Bulletin Der Bundesregierung
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BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG Nr. 116-2 vom 28. Oktober 2007 Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auf dem Asienkongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 26. Oktober 2007 in Berlin: Sehr geehrter Herr Pitsuwan, Herr Mittal, Herr Hambrecht, lieber Volker Kauder, Peter Ramsauer, Eckart von Klaeden, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste heute hier, ich bin sehr dankbar dafür, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion diesen Asienkon- gress durchführt. Die große Zahl der Teilnehmer zeigt ja auch, dass hier ein Thema aufgegriffen wird, dass von allseitigem und breitem Interesse ist. Die Arbeitsgruppe Auswärtiges hat die Initiative zu diesem Kongress ergriffen. Der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder – er wird darüber berichtet haben – war ja auch in diesem Jahr mit einer Delegation in Indien. Ich glaube, es ist richtig, dass wir unser Augenmerk auf die Entwicklungen in Asien lenken – auf die politischen Entwicklungen, die wirtschaftlichen Entwicklungen und die gesellschaftlichen Entwicklungen. Das ist schon allein deshalb notwendig, weil unsere Welt immer schneller zusammenwächst. Das kennzeichnen wir mit dem Wort der Globalisierung – schneller Wandel. Und dieser Wandel hat Ursachen: Das Ende des Kalten Krieges, eine vollkommen neue Dynamik, mehr Freiräume auf der Welt, aber auch vollkommen veränderte Interessenkollisionen. Während der Zeit des Kal- ten Krieges waren die Interessen auch sehr stark dominiert von der Frage: Zu wem gehörst du, bist du eher im amerikanischen Einflussbereich oder bist du eher im sow- Bulletin Nr. 116-2 vom 28. Okt. 2007 / BKin – auf Asienkongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - 2 - jetischen Einflussbereich? Daraus ergab sich eine bestimmte Interessenkoalition o- der -konstellation. Wir können insbesondere an Afrika sehen – was nun heute nicht unser Thema ist – dass nach dem Ende des Kalten Krieges viele Staaten sich selbst überlassen wur- den, weil plötzlich das globale Interesse nicht mehr so da war. Ich glaube, dass der asiatische Kontinent aus dieser neuen Interessengegebenheit nach dem Ende des Kalten Krieges in sehr, sehr hohem Maße auch seine Dynamik geschöpft hat, seine eigenen Entwicklungspotentiale genutzt hat und nun selber darüber nachdenkt: Wie können wir unsere Kräfte bündeln und unsere Ideen zusammenbringen? Mit dem Ende des Kalten Krieges ging auch eine technische Entwicklung einher, die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie hat die Gesell- schaften massiv verändert. Wir spüren das in unserer Gesellschaft. Informationen sind in Sekundenschnelle verfügbar. Eine Ausschreibung um die kostengünstigste Produktion kann heute innerhalb von Stunden um die ganze Welt verteilt werden. Insofern sind hier vollkommen neue Qualitäten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit entstanden. Das wird noch erweitert durch die global agierenden Finanzmärkte, die natürlich ohne die Entwicklung der Informationstechnologie auch überhaupt nicht denkbar wären. Dies hat dazu geführt, dass wir einem Kontinent Asien begegnen, der sich in einer ungeahnten Dynamik in den letzen Jahren entwickelt hat. Wir kannten das von Japan schon lange Zeit vor dem Ende des Kalten Krieges. Aber jetzt umfasst dies viele Länder. Stellvertretend möchte ich an dieser Stelle nur Indien und China erwähnen. Ich könnte aber auch viele andere nennen. Was bedeutet das jetzt für uns? Asien hat einen Anteil an der Weltbevölkerung von über 50 Prozent. Asien ist verantwortlich für die robusten Wachstumszahlen der Weltwirtschaft. Wenn wir uns in Europa die Dinge anschauen, dann bemerken wir sehr schnell, dass wir auch ein Interesse an einer stabilen Entwicklung Asiens mit einem großen Wachstum haben sollten. Denn wir wissen natürlich, dass unsere eu- ropäischen Märkte in hohem Maße beschränkt sind. In der Bevölkerungsentwicklung haben wir ein demografisches Problem. Es ist nicht abzusehen, dass der Konsum Bulletin Nr. 116-2 vom 28. Okt. 2007 / BKin – auf Asienkongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - 3 - massiv wächst. Deshalb sind die Wachstumsmöglichkeiten – nicht umsonst sitzt ja Herr Hambrecht heute hier, stellvertretend für viele aus der Wirtschaft – für uns, auch im Bereich von Forschung und Entwicklung bis hin zur Produktion, eng verknüpft mit den Wachstumsgegebenheiten im asiatischen Raum. Interessant ist, dass wir aber auch ein Asien erleben, das nicht nur die wirtschaftliche Dynamik aufsaugt und dass dort unglaublich viel in Bewegung ist, sondern dass Schritt für Schritt auch in Asien das Gefühl wächst, dass wir vor gemeinsamen, glo- balen Herausforderungen stehen. Und meine These ist sowieso, je stärker in Län- dern die wirtschaftliche Entwicklung Raum greift, je mehr die Menschen Chancen haben, ihren eigenen Wohlstand zu verbessern, umso stärker wird natürlich auch die Erwartung an das politische Gewicht und an die Beiträge zur Lösung von Konflikten, die wir überall haben. Außerdem ist uns in den letzten Jahren durch die großen Wachstumsraten, gerade in der industriellen Produktion, die Endlichkeit der Rohstoffreserven vor Augen geführt worden. Und die Rohstoffdiskussionen in Deutschland finden heute natürlich auf ei- nem ganz anderen Niveau und in einem ganz anderen Umfeld statt, als es vor vielen Jahren war. Der BDI führt heute Rohstoffkongresse durch, auf denen erkennbar wird, dass bei allem, was wir an privatem Engagement in Deutschland haben werden, es nicht zu erwarten ist, dass der deutsche Staat große Erz- und Kohleminen irgendwo auf der Welt kauft, auch Kupfer nicht und anderes. Aber es wird auch für uns erkennbar, dass wirtschaftliche Rahmenbedingungen und politisches Handeln – um zuverlässige Partner zu bekommen oder Krisen in bestimmten Regionen zu lösen, die Unterneh- men davon abhalten, in diesen Regionen vernünftige Geschäfte zu machen – in ei- nem bestimmten Maße zusammenhängen, stärker als man es vielleicht früher gese- hen hat. Es gibt natürlich ein hohes Interesse der deutschen Wirtschaft daran, dass gute Re- gierungsführung, transparente Regierungsführung, Kampf gegen Korruption in unse- ren Partnerländern langsam Einzug hält, damit wir auch verlässliche und transparen- te Handelsbeziehungen haben können. Das heißt, die Energieversorgung und die Bulletin Nr. 116-2 vom 28. Okt. 2007 / BKin – auf Asienkongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - 4 - Rohstofflieferung sind zentrale Themen, die uns auch in den nächsten Jahren sehr, sehr beschäftigen werden. Der Klimawandel ist natürlich eine weitere globale Herausforderung. Auch hier ist klar, dass in den nächsten Jahren Verantwortung nur gemeinsam wahrgenommen werden kann. Die Europäer haben dieses Thema oben auf die Tagesordnung ge- setzt. Ich finde das auch richtig. Aber es ist vollkommen klar, mit einem Anteil der Europäischen Union von 15 Prozent an den Gesamt-CO2-Emmissionen werden wir das Problem nicht lösen, wenn nicht auch andere Länder Verantwortung überneh- men. Wir haben einen Kontinent Asien, der über die meisten Nuklearmächte verfügt. Das ist natürlich auch eine Herausforderung. Wir haben am Thema Nordkorea gesehen, dass hier China erfreulicherweise in einem beeindruckenden Maß Mitverantwortung übernommen hat. Ich wage die Behauptung, ohne das chinesische Engagement wä- re die Eindämmung des nordkoreanischen Atomprogramms so nicht möglich gewe- sen. Wir hatten es früher nicht in diesem Maße, dass wir auf aktive asiatische Partner angewiesen sind, die aus ihrer Nachbarschaft, aus ihren eigenen Interessen heraus, hier auch handeln. Und dies wird sich verstärken. Wir wissen zum Beispiel, dass es ohne chinesische Mittel auch im Sudan ganz, ganz schwer wird, hier den Konflikt zu lösen. Das heißt, wir sind gemeinsame Akteure, wenn wir es schaffen, auch gemein- same Werte zu teilen. Und wir haben einen asiatischen Kontinent, bei dem uns na- türlich Sorgen macht, wie viele terroristische Herausforderungen wir zu bewältigen haben. Das gilt für Pakistan, das gilt für Indien, das gilt für Indonesien, wenn wir uns auch an die Anschläge auf Bali im Jahre 2002 erinnern. Das heißt, eine stabile politische Entwicklung Asiens ist für uns von allergrößtem In- teresse. Ich will nicht verhehlen und man muss es sich immer wieder vor Augen füh- ren: Pakistan ist heute auch eine Nuklearmacht. Die politischen Verhältnisse in Pa- kistan sind, was die Stabilität anbelangt, zumindest nicht so, dass wir dort sorgenfrei in die Zukunft blicken können. Das heißt, stabile politische Systeme in Kombination mit nötigen militärischen Möglichkeiten sind wichtig. Und wir sollten auch nicht auf- geben, dass wir uns um zukunftsfähige Abrüstungsmechanismen bemühen. Denn die Frage, wie sich das weiterentwickelt, ist natürlich von zentraler Bedeutung. Und Bulletin Nr. 116-2 vom 28. Okt. 2007 / BKin – auf Asienkongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - 5 - dies macht vielleicht auch klar, welche Brisanz mit der Frage verbunden ist, wenn auch der Iran in den Besitz atomarer Waffen kommen sollte, und warum die Weltge- meinschaft sich an dieser Stelle ganz entschieden dafür einsetzt, dass der Iran diese nicht bekommt. Denn das würde, einmal abgesehen von den Dingen, die der Iran politisch vertritt, eine Welle von Wünschen nach nuklearer Bewaffnung heraufziehen lassen, die nicht in unserem Interesse sein kann. Deshalb haben wir also hier auch große gemeinsame Probleme. Das heißt aber, wir sollten an die Herausforderungen auch mit Blick auf Asien nicht mit Angst herangehen, sondern so, wie es das Konzept der Bundestagsfraktion auf- zeigt: Die Chancen sehen, die Möglichkeiten sehen, aber die Probleme natürlich auch nicht unter den Tisch kehren und deshalb sehr nüchtern unsere