Deutschland

SPIEGEL-GESPRÄCH „Viel Zeit bleibt nicht mehr“ Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach, 60, über das Leben mit einer tödlichen Krebs- diagnose und die Frage, warum er trotzdem noch einmal für den kandidiert

SPIEGEL: Herr Bosbach, Sie haben Prosta - takrebs im fortgeschrittenen Stadium – wie lange haben Sie noch zu leben? Bosbach: Nach dem ersten Befund hieß es, die durchschnittliche Lebenserwartung be - trüge noch 23 Jahre. Demnach hätte ich 81 werden müssen. Zwar ist die OP gut verlaufen, und der Tumor konnte komplett entfernt werden, aber später erfuhr ich dann, dass sich schon Knochenmetastasen gebildet hatten. 23 Jahre sind daher nicht mehr realistisch, die Zahl muss wohl leider deutlich nach unten korrigiert werden. SPIEGEL: Es gibt keine Chance mehr auf Heilung? Bosbach: Nach menschlichem Ermessen ist das wohl so. Mein Arzt hat gemeint, ich solle mir keine falschen Hoffnungen machen. SPIEGEL: Das hat er so knallhart gesagt? Bosbach: Ja, und ich persönlich finde das auch richtig. Ich habe es bereits zweimal erlebt, dass mir Ärzte gesagt haben „Das muss nichts Ernstes bedeuten, aber da müssen Sie sich mal drum kümmern!“ – und beide Male war es sehr ernst. Das brauche ich nicht noch einmal. Ich möch - te nicht, dass man mir Hoffnungen macht, die von der nächsten Diagnose wieder zertrümmert werden. Jetzt weiß ich eben: Sehr viel Zeit bleibt nicht mehr. Also lebe ich intensiver. Ich erwische mich oft bei dem Gedanken „Genieße es! Wer weiß, wie oft du das noch erleben kannst?“ SPIEGEL: Sind die Knochenmetastasen über den ganzen Körper verteilt? Bosbach: Nein, betroffen sind vor allem das Becken und die Wirbelsäule, jeden - falls hat das die Untersuchung gezeigt. SPIEGEL: Wollen Sie überhaupt wissen, wie viele Jahre Ihnen noch bleiben? Bosbach: Ich bin froh, dass ich die Zeit, die mir noch bleibt, nicht kenne. Der Prostatakrebs wächst wohl zum Glück relativ langsam. Zurzeit mache ich eine Hormonentzugstherapie und hoffe, dass der Krankheitsfortschritt hierdurch deut - lich gebremst wird. Wie viele Jahre ich L E noch habe, weiß ich nicht und grübele G E I P S darüber auch nicht groß nach. Aber ganz R E D leise hege ich natürlich die Hoffnung, dass /

R E N G A W

* Vor einem Restaurant in Bensberg. A T Das Gespräch führten die Redakteure Markus Felden - U kirchen und René Pfister. Unionspolitiker Bosbach*: „Wer weiß, wie oft du das noch erleben kannst?“

46 " #!  35/2012 die Forschung in absehbarer Zeit neue Therapiemöglichkeiten entwickelt. SPIEGEL: Wie haben Sie die letzte, vernich - tende Diagnose aufgenommen? Bosbach: Natürlich war ich schockiert, denn nach OP und Bestrahlung bin ich ja zunächst davon ausgegangen, dass wir das Übel radikal entfernt hätten. Außer - dem bin ich begeisterter Nichtraucher, trinke nur wenig Alkohol, habe kaum Übergewicht und treibe regelmäßig Sport. Vielleicht wäre ich doch besser zumindest einmal im Jahr statt auf den Tennisplatz zur Vorsorge gegangen. SPIEGEL: Trotz der wenigen Jahre, die Ih - nen bleiben, wollen Sie im nächsten Jahr für den Bundestag kandidieren. Eine wei - tere Legislaturperiode – ist das nicht wahnsinnig? R E

Bosbach: G Nö. Ich mache wirklich gern und N I H C

leidenschaftlich Politik. Es ginge mir auch R A D

nicht besser, wenn ich nicht mehr kandi - C R A dieren würde. Außerdem: Meine erste M Bundestagswahl als aktiver Wahlkämpfer, Abgeordneter Bosbach*: „Ich realisiere langsam, wie viel ich verpasst habe“ die berühmte „Willy-Wahl“ von 1972, en - dete mit einer herben Enttäuschung: Im SPIEGEL: Seit 1994 leiden Sie zudem unter Herzleistung liegt heute wieder bei über Bund war erstmals die Union nicht mehr einer schweren Herzkrankheit, die Folge 40 Prozent, und das viel zu große Herz stärkste Fraktion. Bei der letzten NRW- einer verschleppten Grippe. Ihr Herz hat ist deutlich kleiner geworden. Wahl haben wir mit 26 Prozent schon seither eine verminderte Leistungskraft SPIEGEL: Wann haben Sie die Feststellung wieder eine bittere Niederlage kassiert. von 42 Prozent. Warum sind Sie nicht gemacht, das man als Politiker über seine In so einer Lage höre ich nicht auf. Das schon damals, vor 18 Jahren, kürzerge - Krankheit reden kann? kann ich nicht. treten? Bosbach: Erst nach der Krebsdiagnose. SPIEGEL: Aber die CDU ist doch nicht das Bosbach: Leider muss ich gestehen, dass Die Reaktionen, auch von wildfremden Wichtigste. Warum verbringen Sie die rest - ich damals einen schweren Fehler ge - Menschen, waren so überwältigend, po - liche Zeit lieber im Bundestag als zu Hau - macht habe. Die Diagnose „Herzmuskel - sitiv und mitfühlend, dass ich dachte: Alle se mit Ihrer Familie und Ihren Freunden? entzündung“ wurde mitten im Bundes - Achtung, mit so viel Zuspruch und netten Bosbach: Ich wäre nicht glücklicher, nicht tagswahlkampf gestellt. Ich war damals Gesten konnte ich gar nicht rechnen. Das zufriedener, wenn ich nur noch zu Hause das erste Mal Direktkandidat für den hat mich zutiefst gerührt. Auch meine wäre und mich meinen Hobbys widmen Rheinisch-Bergischen Kreis und wollte Kollegen haben sich wirklich toll verhal - würde. Wenn mein Arzt mir dringend daher auf keinen Fall, dass sich meine Er - ten. Ich hatte nie das Gefühl, dass sich da abraten würde, käme ich vielleicht ins krankung herumspricht. jemand die Hände reibt nach dem Motto: Grübeln. SPIEGEL: Warum wollten Sie, dass nie - Da wird bald ein Platz frei! SPIEGEL: Ist das Weitermachen auch eine mand davon erfährt? SPIEGEL: Fragen Sie sich nie: Ist das ge - Form von Ablenkung? Bosbach: Ich hatte die Befürchtung: Wenn recht, dass ich von so vielen Krankheiten Bosbach: Ja, denn die politische Arbeit sich das herumspricht, fragen sich die Leu - gepeinigt bin? fordert mich ganz, und das lenkt auch ab. te: Ist der im Vollbesitz seiner Kräfte? Bosbach: Bei der Herzmuskelentzündung Man hat überhaupt keine Zeit, sich große Kann der das Pensum tatsächlich bewäl - habe ich gedacht: Jeder hat sein Päckchen Sorgen zu machen oder gar mit seinem tigen? Übernimmt der sich nicht? zu tragen, das ist jetzt eben deins. Dann Schicksal zu hadern. Es muss immer wei - SPIEGEL: Aber behandeln lassen haben Sie kam die Krebsdiagnose dazu. Da dachte tergehen, und jeder Tag bringt neue Her - sich schon? ich: Ach du lieber Gott, das musste jetzt ausforderungen. Bosbach: Das ja, und zunächst habe ich aber nicht auch noch sein. Und beim ers - SPIEGEL: Was hat Ihre Frau zu dem Ent - die Medikamente ja auch tapfer genom - ten Gichtschub: Jetzt reicht’s wirklich! schluss gesagt, trotz Krankheit wieder zu men. Aber sobald es mir besserging, habe Da kommt selbst ein gläubiger Christ wie kandidieren? ich sie beiseitegelegt. ich ins Grübeln. Bosbach: Nur einen Satz: „Das musst du SPIEGEL: Wie lange ging das gut? SPIEGEL: Sie haben mal gesagt, Sie hätten selber wissen.“ Ich habe zwar lange über - Bosbach: Anfang 2004 hatte ich einen bö - 30 Jahre lang ein Leben auf der Überhol - legt, aber im Geheimen hatte sie wohl sen Rückfall. Ich konnte kaum noch Trep - spur gelebt. Warum haben Sie sich so für schon damit gerechnet, dass ich noch ein - pen steigen, meine Herzleistung war auf die Politik verausgabt? mal antrete. 20 Prozent abgesunken. Sehr geholfen hat Bosbach: Ich habe nun mal ein Pflichtbe - SPIEGEL: Wie geht es Ihnen jetzt im Mo - mir damals übrigens , der wusstsein, das vielleicht von einigen als ment? zeitgleich massiv an der gleichen Krank - antiquiert belächelt wird. Ich möchte 100 Bosbach: Gute Frage! Jedenfalls geht es heit litt. Er hat mir in Berlin seinen Arzt Prozent geben, nicht nur 95 Prozent. Als mir subjektiv besser als objektiv. Die Hor - empfohlen, und bereits wenige Tage spä - ich 1994 erstmals für den Bundestag kan - monentzugstherapie nimmt mich zwar ter wurden mir ein Herzschrittmacher und didierte, habe ich versprochen, alle Kom - mehr mit, als ich erwartet habe, aber man ein Defibrillator gegen den plötzlichen munalwahlbezirke meines Wahlkreises gewöhnt sich auch daran. Richtig schlimm Herztod eingebaut. Das hat geholfen. Die mit dem Fahrrad zu durchqueren. Das ist sind allerdings die Gichtschübe im Fuß. im Bergischen Land etwas schwieriger als Die kommen zwar selten, aber wenn, * Mit Ehefrau Sabine und den Töchtern Natalie, Caroline etwa in Ostfriesland. Das Motto hieß dann sind das ganz üble Schmerzen. und Viktoria 2004 vor der Berliner Reichstagskuppel. „Bosbach strampelt sich ab!“ Und dann

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SPIEGEL: Sie waren in den vergangenen Monaten oft in den Schlagzeilen, weil Sie sich offen gegen die Euro-Politik der Kanzlerin gestellt haben. Hat die Krank - heit Sie zu einem Querkopf werden lassen? Bosbach: Ich bin alles andere als ein Quer - kopf. Aber ich bin ruhiger und gelassener geworden. Ich wollte immer nur ein guter und verlässlicher Kollege sein. Vor der Euro-Krise hatte ich in 18 Jahren Bundes - tag nur zweimal gegen die Fraktion ge - stimmt. Beim Thema Euro konnte und wollte ich nicht gegen meine Überzeu - gung votieren. Natürlich habe ich ge - wusst, dass es bei einem Nein zum Euro- Rettungskurs Ärger geben wird. Aber ich hätte mich viel mehr über mich selber geärgert, wenn ich meiner Überzeugung untreu geworden wäre. Früher hätte mich der ganze Ärger echt getroffen und tief )

. verletzt. Heute denke ich: Es gibt Schlim - R (

O meres! G A M

I SPIEGEL: Kanzleramtschef /

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H hat Sie wegen Ihrer Haltung in der Euro- U L

/ Frage mit den Worten angeblafft: „Ich O T O

H kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ P C

M Bosbach: Ach, der arme Ronald. Er ist halt Lehrling Bosbach 1970, Karnevalist Bosbach 2007: „Ich war schon immer quirlig“ auch nur ein Mensch. Er stand garantiert unter einem enormen Druck. Es musste kam die bittere Herzdiagnose. Die konnte SPIEGEL: Ist die CDU für Sie Familie wie wohl mal raus. Schlimmer fand ich, dass ich überhaupt nicht gebrauchen. Ihre Frau und Ihre drei Töchter? mich ein Fraktionskollege, wenn auch SPIEGEL: Sind Sie trotzdem aufs Rad ge - Bosbach: Ja. Die CDU – und nur die CDU sehr verklausuliert, aufgefordert hatte, stiegen? – ist meine politische Heimat. Hunderte mein Mandat niederzulegen. Oder der Bosbach: Ja. haben für mich in den letzten Jahrzehn - Vorwurf, ich würde nur gegen Merkels SPIEGEL: Das ist doch beknackt. ten in der Heimat Wahlkampf gemacht, Kurs stimmen, weil sie mich nicht zum Bosbach: Da haben Sie wohl recht. Ich Plakate geklebt, Flugblätter verteilt, an Minister gemacht habe und ich deshalb hatte auch einmal eine Abendveran- den Ständen mit den Bürgern diskutiert. frustriert sei. Da hört der Spaß für mich staltung im Wahlkreis meines Freundes Ich könnte mir nie vorstellen, für eine an - wirklich auf. , also ganz im Süden der dere Partei – und damit gegen diese Par - SPIEGEL: Haben Sie sich mal die Frage ge - Republik. Anschließend bin ich dann mit teifreunde – anzutreten. Nie. stellt, warum Sie es nicht nach ganz oben dem Pkw die ganze Nacht durch nach SPIEGEL: Wenn Sie auf Ihr Leben zurück - geschafft haben? Braunschweig gefahren, weil ich dort um blicken: Wären Sie glücklicher, wenn Sie Bosbach: Was soll ich mir darüber den zehn Uhr morgens auf dem CDU-Par - Supermarktleiter in Kopf zermartern? Ich will gar nicht drum teitag sprechen sollte. Das würde ich al - geblieben wären? herumreden. Nach der Bundestagswahl lerdings heute so nicht mehr machen. Bosbach: Puh. Gute Frage. Als Supermarkt - 2005 wäre ich gerne Innenminister ge - Vielleicht bin ich im Laufe der letzten leiter wohl nicht, aber vielleicht, wenn ich worden. Hat aber nicht geklappt. Meine Jahre ja doch etwas vernünftiger ge- mich voll und ganz auf meine spätere Tä - Mutter hat nur gesagt: „Junge, wer weiß, worden. tigkeit als Anwalt konzentriert hätte. Dann wofür es gut ist.“ Mama hat recht. SPIEGEL: Warum haben Sie für die Politik hätte ich mehr Zeit für meine Familie, ins - SPIEGEL: Hielt Sie letztlich Ihre Gesundheit ruiniert? besondere für meine drei Töchter, gehabt. für zu redselig? Bosbach: So sehe ich das nicht. Ich bin kein Zwei sind schon aus dem Haus, und erst Bosbach: Keine Ahnung. Vielleicht ist es Parteibrigadegeneral, sondern schlich ter jetzt realisiere ich langsam, wie viel ich in so, aber mir gegenüber hat sie in dieser Parteisoldat. Ich bin gern bei den Leuten. den letzten 18 Jahren verpasst habe. Richtung nie Andeutungen gemacht. Besser eingeladen als ausgeladen. Ich war SPIEGEL: Ihre Bilanz: Was sind die Schat - SPIEGEL: Die Norddeutsche Merkel und gerade einige Tage mit der Familie in New tenseiten der Politik? der Rheinländer Bosbach, das passte ein - York und bin Freitagmittag hundemüde Bosbach: Aufwand und Ertrag stehen zu fach nicht an einen Kabinettstisch? zurückgekommen. Am selben Abend hat - oft in keinem gesunden Verhältnis. Ich Bosbach: Sicherlich gibt es da gewisse te ich eine Veranstaltung in Essen, am will gar nicht zählen, wie viele Tage und Temperamentunterschiede. Als einmal Samstag vier Termine im Wahlkreis, und Nächte ich schon mit zähem Ringen über darüber debattiert wurde, wie man diese Sonntagmorgen war ich im Gottesdienst irgendeinem Gesetzentwurf verbracht Unterschiede erkennen könne, habe ich auf der Rievkoochekirmes in Odenthal- habe – und am Ende wurde er dennoch nur gesagt: Der Höhepunkt auf dem 50. Holz. Reibekuchenkirmes! Darüber wer - nur minimal verändert, oder er ist wieder Geburtstag von Angela Merkel war der den sich jetzt wahrscheinlich einige lustig in den Tiefen der Ministerialbürokratie Vortrag eines Hirnforschers. Bei mir war machen, aber ich gehe gern zu solchen verschwunden. Das ist schon ernüchternd. es der Auftritt der Karnevalsband Höh - Festen. Die Leute freuen sich, wenn ihr Max Weber hat einmal gesagt, Politik sei ner. Vielleicht bringt es das ja auf den Abgeordneter kommt. Und es wird kein das Bohren dicker Bretter. Das ist echt Punkt. Wort über Politik geredet. Das tut auch untertrieben. Manchmal muss man sich SPIEGEL: Hat es der Typ fröhlicher Rhein - mal gut. durch ganze Wälder fräsen. länder in der Politik schwerer, weil er

48 " #!  35/2012 Deutschland schnell als oberflächlich, wenn Seele ist kostbarer als das ganze nicht gar als unseriös gilt? Universum! Ein wunderschöner Bosbach: Ja, das ist wohl so. Wer Satz. Unsere Seele wird weiter - fröhlich daherkommt, gilt schnell leben, daran glaube ich. Und wir als oberflächlich oder gar unseriös. leben in unseren Kindern weiter. Aber seit wann sind denn Fröhlich - Nicht in Bildern, die sie von ihren keit, Fleiß und Kompetenz Gegen - Eltern aufbewahren und auf die sätze? Glaubt denn irgendjemand Kommode stellen, sondern in dem, ernsthaft, dass die Politik besser was wir ihnen für ihren eigenen Le - wird, wenn die Politiker schlechte bensweg mitgegeben haben. Nur Laune haben? wer vergessen wird, ist wirklich tot. SPIEGEL: Merkel soll mal gesagt ha - SPIEGEL: Ist es Ihnen wichtig, dass ben: „Herr Bosbach ist ja bekannt vom Politiker Wolfgang Bosbach dafür, dass er keinen Journalisten - etwas bleibt? anruf unbeantwortet lässt.“ Bosbach: Nein. Das ist mir wirklich Bosbach: Das war wohl als Kritik ganz egal. Ob ich an einem Gesetz gemeint. Aber ich verstehe nicht, mitgearbeitet habe oder ein ande - war um. Ich bekleide ein öffent - rer. Ob ich Vorsitzender des Innen - liches Amt. Da muss man ansprech - ausschusses bin oder ein anderer. bar sein, Rede und Antwort stehen. Wo ist da ein wichtiger, wesentli - Ich rufe mich ja nicht selber an. cher Unterschied? SPIEGEL: Hat Ihre Frau noch nie ge - SPIEGEL: Fänden Sie es nicht schön, sagt: Jetzt stell mal das Scheiß- wenn der Politiker Bosbach lange H

Telefon aus? T in Erinnerung bliebe? U F Bosbach: Bosbach: Tja, das ist schon mal vor - N Der Mensch Bosbach soll - E T S

gekommen. Mehr als einmal. R te in Erinnerung bleiben. Das wür - O H

SPIEGEL: Und? Hören Sie auf sie? T de mich freuen! Von mir wird es Bosbach: Meistens nicht. Im Haus Bosbach-Freund und Bestattungsunternehmer Roth garantiert keine Memoiren geben. haben wir keinen Handy-Empfang, „Fritz, nimm mich mit!“ Die Partei spart also viel Geld, da ist dann Ruhe. Es sei denn, das denn sie muss nicht diese Bücher Festnetztelefon tritt in Aktion. Ansons - bejahender Mensch, ein Karnevalist wie kaufen, um sie dann bei Jubilarenehrun - ten gehe ich mit dem Handy regelmäßig ich. Wir haben uns nicht bedauert oder gen zu verschenken. Ich brauche auch vor die Tür, um zu prüfen, ob jemand getröstet, nein, wir haben uns erzählt, kein Denkmal, keine Bosbach-Straße. Ich auf die Mailbox gesprochen hat. Meistens was wir noch alles vorhaben in der Kürze nehme mich nicht wichtiger, als ich bin. ist das so . der Zeit. Fritz meinte, er wolle unbedingt Wer immer nach mir kommt, wird es SPIEGEL: Hilft der Trubel des Politikbe - noch die Seidenstraße entlangfahren. Ich wahrscheinlich anders, aber bestimmt triebs, sich weiter lebendig zu fühlen? hab spontan gesagt: „Fritz, nimm mich nicht schlechter machen als ich. Es wäre Bosbach: Ich war schon immer quirlig, mit!“ aber schön, wenn die Leute am Ende sa - habe immer gerne und viel gearbeitet. SPIEGEL: Wie wollen Sie in Ruhe die Sei - gen: Der hat gut gearbeitet, sein Bestes Das hat nichts mit meiner Erkrankung zu denstraße entlangreisen, wenn Sie weiter gegeben. Das reicht. tun. Wenn mein Handy einmal drei Tage Abgeordneter bleiben? SPIEGEL: Ihr Freund Fritz Roth will sogar stumm bliebe, dann würde ich mich Bosbach: Wenn der Fritz sich die Zeit seine eigene Bestattung planen. Käme schon fragen: Hast du jetzt etwas falsch nimmt, nehm ich sie mir auch. Bislang das auch für Sie in Frage? gemacht? Bis jetzt ist das noch nicht vor - habe ich nie länger als eine Woche Urlaub Bosbach: Ja. Es ist doch schön und beru - gekommen. am Stück gemacht. Aber besondere Si - higend, die letzten Dinge noch selber SPIEGEL: Haben Sie Angst vor dem Tod? tuationen erfordern eben besondere Maß - sorgfältig regeln zu können. Meine Bitte Bosbach: Vor dem Tod nicht, aber vor dem nahmen. an die Trauergemeinde würde lauten: Sterben. Genauer gesagt, vor Schmerzen SPIEGEL: Ihr Freund Fritz hat sich sogar Nicht traurig sein, genießt das Leben! Bei und Siechtum. Ziele auf der Weltkarte markiert, die er uns gibt es den Kalauer: Im Rheinland SPIEGEL: Wie würden Sie gerne sterben? noch sehen will. Haben Sie das auch? sind die Beerdigungen lustiger als woan - Bosbach: Zu Hause. Bei meiner Familie, Bosbach: So konkret nicht. Aber ich möch - ders die Hochzeiten. Es sollten auch nicht meinen Kindern. Wir haben den Tod aus te unbedingt noch einmal nach Rom. Das nur Kirchenlieder gespielt werden. Jürgen unserer Mitte verdrängt. Er findet nur sel - ist für mich die schönste Stadt der Welt. Fritz, ein Klassenkamerad von mir, hat ten noch im häuslichen Umfeld statt, oft Ich war auch noch nie in Asien oder Au - das Lied „Niemals geht man so ganz!“ in der Klinik oder im Pflegeheim. Ich stralien. Auf jeden Fall möchte ich mit geschrieben. Das passt. Und dann noch möchte meinen Lieben dann alles sagen meiner ganzen Familie einmal nach Kali - eine Bitte: keine langen Reden. Macht’s können, was für mich noch wichtig ist fornien. Am liebsten an der ganzen Küste kurz. Die Leute wollen was zu essen und was ich ihnen schon immer sagen entlang von San Francisco bis nach San haben. wollte. Diego. SPIEGEL: Wäre das in Ordnung, wenn viele SPIEGEL: Bei Ihrem besten Freund, dem SPIEGEL: Haben Sie eine dieser Reisen Politiker zu Ihrer Beerdigung kämen? Bestattungsunternehmer und Buchautor schon gebucht? Bosbach: Wenn sie als Freunde kämen, ja. Fritz Roth aus Bergisch Gladbach, wurde Bosbach: Nein, keine einzige. Im nächsten Aber bitte nicht in Pflichterfüllung für vor kurzem Leberkrebs festgestellt. Auch Jahr wird nicht viel gereist, da wird ge - Partei oder Fraktion. er hat keine Chance auf Heilung. Reden kämpft. 2013 ist Bundestagswahl. SPIEGEL: Also kein Fraktionszwang? Sie mit ihm über den Tod? SPIEGEL: Womit wir wieder beim Thema Bosbach: Der Witz gefällt mir. Genau so Bosbach: Wir haben darüber ein langes, wären … Was glauben Sie, was nach dem ist es: Bei mir gibt es keinen Fraktions - sehr ernstes Gespräch geführt. Aber es Tod passiert? zwang! war nicht resignativ, nicht traurig. Fritz Bosbach: Mein Freund Willibert Pauels, SPIEGEL: Herr Bosbach, wir danken Ihnen ist ein unglaublich lebensfroher, lebens - der kölsche „Diaclown“, sagt immer: Die für dieses Gespräch.

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