Protokoll-Nr. 18/61

18. Wahlperiode Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Wortprotokoll der 61. Sitzung

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Berlin, den 27. April 2016, 15:00 Uhr 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1 Paul-Löbe-Haus, Saal PLH E.300

Vorsitz: Michael Brand, MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Tagesordnungspunkt 1 Seite 7

Qualitätsstandards für die humanitäre Hilfe

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Mitglieder des Ausschusses Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Brand, , Michael Fabritius, Dr. Bernd Kovac, Kordula Heinrich (Chemnitz), Frank Lengsfeld, Dr. Philipp Jüttner, Dr. Egon Steiniger, Johannes Kampeter, Steffen Vaatz, Arnold Pantel, Sylvia Weiler, Dr. h.c. Albert Patzelt, Martin Zertik, Heinrich Steinbach, Erika SPD Diaby, Dr. Karamba Erler, Dr. h.c. Gernot Finckh-Krämer, Dr. Ute Mützenich, Dr. Rolf Glöckner, Angelika Reichenbach, Gerold Heinrich, Gabriela Schulte, Ursula Schwabe, Frank Veit, Rüdiger DIE LINKE. Groth, Annette Hänsel, Heike Höger, Inge Jelpke, Ulla BÜNDNIS 90/DIE Koenigs, Tom Amtsberg, Luise GRÜNEN Nouripour, Omid Schulz-Asche, Kordula

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Tagesordnungspunkt 1 nicht nur zu einem Schwerpunkt in dieser Wahlperiode erklärt, sondern wir befinden uns Qualitätsstandards für die humanitäre Hilfe thematisch mitten darin, wie sich eben am Arbeitsprogramm dieses Ausschusses Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Ja, liebe nachzeichnen lässt. Kollegen und Kolleginnen, ich darf Sie alle ganz herzlich willkommen heißen zur 61. Sitzung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Wir haben hier vor einem Jahr das erste Mal eine Hilfe, unserer heutigen Öffentlichen Anhörung Anhörung zum Bericht der Bundesregierung über mit dem Titel „Qualitätsstandards für die die deutsche humanitäre Hilfe im Ausland humanitäre Hilfe“. Ich begrüße ganz besonders die zwischen 2010 und 2013 abgehalten. Solche geladenen Sachverständigen, die Mitglieder dieses Anhörungen werden jetzt immer zu den Berichten Ausschusses, aber auch die Mitglieder anderer der Bundesregierung stattfinden, um daraus Ausschüsse und möchte gleich an dieser Stelle Ihr Konsequenzen zu ziehen. Wir haben im Februar  Einverständnis einholen, dass auch Kollegen aus also vor wenigen Wochen  ein öffentliches anderen Ausschüssen hier Rede- und Fragerecht Expertengespräch unter großer öffentlicher haben. Ich darf weiter eine Reihe von Zuhörern Teilnahme mit dem Titel „Humanitärer Weltgipfel im Saal und auf der Tribüne begrüßen, darunter 2016 / Globale Flüchtlingssituation  auch die Vertreter von NGOs, die hier im Saal Finanzierung des wachsenden humanitären oder im Internet unsere Anhörung verfolgen. Ich Bedarfs sicherstellen“ durchgeführt. Wir wollten weise auf den öffentlichen Charakter unserer auch unsere Position für den Ende Mai Sitzung hin, die live im Parlamentsfernsehen, stattfindenden Weltgipfel in Istanbul markieren Kanal 2, sowie im Internet übertragen wird, und und vor allem auch mit den NGOs, den ab morgen auch auf der Webseite des Deutschen Organisationen sprechen, welche Erwartungen an Bundestages abrufbar sein wird. diesen Weltgipfel gestellt werden und welche Entscheidungen getroffen werden müssen. Und heute nun eine weitere Anhörung zu diesem Ich möchte zu Beginn eine kurze Anmerkung Thema, nämlich zu den „Qualitätsstandards“ für machen, weil die Anhörung natürlich vor dem die humanitäre Hilfe. Ein ganz wichtiger Punkt ist Hintergrund einer besonderen Situation, mit über es, zu dem Bericht  auch nach einer 60 Millionen Flüchtlingen weltweit, nahezu die Neustrukturierung  die Expertenmeinung zu Hälfte davon Kinder und 35 Prozent hören und zu diskutieren: Wo besteht Binnenflüchtlinge, stattfindet. Ich will auch zu Änderungsbedarf, was läuft gut, was schlecht. Ich Beginn feststellen  und begrüße an dieser Stelle glaube, man kann festhalten, dass sich im auch die Leiterin des Referats Humanitäre Hilfe Vergleich zu den vergangenen Jahren etwas [im Auswärtigen Amt], Frau Aderholt -, dass geändert hat. Es ist heute mittlerweile humanitäre Hilfe keine politischen, Allgemeingut, dass humanitäre Hilfe nicht einfach wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen nur „nice to have“ ist, sondern, dass sie eine verfolgt, sondern dass sie in erster Linie Ausdruck existentielle Bedeutung hat, um einer aus den von ethischer Verantwortung, von Menschlichkeit Fugen geratenen Welt wieder Ordnung und und Solidarität ist. Wir stellen in diesen Zeiten Stabilität zu bringen. auch fest, dass angesichts der qualitativen und quantitativen Zunahme der Krisen und Katastrophen, auch hinsichtlich der Dauer dieser Die Bedeutung der humanitären Hilfe ist – wie Krisen, der humanitäre Bedarf weltweit wächst. gesagt – gewachsen. Natürlich muss man hier in Im Kontrast zu diesem wachsenden humanitären erster Linie die konsequente Bekämpfung von Bedarf steht das internationale humanitäre Fluchtursachen nennen. Auch das sind System, in dem eben nicht alle gleichermaßen Herausforderungen, die in der Vergangenheit Verantwortung wahrnehmen. Das ist einer der leider an manchen Stellen viel zu schnell zur Punkte, die uns gerade auch im Vorgriff auf den Seite geschoben worden sind. Es war dieser Gipfel beschäftigen. Der Ausschuss für Ausschuss, der auch in den vergangenen Jahren Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat dies auf das Welternährungsprogramm hingewiesen

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hat, auf die Ausstattung dieses Programms. Sie und dass wir miteinander diskutieren, auch wissen  auch das hat ein Gast in unserem darüber  das ist mir auch ein Anliegen, eine Ausschuss, nämlich der frühere VN- Facette des Themas , dass wir bei der Flüchtlingskommissar Guterres, als den wahren Aufstellung von Qualitätsstandards nicht nur die Auslöser für das, was uns alle umtreibt und Großen, sondern auch manche kleinen beschäftigt, genannt , dass nämlich das Organisationen, die auch ihre Welternährungsprogramm im Dezember 2014 Daseinsberechtigung haben, im Blick haben. praktisch von heute auf morgen seine Arbeit für die syrischen Flüchtlingen einstellen musste. Ich darf Ihnen allen mein herzliches Dankeschön sagen, dass Sie zu uns gekommen sind. Ich darf Es war notwendig  auch das will ich sagen  die Sie auch kurz vorstellen, ich fange gemäß dem humanitäre Hilfe in Deutschland neu Alphabet an, wie wir es dann auch bei den auszurichten. Das Spektrum reicht von der Stellungnahmen machen werden: Bei uns ist Frau Soforthilfe über die Nothilfe, die humanitäre Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Präsidentin von Übergangshilfe, die humanitäre Brot für die Welt und Diakonie-Katastrophenhilfe, Katastrophenvorsorge  insbesondere die uns schon einmal bei einer früheren „Preparedness“  bis hin zu humanitärer Minen- Anhörung zur Seite gestanden hat – herzlich und Kampfmittelräumung. Ich glaube, es war ein Willkommen, schön dass Sie da sind. Ich darf richtiger Ansatz, hier Änderungen vorzunehmen, Herrn Volker Gerdesmeier, Leiter der Abteilung um Menschen schneller, gezielter und besser Qualitätsmanagement und Controlling beim helfen zu können. Deutschen Caritasverband, bei uns begrüßen - herzlich willkommen! Ich darf bei uns begrüßen Frau Corinna Kreidler, freie Gutachterin für die Ich glaube aber auch, dass es einen Humanitäre Hilfe. Auch Sie sind uns herzlich Paradigmenwechsel bedeutet, dass die humanitäre willkommen. Ich begrüße Frau Manuela Roßbach, Hilfe von rein reaktiven Hilfeleistungen hin zu die als Geschäftsführerin von „Aktion einer vorausschauenden Hilfe geweitet wird. Die Deutschland hilft“, einer Dachorganisation, hier Anforderungen haben sich erheblich geändert. Die viele vertritt  viele NGOs, die engagiert bei der Rahmenbedingungen  Professionalität, Effizienz Sache dabei sind. Und ich darf herzlich bei uns und Qualität  spielen für die Wirksamkeit der Hansjoerg Strohmeyer, Leiter der Unterabteilung humanitären Hilfe künftig eine noch stärkere „Politik, Entwicklung und Studien“ des „Amtes Rolle und ich glaube  das soll meine für die Koordinierung humanitärer abschließende Bemerkung sein , dass wir diese Angelegenheiten der Vereinten Nationen“ Krise, in der wir sind  auch die humanitäre Krise (OCHA), willkommen heißen. Herr Strohmeyer  zu einem Wendepunkt machen müssen. Der hat den weitesten Weg nach Berlin gehabt, er humanitäre Weltgipfel in Istanbul muss aus kommt direkt aus New York und ist heute Mittag meiner Sicht auch eine klare Roadmap und klare gelandet. Umso mehr sage ich ein herzliches Ergebnisse produzieren, um zu zeigen, dass sich Dankeschön, dass Sie sich auf den Weg gemacht die Weltgemeinschaft bewusst ist, dass sie eine haben. Ich sage auch ein Dankeschön für die gemeinsame Verantwortung hat, aber auch, dass übersandten Stellungnahmen, die im Vorfeld sie konkrete Mittel, konkrete Ergebnisse liefern schon verteilt worden sind, die Sie aber auch muss. Was muss eigentlich noch passieren, damit noch einmal im Vorraum finden. Ich möchte auch diejenigen, die auf internationalen auf die Biographien der Sachverständigen Geberkonferenzen große Ankündigungen machen, verweisen - auch die finden Sie im Vorraum. auch konkrete Ergebnisse liefern? Ich glaube, dass auch dem Letzten eigentlich klar sein muss, dass die Illusion, dass man so weitermachen kann wie Ich darf zum Ablauf sagen, dass wir zunächst den bisher, nicht mehr funktionieren kann. Sachverständigen – in alphabetischer Reihenfolge – die Gelegenheit für Eingangsstatements von fünf Minuten geben wollen. Es hat sich als sehr Deswegen freue ich mich, dass Sie heute da sind, hilfreich erwiesen, da der Ausschuss ein sehr

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diskussionsfreudiger Ausschuss ist, dass wir dann einbringen dürfen. an die Statements unsere erste Frage- und Antwortrunde anschließen und so auch weiter verfahren. Ich habe bereits ziemlich ausführlich schriftlich Stellung genommen. Das werde ich logischerweise nicht unbedingt wiederholen, Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch einen sondern lieber noch ein paar Akzente setzen, auch Hinweis geben. Es ist mir ein Anliegen, hier im den einen oder anderen neuen oder weiteren Ausschuss zu sagen – weil uns die Nachricht vor Gedanken hinzufügen, wobei ich gerne auf das wenigen Minuten erreicht hat –, dass der schriftliche Dokument noch einmal verweise. chinesische Bürgerrechtler Harry Wu, der noch vor wenigen Wochen hier dem Ausschuss zur Verfügung gestanden hatte, verstorben ist. Er war Qualitätsstandards in der humanitären Hilfe: Wir ein bekannter chinesischer haben uns  das habe ich ausführlich berichtet  Menschenrechtsaktivist, der die Folter und mit unserem Netzwerk in den nationalen und eklatanten Missstände in chinesischen Lagern internationalen Diskussionen seit mehreren bekannt gemacht hat, den so genannten „Laogai- Jahrzehnten intensiv damit beschäftigt. Das muss Lagern“, und in Washington ein großes man nicht wiederholen. Wir denken, wesentlich Dokumentationszentrum eingerichtet hat. Die sind Diskussionen zur Verbesserung von Qualität Lager sind sehr berüchtigt, bis heute existiert dort und Wirkung an drei Aspekten zu orientieren: ein brutaler Umgang mit politischen Häftlingen. Schätzungen zufolge sind dort Millionen von Zum einen müssen die betroffenen Menschen Menschen ums Leben gekommen. An ihn will ich ganz entschieden in den Mittelpunkt aller heute zu Beginn unserer Anhörung erinnern, denn Überlegungen zur Verbesserung der Qualität er hat sich verdient gemacht nicht zuletzt damit, gestellt werden. Wie kann humanitäre Hilfe ihren dass er Verbrechen dokumentiert hat. Er war Bedarfen und auch ihren Potenzialen gerechter selbst ein Überlebender, einer der wenigen, die werden? Wie kann Ihre Selbstwirksamkeit und die Lager verlassen haben. Er hat sich später dann ihre Resilienz gestärkt werden? unter falscher Identität wieder auf den Weg in diese Lager gemacht. Ihm kommt ein großer Verdienst zu und deswegen bitte ich Sie um einen Zweitens braucht humanitäre Hilfe Flexibilität kurzen Moment der Stille. und Anpassungsfähigkeit an den je gegebenen konkreten Kontext und an die Bedarfe der Menschen und der humanitären Akteure. Ein Herzlichen Dank. Ich schlage vor, dass wir direkt differenziertes humanitäres „Ökoystem“ mit der Anhörung beginnen und Frau Füllkrug- sozusagen, in dem lokale und nationale Akteure Weitzel das Wort bekommt. eine ganz entscheidende Rolle spielen müssen, ist dafür von zentraler Bedeutung. Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Sehr geehrter Drittens muss sich die Diskussion um Qualität Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und und Wirkung daran messen lassen, wie sie Herren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und prinzipiengeleitete humanitäre Hilfe unterstützt. Kollegen, ich freue mich sehr, in welchem Dies geht oft ein bisschen unter, weil vieles sich Ausmaß das Gremium sich der Themen der mit technischen Dingen und Finanzen beschäftigt. humanitären Hilfe seit der letzten Das erfordert ganz konkrete Legislaturperiode angenommen hat - Sie haben es Überprüfungsmechanismen. Leider wurden im ja dargestellt. Ich freue mich auch sehr, dass wir Prozess der Erarbeitung der „Core Humanitarian von der Diakonie Katastrophenhilfe immer wieder Standards on Quality and Accountability“, die unsere Perspektiven und die Perspektiven unserer „Core Humanitarian Standards“ von den „Guiding internationalen Partner oder unseres Principles“ getrennt und in zwei Dokumente internationalen Partnernetzwerks „ACT Alliance“ separiert. Die „Principles“ sind seitdem irgendwie

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unverbindlich die Grundlage, finden sich aber de verbindlich vorgesehen werden - von vornherein facto in den Standards kaum wieder. Das lässt im Haushaltsplan und nicht nach dem Motto, dass nicht so ganz viel Gutes erhoffen. das, was am Ende des Jahres übrig ist, auch noch ausgegeben werden kann. Für eine prinzipienorientierte humanitäre Hilfe dürfen Schließlich die Finanzierung humanitärer Hilfe: auch im Bereich der Finanzierung geostrategische Wir gehen davon aus, dass das gegenwärtige oder sicherheitspolitische Strategien nicht die internationale System humanitärer Hilfe nicht Oberhand gewinnen. In längerfristigen Krisen nachhaltig und nicht angemessen ist. Lokale und wird verstärkt danach gesucht, wie in der nationale Akteure brauchen kurz- und langfristig Friedensarbeit die unterschiedlichen Maßnahmen Stärkung, um endlich in die Lage zu kommen, der humanitären Hilfe und der ihre eigene Verantwortung wahrzunehmen, selber Entwicklungszusammenarbeit besser „Disaster Risk Analysis“ zu machen, die komplementär aufeinander bezogen werden Bevölkerung effektiv auf vorhersehbare können. Dabei müssen sie aus unserer Sicht davor Katastrophen vorzubereiten, erste Hilfe zu leisten, bewahrt werden, einander zu untergraben. Das Rehabilitation mit der Bevölkerung und gemäß bedeutet, dass die Grenzen und das Mandat der deren Bedürfnissen zu planen und zu gestalten. humanitären Hilfe nicht marginalisiert, aber auch Deswegen haben wir  mit Blick auf die nicht überfordert werden. Die humanitären Finanzierung  folgende besondere Anliegen: Prinzipien dürfen nicht missachtet werden. Sie dürfen nicht als Ersatz für politische Lösungen Erstens: Welche Finanzierungsinstrumente und betrachtet werden, nicht als Ersatz für friedliche Modalitäten sind nötig, damit die lokalen und Konfliktbearbeitung oder die Verbesserung nationalen Akteure in diese Rolle hineinwachsen ökonomischer und sozialer Sicherheit. Und sie können? Das heißt, dass sie ihre Kapazitäten dürfen die benötigten Ressourcen für diese Arbeit ausbauen können und schon jetzt rasch und akut nicht absorbieren. Humanitäre Hilfe darf nicht zur an Mittel für die Erstversorgung herankommen. Ersatzhandlung für die langfristige Arbeit an Denn sie sind schließlich  wie alle wissen, aber Konflikt- und Fluchtursachen in den selten viele hervorheben  in den ersten Herkunftsländern werden und deren Finanzierung mindestens ein bis zwei Wochen die „First in Anspruch nehmen oder verdrängen. Responder“. Bisher stehen immer die Analysen und Maßnahmen internationaler Akteure im Zum Thema humanitäres Völkerrecht: Die Vordergrund, denen aber mittelfristig aus unserer Bundesrepublik hat die Pflicht sich weiter für Sicht lediglich eine Mittler- und eine stärkere Akzeptanz und Anwendung der im Unterstützerfunktion zukommen darf. Wir humanitären Völkerrecht verankerten Normen schlagen in diesem Zusammenhang vor, im Land einzusetzen – zuerst durch ein konsequentes der Katastrophe „Rapid Response Funds“ noch eigenes Vorbild, zum Beispiel, was die Achtung konsequenter primär für lokale und nationale der Neutralität und Unabhängigkeit humanitärer Organisationen vorzusehen. Was, wie gesagt, eine Hilfsorganisationen betrifft. Da gibt es viele intermediäre Rolle deutscher Organisationen Beispiele, über die man sprechen kann. nicht ausschließt, was aber eine Zweckbindung bedeutet. Für wen ist dieser „Rapid Response Fund“ bestimmt? Für uns eng damit verbunden ist die konsequente Einhaltung der politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen Außerdem braucht es, wie ich bereits gesagt habe, und sonstigen Rüstungsgütern. Gerade weil uns Finanzierungsmöglichkeiten für den langfristigen die Erfahrung zeigt, dass Rüstungsexporte in Kapazitätsausbau dieser Akteure. Ferner sollte ein Krisen- und Konfliktländer nicht die Lösung, größerer Teil der von Deutschland zur Verfügung sondern Teil des Problems sind, spricht sich die gestellten Mittel für Maßnahmen zu „Disaster Risk Diakonie Katastrophenhilfe grundsätzlich gegen Reduction Preparedness“ – Stärkung der Resilienz jegliche Rüstungsexporte in solche Länder aus. von Gemeinschaften in „Disaster Prone Areas“ 

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Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich die Volker Gerdesmeier (Deutscher Caritasverband e. Arbeit der „International Humanitarian Fact V.): Sehr geehrter Herr Ausschussvorsitzender, Finding Commission“. Sie stellt ja deren sehr geehrte Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Vizepräsidenten. Sie sollte bitte auch konkret Kollegen, herzlichen Dank auch von mir für die unterstützend sein bei der Aufklärung der Möglichkeit, an diesem  aus unserer Sicht sehr Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser in Nord- wichtigen  Gespräch zum Thema „Qualität, Syrien am 15. Februar 2016, speziell auf das Qualitätsstandards in der humanitären Hilfe“ Krankenhaus von „Ärzte ohne Grenzen“ in Maarat teilzunehmen. Ich möchte fünf Punkte an-Numan in der Idlib-Provinz, und bei der hervorheben: Aufklärung der Vorgänge im „Razih-District“ im Nord-Jemen am 10. Januar 2016. Sie sollte auf VN- Ebene darauf drängen, gegebenenfalls mögliche Der erste lautet: Es ist uns wichtig, noch einmal Konsequenzen aus den Ergebnissen zu ziehen. zu differenzieren  in den Fragen, die vorab Des Weiteren muss sie national und international gestellt wurden, schien uns das etwas ineinander ihren Beitrag dazu leisten, der Straflosigkeit bei zu fließen. Wir glauben nicht, dass Kriegsverbrechen entgegen zu wirken. Dazu muss Qualitätsstandards als zentrales Anliegen die eine effektive Aufarbeitung von Fällen der gewünschte Effizienz haben. Wir glauben nicht, Verletzung des Völkerstrafrechts im nationalen dass das Verfolgen der Qualitätsstandards uns in und internationalen Rahmen stattfinden. die Lage versetzen wird, sozusagen mit den Deutschland muss hier an einer verbindlichen gleichen Mitteln mehr Menschen zu erreichen - da Strafprozessordnung arbeiten. Aber das betrifft müssen wir vorsichtig sein, da würden wir zu viel einen anderen Ausschuss und der hat gestern erwarten. Wir denken, dass ein stärkeres dazu auch eine Anhörung gehabt. Ich wollte es Verfolgen der Qualitätsstandards zunächst einmal nur einmal gesagt haben. Ich glaube, meine Zeit kostet. Wir müssen mehr investieren. Es ist zum ist um. Beispiel schwieriger, in einer Region zu arbeiten, die besonders abgelegen ist, wo der Bedarf am größten ist. Das kostet. Das müssen wir auch Ich hätte noch einen Punkt - wenn ich das noch unseren Geldgebern gegenüber oft vertreten. zu speziellen Herausforderungen der humanitären Trotzdem ist es zum Beispiel einer der zentralen Hilfe sagen darf: Flüchtlinge brauchen innerhalb Qualitätsstandards der unparteiischen Hilfe, der aufnehmenden Länder eine wirkliche bedarfsorientiert zu arbeiten. Insofern wollen wir längerfristige Perspektive, weil politische noch einmal betonen, dass man genau Lösungen in der Regel nicht schnell zu realisieren differenzieren muss. Die Orientierung an sind. Die durch die relevanten Akteure zu Qualitätsstandards kostet und wir müssen dafür schaffenden rechtlichen und infrastrukturellen investieren. Aber wir halten es für absolut Maßnahmen und Rahmenbedingungen müssen so sinnvoll und notwendig. Wir danken dafür, dass angelegt sein, dass sie den Geflüchteten innerhalb Sie das hier zum Thema machen und auf die der aufnehmenden Gesellschaft eine mittel- bis Agenda setzen. Es ist für uns ein zentrales längerfristige Perspektive bieten und die Anliegen. Übernahme von Eigenverantwortung ermöglichen. Die Bedürfnisse und der Schutz von besonderen Gruppen  sie haben eingangs Frauen, Kinder, Wir glauben, dass sich die Beschäftigung mit Behinderte genannt  dürfen hierbei nicht aus Qualitätsstandards zunächst vor allem  wie Frau dem Blick geraten, sondern müssen im Zentrum Füllkrug-Weitzel auch gesagt hat  um das Thema stehen. Wir versuchen in unserer Arbeit, prinzipiengeleiteter humanitärer Hilfe dreht. Wir dementsprechend zu handeln, durch den Fokus glauben, dass es zu viele Akteure in der auf „Non-Camp People“ und die Gastbevölkerung, humanitären Hilfe gibt. Wir haben zum Beispiel durch die konsequente Berücksichtigung von in Haiti gesehen  10 000 NGOs waren vor Ort , Genderaspekten sowie durch die Umsetzung von dass es extrem schwierig war. Wir haben uns dort Verhaltensrichtlinien und Standards bei unseren sozusagen gegenseitig auf den Füßen gestanden. eigenen Mitarbeitern und den Mitarbeitenden Es war extrem schwierig, sich in irgendeiner Form unserer Partnerorganisationen. zu koordinieren. Es waren auch Organisationen

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vor Ort, deren Qualität durchaus fraglich war. Wir alle betroffenen Akteure schulen und dass wir glauben, dass es Sinn macht, das zu thematisieren evaluieren. Dass wir evaluieren und sozusagen auf und es in irgendeiner Form extern zu ordnen und Basis von empirischen Ergebnissen schauen: Wo zu überprüfen. Wir denken auch, dass sind wir gut, wo sind wir nicht gut, wo müssen prinzipiengeleitete humanitäre Hilfe extrem wir besser werden? Wir denken, dass der ganze wichtig ist. Wenn wir in großen humanitären humanitäre Sektor in den letzten Jahren und Katastrophen agieren, befinden wir uns sehr oft in Jahrzehnten sehr viele gute Leitlinien, Policies zerfallenen Staaten, in Situationen, wo wir Tag für und Indizes entwickelt hat, dass wir aber  in der Tag immer wieder in schwierige Dilemmata konkreten Projektarbeit vor Ort  sehr stark daran kommen, uns immer zu Gewaltakteuren und zu arbeiten müssen, diese auch konkret zum Leben lokalen Autoritäten verhalten müssen. Wir zu bringen und sie vom Kopf auf die Füße zu brauchen eine Richtschnur, einen Kompass für stellen. unsere tägliche Arbeit. Das ist das Zentrale, warum wir uns mehr mit den Qualitätsstandards beschäftigen müssen. Thema Evaluierung: Wir haben ja gemeinsam dieses Konzept entwickelt  „Evaluierung in der humanitären Hilfe, Wirkungserfassung“. Wir Drittens, wie auch schon Frau Füllkrug-Weitzel denken, dass es sehr schwer zu erfassen ist. Wir sagte: Humanitäre Hilfe steht immer in der Gefahr, sind dafür, dass die Qualität von humanitären als Ersatz für Handeln in anderen Politikfeldern Akteuren unabhängig geprüft und auch extern eingesetzt zu werden. Auch da müssen wir uns untersucht wird. Wir denken aber, dass wir, wenn immer wieder unserer Prinzipien vergewissern. wir wirklich eine Qualitätsverbesserung erreichen Den „Core Humanitarian Standard“  so wie er wollen, eine sehr differenzierte, intensive Analyse jetzt ist, wie er verabschiedet wurde  halten wir der Arbeit vor Ort brauchen. Das geht nicht über für sehr gut. Wir denken, dass es ein sehr guter ein Abklappern von Fragebögen und schon gar Schritt nach vorne ist. Es war ein guter nicht über ein Aufblähen von Antrags- und partizipativer Prozess. Wir freuen uns, dass nicht Berichtsformaten. Das erleben wir sehr stark in wirklich zentrale neue Ziele benannt wurden. Wir der Praxis und da sind wir auch selber nicht ganz denken, dass dies gut so ist. Die Ziele  so wie sie unschuldig. Wir können solche zentralen schon 1994 im „Code of Conduct“ formuliert wichtigen Querschnittsfragen nicht erledigen, wurden  sind hier noch besser ausformuliert, indem wir einige Zusatzfragen im Antragsformat konkreter geworden und unterlegt mit Indikatoren stellen. Wir müssen konkret und genau vor Ort und anderem Material. Das halten wir für sehr analysieren. Das ist eine große Herausforderung. gut. Wir begrüßen, dass das Thema Neutralität Wir arbeiten seit Jahren daran. Wir begrüßen sehr auch im neuen „Core Humanitarian Standard“ an stark das neue Evaluierungskonzept unserer zentraler Stelle verankert ist. Das war eine zuständigen Arbeitseinheit im Auswärtigen Amt intensive Debatte. Das hat vorher – zum Beispiel (Referat S05), die uns auch da sehr gut unterstützt. im „Code of Conduct“ – gefehlt.

Dritter wichtiger Punkt aus unserer Sicht: Um Wir denken auch, dass mit der erfolgten mehr an der inhaltlichen Qualität arbeiten zu Verabschiedung des „Core Humanitarian können, müssen wir die Projektadministration Standard“ die Arbeit jetzt erst anfängt. Wir vereinfachen. Wir müssen Zeit gewinnen und frei erinnern an eine Evaluierung des „Code of spielen können. Wir haben extrem enge Vorgaben. Conduct“ nach zehn Jahren, 1994 bis 2004. Da Wir haben von außen gesetzte Jährlichkeiten. Wir zitierte die Autorin einen Helfer, der sagte, dass haben eine sehr kleinteilige Steuerung. Wir alle ihn unterzeichnet, aber keiner gelesen habe. müssen uns jeweils kleinteiligste Änderungen Wir denken, dass es extrem wichtig ist, dass wir genehmigen lassen. Wir haben auf der uns im humanitären Sektor mit den Inhalten Arbeitsebene im Referat S05 oder auch im auseinandersetzen, dass wir uns auch die Bundesministerium für wirtschaftliche Ressourcen dafür nehmen, dass wir zentral eben Zusammenarbeit und Entwicklung unsere Leute vor Ort, unsere Partner vor Ort und Übergangshilfen und immer sehr gute

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Ansprechpartner, die versuchen, uns sozusagen kommen. Wir müssen da ganz neu denken. Wir aus den gegebenen Richtlinien zu unterstützen finden den Bericht des VN-Generalsekretärs sehr und so flexibel wie möglich zu sein. Aber die erfreulich. Aber ich denke, wir müssen das auch Vorgaben, die wir haben, die Förderrichtlinien, einmal ganz konkret bei uns diskutieren, an einer die wir haben und das Zuwendungsrecht, das wir Verstetigung der Finanzierung und auch an der haben, beschränken uns und erschweren es uns, Überarbeitung der Konzepte, wie wir sie jetzt die Qualität in der humanitären Hilfe zu steigern. haben, arbeiten. Daran zu arbeiten, ist für uns ein extrem wichtiger Hebel, damit wir uns wirklich an die inhaltliche Verbesserung der Qualität machen können. Es gibt Fünfter, letzter Punkt: Wir denken, wir sollten  begonnene Prozesse  wie jetzt im Auswärtigen bei aller Betonung der Neutralität der Amt: Die Förderrichtlinie wird überarbeitet und humanitären Hilfe  in all den Situationen, in dahingehend wurde auch der Dialog mit uns denen wir arbeiten, in den Gewaltkonflikten  80 geführt. Das begrüßen wir sehr, das halten wir für Prozent der humanitären Hilfe geht in sehr sinnvoll. Aber grundsätzlich ist es immer langdauernde Gewaltkonflikte  uns noch viel noch so, dass sich jeder Geldgeber ein anderes mehr über den politischen Prozess in diesen Format leistet und dass wir durch Ländern unterhalten. Deutschland könnte viel Mikromanagement ein Stück weit geknebelt sind, stärker als friedenspolitischer internationaler die Arbeit wirklich voranzubringen. Akteur wirken. Zum Beispiel wird die Arbeit, die Herr Koenigs macht, von den NGOs sehr geschätzt. Wir glauben, dass etwas ähnliches auch Vierter, vorletzter Punkt: Verlässliche langfristige in Gewaltkonflikten in Afrika, in der Finanzierung. Das wird immer so dahingesagt. Ich Zentralafrikanischen Republik zum Beispiel möchte ganz kurz einmal ein konkretes möglich sein könnte. praktisches Beispiel nennen. Ich selbst habe von 1999 bis 2000  während des Bürgerkrieges  im Südsudan gearbeitet, einem der Länder mit der Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Sie beziehen höchsten Müttersterblichkeit. Wir haben nach sich auf die Arbeit in Kolumbien. sechzehn Jahren ohne jede medizinische Versorgung gemeinsam mit der Diakonie- Volker Gerdesmeier (Deutscher Caritasverband e. Katastrophenhilfe  im Austausch und in sehr V.): Ja, Entschuldigung, Herr Koenigs ist guter Koordinierung  begonnen, wieder eine Sonderbeauftragter für den Friedensprozess in Grundversorgung aufzubauen. Am Anfang waren Kolumbien. Wenn wir eine ähnliche Rolle, eine alle Mitarbeiter Ausländer, weil Menschen dort  parlamentarische Beobachtung und Unterstützung lokale Kollegen und Kolleginnen meines Alters  der Prozesse auch in langdauernden Konflikten in weder lesen noch schreiben konnten, weil sie Afrika südlich der Sahara hätten, wäre das ein wegen des Krieges eine verlorene Generationen großer Sprung. Vielleicht können wir später waren. Wir sind dran geblieben, wir haben zehn, darüber noch sprechen. Vielen Dank. fünfzehn, zwanzig Jahre weitergearbeitet. Inzwischen sind alle Kollegen vor Ort  bis zur Leitungsebene  Einheimische. Das wäre nicht Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Dann die möglich gewesen, wenn wir das mit Ein- und Nächste in der Runde. Ich habe vorhin etwas Ausfinanzierung  wie wir sie oft nur bekommen lieblos „freie Gutachterin“ gesagt. Dahinter  versucht hätten. Wir konnten das nur aus verbirgt sich aber ein hoher Erfahrungsschatz als Spendenmitteln so weiterführen. Wir haben Gutachterin aus der Arbeit bei der Gesellschaft für damals wirklich Klinken geputzt. Es war extrem Internationale Zusammenarbeit, der Deutschen schwierig, öffentliche Finanzierung zu Welthungerhilfe, der Europäischen Kommission, bekommen. Es war den einen zu dem „Norwegian Refugee Council“ und bei ihren entwicklungslastig, den anderen zu nothilfelastig, jetzigen Auftraggebern. In der Vergangenheit es war zu wenig Antiterrormaßnahme, es war zu waren dies das Auswärtige Amt, die Kreditanstalt wenig Fluchtursachenbekämpfung, weil die für Wiederaufbau, die GIZ, das Technisches Menschen aus dem Südsudan ja nicht hierher Hilfswerk, VN-Agenturen und das britisches

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Entwicklungsministerium. Das wollte ich noch Kernbotschaft , dann muss die humanitäre Hilfe ergänzen. Damit können sich vielleicht die da ankommen, wo Bedarf und Not am Größten Zuhörer noch ein bisschen mehr vorstellen. Sie sind - auch wenn diese Krise vielleicht vergessen haben das Wort. wäre. Jetzt könnte man denken: Das ist doch logisch, ganz einfach, das machen wir. Es ist aber gar nicht so einfach, dies in der Realität Corinna Kreidler (Gutachterin Humanitäre Hilfe): umzusetzen, denn das bedeutet erstens, dass wir Vielen Dank, Herr Brand, das ist sehr freundlich den Bedarf kennen müssen, dass wir belastbare von Ihnen. Sehr geehrte Abgeordnete, liebe Daten brauchen. Zweitens müssen wir die Hilfe Kolleginnen und Kollegen und liebe Gäste  oben dann auch dorthin bekommen, wo der Bedarf am auf der Tribüne und hinter mir. Auch ich danke größten ist. Und drittens müssen wir dazu stehen, für die Einladung zu dieser Anhörung und die dass irgendwo anders, wo der Bedarf auch Gelegenheit, zu Ihnen zu sprechen. Ich vertrete gegeben ist, aber nicht ganz so dramatisch, keine Organisation, sondern zwanzig Jahre möglicherweise weniger Geld hinkommt. Ich praktische Erfahrung in verschiedensten Rollen in möchte Ihnen ein Beispiel geben: Die vielen verschiedenen Konfliktländern und habe internationale Gebergemeinschaft fordert von der mir für das Eingangsstatement drei internationalen humanitären Hilfe in einem Land Kernbotschaften vorbereitet, die mir sehr am eine gemeinsame Strategieentwicklung. Daraus Herzen liegen. ergeben sich dann jährlich  im Moment noch meistens jährlich  sogenannte „Humanitarian Die erste Botschaft ist: „Die humanitäre Hilfe ist Response Plans“. Der Irak hat 2015 sehr klar kein geschenkter Gaul mehr, dem man nicht ins vorgemacht, wie bei dieser Strategieentwicklung Maul schauen darf“. Wie Sie schon am Anfang auch harte Entscheidungen gefällt werden erwähnt hatten, war die humanitäre Hilfe früher müssen, um zu klaren Prioritätensetzungen zu eher Ausdruck unserer Wohltätigkeit und kommen. Als Ergebnis sieht dieser „Response deswegen war „gut gemeint“ sozusagen als Plan“ dann „First“, „Second“ und Third Line Qualitätsstandard ausreichend. Heute haben wir Responses“  abgestuft nach dem Bedarf  vor. Es uns darauf verständigt, dass die von Krisen und sind aber viel zu wenig Organisationen auch Katastrophen Betroffenen Rechte haben. Wir alle wirklich in der Lage, „First Line Response“ zu  die Hilfsorganisationen, die Geber, die leisten. Da, wo es richtig wehtut, direkt hinter der betroffenen Regierungen natürlich, aber auch Front, wo die Geflüchteten aus Ramadi zum Haushaltsschüsse in Geberländern  sind diesen Beispiel ankommen, sind das Internationale Betroffenen gegenüber rechenschaftspflichtig, Komitee vom Roten Kreuz und „Ärzte ohne nicht nur gegenüber den Steuerzahlern. Grenzen“ leider oft allein. Für die Geber heißt das, dass sie diese Prioritätensetzung, die sie ja einfordern, dann auch honorieren müssen und Dies bedeutet aus meiner Sicht zweierlei: Zum ihre Finanzierungsentscheidungen entsprechend einen muss es einen sehr engen Zusammenhang fällen und nicht nach anderen Gesichtspunkten. zwischen der Qualität der Hilfe  die vor Ort Was diese sein könnten, haben meine Vorredner geleistet wird  und der institutionellen schon erwähnt. Förderung geben. Gemeint ist die Qualität der Hilfe aus der Sicht der Betroffenen. Ich denke, es ist dann auch hier im Ausschuss wichtig, das Auswärtige Amt, das große Zum Zweiten müssen wir die Qualität der Hilfe, Fortschritte in diese Richtung macht und hier vor allem und ganz zuvorderst an ihrer Relevanz wirklich „pusht“, auch politisch zu unterstützen messen. Entspricht sie dem wirklichen Bedarf der und diese Prioritätensetzung nicht mitunter zu Betroffenen? Und zwar dem Bedarf, den wir konterkarieren. differenziert wahrnehmen: von Frauen und Männern, Jungen und Mädchen, Menschen mit und ohne Behinderungen. Wenn wir es ernst Mein dritter und letzter Punkt: „Die deutsche meinen mit dieser Relevanz  das ist meine zweite humanitäre Hilfe muss vor Ort mit am Tisch

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sitzen“. Und zwar nicht nur in New York, Genf Standards“ mitgebracht“. Das kann sich jeder und Berlin, sondern auch Bangui, Bamako und in gleich einmal anschauen. Nachdem 1994 der Bagdad. Das heißt, die internationale Vernetzung Genozid in Ruanda stattgefunden hatte, fingen die der deutschen Akteure muss noch stärker internationale Gemeinschaft, vor allem die gefördert, aber auch gefordert werden. internationalen NGOs an sich zu überlegen, wie man die Standards verbessern könne. Ich finde, wir haben so viel erreicht, es sind so viele gute Zweitens: Die deutsche humanitäre Hilfe muss in Handreichungen entwickelt worden, doch den Clustern – in gemeinsamen manchmal scheint es mir, dass es an der Bedarfserhebungen, in gemeinsamen Vermittlung des Wissens fehlt. Und wenn wir uns Evaluierungen und in „Humanitarian Country das prioritär vor Augen halten und auch die Teams“ – noch stärker vertreten sein. Da sucht Vermittlung des Wissens an die Betroffenen  man deutsche Akteure leider oft noch vergeblich. dieses „Sphere-Handbuch“ zum Beispiel gibt es in über 40 Sprachen, es ist nach dem Erdbeben in Drittens sollten auch die Entscheidungen über die Haiti sofort in „Kreol“ übersetzt worden – gilt das Vergabe deutscher Mittel und das Monitoring zum Beispiel auch für kleinere Organisationen in laufender Projekte stärker dezentral erfolgen. Das Deutschland – Sie sprachen davon –, die heißt, durch eine stärkere Präsenz vor Ort, im vielleicht nicht so breit aufgestellt sind. Konzert mit den anderen Gebern, die vor Ort deutlich besser vertreten sind als die Wenn wir zunächst einmal Wissensvermittlung Bundesrepublik. Das war in den letzten Jahren, betreiben würden, dann hätten viele Menschen wo der Haushalt des AA noch sehr viel auch ein Gespür dafür und wüssten, worauf es bescheidener war, nicht so dramatisch. Jetzt hat ankommt. Denn wir sitzen hier alle als Experten. sich das ja erfreulicherweise geändert. Diese ganz Wir wissen, dass humanitäre Hilfe professionell wichtige Rolle, die Deutschland jetzt finanziell ist. Aber wenn ich nach draußen gehe, wenn ich spielt, muss es auch durch entsprechende mit Spendern spreche, mit der Öffentlichkeit, personelle Vertretung spielen können. Denn vor sieht sie es eben nicht so. Ich glaube, da müssen Ort kann der Mehrwert und die Qualität der Hilfe wir einfach noch stärker gemeinsam arbeiten und am besten eingeschätzt werden, und darum geht nicht nur in unserem kleinen Kreis. es ja. Denn Sie erinnern sich, die humanitäre Hilfe ist kein „geschenkter Gaul“. Trainingseinheiten finden international  im angelsächsischen Raum sehr viel stärker als bei Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Vielen Dank für uns – statt. Das ist anzuregen. Auch hier sind die sehr konkreten Hinweise und das „Den Finger Ausbildungsstätten, Fachhochschulen, in die Wunde legen“. Wir freuen uns, dass Hochschulen, schon dabei, sich um die „Aktion Deutschland Hilft“ bei uns ist. Frau Vermittlung von Wissen zu kümmern, allerdings Roßbach, Sie haben das Wort längst nicht so sehr wie in anderen Ländern. Und da schließt sich auch der Kreis zu meinen Manuela Roßbach (Aktion Deutschland Hilft e. Vorrednern. Wir Deutschen sind in solchen V.): Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Sachen eher zurückhaltend, tragen aber gerne mit. Abgeordnete. Ich freue mich auch. Vielen Dank Vielleicht wäre das eine Sache, die wir noch für die Einladung. Ich würde gerne ebenfalls den einmal reflektieren könnten. Fokus auf drei Punkte legen. Ich hoffe es gelingt mir. Im übrigen ist es so  ich habe es in meinem Statement beschrieben: Humanitäre Hilfe Das eine ist, dass ich Ihnen gerne auch noch orientiert sich an den humanitären Prinzipien - einmal mitteilen möchte, wie lange wir schon an das sagen wir alle hier. Das muss aber auch den Standards arbeiten. Ich habe Ihnen das wirklich gelebt werden. Menschlichkeit, „Sphere-Handbuch“ und die „Core Humanitarian Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit

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bedeuten eben, dass wir den Menschen vor Ort weiterzuentwickeln und die humanitäre Hilfe helfen. Das bedeutet aber auch, dass wir, wenn damit auch. sich Flüchtlinge auf den Weg machen  so wie letzten Sommer  an allen Stationen dieser Flucht das gleiche Prinzip anwenden. Und da wird es Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen dann schon ein bisschen schwieriger. Auf einmal Dank, Frau Roßbach, der Nächste ist Herr Dr. fangen wir an und lassen politische Faktoren und Strohmeyer. Überlegungen doch eine stärkere Rolle spielen als das Prinzip, dem wir uns eigentlich untergeordnet Dr. Hansjoerg Strohmeyer (OCHA): Vielen Dank, haben. Herr Vorsitzender für die Einladung. Liebe Abgeordnete, liebe Kollegen, das war schon eine Der dritte Punkt, der mir persönlich sehr wichtig sehr erquickliche und ergiebige Runde. Ich will ist, weil ich viele Gespräche geführt habe: Ich mich auf ein paar zusätzliche Punkte finde, wir müssen ganz, ganz stark darauf achten, konzentrieren und mit einem kleinen Rückblick dass wir Schutzräume für Frauen und Kinder starten. schaffen, und zwar auf allen Stationen. Das ist leicht daher gesagt, aber was es konkret bedeutet, Es scheint, dass sich humanitäre Hilfe in ungefähr zeigt sich, wenn Frauen  ich habe selber hier mit Zehnjahreszyklen verändert. Vor 25 Jahren hat die einer Dame aus Afghanistan im letzten Oktober Generalversammlung der Vereinten Nationen gesprochen, mit ihren halbwüchsigen Kindern  einen Beschluss zur stärkeren Koordinierung fünf Monate lang mit den Kindern unterwegs humanitärer Nothilfe gefasst. Das kam aus den sind. Die Frauen sind alleine, ohne männliche Bosnien-, Ruanda-, Afghanistanerfahrungen Begleitung. Sie werden nicht immer höflich heraus, aus den Bildern aus dem Irak, die manche behandelt  das ist noch der gelindeste Ausdruck von uns noch kennen, wo Flüchtlinge im Norden  und die Kinder müssen zuschauen, wie die Iraks, die sich auf der einen Seite im Schnee einzige Schutzperson, die sie haben, schlecht befanden, nicht auf die andere Seite konnten, weil behandelt wird. Wenn sie dann irgendwo sie auf der einen Seite Binnenflüchtlinge waren ankommen  sei es im Übergangsland oder bei und noch nicht Flüchtlinge nach der uns  , dann sind diese Menschen in hohem Maße Flüchtlingskonvention. Daraus ist mein Büro  traumatisiert. Das äußert sich dann auch so. das Büro für die Koordination humanitärer Natürlich gehen sie in die Räume, die ihnen Angelegenheiten  entstanden. zugewiesen werden, aber wenn neben ihnen Familien  auch mit Männern  wohnen, dann haben sie Angst. Ich versuche, es an diesem Dann gab es 2005, das Jahr, in dem der Tsunami, Beispiel einmal deutlich zu machen: Wenn wir das Erdbeben in Pakistan und die Krise in Darfur Schutzräume haben, wohin sich diese Personen im Sudan stattgefunden haben. Das hat zur zurückziehen können, wo sie unter sich sind, wo humanitären Reform und zu den Clustern, die sie einfach wieder Kraft schöpfen können, dann erwähnt worden sind, geführt. Ich glaube, dass wird es auch möglich sein, die schrecklichen wir im Moment an einem ähnlichen Wendepunkt Erfahrungen zu überwinden. Dasselbe gilt für stehen, wie bei den früheren Zehnjahreszyklen. Kinder. Es gilt auch für alte Menschen auf der Herr Vorsitzender, Sie haben dies selbst erwähnt: Flucht und für Behinderte. Mit „Business as usual“, also so, wie wir bisher vorgegangen sind, können wir im Hinblick auf die Zahlen, die wir aktuell haben, die Anforderungen Ich möchte auch noch einmal nachdrücklich an humanitäre Hilfe, nicht weitermachen. bestätigen was meine Vorredner sagten: Viele unserer Organisationen leisten hervorragende Arbeit. Es wäre schön, wenn wir das auch im Was sind im Hinblick auf humanitäre Hilfe die internationalen Verbund stärker und Kernelemente dessen, das sich verändern muss? selbstbewusster vortragen würden und dann eben Wir haben in den letzten zehn Jahren einen auch dazu beitrügen, Standards Anstieg der humanitären Hilfe von über 400

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Prozent gesehen - vor zehn Jahren 3,8 Milliarden, hier manchmal den Eindruck, dass humanitäre heute über 20 Milliarden. Das ist nicht alles Hilfe eine Ersatzleistung für politische Untätigkeit finanziert, aber das sind die Anforderungen der oder politischen Unwillen ist. Das heißt nicht, das VN-Appelle; ungefähr 50 oder 54 Prozent davon dass solche politischen Investitionen einfach sind finanziert. wären. Es ist nicht so, dass man einfach mit Obama oder Putin sprechen könnte und dann ergäbe sich das. Man steht heute vor viel Die verschleppten langjährigen Krisen sind das komplexeren Situationen mit regionalen und Normale. Humanitäre Hilfe ist gegründet, lokalen Akteuren, die alle hinter einen erfunden worden  wie wir gerade erfahren Friedensprozess gebracht werden müssen. haben  , um schnell und aktiv akute Krisen zu bedienen. Was wir heute sehen, ist, dass eine humanitäre Krise durchschnittlich siebeneinhalb Man hat zweitens das internationale Recht, was Jahre dauert. Wir sind für siebeneinhalb Jahre und Sie angedacht haben. Aber man hat auch das länger in vielen Gebieten tätig, wenn wir uns den Modell, wie wir heute Hilfe insgesamt darbieten. Sahel angucken oder Darfur, in vielen anderen Das heißt, humanitäre Hilfe läuft heute häufig – Bereichen sogar fünfzehn Jahre und länger, mit um ein Beispiel zu geben – folgendermaßen: Wir Flüchtlingscamps von bis zu einer Million und haben in Jahr „eins“ ein Flüchtlingscamp, wir darüber. 80 Prozent der Gelder werden heute in haben irgendwo eine Million Flüchtlinge. Im Jahr fünf Krisen ausgegeben. Selbst im „Peacekeeping- „eins“ werden Wasser, Nahrungsmittel und Zelte Bereich“ sieht es so aus, dass Missionen heute zur Verfügung gestellt. Im Jahr „Zehn“ sind es dreimal länger dauern als vor zehn Jahren. Der Erziehung, Ernährung und sehr komplexe Trend ist ganz klar: Diese verschleppten Programme - alles aus humanitären Mitteln. Das langwierigen Krisen sind das Normale, nicht die heißt, im Jahr „zehn“ haben wir eine Million kurzfristige, akute Notlage. Wir müssen uns Leute  wir haben in Darfur jetzt für 15 Jahre dementsprechend umstellen. Im Blick darauf verschiedene Camps mit 100 000, 150 000 einen kurzen Dank natürlich auch von unserer [Flüchtlingen]; das sind größere Städte in Seite für den enormen Sprung nach vorne, den Deutschland  auf der Basis humanitärer Hilfe am Deutschland  dank Ihrer Arbeit und auch der Leben erhalten. Wir fordern nicht nur einen Arbeit von Frau Aderholt und der Kollegen im AA Paradigmenwechsel, sondern - wie Sie, Herr  gemacht hat. Durch deutlich erhöhte Brand, gesagt haben - wir müssen uns auch Finanzierungsmittel ist Deutschland heute einer überlegen, wie wir den Bedarf vorausschauend der bedeutsamsten Geber und seiner verringern können. Das ist für mich der Verantwortung gerecht geworden. eigentliche Paradigmenwechsel. Die offiziellen Zahlen sind so, dass wir nach der Genfer Flüchtlingskonvention ein Drittel externe Aber es gilt, was andere auch gesagt haben: Der Flüchtlinge und zwei Drittel Binnenflüchtlinge humanitäre Bedarf wird nicht sinken, er wird sich haben, also 40 Millionen Binnenflüchtlinge und weiter nach oben entwickeln. 20 Millionen internationale Flüchtlinge. Die Bevölkerungswachstum, Klimawandel und die Binnenflüchtlinge sind also ein großes Problem. Entwicklung von Konflikten deuten alle Wenn wir irgendwo eine Million Leute haben, ist daraufhin, dass wir in zehn Jahren noch mehr es heute so, dass wir in Jahr „eins“ aus den Bedarf haben und in noch längerfristigen Krisen Gründen, die unsere Kollegen dargestellt haben, tätig sein werden. Das stellt nicht nur die Frage geben, was wir können. In Jahr „zwei“ sagen wir, nach der Effektivität. Natürlich ist Effektivität ein die Leute hätten aber noch mehr Bedarf. Also Qualitätsmerkmal, aber auch, wie wir den Bedarf gehen wir zu Ihnen und zu anderen Ländern und anders angehen. Das heißt – der Bericht des sagen, dass wir noch mehr Geld brauchen. In Jahr Generalsekretärs zum „Humanitären Weltgipfel“ „drei“ brauchen wir dann noch mehr Geld. Und mit dem Titel „One Humanity, Shared so können wir demonstrieren, dass der Bedarf, Responsibility“ stellt das klar , es gibt einen nicht notwendigerweise die Zahl der Leute pro Zyklus, der viel mehr Investitionen in Prävention Jahr immer weiter nach oben geht. Der und Konfliktlösung erfordert. Man hat zumindest [eigentliche] Kostentreiber ist diese

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Verschleppung der Krisen. Investitionen in mehrere Jahre mit Entwicklungshilfeakteuren, mit Prävention- und Konfliktsolution sind ein lokalen Akteuren und Behörden [entwickeln]. Wo Effektivitätsmerkmal. das möglich ist, ist es ein absolutes Muss und für mich ein Teil dieser Qualitätsstandards- Diskussion, weil es den Bedarf verringert. Das zweite ist, dass wir langfristig anders zusammenarbeiten müssen. Nicht jedes Gebiet ist Aleppo, Homs oder Bangui. Natürlich stellt Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen niemand in diesen Gebieten humanitäre Hilfe in Dank. Auch ein besonderes Dankeschön für das Frage. Das ist absolut notwendig, da kann es nicht Erwähnen von Darfur und Sudan. Ich glaube um die Erweiterung von Entwicklungszielen auch, dass die sogenannten „vergessenen Krisen“ gehen, da geht es um humanitäre Prinzipien, um auf den Tisch gehören. Ich will im Übrigen nur Zugang, um lebensrettende Maßnahmen. Aber es eins zum Thema „Paradigmenwechsel“ ergänzen. gibt auch andere Gebiete, etwa den Sahel, wo es Sie haben vollkommen Recht: Es geht nicht nur Nahrungsmittelknappheit gibt, es gibt viele darum, humanitäre Hilfe effizienter zu gestalten. Gebiete, wo wir uns eine andere Zielsetzung Deswegen hatte ich vorher auch davon setzen müssen als den Bedarf und was wir tun gesprochen, Fluchtursachen konsequent zu können, um ihn zu verringern. Was können wir bekämpfen, weil es nicht nur um Effizienz geht, tun, um über einen Zeitraum von fünf Jahren die sondern vor allen Dingen darum, Untätigkeit an Anzahl von Binnenflüchtlingen durch vielen Stellen zu beenden. Zurückführung, durch Integration in die Communities, in denen sie sind und durch internationales „Resettlement“ zu verringern - so Ich danke Ihnen allen für Ihre müssen wir da herangehen und das muss Eingangsstatements. Wir werden es jetzt so halten, finanziert werden. Wer kann das machen, wie dass wir eine Fraktionsrunde starten, dass Sie kann das finanziert werden? Es bedeutet, dass wir jeweils Ihre Fragen notieren und dann in ein komplexeres Gebilde vor uns haben, wo es umgekehrter Reihenfolge  Herr Strohmeyer, Sie nicht nur darum geht, was für Inputs wir haben, sind dann der Erste  antworten werden. Für die was wir ausliefern können. Es geht darum, was für CDU/CSU-Fraktion darf ich das Wort dem Ergebnisse wir in Fünf-Jahres-Zeiträumen erzielen Kollegen Patzelt geben. können, die im Endeffekt zumindest die Zielsetzungen  die längerfristigen Zielsetzungen Abg. (CDU/CSU): Zunächst möchte  der Entwicklungshilfe und der nachhaltigen ich Sie, Frau Roßbach, etwas fragen. Sie haben in Entwicklungsziele, die letztes Jahr verabschiedet ihrer Stellungnahme gesagt, dass bei der worden sind, unterstützen. Das heißt nicht, dass Umsetzung der vorhandenen Standards wir die humanitäre Hilfe politisieren wollen, aber Evaluierungen der eigenen Arbeit unerlässlich dass man zumindest eine ähnliche Zielsetzung sind - jedenfalls habe ich das so verstanden. Für hat, dass man in gemeinsame Richtungen arbeitet. die handelnden Akteure ist das auch sehr wichtig. Wie sollen denn diese Evaluierungen Ihrer Zum Abschluss dieses Punktes ein Zitat: 2005 – Vorstellung nach ablaufen? Sollen die NGOs das vor elf Jahren - hat es für die Tsunami-Hilfe eine selber tun oder sollen sie eine Fremdbegutachtung Evaluierung gegeben. Ich lese auf Englisch vor, erfahren? was [damals] die fundamentale Schlussfolgerung war: „Fundamental reorientation is called for Frau Kreidler, auch Ihnen natürlich zunächst ein away from supplying aid to supporting and Dankeschön. Sie haben in Ihrer Stellungnahme facilitating communities’ own relief and recovery trotz Ihrer Kritikpunkte an den bestehenden priorities“. Wir diskutieren das elf Jahre später, Strukturen des Systems der internationalen als ob uns das gestern eingefallen wäre. Wir humanitären Hilfe gesagt, die Architektur reiche müssen ernster mit dem umgehen, was wir insgesamt aus. Das kam ja auch jetzt in den beschließen, was wir für richtig empfunden haben Stellungnahmen zum Ausdruck. Die Entwicklung und eine bessere gemeinsame Zielsetzung über neuer Strukturen wäre also eher hinderlich. Jetzt

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bewegt uns die Frage, wie Sie denn konkret eine Berücksichtigung brauchen. mögliche Vereinfachung der Abläufe, eine Verschlankung der Strukturen sehen würden, wenn Sie sagen: „Nicht mehr, aber bessere Wenn ich dann noch lese und höre, dass lokale [Strukturen]“. Akteure zunehmend von internationalen Akteuren  VN-Organisationen und anderen  zurückgedrängt werden, dass das Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Für die Fraktion Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen DIE LINKE., Frau Kollegin Groth. mittlerweile eine „implementing agency“ geworden ist  da möchte ich vor allem von Herrn Strohmeyer eine Einschätzung hören  und dann Abg. (DIE LINKE.): Herr mit lokalen Akteuren  mit „CARE International“ Strohmeyer hat darauf hingewiesen und Frau oder „Save the Children“ und solchen Roßbach auch, dass es die humanitäre Hilfe nicht Organisationen, wie mir berichtet wurde  erst seit gestern gibt. Ich bin ähnlich lange konkurriert, dann stimmt doch etwas nicht. unterwegs in diesem Geschäft wie Sie. Da kommt es einem manchmal schon ein bisschen eigenartig vor, was man heute so diskutiert. Einer der Und die Vielzahl der Akteure  Sie haben es zentralen Punkte ist neben „ziviler erwähnt, Herr Gerdesmeier, 10 000 NGOs in Haiti, Konfliktvermeidung“ und „Vermeidung von viele, viele in anderen Gebieten auch: Führt das Kriegen“  Frau Füllkrug-Weitzel hat es gesagt  zu höherer Effizienz, zu mehr Hilfe für die „keine Waffenexporte“. Aber wie können wir viel, Betroffenen? Nein. Manchmal behindern die sich viel stärker wieder in die Öffentlichkeit, in das wirklich gegenseitig, man ist nur beschäftigt mit Parlament, in die Debatte bringen, wie wichtig Koordinierung. Das ist eine wirklich eigentlich zivile Konfliktbearbeitung ist? Eine fundamentale Frage: Warum hat man daraus Frage an alle. bislang so wenig oder gar nichts gelernt? Wie kann man dieses Problem der mangelnden Koordinierung und der Vielzahl der Akteure plus Und dann habe ich mir notiert, was natürlich dem Finanzierungsbedarf dieser Akteure auch seit Jahren diskutiert wird: die Wichtigkeit überhaupt in den Griff kriegen? Wie kann man das lokaler Akteure vor Ort. Ich war vor einiger Zeit in wesentlich verbessern? Denn es tut Not. Jordanien und im Libanon und habe gesehen, wie die internationalen und VN-Organisationen da agieren - nämlich weit weg von den lokalen Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen Bedürfnissen. Ich weiß, dass der Hohe Dank. Für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen das Finckh-Krämer. Rotationsprinzip anwendet. Wenn da jemand gerade neu ankommt ohne Arabisch zu können, ohne  ich muss sagen, das begreife ich überhaupt Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Ich weiß, nicht  wirklich die Bedürfnisse der gefährdetsten warum ich sowohl im Unterausschuss Zivile Gruppen viel, viel stärker im Blick zu haben, wie Krisenprävention als auch in diesem Ausschuss zum Beispiel  Sie haben es genannt  bin. Ich greife das gerne auch in diesem Schutzräume für Frauen und Kinder .... Ich war Ausschuss wieder auf, die Idee von Frau Groth, mit einer Kollegin  einer Übersetzerin  den Zusammenhang hier noch einmal an einem unterwegs. Ich war immer von Männern umgeben Beispiel zu diskutieren, wie wir das formal bei und schließlich habe ich sie mir geschnappt und Myanmar gemacht haben. bin hin zu den Frauen, ganz alleine. Da erfahre ich dann - was ich gehört habe -, wie die Ich wollte zunächst zur Evaluierung fragen, ob es Bedürfnisse dieser Frauen und Kinder überhaupt da auch internationale Mechanismen gibt oder ob nicht berücksichtigt wurden. Und wir wissen man sich auf nationale Mechanismen verlassen doch auch nicht erst seit gestern, dass Frauen und muss. Wenn es um nationale Mechanismen geht, Kinder, Ältere, Kranke und so weiter spezielle ob es da „Best Practice“ oder etwas gibt, das man

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in Deutschland  als einem der großen bereichern - gleichzeitig wird humanitäre Hilfe für humanitären Akteure  zum Beispiel aufbauen die intern Vertriebenen geleistet. Wir brauchen könnte. also internationale Mechanismen, um auf solche Staaten Druck auszuüben, bevor wir humanitäre Hilfe leisten und es damit unter Umständen Zweite Frage ist: In einem der Papiere stand, dass solchen Korruptionssystemen leicht machen. in Ländern, wo auch VN-Friedensmissionen sind, der VN-Koordinator oft der stellvertretende Leiter der VN-„Peace-Keeping-Mission“ ist und dann Dann zur Frage, „Flüchtlinge als politischer eben mehrere Hüte auf hat. Und ich habe Toby Druckfaktor“. Wie gehen wir damit um? Also etwa Lanzer  kurz bevor er im Süd-Sudan ein Palästina  die Langzeitflüchtlinge , aber auch Einreiseverbot, beziehungsweise Ausreisegebot Aserbaidschan, wo jetzt Leute seit über zwanzig bekam  einmal in dieser Rolle mit vier Hüten Jahren intern als Flüchtlinge und als „Staatsbürger erlebt. Ich war mir nicht so sicher, was dabei aus minderen Rechts“ gelten. der Unabhängigkeit der humanitären Hilfe wird in der Wahrnehmung derer  nicht in seiner Selbstwahrnehmung oder in seiner Schließlich die Frage nach „Capacity-Building“ Aufgabenwahrnehmung , die ihn dann im Land unter Flüchtlingen. Ist das etwas, das man sich erleben. Es ist die Frage, ob man da nicht doch im vorstellen kann? Dass man also, wenn man so VN-System noch einmal etwas ändern müsste, etwa für zehn Jahre plant, beim Jahr „zwei“ steht: weil es ja immer zwei Wahrnehmungen gibt: die „Flüchtlinge so schulen, dass sie die Externen Wahrnehmung, wie etwas gemeint ist und sukzessive ersetzen können“. vielleicht auch  wenn man es von außen anguckt  durchgeführt wird, und die Wahrnehmung, wie Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen sie von denen im Land  unter Umständen auch Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE einer Konfliktpartei  aufgefasst wird. GRÜNEN der Sonderbeauftragte Tom Koenigs.

Zur Frage, ob wir einen internationalen Abg. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mechanismus brauchen, um Organisationen daran Ich bin hier wie jeder andere Abgeordnete auch - zu hindern, in ein bestimmtes Katastrophengebiet wir reden nicht über Kolumbien. Zunächst einmal zu gehen - also das Beispiel Haiti. Auch bei Nepal möchte ich mich sehr herzlich für diesen Input gab es am Anfang  nach dem Erdbeben  bedanken. Wir sind der Ausschuss für Berichte, dass Gruppen, die völlig falsche Dinge Menschenrechte und humanitäre Hilfe, aber im brachten und nicht mit den internationalen Augenblick sind wir der für humanitäre Hilfe und Standards vertraut waren, die dringend benötigten Menschenrechte. In dieser Funktion fände ich es Landemöglichkeiten auf dem einzigen noch auch richtig, wenn wir mit der deutschen funktionsfähigen Flughafen blockierten. Brauchen Delegation nach Istanbul fahren  wenigstens der wir da einen internationalen Mechanismus, um Vorsitzende , denn das ist eine Angelegenheit vorab oder in einem sehr schnell ablaufenden des Parlaments und der Regierung. Und wenn die Prozess zu priorisieren? Wer darf als Erster oder Frau Roßbach darauf hingewiesen hat, dass wir es wer soll als Erster in ein Katastrophengebiet endlich geschafft haben, den Haushaltstitel für gehen, sofern es nicht ohnehin eines ist, wo nur humanitäre Hilfe beträchtlich zu erhöhen, dann ganz wenige Organisationen in Frage kommen ? ist das eine Folge parlamentarische Entscheidungen. Und dann die Frage „Staatsversagen“ versus „humanitäre Hilfe“. Wir hatten heute früh im Deutschland war bisher sehr zurückhaltend, Auswärtigen Ausschuss das Thema „Ukraine“. bekommt jetzt [aber] eine neue Rolle, ist künftig Dort haben wir unglaublich reiche Leute, die sich hoffentlich weniger zurückhaltend, gerade wenn auch als Politiker an dem, was eigentlich es dann auch um mehr Training geht, aber meines Staatsvermögen und Staatseinkünfte sind, Erachtens auch in der Strategiebildung. Der

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„Humanitarian Summit“ in Istanbul ist ein Europa schleppen, jenseits jeder Forum, wo neue Strategien diskutiert werden. Ich Bildungsinstitution. Das sind  glaube ich  finde den Bericht des Generalsekretärs „One Punkte, die man in den Vordergrund bringen Humanity, Shared Responsibility“ wegweisend müsste. und ein ganz wichtiges Dokument. Dass man in so ein Dokument so etwas wie die Streubombenproblematik oder Waffenexporte Ich sehe bisher noch nicht, dass die bringt, ist ein Riesenschritt. Ich bin sicher, dass Bundesregierung diese Herausforderung wirklich Deutschland diese Paragraphen aktiv unterstützt gesehen hat. Ich hoffe, dass der Gipfel in Istanbul hat, dass das dort hinein kommt. Andere Staaten da den nötigen „Push“ gibt. waren ja sehr scharf dagegen. Noch zwei Sachen, die meine Kollegen und Auch die Verbindung von humanitärer Hilfe, Kolleginnen gesagt haben: Die Diskussion über Menschenrechten und „Sustainable Development „Integrated Missions“ kann man sehr kurz Goals“  alle Experten und Expertinnen haben das zusammenfassen. Da gibt es manchmal Leute, die gesagt  ist ein ganz entscheidender Punkt, also schaffen das, und meistens schaffen die Leute das die Verbindung von kurzfristiger und langfristiger, nicht. Und das zweite: Koordinierung ist ein aber prinzipiengeleiteter Hilfe. Unsere großer Jammer, wenn viele Leute Organisation der Bundesregierung mit zwei zusammenarbeiten. Ich finde, die Frage, die man konkurrierenden Ministerien ist natürlich Gift für stellen müsste, wäre nicht, wer koordiniert, so etwas. Also hat man jetzt die Abgrenzung noch sondern, ob wir uns koordinieren lassen. schärfer gezogen. Wenn jemand vom AA „Sustainable Development Goals“ sagt, dann Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen kriegt er gleich „einen drüber“. Das kann ja Dank. In der ersten Runde war eine ganze Menge eigentlich so nicht weitergehen. „From delivering an Themen drin. Ich schlage vor, dass jeder die aid to ending need“ - das ist diese Verbindung. Fragen beantwortet, die er gestellt bekommen hat Sind wir da auf dem richtigen Wege oder was sind und vielleicht auch dort etwas sagt, wo er meint, Ihre Anforderungen an die Bundesregierung auf dass er unbedingt noch etwas ergänzen müsse. dem Humanitären Gipfel? Dass kann jeder gerne auch tun. Wir beginnen dieses Mal jetzt am anderen Ende - Herr Ich will noch einen ganz anderen Gesichtspunkt Strohmeyer. anbringen. Ich finde es in dem Bericht gut, dass man nicht nur immer wieder die vier wichtigen Dr. Hansjoerg Strohmeyer (OCHA): Ja, vielen humanitären Prinzipien herunter dekliniert  die Dank für die reichen Fragen. Ich gehe einfach die können wir inzwischen singen, auch nachts  Liste entlang. Zivile Konfliktbewältigung: Wir sondern, dass man auch sagt, es gibt auch andere haben über den humanitären Weltgipfel Prinzipien. Zum Beispiel: Wir haben in gesprochen. Wie Sie, Frau Finckh-Krämer, Deutschland ja mit humanitären Notsituationen herausgestellt haben, ist das eben nicht nur eine jetzt große Erfahrung. Das Hauptproblem für die Frage der Politik. Die Politiker sprechen über Flüchtlinge ist  auf lange Frist  nicht die Prävention, die Humanitären über humanitäre Nahrung gewesen  da gibt es Bürger in Hilfe und „Development“ spricht über Deutschland, die das machen , sondern die irgendetwas anderes. Um Flüchtlinge zurück zu Information. Da sind Leute ein dreiviertel Jahr bringen, bedarf es eines politischen Willens und hier und wissen immer noch nicht, was ihr Status einer politischen Investition. Das heißt, das muss ist. Das ist etwas, das schmerzt. Das Recht der aus Gesprächspunkten von Außenministern oder Betroffenen auf Information oder  Sie haben es hohen Delegationen hervorgehen, dass man zum formuliert  auf Bildung: Je länger das dauert, Beispiel einen Politikwechsel, einen umso schwieriger. Offensichtlich sind die Paradigmenwechsel in bestimmten Ländern Flüchtlinge, die sieben Monate oder Jahre herbeiführen will, um Leuten Zugang zum unterwegs sind und sich dann von Italien durch Arbeitsmarkt, Freizügigkeit in einem Land,

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Zugang zu Sozialsystemen und so weiter und so Akteure. Also, wo sind Länder wie Deutschland, fort zu geben. Daran liegt es, dass Leute für Norwegen und andere? Kennen Sie eine Führung fünfzehn oder zwanzig Jahre am Tropf der in der Zentralafrikanischen Republik, im Sudan, internationalen Gemeinschaft hängen, weil sie in Burundi und in anderen Gebieten, wo der totes Kapital sind, nicht produktiv werden. Das Sicherheitsrat nicht gespalten ist, wo Prävention hat auch mit politischem Willen, externem und Konfliktbewältigung möglich sind? Kann man politischen Willen  natürlich auch im Land, aber da investieren? An dem Punkt wollen wir ein auch extern mobilisiertem politischen Willen – zu konkretes Konfliktpräventionspaket schnüren. tun.

Das Zweite ist: Wir haben über die Wichtigkeit Prävention: Wir versuchen ganz konkret am lokaler Organisationen gesprochen. Nur so viel Welthumanitären Gipfel etwas, das wir ein ganz schnell: Ich glaube es ist ganz wichtig, dass „Präventionspaket“ nennen. Wenn wir ganz wir uns in unsere Programme nicht nur ehrlich sind, ist Prävention ein bisschen ein [schreiben], wie viel wir geben und ausliefern, Jargon in Unterhaltungen. Wir reden darüber, wie sondern auch  wie der Kollege von der Caritas wunderbar es wäre, wenn wir Prävention machen dargelegt hat , wie wir uns aus dem Job würden. Dann fallen uns auch ein oder zwei herausarbeiten. Und das kann man eben nur Beispiele aus der näheren Vergangenheit ein, wo langfristig machen. Dafür muss man sich Fünf- das relativ erfolgreich gewesen ist. Aber über Jahres-Ziele setzen. Aber das muss man in das zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre, so haben wir jetzt Programm mit einarbeiten. Sehr häufig passiert  in der Vorbereitung des Reports, den wir das nicht. Deswegen werden lokale Kapazitäten geschrieben haben  festgestellt gibt es zum trotz vieler Rhetorik nicht gestärkt und wir Beispiel keine „best practice-“ oder „lessons- machen uns auf lange Sicht unentbehrlich. learned“-Studie über das, was in der Prävention funktioniert hat, was die fünf oder zehn Dinge sind, die funktionieren, die man machen und die Mein Verständnis von UNDP ist, dass diese schon man nicht machen soll. Das muss man sich immer eine Implementierungsorganisation einmal vorstellen. Das heißt also, Prävention gewesen ist. Aber ich arbeite nicht für UNDP, von eignet sich rhetorisch für Workshops und so daher können Sie mich eines Besseren belehren. weiter, weil es sich wunderbar anhört. Aber wir Aber UNDP hat schon immer nicht nur müssen das in eine praktischere Relevanz Koordinationsfunktionen, sondern immer auch überführen. Implementierungsfunktionen gehabt. Das ist jedenfalls meine Sicht.

Wir haben vier Schritte vorgeschlagen, ein Präventionspaket. Dazu zählt, dass man sagt, lasst Flüchtlinge: Die Kapazitätsbildung unter uns investieren in „lessons learned“, lasst uns in Flüchtlingen  das betrifft den Punkt, den ich die Kapazitäten investieren, die Prävention vorher ausgeführt habe. Betrachtet man machen müssen. Und das gilt eben nicht nur bei Flüchtlinge als im Prinzip totes Kapital, als tote den Vereinten Nationen oder internationalen Masse, die man für ein, fünf, zehn Jahre  das ist Organisationen. Es ist doch, wenn Sie ganz in Deutschland wie in Kenia oder im Libanon die ehrlich sind, in Ihren eigenen Ministerien gleiche Frage  verwalten muss oder gewährt man genauso. Wieviel Kapazität haben viele ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt, Freizügigkeit, Außenministerien heute, um parallel in fünf Wohnungswechsel ? Wo wir das so gemacht Krisen zu investieren ? Sehr wenig, wenn man haben  in Uganda und in anderen Bereichen  sich anguckt, wie viele Kapazitäten in sind die Ergebnisse positiv. Menschen wollen Auswärtigen Ämtern  politische Kapazitäten  nicht Hilfsempfänger sein und schon gar nicht für von zwei oder drei riesengroßen Krisen absorbiert fünfzehn Jahre. Sie wollen produktiv sein, sie werden. Syrien - wer ist verantwortlich, um die wollen ihre Würde zurückerhalten, sie wollen Syrien-Krise im Endeffekt beizulegen? Das sind ihre Kinder in Schulen schicken. Interessant ist nicht 95 Staaten. Das sind im Endeffekt vier, fünf eine Umfrage unter Flüchtlingen im Libanon, die

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nach deren Hauptbedürfnissen gefragt hat. Die wir humanitäre Hilfe anders ausliefern, sondern [Flüchtlinge] haben nicht gesagt: Wasser, auch wirklich an die fundamentalen Regeln Nahrungsmittel und Zelte. Sie haben gesagt: gehen, die wir nicht verändern, aber Erstens Jobs, zweitens Ausbildung für die Kinder implementieren wollen. Wir müssen das Recht  vor allem für die Mädchen , drittens nicht verändern, wir müssen das Recht Sicherstellung der Wohnung, in der sie sind. Das anwenden. Es sind die Kardinalprinzipien des heißt also, was Leute als unmittelbare Bedürfnisse internationalen humanitären Rechts, die empfinden, führt zu einer Umdefinierung der Unterscheidung, die Vorsichtsmaßnahmen und humanitären Hilfe. Um diese drei Sachen zu die Proportionalität, die unter Druck geraten sind, bedienen, kann man sich nicht auf die alte Form es ist die Anwendung. Und das Thema der humanitären Hilfe des Aushändigens von „Streubomben“ ist ein gutes Beispiel dafür. 95 Dingen beschränken. Da muss man einen über Prozent aller Zivilisten in urbanen Gebieten mehrere Jahre gehenden Bedarfsplan entwickeln, kommen heute durch Streubomben, durch der sich eben auch mit anderen Akteuren und kinetische Energie von oben, um. Und die meisten anderen Leistungen verbindet. Kriege heute finden in urbanen Gebieten statt. Das heißt, dass ein Umdenken stattfinden muss, das nicht von heute auf morgen stattfinden kann, das Zu den Punkten, die der Abg. Koenigs aufgebracht natürlich für Militärs auf dem taktischen Level hat: Der Bericht des Generalsekretärs schlägt vor, eine große Herausforderung bietet, dass aber einen „New-Way-of-Working“, ein neues machbar ist. Wir haben das in Afghanistan Businessmodell für „Aid“ zu entwickeln. Da gibt gesehen. Die dortigen Militärs haben die es acht Punkte, von denen die traditionelle Zivilopfer um mehr als 50 Prozent verringert, humanitäre Hilfe ganz klar ein Teil ist. Aber er allein durch taktische Veränderung, dadurch, wie erkennt auch an, dass man über mehrere Jahre  sie sich aufgestellt haben. Das ist machbar. Darum basierend auf dem, was im Englischen geht es bei diesem Thema. Vielen Dank. „Comparative Advantage“ heißt, wer also bessere Voraussetzungen, Wettbewerbsfähigkeit hat - und eben auch zu koordinierten Zielsetzungen Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Frau Roßbach. zusammenarbeitet. Ohne da ins Detail zu gehen: das ist eben dieses „Delivering Aid to Ending Need“. Was ist das Businessmodell, mit dem wir Manuela Roßbach (Aktion Deutschland Hilft e. heute arbeiten? Wenn wir ganz ehrlich sind, V.): Evaluierung – wie soll das geschehen? würden wir alle sagen, es ist eigentlich ein  trotz Machen das die NGOs selbst oder wie passiert aller Verbesserungen  klassisches „Charity“- dies? Ja, das machen die NGOs selbst. Wir führen Modell. Wir geben immer noch Dinge aus, wir zum Beispiel regelmäßige Evaluierungen durch. arbeiten vielleicht mit Organisationen, aber wir Wie geschieht dies? Es geschieht, indem wir tun nicht genug, um den Bedarf zu beenden oder natürlich vorher schauen: Was waren die zu verhindern. Die Alternative zu dem Programme und nach welchen Maßstäben soll Businessmodell, das wir haben  die manchmal evaluiert werden? Das kann von Mal zu Mal notwendige „Ausgabe-Charity“  kann nur sein, verschieden sein, aber wenn wir uns auf Themen dass man den Bedarf verringert oder den Bedarf und Standards einigen, die uns wichtig sind, dann beendet, wo es notwendig ist. Und das bedarf könnten wir entsprechend evaluieren. Insofern ist ganz anderer Investitionen. Nicht auf Kosten der das ein ganz schönes Instrument, weil man sich humanitären Hilfe, aber zur Komplementierung zuerst einigt und dann schaut, ob das denn auch der humanitären Hilfe, wie alle von uns erreicht worden ist. Und damit stellt man auch ausgeführt haben. gleichzeitig die Frage nach der Wirkung.

Nur eine Fußnote zu den Streubomben: Für uns Zu der Fragestellung, ob etwas aufgebaut werden ist das ein ganz zentrales Thema. Wir müssen muss: Nein, das würde ich nicht so sehen, weil wirklich aufpassen, dass wir den Gipfel eben das ja bedeuten würde, dass man es gleich macht nicht nur dazu benutzen, darüber zu reden, wie – es sei denn, man hat ein spezielles Thema. Aber

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wenn wir zum Beispiel wissen wollen, ob es die in allem, was wir tun. Man kann eben viel Organisationen schaffen, Schutzräume schöner messen, wie viel Liter geflossen und wie herzurichten für Frauen, Kinder und ältere viel Nahrungsmittel verteilt worden sind. Aber Menschen und so weiter, würde man „Streicheleinheiten“ und „Zuhören“ sind eben entsprechend evaluieren können. Und man würde nicht so gut zu messen. Wenn wir aber darauf fragen können: Habt ihr das denn, wo sind die Wert legen, würdevoll mit den Menschen denn? Wie habt ihr das gemacht? Ist es umzugehen, und diesen Aspekt in den angenommen worden? Wenn die dann sagen, wir Vordergrund rücken, schaffen wir das. NGOs – da haben drei Männer gehabt, die haben sich um die muss ich jetzt eine Lanze brechen –, gerade auch Frauen gekümmert: Haben die Frauen dann kirchliche und lokale Organisationen, können das geredet? Nein, die werden nicht geredet haben. sehr gut. NGOs arbeiten von Mensch zu Mensch und ich glaube, hierin liegt auch ein „Asset“. Insofern fände ich es denn auch ein bisschen Der Teufel liegt da im Detail, aber je klüger man problematisch  falls das stimmen sollte –, dass am Anfang ist, desto mehr kann man hinterher eine VN-Organisation jetzt noch stärker in den herausbekommen. Insofern ist das ein gutes Bereich der direkten Arbeit geht. Halten wir uns Instrument, das auch Geber anwenden können. doch mal an das, was wir haben und dann Sie können die Verwendung ihrer Mittel, die Sie könnten wir ein Schrittchen weitergehen. weitergeben, dann entsprechend überprüfen – das passiert ja heute auch schon. Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen Dank. Frau Kreidler. Zur Wichtigkeit von lokalen Akteuren: Wir sagen immer – es ist aber am Ende auch so –, dass die handelnden Personen vor Ort natürlich Corinna Kreidler (Gutachterin Humanitäre Hilfe): tatsächlich auch wissen müssen, was sie tun Ich wurde als erstes nach den Prozessen gefragt. sollen. Ich gebe zwei Beispiele. Ich war selber in Ich glaube, es gibt keine „Reset“-Taste. Wir Haiti  es ist jetzt schon ein bisschen länger her, müssen uns mit dem humanitären System, wie es aber ich glaube, es ist kein Einzelfall  vor Port- derzeit ist und wie es aus vielen historischen au-Prince in einem der großen Camps. Es waren Gründen entstanden ist  obwohl wir es sicher, zwei Organisationen  keine deutschen damit wenn wir es jetzt auf dem weißen Papier zeichnen betraut, für Wasser zu sorgen. Es gab relativ viele könnten, nie so entwerfen würden  noch eine Menschen aus der Bevölkerung, die einfach Weile arrangieren. Wichtig wäre aber, dass die herumstanden. Sie kamen auf uns zu und sagten, existierenden Organisationen stärker sie würden so gerne etwas tun. Es liegt dann an sachorientiert und weniger mandatsorientiert den Helfern zu sagen: „Ok, wir strukturieren das, arbeiten. wir stimmen das ab mit OCHA und dann schauen wir, wie wir mit euch zusammen das hinkriegen können.“ Manche schaffen das, aber nicht alle. Ich Die Überlappungen in der Zuständigkeit von glaube es ist am Ende auch eine Frage, wie man UNHCR und OCHA haben verschiedene meiner damit umgeht, ähnlich wie bei uns hier mit der Kollegen und -innen erwähnt. Flüchtlingskrise: Sie haben Gemeinden, da funktioniert alles wie am Schnürchen und andere, Im Tschad zum Beispiel gab es die völlig absurde da funktioniert es halt nicht. Ich will das jetzt Situation, dass es eine Wasserkoordinierung für nicht so ganz lapidar vereinfachen. Ich will nur Flüchtlinge und eine Wasserkoordinierung für sagen, auch hier geht es um das Training. Ich bin Binnenvertriebene gab, völlig parallel. Beide halt auch Pädagogin und ich glaube, dass man haben natürlich genau das Gleiche diskutiert, aber bestimmte Dinge trainieren, festhalten und in den weil eben UNHCR und OCHA jeweils für Vordergrund rücken kann. verschiedene Zielgruppen zuständig sind, war es sehr schwierig, dort die Prozesse etwas zu Ja, vieles ist technisiert, weil wir messen wollen verschlanken. Ein weiterer wichtiger Punkt, betrifft die „Leadership“  also was wir in der

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Funktion der „Humanitarian Coordinators“ Aus meiner Sicht müssen sich die Geber auch verankert haben  und ihre Problematik in den durchringen, wirklich Wettbewerb zu fördern und verschiedenen Krisen. Ich selber war zweieinhalb auch Anträge abzulehnen. Die EU zum Beispiel Jahre im Kongo und hatte zu tun mit einem hat ein Vorauswahlsystem. Beim Amt für „Human Communication Research Centre Deputy humanitäre Hilfe der EU– ich habe sieben Jahre Special Representative of the Secretary-General“, für dieses Amt gearbeitet – kann man nur Anträge der auch eben versucht hat  da stimme ich Herrn stellen wenn man vorher eine Art Koenigs zu: manche schaffen es und manche Präqualifizierung, -zertifizierung durchlaufen hat. schaffen es nicht  die verschiedenen Hüte Das hilft, weil man eben Anträge von irgendwie auszutarieren. Aber wichtiger erscheint Organisationen, die diesen Stempel nicht haben, mir, dass diese Person eine wirkliche nicht bearbeiten muss. Richtlinienkompetenz gegenüber den Vertretern und Vertreterinnen der anderen VN-Agenturen braucht. Im Moment kann er oder sie nur gut Langfristige Unterstützung für Flüchtlinge  auch zureden. Wenn die zuständigen Chefs etwa des das habe ich in meinem schriftlichen Statement Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen angesprochen. Ich denke, die (UNICEF) oder der Weltgesundheitsorganisation Entwicklungszusammenarbeit muss hier noch oder des UNHCR nicht wollen, dann müssen sie viel, viel stärker in die Verantwortung genommen auch nicht, sondern können weiter ihr eigenes werden. Nach zehn oder fünfzehn Jahren ist nicht Ding durchziehen. mehr humanitäre Hilfe für somalische Flüchtlinge zuständig, sondern die Entwicklungszusammenarbeit mit Kenia. Die Und außerdem ist es auch ein Business – „let’s be kenianische Regierung möchte das natürlich honest“ –, was heißt, es geht hier auch um nicht, sondern will die Gelder für Kenianer und Pfründen, um Marktanteile und um Posten. Es ist Kenianerinnen ausgeben. Das muss man, denke leider nicht überall der Fall, dass wir uns wirklich ich, im politischen Dialog über die ersetzbar machen wollen. Die „Exit-Strategy“ steht Entwicklungszusammenarbeit viel, viel stärker zwar überall auf dem Papier, in Wirklichkeit halte diskutieren – auch die Rolle der nationalen ich sie aber in vielen Fällen leider für einen Regierungen etwa bei Bildung. Anfang 2014 in der Mythos. Türkei haben mir Eltern noch erklärt, die türkischen Autoritäten wollten keine syrischen Schulen zulassen. Es hing vom jeweiligen Zu der Frage, wie wir Organisationen daran Gouverneur ab, ob in der Provinz syrische hindern können, in Katastrophen  wie in Haiti  Schulen mit syrischen Curricula und syrischen einzufallen: Ich war vor vierzehn Tagen in Haiti Lehrern arbeiten durften, oder ob die Kinder in und habe zum Beispiel von einem Vertreter von die türkische Schulen gehen sollten oder gar nicht Oxfam gehört, dass aus der Sicht der etablierten in die Schule. NGOs zwischen acht und neun Prozent der 10 000 dort Tätigen wirkliche  nach den Qualitätsstandards über die wir uns heute Und der letzte Punkt: Das Gift der zwei unterhalten – NGOs wären. Wir haben aber keine verschiedenen Ministerien. Sie haben auch zwei „Humanitäre Hilfe-Polizei“. Wir stecken auch in verschiedene Ausschüsse. Der Ausschuss für einem Dilemma, denke ich. Gerade die Nähe zu wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den USA hat ja so unglaublich viele Graswurzel- ist für die Entwicklungszusammenarbeit Organisationen und auch viele kirchliche zuständig und Sie für humanitäre Hilfe. In Europa Organisationen dort hingebracht und eigentlich zumindest hat nur das Vereinigte Königreich die möchten wir ja auch diese Mobilisierung der humanitäre Hilfe in das Äquivalent zum BMZ internationalen Solidarität irgendwie abbilden, integriert, in allen anderen Ländern ist im aber das steht halt im Widerspruch  manchmal Gegenteil die Entwicklungszusammenarbeit ins oder oft  zu professioneller Qualität. Außenministerium integriert. Es gibt gute Gründe für die Ressortvereinbarung, die auf einer sehr umfangreichen Evaluierung basierte. Aus meiner

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Sicht ist es ein positives Beispiel, dass die lesenswert ist. Extrem wichtig war, dass eben in Empfehlungen umgesetzt worden sind. Auch die einer Studie die Qualität der humanitären Hilfe zivile Konfliktbearbeitung ist im Auswärtigen untersucht wurde, in den anderen Studien aber Amt stark präsent. Meine letzte Kernbotschaft, das gesamte politische Projekt und das Verhalten dass die deutsche humanitäre Hilfe vor Ort mit aller Akteure in dieser Krise  auch politisch, am Tisch sitzen muss, ist sehr viel einfacher auch die Frage, inwiefern Frühwarnung, frühe umzusetzen, wenn wir sie beim Auswärtigen Amt Intervention den Völkermord noch hätte stoppen belassen. Es hat deutlich mehr Personal als das können. So ist eine Art Gesamtschau der BMZ, das im besten Fall mit einer einzigen Person Reaktionen auf eine massive humanitäre Krise vertreten ist, die dann sämtliche verschiedenen entstanden. Ich denke, das sollten wir öfter tun sektoriellen Foren und Gremien bespielen muss. und dann gut analysieren. Danke.

Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Besten Dank. Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Vielen Dank. Herr Gerdesmeier. Frau Füllkrug-Weitzel.

Volker Gerdesmeier (Deutscher Caritasverband e. Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die V.): Dankeschön. Ich möchte etwas sagen zum Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Vielen Dank. Thema Evaluierung. Aus unserer Sicht sollte diese Zum Thema Evaluierung nur noch als Ergänzung sehr gerne auch mit unabhängigen externen oder als Hervorhebung: Wenn es externe Evaluierern stattfinden. Wir halten es aber für Evaluierungen gibt  etwa durch das AA oder wichtig, sie eben als Lernevaluierung durch VN-Organisationen  dann müssen sie aus durchzuführen, gemeinsam mit den meiner Sicht im Wesentlichen nicht das, was die Organisationen vor Ort behindernde Faktoren zu Organisationen ursprünglich selber angestrebt analysieren und die dann eben auch hochspielen. haben zum Maßstab nehmen, sondern die vorgegebenen internationalen Standards: Sind die humanitären Prinzipien berücksichtigt? Sind die Wir sprechen oft davon, dass das System lernen „Sphere-Standards“ berücksichtigt? Sind die „Do- muss. Konkret ist ein wichtiges Kriterium der no-harm“-Prinzipien berücksichtigt? Es gibt klare neue „Core Humanitarian Standard on Quality Standards oder Vorgaben, wie etwa Frauen vor and Accountability“, die Rechenschaftspflicht sexuellen Übergriffen in Lagern zu beschützten gegenüber den Empfängern der Hilfe. Das halten sind. Genau diese Standards müssen überprüft wir für sinnvoll. Wir versuchen auch gerade bei werden. Kennen die Organisationen sie und uns zu evaluieren, inwieweit wir das schon haben sie sie ordentlich umgesetzt? Ich denke, das hinreichend erfüllen. Wir müssen aber auch ist das Entscheidende. sagen, dass wir die Erwartung  eben partizipativ mit den Betroffenen zu planen  dann nicht umsetzen können, wenn wir nicht wissen, ob ein Zweitens: Lokale Akteurinnen und Akteure Projekt kommt und wann. Wir können nicht bei wahrnehmen. Es geht um einen fundamentalen den Menschen Erwartungen wecken und sie dann Paradigmenwechsel, nicht darum, dass die VN hängen lassen. Auch insofern, denken wir, ist die jetzt lokale Akteure als Umsetzer entdecken. Es Evaluierung ein extrem wichtiges Instrument. geht nicht etwa darum, dass eine Man muss sich das ganze System, die ganze Kette Hilfsorganisation aus dem Norden lokale Akteure des Systems anschauen – aber selbstverständlich als Umsetzer für ihre eigenen Pläne gerne auch ein externer Blick auf die Schwächen instrumentalisiert, sondern es geht darum, wer der Arbeit vor Ort. eigentlich das Heft des Handelns in der Hand hat. Es ist nicht so, dass wir denen erzählen müssten, was sie tun sollen und wie sie es machen sollen. Ein Thema noch: zivile Konfliktbearbeitung. Eine ganz zentrale Evaluierung war seinerzeit die schon erwähnte Ruanda-Evaluierung 1996 von Haiti ist ein Extremfall. Es gibt natürlich auch Danida, die heute  traurigerweise  immer noch Fälle wie Haiti, wo aufgrund einer langen, langen

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Phase der Destabilisierung und der Konflikte der Elbe stattfand  die Diakonie keine entwickelte Zivilgesellschaft existiert. Aber Katastrophenhilfe hat ja auch ein Mandat in es gibt erheblich mehr Länder, in denen es eine Deutschland  hat uns unser mosambikanischer funktionierende Zivilgesellschaft und auch lokale Partner angerufen, den wir lange geschult und Akteure gibt, die mit der nötigen finanziellen dann auch in der konkreten Situation der Flut Unterstützung ihre Kapazitäten ausbauen unterstützt hatten, und uns gesagt, er könnte uns könnten, um die lokale Bevölkerung auf 40 Fluthelfer schicken. Jetzt lachen alle – ich Katastrophen vorzubereiten, ein eigenes „Risk- auch. Es ist einerseits toll  das finden wir auch Assessment“ zu machen, eigene Frühwarnsysteme alle , andererseits lachen alle. Hätte ich in zu entwickeln, die „Communities“ zu stärken, mit Dresden gefragt, ob sie vielleicht gerne 40 ihnen zu arbeiten, ihre Selbsthilfefähigkeit auch Mosambikaner als Helfer haben wollten, hätten in Konflikten wirksam zu halten. alle gesagt: Was soll das denn? Keine Kenntnisse der Sprache, des Kontextes, der Kultur – keine Kompetenzvermutung. Weil natürlich ganz klar Es ist für mich ganz entscheidend, die ist: Am besten geht es, wenn die eigene Selbstwirksamkeit der lokalen Akteure und der Gesellschaft selbsthilfefähig ist und dazu die Bevölkerung zu erhalten. Das ist alles möglich, angemessene Zahl an humanitären Akteuren hat. wir haben es auch seit vielen Jahren im Fokus, tun Das vorzubereiten und darauf umzustellen, es in vielen Projekten, machen es gemeinsam in scheint mir entscheidend. Denn die humanitäre unserer „Act Alliance“. Es wird aber faktisch ganz Hilfe ist, wenn man sie mit der Arbeit im selten extern finanziert. Wir können es tun, weil Menschenrechtsbereich, mit Entwicklungshilfe wir Spendenmittel haben. Wenn man unter dem und so weiter vergleicht, sozusagen die letzte Gesichtspunkt der Priorisierung über den Einsatz Bastion, wo das gesamte Gewicht und das öffentlicher Mittel nachdenkt und weiß, wie viel Handeln völlig in den Händen der Internationalen man an  sonst explodierenden  Kosten liegt und wo auch das meiste Geld an vermeiden könnte, wenn eine Bevölkerung nicht Internationale fließt. Das ist meiner Meinung nach unvorbereitet in eine Situation gerät, dann, denke ein falsches Paradigma, mit dem - denke ich - der ich, weiß man, dass es eigentlich sinnvoll wäre, Humanitäre Weltgipfel sich beschäftigen wird. hier Prioritäten zu setzen. Aber: Wenn wir  wie gesagt  von der Stärkung und der Einbeziehung lokaler Akteure reden, Lokale Akteure müssen also unterstützt werden, dann reden wir nicht von deren ihre Kapazitäten müssen ausgebaut werden, sie Instrumentalisierung für die Pläne von müssen überhaupt einmal ordentlich internationalen Organisationen, sondern wir wahrgenommen, ins Zentrum gerückt werden. Sie reden davon, dass sie die eigenen Prioritäten und müssen wahrgenommen werden von den VN. Sie Bedarfe mit der Bevölkerung erarbeiten und dann müssen in die Cluster eingeladen werden. Dazu auch umsetzen dürfen. muss in den Clustern die Sprache, die sie sprechen - das ist nicht immer Englisch - Drittens: Die Frage der Kohärenz. Ich habe es so gesprochen oder in sie übersetzt werden. Dazu formuliert, dass Entwicklungshilfe, gäbe es viel im Detail zu sagen, das wir auch Friedensarbeit, humanitäre Hilfe komplementär schon mit der „Act Alliance“ in die Vorbereitung sind und so vorgehen müssen, dass sie einander des Humanitären Weltgipfels eingebracht und nicht schaden und die jeweilige Arbeit nicht auch in der europäischen Vorversammlung in untergraben. „Do-no-harm“ sollte also für Budapest thematisiert haben. humanitäre Hilfe nicht nur mit Blick auf Konfliktentschärfung bzw. Friedensförderung Ich möchte Ihnen noch einmal mein gelten, sondern man müsste auch konsequent ihre Lieblingsbeispiel geben, weil ich glaube, dass es Entwicklungsverträglichkeit überprüfen  keine das ganze Thema auf einen Blick zeigt. Das konnte Zerstörung lokaler Märkte et cetera. Wenn das ich auch vielen Menschen, die gerne helfen schon gegeben wäre, dann wären wir einen wollten, immer wieder sagen. Als die erste Flut an Riesenschritt weiter.

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Humanitäre Hilfe und konditionieren. Damit wäre das Thema Entwicklungszusammenarbeit folgen Unabhängigkeit und Neutralität erledigt. verschiedenen Prinzipien. Wir haben ja sowohl Brot für die Welt als auch die Diakonie Katastrophenhilfe im selben Haus, aber halten Was die integrierten Missionen betrifft, möchte diese Instrumente bewusst ein Stück weit ich Sie darauf hinweisen  ich habe überlegt, ob getrennt. Ihre Tätigkeiten greifen ineinander, aber ich das länger zitiere, habe es dann aber nicht sie folgen verschiedenen Prinzipien und das darf gemacht , dass es einen „Review of the impact of man auch nicht vermengen. Das führt immer UN integration on humanitarian action“ des wieder zu Debatten. Es muss aber auch die klar „Inter-Agency Standing Committee“ gibt, den zu erkennbare Möglichkeit geben, nach lesen sich wirklich lohnt. Es wird darin darauf unterschiedlichen Prinzipien zu arbeiten: Zu den hingewiesen, dass massivste Schwierigkeiten Prinzipien der humanitären Hilfe gehört die dadurch entstehen, dass humanitäre Hilfe mit Neutralität, gehört die Unabhängigkeit, nicht „Peacekeeping Operations“ oder „Special Political jedoch zu den Prinzipien der Missions“ zu eng verknüpft wird, ohne  man Entwicklungszusammenarbeit. Man muss klar im kann das ja tun  dass allen Beteiligten vorher Kopf haben, wie sie ineinander spielen können. deutlich ist, nach welch unterschiedlichen Prinzipien beide arbeiten. Diese Prinzipien müssen berücksichtigt und geachtet werden. Es wäre auch sehr schön, wenn man eine “Quick Impact Projects“, die von „Peacekeeping Verständigung zwischen BMZ und AA über Operations“ oder „Special Political Missions“ kontinuierliche Förderung hätte. Ich weiß wie implementiert werden, stehen sonst im direkten schwierig das ist – die Debatte haben wir auch im Gegensatz zu dem, was mittel- und längerfristig eigenen Haus: Die Humanitären planen ihre die humanitäre Hilfe an diesem Orten versucht Sachen und die Entwicklungsleute planen ihre hat. Sachen. Das AA gibt Geld in ein Projekt – Volker Gerdesmeier hat unser gemeinsames Projekt im Südsudan angesprochen –, es gibt Geld für diese Das Problem hatten wir übrigens auch in drei hochrelevanten Monate im Ort X. Dann Deutschland einmal, als der damalige kommt das BMZ und gibt nach vier oder nach Außenminister Joschka Fischer die humanitären sechs Monaten, wo gar nichts war, wo die Leute Organisationen zusammengerufen und und die lokalen Akteure wieder ohne aufgefordert hat, in Serbien humanitäre Hilfe nur irgendwelche Betätigungsmöglichkeiten noch an Kommunen zu geben, die sich gegen durchgehangen haben, Geld am Ort Y für das Milošević gestellt hatten, um so gemeinsam einen nächste Jahr. Da fragt man sich doch tatsächlich, „Push“ auszulösen. Das hat zu vielen fatalen warum es nicht möglich ist, so viel Abstimmung Konsequenzen geführt. Es passiert eben auch, dass herzustellen, dass diejenigen, mit denen man plötzlich gesagt wird  je nachdem wer da die angefangen hat zu arbeiten, die man unterstützt Koordination hat: Wenn es die humanitäre Hilfe seit einer akuten Krise, die für die Zukunft Pläne nicht tut, müssen wir jetzt dafür sorgen, dass ganz entwickelt haben, nahtlos weitergefördert werden, viel Hilfe in bestimmte Zonen geht, damit diese statt derjenigen aus dem nächsten Dorf. Das ist stabilisiert werden. Das folgt einer gewissen jetzt übertrieben, macht aber das Problem noch politischen Logik, die ich sehr gut nachvollziehen einmal deutlich. kann. Die humanitäre Hilfe wurde dann aber abgezogen von den Regionen, wo der Bedarf am höchsten war. Das heißt, es bedarf wirklich sehr Was die möglichen Konflikte betrifft zwischen detailgenauer Absprachen, damit alle sich klar humanitärer Hilfe und Menschenrechten  wir sind über ihre Rollen und Mandate. Dann geht sind da ja grundsätzlich nicht einig bei das. Ich sage nicht, dass es nicht geht, aber dessen Podiumsdiskussionen , möchte ich noch einmal muss man sich bewusst sein. auch auf das Statement von Ute Finckh-Krämer zurückkommen. Im Falle der Ukraine finde ich es extrem schwierig, humanitäre Hilfe politisch zu Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen

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Dank. Wir starten jetzt mit dem direkten Frage- Das ist das, was ich auch zuletzt noch einmal Antwort-Spiel, in dem als erstes der Kollege versucht habe zu sagen. Man muss bei alledem Kampeter zu Wort kommt, auf den Sie bitte direkt darauf achten, dass man die Mandate nicht antworten. Dann gehen wir in der Reihenfolge der miteinander in Konflikt bringt, dass sie sich nicht Wortmeldungen weiter. gegenseitig behindern oder kontradiktorisch sind. Das kann man tun, aber man muss ein bisschen Hirnschmalz darauf verwenden. Was auf keinen Abg. Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ich habe eine Fall geht  ich weiß nicht, ob Herr Strohmeyer das Frage an an Herrn Strohmeyer und an Frau auch sagen würde, aber das ist unser Standpunkt: Füllkrug-Weitzel, um den für mich zumindest Humanitäre Hilfe darf nicht politisch fühlbaren Konflikt noch etwas klarer zu machen. konditioniert werden, definitiv nicht. Wir Wenn ich mir Ihre beiden Stellungnahmen erhalten Zugang zu bestimmten Regionen, genauer ansehe, so gibt es da ja Differenzen: Sie als Träger gesagt: unsere Partner erhalten Zugang zu der multilateralen Hilfe wollen wie der Bericht bestimmten Regionen nur dadurch, dass wir uns des VN-Generalsekretärs letztendlich eine stärkere politisch neutral verhalten. Wir lassen uns nicht Politisierung, Exit-Strategie, einen umfassenderen in innenpolitische, nationale Konflikte  im Ansatz und so weiter. Dann schütteln die ersten genannten Fall in Serbien  hineinziehen. Nur so Gutachter den Kopf und sagen, die VN dürfe jetzt gewinnen wir die nötige Akzeptanz. Ich nicht die lokalen Akteure und die NGOs wiederhole mein Beispiel immer wieder gerne: vereinnahmen, dann schlagen das bilaterale Herz Das Statement von Herrn Fischer hat mich bei und das Projektträgerherz. Frau Füllkrug-Weitzel meinem nächsten Besuch immerhin direkt in ein führt das in ihrer Stellungnahme ja auch aus, serbisches Gefängnis geführt. So etwas bedroht indem sie sagt‚ die humanitäre Hilfe dürfe nicht wirklich auch die Helfer. politisiert werden - das Beispiel von Fischer, dass sie gerade vorgetragen hat. Die VN sagen letztendlich genau das Gegenteil: Ohne eine Dr. Hansjoerg Strohmeyer (OCHA): Auch ich ernsthafte Exit-Strategie ist humanitäre Hilfe, glaube nicht, dass die Unterschiede so groß sind. keine humanitäre Hilfe. Ich würde das dann als Vielleicht drei oder vier Punkte: dauerhafte Staats- oder Sozialfinanzierung und Transferleistung bewerten. Wenn Sie diesen Konflikt noch ein bisschen kontroverser austragen Zunächst: Wir müssen vorsichtig sein, was wir würden, würde mir das helfen, ihn besser zu mit Politisierung meinen. Humanitäre Hilfe findet verstehen und auch möglicherweise politische nicht im politikfreien Raum statt. Wenn  ich Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. habe die Zahl ganz am Anfang genannt  80 Prozent der Finanzmittel in den fünf größten, sichtbarsten Krisen bereitgestellt werden, hat das Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die natürlich auch etwas mit Politik und politischem Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Der Konflikt ist Interesse zu tun. Dennoch ist ganz klar, dass keine aus meiner Sicht nicht ganz so groß, wie Sie ihn politische Konditionierung von humanitärer Hilfe vielleicht wahrgenommen haben. Auch ich bin stattfinden darf. Humanitäre Hilfe muss vom die erste  ich habe ja, wie gesagt, verschiedene Bedarf und von der Notwendigkeit getrieben Mandate in meinem Haus  , die sich für eine werden. Der Bericht des Generalsekretärs macht Umkehr des Denkens ausspricht. Wir müssen ganz klar, dass es in Situationen wie in Aleppo, stärker bei den Ursachen ansetzen und trotzdem wie in Sarajewo, wie in Bangui, wie in Aden und müssen wir humanitäre Hilfe leisten. Aber wir in vielen anderen natürlich nur auf humanitäre müssen den Fokus noch mehr auf Hilfe ankommt. Da können wir nicht ernsthaft Konfliktprävention, auf friedliche darüber reden, ob wir da langfristig Konfliktbearbeitung, auf diplomatische Arbeit, auf Entwicklungsparameter verschieben. Da kommt es dieses ganze Spektrum setzen. Das ist für mich auf Zugang an und Zugang hat etwas damit zu kein Widerspruch, sondern das ist komplementär. tun, wie man sich präsentiert, das heißt mit der Perzeption von Unabhängigkeit und Neutralität, und deswegen muss man sich je nach Situation

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anders aufstellen. unverantwortlich und das hilft auch den Leuten nicht. Das verringert nicht den Bedarf, das ist nicht effizient und das kann man anders machen. Und das ist mein Hauptpunkt: Ich glaube, dass Da muss man sich Drei- oder Fünf-Jahres-Ziele  man diese Frage nicht abstrakt beantworten kann, Erfolge kann man nicht innerhalb eines Jahres sondern nur im konkreten Fall. Mit Blick auf erzielen  setzen, bei deren Umsetzung Aden und Homs und Aleppo und so weiter verschiedene Akteure zusammenarbeiten. Das ist stimmen wir, glaube ich, alle überein. Aber wir der Punkt. haben eben auch im Sahel eine Situation, wo wir ganz langfristig operieren müssen. Wo es beides gibt – die Notwendigkeit für strukturelle Hilfe, Nahrungsmittelsicherheit – genau das gleiche: aber auch die Notwendigkeit für kurzzeitige Hilfe. Nahrungsmittelsicherheit kann ich nicht Jeden Tag – jeden Tag, nicht jede Woche oder innerhalb eines Jahres verbessern. Man muss den jeden Monat – jeden Tag sterben 25 000 Kinder Leuten, die heute Nahrungsbedürfnisse haben, unter fünf Jahren an Nahrungsmittelmangel oder ermöglichen, mit Cash  also mit Geld, wie man an Krankheiten, die indirekt damit zu tun haben. das modernerweise macht  in Märkten Natürlich kann man das nicht nur mit einzukaufen. Man muss also Märkte stärken und Nahrungsmittelhilfe bekämpfen, sondern allein Nahrungsmittel einführen, wo das notwendig ist, mit langfristiger Unterstützung. Da müssen Märkte aber man muss natürlich zur gleichen Zeit geschaffen werden, da müssen längerfristige Maßnahmen planen. Das kann man Infrastrukturprojekte geschaffen und nur machen, indem alle Beteiligten zu ähnlichen Politikansätze geändert werden. Worum es mir gemeinsamen Zielsetzungen langfristig arbeiten. geht, ist der Blick auf den jeweiligen Kontext. Worum geht es da? Wo kann man lokale Akteure stärken, wo muss man vorsichtig sein? Der lokale Das andere Beispiel, das der Flüchtlinge, habe ich Akteur ist nicht überall gleich, der ist manchmal schon vorhin benannt. Und das ist mein letzter auch politisiert. Aber wo man sich koordinieren Punkt. Wir haben über Effizienz gesprochen und kann, muss man das machen und muss man das die Diskussion konzentriert sich dabei – zu Recht besser machen. Wo man entwicklungspolitisch, – auf die fünf Agenturen, die hier vertreten sind. wo man langfristig arbeitet, muss man Es gibt auch viele Sachen, die sich verbessern gemeinsame Zielsetzungen erarbeiten – über fünf können, verbessern müssen. Das haben wir, Jahre etwa, wo man vielleicht mit glaube ich, selbstkritisch gesagt. Aber Effizienz ist unterschiedlichen Methoden und nicht nur Sache der Agenturen, sondern auch eine unterschiedlichen Programmen arbeitet, aber in Sache der Geber. Und so lange die Richtung auf ein ähnliches Ziel, das etwas Geberlandschaft auch ein Öko-System ist, das koordinierter ist. ganz unterschiedlichen Imperativen folgt und zur erheblichen Fragmentierung und „Projektisierung“ der internationalen Hilfe Um zuletzt ein oder zwei Beispiele zu nennen: beiträgt, werden wir keine Kohärenz in der Arbeit Cholera – Haiti haben wir jetzt schon ein paar Mal der Agenturen finden. Wenn wir also Kohärenz beschrieben. Cholera – so lange viele humanitäre bei den Agenturen erzielen wollen, müssen wir Organisationen vor Ort waren, floss Geld. Die auch auf Geberseite ähnliche Kohärenz erzielen. Humanitären haben Cholera „gemacht“ und haben Das heißt, dass Geber zu ähnlichen Zielen gesagt, dass es natürlich ein langfristiges Problem beitragen müssen. Das heißt, dass die Ziele, die sei, das mit Wasseraufbereitung und so weiter zu sich Agenturen möglicherweise in Absprache mit tun habe. Dann geht das humanitäre Engagement Regierungen setzen, wo das akzeptabel ist, dann ein bisschen zurück, es ist kein Geld mehr da, aber auch von den Gebern unterstützt werden Cholera „findet nicht mehr statt“, Cholera breitet müssen, nicht unbedingt mit mehr Mitteln, aber sich folglich wieder aus, die humanitären Akteure mit dem, was sie haben. Nehmen wir das Beispiel kommen zurück, tun wieder etwas gegen Cholera des Irak. Ein sehr gutes Beispiel – es wurde alles und das geht dann immer so weiter. Das ist gemacht, was Geber für zehn Jahre verlangt haben. Unsinn, das ist wirklicher Unsinn, das ist Das Ende vom Lied war: Es gab nicht einen

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Pfennig mehr. Der Koordinator ist hinter dem versuche beide Themen miteinander zu Geld hergerannt  kurzfristig wie langfristig  und verbinden. Meine konkrete Frage an Sie, Frau selbst jetzt geht es nur ganz langsam vorwärts. Das Kreidler, lautet: Wie können die Forderungen an ist die Realität. die Politik in dieser Richtung aussehen? Wenn Sie das vielleicht noch formulieren könnten? Das würde mich interessieren. Deswegen ist die Antwort auf Ihre Frage: Es kommt auf den Kontext an. Man darf keine abstrakte Unterhaltung über Prinzipien und Corinna Kreidler (Gutachterin Humanitäre Hilfe): Politisierung führen, sondern man muss fragen: Ja, das kann ich gerne machen. Es gibt da gerade Was sind die Bedürfnisse im konkreten Fall, was für den Mittleren Osten die große Initiative „No- ist machbar mit Regierung und lokalen Akteuren? Lost-Generation“. Es tritt ganz deutlich zu Tage, Wo muss man vorsichtig sein, wo ist die Situation dass – wenn man jetzt nicht aufpasst – es so, dass man über Entwicklungshilfe sprechen tatsächlich eine ganze Generation syrischer kann, und wo nicht? Und wie können die Kinder geben wird, die nicht in die Schule internationalen und lokalen Helfer  und das gegangen sind. Das ist ein Beispiel, wo ich die schließt die Geber mit ein  dabei kohärent gemäß Zusammenarbeit zwischen den Ministerien sehr gemeinsamen Zielen über längerfristige Zeiträume loben kann. zusammenarbeiten. Danke.

Ich bin für die KfW im Libanon unterwegs Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Als nächster hat gewesen, um zu gucken, wie eine mögliche das Wort Herr Dr. Diaby. Finanzierung  10 Millionen Euro  aus dem BMZ genutzt werden kann, um über drei Jahre Bildung für syrische Flüchtlingskinder im Libanon zu Abg. Dr. (SPD): Was mich unterstützen. Damit sollte aufgegriffen werden, umtreibt, ist das Thema Bildung in was vorher das AA schon finanziert hatte, Zusammenhang mit humanitärer Hilfe. Gestern nämlich informelle Bildungsangebote. Die haben wir am Brandenburger Tor an der wichtigste Veränderung in der Zwischenzeit war Eröffnung einer Aktion zum Thema „Weltklasse! aber, dass das libanesische Bildungsministerium Zuflucht Bildung“ teilgenommen. Dabei waren ein Interesse daran entwickelt hatte, dass die unter anderem die Kindernothilfe und viele syrischen Kinder in die Schule gehen. Zu Anfang andere NGOs. Ich habe die Zahlen dort zum der Krise war das ein Tabuthema und das ersten Mal gehört, wie ich zugeben muss: libanesische Bildungsministerium war sehr Lediglich zwei Prozent der Mittel, die für glücklich darüber, dass sich ein paar NGOs um humanitäre Hilfe eingesetzt werden, fließen in die Kinder kümmerten, aber es war überhaupt den Bereich Bildung. Frau Kreidler, Sie haben in keine Frage, dass sie in libanesische Schulen ihrer Stellungnahme auf Seite sieben das Thema gehen sollten. Erst mit diesem Politikwechsel auf ganz kurz angeschnitten und das positive Beispiel libanesischer Seite war es dann möglich, Mittel der skandinavischen Länder erwähnt. der Entwicklungszusammenarbeit aus dem BMZ über die KfW dafür zu nutzen. Deswegen muss Ich bin überzeugt davon, wenn man  nur als das in den Politikdialog aufgenommen und Beispiel  die Situation in den Ländern Libanon nationale Regierungen, die Flüchtlinge oder Jordanien nimmt: Würden die Kinder, die aufnehmen, müssen ganz klar in diese Richtung hunderttausende Kinder, die momentan dort „gepusht“ werden. Es muss also gesagt werden: leben, nicht an Bildungsmaßnahmen teilnehmen, „Wir sind bereit, das zu finanzieren, aber ihr was muss man sich vorstellen, würde in fünfzehn müsst euer Bildungssystem für diese Jahren aus diesen Kindern werden? Dies nur, um Flüchtlingskinder öffnen.“ es bildlich darzustellen. Deshalb bin ich der Meinung, dass man die Kombination humanitäre Ich würde gerne an dieser Stelle auch noch Hilfe und Bildung immer wieder in den Fokus wiederholen, dass im Moment leider die ganzen rücken soll. Ich sitze im Bildungsausschuss und

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positiven Initiativen, sich primär auf Bildung zu Ich möchte noch einmal auf eine Grundsatzfrage konzentrieren, aufhören, sobald die Kinder zwölf, zurückkommen. Gerade Herr Gerdesmeier und vierzehn sind. Dabei haben gerade Jugendliche  auch Frau Füllkrug-Weitzel haben in ihren ob sie im Lager leben oder außerhalb  kaum Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass es Zugang zu beruflicher Bildung oder ähnliche äußerst wichtig wäre, zu politischen Lösungen Perspektiven. Ich will jetzt keine Lanze dafür von Konflikten zu kommen, dass es aber an ziviler brechen, sie auf die Uni zu schicken, aber man Konfliktbearbeitung fehlt und stattdessen oft zu muss sich noch stärker um die Zielgruppe der militärischen Lösungen gegriffen wird, womit Fünfzehn- bis Einundzwanzig-Jährigen kümmern. eigentlich erst Flüchtlingsströme produziert Denn das sind auch diejenigen, die radikalisiert werden. Gerade westliche Staaten haben viel werden können, die manipuliert werden können Verantwortung für die Zunahme von Konflikten und es sind auch diejenigen, die sich ins und auch von Kriegen. Das wird häufig vergessen. Schlauchboot setzen und nach Griechenland Daher würde ich gerne von Ihnen beiden wissen, übersetzen. Hier besteht also noch ein grauer was für Anforderungen Sie an die Politik  Fleck – kein weißer mehr, aber ein grauer Fleck – natürlich auch an die Bundesregierung  stellen. auf der Hilfslandkarte, der gefüllt werden sollte. Letztendlich können wir das im Ausschuss natürlich auch nicht ändern, sondern auch nur weitergeben. Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Ein Satz dazu, wenn ich darf. Das ist auch – ich habe es im Und noch einmal zu Herrn Strohmeyer: Sie haben Statement geschrieben – von Bedeutung für die auch noch einmal auf die immense Zunahme des Frage: Wo werden eigentlich Camps gebaut? Die Bedarfs an humanitärer Hilfe hingewiesen. Das Bildungsanstrengungen in Camps zu verstärken, hängt ja mit den Konflikten, die ich gerade heißt, Angebote zu schaffen. Aber ich habe angesprochen habe, zusammen. So lebt die Hälfte mindestens zwei Camps in meinem Leben aller Flüchtlinge in nur sieben Gastländern, häufig besucht, wo die Eltern gesagt haben, sie wollten sehr arme Länder, die am wenigsten in der Lage nicht zurück, obwohl sie hätten zurückkehren sind, Hilfe zur Verfügung zu stellen. Alle haben können und sollen, weil sie wollten, dass die jetzt gedankt, dass die Bundesregierung mehr Kinder hier die Schulausbildung beenden, denn Geld zur Verfügung gestellt hat, … wo sie zu Hause seien, gäbe es keine. Deswegen würde ich sagen, man sollte die Camps tatsächlich so bauen, dass die Leute in die lokalen Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Der ! „Communities“ integriert werden können, dass man also von vornherein darauf setzt, dass sie Abg. Inge Höger (DIE LINKE.): Der Bundestag, dort integriert werden. Man hilft dafür, in der stimmt, für humanitäre Hilfe schon, für den Gastcommunity das Bildungssystem auszubauen. Gesamthaushalt nicht, aber das ist jetzt nicht das Dann können sie dort so lange bleiben und wenn Thema. Meine Frage ist: Die letzte Geberkonferenz sie gehen, hat die Gastcommunity etwas davon für Flüchtlinge aus Syrien in der Türkei hat zwar und die Hilfsorganisationen müssen nicht wieder wieder viele Zusagen gebracht, aber wir hören ihre Zelte einrollen und die ganze Infrastruktur hinterher häufig, dass diese Zusagen nicht entsorgen. eingelöst werden. Was sind Ihre Ideen, wie man das verändern kann? Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Frau Kollegin Höger. Volker Gerdesmeier (Deutscher Caritasverband e. V.): Vielen Dank für die Frage. Abg. Inge Höger (DIE LINKE.): Auch ich danke für die doch sehr interessanten Ausführungen und Ich würde gerne ein Beispiel nennen, das uns sehr auch die Stellungnahmen. beschäftigt hat: Die NATO-Intervention in Libyen 2011, das heißt, die Art, wie die VN-Resolution

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ausgelegt wurde und wie zum Beispiel Frankreich nur noch wenige Worte anschließen. Wenn man und die USA sich sehr früh in diesem Konflikt auf in der humanitären Hilfe tatsächlich präventiv einem Regimewechsel festgelegt haben. Die hat arbeiten will, dann muss es einen massiven aus unserer Sicht alle Akteure aller Möglichkeiten Vorrang für ziviles Handeln geben, der sich auch beraubt, in irgendeiner Form zu einer in den Strukturen niederschlagen muss. Das heißt, Machtteilung und zu einer Verhandlungslösung es muss interministerielle Arbeitsgruppen nicht zu kommen. Die Afrikanische Union hätte  nur auf Stabsebene, sondern mindestens auf soweit wir das beurteilen können  Chancen Staatssekretärsebene geben, damit man tatsächlich gehabt, in irgendeiner Form zu vermitteln. Das durch alle Politikfelder hindurch konsistent wurde aber weggewischt durch die NATO- überlegen kann was das in konkreten, sich Intervention – die deutsche Position, sich entwickelnden Konflikten bedeutet und was man zumindest zu enthalten, hat uns damals daher tun kann. extrem gefreut und wir haben die ganze Debatte darüber nicht nachvollziehen können. Es war eigentlich eine Katastrophe mit Ansage. Was wir Wir haben ein großes diplomatisches Corps, das heute haben, ist auf jeden Fall schlechter als das sicher in der Lage ist, sich entwickelnde Konflikte was vorher da war. systematisch zu erkennen und zu melden. Wir haben unendlich viele Entwicklungshelfer. Ich denke, wenn sie ihr Wissen zusammen führen Die Fluchtbewegung war massiv – man spricht würden, würde man  auch im Vorfeld  deutlich von mehreren Millionen Arbeitsmigranten aus mehr tun können. Das heißt aber auch, nicht den Ägypten, Maghreb und Afrika südlich der Sahara, medialen Opportunitäten hinterherzurennen, die fliehen mussten. Gerade Afrikaner aus den sondern vielleicht auch einmal an der Spitze zu Sahel-Staaten wurden  sehr oft völlig zu Unrecht laufen und nicht zu warten.  mit dem alten Regime assoziiert. Es gab Söldner, es gab auch Soldaten in Diensten des alten Regimes, aber das wurde völlig zu Unrecht in Um das Stichwort noch einmal zu platzieren, rassistischer Form auf alle übertragen. So kam es auch wenn es nichts mit der Frage zu tun hat: Im zu schlimmen Ausschreitungen und in der Folge Falle des „El Niño“, wo jetzt der Westen Afrikas zu massiven Fluchtbewegungen zurück in den erkennbar in eine Krise hineinläuft, hieße das, Sahel. Das hat ganz klar die Krise in nicht zu warten, bis die Bundeskanzlerin zufällig verschärft. Es waren ganz sicher auch interne wieder einmal da hinfährt und irgendwelche Gründe für die Implosion des Landes Mali, aber spektakulären Bilder kommen, sondern jetzt die Rückkehr der bewaffneten Tuareg aus Libyen darüber nachzudenken, also präventiv tätig zu hat eindeutig die große Krise mit ausgelöst, die werden – politisch, aber auch im Blick auf uns bis heute massiv beschäftigt. Es sind Waffen Naturkatastrophen. in den ganzen Sahel geflossen – wir haben seit Jahrzehnten erlebt, wie Waffen zwischen Libyen, Wieder zurück zum Humanitären: Es heißt also, dem Tschad, der ZAR, dem Sudan und anderen langfristig vorauszuschauen und langfristig Ländern hin- und herwandern. Auch die anderen dranzubleiben. Im Blick auf die Geberkonferenzen Länder im Sahel sind hoch fragil. Der Tschad  auf alle Geberkonferenzen -, wäre das Stichwort etwa ist ein hoch fragiles Land und wir müssen „Walk the talk“ – das heißt, tun, was man befürchten, dass auch da Gewalt und Konflikte verspricht. Dafür ist der Bundestag meiner eskalieren. Es gab also massive Auswirkungen im Meinung nach in hervorragender Weise geeignet. ganzen Sahel. Der Grund ist die Art, in der die Er hat das Mandat, die Regierung an dem zu Krise in Libyen politisch angegangen wurde und messen, was sie gesagt und wie sie es umgesetzt wir denken, dass man darauf sehr viel stärker den hat, das Gesagte einzufordern, immer wieder Blick richten muss. darauf hinzuweisen, was eigentlich von den Versprechungen übrig geblieben ist und damit Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die Deutschland unter den internationalen Gebern zu Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Da kann ich einer Marke für Verlässlichkeit und für einen

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langen Atem zu machen. außen stimulieren kann.

Dr. Hansjoerg Strohmeyer (OCHA): Zu der Frage Die Weltbank hat etwa ein Projekt mit nach dem Ablauf der Londoner Konferenz: Es hat Unterstützung Großbritanniens und anderer in den letzten Tagen Gespräche gegeben zwischen gestartet, mit dem sie auf einen Verzicht auf London, Berlin und dem Generalsekretär über Handelsbeschränkungen hinwirkt. Dadurch sollen eine gezielte Briefaktion, mit der Länder Jordanien und Libanon unterstützt werden, so angeschrieben werden, um an die Außenstände zu dass auf diese Weise ein erinnern – keine Mahnung, aber ein Appell an das Bruttosozialproduktzuwachs erreicht wird, der Gewissen. Es geht natürlich um eine dann beiden Ländern zugutekommt. Es gibt also Rekordsumme, ich glaube 12,3 Milliarden. eine Menge Ansätze. Deutschland hat da mit einem großen Betrag  über zwei Milliarden, glaube ich  eine Vorreiterrolle gespielt. Andere waren auch Der letzte Punkt: Was zeigt uns das hier in großzügig, aber das ist etwas, das wir immer Deutschland und anderswo? Es ist wichtig, hier wieder sehen. Bei diesen großen „Pledging“- und vor der Öffentlichkeit zu sagen, dass diese Konferenzen ist es ein bisschen wie bei Probleme keine kurzfristigen Probleme sind. Wir Spendenaktionen im ZDF oder in der ARD zu befinden uns in einer Situation, wo globale Weihnachten. Es ist leicht anzurufen, aber Mobilität  „human mobility“, menschliche dann…. Das sehen wir eigentlich immer wieder: Mobilität  in einem Ausmaße stattfindet, wie wir Es heißt dann, im Endeffekt würden schon 60 sie in Jahrzehnten nicht gesehen haben, oder 70 Prozent der Mittel fließen, allerdings über verursacht nicht nur durch Krieg, sondern auch ein gesamtes Jahr. Das Problem ist aber, dass man durch die Auswirkungen des Klimawandels. Man das Geld eben nicht im Dezember braucht, muss sich vor Augen halten, dass Migration sondern im Januar – und nicht im häufig die Folge davon ist, dass manche Länder darauffolgenden Januar, sondern am Anfang des seit Jahren von den Auswirkungen des Jahres. Dadurch entstehen genau diese Klimawandels heimgesucht werden, so dass die Diskrepanzen. Man muss Leute entlassen, man Menschen einfach keine andere Chance für ihren kann Projekte nicht durchführen. Das Lebensunterhalt mehr sehen als ihr Land zu Welternährungsprogramm weist immer wieder verlassen. Nicht dass sie das wollen, aber das darauf hin. Sie nennen das „Pipeline-Bruch“: man müssen sie. Und dann ist Europa eben nahe, aber muss über Monate immer wieder die gleichen auch andere Länder. Produkte auf dem Markt kaufen und dann bricht so eine „Pipeline“, weil das Geld nicht da ist. In Das andere, das man sagen muss, ist das, was - der Folge kann der Marktpreis nach oben gehen sehr spät - in der politischen „Agenda 2030 über oder die Beschaffung aus anderen Gründen nachhaltige Entwicklung“ anerkannt worden ist, schwierig werden. dass „Displacement“ - also interne wie externe Flüchtlingsbewegungen- nicht ein humanitäres Wenn ich noch zwei Sachen zusätzlich dazu Problem, sondern ein langfristiges politisches und sagen darf: Auf der Londoner Konferenz ging es Entwicklungsproblem ist. Aber wir gehen damit nicht nur um Geld, sondern auch um Strukturen – um, als wäre es ein kurzfristiges humanitäres das war das Besondere dieser Konferenz. Vor Problem. Es bleibt bei humanitärer Hilfe, aber allem die Ko-Organisatoren  Großbritannien, Entwicklungshilfe, eine politische Investition Norwegen, Deutschland  drängten darauf, die findet nicht statt. Vor einigen Jahren hat ein Politikansätze zu ändern, das heißt, Flüchtlinge Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen eine nicht nur  das ist vielleicht der falsche Studie publiziert, für die über fünf Jahre 6 000 Ausdruck, aber Sie wissen, was ich meine  als Betroffene interviewt wurden. Eines der totes, amorphes Kapital zu behandeln, sondern zu Schlagworte der „Agenda 2030“ lautet: „Leave no gucken, was etwa auf dem Arbeitsmarkt, was mit one behind“, niemand soll zurück gelassen Freizügigkeit gemacht werden, wie man das von werden, aber die Interviewten haben gesagt:

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„leave something behind“, lasst irgendetwas ist eine wichtige Nation – was für eine zurück. Wir sehen aber häufig: Durch die strategische Orientierung sollen wir der Kanzlerin Kurzfristigkeit der Hilfe findet genau das nicht für ihren nächsten Besuch mitgeben? statt. In dem Moment, wo wir uns zurückziehen, findet nichts mehr statt. Das ist genau der Punkt, den auch die Londoner Konferenz wieder Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herr Koenigs, hervorgehoben hat. Es muss andere Politikansätze an wen richtet sich das? Sagen Sie bitte nicht: „an geben, um sich von diesem stetigen Tropf der alle“. internationalen humanitären Hilfe etwas zu lösen, nicht nur um für Geber Geld zu sparen, sondern Abg. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): um den Menschen in den betroffenen Ländern Nein, die erste Frage richtete sich an Frau Würde, Hoffnung und eine gewisse Chance auf Füllkrug-Weitzel und Frau Roßbach und die Zukunft zu ermöglichen. zweite an Herrn Strohmeyer.

Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Der Kollege Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Wollen Sie Koenigs. beginnen, Frau Füllkrug-Weitzel?

Abg. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die Ich habe zwei Fragen. Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Das wäre in der Tat eine sinnvolle Initiative. Brot für die Welt hat Frau Füllkrug-Weitzel hat ja sehr deutlich gesagt, seinerzeit das Projekt des Instituts für dass ein Paradigmenwechsel notwendig sei. Der Menschenrechte sehr stark mit entwickelt und Bericht des Generalsekretärs sagt das eigentlich vorangetrieben. Es gab ein relativ starkes Hin und auch. Frau Roßbach hat wiederum gesagt, viel Her mit der Politik über ihr Verhältnis zu einem mehr Bildung und Ausbildung  auch der Helfer Institut, das Forschung und Analyse betreibt, aber selbst  sei notwendig. Wir machen im das ist jetzt vorbei. Ob das auch mit Blick auf ein Augenblick in Deutschland quantitativ große Institut für humanitäre Hilfe gelten würde, müsste Anstrengungen, was zu dem Gedanken verführt man einmal ausprobieren. Das wäre eine „Viel hilft viel“ – dem ist aber nicht so, auch spannende Herausforderung. wenn die Diskussion über das 0,7 Prozent-Ziel ebenfalls in diese Richtung geht. Jetzt wird ein Manuela Roßbach (Aktion Deutschland Hilft qualitativer Diskurs notwendig. Haben wir e.V.): Auch ich sehe  ich habe früher lange im eigentlich in Deutschland die Institutionen, die so internationalen Bereich gearbeitet  die einen qualitativen Diskurs führen können? Im Notwendigkeit, einen Diskurs zu führen, wie Sie politischen Bereich haben wir die Stiftung das sagen. Die Frage ist, welche Plattform man Wissenschaft und Politik (SWP) und ähnliche dafür braucht. Vielleicht müsste man  typisch Einrichtungen – Washington hat da allerdings deutsch  mit kleinen Schritten anfangen. mehr. Im Menschenrechtsbereich haben wir das Humanitäre Hilfe hat längst schon ihre Kraken Institut für Menschenrechte, das diese Funktion über Soforthilfe hinaus ausgestreckt in andere in einer unabhängigen Weise ausübt. Wäre es Hilfsbereiche wie Entwicklungszusammenarbeit nicht sinnvoll, auch ein Institut für humanitäre und Migration. Wir haben die ganzen Begriffe Hilfe zu schaffen, das ähnlich unabhängig und mit gehört, die mit humanitärer Hilfe gleichwertig einem ähnlich engagierten Mandat arbeiten genannt werden. Hier zu differenzieren wäre ein würde, um zu der Qualität beizutragen, die wir interessanter Aspekt und hier könnte sich für jetzt in dieser Phase ganz dringend nötig haben? Deutschland – vielleicht als Zwischenschritt, um sich klar zu werden  eine Diskursmöglichkeit Die zweite Frage geht an Herrn Strohmeyer: bieten. „Istanbul“. Unser Vorsitzender fährt dort hin. Was sollen die Deutschen dort „pushen“? Deutschland

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Dr. Hansjoerg Strohmeyer (OCHA): Zu der Frage für viele Jahre sein werden. nach „Istanbul“.

Das Dritte ist das, was ich vorher besprochen Ich habe heute Morgen noch einmal nachgefragt habe: Bei dieser sogenannten „Humanitarian und wir hoffen sehr, dass die Bundeskanzlerin zu Development Divide“ kann man wirkliche dem Gipfel kommen kann. Ich glaube, dass man Fortschritte nur durch gemeinsame Ziele  nicht unterschätzen darf, wie groß international basierend auf den jeweiligen die Anerkennung für das ist, was Deutschland im Wettbewerbsvorteilen, die die verschiedene letzten Jahr geleistet hat. Das hat zu einer Agenturen und Akteure haben  und über unglaublich positiven Perzeption geführt, auch für mehrere Jahre also, langfristig erreichen. Das ist die Bundeskanzlerin persönlich. Für Deutschland ein neues Modell, das eine andere Art zu arbeiten als Land  das sage ich als immer noch deutscher erfordert. Das ist ein Paradigmenwechsel, der, Staatsbürger  ist das eine sehr gute Möglichkeit weil verschiedenste Ministerien in den jeweiligen und eine Plattform, die es für lange Zeit nicht Ländern involviert sind, auch nur auf dieser wieder geben wird, um eine größere Lenkungs- höchsten Ebene erreicht werden kann. Das und Gestaltungsrolle in der internationalen wiederum erklärt, warum wir die Konferenz auf Politik, bei der Krisenbewältigung, in der Gipfelebene haben wollten und nicht nur auf der humanitären Hilfe und auch in anderen Bereichen Ebene hoher Beamter. zu spielen. Wir hoffen, dass die Bundeskanzlerin diese Möglichkeit wahrnimmt. Das zweite ist …

Das alleine ist noch kein „Outcome“. Wir sagen jedoch nicht, dass der Gipfel nur dann ein Erfolg Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Jetzt waren Sie sein wird, wenn die Länder Zusagen machen, die gerade beim Dritten, nun gehen Sie wieder auf das den „Core Commitments“ der „Agenda für Zweite – ich muss ein bisschen auf die Uhr Humanität“ des Generalsekretärs entsprechen. Es schauen. ist verständlich, dass man das nicht am nächsten Tag  am Tag nach dem Gipfel  erreichen kann. Dr. Hansjoerg Strohmeyer (OCHA): Das gehörte noch zum Ersten. Aber man muss einen Prozess in Gang setzen, um – Nummer eins – den Paradigmenwechsel, den Das Zweite ist die Reduktion von Flüchtlingen, wir jetzt hier mehrfach besprochen haben, das heißt eine Zurückführung von Flüchtlingen. herbeizuführen, der sich auf drei Elemente Durch geeignete Politikansätze sollte zumindest konzentrieren muss. Zum einen: Mehr bei den Binnenflüchtlingen bis 2030 eine Fünfzig- Investitionen auf lokaler Ebene, wo das möglich Prozent-Reduktion erreicht werden – das hätte ist, mit dem Ziel die Aufgabe in lokale Hände zu eine transformative Wirkung auf die übergeben. Hilfsprogramme.

Zum zweiten: Viel mehr in Antizipation vor und Drittens: Das Präventionspaket habe ich schon nach Krisen investieren, vor allem bei erwähnt. Naturkatastrophen. Naturkatastrophen sind heute nicht mehr eine Sache von zwei, drei Monaten, sondern erfordern ein langfristiges Engagement, Viertens: Eine globale Kampagne zur Einhaltung wie zum Beispiel auf den Philippinen, wo OCHA des Völkerrechts, die nicht nur Organisationen, seit 2005, 2006 ein Büro hat. Wir hätten uns sondern auch Länder wie Deutschland umfassen niemals träumen lassen, dass wir in einem so muss. Wir sehen überall eine Erosion, über die genannten „Middle Income“-Land ein nicht nur das Internationale Komitee vom Roten langfristiges Büro haben würden. Das ist eine Kreuz (IKRK) oder OCHA berichten kann. Wir Folge des Klimawandels, was heißt, dass wir dort müssen Länder wie Deutschland und andere dafür

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gewinnen, dass sie trotz schwieriger Fragen eine ausgesprochen entsprechend geschulte Leute für Führungsrolle spielen. Die Frage nach humanitäre Hilfe – für Koordination, auch für Streubomben  das würde ich mir wünschen  Monitoring – in den Botschaften unterzubringen,. wäre ein solches Beispiel, wo Deutschland aus Können Sie das noch einmal kurz ausführen? Wir seiner Geschichte heraus eine sehr gute Rolle haben bereits verschiedenste Leute an unseren spielen könnte. Botschaften, etwa für Entwicklungszusammenarbeit, aber auch Militärattachés. Sicherlich ist für jeden von uns Der letzte Punkt betrifft  wie ich angesprochen einsichtig, dass es gut wäre, auch die humanitäre habe  die Finanzierung. Wir müssen die Hilfe entsprechend professionell vertreten zu Finanzierung anders aufstellen. Wir können nicht haben. Aber was versprechen Sie sich davon? In nur darauf achten, dass wir die humanitäre Hilfe den Ländern, in denen wir jetzt ganz massiv mit weiter aufstocken, was notwendig ist, weil der Geldern engagiert sind, stellt sich die Frage nach Bedarf wachsen wird. Wir müssen auch sehen, den Botschaften zum Teil gar nicht mehr. wie wir die existierenden multilateralen und bilateralen Investitionsmechanismen  über die Weltbank und multilateralen Banken  so Corinna Kreidler (Gutachterin Humanitäre Hilfe): koordinieren, dass sie ein langjähriges Arbeiten Vielen Dank für die Frage. sinnvoll ermöglichen. Was wir heute sehen, ist, dass im Anschluss an humanitäre Hilfe nichts mehr stattfindet. Mit anderen Worten: Zelte Ich habe sieben Jahre für die humanitäre Hilfe der werden finanziert, aber „Temporary Housing“ EU als Vertreterin vor Ort gearbeitet. Dieses oder andere Übergangslösungen werden nicht Modell schwebt mir natürlich vor. De facto gibt es mehr finanziert und damit fällt alles flach. Vielen im Moment in großen Krisen vor Ort immer eine Dank. Troika. Zu ihr gehören der ECHO-Vertreter oder die ECHO-Vertreterin, die Amerikanerin oder der Amerikaner, ein Vertreter des Vereinigten Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Als nächstes Königreichs. Diese drei bestimmen im Prinzip den Frau Kollegin Heinrich. Diskurs. Manchmal sind auch die Schweden oder die Niederländer noch vertreten, aber das sind dann auch schon Kolleginnen und Kollegen, die Abg. (SPD): Vielen Dank, Herr meistens  so wie die Deutschen auch  in ihren Vorsitzender. Botschaften neben der humanitären Hilfe noch Kultur oder noch Presse oder andere Felder An Sie alle erst einmal mein großer Dank. Sie bearbeiten müssen. Um aber den Geberdiskurs vor haben uns viel Stoff zum Nachdenken Ort qualitativ dem anzunähern, was wir auch von mitgegeben. den Hilfsorganisationen verlangen, braucht man natürlich Fachleute, die wissen, wovon sie reden und eine gewisse Glaubwürdigkeit mitbringen. Ich bin noch nicht ganz zufrieden mit der Frage der Koordinierung von NGOs, die gute Absichten haben, aber nicht professionell arbeiten, aber ich Mir hat immer geholfen, dass ich zunächst zehn will das Thema nicht noch einmal aufmachen. Jahre Projekte umgesetzt und dann sieben Jahre über Finanzierung entschieden habe. Das gibt mir natürlich ein anderes Standing, wenn ich mit den Ich habe eine Frage an Sie, Frau Kreidler: Sie Projektpartnern zum Beispiel Projektvorschläge plädieren ja nachdrücklich dafür, dass wir im diskutiere. Das wäre sozusagen die „direkte“ Blick auf den Anteil, den wir als großer Geber Vertretung beim Einsatz der Gelder, die finanziell zur Verfügung stellen, uns auch vor Ort Deutschland bilateral ausgeben will. Für die  beziehungsweise in Verwaltungsstrukturen  „Pooled Funds“  für die ich hier auch plädiert stärker einbringen müssten. Sie haben sich in habe,  muss man natürlich eine Ihrem Eingangsstatement auch dafür Verwaltungsstruktur haben. Das ist ein

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Instrument, das der oder die „Humanitarian humanitäre Hilfsorganisationen überall Coordinator“ auch finanzieren kann. Dependancen gründen und finanzieren womit sie  und dasselbe gilt ja auch für zusätzliche humanitäre Experten in den Botschaften  weitere Aber natürlich muss man auch im Dialog mit den Verwaltungskosten auslösen. Das muss man anderen Beteiligten bleiben und auch dabei muss einfach bedenken. Wir gehörten immer zu denen, Deutschland  wenn es große Beiträge gibt  die das nicht gemacht haben, weil wir durch personell adäquat vertreten sein. In der EU sind es lokale Partner arbeiten. Das Ergebnis war, dass dann nicht EU-Beamtinnen und EU-Beamte, die auch deutsche Botschaften sich plötzlich an da vor Ort sind, sondern Beschäftigte auf Zeit, das unsere englischen Kollegen gewandt haben. Die heißt, über zwei bis drei Jahre. Aber um zweite Konsequenz müsste also sein, dass man Fachpersonal vor Ort zu haben, muss man ihnen auch die lokalen Partner deutscher mehr Zeit für diese Aufgabe einräumen und auch Hilfsorganisationen ernst nimmt. Ich war mit einen gewissen Karrierepfad in diese Richtung einem Regierungsmitglied auf einer Reise in entwickeln. einem Land, als alle eingeladen wurden, die dort humanitäre Hilfe leisten. Wir waren die einzigen, Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Frau Füllkrug- die nicht eingeladen wurden, weil wir immer Weitzel hat sich zu Wort gemeldet. wieder darauf verwiesen haben, man möge bitte unsere lokalen Partner einladen. Darauf hieß es, das sei nicht „Deutschland hilft“, man wolle aber Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die deutsche Hilfe vorstellen. Am Schluss stellte sich Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Wenn man heraus, dass wir mit Abstand am meisten von möchte, dass die Botschaften in der humanitären allen gegeben hatten, was aber nicht sichtbar war, Hilfe eine stärkere Rolle spielen, dann muss man weil es über lokale Partner lief, die nicht das professionalisieren. Dem stimme ich absolut wahrgenommen wurden. Also dazu möge es bitte zu. nicht führen.

Ich habe es  ich will das Land nicht nennen  an Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herr einer Stelle erlebt, dass eine Botschaft  das dafür Strohmeyer. zuständige Personal  sich mit Inbrunst, aber ohne jede Kenntnis der humanitären Hilfe mit unserem Antrag befasst hat. Die haben sich dann wirklich Dr. Hansjoerg Strohmeyer (OCHA): Kurz zu der stundenlang mit uns über „nitty gritties“ Koordinationsfrage. Ob es jetzt 10 000 unterhalten, wodurch das ganze Antragsverfahren Nichtregierungsorganisationen in Haiti waren verkompliziert wurde. Schließlich hieß es, man oder 1 500 oder 3 000 oder 5 000 – man hört müsse das jetzt nach Berlin zurückmelden. Wie immer andere Zahlen: Auch 1 500 sind nicht effektiv ist das eigentlich? Erst durchläuft man das koordinierbar, da müssen wir uns ganz klar sein. Verfahren im Gespräch mit dem AA, wobei Das Problem ist, dass man diejenigen Anträge geprüft werden und so weiter, und dann koordinieren muss, die ungefähr 80 bis 90 Prozent von neuem vor Ort. Wenn man das will, dann der Finanzmittel aufbringen. Das ist eine Aufgabe, sollten es aber Fachleute sein. die das Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten aktiv annimmt und wo auch viel Fortschritt erzielt worden ist. Was ich zu bedenken geben möchte, auch wenn ich keine feste Meinung dazu habe: Ich sehe bei unseren Partnern  den humanitären Hilfswerken, Außerdem muss man festhalten, dass viele dieser den Kirchen in anderen europäischen Ländern, Organisationen gar nicht zu kontrollieren sind. mit denen wir eng verbunden sind, auch im ACT- Man kann ihnen nicht sagen, was sie tun oder Verbund , dass sie alle angefangen haben, sich zu lassen sollen. Das ist die Freiheit, die solche dezentralisieren, weil die Geber sich zivilgesellschaftliche Organisationen haben dezentralisiert haben. Das führt dazu, dass müssen, von denen viele zudem aus dem eigenen

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Land und aus den Nachbarländern kommen. Das behandelt wurde, verlief das anders als nach dem kann man nicht abschalten, man muss es aber russischen. Ich sehe Ihren Punkt – mehr kanalisieren und das macht humanitäre Hilfe Koordinierung ist sicher notwendig. Aber kompliziert. Das ist eine Realität, die man international ist es sehr schwierig das zu annehmen muss. Das bedeutet auch – da wir über erreichen. Effizienz und Qualität sprechen –, dass Koordinierung auch in sich selbst eine Effizienzmaßnahme darstellen muss. Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Ich möchte das doch noch ergänzen. Letzter Punkt zur Frage der Koordination: Immer wieder stellen wir fest, dass sich 1 500 oder 300 oder 2 000 Organisationen in der gleichen Stadt Die Frage ist: Ist das nationale Geberprinzip das aufhalten, während fünfzig oder hundert richtige und das einzige und das wegweisende Kilometer außerhalb, wo man Hilfe gut Prinzip zur Koordination? Wir haben uns immer gebrauchen könnte, niemand zu finden ist. Dann wieder dagegen ausgesprochen, dass es allein gibt es noch das Beispiel der Zentralafrikanischen darauf ankäme, dass die deutsche Hilfe Republik. Auf den Philippinen haben die koordiniert wird. Wir als kirchliche Hilfswerke Hilfsorganisationen mehr Geld, als sie ausgeben koordinieren uns mit über 150 Hilfswerken aus können: Uns hat eine Organisation  deren Namen der ganzen Welt und mit den jeweiligen lokalen ich nicht nenne  gesagt, sie hätten für die Partnern vor Ort. Ich halte das für ein mindestens Philippinen 100 Millionen Dollar zur Verfügung, genauso sinnvolles Koordinierungsprinzip wie die sie nicht ausgeben könnten. Zur gleichen Zeit eine nur deutsche Koordinierung. haben wir eine Million eingenommen für die Nichtsdestotrotz sind wir auch mit dem AA  und Zentralafrikanische Republik – zu einer Zeit, als das ist auch wichtig  in regelmäßigen die halbe Welt darüber gesprochen hat, dass dort Beratungen. Das ist nicht der Punkt. Nur wenn es ein Völkermord geschieht. Das zeigt deutlich, dass dann heißt, einer müsse doch koordinieren und das Problem nicht nur die Koordinierung, nicht wenn das dann die eigene Regierung wäre, macht nur die Masse ist, sondern auch die Frage wo sich das für Organisationen wie das Rote Kreuz, diese Masse konzentriert . Caritas, UNICEF und so weiter  möglicherweise auch für „Ärzte ohne Grenzen“ und andere, die international aufgestellt sind und im Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Frau Roßbach. internationalen Verbund arbeiten -, wenig Sinn. Und als internationale Verbünde sind wir ja auch mit den VN-Organisationen kontinuierlich im Manuela Roßbach (Aktion Deutschland Hilft Gespräch, auch im jeweils konkreten Fall vor Ort e.V.): Zur Koordinierung: Wir haben festgestellt, in den Clustern vertreten, und arbeiten an der dass weniger Organisationen rein kommen, wenn Entwicklung von Qualitätsstandards et cetera mit. die Regierungen der Länder selber Grenzen setzen. Im Fall Ecuador beispielsweise hat die Regierung  nach dem Erdbeben  von vornherein Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen gesagt, sie werde das regeln. Dank. Ich schaue auf die Uhr. Wir haben jetzt noch fünfzehn Minuten Zeit. Ich habe noch vier Redner – Steinbach, Brand, Klöckner, Groth – und Zu Haiti noch eine kleine Randbemerkung: Das schaue einmal in die Runde, ob es noch jemanden war wirklich ein sehr, sehr angeschlagener Staat, drängt. Das ist nicht der Fall. Dann machen wir wie wir wissen. Von Kollegen aus dem weiter mit Frau Kollegin Steinbach. medizinischen Dienst habe ich gehört  es waren ja nicht nur Deutsche, Franzosen, es waren Russen, es waren Amerikaner, es waren Abg. (CDU/CSU): Ich bedanke Venezolaner, es war die ganze Welt da -, dass mich für Ihre Beiträge, auch für das, was Sie uns keiner das gleiche Protokoll hatte. Wenn eine zuvor schon schriftlich übergeben haben. Person nach deutschem Protokoll chirurgisch

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Es macht natürlich wenig Sinn, wenn sich so viele Vorsitzender, wir haben fünfzehn Minuten, jetzt Hilfsorganisationen unkoordiniert  wie in Haiti  wahrscheinlich dreizehn Minuten. Die Frage von gegenseitig auf die Füße treten. Dann überlegt Frau Steinbach ist sehr komplex und ich muss man hinterher schon, wie man das besser machen mich jetzt schon von vornherein entschuldigen: kann. auch ich habe nicht das gesamte Sachwissen. Vielleicht nur zwei, drei Punkte zum Nachdenken. Aber ich möchte einen anderen Punkt ansprechen, der auch von verschiedenen Seiten hier schon in die Debatte geworfen wurde – einen Generell muss man natürlich sagen, dass Perspektivwechsel. Wir wissen ja aus Eigenverantwortung wichtig ist und ich glaube, es Untersuchungen, dass im afrikanischen Raum der gibt hier auch einen Trend. Die Afrikanische niedrigsten Schätzung nach 250 Millionen, der Union diskutiert diese Fragen. Es gibt natürlich höchsten Schätzung nach 600 Millionen unterschiedliche Probleme in verschiedenen Menschen geistig auf gepackten Koffern sitzen Ländern. Aber wenn man auf Bodenschätze und und sich gerne auf den Weg in Richtung Europa ähnliches verweist, dann muss man sich auch die machen würden. Wenn man das weiß, stellt sich  Wirtschaftsbedingungen vor Ort angucken und Stichwort „Perspektivwechsel“  ja schon die fragen, wie weit die Doha-Runde in den letzten Frage: Afrika ist ja ein im Grunde genommen Jahren gekommen ist. Wir haben es über ich weiß reiches Land, wenn man die Bodenschätze, die nicht wie viele Jahre immer gesagt: Es müssen Ressourcen dieses Kontinents betrachtet – wäre es ganz andere Handelsbeziehungen geschaffen nicht nötig, mit der Afrikanischen Union viel öfter werden. Es ist zur Zeit immer noch einfacher von und viel intensiver ins Gespräch zu kommen, um Europa nach Afrika zu exportieren als in die sie für ihre eigene Verantwortung für ihren andere Richtung. Wenn man sich anguckt, wer die Kontinent zu sensibilisieren und dabei Bodenschätze in vielen dieser Länder kontrolliert, Hilfestellung anzubieten? Deutschland tut stellt man fest, dass wenig Geld in den Ländern unendlich viel und es ist gut, dass wir das tun, bleibt, die diese Bodenschätze besitzen. Das sind aber wenn ich mir den Globus anschaue, sehe ich, komplizierte Zusammenhänge, die auch  wenn wie klein unser Land ist. Dass wir nicht alles man ganz ehrlich ist  in unsere Richtung, nach stemmen können, liegt auf der Hand. Deutschland und Europa, verweisen. Deswegen wage ich nur zu sagen, dass man vorsichtig sein muss, und nicht zu schnell nach mehr Afrikanische Union oder auch Arabische Liga: Eigenverantwortung rufen kann. Ich glaube, dass Wie kann man die Arabische Liga sensibilisieren, da schon mehr passiert als man sieht, wenn auch selber auch mehr Hilfe zu leisten? Es ist fast vielleicht noch mehr passieren könnte oder unverständlich, dass Saudi-Arabien in diesen müsste. Aber die Stimulation, die Anreize zum akuten Krisen sich tot stellt und niemanden Bleiben können ja für Leute, die aus aufnimmt. Die anderen  der Libanon zum ökonomischen Gründen gehen wollen, auch nur Beispiel  nehmen sehr viele Menschen auf. Diese aus ökonomischen Gründen bestehen. Das heißt, Grundsatzfrage bleibt, dass ein großer  im dass etwa Europa über die Doha-Runde und auf Grunde genommen nicht armer  Kontinent sich andere Weise einfach bessere ökonomische um seine eigenen Dinge zu wenig kümmert. Anreize bieten muss. Das ist ja auch das, was die Darüber sollte die Europäische Union mit der meisten Leute wollen. Sie wollen in ihren Afrikanischen Union enger und intensiver und Ländern bleiben und nicht unbedingt nach beständiger ins Gespräch kommen. Dazu Europa kommen, um dann „Remittances“ an ihre interessiert mich Ihre Meinung. Familien zurückzuschicken. Das ist eben ein komplexer Zusammenhang, den man jetzt nicht Vors. Michael Brand (CDU/CSU): An wen ist die im Einzelnen vertiefen kann. Frage gerichtet? Die Arabische Liga: Ich will jetzt nicht auf Dr. Hansjoerg Strohmeyer (OCHA): Herr einzelne Länder eingehen, aber man muss schon

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sagen, dass auf der London-Konferenz – die auch einleuchten sollte. Politisch denkt jedoch Syrien-Vier-Konferenz genannt wird, weil die zwischen Ungarn, Mazedonien und Griechenland ersten drei in Kuwait stattgefunden haben – aus nicht jeder so. Meine Frage ist: Sehen Sie eine dem arabischen Raum zusätzlich zu den Chance, dass alle zu der gemeinsamen eineinhalb bis zwei Milliarden, die schon vorher Schlussfolgerung kommen, dass eine geflossen sind, weitere erhebliche Summen Koordinierung innerhalb der NGOs sinnvoll wäre? zugesagt wurden. Ob jetzt ein Land wie Saudi- Arabien mehr machen könnte ? Möglicherweise. Aber was ein Land wie Jordanien über Jahrzehnte Die zweite Frage geht an Frau Kreidler. Sie haben geleistet hat  Flüchtlinge aus Palästina, aus dem in Ihrem Eingangsstatement  wie ich finde, zu Irak, jetzt wieder aus Syrien zu integrieren  das Recht  gesagt, dass Deutschland finanziell eine ist eine unglaublich große Leistung. Oder ein große Verantwortung übernommen und hier Gutes Land wie Libanon, das bei einer Bevölkerung von auf den Weg gebracht hat. Ich will die Zahlen nur vier Millionen mehr als ein Drittel als auch einmal nennen: im Haushalt 2016 wurden Flüchtlinge aufgenommen hat – das sind Zusatzmittel in Höhe von 228,5 Millionen Euro unglaublich große Leistungen. Wenn man das in eingestellt, insgesamt wurden die Mittel in diesem Bezug zum Bruttosozialprodukt setzt, dann sind Bereich auf 733,5 Millionen Euro erhöht, und für das Pro-Kopf-Leistungen, die diese Länder Krisenprävention sind noch einmal rund erbringen, die Leute sich hier nicht vorstellen 220 Millionen Euro vorgesehen. Das ist ein großer können. Saudi-Arabien, glaube ich, leistet auch Beitrag. Gleichzeitig haben Sie zu Recht seinen Beitrag, aber ich will jetzt nicht auf den eingefordert, dass sich dies natürlich auch Einzelfall eingehen. Ihr genereller Punkt ist: personell in der Verantwortung vor Ort Eigenverantwortung ist wichtig – mein Punkt ist: wiederspiegeln muss. Können Sie mir da ein, im Einzelfall sieht es etwas komplexer aus. zwei Beispiele nennen, was Sie damit konkret meinen?

Noch eine kurze Fußnote: Ich möchte wirklich anerkennen  und das auch gerade hier gegenüber Die dritte Frage geht ebenfalls an Sie. Mich den Bundestagsabgeordneten , dass Deutschland interessiert Ihre Einschätzung von eines der Länder ist, die ihre Öffentliche Qualitätsstandards in humanitärer Hilfe - auch die Entwicklungszusammenarbeit (ODA) bisher nicht von Frau Roßbach, wenn die Zeit reicht. Es gibt mit der Flüchtlingshilfe verrechnet haben. Andere manche Denkschulen, die sich dafür aussprechen, Länder haben das anders gemacht. Ich halte das alles Geld den VN oder anderen großen für ein ganz wichtiges Signal auch an diese Organisationen zu überlassen. Diese Diskussion Länder: Deutschland steht zu seinen erleben wir jetzt auch wieder vor dem Verpflichtungen und fängt nicht an, mit seinen humanitären Weltgipfel. Es gibt aber unter den ODA-Verpflichtungen zu spielen, indem es sie mit NGOs viele kleinere Organisationen, die in den eigenen Hilfeleistungen verrechnet. Das finde diesem Fach durch den Rost fallen würden. Ich ich erwähnenswert und lobenswert. Danke. rede jetzt nicht von denjenigen, die unkoordiniert tätig werden, wo sie nicht gebraucht werden, sondern ich rede von kleinen Organisationen, die Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen in ihrer Nische eine Daseinsberechtigung haben. Dank. Ich versuche es schnell.

Manuela Roßbach (Aktion Deutschland Hilft Ich habe drei Fragen. Die erste geht an Frau e.V.): Ich beginne mit der Frage der Roßbach: Sie haben zu Beginn Ihres Statements Flüchtlingsroute. Tatsächlich wäre die gesagt, dass es besser wäre  das ist einleuchtend Koordinierung wahrscheinlich einfacher gewesen, und jeder, der bei Vernunft ist, wird zum gleichen wenn die Länder, durch die die Flüchtlinge Schluss kommen , entlang einer Flüchtlingsroute gezogen sind, sich verantwortlich gefühlt hätten. für gleiche Standards zu sorgen. Das ist eine Das ist nun nicht passiert. Ich bin jetzt gespannt, Zielbeschreibung, die eigentlich jedem was in Griechenland passieren wird. Athen wird

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ja unterstützt durch einige Organisationen – eine sollte man die kleinen Organisationen auch in davon ist auch in unserem Bündnis –, die von der ihrer Breite fördern. Die Untersuchungen der EU Mittel erhalten, um gezielt zu helfen. Man Qualitätsprofile haben aber ja gerade gezeigt, dass muss schauen, wie das geht. die wenigsten kleinen Organisationen Nischen besetzen. Die meisten versuchen, auf so viel verschiedenen Sektoren wie möglich irgendwie Es gibt aber noch einen anderen Aspekt. Unsere präsent zu sein. Falls es in einem Land mehr Geld Organisationen haben uns mitgeteilt, dass auch für Wasserprojekte gibt, machen sie das und in die Flüchtlinge selber gar nicht so gerne an einem einem anderen Land dann eher Ort blieben. Sie haben sehr schnell die Ernährungssicherung. Wir haben festgestellt, dass Transitroute durchlaufen und wollten eben nicht es in Deutschland eine große Anzahl kleiner, ausruhen, nicht lange an einem Ort verweilen – ähnlich ausgerichteter Organisationen gibt, die das macht es schwierig. Wenn die Routen sich versuchen, möglichst breit durchzukommen. Ich ändern, dann halten sie sich auf einmal woanders denke auch, dass wir eine gewisse Pluralität auf. Mit etwas Chaos muss man also immer brauchen. Aber ehrlich gesagt besteht für mich rechnen. Wie sähe jetzt dieselbe Situation mit zwischen der 22. und der 28. kleinen NGO keine heutiger Erfahrung aus? Könnte man darauf in Pluralität und Diversität mehr und folglich auch Zukunft anders reagieren? Das glaube ich schon. kein Mehrwert mehr. Ich würde nicht dafür Wir müssen jetzt nach vorne gerichtet schauen, plädieren, nur fünf Organisationen in woher demnächst Flüchtlinge kommen können Deutschland zu finanzieren. Aber bei 20 oder 28 und wie wir an diesen Stellen mit ihnen ist der Mehrwert nicht mehr zu erkennen. umgehen. Das ist jetzt die Fragestellung. Was hat Humanitäre Hilfe ist kein Instrument zur funktioniert und was hat nicht funktioniert? Sie Förderung der deutschen Zivilgesellschaft. Dafür werden kommen, sie werden ganz andere Wege müssen wir andere Instrumente finden. Die nehmen und wie reagieren wir dann? Das ist ganz humanitäre Hilfe ist dazu da, vor Ort Betroffenen wichtig. gute, nützliche Hilfe zu leisten.

Die Spannung zwischen kleinen und großen Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Zur Aufklärung: Hilfsbündnissen – VN und anderen – werden wir Mit „Nische“ meinte ich Spezialisierung. Was Sie noch eine Weile haben. Das AA hat eine geschildert haben, ist Projekt-Hopping. ausgezeichnete Möglichkeit, auch mit Anfragen kleiner Organisationen umzugehen, da ja Qualitätsprofile erstellt wurden. Spezialisierte Corinna Kreidler (Gutachterin Humanitäre Hilfe): Organisationen sind damit erfasst und können in Ja, genau das ist das Problem. „Aktion Medeor“ ihrer Spezialisierung dann auch entsprechend zum Beispiel ist eine Nischenorganisation. Es ist gefordert und gefördert werden. Das habe ich so die einzig pharmazeutisch tätige deutsche verstanden. Generell halte ich es für gut, wenn Hilfsorganisation. Wenn wir davon noch ein paar finanzielle Mittel nicht nur in eine Richtung mehr hätten, wäre das wunderbar. Aber wir haben gehen, weil unterschiedliche Akteure zu zum Beispiel keine einzige deutsche NGO, die auf unterschiedlichen Zielgruppen besser oder die Behandlung von unterernährten Kindern schlechter Zugang haben. Wenn man mehreres spezialisiert ist. So etwas gibt es nicht im solcher Akteure koordiniert, können sie auch deutschen NGO-Spektrum. besser wirken.

Zu der Frage der Vertretung vor Ort. Ich stelle mir Corinna Kreidler (Gutachterin Humanitäre Hilfe): da Beauftragte für humanitäre Hilfe in den Da ich keine Organisation vertrete, erlaube ich mir Botschaften vor, die sich eben nur mit hier eine persönliche Meinung. humanitärer Hilfe befassen, fachlich qualifiziert und mit entsprechender Vorerfahrung. Die in den Gremien sitzen, etwa im „Humanitarian Country Sie sagen, es seien Nischenorganisationen. Wenn Team“, in der „Good Humanitarian Donorship das so wäre, würde ich Ihnen zustimmen – dann

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Group“ vor Ort. Die die Berichterstattung automatisch einen Mehrwert bedeutet, weil kleine übernehmen, die die Kapazitäten haben, den Organisationen angeblich unmittelbar, direkt und tatsächlichen Bedarf zu erheben und abzuwägen, ohne großen Verwaltungsaufwand helfen können. und dann auch sagen können, was „First Line“ Ich bezweifle einfach, dass das die Qualität hebt. und was leider nur „Nice to have“ ist. Die Projekte, laufende Projekte von Partnern oder von genuin deutschen Organisationen besuchen und Was man dagegen tun kann? Sie haben von uns die hoffentlich auch Entscheidungen, allen  beziehungsweise von den Hilfswerken  Finanzierungsentscheidungen beeinflussen wenig Antworten bekommen, weil keiner etwas können. vorschlagen möchte, was den anderen ausschließt. Aber ECHO hat zum Beispiel vor ein paar Jahren ein Screening der  damals waren es wohl 9 000  Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen Organisationen, die zum gegebenen Zeitpunkt  es Dank. Frau Kollegin Glöckner. ist schon eine Weile her  von ECHO irgendwann einmal Geld bekommen haben, durchgeführt. Die haben sehr intensive Systemprüfungen Abg. Angelika Glöckner (SPD): Die Frage, die ich vorgenommen, die die Administration und die an Sie richten möchte, wurde bereits mehrfach Wirksamkeit des Controllings betrafen. So haben angesprochen, deswegen kürze ich das Ganze ab. sie einen kleineren Kreis von Organisationen identifiziert  ich weiß nicht mehr wie viele es Frau Füllkrug-Weitzel, Sie haben auf Seite drei waren, etwa 900 von den 9 000  die weiterhin Ihrer Ausführungen davon gesprochen, dass viel Anträge stellen konnten, die anderen brauchten es Schaden entstünde durch Hilfsorganisationen nicht mehr zu versuchen. Die 900 haben sie noch ohne Expertise. Das wurde bereits mehrfach einmal „geclustert“ und als „most excellent“, angesprochen. Ich möchte meine Frage jetzt „excellent“ und „satisfactory“ eingestuft und konkretisieren, auch mit Blick auf den Gipfel in entsprechend die Gelder vergeben. Istanbul: Was glauben Sie, welche politischen Signale an diesen Gipfel gerichtet werden Dieses Qualitätsscreening sollte sich nicht nur auf könnten, um hier koordinierend oder lenkend Systeme, technische Daten und Standards einzuwirken? Welche politischen Möglichkeiten beziehen, sondern  das habe ich vorhin schon bei sehen Sie generell, um diesem Phänomen zu den Evaluationen gesagt  es sollte auch eine begegnen? Danke. Rolle spielen, ob die „Core Humanitarian Standards“ eingehalten werden. Ich halte das für Cornelia Füllkrug-Weitzel (Brot für die relevant, weil man andernfalls unheimlich viel Welt/Diakonie Katastrophenhilfe): Ja, ich sehe kaputt machen kann. tatsächlich  und würde insoweit dem Vorsitzenden zustimmen  Organisationen in Ich nehme nur ein Beispiel im Tsunami- Nischen, die es geben muss. Ich sehe es aber auch Zusammenhang: Wenn man in Indien Hilfe wie Frau Kreidler, dass man die 20. oder 22.  die leisten will und nicht weiß, was das Kastensystem Zahl ist beliebig – Organisation nicht mehr bedeutet  zum Beispiel für die Nichtpräsenz der braucht. Dalits in Dörfern , in ein Dorf kommt und die Verteilung von Hilfsgütern an einer bestimmten Hier liegt ein Unterschied zur Stätte ankündigt, ohne zu wissen, dass die Dalits Entwicklungszusammenarbeit, wo es wirklich davon ausgeschlossen sind, kann man richtig viel sinnvoll sein kann, auch viele kleine Initiativen kaputt machen, indem man die, die am ärmsten zu fördern, nicht um Entwicklung zu fördern, aber sind, noch einmal diskriminiert. Das meine ich: zur Förderung eines entwicklungspolitischen Man braucht auch Kontextwissen  das ist auch Bewusstseins und einer Partnerschaft zwischen nur ein Element , man muss wirklich ein hohes Nord und Süd. Bei der humanitären Hilfe verhält Maß an Sensibilität besitzen, um keinen Schaden es sich jedoch nicht so, dass die Vielzahl anzurichten.

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Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Frau Groth. In Syrien ist jetzt beides gleichzeitig passiert. Eine Eskalation fand einerseits durch den Flüchtlingsstrom und andererseits  in Syrien Abg. Annette Groth (DIE LINKE.): Ganz kurz an selbst  durch den IS statt. Beides zusammen hat Herrn Gerdesmeier und Herrn Strohmeyer. eine ganz andere Aufmerksamkeit für politische Lösungen, für sozio-ökonomische Anreize für Antizipation ist das Stichwort. Ich vermute, dass Geldgeber wie auch für „Host Communities“ und Sie den Hilferuf der libanesischen Regierung vor „Host Countries“ geschaffen, was lange Zeit nicht ungefähr zwei Jahren gehört haben. Als ich jetzt der Fall war. Aber es gibt viele andere Krisen. Was dort war, sagte mir die Sozialministerin, sie habe wird aus Tansania, wenn morgen die Lage in die letzten zwei Jahre bei sämtlichen EU- Burundi schlechter wird? Was ist mit Kenia, wo Botschaften die Klinken geputzt, auf den Druck es Millionen von Flüchtlingen gibt? Was ist mit auf die Infrastruktur hingewiesen und um vielen anderen Ländern? Wir warnen jetzt einmal finanzielle Unterstützung gebeten. Ihr Ruf sei hier, aber eine Reaktion wird es erst geben, wenn ungehört geblieben, obwohl man genau wusste, es auch in diesen Fällen eine weitere Eskalation dass das Welternährungsprogramm nicht über gegeben hat. genügend Geld verfügte - das war ja einer der Gründe, warum die Leute aus Libanon und auch Vors. Michael Brand (CDU/CSU): Herzlichen aus Jordanien weggegangen sind: „Bevor ich Dank. Ich darf mich im Namen des Ausschusses verhungere, gehe ich lieber in die Türkei und bei Ihnen allen bedanken, besonders bei den dann versuche ich, nach Europa zu gelangen.“ Sachverständigen für Ihr Kommen, für die Jetzt hingegen könnte sie, sagte die Ministerin, Expertise, aber darüber hinaus auch für Ihren oft sich nicht retten vor hochrangigen Delegationen. schon langjährigen Einsatz. Ich danke auch den Da frage ich mich, ob man nicht  um vielen Gästen, unter ihnen Herr Laubacher, Frau antizipatorisch zu wirken  viel früher lauter Hützemann, Thilo Hoppe, unseren ehemaligen schreien und warnen muss, bevor das Kind in den Kollegen und viele andere, die ich jetzt nicht Brunnen gefallen ist. genannt habe. Ich freue mich, dass Sie alle der Anhörung beigewohnt haben und sage auch Ihnen Volker Gerdesmeier (Deutscher Caritasverband ein herzliches Dankeschön für Ihr Engagement. e.V.): Meines Erachtens hat es jedes Jahr Aufschreie gegeben, aber sie sind nicht gehört Da so oft der Vorsitzende und der Humanitäre worden, weder von uns noch von der Regierung – Weltgipfel angesprochen worden sind, will ich das ist das Problem. Jetzt, nachdem innerhalb des abschließend erläutern, dass der gesamte letzten Jahres der große Flüchtlingsstrom nach Ausschuss das Interesse hat, nach Istanbul zu Europa eingesetzt hat, hat man sich schließlich reisen, die Zahl der Plätze aber begrenzt ist. Ich Instrumente überlegt, wie zum Beispiel habe schon sehr frühzeitig das Signal gesendet, Handelsanreize oder andere geldwerten Anreize, dass wir als Parlamentsdelegation nach Istanbul die nicht Entwicklungshilfe sind, sondern dem reisen möchten und hoffe, dass es vielleicht Land auf normalem wirtschaftlichen Wege zu einem oder zweien von uns gelingt. Ich habe mir Gute kommen. den Terminkalender freigehalten und hoffe, den einen oder anderen von Ihnen dort wieder zu Die Zustandsbeschreibung, die Sie abgegeben sehen. Aber der Rauch ist noch nicht weiß, auch haben, ist zum großen Teil korrekt und wir noch nicht schwarz, sondern noch grau. Das würden sie alle, glaube ich, unterschreiben. Es ist Thema wird uns aber auch jenseits vom Gipfel eben so, dass Hilfsappelle einfach nur gehört weiter intensiv begleiten. Viel wichtiger ist die werden, wenn es zu einer Eskalation kommt, Arbeit vor Ort, durch internationale wenn die Krise entweder bei einem selbst vor der Organisationen, auch die NGOs und vor allen Haustür steht oder sich anders verschlimmert. Dingen durch die Einbindung – und nicht Instrumentalisierung – lokaler Akteure – das ist aus meiner Sicht einer der zentralen Punkte für

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das Gelingen einer nachhaltigen humanitären Hilfsarbeit vor Ort, die über den Tag hinausgeht.

Vielen Dank für Ihr Kommen - ich wünsche allen einen schönen Abend und schließe die Sitzung.

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