausteine sind Infrastruktur, IST IHR sie Effizienz, Qualität und Geschwindig­ Prozesse, Datenverkehr und Arbeits­ keit stei­gern? Wie können Manager das modelle. Daraus leiten wir einen unter- UNTERNEHMEN Potenzial ihres Unternehmens abrufen? nehmensindividuellen Reifeindex ab, Nach dem volkswirtschaftlichen Reife­- der unterstreicht, dass alle Abteilungen REIF FÜR ­­in­dex (Seite 39) bereitet Roland Berger des Unternehmens mitarbeiten müssen. INDUSTRIE 4.0? Strategy Consultants nun eine Ana­lyse für Unsere Studie erscheint Anfang 2015.

UNTERNEHMENSBEWERTUNG NACH DEM ROLAND BERGER REIFEMODELL ZUR INDUSTRIE 4.0 (generisches Schema)

BAUSTEINE INDIKATOR EBENE 1 EBENE 2 EBENE 3 Industrie 3.0, rudimentär digital Anlagen- und Systemreife ohne Industrie 4.0 implementiert Prinzipien der Industrie 4.0

INFRASTRUKTUR Sensortechnologie ●

Flexibilität der ● Produktionsanlagen Einsatz von ● Präzisionstechnologie PROZESSE Produktionsdesign ●

Planung und Kontrolle ●

Logistik ●

Instandhaltung ●

DATEN Interne Datenintegration ●

Externe Schnittstellen ●

ARBEITSMODELLE Flexible Belegschaft ●

Führungsmodelle ●

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77% | STRATEGIE | ENGINEERING LERNEN VON NETFLIX Unternehmen müssen heute komplexe 41% stra­tegische Entscheidungen unter Engineering- und UMSATZ bei­spiel­los unsicheren Vorzeichen Umsatz-Footprint ­treffen. Dazu gehören beispielsweise westeuropäischer Unternehmen der Trend zur Digitalisierung, wach­ sende Unsicherheit über politische | ENGINEERING | ­Regu­lierung, die Steuerung der Schwellenmärkte oder die Notwen­ Mehr Effizienz, bitte! digkeit organisatorischer Agilität. Charles Edouard Bouée, CEO von Mit der steigenden Präsenz westeuropäi­ 3. Zwischen Umsatz in den Hei­mat­märk­ scher Unternehmen in aller Welt wird die ten (41%) und dem personellen Auf­wand ­Roland ­Berger Strategy Consultants, Frage drängender, wie lokale Kunden­be­ für die Entwicklung dort (77%) besteht ­empfiehlt eine Strategie, die sich dürfnisse optimal erfasst werden. ein Missverhältnis im ­Militär bewährt hat: Light Footprint Typische Fehler beim Markteintritt sind: Unsere Studie "Engineering Efficiency Management. Sie betont Beweglich­ 1. Produktentwicklung für Schwellen- 2014" skizziert eine Roadmap zu markt­ keit, Schnelligkeit, Reaktionsfähig- länder ist zu komplex angelegt näheren Technologien und kundenge- ­keit und die Effizienz der eingesetz­ten 2. Tauglichkeit der Produkte für den rechteren Produkten (erscheint Ende Mas­senmarkt wird zu wenig beachtet 2014). ­Mittel. Wer Veränderungen ignoriert, dem droht das Kodak-Syndrom ­ver­passter Transformation. Die Studie "Mastering 2020" zeigt die sieben 712 | UNTERNEHMENSSTERBEN | Prinzipien der Adaption anhand 2003–2013 von Champions wie Netflix (Inno­ ENDE vation), Haier (Reorganisation) oder DER GIGANTEN? P&G ­(Zusammenarbeit). Wer sich nicht wandelt, geht unter. HP spaltet www. rbsc.eu/mastering2020 sein Geschäft, Ebay trennt sich von Paypal, Facebook von seinem Messenger: Das Techno­ lo­giemagazin "Wired" leitet daraus den Impe­ Mastering 2020: Wie Light Footprint ra­tiv ab, eine Sache gut zu tun – und die richtig. Management Zwischen 1973 und 1983 fielen 350 Unterneh­ auf die Welt 350 der Ungewissheit 1973–1983 men aus den "Fortune 1000". Zwischen 2003 vorbereitet. und 2013 waren es 712. Die Halbwertzeit von Un­ternehmen sinkt. Ob groß oder klein: Inves­ toren honorieren Agilität, das Gebot der Stun­ de. Industrie 4.0 schafft die Voraussetzungen.

THINK ACT // COO INSIGHTS 47 INDUSTRIE 4.0 | KOSTENREDUKTION | Unerwartete Hürden Was sind die typischen Schritte eines 36% 57% der Unternehmen zählen die digitale Kos­tensenkungsprojekts? Was sind Transformation mittelfristig zu ihren strate- die Hürden? Was die Erfolgsfaktoren? vs. gischen Prioritäten, doch nur 36% verfügen Einsparungen von bis zu 30% sind über eine formalisierte digitale Strategie. möglich – mithilfe von Standardisie- 57% rungen, ­Änderungen am Design, Nachverhandlungen bei den Zuliefe- Brachliegendes Wachstumspotenzial: Durch rern oder schlankerer Produktion. die Beschleunigung ihrer digitalen Transfor- mation könnten französische Unternehmen Unser "Operations ­Efficiency Radar" ihr Umsatzwachstum verdoppeln. ist anwendbar in allen Produkt- x2 phasen inklusive der Serien­ fer­ tigung.­ Die wichtigsten Hebel sind: Mitarbeiter in den digital fortschrittlichsten Unternehmen sind um 50% zufriedener mit PRODUKT ihrem Berufsleben als ihre Kollegen in den FUNKTIONSOPTIMIERUNG 50% am schwächsten digitalisierten Unternehmen. • Produktportfolio • Funktionsumfang STANDARDISIERUNG • Vereinfachung des Designs Paradoxerweise ist die digitale Reife bei • Standardisierung von Teilen 59% den Verbrauchern größer als bei den Unter- • Angemessene Qualitätsanforderungen vs. nehmen: 59% der Franzosen kaufen online ein, wäh­rend nur 11% der französischen EINKAUF Unterneh­men online verkaufen. ROHSTOFFE 11% • Kompetenzstärkung im Rohstoffeinkauf • Doppelquellenbeschaffung Die digital fortschrittlichsten Unternehmen PREISVERHANDLUNGEN wachsen sechsmal stärker als die Unter- • Benchmarking von Produktkosten für nehmen mit der geringsten digitalen Reife. Vertragsverhandlungen x6 PROZESSE MONTAGE • Prozessvereinfachung auf Basis eines | DIGITALE TRANSFORMATION | Produkt-Redesigns • Änderung der Prozesstechnologie FERTIGUNG NEUE CHANCEN FÜR • Änderung des Fertigungsprozesses • Materialumstellung FRANKREICH • Prozessoptimierung Eine neue Studie von Roland Berger Frankreich bewertet LIEFERKETTE im ­Auftrag von Google die ökonomischen und sozialen Potenziale LOGISTIKOPTIMIERUNG • Vereinfachung von Logistik und Transport der digitalen Transformation. Die Publikation entstand gemeinsam • Bestandsoptimierung beim Lieferanten mit Cap ­Digital, einem Branchenverband der Digitalwirtschaft. und im eigenen Unternehmen • Lokalisierung von Produktionsstandorten Sie basiert auf einer Umfrage unter mehr als 500 französischen • Synergien zwischen verschiedenen Entwicklungs-/Produktionsstandorten Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. www.rbsc.eu/opsradar www.rbsc.eu/digitransformation

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| WETTBEWERBSFÄHIGKEIT | Wege aus der Commodity-Falle

Wenn selbst komplexe Produkte und SEHR EFFEKTIVITÄT/ SEHR HEBEL NIEDRIG NUTZUNGSGRAD HOCH Dienst­leistungen zu "Commodities" degenerieren, steckt ein Unternehmen Innovation zur Produktdifferenzierung in der "Commodity-­Falle". Dann sind Produkte mit Dienstleistungen aufwerten die Möglichkeiten zur Dif­fer­en­zierung

eingeschränkt und der Wettbewerb Produkt- und Lieferqualität verbessern erfolgt primär über den Preis. Inno­va- tion, Qua­lität und das Geschäftsmodell: Geschäftsmodell strategisch neu ausrichten Dies sind die we­sentlichen Hebel, um Target Costing/Design-to-Cost stärken sich aus der Com­mo­dity-Falle zu be- freien. Die größte Dis­kre­panz zwischen Organisation flexibel gestalten der Effektivität und der Anwendung eines Hebels ­besteht bei der Neu­- Marketing- und Vertriebstools anwenden aus­richtung des Geschäftsmodells und bei Target Costing/Design-to-Cost. Auf spezielle Marktsegmente fokussieren Unsere ­Studie zeigt, wie sich neue Unternehmensportfolio neu ausrichten Wettbewerbsvorteile gewinnen lassen. Effektivität Nutzungsgrad www.rbsc.eu/commoditytrap

| WEITERBILDUNG | SOOCs CORPORATE SPOCs "selective open online courses" LEARNING "small, private online courses" (selektive offene Online-Kurse, Teilnehmer werden z.B. aufgrund ihrer Vorqualifikation oder (kleine private Online-Kurse) IM UMBRUCH ihres Arbeitgebers ausgewählt) Online-Lerntechnologien verhelfen Unternehmen zu mehr Agilität sowie Lern- und Anpassungs­fähig­- keit. Ihre wichtigsten Anwendungsfelder liegen aber nicht in der kostenlosen Vermassung von ­Lernan-­­ ge­boten ("MOOCs"), sondern in der Personali­sierung ­TORQUEs und Individualisierung von Bildung für das lebens­ "tiny, open online courses but MOOCs lange Lernen. Auch in der Wert­schöpfungskette von with definite restrictions, focusing "massive open online courses" ­Corporate Learning verändern sich die Spielregeln: on quality and effectiveness" (offene Online-Kurse für die Masse) Das Denken in Abteilungs-, ­Business-Unit- (sehr kleine offene Online-Kurse mit konkreten Beschränkungen, die großen oder Unternehmensgrenzen­ wird überwunden. Wert auf Qualität und Effektivität legen) www.rbsc.eu/corporatelearning

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LETZTE ANTWORTEN

MENSCH ODER MASCHINE – WER DIRIGIERT DIE PRODUKTION DER ZUKUNFT? Ein Gastbeitrag von Andreas Neef

ndustrie 4.0 ist ein industrielles Öko­ markt liegt ­darin die Chance, industrielle rative Entscheidungen zunehmend selbst. system, in dessen Kern intelligente Wertschöpfung trotz des Fachkräfteman- Bei Problemen eines Zulieferers werden Soft­­ware steht, die eine hocheffiziente gels langfristig in Europa zu halten. Vorprodukte automatisch über eine Bran- und adaptive Produk­tion mittels au­to­ chenplattform bei anderen Anbietern ge­ Inom agierender cyber-­physischer Systeme INGENIEURSKUNST PLUS or­dert – und dort in Echtzeit Produk­tions­ ermöglicht. Im Übergang zu diesem neuen SOFTWARE-EXZELLENZ prozesse in Gang gesetzt. Das wan­delt Paradigma wandelt sich die Rolle des industrielle Beziehungen. Wie die sozialen Menschen in der industriellen Wertschöp- In einem ausgereiften Szenario entstehen Netzwerke das gesellschaftliche Konzept fung. Selbst in hochautomatisierten Pro- neuartige Berufsbilder und Ausbildungs- von Freundschaft verändert haben, wer- duktionsprozessen werden heute an vielen konzepte. Systemarchitekten sind die den Beziehungen zwischen Unternehmen Stellen Fachwissen, Erfahrung, menschli- "Brains" der Industrie 4.0. Sie verbinden vielfältiger, loser und volatiler. che Urteilskraft und Augenmaß benötigt. klassische Ingenieurskunst mit Soft- Gleichzeitig ist eine heute noch un­ In der Echtzeitlogik der hyperflexiblen Pro- ware-Exzellenz und der Visionskraft eines denk­bare Offenheit bei der unternehmens- duktionsstrukturen der Zukunft werden Spieledesigners. Sie schaffen Rahmen­ übergreifenden Kooperation und daten- diese Fähigkeiten am "Point of Production" bedingungen und Regeln, in denen die technischen Integration der Prozesse not- kaum noch Mehrwert entfalten. Selbst­organisation der Produktion stattfin- wendig, um die Wertschöpfungspotenziale Machen wir uns keine Illusionen: Wie det. Kon­figuratoren passen die Systeme zu realisieren. Eine hohe räumliche Dichte jede Industrialisierungswelle wird auch mittels intelligenter Schnittstellen an loka- und eine Vielfalt an Branchen, Kompeten- Industrie 4.0 langfristig Arbeitsplätze ver- le Bedingungen an, ohne selbst die Kom- zen und Unternehmensgrößen sind günsti- nichten. Es sind Erfahrungsberufe wie plexität der Abläufe durchdringen zu müs- ge Bedingungen für den Aufbau solch ei- Facharbeiter oder Meister, die durch Ma- sen. Sie sind die User der digitalen Fabrik, nes hochflexiblen Produktionssystems. schinen ersetzt werden – und in aller Kon- die Fehler erkennen und Parameter situa- In globaler Perspektive bilden sich neue sequenz auch das mittlere Management. tiv anpassen, ohne im klassischen Sinne Produktionscluster – nicht durch Branchen­ Denn Expertenwissen, praktische Erfah- zentrale Steuerungsmacht über den Ge- homogenität, sondern durch Adaptionsfä- rung und operative Entscheidungsfähig- samtprozess zu besitzen. Continuity-Tech- higkeit und komplementäre Kompetenzen keit sind künftig in die Systemlogiken niker verhindern Stillstände und halten in räumlicher Nähe. Europa ist gut aufge- selbst eingebettet. Wertschöpfungsprozesse auch bei Stö- stellt, doch in der Industrie 4.0 werden die Durch Sensorik und lernende Soft- rungen am Laufen. Ihre Ad-hoc-Lösungen Karten auf allen Ebenen neu gemischt. ware werden cyber-physische Systeme bauen auf vernetzte Risiken und minimie- immer besser in der Lage sein, Situatio- ren die Gefahr von Kaskaden­ ­effekten Andreas Neef ist geschäftsführender Gesellschafter von "Z_punkt The Foresight Company". Der Manage- nen wahr­­zunehmen, aus ihnen zu lernen beim Ausfall von Produktionsstufen. mentberater ist Autor der Studie "Connected Reality und Prozesse selbstständig zu optimie- Vernetzung ist komplex, deshalb tref- 2025 – Die nächste Welle der digitalen Transforma­ ren. Bei allen Risiken für den Arbeits- fen in der Industrie 4.0 die Systeme ope- tion". Download unter www.z-punkt.de

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INDUSTRIE 4.0 ILLUSTRATION: KIRCHNER BEN SERVICE

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