Die deutsch- französischen Konsultationen in Paris

3. und 4. Februar 1975

ln Paris fand am 3. und 4. Februar das Gespräche Giscard d'Estaing­ zung statt. Staatspräsident Giscard 24. deutsch-französische Gipfeltreffen d'Esta.ing faßte danach den Verlauf .im Rahmen der von den beiden Re­ und den Inhalt dieser Gespräche im I g,ierung·en im Deutsch-Französischen Bundeskanzler Schmidt und Staats­ Festsaal des Elysee-Palastes vor den Freundschaftsvertrag von 1963 be­ präsident Giscard d'Estaing sind im Fernsehkameras zusammen, und auch schlossenen regelmäßigen Konsultati­ Elysee zu zwei vertraulichen Gesprä• Bundeskanzler Schmidt gab ari• gle.i­ onen statt. Sie werden seither alljähr• chen zusammengetroffen. Das eine cher Stelle eine Erklärung ab, wäh• lich zwei~al abgehalten, abwechselnd fand am 3. Februar nachmittags, das rend die beiden Reg.ierungssprecher in Paris und in Bonn. zwelite am Vormittag des nächsten Ta­ eine gemeinsame Pressekonferenz ab­ hielten. An den Konsultat.ionsgesprächen vom ges statt. Sie wurden wi·eder ohne Dol­ 3. und 4. Februar waren neben Bun­ metscher in englischer Sprache geführt deskanzler Helmut Schmidt und Staats­ und verliefen in einer "ausgezeichne­ Fernseherklärung von Staatspräsident präsident Valery Giscard d'Estaing be­ ten" Atmosphäre, wie der französische Giscard d'Estaing teiligt: Staatschef sagte. "Wir haben gerade mit Herrn Schmidt, Die }eweHigen Fachminister trafen sich dem Kanzler der Bundesrepublik - auf deutscher Seite: parallel h.ierzu im Quai d'Orsay zu Be­ Deutschland, und den Mitgliedern sei­ Außenminister Hans-Dietrich Gen­ sprechungen von Ressortfragen. Zum ner Regi·erung das deutsch-französi• scher, Finanzminister , Abschluß der Konsultationen fand am sche Kooperationstreffen abgehalten, Wirtschaftsminister , 4. Februar vormittags eine Plenarsit- das zweimal im Jahr, einmal in Bonn, Verteidigungsminister , Landwirtschaftsminister , Forschungsminister Hans Matthöfer, der Regierende Berliner Bürger• meister Klaus Schütz in seiner Ei­ genschaft als derzeitiger Beauftrag­ ter für deutsch-französische Kul­ turfragen, der Koordinator der deutsch-französischen Zusammen­ arbeit Carlo Schmidt, Hans-Jürgen Wischnewski, Staatsminister im Auswär~igen Amt, Regierungsspre­ cher Armin Grünewald und der Deutsche Botschafter in Paris, Si­ gismund von Braun;

- auf französischer Seite: Außenminister Jean Sauvagnar­ gues, Finanz- und Wirtschaftsmi­ nister Jean-Pierre Fourcade, Ver­ teidigungsminister Yvon Bourges, Erziehungsminister Rene Haby, Landwirtschaftsminister Chnistian Sonnet, Industrieminister Michel d'Ornano, Regierungssprecher An­ dre Rossi, der Koordinator für die Zusammenarbeit Pierre-Oiivier Lapie, Elysee-Generalsekretär Clau­ de-Pierre Brossolette, der Gene­ ralsekretär für auswärtige Angele­ genheiten Geoffroy de Courcer und der französische BAD-Botschafter Staatspräsident Glscard d'Estalng und Bundeskanzler Schmldt bel einem Ihrer vertraulichen Oliv.ier Wormser. Gespräche Im Elysee-Palast anllißllch der Konsultationsgespräche am 3. und 4. Februar 1975

1 einmal in Par.is, stattf.indet. Dies ist ein sehr wichtiges, einzigartiges Treffen. Diesmal waren achtzehn Mitglieder der deutschen und französischen Re­ gierung zur Zusammenarbeit zusam­ mengekommen, und ich glaube, daß es in der Welt kein Beispiel einer ver­ gleichbaren Kooperation gibt.

Ich habe mit dem Kanzler gestern und heute früh .intensive persönliche Ge­ spräche geführt. Wir haben die gesam­ ten aktuellen bilateralen und interna­ tionalel1 Probleme besprochen.

Man kann sagen, daß es auf b i I a­ t e r a I e r Ebene kein Problem, keine Wolken in den deutsch-französischen Beziehungen gibt. 1974 hat eine recht unterschiedl'iche Wirtschaftsentwick­ lung in der Bundesrepublik stattgefun­ den, da die Inflation in Frankr·eich hö• her war als in der Bundesrepublik. Im Jahre 1975 scheinen die Entwicklungen in unseren beiden Ländem glücklicher• weise eher vergleichbar zu verlaufen. Ich glaube, daß sich die französische Inflationsrate deutlich der deutschen Außenminister Genscher trifft ln Begleitung seines französischen Amtskollegen Sauvagnargues annähern dürfte. Dies ist von Interesse am 3. Februar Im Palais des Qual d'Orsay ein. für 1das wirtschafHiche Gleichgewicht in Europa und den Ausbau harmoni­ scher Wirtschaftsbeziehungen zwischen tisch. Zwischen der Bundesrepublik daß die französische und die deutsche unseren beiden Ländern. und Frankreich, diesen beiden sehr Wirtschaftsentwicklung sich in den großen und alten Ländern, gibt es zur letzten Monaten wieder stärker paral­ Auf e u r o p ä i s c h e r Ebene hatten Zeit keine Schwienigkeiten, keine Mei­ lelisiert hat. Dies ist ja eine notwen­ wir vor allem zwei Probleme zu prü• nungsverschiedenheiten, sondern im dige Voraussetzung für den Erfolg der fen: die bevorstehende Festsetzung Gegente.il die Bereitschaft und den Europäischen Gemeinschaft. der Agrarpreise und den britischen Willen zu einer positiven Zusammen­ Antrag auf Neuverhandlungen. Es ging arbeit." Lassen Sie mich am Schluß sagen, daß hier für uns nicht darum, gemeinsam in diesen zwölf Jahren des deutsch­ Entscheidungen zu treffen, denn es französischen Freundschaftsvertrages, handelt sich um europäische Fragen, Erklärung von Bundeskanzler Schmidt ·in denen es bisher 24 solcher Konsul­ die mit unseren Partnern erörtert wer­ tationen gegeben hat, sicherlich auf den müssen. Ich habe jedoch festge­ .. Ich möchte das Urteil, das der fran­ französischer wie auf deutscher Seite stellt, daß wir in Bezug auf di·ese Pro­ zösische Staatspräsident abgegeben die Personen gewechselt haben, aber, bleme unsere Ansichten vollkommen hat, sehr deutlich unterstreichen. Es soweit •ich es überseh.en kann, haben ausgetauscht haben und daß wir pa­ besteht gegenwärtig eine vollständige wir selten einen Augenblick zu ver­ rallele und ähnliche Auffassungen ver­ Abwesenheit von bilateralen Proble­ zeichnen gehabt, in dem die Personen treten. men zwischen unseren beiden Ländern so sehr miteinander harmonisiert und oder zwischen unseren beiden Regie­ in dem die bilateralen Probleme eine Auf i n t e r n a t i o n a I e r Ebene ha­ rungen. Infolgedessen haben wir uns so geringfügige Rolle gespielt haben." ben wir das wichtige Energieproblem hier bei dieser 24. deutsch-französi• behandelt, insbesondere die Vorberei­ schen Konsultation im wesentlichen Parallelgespräche auf Minister­ tung der Konferenz zwischen Erdöl• mit Problemen der WeltpoHtik, der ebene produzenten und Erdölverbrauchern. Weltwirtschaft und vor allen Dingen Ich habe bemerkt, daß zwischen der der Energ-iewirtschaft der Welt beschäf• Wie schon erwähnt, führten die betei­ Bundesrepublik und Frankreich be­ tigt, aber auch mit einigen Problemen ligten Fachminister im Quai d'Orsai an züglich der Vorbereitung dieser Kon­ innerhalb der Europä·ischen Gemein­ beiden Tagen ausführl·iche Ressortge­ ferenz eine Identität der Meinungen schaft. spräche, deren Inhalt sich laut AFP besteht. wie folgt zusammenfassen läßt Sowohl Frankreich als auch Deutsch­ Es bleibt natürlich noch eine Reihe land haben seit mehr als einem Jahr sehr wichtiger Probleme, die vor der versucht, darauf hinzuarbeiten, daß es Ertl - Sonnet eigentlichen Vollkonferenz erörtert zu einer Zusammenarbeit zwischen werden müssen: jedoch der Geist, in den ölproduzierenden und ölverbrau• Trotz über achtstündiger Diskussion dem wir diese Probleme anpacken, ist chenden Staaten kommt. Ich glaube, zwischen den beiden Agrarministern auf beiden Seiten des Rheins der gle·i­ wir haben beide in diesen Bemühun• haben diese keine Einigung ;in der Fra­ che. gen Erfolg gehabt. Wir freuen uns sehr, ge der NeufestlegunQ der europäi• daß demnächst eine Vorkonferenz auf schen Agrarpreise noch vor der Brüs• Man kann also sagen, daß es hinsicht­ diesem Felde stattfinden soll. Frank­ seler Agrarrunde am 10. und 11. Fe­ lich dieser drei großen aktuellen The­ reich wird dazu die Initiative ergreifen. bruar erzielt. men eine deutliche Annäherung der Wir sind auch sehr froh darüber, daß Nach Mitteilung des französischen Re­ Auffassungen der Bundesrepublik und wir in den übl'ligen Fragen der Welt­ gierungssprechers Rossi konnte im­ Frankreichs gegeben hat. Dieses Tref­ wirtschaft die Probleme mit den glei­ merhin eine Annäherung 1in der Frage fen war deshalb nützlich und prak- chen Augen sehen. Ich bin befriedigt, der spezifischen Beih.ilfen sowohl sei-

2 Plenarsitzung der deutschen und französischen Delegation Im Elysee-Palast am 4. Februar 1975 tens der Gemeinschaft als auch hin­ kannte, sondern auch garantierte bestehenden Organisationen aufgehen sichtlich der nationalen Hilfen erzielt Grenzen haben müßten. Auf dem Ge­ sollen. Die Minister erörterten ferner werden. biet der Ost-West-Beziehungen kamen die Aussichten für eine Zusammen­ beide Minister übereinstimmend zu arbeit von Organisationen und Unter­ der Ansicht, daß die Sowjetunion ge­ nehmen der Atomindustrie beider Län• Genscher - Sauvagnargues genwärtig ihre bisherige Entspan­ der bei der Entwicklung neuer Verfah­ nungspolitik nicht ,in Frage zu stellen ren, insbesondere was die Hochtem­ zw,ischen den beiden Außenministern scheine. peratur-Reaktoren, die Schnellbrüter nahm der euro-arabische Dialog einen und den Bau von Siedewasserreakto­ ren betrlfft. breiten Raum ein. Beide äußerten die Michel d'Ornano - Friderichs - Auffassung, daß dieser Dialog in kei­ Matthöfer ner Weise verlangsamt werden dürfe. Sauvagnargues unterrichtete Genscher Der Meinungsaustausch zwischen die­ Bourges - Leber ferner über den jüngsten Besuch des sen Ministern galt der Vorbereitung Die Verteidigungsminister Yvon Bour­ ägyptischen Staatspräsidenten Sadat des Energierates am 13. Februar, den ges und Georg Leber bestätigten im in Paris, den ·er als einen ., positiven energiepolitischen Maßnahmen der Verlauf .ihrer gemeinsamen Gesprä• Faktor" nicht nur in den französisch• beiden Länder sowie der Raumfahrt che das Interesse beider Regierungen ägyptischen Beziehungen, sondern und der Zusammenarbeit auf nuklea­ an der militärischen Zusammenarbeit. auch in der gesamtpolitischen Entwick­ rem Gebiet. Im Raumfahrtbereich spra­ Sie bekundet·en

3 Schütz - Haby Carlo Schmldt - Pierre-Oiivler Lapie ken, wenn diese Abstimmung abge­ schlossen sei. Sowohl Frankreich als Der Regierende Westberliner Bürger• Die Koordinatoren für die deutsch­ auch die Bundesrepublik seien der meister Klaus Schütz, der in seiner französische Zusammenarbeit, Profes­ Auffassung, daß diese Vorkonferenz Eigenschaft als Bevollmächtigter der sor Carlo Schmidt und sein französi• ohne weitere Verzögerung beginnen Länder für kulturelle AngelegenheUen scher Kollege Pierre-Oiivi·er Lapie, solle. Um eine Übereinstimmung im Rahmen des deutsch-französischen legten ihrerseits einen Bericht über innerhalb der EG, die bisher noch Freundschaftsvertrages ebenfalls nach die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Zu­ nicht erzielt worden sei, solle man Paris gekommen war, erörterte mit sammenarbeit vor. sich in der ZeH zwischen der Vor­ dem französischen Erziehungsminister und der Hauptkonferenz bemühen. Rene Haby die Möglichkeiten für eine Pressekonferenz der beiden Wie der Sprecher der Bundesregie­ Verbesserung des Jugendaustausches Regierungssprecher rung mitteilte, spielten die jüngsten zwischen den beiden Ländern. Die Vorschläge von US-Außenminister Die be.iden Regierungssprecher, Andre Gesprächspartner befaßten sich ferner Kissinger über die Erdölp~eise keine Rossi auf französischer Seite und Ar­ mit dem Experiment der deutsch-fran­ Rolle bei den Pariser Gesprächen. Er min Grünewald auf deutscher Seite, zösischen Gymnasien, insbesondere fügte hinzu, die Bundesregierung habe teilten auf ihrer gemeinsamen Presse­ am Beispiel Saarbrücken. Haby kün• sich zu diesen Vorschlägen noch keine konferenz am 4. Februar noch nähere digte in diesem Zusammenhang für Meinung gebildet. E~nzelheiten über die Ergebnisse die­ September 1975 die Eröffnung einer ses Gipfeltreffens mit. Sie erklärten, Wichtig sei für Frankreich und Deutsch­ deutsch-französischen Sektion im die Konzertierung mit den übrigen land, daß die bevorstehende Konfe­ Lycee Hoche ·in Versailles bei Paris teilnehmenden Verbraucher- und Er­ renz der Ölexport- und Verbraucher­ an. Weitere Diskuss·ionsthemen waren zeugerländern, um eine Einigung über staaten zu einem "substantiellen und die Probleme der gegenseitigen An­ die Einberufung einer Energie-Vorkon­ für alle annehmbaren Ergebnis" führt. erkennung von Diplomen sowie der ferenz zu erzielen, sei noch im Gange. Dies gelte auch für die mit der Ölkrise geplante Austausch von rund 100 Vor­ Frankreich werde dann die Einladun­ verbundenen währungspolitischen und schullehrkräften in den Jahren 75/76. gen zu dieser Vorkonferenz verschik- Zahlungsbilanzfragen.

Außenminister Sauvagnargues über Europa-Probleme und lnternational.e Fragen

Der französische Rundfunksend.er "France Culture" hat am doer Gemeinschaft eine Zone der Selbstgenügsamkeit und 22. Februar eine große Debatte über Europa organisiert, an eine Zone des Exports von Agrarerzeugnissen zu machen, der auch Außenminister Sauvagnargues teilgenommen hat. was die geordnete Einkommensentwicklung der Erzeuger Er fand dabei Gelegenheit, einige Wochen vor der Rats­ gewährleiste und gleichzeitig die Interessen der Verbrau­ sitzung in Dublin die Haltung der französischen Regierung cher berücksichtige. zu den großen aktuellen Problemen Europas zu präzisieren. Sauvagnargues äußerte seine Zufriedenheit über die Art Die französische Regierung werde sich bemühen, ein Sys­ und Wei.se, wie die Verhandlungen über die Festsetzung der tem zu erarbeiten, das der gemeinsamen Agrarpol·itik mehr Agrarpreise für die Produkte des nächsten Landwirtschafts­ ElasNzität verleihe, ohne daß dadurch das Wesentliche in jahres abgeschlossen worden sind. Frage gestellt werde; so könnten zum Beispiel nationale, vertragsgemäße Be.ihilfen zu •einer solchen Elastizität bei­ Hinsichtlich der "Inventur" der gemeinsamen Agrarpolitik, tragen. welche d·ie Kommission bald vorlegen müsse, erinnerte der Minister daran, daß Frankreich sich einer solchen Bilanz keineswegs widersetzt habe und betonte, daß die französi• Wirtschafts- und Währungsunion sche Regierung zu Anpassungen unter Respektierung der Nachdem er daran erinnert hatte, daß das Pariser Gipfel­ grundlegenden Prinzipien bereit sei. treffen dieses Ziel bejaht habe, wies der Minister auf die Das Wesentliche sei, sagte er, der Substanz der gemein­ Notwendigkeit für die Mitgliedsländer hin, abgestimmte und samen Agrarpolitik treuzubleiben, die dazu beitrage, aus konvergierende Wirtschaftspolitiken f·estzulegen.

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